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---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
2ec52a1e-e04b-4385-9544-25069e6aad41 | Urteilskopf
104 V 90
21. Urteil vom 27. April 1978 i.S. Bundesamt für Sozialversicherung gegen K. und Verwaltungsgericht des Kantons Luzern | Regeste
Art. 28 Abs. 2 IVG
.
Zur Bestimmung des Soziallohnes ist auch beim umgeschulten und wiedereingegliederten Invaliden allein entscheidend, was seine Arbeitsleistung in Geld ausgedrückt wert ist.
Was der Arbeitgeber darüber hinaus freiwillig mehr leistet, fällt beim Einkommensvergleich ausser Betracht. | Sachverhalt
ab Seite 90
BGE 104 V 90 S. 90
A.-
K. arbeitet seit 1955 auf einer Gemeindeverwaltung, von 1960 bis 1972 als stellvertretender Chef des Teilungsamtes. Wegen zunehmender Sehschwäche wurde er 1972 von der Invalidenversicherung zum Telefonisten umgeschult. Seit 1. September 1972 ist er in der Gemeindeverwaltung an einer speziell eingerichteten Blindbedienungs-Telefonzentrale eingesetzt.
Mit Verfügung vom 18. April 1973 sprach ihm die Ausgleichskasse des Kantons Luzern mit Wirkung ab 1. September 1972 eine halbe Invalidenrente zu. Auf Beschwerde hin stellte das Verwaltungsgericht Luzern am 24. Oktober 1973 fest, dass K. Anspruch auf eine ganze Rente habe.
In dem Ende 1975 eingeleiteten Revisionsverfahren kam die Invalidenversicherungs-Kommission zum Schluss, der Invaliditätsgrad sei auf 62% gesunken, worauf die Ausgleichskasse mit Verfügung vom 12. August 1976 die bisherige ganze Rente ab 1. September 1976 durch eine halbe ersetzte.
BGE 104 V 90 S. 91
B.-
Mit Urteil vom 16. August 1977 hiess das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern die Beschwerde des Versicherten gut, hob die Kassenverfügung vom 12. August 1976 auf und verpflichtete die Ausgleichskasse zur Weiterausrichtung der ganzen Rente ab 1. September 1976. Das kantonale Gericht ging - wie schon in seinem ersten Verfahren - davon aus, ohne Invalidität hätte K. (der im Jahre 1958 das Gemeindeschreiberpatent erworben hatte) Gemeindeschreiber von X. werden können; als solcher hätte er im Jahre 1975 ein Erwerbseinkommen von Fr. 77'855.- erzielt. Diesem hypothetischen Einkommen setzte es den Leistungslohn als Telefonist gegenüber, den es für das Jahr 1976 mit Fr. 24'700.- bezifferte. Daraus ergab sich für den massgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Verfügung ein Invaliditätsgrad von über zwei Dritteln.
C.-
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt das Bundesamt für Sozialversicherung, es sei festzustellen, dass K. keinen Anspruch auf eine Invalidenrente habe; eventuell sei ihm bloss eine halbe Rente zuzusprechen. Das Bundesamt vertritt die Ansicht, ohne Invalidität wäre K. nicht Gemeindeschreiber in X. geworden, sondern Chef des Teilungsamtes der Gemeinde, wobei sich sein Gehalt im Jahre 1976 auf Fr. 60'392.- belaufen hätte. Als Invalideneinkommen setzt das Bundesamt das von der Gemeinde im Jahre 1976 effektiv ausgerichtete Gehalt von Fr. 34'592.- ein und bestreitet, dass die Differenz zwischen diesem Betrag und dem von der Gemeinde als Leistungslohn bezeichneten Betrag von Fr. 24'700.- einen "Soziallohn im eigentlichen Sinne" darstelle. Aus den beiden Vergleichseinkommen von Fr. 60'392.- und Fr. 34'592.- (beide bezogen aufs Jahr 1976) errechnet das Bundesamt einen Invaliditätsgrad von 43%, weshalb K. keinen Anspruch auf eine Rente habe. Würde man das Einkommen des Gemeindeschreibers von X. heranziehen, so ergäbe sich bei einem Invaliditätsgrad von 61% ein Anspruch auf eine halbe Rente.
K. lässt Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragen.
Erwägungen
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Gemäss
Art. 28 Abs. 2 IVG
, in analoger Weise anwendbar für die Revision einer Rente nach
Art. 41 IVG
, ist
BGE 104 V 90 S. 92
für die Bemessung der Invalidität das Erwerbseinkommen, das der Versicherte nach Eintritt der Invalidität und nach Durchführung allfälliger Eingliederungsmassnahmen durch eine ihm zumutbare Tätigkeit bei ausgeglichener Arbeitsmarktlage erzielen könnte, in Beziehung zu setzen zum Erwerbseinkommen, das er erzielen könnte, wenn er nicht invalid geworden wäre. Im vorliegenden Fall sind beide Vergleichseinkommen streitig.
2.
Der Beschwerdegegner arbeitet seit 1. September 1972 als Telefonist einer Gemeindeverwaltung. Es ist unbestritten, dass er dort zweckmässig eingegliedert ist. Er erhielt von der Gemeinde im Jahre 1975 total Fr. 32'544.- ausbezahlt, im Jahre 1976 Fr. 34'592.-, wobei die Gemeinde bloss ca. 70% (Fr. 24'700.- im Jahre 1976) als Leistungslohn erachtet; die Differenz von Fr. 9'892.- (aufs Jahr 1976 bezogen) bezeichnet die Gemeinde als "Sozial-Mehrleistung", mit der sie bezweckt, ihren langjährigen Angestellten unter Einbezug der ganzen Invalidenrente nicht schlechter zu stellen, als wenn er ohne Invalidität Chef des Teilungsamtes geworden wäre und dabei Fr. 60'392.- verdient hätte.
Das Bundesamt für Sozialversicherung meint, bei der von der Gemeinde als "Sozial-Mehrleistung" bezeichneten Differenz von Fr. 9'892.- handle es sich nicht um einen "Soziallohn im eigentlichen Sinn"; von einem solchen könnte nur gesprochen werden, wenn die Gemeinde ihrem Angestellten Fr. 24'700.- pro Jahr ausbezahlen würde und der Leistungslohn wegen der Behinderung unter diesem Betrag läge.
Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Eine freiwillige Sozialleistung (oft als "Soziallohn" bezeichnet) liegt vor, soweit die Leistungen des Arbeitgebers den Wert der geleisteten Arbeit übersteigen (Rz. 77 der Wegleitung des Bundesamtes für Sozialversicherung über Invalidität und Hilflosigkeit). Dabei kann es keinen Unterschied ausmachen, ob der Invalide den Beruf, auf den er umgeschult wurde, voll erfüllt oder nicht. Entscheidend ist, was seine Arbeitsleistung in Geld ausgedrückt wert ist; was der Arbeitgeber darüber hinaus freiwillig mehr leistet, fällt beim Einkommensvergleich ausser Betracht.
Die Gemeinde schätzt den Leistungslohn des Beschwerdegegners mit Fr. 24'700.- (1976) ein. Es fragt sich, ob die Vorinstanz zu Recht diese Einschätzung übernommen hat.
BGE 104 V 90 S. 93
Dies ist zu bejahen. Zwar müssen die Angaben des Arbeitgebers jeweils einer kritischen Prüfung unterzogen werden, weil sie u.U. von eigenen Interessen beeinflusst sein können. Im vorliegenden Fall besteht indes kein Anlass, den Angaben der Gemeinde zu misstrauen. Sie bestätigte am 20. Juni 1977 gegenüber der Vorinstanz, sie würde eine Telefonistin mit einem monatlichen Brutto-Anfangslohn von Fr. 1'600.- bis Fr. 2'000.- (je nach Alter, Ausbildung und Praxis) engagieren; die KV-Norm 1977 laute für Lehrentlassene mit zweijähriger Lehrzeit Fr. 1'400.- bis Fr. 1'600.- im Monat. Für 1976 und 1975 ist offenbar mit etwas tieferen Beträgen zu rechnen. Berücksichtigt man einerseits diese Zahlen sowie den Umstand, dass der Beschwerdegegner praktisch blind ist und eine eigens angeschaffte Spezialtelefonzentrale benötigt, anderseits aber, dass er sich am jetzigen Arbeitsplatz seine langjährige Erfahrung in der Gemeindeverwaltung zu Nutze machen kann, so ist es nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz einen Leistungslohn als Invalider von Fr. 24'700.- zugrundegelegt hat.
3.
Zur Bestimmung des hypothetischen Einkommens ging die Vorinstanz davon aus, ohne Invalidität wäre der Beschwerdegegner Gemeindeschreiber von X. geworden. Hiervon war sie schon in ihrem (ersten) Urteil vom 24. Oktober 1973 ausgegangen.
Das Bundesamt für Sozialversicherung vertritt demgegenüber die Auffassung, ohne Invalidität wäre der Beschwerdegegner mit grösster Wahrscheinlichkeit Chef des Teilungsamtes mit einem Jahresgehalt von Fr. 60'392.- (1976) geworden.
Gemäss Rz. 219 der Wegleitung über Invalidität und Hilflosigkeit darf im Revisionsverfahren "nicht ohne zwingende Notwendigkeit von den der ursprünglichen Invaliditätsbemessung zugrunde gelegten Kriterien abgewichen werden". Diese Verwaltungsweisung steht im Einklang mit der Gerichtspraxis (ZAK 1969 S. 743 sowie das nicht publizierte Urteil i.S. Agnes Gerster vom 31. März 1976). Zwischen dem Rentenentscheid vom 24. Oktober 1973 und der angefochtenen Revisionsverfügung vom 12. August 1976 haben sich keine neuen Fakten ergeben und es sind auch sonstwie keine Anhaltspunkte ersichtlich, die dazu veranlassen könnten, das hypothetische Vergleichseinkommen nach anderen Kriterien zu bestimmen, als es seinerzeit geschehen war. Nachdem sich die Verhältnisse
BGE 104 V 90 S. 94
beim Beschwerdegegner nicht verändert haben, ist die Anwendung der gleichen Bemessungskriterien Voraussetzung dafür, dass überhaupt bestimmt werden kann, ob sich der Invaliditätsgrad im Sinne von
Art. 41 IVG
verändert hat oder nicht.
Falls das Bundesamt für Sozialversicherung meinen sollte, das Abstellen auf den Lohn des Gemeindeschreibers von X. sei schon im seinerzeitigen Rentenentscheid unzutreffend gewesen, dann könnte dieser Gesichtspunkt als Grund für eine Rentenrevision nur dann in Betracht fallen, wenn sich jene seinerzeitige Beurteilung als zweifellos unrichtig erweisen würde. Davon aber kann nicht die Rede sein. Das Verwaltungsgericht hatte am 24. Oktober 1973 einlässlich erwogen und begründet, weshalb als Vergleichseinkommen dasjenige des Gemeindeschreibers von X. heranzuziehen ist. Bezeichnenderweise hatte denn auch das Bundesamt für Sozialversicherung jenen Entscheid nicht angefochten. Es ist schliesslich auch an die Vernehmlassung zu erinnern, welche die Invalidenversicherungs-Kommission im gegenwärtigen Verfahren am 28. Oktober 1976 der Vorinstanz erstattete: die Invalidenversicherungs-Kommission ging dort davon aus, "dass der Versicherte ohne Invalidität mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Gemeindeschreiber von X. wäre".
Das vorinstanzliche Urteil vom 16. August 1977 ist somit auch in diesem Punkt nicht zu beanstanden. Gegen den Betrag, auf welchen die Vorinstanz das Einkommen des Gemeindeschreibers von X. errechnet hat, erhebt das Bundesamt für Sozialversicherung keine Einwendungen. Es besteht auch kein Anlass, von Amtes wegen darauf zurückzukommen.
Dispositiv
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. | null | nan | de | 1,978 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
2ec6b9d9-0853-4270-a342-5e6a9e37be14 | Urteilskopf
136 V 268
32. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. H. gegen Ausgleichskasse des Kantons Bern (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
9C_142/2010 vom 12. August 2010 | Regeste
Art. 99 BGG
;
Art. 52 AHVG
; Art. 568 Abs. 3, Art. 579 Abs. 1,
Art. 591 und 592 OR
; Haftung des ausgeschiedenen Gesellschafters für Beitragsschulden der (ehemaligen) Kollektivgesellschaft.
Die (subsidiäre und persönliche) Haftung des ausgeschiedenen Gesellschafters für Schulden der (ehemaligen) Kollektivgesellschaft gemäss
Art. 568 Abs. 3 OR
bei Weiterführung des Unternehmens als Einzelfirma durch einen der bisherigen Gesellschafter nach Massgabe des
Art. 579 Abs. 1 OR
(vgl. dazu E. 2.3.1; zur Abgrenzung gegenüber der Übernahme nach
Art. 181 OR
: E. 2.3.2) umfasst auch AHV-Beitragsschulden. Änderung der Rechtsprechung gemäss
BGE 119 V 389
E. 7 S. 400 f. (E. 4.1 und 4.2).
Aus der gesetzlichen Regelung, welche den Schadenersatzanspruch nach
Art. 52 AHVG
als persönlichen öffentlichrechtlichen Anspruch gegen den Arbeitgeber konstituiert und von den Gesellschaftsschulden unterscheidet, ergibt sich, dass der ausgeschiedene Gesellschafter unter Umständen während eines bedeutend längeren Zeitraums als der Verjährungsfrist gemäss Art. 591 oder 592 OR zur Rechenschaft gezogen werden kann (E. 2.6).
Eine Schadenersatzforderung nach
Art. 52 AHVG
kann - auch noch in oberer Instanz - in eine Beitragsforderung umgedeutet werden (E. 4.4 und 4.5). | Sachverhalt
ab Seite 269
BGE 136 V 268 S. 269
A.
A.a
Im Jahre 1994 wurde die Kollektivgesellschaft X. mit Sitz in T. gegründet, bestehend aus den beiden Gesellschaftern H. und R. Am 12. Mai 2003 wurde die Gesellschaft infolge Austritts von H. aufgelöst und im Mai 2003 im Handelsregister gelöscht. R. führte das Geschäft unter der Einzelfirma S. weiter. Am 8. Dezember 2005 wurde über diese Firma der Konkurs eröffnet und am 27. Januar 2006 mangels Aktiven eingestellt.
A.b
Mit Verfügung vom 15. August 2007 und Einspracheentscheid vom 12. März 2008 forderte die Ausgleichskasse des Kantons Bern (nachfolgend: Ausgleichskasse) von H. Schadenersatz für nicht
BGE 136 V 268 S. 270
bezahlte Sozialversicherungsbeiträge der Jahre 1998 bis 2003 (einschliesslich Verzugszinsen und Kosten) in der Höhe von Fr. 85'919.85.
B.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern wies die von H. dagegen eingereichte Beschwerde mit Entscheid vom 12. Januar 2010 ab.
C.
H. erhebt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und es sei festzustellen, dass er nicht schadenersatzpflichtig sei.
Die Ausgleichskasse schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) hat keine Vernehmlassung eingereicht.
Mit Verfügung des Instruktionsrichters vom 16. April 2010 wurde der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkannt.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
2.1
Der von der Beschwerdegegnerin geltend gemachte Schaden liegt darin, dass die Kollektivgesellschaft X. die paritätischen Beiträge (
Art. 5 und 12-14 AHVG
) für die Jahre 1998 bis 2003 unvollständig bezahlt hat. Diese Beiträge wurden aufgrund einer Arbeitgeberschlusskontrolle und Nachkontrolle mit Verfügungen vom 28. November 2003 (vorsorglich zur Verjährungsunterbrechung) und 24. September 2004 veranlagt und blieben unbezahlt. Die Verfügungen ergingen an "X., p.A. R. in T." bzw. an "X., p.A. S., R. in T.". Der Beschwerdeführer macht geltend, diese Veranlagungsverfügungen seien ihm gegenüber nichtig, da er in dieses Verfahren nicht einbezogen worden sei; zudem sei die Forderung gemäss Art. 181 Abs. 2 i.V.m.
Art. 592 Abs. 2 Satz 2 OR
verjährt.
2.2
Die Schadenersatzforderung ist von der Beitragsforderung zu unterscheiden (
BGE 123 V 168
E. 3a und 3b S. 171 f.;
BGE 121 III 382
E. 3c S. 385; SVR 2006 AHV Nr. 9 S. 35, H 162/01 E. 5.2.2; Urteil 9C_720/2008 vom 7. Dezember 2009 E. 5.5.1; UELI KIESER, Alters- und Hinterlassenenversicherung, in: Soziale Sicherheit, SBVR Bd. XIV, 2. Aufl. 2007, S. 1292; THOMAS NUSSBAUMER, Das Schadenersatzverfahren nach
Art. 52 AHVG
, in: Aktuelle Fragen aus dem Beitragsrecht der AHV, 1998, S. 97 ff., 101; MARCO REICHMUTH, Die Haftung des Arbeitgebers und seiner Organe nach
Art. 52 AHVG
, 2008, S. 33). Erstere entsteht erst, wenn Letztere nicht mehr erhoben werden kann (nicht publ. E. 1).
BGE 136 V 268 S. 271
2.3
Nach der Rechtsprechung fällt die Kollektivgesellschaft mit ihrer Auflösung gegenüber der Ausgleichskasse als beitragsabrechnungs- und beitragsablieferungspflichtige Arbeitgeberin im Sinne von
Art. 12 AHVG
aus (
BGE 119 V 389
E. 5c S. 397 f.). Das ändert aber nichts daran, dass die einzelnen Beitragsforderungen in analoger Anwendung der privatrechtlichen Regelungen auf eine allenfalls übernehmende Arbeitgeberin übergehen, diese somit für die von der Rechtsvorgängerin geschuldeten Beiträge einzustehen hat (
BGE 119 V 389
E. 6b S. 399). Wird eine Kollektivgesellschaft aufgelöst und führt einer der bisherigen Gesellschafter das Unternehmen weiter, so sind dafür nach der hier massgebenden, vor dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes vom 3. Oktober 2003 über Fusion, Spaltung, Umwandlung und Vermögensübertragung (Fusionsgesetz, FusG; SR 221.301) geltenden zivilrechtlichen Rechtslage zwei Formen möglich:
2.3.1
Der Übernehmende kann nach
Art. 579 Abs. 1 OR
das Geschäft als Einzelfirma weiterführen; das Gesellschaftsvermögen geht in sein Alleinvermögen über und er haftet primär und persönlich für die Gesellschaftsschulden. Der Ausgeschiedene kann nur unter den Voraussetzungen von
Art. 568 Abs. 3 OR
persönlich belangt werden; der Konkurs des ehemaligen Gesellschafters und nunmehrigen Einzelunternehmers wird dem Konkurs der Gesellschaft im Sinne von
Art. 568 Abs. 3 OR
gleichgestellt (
BGE 101 Ib 456
E. 2c und 2d S. 460 f.; Urteile 4A_591/2009 vom 18. März 2010 E. 4.1; 4A_67/2007 vom 15. Juni 2007 E. 2.1; DANIEL STAEHELIN, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht, Bd. II, 3. Aufl. 2008, N. 2 zu
Art. 579 OR
; HANDSCHIN/CHOU, Zürcher Kommentar, 4. Aufl. 2009, N. 21 ff. zu
Art. 579 OR
; RETO VONZUN, Rechtsnatur und Haftung der Personengesellschaften, 2000, S. 259). Die Forderungen von Gesellschaftsgläubigern gegen den ausgeschiedenen Gesellschafter verjähren gemäss
Art. 591 Abs. 1 OR
(HANDSCHIN/CHOU, a.a.O., N. 34 zu
Art. 591-593 OR
mit weiteren Hinweisen).
2.3.2
Es können aber auch die Aktiven und Passiven nach
Art. 181 OR
auf den übernehmenden Gesellschafter übertragen werden (HANDSCHIN/CHOU, a.a.O., N. 30 ff. zu
Art. 579 OR
). In Bezug auf die Aktiven hat das keine Universalsukzession zur Folge (RUDOLF TSCHÄNI, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht, Bd. I, 4. Aufl. 2007, N. 1 zu
Art. 181 OR
). Für die Passiven haftet der Übernehmende, sobald die Übernahme mitgeteilt oder in öffentlichen Blättern ausgekündigt worden ist; der ausgeschiedene Gesellschafter
BGE 136 V 268 S. 272
haftet noch solidarisch während zweier bzw. dreier Jahre (
Art. 181 Abs. 2 OR
in der bis Ende Juni 2004 und in der ab 1. Juli 2004 geltenden Fassung;
Art. 592 Abs. 2 Satz 2 OR
; HANDSCHIN/CHOU, a.a.O., N. 31 zu
Art. 591-593 OR
).
2.4
In casu sind die Gesellschafter in der Vereinbarung zur Auflösung der Kollektivgesellschaft übereingekommen, dass R. das Unternehmen nach
Art. 579 OR
als Einzelfirma weiterführt. In einem weiteren Abschnitt wurde vermerkt: "Die solidarische Haftbarkeit von H. für bestehende Schulden besteht gegenüber Dritten nur noch während zwei Jahren (
Art. 181 Abs. 2 OR
)". Scheint somit zwischen den Gesellschaftern eine gewisse Unklarheit bestanden zu haben, ob die Weiterführung des Geschäfts nach
Art. 181 OR
oder nach
Art. 579 Abs. 1 OR
erfolgt, so entstand jedenfalls Klarheit durch den Eintrag im Handelsregister, welcher gegenüber gutgläubigen Dritten massgeblich ist (
Art. 933 OR
); dort wurde vermerkt, die Gesellschaft habe sich infolge Ausscheidens des Gesellschafters H. aufgelöst; der Gesellschafter R. führe das Geschäft gemäss
Art. 579 OR
als Einzelfirma fort. Demzufolge hatte primär der Einzelunternehmer R. für die zuvor von der Kollektivgesellschaft geschuldeten Beitragsforderungen einzustehen (E. 2.3.1).
2.5
Bei dieser Sachlage hat die Beschwerdegegnerin die Nachtragsverfügungen vom 28. November 2003 und 24. September 2004 zutreffenderweise dem ehemaligen Partner, R., eröffnet. Eine Zustellung an den Beschwerdeführer war, entgegen der von ihm vertretenen Auffassung, nicht erforderlich, da er für die Beitragsforderung nicht belangt werden konnte, solange R. nicht in Konkurs gefallen war (E. 2.3.1). Die Beschwerdegegnerin war auch nicht verpflichtet, den Beschwerdeführer zu diesem Nachtragsverfahren beizuladen. Dessen Stellung im Schadenersatzverfahren wird dadurch nicht beeinträchtigt. Denn gerade weil er im Beitragsbezugsverfahren nicht beteiligt ist, kann er im nachfolgenden Schadenersatzverfahren die Begründetheit der Beitragsforderung uneingeschränkt überprüfen lassen (
BGE 134 V 401
). Aus diesem Grunde ist unerheblich, ob der Beschwerdeführer dafür hätte sorgen sollen, dass ihn die Nachfolgefirma orientiert, wie die Vorinstanz annimmt und was der Beschwerdeführer bestreitet.
2.6
Auch in Bezug auf die Verjährung ist die Beitragsforderung von der Schadenersatzforderung zu unterscheiden. Die zwei- bzw. dreijährige Verjährungsfrist von
Art. 181 Abs. 2 OR
(in Verbindung
BGE 136 V 268 S. 273
mit
Art. 592 Abs. 2 Satz 2 OR
), auf welche sich der Beschwerdeführer beruft, gilt für Verbindlichkeiten der Gesellschaft, für welche der ausgeschiedene Gesellschafter haftet, in casu also allenfalls für die Beitragsforderung, soweit
Art. 181 OR
überhaupt anwendbar wäre (vorne E. 2.3.2 und 2.4 sowie hinten E. 4.3). Die Schadenersatzforderung nach
Art. 52 AHVG
ist demgegenüber eine eigenständige Forderung, die sich direkt gegen den Arbeitgeber persönlich (in casu den Beschwerdeführer als ehemaligen Gesellschafter) richtet und auch in Bezug auf die Verjährung ein eigenes, von der Beitragsforderung verschiedenes Schicksal hat (
Art. 52 Abs. 3 AHVG
). Sie entsteht erst mit dem Eintritt des Schadens zufolge Verwirkung der Beiträge (
Art. 16 Abs. 1 AHVG
) oder Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers (
BGE 134 V 257
E. 3.2 S. 264;
BGE 129 V 193
E. 2.2 S. 195;
BGE 123 V 12
E. 5c S. 16; SVR 2006 AHV Nr. 9 S. 35, H 162/01 E. 5.2.2; REICHMUTH, a.a.O., S. 82 Rz. 336). In diesem Zeitpunkt beginnt die absolute fünfjährige Verjährungsfrist gemäss
Art. 52 Abs. 3 AHVG
zu laufen, das heisst im Falle der Verwirkung der Beitragsforderung mit deren Eintritt und im Falle der Uneinbringlichkeit, sobald die Beiträge wegen der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers nicht mehr im ordentlichen Verfahren nach
Art. 14 ff. AHVG
erhoben werden können, in der Regel mit der Ausstellung eines Pfändungsverlustscheins oder mit der Konkurseröffnung über den Arbeitgeber (
BGE 134 V 257
E. 3.2 S. 264;
BGE 129 V 193
E. 2.2 S. 195;
BGE 123 V 12
E. 5b und 5c S. 15 f.,
BGE 123 V 168
E. 2a S. 170;
BGE 113 V 256
E. 3c S. 257 f.; REICHMUTH, a.a.O., S. 86 ff. Rz. 352 und 357). In casu wurde mit den Nachtragsverfügungen vom 28. November 2003 und 24. September 2004 gegenüber R. die Verwirkungsfrist von
Art. 16 Abs. 1 AHVG
gewahrt. In Frage steht somit nicht die Leistung von Schadenersatz wegen Verwirkung, sondern wegen Uneinbringlichkeit der Beitragsforderung; insoweit entstand die Schadenersatzforderung erst mit der Konkurseröffnung über R. im Dezember 2005. Erst zu diesem Zeitpunkt begann die fünfjährige Verjährungsfrist, die mit der Schadenersatzverfügung vom 15. August 2007 bei weitem gewahrt ist. Es trifft zu, dass damit im Ergebnis der ausgeschiedene Gesellschafter unter Umständen während eines bedeutend längeren Zeitraums als der Verjährungsfrist gemäss Art. 591 oder 592 OR zur Rechenschaft gezogen werden kann. Das ergibt sich aber aus der gesetzlichen Regelung, welche den Schadenersatzanspruch nach
Art. 52 AHVG
als persönlichen öffentlichrechtlichen Anspruch gegen den (ehemaligen) Arbeitgeber konstituiert
BGE 136 V 268 S. 274
und von den Schulden der Gesellschaft (wozu auch die Beitragsforderung nach
Art. 14 ff. AHVG
zählt) unterscheidet. Es steht dem Bundesgesetzgeber frei, im öffentlichen Recht Regelungen zu treffen, welche von den zivilrechtlichen Bestimmungen (unter anderem betreffend Verjährung) abweichen.
3.
Sind somit die Rügen des Beschwerdeführers hinsichtlich Eröffnung der Nachtragsverfügung und Verjährung unbegründet, so ist die vorinstanzliche Betrachtung in anderer Hinsicht zu beanstanden: Die Haftung nach
Art. 52 AHVG
ist keine Kausalhaftung, sondern setzt ein grobfahrlässiges Verhalten voraus. Unter diesem Titel hat die Vorinstanz dem Beschwerdeführer angelastet, er habe es pflichtwidrig unterlassen, für die Bezahlung der Sozialversicherungsbeiträge zu sorgen. Eine derartige Unterlassung kann dem Beschwerdeführer indessen nur vorgeworfen werden in Bezug auf den Betrag, der bis zum Zeitpunkt seines Ausscheidens aus der Gesellschaft hätte bezahlt werden müssen. Nach den Feststellungen der Vorinstanz betrug der Saldo per 2. April 2003 - rund eineinhalb Monate vor dem Austritt des Beschwerdeführers aus der Gesellschaft (12. Mai 2003) - Fr. 8'213.30 zu Gunsten der Ausgleichskasse. Dass der in Rechnung gestellte Schadensbetrag schliesslich viel höher war (Fr. 85'919.85) ist darauf zurückzuführen, dass nach dem Ausscheiden des Beschwerdeführers mit Nachtragsverfügungen vom 28. November 2003 und 24. September 2004 erhebliche Nachforderungen in Rechnung gestellt wurden. In Bezug auf diesen, den Betrag von Fr. 8'213.30 übersteigenden Schaden kann das dem Beschwerdeführer vorwerfbare Verhalten nicht darin liegen, dass die nachträglich gestellten Rechnungen nicht bezahlt wurden, hatte er doch darauf keinen Einfluss mehr. Ein ihm vorwerfbares grobfahrlässiges Verhalten könnte mithin nur darin bestehen, dass die Gesellschaft unzutreffende Lohnmeldungen erstellt hat (vgl. etwa Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts H 303/97 vom 30. Juni 1998 E. 2, nicht publ. in:
BGE 124 V 253
, aber in: SVR 1999 AHV Nr. 13 S. 37; ZAK 1992 S. 246, H 97/90). Darüber enthält der angefochtene Entscheid aber keine Feststellungen. Zu tiefe Lohnmeldungen werden zwar oft auf grobfahrlässiges Verhalten der Organe zurückzuführen sein, doch ist das nicht zwingend: Der Beschwerdeführer hat bereits in seiner Einsprache geltend gemacht, es seien verschiedene Geschäftsbereiche unterschieden worden und er sei in der Y. GmbH tätig gewesen und habe dort Sozialversicherungsbeiträge abgerechnet. Aus den Akten geht sodann hervor, dass R.
BGE 136 V 268 S. 275
gegen die Nachzahlungsverfügung vom 24. September 2004 Einsprache erhoben hatte, unter anderem mit der Argumentation, die betreffenden Arbeitnehmer hätten teilweise nicht für die Kollektivgesellschaft X. gearbeitet. Wenn in guten Treuen in Bezug auf bestimmte Personen über die Abrechnungspflicht unterschiedliche Meinungen vertreten werden können, stellt die Unterlassung der Deklaration noch keine Grobfahrlässigkeit dar, selbst wenn sich nachträglich in einem Rechtsmittelverfahren ergibt, dass eine Abrechnungspflicht bestanden hat (SVR 2007 AHV Nr. 9 S. 25, H 8/07 E. 7.1; 2005 AHV Nr. 18 S. 59, H 86/02 E. 5.5.1; Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts H 390/00 vom 13. Juni 2001 E. 6b). Mangels entsprechender Feststellungen im angefochtenen Entscheid und Angaben in den Akten lässt sich nicht ausschliessen, dass dem Beschwerdeführer als verantwortlichem Organ in diesem Zusammenhang kein Verschulden oder lediglich eine einfache Fahrlässigkeit zur Last gelegt werden kann (vgl. Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts H 197/04 vom 19. Oktober 2005 E. 4.3). Die Sache geht daher an das kantonale Gericht zurück, damit es den Sachverhalt hinsichtlich der Verantwortlichkeit für die Unterlassung der Lohndeklarationen näher abkläre.
4.
In Bezug auf die von der Vorinstanz zu treffenden Abklärungen ist vorab die von Amtes wegen zu prüfende Rechtsfrage (
Art. 106 Abs. 1 BGG
) zu entscheiden, ob der Beschwerdeführer nicht zunächst für die Beitragsschulden der Gesellschaft haftet, bevor sich die Frage nach der Schadenersatzpflicht stellt.
4.1
Die Kollektivgesellschafter haften subsidiär zum Gesellschaftsvermögen (
Art. 570 OR
) persönlich für alle Verbindlichkeiten der Gesellschaft solidarisch (
Art. 568 Abs. 1 OR
;
BGE 134 III 643
E. 5.1 S. 648). Führt wie hier einer der bisherigen Gesellschafter das Unternehmen gemäss
Art. 579 Abs. 1 OR
als Einzelfirma weiter, so haftet der ausgeschiedene Gesellschafter unter den Voraussetzungen von
Art. 568 Abs. 3 OR
für die Schulden der Gesellschaft (vorne E. 2.3.1). Diese persönliche Haftung gilt auch für öffentlichrechtliche Verbindlichkeiten (Urteil 2A.95/1999 vom 14. Juni 1999 E. 3c; HANDSCHIN/CHOU, a.a.O., N. 43 zu
Art. 568-569 OR
; WILHELM HARTMANN, Berner Kommentar, 1943, N. 7 zu
Art. 568 OR
; PESTALOZZI/HETTICH, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht, Bd. II, 3. Aufl. 2008, N. 4 zu
Art. 568 OR
; WERNER VON STEIGER, Handelsrecht, Schweizerisches Privatrecht, Bd. VIII, 1976, S. 536; STEFAN PLATTNER, Die Haftung des Kollektivgesellschafters, 2003, S. 64), namentlich
BGE 136 V 268 S. 276
auch für Beitragsforderungen der AHV (MARLIES KNUS, Die Schadenersatzpflicht des Arbeitgebers in der AHV, 1989, S. 33 und 64 f.; in Bezug auf die einfache Gesellschaft auch ZAK 1981 S. 377, H 139/79 E. 4).
4.2
In
BGE 119 V 389
E. 7 S. 400 f. wurde allerdings ausgeführt, die Gesellschafter einer aufgelösten Kollektivgesellschaft seien nicht - auch nicht subsidiär - beitragspflichtig (ebenso unter Hinweis auf diesen Entscheid REICHMUTH, a.a.O., S. 85 Rz. 350). Diese Aussage wird jedoch nicht begründet. Sie steht in Widerspruch zu Gesetz und Lehre sowie Gerichtspraxis in den anderen Gebieten des öffentlichen Rechts. Ebenso wenig kann sie als eine feststehende Gerichtspraxis bezeichnet werden, wurde sie doch, soweit ersichtlich, nie explizit wiederholt, sondern nur implizit vorausgesetzt in den Urteilen des Eidg. Versicherungsgerichts H 376/01 vom 11. Oktober 2005 E. 3.2 und H 137/94 vom 17. Februar 1995. Es leuchtet auch in der Sache nicht ein, weshalb der Kollektivgesellschafter in Bezug auf AHV-Beiträge anders zu behandeln sein soll als in Bezug auf alle anderen Gesellschaftsschulden. In Änderung von
BGE 119 V 389
E. 7 S. 400 f. ist somit davon auszugehen, dass der ausgeschiedene Gesellschafter nach Massgabe von
Art. 568 Abs. 3 OR
für die AHV-Beitragsschulden der bisherigen Kollektivgesellschaft haftet.
4.3
In casu haftet also der Beschwerdeführer für die Beitragsschulden der aufgelösten Kollektivgesellschaft, wobei diese Haftung nur unter der Voraussetzung von
Art. 568 Abs. 3 OR
geltend gemacht werden konnte, d.h. erst nachdem R. im Dezember 2005 in Konkurs gefallen war. Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung richtet sich die Verjährung nicht nach Art. 592 Abs. 2 in Verbindung mit
Art. 181 OR
, sondern nach
Art. 591 OR
, da R. - wie vorne in E. 2.4 dargelegt - die Gesellschaftstätigkeit nicht nach Massgabe von
Art. 181 OR
, sondern nach
Art. 579 OR
weitergeführt hat. Demnach verjährte die subsidiäre persönliche Haftung des Beschwerdeführers für die Beiträge fünf Jahre nach der Veröffentlichung des Ausscheidens im Handelsamtsblatt, sofern nicht wegen der Natur der Forderung eine kürzere Verjährungsfrist gilt. Da die fünfjährige Frist mit dem Ausscheiden beginnt, der Ausgeschiedene aber vor der Konkurseröffnung der Nachfolgefirma nicht belangbar ist, kann die Forderung unter Umständen verjährt sein, bevor sie gegenüber dem ausgeschiedenen Gesellschafter überhaupt
BGE 136 V 268 S. 277
geltend gemacht werden konnte (STAEHELIN, a.a.O., N. 4 f. zu
Art. 591 OR
; HANDSCHIN/CHOU, a.a.O., N. 12 zu
Art. 591-593 OR
).
4.4
Nach
Art. 16 Abs. 1 AHVG
erlischt die Beitragsforderung für die Beiträge der Jahre 1998 bis 2003 jeweils Ende der Jahre 2003 bis 2008. Die an R. eröffneten Nachtragsverfügungen vom 28. November 2003 und 24. September 2004 konnten in Bezug auf die Forderung gegenüber dem Beschwerdeführer keine fristwahrende Wirkung haben. Frühestens die Verfügung vom 15. August 2007 konnte ihm gegenüber fristwahrend wirken. Allerdings hat die Beschwerdegegnerin mit dieser Verfügung nicht die Beiträge, sondern Schadenersatz verlangt. Es fragt sich, ob ihre Forderung in eine Beitragsforderung umgedeutet werden kann.
4.5
Der Streitgegenstand umfasst das durch die Verfügung geregelte Rechtsverhältnis, soweit dieses angefochten ist, nicht aber die rechtliche Begründung dafür (KÖLZ/HÄNER, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 2. Aufl. 1998, S. 149). Demzufolge ist auch die Änderung der rechtlichen Begründung in oberer Instanz bis vor Bundesgericht möglich, ohne dass darin eine unzulässige Veränderung des Streitgegenstands oder ein unzulässiges Novum (
Art. 99 BGG
) läge (vgl. Urteil 9C_115/2008 vom 23. Juli 2008 E. 6). Der Arbeitgeber schuldet der Ausgleichskasse die paritätischen Beiträge; können diese nicht mehr erhoben werden, entsteht die Schadenersatzforderung (nicht publ. E. 1). Abgesehen von den Mahn- und Betreibungskosten ist der mit der Schadenersatzforderung geltend gemachte Geldbetrag indessen identisch mit der Beitragsforderung (NUSSBAUMER, a.a.O., S. 101). Im Ergebnis wirkt sich der Schadenersatzanspruch so aus, dass unter der zusätzlichen Voraussetzung der absichtlichen oder grobfahrlässigen Missachtung von Vorschriften die nicht bezahlten Beiträge unter einem anderen Rechtstitel noch einverlangt werden können. Es handelt sich damit (soweit sich die Forderung gegen den nämlichen Schuldner richtet) nicht um ein anderes Rechtsverhältnis, sondern um eine andere rechtliche Begründung der geltend gemachten Forderung. Hat somit die Ausgleichskasse Schadenersatz verlangt und zeigt sich, dass der Belangte bei richtiger Betrachtung noch Beiträge schuldet, so kann daher - auch noch in oberer Instanz - die Schadenersatzforderung in eine Beitragsforderung umgedeutet werden.
4.6
Mit der Verfügung vom 15. August 2007 konnten vom Beschwerdeführer als subsidiär haftendem Kollektivgesellschafter (vorne
BGE 136 V 268 S. 278
E. 4.3) die Beiträge für die Jahre 2002 und 2003 (bis zu seinem Ausscheiden aus der Gesellschaft) verlangt werden (
Art. 16 Abs. 1 AHVG
). Für diese Beiträge haftet der Beschwerdeführer ungeachtet eines Verschuldens (
Art. 568 Abs. 3 OR
), da auch die am 20. Mai 2003 beginnende fünfjährige Frist gemäss
Art. 591 OR
eingehalten ist. Die ausstehenden Beitragsforderungen für die Jahre 1998 bis 2001 sind demgegenüber erloschen. Der Beschwerdeführer haftet dafür nur unter dem Titel Schadenersatz, mit anderen Worten nur soweit ihm ein Verschulden gemäss
Art. 52 Abs. 1 AHVG
vorgeworfen werden kann. Wie es sich damit verhält, wird die Vorinstanz abzuklären haben (E. 3). Des Weitern wird sie auch zu prüfen haben, welcher Anteil der ausstehenden Beiträge auf die Jahre 1998 bis 2001 und welcher auf die Jahre 2002 bis 2003 entfällt. | null | nan | de | 2,010 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
2ec8d9fa-6eb8-4c9a-aafe-410bc623708c | Urteilskopf
110 V 25
5. Estratto della sentenza del 23 gennaio 1984 nella causa Venturini contro Cassa cantonale di compensazione del Cantone Ticino e Tribunale cantonale delle assicurazioni del Cantone Ticino | Regeste
Art. 79 Abs. 2 AHVV
. Die Frist von 30 Tagen zur Einreichung eines Gesuchs um Erlass der Rückerstattung einer unrechtmässig bezogenen Leistung hat den Charakter einer Ordnungsvorschrift (Erw. 2).
Art. 104 und 105 OG
. Überprüfungsbefugnis des Eidg. Versicherungsgerichts im Beschwerdeverfahren betreffend den Erlass der Rückerstattung (Bestätigung der Rechtsprechung; Erw. 3). | Erwägungen
ab Seite 25
BGE 110 V 25 S. 25
Diritto:
1.
Giusta l'art. 27 OPC le prestazioni complementari indebitamente riscosse devono essere restituite dal beneficiario o dai suoi eredi. Per ciò che concerne la restituzione di tali prestazioni e il condono dell'obbligo di restituirle sono applicabili per analogia le prescrizioni relative alla LAVS. L'
art. 47 cpv. 1 LAVS
dispone ora che le rendite e gli assegni per grandi invalidi indebitamente riscossi devono essere restituiti. Il rimborso non può essere chiesto se l'interessato era in buona fede e se la restituzione costituirebbe un onere troppo grave. L'
art. 79 OAVS
precisa che la restituzione dell'importo indebitamente ricevuto deve essere condonata intieramente o in parte se l'avente diritto o
BGE 110 V 25 S. 26
il suo rappresentante legale poteva ammettere in buona fede di pretendere giustamente la rendita e se la restituzione gli imporrebbe un onere troppo grave avuto riguardo alle sue condizioni economiche (cpv. 1). Il condono è pronunciato dalla cassa di compensazione a domanda scritta della persona tenuta a restituire. La domanda dev'essere presentata alla cassa di compensazione entro 30 giorni dalla notificazione dell'ordine di restituzione (cpv. 2). Secondo l'
art. 79 cpv. 3 OAVS
, infine, se le condizioni indicate sono adempite in modo evidente, la cassa di compensazione può accordare il condono di spontanea volontà.
2.
In concreto, l'amministrazione ha reso l'ordine di restituzione delle prestazioni complementari indebitamente percepite da Venturini il 10 luglio 1981. Esso conteneva l'indicazione del rimedio ordinario di diritto, nel senso che il provvedimento era impugnabile nel termine di 30 giorni, nonché la menzione:
"Contro la presente decisione è data la facoltà di presentare alla
Cassa cantonale di compensazione, entro 30 giorni dalla notifica, la
domanda di condono..."
Il 21 luglio 1981 l'assicurato ha chiesto la trasmissione degli atti, i quali vennero spediti il 13 agosto successivo. In data 19 ottobre 1981 la cassa di compensazione chiese poi il versamento dell'importo fissato nella decisione nel frattempo cresciuta in giudicato, stabilendo il 26 novembre 1981 una trattenuta mensile. Solo il 30 novembre 1981 venne presentata una domanda di "riesame dell'ordine di restituzione e di condono", nel cui merito l'amministrazione è entrata, pur pronunciandosi in senso negativo, per i seguenti motivi:
"Non vogliamo tuttavia negarvi questa possibilità in quanto il 21
luglio 1981, 11 giorni dopo la nostra decisione, ci avete fatto richiesta
delle copie dell'incarto, da noi inviatevi il 13 agosto 1981; anche se dopo
questa nostra ultima lettera sono trascorsi oltre 3 mesi."
È pacifico quindi che l'amministrazione è entrata nel merito di una domanda presentata dopo la scadenza del termine di 30 giorni di cui all'
art. 79 cpv. 2 OAVS
. Osservato che i giudici di prime cure hanno disatteso il tema della ricevibilità di essa domanda all'amministrazione, si pone in questa sede la questione di sapere se la Corte debba esaminarlo d'ufficio.
Al fine di rispondere a questo quesito bisogna chiedersi, ritenuto che secondo la giurisprudenza il tema della perenzione deve sempre essere
BGE 110 V 25 S. 27
appurato d'ufficio (cfr.
DTF 101 Ib 350
), se al termine di 30 giorni dell'
art. 79 cpv. 2 OAVS
si debba assegnare carattere perentorio.
A quest'ultima domanda il Tribunale federale delle assicurazioni non può che rispondere negativamente, per i seguenti motivi.
Anzitutto, che il termine di cui all'
art. 79 cpv. 2 OAVS
non sia perentorio emerge dalla costatazione che, contro al principio generale per il quale il giudice delle assicurazioni sociali esamina la fattispecie accertata al momento nel quale la decisione amministrativa litigiosa è resa (
DTF 107 V 5
), in materia di condono di prestazioni indebitamente percepite determinante è il momento in cui la restituzione deve aver luogo (cfr.
DTF 107 V 79
). Ora il presupposto dell'onere troppo gravoso può verificarsi in data successiva a quella in cui la decisione di restituzione è notificata. Manifestamente non è lecito affermare che in simile ipotesi il diritto dell'assicurato a pretendere il condono sia perento: questa conclusione sarebbe in contrasto con il testo dell'
art. 47 cpv. 1 LAVS
. Per escludere infine che il termine per presentare la domanda abbia carattere perentorio vale anche la considerazione che l'OAVS all'art. 79 cpv. 3 consente alle casse di compensazione di accordare il condono di loro spontanea volontà se i requisiti ne sono adempiuti in modo evidente: non si vede in tali circostanze come si possa conciliare una decadenza del diritto dell'assicurato al condono quando nel contempo l'amministrazione è legittimata a disporre d'ufficio.
In queste condizioni, ritenuto che il termine stabilito all'
art. 79 cpv. 2 OAVS
ha carattere meramente ordinatorio, si deve concludere che a ragione la cassa di compensazione è entrata nel merito della richiesta.
3.
Bisogna quindi ora accertare se fossero da riconoscere i presupposti che legittimano alla concessione del condono, buona fede e onere troppo gravoso.
Per quel che concerne l'onere troppo gravoso, emerge pacificamente dagli atti nonché dal testo stesso della risposta della Cassa al ricorso prodotto davanti al Tribunale cantonale delle assicurazioni che i requisiti ne erano dati nel caso di specie.
Rimane quindi da esaminare se a ragione amministrazione e primi giudici hanno considerato inadempiuti i presupposti della buona fede. La buona fede presuppone che l'assicurato ignori che una prestazione gli è versata indebitamente. Di detta ignoranza egli non si può prevalere se la stessa è stata determinata da sua negligenza. È questione di fatto il sapere
BGE 110 V 25 S. 28
se l'assicurato conoscesse l'illegalità della prestazione che gli si ordina di restituire e a questo riguardo il Tribunale è vincolato dagli accertamenti della precedente istanza giudiziaria ai sensi dell'
art. 105 cpv. 2 OG
. Di contro è questione di diritto che il Tribunale federale delle assicurazioni rivede liberamente quella di determinare se in considerazione delle circostanze l'ignoranza dell'illegalità della prestazione sia scusabile e tale da dar diritto all'assicurato di prevalersi della sua buona fede (
DTF 102 V 245
). In concreto, i primi giudici non hanno nel querelato giudizio affermato che l'assicurato fosse cosciente dell'illegalità della prestazione, ma gli hanno addebitato un'omissione, cioè una negligenza.
La questione verte pertanto in sostanza sul tema se nel caso concreto l'ignoranza dell'illegittimità della prestazione fosse stata scusabile, questione che la Corte, secondo la giurisprudenza, rivede liberamente.
È incontestato che il formulario di domanda di prestazioni complementari è stato redatto da terza persona, ossia da un funzionario della cancelleria comunale e in particolare dell'agenzia comunale AVS. Sulla base degli atti può essere ammesso, nell'interpretazione più favorevole al ricorrente degli stessi, quando si osservino le dichiarazioni di quest'ultimo e la risposta della Cassa al gravame nella quale queste affermazioni non sono state smentite, che il formulario sia stato sottoscritto da Venturini in bianco. Chiamato a pronunciarsi circa il fatto, ai fini dell'accertamento del requisito della buona fede, di firmare, senza controllarla, una domanda di prestazioni complementari compilata da un'autorità, il Tribunale federale delle assicurazioni ha avuto modo di dichiarare che in un simile modo di procedere non è ravvisabile a priori l'assenza di buona fede del richiedente. La Corte ha così in particolare ritenuto adempiuto il requisito della buona fede trattandosi di persona il cui coefficiente intellettuale era sensibilmente inferiore alla media (RCC 1973 pag. 612) o di persona con scarsa conoscenza della lingua nella quale la domanda era formulata (sentenza 28 agosto 1981 in re Bobes). Essa ha invece denegato il sussistere del presupposto in un caso in cui nessuna circostanza particolare avrebbe impedito all'interessato di controllare l'esattezza dei dati indicati dall'autorità nel formulario (sentenza 7 giugno 1978 in re Renggli). Ora la fattispecie oggetto della presente lite è diversa da quelle esaminate dalla Corte nelle predette sentenze: nel caso concreto si ammette che il richiedente ha firmato
BGE 110 V 25 S. 29
il formulario e che egli ha lasciato all'autorità, la quale era esattamente a conoscenza della sua situazione fiscale, il compito di indicare nel modulo i dati richiesti. All'assicurato non può quindi essere addebitato di aver sottoscritto, senza controllarlo, il formulario, ma semplicemente di averlo sottoscritto privandosi della facoltà di controllo, il che è già di per sé costitutivo di negligenza minore, comunque probabilmente non sufficiente per escludere il presupposto della buona fede. Il tema può comunque restare irrisolto dal momento che nel caso di specie esiste un elemento decisivo a comprova della buona fede dell'assicurato. Se è vero che un terzo, in cui l'assicurato riponeva piena fiducia, ha redatto il formulario, se è vero che sotto la rubrica "Pensioni e rendite di ogni specie", compresa dunque quella INSAI, non è stato indicato l'importo percepito, è altrettanto vero che la stessa terza persona, a tergo del modulo, sia pure sotto la voce "rapporto dell'agenzia comunale AVS", ha indicato un reddito superiore a quello segnalato nelle rubriche precedenti e comprensivo anche delle prestazioni altrove non annoverate. Se si volesse ascrivere all'assicurato negligenza nella misura in cui non ha controllato l'esattezza dei dati riportati dal funzionario, all'amministrazione dovrebbe pur essere addebitato di aver assegnato la prestazione senza esaminare compiutamente il formulario. A titolo abbondanziale può essere soggiunto che se si fosse voluto intenzionalmente sottacere la rendita INSAI, essa prestazione manifestamente non sarebbe stata indicata neppure nella susseguente richiesta.
Dato quanto precede il ricorso di diritto amministrativo dev'essere accolto. | null | nan | it | 1,984 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
2ec93192-5410-416f-a450-30bca426e285 | Urteilskopf
126 V 520
86. Auszug aus dem Urteil vom 7. Dezember 2000 i. S. L. gegen 1. Industrie-, Gewerbe- und Arbeitsamt des Kantons Aargau sowie 2. Öffentliche Arbeitslosenkasse des Kantons Aargau und Versicherungsgericht des Kantons Aargau | Regeste
Art. 8 Abs. 1 lit. f, Art. 9 Abs. 2,
Art. 30 Abs. 1 und 3 AVIG
: Anspruchsvoraussetzungen, Vermittlungsfähigkeit, Einstellung in der Anspruchsberechtigung.
Fehlt die Vermittlungsfähigkeit als eine der gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen, besteht kein Raum für eine Einstellung in der Anspruchsberechtigung. | Sachverhalt
ab Seite 520
BGE 126 V 520 S. 520
A.-
Der 1975 geborene L. arbeitete ab 8. November 1997 als Anlageberater bei der Firma W. AG. Er kündigte das Arbeitsverhältnis am 23. Mai 1998 per 31. Mai 1998, wobei die Kündigungsfrist in der Folge auf den 30. Juni 1998 verlängert wurde. Am 23. Juni 1998 meldete sich L. beim Gemeindearbeitsamt G. zur Arbeitsvermittlung an und beantragte gleichentags bei der Öffentlichen Arbeitslosenkasse des Kantons Aargau die Ausrichtung von Arbeitslosenentschädigung ab dem 1. Juli 1998. Die Arbeitslosenkasse ersuchte am 11. August 1998 das Industrie-, Gewerbe- und Arbeitsamt des Kantons Aargau (KIGA) um Überprüfung der Vermittlungsfähigkeit des Versicherten. Vom 30. August bis 12. Dezember 1998 absolvierte L. eine Sprachschule in S. Auf den 1. Januar 1999 meldete er sich von der Arbeitsvermittlung ab, da er am 2. Januar 1999 eine Stelle als Finanzberater bei der Firma T. AG antrat.
Das KIGA lehnte den ab 1. Juli 1998 geltend gemachten Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung mit Verfügung vom 4. Februar 1999 wegen fehlender Vermittlungsfähigkeit ab. Mit Verfügung vom 23. März 1999 stellte sodann die Arbeitslosenkasse L. wegen selbstverschuldeter Arbeitslosigkeit ab 1. Juli 1998 für die Dauer von acht Tagen in der Anspruchsberechtigung ein.
BGE 126 V 520 S. 521
B.-
Die gegen die Verfügungen vom 4. Februar 1999 und vom 23. März 1999 gerichteten Beschwerden wies das Versicherungsgericht des Kantons Aargau je mit Entscheid vom 10. August 1999 ab.
C.-
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt L. die Anerkennung seiner Vermittlungsfähigkeit und somit die Bejahung des Anspruchs auf Arbeitslosenentschädigung ab 1. Juli 1998.
Das KIGA verzichtet unter Hinweis auf die Begründung der Verfügung vom 4. Februar 1999 auf eine Stellungnahme. Das Staatssekretariat für Wirtschaft hat sich nicht vernehmen lassen.
D.-
Ebenfalls mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt L. die Aufhebung der am 23. März 1999 verfügten Einstellung in der Anspruchsberechtigung ab 1. Juli 1998.
Die Arbeitslosenkasse schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Staatssekretariat für Wirtschaft hat sich nicht vernehmen lassen.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
(Verfahrensvereinigung)
2.
Streitig und zu prüfen ist der Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung für die Zeit ab 1. Juli bis 29. August 1998. Ausschlaggebend dafür ist die Würdigung der Kündigung des Arbeitsverhältnisses bei der Firma W. AG durch den Beschwerdeführer per 30. Juni 1998 im Zusammenhang mit dem geplanten Sprachaufenthalt ab 30. August bis 12. Dezember 1998. Während das KIGA für den in Frage stehenden Zeitraum die Vermittlungsfähigkeit verneint hatte, stellte die Arbeitslosenkasse den Versicherten wegen selbstverschuldeter Arbeitslosigkeit ab 1. Juli 1998 für die Dauer von acht Tagen in der Anspruchsberechtigung ein. Da mit der Verneinung der Vermittlungsfähigkeit als einer der gesetzlichen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung der Anspruch als solcher abgelehnt wird, bei der Einstellung in der Anspruchsberechtigung indessen die Berechtigung grundsätzlich bejaht und lediglich für eine beschränkte Zeit keine Leistungen ausgerichtet werden, ist zunächst die Anspruchsberechtigung als solche und somit die Vermittlungsfähigkeit zu prüfen.
3.
a) Das kantonale Gericht hat die für die Vermittlungsfähigkeit massgebenden gesetzlichen Bestimmungen (
Art. 8 Abs. 1 lit. f und
Art. 15 Abs. 1 AVIG
) sowie die hierzu ergangene
BGE 126 V 520 S. 522
Rechtsprechung (
BGE 125 V 58
Erw. 6a,
BGE 123 V 216
Erw. 3,
BGE 120 V 388
Erw. 3a; ARV 1993/94 Nr. 8 S. 54 Erw. 1) zutreffend dargelegt. Richtig ist insbesondere, dass nach der Rechtsprechung eine versicherte Person, die auf einen bestimmten Termin anderweitig disponiert hat und deshalb für eine neue Beschäftigung nur noch während relativ kurzer Zeit zur Verfügung steht, in der Regel als nicht vermittlungsfähig gilt. In einem solchen Fall sind nämlich die Aussichten, zwischen dem Verlust der alten und dem Antritt der neuen Stelle von einem andern Arbeitgeber angestellt zu werden, verhältnismässig gering. Entscheidend für die Beurteilung des Einzelfalles ist dabei, ob mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann, dass ein Arbeitgeber die versicherte Person für die konkret zur Verfügung stehende Zeit noch einstellen würde (
BGE 110 V 208
Erw. 1; SVR 2000 AlV Nr. 1 S. 1 Erw. 2b; ARV 1991 Nr. 3 S. 24 Erw. 2b, 1990 Nr. 14 S. 84 Erw. 2a; THOMAS NUSSBAUMER, Arbeitslosenversicherung, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Soziale Sicherheit, Rz 216).
b) Aus den Akten ersichtlich und unbestritten ist vorliegend, dass der Beschwerdeführer sein Arbeitsverhältnis mit der Firma W. AG per 30. Juni 1998 gekündigt und ab 30. August bis 12. Dezember 1998 eine Sprachschule mit Diplomabschluss in S. absolviert hat. In sorgfältiger Würdigung der Rechtsprechung des Eidg. Versicherungsgerichts ist die Vorinstanz zu Recht zum Schluss gekommen, dass die für eine allfällige Vermittlung zur Verfügung stehende Zeit von acht Kalenderwochen und drei Arbeitstagen im konkreten Fall zu kurz war, um mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit davon ausgehen zu können, der Beschwerdeführer wäre von einem andern Arbeitgeber angestellt worden. (...) KIGA und Vorinstanz haben demzufolge zu Recht auf Grund der kurzen, dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehenden Dauer die Vermittlungsfähigkeit des Beschwerdeführers verneint und den geltend gemachten Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung ab 1. Juli 1998 abgelehnt, weshalb die dagegen eingereichte Verwaltungsgerichtsbeschwerde abzuweisen ist.
4.
Was die Frage der Einstellung in der Anspruchsberechtigung anbelangt, kann darauf hingewiesen werden, dass die Vorinstanz auch die massgebenden gesetzlichen Bestimmungen über die Einstellung in der Anspruchsberechtigung bei selbstverschuldeter Arbeitslosigkeit (
Art. 30 Abs. 1 lit. a AVIG
) sowie die verschuldensabhängige Dauer der Einstellung (
Art. 30 Abs. 3 AVIG
und
Art. 45 Abs. 2 AVIV
) zutreffend dargelegt hat. Zu betonen ist dabei,
BGE 126 V 520 S. 523
dass die in
Art. 30 AVIG
geregelte Einstellung in der Anspruchsberechtigung eben nur möglich ist, wenn sämtliche gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen gegeben sind (vgl. PAUL KOPP, Selbstverschuldete Arbeitslosigkeit nach Arbeitslosenversicherungsrecht, Diss. Bern 1960, S. 36 f.). Diese Voraussetzungen sind in
Art. 8 Abs. 1 AVIG
aufgezählt. Mit der Verneinung der Vermittlungsfähigkeit ab 1. Juli 1998 fehlt nun aber die in
Art. 8 Abs. 1 lit. f AVIG
erwähnte Anspruchsvoraussetzung, was zur Folge hat, dass zu diesem Zeitpunkt die Rahmenfrist für den Leistungsbezug nicht zu laufen begonnen hat (
Art. 9 Abs. 2 AVIG
) und der Versicherungsfall der "Arbeitslosigkeit" im Sinne von
Art. 1 Abs. 1 lit. a AVIG
nicht eingetreten ist. Damit besteht für eine Einstellung ab 1. Juli 1998 keine Grundlage und ist demzufolge auch kein Vollzug innert sechs Monaten gemäss
Art. 30 Abs. 3 AVIG
möglich. Dies entspricht übrigens dem Zweck der Regelung, soll doch mit der Einstellung eine Mitbeteiligung am Schaden, den die versicherte Person in schuldhafter Weise natürlich und adäquat kausal verursacht hat, erreicht werden (NUSSBAUMER, a.a.O., Rz 691). War vorliegend der Beschwerdeführer in den Monaten Juli/August 1998 nicht vermittlungsfähig und demzufolge nicht anspruchsberechtigt, hat er für diese Zeit gar keinen Schaden verursacht, sodass diesbezüglich nichts vollzogen werden kann. Für die Zeit ab dem 14. Dezember 1998 schliesslich wäre eine Einstellung - wiederum unter der Voraussetzung der Bejahung der Vermittlungsfähigkeit - höchstens unter dem Aspekt der Aufgabe einer unbefristeten Stelle zwecks Sprachaufenthalt, ohne anschliessend eine neue Beschäftigung zu haben, zu prüfen. Das wurde dem Beschwerdeführer indessen nie vorgeworfen und war auch nicht Gegenstand einer Verfügung.
Die Verfügung der Arbeitslosenkasse vom 23. März 1999 ist demzufolge aufzuheben und die gegen den diesbezüglichen Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 10. August 1999 gerichtete Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist gutzuheissen. | null | nan | de | 2,000 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
2eccd65e-abea-4262-9c7d-affe676a9077 | Urteilskopf
103 IV 299
82. Urteil des Kassationshofes vom 21. Oktober 1977 i.S. M. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich | Regeste
1.
Art. 249 BStP
: Schreibt das Gesetz die Erhebung bestimmter Beweise vor, ist deren Ausschluss durch vorweggenommene Beweiswürdigung unzulässig; in der Würdigung dieses Beweises bleibt der Richter frei (E. 1).
2. Begutachtung der Blutanalyse zur Feststellung der Angetrunkenheit (
Art. 141 Abs. 3 und 4 VZV
): Mitberücksichtigung des ärztlichen Untersuchungsbefundes und des Polizeiberichtes; Anforderungen an die Begründung (E. 2). | Sachverhalt
ab Seite 300
BGE 103 IV 299 S. 300
A.-
Am Abend des 27. August 1976 missachtete M. in Horgen/Käpfnach mit seinem Personenwagen eine auf Rot stehende Signalanlage und überholte mehrere davor vorschriftsgemäss haltende Fahrzeuge. Deswegen sprach ihn der Einzelrichter in Strafsachen des Bezirkes Horgen wegen Verletzung von Verkehrsregeln schuldig. Gleichzeitig verurteilte er ihn gestützt auf das Ergebnis der Blutprobe von mindestens 3,34%o wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand zu zwei Monaten Gefängnis unbedingt.
B.-
Das Obergericht des Kantons Zürich wies am 17. März 1977 eine Berufung M.'s ab.
C.-
Mit Nichtigkeitsbeschwerde beantragt M., das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben, soweit es ihn des Fahrens in angetrunkenem Zustande schuldig befunden und unbedingt zu einer 2monatigen Gefängnisstrafe verurteilt hat, und die Sache sei zur Ergänzung der Beweise und zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Obergericht und Staatsanwaltschaft verzichten auf Gegenbemerkungen.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Der Beschwerdeführer stellte im vorinstanzlichen Verfahren verschiedene Beweisanträge. So verlangte er die Einvernahme der Serviertochter und der Wirtsleute des Restaurants, in welchem er sich am Abend des 27. August 1976 aufgehalten hatte. Sie sollten bezeugen, dass er ausser einem Campari nichts Alkoholisches getrunken und keinerlei Anzeichen von Angetrunkenheit hatte erkennen lassen. Sein Sohn sollte bezeugen, dass er zu Hause praktisch keinen Alkohol trinke und zur fraglichen Zeit kein Bier besass. Ferner verlangte er die Einvernahme und die Einholung von Berichten von den Personen, die sich mit der Blutentnahme und deren Begutachtung befassten.
Diese Beweisanträge hat das Obergericht abgewiesen. Darin sieht der Beschwerdeführer eine Verletzung des
Art. 249 BStP
.
a) Die entscheidende Behörde hat die Beweise gemäss
Art. 249 BStP
frei zu würdigen und ist an keine gesetzlichen Beweisregeln gebunden. Sie hat daher die Beweiskraft der erhobenen und der angerufenen Beweise in jedem einzelnen Falle anhand der konkreten Umstände zu prüfen und darf nicht zum voraus und ohne Rücksicht auf die Verhältnisse des Einzelfalles
BGE 103 IV 299 S. 301
einem Beweismittel gegenüber einem andern den Vorzug geben (
BGE 84 IV 174
f. E. 2). Das führt aber nicht dazu, dass der Richter schematisch alle Beweismittel einander gleichstellt. Sprechen nicht besondere Gründe dagegen, kann er sehr wohl einem Beweis, der nach allgemeiner Erfahrung grössere Sicherheit bietet, gegenüber einem andern den Vorzug geben. Er kann auch gestützt auf die besonderen Umstände des Falles die Abnahme beantragter Beweise ablehnen, wenn er zur Überzeugung gelangt, sie würde zu keinem andern zuverlässigen Ergebnis führen. Eine solche vorweggenommene, freie Würdigung der Überzeugungskraft des Beweismittels anhand der konkreten Umstände ist zwar vorsichtig zu handhaben, ist aber immer noch freie Beweiswürdigung, an die der Kassationshof gebunden ist (Art. 273 Abs. 1 lit. b, 277bis Abs. 1 BStP;
BGE 84 IV 176
f. E. 4). Anders verhält es sich nur, wo das Gesetz, wie in Art. 13, 43 Ziff. 1 Abs. 3 StGB oder
Art. 138 ff. VZV
, den Richter anhält, bei Feststellung einer Tatsache sich gewisser Beweismittel zu bedienen. Dann darf er die Feststellung nicht treffen, ohne den gesetzlich verlangten Beweis zu erheben und seine Beweiskraft zu prüfen, selbst wenn er zum vorneherein diesen Beweis für überflüssig hält. Unterlässt er es, verletzt er die Vorschrift, die ihn zur Erhebung des Beweises verpflichtet. In der Würdigung dieses Beweises aber bleibt der Richter frei (es sei denn, das Bundesrecht enthalte selber eine Ausnahme vom Grundsatz der freien Beweiswürdigung).
b) Die Vorinstanz hat in Abwägung der konkreten Umstände (keine Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Blutentnahme oder mögliche Verfälschung des klinischen Befundes durch Ernüchterungsschock und Beherrschung, keine hinreichende Beweiskraft der angerufenen Zeugen usw.) auf die Blutanalyse von Prof. B. und deren Bestätigung durch Dr. G. abgestellt. Sie gab diesem wissenschaftlichen Beweis den Vorzug vor dem klinischen Befund von Dr. K. und hat damit eine vom Kassationshof gemäss
Art. 273 und
Art. 277bis BStP
nicht überprüfbare tatsächliche Feststellung getroffen.
2.
Der Beschwerdeführer rügt ausserdem eine Verletzung von Art. 4 Abs. 3 und 4 des Bundesratsbeschlusses vom 14. Februar 1968 über die Feststellung der Angetrunkenheit von Strassenbenützern. Diese Bestimmungen wurden am 1. Januar 1977 abgelöst durch die gleichlautenden Vorschriften von
BGE 103 IV 299 S. 302
Art. 141 Abs. 3 und 4 VZV
(Verordnung über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Strassenverkehr vom 27. Oktober 1976, SR 741.51), so dass der Rechtszustand zur Zeit der Beurteilung durch das Obergericht nicht geändert hat.
a) Nach diesen Vorschriften ist zum Ergebnis der Blutanalyse auf Verlangen des Verdächtigten und in Zweifelsfällen das Gutachten eines gerichtlich-medizinischen Sachverständigen einzuholen (Abs. 3). Der Sachverständige hat den ärztlichen Untersuchungsbefund und den Bericht der Polizei mitzuberücksichtigen und seine Schlussfolgerungen zu begründen. Nötigenfalls sind die Zuverlässigkeit der Blutanalyse und die Möglichkeit von Fehlerquellen durch einen Fachmann (Chemiker) zu begutachten (Abs. 4).
b) Im vorliegenden Fall wurde die Blutanalyse des Gerichtschemikers Prof. B. vom Oberarzt Dr. med. G. vom Gerichtlich-medizinischen Institut der Universität Zürich bestätigt. Zur Begründung verweist Dr. G. auf die vorgedruckten Bemerkungen Nr. 2, 3 und 6 auf der Rückseite des Formulars.
c) Die Blutanalyse wurde also von einem gerichtlich-medizinischen Sachverständigen, Oberarzt Dr. med. G., bestätigt. Das allein genügt indessen nicht. Der Sachverständige hat "seine Schlussfolgerungen zu begründen". Er muss angeben, gestützt auf welche Überlegungen er zu seinen Schlüssen gelangt ist (
BGE 102 IV 123
E. c). Inhalt und Umfang der Begründung richten sich nach dem Einzelfall. Oft kann eine Verweisung auf vorgedruckte Begründungen genügen. Doch trifft dies nicht immer zu. Vorab darf der Gerichtsmediziner nicht stillschweigend über offensichtliche Widersprüche oder Auffälligkeiten hinweggehen. Mindestens muss er darauf hinweisen und nötigenfalls anregen, die Zuverlässigkeit der Blutanalyse und mögliche Fehlerquellen durch einen Chemiker begutachten zu lassen. Doch kann es nicht seine Aufgabe sein, Erhebungen anzustellen, anzuregen oder zu veranlassen, die den Rahmen der Gerichtsmedizin und der gerichtlichen Chemie sprengen.
d) Der Beschwerdeführer beanstandet, einerseits werde festgestellt, die geltend gemachten Medikamente (Valium) könnten die Alkoholwirkung wesentlich verstärken und es könne der Blutgehalt wegen des kurz vor dem kritischen Ereignis genossenen Alkohols möglicherweise zur rechtlich relevanten Zeit nicht wesentlich höher gewesen sein als der Analysenwert, da
BGE 103 IV 299 S. 303
Alkoholabbau und Nachresorption sich kompensiert haben könnten. Entgegen letzterer Feststellung sei aber für die rechtlich relevante Zeit von einem im Vergleich zu den gefundenen Analysenwerten geringeren Blutalkoholgehalt ausgegangen worden.
Es ist dem Beschwerdeführer zuzugeben, dass der zusammenhanglose Verweis auf verschiedene vorgedruckte Bemerkungen Unklarheiten schafft. Doch ist nicht einzusehen, inwiefern diese Unklarheiten für die Beurteilung erheblich sein könnten. Der durch die Analyse ausgewiesene Blutalkoholgehalt von ca. 3,4%o ist so hoch, dass eine kleine Differenz nach unten oder oben für die Beurteilung unerheblich ist. Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer sich nicht beklagen kann, wenn - entgegen dem, was die Begründung erwarten lässt - der für die massgebliche Zeit angenommene Alkoholgehalt unter und nicht über dem gemessenen Alkoholgehalt angegeben wird.
e) Nach dem klinischen Befund von Dr. K. über die medizinisch feststellbaren Anzeichen von Angetrunkenheit (Art. 3 BRB bzw.
Art. 140 VZV
) stand der Beschwerdeführer nicht merkbar unter Alkoholwirkung. Sein Verhalten war ruhig; der Test Romberg über Gleichgewicht, Gehversuch und Fingerprobe verlief negativ; die Sprache war unauffällig, die Stimmung normal; es bestand keine Amnesie.
Der Beschwerdeführer rügt, dass Oberarzt Dr. G. zu diesem Befund nicht Stellung genommen hat. Tatsächlich ist dieser Befund mit der Blutanalyse nur schwer zu vereinbaren und hätte daher einer näheren Erörterung durch Oberarzt Dr. G. gerufen. Denn nach Art. 4 Abs. 4 des BRB vom 14. Februar 1968 bzw.
Art. 141 Abs. 4 VZV
hat der gerichtlich-medizinische Sachverständige den ärztlichen Untersuchungsbefund mitzuberücksichtigen und darf ihn folglich, wenn er wesentlich von der Blutanalyse abweicht, nicht stillschweigend übergehen. Das Gutachten war daher in einem wesentlichen Punkte unvollständig.
Das Obergericht ist unter Berufung auf zwei Gutachten der Gerichtsmedizinischen Institute in Zürich und Bern aus dem Jahre 1975 über die Diskrepanz zwischen Blutanalyse und klinischem Befund hinweggegangen. In diesen Gutachten wird festgestellt, dass das klinische Bild und der Blutalkoholgehalt oft nicht übereinstimmen. Auch wenn diese Feststellung als Erfahrungstatsache
BGE 103 IV 299 S. 304
betrachtet werden kann (
BGE 103 IV 113
E. 3;
BGE 103 IV 273
E. 3), genügt sie im vorliegenden Falle nicht, um die Diskrepanz zwischen klinischem Befund und Blutanalyse zu erklären, zumal auch die Verordnung gestützt auf
Art. 55 Abs. 3 SVG
eine individuelle Begutachtung in Zweifelsfällen vorsieht (
Art. 141 Abs. 3 VZV
;
BGE 101 IV 233
).
Da der vom Gesetzgeber dem Beschuldigten gewährte Anspruch auf gutachtliche Überprüfung des Ergebnisses der Blutanalyse sich seiner Natur nach in den Rahmen des rechtlichen Gehörs im weitern Sinn einfügt, ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur Einholung einer ergänzenden Expertise und zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen unbekümmert darum, ob Aussicht besteht, dass die Behebung des Mangels zu einer sachlichen Änderung des angefochtenen Urteils führen wird (
BGE 102 IV 124
).
3.
Die Verurteilung wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand ist daher aufzuheben. Je nach der neuen Beurteilung dieses Anklagepunktes wird auch die Strafe neu zuzumessen und über den bedingten Strafvollzug neu zu befinden sein.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts - I. Strafkammer - des Kantons Zürich vom 17. März 1977, soweit die Verurteilung wegen Fahrens in angetrunkenem Zustande betreffend, aufgehoben und die Sache zur neuen Beurteilung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen. | null | nan | de | 1,977 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
2ed15380-fd24-4bed-beac-1c356c02def6 | Urteilskopf
103 Ia 250
44. Auszug aus dem Urteil vom 22. Juni 1977 i.S. Neuhaus gegen Einwohnergemeinde Gretzenbach und Regierungsrat des Kantons Solothurn | Regeste
Art. 4,
Art. 22ter BV
; Nichtgenehmigung eines Zonenplans.
1. Massnahmen zur Verkleinerung des Baugebiets liegen im öffentlichen Interesse, wenn mehr Land eingezont wurde, als zur Deckung des voraussichtlichen Baulandbedarfs innert der nächsten zehn bis fünfzehn Jahre erforderlich ist. Sie dürfen jedoch nicht dazu führen, dass Teilbauzonen, deren Grösse an sich nicht zu beanstanden ist, zu klein ausfallen. Berücksichtigung der Erschliessungssituation (E. 2 und E. 3).
2. Bedeutung der Rechtsgleichheit bei Planungsmassnahmen, insbesondere bei Vergleich der Planungen verschiedener Gemeinden (E. 4). | Sachverhalt
ab Seite 251
BGE 103 Ia 250 S. 251
Die Einwohnergemeinde Gretzenbach erliess im Jahre 1971 einen allgemeinen Bebauungsplan, nachdem sie zuvor einzelne Gebiete durch Teilbebauungspläne geordnet hatte. Mit Beschluss vom 10. Dezember 1976 erteilte der Regierungsrat des Kantons Solothurn dem allgemeinen Bebauungsplan die Genehmigung, unter anderem jedoch vorbehältlich der Einzonung des Gebiets "Hashubel", das nach dem Plan der W 1-Zone/2. Etappe (eingeschossige Wohnbauten, Erschliessung ausschliesslich auf Kosten der Eigentümer) zugeteilt werden sollte. Der Regierungsrat begründete seinen Beschluss im wesentlichen damit, das ausgeschiedene Baugebiet sei zu gross. Gegen die Einzonung des "Hashubel" sprächen überdies Gründe des Landschaftsschutzes und die unverhältnismässig hohen Erschliessungskosten.
Dr. med. Konstantin Neuhaus ist Eigentümer eines 41009 m2 haltenden Grundstücks mit Haus und Scheune im "Hashubel". Er macht mit staatsrechtlicher Beschwerde unter anderem geltend, in Gretzenbach bestehe ein ausgesprochener Bedarf nach attraktiven Baugebieten für Einfamilienhäuser. Solche seien nach dem genehmigten Zonenplan nicht in genügendem Masse vorhanden. Anderseits seien die W 3-Zonen relativ gross. Bei der Beurteilung des Zonenplanes dürfe deshalb nicht ohne weiteres auf das Fassungsvermögen des Baugebiets schlechthin abgestellt werden.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
a)
Art. 22ter BV
gewährleistet das Eigentum. Eigentumsbeschränkungen sind danach nur auf gesetzlicher Grundlage zulässig und müssen im öffentlichen Interesse liegen. Kommen sie in ihren Folgen einer Enteignung gleich, ist volle Entschädigung zu leisten (
BGE 101 Ia 218
mit Hinweisen). Von der Ausgestaltung des kommunalen Zonenplanes hängt ab, wie ein im Gemeindegebiet gelegenes Grundstück genutzt werden kann. Die Zonenordnung bewirkt deshalb Eigentumsbeschränkungen, die für die einzelnen Liegenschaften je nach den anwendbaren Vorschriften und den früheren Nutzungsmöglichkeiten mehr oder weniger schwer sind. Von den aus der Eigentumsgarantie folgenden Erfordernissen ist im vorliegenden Fall einzig streitig, ob für die Nichteinzonung des "Hashubel" ein hinreichendes öffentliches Interesse bestehe.
BGE 103 Ia 250 S. 252
Ob eine Eigentumsbeschränkung im öffentlichen Interesse liegt und ob dieses das entgegenstehende private Interesse überwiegt, prüft das Bundesgericht grundsätzlich frei. Dabei auferlegt es sich jedoch Zurückhaltung, soweit die Beurteilung von einer Würdigung der örtlichen Verhältnisse abhängt, welche die kantonalen Behörden besser kennen und überblicken als das Bundesgericht, und soweit sich ausgesprochene Ermessensfragen stellen (
BGE 101 Ia 219
E. 4;
99 Ia 714
E. 2, 583, 475 E. 2, 252 E. 2, 138, 38 E. 3a; nicht veröffentlichte E. 4a zu
BGE 102 Ia 430
). Letzteres ist gerade bei der Schaffung und Abgrenzung von Bauzonen der Fall.
b) Das Bundesgericht hat in jüngster Zeit wiederholt anerkannt, dass Massnahmen im öffentlichen Interesse liegen, die geeignet sind, das Entstehen überdimensionierter Bauzonen zu verhindern oder solche Bauzonen zu verkleinern (
BGE 102 Ia 433
E. 4b;
BGE 98 Ia 377
; nicht veröffentlichte Urteile Graf-Eisenring vom 26. Januar 1977, E. 2c, Müller vom 15. Dezember 1976, E. 2). Dafür sprechen gewichtige planerische Gründe, wie die Vermeidung der Streubauweise, Erwägungen des Landschaftsschutzes und die Notwendigkeit, die Infrastrukturanlagen und -kosten zu beschränken. Dieses Interesse ist im Zeitpunkt der Schaffung der Bauzonen umso mehr gegeben, als die spätere Verkleinerung einer anfänglich zu gross dimensionierten Bauzone unter Umständen daran scheitert, dass sie Entschädigungsforderungen von Grundeigentümern auslöst, deren Grundstücke aus dem Baugebiet ausgezont werden. Das Bundesgericht hat bisher nicht näher umschrieben, wann eine Bauzone zu gross sei und ihre Verkleinerung demnach im öffentlichen Interesse liege. Es bezeichnete die ausgeschiedene Bauzone als offensichtlich überdimensioniert, wenn sie aller Voraussicht nach "bis weit über das Jahr 2000 hinaus" ausreichte (
BGE 102 Ia 435
f.), wenn sie beim Bevölkerungsstand in den Jahren 2020-2040 voraussichtlich nicht benötigt wurde (
BGE 98 Ia 379
) oder wenn sie wesentlich mehr als die doppelte Bevölkerungszahl aufzunehmen vermochte, die in den nächsten zehn bis fünfzehn Jahren erwartet werden konnte (Urteil Müller, E. 2). Eine nähere Vorschrift über die Bemessung der Bauzone war im Raumplanungsgesetz vom 4. Oktober 1974 enthalten, das in der Volksabstimmung vom 13. Juni 1974 verworfen wurde. Art. 26 der Vorlage bestimmte, dass die Bauzone neben dem bereits weitgehend
BGE 103 Ia 250 S. 253
überbauten Gebiet nur Land umfassen dürfe, das längstens innert zehn bis fünfzehn Jahren für die Überbauung benötigt und innert dieser Frist erschlossen werde. Der neue Gesetzesentwurf vom Juni 1977 enthält in Art. 18 im wesentlichen die gleiche Vorschrift. Ferner bestimmt das Wohnbau- und Eigentumsförderungsgesetz vom 4. Oktober 1974 (WEG), dass die Erschliessung der für den Wohnungsbau bestimmten Bauzonen entsprechend dem Bedarf in angemessenen Etappen innerhalb von zehn bis fünfzehn Jahren durchzuführen ist (
Art. 5 WEG
). Der erwähnte Planungsgrundsatz ist demnach nicht nur in der in Vorbereitung stehenden Gesetzgebung enthalten, sondern liegt auch dem geltenden Bundesrecht zugrunde. Die bisherige Rechtsprechung lässt sich deshalb präzisieren, dass eine Bauzone als zu gross erachtet werden darf und Massnahmen zur Verkleinerung des Baugebiets im öffentlichen Interesse liegen, wenn mehr Land eingezont wurde, als zur Deckung des voraussichtlichen Baulandbedarfs innert der nächsten zehn bis fünfzehn Jahre erforderlich ist.
Das heisst allerdings nicht, dass bei der Beurteilung einer solchen Massnahme ausschliesslich auf das Fassungsvermögen des Baugebiets insgesamt abgestellt werden könne. Zusätzlich ist darauf zu achten, dass die einzelnen Teilbauzonen mit bestimmter Nutzungsdichte und besonderem Zonencharakter (z.B. für Einfamilienhäuser oder mehrgeschossige Wohnblöcke) derart dimensioniert sind, dass sie den Bedürfnissen genügen, die in den nächsten zehn bis fünfzehn Jahren für entsprechendes Bauland zu erwarten sind. Führt eine Beschränkung des Baugebiets dazu, dass Teilbauzonen, deren Grösse an sich nicht zu beanstanden ist, zu klein ausfallen, so ist die Massnahme nicht durch ein hinreichendes öffentliches Interesse gedeckt, selbst wenn das Baugebiet gesamthaft gesehen zu gross ist. Das gleiche gilt, wenn die Beschränkung des Baugebiets Flächen betrifft, deren Nichteinzonung mit Rücksicht auf eine bereits teilweise Überbauung, wegen schon vorhandener Erschliessungsanlagen oder aus ähnlichen Gründen mit sachlichen planerischen Gründen nicht gerechtfertigt werden kann.
c) Beizufügen ist schliesslich, dass das öffentliche Interesse an der Beschränkung des Baugebiets im Einzelfall nur durchgesetzt werden kann, wenn es die entgegenstehenden privaten Interessen überwiegt. Dabei hat aber das rein finanzielle Interesse
BGE 103 Ia 250 S. 254
der Eigentümer an der gewinnbringenden Verwertung ihres Landes vor dem öffentlichen Interesse in der Regel zurückzutreten (
BGE 102 Ia 434
).
3.
a) Die Gemeinde Gretzenbach liegt halbwegs zwischen Aarau und Olten auf der rechten Aareseite. Sie erstreckt sich zur Hauptsache südlich der Eisenbahnlinie Olten-Zürich gegen die Hügelkette, in welcher das Gebiet "Hashubel" liegt. Dieses läuft in eine Kuppe aus, die von weither sichtbar ist. Auf dem Hügel stehen das dem Beschwerdeführer gehörende Bauernhaus und einige weitere Wohnbauten in Streubauweise. Vom eigentlichen Dorfkern ist der "Hashubel" durch eine unüberbaute Zone, den "Ettenberg" getrennt. Die Grenze zwischen den Gebieten "Ettenberg" und "Hashubel" bildet ein schmales Waldstück, das die Einsicht in den unteren Teil des "Hashubel" verhindert.
b) Die Gemeinde zählte im Frühjahr 1977 insgesamt 1567 Einwohner. Zwischen 1950 und 1960 hatte die Einwohnerzahl um 9,5% zugenommen, zwischen 1960 und 1970 jedoch nur noch um 3,4%. Zwischen dem 31. Dezember 1972 und dem Frühjahr 1977 verringerte sie sich um 56 (- 3,4%), was vor allem auf den Wegzug ausländischer Arbeitskräfte zurückzuführen ist. Die relativ geringe Bevölkerungszunahme im letzten Jahrzehnt hat, worauf bereits der Ortsplaner hinwies, ihren Grund wahrscheinlich darin, dass in Gretzenbach nur wenig erschlossenes Bauland verfügbar war. Dies hat sich heute geändert. Es ist deshalb anzunehmen, dass die Bevölkerungszahl von Gretzenbach nach dem erwähnten Rückgang relativ rasch wieder steigen wird, zumal die Gemeinde im Einzugsgebiet zahlreicher, z.T. neu entstandener Betriebe liegt, z.B. des Kernkraftwerks Gösgen und des in der Nähe errichteten grossen Rangierbahnhofs der SBB mit einem Postzentrum, die Arbeitskräfte anziehen werden. Im einzelnen wird die Zunahme der Bevölkerungszahl davon abhängen, in welchem Ausmass die Gemeinde Gretzenbach Bauland an interessanten Wohnlagen anzubieten vermag. Der Regionalplanungs-Zweckverband rechnet für Gretzenbach bis 1990 mit einer Einwohnerzahl von 2300 Personen. Diese Zahl wird heute jedoch als zu hoch erachtet und die Prognose überarbeitet. Selbst wenn man angesichts der günstigen Entwicklungsaussichten der Gemeinde Gretzenbach eine entsprechende Zunahme der Bevölkerung nicht ausschliessen will, ist jedenfalls
BGE 103 Ia 250 S. 255
nicht anzunehmen, dass die Einwohnerzahl darüber hinaus auf das Drei- oder gar das Vierfache des jetzigen Zustandes ansteigen werde.
Das von der Gemeinde eingezonte Baugebiet bietet nach den Berechnungen des Ortsplaners Platz für ungefähr 7200 Einwohner. Das kantonale Raumplanungsamt kommt zu einem Fassungsvermögen von 6800 Einwohnern. Auch diese Zahl ist möglicherweise etwas zu hoch gegriffen, da zu erwarten ist, dass in den W 2-Zonen nicht ausschliesslich zweigeschossige Wohnbauten, sondern auch eingeschossige Einfamilienhäuser errichtet werden. Dadurch wird das Fassungsvermögen des Baugebiets in einem gewissen Umfang verringert. Das vermag aber nichts an der Feststellung zu ändern, dass die von der Gemeinde Gretzenbach ausgeschiedene Bauzone zu gross ist, um den während der nächsten zehn bis fünfzehn Jahre zu erwartenden Bevölkerungszuwachs aufzunehmen. Stellt man auf diesen Planungsgrundsatz ab, so ist das Baugebiet der Gemeinde selbst in dem vom Regierungsrat genehmigten Umfang noch überdimensioniert. Jedenfalls ist es bei weitem hinreichend bemessen. Insoweit kann deshalb nicht gesagt werden, die Reduktion des von der Gemeinde eingezonten Baugebiets liege nicht im öffentlichen Interesse.
c) Es kann auch nicht gesagt werden, die Zonen für die Erstellung von Einfamilienhäusern seien ohne den "Hashubel" zu klein, um den Bedarf nach solchem Bauland in den nächsten zehn bis fünfzehn Jahren zu decken. Nach dem genehmigten Plan sind in der Gemeinde Gretzenbach Zonen für eingeschossige Bauten im Gebiet des "Dössihubels" und des "Tonnihof" vorgesehen. Im Gebiet "Dössihubel" ist, wie der Augenschein gezeigt hat, bereits eine rege Bautätigkeit zu verzeichnen. Nach Angaben des Gemeindevertreters sind aber dort noch immer 43 Bauparzellen vorhanden. Zu diesem Baulandangebot kommen weitere zehn Bauplätze im "Tonnihof". Zwar werden diese wohl weniger gefragt sein als das Bauland im "Dössihubel", weil sie sich in der Nähe einer Durchgangsstrasse befinden, die als Zufahrt zur Autobahn benutzt werden kann und die deshalb zu Lärmimmissionen führt. Dies ändert aber nichts daran, dass in den beiden Gebieten der Bau von mehr als fünfzig eingeschossigen Wohnhäusern möglich ist. Ferner ist anzunehmen, dass derartige Bauvorhaben vereinzelt auch in den zweigeschossigen Wohnzonen
BGE 103 Ia 250 S. 256
ausgeführt werden. Es ist nicht zu erwarten, dass für die nächsten zehn bis fünfzehn Jahre mehr als fünfzig Grundstücke für eingeschossige Einfamilienhäuser benötigt werden. Trotz der günstigen Entwicklungsaussichten der Gemeinde Gretzenbach kann deshalb nicht gesagt werden, das Angebot an entsprechendem Bauland sei zu gering.
d) Es liegen auch keine anderen planerischen Gründe vor, die klar für eine Einzonung des "Hashubel" sprechen. So verhielte es sich allenfalls, wenn das Land des Beschwerdeführers im Gegensatz zu anderen, eingezonten Gebieten bereits in weitem Masse erschlossen wäre. Aus diesem Umstand folgt zwar weder aus dem geltenden solothurnischen Baurecht noch aus der Eigentumsgarantie ein eigentlicher Anspruch auf Einzonung. Eine solche kann verfassungsrechtlich aber gleichwohl gefordert sein, wenn es angesichts einer bereits durchgeführten Erschliessung nicht im öffentlichen Interesse liegt, das fragliche Gebiet nicht einzuzonen.
Die für den Wohnungsbau bestimmten Zonen sind, wie bereits erwähnt, aufgrund des eidg. Wohnbau- und Eigentumsförderungsgesetzes entsprechend dem Bedarf in angemessenen Etappen innerhalb von zehn bis fünfzehn Jahren zu erschliessen. In diesem Zeitraum ist sowohl die Grob- als auch die Feinerschliessung durchzuführen. Unter der Groberschliessung ist gemäss
Art. 4 Abs. 1 WEG
die Versorgung eines zu überbauenden Gebiets mit den Hauptsträngen der Erschliessungsanlagen zu verstehen, namentlich Wasser, Energieversorgungs- und Abwasserleitungen sowie Strassen und Wegen, die unmittelbar dem zu erschliessenden Gebiet dienen. Die Feinerschliessung umfasst nach
Art. 4 Abs. 2 WEG
den Anschluss der einzelnen Grundstücke an die Hauptstränge der Erschliessungsanlagen mit Einschluss von öffentlich zugänglichen Quartierstrassen und öffentlichen Leitungen. Der Bund leistet Beiträge an die Kosten der Grob- und unter Umständen auch der Feinerschliessung (
Art. 13 WEG
). Von dieser Regelung des Wohnbau- und Eigentumsförderungsgesetzes ist auszugehen, wenn zu beurteilen ist, ob die Einzonung eines bestimmten Gebiets angesichts der bestehenden Erschliessungssituation durch das öffentliche Interesse gefordert sei.
Im "Hashubel" sind gewisse Erschliessungsanlagen vorhanden, die den bestehenden Bauten dienen. Offenbar kann zudem bei einer weiteren Überbauung Nutzen von Anlagen
BGE 103 Ia 250 S. 257
gezogen werden, welche im Zusammenhang mit der Einzonung anderer Gebiete erstellt wurden. Von einer Grob- oder gar einer Feinerschliessung des "Hashubel", wie sie für die vollständige Überbauung erforderlich wäre, kann indes nicht die Rede sein. Hinsichtlich der Groberschliessung fehlt es insbesondere noch an einer genügenden Zufahrtsstrasse. Überdies müssten die Anlagen der Wasserversorgung und Kanalisation zum Teil erst noch erstellt oder wesentlich erweitert werden. Die noch anfallenden Kosten für die Erschliessung des Gebiets dürften beträchtlich sein. Es kann deshalb nicht gesagt werden, der "Hashubel" sei bereits derart weitgehend erschlossen, dass es sinnwidrig und ausserhalb des öffentlichen Interesses wäre, ihn nicht zu überbauen.
Es kann sodann nicht gesagt werden, der "Hashubel" sei bereits derart weitgehend besiedelt, dass es im öffentlichen Interesse liege, das Gebiet vollständig zu überbauen. Gegenteils sprechen gewichtige Gründe des Landschaftsschutzes dafür, den "Hashubel", auf dem bis heute lediglich einige wenige Wohnbauten vorhanden sind, jedenfalls soweit von einer weiteren Überbauung freizuhalten, als er nicht durch den Wald abgedeckt, sondern von der Aareebene aus einsehbar ist. Die Nichteinzonung des "Hashubel" lässt sich deshalb mit überzeugenden planerischen Gründen vertreten und verstösst nicht gegen die Eigentumsgarantie.
4.
Der Beschwerdeführer macht sodann geltend, der angefochtene Beschluss verletze die Rechtsgleichheit, weil der Regierungsrat seinerzeit die Einzonung des Gebiets "Eich" im Zonenplan der Gemeinde Däniken genehmigt habe, obwohl dieses Gebiet zur gleichen "landschaftlich reizvollen" Hangkuppe gehöre wie der "Hashubel".
Wie das Bundesgericht wiederholt entschieden hat, kommt dem Gleichheitsprinzip bei Planungsmassnahmen nur eine abgeschwächte Wirkung zu. Der Grundeigentümer hat keinen aus
Art. 4 BV
folgenden Anspruch darauf, im Zusammenhang mit der Aufstellung eines Bebauungsplanes oder einer Zonenordnung gleich behandelt zu werden wie alle übrigen Grundeigentümer, die von einer Raumplanungsmassnahme berührt werden. Es liegt im Wesen der Ortsplanung, dass Zonen gebildet werden, für welche notwendigerweise unterschiedliche Bauvorschriften aufgestellt werden. Verfassungsrechtlich genügt deshalb, dass die Planung sachlich vertretbar, d.h.
BGE 103 Ia 250 S. 258
nicht willkürlich ist. Das Gebot der Rechtsgleichheit fällt insoweit mit dem Willkürverbot zusammen (
BGE 99 Ia 715
;
BGE 95 I 550
).
Die Berufung auf das Gleichheitsprinzip vermag noch weniger durchzudringen, wenn der Entscheid der Genehmigungsbehörde mit Hinblick auf die Planungen verschiedener Gemeinden beanstandet wird. Die Bedürfnisse nach Einzonung von Bauland sind in der Regel nicht in allen Gemeinden gleich. Die Einzonung eines bestimmten Gebiets mag in der einen Gemeinde sachlich gerechtfertigt sein, in der andern jedoch nicht. Eine unterschiedliche Behandlung kann ferner durch den zeitlichen Abstand zwischen den verschiedenen Planungen bedingt sein, wenn sich die Rechtsvorschriften geändert oder andere Planungsgrundsätze Anerkennung gefunden haben.
Solche Gründe sind im vorliegenden Falle gegeben. Der Regierungsrat führt in seiner Vernehmlassung unwiderlegt aus, die Gemeinde Däniken verfüge nur über sehr wenig Land, das sich für die Überbauung eigne. Das Gebiet "Eich" sei überdies im wesentlichen bereits im Jahre 1955 eingezont worden, als der Regierungsrat die Bebauungspläne der Gemeinden nur auf Willkür hin überprüft habe, während er jetzt eine weitergehende Überprüfungsbefugnis in Anspruch nehme. Die Einzonung des Gebiets "Eich" habe deshalb nicht beanstandet werden können. Eine solche Änderung der Genehmigungspraxis ist dem Regierungsrat nicht verwehrt, wenn sie sachlich gerechtfertigt ist. Dass dies nicht der Fall sei, tut der Beschwerdeführer nicht dar. Überdies hat sich anlässlich des bundesgerichtlichen Augenscheins nicht ergeben, dass zufolge der Einzonung des Gebiets "Eich" und der Nichteinzonung des "Hashubel" eine offenkundige Ungleichheit eingetreten sei. Die Beschwerde erweist sich deshalb auch in diesem Punkt als unbegründet. | public_law | nan | de | 1,977 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
2edd88e1-760e-4bbb-a159-25848523742c | Urteilskopf
120 Ib 6
2. Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 28. Februar 1994 i.S. X. und Y. c. Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Aufenthaltsbewilligung (
Art. 7 ANAG
).
Bundesstaatliche Kompetenzordnung im Ausländerrecht; Befugnisse der Bundesbehörden im Zustimmungsverfahren (E. 2 u. 3).
Erteilung der Aufenthaltsbewilligung an den ausländischen Ehegatten eines Schweizer Bürgers; Interessenabwägung bei Vorliegen eines Ausweisungsgrundes (E. 4). | Sachverhalt
ab Seite 6
BGE 120 Ib 6 S. 6
X., argentinischer Staatsangehöriger, wurde am 13. Februar 1991 mit Urteil der Kriminalkammer des Kantons Bern wegen wiederholter und fortgesetzter, mengenmässig qualifiziert begangener Widerhandlung gegen das Bundesgesetz über die Betäubungsmittel zu einer fünfjährigen Zuchthausstrafe sowie zu Landesverweisung für fünf Jahre verurteilt. Die Verurteilung erfolgte, weil er im Juni 1988 in Buenos Aires und Rio de Janeiro einem Schweizer 1 kg Kokain gegen eine Provision von Fr. 2'000.-- vermittelt, im Sommer 1988 in
BGE 120 Ib 6 S. 7
der Schweiz 10 g Kokain gekauft und verkauft sowie am 14. Juli 1989 in Zürich-Kloten 73 Gramm Kokain eingeführt und selber seit 1986 bis zu seiner Verhaftung Kokain konsumiert hatte.
In der Strafanstalt lernte X. die Schweizer Bürgerin Y. kennen, welche dort beruflich tätig war. Am 13. September 1991 heirateten die beiden. X. wurde am 24. November 1992 bedingt aus dem Strafvollzug entlassen; gleichzeitig wurde die strafrechtliche Landesverweisung probeweise aufgeschoben.
Am 10. Dezember 1991 verfügte die Fremdenpolizei des Kantons Bern gegen X. die Ausweisung aus der Schweiz auf unbestimmte Dauer und ordnete an, dass bei Haftentlassung die Ausreise zu erfolgen habe. Eine Beschwerde an die Polizeidirektion des Kantons Bern blieb erfolglos. Dagegen hiess das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Urteil vom 18. Januar 1993 die von X. und Y. eingereichte Verwaltungsgerichtsbeschwerde gut, hob den Entscheid der Polizeidirektion sowie die Verfügung der Fremdenpolizei auf und wies die Akten an die Fremdenpolizei zurück, damit diese eine Aufenthaltsbewilligung B erteile; zudem wies das Verwaltungsgericht das Bundesamt für Ausländerfragen an, hiezu die Zustimmung gemäss
Art. 18 Abs. 3 ANAG
(SR 142.20) zu geben.
Das Bundesamt für Ausländerfragen verweigerte mit Verfügung vom 5. März 1993 die Zustimmung zur vom Kanton Bern erteilten Aufenthaltsbewilligung. Eine Beschwerde gegen diese Verfügung wies das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement mit Entscheid vom 20. Juli 1993 ab.
Mit Eingabe vom 4. August 1993 haben X. und Y. Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht erhoben. Sie stellen den Antrag, die Verfügung des Bundesamtes für Ausländerfragen und der Entscheid des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements seien aufzuheben und das Bundesamt sei anzuweisen, die Zustimmung zur vom Kanton Bern erteilten Aufenthaltsbewilligung zu erteilen.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab
Erwägungen
aus folgenden Erwägungen:
1.
Nach
Art. 100 lit. b Ziff. 3 OG
ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde auf dem Gebiete der Fremdenpolizei unzulässig gegen die Erteilung oder Verweigerung von Bewilligungen, auf die das Bundesrecht keinen Anspruch einräumt.
BGE 120 Ib 6 S. 8
Gemäss
Art. 4 ANAG
entscheidet die zuständige Behörde, im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und der Verträge mit dem Ausland, nach freiem Ermessen über die Bewilligung von Aufenthalt oder Niederlassung. Es besteht damit grundsätzlich kein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, es sei denn, der Ausländer oder seine in der Schweiz lebenden Angehörigen könnten sich auf eine Sondernorm des Bundesrechts oder eines Staatsvertrags berufen. Nach
Art. 7 ANAG
in der Fassung des Gesetzes vom 23. März 1990 hat der ausländische Ehegatte eines Schweizer Bürgers Anspruch auf Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung, wobei der Anspruch erlischt, wenn ein Ausweisungsgrund vorliegt. Des weitern ergibt sich nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung auch aus dem in
Art. 8 Ziff. 1 EMRK
garantierten Schutz des Familienlebens ein Anspruch auf Erteilung der Aufenthaltsbewilligung für den ausländischen Ehegatten eines Schweizer Bürgers, wenn die eheliche Beziehung tatsächlich gelebt wird (
BGE 109 Ib 183
).
Die Beschwerdeführer sind verheiratet. Sie können sich für die Erteilung der verlangten Aufenthaltsbewilligung auf
Art. 7 ANAG
und, weil ihre Ehe unzweifelhaft gelebt wird, auch auf
Art. 8 EMRK
berufen. Mit dem angefochtenen Entscheid verweigerten die Bundesbehörden die Zustimmung zur Erteilung der Aufenthaltsbewilligung. Gegen diesen Entscheid ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wie gegen einen die Bewilligung verweigernden kantonalen Entscheid zulässig. Auf die Beschwerde ist damit einzutreten. Ob im konkreten Fall die Bewilligung bzw. die Zustimmung hiezu verweigert werden durfte, weil gegen den Beschwerdeführer ein Ausweisungsgrund vorliegt, ist Frage der materiellen Beurteilung (
BGE 118 Ib 145
E. 3d S. 151; Urteil vom 13. Mai 1992, in ZBl 93/1992, S. 569 E. 1).
2.
In erster Linie stellt sich dem Bundesgericht im vorliegenden Fall allerdings eine andere Frage. Die Beschwerdeführer wie auch das Verwaltungsgericht des Kantons Bern sind der Auffassung, die Bundesbehörden seien nicht befugt, die Zustimmung zur Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zu verweigern, wenn ein kantonales Verwaltungsgericht in Anwendung von
Art. 7 ANAG
oder
Art. 8 EMRK
entschieden habe, die Bewilligung sei zu erteilen. Das Zustimmungsverfahren gemäss
Art. 18 Abs. 3 ANAG
sei zugeschnitten auf Ermessensentscheide der kantonalen Behörden, nicht aber auf richterliche Entscheide über Rechtsansprüche. Diese könnten vom Eidgenössischen Justiz- und
BGE 120 Ib 6 S. 9
Polizeidepartement als dem in der Sache zuständigen Departement gestützt auf
Art. 103 lit. b OG
beim Bundesgericht angefochten werden; die Bundesbehörden dürften aber nicht auf das Zustimmungsverfahren ausweichen und sich über das Urteil eines Gerichts hinwegsetzen.
Das Departement ist demgegenüber der Auffassung, es entspreche der bundesstaatlichen Kompetenzordnung im Fremdenpolizeirecht, dass die Kantone über Gesuche um Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zu befinden hätten, bei Gutheissung aber regelmässig zusätzlich die Zustimmung des Bundes erforderlich sei. Das verhalte sich nicht anders, wenn ein Rechtsanspruch in Frage stehe, und zwar selbst dann nicht, wenn darüber ein kantonales Gericht entschieden habe. Dem Bundesamt für Ausländerfragen stehe auch diesbezüglich eine eigene Sachentscheidkompetenz zu. Das rechtskräftige Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern bedeute nichts anderes, als dass dieser Kanton bereit sei, dem Beschwerdeführer eine Aufenthaltsbewilligung zu erteilen. Im Zustimmungsverfahren sei darüber zu befinden, ob auch der Bund damit einverstanden sei.
3.
a) Gemäss
Art. 69ter Abs. 2 BV
treffen nach Massgabe des Bundesrechts die Kantone die Entscheidung über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer; dem Bund steht jedoch das endgültige Entscheidungsrecht u.a. gegenüber kantonalen Bewilligungen für länger dauernden Aufenthalt und für Niederlassung zu. Das Gesetz sieht in
Art. 15 Abs. 2 ANAG
vor, dass der Entscheid über die Erteilung oder den Fortbestand einer Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung der kantonalen Fremdenpolizei oder einer ihr übergeordneten Behörde zu übertragen ist; das kantonale Recht muss, soweit die in Art. 15 Abs. 2 aufgezählten Entscheide nicht dem Regierungsrat oder dem Departementschef vorbehalten sind, für den Ablehnungsfall den Rekurs vorsehen (
Art. 19 Abs. 1 ANAG
). Der eine Bewilligung verweigernde kantonale Entscheid ist aber endgültig (
Art. 18 Abs. 1 ANAG
); er kann nicht an eine Verwaltungsbehörde des Bundes weitergezogen werden (vgl.
BGE 106 Ib 125
E. 1 S. 126). Bei Gutheissung eines Gesuchs ist demgegenüber gemäss
Art. 18 Abs. 3 ANAG
mit Ausnahme der in Abs. 2 genannten Fälle die Zustimmung des Bundesamtes für Ausländerfragen erforderlich. Die bundesstaatliche Kompetenzordnung im Fremdenpolizeirecht ist damit aufgrund der verfassungsrechtlichen wie der gesetzlichen Regelung vom Grundsatz gekennzeichnet, dass die Kantone zwar befugt sind, Bewilligungen in eigener
BGE 120 Ib 6 S. 10
Zuständigkeit zu verweigern, dass aber bei Gutheissung eines Gesuchs um Aufenthalt oder Niederlassung regelmässig zusätzlich die Zustimmung auch des Bundes erforderlich ist (vgl.
BGE 118 Ib 81
E. 3c S. 88).
Zu den Ausnahmen vom Zustimmungserfordernis, wie sie in
Art. 18 Abs. 2 ANAG
vorgesehen sind, gehört die Bewilligung an den ausländischen Ehegatten eines Schweizer Bürgers nicht. Das entspricht dem Grundgedanken, von dem dieser Ausnahmekatalog getragen ist; in der alleinigen Kompetenz der Kantone sollte der Entscheid über die Bewilligung dann liegen, wenn nicht mit einem dauernden Bleiben des Ausländers gerechnet werden muss (Botschaft des Bundesrates, BBl 1929 I 921; M. RUTH, Das Fremdenpolizeirecht der Schweiz, Zürich 1934, S. 80 f.). Allerdings sieht
Art. 18 Abs. 4 ANAG
(eingefügt durch die Gesetzesrevision vom 8. Oktober 1948) vor, dass der Bundesrat befugt ist, die Zuständigkeit der Kantone abweichend von den Absätzen 2 und 3 zu ordnen. Der Bundesrat hat von dieser Befugnis insbesondere mit der Verordnung vom 6. Oktober 1986 über die Begrenzung der Zahl der Ausländer (Begrenzungsverordnung, BVO; SR 823.21) sowie mit der Verordnung vom 20. April 1983 über die Zuständigkeit der Fremdenpolizeibehörden Gebrauch gemacht (Zuständigkeitsverordnung, SR 142.202). Eine ausdrückliche Regelung für die Bewilligungserteilung an den ausländischen Ehegatten eines Schweizer Bürgers hat er aber nicht getroffen. Aus der Begrenzungsverordnung ergibt sich immerhin, dass im vergleichbaren Fall des Familiennachzugs des aufenthaltsberechtigten Ausländers die Zustimmung nicht erforderlich ist (vgl.
Art. 52 BVO
). Das gilt aber nicht uneingeschränkt, denn die Zuständigkeitsverordnung sieht vor, dass das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement zur Koordination der Praxis das Zustimmungserfordernis für bestimmte Gruppen von Ausländern vorsehen kann (Art. 1 Abs. 1 lit. a); das Bundesamt für Ausländerfragen ist seinerseits befugt, die Unterbreitung zur Zustimmung im Einzelfall zu verlangen (Art. 1 Abs. 1 lit. c).
Der Verzicht auf das Zustimmungserfordernis in der Begrenzungsverordnung beim Familiennachzug hat damit nicht definitiven Charakter; er kann auf Grundlage der Zuständigkeitsverordnung wieder rückgängig gemacht werden, und dies selbst im Einzelfall. Das Bundesamt für Ausländerfragen kann damit auch im Lichte der gestützt auf
Art. 18 Abs. 4 ANAG
ergangenen bundesrätlichen Verordnungen verlangen, dass ihm die Bewilligung an den
BGE 120 Ib 6 S. 11
ausländischen Ehegatten eines Schweizer Bürgers zur Zustimmung unterbreitet werde.
b) Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern und die Beschwerdeführer vertreten nun aber die Auffassung, das Zustimmungsverfahren sei von seinem Sinn und Zweck her allein auf Ermessensentscheide zugeschnitten, nicht aber auf Rechtsansprüche, wie sie erst nach Erlass des ANAG vereinzelt entstanden seien.
Diese Auffassung ist unzutreffend. Es ist zwar richtig, dass ein Rechtsanspruch auf Aufenthaltsbewilligung des ausländischen Ehegatten noch nicht lange besteht. Ein solcher wurde erstmals mit dem Beschluss des Bundesgerichts vom 9. Dezember 1983 i.S. Reneja (
BGE 109 Ib 183
) gestützt auf
Art. 8 EMRK
anerkannt. Einen Rechtsanspruch auf Niederlassungsbewilligung sah aber bereits
Art. 17 Abs. 2 ANAG
in der ursprünglichen Fassung des Gesetzes vom 26. März 1931 für die Ehefrau und die Kinder eines niedergelassenen Ausländers vor, wobei aber gerade für diese Fälle ausdrücklich und zwingend bestimmt war, dass die Zustimmung der damaligen eidgenössischen Fremdenpolizei einzuholen sei (Art. 18 Abs. 5 der Vollziehungsverordnung vom 5. Mai 1933 zum Bundesgesetz über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer; Eidg. Gesetzessammlung, Neue Folge, Bd. 49, S. 301). So verhält es sich im übrigen auch heute noch (Art. 18 Abs. 8 der Vollziehungsverordnung vom 1. März 1949 zum Bundesgesetz über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer, ANAV; SR 142.201). Daraus ergibt sich, dass das Zustimmungsverfahren von seinem Zweck her nicht auf den Bereich des freien Ermessens beschränkt ist.
c) Dem Bundesamt für Ausländerfragen kann es auch nicht deshalb verwehrt sein, das Zustimmungsverfahren durchzuführen, weil auf kantonaler Ebene ein Gericht und nicht eine Verwaltungsbehörde entschieden hat und das Departement die Möglichkeit gehabt hätte, gegen das kantonale Urteil Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu erheben (
Art. 103 lit. b OG
). Da die Kantone bei der Gewährung von Aufenthaltsbewilligungen grundsätzlich frei sind (
Art. 4 ANAG
) und solche auch dann erteilen dürfen, wenn kein Anspruch besteht, ist Bundesrecht im Ergebnis nicht verletzt, wenn die Anspruchsvoraussetzungen von einer kantonalen Behörde zu grosszügig gehandhabt werden; für die erfolgreiche Ergreifung einer Verwaltungsgerichtsbeschwerde durch das Departement würde es am Beschwerdegrund der Bundesrechtsverletzung (
Art. 104 lit. a OG
) fehlen. Dazu kommt, dass die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gar unzulässig ist, wenn
BGE 120 Ib 6 S. 12
das kantonale Verwaltungsgericht zu Unrecht annimmt, es bestehe ein bundesrechtlicher Bewilligungsanspruch, denn
Art. 100 lit. b Ziff. 3 OG
schliesst dieses Rechtsmittel auch aus gegen die Erteilung von Bewilligungen, auf die das Bundesrecht keinen Rechtsanspruch einräumt. Die originäre Sachentscheidkompetenz, welche dem Bund aufgrund der bundesstaatlichen Kompetenzordnung im Fremdenpolizeirecht zusteht (E. 3a) und die in der Literatur auch als Vetorecht bezeichnet wird (PETER KOTTUSCH, Die Bestimmungen über die Begrenzung der Zahl der Ausländer, SJZ 84/1988, S. 38), lässt sich daher nicht durch die Befugnis ersetzen, verwaltungsgerichtliche Urteile beim Bundesgericht anzufechten.
d) Es ist damit festzuhalten, dass das Bundesamt für Ausländerfragen befugt war, das Zustimmungsverfahren durchzuführen, auch wenn das Verwaltungsgericht des Kantons Bern einen Rechtsanspruch auf Erteilung der Aufenthaltsbewilligung bejaht hat. Das Bundesgericht hat seinerseits materiell zu prüfen, ob die Zustimmung verweigert werden durfte, wobei auch die Überlegungen des Verwaltungsgerichts in die Beurteilung miteinzubeziehen sind. Festzuhalten ist des weitern, dass das Verwaltungsgericht des Kantons Bern in erster Linie darüber zu befinden hatte, ob gegen den Beschwerdeführer die Ausweisung verfügt werden durfte. Es hat dies verneint, die von der Fremdenpolizei des Kantons Bern angeordnete Ausweisung, welche den Beschwerdeführer verpflichtet, die Schweiz zu verlassen und sie nicht wieder zu betreten, ist damit aufgehoben. Ob das Verwaltungsgericht gleichzeitig und ohne dass ein entsprechendes Gesuch vorgelegen hätte, auch über die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung befinden durfte, hat das Bundesgericht nicht zu entscheiden, da das Urteil des Verwaltungsgerichts nicht angefochten ist. Zu prüfen ist einzig, ob die Bundesbehörden die Zustimmung zur Erteilung der Aufenthaltsbewilligung verweigern durften.
4.
a) Wie bereits dargelegt, hat der ausländische Ehegatte eines Schweizer Bürgers Anspruch auf Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung, wobei der Anspruch entfällt, wenn ein Ausweisungsgrund vorliegt (
Art. 7 Abs. 1 ANAG
). Gemäss
Art. 10 Abs. 1 lit. a ANAG
kann ein Ausländer aus der Schweiz ausgewiesen werden, wenn er wegen eines Verbrechens oder Vergehens gerichtlich bestraft worden ist. Die Ausweisung soll aber nur verfügt werden, wenn sie nach den gesamten Umständen verhältnismässig erscheint (
Art. 11 Abs. 3 ANAG
). Dabei ist namentlich auf die Schwere des Verschuldens des Beschwerdeführers, auf die Dauer seiner Anwesenheit in der
BGE 120 Ib 6 S. 13
Schweiz sowie auf die ihm und seiner Familie drohenden Nachteile abzustellen (
Art. 16 Abs. 3 ANAV
). Die Nichterteilung einer Aufenthaltsbewilligung an den wegen eines Verbrechens oder Vergehens verurteilten ausländischen Ehegatten eines Schweizer Bürgers setzt in gleicher Weise eine Interessenabwägung voraus. Das ergibt sich neben dem Verweis in
Art. 7 Abs. 1 ANAG
auf den Ausweisungsgrund von
Art. 10 Abs. 1 lit. a ANAG
auch aus
Art. 8 EMRK
. Danach ist das Familienleben geschützt (Ziff. 1) und ein Eingriff in dieses Rechtsgut nur statthaft, insoweit er gesetzlich vorgesehen ist und eine Massnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutze der Gesundheit und Moral sowie der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist (Ziff. 2).
Der Anspruch auf Erteilung der Bewilligung gemäss
Art. 7 Abs. 1 ANAG
erlischt damit nicht bereits dann, wenn ein Ausländer wegen eines Verbrechens oder Vergehens verurteilt wurde, sondern erst, wenn auch die Interessenabwägung ergibt, dass die Bewilligung zu verweigern ist (Urteil des Bundesgerichts vom 13. Mai 1992, ZBl 93/1992 S. 569 ff. E. 2a). Das Ergebnis dieser Interessenabwägung braucht allerdings nicht dasselbe zu sein, wie wenn eine Ausweisung angeordnet worden wäre. Wenn ein Ausländer ausgewiesen wird, darf er die Schweiz nicht mehr betreten, während dies bei Verweigerung der Aufenthaltsbewilligung möglich bleibt. Aufgrund dieses Unterschieds in der Schwere der Massnahme kann sich in Grenzfällen ergeben, dass die Verweigerung der Aufenthaltsbewilligung zulässig ist, die Anordnung einer Ausweisung aber unverhältnismässig wäre.
b) Der Beschwerdeführer ist von der Kriminalkammer des Kantons Bern zu einer Zuchthausstrafe von fünf Jahren verurteilt worden, weil er in schwerer Weise gegen das Betäubungsmittelgesetz verstossen hatte. Was die Umstände seiner deliktischen Tätigkeit betrifft, weist das Departement mit Recht darauf hin, dass er im Jahre 1989 eigens zwecks Drogentransports in die Schweiz eingereist war und dabei eine erhebliche kriminelle Energie entwickelt hatte. Er war für Beschaffung und Transport der Ware allein zuständig und nahm dabei auch erhebliche Risiken in Kauf; das Kokain transportierte er, indem er es in Plastikbeutelchen verpackte und es in den After einführte. Zu Recht hält das Departement auch fest, dass die Vermittlung des einen Kilogramms Kokain in Südamerika nicht etwa deshalb
BGE 120 Ib 6 S. 14
bagatellisiert werden darf, weil der Beschwerdeführer bis zu diesem Zeitpunkt nicht mit derartigen Mengen gehandelt hatte. Von Bedeutung ist vielmehr, dass er ohne Skrupel seine Bereitschaft zeigte, auch grosse Mengen zu vermitteln und er zudem alles daran setzte, den Auftrag zu erfüllen; es sei hier nur darauf hingewiesen, dass dafür ein Flug von Rio de Janeiro nach Buenos Aires notwendig war. Damit ist ohne Einschränkung von schwerwiegenden Straftaten und einem schweren Verschulden des Beschwerdeführers auszugehen, wie dieses auch im hohen Strafmass von fünf Jahren Zuchthaus zum Ausdruck kam.
Sowohl das Verwaltungsgericht wie auch das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement haben in ihren Entscheiden verschiedene Urteile des Bundesgerichts zum Vergleich herangezogen, um zu bestimmen, wie schwer die Verfehlungen des Beschwerdeführers in fremdenpolizeilicher Hinsicht wiegen. Was diese Vergleiche betrifft, ist vorerst darauf hinzuweisen, dass die Abwägung zwischen öffentlichen und privaten Interessen wesentlich von den Umständen des Einzelfalles abhängt. Dennoch ist es richtig, die Höhe der vom Strafrichter verhängten Strafe als Ausgangspunkt und Massstab für die fremdenpolizeiliche Beurteilung zu nehmen. Dabei muss allerdings beachtet werden, dass nur ähnlich gelagerte Fälle verglichen werden. Vorliegend geht es um die erstmalige Bewilligung des Aufenthalts an den Ehemann einer Schweizer Bürgerin. Zu Unrecht bezieht sich deshalb das Verwaltungsgericht auf
BGE 105 Ib 165
, wo es um die Ausweisung einer Frau ging, welche bereits mehrere Jahre in der Schweiz gelebt hatte, als sie straffällig wurde. Was die erstmalige Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung oder deren Verlängerung nach kurzer Aufenthaltsdauer betrifft, so hat das Bundesgericht im Urteil i.S. Reneja (dem ersten Fall, in welchem aus
Art. 8 EMRK
ein Anspruch auf Aufenthaltsbewilligung abgeleitet wurde) die aussergewöhnlichen Umstände hervorgestrichen, welche trotz der Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung noch zu rechtfertigen vermochten (
BGE 110 Ib 201
). Auch wenn bezüglich des Strafmasses eine feste Grenze nicht gezogen werden kann, so ist doch festzuhalten, dass das Bundesgericht die Vorgaben des genannten Urteils weiterhin für massgebend betrachtet.
c) Für die Interessenabwägung ist damit davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer zu einer weit schwereren Freiheitsstrafe verurteilt worden ist, als dies in der bisherigen bundesgerichtlichen Rechtsprechung noch akzeptiert wurde, um den Ehegatten zu ermöglichen, ihre Beziehung in der
BGE 120 Ib 6 S. 15
Schweiz zu leben. In Betracht fällt sodann, dass die Beschwerdeführerin ihren Mann erst kennengelernt und geheiratet hat, als sich dieser bereits im Strafvollzug befand. Auch wenn sie angenommen haben mochte, sie könne ihre Ehe trotz der strafrechtlichen Verurteilung in der Schweiz leben, so musste ihr doch zumindest bewusst sein, dass eine Aufenthaltsbewilligung nicht ohne weiteres ausgestellt würde und jedenfalls von einer behördlichen Entscheidung abhing, zumal der Strafrichter eine Landesverweisung und zusätzlich das Bundesamt für Ausländerfragen eine Einreisesperre verhängt hatten. Sie hätte damit jedenfalls in Betracht ziehen müssen, dass sie die Ehe mit ihrem zu fünf Jahren Freiheitsstrafe verurteilten Mann womöglich nicht in der Schweiz leben könnte. Zutreffend ist zwar, dass es für die Beschwerdeführerin mit Schwierigkeiten verbunden wäre, ihrem Ehemann in dessen Heimat nach Argentinien zu folgen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sie in der Schweiz zwei - allerdings erwachsene - Kinder hat und auch ihre betagte Mutter hier lebt. Aber auch in beruflicher Hinsicht dürfte es für sie nicht einfach sein, in Argentinien eine angemessene Beschäftigung zu finden. Dennoch sind die Lebensverhältnisse in Argentinien in sozialer und kultureller, aber auch in wirtschaftlicher Hinsicht nicht derart verschieden von denjenigen, wie sie in der Schweiz bestehen, dass ein Leben in diesem Land für eine Schweizerin zum vorneherein als unzumutbar bezeichnet werden müsste, besonders wenn bedacht wird, dass die Zumutbarkeit der Ausreise für die hier ansässigen Familienangehörigen eines Ausländers nach der Rechtsprechung um so eher zu bejahen ist, als das Verhalten des Ausländers seinen Aufenthalt in der Schweiz als unerwünscht erscheinen lässt (
BGE 116 Ib 353
E. 3d S. 358).
Von anderen Fällen unterscheidet sich der vorliegende dadurch, dass hier von vergleichsweise günstigen Resozialisierungschancen gesprochen werden muss, weil die Beschwerdeführerin aufgrund ihrer Tätigkeit im Strafvollzug die nötige Erfahrung mit sich bringt und davon ausgegangen werden kann, dass sie in der Lage wäre, ihren Ehemann positiv zu beeinflussen. Der Resozialisierungsgedanke ist aus fremdenpolizeilicher Sicht aber nur einer unter mehreren Faktoren. Hier steht, wie sich aus den in
Art. 10 Abs. 1 ANAG
genannten, bereits weit unterhalb der Schwelle strafbaren Verhaltens beginnenden Ausweisungsgründen ergibt, das Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit im Vordergrund. Das Risiko eines Rückfalls ist deshalb um so weniger hinzunehmen, je schwerwiegender die Taten zu gewichten sind, welche der Ausländer verübt hat; diese sind, wie schon
BGE 120 Ib 6 S. 16
dargelegt, als sehr gravierend einzustufen.
d) Das Interesse der Beschwerdeführer, ihre Ehe in der Schweiz leben zu können, erscheint bei dieser Sachlage wohl gewichtig, wird aber relativiert durch die Tatsache, dass die Lebensverhältnisse in Argentinien für die schweizerische Ehegattin nicht geradezu unzumutbar sind und sie im übrigen bei der Eheschliessung damit rechnen musste, ihrem Ehemann in dieses Land folgen zu müssen. Das öffentliche Interesse daran, dem Beschwerdeführer trotz Heirat mit einer Schweizer Bürgerin keine Aufenthaltsbewilligung zu erteilen, ist angesichts seiner schweren Delikte von grösserem Gewicht, auch wenn berücksichtigt wird, dass seine Resozialisierungschancen aufgrund der spezifischen beruflichen Fähigkeiten seiner Ehegattin besser sind, als dies im allgemeinen der Fall ist. | public_law | nan | de | 1,994 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
2ee01d8d-344b-485c-9532-7d6807d8c937 | Urteilskopf
108 IV 25
8. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 25. März 1982 i.S. F. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde) | Regeste
Art. 251 StGB
.
Die kaufmännische Buchhaltung und ihre Belege müssen nicht nur formal, sondern auch materiell richtig sein (
Art. 957 OR
). Wer durch Wechsel- und Checkreiterei den Stand eines Bankkontos auf Kontrollstichtage hin von Soll auf Haben bringt und so in der Buchhaltung eine den Tatsachen nicht entsprechende Vermögenssituation vorspiegelt, macht sich der Falschbeurkundung schuldig. | Erwägungen
ab Seite 26
BGE 108 IV 25 S. 26
Aus den Erwägungen:
1.
c) Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung stellt die kaufmännische Buchhaltung mit ihren Bestandteilen, also auch den vom Beschwerdeführer und St. verwendeten Buchungsbelegen, eine Urkunde gemäss
Art. 110 Ziff. 5 und
Art. 251 StGB
dar (
BGE 103 IV 176
f. mit Verweisungen; vgl. NIKLAUS SCHMID, Fragen der Falschbeurkundung bei Wirtschaftsdelikten, insbesondere im Zusammenhang mit der kaufmännischen Buchführung, in ZStR 95/1978, S. 280 ff.; BODMER/KLEINER/LUTZ, Kommentar zum Schweizerischen Bankgesetz, Zürich 1976, zu Art. 6). Hinsichtlich der Aussagekraft des vom Beschwerdeführer und Mitangeschuldigten auf die Kontrollzeit ausgewiesenen Kontosaldos ist wesentlich, dass die kaufmännische Buchführung und ihre Bestandteile (Belege, Bücher, Buchhaltungsauszüge über Einzelkonten, Bilanzen oder Erfolgsrechnungen, vgl. dazu SCHMID, a.a.O., S. 281 ff.) als Absichtsurkunden kraft Gesetzes (
Art. 957 OR
) bestimmt und geeignet sind, Tatsachen von rechtlicher Bedeutung bzw. die in ihr enthaltenen Tatsachen zu beweisen, wobei für ihren Urkundencharakter der mit der Buchführung verfolgte Zweck keine Rolle spielt (
BGE 106 IV 39
E. 1a;
BGE 103 IV 177
b;
BGE 79 IV 163
). Demzufolge ist unerheblich, ob die jeweiligen Kontosaldi bloss der bankinternen Überschreitungskontrolle unterstellt waren oder durch die sogenannte Visabuchhaltung auf ihren Wahrheitsgehalt hätten überprüft werden können. Da überdies die Buchhaltung gemäss ihrer Zielsetzung von
Art. 957 OR
die der tatsächlichen
BGE 108 IV 25 S. 27
wirtschaftlichen Lage entsprechende Vermögenssituation wiederzugeben hat, vermag ihre bloss formale Richtigkeit nicht zu genügen; Buchhaltung und Belege müssen auch materiell richtig sein (SCHMID, a.a.O., S. 291). Der Beschwerdeführer und der Leiter der Bankfiliale X. brachten indessen das Konto der Y. AG auf die Kontrollstichtage vom 1. November 1976, 15. November 1976 und 15. Januar 1977 hin durch Check- und Wechselreiterei entgegen seinem tatsächlichen Bestand vom Soll auf ein Haben, was aber nichts anderes als eine materiell unrichtige Buchung, mithin eine Falschbeurkundung darstellt. Die Berufung des Beschwerdeführers auf das sogenannte "window dressing" erscheint deshalb unangebracht, weil dieses - wie die Bezeichnung besagt (Schaufenster-dekorieren) - nur die äussere Optik einer Bilanz, nicht aber, wie vorliegend, den Wert bzw. die Substanz des bilanzierten Vermögens betreffen kann (ALBISETTI/BODMER/RUTSCHI, Handbuch des Bank-, Geld- und Börsenwesens der Schweiz, 1964, S. 629).
Indem schliesslich Soll- und Habensaldi Tatsachen von rechtlicher Bedeutung darstellen, zu deren Beweis das Konto der Y. AG als Bestandteil der Buchhaltung bestimmt und geeignet war, und diese Urkunde einen der Wirklichkeit widersprechenden Kontostand aufzeigte, erweist sich unter Einbezug der unbestrittenen subjektiven Tatbestandselemente (Täuschungs- und Vorteilsabsicht) die von der Vorinstanz getroffene rechtliche Qualifikation als Urkundenfälschung bzw. Gehilfenschaft dazu als in jeder Hinsicht richtig; Bundesrecht ist nicht verletzt.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen. | null | nan | de | 1,982 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
2ee0dccc-db0b-4bdf-8f90-16ac585432e0 | Urteilskopf
100 V 37
10. Urteil vom 3. April 1974 i.S. Iseli gegen Ausgleichskasse des Kantons Basel-Landschaft und Versicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft | Regeste
Physiotherapie in Lähmungsfällen (
Art. 12 IVG
). Gesetzmässigkeit und Anwendungsbereich des neuen
Art. 2 Abs. 3 IVV
. | Sachverhalt
ab Seite 37
BGE 100 V 37 S. 37
A.-
Die Versicherte (geb. 1951) ist seit dem 8. Lebensjahr wegen eines Ganglionneuroms paraplegisch (Bericht von Dr. med. D., Oberarzt der Orthopädischen Poliklinik F. vom 18. Mai 1971). Sie schloss am 2. April 1971 eine kaufmännische Lehre in einer Eingliederungsstätte ab und arbeitet seit 19. April 1971 als kaufmännische Angestellte (Bericht der Regionalstelle für berufliche Eingliederung vom 15. Juni 1971). Zur Erhaltung der Arbeitsfähigkeit muss sie sich ständig einer physio- und atemtherapeutischen Behandlung unterziehen. Mit Verfügungen vom 23. Juni 1971 und 26. März 1973 lehnte die Ausgleichskasse die Übernahme dieser medizinischen Vorkehren ab.
B.-
Das Versicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft wies eine von der Versicherten gegen die Verfügung vom 26. März 1973 erhobene Beschwerde unter Hinweis auf
BGE 97 V 45
und
BGE 98 V 95
ab (Entscheid vom 22. August 1973).
C.-
Mit der vorliegenden Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die Versicherte, die Invalidenversicherung habe die Kosten der Heilgymnastik zur Beseitigung der Kontraktur und Stärkung der Muskulatur sowie der Atemtherapie zu übernehmen. Zur Begründung verweist sie auf den ab 1. Januar 1973 gültigen
Art. 2 Abs. 3 IVV
und legt ein Zeugnis von Dr. med. H., Oberarzt der Orthopädischen Universitätsklinik Basel, vom 11. Juli 1973 auf, der zur Erhaltung der Arbeitsfähigkeit eine 3wöchige Badekur verordnete.
Während die Ausgleichskasse die Frage aufwirft, ob gestützt auf
Art. 2 Abs. 3 IVV
die ablehnende Verfügung aufrechterhalten
BGE 100 V 37 S. 38
werden könne, schliesst das Bundesamt für Sozialversicherung auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
Erwägungen
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
a) Nach
Art. 12 Abs. 1 IVG
hat der Versicherte Anspruch auf medizinische Massnahmen, die nicht auf die Behandlung des Leidens an sich, sondern unmittelbar auf die berufliche Eingliederung gerichtet und geeignet sind, die Erwerbsfähigkeit dauernd und wesentlich zu verbessern oder vor wesentlicher Beeinträchtigung zu bewahren.
Art. 12 Abs. 2 IVG
erteilt dem Bundesrat die Befugnis, die Massnahmen gemäss Abs. 1 von jenen, die auf die Behandlung des Leidens an sich gerichtet sind, abzugrenzen. Er kann zu diesem Zweck insbesondere die von der Versicherung zu gewährenden Massnahmen nach Art und Umfang näher umschreiben und Beginn und Dauer des Anspruchs regeln. Von dieser Befugnis hat der Bundesrat in
Art. 2 IVV
teilweise Gebrauch gemacht. Nach
Art. 2 Abs. 1 IVV
gelten als medizinische Massnahmen im Sinne des
Art. 12 IVG
namentlich chirurgische, physiotherapeutische und psychotherapeutische Vorkehren, die eine als Folgezustand eines Geburtsgebrechens, einer Krankheit oder eines Unfalls eingetretene Beeinträchtigung der Körperbewegung, der SinnesWahrnehmung oder der Kontaktfähigkeit zu beheben oder zu mildern trachten, um die Erwerbsfähigkeit dauernd und wesentlich zu verbessern oder vor wesentlicher Beeinträchtigung zu bewahren.
b) In Anwendung dieser Grundsätze hat das Eidg. Versicherungsgericht in
BGE 97 V 45
erklärt, dass bei Lähmungen medizinische Massnahmen, insbesondere auch solche physiotherapeutischer Natur, so lange zu gewähren seien, bis der Zustand wesentlicher und dauerhafter Verbesserung der Erwerbsfähigkeit eingetreten sei. Medizinischen Vorkehren, deren Erfolg nicht dauerhaft sei und die der steten Wiederholung bedürften, um das erreichte Optimum vor einem Nachlassen zu beWahren, fehle der überwiegende Eingliederungscharakter (S. 48/49). An dieser Rechtsprechung hielt das Gericht in
BGE 98 V 95
fest. Solange in der IVV eine Norm zur Bestimmung der Leistungsdauer bei Lähmungen und anderen motorischen Funktionsausfällen fehle, bestehe kein Anlass, dauernd stabilisierende medizinische Vorkehren, wie sie beispielsweise
BGE 100 V 37 S. 39
infolge von Lähmungen indiziert sein könnten, zu gewähren. Im übrigen sei der Richter nicht befugt, Sonderlösungen für Lähmungsfälle zu treffen, soweit dies im Gesetz oder in der Verordnung selber nicht geschehe; denn die Lähmungen seien nur ein Teil im gesamten Komplex der durch Geburtsgebrechen, Krankheit oder Unfall bedingten motorischen Funktionsausfälle (S. 97/98).
c) Der im Rahmen der 8. AHV-Revision in
Art. 2 IVV
eingefügte und seit 1. Januar 1973 gültige neue Absatz 3 lautet:
"Wird bei Lähmungen und anderen Ausfällen von motorischen Funktionen im Rahmen von medizinischen Massnahmen gemäss Absatz 1 Physiotherapie durchgeführt, so besteht der Anspruch auf diese Massnahme so lange weiter, als damit die Funktionstüchtigkeit, von der die Erwerbsfähigkeit abhängt, offensichtlich verbessert oder erhalten werden kann."
Diese vom Bundesrat gestützt auf die Ermächtigung des
Art. 12 Abs. 2 IVG
getroffene Umschreibung des Anspruchs auf Physiotherapie bei Lähmungen und anderen Ausfällen von motorischen Funktionen hält sich im Rahmen des
Art. 12 IVG
und ist daher gesetzmässig.
Das Bundesamt für Sozialversicherung nahm zu der neuen Norm im Kreisschreiben vom 29. September 1972 an die Ausgleichskassen und Invalidenversicherungs-Kommissionen über die Änderungen der Invalidenversicherung auf dem Gebiet der Eingliederungsmassnahmen im Zusammenhang mit der 8. AHV-Revision wie folgt Stellung:
"Die neue Bestimmung von
Art. 2 Abs. 3 IVV
gestattet es nun, physiotherapeutische Massnahmen zur Behandlung von Lähmungsfolgen auch dann zu übernehmen, wenn sie auf die Bewahrung des bisher erreichten, an sich nicht mehr verbesserbaren Eingliederungszustandes gerichtet sind. Damit soll verhindert werden, dass die mittels Eingliederungsmassnahmen erreichte Erwerbsfähigkeit des Versicherten nachträglich wieder in Frage gestellt wird. Voraussetzung zur Übernahme einer Erhaltungstherapie ist, dass die physiotherapeutische Massnahme unmittelbar auf die Beeinflussung der motorischen Funktionen gerichtet ist. Dient sie dagegen der Behandlung eines sekundären Krankheitsgeschehens (Zirkulationsstörungen, Skelettdeformitäten, etc.), so fällt eine Leistungspflicht der IV wie bisher ausser Betracht."
Nach ständiger Rechtsprechung sind die vom Bundesamt für Sozialversicherung vorbehaltenen sekundären Krankheitsgeschehen,
BGE 100 V 37 S. 40
die eine Folge der Lähmung darstellen, eindeutig labiles pathologisches Geschehen; die hiefür notwendigen medizinischen Vorkehren gehören zur Behandlung des Leidens an sich und gehen nicht zu Lasten der Invalidenversicherung (EVGE 1962 S. 308; ZAK 1965 S. 282; nicht publiziertes Urteil i.S. Gasser vom 4. April 1973).
2.
Die paraplegische Beschwerdeführerin bedarf zur Erhaltung der Funktionstüchtigkeit, von der ihre Erwerbsfähigkeit abhängt, dauernd physiotherapeutischer Behandlung. Sie erfüllt somit grundsätzlich die Voraussetzungen, welche
Art. 2 Abs. 3 IVV
an die Gewährung fortdauernder stabilisierender Massnahmen zur Bewahrung der Erwerbsfähigkeit in Lähmungsfällen stellt.
Da die vorliegenden Akten keinen Aufschluss über den Umfang der von der Versicherten benötigten Physiotherapie geben, werden sie zu weiterer Abklärung an die Verwaltung zurückgewiesen. Diese wird in diesem Zusammenhang auch zu prüfen haben, ob die atemtherapeutische Behandlung, welche nicht auf die Beeinflussung der motorischen Funktionen gerichtet ist und somit nicht unter
Art. 2 Abs. 3 IVV
fällt, nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen als untrennbarer Bestandteil der Physiotherapie übernommen werden kann (vgl. EVGE 1961 S. 308, 1965 S. 41, 1967 S. 252; ZAK 1969 S. 375).
Schliesslich hat die Verwaltung zu beachten, dass die von der Beschwerdeführerin verlangten Leistungen erst vom Inkrafttreten der neuen Bestimmung, d.h. vom 1. Januar 1973 an gewährt werden können (EVGE 1968 S. 64).
Dispositiv
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
I. In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden die angefochtene Kassenverfügung vom 26. März 1973 und der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Basel-Landschaft vom 22. August 1973 aufgehoben.
II. Die Sache wird an die Ausgleichskasse des Kantons Basel-Landschaft zurückgewiesen, damit diese nach erfolgter Abklärung im Sinne der Erwägungen neu verfüge. | null | nan | de | 1,974 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
2ee4b005-3334-46e8-b016-143cddc8f5de | Urteilskopf
106 III 75
16. Entscheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 15. April 1980 i.S. A. (Rekurs) | Regeste
1. Kompetenzanspruch nach Art. 224 in Verbindung mit
Art. 92 SchKG
.
Verwirkung des Beschwerderechts mit Bezug auf diesen Anspruch (E. 1)
2. Unterhaltsbeitrag im Sinne von
Art. 229 Abs. 2 SchKG
.
Gegen die Weigerung der Konkursverwaltung, ihm einen Unterhaltsbeitrag zu gewähren, kann der Gemeinschuldner Beschwerde führen (Änderung der Rechtsprechung) (E. 2). | Sachverhalt
ab Seite 76
BGE 106 III 75 S. 76
In dem über ihn eröffneten Konkurs stellte A. mit Eingabe vom 7. Februar 1980 beim Konkursamt das Gesuch, es seien in Anwendung der
Art. 92 Ziff. 5, 224 und 229 SchKG
- dem Fürsorgeamt, dem seine Ehefrau ihre Alimentenforderung abgetreten habe, der Betrag von Fr. 3'400.-- und
- ihm persönlich der Betrag von Fr. 3'000.-- aus der Konkursmasse auszuzahlen.
Das Konkursamt wies das Gesuch durch Verfügung vom 13. Februar 1980 ab.
Mit Entscheid vom 17. März 1980 bestätigte die kantonale Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs, bei welcher der Gemeinschuldner Beschwerde eingereicht hatte, die konkursamtliche Verfügung.
Unter Erneuerung der im kantonalen Verfahren gestellten Anträge hat A. an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts rekurriert.
Eine Rekursantwort ist nicht eingeholt worden.
Erwägungen
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
1.
Es trifft zu, dass weder das Konkursamt noch die Vorinstanz auf die vom Rekurrenten angerufene Bestimmung des
Art. 224 SchKG
eingegangen sind, wonach die in
Art. 92 SchKG
bezeichneten Vermögensteile (Kompetenzstücke) dem Gemeinschuldner zur freien Verfügung überlassen werden. Dies mag darauf zurückzuführen sein, dass die kantonalen Instanzen den geltend gemachten Kompetenzanspruch für
BGE 106 III 75 S. 77
verwirkt hielten. Gemäss
Art. 224 SchKG
sind auch die Kompetenzstücke in das Konkursinventar aufzunehmen. Ist ein Gemeinschuldner der Auffassung, es sei ein bestimmtes Vermögensstück zu Unrecht zur Konkursmasse gezogen worden, so hat er sich rechtzeitig dagegen zur Wehr zu setzen; er kann nicht erst Monate nach der Inventaraufnahme ein Freigabebegehren an die Konkursverwaltung richten. Im Konkursinventar, dessen Vollständigkeit der Gemeinschuldner unterschriftlich anzuerkennen hat (
Art. 29 Abs. 3 und 4 KOV
), sind die Kompetenzstücke gemäss
Art. 31 KOV
ausdrücklich auszuscheiden. In aller Regel weiss der Gemeinschuldner somit bei der Unterzeichnung des Inventars, ob ein Vermögensstück als Kompetenzgegenstand anerkannt worden ist oder nicht; in diesem Zeitpunkt beginnt daher grundsätzlich auch die Beschwerdefrist zu laufen (vgl. BGE 32 I S. 224; JAEGER, N. 7 zu
Art. 197 SchKG
). Dass es sich im vorliegenden Fall anders verhalten hätte, macht der Rekurrent nicht geltend und ist aufgrund der Akten auch nicht anzunehmen. Aus diesen ergibt sich vielmehr, dass der Rekurrent mit Eingabe vom 21. August 1979 bei der Vorinstanz um Entlassung des im Konkursinventar angeführten Personenwagens aus dem Konkursbeschlag nachsuchte. Wenn er damals verzichtete, die Freigabe weiterer Vermögenswerte zu verlangen, so hat er in dieser Hinsicht das Beschwerderecht verwirkt.
Es widerspräche im übrigen dem sich aus dem Wortlaut ergebenden Sinn des vom Rekurrenten angerufenen
Art. 92 Ziff. 5 SchKG
, ihm gestützt auf diese Bestimmung aus dem bisherigen oder künftigen Verwertungserlös die geforderten Beträge zu entrichten. Die erwähnte Bestimmung spricht von den zwei auf die Pfändung (hier: Konkurseröffnung) folgenden Monaten. Diese Zeit ist im vorliegenden Fall längst abgelaufen. Vor allem aber sind vom Pfändungs- bzw. Konkursbeschlag nur befreit die für die erwähnte Dauer notwendigen Nahrungs- und Feuerungsmittel oder "die zu ihrer Anschaffung erforderlichen Barmittel oder Forderungen". Dass und in welchem Umfang die Konkursmasse Barmittel oder Forderungen umfasse, legt der Rekurrent nicht dar.
2.
Gemäss
Art. 229 Abs. 2 SchKG
kann die Konkursverwaltung dem Gemeinschuldner, namentlich wenn sie ihn anhält, zu ihrer Verfügung zu bleiben, einen billigen Unterhaltsbeitrag gewähren. In BGE 35 I S. 800 E. 2 hat das Bundesgericht
BGE 106 III 75 S. 78
die Auffassung vertreten, das Gesetz lege den Entscheid über die Gewährung eines solchen Unterhaltsbeitrages allein ins Ermessen der Konkursverwaltung; es stehe daher den vollstreckungsrechtlichen Aufsichtsbehörden nicht zu, die Konkursverwaltung zur Auszahlung von Alimenten an den Gemeinschuldner zu verhalten. Diese Ansicht hat es in zwei späteren Urteilen grundsätzlich bestätigt (vgl.
BGE 48 III 44
E. 4;
BGE 73 III 126
E. 3), im letztgenannten Entscheid freilich mit der Einschränkung, ein durch Beschwerde verfolgbarer Anspruch auf Unterhaltsbeiträge bestehe jedenfalls dann nicht, wenn der Konkursit nicht angehalten werde, zur Verfügung der Konkursverwaltung zu bleiben, und damit nicht an einer ausreichenden Erwerbstätigkeit gehindert sei.
Nach
Art. 17 Abs. 1 SchKG
kann unter Vorbehalt der Fälle, da gerichtliche Klage vorgeschrieben ist, gegen jede Verfügung eines Betreibungs- oder Konkursamtes bei der Aufsichtsbehörde Beschwerde geführt werden, sei es wegen Gesetzesverletzung, sei es bezüglich der Angemessenheit der Verfügung. Es ist nicht einzusehen, weshalb der für den Schuldner ausserordentlich wichtige Entscheid über die Ausrichtung eines Unterhaltsbeitrages im Sinne von
Art. 229 Abs. 2 SchKG
davon ausgenommen sein sollte (so auch BLUMENSTEIN, Handbuch des Schweizerischen Schuldbetreibungsrechtes, S. 711 oben). Die kantonalen Aufsichtsbehörden müssen vielmehr ganz allgemein in der Lage sein, die Ausübung des Ermessens durch die Konkursverwaltungen in jeder Hinsicht nachzuprüfen, wobei nichts einzuwenden ist, wenn sie sich dabei eine gewisse Zurückhaltung auferlegen. An der bisherigen Rechtsprechung kann daher nicht festgehalten werden.
Mit Rekurs nach den
Art. 19 Abs. 1 SchKG
und 78 ff. OG können bei der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts dagegen nur Gesetzesverletzungen gerügt werden. Eine solche läge hier nur dann vor, wenn die kantonale Aufsichtsbehörde das ihr zustehende Ermessen überschritten oder missbraucht hätte (vgl.
BGE 103 III 26
E. 4 mit Hinweis). Dass dies zutreffe, macht der Rekurrent nicht geltend, so dass auf den Rekurs insofern nicht einzutreten ist. Der Rekurrent bringt übrigens selbst nicht vor, er sei deshalb während eines Monates ohne Arbeit gewesen, weil er der Konkursverwaltung habe zur Verfügung stehen müssen. Eine Arbeitslosigkeit von so kurzer Dauer würde schliesslich für sich allein ohnehin nicht
BGE 106 III 75 S. 79
ausreichen, um die Verweigerung eines Unterhaltsbeitrages durch die Konkursverwaltung als bundesrechtswidrig erscheinen zu lassen. | null | nan | de | 1,980 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
2ee5fd7e-23fb-4358-9d7d-217572651646 | Urteilskopf
112 III 36
11. Auszug aus dem Entscheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 14. Januar 1986 i.S. Süllhöfer (Rekurs) | Regeste
Kollokationsrechtliche Behandlung einer im Konkurs angemeldeten Forderung, die im Zeitpunkt der Konkurseröffnung bereits Gegenstand eines Prozesses gebildet hatte (
Art. 63 Abs. 1 KOV
).
Eine solche Forderung ist grundsätzlich lediglich pro memoria im Kollokationsplan vorzumerken (E. 3).
Bevor die Konkursverwaltung die Vormerkung ausführt, hat sie zu prüfen, ob die angemeldete Forderung mit der beim Gericht eingeklagten identisch sei; waren die beim Gericht eingeklagten Ansprüche betragsmässig nicht festgelegt worden, hat aber der Gläubiger die angemeldete Forderung im Hinblick auf die kollokationsrechtlichen Bedürfnisse beziffert, so darf die Konkursverwaltung die Vormerkung nur dann verweigern, wenn der vom Gläubiger angerufene Richter den genannten Betrag offensichtlich nicht wird zusprechen können (E. 4). | Sachverhalt
ab Seite 36
BGE 112 III 36 S. 36
In dem vom Konkursamt Leuk geführten Konkurs der Trisol AG meldeten Heinz Süllhöfer und die Süllhöfer & Co. KG eine Forderung von 4 Mio. Franken an. Sie verwiesen dabei auf einen beim Landgericht Düsseldorf gegen die Trisol AG hängigen Prozess betreffend Herausgabe sowie Forderungen aus Lizenzvertrag und Patentverletzung. Mit Klageschrift vom 29. November 1977 hatte Heinz Süllhöfer beim erwähnten Gericht beantragt, es sei
BGE 112 III 36 S. 37
"1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger die vom Kläger
gezeichneten 100 Stück Aktien der Trisol AG vormals Süllotherm AG im
Nennwert von 1'000.-- Schweizer Franken das Stück herauszugeben;
2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 50'000.-- Schweizer
Franken als Restbetrag auf die gemäss Art. 13a des Lizenz-Vertrages vom
28.3.1973 vereinbarte Lizenz-Gebühr zu zahlen zuzüglich 7% Zinsen seit
dem 30.7.1974;
3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger die laut Schreiben vom
10.1.1975 und 10.4.1975 abgerechneten Lizenz-Gebühren für das Jahr 1974
und für das erste Quartal 1975 in Höhe von insgesamt 18'560.50 Schweizer
Franken zu zahlen zuzüglich 7% Zinsen für den Betrag von 15'981.20
Schweizer Franken seit dem 10.1.1975 und für den Betrag von 2'579.30
Schweizer Franken seit dem 10.4.1975;
4. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger unter Vorlage eines
Verzeichnisses darüber Abrechnung zu erteilen, in welchem Umfang und zu
welchem Preis, kalendervierteljährlich aufgeschlüsselt und unter
Beifügung der jeweiligen Rechnungen, die Beklagte beiderseitig kaschierte
Polyurethan-Schaum-Bauelemente, insbesondere endlose Platten,
entsprechend dem Süllhöfer-System seit dem 1.4.1975 gewerbsmässig in den
Verkehr gebracht hat;
5. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger einen Betrag in Höhe von
5% des absoluten bis zum 30.10.1976 erzielten Netto-Verkaufserlöses der
zu 4. bezeichneten kaschierten Polyurethan-Hartschaum-Platten als
Produktions-Lizenz und ab dem 1.11.1976 als Schadenersatz zu zahlen
zuzüglich Zinsen in Höhe von 3 1/2% über dem jeweiligen Diskontsatz der
Deutschen Bundesbank, berechnet von 5% des kalendervierteljährlich
aufgeschlüsselten absoluten Netto-Verkaufserlöses und ab dem 10. des auf
das jeweilige Kalendervierteljahr folgenden Monats;
..."
Auf eine entsprechende Anfrage hin teilte das Landgericht Düsseldorf dem Konkursamt Leuk mit, dass der Streitwert bezüglich der gegen die Trisol AG eingeleiteten Klage mit DM 150'000.-- angenommen worden sei.
Unter Ord. Nr. 03 des Kollokationsplanes behandelte das Konkursamt Leuk die Forderung von Heinz Süllhöfer und der Süllhöfer & Co. KG alsdann wie folgt: Als angemeldet führte es den Betrag von 4 Mio. Franken auf. In seiner Verfügung Nr. 2 (zu Ord. Nr. 03) hielt es jedoch fest, die Forderung sei nicht belegt und werde deshalb abgewiesen. Sodann merkte das Konkursamt in Anwendung von
Art. 63 KOV
pro memoria vor, dass sich der Streitwert des beim Landgericht Düsseldorf hängigen Prozesses auf DM 150'000.-- bzw. (bei einem Konventions-Devisen-Mittelkurs von 81.14) auf Fr. 121'710.-- belaufe. Schliesslich verfügte das Konkursamt, dass die Forderung als anerkannt gelte, falls der Prozess weder von der Masse noch von einzelnen Gläubigern fortgeführt werde.
BGE 112 III 36 S. 38
Eine von Heinz Süllhöfer gegen die Behandlung seiner Forderung im Kollokationsplan erhobene Beschwerde wiesen der Instruktionsrichter der Bezirke Leuk und Westlich-Raron als untere und das Kantonsgericht Wallis als obere kantonale Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen durch Entscheide vom 26. Juni bzw. vom 25. Oktober 1985 ab.
Den kantonsgerichtlichen Entscheid hat Heinz Süllhöfer mit Rekurs an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts weitergezogen. Wie im kantonalen Verfahren stellt er folgende Rechtsbegehren:
"Der Entscheid der Vorinstanz sei aufzuheben und das Konkursamt
anzuweisen,
- bei Ord. Nr. 03 des Kollokationsplans pro memoria gemäss Art. 63
KV vorzumerken, dass diese Forderung in einem Prozess vor dem Landgericht
Düsseldorf eingeklagt wurde, wobei sich aus den Akten ergebe, dass sich
die Höhe der Forderung auf Fr. 4'000'000.-- belaufe (Hauptantrag);
- eventuell bei Ord. Nr. 03 des Kollokationsplans (ohne Bezifferung
eines Streitwerts) pro memoria gemäss Art. 63 KV vorzumerken, dass diese
Forderung in einem Prozess vor Landgericht Düsseldorf eingeklagt wurde,
wobei die Berechnung der Höhe der Forderung erst im Laufe des weiteren
Konkursverfahrens möglich sei (Eventualantrag);
- subeventuell als separate neue Ord. Nr. 06 die Forderungen des
Heinz Süllhöfer gemäss Klage vom 29.11.1977 an das Landgericht Düsseldorf
wegen Ansprüchen aus Lizenzvertrag und Patentverletzung pro memoria
gemäss Art. 63 KV aufzunehmen, wobei die Höhe der Forderung mit
Fr. 4'000'000.-- zu beziffern sei, oder eventuell - mit der Bemerkung, sie
bleibe
späterer Berechnung durch das Konkursamt vorbehalten - offen zu lassen
sei (Subeventualantrag)."
Das Konkursamt Leuk schliesst auf Abweisung des Rekurses.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
a) Gemäss
Art. 244 SchKG
prüft die Konkursverwaltung die eingegebene Forderung und macht die zu ihrer Erwahrung nötigen Erhebungen. Gegebenenfalls setzt sie dem Ansprecher zur Einreichung von Beweismitteln Frist an (
Art. 59 Abs. 1 KOV
). Sie holt ferner eine Stellungnahme des Gemeinschuldners ein, an die sie freilich nicht gebunden ist (
Art. 244 und 245 SchKG
). Der anschliessende Entscheid der Konkursverwaltung über die Zulassung der Forderung mit entsprechender Kollokation ist insofern nicht endgültig, als ein Gläubiger den Kollokationsplan mit vollstreckungsrechtlicher Aufsichtsbeschwerde, namentlich aber auch klageweise, anfechten kann (
Art. 250 SchKG
). Wo - wie hier - die
BGE 112 III 36 S. 39
eingegebene Forderung Gegenstand eines bereits hängigen Rechtsstreites ist, liefe die Durchführung eines Kollokationsprozesses vor dem Konkursgericht dem Grundsatz der Prozessökonomie zuwider (vgl.
BGE 88 III 44
f.; FRITZSCHE, Schuldbetreibung und Konkurs, 2. Auflage, 2. Band, S. 147). Für solche Fälle hat das Bundesgericht (Schuldbetreibungs- und Konkurskammer) in
Art. 63 Abs. 1 KOV
deshalb festgelegt, dass die Forderung im Kollokationsplan zunächst ohne Verfügung der Konkursverwaltung lediglich pro memoria vorzumerken sei. Wird der Prozess weder von der Masse noch von einzelnen Gläubigern nach
Art. 260 SchKG
fortgeführt, so gilt die Forderung als anerkannt, und die Gläubiger haben kein Recht mehr, ihre Kollokation nach
Art. 250 SchKG
anzufechten (
Art. 63 Abs. 2 KOV
). Treten Masse oder einzelne Gläubiger in das Verfahren ein, wird dieses dem Sinn nach zu einem Kollokationsprozess, dessen Endentscheid für alle Gläubiger verbindlich wird (vgl. GILLIÉRON, Poursuite pour dettes, faillite et concordat, Lausanne 1985, S. 277 unten).
b) In der Anmeldung seiner Forderung von 4 Mio. Franken hat sich der Rekurrent ausdrücklich und ausschliesslich auf den in Düsseldorf gegen die Trisol AG angehobenen Prozess berufen, und er gab in der Folge auch ein Exemplar der Klageschrift zu den Konkursakten. Mit der Abweisung dieser Forderung hat das Konkursamt nach dem Gesagten klar gegen
Art. 63 Abs. 1 KOV
verstossen. Der Abweisungsentscheid lässt sich im übrigen ohnehin nicht mit der weiteren Verfügung der Konkursverwaltung vereinbaren, den Betrag von Fr. 121'710.-- (DM 150'000.--) im Sinne der erwähnten Bestimmung vorzumerken. Es geht nicht an, einerseits eine angemeldete Forderung vollumfänglich abzuweisen, andererseits aber gleichwohl einen Teilbetrag vormerkungsweise in den Kollokationsplan aufzunehmen.
4.
a) Bevor die Konkursverwaltung die Forderung eines Gläubigers im Sinne von
Art. 63 Abs. 1 KOV
vormerkt, hat sie zu prüfen, ob diese mit der bei einem Gericht bereits eingeklagten Forderung identisch sei. Sie hat abzuklären, ob die beiden Forderungen auf dem gleichen Rechtsgrund beruhen und ob der eingeklagte mit dem im Konkurs angemeldeten Betrag übereinstimmt. Hiezu benötigt die Konkursverwaltung die einschlägigen Schriftstücke des hängigen Prozesses, die sie, soweit nicht schon bei den Unterlagen des Gemeinschuldners vorhanden, in analoger Anwendung von
Art. 59 Abs. 1 KOV
vom betreffenden Gläubiger einfordern kann. Hat sich die Konkursverwaltung einmal von der erwähnten
BGE 112 III 36 S. 40
Identität überzeugt, ist sie grundsätzlich gehalten, die angemeldete Forderung vorzumerken. Sie ist nicht befugt, die Aussichten der hängigen Klage zu beurteilen. Vorbehalten sind einzig Fälle, da sich aus den Akten mit Offensichtlichkeit ergibt, dass dem Gläubiger die Forderung im hängigen Prozess nicht oder jedenfalls nicht im angemeldeten Umfang zugesprochen werden kann. Es ist jedoch grösste Zurückhaltung geboten, kann doch die Vormerkung nur in einem Teilbetrag zu einer Benachteiligung der übrigen Konkursgläubiger führen. Verzichten nämlich Masse oder einzelne Gläubiger in Anbetracht des vorgemerkten Forderungsbetrages, in den hängigen Rechtsstreit einzutreten, könnte sich die Masse nach dessen Abschluss unter Umständen verurteilt sehen, einen grösseren als den vorgemerkten Betrag zahlen zu müssen, ohne dass sie bzw. die betroffenen Gläubiger Gelegenheit gehabt hätten, sich im gerichtlichen Verfahren zur eingeklagten Forderung zu äussern.
b) Eine dem Betrag nach nicht bestimmte Forderung auch nur vormerkungsweise in den Kollokationsplan aufzunehmen, wäre mit dessen Zweck unvereinbar. Der Kollokationsplan soll allen Beteiligten über die Behandlung der angemeldeten Forderungen klar Aufschluss geben, um ihnen einen Entscheid betreffend eine allfällige Anfechtung zu ermöglichen; ausserdem bildet er die Grundlage für die spätere Verteilung (vgl. AMONN, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 3. Auflage, N. 9 zu § 46; FRITZSCHE, a.a.O., S. 146). So sind denn auch bloss bedingte Zulassungen bzw. Abweisungen von Forderungen unstatthaft (
Art. 59 Abs. 2 KOV
).
Der Rekurrent hat diesen Bedürfnissen Rechnung getragen, indem er die unter dem Titel Lizenzgebühren und Schadenersatz wegen Patentverletzung angemeldeten Ansprüche gesamthaft auf 4 Mio. Franken festgelegt hat. Die Angabe eines bestimmten Betrages änderte freilich nichts daran, dass die vor dem Landgericht Düsseldorf geltend gemachten lizenz- bzw. patentrechtlichen Ansprüche nicht beziffert worden waren. Es ging jedoch trotzdem nicht an, gestützt auf die bei jenem Gericht eingeholte Auskunft zum Streitwert im hängigen Prozess nur den Betrag von Fr. 121'710.-- (DM 150'000.--) vorzumerken. Nach den oben dargelegten Grundsätzen hätte das Konkursamt diese Verfügung nur dann treffen dürfen, wenn aus den Unterlagen klar und eindeutig hervorgegangen wäre, dass das Gericht dem Rekurrenten unter keinen Umständen 4 Mio. Franken, sondern höchstens den vorgemerkten
BGE 112 III 36 S. 41
Betrag werde zusprechen können. Davon konnte angesichts der Begehren 4 und 5 der beim Landgericht Düsseldorf eingereichten Klageschrift indessen keine Rede sein. Mit dem Klagebegehren 4 hatte der Rekurrent beantragt, die Trisol AG sei zu verpflichten, offenzulegen, in welchem Umfang sie nach dem Süllhöfer-System hergestellte Polyurethan-Hartschaum-Bauelemente seit dem 1. April 1975 gewerbsmässig in den Verkehr gebracht habe, und unter Ziffer 5 enthält die Klageschrift sodann den Antrag, die Trisol AG sei zu verpflichten, dem Rekurrenten 5% des erzielten Nettoerlöses aus dem Verkauf der erwähnten Produkte zu bezahlen, für die Zeit bis zum 30. Oktober 1976 als Produktions-Lizenz-Gebühr und ab 1. November 1976 als Schadenersatz (wegen Patentverletzung). Wohl weist die Konkursverwaltung darauf hin, dass die Trisol AG nicht das Ausschliesslichkeitsrecht für die Schweiz gehabt und dass der Rekurrent den Lizenzvertrag am 21. Oktober 1976 gekündigt habe. Hierbei handelt es sich indessen um Fragen materiell-rechtlicher Natur, die zu beurteilen einzig der Richter zuständig ist.
c) Zusammengefasst ergibt sich, dass das Konkursamt mit seiner Verfügung, die angemeldete Forderung von 4 Mio. Franken nur in einem Teilbetrag im Sinne von
Art. 63 Abs. 1 KOV
vorzumerken, seine Befugnisse überschritten hat. Die vom Rekurrenten beanstandete Kollokationsverfügung verstösst mithin auch in dieser Hinsicht gegen Bundesrecht. Der vorinstanzliche Entscheid ist demnach aufzuheben, und das Konkursamt ist anzuweisen, unter Ord. Nr. 03 des Kollokationsplanes pro memoria gemäss
Art. 63 KOV
vorzumerken, dass die Forderung des Rekurrenten sich auf 4 Mio. Franken belaufe und dass sie Gegenstand eines Prozesses vor dem Landgericht Düsseldorf bilde. Verbunden mit der entsprechenden Publikation wird die Konkursverwaltung den so berichtigten Kollokationsplan alsdann neu aufzulegen haben. Den von den Gläubigern gestützt auf die nunmehr aufgehobene Kollokationsverfügung gefassten Beschlüssen wird nach dem Gesagten die Grundlage entzogen, und die sich aufgrund von
Art. 63 Abs. 2 KOV
aufdrängenden Entscheidungen werden deshalb neu zu treffen sein. | null | nan | de | 1,986 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
2ee67848-7204-4361-9acc-647ae2ba02d2 | Urteilskopf
99 Ib 306
38. Extrait de l'arrêt du 8 juin 1973 dans la cause Sofid SA contre Commission fédérale des banques | Regeste
Bundesgesetz über die Anlagefonds vom 1. Juli 1966 (AFG).
Tragweite eines Kreisschreibens des Sekretariates der Eidg. Bankenkommission über die Auslegung des Gesetzes (Erw. 3).
Art. 31 Abs. 2 lit. b AFG
untersagt nicht, dass für Rechnung eines Immobilienanlagefonds die Aktien einer Immobiliengesellschaft, die ihrerseits Eigentümerin von Aktien einer andern solchen Gesellschaft ist, erworben werden (Erw. 2 und 4).
Immerhin muss das Grundstück mindestens zu zwei Dritteln seines Wertes wirtschaftlich zum Anlagefonds gehören (Erw. 4d). | Sachverhalt
ab Seite 307
BGE 99 Ib 306 S. 307
A.-
Parfon, Fonds de participations foncières suisses, à Genève (ci-après: Parfon), est un fonds de placement immobilier soumis à la loi fédérale sur les fonds de placement, du 1er juillet 1966 (LFP). Il a pour but l'investissement collectif de capitaux en valeurs foncières suisses et plus spécialement genevoises. Les exercices comptables vont du 1er octobre au 30 septembre de l'année suivante. La direction du fonds est assumée par Sofid SA, à Genève. La Caisse hypothécaire du canton de Genève est banque dépositaire, la Société anonyme fiduciaire suisse, organe de revision.
La Rente immobilière SA (ci-après: R.I.) est une société anonyme constituée en 1898. Elle a pour but l'achat, la construction et l'exploitation, ainsi que la vente d'immeubles sis à Genève ou dans les environs. Le capital social est de 6 500 000 fr., divisé en 32 500 actions au porteur de 200 fr. chacune. Elle est propriétaire de 13 immeubles et détient en outre la totalité des actions de neuf sociétés immobilières, dont huit sont propriétaires d'un seul immeuble chacune et la neuvième de deux immeubles. L'exercice comptable va du 1er juillet au 30juin de l'année suivante.
B.-
En mai 1972, Sofid SA est entrée en pourparlers pour le compte de Parfon avec la banque Pictet et Cie, à Genève, en vue du rachat de la R.I., dont cette banque détenait une partie des actions et qu'elle administrait. Ces pourparlers ont abouti le 15 septembre 1972 à la conclusion d'une convention par laquelle MM. Pictet et Cie s'engageaient à vendre et Sofid SA à acheter la totalité des actions de la R.I. qui seraient offertes, mais à la condition que la transaction puisse porter au moins sur les 2/3 du capital social; les vendeurs devaient annoncer par écrit à l'acheteuse, jusqu'au 27 septembre 1972 à midi, le nombre des actions offertes, Sofid SA devant de son côté payer le prix convenu jusqu'au 29 septembre 1972 à 11 heures.
Le secrétaire de la Chambre des fonds de placement de la
BGE 99 Ib 306 S. 308
Commission fédérale des banques a adressé le 27 septembre par exprès à Sofid SA une lettre recommandée attirant l'attention de cette société sur le fait qu'en vertu de l'art. 31 al. 2 lit. b LFP. un fonds de placement immobilier ne pouvait pas acquérir les actions d'une société immobilière possédant des immeubles par l'intermédiaire d'une autre société, et que l'achat des actions de la R.I. pour le compte de Parfon constituerait une grave infraction propre à entraîner le retrait de l'autorisation (art. 44 al. 1 LFP). La lettre mentionnait une circulaire du 17 juin 1969 par laquelle le même secrétaire présentait cette interprétation de la loi aux directions et aux institutions de revision des fonds de placement immobiliers. En lui adressant copie de sa lettre à Sofid SA, le secrétaire a enjoint à la Caisse hypothécaire du canton de Genève de ne faire et de n'autoriser aucun paiement par le débit de la fortune de Parfon pour l'achat des actions de la R.I. Ces mesures ont été prises avec l'accord du président de la Commission fédérale des banques.
Sofid SA a demandé au secrétariat de ladite commission une entrevue, qui a eu lieu à Berne le 28 septembre 1972 à 10 heures, soit la veille du terme convenu pour l'achat des actions. Elle y a pris divers engagements, dont celui de réaliser la fusion par absorption (art. 748 CO) de la R.I. et des sociétés anonymes dont celle-ci détenait les actions, ainsi que celui de ne pas publier le rapport de gestion de Parfon pour l'exercice 1971/72 avant que cette fusion ne soit réalisée. L'opération convenue avec MM. Pictet et Cie a été exécutée, le secrétariat de la Commission fédérale des banques ayant levé l'embargo signifié à la Caisse hypothécaire du canton de Genève.
Peu après, Sofid SA a demandé au professeur Hans Merz, à Berne, un avis de droit sur la portée de l'art. 31 al. 2 lit. b LFP. Le 4 décembre 1972, elle a souscrit un nouvel engagement, aux termes duquel elle s'obligeait de façon irrévocable à exécuter les décisions que prendrait la Commission fédérale des banques, le cas échéant le Tribunal fédéral, en ce qui concerne l'absorption par la R.I. de toutes les sociétés immobilières dont elle détient la totalité des actions, cette absorption devant se réaliser dans les trois mois dès la décision définitive.
Après avoir reçu un.mémoire de Sofid SA, la Commission fédérale des banques a rendu le 30 janvier 1973 un prononcé, qui a été notifié le 12 février 1973 et dont le dispositif est le suivant:
BGE 99 Ib 306 S. 309
"1. Sofid SA, Genève, est tenue de faire le nécessaire pour que, conformément à son engagement du 28 septembre 1972, La Rente Immobilière fusionne au sens de l'article 748 CO avec ses sociétés filiales dans un délai de deux mois;
2. pour le cas où les fusions ne seraient pas réalisées dans le délai imparti, Sofid SA est menacée d'amendes au sens de l'article 50 chiffre 1 alinéas 6 et 8 LFP;
..."
Dans ses considérants, ce prononcé confirme et maintient l'interprétation donnée par le secrétariat à l'art. 31 al. 2 lit. b LFP.
D.-
Par acte du 9 mars 1973, Sofid SA a formé un recours de droit administratif contre ce prononcé, dont elle demande l'annulation pure et simple.
Le Tribunal fédéral a admis le recours, auquel la Commission fédérale des banques s'opposait.
Erwägungen
Considérant en droit:
2.
Le litige porte principalement sur l'interprétation de l'art. 31 LFP, dont la teneur est la suivante:
"Les fonds de placement immobilier sont des fonds de placement dont les avoirs doivent être placés en valeurs immobilières, selon le principe de la répartition des risques.
Par valeurs immobilières, la présente loi entend:
a) Les immeubles et leurs accessoires, inscrits au registre foncier au nom de la direction, avec une annotation relevant qu'ils font partie du fonds de placement;
b) Les participations à des sociétés immobilières ayant la personnalité juridique ainsi que les créances contre de telles sociétés; le fonds de placement doit comprendre au moins les deux tiers du capital et des voix de ces sociétés immobilières, dont l'objet et le but exclusifs doivent être l'acquisition et la vente, ainsi que la location et le fermage de leurs immeubles.
Les fonds de placement mixte sont soumis aux dispositions spéciales concernant les fonds de placement immobilier pour leurs valeurs immobilières."
De l'avis de la Commission fédérale des banques, auquel Sofid SA s'oppose, l'al. 2 lit. b de cette disposition interdirait à un fonds de placement immobilier, tel que Parfon, d'acquérir à titre de placement les actions d'une société immobilière (appelée ci après société mère) qui, comme la R.I., détiendrait la totalité ou la majorité des actions d'autres sociétés immobilières (appelées ci-après sociétés filles) propriétaires d'immeubles. La Commission
BGE 99 Ib 306 S. 310
intimée déduit des termes "leurs immeubles" ("eigene Grundstücke") que les sociétés immobilières dominées par le fonds de placement doivent être propriétaires de leurs immeubles en nom propre, et qu'il ne suffit pas qu'elles en aient la maîtrise par le truchement d'autres sociétés. C'est là une pure question de droit, que le Tribunal fédéral revoit librement (art. 104 lit. a OJ), la loi ne réservant aucunement l'appréciation de l'administration.
3.
Le Tribunal fédéral n'est évidemment pas lié par la circulaire du 17 juin 1969, à laquelle se réfère la Commission fédérale des banques. On peut du reste se demander si, sur la question en litige, cette circulaire a une valeur juridique quelconque. Adressée aux directions et aux institutions de revision des fonds de placement immobiliers et signée par le seul secrétaire de la Chambre des fonds de placement, elle avait pour objet principal de rappeler que la période transitoire (art. 53 al. 2 LFP) expirerait le 31 janvier 1970, ce qui était sans doute de la compétence du secrétariat. Après avoir cité en substance l'art. 31 al. 2 LFP, sans le mentionner, elle ajoutait notamment: "Les actions des sociétés immobilières doivent appartenir directement au fonds de placement, et non par l'intermédiaire d'une société holding ou d'une autre société immobilière." Or, s'il était peutêtre de la compétence de l'autorité de surveillance de préciser ainsi le sens de la loi (art. 42 al. 1 LFP) - sous réserve du contrôle juridictionnel s'exerçant à l'occasion d'un cas d'espèce - il n'appartenait en tout cas pas au secrétaire de le faire, car la Commission fédérale des banques est elle-même autorité de surveillance (art. 40 al. 1 LFP et 42 de l'ordonnance d'exécution - OFP) sans qu'aucune délégation soit prévue. Le secrétariat a certes le pouvoir, en vertu de l'art. 16 al. 2 du règlement du 25 août 1967 concernant l'organisation et l'activité de la Commission fédérale des banques (ROLF 1968 p. 25), de prendre en accord avec le président les mesures d'urgence nécessaires. Mais il n'y avait manifestement aucune urgence à préciser le sens de l'art. 31 al. 2 lit. b LFP. Sur ce point, la circulaire du 17juin 1969 - qui ne fait pas état de l'accord du président - n'exprimait donc que l'opinion personnelle du secrétaire, en attirant l'attention sur l'éventualité d'une interprétation restrictive.
4.
a) Selon la décision attaquée, l'art. 31 al. 2 lit. b LFP a de façon parfaitement claire le sens que lui donne la Commission fédérale des banques. Dans son avis de droit, le professeur Merz
BGE 99 Ib 306 S. 311
convient qu'une interprétation purement littérale arriverait en effet au même résultat, tout en concluant qu'il faut s'en écarter pour des motifs historiques aussi bien que téléologiques.
En réalité, cette disposition n'a pas clairement le seul sens que la Commission fédérale des banques voudrait lui donner. Devant grammaticalement être rapprochés de l'acquisition, de la vente, de la location et du fermage, les mots "leurs immeubles" - "eigene Grundstücke" - pourraient signifier simplement qu'il ne doit pas s'agir de sociétés immobilières s'occupant accessoirement de courtage et de gérance pour les immeubles d'autrui. Cette interprétation rejoint l'une des préoccupations importantes du législateur et pour ce motif elle doit s'imposer. Dans son Message (FF 1965 III p. 264 ss., not. 307 en bas), le Conseil fédéral disait en effet que "la direction ne doit pas se servir des sociétés immobilières pour exercer un commerce ou une industrie pour le compte des porteurs de parts (p.ex.: commerce professionnel d'immeubles ou exploitation d'un hôtel)". Il faut du reste se montrer d'autant plus prudent, en ce qui concerne l'interprétation purement littérale, que le texte légal est défectueux en la forme: "acquisition ... de leurs immeubles", "Erwerb ... eigener Grundstücke" sont en réalité des non-sens et la terminologie juridique manque de rigueur.
b) Il ressort du Message (loc. cit., p. 307) que les auteurs du projet de loi - une commission d'experts - se sont demandés si l'on ne devait pas interdire les placements en actions de sociétés immobilières, étant donné que la propriété de l'immeuble luimême crée la situation la plus simple et la plus claire. On y a renoncé cependant, pour ne pas modifier profondément la situation existante et parce qu'en Suisse romande les immeubles importants appartiennent généralement à des sociétés immobilières. On a estimé en outre que les prescriptions des art. 30 al. 2 lit. b, 31 et 33 du projet (devenus les art. 31 al. 2 lit. b, 32 et 34 de la loi, avec une adjonction pour l'art. 34), ainsi que les prescriptions sur la revision et le contrôle, assureraient toute la clarté désirable, même dans le cas où le fonds aurait en main les actions de sociétés immobilières et non les biens-fonds eux-mêmes.
En revanche - et cela n'est pas contesté -, le cas de la société mère, propriétaire des actions d'une société fille, elle-même propriétaire d'immeubles, n'a jamais été évoqué au cours des travaux législatifs. Le professeur Merz en conclut que l'on a voulu admettre sans limite ce qu'il appelle la "possession indirecte
BGE 99 Ib 306 S. 312
de biens-fonds". Le rapport du secrétaire, produit avec la réponse de la Commission, expose quant à lui que l'on n'a pas abordé la question parce que le cas n'est pas usuel en Suisse.
Le fait est certainement exact, mais il est alors difficile de soutenir simultanément que, par les mots "leurs immeubles", on entendait régler le problème. En réalité, il faut admettre que ce régime de propriété foncière où interviennent cumulativement deux sociétés anonymes superposées a échappé au législateur, précisément parce qu'il est très peu fréquent. Même des ouvrages récents l'ignorent (cf. par ex. SCHNELL, Rechnungslegung und Prüfung der Wertschriften- und Immobilienanlagefonds, thèse Saint-Gall 1970). Etant admis que par les mots "leurs immeubles" on a entendu viser autre chose (cf. lit. a ci-dessus), il y a silence de la loi sur la question litigieuse et ce silence n'est pas un silence qualifié.
c) Dans ces conditions, il s'agit de savoir si la disposition de police en cause (art. 31 al. 2 LFP) doit être considérée comme exhaustive quant aux exigences qu'elle pose pour la participation d'un fonds de placement à une société immobilière, ou si le juge peut, sans se substituer indûment au législateur, compléter ces exigences pour que se réalise pleinement la volonté de celui-ci. On ne se trouve pas dans l'un des domaines - tels la responsabilité de l'Etat, le prélèvement de l'impôt ou les atteintes à la liberté personnelle - où, selon la jurisprudence, cela n'est pas possible (RO 94 I 309-310 consid. 3; IMBODEN, Schweiz. Verwaltungsrechtsprechung, 3e éd., n. 241 III). Mais il y faudrait une nécessité (arrêt précité), et il y a lieu de se demander s'il en existe une ici.
Par plusieurs de ses arguments, la Commission fédérale des banques semble l'admettre, tandis que le professeur Merz le conteste, relevant que le but général de la loi est de protéger les porteurs de parts et que la propriété "doublement indirecte" de certains immeubles ne compromet d'aucune manière cette protection.
Ainsi que cela ressort du Message (p. 307) - et la Commission fédérale des banques y insiste -, l'une des préoccupations dominantes du législateur, en matière de placements immobiliers plus particulièrement, a été d'obtenir des situations simples et claires, afin que le porteur de parts puisse aisément se rendre compte de l'emploi qui a été fait de son argent et de la situation du fonds. Cette préoccupation s'est notamment traduite par
BGE 99 Ib 306 S. 313
l'art. 34 LFP, qui exige que le rapport de gestion publié contienne des "comptes d'ensemble" (ou comptes consolidés selon l'expression utilisée par le Message et le projet de loi) et que les immeubles soient portés dans le compte de fortune pour leur prix d'achat ou de revient, la valeur vénale et la valeur d'assurance devant en outre figurer dans l'inventaire.
Amsi que le relève la décision attaquée, la propriété "doublement indirecte" de certains immeubles est certes de nature à compliquer l'établissement des comptes consolidés, mais elle ne le rend pas impossible. C'est si vrai que, pour Parfon, de tels comptes ont été publiés dans le rapport de gestion pour l'exercice 1971/1972, d'entente et après quelques divergences avec la Commission fédérale des banques; on y voit apparaître les immeubles appartenant à la R.I. et ceux dont sont propriétaires les sociétés immobilières que la R.I. domine. Pour le porteur de parts, la situation semble aussi claire que s'il n'y avait pas propriété "doublement indirecte". Le souci de transparence du législateur est ainsi satisfait.
Dans ces conditions, il n'y a pas de raison suffisante pour que le juge complète lui-même la loi par une exigence supplémentaire consistant à interdire en principe la propriété "doublement indirecte" de certains immeubles. Cela pourrait peut-être se justifier en droit désirable, mais ce serait alors au législateur de le prescrire lui-même.
On arriverait au même résultat si l'on admettait une véritable lacune dans la loi. Dans cette hypothèse, en effet, le juge devrait poser la règle qu'il établirait s'il avait à faire acte de législateur (art. 1er al. 2 CC). Or, pour les motifs qu'on vient de voir, il n'est nullement certain que le législateur aurait interdit la propriété "doublement indirecte" s'il avait vu le problème. Tout en cherchant à protéger les porteurs de parts, il avait aussi le souci de ne pas restreindre inutilement la liberté d'action des fonds de placement. C'est bien pourquoi il n'a pas permis à l'autorité de surveillance de contrôler l'opportunité des décisions de la direction (art. 42 al. 2 LFP).
d) La décision attaquée fait à vrai dire intervenir un motif particulier qui ne manque pas de poids. Si l'on acceptait, dit-elle, que les sociétés immobilières prennent elles-mêmes des participations dans d'autres sociétés du même type, on devrait aussi accepter que ces participations se limitent aux 2/3 du capital, dans quel cas le fonds de placement ne participerait plus que
BGE 99 Ib 306 S. 314
pour 4/9 au capital du 2e échelon. Plus la chaîne serait longue, plus l'investissement du fonds de placement dans les immeubles qui sont au bout de la chaîne serait réduit.
Pour empêcher une telle situation, qui serait certainement contraire au sens de la loi, il suffit cependant d'exiger que, compte tenu de la plus ou moins grande importance des participations successives, le fonds de placement soit économiquement propriétaire pour les 2/3 au moins de l'immeuble lui-même. S'il ne détient donc que les 2/3 des actions et des voix de la société mère, il faudrait que celle-ci domine à 100% les sociétés filles, ou inversement.
En l'espèce, il n'y a pas de difficultés, de ce point de vue, puisque la R.I. détient toutes les actions des sociétés immobilières qu'elle domine, tout en étant elle-même à près de 95% en main de Parfon.
e) Rappelant que, selon le Message, le législateur a admis la "propriété indirecte" pour tenir compte de ce qui était déjà usuel en Suisse romande, la Commission fédérale des banques pense agir dans l'esprit de la loi en ne tolérant pas la propriété doublement indirecte, vu que celle-ci n'est pas usuelle, même en Suisse romande. On ne saurait cependant retenir cet argument, car l'idée du législateur n'est déterminante que dans la mesure où elle s'est manifestée dans le texte même de la loi, ce qui n'est pas le cas sur ce point.
f) La décision attaquée tire enfin argument d'une comparaison entre les art. 16 et 17 OFP, en constatant que dans le plan comptable qu'elle prescrit la seconde de ces deux dispositions prévoit pour le fonds de placement lui-même une rubrique "participation à des sociétés immobilières", alors que l'art. 16 ne le prévoit pas pour les sociétés immobilières contrôlées, ce qui signifierait selon la Commission fédérale des banques que cellesci ne peuvent pas acquérir de telles participations. Mais cela n'est pas déterminant du tout, car, comme celui de la loi, le silence de l'ordonnance d'exécution tient selon toute vraisemblance au fait que la question avait échappé. Au demeurant, les art. 16 et 17 OFP n'ont ni pour objet ni pour but de dire ce que les fonds de placement immobiliers peuvent acquérir.
g) La recourante fait valoir qu'en exigeant la fusion entre la R.I. et les sociétés immobilières dominées par celle-ci, l'autorité de surveillance expose Parfon à de lourdes conséquences fiscales au détriment des porteurs de parts. Ainsi que le dit la décision
BGE 99 Ib 306 S. 315
attaquée, cela ne peut jouer aucun rôle, s'il s'agit de faire respecter les exigences de la loi (RO 95 I 489 in fine). Mais si, comme en l'espèce, celle-ci doit être interprétée, des considérations de ce genre pourraient intervenir dans la recherche d'une interprétation raisonnable.
Toutefois, les considérations fiscales de la recourante ne sont que très partiellement convaincantes, ainsi que le signale avec raison la Commission. Il y a aussi de sérieux inconvénients de cet ordre à laisser subsister la superposition de deux sociétés immobilières, qui entraîne trois impositions successives des rendements obtenus (RO 94 I 585; arrêt Rotstab Immobilien AG, du 10 novembre 1972).
h) On aboutit ainsi à la conclusion que l'achat des actions de la R.I. par la recourante pour le compte de Parfon n'était pas contraire à l'art. 31 al. 2 lit. b LFP. | public_law | nan | fr | 1,973 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
2ee71b80-e879-47c9-83e2-e2a66a77d948 | Urteilskopf
99 II 324
45. Urteil der I. Zivilabteilung vom 18. Dezember 1973 i.S. Bucher gegen Bank für Kredit und Aussenhandel AG. | Regeste
Wechselrecht.
1.
Art. 991 Ziff. 2 und 996 OR
. Die Wechselsumme muss im Text der Anweisung angegeben werden. Fehlt sie dort bei der Begebung, so liegt ein Blankowechsel vor; ihre nachträgliche Angabe stellt keine Änderung im Sinne von
Art. 1068 OR
dar, mag sie auch getroffenen Vereinbarungen widersprechen (Erw. 1).
2.
Art. 1000 OR
. Erwerb von Wechseln, die abredewidrig ausgefüllt worden sind; Sorgfaltspflicht des Erwerbers, Einreden des Bezogenen, Beweislast (Erw. 2 und 3). | Sachverhalt
ab Seite 324
BGE 99 II 324 S. 324
A.-
Bucher akzeptierte zwei Wechsel, die Rothenberger am 20. Mai 1970 auf ihn gezogen hatte. Der erste war am 31. Oktober, der zweite am 10. Dezember 1970 fällig. Als Bucher sie annahm, lautete die Wechselsumme auf dem ersten oben rechts in Ziffern auf Fr. 5000.--; ob dies auch beim zweiten zutraf, steht nicht fest. Dagegen war auf beiden Wechselurkunden der Raum, der für die Angabe der Wechselsumme in Buchstaben bestimmt ist, noch nicht ausgefüllt.
Nach der Annahme änderte Rotherberger auf dem ersten Wechsel die Ziffer 5000.-- in 115 000.-- ab und gab die so erhöhte Wechselsumme an der dafür vorgesehenen Stelle im Anweisungstext auch in Buchstaben an. Die gleiche Summe
BGE 99 II 324 S. 325
setzte er in Ziffern und Buchstaben im zweiten Wechsel ein. Dann versah er beide als Wechselnehmer mit einem Blanko-Indossament und gab sie als Sicherheit der Bank für Kredit und Aussenhandel AG, die ihm einen Kontokorrent-Kredit eingeräumt hatte.
Als Rothenberger in der Folge den Passivsaldo des Kredites nicht decken konnte, gab die Bank am 3. September 1970 Bucher vom Ankauf der beiden Wechsel Kenntnis und ersuchte ihn um deren Einlösung bei Fälligkeit. Da Bucher die Zahlung verweigerte, liess die Bank ihn betreiben. Der Betriebene erhob Rechtsvorschlag und, als der Bank für die Wechselsummen nebst Zins und Kosten die provisorische Rechtsöffnung erteilt wurde, beim Bezirksgericht Zürich Aberkennungsklage.
B.-
Das Bezirksgericht und auf Appellation hin am 4. Juni 1973 auch das Obergericht des Kantons Zürich wiesen die Klage ab.
C.-
Der Kläger hat gegen das Urteil des Obergerichts die Berufung erklärt. Er beantragt, es aufzuheben und die Klage gutzuheissen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung abzuweisen.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Wird der Text eines Wechsels geändert, so haften diejenigen, die nach der Änderung ihre Unterschrift auf den Wechsel gesetzt haben, entsprechend dem geänderten Text. Wer früher unterschrieben hat, haftet dagegen nach dem ursprünglichen Text (
Art. 1068 OR
).
Der Kläger wirft dem Obergericht vor, diese Bestimmung zu Unrecht nicht angewendet zu haben. Er macht geltend, nach
Art. 1068 OR
hafte er jedenfalls nur für Fr. 10 000.--, weil bei der Annahme jeder Wechsel auf Fr. 5000.-- gelautet habe und der Betrag erst nachher von Rothenberger auf je Fr. 115 000.-- erhöht worden sei; die Ausführungen des Obergerichtes, wonach der zweite Wechsel zunächst überhaupt keine Summe aufgewiesen und Rothenberger versprochen habe, eine Fr. 10 000.-- nicht erreichende Zahl einzusetzen, beruhten offensichtlich auf Versehen.
a) Nach der Rechtsprechung liegt ein offensichtliches Versehen nur vor, wenn eine tatsächliche Feststellung darauf zurückzuführen ist, dass die Vorinstanz eine bestimmte Aktenstelle
BGE 99 II 324 S. 326
übersehen oder unrichtig wahrgenommen hat (
BGE 96 I 196
/7,
BGE 91 II 277
, 334,
BGE 87 II 232
/3 mit Verweisungen). Dies trifft hier nicht zu. Die vom Kläger beanstandeten Ausführungen der Vorinstanz enthalten keine tatbeständliche Feststellung; das Obergericht gibt darin bloss Angaben der Klageschrift wieder, ohne jedoch zu sagen, ob sie Glauben verdienen. Daran ändert nichts, dass der neue Anwalt des Klägers in der Replik behauptete, beide Wechsel seien "gefälscht" worden, und dass er ferner in der Noveneingabe vom 24. August 1972 diese Behauptung wiederholte und verlangte, dafür zum Beweise zugelassen zu werden.
Ob das Obergericht mit der Bemerkung, beim zweiten Wechsel liege schon nach der eigenen Darstellung des Klägers ein Blankoakzept vor, eine tatbeständliche Feststellung treffen wollte, erscheint zweifelhaft, zumal es beifügt, Rothenberger habe laut seiner Aussage als Zeuge die zuerst eingesetzte Zahl geändert. Diese Aussage bezieht sich freilich nach der Protokollstelle, auf die das Obergericht dabei verweist, auf den ersten Wechsel. Wie es sich mit der Bemerkung der Vorinstanz verhält, kann jedoch offen bleiben, wenn anzunehmen ist, dass es sich hinsichtlich der Wechselsumme so oder anders um Blankowechsel gehandelt hat.
b) Nach
Art. 991 Ziff. 2 OR
muss der gezogene Wechsel die unbedingte Anweisung enthalten, eine bestimmte Geldsumme zu zahlen. Ob die Summe in Ziffern oder Buchstaben zu schreiben sei, sagt das Gesetz nicht; es bestimmt in
Art. 996 OR
nur, welche Summe massgebend ist, wenn ein Wechsel mehrere, unter sich abweichende Beträge aufweist. Ist die Wechselsumme in Buchstaben und in Ziffern angegeben, so gilt die in Buchstaben angegebene (Abs. 1). Ist sie mehrmals in Buchstaben oder mehrmals in Ziffern angegeben, so gilt bei Abweichungen die geringste Summe (Abs. 2).
Aus dieser Regel und aus der Übung, die Wechselsumme auf Formularen oben rechts, ausserhalb des eigentlichen Textes, in Ziffern anzugeben, leitet die deutsche Lehre ab, eine bestimmte Stelle für die Angabe der Summe sei nicht vorgeschrieben; Art. 6 des deutschen Wechselgesetzes (DWG), der dem
Art. 996 OR
entspricht, behandle Angaben ausserhalb und innerhalb des Wechseltextes vielmehr als gleichwertig (STRANZ, Wechselrecht, 14. Aufl. N. 6 zu Art. 1 DWG; vgl. ferner BAUMBACH/HEFERMEHL, Wechselgesetz und Scheckgesetz, 10. Auflage N. 5 und
BGE 99 II 324 S. 327
QUASSOWSKI/ALBRECHT, Wechselgesetz, N. 13 zu Art. 1 DWG; JACOBI, Wechselgesetz und Scheckrecht, S. 371). Diese Auffassung verträgt sich nicht mit
Art. 991 Ziff. 2 OR
, der eine unbedingte Zahlungsanweisung, lautend auf eine bestimmte Geldsumme, vorschreibt. Eine solche Anweisung liegt nicht vor, wenn die Wechselsumme bloss oben rechts oder sonst ausserhalb des Textes in Ziffern angegeben wird (GUHL/MERZ/KUMMER, OR S. 767; SJZ 1951 S. 128 Nr. 41). STRANZ (a.a.O.) fügt denn auch bei, die Zahlungsanweisung selbst sei jedoch nur verständlich, wenn sie auf eine zu zahlende Summe bezogen werden könne, weshalb es üblich und empfehlenswert sei, die Summe in den Text der Anweisung aufzunehmen.
Art. 996 OR
ändert an der klaren Vorschrift des
Art. 991 Ziff. 2 OR
nichts. Jene Bestimmung regelt Fälle, in denen der Wechseltext unter sich abweichende Wechselsummen enthält. Sie trägt dem Brauch Rechnung, dass in Urkunden die Schuldsumme oft hinter der ziffermässigen Angabe noch in Klammern ausgeschrieben wird, wobei sich zwischen der Angabe in Ziffern und Buchstaben versehentlich Abweichungen ergeben können.
Wenn die Wechselsumme im Text der Zahlungsanweisung nicht angegeben wird, liegt somit bezüglich der Summe ein Blankowechsel im Sinne des
Art. 1000 OR
vor. Was der Kläger unter Berufung auf ein Urteil des Reichsgerichtes vom 31. April 1940 (RGZ 164 S. 10 ff.) dagegen einwendet, hilft ihm nicht. Er verkennt, dass diesem Urteil Wechsel zugrunde lagen, auf denen im Anweisungstext, wenn auch nur in Ziffern, von Anfang an eine Summe eingesetzt war. Die Wechsel enthielten somit schon zur Zeit der ersten Begebung die unbedingte Anweisung, eine bestimmte Geldsumme zu zahlen. Nach der Begebung erhöhte der Bezogene die ziffermässig angegeben Summe durch Vorsetzen einer Zahl und gab den neuen Betrag in dem dafür innerhalb des Textes vorgesehenen, aber zunächst offen gelassenen Raum auch in Buchstaben an. Das Reichsgericht lehnte es deshalb ab, den Fall nach Art. 69 DWG, der dem
Art. 1068 OR
entspricht, zu beurteilen; es wandte vielmehr Art. 10 DWG (=
Art. 1000 OR
) analog an und liess den Wechselaussteller haften, weil die Wechsel nach der ersten Begebung die Angabe der Summe in Buchstaben noch zuliessen und diese Angabe auch ohne Änderung der Ziffern massgebend gewesen wäre (vgl. STRANZ, a.a.O. Art. 69 N. 4 am Ende). Die Haftung des Wechselnehmers wäre nach schweizerischem Recht nicht anders ausgefallen, da abredewidrige
BGE 99 II 324 S. 328
Ergänzungen eines unvollständig ausgefüllten Wechsels nicht als Änderungen im Sinne von
Art. 1068 OR
gelten können.
c) Änderungen ausserhalb des Wechseltextes, wie Rothenberger sie im vorliegenden Fall nach der Annahme bezüglich der Wechselsumme vorgenommen hat, fallen so wenig unter
Art. 1068 OR
wie das nachträgliche Ausfüllen der Stellen, die für die Angabe der Wechselsumme in Buchstaben bestimmt sind. Änderungen der Wechselsumme werden von dieser Bestimmung nur erfasst, wenn sie die im Anweisungstext enthaltene Summe betreffen. Dabei ist erst noch, wie der vom Reichsgericht beurteilte Sachverhalt zeigt, der Fall vorzubehalten, wo der Text zunächst nur eine ziffermässige Angabe enthält und nach der Begebung eine davon abweichende Summe in Buchstaben beigefügt wird.
2.
Der Kläger macht ferner geltend, nach
Art. 1000 OR
könne er die abredewidrige Ausfüllung der Wechsel dem Wechselinhaber entgegenhalten, wenn dieser die Wechsel in bösem Glauben erworben habe oder wenn ihm beim Erwerb eine grobe Fahrlässigkeit zur Last falle; das Obergericht habe diese Vorschrift unrichtig angewendet und zudem die Beweislast falsch verteilt.
a) Wo das Gesetz es nicht anders bestimmt, hat derjenige das Vorhandensein einer Tatsache zu beweisen, der aus ihr Rechte ableitet (
Art. 8 ZGB
). Der Kläger, der sich auf die Unverbindlichkeit seiner Wechselverpflichtung berief, hatte daher in erster Linie zu beweisen, dass die beiden Wechsel abredewidrig ausgefüllt worden waren. Wenn er der Verpflichtung, welche die Urkunden nach ihrem Inhalt begründeten, entgehen wollte, hatte er ferner den Beweis zu erbringen, dass die Beklagte beim Erwerb der Wechsel bösgläubig oder grob fahrlässig gehandelt habe (vgl. STRANZ, N. 9 am Ende und BAUMBACH/HEFERMEHL N. 8 zu Art. 10 DWG).
Den Beweis, dass die beiden Wechsel abredewidrig ausgefüllt worden sind, hat die Vorinstanz offenbar als geleistet betrachtet, da sie sonst keinen Anlass gehabt hätte, sich eingehend mit der Frage auseinanderzusetzen, ob die Beklagte bösgläubig oder grob fahrlässig gehandelt habe. In einer anderen Erwägung ist freilich bloss von einer allfälligen abredewidrigen Ausfüllung die Rede und an einer weiteren Stelle des Urteils heisst es, der Kläger hätte als selbständiger Architekt kaum ein Blankoakzept abgegeben, wenn er sich im einen Fall nur für Fr. 5000.-- und im
BGE 99 II 324 S. 329
andern jedenfalls für einen Fr. 10 000.-- nicht erreichenden Betrag hätte verpflichten wollen; in der Schlussverhandlung vor Bezirksgericht habe er den Vorwurf des Blankettmissbrauches denn auch fallen lassen.
Der Kläger ficht diese Feststellung als offensichtlich auf Versehen beruhend an. Er hat insofern recht, als er sich vor Bezirksgericht nach dem Protokoll auf den Standpunkt gestellt hat, es hätten überhaupt nicht Blankowechsel vorgelegen (weil sie die Wechselsumme oben rechts in Ziffern aufwiesen); es habe sich vielmehr um Änderungen (oder Fälschungen, wie er sich ausdrückte) gemäss
Art. 1068 OR
gehandelt. Die angefochtene Feststellung, die freilich nur eine Prozesserklärung betrifft, ist in diesem Sinne zu berichtigen (vgl.
BGE 96 I 197
Erw. 3). Die der Feststellung vorausgehende Erwägung über die Abgabe eines Blankowechsels wird durch die Berichtigung in Frage gestellt. Sie enthält entgegen der Auffassung des Klägers jedoch keine tatsächliche Feststellung über seinen damaligen innern Willen, sondern eine auf der allgemeinen Lebenserfahrung beruhende Schlussfolgerung, die das Bundesgericht frei überprüfen darf (
BGE 88 II 469
Erw. 5,
BGE 95 II 124
Erw. 4).
Zugunsten des Klägers ist daher davon auszugehen, die beiden Wechsel seien von Rothenberger nachträglich abredewidrig ausgefüllt worden. Bei diesem Ergebnis wird die Frage der Beweislast gegenstandslos und eine Stellungnahme zum weiteren Einwand des Klägers, die Beklagte habe den Beweis vereitelt, was zu einer Umkehrung der Beweislast geführt habe, erübrigt sich (
BGE 96 II 259
und
BGE 95 II 342
mit Zitaten).
b) Die Einrede aus
Art. 1000 OR
kann dem Inhaber des Wechsels nur entgegengehalten werden, wenn er ihn bösgläubig oder grob fahrlässig erworben hat. Das lässt sich im vorliegenden Fall nur sagen, wenn die Beklagte beim Erwerb wusste oder bei Anwendung einiger Sorgfalt hätte erkennen können, dass der Kläger die Wechsel blanko unterschrieben und dass Rothenberger sie abredewidrig ausgefüllt hatte (STRANZ, N. 10 und BAUMBACH/HEFERMEHL N. 8 zu Art. 10 DWG; JACOBI, a.a.O. S. 498; ARMINJON/CARRY, La Lettre de change, S. 232).
Das Obergericht hält nicht für bewiesen, dass Prokurist Sulser, der für die Beklagte handelte, vom Blankoakzept Kenntnis hatte. Mit dieser Feststellung, die das Bundesgericht bindet, ist dem Vorwurf des bösen Glaubens zum vorneherein der Boden entzogen. Nach dem, was in tatsächlicher Hinsicht feststeht,
BGE 99 II 324 S. 330
hatte die Beklagte beim Erwerb der Wechsel auch keinen Anlass zur Annahme, die Urkunden seien vom Bezogenen blanko unterschrieben worden und der Aussteller habe seine Ermächtigung, sie gemäss Vereinbarung zu ergänzen, missbraucht. Diesen Schluss brauchte die Beklagte insbesondere nicht daraus zu ziehen, dass auf dem ersten Wechsel oben rechts die Ziffer 11 (mit der Schreibmaschine) etwa 1/2 mm tiefer geschrieben wurde als die anderen Ziffern der Wechselsumme.
Selbst wenn Sulser den Unterschied wahrgenommen hätte, wäre er nicht ohne weiteres verpflichtet gewesen, sich beim Kläger zu vergewissern, ob die Wechsel abredegemäss ausgefüllt worden seien (vgl. Urteil des Obersten Gerichtshofes von Österreich vom 3. Oktober 1957, auszugsweise wiedergegeben bei VON CAEMMERER/BEUTHIEN/LATHINEN, Internationale Rechtsprechung zum Genfer einheitlichen Wechsel- und Scheckrecht, 2. Folge S. 58). Besondere Umstände, die eine Erkundungspflicht Sulsers hätten begründen können, lagen beim Erwerb der Wechsel nicht vor. Nach dem angefochtenen Urteil befanden sich die Wechsel bereits bei der Beklagten, als Sulser gegen Ende August 1970 Rothenberger wegen Unregelmässigkeiten (Checkreiterei, Ausstellung ungedeckter Checks und dergl.) auf Veranlassung eines Vorgesetzten unter Druck setzte. Was der Kläger dagegen in der Berufung vorbringt, ist als unzulässige Kritik an der Beweiswürdigung nicht zu hören.
Dass die Zürcher Kantonalbank nach der Feststellung der Vorinstanz "ob der fraglichen Wechselurkunde argwöhnisch wurde", hilft dem Kläger nicht. Daraus folgt nicht, die Bank habe die "Fälschung" sofort erkannt, wie in der Berufung behauptet wird. Aus den Strafakten erhellt vielmehr, dass die Organe dieser Bank, welche den ersten Wechsel im Oktober 1970 zum Inkasso erhalten hatte, damit nichts zu tun haben wollten, weil es sich nach ihrer Ansicht um einen "Finanzwechsel" handelte; von einer Fälschung war dabei nicht die Rede. Aufschlussreich ist dagegen, dass Vizedirektor Beurer den Kläger, den er als Bankkunden kannte, im Oktober 1970 zu sich bat, um ihn auf die Gefährlichkeit, solche Wechsel zu unterschreiben, aufmerksam zu machen. In der Notiz vom 27. Oktober über die Unterredung des Klägers mit den Prokuristen Hoppler und Scheller heisst es freilich, der Wechsel sei "zweifellos eine Fälschung". Die Organe der Kantonalbank kamen jedoch nicht
BGE 99 II 324 S. 331
von sich aus auf diesen Gedanken. Wie der Notiz zu entnehmen ist, war es vielmehr der Kläger, der ihnen diese Überzeugung beibrachte, weil der Wechsel nur auf Fr. 5000.-- gelautet habe, als er ihn akzeptierte.
Unerheblich ist ferner, dass der Kläger dem Rothenberger nichts schuldete, von ihm also bloss sog. Finanz- oder Gefälligkeitswechsel akzeptierte. Nach der verbindlichen Feststellung der Vorinstanz blieb unbewiesen, dass Sulser darum gewusst habe. Aber selbst wenn dies der Fall gewesen wäre, käme darauf nichts an. Wer Gefälligkeitswechsel unterschreibt, hat damit zu rechnen, dass er sie einlösen muss. Der Inhaber ist nicht verpflichtet, sich beim Erwerb des Wechsels nach dem Grundgeschäft zu erkundigen (vgl. GUHL/MERZ/KUMMER, OR S. 762 lit. e; BAUMBACH/HEFERMEHL, Einleitung N. 51 und N. 47 zu Art. 17 DWG). Es ist deshalb auch unerheblich, dass der Beklagten die "verhältnismässig bescheidenen Steuergrundlagen des Klägers" bekannt waren.
3.
Was der Kläger sonst noch vorbringt, ist entweder unbehelflich oder unzulässig. Dies gilt insbesondere vom Versuch des Klägers, den vom Obergericht festgestellten Sachverhalt zu ergänzen und Beweise anders zu würdigen, weil das angefochtene Urteil unvollständig sei. Das trifft übrigens nicht zu. Es hätte überhaupt vom Obergericht nicht geprüft werden müssen, ob die Beklagte beim Erwerb der Wechsel im Sinne von
Art. 1007 OR
zum Nachteil der Klägers gehandelt habe. Dieser liess in der Berufung denn auch ausführen, der Sachverhalt sei nicht nach Art. 1007, sondern nach
Art. 1000 OR
zu beurteilen. An anderer Stelle behauptet er freilich, Rothenberger habe die Wechsel abredewidrig in Umlauf gesetzt. Der Einwand ist nach
Art. 1000 OR
indes nicht zu hören, da sich diese Vorschrift nur auf das abredewidrige Ausfüllen des Wechsels bezieht. Nach dem angefochtenen Urteil hat der Kläger übrigens weder die angebliche Zusicherung Rothenbergers, die beiden Wechsel nicht im Umlauf zu setzen, noch die Behauptung zu beweisen vermocht, dass die Beklagte davon beim Erwerb der Wechsel Kenntnis gehabt habe. Was der Kläger dagegen unter Berufung auf die von ihm verfasste und von Rothenberger unterschriebene Erklärung vom 26. August 1970 einwendet, richtet sich gegen die Beweiswürdigung. Der Kläger übersieht zudem, dass die Wechsel schon vorher der Beklagten übergeben worden sind und dass die
BGE 99 II 324 S. 332
Erklärung eine Begebung der Wechsel nicht ausschloss. Er schweigt sich denn auch darüber aus, was ihn sonst überhaupt veranlassen konnte, sie zu akzeptieren.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichtes (I. Zivilkammer) des Kantons Zürich vom 4. Juni 1973 bestätigt. | public_law | nan | de | 1,973 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
2eea5d58-bd9b-4cfe-8b2c-ff789939f615 | Urteilskopf
95 I 169
25. Extrait de l'arrêt du 23 mai 1969 dans la cause Pictet contre Commission vaudoise de recours en matière d'impôt. | Regeste
Wehrsteuer auf dem im Betriebe eines buchführungspflichtigen Unternehmens bei der Veräusserung von Liegenschaften erzielten Kapitalgewinn (Art. 21 Abs. 1 lit. d WStB).
Fall des Ehemannes,der seiner Ehefrau für den Betrieb ihres Unternehmens eine ihm gehörende Liegenschaft zur Verfügung stellt, aber selber nicht Kaufmann ist. | Sachverhalt
ab Seite 170
BGE 95 I 169 S. 170
Résumé des faits:
Pictet est invalide et incapable de travailler depuis 1946. Sa femme a subvenu aux besoins du ménage en exploitant une pension, inscrite au registre du commerce dès 1950 (raison individuelle). Primitivement installée dans des locaux loués, l'entreprise a été transférée en 1952 dans un bâtiment acheté par Pictet. Depuis lors, ce bâtiment a figuré au bilan de la pension de dame Pictet. Sa valeur a fait l'objet d'amortissements à raison de 1% par an. A la vente de l'immeuble, en 1963, le bénéfice réalisé a été porté dans les comptes de l'entreprise comme produit d'exploitation.
Les autorités fiscales ont imposé le bénéfice réalisé lors de la vente de l'immeuble à titre de bénéfice en capital au sens de l'art. 21 al. 1 litt. d AIN. Pictet a contesté cette taxation. Débouté par la Commission cantonale de recours, il a formé un recours de droit administratif, que le Tribunal fédéral a admis.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
En vertu de l'art. 21 al. 1 litt. d AIN, les bénéfices en capital obtenus dans l'exploitation d'une entreprise astreinte à tenir des livres, par l'aliénation ou la réalisation de biens, sont soumis à l'impôt pour la défense nationale. Un bénéfice en capital provient de l'exploitation de l'entreprise lorsque le bien aliéné ou réalisé faisait partie de la fortune commerciale. Si le bien appartenait à la fortune privée du commerçant, l'impôt n'est pas dû. Lorsque l'appartenance d'un bien à l'un ou l'autre des patrimoines est douteuse, il faut prendre en considération l'ensemble des circonstances de fait pour décider de son attribution (RO 941 466 consid.1
;
93 I 364
et les arrêts cités).
2.
En matière d'impôt pour la défense nationale, chacun des époux est un contribuable distinct (RO 76 I 400). Par la substitution
BGE 95 I 169 S. 171
fiscale que prévoit l'art. 13 AIN, le mari reprend l'obligation fiscale de sa femme; il apparaît dès lors seul comme partie à la procédure de taxation et de recours. Néanmoins, avant d'être ajoutés conformément à cette disposition, le revenu imposable du mari et celui de la femme doivent être déterminés séparément.
Si l'un des époux exploite une entreprise astreinte à tenir des livres, au sens des art. 21 al. 1 litt. d AIN et 957 CO, il sera taxé selon son revenu commercial, tandis que l'autre époux, qui n'exploite pas une telle entreprise, sera taxé selon les règles ordinaires. Cette situation ne se modifie pas du seul fait que l'époux non astreint à tenir une comptabilité met un immeuble à la disposition de son conjoint pour qu'il y exploite son entreprise. L'époux propriétaire de l'immeuble n'en acquiert pas pour autant une fortune commerciale. Il se trouve dans la même position que celui qui met un immeuble à la disposition d'un tiers quelconque. Même si ce tiers est une société anonyme que le propriétaire domine et où il occupe un poste dirigeant, l'immeuble continue à faire partie de la fortune privée (RO 79 I 63/64).
Dans son arrêt du 29 novembre 1957 en la cause W. F. contre Commission cantonale soleuroise de recours (RO 83 I 337 ss.; RDAF 1959, p. 130), le Tribunal fédéral a jugé que n'était pas imposable à titre de revenu le bénéfice réalisé lors de la vente de l'immeuble appartenant à l'épouse et mis à la disposition du mari, qui exploitait l'entreprise. La solution doit être la même dans la situation inverse, qui est celle de la présente espèce. Le régime matrimonial étant sans conséquence du point de vue fiscal, peu importe que le mari ait eu, dans la cause F., la jouissance de l'immeuble de la femme en vertu des règles de l'union des biens, alors qu'ici la femme, commerçante, n'a aucun droit de jouissance sur les biens du mari. Quel que soit le régime matrimonial, les époux se doivent l'un à l'autre assistance (art. 159 CC). Si l'un d'eux met ses biens, y compris les immeubles, à la disposition de l'autre pour l'exercice de sa profession, les patrimoines n'en restent pas moins distincts. Dans la présente cause, l'épouse du recourant, seule astreinte à tenir des livres, peut en principe seule avoir une fortune commerciale.
3.
L'administration fiscale relève que l'épouse du recourant a fait figurer l'immeuble au bilan de son entreprise et que le recourant lui-même a opéré, sur la valeur de cet immeuble,
BGE 95 I 169 S. 172
des amortissements qui ont été admis. Elle n'en déduit pas toutefois - et elle a raison - que l'immeuble soit devenu un élément de la fortune commerciale de l'épouse du recourant. Celui qui exploite seul une entreprise commerciale ne peut faire figurer à son actif des immeubles appartenant à un tiers. Ce serait méconnaître les principes de clarté et de sincérité qui régissent l'établissement du bilan (art. 959 CO). Celui-ci doit refléter exactement la situation économique de l'entreprise et ne peut contenir à l'actif que des valeurs qui font partie des moyens propres du commerçant. Sans doute les règles civiles sur la propriété peuvent-elles exceptionnellement n'être pas déterminantes. On fera ainsi figurer à l'actif un objet acheté sous réserve de propriété, ou des installations faites dans des locaux loués, voire la valeur des droits découlant d'un bail (cf. BLUMER-GRAF, Kaufmännische Bilanz und Steuerbilanz, 3e éd., Zurich 1967, p. 86/87). Mais encore faut-il que les frais d'acquisition ou de production de ces valeurs aient été supportés par le commerçant. En aucun cas une chose louée, appartenant à un tiers - lors même que ce tiers serait le conjoint - ne peut devenir un élément de la fortune commerciale de l'exploitant d'une entreprise individuelle du seul fait qu'elle figure à son bilan.
4.
Il faut encore se demander si le recourant possède luimême une fortune commerciale, dont l'immeuble serait un élément. Du fait que l'immeuble et le bénéfice réalisé lors de sa vente ont été portés dans les comptes de dame Pictet, les autorités fiscales veulent déduire que le recourant est entré en qualité d'associé dans l'entreprise de sa femme.
De fait, des époux peuvent, même sans inscription sur le registre du commerce, former entre eux une société en nom collectif, lorsqu'ils ont la volonté de se lier ainsi et qu'ils agissent sous une raison sociale (art. 552 CO; cf. RO 43 II 13; SIEGWART, Remarques préliminaires ad art. 530-551 CO, n. 31 ss.). Si tel est le cas, chacun des époux sera astreint à tenir des livres en raison de l'exploitation de l'entreprise commune. L'immeuble servant à cette exploitation sera présumé faire partie de la fortune commerciale de la société, à moins que la forme donnée aux rapports sociaux ne démontre qu'il appartient à la fortune privée de son propriétaire (cf. RO 93 I 364 ss.).
En l'espèce, contrairement à l'opinion des autorités fiscales, il n'y a pas d'indices suffisants de la création d'une société commerciale. On ne pourrait l'admettre que si l'ensemble des
BGE 95 I 169 S. 173
circonstances démontrait que les époux Pictet ont effectivement eu la volonté de créer une telle société. Or il n'est pas établi que ces époux entendaient aller au-delà de la collaboration qu'implique déjà le mariage et exploiter sous une raison sociale (art. 552 CO) une entreprise commerciale, avec la responsabilité qui découle pour chacun d'eux d'une telle activité. Il ne suffit pas pour cela du seul fait qu'avec l'accord de son mari, dame Pictet a porté l'immeuble et le bénéfice réalisé lors de sa vente dans sa comptabilité. Les époux n'ont nullement agi sous une raison sociale. Dame Pictet, au contraire, s'est toujours présentée comme seule titulaire de l'entreprise. Sans doute le recourant a-t-il tenu la comptabilité. Mais cette collaboration s'explique par le devoir d'assistance découlant du mariage (art. 159 CC). Il est vrai aussi que l'épouse du recourant n'a payé aucun loyer pour l'usage de l'immeuble, supportant seulement les intérêts hypothécaires et les autres charges. Mais ici, contrairement à la cause jugée par le Tribunal fédéral le 23 juin 1967 (RO 93 I 362 ss.), la mise à disposition gratuite de l'immeuble s'explique aisément, elle aussi, par le devoir d'assistance entre époux. On ne saurait en déduire que le recourant et sa femme aient entendu créer une société.
Certes, les amortissements effectués par le recourant sur son immeuble n'auraient pas dû être autorisés. Mais le seul fait qu'ils l'aient été, contrairement à la loi, ne suffit pas à permettre de traiter comme élément de la fortune commerciale un immeuble qui ne fait partie ni du patrimoine commercial de l'épouse (parce qu'il n'appartient pas à celle-ci) ni du patrimoine commercial du mari (qui n'en a pas, faute d'être astreint à tenir des livres). L'autorisation d'opérer des amortissements peut être un élément d'appréciation lorsqu'il s'agit d'attribuer à la fortune commerciale ou à la fortune privée d'un contribuable astreint à tenir des livres un bien qui n'appartient pas par nature à l'une ou à l'autre (cf. RO 70 I 261
;
94 I 466
). Si ce contribuable veut opérer des amortissements - admissibles seulement pour les biens appartenant à la fortune commerciale - il doit souffrir aussi que le bénéfice réalisé lors de l'aliénation de ce bien soit considéré comme bénéfice commercial. En revanche, lorsque le contribuable n'est pas commerçant, le fait que des amortissements aient été admis - à tort ou à raison - n'autorise pas une conclusion semblable (cf. aussi KÄNZIG, Die eidgenössische Wehrsteuer, n. 63 ad art. 22 AIN).
BGE 95 I 169 S. 174
Il n'apparaît pas au demeurant que le recourant et sa femme aient choisi pour organiser leurs rapports pécuniaires une construction juridique insolite, non conforme à la réalité économique, dans le dessein d'éluder l'impôt. Pictet, qui disposait de quelque argent, a acheté l'immeuble. Sa femme, seule capable de travailler, y a installé son entreprise et a supporté les charges du ménage. Les époux se sont ainsi conformés aux devoirs généraux du mariage. Il n'est pas nécessaire de construire artificiellement une société en nom collectif les liant entre eux pour expliquer leur façon d'agir.
Le recours doit dès lors être admis et la cause renvoyée à l'autorité cantonale pour qu'elle procède à la taxation du recourant sans faire entrer dans le revenu imposable le bénéfice en capital obtenu lors de la vente de l'immeuble. | public_law | nan | fr | 1,969 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
2eefaa41-e447-4de3-82d1-a11ad8d0cc15 | Urteilskopf
102 III 89
17. Arrêt du 23 juin 1976 dans la cause Administration de la masse en faillite B. | Regeste
Art. 891 Abs. 2, 904 ZGB
.
Die Frage nach dem Umfang der durch das Faustpfand gewährten Sicherheit und nach demjenigen der Pfandhaft bei verpfändeten Grundpfandtiteln ist materiell-rechtlicher Natur. Es drängt sich auf, im Kollokationsplan über diese Punkte einen klaren Entscheid zu treffen, zumal den Betroffenen die Möglichkeit offen steht, den Kollokationsplan mit Klage anzufechten. | Sachverhalt
ab Seite 89
BGE 102 III 89 S. 89
A.-
a) Dans la faillite de B., à Villars-sur-Glâne, ouverte le 5 janvier 1970, G., à Crans-sur-Sierre, a produit une créance de 790'000 fr. en capital et intérêts, valeur au 31 mars 1968, plus 139'347 fr. 20 représentant les intérêts à 10% courus du 31 mars 1968 au 5 janvier 1970.
La créance était garantie, entre autres, par deux obligations hypothécaires au porteur remises en nantissement au créancier, d'une valeur nominale de 1'000'000 fr. au total (650'000 fr. et 350'000 fr.), grevant en premier rang la part de copropriété de la moitié de B. aux art. 469, 474, 472 et 1198 du registre foncier de Villars-sur-Glâne. Les obligations hypothécaires avaient été constituées avec intérêt à 5 1/2%.
BGE 102 III 89 S. 90
Dans l'état de collocation, déposé le 24 février 1973, les créances de G. étaient admises pour, respectivement, 790'000 fr. et 51'847 fr. 20, plus frais de poursuite, par 58 fr. 80 (841'906 fr. au total), garanties notamment par les deux obligations hypothécaires au porteur susmentionnées.
L'état des charges du 24 février 1973, déposé comme partie intégrante de l'état de collocation, indiquait comme créances garanties par gage immobilier les deux obligations hypothécaires "garantissant un prêt de 790'000 fr. plus int." (le taux et le point de départ de l'intérêt n'étant pas mentionnés). L'indication du montant en capital de chacune des obligations hypothécaires est suivie de la mention: "int. ...% du ... au jour de la vente le ...".
b) Par demande du 5 mars 1973, G. a attaqué l'état de collocation, concluant, d'une part, à ce que les intérêts au 10% sur la créance de 790'000 fr. figurent à l'état de collocation pour la période allant du 31 mars 1968 au jour du versement des fonds après réalisation, et, d'autre part, à ce que le montant admis à titre d'intérêt, par 51'847 fr. 20, soit rétabli à 139'347 fr. 20.
Dans sa réponse du 17 septembre 1973, l'administration de la faillite a opposé une exception d'irrecevabilité à la première conclusion du demandeur et conclu au rejet de la deuxième conclusion. Pour justifier l'exception d'irrecevabilité, la masse disait que le calcul des intérêts dus après l'ouverture de la faillite n'était pas à régler dans la procédure de collocation, mais lors de la distribution des deniers. G. a retiré son action le 10 juillet 1974. L'Office des faillites a alors indiqué dans l'état des charges du 24 février 1973 que, ensuite du retrait de l'action, le montant des gages conventionnels était ramené de 1'000'000 fr. à 841'906 fr., soit au montant admis dans l'état de collocation, somme dans laquelle sont inclus les intérêts jusqu'au jour de l'ouverture de la faillite.
c) Le 2 mars 1976, ont été déposées les conditions de vente de la part de copropriété de B. Elles prévoyaient notamment la prise en charge par l'adjudicataire des frais d'un plan de quartier relatif aux immeubles en copropriété, dressé par l'architecte P., par 37'830 fr. Y était annexé un état des charges épuré au 15 mars 1976, qui portait la créance principale (capital et intérêts au jour de la faillite) pour 798'677 fr., comme G. l'avait indiqué dans un décompte adressé à l'Office
BGE 102 III 89 S. 91
des faillites. Les créances d'intérêts après l'ouverture de la faillite étaient admises comme il suit:
"- intérêt 5 1/2% du 12 août 1975 au 15 mars 1976
sur 350'000 fr. 11'389 fr. 60
-intérêt 5 1/2% du 27 novembre 1975 au 15 mars 1976
sur 650'000 fr. 10'824 fr. 30."
Ainsi, l'inscription de la garantie de la créance de G. était prévue par 820'890 fr. 90 au total, alors que, dans son décompte adressé à l'Office des faillites, G. avait indiqué, pour les intérêts conventionnels de 10% par an dès le jour de l'ouverture de la faillite, un montant de 508'392 fr., parvenant ainsi à une créance de 1'307'069 fr. au total (798'677 fr. + 508'392 fr.)
d) Le 12 mars 1976, G. a déposé une plainte contre les conditions de vente auprès de la Chambre des poursuites et faillites du Tribunal cantonal de l'Etat de Fribourg, autorité cantonale de surveillance.
B.-
Le 29 avril 1976, la Chambre des poursuites et faillites du Tribunal cantonal de l'Etat de Fribourg a admis la plainte et modifié les conditions de vente en ce sens que:
a) la condition relative à la prise en charge par l'adjudicataire des frais d'établissement du plan de quartier de l'architecte P. est supprimée;
b) l'état des charges au 15 mars 1976 annexé aux conditions de vente est ainsi rectifié:
Sont admises à l'état des charges les créances garanties par gage de G., pour 790'000 fr. en capital et 51'847 fr. 20 en intérêts, montant représentant les intérêts échus au jour de la faillite; le montant de 790'000 fr. en capital portera intérêts à 10% dès le prononcé de la faillite jusqu'au jour de la réalisation du gage.
C.-
L'administration de la faillite recourt au Tribunal fédéral. Elle demande que la partie du dispositif rectifiant l'état des charges soit annulée et remplacée par le dispositif suivant:
Sont admises à l'état des charges les créances garanties par gage de G. pour un montant de 1'000'000 fr. en capital représentant les deux obligations hypothécaires au porteur de 350'000 fr. respectivement 650'000 fr. plus l'intérêt courant au 5 1/2% de ces deux obligations au jour de la réalisation.
G. conclut au rejet du recours.
BGE 102 III 89 S. 92
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
L'administration de la faillite a qualité pour recourir, car elle défend les intérêts de la masse (
ATF 100 III 65
consid. 1 et les arrêts cités).
2.
La recourante ne remet en cause que la question de l'étendue du droit du créancier sur les titres donnés en nantissement.
Elle part de l'idée que, comme il s'agit en l'espèce d'un gage mobilier constitué sur un titre hypothécaire, conformément à l'
art. 904 CC
, le gage ne s'étend, en l'absence de convention contraire, qu'à la prestation courant au moment de la réalisation. Le problème ainsi posé est le suivant: le gage porte-t-il seulement sur le montant en capital des deux obligations, soit 1'000'000 fr. au total, plus les intérêts courant au moment de la réalisation, ou bien, comme l'admet l'autorité de surveillance sur la base de l'
art. 818 al. 1 ch. 3 CC
, s'étend-il également aux intérêts de trois années échus avant l'ouverture de la faillite et à tous les intérêts qui ont couru depuis (l'intérêt ici pris en considération étant toujours celui de 5 1/2% prévu pour les deux obligations hypothécaires)?
Reste encore le problème de l'étendue de la garantie: quelle que soit la réponse donnée à la première question, les obligations hypothécaires remises en nantissement garantissent-elles seulement le capital de la créance ou bien également les intérêts de 10% l'an courant sur la créance?
Ces deux points relèvent du droit matériel et ne sauraient donc être réglés en procédure de plainte par l'autorité de surveillance. Il convient de prendre une décision à ce sujet dans l'état de collocation, respectivement l'état des charges, la voie de l'action en contestation de l'état de collocation étant ouverte aux intéressés (cf. dans ce sens
ATF 41 III 227
ss consid. 1). En l'espèce, G. a voulu agir de la sorte, mais il en a été retenu par l'administration de la faillite. Il ressort clairement de toute la procédure que, jusqu'à l'état des charges annexé aux conditions de vente, une décision claire n'a jamais été prise à l'égard de G., ni en ce qui concerne l'étendue du droit du créancier, ni en ce qui a trait à l'étendue de la garantie. Or ce deuxième état des charges ne pouvait pas modifier le précédent sur des questions déterminantes pour la collocation
BGE 102 III 89 S. 93
du créancier; une modification de ce type devrait être révoquée sur plainte, ce qui remet les choses dans la situation où elles se trouvaient sur la base de l'état des charges du 24 février 1973, soit dans l'équivoque.
La décision de l'autorité de surveillance doit dès lors être annulée et l'affaire renvoyée à l'administration de la faillite pour qu'elle prenne une décision claire, susceptible d'être attaquée par la voie de l'action en contestation de l'état de collocation.
3.
Pour trancher les deux questions dans l'état de collocation, l'administration devra procéder sur la base d'un examen de la situation matérielle.
a) Etendue du droit du créancier sur les obligations hypothécaires remises en gage. On est en présence d'un gage mobilier constitué sur une créance; les
art. 899 ss CC
sont applicables, notamment l'
art. 904 CC
. Certains coupons d'intérêts ne doivent plus guère exister, si bien que l'
art. 904 al. 2 CC
n'entre pas en considération. Il ne semble pas que les titres hypothécaires remis en nantissement (qui ne se trouvent pas au dossier) prévoient que le gage s'étend aux prestations accessoires. On doit donc présumer que le gage ne porte pas sur des intérêts autres que les intérêts courant au moment de la réalisation (dans ce sens: OFTINGER, n. 9 et 11; LEEMANN, n. 8-11 ad
art. 904 CC
;
ATF 41 III 455
ss,
ATF 44 II 250
ss,
ATF 71 III 157
,
ATF 98 Ia 505
consid. 12). Sur la base de ce qui précède, la créance de G. devrait être colloquée de façon que le gage porte seulement sur le capital (350'000 fr. et 650'000 fr.) accru au prorata des intérêts courant au moment de la réalisation. Il appartiendra à G. d'attaquer l'état de collocation et de faire valoir ses arguments dans le cadre de ce procès civil. Ainsi, il pourra établir l'existence d'une convention contraire ou soutenir que la jurisprudence et la doctrine citées doivent être revues, ou bien encore faire état de l'argumentation qui est à la base de la décision attaquée, à savoir que, en cas de gage constitué sur un titre hypothécaire, il convient de déduire de la règle légale de l'
art. 818 al. 1 ch. 3 CC
que le gage s'étend également aux intérêts de trois années échus avant l'ouverture de la faillite et à ceux qui ont couru depuis.
b) Etendue de la garantie fournie par le nantissement. Cette question n'est pas réglée par l'art. 904, mais par l'
art. 891 al. 2 CC
. Selon cette disposition légale, le gage mobilier garantit
BGE 102 III 89 S. 94
au créancier tous les intérêts conventionnels existant encore au moment de la réalisation, ainsi que les frais de poursuite et les intérêts moratoires, par opposition à l'
art. 818 al. 1 ch. 3 CC
, qui, en cas de gage immobilier, limite la couverture aux intérêts de trois années échus avant l'ouverture de la faillite (cf. LEEMANN, n. 10; OFTINGER, n. 69 ad
art. 891 CC
).
Contrairement à l'opinion de l'administration de la faillite, rien ne peut être déduit de l'art. 126 al. 2 ORI. Abstraction faite de ce que l'ordonnance sur la réalisation forcée des immeubles ne saurait modifier la réglementation de droit matériel du code civil, la disposition susmentionnée a un sens tout autre que celui qu'en infère l'administration de la faillite; elle a pour seul but de préciser que, lorsque est remis en nantissement un titre de gage immobilier dont le montant nominal est supérieur au montant de la créance garantie par gage mobilier (créance dont le capital doit évidemment être accru des prétentions accessoires garanties par le nantissement en vertu de l'
art. 891 al. 2 CC
), la différence forme une case libre.
Ainsi, à première vue, la collocation devrait se faire de telle sorte que la créance de G. soit garantie par gage, en capital, frais de poursuite et intérêts, jusqu'à concurrence du montant de 1'000'000 fr., accru au prorata des intérêts courant sur les deux obligations hypothécaires au jour de la réalisation.
Dispositiv
Par ces motifs, la Chambre des poursuites et des faillites:
Admet partiellement le recours en ce sens que la décision attaquée est annulée et l'affaire renvoyée à l'administration de la faillite pour décision dans le sens des considérants. | null | nan | fr | 1,976 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
2ef5c72d-dfb8-444b-8365-f3e20c25ae53 | Urteilskopf
112 V 326
58. Auszug aus dem Urteil vom 7. Oktober 1986 i.S. Biswas gegen Kantonales Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit, Bern, und Versicherungsgericht des Kantons Bern | Regeste
Art. 15 Abs. 1,
Art. 17 Abs. 1 AVIG
: Vermittlungsfähigkeit bei Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit?
- Vermittlungsunfähigkeit liegt unter anderem vor, wenn der Versicherte nicht bereit oder in der Lage ist, eine Arbeitnehmertätigkeit auszuüben, weil er eine selbständige Erwerbstätigkeit aufgenommen hat oder aufzunehmen gedenkt, sofern er dadurch nicht mehr als Arbeitnehmer vermittelt werden bzw. seine Arbeitskraft in dieser Eigenschaft nicht so einsetzen kann oder will, wie es ein Arbeitgeber normalerweise verlangt (Erw. 1a).
- Die Bereitschaft zur Aufnahme lediglich selbständiger Erwerbstätigkeit schliesst die Vermittlungsfähigkeit grundsätzlich aus. Die Bemühungen um den Aufbau eines eigenen Geschäfts stellen keine Arbeitssuche im Sinne von
Art. 17 Abs. 1 AVIG
dar (Erw. 3a und d). | Erwägungen
ab Seite 326
BGE 112 V 326 S. 326
Aus den Erwägungen:
1.
a) Eine der gesetzlichen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung ist die Vermittlungsfähigkeit
BGE 112 V 326 S. 327
(
Art. 8 Abs. 1 lit. f AVIG
). Gemäss
Art. 15 Abs. 1 AVIG
ist der Arbeitslose vermittlungsfähig, wenn er bereit und in der Lage ist, eine zumutbare Arbeit anzunehmen. Zur Vermittlungsfähigkeit gehört demnach nicht nur die Arbeitsfähigkeit im objektiven Sinn, sondern subjektiv auch die Bereitschaft, seine Arbeitskraft entsprechend seinen persönlichen Verhältnissen während der üblichen Arbeitszeit einzusetzen (
BGE 112 V 137
Erw. 3 und 217 Erw. 1a; ARV 1986 Nr. 5 S. 24; zur altrechtlichen Praxis siehe
BGE 109 V 275
Erw. 2a, 108 V 101; ARV 1979 Nr. 7 S. 49). Vermittlungsunfähigkeit liegt unter anderem vor, wenn der Versicherte nicht bereit oder in der Lage ist, eine Arbeitnehmertätigkeit auszuüben, weil er eine selbständige Erwerbstätigkeit aufgenommen hat oder aufzunehmen gedenkt (EVGE 1956 S. 132; ARV 1980 Nr. 36 S. 83, 1972 Nr. 9 S. 20, 1957 Nr. 26 S. 69), sofern er dadurch nicht mehr als Arbeitnehmer vermittelt werden bzw. seine Arbeitskraft in dieser Eigenschaft nicht so einsetzen kann oder will, wie es ein Arbeitgeber normalerweise verlangt. Versicherte, die im Hinblick auf anderweitige Verpflichtungen oder besondere persönliche Umstände lediglich während gewisser Tages- oder Wochenstunden sich erwerblich betätigen wollen, können nur sehr bedingt als vermittlungsfähig anerkannt werden. Denn sind einem Versicherten bei der Auswahl des Arbeitsplatzes so enge Grenzen gesetzt, dass das Finden einer Stelle sehr ungewiss ist, muss Vermittlungsunfähigkeit angenommen werden (BGE
BGE 112 V 137
Erw. 3 und 217 Erw. 1a; zur altrechtlichen Praxis siehe
BGE 110 V 208
,
BGE 109 V 275
Erw. 2; ARV 1982 Nr. 10 S. 71, 1980 Nr. 38 S. 91 Erw. 1, 1979 Nr. 7 S. 51 f., 1977 Nr. 16 S. 83 und Nr. 27 S. 144).
b) Streitig ist im vorliegenden Fall in der Hauptsache, ob der Beschwerdeführer für die Zeit vom 1. Oktober bis 8. Dezember 1984 und vom 21. Januar bis 28. Februar 1985 als vermittlungsfähig zu betrachten ist und unter diesem Blickwinkel für die genannten Perioden Anspruch auf Arbeitslosentaggelder hat.
2.
a) Nach der Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch die Firma C. & Co. stand der Beschwerdeführer vor der grundsätzlichen Wahl, eine neue Anstellung zu suchen oder eine selbständige Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Er entschied sich für letzteres, indem er ab Oktober 1984 einstweilen auf jegliche Arbeitnehmertätigkeit verzichten wollte. Denn wie er in seinen Rechtsschriften wiederholt erklären liess, hatte er sich ab diesem Zeitpunkt deshalb nicht um eine Anstellung bemüht, weil er sich ausschliesslich als
BGE 112 V 326 S. 328
selbständigerwerbender Kaufmann dem Handel mit elektronischen Bestandteilen zuzuwenden gedachte und eine Arbeitnehmertätigkeit nur für den Fall in Aussicht nahm, dass sein Unternehmen scheitern sollte. Wollte er mithin ab 1. Oktober 1984 ausschliesslich eine selbständige Erwerbstätigkeit ausüben, so ist die Vermittlungsfähigkeit für den hier zu beurteilenden Zeitraum offensichtlich zu verneinen.
b) Sodann stellt sich die Frage, ob der Beschwerdeführer ab 1. Oktober 1984 nicht nur keine Arbeitnehmertätigkeit aufnehmen wollte, sondern wegen der Inanspruchnahme durch das neue Geschäft dazu auch gar nicht in der Lage war. Nach seiner Darstellung hatte der Aufbau des Handelsgeschäfts einen beträchtlichen Aufwand an Zeit erfordert, was auf die Möglichkeit hinweist, dass er sich daneben nicht auch noch um Arbeitsstellen bemühen oder solche annehmen konnte. Ein solcher Sachverhalt schlösse praxisgemäss die objektive Vermittelbarkeit aus (vgl. ARV 1978 Nr. 6 S. 14 und 1972 Nr. 9 S. 20). Wie es sich im vorliegenden Fall tatsächlich verhält, kann indessen angesichts der fehlenden Vermittlungsbereitschaft des Beschwerdeführers offenbleiben.
3.
a) Die Einwendungen des Beschwerdeführers vermögen die hievor getroffene Feststellung nicht zu entkräften. Entgegen seiner Auffassung ist die Anspruchsvoraussetzung der Vermittlungsfähigkeit grundsätzlich nur erfüllt, wenn und solange ein Versicherter zur Suche und zum Antritt einer Arbeitsstelle bereit und in der Lage ist; die Bereitschaft zur Aufnahme lediglich selbständiger Erwerbstätigkeit schliesst die Vermittlungsfähigkeit grundsätzlich aus.
b) Wenn der Beschwerdeführer im übrigen beteuert, er sei zur Annahme einer Anstellung durchaus bereit gewesen, so widerspricht er damit nicht nur seinen oben wiedergegebenen Aussagen, sondern wird auch durch die Art seiner Bemühungen um Arbeit in den Monaten Oktober 1984 bis Februar 1985 widerlegt. In dieser Zeit hat er sich zugegebenermassen praktisch ausschliesslich dem Aufbau seines Handelsgeschäftes gewidmet. Zwar hat er sich am 19. November 1984 sowie nach der Rückkehr aus Indien am 23. Januar und 1. Februar 1985 bei zwei Vermittlungsdiensten für Temporärarbeit gemeldet. Das ist indessen nach den gegebenen Umständen weniger als Wille zur Aufnahme einer unselbständigen Erwerbstätigkeit zu werten denn als bloss formaler Nachweis von Stellenbewerbungen im Zuge der Kassenverfügungen vom 12. November 1984 und 4. Januar 1985, in welchen deutlich auf
BGE 112 V 326 S. 329
die Notwendigkeit von Stellengesuchen als Anspruchsvoraussetzung hingewiesen wurde.
c) Weshalb sich der Beschwerdeführer zu einer selbständigen Erwerbstätigkeit entschlossen hatte, ist hier ohne Belang. Untauglich ist namentlich das Argument, es habe sich dabei um einen Versuch zur Beendigung der Arbeitslosigkeit gehandelt, und ebensowenig vermag die Behauptung des Beschwerdeführers zu überzeugen, dass er sich einer selbständigen Erwerbstätigkeit habe zuwenden müssen, weil die Suche nach einer Anstellung zum vornherein habe als aussichtslos betrachtet werden müssen.
d) Der Beschwerdeführer kann sich für seine Auffassung sodann auch nicht auf
BGE 110 V 207
und
BGE 111 V 38
berufen.
BGE 110 V 207
behandelt den Fall, dass ein Versicherter zwar noch arbeitslos ist, aber schon eine Stelle gefunden hat. Nach der Rechtsprechung ist ein Versicherter, der nur noch für eine kurze Zwischenzeit bis zum Antritt einer neuen Stelle der Vermittlung zur Verfügung steht, in der Regel nicht vermittlungsfähig. Das darf aber nicht dazu führen, jene arbeitslosen Versicherten zu bestrafen, die eine freie, jedoch nicht unmittelbar antretbare Stelle finden und annehmen. In diesem Fall ist deshalb praxisgemäss die Vermittlungsfähigkeit nicht mehr zu prüfen. In
BGE 111 V 38
hat das Eidg. Versicherungsgericht ferner erkannt, dass diese Praxis auch für jene Versicherten gilt, die nur noch kurze Zeit für die Vermittlung zur Verfügung stehen, weil sie als Massnahme und Reaktion gegen die Arbeitslosigkeit und in Erfüllung der Schadenminderungspflicht in Kürze eine selbständige Erwerbstätigkeit aufnehmen und für die Zwischenzeit bis dahin praktisch nicht vermittelbar sind.
Die dargelegte Rechtspraxis betrifft den Tatbestand, dass durch den Antritt einer Stelle bzw. durch die Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit auf einen nahe bevorstehenden festen Zeitpunkt die Arbeitslosigkeit beendet wird und der Versicherte für die kurze Zeit bis dahin praktisch keine Anstellung mehr finden kann. Nichts von dem trifft im vorliegenden Fall zu. Nach dem oben Gesagten wollte sich der Beschwerdeführer ab 1. Oktober 1984 ausschliesslich dem Handel mit elektronischen Bestandteilen widmen, mithin als Selbständigerwerbender tätig sein. Die Ermittlung von Kunden und Lieferanten wie auch das Erstellen von Prospekten und Empfehlungsschreiben bilden bereits einen Teil dieser selbständigen Geschäftstätigkeit. Der Beginn der selbständigen Erwerbstätigkeit ist deshalb arbeitslosenversicherungsrechtlich auf
BGE 112 V 326 S. 330
anfangs Oktober 1984 festzulegen. Wenn der Beschwerdeführer in den folgenden Wochen und Monaten keinen geschäftlichen Erfolg hatte und kein Einkommen erwirtschaftete, so begründet das nicht Arbeitslosigkeit oder einen anrechenbaren Verdienstausfall im Sinne des AVIG, sondern gehört zum Unternehmerrisiko, welches grundsätzlich nicht auf die Arbeitslosenversicherung abgewälzt werden kann. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers kann deshalb auch nicht gesagt werden, die Bemühungen um den Aufbau eines eigenen Geschäfts seien der Suche nach einer Lohnarbeit im Rahmen von
Art. 17 Abs. 1 AVIG
gleichgestellt.
4.
a) Aus dem Gesagten folgt, dass die Vermittlungsfähigkeit des Beschwerdeführers für die Zeit vom 1. Oktober bis 8. Dezember 1984 und vom 21. Januar bis 28. Februar 1985 zu verneinen ist. | null | nan | de | 1,986 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
2ef65627-2358-4c24-81df-2a1c01d0c6b9 | Urteilskopf
139 IV 294
45. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit public dans la cause Y. contre Banque X. et Ministère public de la Confédération (recours en matière de droit public)
1C_545/2013 du 11 juillet 2013 | Regeste
Art. 84 und 93 BGG
;
Art. 80e Abs. 2 lit. b IRSG
; Einsicht der Privatklägerschaft in die Akten der Strafuntersuchung; Gewährleistung der Vorschriften über die internationale Strafrechtshilfe.
Der Beschwerdeweg nach
Art. 84 BGG
steht offen, wenn die der Privatklägerschaft gewährte Einsicht in die Strafuntersuchungsakten die Gefahr nach sich zieht, dass Informationen an die ersuchende ausländische Behörde gelangen könnten, bevor die zuständige schweizerische Rechtshilfebehörde über die Zulässigkeit einer solchen Information entschieden hat (E. 1).
Angesichts des Risikos einer verfrühten Kenntnisnahme von Informationen ist hier im aktuellen Zeitpunkt keine vollständige Einsichtnahme in die Akten zulässig, selbst wenn sich diese auf die Rechtsvertreter der Privatklägerschaft beschränkt (E. 4). | Sachverhalt
ab Seite 295
BGE 139 IV 294 S. 295
A.
Le Ministère public de la Confédération (MPC) mène (...) une enquête pénale contre Y. et Z., pour blanchiment d'argent. Il leur est reproché d'avoir commis des détournements au préjudice de la Banque X., pour environ 430 millions de francs dont une partie serait parvenue en Suisse. La Banque X. s'est constituée partie plaignante les 5 et 14 juin 2012 et a demandé l'accès au dossier.
Par décision du 3 juillet 2012, le MPC a admis la qualité de partie plaignante de la Banque X., considérant qu'une enquête était ouverte en Russie pour (...) gestion déloyale. Y. et Z., soit ses anciens président et vice-président, se voyaient reprocher d'avoir accordé des prêts injustifiés dont ils auraient eux-mêmes bénéficié. Les intérêts de la banque avaient ainsi directement été lésés. Le droit de consulter le dossier lui a également été reconnu, sans restriction.
B.
Par décision du 15 mai 2013, la Cour des plaintes du Tribunal pénal fédéral (TPF) a partiellement admis le recours formé par Y. La reconnaissance de la qualité de partie plaignante était justifiée, les actes de blanchiment pouvant porter atteinte aux intérêts patrimoniaux de la banque (...). S'agissant du droit d'accès au dossier, la Cour des plaintes a considéré que la Banque X. était notoirement liée à l'Etat russe. Une procédure pénale était ouverte en Russie pour les mêmes faits, et des demandes d'entraide judiciaire avaient été formées par les autorités russes et suisses. Il existait dès lors un risque concret que la partie admise à la procédure communique à l'étranger des renseignements requis par voie d'entraide. Un simple engagement de la partie en cause n'était pas suffisant, car il ne liait pas l'Etat étranger. En revanche, le droit de consulter le dossier pouvait être limité aux seuls conseils de la banque, avec l'engagement
BGE 139 IV 294 S. 296
formel et sans réserve de ceux-ci de ne pas transmettre de renseignements à la banque ou à des tiers. Cela permettait l'avancement de la procédure pénale et le respect du droit d'être entendu de la partie plaignante. L'obligation de garder le secret devait être assortie de la menace des peines prévues à l'
art. 292 CP
.
C.
Par acte du 27 mai 2013, Y. forme un recours en matière de droit public par lequel il demande l'annulation de la décision de la Cour des plaintes et la suspension du droit d'accès au dossier de la Banque X., jusqu'à décision de clôture de la procédure d'entraide judiciaire. (...)
Le Tribunal fédéral a admis le recours.
(extrait)
Erwägungen
Extrait des considérants:
1.
Le recours est formé contre une décision rendue dans le cadre d'une procédure pénale, de sorte qu'il devrait en principe être soumis aux
art. 78 al. 1 et 79 LTF
(recours en matière pénale, limité aux seules mesures de contrainte). Le recours est toutefois formé, en l'espèce, pour violation des règles sur l'entraide judiciaire internationale en matière pénale. L'accès au dossier accordé à la partie plaignante comporterait en effet le risque de transmission de renseignements à la Fédération de Russie, avant même que l'autorité suisse d'entraide ait statué sur l'admissibilité d'une telle transmission. La décision attaquée est elle-même fondée sur les art. 80e al. 2 let. b et 65a al. 3 EIMP (RS 351.1), dispositions relatives à la présence de fonctionnaires étrangers et au risque de transmission de renseignements touchant le domaine secret. Selon la jurisprudence, la décision par laquelle l'autorité d'exécution refuse de limiter le droit d'une partie de consulter le dossier de la procédure pénale nationale connexe à la procédure d'entraide, doit être considérée comme rendue en application de l'EIMP (
ATF 127 II 198
consid. 2a p. 201-203; arrêt 1A.63/2004 du 17 mai 2004). C'est donc le recours en matière de droit public selon l'
art. 84 LTF
qui entre en considération dans un tel cas. Pour le surplus, le recourant ne remet pas en cause l'autre aspect de la décision attaquée, soit l'admission de la banque en qualité de partie plaignante.
1.1
Selon l'
art. 84 LTF
, le recours est recevable à l'encontre d'un arrêt du TPF en matière d'entraide judiciaire internationale si celui-ci a pour objet la transmission de renseignements concernant le
BGE 139 IV 294 S. 297
domaine secret. Il doit toutefois s'agir d'un cas particulièrement important (al. 1). Un cas est particulièrement important notamment lorsqu'il y a des raisons de supposer que la procédure à l'étranger viole des principes fondamentaux ou comporte d'autres vices graves (al. 2). Ces motifs d'entrée en matière ne sont toutefois pas exhaustifs et le Tribunal fédéral peut être appelé à intervenir lorsqu'il s'agit de trancher une question juridique de principe ou lorsque l'instance précédente s'est écartée de la jurisprudence suivie jusque-là (
ATF 133 IV 215
consid. 1.2 p. 218). En vertu de l'
art. 42 al. 2 LTF
, il incombe au recourant de démontrer que les conditions d'entrée en matière posées à l'
art. 84 LTF
sont réunies (
ATF 133 IV 131
consid. 3 p. 132).
1.1.1
En l'occurrence, l'arrêt attaqué ne porte pas directement sur la transmission de renseignements touchant le domaine secret. Toutefois, le risque évoqué à la fois par le recourant et par la Cour des plaintes se rapporte bien à une telle transmission prématurée. Dans un tel cas, la jurisprudence (rendue sous l'empire de l'ancienne loi fédérale d'organisation judiciaire mais qu'il y a lieu de confirmer en application de la LTF) considère que le recours immédiat est possible, comme le prévoit l'
art. 80e al. 2 let. b EIMP
en cas d'intervention d'enquêteurs étrangers (
ATF 127 II 198
consid. 2b p. 204; cf. également arrêt 1C_596/2012 du 28 novembre 2012 excluant le recours lorsque des précautions suffisantes sont prises à cet égard).
L'
art. 93 al. 2 LTF
exclut certes le recours contre toutes les décisions incidentes (à l'exception des décisions de saisie, aux conditions de l'
art. 93 al. 1 LTF
). Toutefois, une remise prématurée d'informations à l'étranger peut avoir, dans son résultat, les mêmes effets qu'une décision finale. Cela justifie un recours immédiat.
1.1.2
La présente cause porte par ailleurs sur une question de principe, dès lors que la solution adoptée par la Cour des plaintes pour prévenir un détournement des règles sur l'entraide judiciaire, apparaît nouvelle et se distingue en particulier du cas où l'accès au dossier est accordé à un Etat étranger (
ATF 127 II 198
). Cela justifie l'intervention d'une seconde instance de recours.
1.2
S'agissant d'un recours en matière de droit public, la qualité pour agir du recourant ne doit pas s'examiner sous l'angle de l'
art. 81 LTF
, mais de l'
art. 89 LTF
et des dispositions sur l'entraide judiciaire. Or, en tant que titulaire de comptes bancaires saisis par le MPC, et au sujet desquels des renseignements figurant dans le dossier de la procédure pénale sont susceptibles de parvenir à la
BGE 139 IV 294 S. 298
connaissance de l'Etat étranger, le recourant a qualité pour agir (
art. 21 al. 3, 80h let. b EIMP
et 9a let. a OEIMP [RS 351.11]).
Il y a donc lieu d'entrer en matière.
(...)
4.
Le recourant se plaint d'une violation des
art. 65a et 80d EIMP
, ainsi que du principe de proportionnalité. Il relève que dans de précédentes décisions, un Etat étranger (la Tunisie, arrêt TPF 2012 48) s'était vu reconnaître l'accès au dossier de procédures pénales en Suisse moyennant l'engagement de ne pas utiliser les renseignements pour des procédures dans cet Etat, alors que dans une autre cause, un autre Etat (l'Egypte) s'était vu opposer un refus. En l'occurrence, la solution adoptée ne permettrait pas de prévenir le contournement des règles de l'entraide judiciaire. Les avocats étant tenus d'informer leur client en temps utile, de manière complète et exacte, une obligation de maintenir le secret serait contraire aux règles sur le contrat de mandat, ainsi qu'aux art. 12 de la loi fédérale du 23 juin 2000 sur la libre circulation des avocats (LLCA; RS 935.61) et 27 Cst. L'engagement de confidentialité n'aurait pas le même poids qu'une garantie étatique, s'agissant des conséquences d'une fuite. L'intérêt de la partie plaignante à pouvoir accéder immédiatement au dossier ne serait dès lors pas établi. La suspension de la procédure pénale constituerait une mesure moins incisive au regard de l'atteinte potentielle à la sphère privée.
4.1
Selon l'EIMP, l'entraide judiciaire ne peut être accordée par la Suisse, pour autant que les conditions légales soient remplies, qu'après l'entrée en force de l'ordonnance de clôture (
art. 80d EIMP
). Avant cela, aucun renseignement, document ou information ne peut être transmis à l'Etat requérant. L'
art. 65a EIMP
permet d'autoriser la présence d'enquêteurs étrangers aux actes d'entraide et la consultation du dossier. Toutefois, cette présence ne peut avoir pour conséquence que des faits ressortissant au domaine secret soient portés à leur connaissance avant que l'autorité compétente ait statué sur l'octroi et l'étendue de l'entraide (al. 3). L'autorisation d'assister aux actes d'entraide et de consulter le dossier est soumise aux restrictions découlant du principe de la spécialité (
art. 67 al. 3 EIMP
). Lorsque l'autorité étrangère est autorisée à consulter un dossier suisse en dehors d'une procédure d'entraide, son attention est attirée sur ces points (
art. 34 al. 2 OEIMP
).
4.2
Comme le relève l'Office fédéral de la justice (OFJ), les dispositions sur le droit d'accès au dossier dans la procédure pénale (
art. 101,
BGE 139 IV 294 S. 299
107 ss CPP
) doivent s'appliquer dans le respect des principes applicables en matière d'entraide judiciaire (cf.
art. 54 CPP
). La jurisprudence a souligné maintes fois ce principe, en insistant sur la nécessité d'éviter tout risque de dévoilement intempestif d'informations en cours de procédure (cf.
ATF 127 II 104
consid. 3d p. 109;
ATF 125 II 238
), au regard notamment des principes de la spécialité et de la proportionnalité. Lorsque la procédure d'entraide et la procédure pénale sont si étroitement liées qu'elles en deviennent indistinctes, les moyens de preuve recueillis dans le cadre de la deuxième pourraient être transmis de manière informelle, par l'un ou l'autre des participants à la procédure pénale, avant toute décision sur la clôture de la procédure d'entraide. L'autorité d'instruction qui conduit les deux procédures de front doit prendre en compte les intérêts de l'une comme de l'autre. Elle doit ménager les droits des parties à la procédure pénale (notamment le droit d'accès au dossier découlant du droit d'être entendu), sans compromettre une correcte exécution de la demande d'entraide judiciaire.
La jurisprudence du Tribunal fédéral considère que le droit de consulter le dossier, en particulier lorsque la partie plaignante est un Etat, peut être limité ou suspendu dans toute la mesure nécessaire pour préserver l'objet de la procédure d'entraide. L'autorité d'instruction peut, lorsque cela est possible, examiner chaque pièce du dossier pour déterminer si sa consultation est admissible. Elle peut également suspendre le droit de consulter le dossier jusqu'au prononcé d'une ordonnance de clôture ou en permettre l'accès au fur et à mesure qu'elle rend des ordonnances de clôture partielle. La jurisprudence envisage aussi la possibilité - utilisée par le TPF en d'autres occasions - d'obtenir un engagement formel de l'Etat étranger de ne pas utiliser dans sa propre procédure les renseignements obtenus dans le cadre de la consultation du dossier pénal (
ATF 127 II 198
consid. 4c p. 207).
4.3
En l'occurrence, il n'est pas contesté que les procédures ouvertes en Russie (pour les infractions préalables) et en Suisse pour blanchiment d'argent présentent une étroite connexité, dès lors notamment que les faits poursuivis (des détournements au préjudice de la banque) et les parties sont les mêmes. Il est également établi que la banque plaignante est très étroitement liée à l'Etat russe: elle a été longtemps contrôlée par la ville de Moscou avant d'être acquise par une banque russe détenue à 75 % par l'Etat, lequel a dû engager 10 milliards d'euros en 2011 à l'occasion d'un plan de sauvetage. La Cour des plaintes lui a ainsi reconnu un caractère "quasi-étatique" qui n'est
BGE 139 IV 294 S. 300
pas contesté à ce stade. Pour autant, l'instance précédente relève avec raison que la banque ne saurait être assimilée à l'Etat requérant. Dès lors, l'octroi de garanties qui dans certains cas peut se révéler adéquat - en fonction de la confiance que l'on peut avoir à l'égard des autorités de l'Etat concerné - n'est en l'occurrence pas envisageable puisque que les autorités russes ne seraient pas liées par de telles garanties et seraient a priori libres d'utiliser tous renseignements qui pourraient leur parvenir par une autre voie que l'entraide judiciaire, notamment par l'entremise d'une partie à la procédure pénale (arrêt 1A.63/2004 du 17 mai 2004 consid. 2.2).
4.4
Dès lors, le risque de transmission intempestive de renseignements ne pouvait être prévenu que par une restriction du droit d'accès au dossier. Contrairement à ce que soutient le MPC, la seule application de la loi (accès au dossier pénal limité à la défense des intérêts des parties à la procédure, et application du principe de la spécialité) ne saurait prévenir les risques de fuites de renseignements et d'utilisation incontrôlée de ceux-ci à l'étranger. La suspension pure et simple de la procédure pénale en attente de l'issue de la procédure d'entraide - solution évoquée par le recourant - apparaîtrait par ailleurs manifestement contraire au principe de célérité (
art. 5 CPP
).
La Cour des plaintes a estimé que le droit de consulter le dossier pouvait être limité aux deux avocats de la partie plaignante. Ceux-ci s'étaient engagés par écrit, personnellement, formellement et sans réserve, à ne pas transmettre ni rendre accessible à la plaignante ou à des tiers, quelque document que ce soit issu de la procédure pénale, et ce jusqu'à décision de clôture et d'exécution complète et définitive de la procédure d'entraide. Cet engagement, complété par une commination au sens de l'
art. 73 al. 2 CPP
, permettait de concilier les différents intérêts en présence.
4.5
Cette opinion ne peut être partagée. En dépit des engagements pris par les avocats avec l'accord de leur cliente, ceux-ci demeurent tenus par leur devoir de fidélité qui comprend une obligation d'information, de conseil et de représentation inhérente au mandat d'avocat. Selon l'
art. 398 al. 2 CO
, le mandataire est en effet responsable, envers le mandant, de la bonne et fidèle exécution du mandat (cf. également
art. 12 let. a LLCA
). S'il ne s'oblige pas à un résultat, il doit néanmoins, en vertu de son obligation de diligence, entreprendre tout ce qui est propre à parvenir à ce résultat. La consultation du dossier par les seuls avocats leur permet certes de procéder à l'analyse de la situation. Toutefois, l'avocat s'oblige également à conseiller son
BGE 139 IV 294 S. 301
client, en lui indiquant les diverses options envisageables, les démarches (judiciaires ou non, urgentes ou non) à accomplir et les chances et risques liés à chaque option (BOHNET/MARTENET, Droit de la profession d'avocat, 2009, p. 1086 ss). En l'espèce, dans la mesure où la partie plaignante estime avoir subi divers détournements de fonds, le mandat des avocats dans la procédure pénale s'étend nécessairement à la recherche et à la récupération desdits fonds. En l'occurrence, la localisation des comptes bancaires et de leurs titulaires et ayants droit constitue manifestement un élément de fait central pour la défense de la partie plaignante. On ne voit dès lors pas comment les avocats pourraient défendre efficacement les intérêts de cette dernière sans lui communiquer, d'une manière ou d'une autre, des données que le dossier pénal peut contenir à ce sujet. On ne saurait d'ailleurs écarter le risque que les mandataires commettent involontairement des indiscrétions sur ce point. Or, il s'agit précisément des renseignements que les autorités russes désirent obtenir par voie d'entraide judiciaire. Dans de telles circonstances, la solution adoptée dans la décision attaquée n'apparaît pas adéquate.
4.6
Il y a lieu par conséquent de s'en tenir aux solutions consacrées par la jurisprudence Abacha (
ATF 127 II 198
): le Ministère public pourra dans un premier temps sélectionner les pièces du dossier qui peuvent être révélées à la plaignante sans compromettre le résultat de la procédure d'entraide. Il pourra, le cas échéant, rendre des décisions de clôture partielle et ouvrir l'accès au dossier au fur et à mesure de ces transmissions. | null | nan | fr | 2,013 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
2ef99904-63f5-458a-8101-6d3fa9a9484a | Urteilskopf
108 II 167
35. Arrêt de la IIe Cour civile du 6 mai 1982 dans la cause R. contre R. (recours en réforme) | Regeste
Art. 7h NAG
; Scheidung italienischer Ehegatten. Prüfungsbefugnis des Bundesgerichts im Zusammenhang mit
Art. 7h Abs. 1 NAG
und mit dem ausländischen Recht, auf das diese Bestimmung Bezug nimmt.
1. Das Bundesgericht überprüft die Anwendung ausländischen Rechts nur ausnahmsweise (Art. 43, 55 Abs. 1 lit. c und 65 OG). Um jedoch abzuklären, ob gestützt auf
Art. 7h Abs. 3 NAG
das schweizerische Recht anwendbar ist oder nicht, hat der Richter zu prüfen, inwieweit die Voraussetzungen von Absatz 1 dieser Bestimmung, der auf das ausländische Recht Bezug nimmt, erfüllt sind. Im Rahmen des
Art. 7h NAG
erstreckt sich die Prüfungsbefugnis des Bundesgerichts demnach auch auf das ausländische Recht (E. 1-4; Änderung der Rechtsprechung).
2. Auszüge aus ausländischer Rechtsprechung, die mit der Berufung eingereicht werden, sind somit zuzulassen, da sie Rechtserörterungen, und nicht neue Tatsachenvorbringen, darstellen.
- Vollstreckbarkeitsvoraussetzungen des italienischen Rechts für die Anerkennung eines Scheidungsurteils in Italien (E. 5 und 6). | Sachverhalt
ab Seite 168
BGE 108 II 167 S. 168
A.-
S. et M., tous deux Italiens, se sont mariés en Italie en 1956. Peu après, ils se sont installés en Suisse. De graves tensions au sein du couple ont amené les époux à se séparer en 1965. Après avoir tenté une nouvelle fois de vivre ensemble sans plus de succès, ils se sont séparés à nouveau en avril 1975 et n'ont pas repris la vie commune depuis lors, le mari ayant noué une liaison. Le lien conjugual est définitivement rompu par la faute exclusive du mari. Dame R. a ouvert action en divorce, subsidiairement en séparation de corps le 27 juin 1980. Par jugement du 13 février 1981, le Tribunal civil du district de Lausanne a rejeté l'action en divorce
BGE 108 II 167 S. 169
de la demanderesse et a admis son action en séparation de corps. Il a considéré qu'une cause de divorce selon la législation italienne n'était pas établie, dès lors que la séparation des époux n'avait pas été précédée d'un acte judiciaire homologuant leur accord de vivre séparés.
B.-
Dame R. a recouru contre ce jugement à la Chambre des recours du Tribunal cantonal vaudois. Par arrêt du 25 septembre 1981, cette autorité a rejeté le recours en considérant que la recourante n'a pas rapporté la preuve qu'un jugement de divorce serait reconnu en Italie faute de séparation consensuelle homologuée. Elle a considéré que les preuves invoquées par la recourante sur la reconnaissance en Italie d'un jugement de divorce suisse fondé sur une séparation de fait de plus de cinq ans non précédée d'un acte judiciaire d'homologation n'étaient pas convaincantes. "Seuls les renseignements donnés par l'autorité italienne à la demande de l'autorité judiciaire suisse (selon la procédure prévue par la Convention européenne dans le domaine de l'information sur le droit étranger, du 7 juin 1968 - RS 0.434.2), ajoute la Cour cantonale, auraient été de nature à résoudre le problème de la reconnaissance d'un tel jugement en Italie. Aucune requête n'a toutefois été présentée dans ce sens par la partie invitée à prouver le droit étranger (
art. 6 CPC
)."
C.-
Dame R. a déposé un recours en réforme au Tribunal fédéral en concluant avec suite de frais et dépens:
"I. Le recours est admis.
II. L'arrêt rendu le 25 septembre 1981 par la Chambre des recours du Tribunal cantonal du canton de Vaud est réformé en ce sens que:
a) l'action principale de la demanderesse est admise;
b) le divorce des époux S. R. et M. B. est prononcé aux torts exclusifs du défendeur;
c) le dispositif du jugement rendu le 13 février 1981 par le Tribunal civil du district de Lausanne est maintenu pour le surplus."
En annexe à son recours, elle a produit des extraits de la Rivista di diritto internazionale privato e processuale reproduisant divers arrêts de la Cour de cassation italienne.
L'intimé n'a pas procédé.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
a) Dans la mesure où le Tribunal fédéral est saisi d'un recours en réforme, l'
art. 43 OJ
dispose que la violation des seules dispositions de droit fédéral, à l'exclusion de celles du droit
BGE 108 II 167 S. 170
cantonal ou étranger, peut faire l'objet de cette voie de recours. De même, l'art. 55 al. 1 lettre c OJ prévoit qu'il ne peut être présenté d'observations sur la violation du droit cantonal ou étranger. L'
art. 65 OJ
reconnaît toutefois la compétence du Tribunal fédéral pour appliquer le droit cantonal ou étranger lorsque l'autorité cantonale n'a pas tenu compte d'une loi cantonale ou étrangère qui s'applique concurremment avec le droit fédéral.
b) En l'espèce, la recourante reproche à l'autorité cantonale d'avoir fait une fausse application du droit étranger en considérant que la preuve de l'admission de la cause de divorce par le droit italien n'avait pas été rapportée, et en ne tenant pas compte de la jurisprudence étrangère à laquelle elle s'était référée. Elle fait valoir que l'
art. 65 OJ
donne compétence au Tribunal fédéral d'appliquer lui-même le droit étranger dès lors que l'autorité cantonale n'a pas tenu compte de la jurisprudence étrangère invoquée.
Néanmoins, l'
art. 65 OJ
est inapplicable dans le cas particulier. En effet, le Tribunal fédéral ne peut appliquer le droit étranger en vertu de cette disposition que si l'autorité ne l'a pas appliqué du tout (BIRCHMEIER, n. 3 ad
art. 65 OJ
, p. 239;
ATF 93 II 362
/3 consid. 5;
ATF 76 II 11
consid. 3;
73 II 139
/140). Or, en l'espèce, l'autorité cantonale n'a pas méconnu l'applicabilité du droit italien mais l'a effectivement appliqué, d'une façon que la recourante estime cependant erronée.
2.
La recourante fait valoir en outre qu'en appliquant de façon erronée le droit étranger, la Cour cantonale a violé l'
art. 7h al. 1 LRDC
qui ordonne impérativement l'application du droit étranger sur les deux conditions qu'il détermine de l'action en divorce. Le Tribunal fédéral doit, selon elle, contrôler l'application du droit étranger parce que de cette dernière dépend celle du droit suisse, en particulier de l'
art. 7h LRDC
.
Ainsi, pour trancher la question de la saine application de l'
art. 7h al. 1 LRDC
, la Cour de réforme devrait nécessairement se référer à la loi et à la jurisprudence du pays d'origine de la partie demanderesse.
a) Comme le Tribunal fédéral l'a rappelé dans son arrêt reproduit aux
ATF 100 II 264
, consid. 3a, la jurisprudence a varié quant à son pouvoir d'examen à l'égard des décisions cantonales appliquant l'
art. 7h al. 1 LRDC
. Le Tribunal fédéral a d'abord considéré que tant la question de l'admission, par le droit étranger, de la cause de divorce invoquée que celle de la reconnaissance de la juridiction suisse, sont soumises à son contrôle, car elles relèvent
BGE 108 II 167 S. 171
du droit fédéral (
ATF 43 II 283
). Dans un arrêt postérieur (
ATF 58 II 189
), il a jugé que la question de l'existence de la cause de divorce en droit étranger relève en partie du droit étranger, mais qu'elle n'en rentre pas moins dans la compétence du Tribunal fédéral en vertu même de l'
art. 7h LRDC
. Toutefois, par la suite, il a affirmé qu'il n'était pas compétent pour revoir si le motif de divorce invoqué est admis par la loi ou la jurisprudence étrangères, parce que ce point concerne l'application du droit étranger (
ATF 73 II 139
consid. 2;
99 II 3
consid. 1a; SJ 1973 p. 577). Dans d'autres arrêts (
ATF 75 II 99
;
ATF 99 II 8
;
ATF 94 II 74
), il a examiné si le droit étranger reconnaît la juridiction suisse et même, dans le dernier arrêt cité, si la cause de divorce invoquée est admise par la loi étrangère. Au stade actuel de la jurisprudence, le Tribunal fédéral n'a pas déterminé s'il était compétent pour réexaminer la seule question de la reconnaissance de la juridiction suisse par le droit étranger, ou s'il pouvait aussi revoir la question de l'admission par ce droit de la cause de divorce invoquée; il a admis que sa compétence était en tout cas donnée sur la première de ces questions qui implique nécessairement que la Cour de réforme se réfère à la loi et à la jurisprudence étrangères (
ATF 100 II 265
/6). Ce dernier arrêt a été confirmé dans l'
ATF 103 II 10
, motif pris de ce que la question de la reconnaissance de la juridiction suisse, bien que relevant du droit étranger, est imposée par l'
art. 7h LRDC
.
b) On peut cependant s'interroger sur le bien-fondé de la distinction opérée par le Tribunal fédéral qui se considère compétent pour examiner si la législation étrangère reconnaît la juridiction suisse et qui met en doute sa compétence pour revoir si la loi ou la jurisprudence étrangères admettent la cause de divorce invoquée. En réalité, les deux conditions prévues à l'
art. 7h al. 1 LRDC
sont placées sur un pied d'égalité. Elles sont coordonnées entre elles et rien n'indique qu'elles doivent être traitées différemment (cf. STAUFFER, Nachtrag zur Praxis zum NAG, 1977 p. 24). Il n'y a donc pas lieu de reconnaître au Tribunal fédéral un pouvoir de cognition différent selon qu'il envisage l'examen de l'une ou de l'autre condition de l'
art. 7h al. 1 LRDC
.
c) Tout au plus les deux conditions de l'
art. 7h al. 1 LRDC
se présenteraient différemment quant au pouvoir de cognition du Tribunal fédéral, si l'une ou l'autre relevait non pas de l'application du droit étranger, mais de l'application d'un traité passé entre la Suisse et l'Etat étranger en cause. En effet, s'il s'agit
BGE 108 II 167 S. 172
de contrôler l'application d'un traité, le pouvoir d'examen du Tribunal fédéral découle directement de l'
art. 43 al. 1 OJ
.
Certes, dans l'arrêt
ATF 99 II 3
consid. 1b, le Tribunal fédéral s'est fondé sur la Convention entre la Suisse et l'Italie sur la reconnaissance et l'exécution des décisions judiciaires du 3 janvier 1933 pour admettre que l'Italie reconnaît la compétence des tribunaux suisses. Mais dans la plupart des arrêts où le Tribunal fédéral a admis sa compétence pour examiner si le droit étranger reconnaît la juridiction suisse, il n'a pas déduit son pouvoir de cognition de l'existence de traités. Au contraire, dans trois arrêts (
ATF 75 II 99
,
ATF 79 II 8
,
ATF 94 II 74
), où il s'agissait de l'application du droit français, le Tribunal fédéral a constaté que la Convention franco-suisse de 1869 est inapplicable en matière d'actions en divorce. C'est donc bien au droit français interne qu'il s'est référé pour conclure que ce droit reconnaît la juridiction suisse à certaines conditions.
De même, dans un arrêt récent (
ATF 103 II 10
), la question de la reconnaissance des jugements suisses par la Hollande ne pouvait être tranchée par l'examen d'un traité et c'est à la jurisprudence hollandaise que le Tribunal fédéral s'est expressément référé.
Le Tribunal fédéral ne s'est donc pas fondé sur l'existence d'un traité pour affirmer sa compétence, au regard de l'
art. 43 OJ
, pour examiner si la juridiction suisse est reconnue par le droit étranger.
De même, la question de l'admission de la cause de divorce par la loi d'origine du demandeur peut être déterminée par un traité et tomber dans la cognition du Tribunal fédéral en vertu de l'
art. 43 al. 1 OJ
. Ainsi, dans un arrêt (
ATF 33 II 483
) faisant application de la Convention de La Haye du 12 juin 1902 pour régler les conflits de lois et de juridiction en matière de divorce et de séparation de corps, en vigueur pour la Suisse du 15 septembre 1905 au 1er juin 1929, le Tribunal fédéral a examiné la cause de divorce invoquée, parce qu'elle était déterminée non pas par le droit étranger, mais par le droit conventionnel. Toutefois, dans l'arrêt
ATF 94 II 74
, il n'a pu se référer à un traité déterminant la cause de divorce à retenir; il a appliqué en cette espèce le droit français interne pour rechercher si une cause de divorce était établie. De même a-t-il constaté l'existence d'une cause de divorce en droit interne hollandais (tout en relevant que la question n'était pas litigieuse) dans l'arrêt reproduit aux
ATF 103 II 15
consid. 5.
Ce n'est donc pas sur un traité qu'il s'est fondé pour admettre
BGE 108 II 167 S. 173
sa compétence au sens de l'
art. 43 al. 1 OJ
, dans les cas où il a contrôlé l'existence d'une cause de divorce.
Ainsi, ce n'est pas non plus l'existence ou l'inexistence d'un traité qui a pu entraîner pour le Tribunal fédéral un pouvoir d'examen plus ou moins étendu selon qu'il s'agissait de contrôler si la juridiction suisse est reconnue à l'étranger, ou si le droit étranger admet la cause de divorce invoquée.
Il convient dès lors de reconsidérer la question du pouvoir d'examen du Tribunal fédéral et de se demander s'il est ou non compétent pour examiner l'application faite par l'autorité cantonale du droit étranger auquel les deux conditions de l'
art. 7h al. 1 LRDC
font référence.
3.
Les auteurs estiment, en général (à l'exception de BÜHLER-SPÜHLER, no 49 Einleitung), que le Tribunal fédéral devrait, en droit désirable, revoir l'application du droit étranger notamment dans le cadre de l'
art. 7h al. 1 LRDC
, et cela non seulement pour déterminer si le droit du pays d'origine du demandeur reconnaît la juridiction suisse, mais encore s'il admet le motif de divorce invoqué (BECK, Kommentar zum schweiz. ZGB, Schlusstitel, § 2, n. 10 ad
art. 7h LRDC
; STAUFFER, Praxis zum NAG, p. 491 n. 28 ad
art. 7h LRDC
; GENTINETTA, Das schweiz. BG über die Überprüfung der Anwendung ausländischen Rechts, p. 51-53; BROGGINI, La codification du droit international privé en Suisse, RDS 1971 II 312; VOUILLOZ, Le rôle du juge à l'égard du droit étranger, p. 51 à 53). SCHNITZER (Handbuch I p. 194 et FJS 932 p. 3) est d'avis que l'application du droit étranger résulte nécessairement de l'
art. 7h al. 1 LRDC
; il se borne à cette affirmation sans démontrer en quoi consiste cette nécessité. STAUFFER (Nachtrag zur Praxis zum NAG, n. 28 ad
art. 7h LRDC
) est favorable à un retour à la jurisprudence de l'arrêt 43 II 283.
La critique la plus élaborée de la jurisprudence refusant le pouvoir d'examen du Tribunal fédéral sur le droit étranger dans le cadre de l'
art. 7h LRDC
a été émise par VISCHER (SJZ 1955 p. 35). Selon cet auteur, la compétence du juge suisse et l'applicabilité du droit suisse sont conditionnées par l'exacte application du droit étranger et cela dans l'intérêt de la reconnaissance du divorce sur le plan international, de sorte que le pouvoir d'examen découle du sens de la règle de conflit.
4.
L'
art. 7h LRDC
permet à un époux étranger, domicilié en suisse, d'intenter une action en divorce devant le juge de son domicile et d'éviter ainsi qu'il lui soit nécessaire de retourner dans
BGE 108 II 167 S. 174
son pays d'origine, avec lequel il aura peut-être perdu toute attache, aux seules fins d'intenter cette action.
Dans le domaine particulier du divorce, la reconnaissance par le droit étranger du jugement prononcé en Suisse constitue la condition nécessaire à l'établissement d'un état civil stable et incontesté. C'est essentiellement dans ce but que le législateur a posé à l'
art. 7h al. 1 LRDC
deux conditions renvoyant expressément à l'examen du droit étranger.
Toutefois, si l'on analyse l'
art. 7h LRDC
dans son entier, on constate qu'il comporte bien une règle de conflit, mais que cette règle se trouve à l'alinéa 3 et qu'elle désigne comme applicable le droit suisse. En vertu de l'
art. 43 al. 1 OJ
, le Tribunal fédéral est compétent pour examiner si le droit suisse est applicable et s'il a été correctement appliqué. Comme la règle de conflit exprimée à l'
art. 7h al. 3 LRDC
impose l'application du droit suisse, le Tribunal fédéral peut et doit, au regard de l'
art. 43 al. 1 OJ
, contrôler aussi bien l'application de la règle de conflit que l'application du droit matériel auquel elle renvoie.
La règle de conflit posée par l'
art. 7h al. 3 LRDC
est cependant très particulière en ce sens qu'elle ne s'applique que lorsque les conditions posées par l'
art. 7h al. 1 LRDC
sont remplies. Pour contrôler si la règle de conflit est applicable et si par conséquent le droit suisse est applicable, le juge est donc tenu d'examiner préalablement si les conditions modalisant la règle de conflit sont réunies. Cet examen ne peut se faire, vu les termes de l'
art. 7h al. 1 LRDC
, que par référence au droit étranger. C'est en cela que réside la nécessité invoquée par SCHNITZER (Handbuch I p. 194 et FJS 932 p. 3) et par les
ATF 100 II 266
en haut et
ATF 103 II 10
in fine. Elle découle du fait que le juge ne peut déclarer le droit suisse applicable ou inapplicable, dans le cadre de l'
art. 7h al. 3 LRDC
qu'après avoir contrôlé si les conditions préalables édictées par l'art. 7h al. 1 sont réunies. En ce qui concerne le Tribunal fédéral, dans le cadre de l'
art. 43 al. 1 OJ
, il ne peut de même contrôler une violation éventuelle du droit fédéral, tant dans son applicabilité que dans son application, qu'en contrôlant aussi les conditions préalables posées par l'
art. 7h al. 1 LRDC
.
Il suit de là qu'en raison de la structure très particulière de la règle de conflit posée par l'
art. 7h LRDC
, le Tribunal fédéral doit aussi contrôler l'application du droit étranger dans la mesure où il est une condition préalable à l'applicabilité du droit suisse. Le recours est en conséquence recevable, alors même qu'il se borne
BGE 108 II 167 S. 175
à critiquer l'application du droit italien faite par l'autorité cantonale.
5.
En l'espèce, il s'agit donc de déterminer si le droit italien admet la cause de divorce invoquée. Les extraits de jurisprudence produits avec le recours sont recevables, car ils constituent un exposé de droit et non des faits nouveaux (
ATF 103 II 299
).
Il ressort de la jurisprudence de la Cour de cassation italienne qu'un jugement de divorce concernant des Italiens prononcé hors de ce pays est déclaré exécutoire en Italie au terme de la procédure d'exequatur (delibazione) lorsque le juge étranger, alors même qu'il n'applique pas la loi italienne, prononce le divorce pour une cause qui trouve une correspondance substantielle dans le système introduit par la loi no 898 de 1970 sur la dissolution du lien conjugal et la cessation des effets civils du mariage. Tel est le cas lorsque le jugement de divorce découle d'un état de séparation des conjoints qui dure depuis plusieurs années et comporte la dégradation irréversible de l'unité familiale (Cour de cassation - Chambres réunies - du 19 septembre 1978 no 4189, Rivista di diritto internazionale privato e processuale 1980 p. 50, avec références). Il s'agit là d'une jurisprudence ferme et répétée, déclarant que l'exequatur (delibazione) est possible quand le juge étranger, indépendamment d'une identité formelle entre les causes de divorce prévues par les deux législations, a prononcé le divorce pour des raisons substantiellement analogues à celles qui découlent de la loi italienne, même si elles ne sont pas parfaitement identiques. Ainsi en particulier la jurisprudence a reconnu, à de nombreuses reprises, la possibilité de faire exécuter en Italie des sentences étrangères qui ont prononcé le divorce entre des citoyens italiens en considération d'un état de séparation, même si elle a duré un nombre d'années inférieur à celui exigé par la loi italienne, si cette séparation comporte la désagrégation irréversible de l'unité familiale (Cour de cassation du 2 novembre 1978 no 4978, Rivista précitée 1980, p. 63 avec références à trois arrêts antérieurs de 1977 et 1976).
C'est donc à tort que la Chambre des recours vaudoise déclare que la jurisprudence italienne paraît hésitante sur ce point.
En l'espèce, il est constant que les époux sont séparés depuis avril 1975, que tout espoir de reprise de la vie commune est exclu en raison de la liaison durable du mari, de sorte que le lien conjugal est rompu. On peut donc affirmer - au moins dans le sens de la probabilité exigée par l'arrêt reproduit aux
ATF 93 II 364
- que
BGE 108 II 167 S. 176
le jugement de divorce prononcé en Suisse dans de telles circonstances sera déclaré exécutoire en Italie.
6.
Cette condition suffit, alors même que si l'on s'en tenait au sens premier de l'
art. 7h al. 1 LRDC
, la demanderesse n'aurait pas démontré que la cause de divorce qu'elle invoque est reconnue par la législation italienne. En effet, en vertu de l'art. 3 ch. 2 lettre b de la loi italienne sur le divorce, la dissolution des effets civils du mariage peut être demandée dans le cas où la séparation judiciaire des époux a été prononcée par une décision passée en force de chose jugée, ou la séparation par consentement mutuel homologuée, ou même lorsqu'il existe une séparation de fait antérieure d'au moins deux ans à l'entrée en vigueur de ladite loi. Ces conditions ne sont pas réunies dans le cas particulier dès lors que la séparation remontant à 1975 n'a pas été homologuée, et ne découle pas d'une décision passée en force de chose jugée. La séparation, en l'espèce, est toutefois assez longue et s'accompagne d'une dégradation irréversible de l'unité familiale, suffisamment démontrée par la rupture du lien conjugal, pour qu'il soit admis, conformément à la jurisprudence relative à la "delibazione", que le jugement suisse sera reconnu. De surcroît, la ratio legis de l'
art. 7h al. 1 LRDC
, dans la mesure où il exige l'établissement d'une cause de divorce selon le droit national, est de ne pas prononcer un divorce qui ne serait pas reconnu dans le pays d'origine du plaideur. Dès l'instant que cette reconnaissance est démontrée malgré le défaut d'une cause de divorce selon le droit national, la ratio legis est satisfaite.
7.
Les conditions de l'
art. 7h al. 1 LRDC
étant ainsi vérifiées, l'action doit être examinée par application du droit suisse (
art. 7h al. 3 LRDC
). Les faits de la cause démontrent que le divorce peut être prononcé en application de l'
art. 142 CC
. Les effets accessoires sont réglés par la Convention sur intérêts civils du 16 juin 1980 qui ne comporte rien d'illicite et peut donc être homologuée (
art. 158 CC
). Cette convention prévoit que chaque partie garde ses frais et renonce à tous dépens, de sorte que les frais d'arrêt doivent demeurer à la charge de la recourante. | public_law | nan | fr | 1,982 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
2efa796c-b1da-4ad4-b7b0-78fa913403ae | Urteilskopf
120 V 145
20. Auszug aus dem Urteil vom 10. März 1994 i.S. Kantonales Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit gegen G. und Verwaltungsgericht des Kantons Bern | Regeste
Art. 14 Abs. 2 AVIG
.
Weder die Arbeitslosigkeit noch im Zusammenhang mit einem Konkurs der früheren Arbeitgeberfirma erlittene Verluste eines Ehegatten haben für den andern eine Befreiung von der Erfüllung der Beitragszeit "aus ähnlichen Gründen" im Sinne von
Art. 14 Abs. 2 AVIG
zur Folge. | Sachverhalt
ab Seite 145
BGE 120 V 145 S. 145
A.-
Die 1951 geborene G. war seit 1984 als teilzeitbeschäftigte Sekretärin beim Kanton Bern angestellt. Nachdem ihr Ehegatte seine Stelle als Geschäftsleiter der Firma S. AG verloren hatte, versuchte sie zunächst, eine zweite Halbtagesstelle zu finden. Als ihr dies nicht gelang, unterzog sie sich ab 7. Mai 1992 der Stempelkontrolle und beanspruchte Taggelder der Arbeitslosenversicherung. Mit Verfügung vom 24. Juli 1992 lehnte das Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit des Kantons Bern (KIGA) ihr Begehren indessen mit der Begründung ab, sie habe die Mindestbeitragszeit für ein 50% übersteigendes Arbeitspensum nicht erfüllt und auch die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Erfüllung der Beitragszeit seien nicht gegeben.
BGE 120 V 145 S. 146
B.-
In Gutheissung der hiegegen erhobenen Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern die Sache mit Entscheid vom 23. April 1993 an das KIGA zurück, damit es nach Prüfung der weiteren Anspruchsvoraussetzungen über das Leistungsbegehren neu verfüge.
C.-
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt das KIGA die Aufhebung des kantonalen Entscheids.
G. schliesst sinngemäss auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit (BIGA) dem Beschwerdeantrag beipflichtet.
Auf die einzelnen Vorbringen in den Rechtsschriften wird, soweit erforderlich, in den Erwägungen eingegangen.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
Eine der gesetzlichen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung besteht darin, dass der Versicherte die Beitragszeit erfüllt hat oder von der Erfüllung der Beitragszeit befreit ist (Art. 8 Abs. 1 lit. e in Verbindung mit
Art. 13 und 14 AVIG
).
a) Unbestrittenermassen hat die Versicherte innerhalb der zweijährigen Rahmenfrist für die Beitragszeit (
Art. 9 Abs. 1 und 3 AVIG
) neben ihrer Halbtagesstelle als Verwaltungsbeamtin des Kantons Bern keine weitere beitragspflichtige Beschäftigung ausgeübt, weshalb für die von ihr gesuchte zweite Halbtagesstelle die Beitragszeit nicht erfüllt ist (
Art. 13 Abs. 1 AVIG
); auch liegen keine Gründe vor, welche eine Anrechnung gewisser Zeitabschnitte trotz fehlenden Arbeitsverhältnisses zuliessen (
Art. 13 Abs. 2 AVIG
).
b) Fragen kann sich damit lediglich, ob die Leistungsansprecherin im Sinne von
Art. 14 AVIG
als von der Erfüllung der Beitragszeit befreit gelten kann.
Ausser Betracht fallen dabei offensichtlich die in Abs. 1 dieser Bestimmung aufgeführten Befreiungsgründe. Zu prüfen bleibt somit einzig noch eine Befreiung aufgrund von
Art. 14 Abs. 2 AVIG
. Danach sind von der Erfüllung der Beitragszeit Personen befreit, die wegen Trennung oder Scheidung ihrer Ehe, wegen Invalidität oder Todes des Ehegatten oder aus ähnlichen Gründen oder wegen Wegfalls einer Invalidenrente gezwungen sind, eine unselbständige Erwerbstätigkeit aufzunehmen oder zu erweitern. Im vorliegenden Fall stellt sich nur die Frage, ob die Beschwerdegegnerin aus den in dieser Norm erwähnten "ähnlichen Gründen" einen Befreiungstatbestand verwirklicht, sind
BGE 120 V 145 S. 147
doch die übrigen darin aufgeführten Befreiungsgründe zweifellos nicht erfüllt. Bezüglich der dem unbestimmten Rechtsbegriff "aus ähnlichen Gründen" nach Lehre und Rechtsprechung zukommenden Bedeutung kann dabei auf die zutreffenden Ausführungen im kantonalen Entscheid verwiesen werden (vgl. auch
BGE 119 V 54
Erw. 3a mit Hinweis).
2.
a) Zur Begründung ihres Standpunktes macht die Beschwerdegegnerin geltend, ihr Ehemann sei seit Juli 1991 arbeitslos; zudem habe er ausstehende Lohnforderungen gegenüber seiner früheren Arbeitgeberfirma für die Monate Januar bis Juli 1991 im Konkurs eingeben müssen, das in diese Unternehmung investierte Aktienkapital verloren und schliesslich noch eine Bürgschaftsverpflichtung einlösen müssen; aufgrund der dadurch veränderten finanziellen Situation der ehelichen Gemeinschaft sei sie gezwungen, ihre eigene Erwerbstätigkeit auszuweiten, was einen "ähnlichen Grund" im Sinne von
Art. 14 Abs. 2 AVIG
darstelle und deshalb eine Befreiung von der Erfüllung der Beitragszeit bewirke.
b) Das kantonale Gericht ging ebenfalls davon aus, dass die veränderten wirtschaftlichen Verhältnisse infolge des Stellenverlusts des Ehemannes der Beschwerdegegnerin und der weiteren damit verbundenen finanziellen Nachteile eine Erweiterung der erwerblichen Tätigkeit der Versicherten selbst aufdrängten; auch sei sie aufgrund des neuen Eherechts verpflichtet gewesen, ihre ausserhäusliche Arbeit auszudehnen. Damit lag auch nach der vorinstanzlichen Auffassung hinreichende Veranlassung für eine Befreiung von der Erfüllung der Beitragszeit "aus ähnlichen Gründen" im Sinne von
Art. 14 Abs. 2 AVIG
vor.
3.
a) Das KIGA pflichtet dem kantonalen Gericht insoweit bei, als die Beschwerdegegnerin unter den gegebenen Umständen aufgrund des neuen Eherechts gehalten war und auch gerichtlich hätte verpflichtet werden können, den Umfang ihrer Erwerbstätigkeit zu erhöhen. Es setzt sich jedoch gegen die vorinstanzliche Folgerung zur Wehr, wonach dies für eine Befreiung von der Erfüllung der Beitragszeit "aus ähnlichen Gründen" nach
Art. 14 Abs. 2 AVIG
bereits genüge.
Sicherlich gerechtfertigt erscheint die Forderung des KIGA, dass die unter den Begriff "ähnliche Gründe" in
Art. 14 Abs. 2 AVIG
fallenden Umstände den in derselben Bestimmung ausdrücklich erwähnten Ereignissen "Trennung oder Scheidung der Ehe" und "Invalidität oder Tod des Ehegatten" in Auswirkung und Tragweite zu entsprechen haben. Wenn das beschwerdeführende Amt daraus
BGE 120 V 145 S. 148
schliesst, dass es sich um Vorkommnisse handeln müsse, welche dazu führen, dass der Ehepartner, der bisher allein oder überwiegend für den ehelichen Unterhalt aufgekommen ist, dazu endgültig nicht mehr in der Lage oder bereit ist und sich der andere Ehegatte deshalb gezwungen sieht, diese Rolle durch Aufnahme einer eigenen oder Steigerung seiner bisherigen Erwerbstätigkeit zu übernehmen, lässt sich dies nicht beanstanden. Tatsächlich muss für die Annahme eines "ähnlichen Grundes" im Sinne von
Art. 14 Abs. 2 AVIG
verlangt werden, dass der Ehegatte des Leistungsansprechers voraussichtlich dauernd oder zumindest längerfristig nicht mehr bereit oder fähig sein wird, wie bisher für die ehelichen Bedürfnisse zu sorgen.
b) Solche Verhältnisse liegen im vorliegenden Fall nicht vor. Der Ehemann der Beschwerdegegnerin ist zwar seit längerer Zeit arbeitslos und hat offenbar auch erhebliche Schwierigkeiten auf der Suche nach einer geeigneten neuen Stelle. Zur zumindest teilweisen Deckung des dadurch bedingten Lohnausfalles stehen ihm jedoch bereits Ansprüche auf Arbeitslosenentschädigung zu, womit der finanzielle Engpass einigermassen überwunden werden kann. Insbesondere lässt sich aber - wie das KIGA zu Recht einwendet - nicht sagen, dass er dauernd oder zumindest für voraussichtlich sehr lange Zeit objektiv gar nicht in der Lage wäre, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen und damit seinen Beitrag an die ehelichen Lebenshaltungskosten zu leisten, wie dies bei den übrigen in
Art. 14 Abs. 2 AVIG
aufgelisteten Beispielen der Fall ist. Daraus ergibt sich aber, dass der Eintritt der Arbeitslosigkeit eines Ehegatten den in
Art. 14 Abs. 2 AVIG
ausdrücklich genannten Beispielen nicht gleichgesetzt werden kann und demnach nicht unter den in dieser Bestimmung enthaltenen Begriff der "ähnlichen Gründe" fällt. Wie das KIGA zutreffend ausführt, lässt sich gegen diese Betrachtungsweise auch nicht
BGE 119 V 54
Erw. 3a anführen, wo das Eidg. Versicherungsgericht für die Ehefrau eines in Konkurs geratenen Unternehmers einen "ähnlichen Grund" im Sinne von
Art. 14 Abs. 2 AVIG
angenommen hat. Anders als im vorliegenden Fall erhielt der betroffene Ehegatte dort nämlich keinen Ausgleich in Form von Arbeitslosenentschädigungen. An diesem Ergebnis ändert ferner auch nichts, dass die durch den Konkurs der früheren Arbeitgeberfirma des Ehemannes der Beschwerdegegnerin zusätzlich ausgelösten Verluste allenfalls trotz der Leistungen der Arbeitslosenversicherung eine Weiterführung der bisherigen Lebenshaltung nicht mehr zulassen. Wie in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde und auch in der Vernehmlassung des BIGA richtig festgehalten wird, hat die Arbeitslosenversicherung weder für solche auf die frühere
BGE 120 V 145 S. 149
Risikobereitschaft des Ehepaares zurückzuführende noch für anderweitige, nicht direkt durch das versicherte Risiko der Arbeitslosigkeit ausgelöste finanzielle Schwierigkeiten einzustehen. Insbesondere ist festzuhalten, dass es natürlich nicht angeht, einen Teil des beim Aufbau eines Betriebes in Kauf genommenen Risikos auf die Arbeitslosenversicherung abzuwälzen und diese Institution damit zweckfremden Bedürfnissen nutzbar zu machen. Gerade dies würde indirekt aber erreicht, wollte man einem Leistungsansprecher eine Befreiung von der Erfüllung der Beitragszeit zubilligen, wenn sein arbeitslos gewordener Ehegatte infolge von früheren Investitionen in die in Konkurs geratene Arbeitgeberfirma zu Verlust gekommen ist.
Dispositiv
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 23. April 1993 aufgehoben. | null | nan | de | 1,994 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
2f0dd35a-e02b-4aaa-8146-c4284142e5f6 | Urteilskopf
106 Ib 371
56. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit public du 25 avril 1980 dans la cause Soares Neto contre Ministère public de la Confédération et Département fédéral de justice et police (opposition en matière d'extradition) | Regeste
Zulässigkeit der Einsprache gegen die Auslieferung (
Art. 23 Abs. 1 AuslG
).
Kann in Anbetracht des unverzichtbaren und unverjährbaren Charakters der persönlichen Freiheit (E. 1b) oder wegen Willensmängeln (E. 1c) auf eine Einsprache gegen eine Auslieferung eingetreten werden, selbst wenn der Einsprecher anfänglich darauf verzichtet hat, Einwendungen gegen die Auslieferung zu erheben und Verwaltungsbeschwerde zu führen (Fragen offen gelassen)? | Sachverhalt
ab Seite 371
BGE 106 Ib 371 S. 371
Arrêté le 23 octobre 1979 à Genève après s'être évadé des prisons de son pays d'origine, où il était détenu en raison d'une condamnation pénale, le ressortissant portugais Aderito Soares Neto a fait l'objet d'une demande d'extradition présentée par le Portugal. Le 30 janvier 1980, l'office fédéral de la police (ci-après: OFP) ordonna l'extradition de l'intéressé à l'Etat requérant; préalablement entendu en cours de procédure,
BGE 106 Ib 371 S. 372
Aderito Soares Neto avait déclaré consentir à cette mesure. Le 11 février 1980, l'extradé a signé une formule aux termes de laquelle il renonçait à recourir contre la décision de l'OFP, qui lui avait été notifiée le même jour; le texte de cette déclaration avait été préparé par l'OFP, qui procède de la sorte dans tous les cas où l'extradition n'est pas contestée.
Par mémoire mis à la poste le 22 février 1980, Aderito Soares Neto a recouru auprès du Département fédéral de justice et police (ci-après: DFJP) contre la décision de l'OPF; il soulevait diverses objections et concluait à ce que la cause fût renvoyée à l'autorité inférieure pour rejet de la demande d'extradition. Se référant à la jurisprudence publiée aux
ATF 101 Ia 533
, le DFJP a transmis le recours au Tribunal fédéral pour qu'il fût traité comme une opposition. Celle-ci a été rejetée dans la mesure où elle était recevable, l'extradition étant en conséquence autorisée.
Erwägungen
Extrait des considérants:
1.
a) Selon l'
art. 21 al. 2 LExtr
, l'individu arrêté est invité à déclarer, lors de l'interrogatoire qui suit son arrestation, s'il consent à être livré sans autre retard ou si, au contraire, il s'oppose à l'extradition et pour quels motifs. Il résulte de l'
art. 22 LExtr
que si l'intéressé a déclaré consentir à être livré sans retard et qu'aucun empêchement légal ne s'oppose à son extradition, ou s'il n'a soulevé que des objections qui ne se fondent pas sur la loi d'extradition, un traité ou une déclaration de réciprocité, le Conseil fédéral accorde l'extradition. Au contraire si une telle objection est soulevée, le dossier est transmis au Tribunal fédéral pour décision (
art. 23 al. 1 LExtr
); l'individu arrêté aux fins d'extradition peut faire valoir de tels moyens pendant toute la procédure administrative, soit jusqu'à la clôture de celle qui peut avoir été ouverte ensuite d'un éventuel recours administratif formé auprès du DFJP puis, le cas échéant, auprès du Conseil fédéral lui-même (
ATF 105 Ib 296
;
ATF 101 Ia 535
, consid. 1).
En l'espèce, le comportement d'Aderito Soares Neto semble exclure à un double titre la recevabilité de l'opposition à l'extradition. En premier lieu, l'intéressé a expressément déclaré consentir à être livré au Portugal; de surcroît, même si l'on admettait que cette déclaration ne l'empêchait pas de présenter
BGE 106 Ib 371 S. 373
une objection ultérieure, il conviendrait de tenir compte de ce que l'intéressé, en renonçant à recourir, a apparemment mis un terme à la procédure administrative.
b) On peut toutefois se demander si le but même de l'opposition à l'extradition ne rend pas recevables les objections de celui qui a préalablement acquiescé à son extradition. En effet, la personne qui s'oppose à une telle mesure cherche à échapper à une détention à l'étranger, que ce soit à titre d'exécution de peine ou de détention préventive; elle s'efforce par conséquent de défendre sa liberté individuelle. Or, celle-ci figure au nombre des droits constitutionnels inaliénables et imprescriptibles et il a été admis qu'on ne pouvait valablement renoncer au recours de droit public fondé sur la protection d'un tel droit même après la décision (ATF 20, p. 730, à propos de la liberté d'établissement; cf. LEUENBERGER, Die unverzichtbaren und unverjährbaren Grundrechte in der Rechtsprechung des Schweizerischen Bundesgerichtes, thèse Berne 1976, p. 21 et 124). Au surplus, il a été soutenu en doctrine qu'il était illogique de ne pas appliquer ce même principe à d'autres voies de droit ayant pour effet de protéger les mêmes libertés fondamentales (LEUENBERGER, op.cit., p. 23-24); en contrepartie, ce même auteur propose toutefois d'atténuer les effets de l'inaliénabilité des droits en cause, même dans le cadre du recours de droit public, en suggérant qu'il soit procédé chaque fois à une pesée des intérêts en présence pour décider s'il faut prendre en considération ou non une renonciation à recours intervenue après la décision attaquable, comme cela est le cas dans les relations de droit privé, conformément à l'
art. 27 CC
(LEUENBERGER, op.cit., p. 54, 117, 121, 127). Si cette thèse était appliquée en l'espèce, il se pourrait que, sur le vu de l'ensemble des circonstances du cas, l'acquiescement d'Aderito Soares Neto à la demande d'extradition ne puisse être considérée comme une renonciation valable à soulever une objection quelconque contre l'extradition jusqu'à la fin de la procédure; pour les mêmes motifs, on pourrait soutenir que l'intéressé n'a pas définitivement renoncé de façon valable à son droit de recours en signant une déclaration selon laquelle il ne recourrait pas contre son extradition.
c) Il faut cependant admettre que d'autres arguments plaident contre un tel point de vue. Le droit de la personne arrêtée de faire valoir des objections est un droit public subjectif, lequel n'est en principe pas susceptible de renonciation, à
BGE 106 Ib 371 S. 374
moins - notamment - que la loi ne prévoie expressément une telle possibilité (
ATF 92 I 243
,
ATF 91 I 235
,
ATF 49 I 180
/181). Or, à ses art. 21 al. 2 et 22, la loi fédérale du 22 janvier 1892 sur l'extradition aux Etats étrangers prévoit précisément que l'intéressé peut consentir à son extradition, ce qui implique une renonciation à soulever des objections. On pourrait dès lors conclure à l'irrecevabilité de la présente opposition, compte tenu de ce qu'Aderito Soares Neto a précisément déclaré ne pas s'opposer à son extradition, sans qu'il y ait lieu d'examiner encore la portée de la déclaration par laquelle l'intéressé a renoncé à recourir contre la décision rendue le 31 janvier 1980 par l'OFP.
Force est néanmoins de considérer que cette façon de voir ne conduirait pas nécessairement à constater l'irrecevabilité de l'opposition. En effet, la renonciation à un droit subjectif peut être invalidée en raison de vices de la volonté. Or, il n'est pas exclu que, lorsqu'il a déclaré consentir à son extradition, Aderito Soares Neto était particulièrement vulnérable, vu son jeune âge - 22 ans - sa nationalité étrangère et sa méconnaissance vraisemblable de la législation suisse; à cela s'ajoute le fait qu'il n'était pas assisté d'un avocat; enfin, on peut également sérieusement se demander s'il avait une connaissance suffisante de la langue française. On doit cependant relever que l'intéressé ne se prévaut nullement de tels moyens.
d) Ces diverses questions relatives à la recevabilité de l'opposition peuvent toutefois demeurer irrésolues, les moyens invoqués par Aderito Soares Neto étant de toute façon mal fondés. | public_law | nan | fr | 1,980 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
2f0e8cea-58fd-4fa6-8378-ab6e397903ec | Urteilskopf
126 III 161
28. Estratto della sentenza 23 dicembre 1999 della II Corte civile nella causa A. contro B. (ricorso per riforma) | Regeste
Art. 28 ff. ZGB
, 49 und 60 OR; Verantwortlichkeit einer Druckerei für Persönlichkeitsverletzung in einer von ihr gedruckten Zeitung.
Eine Klage zum Schutz der Persönlichkeit und eine Genugtuungsklage gelten auch dann als gleichzeitig im Sinn von
Art. 28b Abs. 2 ZGB
erhoben, wenn zunächst am Wohnsitz des Klägers Genugtuungsansprüche erhoben werden und erst später - sofern dies nach kantonalem Prozessrecht überhaupt möglich ist - auf Schutz der Persönlichkeit geklagt wird (E. 2).
Bei einer Pressekampagne beginnt die einjährige Verjährungsfrist gemäss
Art. 60 Abs. 1 OR
solange nicht zu laufen, bis das Ende der persönlichkeitsverletzenden Publikationen erkennbar ist (E. 3).
Die Klagen zum Schutz auf Persönlichkeit gemäss
Art. 28a Abs. 1 und 2 ZGB
können gegen Personen erhoben werden, die an der Persönlichkeitsverletzung mitgewirkt haben, ohne dass ein Verschulden vorausgesetzt wäre (E. 5a). Allerdings ist das Vorliegen eines Verschuldens für die Zusprechung von Genugtuung in den Fällen erforderlich, in denen ein Verschulden für die Zusprechung von Schadenersatz verlangt wird (E. 5b/aa; Präzisierung der Rechtsprechung). Konkretisierung der Sorgfalt, die von einer Druckerei zu verlangen ist (E. 5b/bb und cc). | Erwägungen
ab Seite 162
BGE 126 III 161 S. 162
Dai considerandi:
2.
a) La convenuta, con sede a Lugano, eccepisce l'incompetenza territoriale del Pretore di Bellinzona. Essa sostiene che la competenza di tale giudice non può essere fondata né sull'
art. 28b CC
né sulle norme di procedura cantonali concernenti il litisconsorzio.
b) Giusta l'
art. 28b CC
le azioni di protezione della personalità sono proposte al giudice del domicilio dell'attore o del convenuto (cpv. 1); se l'attore pretende simultaneamente, a causa della lesione subita, una riparazione morale, egli può proporre questa azione al suo domicilio (cpv. 2).
In concreto l'attore ha proposto sia un'azione di protezione della personalità, e cioè ha chiesto al giudice di proibire una lesione imminente (
art. 28a cpv. 1 n. 1 CC
), sia un'azione di riparazione del torto morale (
art. 49 CO
). Nella fattispecie è stata prima chiesta la riparazione del torto morale e poi, con la replica, la domanda è stata estesa alla protezione della personalità. Tuttavia tale circostanza non
BGE 126 III 161 S. 163
significa che le due azioni non fossero pendenti simultaneamente ai sensi dell'
art. 28b cpv. 2 CC
, ritenuto che l'azione di riparazione è stata introdotta in un momento in cui una tale domanda era, giusta il diritto processuale cantonale, ancora proponibile. Nella misura in cui la convenuta rimprovera alla Corte cantonale di aver violato i disposti del codice di procedura civile concernenti la mutazione dell'azione, la critica ricorsuale si avvera inammissibile nella giurisdizione per riforma, poiché diretta contro l'applicazione del diritto processuale cantonale (art. 43 cpv. 1 e 55 cpv. 1 lett. c OG). Ne segue che l'attore poteva proporre innanzi al giudice del proprio domicilio la domanda di riparazione morale. Potendosi la competenza territoriale del Pretore di Bellinzona fondare sull'
art. 28b cpv. 2 CC
, è irrilevante sapere se tale competenza fosse pure data giusta le norme del diritto procedurale sul foro di un litisconsorzio. Del resto, una censura in tal senso è già inammissibile nella giurisdizione per riforma per il fatto che essa non concerne una violazione del diritto federale. La critica ricorsuale, nella misura in cui risulta ammissibile, si rivela pertanto infondata.
3.
a) La convenuta contesta poi che sia stata promossa una campagna di stampa nei confronti dell'attore. I giudici cantonali dovevano invece procedere a una valutazione articolo per articolo ed accogliere l'eccezione della prescrizione per gli scritti apparsi prima del 18 marzo 1991.
b) La Corte cantonale ha accertato che dal 16 settembre 1990 al 27 maggio 1993 sono stati pubblicati 35 articoli concernenti l'attore. I giudici cantonali hanno poi reputato che, anche qualora si volesse accogliere l'eccezione dell'intervenuta prescrizione per gli articoli diffusi prima del 18 marzo 1991, nulla cambierebbe per quanto concerne la responsabilità della convenuta, considerato il contenuto lesivo degli scritti apparsi dopo tale data.
c) Giusta l'
art. 60 cpv. 1 CO
l'azione di riparazione si prescrive in un anno decorribile dal giorno in cui il danneggiato conobbe il danno e la persona responsabile, e in ogni caso nel termine di 10 anni dall'atto che ha causato il danno. La conoscenza del danno include pure la cognizione della sua estensione. Il danneggiato dev'essere in grado di valutare, almeno a grandi linee, il danno complessivo: il processo che lo provoca dev'essere concluso (
DTF 112 II 118
consid. 4). Finché l'evento dannoso perdura non può sussistere una conoscenza dell'intero danno e il termine di prescrizione non comincia a decorrere (
DTF 109 II 418
consid. 3 con rinvii). Questi principi generali sono pure applicabili nell'ambito di danni causati da
BGE 126 III 161 S. 164
mass media. Se la lesione della personalità viene cagionata da una serie di pubblicazioni, non è possibile valutare il danno finché la fine di tali pubblicazioni non è ravvisabile.
In concreto, secondo gli accertamenti contenuti nella sentenza impugnata - vincolanti per il Tribunale federale (
art. 63 cpv. 2 OG
) - la serie di articoli riguardanti l'attore è continuata fino alla fine di maggio 1993. Così stando le cose, il 18 marzo 1992 l'attore non poteva ancora prevedere la conclusione dell'evento lesivo, che ormai perdurava da diverso tempo. Ne segue che il 18 marzo 1992, data d'inoltro della petizione, l'attore non aveva conoscenza del danno complessivo, motivo per cui l'azione di riparazione non poteva risultare prescritta per gli articoli apparsi prima del 18 marzo 1991. Del resto, la stessa convenuta riconosce che la lesione causata da una campagna di stampa è più intensa di quella cagionata da un solo articolo.
4.
Nel ricorso per riforma la convenuta riporta 5 citazioni dagli articoli apparsi nel settimanale, ritenendo che sulla base di tali testi non è possibile risp. difficile fondare un'indennità per torto morale. Così facendo essa riconosce il carattere lesivo dei rimanenti scritti menzionati nella sentenza impugnata. Inoltre, con riferimento agli estratti citati nel ricorso, la convenuta non indica, conformemente all'art. 55 cpv. 1 lett. c OG, in che modo la sentenza cantonale violerebbe il diritto federale, motivo per cui la critica ricorsuale non va esaminata oltre. La convenuta sembra poi misconoscere che la Corte cantonale ha ritenuto la campagna di stampa, in quanto tale, lesiva della personalità dell'attore. Per confermare la pertinenza di tale valutazione è sufficiente il rinvio ai titoli - riportati nella sentenza impugnata - in cui si scrive di ruberie in grande stile, di furti commessi dalle casse malati, la cui federazione era presieduta dall'attore, o alla polemica in cui l'attore veniva accusato di fare campagna elettorale a spese degli assicurati o ancora agli stelloncini in cui egli veniva tacciato di truffare la gente. Inconsistente è infine l'asserzione contenuta nel ricorso, secondo cui nel contesto politico un linguaggio forte è consuetudine. Segnatamente con le accuse di un comportamento penalmente rilevante sono stati superati i limiti tollerabili nella discussione politica.
5.
La convenuta ritiene che il principio di una responsabilità a cascata, come quella prevista dal codice penale per la punibilità dei mass media, è pure applicabile nell'ambito della protezione della personalità. Inoltre la severità della giurisprudenza (
DTF 64 II 18
, in cui viene riconosciuta una responsabilità del tipografo) citata dalla Corte cantonale per statuire sulla pretesa per torto morale è unicamente
BGE 126 III 161 S. 165
comprensibile se si tiene conto del contesto storico in cui è stata emanata. La menzionata sentenza è stata peraltro pronunciata prima dell'entrata in vigore del Codice penale e quindi dell'
art. 27 CP
, che prevede una punibilità sussidiaria del tipografo, unicamente nell'eventualità che né l'autore dell'opera né il redattore responsabile possano essere individuati.
a) Alla convenuta è stato ordinato, sulla base dell'
art. 28a cpv. 1 n. 1 CC
, di cessare ogni pubblicazione di fatti non veri riguardanti la persona dell'attore e la sua attività professionale.
aa) Chi è illecitamente leso nella sua personalità, può a sua tutela, chiedere l'intervento del giudice contro chiunque partecipi all'offesa (
art. 28 cpv. 1 CC
). A tal fine, il leso dispone delle azioni previste nell'
art. 28a cpv. 1 e 2 CC
; sono fatte salve le azioni di responsabilità con cui viene chiesto il risarcimento del danno e la riparazione morale (
art. 28a cpv. 3 CC
). Ne segue che con le azioni di protezione della personalità possono essere convenute in giudizio le persone che partecipano all'offesa. In particolare non è necessario il sussistere di una colpa, potendo la sola partecipazione condurre a una lesione della personalità e ciò anche qualora le persone coinvolte non ne siano - o non ne possano essere - a conoscenza. L'
art. 28 cpv. 1 CC
offre pertanto la possibilità, con un cumulo di azioni, di procedere nei confronti dell'autore, del redattore responsabile, dell'editore e eventualmente di qualcun altro che ha partecipato alla diffusione del giornale (
DTF 113 II 213
consid. 2b pag. 216).
bb) In concreto è priva di pertinenza l'argomentazione con cui la convenuta sostiene che la (severa)
DTF 64 II 14
è stata emanata prima dell'entrata in vigore del Codice penale e quindi dell'
art. 27 CP
, che prevede in primo luogo la punibilità dell'autore dell'opera e che permette di punire il tipografo unicamente se né l'autore né il redattore responsabile possono essere individuati. Innanzi tutto con la menzionata sentenza, il Tribunale federale si era pronunciato sulla responsabilità, secondo il diritto civile, per una lesione della personalità. Inoltre, nell' ambito della novella del 1983 concernente la protezione della personalità, il legislatore ha rinunciato esplicitamente a introdurre una speciale disciplina per i mezzi di comunicazione di massa, quale quella prevista nell'ambito penale dall'
art. 27 CP
(Messaggio concernente la revisione del Codice civile svizzero, protezione della personalità,
art. 28 CC
e 49 CO, FF 1982 II 648). Tale dichiarata volontà di permettere al leso di procedere contro ogni partecipante all'offesa, impedisce di primo acchito un'interpretazione degli art. 28 segg. CC nel senso suggerito dalla convenuta.
BGE 126 III 161 S. 166
Nella misura in cui essa asserisce che una parte della dottrina (Franz Riklin, Bemerkungen zur Passivlegitimation bei Persönlichtkeitsverletzungen durch die Presse, in: Die Verantwortlichkeit im Recht, Zurigo 1981, vol. I, pag. 247 segg.) è propensa a limitare la legittimazione passiva alle sole persone che hanno un reale influsso sul contenuto della pubblicazione, la convenuta misconosce che tale contributo dottrinale è anteriore alla novella legislativa del 1983. Del resto, la tesi ricorsuale non trova alcuna conferma nella rimanente letteratura sull'argomento (DENNIS BARRELET, Droit de la communication, Berna 1998, n. 1384; ANDREAS BUCHER, Natürliche Personen und Persönlichkeitsschutz, 3a ed., n. 567; SCHÜRMANN/NOBEL, Medienrecht, Berna 1993, pag. 238 seg.; PEDRAZZINI/OBERHOLZER, Grundriss des Personenrechts, Berna, 1993, pag. 154, n. 6.4.4.3; PIERRE TERCIER, Le nouveau droit de la personnalité, Zurigo 1984, n. 840 segg., FRANZ RIKLIN, Schweizerisches Presserecht, Berna 1996, pag. 224 n. 88).
La convenuta non contesta (a giusta ragione) di aver partecipato all'illecita lesione della personalità dell'attore. Nella misura in cui afferma di non aver avuto la possibilità di controllare il contenuto di quanto stampava, essa accenna una questione concernente la colpa, che, nell'-ambito della regolamentazione della protezione della personalità prevista dal CC, è irrilevante. Riconoscendo la legittimazione passiva della convenuta, la Corte cantonale non ha violato il diritto federale.
b) In applicazione degli
art. 49 e 50 CO
, la ricorrente è inoltre stata condannata in solido con gli altri convenuti a versare all'attore fr. 15'000.- di indennità per torto morale.
aa) Chiunque è tenuto a riparare il danno illecitamente cagionato ad altri sia con intenzione, sia per negligenza od imprudenza (
art. 41 cpv. 1 CO
). Chi è illecitamente leso nella sua personalità può chiedere, quando la gravità dell'offesa lo giustifichi e questa non sia stata riparata in altro modo, il pagamento di una somma a titolo di riparazione morale (
art 49 cpv. 1 CO
). Se il danno è stato cagionato da più persone insieme, tutte sono responsabili in solido verso il danneggiato (
art. 50 cpv. 1 CO
). La responsabilità secondo gli art. 41 risp. 49 CO, presuppone in linea di principio l'esistenza di una colpa delle persone convenute in giudizio; la sola partecipazione (oggettiva) all'offesa non è sufficiente.
È vero che nella
DTF 120 II 97
consid. 2c il Tribunale federale ha affermato che la colpa non è una condizione per accordare un'indennità per torto morale. Tale obiter dictum non può tuttavia, nella
BGE 126 III 161 S. 167
sua lapidarietà, essere confermato e non trova sostegno nelle citazioni riportate nella predetta sentenza. Nel Messaggio del Consiglio federale viene infatti unicamente menzionata la rinuncia al presupposto, spesso criticato, di una colpa particolarmente grave, poiché non è ravvisabile per quale motivo la personalità, in quanto tale, debba essere meno protetta degli interessi patrimoniali (Messaggio concernente la revisione del Codice civile svizzero, protezione della personalità,
art. 28 CC
e 49 CO, FF 1982 II 671). Nella DTF
DTF 117 II 50
consid. 3a è poi stato indicato, riferendosi alla
DTF 112 II 220
consid. 2f, che qualora il risarcimento danni non dipenda dall'esistenza di una colpa, questa non è nemmeno richiesta per riconoscere un'indennità per torto morale. Nella
DTF 112 II 220
consid. 2f è stato spiegato, con riferimento ai materiali legislativi, che l'
art. 49 CO
, nel suo nuovo tenore, non presuppone più l'esistenza di una colpa grave e qualora un risarcimento danni sia dovuto senza una colpa, la stessa non può essere richiesta per assegnare una riparazione morale (cfr. pure
DTF 123 III 204
consid. 2e). Infine BREHM (Commento bernese, all'
art. 49 CO
n. 6) afferma che a causa della rinuncia al requisito di una colpa particolarmente grave, l'autore del danno è pure responsabile per il pregiudizio morale, anche nei casi di leggera negligenza o di responsabilità causale e rinvia a titolo di esempio agli
art. 333 e 679 CC
e 54, 55 e 56 CO. Niente di diverso risulta dai dibattiti parlamentari, estensivamente illustrati da THOMAS SUTTER, dai quali emerge chiaramente che per accordare una riparazione morale sulla base dell'
art. 49 CO
è necessario il sussistere di una colpa, se la condanna a un risarcimento del danno la presuppone (Voraussetzungen der Haftung bei Verletzung der Persönlichkeit nach Artikel 49 des revidierten Obligationenrechts, in: BJM 1991, pag. 1 segg. in particolare pag. 11). Ne segue che dai materiali legislativi non può essere dedotto che con l'introduzione del nuovo
art. 49 CO
il legislatore abbia voluto creare una norma di responsabilità autonoma e indipendente dall'esistenza di una colpa. Poiché in concreto un risarcimento danni sarebbe dipeso dalla dimostrazione di una colpa della convenuta, anche la riparazione morale presuppone l'esistenza di una colpa.
bb) Nella misura in cui la convenuta ritiene in questo ambito la
DTF 64 II 14
particolarmente severa e unicamente comprensibile se collocata nel contesto storico in cui è stata pronunciata, essa ne misconosce il significato. Fino ad allora la giurisprudenza era fluttuante e la colpa del tipografo era occasionalmente supposta, non appena era accertato che egli non aveva rifiutato di stampare un articolo
BGE 126 III 161 S. 168
lesivo della personalità (consid. 2 pag. 18; GUHL, Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahre 1938, in: ZBJV 1939, pag. 595). Con la
DTF 64 II 14
il Tribunale federale ha abbandonato questa severa concezione, chiedendo all'attore di provare anche nei confronti del tipografo l'esistenza di tutti i presupposti dell'azione e segnatamente anche la sussistenza di una colpa. Nella sentenza in discussione il Tribunale federale ha negato la responsabilità della tipografia per i seguenti motivi: da un lato, essa non aveva partecipato in alcun modo alla redazione del testo incriminato e non ne conosceva il contenuto prima della messa in stampa e, dall'altro, perché si trattava di un quotidiano serio, che normalmente non diffondeva testi ingiuriosi. In queste circostanze il semplice fatto che la tipografia abbia stampato l'articolo, senza conoscerne il contenuto, non era sufficiente per imputarle una partecipazione colpevole all'offesa. Per contro, in un'altra sentenza pronunciata il medesimo anno, il Tribunale federale ha riconosciuto la responsabilità del tipografo accanto a quella dell'editore. Dopo l'apparizione del primo articolo, essi non potevano ignorare che il giornale aveva iniziato una campagna che portava a una grave violazione degli interessi del leso e che le fonti del giornale erano tutt'altro che sicure. La loro colpa è stata ritenuta ancora più grave, non trattandosi di un articolo isolato, che avrebbe potuto sfuggire alla loro vigilanza e che il giornale non era per la prima volta coinvolto in una diffamazione (
DTF 64 II 24
).
La summenzionata giurisprudenza merita conferma. Ciò significa innanzi tutto che la diligenza esatta dal tipografo non è la medesima di quella domandata all'autore o al redattore responsabile di una pubblicazione. Se trattasi di un giornale serio, non può essere preteso che egli sottoponga a un controllo preventivo tutti gli articoli che stampa. Unicamente qualora sussistano circostanze particolari che devono destare la sua attenzione, lo stampatore deve procedere a un controllo accurato. Se per contro si tratta di periodici sensazionalistici o di tendenza o ancora se l'incriminata affermazione non costituisce una rara eccezione, ma i redattori del periodico hanno ripetutamente violato le relative norme legali, il tipografo non può semplicemente ignorare tali fatti. In siffatte circostanze può da lui essere esatta una particolare vigilanza. In presenza di una serie di articoli problematici può essere richiesta una diligenza ancora maggiore; è segnatamente pensabile che già il titolo di un articolo debba attirare l'attenzione del tipografo (vedi la compilazione della giurisprudenza di RAINER SCHUMACHER, Die Presseäusserungen als
BGE 126 III 161 S. 169
Verletzung der persönlichen Verhältnisse, Friborgo 1960, pag. 249; cfr. anche BARRELET, op. cit., n. 1388; PEDRAZZINI/OBERHOLZER, loc. cit.; TERCIER, op. cit., n. 1841 seg., 1878, 1904 segg. e 1916).
cc) Il Tribunale di appello ha rigettato le obiezioni sollevate in questo contesto (e in parte riproposte nella sede federale), secondo cui nel 1990/91 il settimanale era nuovo, i giornalisti e gli editori non si erano fino ad allora resi colpevoli di ingiurie o diffamazioni e le moderne tecnologie impediscono qualsiasi controllo da parte della tipografia. I giudici cantonali hanno rilevato che il periodico ha adottato fin dai suoi esordi una linea editoriale aggressiva, se non scandalistica. Già nel novembre 1990 aveva pubblicato una vignetta satirica in cui l'attore era raffigurato da bugiardo con un lungo naso da Pinocchio. In seguito il tono degli articoli si è fatto via via più corrosivo, cosicché al più tardi nel dicembre 1990 i responsabili della tipografia avrebbero dovuto rendersi conto che, perlomeno leggendo il settimanale il giorno dopo la sua pubblicazione, la serie di articoli aveva finito per assumere un carattere diffamatorio o addirittura ingiurioso. La sentenza impugnata rinvia a questo proposito, fra l'altro, alle accuse di reati e di comportamenti scorretti dell'attore risp. delle casse malati negli articoli recanti titoli quali "Una ruberia in grande stile" (edizione del 2 dicembre 1990), "Stop ai furti delle CM" (edizione 9 dicembre 1990), "Casse malati incompetenti e forse ladre" (edizione del 16 dicembre 1990) e "Casse malati: qualcuno ha rubato" (edizione del 23 dicembre 1990). Inoltre, secondo gli accertamenti contenuti nella sentenza impugnata, i responsabili della tipografia erano a conoscenza dei diritti di risposta pubblicati il 30 settembre e il 7 ottobre 1990 su richiesta dell'attore e delle querele penali ampiamente menzionate nell'edizione del 3 febbraio 1991.
Nella misura in cui la convenuta afferma di non essere stata a conoscenza delle querele penali, essa critica inammissibilmente un accertamento di fatto vincolante per il Tribunale federale nella giurisdizione per riforma (art. 55 cpv. 1 lett. c e 63 cpv. 2 OG). Irrilevante è pure l'argomentazione ricorsuale secondo cui la maggior parte degli articoli non è stata oggetto di un procedimento penale; decisiva è piuttosto la circostanza che la convenuta ha avuto conoscenza delle querele penali al più tardi all'inizio del mese di febbraio 1991, motivo per cui avrebbe dovuto aumentare la propria vigilanza.
In concreto, in virtù dei vincolanti accertamenti di fatto della sentenza impugnata, sono dati i presupposti stabiliti dalla giurisprudenza per esigere dal tipografo un dovere di diligenza accresciuto.
BGE 126 III 161 S. 170
Non è nemmeno possibile affermare che la diligenza imposta al tipografo sia eccessiva. Le difficoltà tecniche, inerenti a un controllo prima della tiratura, fatte valere dalla convenuta, che indica non aver dovuto riscrivere i testi, poiché riceveva il giornale già composto su supporti informatici o via modem, sono state considerate dalla Corte cantonale. I giudici cantonali non hanno infatti preteso che la convenuta procedesse, fin dall'inizio, a particolari controlli, ma hanno ritenuto che essa doveva, dopo l'apparizione dei primi articoli diffamatori, essere consapevole di partecipare alla diffusione di dichiarazioni palesemente idonee a ledere la personalità dell'attore. Da quel momento la convenuta avrebbe dovuto intervenire presso la società editrice ed eventualmente concordare con quest'ultima la consegna degli articoli in un lasso di tempo che ne avrebbe permesso il controllo o rifiutarsi di continuare a stampare articoli concernenti l'attore. La convenuta è invece rimasta passiva e ha così accettato che con ogni ulteriore articolo della serie la personalità dell'attore potesse venire nuovamente lesa. Inconsistente risulta quindi anche l'argomentazione ricorsuale secondo cui la convenuta, non conoscendo le fonti di informazione degli articolisti, non poteva accertarne la veridicità. L'opinione dei giudici cantonali secondo cui la convenuta doveva controllare, al più tardi dal dicembre 1990, il contenuto di ciò che stampava e che non avendolo fatto essa ha agito con negligenza appare pertanto corretta. Ne segue che con il riconoscimento della legittimazione passiva per quanto concerne l'azione di riparazione risp. con la condanna della convenuta al pagamento di un'indennità per torto morale, la Corte cantonale non ha violato il diritto federale. | null | nan | it | 1,999 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
2f0eb628-a075-44d4-abe2-004f2c77e955 | Urteilskopf
88 II 142
22. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 15. März 1962 i.S. L. gegen V. | Regeste
Güterrechtliche Auseinandersetzung bei Ehescheidung (
Art. 154 ZGB
).
Unter welchen Voraussetzungen sind bei der Berechnung des Vorschlags die Gewinne auf Liegenschaften und der Mehrwert von Anteilen einer Immobiliengenossenschaft zu berücksichtigen, die der Ehemann in die Ehe eingebracht hat? | Erwägungen
ab Seite 143
BGE 88 II 142 S. 143
3.
.....
d) Hinsichtlich der Frage, wie die Wertvermehrungen auf den vom Kläger in die Ehe eingebrachten Liegenschaften und die Erlöse aus solchen (bzw. deren Gegenwert) bei der güterrechtlichen Auseinandersetzung zu behandeln seien, macht der Kläger geltend, sie seien seinem eingebrachten Gut zuzurechnen. Das Obergericht ist demgegenüber der Ansicht, die auf Liegenschaften erzielten und im Vermögen des Klägers noch vorhandenen Gewinne seien (mit Ausnahme des Verkaufsgewinns aus dem frühern Wohnhaus der Parteien) als Handelsgewinne bei der Ermittlung des Vorschlags in Rechnung zu stellen. Ob der Kläger mit den in die Ehe eingebrachten Liegenschaften tatsächlich gewerbsmässig Handel getrieben habe, wie die Vorinstanz dies annimmt, kann indes dahingestellt bleiben. Als gewiss muss nämlich auf Grund der Akten (u.a. der Berichte des Grundbuchamtes) auf jeden Fall gelten, dass die Tätigkeit, die der Kläger mit Bezug auf seine nicht dem eigenen Gebrauch dienenden Liegenschaften entfaltete, über eine gewöhnliche, der Erhaltung des Vermögens dienende Verwaltung erheblich hinausging. Daher sind die Liegenschaftengewinne bei der Vorschlagsberechnung zu berücksichtigen (vgl.
BGE 50 II 435
,
BGE 75 II 273
ff.). Zwischen Gewinnen, die auf die Tätigkeit des Klägers zurückzuführen sind, und rein konjunkturbedingten Gewinnen ist dabei nicht zu unterscheiden (welche Frage in
BGE 50 II 435
offen gelassen worden war). Was die Vorinstanz in dieser Hinsicht bezüglich der eigentlichen Handelsgewinne ausgeführt hat, gilt im wesentlichen auch für andere Gewinne, die im Zusammenhang mit einer über die gewöhnliche, konservierende Verwaltung hinausgehenden Tätigkeit des Ehemannes eintreten: abgesehen davon, dass die Ausscheidung des Konjunkturgewinns in Fällen wie dem vorliegenden praktisch kaum durchführbar wäre,
BGE 88 II 142 S. 144
ist sie auch sachlich nicht am Platze. Sobald die Tätigkeit des Ehemanns bei nicht selber bewohnten oder bewirtschafteten Liegenschaften den Rahmen der gewöhnlichen Verwaltung überschreitet, indem sie z.B. die Erschliessung, Arrondierung oder Parzellierung umfasst, kann nicht mehr von einer blossen Kapitalanlage des Ehemannes, ihrer Veräusserung und allenfalls ihrem Ersatz durch eine andere die Rede sein, sondern rechtfertigt es sich, die erzielten Wertvermehrungen bzw. Verkaufsgewinne wie das Ergebnis einer andern gewinnstrebigen Tätigkeit des Ehemannes ganz dem ehelichen Vermögen zugute kommen zu lassen.
e) Die im Jahre 1929 gegründete Genossenschaft BSU muss auf Grund der tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz als eine dem Kläger gehörende Einmanngesellschaft gelten. Für die bei ihrem Betrieb entstandenen Gewinne muss daher grundsätzlich das gleiche gelten wie für die Gewinne auf den vom Kläger im eigenen Namen erworbenen Liegenschaften. Die Tätigkeit, die der Kläger als einziges Organ der BSU ausgeübt hat, überschreitet den Rahmen der gewöhnlichen Liegenschaftenverwaltung noch deutlicher als die Tätigkeit, welche die auf seinen eigenen Namen eingetragenen Liegenschaften zum Gegenstand hatte. Das Versehen, das der Vorinstanz in diesem Zusammenhang unterlaufen ist, betrifft einen rechtlich nicht erheblichen Punkt; denn der von der Vorinstanz übersehene Umstand, dass die BSU einen Tennisplatz (oder Tennisplätze) und ein Klubhaus erstellt hat, kann an der erwähnten Qualifikation der Tätigkeit des Klägers selbstverständlich nichts ändern, sondern es liegt darin ein diese Qualifikation bestätigendes Moment. Dem Kläger kann bei dieser Sachlage nicht gestattet werden, seine Genossenschaftsanteile ungeachtet der Wertsteigerung, die durch grosse nicht ausgeschüttete Gewinne und Zunahme des Werts der noch im Besitz der BSU befindlichen (grösstenteils während der Ehe gekauften) Liegenschaften entstanden ist, kurzerhand als Mannesgut zu beanspruchen. Vielmehr ist diese Wertsteigerung bei der Ermittlung des
BGE 88 II 142 S. 145
Vorschags zu berücksichtigen. Eine andere Betrachtungsweise würde, wie die Vorinstanz zutreffend dargelegt hat, der Umgehung von Art. 154 Abs. 2 und 214 Abs. 1 ZGB Tür und Tor öffnen. | public_law | nan | de | 1,962 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
2f0f31b2-70bc-4c0d-8f7c-4ce02da165c3 | Urteilskopf
108 Ib 242
45. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 9. Juni 1982 i.S. Alfag AG gegen Kanton Graubünden und Eidgenössische Schätzungskommission Kreis 12 (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Art. 22 Abs. 2 EntG
.
Bei Teilexpropriation ist der Verlust tatsächlicher Vorteile, welcher das Restgrundstück erleidet, vom Enteigner nur dann zu ersetzen, wenn zwischen der Enteignung und der Beeinträchtigung ein adäquater Kausalzusammenhang besteht. Wird die Sicht von der Nationalstrasse auf das Ausstellungsareal einer Grossgarage durch eine Lärmschutzvorrichtung verdeckt, die so oder ähnlich auch ohne Enteignung hätte erstellt werden können, besteht ein solcher Kausalzusammenhang nicht. | Sachverhalt
ab Seite 242
BGE 108 Ib 242 S. 242
Für den Bau eines Lärmschutzdamms an der Nationalstrasse N 13 benötigt der Kanton Graubünden ungefähr 760 m2 der Parzelle Nr. 6029 in Chur, welche der Alfag AG gehört. Die
BGE 108 Ib 242 S. 243
Parzelle umfasst 10'811 m2 und liegt in der Industriezone. Die Alfag AG betreibt darauf eine Grossgarage. Die Parteien konnten sich über die Höhe der Entschädigung nicht einigen. Die Alfag AG verlangte neben einem höheren als dem vom Kanton offerierten Landpreis auch eine Entschädigung von Fr. 600'000.-- für den Verlust der Werbewirkung, weil der Lärmschutzdamm die Sicht auf ihr Areal und insbesondere die dort ausgestellten Nutzfahrzeuge verdecke. Die Eidgenössische Schätzungskommission Kreis 12 verneinte eine solche Entschädigungspflicht (Entscheid vom 28. Januar 1982). Die Alfag AG ficht diesen Entscheid mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde an. Sie verlangt unter anderem erneut die erwähnte Entschädigung von Fr. 600'000.--. Das Bundesgericht beurteilt diese Frage in einem Teilentscheid vorweg. Es verneint die Entschädigungspflicht ebenfalls und weist die Beschwerde in diesem Punkt ab, aus folgenden
Erwägungen
Erwägungen:
2.
a) Die Beschwerdeführerin verlangt den Betrag von Fr. 600'000.-- als Entschädigung für "entgehenden Reklameneffekt und weitere Inkonvenienzen insbesondere für die Wertverminderung der Restliegenschaft". Sie macht geltend, durch den Lärmschutzdamm werde die Sicht zur N 13 genommen, was für sie einen Geschäftsverlust zur Folge habe. Dabei beklagt sie sich nicht darüber, dass die Aussicht von ihrem Grundstück auf die N 13 wegfalle, und es ist auch nicht ersichtlich, welcher Wert diese Aussicht für ihr in der Industriezone gelegenes Grundstück überhaupt haben könnte. Sie kann sich deshalb in diesem Zusammenhang nicht auf
BGE 100 Ib 190
ff. berufen, wo es um den Verlust der Aussicht vom enteigneten Grundstück aus ging. Die Beschwerdeführerin behauptet ferner mit Grund nicht, der Nachteil sei einzig durch die Abtrennung des enteigneten Teils von der Restparzelle bedingt, etwa als Folge der ungünstigen Form des ihr verbleibenden Teils der Liegenschaft. Vielmehr macht sie geltend, die Sicht von der Nationalstrasse auf ihr Grundstück sei nicht mehr gewährleistet. Die Benützer der N 13 könnten die auf ihrem Areal ausgestellten Fahrzeuge und die dort angebrachten Reklamehinweise nicht mehr sehen.
b) Die Beschwerdeführerin behauptet mit Recht nicht, sie habe einen Rechtsanspruch darauf, dass die Automobilisten, die das betreffende Stück der N 13 befahren, freie Sicht auf ihr Ausstellungsareal
BGE 108 Ib 242 S. 244
hätten. Sie anerkennt selber, dass es sich dabei bloss um einen faktischen Vorteil handelt. Wie das Bundesgericht bereits in dem im angefochtenen Entscheid erwähnten, nicht veröffentlichten Urteil Stock vom 30. Mai 1980 festgehalten hat, ist der Kanton als Werkeigentümer nicht verpflichtet, die freie Sicht von der als Schnellverkehrsstrasse ausgestalteten N 13 auf eine Automobil-Ausstellung eines anliegenden Grundeigentümers zu gewährleisten. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin spielt es keine Rolle, dass in jenem Fall die Garage bereits vor dem Bau der Nationalstrasse bestanden, sie aber ihren Betrieb erst nachträglich und absichtlich längs der Nationalstrasse errichtete. Sie hat jedenfalls keinen Rechtsanspruch auf Bestand des tatsächlichen Vorteils, der ihr aus dieser Lage erwachsen ist. Dass ihr in dieser Hinsicht irgendwelche spezielle Zusicherungen gemacht worden seien, behauptet sie nicht.
c) Gemäss Art. 22 Abs. 2 des Enteignungsgesetzes ist bei einer Teilenteignung auch derjenige Schaden zu berücksichtigen, der aus dem Entzug oder der Beeinträchtigung solcher den Verkehrswert beeinflussender Eigenschaften entsteht, die ohne die Enteignung aller Voraussicht nach dem verbleibenden Teil erhalten geblieben wären. Danach ist unter Umständen auch der Verlust eines faktischen Vorteils zu vergüten (
BGE 98 Ib 207
). Nach ständiger Rechtsprechung setzt aber eine Vergütung im Sinn dieser Bestimmung voraus, dass zwischen dem Nachteil, den der Eigentümer des Restgrundstücks erleidet, und der Enteignung des Grundstückteils ein adäquater Kausalzusammenhang besteht (
BGE 106 Ib 386
E. 3 mit Hinweisen). Ein solcher Kausalzusammenhang besteht im vorliegenden Fall offensichtlich nicht. Der Verlust der Sicht von der N 13 auf das Grundstück der Beschwerdeführerin ist zwar eine direkte Auswirkung des Lärmschutzdamms, d.h. des öffentlichen Werks, für das die Enteignung begehrt wurde; die Einbusse der Sicht ist aber nicht eine adäquate Folge der Enteignung oder der Abtrennung des enteigneten Grundstückteils von der Restparzelle. Eine ähnliche Wirkung wäre auch eingetreten, wenn der Kanton eine Lärmschutzwand aufgestellt hätte, für welche eine Enteignung nicht nötig gewesen wäre, oder wenn für die Errichtung des Damms die Fahrspur verlegt worden wäre. Aus dem von der Beschwerdeführerin angeführten Urteil des Zürcher Verwaltungsgerichts (ZBl 1969, S. 246) lässt sich nichts anderes ableiten. Die Erwägungen jenes Entscheids decken sich mit der erwähnten bundesgerichtlichen Rechtsprechung. | public_law | nan | de | 1,982 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
2f12b044-258a-4250-9ef1-b6207edd7319 | Urteilskopf
94 I 365
51. Urteil vom 2. Oktober 1968 i.S. Dietziker gegen Heinrich Denzler AG und Justizkommission des Kantons Zug. | Regeste
Staatsrechtliche Beschwerde. Zwischenentscheid. Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges.
Der Entscheid, durch den die letzte kantonale Instanz in Rechtsöffnungssachen die provisorische Rechtsöffnung bewilligt oder verweigert, kann mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Verletzung des
Art. 4 BV
angefochten werden, da
- der Entscheid kein Zwischenentscheid, sondern ein Endentscheid im Sinne des
Art. 87 OG
ist (Erw. 3; Änderung der Rechtsprechung);
- weder die dem Schuldner bei Bewilligung der Rechtsöffnung offen stehende Aberkennungsklage (
Art. 83 Abs. 2 SchKG
) noch die vom Gläubiger im Falle der Verweigerung zu erhebende Forderungsklage (
Art. 79 SchKG
) ein "kantonales Rechtsmittel" im Sinne des
Art. 86 Abs. 2 OG
darstellt (Erw. 4).
Provisorische Rechtsöffnung. Willkür.
Unter welchen Voraussetzungen darf in der Betreibung gegen die nicht existierende Firma "X & Co." provisorische Rechtsöffnung gegen X. erteilt werden? (Erw. 6). | Sachverhalt
ab Seite 366
BGE 94 I 365 S. 366
A.-
Die Firma Heinrich Denzler AG leitete anfangs Januar 1968 für den Betrag von Fr. 20, 108.-- nebst Zins Betreibung ein gegen die Firma "A.J. Dietziker & Co." in Baar und verlangte, als Rechtsvorschlag erhoben wurde, am 22. Januar 1968 beim Kantonsgerichtspräsidium Zug gestützt auf eine Vereinbarung vom 8. Februar 1967 provisorische Rechtsöffnung. In der am 29. Januar 1968 eingereichten Antwort auf das Begehren führte A.J. Dietziker aus, die Firma A.J. Dietziker & Co. existiere nicht und sei im Handelsregister nicht eingetragen, weshalb sich die Rechtsöffnung gegen ihn, Albert J. Dietziker in Baar, richte; im übrigen machte er geltend, die Vereinbarung, aus welcher die Gläubigerin ihre Forderung ableite, bilde keinen Rechtsöffnungstitel.
Am 29. Februar 1968 erteilte das Kantonsgerichtspräsidium "im Rechtsöffnungsverfahren Nr. 25 des Klägers Heinrich Denzler AG ... gegen den Beklagten A.J. Dietziker" für den Betrag von Fr. 20'108.-- nebst Zins die provisorische Rechtsöffnung.
Gegen diesen Entscheid erhob A.J. Dietziker Beschwerde bei der Justizkommission des Kantons Zug. Zur Begründung machte er u.a. geltend, die Erteilung der Rechtsöffnung gegen A.J. Dietziker stütze sich weder auf einen Zahlungsbefehl noch auf ein Rechtsöffungsgesuch, da sich beide gegen die Firma A.J. Dietziker & Co. richteten; sie sei daher ungesetzlich.
Die Justizkommission wies die Beschwerde am 1. April 1968 ab, inbezug auf den erwähnten Einwand mit folgender Begründung:
BGE 94 I 365 S. 367
Der Beschwerdeführer habe selber erklärt, dass die Firma "A.J. Dietziker & Co." nicht existiere und sich das Rechtsöffnungsgesuch daher gegen ihn, Albert J. Dietziker richte. Er habe alle in Frage stehenden Vereinbarungen mit der Gläubigerin mit seinem Namen, wenn auch unter der Firma der nicht existierenden "A.J. Dietziker & Co." unterschrieben und sich daher als Einzelperson verpflichtet. Der Zahlungsbefehl gebe zwar die Firma "A.J. Dietziker & Co." als Schuldnerin an, während der Rechtsöffnungsentscheid auf A.J. Dietziker als Schuldner laute. Diese Diskrepanz habe der Beschwerdeführer aber selber zu vertreten, und sie helfe ihm nicht, weil der Rechtsöffnungsentscheid für die Fortsetzung der Betreibung den Zahlungsbefehl ersetze (
BGE 67 III 141
) und somit für die Vollziehbarkeit keine Unsicherheit bestehen könne.
B.-
Mit der staatsrechtlichen Beschwerde stellt Albert J. Dietziker den Antrag, es sei der Entscheid der Justizkommission des Kantons Zug vom 1. April 1968 aufzuheben und das Rechtsöffnungsbegehren der Firma Heinrich Denzler AG abzuweisen; eventuell sei die Sache zur Neubeurteilung an die kantonale Instanz zurückzuweisen. Er macht Verletzung des
Art. 4 BV
geltend und rügt als willkürlich, dass gegenüber der Einzelperson Rechtsöffnung erteilt worden sei, obwohl sich Betreibung und Rechtsöffnungsbegehren gegen die Firma A.J. Dietziker & Co. gerichtet hätten.
C.-
Die Justizkommission des Kantons Zug und die Heinrich Denzler AG beantragen unter Hinweis auf die Erwägungen des angefochtenen Entscheides Abweisung der Beschwerde.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
(Kassatorische Funktion der Beschwerde).
2.
Der Beschwerdeführerbemerkteinleitend, die Beschwerde sei "nach
Art. 87 OG
zulässig", setzt sich aber nicht auseinander mit der derzeitigen Rechtsprechung des Bundesgerichts. Dieses ist zwar während Jahrzehnten eingetreten auf staatsrechtliche Beschwerden wegen Verletzung des
Art. 4 BV
, die sich gegen letztinstanzliche kantonale Entscheide über Bewilligung oder Verweigerung der provisorischen Rechtsöffnung richteten (
BGE 26 I 4
,
BGE 30 I 300
,
BGE 59 I 255
,
BGE 75 I 3
,
BGE 78 I 56
und zahlreiche nicht veröffentlichte Urteile). Im Jahre 1953 hat es seine
BGE 94 I 365 S. 368
Rechtsprechung indes geändert und entschieden, dass es sich beim Entscheid über die provisorische Rechtsöffnung um einen blossen Zwischenentscheid im Sinne des
Art. 87 OG
handle; ferner hat es angenommen, dass die Erteilung der provisorischen Rechtsöffnung für den Schuldner und ihre Verweigerung jedenfalls in der Regel für den Gläubiger keinen nicht wiedergutzumachenden Nachteil zur Folge habe (
BGE 79 I 44
und 153). Angesichts der Kritik, welche die Rechtslehre an dieser Rechtsprechung vor und nach ihrer Bestätigung in
BGE 87 I 366
geübt hat (H. HUBER, SJZ 1954 S. 301 ff. und ZBJV 1955 S. 176/7; H. MARTI, ZSR 1962 II 51/2; BONNARD, ZSR 1962 II 412ff.; FRITZSCHE, Schuldbetreibung und Konkurs 2. Aufl. I S. 136; BRAND, SJK Nr. 1169 S. 1), erscheint eine nochmalige Überprüfung als geboten.
3.
Zunächst fragt sich, ob ein Rechtsöffnungsentscheid (wobei immer nur die provisorische Rechtsöffnung gemeint ist) als End- oder Zwischenentscheid im Sinne des
Art. 87 OG
zu gelten hat.
Kantonale Entscheide im Sinne des
Art. 84 OG
kommen regelmässig in einem bestimmten Verfahren (Prozessverfahren, Steuerveranlagungsverfahren usw.) zustande. Der Entscheid, der das Verfahren abschliesst, ist ein Endentscheid, mag er sich als Sachentscheid erweisen oder das Verfahren aus prozessualen Gründen beendigen (vgl.
BGE 93 I 452
,
BGE 87 I 172
; BIRCHMEIER, Bundesrechtspflege S. 353). Vor dem Endentscheid der letzten kantonalen Instanz sind im Laufe des Verfahrens häufig gewisse Entscheide zu treffen, welche Verfahrensfragen, mitunter auch vorausnehmend eine materielle Frage zum Gegenstand haben (
BGE 69 I 16
mit Hinweisen). Solche im Laufe des Verfahrens zu treffende Entscheide sind (von hier nicht zu erörternden Ausnahmen abgesehen; vgl.
BGE 87 I 177
/8 und dort angeführte frühere Urteile,
BGE 94 I 201
Erw. 1) Zwischenentscheide. Sie können nach
Art. 87 OG
nur dann mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Verletzung des
Art. 4 BV
angefochten werden, wenn sie für den Betroffenen einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil zur Folge haben. Diese Ordnung geht auf die frühere Rechtsprechung des Bundesgerichts zurück, das vor der Revision des OG von 1943 auch ohne dahingehende Vorschrift die staatsrechtliche Beschwerde aus
Art. 4 BV
gegen einen Zwischenentscheid nur zuliess, wenn dieser für den Betroffenen Nachteile mit sich brachte, die auch
BGE 94 I 365 S. 369
durch einen für ihn günstigen Endentscheid nicht mehr behoben werden konnten (
BGE 63 I 76
und 313,
BGE 64 I 98
,
BGE 68 I 168
). Es sollte dadurch vermieden werden, dass das kantonale Verfahren durch die Anfechtung von Zwischenentscheiden auch in Fällen verlängert wird, in denen die kantonale Instanz selber den gerügten Mangel bis zum Endurteil oder durch dieses noch beseitigen kann.
Da Zwischen- und Endentscheide in
Art. 87 OG
Gegensätze bilden, lässt sich der Begriff des Zwischenentscheides nicht losgelöst von dem des Endentscheides fassen. Es ist vielmehr im Einzelfall zu prüfen, was Gegenstand des das Verfahren abschliessenden Endentscheids ist, und von daher ergibt sich, ob ein vorausgegangener Entscheid im Verhältnis zu ihm als Zwischenentscheid erscheint. Das ist in der Regel dann der Fall, wenn er im Laufe des gleichen Verfahrens getroffen wird, das durch den Endentscheid abgeschlossen wird, so dass er einen blossen Schritt auf dem Wege zum Endentscheid bildet. Der Begriff des gleichen Verfahrens darf freilich nicht rein formalistisch aufgefasst werden. Ein bestimmtes Verfahren kann derart auf ein anderes bezogen und ihm untergeordnet sein, dass beide Verfahren wenn nicht formell, so doch ihrem Gegenstand nach als Einheit erscheinen (vgl. BONNARD, a.a.O. S. 411 und 413, wo von einem "rapport nécessaire" gesprochen wird). So hat das Bundesgericht in der Bewilligung der Nachlassstundung einen blossen Zwischenentscheid erblickt (vgl. die in
BGE 87 I 369
angeführten nicht veröffentlichten Urteile). Betrachtet man das Verfahren über die Bewilligung der Nachlasstundung und über die Bestätigung des Nachlassvertrages nicht schon formell bloss als zwei Abschnitte eines und desselben Verfahrens, so ist das Bewilligungsverfahren jedenfalls derart auf das Bestätigungsverfahren bezogen und ihm zugeordnet, dass man beide ihrem Gegenstand nach als Einheit und damit die Bewilligung der Stundung als blossen Zwischenentscheid im Verhältnis zum Endurteil über die Bestätigung des Nachlassvertrages betrachten kann (vgl. auch
BGE 93 I 62
Erw. 2). Ähnliche Überlegungen mögen das Bundesgericht dazu geführt haben, den Rechtsöffnungsentscheid als blossen Zwischenentscheid zu betrachten im Verhältnis zum Urteil, durch das auf Forderungsklage (
Art. 79 SchKG
) oder Aberkennungsklage (
Art. 83 Abs. 2 SchKG
) hin über den materiellen Bestand der in Betreibung gesetzten Forderung
BGE 94 I 365 S. 370
entschieden wird (vgl.
BGE 79 I 45
,
BGE 87 I 368
). Hieran kann jedoch nicht festgehalten werden, weil Rechtsöffnungs- und Zivilprozessverfahren ihrem Gegenstand nach derart verschieden sind, dass es nicht angeht, sie als eine Einheit zu betrachten, innerhalb welcher der Rechtsöffnungsentscheid einen blossen Zwischenentscheid bilden würde. Richtig ist vielmehr, wie noch in
BGE 78 I 56
/7 ausgeführt wurde, dass es sich um getrennte Verfahren mit ganz verschiedenen Zielen handelt. Das Rechtsöffnungsverfahren ist, als Zwischenverfahren der Schuldbetreibung (
BGE 76 I 48
), rein vollstreckungsrechtlicher Natur (FRITZSCHE a.a.O. S. 137), während die Aberkennungsklage (und erst recht die Forderungsklage nach
Art. 79 SchKG
) sich in keiner wesentlichen Beziehung von einem mit dem Betreibungsverfahren überhaupt nicht zusammenhängenden Forderungsstreit unterscheidet (
BGE 83 III 77
,
BGE 91 II 111
b). An der Verschiedenartigkeit des Prozessgegenstandes und des Verfahrenszieles ändert auch der Umstand nichts, dass, wie das Bundesgericht in
BGE 87 I 369
hervorhob, in jenen materiellrechtlichen Verfahren "auch über die Vollstreckbarkeit im Sinne der definitiven Rechtsöffnung entschieden wird". Mit dieser Erwägung liesse sich regelmässig das Verhältnis von Zwischen- und Endentscheid konstruieren, wenn bloss der im einen Verfahren zu treffende Entscheid Auswirkungen auf die Rechtslage hat, wie sie durch irgendeinen im andern Verfahren getroffenen Entscheid geschaffen wurde. Das würde zu einer Ausweitung des Anwendungsbereichs des
Art. 87 OG
führen, die dem Sinn der Bestimmung widerspräche.
Dass es nicht angeht, den Entscheid über die provisorische Rechtsöffnung als blossen Zwischenentscheid zu behandeln, zeigt auch ein bisher unbeachtet gebliebener Gesichtspunkt. Die Aberkennungsklage kann auch durch ein Schiedsgericht beurteilt werden (
BGE 56 III 234
), und ebenso verhält es sich mit der Forderungsklage nach
Art. 79 SchKG
(vgl.
BGE 91 II 111
b). Würde auf eine gegen den Rechtsöffnungsentscheid gerichtete staatsrechtliche Beschwerde nicht eingetreten aus der Erwägung, dass es sich um einen Zwischenentscheid handle und der Schuldner den Mangel noch durch Anfechtung des im Aberkennungsprozess ergehenden Endentscheides rügen könne, so versagt diese Konstruktion gänzlich, wenn die Aberkennungsklage durch ein Schiedsgericht beurteilt wird, da nach ständiger Rechtsprechung gegen Schiedsgerichtsurteile die
BGE 94 I 365 S. 371
staatsrechtliche Beschwerde ausgeschlossen (
BGE 67 I 34
/5,
BGE 71 I 35
) und auch die Berufung unzulässig ist (
BGE 64 II 230
,
BGE 65 II 36
), der Schuldner also auf die ihm gar nicht zustehende Anfechtung des Endentscheides verwiesen würde.
Es ist somit die in
BGE 79 I 44
und 153 eingeleitete Rechtsprechung aufzugeben und der Entscheid über die provisorische Rechtsöffnung als Endentscheid im Sinne des
Art. 87 OG
zu betrachten. Bei dieser Sachlage stellt sich die in jenen Urteilen verneinte Frage nicht mehr, ob er (als Zwischenentscheid) für den Gläubiger bzw. Schuldner einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil zur Folge hat. Dagegen ist noch zu prüfen, ob er als letztinstanzlich im Sinne des
Art. 87 OG
zu gelten hat, wenn er von derjenigen Instanz ausgeht, die als letzte des Kantons über Rechtsöffnungssachen zu befinden hat.
4.
Das Erfordernis der Letztinstanzlichkeit deckt sich mit dem der Erschöpfung der kantonalen Rechtsmittel, das
Art. 86 Abs. 2 OG
aufstellt (
BGE 84 I 234
,
BGE 93 I 63
Erw. 3 a). Der Begriff des Rechtsmittels umfasst neben den ordentlichen Rechtsmitteln auch die ausserordentlichen, mit denen die gerügte Verfassungsverletzung geltend gemacht werden kann (
BGE 89 I 126
Erw. 1 und dort angeführte frühere Urteile). Darüber hinaus hat das Bundesgericht als Rechtsmittel auch andere Rechtsbehelfe betrachtet, mit denen die Beseitigung des Rechtsnachteils erreicht werden kann, der mit der staatsrechtlichen Beschwerde angefochten wird. So hat es insbesondere staatsrechtliche Beschwerden gegen Entscheide der letzten kantonalen Verwaltungsbehörden wegen Nichterschöpfung der kantonalen Rechtsmittel als unzulässig erklärt, wenn zur Erreichung des Ziels, auf das sie gerichtet waren, die Zivilklage zur Verfügung stand (
BGE 78 I 250
,
BGE 81 I 61
,
BGE 83 I 166
/7; vgl. auch
BGE 82 I 81
). Inwieweit an dieser von BONNARD (a.a.O. S. 422/4) mit beachtlichen Gründen kritisierten Rechtsprechung festzuhalten ist, braucht hier nicht entschieden zu werden.
Die Justizkommission des Kantons Zug, die den mit der vorliegenden Beschwerde angefochtenen Entscheid gefällt hat, ist nach dem Prozessrecht des Kantons Zug die letzte kantonale Instanz in Rechtsöffnungssachen. Als Rechtsbehelf, der dem Beschwerdeführer zur Verfügung stände und mit dem sich der behauptete Rechtsnachteil beseitigen liesse, käme nur die Aberkennungsklage in Frage. Sie als ein gegenüber der provisorischen Rechtsöffnung zur Verfügung stehendes "Rechtsmittel" im
BGE 94 I 365 S. 372
Sinne des
Art. 86 Abs. 2 OG
zu betrachten, geht indes nicht an. Das Bundesgericht hat freilich in
BGE 90 I 204
Erw. 1 angenommen, die in
Art. 184 Abs. 2 SchKG
vorgesehene Klage auf Zahlung sei ein kantonales Rechtsmittel, von dem Gebrauch zu machen sei vor der Erhebung einer staatsrechtlichen Beschwerde gegen die aufgrund von
Art. 182 Ziff. 4 SchKG
erteilte Bewilligung des Rechtsvorschlags in einer Wechselbetreibung. Dieser Entscheid weitet jedoch den Begriff des Rechtsmittels in einem dem Sinn und Zweck der
Art. 86 und 87 OG
kaum mehr entsprechenden Masse aus und lässt sich, sofern daran überhaupt festzuhalten ist, jedenfalls nicht analogieweise auf das Rechtsöffnungsverfahren übertragen. Da Rechtsöffnungsverfahren einerseits, Forderungs- und Aberkennungsprozess anderseits ihrer Natur und ihrem Gegenstand nach durchaus verschieden sind, können Forderungs- und Aberkennungsklage nicht als "Rechtsmittel" bzw. Rechtsbehelfe eines Rechtsöffnungsverfahrens betrachtet werden. Dieses bildet ein in sich geschlossenes selbständiges Verfahren und wird letztinstanzlich abgeschlossen durch den Entscheid derjenigen kantonalen Behörde, die als letzte Instanz in Rechtsöffnungssachen zu befinden hat. Es ist demnach der Rechtsöffnungsentscheid der Justizkommission als letztinstanzlicher Endentscheid zu betrachten und auf die Beschwerde einzutreten, soweit damit die Aufhebung dieses Entscheids verlangt wird.
5.
Im Hinblick auf die Ausführungen in
BGE 87 I 367
Erw. 3 a rechtfertigt es sich, noch kurz zu prüfen, ob es einem Bedürfnis entspricht, die staatsrechtliche Beschwerde aus
Art. 4 BV
gegen Entscheide über die provisorische Rechtsöffnung zuzulassen. Die Frage ist zu bejahen. Lässt sich auch mit diesem Rechtsmittel keine einheitliche Praxis in Rechtsöffnungssachen erzielen, so kann das Bundesgericht doch wenigstens einschreiten, wenn eine kantonale Behörde den
Art. 82 SchKG
in unhaltbarer Weise auslegt oder anwendet. Es dient in bedeutendem Masse dem Rechtsschutzbedürfnis des Einzelnen, wenn er einen so groben Verstoss auf einfachem Wege rügen kann und nicht erst einen Prozess um den Bestand der Forderung austragen muss. Dazu kommt, dass mit der staatsrechtlichen Beschwerde aus
Art. 4 BV
nicht nur willkürliche Rechtsanwendung, sondern auch die Verweigerung des rechtlichen Gehörs und die rechtsungleiche Behandlung im engern
BGE 94 I 365 S. 373
Sinne gerügt werden kann, was nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichts nicht möglich war, aber ebenfalls einem nicht zu unterschätzenden Bedürfnis entspricht angesichts der praktischen Bedeutung des Rechtsöffnungsverfahrens im Rechtsleben. Freilich wird, wie H.U. WALDER in den Verhandlungen des Schweizerischen Juristenvereins der Kritik an der bundesgerichtlichen Rechtsprechung entgegenhielt (ZSR 1962 II 569 ff.), der Schuldner bei Bewilligung der provisorischen Rechtsöffnung im Hinblick auf die Möglichkeit der Abweisung der staatsrechtlichen Beschwerde gut tun, neben dieser vorsorglich auch die Aberkennungsklage binnen der Frist des
Art. 83 Abs. 2 SchKG
zu erheben. Er hat aber trotzdem ein Interesse daran, dass der Rechtsöffnungsentscheid im Rahmen des
Art. 4 BV
überprüft werden kann, was bei Gutheissung der staatsrechtlichen Beschwerde die Fortsetzung eines allenfalls langwierigen und kostspieligen Prozesses entbehrlich macht.
6.
Das Betreibungsbegehren und dementsprechend der Zahlungsbefehl richteten sich gegen die Firma "A.J. Dietziker & Co." in Baar, während der Entscheid, mit dem der Gläubigerin die provisorische Rechtsöffnung gewährt wurde, gegen A.J. Dietziker persönlich erging. Nach
Art. 82 Abs. 2 SchKG
spricht der Richter die Rechtsöffnung aus, sofern der Betriebene nicht bestimmte Einwendungen glaubhaft macht. Daraus ist zu schliessen, dass im Rechtsöffnungsverfahren der Betriebene passiv legitimiert ist und der Entscheid sich gegen ihn richten muss. Das ergibt sich auch aus der Natur des Rechtsöffnungsverfahrens als eines reinen Vollstreckungsverfahrens, in dem darüber entschieden wird, ob eine bestimmte Betreibung, die ein bestimmter Gläubiger für eine bestimmte Forderung gegen einen bestimmten Schuldner eingeleitet hat, fortgesetzt werden darf oder nicht. Die Justizkommission stellte im angefochtenen Entscheid fest, die Firma "A.J. Dietziker & Co." existiere nicht, was der Beschwerdeführer nicht bestreitet, entspricht dies doch seiner eigenen Darstellung. Existiert die Kollektiv- oder Kommanditgesellschaft aber nicht, so fehlt es an einer tauglichen Partei. Das Vorhandensein einer solchen ist eine wesentliche Voraussetzung einer Betreibung, bei deren Fehlen trotzdem vorgenommene Betreibungshandlungen nichtig sind und jederzeit aufgehoben werden können (
BGE 67 III 140
/1; FRITZSCHE a.a.O. S. 53). Es lässt sich daher die Ansicht vertreten, es hätte die gegen eine nicht existierende Gesellschaft eingeleitete
BGE 94 I 365 S. 374
Betreibung aufgehoben werden müssen und nicht durch Rechtsöffnung in eine solche gegen A.J. Dietziker umgewandelt werden dürfen, da dieser in dem der Rechtsöffnung vorangegangenen Verfahren nicht Betriebener war und sich der Rechtsöffnungsentscheid gegen den Betriebenen zu richten hat. Indessen lässt sich auch die gegenteilige Auffassung mit guten Gründen vertreten. Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer hatte vor langem einen Fall zu entscheiden, dessen Sachverhalt mit dem vorliegenden weitgehend übereinstimmte (ZR 1905 Nr. 189 S. 304; vgl. dazu P. SCHWARTZ, BlSchK 1955 S. 10). Sie wies die Beschwerde, mit der Aufhebung der Betreibung verlangt worden war, im wesentlichen mit der Begründung ab, die Betreibung sei als gegen den Vertreter der nicht existierenden Gesellschaft gerichtet zu betrachten, es sei lediglich ein formeller Mangel, an welchem sie leide und auf den sich der Vertreter umsoweniger berufen könne, als er selbst den Anlass zu dieser ungenauen Schuldnerbezeichnung gegeben habe. Angesichts dieser von der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer mit freier rechtlicher Überprüfung gefällten Entscheids kann der damit im Ergebnis übereinstimmende Entscheid der Justizkommission jedenfalls nicht als schlechthin unhaltbar, geradezu willkürlich bezeichnet werden. Es wäre stossend und widerspräche dem nach der neuern Rechtsprechung (
BGE 85 III 29
Erw. 3 a mit Hinweisen) auch im Betreibungsverfahren beachtlichen Grundsatz von Treu und Glauben, wenn der Gläubigerin ihre betreibungsrechtliche Stellung, die sie bereits erlangt hat, wieder entzogen würde wegen eines Mangels, den der Schuldner herbeiführte, indem er die in Frage stehende Vereinbarung namens der "A.J. Dietziker & Co." unterzeichnete und so die Existenz einer solchen Gesellschaft vorgab.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. | public_law | nan | de | 1,968 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
2f1522f3-a5b1-4cd9-8c55-f5108db6cba7 | Urteilskopf
111 V 390
69. Urteil vom 20. November 1985 i.S. Herzog gegen Kantonales Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit, Zürich, und Kantonale Rekurskommission für die Arbeitslosenversicherung, Zürich | Regeste
Art. 42 Abs. 2 AVIG
,
Art. 65 Abs. 1 AVIV
: Schlechtwetterentschädigung.
- Ein auf die Fabrikation und die Montage von Metall- und Holzzäunen spezialisierter Betrieb kann unter keinen der in
Art. 65 Abs. 1 AVIV
aufgezählten Erwerbszweige subsumiert werden.
- Der Anspruch auf Schlechtwetterentschädigung beurteilt sich gemäss
Art. 65 Abs. 1 AVIV
nicht nach der Art der ausgeübten einzelnen Tätigkeit, sondern nach dem Charakter des Betriebes bzw. der Betriebsgruppe.
- Die Aufzählung der Erwerbszweige mit Anspruch auf Schlechtwetterentschädigung in
Art. 65 Abs. 1 AVIV
ist grundsätzlich abschliessend. Der Ausschluss der auf die Fabrikation und die Montage von Metall- und Holzzäunen spezialisierten Betriebe von der Liste gemäss
Art. 65 Abs. 1 AVIV
ist gesetzes- und verfassungskonform. | Sachverhalt
ab Seite 391
BGE 111 V 390 S. 391
A.-
René Herzog, Inhaber einer Einzelfirma mit der Branchenbezeichnung "Metall-Holzzäune", meldete dem Kantonalen Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit (KIGA) am 23. Januar 1984, seine beiden Monteure würden die Arbeit ab diesem Datum einstellen. Zur Begründung wurde ausgeführt, es liege zuviel Schnee, die Marksteine seien nicht sichtbar und die Kunden wünschten nicht, dass bei diesen Witterungsverhältnissen montiert werde. Das KIGA erhob gegen die Auszahlung der Schlechtwetterentschädigung Einspruch mit der Begründung, dass Firmen, die Gartenzäune montieren, keinen Anspruch auf Schlechtwetterentschädigung hätten (Verfügung vom 25. Januar 1984).
B.-
Die Rekurskommission für die Arbeitslosenversicherung des Kantons Zürich wies eine hiegegen erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 29. Februar 1984 ab.
C.-
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde erneuert René Herzog sein Begehren um Ausrichtung der Schlechtwetterentschädigung. Während das KIGA auf eine Vernehmlassung zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde verzichtet, beantragt das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit (BIGA) deren Abweisung.
BGE 111 V 390 S. 392
Erwägungen
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Nach
Art. 42 Abs. 1 AVIG
haben Arbeitnehmer in Erwerbszweigen, in denen wetterbedingte Arbeitsausfälle üblich sind, Anspruch auf Schlechtwetterentschädigung, wenn ihr Arbeitgeber für die Versicherung beitragspflichtig ist und sie einen anrechenbaren Arbeitsausfall erleiden. Dies setzt u.a. voraus, dass der Arbeitsausfall durch das Wetter zwingend verursacht ist (
Art. 43 Abs. 1 lit. a AVIG
). Nach
Art. 42 Abs. 2 AVIG
bestimmt der Bundesrat die Erwerbszweige, in denen die Schlechtwetterentschädigung ausgerichtet werden kann. Dieser hat von der an ihn delegierten Kompetenz Gebrauch gemacht und die folgenden Erwerbszweige, in denen eine Auszahlung der Schlechtwetterentschädigung in Betracht kommt, in
Art. 65 Abs. 1 AVIV
gemäss der bis Ende Juni 1985 geltenden Fassung aufgezählt:
a. Hoch- und Tiefbau, Zimmerei-, Steinhauer- und Steinbruchgewerbe;
b. Sand- und Kiesgewinnung;
c. Geleise- und Freileitungsbau;
d. Landschaftsgartenbau;
e. Waldwirtschaft und Torfabbau, soweit sie nicht Nebenzweig eines landwirtschaftlichen Betriebes sind;
f. Ausbeutung von Lehmgruben sowie Ziegelei;
g. Berufsfischerei.
Nach den neuen Art. 65 Abs. 1 lit. h und i gemäss Änderung der AVIV vom 25. April 1985, in Kraft seit 1. Juli 1985, kann die Schlechtwetterentschädigung nunmehr auch in den folgenden Erwerbszweigen ausgerichtet werden:
h. Transportgewerbe, soweit Fahrzeuge ausschliesslich für den Transport von Aushub oder Baumaterial von und zu Baustellen oder für den Abtransport von Sand oder Kies von der Abbaustelle verwendet werden;
i. Sägerei.
2.
a) Die Vorinstanz ging davon aus, dass es sich bei der Liste von Erwerbszweigen mit Anspruch auf Schlechtwetterentschädigung im Sinne des
Art. 65 Abs. 1 AVIV
um eine abschliessende Aufzählung handle. Da der Zaunbau im Katalog der erwähnten Verordnungsbestimmung nicht ausdrücklich aufgeführt sei und auch nicht unter den Landschaftsgartenbau im Sinne von
Art. 65 Abs. 1 lit. d AVIV
subsumiert werden könne, müsse ein Anspruch auf
BGE 111 V 390 S. 393
Schlechtwetterentschädigung im vorliegenden Fall verneint werden.
b) Der Beschwerdeführer macht in seiner Verwaltungsgerichtsbeschwerde geltend, die mit der Montage von Zäunen beschäftigten Arbeitnehmer seien den gleichen Witterungsverhältnissen (Schnee, Kälte) ausgesetzt, welche in den in
Art. 65 Abs. 1 AVIV
genannten Erwerbszweigen bei wetterbedingten Arbeitsausfällen zur Ausrichtung der Schlechtwetterentschädigung führten. Infolge starker Schneefälle seit Mitte Januar 1984 habe seinen beiden Arbeitnehmern die Fortsetzung der Zaunmontage aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr zugemutet werden können, und es sei auch praktisch unmöglich gewesen, die Grenzsteine zu finden. Die Aufzählung der Erwerbszweige mit Anspruch auf Schlechtwetterentschädigung gemäss jener Bestimmung sei nicht abschliessend zu verstehen, weil der Verordnungsgeber nicht sämtliche Berufszweige habe erfassen können. Ferner erwähnt der Beschwerdeführer in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 10. Juni 1985, die beiden Angestellten seien ausschliesslich als Monteure angestellt, während er sämtliche Werkstattarbeiten selber erledige. Auch seien diese Monteure nicht für die Werkstattarbeit ausgebildet und überdies sei die vorhandene Werkstatt zu klein, um ohne Gefahr für Leib und Leben weiteres Personal darin zu beschäftigen.
c) Das BIGA wendet demgegenüber ein, die für die Ausrichtung der Schlechtwetterentschädigung in Frage kommenden Erwerbszweige seien in
Art. 65 Abs. 1 AVIV
abschliessend aufgezählt; es fehlten in dieser Bestimmung Hinweise auf eine blosse Exemplifikation wie "insbesondere", "namentlich" usw. Der Regelung des Bundesrates liege die Absicht zugrunde, den Kreis der Erwerbszweige mit Anspruch auf Schlechtwetterentschädigung zwecks Eindämmung von Missbräuchen gegenüber der früheren Ordnung einzuschränken. Der Verordnungsgeber sei sich bei der von ihm getroffenen Auswahl bewusst gewesen, dass es neben den in der Liste erwähnten Kategorien noch weitere Erwerbszweige mit wetterbedingten Arbeitsausfällen gebe. Für eine abschliessende Aufzählung habe sich ferner die Konsultative Kommission ausgesprochen, und das Parlament habe der Beibehaltung des Instituts der Schlechtwetterentschädigung nur in dem Sinne zugestimmt, dass die einzelnen Erwerbszweige mit Anspruch auf Schlechtwetterentschädigung in der Verordnung einschränkend aufzuführen seien. In der ergänzenden Vernehmlassung vom 24. Mai 1985 hielt das BIGA fest, bei den Gesetzgebungsarbeiten habe weitgehende
BGE 111 V 390 S. 394
Übereinstimmung darüber geherrscht, dass die Schlechtwetterentschädigung restriktiv zu konzipieren sei. Diese Tendenz habe sich auch bei den Beratungen zur Teilrevision der AVIV vom 25. April 1985 fortgesetzt. Insbesondere sei befürchtet worden, dass jede Erweiterung der Liste von Erwerbszweigen mit Anspruch auf Schlechtwetterentschädigung neue Anschlussbegehren nach sich ziehen könnte. Was namentlich die Zaunmontage betreffe, so handle es sich hiebei um einen jener Erwerbszweige, bei denen Fabrikation und Montage eines Werkes in der Regel vom gleichen Unternehmen ausgeführt werden. Dabei sei eine befriedigende Abgrenzung der Montage- von den Produktionsarbeiten kaum möglich, ausser bei grösseren Firmen, die eine spezielle Montageabteilung bilden könnten. Diesen Betrieben die Schlechtwetterentschädigung zukommen zu lassen, liefe aber dem Gebot der rechtsgleichen Behandlung zuwider.
3.
Vorab ist zu prüfen, ob die Montage von Metall- und Holzzäunen unter eine der in
Art. 65 Abs. 1 AVIV
aufgezählten Erwerbszweige subsumiert werden kann. Dabei kommen offensichtlich höchstens die generellen und insofern der konkretisierenden Auslegung bedürftigen Kategorien des Hoch- und Tiefbaus (lit. a) und des Landschaftsgartenbaus (lit. d) in Betracht.
Es liesse sich allenfalls argumentieren, die Montage von Zäunen könne beiden Kategorien (dem Hoch- und Tiefbau wie auch dem Landschaftsgartenbau) zugerechnet werden, weil es in beiden Bereichen ab und zu vorkommt, dass Zäune montiert werden. Dabei stellt sich zunächst die Frage, ob primär eine bestimmte Tätigkeit (hier Zaunmontage) als solche, die eventuell in verschiedenen Branchen ausgeübt wird, massgebend ist oder ob es entscheidend auf den Charakter des Betriebes ankommt, in welchem eine bestimmte Tätigkeit erfolgt. Wie sich schon aus dem gesetzlichen Begriff des Erwerbszweiges ergibt, fällt nur letzteres in Betracht, würde doch das Abstellen allein auf die im Einzelfall verrichtete Tätigkeit den mit
Art. 65 Abs. 1 AVIV
gesetzten Rahmen sprengen und zu einer vom Gesetzgeber nicht gewollten und unpraktikablen Ausweitung des Anspruchs auf Schlechtwetterentschädigung führen.
Unter dem allein massgebenden Gesichtspunkt des Betriebscharakters kann ein auf Zaunmontage spezialisierter Betrieb nicht unter den Erwerbszweig des Landschaftsgartenbaus subsumiert werden, weil die Zaunmontage bestenfalls eine völlig untergeordnete Nebenfunktion im Rahmen des zur Hauptsache ganz anders
BGE 111 V 390 S. 395
geartete Funktionen ausübenden Landschaftsgartenbaus darstellt und daher für diesen Betriebszweig nicht charakteristisch ist. Im Hinblick auf die sowohl vom Gesetzgeber als auch vom Verordnungsgeber beabsichtigte restriktive Gewährung der Schlechtwetterentschädigung gilt das gleiche aber auch für den Erwerbszweig des Hoch- und Tiefbaus. Unter die Erwerbszweige im Sinne von
Art. 65 Abs. 1 AVIV
fallen demzufolge nur jene Betriebe, die in einem engeren Sinne nach den im betreffenden Fachgebiet üblichen Anschauungen dazu gehören.
4.
Kann die Montage von Metall- und Holzzäunen unter keine der in
Art. 65 Abs. 1 AVIV
aufgezählten Erwerbszweige subsumiert werden, so stellt sich die Frage, ob die Nichtaufnahme der Zaunmontage in die Liste der Erwerbszweige mit Anspruch auf Schlechtwetterentschädigung gesetz- und verfassungsmässig ist.
a) Nach der Rechtsprechung kann das Eidg. Versicherungsgericht Verordnungen des Bundesrates grundsätzlich, von hier nicht in Betracht fallenden Ausnahmen abgesehen, auf ihre Rechtmässigkeit hin überprüfen. Bei (unselbständigen) Verordnungen, die sich auf eine gesetzliche Delegation stützen, prüft es, ob sie sich in den Grenzen der dem Bundesrat im Gesetz eingeräumten Befugnisse halten. Wird dem Bundesrat durch die gesetzliche Delegation ein sehr weiter Spielraum des Ermessens für die Regelung auf Verordnungsebene eingeräumt, muss sich das Gericht auf die Prüfung beschränken, ob die umstrittenen Verordnungsvorschriften offensichtlich aus dem Rahmen der dem Bundesrat im Gesetz delegierten Kompetenzen herausfallen oder aus andern Gründen verfassungs- oder gesetzwidrig sind. Es kann jedoch sein eigenes Ermessen nicht an die Stelle desjenigen des Bundesrates setzen und es hat auch nicht die Zweckmässigkeit zu untersuchen. Die vom Bundesrat verordnete Regelung verstösst allerdings dann gegen
Art. 4 BV
, wenn sie sich nicht auf ernsthafte Gründe stützen lässt, wenn sie sinn- oder zwecklos ist oder wenn sie rechtliche Unterscheidungen trifft, für die sich ein vernünftiger Grund nicht finden lässt. Gleiches gilt, wenn die Verordnung es unterlässt, Unterscheidungen zu treffen, die richtigerweise hätten berücksichtigt werden sollen (
BGE 111 V 284
Erw. 5a,
BGE 110 V 256
Erw. 4a und 328 Erw. 2d, je mit Hinweisen).
b) Gemäss
Art. 42 Abs. 2 AVIG
wurde der Bundesrat ermächtigt, diejenigen Erwerbszweige zu bestimmen, in denen die Schlechtwetterentschädigung ausgerichtet werden kann. Diese
BGE 111 V 390 S. 396
Delegationsnorm enthält, abgesehen davon, dass es sich nach dem (gleichrangigen)
Art. 42 Abs. 1 AVIG
um Erwerbszweige mit üblichen wetterbedingten Ausfällen handeln muss, keine Richtlinien über die Art und Weise, wie von der Ermächtigung Gebrauch zu machen sei. Mit einer solchen Delegation wurde dem Bundesrat ein sehr weiter Spielraum des Ermessens für die Regelung auf Verordnungsstufe und namentlich die Kompetenz eingeräumt, die Erwerbszweige, in denen Schlechtwetterentschädigung ausgerichtet werden kann, unter Beachtung der durch das Willkürverbot gesetzten Grenzen in einer grundsätzlich abschliessenden Liste zu umschreiben. Aufgrund dieser Befugnis war der Bundesrat frei, auch solche Erwerbszweige in den Katalog im Sinne von
Art. 65 Abs. 1 AVIV
aufzunehmen, bei denen man mit vertretbaren Argumenten geteilter Meinung darüber sein kann, ob sie zu den Erwerbszweigen mit Anspruch auf Schlechtwetterentschädigung gehören sollen, und umgekehrt andere Erwerbszweige von der Liste auszuschliessen, welche an sich mit guten Gründen als listenwürdig bezeichnet werden könnten. Zur Frage, ob die erwähnte gesetzliche Delegation den aus rechtsstaatlichen Gründen an eine Delegationsnorm zu stellenden Anforderungen zu genügen vermag, hat sich das Eidg. Versicherungsgericht zufolge der verfassungsrechtlichen Beschränkung seiner Überprüfungsbefugnis (Art. 113 Abs. 3 /
Art. 114bis Abs. 3 BV
) nicht zu äussern.
c) In Anbetracht des dem Bundesrat eingeräumten Auswahlermessens (vgl. IMBODEN/RHINOW, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, 5. Aufl., Bd. I, S. 405) sowie des Umstandes, dass es bei der Bestimmung der Erwerbszweige mit Anspruch auf Schlechtwetterentschädigung vorwiegend um rechtspolitische Fragen ging, übt das Eidg. Versicherungsgericht bei der Überprüfung von
Art. 65 Abs. 1 AVIV
auf die Gesetz- und Verfassungsmässigkeit grundsätzlich Zurückhaltung.
Sodann ergibt sich auch aus der Entstehungsgeschichte und insbesondere aus den parlamentarischen Beratungen mit hinreichender Deutlichkeit, dass die Festlegung der Erwerbszweige mit Anspruch auf Schlechtwetterentschädigung einschränkend erfolgen sollte. Schon im Bericht des BIGA an die vorberatende Kommission des Nationalrates vom 16. März 1981 ist von einer restriktiven Handhabung der Schlechtwetterentschädigung die Rede. In der nationalrätlichen Kommission stellte Weber unwidersprochen fest, es bereite einige Mühe, Abgrenzungen vorzunehmen; er vermute, dass im Bereich der Schlechtwetterentschädigung allzu viele
BGE 111 V 390 S. 397
Hoffnungen geweckt würden und in der Praxis Einschränkungen vorgenommen werden müssten (Protokoll vom 9./10. April 1981 S. 14). In der ständerätlichen Kommission wies Kündig auf die Missbrauchsgefahr bei allzu grosszügiger Regelung der Schlechtwetterentschädigung hin (Protokoll vom 17./18. August 1981 S. 7), und BIGA-Direktor Bonny vertrat die Ansicht, es gehe darum, die bisherige Praxis fortzusetzen, sie aber keinesfalls auszuweiten (Protokoll vom 11./12. November 1981 S. 17). Ferner war auch die Konsultative Kommission für die Arbeitslosenversicherung einhellig der Ansicht, dass der Katalog von Erwerbszweigen mit Anspruch auf Schlechtwetterentschädigung nicht erweitert werden dürfe (Kurzprotokoll vom 14./15. Juli 1983 S. 8). Es ging dem Gesetzgeber nach dem Gesagten offensichtlich darum, zu verhindern, dass die Arbeitslosenversicherung jede Art schlechtwetterbedingter Arbeitsverhinderung entschädigen muss.
d) Die Nichtaufnahme der Zaunmontage in die Liste der Erwerbszweige mit Anspruch auf Schlechtwetterentschädigung erweist sich entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers nicht als gesetzwidrig bzw. willkürlich. Wie das BIGA zutreffend dargelegt hat, handelt es sich bei der Zaunmontage um einen jener Erwerbszweige, bei welchen die Fabrikation und die Montage des Werkes in der Regel vom gleichen Unternehmen ausgeführt werden. Bei diesen gemischten Fabrikations- und Montagebetrieben lassen sich üblicherweise organisatorische Massnahmen treffen, damit jene Angestellten, denen infolge schlechten Wetters die Zaunmontage unzumutbar ist, für die fragliche Zeit im Betrieb anderweitig beschäftigt werden können. Der Umstand, dass grosse Firmen über spezielle Montageabteilungen verfügen, rechtfertigt keine Aufnahme solcher Betriebe in die Liste der Erwerbszweige mit Anspruch auf Schlechtwetterentschädigung, weil damit gegenüber kleineren Unternehmen ohne selbständige Montageabteilungen eine stossende Privilegierung geschaffen würde, welche mit dem Gebot rechtsgleicher Behandlung nicht vereinbar ist. Rz. 10.2 des neuen Kreisschreibens des BIGA über die Schlechtwetterentschädigung (Ausgabe Juli 1985), wonach eine Zaunfabrik, die ihre Montagegruppe wegen des gefrorenen Bodens nicht einsetzen kann, nicht zu den Erwerbszweigen mit Anspruch auf Schlechtwetterentschädigung gehört, erweist sich demnach als gesetzes- und verfassungskonform.
Wenn ein Ausweichen auf witterungsunabhängige Verrichtungen im vorliegenden Fall im Sinne der Ausführungen des
BGE 111 V 390 S. 398
Beschwerdeführers nicht möglich gewesen sein sollte, so handelt es sich hiebei um ein strukturelles Problem dieses konkreten Betriebes und mithin um ein vom Beschwerdeführer zu tragendes Unternehmerrisiko, das er nicht durch Berufung auf willkürliche Behandlung auf die Arbeitslosenversicherung abwälzen kann.
Dispositiv
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. | null | nan | de | 1,985 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
2f1d5a4c-fd93-4660-a900-169b159c79f8 | Urteilskopf
125 I 113
13. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 5. März 1999 i.S. S. gegen Haftrichter des Bezirksgerichtes Pfäffikon ZH (staatsrechtliche Beschwerde) | Regeste
Art. 4 BV
,
Art. 5 Ziff. 4 EMRK
,
Art. 9 Ziff. 4 UNO-Pakt II
.
Umfang des Anspruchs auf rechtliches Gehör bei der Haftanordnung sowie im Haftprüfungs- und Haftverlängerungsverfahren: Aus der Bundesverfassung und den Menschenrechtsverträgen ergibt sich kein Recht des Angeschuldigten auf persönliche Anhörung durch den Haftrichter im Haftprüfungsverfahren. Ein solcher Anspruch kann allerdings (wie im Falle der zürcherischen StPO) im kantonalen Prozessrecht gewährleistet sein (E. 2a-b). Ein spezifischer Verzicht darauf lässt jedoch die übrigen grundrechtlichen Gehörsansprüche, insbesondere auf Stellungnahme zum Haftverlängerungsantrag des Untersuchungsbeamten, nicht dahinfallen (E. 2c-d).
Die Aufhebung des angefochtenen Haftbestätigungsentscheides in Gutheissung der staatsrechtlichen Beschwerde wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs führt nicht zur Haftentlassung, was allein in den Erwägungen des Bundesgerichtsentscheides festzuhalten ist; über die Haftentlassung oder Haftbestätigung haben die kantonalen Behörden neu zu befinden (E. 3). | Sachverhalt
ab Seite 114
BGE 125 I 113 S. 114
S. wird der sexuellen Nötigung (
Art. 189 StGB
) und weiterer Delikte dringend verdächtigt. Mit Verfügung vom 17. November 1998 ordnete der Haftrichter des Bezirksgerichtes Pfäffikon ZH Untersuchungshaft gegen S. an. Am 10. Februar 1999 stellte die Bezirksanwaltschaft Pfäffikon ZH einen Haftverlängerungsantrag. Gleichentags verzichtete S. «auf eine Anhörung durch den Haftrichter». Ebenfalls noch am 10. Februar 1999 verfügte der Haftrichter des Bezirksgerichtes Pfäffikon ZH die Verlängerung der Untersuchungshaft. Am 11. Februar 1999 ging per Fax die Stellungnahme des Verteidigers zum Haftverlängerungsantrag der Bezirksanwaltschaft beim Haftrichter ein. Gleichentags wurde der haftrichterliche Entscheid an den Verteidiger versendet. Gegen den haftrichterlichen Entscheid vom 10. Februar 1999 gelangte S. mit staatsrechtlicher Beschwerde an das Bundesgericht. Dieses heisst die Beschwerde gut.
BGE 125 I 113 S. 115
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Der Beschwerdeführer rügt zunächst eine Verletzung des rechtlichen Gehörs, da der angefochtene haftrichterliche Entscheid ergangen sei, bevor er zum Haftverlängerungsantrag der Bezirksanwaltschaft habe Stellung nehmen können.
a)
Art. 5 Ziff. 2 EMRK
und
Art. 9 Ziff. 2 UNO-Pakt II
(SR 0.103.2) gewährleisten das Grundrecht des Angeschuldigten, schon bei seiner Festnahme über die Gründe seiner Verhaftung informiert und diesbezüglich angehört zu werden.
Art. 5 Ziff. 3 EMRK
und
Art. 9 Ziff. 3 UNO-Pakt II
schreiben sodann eine Vorführung des Angeschuldigten vor die haftanordnende Behörde vor. Aus dem von
Art. 4 BV
und
Art. 5 Ziff. 4 EMRK
garantierten rechtlichen Gehör folgt schliesslich noch der Anspruch des Inhaftierten, vor Erlass eines richterlichen Haftprüfungs- bzw. Haftverlängerungsentscheides schriftlich oder mündlich Stellung nehmen zu können. Nach der übereinstimmenden Praxis des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte und des Bundesgerichtes hat der Angeschuldigte im Haftprüfungsverfahren das Recht, zu jeder Vernehmlassung der Strafverfolgungsbehörde zu replizieren, und zwar unbekümmert darum, ob die Behörde neue Tatsachen vorbringt oder nicht (
BGE 120 IV 342
E. 2d S. 345;
BGE 116 Ia 295
E. 4a S. 300;
BGE 115 Ia 293
E. 4b S. 301;
BGE 114 Ia 84
E. 3 S. 87 f., 281 E. 4c S. 285; EGMR vom 21. Oktober 1986 i.S. Sanchez-Reisse c. CH, Série A, vol. 107, Ziff. 51; s. auch EGMR vom 18. Februar 1997 i.S. Nideröst-Huber c. CH, Rec. 1997-I, S. 101 = VPB 61 [1997] Nr. 108, Ziff. 24 ff.; vgl. ANDREAS DONATSCH, in: Donatsch/Schmid, Kommentar zur Strafprozessordnung des Kantons Zürich, Zürich 1996/98, § 61 N. 17; MARC FORSTER, Rechtsschutz bei strafprozessualer Haft, SJZ 94 [1998] 2 ff./35 ff., 39 f.).
Art. 5 Ziff. 4 EMRK
verlangt demgegenüber nicht, dass im Haftprüfungsverfahren eine mündliche Verhandlung vor dem Haftrichter stattfinden müsste. Eine Vorführung vor die haftanordnende Behörde hat (gestützt auf
Art. 5 Ziff. 3 EMRK
) lediglich bei der Haftanordnung zu erfolgen. Das kantonale Strafprozessrecht kann jedoch über diese grundrechtlichen Minimalansprüche hinausgehen und eine richterliche Anhörung zusätzlich auch für das Haftprüfungs- und Haftverlängerungsverfahren gewährleisten (Urteil des Bundesgerichtes vom 6. Oktober 1988 = EuGRZ 1989 S. 286 f. mit Hinweisen auf den zitierten EGMR i.S. Sanchez-Reisse c. CH; vgl. DONATSCH, a.a.O., § 61 N. 12, 14; § 64 N. 30; § 65 N. 21; FORSTER, a.a.O., S. 39).
BGE 125 I 113 S. 116
b) Nach zürcherischem Strafprozessrecht hat der Untersuchungsbeamte dem Haftrichter von Amtes wegen die Fortsetzung der Untersuchungshaft (insbesondere dann) zu beantragen, wenn seit der Anordnung der Untersuchungshaft drei Monate vergangen sind und der Angeschuldigte kein Gesuch um Entlassung gestellt hat (
§ 65 Abs. 1 Ziff. 1 StPO
/ZH). Das weitere Verfahren richtet sich nach den
§
§ 61 und 62 StPO
/ZH (
§ 65 Abs. 2 StPO
/ZH). Der Haftrichter «gibt dem Angeschuldigten und seinem Verteidiger Gelegenheit, sich zu den Vorbringen der Untersuchungsbehörde zu äussern» (
§ 61 Abs. 1 Satz 1 StPO
/ZH). Zu diesem Zweck gewährt er ihnen »Einsicht in die vom Untersuchungsbeamten unterbreiteten Akten» (
§ 61 Abs. 1 Satz 2 StPO
/ZH). Auf Verlangen des Inhaftierten ist dieser vom Haftrichter sogar «persönlich anzuhören» (
§ 61 Abs. 1 Satz 3 StPO
/ZH). Der Haftrichter entscheidet «aufgrund der vorgelegten Akten und der Vorbringen der Parteien über Fortsetzung oder Aufhebung der Untersuchungshaft» (
§ 62 Abs. 1 Satz 1 StPO
/ZH).
c) Es ist nach dem Gesagten zwischen dem fundamentalen Anspruch des Inhaftierten auf rechtliches Gehör (
§ 61 Abs. 1 Satz 1 StPO
/ZH) und dem vom zürcherischen Verfahrensrecht vorgesehenen zusätzlichen (fakultativen) Anspruch auf persönliche Anhörung durch den Haftrichter (
§ 61 Abs. 1 Satz 3 StPO
/ZH) zu differenzieren (vgl. DONATSCH, a.a.O., § 61 N. 13, 16 f.; FORSTER, a.a.O., S. 39; NIKLAUS SCHMID, Strafprozessrecht, 3. Aufl., Zürich 1997, Rz. 712a, 714a).
aa) Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer am 10. Februar 1999 auf einem amtlichen Formular, welches dem Haftverlängerungsantrag der Bezirksanwaltschaft vom gleichen Datum angefügt wurde, «auf eine Anhörung durch den Haftrichter» ausdrücklich verzichtet. Dem Haftverlängerungsantrag vom 10. Februar 1999 (08.15 Uhr) konnte entnommen werden, dass der Beschwerdeführer durch Rechtsanwalt Dr. Valentin Landmann amtlich verteidigt war. Gleichentags wurde der Haftverlängerungsantrag dem Haftrichter und dem Verteidiger überbracht. Unmittelbar danach, ebenfalls noch am 10. Februar 1999, erging der angefochtene haftrichterliche Entscheid. Eine Vernehmlassung des Beschwerdeführers oder seines Verteidigers zum Haftverlängerungsantrag wurde nicht eingeholt. Ebenso wenig wurden der Beschwerdeführer oder sein Verteidiger angefragt, ob der Verzicht auf «eine Anhörung durch den Haftrichter» als Verzicht auf jegliche Stellungnahme zum Haftverlängerungsantrag (im Sinne von
§ 61 Abs. 1 Satz 1 StPO
/ZH) zu verstehen
BGE 125 I 113 S. 117
sei. Am 11. Februar 1999 (14.09 Uhr) reichte der Verteidiger per Fax seine schriftliche Stellungnahme zum Haftverlängerungsantrag ein. Gleichentags wurde der (am Vortag erlassene) angefochtene Entscheid an den Verteidiger versendet. Dieser erhielt den angefochtenen Entscheid am 12. Februar 1999.
bb) Gemäss den vorliegenden Akten erging der angefochtene haftrichterliche Entscheid vor dem Eintreffen der schriftlichen Vernehmlassung des Inhaftierten vom 11. Februar 1999. Die damit übereinstimmende Darstellung des Beschwerdeführers wird von den kantonalen Behörden nicht bestritten. Es fragt sich, ob deren Vorgehen mit dem Anspruch des Inhaftierten auf rechtliches Gehör vereinbar ist.
d) Gerade weil es sich beim Haftrichter im einstufigen zürcherischen System um die einzige richterliche Haftprüfungsinstanz handelt, darf an die Gewährung des rechtlichen Gehörs kein tiefer Massstab angelegt werden (Bundesgerichtsurteil vom 7. Oktober 1992 i.S. R. B., E. 3b = EuGRZ 1992 S. 554 ff.; vgl. FORSTER, a.a.O., S. 40). Zu berücksichtigen ist auch, dass es bei Untersuchungshaft um einen schwerwiegenden Eingriff in die persönliche Freiheit geht. Die fragliche Erklärung des Beschwerdeführers vom 10. Februar 1999 («ich verzichte ausdrücklich auf eine Anhörung durch den Haftrichter») kann jedenfalls nicht als klarer und unmissverständlicher Verzicht auf jegliche (insbesondere auch schriftliche) Stellungnahme des anwaltlich vertretenen Inhaftierten zum Haftverlängerungsantrag des Untersuchungsbeamten interpretiert werden. Im angefochtenen Entscheid wird denn auch ausdrücklich ausgeführt, der Beschwerdeführer habe in der Erklärung vom 10. Februar 1999 - lediglich - «auf die mündliche Anhörung durch den Haftrichter» verzichtet. Im Übrigen wurde die Erklärung vom 10. Februar 1999 auf einem vorgedruckten Formular der Bezirksanwaltschaft abgegeben, und die sprachliche Formulierung («eine Anhörung durch den Haftrichter») wurde von den kantonalen Behörden gewählt. Ausserdem war ihnen bekannt, dass die Rechte des Beschwerdeführers durch einen Verteidiger gewahrt wurden. Falls der Haftrichter die Erklärung als Verzicht auf jegliche Stellungnahme zum Haftverlängerungsantrag (im Sinne von
§ 61 Abs. 1 Satz 1 StPO
/ZH) interpretieren wollte, hätte er daher zumindest den Beschwerdeführer bzw. dessen Verteidiger anfragen müssen, ob tatsächlich ein Verzicht in diesem Sinne vorliege. Dies um so mehr, als
§ 61 Abs. 1 Satz 1 StPO
/ZH ausdrücklich bestimmt, dass der Haftrichter «dem Angeschuldigten und seinem Verteidiger
BGE 125 I 113 S. 118
Gelegenheit» gebe, «sich zu den Vorbringen der Untersuchungsbehörde zu äussern». Statt dessen hat der Haftrichter ohne weitere Abklärungen über den Haftverlängerungsantrag entschieden. Ein solches Vorgehen verletzt das rechtliche Gehör des Inhaftierten. Erschwerend kommt im vorliegenden Fall hinzu, dass der Untersuchungsbeamte die Fortsetzung der Untersuchungshaft in seinem Antrag vom 10. Februar 1999 mit neuen Argumenten begründete. Nachdem in seinem Antrag vom 15. November 1998 die Haftanordnung noch (ausschliesslich) auf den besonderen Haftgrund der Kollusionsgefahr gestützt worden war, machte er im Haftverlängerungsantrag vom 10. Februar 1999 neu zusätzlich Fortsetzungsgefahr geltend. Die vom Angeschuldigten dagegen erhobenen Einwendungen hat der Haftrichter vor Erlass seines Entscheides nicht zur Kenntnis genommen. Aber selbst wenn vom Untersuchungsbeamten keine neuen Haftgründe vorgebracht worden wären, hätte der Angeschuldigte nach der dargelegten Bundesgerichtspraxis einen formellen Anspruch auf Stellungnahme gehabt (vgl. oben, E. 2a).
3.
Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist formeller Natur. Seine Verletzung führt zwar - ungeachtet der Frage der materiellrechtlichen Begründetheit der Beschwerde - zur Gutheissung der Beschwerde und zur Aufhebung des angefochtenen Entscheides, nicht aber zur Haftentlassung des Beschwerdeführers. Vielmehr haben die kantonalen Behörden diesem das rechtliche Gehör zu gewähren und unverzüglich neu über den Haftverlängerungsantrag der Bezirksanwaltschaft zu entscheiden. Dem Antrag auf Entlassung aus der Untersuchungshaft kann nach dem Gesagten nicht stattgegeben werden.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Gerichtskosten zu erheben (
Art. 156 Abs. 2 OG
). Der Kanton Zürich hat dem anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer jedoch eine angemessene Parteientschädigung zu entrichten (
Art. 159 OG
). | public_law | nan | de | 1,999 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
2f213d2a-828c-4589-82e9-779d1bd24bb7 | Urteilskopf
94 I 492
69. Auszug aus dem Urteil vom 29. März 1968 i.S. Achermann gegen Regierungsrat des Kantons Aargau. | Regeste
Schutz der Gewässer gegen Verunreinigung. BG vom 16. März 1955.
1. Das GSchG hat in Art. 3 Abs. 1 eine abschliessende Regelung getroffen (Erw. 1).
2. Grundsatz der Verhältnismässigkeit (Erw. 4).
3. Massnahmen zum Schutze der Gewässer, die den Bürger weniger belasten als ein Bauverbot:
a) Zuleitung in eine Kanalisation? (Erw. 5a).
b) Einleitung in einen Vorfluter? (Erw. 5b).
c) Versickerung der Abwässer? (Erw. 5c).
d) Bau einer abflusslosen Sammelgrube? (Erw. 5d).
4. Voraussetzungen für die Bewilligung einer abflusslosen Sammelgrube (Erw. 5d/aa).
5. Eine frühere Entscheidung ist nicht unabänderlich (Erw. 6). | Sachverhalt
ab Seite 493
BGE 94 I 492 S. 493
A.-
Anton Achermann in Luzern ist Eigentümer der Parzellen 1094 und 1097 im Gemeindebann Fahrwangen. Er beabsichtigt, auf seinen Grundstücken einen aus dem Kanton Luzern stammenden Speicher aufzustellen. Später will er diesen Speicher zu einem Ferienhaus umbauen.
Der Gemeinderat von Fahrwangen wies am 2. Oktober 1964 sein Baugesuch ab, und zwar vornehmlich aus Gründen des Gewässerschutzes und der Verkehrssicherheit. Der Regierungsrat des Kantons Aargau bestätigte den Entscheid des Gemeinderates (Rekursentscheid vom 11. Juni 1965). Er erklärte die Aufstellung des nicht in die Gegend gehörenden Speichers als für das Landschaftsbild unerwünscht und hielt weiter dafür, dass die Abwasserfrage nicht in einer für die Reinhaltung der Gewässer befriedigenden Art gelöst werden könne.
B.-
Achermann zog den Entscheid des Regierungsrates mit der staatsrechtlichen Beschwerde an das Bundesgericht und mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Verwaltungsgericht (Obergericht) des Kantons Aargau weiter. Am 23. September 1965 verfügte der Präsident der staatsrechtlichen Kammer des Bundesgerichts, das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde ruhe bis zum Entscheid des Obergerichts des Kantons Aargau über die bei ihm eingereichte verwaltungsgerichtliche Beschwerde. Nachdem das aargauische Obergericht die Beschwerde abgewiesen hatte (Urteil vom 3. Juni 1966), legte Achermann auch hiegegen eine staatsrechtliche Beschwerde ein; eine Verwaltungsgerichtsbeschwerde gemäss Art. 14 des eidgenössischen Gewässerschutzgesetzes hat er nie eingereicht.
Achermann macht geltend, es fehlten "bau- und allgemeinpolizeiliche Vorschriften", die der Erstellung des Wochenendhauses entgegenstünden. Aktenwidrig sei die Annahme, es gehe darum, die Versickerung des Abwassers zu bewilligen. Er habe stets eine geschlossene Jauchegrube vorgeschlagen, die periodisch geleert werden soll. Er habe hiezu mit dem Verkäufer der Grundstücke einen besonderen Vertrag abgeschlossen. Er habe auch kein Ableitungsgesuch in ein öffentliches Gewässer gestellt. "Ferner bestünde die Möglichkeit der Abwasserverwertung durch eine private biologische Kläranlage und der spätern Überführung des Abwassers in die öffentliche Kanalisation im Gebiet der Seerose".
Achermann behauptet weiter, die Verweigerung der Baubewilligung aus Gründen des Gewässerschutzes verletze nicht bloss
BGE 94 I 492 S. 494
das Bundesgesetz vom 16. März 1955, sondern auch die Eigentumsgarantie. Die Rechtsgleichheit sei dadurch missachtet worden, dass die Gemeinde Fahrwangen für zwei Mehrfamilienhäuser vor kurzem die Versickerung des Abwassers zugelassen habe.
C.-
Der Regierungsrat und der Gemeinderat Fahrwangen beantragen, die Beschwerde sei abzuweisen.
Das Eidg. Departement des Innern beantragt ebenfalls die Abweisung der Beschwerde. Das Departement führt u.a. aus, die Auffassung des Obergerichts des Kantons Aargau, das Versickerungsverbot liesse sich nur auf kantonales Gewässerschutzrecht stützen, sei rechtsirrtümlich. Auch das Bundesgesetz über den Gewässerschutz biete eine genügende Handhabe, die Versickerung von Schmutzwasser zu verhindern, die ein ober- oder unterirdisches Gewässer verderben könnte.
D.-
Die Instruktionskommission des Bundesgerichtes hat in Fahrwangen einen Augenschein vorgenommen. Dr. Karl Wuhrmann, Leiter der biologischen Abteilung der Eidg. Anstalt für Wasserversorgung, Abwasserreinigung und Gewässerschutz (EAWAG) und Professor an der ETH, ist als Experte beigezogen worden. Es wurden ihm folgende Fragen gestellt:
"1. Liesse sich auf der Parzelle des Anton Achermann in Fahrwangen eine Versickerung der Abwässer des geplanten Wochenendund Ferienhauses verantworten?
2. Böte gegebenenfalls die Erstellung einer geschlossenen Jauchegrube, welche auf vertraglicher Grundlage periodisch von einem Landwirt oder einem sich mit dieser Aufgabe befassenden gewerblichen Unternehmen zu entleeren wäre, genügend Sicherheit gegen eine Gewässerverschmutzung?
3. Würde der Gewässerschutz durch die Erstellung der von Anton Achermann anlässlich der Experteninstruktion vorgeschlagenen "Dreikammergrube" gegenüber einer Einkammergrube wesentlich verbessert?
4. Würde die Erstellung einer Kleinkläranlage für das Wochenendhaus Achermann eine für die öffentlichen Gewässer gefahrlose Beseitigung der Abwässer erlauben und welche Anforderungen wären gegebenenfalls zu stellen, insbesondere a) an die Klärgrube an sich (z.B. Bauart, Grösse, Wirkungsweise), b) zur Sicherung einer einwandfreien Wartung für die Zukunft, c) an die Ableitung des geklärten Abwassers?"
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Der Regierungsrat stützt seinen ablehnenden Entscheid (soweit er Fragen der Reinhaltung der Gewässer betrifft) allein
BGE 94 I 492 S. 495
auf das kantonale Gewässerschutzgesetz. Das Obergericht beruft sich - mit Recht - hinsichtlich der Frage, ob das Sammeln von Abwasser in einer geschlossenen Grube zulässig sei, auf Bundesrecht. Es glaubt aber, das eidgenössische Gewässerschutzgesetz (GSchG) enthalte keine Vorschrift über das Versickern von Abwässern. Es stützt sich daher in den Erwägungen zu diesem Punkt auf das kantonale Gewässerschutzgesetz vom 22. März 1954.
Nach
Art. 3 Abs. 1 GSchG
dürfen Abwässer jeder Art, insbesondere solche aus Wohn- und Unterkunftsstätten, nur mit Bewilligung des Kantons mittelbar oder unmittelbar in Gewässer eingebracht werden. Durch diese Bestimmung wird ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt aufgestellt. Nach dem Sinn des Gesetzes soll die Erlaubnis nur zurückhaltend und unter sichernden Bedingungen erteilt werden (
BGE 92 I 494
Erw. 2). Mit dieser Regelung ist dem Kanton stillschweigend auch die Befugnis verliehen, eine solche Bewilligung zu verweigern, wenn zu befürchten ist, dass trotz der vorgesehenen Beseitigung des Abwassers öffentliche oder private, ober- oder unterirdische Gewässer verschmutzt würden.
Was allgemein für die Beseitigung von Abwässern gilt, muss auch für das Beiseiteschaffen von Schmutzwasser durch Versickern im besonderen zutreffen. Das Bundesgesetz über den Gewässerschutz hat mit
Art. 3 Abs. 1 GSchG
eine abschliessende Regelung getroffen, wie dies für
Art. 2 Abs. 1 GSchG
zutrifft (vgl.
BGE 84 I 155
ff., bestätigt durch
BGE 86 I 187
). Kantonale Rechtssätze stellen auch hier nur Ausführungsbestimmungen dar - entgegen der von MEIER-HAYOZ (Kommentar zum Sachenrecht, N. 43 zur
Art. 664 ZGB
) geäusserten Meinung.
Das von den kantonalen Behörden ausgesprochene Bauverbot wegen ungenügender Beseitigung der häuslichen Abwässer muss demnach allein vor dem eidgenössischen Gewässerschutzgesetz Bestand haben.
2.
und 3. - (Entgegennahme einer Staatsrechtlichen Beschwerde als Verwaltungsgerichtsbeschwerde).
4.
In Erwägung 1 wurde ausgeführt, dass durch
Art. 3 Abs. 1 GSchG
ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt aufgestellt wird und dass die Kantone allenfalls eine Bewilligung verweigern dürfen, wenn dies der Schutz der Gewässer erheischt. Bei der Wahl zwischen mehreren, an sich möglichen Schutzmassnahmen
BGE 94 I 492 S. 496
ist der verfassungsmässige Grundsatz der Verhältnismässigkeit der Verwaltungsmassnahmen zu beachten (vgl.
BGE 90 I 343
c). Die Verweigerung der Baubewilligung ist ein schwerer Eingriff und darf im Rahmen von
Art. 3 GSchG
nur verfügt werden, wenn andere, weniger einschneidende Verwaltungsmassnahmen erfolglos waren oder angesichts der besonderen Umstände des Falles von vorneherein nicht als geeignet erscheinen, die im Gewässerschutzgesetz angestrebte Ordnung zu sichern (vgl.
BGE 93 I 94
Erw. 3).
Diese Grundsätze bedeuten für den vorliegenden Fall, dass das von den Vorinstanzen bestätigte Bauverbot nur geschützt werden kann, wenn die vom Beschwerdeführer vorgeschlagenen milderen Massnahmen die von
Art. 2 GSchG
geforderte Sauberkeit des Wassers nicht zu gewährleisten vermögen (vgl. auch
BGE 92 I 415
).
5.
Der Beschwerdeführer hat ausdrücklich oder stillschweigend die Einleitung der Abwässer in eine Kanalisation, die Einleitung in einen Vorfluter, die Versickerung nach Vorklärung in einem Faulraum und den Bau einer abflusslosen Sammelgrube vorgeschlagen.
a) Der Experte hat geprüft, ob die Abwässer von der vorgesehenen Baute aus den Kanalisationen von Fahrwangen oder Meisterschwanden zugeleitet werden könnten. Er kommt zum Ergebnis, dass der Anschluss an die bestehenden Kanalisationen wegen ihrer grossen Entfernung nicht möglich sei. Auch bei Vollausbau der Kanalisationsnetze von Meisterschwanden und Fahrwangen wäre das Ende des nächsten und tiefer gelegenen Stranges in der Luftlinie erst in rund 1,3 km Entfernung erreichbar. In Sachen Hell (
BGE 92 I 511
/12) hat das Bundesgericht erkannt, mit Rücksicht auf die begrenzte Leistungsfähigkeit eines Kanalisationsnetzes könne der Anschluss von ausserhalb des Kanalisationsperimeters gelegenen Grundstücken ohne Willkür verweigert werden. Unter diesen Umständen kann der Vorschlag, die häuslichen Abwässer einem Kanalisationsstrang zuzuleiten, nicht berücksichtigt werden.
b) Als weiteres Mittel, um die Abwasserfrage zu lösen, erwähnt der Beschwerdeführer - sinngemäss - die Einleitung in einen Vorfluter. Nach einer Mitteilung in der Zeitschrift PLAN (Jahrgang 1960 S. 171) wurde infolge der Zufuhr von Abwasser aus den Wohnsiedlungen und den Industrien der direkten Nachbarschaft,
BGE 94 I 492 S. 497
namentlich aber auch durch die Nährstoffzufuhr aus dem Baldeggersee, der Hallwilersee von Jahr zu Jahr stärker eutrophiert. Im Frühjahr und Herbst verwandelt sich die Seeoberfläche infolge des starken Wachstums der Burgunderblutalge in eine braunrote Brühe. Ähnliche Verhältnisse entstehen im Sommer bei windigem Wetter. Das Baden wird verunmöglicht und die Nutzung des Sees als Fischereigewässer beeinträchtigt. Bei diesen Verhältnissen scheide der See als Trinkwasserreservoir aus (PLAN a.a.O.). Der Experte führt aus, die kantonale Behörde habe sich mit grossen Opfern seitens des Kantons und der beteiligten Gemeinden dazu entschlossen, die Abwässer aus den Siedelungen in einer Ringleitung abzufangen, um jede direkte Zufuhr in den See zu verhindern. Diese Massnahme bezwecke, den See von der abwasserbedingten Zufuhr von Düngestoffen möglichst zu entlasten. Es wäre nicht sinnvoll, eine Durchlöcherung dieses Prinzipes zuzulassen. Da der Hallwilersee besonders stark verschmutzt und seine Gesundung dringlich ist, scheidet auch der zweite Vorschlag des Beschwerdeführers aus.
c) Der Beschwerdeführer beruft sich darauf, in Fahrwangen sei zwei Hausbesitzern die Versickerung der Abwässer erlaubt worden.
Der Experte erklärte, es wäre an sich denkbar, das Abwasser in einem ausreichend dimensionierten dreikammerigen Faulraum (Inhalt rund 10-20 m3) vorzureinigen und dann versickern zu lassen. Dennoch schliesst er diese Lösung im vorliegenden Fall aus. Er hält dafür, dass die Versickerung das Grundwasser sowohl im Schachtbrunnen des Beschwerdeführers selbst als auch in der benachbarten Äscherweid gefährde. Ein Versickern des Schmutzwassers ist daher nach Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit
Art. 3 Abs. 1 GSchG
nicht zulässig, auch wenn jenes Grundwasser heute noch nicht genutzt wird und wegen seines geringen Ausmasses nicht als öffentliches Grundwasser erklärt worden ist. Die Rüge rechtsungleicher Behandlung geht fehl, weil in den angeführten Fällen die Versickerung nur vorläufig zugelassen wurde. Somit erweist sich auch dieser Vorschlag zur Lösung der Abwasserfrage als ungeeignet.
d) Schliesslich hat der Beschwerdeführer die landwirtschaftliche Verwertung des Abwassers nach Erstellen einer abflusslosen Sammelgrube vorgeschlagen. Der Regierungsrat weist auf die Gefahr einer Verunreinigung hin, die mangels regelmässiger
BGE 94 I 492 S. 498
Leerung durch überlaufende Abwässer entsteht. Der Gutachter führt aus, dass es theoretisch möglich sei, völlig dichte Gruben zu erstellen. Er erklärt sie gleichwohl als unzuverlässig; denn die Praxis zeige, dass solche Bauwerke bei herkömmlicher Bauweise häufig nach kurzer Zeit Verluste aufzeigen und eine Dauergarantie für die Dichtigkeit nicht gegeben werden könne. In der Tat hat eine Kontrolle im Kanton Aargau ergeben, dass 70% der untersuchten Gruben durchlöchert waren (vgl. ROLF MEYER, Heutige Aufgaben der Landesplanung, in PLAN 1963 S. 83 und 95). Zu ähnlichen Feststellungen gelangte der Regierungsrat des Kantons Luzern (vgl. SJZ 1965 S. 193). Wie sehr diese Bedenken auch ins Gewicht fallen, so können sie nicht dazu führen, abflusslose Sammelgruben von vorneherein zu verbieten.
aa) Auf den 1. März 1968 sind die Technischen Tankvorschriften vom 27. Dezember 1967 in Kraft getreten (AS 1968 S. 257 ff.). Nach Art. 1 bezwecken sie die Verhinderung von Flüssigkeitsverlusten u.a. bei den Einrichtungen zur Lagerung von flüssigen Treib- und Brennstoffen. Die Vorschriften regeln insbesondere die Herstellung, den Einbau und die Wartung von Brenn- und Treibstoffbehältern; sie sind sinngemäss auf alle Lagereinrichtungen für andere wassergefährdende Flüssigkeiten anzuwenden (Abs. 2). Ist aber die Lagerung der gefährlichen Mineralöle zulässig, sofern Sicherheitsvorschriften beachtet werden, so kann die Speicherung häuslicher Abwässer nicht einfach verboten sein. Angesichts der damit verbundenen Gefahren können jedoch die Kantone Sammelgruben gestützt auf
Art. 2 GSchG
bewilligungspflichtig erklären und die Bewilligung von sichernden Bedingungen und Auflagen abhängig machen (vgl. auch § 79 der Novelle vom 2. Juli 1967 des Wassergesetzes vom 15. Dezember 1901 des Kantons Zürich). An solche Sicherungen ist ein strenger Massstab anzulegen:
- Eine abflusslose Grube muss vollständig dicht sein (vgl. NÄF, Das Grundwasser und seine Verschmutzungsgefahr, in PLAN 1965 S. 189). Sie ist nach den anerkannten Regeln der Baukunde zu planen und mit einwandfreiem Material auszuführen. Sie darf weder Abläufe noch Überläufe aufweisen. Die Bauleitung ist ausgewiesenen Fachleuten zu übertragen. Der Rauminhalt des Sammelbeckens hat sich nach der Belegung des Wohnhauses zu richten. Vor der Inbetriebnahme ist die geschlossene Grube der zuständigen Amtsstelle zur Kontrolle
BGE 94 I 492 S. 499
vorzuweisen. Nachher ist die Grube durch eine Fachfirma in angemessenen Zeitabständen zu überholen (vgl. hiezu Art. 12 Abs. 2 der Technischen Tankvorschriften).
- Die Schmutzwasser müssen regelmässig und in genügend kurzen Intervallen in einer Weise geleert werden, die den Anforderungen des Gewässerschutzgesetzes entspricht. Die Kantone können prüfen, ob die vertraglich mit der Leerung betraute Person oder Firma Gewähr für eine gesetzeskonforme Erfüllung des Vertrages bietet. Sofern sich keine Kläranlage findet, die sich zur Abnahme des Schmutzwassers eignet, bleibt lediglich die Verwertung auf landwirtschaftlichem Boden. In diesem Falle muss es möglich sein, die Jauche langfristig auszubringen. Die Kantone können deshalb gestützt auf
Art. 2 GSchG
vorschreiben, dass Ausbringungsverträge zeitlich unbegrenzt und mit dinglicher Sicherung abgeschlossen werden: durch Grundlast im Sinne von
Art. 782 ff. ZGB
, wenn der Eigentümer geeigneten Landes selbst die Ausbringung des Schmutzwassers übernimmt; durch Grunddienstbarkeit gemäss
Art. 730 ff. ZGB
, wenn er lediglich Grund und Boden für diesen Zweck zur Verfügung stellt.
- Der verpflichtete Landwirt muss in der Lage sein, die häuslichen Abwasser ohne Übermass zu verwerten. Es hat also aus den Akten hervorzugehen, dass die dem belasteten Landwirt zur Verfügung stehenden Grundstücke bezüglich Grösse und Nutzung zur Übernahme geeignet sind. Zu berücksichtigen sind dabei die einschränkenden Bedingungen des Milchregulativs. Nach Art. 6 Abs. 1 in der Fassung vom 26. Februar 1963 (AS 1963 S. 382) ist "jede übertriebene, einseitige oder zur unrichtigen Zeit ausgeführte Düngung" verboten. Es ist deshalb bei der Berechnung des Rauminhaltes der Grube ausserdem zu beachten, dass die häuslichen Abwasser nicht jederzeit ausgeführt werden dürfen (
BGE 92 I 412
).
bb) Geht man hievon aus, hat die Vorinstanz den Vorschlag, eine abflusslose Sammelgrube zu erstellen, so wie sie sich der Beschwerdeführer vorstellt, mit Recht abgelehnt. Zwar ist dem Experten darin beizupflichten, dass dem Landwirt Fankhauser auch für die vorgesehenen 30 m3 Abwasser aus dem Hause Achermanns genügend Ackerland als Verwertungsfläche zur Verfügung stände. Richtig ist auch, dass sich Fankhauser vertraglich verpflichtet, das Abwasser zur landwirtschaftlichen Verwertung zu übernehmen. Indessen fehlt es an einer dinglichen
BGE 94 I 492 S. 500
Sicherung, d.h. die vertragliche Verpflichtung ist nicht zu einer im Grundbuch eingetragenen Grundlast ausgestaltet worden. Der Beschwerdeführer hat auch nicht dargetan, dass ihm ein Anspruch zustehe, seine Jauche der Kläranlage einer Gemeinde zuzuführen. Ob das Projekt der Sammelgrube den anerkannten Regeln der Baukunde entspreche, kann unter diesen Umständen offen bleiben. Unerheblich ist zur Zeit überdies, ob der Beschwerdeführer die geschlossene Jauchegrube mit einem Ein- oder Dreikammersystem ausrüsten will.
6.
Kann mit milderen Massnahmen die vom Gewässerschutzgesetz angestrebte Sauberkeit des ober- und unterirdischen Wassers im vorliegenden Fall nicht erreicht werden, so hat es bei dem von den Vorinstanzen verfügten Bauverbot zu bleiben. Doch ist dieses Verbot nicht endgültig. Schlägt der Beschwerdeführer später beispielsweise eine geschlossene Grube vor, die - gemessen an dem in
Art. 2 GSchG
umschriebenen Zweck - keinen Bedenken ruft und deren Inhalt gemäss einer im Grundbuch eingetragenen Grundlast von einem Landwirt übernommen wird, dann müsste (unter Vorbehalt von Verweigerungsgründen, die auf dem kantonalen Natur- und Heimatschutzgesetz beruhen) die Baubewilligung - mit Auflagen und Bedingungen - nachträglich erteilt werden. Einem neuen Begehren des Beschwerdeführers könnte nicht entgegengehalten werden, die frühere Entscheidung sei in Rechtskraft erwachsen und sei daher unabänderlich (vgl.
BGE 90 I 200
Erw. 5).
7.
...
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden kann. | public_law | nan | de | 1,968 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
2f253801-5d39-444a-a922-e687dc18c9a4 | Urteilskopf
98 II 276
40. Urteil der II. Zivilabteilung als Staatsgerichtshof vom 9. November 1972 i.S. X. gegen B.-K. und Mitbeteiligte und Obergericht des Kantons Zürich. | Regeste
Willkürliche Weigerung, dem Willensvollstrecker die Erbschaftsverwaltung zu übertragen (
Art. 554 Abs. 2 ZGB
,
Art. 4 BV
).
1. Zulässigkeit der staatsrechtlichen Beschwerde (Art. 84 Abs. 2, 86 Abs. 2 und 87 OG; Erw. 1-3).
2. Die Übertragung der Erbschaftsverwaltung an den Willensvollstrecker darf nicht schon deshalb abgelehnt werden, weil zwischen ihm und den Erben Spannungen bestehen und die Erben erklären, dass er ihr Vertrauen nicht geniesse. Das Misstrauen der Erben gegen den Willensvollstrecker kann seine Ernennung zum Erbschaftsverwalter nur dann hindern, wenn Tatsachen dargetan sind, die ernstliche Zweifel an seiner Vertrauenswürdigkeit rechtfertigen (Erw. 4). | Sachverhalt
ab Seite 277
BGE 98 II 276 S. 277
Tatbestand:
Siehe lit. A und B des vorstehend (unter Nr. 39) abgedruckten Urteils, mit welchem das Bundesgericht auf die Berufung des Willensvollstreckers Dr. X. gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Zürich vom 5. Juni 1972 nicht eingetreten ist.
Im Anschluss an dieses Urteil hat das Bundesgericht die staatsrechtliche Beschwerde des Dr. X. gegen den eben erwähnten Entscheid gutgeheissen und diesen Entscheid aufgehoben.
Erwägungen
Erwägungen:
1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte der Bürger (
Art. 84 Abs. 1 lit. a OG
) ist nach
Art. 84 Abs. 2 OG
nur zulässig, wenn die behauptete Rechtsverletzung nicht sonstwie durch Klage oder Rechtsmittel beim Bundesgericht oder einer andern Bundesbehörde gerügt werden kann. Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Falle erfüllt, da der angefochtene Entscheid der Berufung an das Bundesgericht nicht unterliegt und die geltend gemachte Rechtsverletzung auch nicht durch einen andern Rechtsbehelf beim Bundesgericht oder einer andern Bundesbehörde gerügt werden kann.
2.
Die Beschwerde wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte der Bürger ist nach
Art. 86 Abs. 2 OG
unter Vorbehalt
BGE 98 II 276 S. 278
der dort genannten Ausnahmefälle, von denen keiner vorliegt, erst zulässig, nachdem von den kantonalen Rechtsmitteln Gebrauch gemacht worden ist.
Die Anordnung einer Erbschaftsverwaltung ist als solche vor Obergericht nicht angefochten worden. Der Beschwerdeführer hat gegen diese vom Einzelrichter getroffene Massnahme nicht an das Obergericht rekurriert. Soweit sich die vorliegende Beschwerde gegen diese Massnahme richtet, ist sie also nach
Art. 86 Abs. 2 OG
nicht zulässig.
Hinsichtlich der Frage, ob die Erbschaftsverwaltung dem Willensvollstrecker oder einer andern Person zu übertragen sei, sind die kantonalen Rechtsmittel erschöpft; denn gegen Rekursentscheide des Obergerichts in nichtstreitigen Rechtssachen ist nach der zürcherischen Praxis (ZR 61 Nr. 101) die Nichtigkeitsbeschwerde an das Kassationsgericht nicht gegeben.
3.
Die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von
Art. 4 BV
ist nach
Art. 87 OG
erst gegen letztinstanzliche Endentscheide zulässig, gegen letztinstanzliche Zwischenentscheide nur, wenn sie für den Betroffenen einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil zur Folge haben.
Ein kantonaler Entscheid, der das Verfahren abschliesst, in welchem er zustande gekommen ist, stellt einen Endentscheid im Sinne von
Art. 87 OG
dar, mag er sich als Sachentscheid erweisen oder das Verfahren aus prozessualen Gründen beenden (
BGE 94 I 368
Erw. 3 mit Hinweisen). Der angefochtene Entscheid beendet das Verfahren, das durch die Einsprache der Frau K. gegen das sie enterbende Testament veranlasst worden ist und zur Anordnung einer Erbschaftsverwaltung sowie zu deren Übertragung an einen Notar geführt hat. Dieses Verfahren ist nicht etwa derart auf ein anderes Verfahren bezogen und ihm untergeordnet, dass beide Verfahren ihrem Gegenstande nach als Einheit erschienen (vgl. hiezu
BGE 94 I 369
). Insbesondere steht dieses Verfahren, das eine Massnahme zur Sicherung des Erbgangs (vgl. die Überschrift der
Art. 551-559 ZGB
), also eine Angelegenheit der nichtstreitigen Gerichtsbarkeit zum Gegenstand hat, nicht etwa zu einem allfälligen Prozess über die Gültigkeit der Enterbung oder die Teilung der Erbschaft in einer solchen Beziehung. Der angefochtene Entscheid, der dem Beschwerdeführer die Befugnis zur Verwaltung der Erbschaft nicht etwa bloss für die Dauer des erwähnten Verfahrens, sondern für die ganze Dauer der Erbschaftsverwaltung
BGE 98 II 276 S. 279
entzieht, ist also ein Endentscheid im Sinne von
Art. 87 OG
.
Auf die Beschwerde ist daher einzutreten, soweit sie sich dagegen richtet, dass anstelle des Beschwerdeführers ein Notar zum Erbschaftsverwalter ernannt worden ist.
4.
Das Bundesgericht kann die Auslegung und Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen, welche die kantonale Instanz ihrem Entscheid zugrunde gelegt hat, auf staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von
Art. 4 BV
hin nicht frei, sondern nur auf das Vorliegen von Willkür oder Rechtsungleichheit überprüfen (
BGE 90 I 139
). Willkür ist nach der Rechtsprechung namentlich dann anzunehmen, wenn der angefochtene Akt eine Norm oder einen klaren und unumstrittenen Rechtsgrundsatz offensichtlich schwer verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft (vgl. den eben angeführten Entscheid).
Hat der Erblasser einen Willensvollstrecker bezeichnet, so ist die Erbschaftsverwaltung nach
Art. 554 Abs. 2 ZGB
ihm zu übergeben. Diese Vorschrift gilt freilich nicht absolut. Die zuständige Behörde muss vielmehr die Möglichkeit haben, eine andere Person zum Erbschaftsverwalter zu ernennen, wenn der Willensvollstrecker die zur Besorgung der Verwaltung notwendigen Eigenschaften nicht besitzt (ESCHER, 3. Aufl., N. 9, und TUOR/PICENONI, N. 12 zu
Art. 554 ZGB
). Das kann namentlich dann der Fall sein, wenn dem Willensvollstrecker die erforderlichen Fähigkeiten abgehen oder wenn er nicht vertrauenswürdig ist.
Im angefochtenen Entscheid hat das Obergericht dem Willensvollstrecker weder die nötigen Fähigkeiten noch die Vertrauenswürdigkeit abgesprochen. Es begründet seinen Entscheid vielmehr nur damit, dass zwischen dem Willensvollstrecker und den Erben starke Spannungen bestünden und dass er das Vertrauen der Erben nicht geniesse. Ob die ablehnende Haltung der Erben gegenüber dem Willensvollstrecker objektiv begründet sei, hat es als unerheblich offen gelassen. Damit hat es sich offensichtlich über den Sinn des
Art. 554 Abs. 2 ZGB
und der übrigen Vorschriften über die Stellung und die Befugnisse des Willensvollstreckers hinweggesetzt. Der Willensvollstrecker ist nämlich nicht Beauftragter der Erben, sondern hat diesen gegenüber eine selbständige Stellung (
BGE 90 II 380
f. Erw. 2). Die Erfüllung seiner Aufgabe, den letzten Willen des Erblassers zur
BGE 98 II 276 S. 280
Geltung zu bringen (
Art. 518 Abs. 2 ZGB
), kann zu Meinungsverschiedenheiten mit den Erben führen und zwischen ihm und den Erben starke Spannungen hervorrufen. Wäre das Bestehen solcher Spannungen für sich allein ein genügender Grund, ihm die Erbschaftsverwaltung nicht zu übertragen, so würde die Regel des
Art. 554 Abs. 2 ZGB
in vielen Fällen illusorisch und würden die dem Willensvollstrecker zustehenden Befugnisse in einer dem Zweck dieser Institution klar widersprechenden Weise eingeschränkt. Das gleiche gälte auch dann, wenn die blosse Tatsache, dass die Erben dem Willensvollstrecker nicht vertrauen, die Übertragung der Erbschaftsverwaltung an eine andere Person zu rechtfertigen vermöchte. Die Erben könnten in diesem Falle die Anwendung von
Art. 554 Abs. 2 ZGB
mit der blossen Behauptung verhindern, sie hätten kein Vertrauen zum Willensvollstrecker. Das kann unmöglich die Meinung des Gesetzes sein. Das Misstrauen der Erben lässt sich der Ernennung des Willensvollstreckers zum Erbschaftsverwalter, soll
Art. 554 Abs. 2 ZGB
nicht in missbräuchlicher Weise umgangen werden können, nur dann entgegenhalten, wenn es begründet ist, d.h. wenn Tatsachen dargetan sind, die ernstliche Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit des Willensvollstreckers rechtfertigen. Indem das Obergericht die Erbschaftsverwaltung einem Notar übertrug, ohne zu prüfen, ob die Vorwürfe der Erben gegen den Willensvollstrecker stichhaltig seien oder nicht, hat es sich also in willkürlicher Weise über die Regel des
Art. 554 Abs. 2 ZGB
hinweggesetzt.
Ist der angefochtene Entscheid aus diesem Grunde aufzuheben, so kann dahingestellt bleiben, ob das Obergericht den
Art. 4 BV
auch dadurch verletzt habe, dass es ohne Begründung von seiner bisherigen Praxis in solchen Fällen abwich, wie in der Beschwerdeschrift ebenfalls behauptet wird. | public_law | nan | de | 1,972 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
2f310b5e-be4d-4268-8cc9-a96433c54172 | Urteilskopf
137 V 282
30. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. S. gegen Schweizerische Ausgleichskasse (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
9C_777/2010 vom 15. Juni 2011 | Regeste
Art. 34 Ziff. 1 des Abkommens vom 10. April 1996 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Republik Slowenien über Soziale Sicherheit; Art. 107 Abs. 6 Verordnung (EWG) 574/72;
Art. 20 Abs. 1 Satz 1 VFV
(in der bis 31. Dezember 2007 in Kraft gewesenen Fassung).
Weder das Abkommens- (E. 3.1) noch das Gemeinschafts- (E. 3.2-3.7) oder das innerstaatliche Recht (E. 3.8) enthalten eine direkt anwendbare Regel zur Frage, in welcher Währung die AHV-Altersrente einer in ihrem Heimatland Slowenien wohnenden Versicherten auszuzahlen ist. Es rechtfertigt sich die analoge Anwendung von
Art. 20 Abs. 1 Satz 1 VFV
(E. 3.9 und 3.10).
Beabsichtigt die Schweizerische Ausgleichskasse, die Altersrente der (in ihrer Heimat Slowenien wohnhaften) Versicherten nicht wie bis anhin in Schweizer Franken, sondern neu in Euro auszuzahlen, müssen die Voraussetzungen für eine Praxisänderung erfüllt sein (E. 4). | Sachverhalt
ab Seite 283
BGE 137 V 282 S. 283
A.
A.a
Die am 13. März 1936 geborene S. wohnt in ihrem Heimatland Slowenien. Seit 1. April 1998 richtet ihr die Schweizerische Ausgleichskasse (SAK) eine schweizerische Altersrente in Schweizer Franken aus. Die Postfinance als von der SAK beauftragter Finanzdienstleister teilte der Versicherten im Februar 2006 mit, dass die Rentenbetreffnisse "infolge einer Umstellung" ab Juni 2006 in Euro überwiesen würden. In der Folge ersuchte S. die SAK darum, die Rente weiterhin in Schweizer Franken auszuzahlen oder ihre Rechtsauffassung zumindest in einer anfechtbaren Verfügung mitzuteilen. Als die SAK ihr mitteilte, sie könne keine Verfügung erlassen, reichte S. Beschwerde wegen Rechtsverweigerung ein, welche die Eidgenössische Rekurskommission der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung für die im Ausland wohnenden Personen mit Entscheid vom 20. November 2006 abwies.
A.b
Die von der Versicherten dagegen erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde hiess das Bundesgericht mit Urteil H 12/07 vom 31. März 2008 teilweise gut. Es wies die Sache an das Bundesverwaltungsgericht zurück, damit es im Sinne der Erwägungen verfahre. Es erwog, dass die SAK die neu eingeführte Zahlungsmodalität zwar zu verfügen hätte, eine Rückweisung der Sache an die SAK zum Erlass einer anfechtbaren Verfügung indessen gegen die Prozessökonomie verstossen würde, weil die SAK sowohl vor als auch nach Einleitung des Rechtsverweigerungsverfahrens kundgetan habe, wie sie entschieden hätte. Es sei deshalb so zu halten, wie wenn eine formelle Verfügung ergangen wäre. Das Bundesverwaltungsgericht werde über die streitige Frage, ob es rechtens sei, dass die Altersrente in Euro ausbezahlt werde, materiell zu befinden haben.
BGE 137 V 282 S. 284
B.
Innert der ihr vom Bundesverwaltungsgericht eingeräumten Frist stellte S. das Rechtsbegehren, die SAK sei anzuweisen, ihre künftigen Leistungen wieder in Schweizer Franken zu tätigen, die seit Juni 2006 bis und mit letzter Zahlung in Euro fälligen AHV-Renten in Schweizer Franken zu bezahlen und den durch den Zwangsumtausch erwirtschafteten Gewinn zurückzuerstatten (samt Verzugszins).
Das Bundesverwaltungsgericht wies die Beschwerde ab, soweit es darauf eintrat (Entscheid vom 9. Juli 2010).
C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt S. die Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides. Sie erneuert im Wesentlichen das vor Bundesverwaltungsgericht gestellte Rechtsbegehren.
Die SAK und das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) schliessen auf Abweisung der Beschwerde.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut, soweit es darauf eintritt.
(Zusammenfassung)
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
3.1
Am 1. August 1997 ist das Abkommen vom 10. April 1996 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Republik Slowenien über Soziale Sicherheit (SR 0.831.109.691.1) in Kraft getreten. Gemäss Art. 34 dieses Abkommens werden die Träger, die nach diesem Abkommen Leistungen zu erbringen haben, durch Zahlung in ihrer Landeswährung von ihrer Verpflichtung befreit (Ziff. 1). Hat ein Träger des einen Vertragsstaates an einen Träger des anderen Vertragsstaates Zahlungen vorzunehmen, so sind diese in der Währung des zweiten Vertragsstaates zu leisten (Ziff. 2).
3.2
Seit 1. April 2006 (vgl. Protokoll vom 26. Oktober 2004 zum Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit im Hinblick auf die Aufnahme von neuen Mitgliedstaaten als Vertragsparteien infolge ihres Beitritts zur Europäischen Union; AS 2006 995) ist die Republik Slowenien Vertragspartei des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die
BGE 137 V 282 S. 285
Freizügigkeit (Freizügigkeitsabkommen, FZA; SR 0.142.112.681). Das Freizügigkeitsabkommen setzt die verschiedenen bis dahin geltenden bilateralen Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und den einzelnen Mitgliedstaaten der Europäischen Union insoweit aus, als darin derselbe Sachbereich geregelt wird (
Art. 20 FZA
).
Anwendbar sind damit primär das FZA, die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbstständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (SR 0.831.109.268.1; nachfolgend: Verordnung 1408/71), sowie die Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 (SR 0.831.109.268.11; nachfolgend: Verordnung 574/72; vgl. auch Art. 153a Abs. 1 Bst. a AHVG).
3.3
Unter Vorbehalt der gemeinschafts- bzw. abkommensrechtlichen Vorgaben sind die Ausgestaltung des Verfahrens, die Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen und die Berechnung der schweizerischen Altersrente Sache des innerstaatlichen Rechts (vgl.
BGE 131 V 209
E. 5.3 S. 214;
BGE 130 V 51
; SVR 2004 AHV Nr. 16 S. 49, H 39/03; vgl. auch SVR 2006 ALV Nr. 24 S. 82, C 290/03 E. 1.2).
3.4
Gemäss
Art. 2 FZA
in Verbindung mit Art. 3 Verordnung 1408/71 haben Personen, die im Gebiet eines Mitgliedstaates wohnen und für die diese Verordnung gilt, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates wie die Staatsangehörigen dieses Staates, soweit besondere Bestimmungen dieser Verordnung nichts anderes vorsehen.
3.5
Art. 88 Verordnung 1408/71 bestimmt, dass Geldüberweisungen gegebenenfalls auf Grund dieser Verordnung nach Massgabe der Vereinbarungen vorgenommen werden, die in diesem Bereich zwischen den beteiligen Mitgliedstaaten zum Zeitpunkt der Überweisung gelten. Bestehen keine solchen Vereinbarungen zwischen zwei Mitgliedstaaten, vereinbaren die zuständigen Behörden dieser Staaten oder die für den internationalen Zahlungsverkehr zuständigen Behörden die zur Durchführung dieser Überweisung erforderlichen Massnahmen.
Nach Art. 89 Verordnung 1408/71 sind die Besonderheiten bei der Anwendung der Rechtsvorschriften bestimmter Mitgliedstaaten im
BGE 137 V 282 S. 286
Anhang VI aufgeführt. Betreffend Slowenien existieren keine derartigen besonderen Bestimmungen (Bst. W Anhang VI).
Die Verordnung 1408/71 enthält somit keine Regelungen betreffend die Zahlung der Altersrente von der Schweiz nach Slowenien.
3.6
Die Verordnung 574/72 enthält verschiedene, hier einschlägige Bestimmungen.
3.6.1
Art. 53 Verordnung 574/72 sieht vor:
(1) Zahlt der leistungspflichtige Träger eines Mitgliedstaats den Berechtigten, die im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnen, die ihnen geschuldeten Leistungen nicht unmittelbar, so erfolgt die Zahlung dieser Leistungen auf Verlangen des leistungspflichtigen Trägers durch die Verbindungsstelle des letztgenannten Staates oder durch den Träger des Wohnorts dieser Berechtigten nach Massgabe der Artikel 54 bis 58 der Durchführungsverordnung; zahlt der leistungspflichtige Träger die Leistungen an die Berechtigten unmittelbar, so teilt er dem Träger des Wohnorts dies mit. Die Zahlungsweise der Träger der Mitgliedstaaten ist in Anhang 6 aufgeführt.
(2) Zwei oder mehr Mitgliedstaaten oder die zuständigen Behörden dieser Mitgliedstaaten können in den Fällen, in denen nur die zuständigen Träger dieser Mitgliedstaaten beteiligt sind, andere Verfahren für die Zahlung dieser Leistungen vereinbaren. Solche Vereinbarungen sind der Verwaltungskommission mitzuteilen.
(3) Die am Tag vor dem Inkrafttreten der Verordnung geltenden Abkommensbestimmungen über die Zahlung der Leistungen gelten weiter, soweit sie in Anhang 5 aufgeführt sind.
Anhang 5 (am Ende) ist für die Schweiz als gegenstandslos erklärt, weshalb Abs. 3 von Art. 53 Verordnung 574/72 keine Anwendung findet. Nach Bst. W Anhang 6 werden die laufenden Zahlungen nach Slowenien unmittelbar vorgenommen. Art. 54 bis 56 Verordnung 574/72 betreffen die nicht unmittelbare Zahlung und kommen vorliegend somit ebenfalls nicht zur Anwendung.
Aufgrund der Aktenlage ist davon auszugehen, dass die SAK als zuständige schweizerische Behörde keine besondere Vereinbarung gemäss Abs. 2 von Art. 53 Verordnung 574/72 mit der zuständigen slowenischen Behörde abgeschlossen hat, um ein anderes Verfahren für die Zahlung der Leistungen zu regeln.
Demnach regeln die genannten Bestimmungen für den vorliegenden Fall einzig, dass die Rente der Beschwerdeführerin direkt auszurichten ist.
3.6.2
Art. 107 Verordnung 574/72 normiert die Währungsumrechnung wie folgt:
BGE 137 V 282 S. 287
(1) Zur Durchführung der folgenden Vorschriften:
a) Verordnung: Artikel 12 Absätze 2, 3 und 4, Artikel 14d Absatz 1, Artikel 19 Absatz 1 Buchstabe b) letzter Satz, Artikel 22 Absatz 1 Ziffer ii) letzter Satz, Artikel 25 Absatz 1 Buchstabe b) vorletzter Satz, Artikel 41 Absatz 1 Buchstaben c) und d), Artikel 46 Absatz 4, Artikel 46a Absatz 3, Artikel 50, Artikel 52 Buchstabe b) letzter Satz, Artikel 55 Absatz 1 Ziffer ii) letzter Satz, Artikel 70 Absatz 1 Unterabsatz 1, Artikel 71 Absatz 1 Buchstabe a) Ziffer ii) und Buchstabe b) Ziffer ii) vorletzter Satz,
b) Durchführungsverordnung: Artikel 34 Absätze 1, 4 und 5
wird für die Umrechnung von auf eine Währung lautenden Beträgen in eine andere Währung der von der Kommission errechnete Kurs verwendet, der sich auf das monatliche Mittel der von der Europäischen Zentralbank veröffentlichten Referenzwechselkurse der Währungen während des in Absatz 2 bestimmten Bezugszeitraums stützt.
(2) Bezugszeitraum ist
- der Monat Januar für die ab dem darauffolgenden 1. April anzuwendenden Umrechnungskurse,
- der Monat April für die ab dem darauffolgenden 1. Juli anzuwendenden Umrechnungskurse,
- der Monat Juli für die ab dem darauffolgenden 1. Oktober anzuwendenden Umrechnungskurse,
- der Monat Oktober für die ab dem darauffolgenden 1. Januar anzuwendenden Umrechnungskurse.
(3) ...
(4) Die Verwaltungskommission setzt auf Vorschlag des Rechnungsausschusses den Zeitpunkt fest, der bei der Festlegung der in den Fällen nach Absatz 1 anzuwendenden Umrechnungskurse zu berücksichtigen ist.
(5) Die in den von Absatz 1 erfassten Fällen anzuwendenden Umrechnungskurse werden im vorletzten Monat vor dem Monatsersten, ab dem sie anzuwenden sind, im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht.
(6) In den von Absatz 1 nicht erfassten Fällen erfolgt die Umrechnung sowohl bei Leistungszahlung als auch bei Erstattung zum am Tag der Zahlung geltenden amtlichen Wechselkurs.
Von den in Abs. 1 Bst. a erwähnten Bestimmungen der Verordnung 1408/71 beschlagen die sich auf die Altersrenten beziehenden Normen der Art. 46 Abs. 4, Art. 46a Abs. 3 und Art. 50 nicht den vorliegend zu beurteilenden Sachverhalt. Die in Abs. 1 Bst. b erwähnten Bestimmungen der Verordnung 574/72 betreffen nicht die Altersrenten und damit ebenfalls nicht den zu beurteilenden Sachverhalt.
BGE 137 V 282 S. 288
In der Folge kommt Art. 107 Abs. 6 Verordnung 574/72 zur Anwendung, wonach die Leistungszahlung zum am Tag der Zahlung geltenden amtlichen Wechselkurs erfolgt. Dabei wird in der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (vgl. Urteile des EuGH vom 1. Oktober 1992 C-201/91
Grisvard und Kreitz
, Slg. 1992 I-5009; vom 5. Mai 1983 238/81
Raad van Arbeid gegen Van der Bunt-Craig
, Slg. 1983 S. 1385; vom 14. Mai 1981 98/80
Romano gegen Institut national d'assurance maladie-invalidité
, Slg. 1981 S. 1241) stillschweigend vorausgesetzt, dass die Auszahlung in der Währung des Wohnsitzstaates erfolgt (vgl. auch Beschluss Nr. 139 vom 30. Juni 1989 der Verwaltungskommission der Europäischen Gemeinschaften für die Soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer, ABl. C 94 vom 12. April 1990 S. 3).
3.7
Zusammenfassend ergibt sich, dass die Rente der Beschwerdeführerin aufgrund des FZA und seiner Ausführungsverordnungen vom schweizerischen Versicherungsträger direkt (Art. 53 Verordnung 574/72 und Bst. W Anhang 6) und zwar zum am Tag der Zahlung geltenden amtlichen Wechselkurs auszurichten ist (Art. 107 Abs. 6 Verordnung 574/72). Damit ist nichts darüber gesagt, in welcher Währung die Altersrente zu bezahlen ist. Die Rechtsanwendung in der Europäischen Union spricht jedoch dafür, dass die Auszahlung in der Währung des Wohnsitzstaates erfolgt.
3.8
Im schweizerischen Recht findet sich (ebenfalls) keine direkt anwendbare Regel zur Frage, in welcher Währung die Altersrente auszuzahlen ist. Nach den zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Entscheid enthalten weder das ATSG (SR 830.1) noch die AHVV (SR 831.101) einschlägige Bestimmungen:
Nach
Art. 19 ATSG
werden die periodischen Geldleistungen in der Regel monatlich bezahlt (Abs. 1). Renten werden stets für den ganzen Kalendermonat im Voraus ausbezahlt (Abs. 3 Satz 1).
Gemäss
Art. 72 AHVV
erteilen die Ausgleichskassen die Zahlungsaufträge der Post oder der Bank rechtzeitig, so dass die Auszahlung bis zum 20. Tag des Monats erfolgen kann. Als Nachweis der Auszahlung der Rente oder Hilflosenentschädigung gelten kasseninterne Auszahlungslisten und Belastungsanzeigen der Schweizerischen Post oder der Bank (
Art. 73 AHVV
).
In organisatorischer Hinsicht wird in
Art. 113 AHVV
geregelt, dass unter der Bezeichnung "Schweizerische Ausgleichskasse" im Rahmen der Zentralen Ausgleichsstelle eine besondere Ausgleichskasse
BGE 137 V 282 S. 289
errichtet wird, der insbesondere die Durchführung der freiwilligen Versicherung und der ihr durch zwischenstaatliche Vereinbarungen zugewiesenen Aufgaben obliegt (Abs. 1). Das Kassenreglement wird vom Eidgenössischen Finanzdepartement (EFD) in Einvernehmen mit dem Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten und dem Departement des Innern erlassen (Abs. 2).
Bezüglich der Auszahlung von Renten im Ausland hält
Art. 123 Abs. 1 AHVV
fest, dass die im Ausland wohnenden Rentenberechtigten die Rente durch die Schweizerische Ausgleichskasse erhalten.
Der Zahlungsverkehr der Ausgleichskassen ist soweit möglich über ein Post- oder Bankkonto abzuwickeln (
Art. 147 Abs. 1 AHVV
).
Auch dem Kassenreglement (
Art. 113 Abs. 2 AHVV
; Verordnung des EFD vom 3. Dezember 2008 über die Zentrale Ausgleichsstelle [ZAS-Verordnung]; SR 831.143.32) lässt sich nicht entnehmen, in welcher Währung ins Ausland zu leisten ist.
3.9
Für den Bereich der Erwerbsersatzentschädigung bestimmt demgegenüber
Art. 22 Abs. 2 EOV
(SR 834.11) ausdrücklich, dass die Auszahlung der Entschädigung für Personen, die im Ausland wohnen, in der Währung des Wohnsitzstaates erfolgt. Die SAK selber stützt sich auf eine sinngemässe Anwendung des
Art. 20 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung vom 26. Mai 1961 über die freiwillige Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (VFV; SR 831.111)
in der bis 31. Dezember 2007 in Kraft gewesenen Fassung, wonach Renten und Taggelder an Berechtigte im Ausland direkt durch die Ausgleichskasse, die Auslandsvertretung oder den AHV/IV-Dienst in der Währung des Wohnsitzstaates ausgerichtet werden. Die seit 1. Januar 2008 gültige Fassung hat in Bezug auf den vorliegend zu beurteilenden Fall keine bedeutende Änderung erfahren: Renten und Taggelder an Berechtigte im Ausland werden direkt durch die Ausgleichskasse in der Währung des Wohnsitzstaates ausgerichtet (
Art. 20 Satz 1 VFV
).
3.9.1
Art. 22 Abs. 2 EOV
ist vom Inhalt her keine Neuerung, die erst mit der Neufassung der EOV vom 24. November 2004, in Kraft seit 1. Juli 2005, eingeführt worden ist. Er hat seinen Ursprung in der Entschädigungsberechtigung von Auslandschweizern, die in ihrem Heimatland Militärdienst, Zivildienst oder Zivilschutzdienst leisten (vgl.
Art. 22 EOV
in der bis Ende Juni 2004 gültig gewesenen Fassung, der den Titel "Festsetzung und Auszahlung der Entschädigung für Auslandschweizer" trägt). Die Einführung des Erwerbsersatzes
BGE 137 V 282 S. 290
bei Mutterschaft per 1. Juli 2005 machte eine neutralere und allgemeinere Formulierung erforderlich. So handelt
Art. 22 EOV
nur noch schlicht von der "Entschädigung für Personen im Ausland". Der (anfängliche) Hintergrund ging dadurch nicht verloren. Es ist lediglich ein neuer Zweck dazugekommen (vgl. PASCAL MAHON, Le régime des allocations pour perte de gain, in: Soziale Sicherheit, SBVR Bd. XIV, 2. Aufl. 2007, S. 1923 Rz. 12).
3.9.2
Die Möglichkeit der freiwilligen Versicherungsunterstellung stand früher ausschliesslich Auslandschweizern offen. Der Abschluss des Freizügigkeitsabkommens mündete sodann in eine teilweise ausdehnende, im Wesentlichen aber einschränkende Umschreibung des Kreises der beitrittsberechtigten Personen (UELI KIESER, Alters- und Hinterlassenenversicherung, in: Soziale Sicherheit, SBVR Bd. XIV, 2. Aufl. 2007, S. 1222 f. Rz. 70; MARIE-PIERRE CARDINAUX, La révision de l'assurance facultative des Suisses de l'étranger, in: Les assurances sociales en révision, Bettina Kahil-Wolf [Hrsg.], 2002, S. 39; CARDINAUX, La révision de l'assurance facultative des Suisses de l'étranger entre en vigueur en 2001, Soziale Sicherheit [CHSS] 2000 S. 324 f.; AHI 2001 S. 13 ff., insbesondere S. 22 f.).
3.9.3
Dass sowohl
Art. 22 Abs. 2 EOV
als auch
Art. 20 Abs. 1 Satz 1 VFV
die Modalitäten, vor allem die Währung, für Auszahlungen ins Ausland ausdrücklich festlegen, hängt nach dem Gesagten unmittelbar mit dem Regelungsinhalt zusammen, welcher hauptsächlich oder zumindest initial auf den Status des Auslandschweizers bezogen war und ist. Der Alters- und Hinterlassenenversicherung unterstehen dagegen - seit jeher - in erster Linie natürliche Personen in der Schweiz, unabhängig ihres Bürgerrechts (
Art. 1a Abs. 1 lit. a und b AHVG
; vgl. auch KIESER, a.a.O., S. 1209 Rz. 38). Aus dem Umstand, dass in der AHVV "nur" die Zuständigkeit für die Rentenfestsetzung und -auszahlung im In- und Ausland normiert ist (
Art. 122 ff. AHVV
; vgl. E. 3.8), lässt sich daher nicht folgern, der Verordnungsgeber habe die Ausrichtung der Renten an Bezüger im Ausland in der Währung des Wohnsitzstaates ausschliessen wollen.
3.10
In Anbetracht der voranstehenden Ausführungen liegt die analoge Anwendung von Art. 20 (Abs. 1) Satz 1 VFV im Zusammenhang mit der Auszahlung der AHV-Rente ins Ausland auf der Hand. Zum einen ist es die SAK, der sowohl die Durchführung der freiwilligen Versicherung (
Art. 2 VFV
) als auch die Auszahlung von AHV-Renten ins Ausland obliegt (E. 3.8). Diese Zentralisierung bei der und die Konzentration auf die SAK, sobald eine Auslandberührung
BGE 137 V 282 S. 291
gegeben ist, spricht für eine einheitliche Handhabe. Zum andern ist die VFV, wie schon die Vorinstanz festgehalten hat, zur Konkretisierung der hier einschlägigen Bestimmungen der Verordnung 574/72 (E. 3.6) geeignet. Dazu kommt, dass in der Europäischen Union die Auszahlungen offenbar regelmässig in der Währung des Wohnsitzstaates erfolgen (E. 3.7). Die Streitfrage, ob die SAK berechtigt ist, der Beschwerdeführerin die Rente in Euro auszurichten, ist somit grundsätzlich zu bejahen.
4.
Ein anderes Problemfeld ist, ob und inwieweit die Beschwerdegegnerin befugt war, ihre langjährige gegenteilige Praxis zu ändern. Die Versicherte erhielt die Rente immerhin seit Anspruchsbeginn im Jahre 1998 bis und mit Mai 2006 in Schweizer Franken ausbezahlt. Die Vorinstanz bejahte die Zulässigkeit der Praxisänderung implizit ab 1. Januar 2007 und liess sie in Bezug auf den Zeitraum von Juni bis Dezember 2006 ausdrücklich offen.
4.1
Grundlage für die ursprüngliche Auszahlung der Rente in Schweizer Franken bildete Art. 34 Ziff. 1 des Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Republik Slowenien über Soziale Sicherheit, wonach der Träger, der nach diesem Abkommen Leistungen zu erbringen hat, sich durch die Zahlung in seiner Landeswährung von seiner Verpflichtung befreit (vgl. E. 3.1). Danach (und im Unterschied zu Ziff. 2 derselben Bestimmung) stand es der Beschwerdegegnerin unter dem Abkommensrecht frei, ihre Leistungen in Schweizer Franken oder in der Währung des Wohnsitzstaates der Empfängerin zu erbringen. Von dieser ihr im Abkommen eingeräumten Befugnis, in Tolar zu zahlen, hat die Beschwerdegegnerin keinen Gebrauch gemacht. Ebenso wenig fand eine analoge Anwendung der Bestimmung des Art. 20 (Abs. 1) Satz 1 VFV, auf welche sich die Beschwerdegegnerin heute für die Leistung der Rentenbetreffnisse in der Währung des Wohnsitzstaates der Empfängerin stützt, statt. Dabei darf nicht ausser Acht gelassen werden, dass der Tolar erst im Rahmen der Unabhängigkeit von Slowenien im Jahre 1991 eingeführt worden war und es die Stabilität der Wirtschaft, insbesondere im Hinblick auf den angestrebten EU-Beitritt, noch zu beweisen galt.
4.2
Eine Praxisänderung muss sich auf ernsthafte sachliche Gründe stützen können, die - vor allem im Hinblick auf das Gebot der Rechtssicherheit - umso gewichtiger sein müssen, je länger die als falsch oder nicht mehr zeitgemäss erkannte Rechtsanwendung als zutreffend erachtet worden ist. Eine Praxisänderung lässt sich nur
BGE 137 V 282 S. 292
begründen, wenn die neue Lösung besserer Erkenntnis des Gesetzeszwecks, veränderten äusseren Verhältnissen oder gewandelten Rechtsanschauungen entspricht (vgl.
BGE 136 III 6
E. 3 S. 8;
BGE 135 I 79
E. 3 S. 82;
BGE 134 V 72
E. 3.3 S. 76;
BGE 132 III 770
E. 4 S. 777;
BGE 127 I 49
E. 3c S. 52).
4.3
Wie sich dem Schreiben der Postfinance vom Februar 2006 entnehmen lässt, hatte die SAK mit Wirkung ab Juni 2006 die Postfinance als Zahlungspartnerin bestimmt. Dieser Wechsel ist nicht zu beanstanden, da die Postfinance nach der gesetzlichen Lage eine von mehreren in Betracht fallenden Zahlungspartnerinnen ist (E. 3.8; vgl. auch Rz. 10103 und 10105 der Wegleitung des BSV über die Renten [RWL] in der Eidgenössischen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung, gültig ab 1. Januar 2003 [Stand 1. Januar 2006]).
Mit der Umstellung vom Tolar zum Euro ab 1. Januar 2007 tat sich für die SAK ein neuer Handlungsspielraum auf: Der Eintritt von Slowenien in die Euro-Zone war ein zuverlässiges Zeichen für eine erstarkte und solide Wirtschaft. Er ermöglichte der Beschwerdegegnerin, ihre Zahlungen in den europäischen Raum weiter zu vereinheitlichen und die Massenversicherung ins Ausland, wohin gemäss Angabe der Beschwerdegegnerin fast ein Drittel der von über 2 Mio. Personen bezogenen AHV-Renten fliesst, zu rationalisieren. Es leuchtet ein, wenn die Beschwerdegegnerin geltend macht, dass eine geringere Vielfalt von Währungen den Auszahlungsablauf zu beschleunigen hilft. Zwar hat die Beschwerdeführerin während rund acht Jahren ihre AHV-Rente in Schweizer Franken ausbezahlt bekommen. Indem die Beschwerdegegnerin aber ohne Verzögerung auf die geänderten währungspolitischen Gegebenheiten in Slowenien reagiert hat, vermag sie die von ihr vorgenommene Praxisänderung, die nach dem Gesagten als sachlich und ernsthaft geboten gilt, zu rechtfertigen. Der zeitliche Ablauf allein schafft weder eine Besitzstandsgarantie noch ein wohlerworbenes Recht auf Auszahlung der AHV-Rente in Schweizer Franken. Eine gesetzliche Bestimmung, die eine solche Beziehung ein für allemal festgelegt hat, fehlt (E. 3.7 und 3.8; vgl. allgemein dazu
BGE 117 V 229
E. 5b S. 235 und
BGE 112 V 387
E. 3d S. 395). Dass eine entsprechende Zusicherung im Einzelfall abgegeben wurde, ist nicht aktenkundig. Etwas Gegenteiliges wird denn auch nicht vorgebracht. Mit in Betracht zu ziehen ist zudem, dass die der Umrechnung zu Grunde gelegten Beträge den ungekürzten Rentenbeträgen in Schweizer
BGE 137 V 282 S. 293
Franken entsprechen. Die mit der Umrechnung einhergehenden Spesen gehen zu Lasten der SAK. Einzig die Spesen, welche die vom Leistungsempfänger gewählte Bank in Rechnung stellt, hat Letzterer zu tragen (Wegleitung des BSV zur freiwilligen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung [WFV], gültig ab 1. Januar 2003, Rz. 5043). Diese Spesen haben ihre Ursache nicht in der Umrechnung an und für sich, sondern sind mit der vom Leistungsempfänger grundsätzlich frei wählbaren Zahlungsadresse kausal. Es ist unbestritten, dass die Beschwerdeführerin ein Bankkonto in Slowenien als Zahlungsadresse angegeben hat. Nach Art. 20 (Abs. 1) VFV kann die SAK die Auszahlung auf ein Post- oder Bankkonto in der Schweiz oder im Wohnsitzstaat des Berechtigten grundsätzlich zulassen. Die Beschwerdeführerin verfügt demnach auch über die Möglichkeit, die Altersrente in Schweizer Franken auf einem Konto in der Schweiz entgegenzunehmen.
4.4
Slowenien ist am 1. Januar 2007 der europäischen Währungsunion beigetreten. Um die Bevölkerung auf die (neuerliche) Umstellung (vgl. E. 4.1) vorzubereiten, ordnete die slowenische Regierung schon im März 2006 an, alle Preise doppelt anzuschreiben. Die doppelte Preisanschreibung diente der Vorbeugung signifikanter Preiserhöhungen. Die slowenischen Behörden und Unternehmen hatten dagegen bis zum 31. Dezember 2006 ausschliesslich den Tolar zu verwenden. Die Europäische Kommission bevorzugte für die neuen Teilnehmer am Euroraum das sogenannte "Big-Bang"-Konzept, bei dem die Euro-Banknoten und -Münzen am Tag der Umstellung auf den Euro eingeführt werden (im Falle Sloweniens am 1. Januar 2007). Zwischen dem 1. und 14. Januar 2007 befanden sich der slowenische Tolar und der Euro parallel zueinander im Umlauf. Danach wurde der Euro zum alleinigen gesetzlichen Zahlungsmittel (Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss, den Ausschuss der Regionen und die Europäische Zentralbank vom 4. Mai 2007: "Die Einführung des Euro in Slowenien" [KOM (2007) 233 endgültig]).
4.5
Die SAK hat die Rente bereits ab 1. Juni 2006 in Euro ausbezahlt. Die Anpassung an die neuen Verhältnisse erfolgte somit (zu) früh. Dass die Praxisänderung einer Antizipation von 7 Monaten bedurfte, kann wegen des gewählten Übergangmodus vom Tolar zum Euro und angesichts der Tatsache, dass bis zum 31. Dezember 2006 ausschliesslich Tolar zu verwenden war, nicht angenommen werden.
BGE 137 V 282 S. 294
Der Euro war in Slowenien erst ab 1. Januar 2007 offizielles Zahlungsmittel und der Parallelumlauf beschränkte sich auf die ersten beiden Januarwochen im Jahr 2007.
4.6
Die Praxisänderung der SAK, die AHV-Rente der Beschwerdeführerin nicht mehr in Schweizer Franken, sondern in Euro auszuzahlen, erweist sich somit erst ab 1. Januar 2007 als begründet. Für die Zeit von Juni bis Dezember 2006 ist kein Grund ersichtlich, der gewichtig genug ist, die vorzeitige Umstellung, wie sie von der Postfinance mit Schreiben vom Februar 2006 angekündigt wurde, zu rechtfertigen.
5.
5.1
Die Beschwerdeführerin bringt im Wesentlichen vor, dass sie die Rente zur Bestreitung ihrer lebensnotwendigen Existenz benötige. Der Wechselkurs, den sie in Slowenien hätte erzielen können, wäre günstiger gewesen. Zudem hätte sie, wenn ihr die Rente in Schweizer Franken ausbezahlt worden wäre, selber den günstigsten Zeitpunkt für den Umtausch aussuchen und damit einen besseren Gegenwert erzielen können. Insgesamt beziffert sie den Nachteil, der ihr wegen der Praxisänderung erwächst, auf Fr. 12.- bis Fr. 20.- pro Monat.
Entsprechend ist die Nachzahlung, welche die SAK für die Zeit von Juni bis Dezember 2006 zu leisten hat, auf Fr. 140.- festzusetzen, zuzüglich 5 % Zins seit 15. September 2006 (mittlerer Verfall; vgl. Rz. 10503 ff. RWL). Aus Gründen der Prozessökonomie ist auf eine einlässliche Abklärung der vorgebrachten Behauptungen zu verzichten.
5.2
Anzumerken bleibt, dass die Beschwerdeführerin die Spesen des Umtauschs in Slowenien selber zu tragen hat, während diese beim Umtausch durch die SAK zu deren Lasten gehen (E. 4.3). Ausserdem ist wenig wahrscheinlich, dass die Beschwerdeführerin stets vom besten Wechselkurs profitieren kann. Einerseits herrscht nie Gewissheit über eine bestimmte Kursentwicklung. Anderseits ist fraglich, ob die Beschwerdeführerin, die der Rentengelder massgeblich dazu bedarf, um ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können, den günstigsten Zeitpunkt jeweils abzuwarten vermag. Damit sind grosse Zweifel angebracht, dass die Renten-Auszahlungen in Euro insgesamt mit einem finanziellen Nachteil verbunden sind. | null | nan | de | 2,011 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
2f339761-15a4-4d0e-88a2-8e873e42af05 | Urteilskopf
119 IV 207
38. Extrait de l'arrêt de la Cour de cassation pénale du 21 septembre 1993 dans la cause V. c. M. (pourvoi en nullité) | Regeste
Art. 268 und
Art. 270 Abs. 1 BStP
.
Zulässigkeit der Nichtigkeitsbeschwerde (E. 1).
Art. 117 StGB
; fahrlässige Tötung, Vernichtung der Leibesfrucht in utero.
Vor der Geburt ist das menschliche Leben durch die Bestimmungen über die Abtreibung geschützt und eine Tötung im Sinne der
Art. 111-117 StGB
ausgeschlossen; fahrlässige Abtreibung ist nicht strafbar (E. 2). | Sachverhalt
ab Seite 207
BGE 119 IV 207 S. 207
A.-
Par lettre du 3 décembre 1990, V. a déposé plainte pénale contre le médecin M. pour homicide par négligence, lui reprochant d'avoir causé le 30 novembre 1988 la destruction in utero du foetus qu'elle portait depuis huit mois en omettant les mesures médicales adéquates.
M. fut inculpée de lésions corporelles par négligence le 27 novembre 1991.
Les époux V., parties civiles, ayant requis qu'elle soit inculpée d'homicide par négligence, le juge d'instruction refusa par ordonnance du 25 mars 1993, considérant que la destruction d'un foetus ne pouvait donner lieu à un homicide par négligence au sens de l'
art. 117 CP
.
Par ordonnance du 11 juin 1993, la Chambre d'accusation cantonale rejeta le recours formé par les époux V. contre cette décision.
B.-
Les époux V. se sont pourvus en nullité à la Cour de cassation du Tribunal fédéral. Soutenant qu'un foetus viable de huit mois peut être victime d'un homicide par négligence, ils concluent à l'annulation de la décision attaquée.
BGE 119 IV 207 S. 208
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
a) Le pourvoi en nullité à la Cour de cassation du Tribunal fédéral est ouvert contre les décisions énumérées à l'
art. 268 PPF
. Comme la présente cause n'a pas été portée devant une autorité de jugement, on ne se trouve pas dans l'hypothèse visée par l'
art. 268 ch. 1 PPF
et la question est de savoir si la décision attaquée est une ordonnance de non-lieu rendue en dernière instance au sens de l'
art. 268 ch. 2 PPF
. Par ordonnance de non-lieu, il faut entendre une décision qui met fin à l'action pénale, au moins sur un chef d'accusation, et qui est rendue par une autre autorité que la juridiction de jugement (
ATF 117 IV 236
consid. 1b). La procédure cantonale ne donne pas compétence au juge d'instruction pour prononcer des ordonnances de classement ou de non-lieu (
art. 116, 198, 204 CPP
/GE). Il est donc douteux que la question soit formellement liquidée sur le plan cantonal et les recourants eux-mêmes n'excluent pas l'hypothèse de l'évoquer à nouveau devant la Chambre d'accusation. D'un autre côté, il semblerait logique que les autorités cantonales se sentent liées sur la question tranchée par l'ordonnance attaquée, de sorte que celle-ci déploie matériellement les effets d'une ordonnance de non-lieu. Il n'est pas nécessaire de trancher cette question pour les motifs qui seront exposés ultérieurement.
b) Selon la nouvelle formulation de l'
art. 270 al. 1 PPF
(RO 1992 p. 2473) entrée en vigueur le 1er janvier 1993 (RO 1992 p. 2470), "le lésé peut également se pourvoir en nullité s'il était déjà partie à la procédure auparavant et dans la mesure où la sentence peut avoir des effets sur le jugement de ses prétentions civiles".
Il n'est pas douteux que les recourants étaient déjà parties à la procédure auparavant. En effet, le droit cantonal reconnaît à la partie civile la qualité de partie au procès (
art. 23 CPP
/GE), ce qui a permis aux recourants de se plaindre auprès de la Chambre d'accusation (
art. 190 al. 1 CPP
/GE) de la décision du juge d'instruction refusant d'inculper (
art. 137 CPP
/GE).
La question est plus délicate de savoir si l'ordonnance attaquée peut avoir des effets sur le jugement de leurs prétentions civiles. Certes, les considérants de cette décision, s'ils sont suivis par un juge civil, excluent une action aquilienne (
art. 41 CO
) pour tort moral (
art. 47 CO
) fondée sur la commission d'un homicide par négligence au sens de l'
art. 117 CP
. Cependant, les considérants émis ne réduisent en aucune façon les chances des recourants dans le cadre d'une action ex contractu (
art. 97, 398 CO
), qui permet également l'octroi
BGE 119 IV 207 S. 209
d'une indemnité pour tort moral (
art. 99 al. 3 CO
;
ATF 80 II 258
). Il n'est toutefois pas nécessaire d'examiner plus avant les questions de recevabilité, le pourvoi étant de toute manière manifestement infondé.
2.
a) Le titre premier de la partie spéciale du Code pénal traite des infractions contre la vie et l'intégrité corporelle. S'agissant plus précisément des infractions contre la vie, le code distingue, sous chiffre 1, l'homicide (art. 111 à 117 CP) et, sous chiffre 2, l'avortement (art. 118 à 121 CP). Cette dualité montre que le droit pénal protège la vie d'une part pendant la grossesse, par les dispositions sur l'avortement, et d'autre part dès la naissance, par les dispositions réprimant l'homicide. Il résulte de l'
art. 116 CP
qu'un homicide peut déjà être commis pendant l'accouchement.
b) Ainsi, comme l'admet la doctrine unanime, il ne peut y avoir qu'avortement avant l'accouchement et l'avortement par négligence n'est pas punissable (STRATENWERTH, Bes. Teil I p. 23 no 5 et p. 48 no 10; SCHUBARTH, Kommentar StGB, Bes. Teil I, Syst. Einleitung no 6; REHBERG, Strafrecht III p. 29-31; NOLL, Bes. Teil I p. 9; TRECHSEL, Kurzkommentar StGB, Vor Art. 118 no 3; JOSÉ HURTADO POZO, Droit pénal, Partie spéciale I, Fribourg 1991, p. 13 nos 7 et 8).
Pour qu'un homicide soit concevable, il faut que l'accouchement ait commencé (STRATENWERTH, op.cit., p. 23 no 5; SCHUBARTH, op.cit., Syst. Einleitung, no 7; REHBERG, op.cit., p. 29; NOLL, op.cit., p. 9; TRECHSEL, op.cit., Vor Art. 111 no 3; HURTADO POZO, op.cit., p. 13 no 6). Le moment exact où l'accouchement a commencé est controversé (STRATENWERTH, op.cit., p. 23 no 5; SCHUBARTH, op.cit., Syst. Einleitung, no 8; TRECHSEL, op.cit., Vor Art. 111 no 3 et leurs références).
La protection de la vie en droit pénal n'est donc pas calquée sur les notions du droit civil auxquelles se réfèrent les recourants (STRATENWERTH, op.cit., p. 23 no 5; SCHUBARTH, op.cit., Syst. Einleitung, no 7; NOLL, op.cit., p. 9; TRECHSEL, op.cit., Vor Art. 111 no 3; HURTADO POZO, op.cit., p. 14 no 11).
c) En l'espèce, il est allégué une destruction du foetus in utero, alors que l'accouchement n'avait en aucune façon commencé. Dans un tel cas, il est d'emblée exclu de retenir un homicide à l'encontre du foetus; seules les dispositions sur l'avortement pourraient entrer en considération, mais cette infraction ne peut pas être commise par négligence. L'autorité cantonale n'a donc pas violé le droit fédéral en refusant d'emblée de poursuivre sous l'accusation d'homicide par négligence (
art. 117 CP
). Le pourvoi doit par conséquent être rejeté. | null | nan | fr | 1,993 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
2f3aa206-2b95-4bb3-8f73-9df7002bdbe7 | Urteilskopf
82 IV 131
28. Arrêt de la Cour de cassation pénale du 28 septembre 1956 dans la cause Ministère public du canton de Genève contre Keim. | Regeste
Art. 14, 15 und 44 StGB
.
Welche Massnahme ist gegen einen vermindert zurechnungsfähigen Gewohnheitstrinker anzuordnen; wann ist er nach
Art. 44 StGB
in eine Trinkerheilanstalt einzuweisen, wann nach
Art. 14 StGB
zu verwahren oder nach
Art. 15 StGB
zu versorgen? | Sachverhalt
ab Seite 132
BGE 82 IV 131 S. 132
A.-
Robert Keim, né en 1916, électricien de son métier, a subi plusieurs condamnations. Après avoir, en mai 1945, purgé une peine d'emprisonnement sous le régime militaire, il a été, en 1947 et en 1949, condamné par les tribunaux genevois tout d'abord à quatre mois d'emprisonnement pour des vols, des escroqueries et des abus de confiance, puis à une amende de 300 fr. pour ivresse au volant, enfin à huit jours d'emprisonnement pour violation d'une obligation d'entretien.
Les abus alcooliques détournèrent Keim de tout travail régulier. En été 1949, il dut être admis dans le service de neurologie de l'Hôpital cantonal, à Genève, et soumis à une cure d'apomorphine. Il recommença néanmoins à boire, commit de nouveaux vols et fut envoyé à la clinique Bel-Air, où il séjourna de janvier 1951 jusqu'en août 1953. Il s'y montra habile ouvrier. Peu après l'avoir quittée, il retomba dans son intempérance, commit trois vols avec effraction au printemps 1954 et fut condamné, au mois de juin de la même année, à dix mois d'emprisonnement, peine qu'il purgea dans les établissements pénitenciaires de la plaine de l'Orbe. Libéré, il commit deux nouveaux vols avec effraction au printemps 1955 et un délit manqué de vol, ce pourquoi il fut à nouveau condamné à six mois d'emprisonnement en avril 1955. Ayant purgé cette peine, il recommença à commettre des délits contre la propriété pour se procurer les moyens de boire.
B.-
Le 12 janvier 1956, la Cour correctionnelle de Genève, siégeant avec l'assistance du jury, condamna Keim pour vols (art. 137 ch. 1 CP) et abus de confiance (art. 140 ch. 1 CP) à huit mois d'emprisonnement. Elle ordonna en outre l'internement du condamné dans un asile pour buveurs "après l'exécution de la peine jusqu'à décision de l'autorité compétente". Cette décision a été prise par application de l'art. 44 CP et vu les conclusions de l'expert d'où il résulte que Keim constitue un danger pour la sécurité publique, que son internement dans un asile pour buveurs est nécessaire et que les infractions
BGE 82 IV 131 S. 133
commises sont en rapport avec son intempérance habituelle.
Saisie d'un recours par Keim, la Cour de cassation pénale du canton de Genève, statuant le 23 mars 1956, cassa l'arrêt attaqué "en tant seulement qu'il ordonne que l'internement de Keim dans un asile pour buveurs n'ait lieu qu'après l'exécution de la peine d'emprisonnement" et renvoya la cause à la Cour correctionnelle siégeant avec le jury pour qu'elle statue à nouveau. La Cour de cassation argumente en résumé comme il suit:
L'expert a déclaré que la responsabilité du recourant était restreinte et qu'il présentait un danger pour la sécurité publique. C'est dès lors l'art. 14 CP qui s'applique ou, si l'on estime que l'expert a invoqué à tort la sécurité publique, l'art. 15 CP. C'est sans droit que le premier juge a dit que l'internement aurait lieu après l'exécution de la peine. Il n'aurait eu cette latitude que si l'internement avait été prononcé en vertu de l'art. 44 CP.
C.-
Le Ministère public du canton de Genève s'est pourvu en nullité contre cet arrêt dont il demande l'annulation.
D.-
Keim conclut au rejet du pourvoi et demande à être mis au bénéfice de l'assistance judiciaire.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
L'art. 44 CP autorise le juge à renvoyer les buveurs d'habitude dans un asile. Keim rentre dans cette catégorie. Néanmoins et contrairement à la Cour correctionnelle, la Cour de cassation genevoise a refusé de prendre cette mesure contre lui et a jugé qu'il relève soit de l'internement, soit de l'hospitalisation prévus par les art. 14 et 15 CP, suivant qu'il compromet ou non la sécurité et l'ordre publics. Elle a posé en principe que seuls les art. 14 et 15 CP sont applicables, à l'exclusion de l'art. 44, lorsque le buveur d'habitude est en état de responsabilité restreinte.
BGE 82 IV 131 S. 134
Cette interprétation de la loi est erronée. La Cour de céans a dit que l'état de responsabilité restreinte d'un délinquant n'empêche pas le juge de le renvoyer dans une maison d'internement ou d'éducation au travail, pourvu que les conditions de l'art. 42 ou 43 CP soient réalisées (RO 70 IV 110;
71 IV 70
). Il en va de même du renvoi dans un asile, que l'art. 44 CP prévoit spécialement pour les buveurs d'habitude. Même si un délinquant de cette catégorie est en état de responsabilité restreinte, même si, en outre, il compromet la sécurité ou l'ordre publics, le juge pourra le renvoyer dans un asile pour buveurs, pourvu que l'infraction soit en rapport avec le penchant à la boisson (art. 44 ch. 1 CP) et que l'on puisse escompter la guérison dans un délai de deux ans au maximum (art. 44 ch. 3 CP). La Cour de cassation genevoise invoque à tort l'avis exprimé par LOGOZ et HAFTER. Le premier de ces auteurs affirme: "L'article 44 ne vise pas les délinquants qui sont des alcooliques incurables" (et non "irresponsables" d'après la citation erronée faite dans l'arrêt attaqué: Comm. ad art. 44, no 2 a). Quant au second (Lehrbuch des schweiz. Strafrechts, partie générale, p. 405), l'exposé qu'il fait des rapports entre les art. 44 ch. 1 CP d'une part, 14 et 15 d'autre part, n'exclut nullement que la première de ces dispositions légales puisse également s'appliquer lorsque le buveur d'habitude est en état de responsabilité restreinte.
Au contraire, l'art. 14 CP s'appliquera à l'exclusion de l'art. 44 lorsque le délinquant, buveur d'habitude à responsabilité restreinte, non seulement compromet la sécurité ou l'ordre publics (RO 73 IV 150 consid. 2), mais encore est dans un état qui rend nécessaire son internement dans un hôpital ou dans un hospice (RO 81 IV 8, consid. 2). Cette nécessité de l'internement est le facteur décisif qui distingue le cas de l'art. 14. Quant à l'art. 15, il a principalement pour but d'assurer au condamné irresponsable ou à responsabilité restreinte les soins ou le traitement
BGE 82 IV 131 S. 135
que son état peut rendre indispensables; il doit être appliqué de telle façon qu'il n'en résulte pas, pour le délinquant, un avantage dont serait privée toute personne qui ne serait pas sous le coup d'une condamnation (RO 74 IV 2;
81 IV 8
).
2.
Il ne suffisait donc pas à la Cour genevoise, pour décider, comme elle l'a fait, que l'art. 44 CP n'est pas applicable, de constater que Keim est en état de responsabilité restreinte. Son arrêt viole le droit fédéral sur ce point et doit être annulé. Il lui appartiendra, tout d'abord, de rechercher si l'art. 44 CP est applicable, selon les principes de jurisprudence rappelés plus haut, bien que la responsabilité du condamné soit restreinte. Dans l'affirmative, elle appréciera s'il y a lieu de surseoir à l'exécution de la peine selon l'art. 44 ch. 1 dernière phrase. Dans la négative, au contraire, elle examinera s'il faut ordonner soit l'internement en vertu de l'art. 14, soit l'hospitalisation en vertu de l'art. 15 CP. Ce sont là deux mesures distinctes, qui doivent être prononcées dans des cas différents, comme on l'a montré plus haut. L'autorité cantonale ne peut se contenter, ainsi qu'elle l'a fait dans l'arrêt entrepris, de dire que l'une ou l'autre est en tout cas applicable dès lors qu'il s'agit d'un cas de responsabilité restreinte et qu'il n'y a pas lieu, par conséquent, de rechercher si l'expert a bien interprété la loi en affirmant que Keim compromet la sécurité ou l'ordre publics.
Dispositiv
Par ces motifs, la Cour de cassation pénale
Admet le pourvoi, annule l'arrêt attaqué et renvoie la cause à l'autorité cantonale pour que celle-ci se prononce à nouveau. | null | nan | fr | 1,956 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
2f3d6636-2641-4d6f-bb95-62400dc324c9 | Urteilskopf
106 IV 244
63. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 29. August 1980 i.S. A. gegen B. (Nichtigkeitsbeschwerde) | Regeste
Art. 29 StGB
, Wahrung der Antragsfrist.
1. Von Bundesrechts wegen genügt ein mündlicher Strafantrag oder der nur nach mündlicher Instruktion vom Anwalt gestellte Antrag (Erw. 1).
2. Handelt der Verletzte durch einen Vertreter, so sind die bundesrechtlichen Voraussetzungen erfüllt, wenn der Vertreter vor Ablauf der Antragsfrist bevollmächtigt worden ist und den Strafantrag fristgerecht gestellt hat (Erw. 2, Präzisierung der deutschen und italienischen Regesten von
BGE 103 IV 71
). Ob es einer schriftlichen Vollmacht bedarf, ist eine Frage des kantonalen Prozessrechts. | Erwägungen
ab Seite 244
BGE 106 IV 244 S. 244
Aus den Erwägungen:
1.
Wie schon im kantonalen Verfahren macht der Verteidiger geltend, der Strafantrag sei verspätet. Der Beschwerdegegner
BGE 106 IV 244 S. 245
habe seinen Anwalt mündlich beauftragt, Ehrverletzungsklage einzuleiten. Das sei innert Frist geschehen. Die schriftliche Vollmacht des klägerischen Anwalts sei aber erst nach Ablauf der Antragsfrist eingereicht worden, der Antrag daher ungültig.
Die
Art. 28-31 StGB
, die den Strafantrag regeln, enthalten keine Formvorschriften. Nach ständiger Praxis des Kassationshofes liegt ein gültiger Strafantrag vor, wenn der Antragsberechtigte innert Frist bei der nach kantonalem Recht zuständigen Behörde und in der ebenfalls vom kantonalen Recht vorgeschriebenen Form seinen bedingungslosen Willen zur Strafverfolgung des Täters so erklärt, dass das Strafverfahren ohne weitere Willenserklärung weiterläuft (
BGE 105 IV 165
,
BGE 103 IV 132
). Soweit das kantonale Recht nichts anderes vorschreibt, genügt also auch ein mündlicher Strafantrag oder der nur nach mündlicher Instruktion vom Anwalt gestellte Antrag.
2.
Die Vorinstanz erklärt, es sei zwar richtig; dass
§ 60 StPO
-AG die Einreichung einer schriftlichen Vollmacht oder eine Erklärung des Vollmachtgebers zu Gerichtsprotokoll für die Vertretung im Privatstrafverfahren verlange. Fehle eine solche Vollmacht, so sei sie innert angesetzter Frist nachzubringen, ansonsten auf die Klage nicht eingetreten werde.
Die Beschwerde kritisiert diese Auslegung. Werde die Vollmacht nicht innert der Antragsfrist (also nicht nur innert der vom Richter angesetzten Frist) eingereicht, so fehle ein gültiger Strafantrag.
Damit kritisiert die Beschwerdeführerin die Auslegung kantonalen Prozessrechts. An sich könnte dieses so ausgestaltet werden, wie es von der Beschwerdeführerin postuliert wird (z.B.: "In Ehrverletzungssachen hat der Kläger den Strafantrag innert der Frist von
Art. 29 StGB
entweder selbst bei der zuständigen Behörde zu stellen oder durch einen schriftlich bevollmächtigten Vertreter stellen zu lassen"). Ebenso gut ist das Gegenteil möglich, nämlich der grundsätzliche Verzicht auf schriftliche Vollmacht für einen patentierten Anwalt. Die Aargauer Lösung gemäss angefochtenem Urteil liegt auf einer mittleren Linie. Das Bundesrecht schweigt dazu und überlässt die Regelung den Kantonen.
Verletzungen kantonalen Prozessrechts können mit Nichtigkeitsbeschwerde nicht gerügt werden (Art. 269 Abs. 1, 273 Abs. 1 lit. b BStP). Die Behauptung in der Beschwerde, die Vorinstanz habe (zugleich) Bundesrecht verletzt, ist unzutreffend.
BGE 106 IV 244 S. 246
Freilich konnte die Beschwerdeführerin irregeführt werden durch die deutsche (und italienische) Übersetzung der Regeste von
BGE 103 IV 71
, wo steht, die Vollmacht (bzw. die Genehmigung) müsse vor Ablauf der Frist des
Art. 29 StGB
"beigebracht" statt "erteilt" werden ("fornita" statt "accordata"). | null | nan | de | 1,980 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
2f427ce7-a101-4e18-aa48-445da0467204 | Urteilskopf
106 II 201
40. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 21. Oktober 1980 i.S. Giger gegen Schweizerische Bundesbahnen (Berufung) | Regeste
Haftung des Werkeigentümers.
1.
Art. 48 und 55 Abs. 1 lit. b OG
. Endentscheid; formelle Anforderungen an den Berufungsantrag (E. 1).
2. Zum Begriff des Werkes im Sinne von
Art. 58 OR
; Mängel an öffentlichen Strassen oder Wegen als besondere Fälle der Werkhaftung (E. 2).
3. Für den Unfall infolge eines ungesicherten Zuganges zu einem Keller haftet ein Kioskeigentümer selbst dann, wenn der Innenausbau Sache des Pächters war (E. 3). | Sachverhalt
ab Seite 201
BGE 106 II 201 S. 201
A.-
Frau Giger stellte sich nach ihrer Pensionierung im Jahre 1976 weiterhin als Aushilfe für Kiosk-Vertretungen zur Verfügung. Im Januar 1977 arbeitete sie für die AZED AG im
BGE 106 II 201 S. 202
Bahnhofkiosk Zug, der aus je einem Verkaufs-, Hinter- und Kellerraum besteht. An einer Längswand des Hinterraumes sind Warenregale angebracht; am Fusse der anderen befindet sich eine Bodentüre von 60 x 150 cm, durch die man über eine Treppe in den 2 m hohen Kellerraum gelangt. Die Türe kann mittels eines Ringes geöffnet und gegen die Wand gelehnt werden; der Zugang zu den Regalen verengt sich dann auf 70 cm.
Am Morgen des 15. Januar 1977 war diese Türe offen, weil eine zweite Angestellte im Kellerraum arbeitete. Als Frau Giger aus einem der Regale im Hinterraum etwas holen wollte, stürzte sie rücklings durch die völlig ungesicherte Bodenöffnung in den Keller. Sie erlitt dabei einen Wirbelsäulebruch, der zu einer Querschnittlähmung führte.
B.-
Als die Verletzte den Werkeigentümer belangen wollte, entstand Streit darüber, ob die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) als Eigentümerin des Bahnhofgeländes und des Kiosks für den Unfall einzustehen haben oder die AZED AG dafür hafte, weil sie als Pächterin den Innenausbau übernommen hatte. Im März 1978 klagte Frau Giger gestützt auf
Art. 58 OR
gegen die SBB auf Zahlung von Fr. 250'000.-- nebst 5% Zins seit dem Unfalldatum.
Der Appellationshof des Kantons Bern beschränkte das Verfahren vorerst auf die Frage, ob die Beklagten als Werkeigentümerin die fehlende Abschrankung zu verantworten haben. Am 11. März 1980 erkannte er "im Sinne eines selbständigen Vorentscheides", dass nicht nur die Werkeigentümereigenschaft der Beklagten, sondern auch eine fehlerhafte Anlage gemäss
Art. 58 OR
zu verneinen und die Klage daher abzuweisen sei.
C.-
Die Klägerin hat gegen diesen Entscheid Berufung eingelegt mit den Anträgen, ihn aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen, um den Schaden festzustellen und die Beklagten zu dessen Ersatz zu verurteilen.
Die Beklagten beantragen, die Berufung abzuweisen und den angefochtenen Entscheid zu bestätigen.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Der Appellationshof hat die Klage schlechthin abgewiesen. Entgegen seiner Annahme liegt daher nicht ein selbständiger Vorentscheid (
Art. 50 OG
), sondern ein Endentscheid im
BGE 106 II 201 S. 203
Sinne von
Art. 48 OR
vor, der gemäss dieser Bestimmung mit der Berufung angefochten werden kann (
BGE 103 II 269
E. 1a mit Hinweisen).
Der Antrag auf Rückweisung der Sache an die Vorinstanz genügt den Vorschriften des
Art. 55 Abs. 1 lit. b OG
, da das Bundesgericht für den Fall, dass die Rechtsauffassung der Klägerin begründet sein sollte, kein Sachurteil fällen kann, sondern den Fall zur Ermittlung und Feststellung des Schadens zurückweisen muss (
BGE 103 II 270
E. 1b und
BGE 95 II 436
E. 1 mit Hinweisen).
2.
Gemäss
Art. 58 OR
hat der Eigentümer eines Gebäudes oder eines anderen Werkes den Schaden zu ersetzen, der infolge fehlerhafter Anlage oder Herstellung oder mangelhafter Unterhaltung des Werkes entsteht (Abs. 1). Vorbehalten bleibt ihm der Rückgriff auf Personen, welche die Entstehung des Schadens zu verantworten haben (Abs. 2).
a) Unter Werken im Sinne dieser Bestimmung sind Gebäude sowie bauliche oder technische Anlagen zu verstehen, die mit dem Erdboden, sei es direkt oder indirekt, dauerhaft verbunden sind. Der Begriff umfasst auch Teile und Zugehör, wenn sie mit dem Werk oder mit dem Boden fest verbunden sind, z.B. Treppen, Aufzüge und Leitungen als Bestandteile eines Hauses; ferner Mauern, Abschrankungen und Schutzbauten als Teile einer Strasse (
BGE 96 II 35
,
BGE 90 II 229
,
BGE 88 II 420
E. 2,
BGE 69 II 398
E. 3,
BGE 63 II 96
,
BGE 61 II 325
). Er kann selbst Teile einschliessen, die im Eigentum Dritter stehen, weil sich nicht nach Sachenrecht, sondern nach der Zweckbestimmung des Werkes entscheidet, was zu diesem gehört. Voraussetzung ist freilich, dass die Sachen Dritter mit dem Werk funktionnell, nicht bloss räumlich zusammenhangen; das trifft zu, wenn sie ihm dienen (
BGE 79 II 77
,
BGE 63 II 96
).
Da das Werk begriffsmässig mit dem Boden fest verbunden sein muss, haftet nach dem Wortlaut des
Art. 58 OR
in der Regel der Eigentümer des Grundstückes, auf dem es steht. Der haftende Werkeigentümer braucht aber nicht identisch zu sein mit dem Grundeigentümer. Ausnahmen können sich schon aus sachenrechtlichen Bestimmungen, insbesondere aus
Art. 674-677 ZGB
ergeben. Eigentümer "eines anderen Werkes" im Sinne von
Art. 58 Abs. 1 OR
kann selbst sein, wer es auf einem Grundstück erstellt, an dem er überhaupt kein dingliches Recht hat. Ein solches Werk mit selbständigem Eigentum wurde z.B.
BGE 106 II 201 S. 204
bejaht für ein Baugerüst (
BGE 96 II 359
), eine Freileitung (
BGE 94 II 153
), eine Seilwinde (
BGE 77 II 310
) und eine Badeanstalt (
BGE 74 II 155
); weitere Beispiele finden sich bei OFTINGER (Schweiz. Haftpflichtrecht, II/1 S. 23 und 28).
Strassen und Wege gelten nach ständiger Rechtsprechung als Werke im Sinne von
Art. 58 OR
, gleichviel ob sie staatlicher Hoheit unterstellt oder Eigentum eines Privaten sind. Als Eigentümer sind Kantone und Gemeinden ebenfalls verpflichtet, solche Anlagen ordnungsgemäss zu erstellen und zu unterhalten, selbst wenn diese Pflicht durch öffentliches Recht bestimmt wird (
BGE 102 II 344
und 100 II 137 mit Hinweisen). Vereinzelt hat das Bundesgericht die Haftpflicht des Gemeinwesens sinngemäss oder ausdrücklich auch bejaht, obschon die beanstandete Anlage teils auf öffentlichem, teils auf privatem (
BGE 59 II 176
, 51 II 209) oder sogar ausschliesslich auf privatem Grund erstellt war (
BGE 91 II 283
ff.). Im letzten Entscheid ging es um einen öffentlichen Fussweg, der als Dienstbarkeit zulasten eines privaten Grundstückes im Grundbuch eingetragen war. Das Bundesgericht knüpfte an Grundsätze der früheren Entscheide an, wonach haftpflichtig sei, wer die Anlage als Ganzes erstellt habe, sie benütze und tatsächlich über sie verfüge, folglich auch für ihren Unterhalt zu sorgen habe und die erforderlichen Massnahmen treffen könne (S. 284); dem entspreche, dass für Anlage- und Unterhaltsmängel des Weges nicht der Grundeigentümer, sondern der aus der Dienstbarkeit Berechtigte, also das Gemeinwesen einzustehen habe (S. 286).
b) Diese Entscheide über öffentliche Strassen oder Wege lassen sich entgegen der Annahme des Appellationshofes nicht als allgemein gültige Rechtsprechung zu
Art. 58 OR
ausgeben. Trotz teils weitgefasster Wendungen, namentlich in
BGE 91 II 284
, betreffen sie vielmehr Sondertatbestände, die eine über den Wortlaut hinausgehende, aber dem Grundgedanken der Werkhaftung entsprechende Lösung rechtfertigten. Einige Autoren wollen sie denn auch ausdrücklich als Ausnahme verstanden und deshalb auf charakteristische Fälle beschränkt wissen (OSER/SCHÖNENBERGER, N. 16 zu
Art. 58 OR
; DESCHENAUX/TERCIER, La responsabilité civile, S. 121). Andere haben dagegen Bedenken erhoben, weil der klare und einfache Grundsatz, den Haftpflichtigen im Sinne von
Art. 58 OR
nach dem Eigentum zu ermitteln, durchbrochen werde
BGE 106 II 201 S. 205
(OFTINGER, a.a.O. S. 71; GUHL/MERZ/KUMMER, OR S. 194; MERZ, in ZBJV 103/1967 S. 36/7).
Zu diesen Bedenken Stellung zu nehmen, erübrigt sich jedoch im vorliegenden Fall, weil er sich mit den Sachverhalten, die den teilweise kritisierten Entscheiden zugrunde lagen, schlechthin nicht vergleichen lässt und daher keine Ausnahme rechtfertigt. Anlass zu Zurückhaltung besteht umso mehr, als
Art. 58 OR
ausdrücklich vom "Eigentümer" spricht, der vom "Besitzer" eines Grundstückes (
Art. 57 OR
), vom "Halter" einer Sache (
Art. 56 OR
,
Art. 58 SVG
), vom "Inhaber" einer Anlage oder eines Betriebes (
Art. 27 ELG
,
Art. 36 GSchG
,
Art. 1 EHG
) oder ähnlichen Umschreibungen klar zu trennen ist. Freilich hat auch die Haftung des "Grundeigentümers" nach
Art. 679 ZGB
eine bemerkenswerte Entwicklung erfahren, weil sie zuerst auf Inhaber von beschränkt dinglichen Rechten (
BGE 91 II 287
) und dann sogar auf obligatorisch berechtigte Pächter ausgedehnt worden ist (
BGE 104 II 19
E. 2). Diese ebenfalls umstrittene Rechtsprechung (LIVER, in ZBJV 116/1980 S. 137) hilft den Beklagten indes schon deshalb nicht, weil im letztgenannten Entscheid ausser dem Pächter auch der Grundeigentümer haftbar erklärt worden ist. Im Bereich des
Art. 58 OR
ist dagegen daran festzuhalten, dass für Schaden nicht der Mieter oder Pächter, sondern der Eigentümer haftet, der gegebenenfalls aber auf jene zurückgreifen kann (
BGE 69 II 396
,
BGE 60 II 345
). Darüber ist man sich auch in der herrschenden Lehre einig (BECKER, N. 24 und OSER/SCHÖNENBERGER, N. 21 zu
Art. 58 OR
; OFTINGER, a.a.O. S. 21; GUHL/MERZ/KUMMER, OR S. 194; VON TUHR/PETER, OR S. 459/60; ENGEL, Traité des obligations en droit suisse, S. 369).
3.
Der Appellationshof fand, die Beklagten könnten nicht als Werkeigentümerin im Sinne von
Art. 58 OR
angesehen werden, weil sie den Kiosk nur im Rohbau ausführten und den Innenausbau der Pächterin überliessen. Soweit es um Werkeigentum der Beklagten gehe, könne auch nicht gesagt werden, der Kiosk sei fehlerhaft angelegt oder mangelhaft unterhalten worden. Auf den Innenausbau der Räume und deren Zweckbestimmung hätten die Beklagten keinen Einfluss gehabt.
a) Nach dem angefochtenen Urteil sind die Beklagten als Grundeigentümerin des Bahnhofgeländes auch Eigentümerin des Kiosks, der zusammen mit andere Bauten zu den Nebengebäuden des Bahnhofs gehört. Der Kiosk wurde im Rohbau an
BGE 106 II 201 S. 206
die AZED AG verpachtet, welche die Räume selbständig einrichtete, insbesondere die Regale einbaute und die Beläge anbrachte. Bei Pachtbeginn im Jahre 1955 war ein Keller von 1,20 m Höhe vorhanden, der mit einer Treppe und einem provisorischen Abschlussdeckel versehen war. Auf Wunsch der AZED AG erweiterten die Beklagten diesen Raum 1969, als der Bahnhof umgebaut wurde, auf 2 m Höhe und vergrösserten zugleich Einstieg und Treppe. Seither benutzte die Pächterin den Keller als täglichen Arbeitsraum. Sie versetzte deswegen die Scharniere der Abschlusstüre, so dass diese geöffnet nicht mehr gegen den Durchgang, sondern gegen die Wand lehnte. Nach dem Unfall liess sie auf drei Seiten der Bodenöffnung ein Eisengeländer und an der Treppe einen Handlauf anbringen.
Der Appellationshof schliesst aus diesen Feststellungen, die Innenausstattung des Kiosks sei nicht nur Sache der Pächterin gewesen, sondern erfülle auch den Werkbegriff im Sinne von
Art. 58 OR
. Die Verantwortung der Beklagten habe sich auf den Rohbau und dessen Unterhalt beschränkt. Der Einstieg samt Treppe sei nur zum gelegentlichen Gebrauch des Kellers als Lagerraum geplant gewesen; zu diesem Zwecke habe man ihn aber bei gehöriger Aufmerksamkeit ohne Gefahr benützen können. Die AZED AG habe dann aus dem Abschlussdeckel eine Bodentüre und aus dem Lager einen Arbeitsraum zum täglichen Gebrauch gemacht, den dadurch geschaffenen Gefahren folglich selber vorbeugen müssen; das habe sie nach dem Unfall denn auch sofort getan, indem sie ein Sicherheitsgeländer anbringen liess.
Die Inneneinrichtung des Kiosks wurde indes nicht schon dadurch, dass die Pächterin sie nach ihrem Ermessen gestalten und den Einstieg selber mit den nötigen Sicherheiten versehen konnte, zu einem selbständigen Werk. Entscheidend dafür ist nicht das Eigentum an Werkteilen, sondern am Werk als Ganzes; dies gilt selbst nach dem von der Vorinstanz angerufenen
BGE 91 II 284
. Unter Werk im Sinne von
Art. 58 OR
kann nur das Kioskgebäude verstanden werden, das aber im Eigentum der Beklagten steht. Mit dem gegenteiligen Schluss setzt der Appellationshof sich über seine eigenen Feststellungen hinweg, wonach bereits der ursprüngliche Kiosk im Hinterraum eine Bodenöffnung samt Treppe zu einem Kellerraum aufwies und die Beklagten 1969 anlässlich des Umbaues die Öffnung auf 60 x 150 cm erweiterten, die Treppe verlängerten und den Zugang
BGE 106 II 201 S. 207
mit einer Falltüre abschlossen. Für Einstieg und Treppe wäre somit selbst dann das Eigentum der Beklagten gegeben, wenn man mit OFTINGER (a.a.O. S. 36) diese Teile des Gebäudes als selbständiges Werk ansehen wollte. Im Eigentum der Pächterin wäre allenfalls das Sicherheitsgeländer gestanden, das vor dem Unfall aber gerade fehlte. Obschon der Appellationshof mit seinem Hinweis auf
BGE 94 II 153
eine zweckwidrige Benützung anzudeuten scheint, kann auch davon keine Rede sein; der Keller wurde 1969 auf Wunsch der Pächterin vergrössert, damit er auch als Arbeitsraum zur Erledigung von Rücksendungen benutzt werden konnte.
b) Die Klägerin macht geltend, die Beklagten hätten im kantonalen Verfahren überhaupt nicht bestritten, dass der Zugang zum Keller fehlerhaft angelegt worden sei; die Vorinstanz habe die zugestandene Tatsache aber nicht dem Urteil zugrunde gelegt und dadurch
Art. 8 ZGB
verletzt. Davon kann indes keine Rede sein, auch nicht gestützt auf die von der Klägerin angerufene Rechtsprechung und Lehre (
BGE 96 I 199
E. 4; STRÄULI/MESSMER, N. 4 und 5 zu
§ 133 ZPO
/ZH; EGGER, N. 1 zu
Art. 8 ZGB
; KUMMER, N. 12 zu
Art. 8 ZGB
). Wieweit der kantonale Richter tatsächliche Behauptungen und Bestreitungen der Parteien zu beachten hat oder von Amtes wegen nicht behauptete Tatsachen berücksichtigen oder unbestrittene Behauptungen überprüfen darf, ergibt sich nicht aus
Art. 8 ZGB
, sondern sind Fragen der Verhandlungsmaxime, die dem kantonalen Recht angehört; dessen Verletzung kann mit der Berufung aber nicht gerügt werden (Art. 43 Abs. 1 und 55 Abs. 1 lit. c OG;
BGE 97 II 218
mit Hinweisen).
Die Fehlerhaftigkeit der Anlage liegt indes auf der Hand, wenn entgegen der Annahme der Vorinstanz unter Werk im Sinne von
Art. 58 OR
nicht bloss die von der Pächterin übernommene Innenausstattung, sondern das Kioskgebäude als ganzes oder auch nur der Kellerabgang verstanden wird. Da bei offener Bodentüre sich der Durchgang auf 70 cm verengte, genügte ein kleiner Schritt rückwärts für den Sturz in die Tiefe, wenn die Verkäuferin etwas aus einem Regal im Hinterraum holen musste. Solche Zustände werden selbst auf Baustellen nicht geduldet (
BGE 97 II 345
, 95 II 96). Dass die Pächterin gemäss Vertrag und Kioskreglement für den Innenausbau verantwortlich war, sie dies angeblich anerkannt und ihre Versicherung gewisse Zahlungen geleistet hat, hebt die Haftpflicht
BGE 106 II 201 S. 208
der Beklagten gemäss
Art. 58 OR
nicht auf; vertragliche Bestimmungen über die Einrichtung und den Betrieb des Kiosks können dagegen für einen allfälligen Regressanspruch der Beklagten massgebend sein, bereits geleistete Zahlungen folglich die Höhe der eingeklagten Forderung beeinflussen.
c) Das Urteil des Appellationshofes, der die Haftpflicht der Beklagten zu Unrecht verneint hat, ist daher aufzuheben und die Sache zur Ermittlung und Berechnung des Schadens an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird gutgeheissen, das Urteil des Appellationshofes (II. Zivilkammer) des Kantons Bern vom 11. März 1980 aufgehoben und die Sache zur neuen Beurteilung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen. | public_law | nan | de | 1,980 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
2f43a987-8a77-4ffc-a142-577244d96dba | Urteilskopf
115 II 331
61. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 9. November 1989 i.S. G. gegen A. und Mitbeteiligte (Berufung) | Regeste
Miteigentümervorkaufsrecht (
Art. 682 ZGB
); vertragliches Vorkaufsrecht (
Art. 681 ZGB
und
Art. 216 Abs. 3 OR
); Erwerb des Grundeigentums bei freiwilliger öffentlicher Versteigerung (
Art. 235 OR
).
1. Der Ersteigerer eines Miteigentumsanteils kann bei einer freiwilligen öffentlichen Versteigerung das Miteigentümervorkaufsrecht nur geltend machen, nachdem er im Grundbuch als Miteigentümer eingetragen worden ist (E. 2a und b).
2. Die Veräusserer eines Miteigentumsanteils können das damit verbundene Vorkaufsrecht nur zusammen mit dem Grundeigentum übertragen. Eine Abtretung des Vorkaufsrechts vor dem Eigentumsübergang ist ausgeschlossen (E. 2c).
3. Steht ein Miteigentumsanteil einer Erbengemeinschaft zu, so können nur alle Erben gemeinsam das Vorkaufsrecht ausüben. Eine anteilsmässige Ausübung durch einzelne Miterben ist ausgeschlossen (E. 3).
4. Ein vertragliches Vorkaufsrecht kann nicht dadurch entstehen, dass ein solches bei einer freiwilligen öffentlichen Versteigerung in die Steigerungsbedingungen aufgenommen wird (E. 4).
5. Der Ersteigerer, der den Bestand eines in den Steigerungsbedingungen aufgeführten Vorkaufsrechts erst nach dem Zuschlag bestreitet, handelt nicht rechtsmissbräuchlich (E. 5). | Sachverhalt
ab Seite 332
BGE 115 II 331 S. 332
A.-
Die Liegenschaften GB X. Nr. 383 und Nr. 394, um die es im vorliegenden Rechtsstreit geht, standen je zur Hälfte im Miteigentum von Kaspar M. und der Erbengemeinschaft Johannes M. Auf Begehren zweier Miterben ordnete der Zivilgerichtspräsident mit Verfügung vom 30. März/30. November 1984 gestützt auf
Art. 612 Abs. 3 ZGB
die öffentliche Versteigerung der Miteigentumsanteile an, welche der Erbengemeinschaft zustanden. In der gleichen Verfügung wurden die Gantbedingungen festgelegt und das Waisenamt X. mit der Durchführung der Versteigerung beauftragt.
Das Waisenamt X. setzte diese öffentliche Versteigerung auf den 15. Februar 1986, 10.00 Uhr an. Gleichentags, aber auf 14.00 Uhr, setzte es auch die Versteigerung der Miteigentumsanteile an, welche dem bevormundeten Kaspar M. gehörten. Warum diese Miteigentumsanteile auch zur Versteigerung gelangten, ist den Akten nicht zu entnehmen.
B.-
Am Morgen des 15. Februar 1986 ersteigerten die Miterben A., B., C. und D. die Miteigentumsanteile der Erbengemeinschaft
BGE 115 II 331 S. 333
an GB X. Nr. 383 für Fr. 150'000.-- und an Nr. 394 für Fr. 90'500.--. Am Nachmittag erhielt G. die Miteigentumsanteile von Kaspar M. an GB X. Nr. 383 für Fr. 80'000.-- und an Nr. 394 für Fr. 47'000.-- zugeschlagen.
Nachdem am Nachmittag vor der Versteigerung jedes Objekts in den Gantbedingungen auf ein "Vorkaufsrecht gem.
Art. 682 Abs. 1 ZGB
" hingewiesen worden war, machten die Ersteigerer vom Vormittag dieses geltend.
Mit Schreiben vom 14. März 1986 an das Grundbuchamt des Kantons Glarus meldete das Waisenamt X. A., B., C. und D. als neue Eigentümer der Liegenschaften GB X. Nr. 383 und Nr. 394 zur Eintragung an. Am 18. März 1986 zog das Waisenamt diese Anmeldung wieder zurück und ersuchte das Grundbuchamt, vorläufig von einer Eintragung abzusehen. Aufgrund einer neuen Anmeldung vom 1. April 1986 wurden als Miteigentümer der Liegenschaften GB X. Nr. 383 und Nr. 394 je zur Hälfte einerseits A., B., C. sowie D. und andererseits G. eingetragen.
C.-
Gemäss Leitschein vom 5. September 1986 klagten A., B., C. sowie D. gegen G. beim Augenscheingericht des Kantons Glarus. Sie verlangten sinngemäss, dass der auf G. als Miteigentümer lautende Eintrag im Grundbuch zu berichtigen und sie als alleinige Gesamteigentümer der besagten Liegenschaften einzutragen seien. Mit Entscheid vom 23. September 1987 wies das Augenscheingericht die Klage ab.
Gegen dieses Urteil appellierten die Kläger an das Obergericht des Kantons Glarus, welches in Gutheissung der Klage am 14. November/19. Dezember 1988 entschied, dass die Kläger sowohl die hälftigen Miteigentumsanteile der Erbengemeinschaft des Johannes M. an den Liegenschaften GB X. Nr. 383 und Nr. 394 als auch die hälftigen Miteigentumsanteile von Kaspar M. zu Eigentum erworben hätten und demnach als Gesamteigentümer (einfache Gesellschaft) in das Grundbuch einzutragen seien. Überdies wies das Obergericht das Grundbuchamt an, die entsprechenden Berichtigungen im Grundbuch vorzunehmen.
D.-
Gegen das obergerichtliche Urteil hat G. Berufung an das Bundesgericht erhoben. Er beantragt sinngemäss, das vorinstanzliche Urteil sei aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die Kläger und das Obergericht beantragen die Abweisung der Berufung.
BGE 115 II 331 S. 334
Erwägungen
Auszug aus den Erwägungen:
2.
Das Obergericht hiess die Klage in erster Linie deshalb gut, weil es davon ausging, dass den Klägern durch das Ersteigern der Miteigentumsanteile der Erbengemeinschaft bei der Versteigerung der Miteigentumsanteile des Kaspar M. ein Vorkaufsrecht nach
Art. 682 ZGB
zustand. Mit der Berufung bestreitet G. das Vorhandensein eines entsprechenden Rechts.
a) Beide Versteigerungen erfolgten nicht im Zusammenhang mit einer Zwangsvollstreckung. Es handelte sich vielmehr um freiwillige öffentliche Versteigerungen (vgl. CAVIN, Kauf, Tausch, Schenkung, in: SPR Bd. VII/1, Basel und Stuttgart 1977, S. 162 f.), bei welchen der Kaufvertrag mit dem Zuschlag zustande kommt (
Art. 229 Abs. 2 OR
), die Eigentumsübertragung jedoch erst mit dem Eintrag im Grundbuch erfolgt (
Art. 235 Abs. 1 OR
). Im Zeitpunkt der Versteigerung der zweiten Miteigentumshälften waren die am Morgen geschlossenen Rechtsgeschäfte noch nicht im Grundbuch vollzogen. Die Kläger waren deshalb noch nicht als Miteigentümer im Grundbuch eingetragen. Davon ging auch die Vorinstanz in ihrem Urteil aus.
b) Das Obergericht nahm aber an, ein Vorkaufsrecht nach
Art. 682 ZGB
stehe nicht nur demjenigen zu, der bereits als Miteigentümer im Grundbuch eingetragen sei, sondern könne schon vor der Eigentumsübertragung vom Erwerber einer Miteigentumshälfte geltend gemacht werden. Der Gesetzgeber wolle mit
Art. 682 ZGB
die Aufhebung der Miteigentumsverhältnisse fördern und den einzelnen Miteigentümern die Möglichkeit geben, das Eindringen unliebsamer Dritter in das Gemeinschaftsverhältnis zu verhindern. Diese Zwecksetzung fordere eine ausdehnende Auslegung bzw. eine analoge Anwendung des Miteigentümervorkaufsrechts auf den Erwerber, der noch nicht Miteigentümer geworden ist.
Entgegen der Auffassung des Obergerichts kann den von ihm angeführten Literaturstellen nichts entnommen werden, was eine derart extensive Auslegung des Vorkaufsrechts rechtfertigen würde. HAAB/SIMONIUS äussern sich an der zitierten Stelle nicht zur Art der Auslegung (Zürcher Kommentar, N. 51 zu Art. 681/682 ZGB). MEIER-HAYOZ legt nur dar, dass das Vorkaufsrecht insbesondere hinsichtlich des Vorkaufsfalls nicht mit grösster Zurückhaltung ausgelegt werden dürfe, obgleich es nur mit Bedenken Eingang im Gesetz gefunden habe und unter den Eigentumsbeschränkungen eingereiht sei (Berner Kommentar, N. 12 ff. zu
Art. 682 ZGB
). Die
BGE 115 II 331 S. 335
Ablehnung einer einschränkenden Auslegung spricht indessen noch nicht für eine ausdehnende.
Nach dem klaren Wortlaut des
Art. 682 ZGB
steht das Vorkaufsrecht nur den Miteigentümern zu. Berechtigt kann somit nur derjenige sein, der bereits gemeinschaftliches Eigentum hat (vgl. MEIER-HAYOZ, a.a.O., N. 52 zu
Art. 682 ZGB
; HAAB/SIMONIUS, a.a.O., N. 52 zu Art. 681/682 ZGB; ALPHONS WIEDERKEHR, Das gesetzliche Vorkaufsrecht des Miteigentümers, Diss. Zürich, 1936, S. 103; DORIS BINZ-GEHRING, Das gesetzliche Vorkaufsrecht im schweizerischen Recht, Diss. Bern 1975, S. 80). Es besteht kein Anlass, darüber hinaus auch demjenigen ein Vorkaufsrecht zuzugestehen, der aufgrund eines Kaufvertrages nur einen obligatorischen Anspruch auf Übertragung eines Miteigentumsanteils gegenüber dem Veräusserer hat. Ob er infolge des Erwerbstitels jemals tatsächlich Eigentümer wird, steht in keiner Weise fest. Die Übertragung kann durch eine Verfügungsbeschränkung verhindert werden, wie sie beispielsweise ein Konkurs bewirkt, oder die Übertragung kann an einen anderen Erwerber erfolgen (vgl.
BGE 110 II 129
ff.).
c) Das Obergericht nimmt zudem an, mit dem Zuschlag der ersten Miteigentumshälfte an die Kläger habe die Erbengemeinschaft diesen auch ihr Vorkaufsrecht übertragen. Die Kläger hätten das Vorkaufsrecht zwar im eigenen Namen, aber für die im Grundbuch eingetragene Erbengemeinschaft ausgeübt, der sie angehören. Die Vorinstanz verkennt damit, dass das Miteigentümervorkaufsrecht mit dem Miteigentumsanteil untrennbar verknüpft ist. Es ist als solches nicht übertragbar. Es teilt vielmehr das Schicksal des Miteigentumsanteils und kann somit nur mit ihm zusammen übertragen werden (WIEDERKEHR, a.a.O., S. 112). Wie aufgezeigt, war der Miteigentumsanteil im massgeblichen Zeitpunkt aber noch nicht auf die Kläger übergegangen. Hätten die Kläger das Vorkaufsrecht der Erbengemeinschaft ausgeübt, wäre überdies der Miteigentumsanteil von dieser und nicht von den Klägern erworben worden. Die Berufung erweist sich somit insoweit als begründet, als dem Obergericht vorgeworfen wird, es habe zu Unrecht ein Miteigentümervorkaufsrecht angenommen.
3.
a) Es ist allerdings zu beachten, dass die Kläger Mitglieder der veräussernden Erbengemeinschaft sind und im Zeitpunkt der zweiten Versteigerung noch in dieser Eigenschaft an den Grundstücken dinglich berechtigt waren. Es fragt sich deshalb, ob die Kläger aus ihrer Erbenstellung ein Vorkaufsrecht geltend machen können.
BGE 115 II 331 S. 336
b) Die Frage, ob das Miteigentümervorkaufsrecht, das einer Erbengemeinschaft zusteht, nur von allen Erben gemeinsam und für alle Mitglieder der Erbengemeinschaft ausgeübt werden kann oder nicht, stellte sich dem Bundesgericht bereits in einem unveröffentlichten Entscheid von 1943 (Entscheid der II. ZA v. 17. Dez. 1943 i.S. V. und cons. c. F.). Es entschied, dass aufgrund der Berechtigung zur gesamten Hand nur alle Erben gemeinsam das Vorkaufsrecht ausüben können (vgl. WIEDERKEHR, a.a.O., S. 112). Es schloss eine anteilsmässige Ausübung einzelner Berechtigter aus und lehnte auch die Auffassung ab, dass die Rechte jener Berechtigten, die das Vorkaufsrecht nicht ausüben wollen, den anderen anwüchsen. Die vom deutschen Recht gewählte gegenteilige Lösung (§ 513 BGB zweiter Satz) könne für das schweizerische Recht sicher insoweit nicht übernommen werden, als es sich um das gesetzliche Vorkaufsrecht der Miteigentümer handle. Dieses bezwecke, das Rechtsverhältnis, welches mit der gemeinschaftlichen Berechtigung verbunden sei, zu vereinfachen. Wüchsen aber die Rechte aus der Vorkaufsberechtigung jener Miterben, die es nicht ausüben, jenen an, die es ausüben wollen, so werde das Rechtsverhältnis nicht einfacher. Vielmehr bestünden weiterhin zwei Miteigentumshälften, deren eine der Erbengemeinschaft gehöre, während die andere denjenigen Miterben zustehe, die das Vorkaufsrecht ausgeübt hätten (E. 1 des zitierten Entscheides). In
BGE 92 II 148
ff. nahm das Bundesgericht sodann bei einem zwei Personen vertraglich eingeräumten Vorkaufsrecht an, dass die Berechtigung des einen dem anderen anwachse, wenn der erste auf deren Ausübung verzichtet habe (
BGE 92 II 154
f.; vgl. die Besprechung beider Urteile durch LIVER in ZbJV Bd. 104 (1968), S. 12 ff.).
Verzichtet einer oder verzichten mehrere Erben zugunsten der übrigen Erben auf einen dem Nachlass zustehenden Anspruch, so liegt eine Teilliquidation bezüglich dieses Vermögenswerts vor, und die verbleibenden Erben können das Recht in ihrem Namen geltend machen (
BGE 51 II 268
ff.). Gehört zu einem Nachlass ein vertragliches Vorkaufsrecht und verzichten einzelne Miterben auf dessen Ausübung, so können es somit die verbleibenden ausüben. Im vorliegenden Fall handelt es sich aber nicht um ein vertraglich begründetes Vorkaufsrecht, sondern um ein gesetzliches. Es ist untrennbar mit der Miteigentümerstellung verbunden. Da die Erbengemeinschaft aber vor der Übertragung des Miteigentumsanteils an die Kläger mit Bezug auf diesen Nachlasswert nicht liquidiert war, konnte auch das Vorkaufsrecht nicht den Klägern
BGE 115 II 331 S. 337
anwachsen (so wohl auch LIVER, ZbJV Bd. 104 (1968), S. 15 ff., und BINZ-GEHRING, a.a.O., S. 173 f.; HAAB/SIMONIUS, a.a.O., N. 38 zu Art. 681/682 ZGB, und MEIER-HAYOZ, a.a.O., N. 230 zu
Art. 681 ZGB
, geben nicht an, ob ihre gegenteilige Auffassung nur für das vertraglich eingeräumte Vorkaufsrecht oder auch für dasjenige der Miteigentümer gelten soll). Die Kläger können somit auch nicht aufgrund ihrer Erbenstellung ein Vorkaufsrecht an den Miteigentumshälften beanspruchen, die am 15. Februar 1986 nachmittags versteigert wurden.
4.
Das Obergericht hiess die Klage auch deshalb gut, weil es ein vertragliches Vorkaufsrecht annahm. Ein entsprechender Vertrag sei dadurch zustande gekommen, dass die Parteien sich mit den Gantbedingungen einverstanden erklärt hätten.
a) Mit der Vereinbarung eines Vorkaufsrechts räumt eine Partei der anderen das Recht ein, die Übertragung des Eigentums an einer Sache zu verlangen, sobald erstere sie einem Dritten veräussert (MEIER-HAYOZ, a.a.O., N. 19 zu
Art. 681 ZGB
; OTT, Die Abtretung vertraglicher Vorkaufs-, Kaufs- und Rückkaufsrechte als Vertragsübernahme, ZBGR 59. Jahrg. (1978), S. 260). Es handelt sich somit um einen Vertrag zwischen dem bisherigen Eigentümer und dem Vorkaufsberechtigten.
Ein vertragliches Vorkaufsrecht kann im vorliegenden Fall somit nur angenommen werden, falls eine entsprechende Vereinbarung zwischen den Klägern und Kaspar M. nachgewiesen ist. Gemäss
Art. 216 Abs. 3 OR
bedarf der Vorkaufsvertrag der schriftlichen Form. Eine entsprechende, von den Parteien bzw. deren Vertretern unterzeichnete Urkunde ist im vorliegenden Fall nicht nachgewiesen. Das Obergericht nahm aber an, bei einer öffentlichen Versteigerung gelte diese Formvorschrift nicht. Gemäss
Art. 229 Abs. 2 OR
kommt bei einer freiwilligen öffentlichen Versteigerung der Kaufvertrag durch den Zuschlag zustande, ohne dass weitere Formvorschriften berücksichtigt werden müssten. Vertragsparteien sind aber der Veräusserer und der Ersteigerer. Mit der Versteigerung am Vormittag kam ein Vertrag zwischen der Erbengemeinschaft und den Klägern zustande, und am Nachmittag waren Kaspar M. und G. die Vertragsparteien. Mit der Versteigerung kann somit gar kein Vertrag zwischen den Klägern und Kaspar M. zustande gekommen sein.
Unentgeltlich hätte den Klägern wohl auch gar kein Vorkaufsrecht eingeräumt werden können. Rechtsgrund eines solchen Geschäfts könnte nur eine Schenkung sein. Nach
Art. 408 ZGB
BGE 115 II 331 S. 338
dürfen aber zu Lasten eines Bevormundeten keine erheblichen Schenkungen vorgenommen werden. Der Umstand, dass für die Miteigentumshälften der Erbengemeinschaft nahezu doppelt soviel bezahlt wurde wie für die Miteigentumshälften von Kaspar M., zeigt, dass eine entsprechende Schenkung erheblich wäre.
b) Wollen die Kläger ihr Recht aus einem Vertrag zwischen ihnen und G. ableiten, könnte es sich demgegenüber nicht um ein Vorkaufs-, sondern nur um ein Kaufsrecht handeln. Hätte nämlich der Beklagte den Klägern ein Vorkaufsrecht eingeräumt, wäre der Erwerb der Miteigentumshälften durch den Beklagten kein Vorkaufsfall. Ein solcher läge erst vor, wenn G. seine Miteigentumsanteile weiter veräusserte. Dem vorinstanzlichen Urteil ist nichts zu entnehmen, das auf den Abschluss eines Kaufsrechtsvertrages zwischen den Klägern und dem Beklagten schliessen liesse.
Entgegen der Auffassung des Obergerichts können sich die Kläger somit auch nicht auf ein vertragliches Vorkaufs- oder Kaufsrecht berufen.
5.
Schliesslich machen die Kläger in der Berufungsantwort wie schon vor erster Instanz geltend, es verstosse gegen Treu und Glauben, wenn G. das Vorkaufsrecht nun bestreite, nachdem er anlässlich der Versteigerung keine Einwände gegenüber den Gantbedingungen erhoben habe.
a) Es gibt keinen allgemeinen Grundsatz der Gebundenheit an das eigene Handeln (MERZ, Berner Kommentar, N. 401 zu
Art. 2 ZGB
). Setzt sich jemand zu seinem früheren Verhalten in Widerspruch, ist darin nur dann ein Verstoss gegen Treu und Glauben zu erblicken, wenn das frühere Verhalten ein schutzwürdiges Vertrauen begründet hat, welches durch die neuen Handlungen enttäuscht würde (vgl. MERZ, a.a.O., N. 402 zu
Art. 2 ZGB
). Ist eine Rechtslage unklar oder zweifelhaft, so widerspricht es nicht Treu und Glauben, wenn jemand widersprüchliche Positionen einnimmt, um seine Rechte unabhängig vom Ausgang einzelner Rechtsstandpunkte optimal zu wahren (vgl. MERZ, a.a.O., N. 453 zu
Art. 2 ZGB
). Was den Sonderfall der Berufung auf den Formmangel eines Rechtsgeschäfts betrifft, hat das Bundesgericht wiederholt festgestellt, dass sich aus dem Rechtsmissbrauchsverbot grundsätzlich kein Erfüllungsanspruch ergeben kann. Rechtsmissbräuchlich ist das Geltendmachen des Formmangels nur, wenn der Vertrag in wesentlichen Punkten bereits freiwillig und in Kenntnis des Formmangels erfüllt wurde (vgl.
BGE 104 II 101
ff.; 112 II
BGE 115 II 331 S. 339
111 f.; MERZ, a.a.O., N. 485 ff. zu
Art. 2 ZGB
). Ob ein Rechtsmissbrauch vorliege, hat der Richter nicht in Anwendung von starren Regeln zu entscheiden, sondern unter Würdigung aller Umstände des konkreten Falles (
BGE 104 II 101
mit Verweisen).
b) Der Umstand, dass G. vorgängig der Versteigerung das Miteigentümervorkaufsrecht der Kläger nicht bestritt, kann nicht dazu führen, dass dieses entstanden ist. Wie die angeführte Rechtsprechung zum formungültigen Vertrag zeigt, kann
Art. 2 ZGB
grundsätzlich keinen Erfüllungsanspruch aus einem ungültigen Vertrag entstehen lassen.
Wohl hat das Waisenamt X. zuerst die Kläger als neue Eigentümer beim Grundbuchamt angemeldet. Diese Anmeldung führte aber nicht zur Eintragung, da das Waisenamt zur - wie sich nun herausstellt - richtigen Ansicht gelangte, dass ein Vorkaufsrecht nicht bestehe, die Anmeldung zurückzog und durch die neue ersetzte, welche die Übertragung der Miteigentumshälften an G. vorsah. Eine freiwillige und irrtumsfreie Erfüllungshandlung liegt somit nicht vor - schon gar nicht von seiten des Beklagten -, welche die Berufung auf den Nichtbestand des Miteigentümervorkaufsrechts als rechtsmissbräuchlich erscheinen lassen könnte.
In diesem Zusammenhang fragt sich allerdings, ob im Lichte der neuen Rechtsprechung der Anmeldungsrückzug einseitig überhaupt möglich war. Mit Entscheid vom 20. Juni 1989 hat das Bundesgericht den einseitigen Rückzug einer Grundbuchanmeldung grundsätzlich als unzulässig bezeichnet (
BGE 115 II 221
ff.). Aus den dort aufgeführten Erwägungen ergibt sich, dass der einseitige Rückzug durchaus auch dann unzulässig sein soll, wenn er erfolgt, weil der Veräusserer zur Ansicht gelangt, das Grundgeschäft sei nicht gültig. Es ist zweifellos richtig, bezüglich ungültiger Rechtsgeschäfte keine Ausnahme vom Grundsatz vorzusehen, dass der Rückzug nur mit Zustimmung beider Parteien möglich sein soll. Die Frage, ob das der Anmeldung zugrunde liegende Rechtsgeschäft gültig ist oder nicht, kann verbindlich nur vom Zivilrichter, nicht auch vom Grundbuchverwalter entschieden werden. Der Umstand, dass der Anmeldungsrückzug nach der neuesten bundesgerichtlichen Rechtsprechung gar nicht zulässig war, ist aber im vorliegenden Fall nicht entscheidend, da die Erfüllung im Irrtum über die Gültigkeit des Grundgeschäftes die Berufung auf die Ungültigkeit nicht von vornherein als Verstoss gegen
Art. 2 ZGB
erscheinen lässt und überdies die Anmeldung nicht von G. ausging.
BGE 115 II 331 S. 340
c) Auch der Umstand, dass G. nach der Versteigerung die Rückvergütung seiner Anzahlungen vom Waisenamt entgegennahm, vermag keine Erfüllungshandlung darzustellen, die die Berufung auf die Ungültigkeit als rechtsmissbräuchlich erscheinen liesse. In diesem Moment war es für ihn kaum möglich, die wirkliche Rechtslage abzuklären.
d) Das Verhalten des Beklagten anlässlich der Versteigerung war auch nicht geeignet, bei den Klägern ein schutzwürdiges Vertrauen zu erwecken. Wohl mag es dazu geführt haben, dass sie an der Gant nicht mitboten. Wenn sie sich auf eine falsche Auskunft des Versteigerers verliessen, kann dies aber nicht dem Beklagten angelastet werden. Zudem ist dadurch den Klägern kein unwiderruflicher Rechtsnachteil erwachsen. Sie hätten vielmehr, wie jeder andere Interessierte, die Möglichkeit gehabt, die Versteigerung nach
Art. 230 OR
anzufechten.
Der Vergleich, den die Kläger 2-4 mit einem Gerichtsverfahren anstellen, in dem die Parteien einen Richter so früh wie möglich ablehnen müssen, wenn sie ihren Anspruch auf Ausstand nicht verwirken wollen, hält nicht stand. In einem Gerichtsverfahren entsteht durch eine verspätete Ablehnung immer ein Nachteil, weil dadurch der Prozess verzögert wird. Hätte G. sofort erklärt, er anerkenne das Vorkaufsrecht nicht, wäre dadurch keine Klärung der Rechtslage erfolgt. Es ist kaum anzunehmen, dass das Waisenamt deshalb die entsprechende Bestimmung in den Gantbedingungen sofort gestrichen oder die Gant bloss deshalb bis zur weiteren Klärung der Rechtslage verschoben hätte.
6.
Zusammenfassend erweist sich somit die Berufung als begründet. Das obergerichtliche Urteil ist aufzuheben und die Klage abzuweisen. | public_law | nan | de | 1,989 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
2f4911f5-2dfb-40da-87e0-883619e9864e | Urteilskopf
121 III 11
3. Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 5. Januar 1995 i.S. R. AG (Rekurs) | Regeste
Art. 34 und 64 ff. SchKG
.
Die an den Gläubiger gerichtete Fristansetzung zur Klage auf Aberkennung eines Anspruchs im Lastenverzeichnis ist eine Mitteilung im Sinne von
Art. 34 SchKG
. Die Zustellung durch eingeschriebenen Brief oder durch Übergabe gegen Empfangsbescheinigung soll sicherstellen, dass dem Beamten jederzeit der Beweis für die Mitteilung zur Verfügung steht. | Sachverhalt
ab Seite 12
BGE 121 III 11 S. 12
Mit Entscheid vom 6. September 1994 wies der Präsident des Bezirksgerichts Bremgarten eine Beschwerde der R. AG ab, weil er zum Schluss gekommen war, dass die Frist zur Klage betreffend Bestreitung des Lastenverzeichnisses von der R. AG versäumt worden war. Ebenso wies die Schuldbetreibungs- und Konkurskommission des Obergerichts des Kantons Aargau die hierauf bei ihr erhobene Beschwerde an der Sitzung vom 16. November 1994 ab.
Vor der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts bestritt die R. AG die Rechtsgültigkeit der Zustellung der Mitteilung, womit der R. AG Frist zur Klage betreffend Bestreitung des Lastenverzeichnisses angesetzt worden war. Ihr Rekurs wurde abgewiesen, soweit darauf einzutreten war.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
Dem angefochtenen Entscheid kann im Ergebnis insofern beigepflichtet werden, als die Fristansetzung zur Klage rechtsgültig erfolgt ist und mangels Klageerhebung der Anspruch des Dritten im Lastenverzeichnis als anerkannt zu gelten hat. Indessen stützt sich die Begründung des angefochtenen Entscheides zu Unrecht auf
Art. 65 SchKG
:
Die Rekurrentin ist, wie in der Rekursschrift betont wird, Gläubigerin. Schon deswegen ist ihr gegenüber die Vorschrift von
Art. 65 SchKG
betreffend die Zustellung von Betreibungsurkunden an eine juristische Person in der gegen diese gerichteten Betreibung nicht anwendbar. Da das Gesetz bezüglich der mit dem Formular VZG 11a verfügten Fristansetzung an die Rekurrentin nicht etwas anderes vorschreibt, war diese Mitteilung gemäss
Art. 34 SchKG
durch eingeschriebenen Brief oder durch Übergabe gegen Empfangsbescheinigung zuzustellen. Diese Vorschrift ist weniger streng als die dem Schutz des Schuldners dienende Regelung der
Art. 64 ff. SchKG
, will sie doch nur sicherstellen, dass dem Beamten jederzeit der Beweis für die Mitteilung zur Verfügung steht (
BGE 91 III 41
E. 2, S. 44; FRITZSCHE/WALDER, Schuldbetreibung und Konkurs nach schweizerischem Recht, Band I, § 14 Rz. 12; AMONN, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 5. Auflage, § 12 N. 3).
Der Beweis dafür, dass P. C. - die Gattin des Verwaltungsratspräsidenten der Rekurrentin - die umstrittene Verfügung des Betreibungsamtes in Empfang
BGE 121 III 11 S. 13
genommen und hernach in die Postablage von K. C. gelegt hat, ist erbracht. Es oblag allein der Rekurrentin, ihre betriebsinternen Abläufe derart zu gestalten und im Auge zu behalten, dass sie die nach
Art. 34 SchKG
erfolgte Mitteilung des Betreibungsamtes auch tatsächlich zur Kenntnis nehmen konnte (
BGE 120 III 57
E. 2b, S. 59). P. C. ihrerseits hätte, wenn sie zur Entgegennahme von an die Rekurrentin gerichteten Mitteilungen des Betreibungsamtes nicht befugt gewesen wäre oder keine Möglichkeit gesehen hätte, die Mitteilungen ungesäumt an die Rekurrentin weiterzuleiten, sie zurückweisen müssen. | null | nan | de | 1,995 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
2f4912d5-ddf9-4b75-983f-5210478cbf1a | Urteilskopf
108 III 17
8. Entscheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 11. März 1982 i.S. Eugster (Rekurs) | Regeste
Art. 143 SchKG
.
Ein Zahlungsverzug im Sinne von
Art. 143 SchKG
liegt grundsätzlich nur vor, wenn der Ersteigerer die Bezahlung einer dem Betreibungsamt zu leistenden Summe verweigert. Ein Verzug mit der Erfüllung einer dem Ersteigerer in den Steigerungsbedingungen überbundenen Verpflichtung gegenüber einem Dritten hat dagegen nicht die Aufhebung des Zuschlags zur Folge, es sei denn, die Erfüllung dieser Verpflichtung bilde eine Voraussetzung für die Fortsetzung des Verfahrens. | Sachverhalt
ab Seite 17
BGE 108 III 17 S. 17
A.-
Im Konkurs über Willi Würth setzte die Konkursverwaltung für die Verwertung der Liegenschaft "Weisses Haus" in Altenrhein unter Ziff. 20a unter anderem folgende Steigerungsbedingung fest:
"Aufgrund eines Mietvertrags zwischen Robert Eugster und Dr. W. Würth vom 4.8.1977 hat Robert Eugster von Dr. W. Würth 123 Bootsplätze gemäss Liste gemietet. Aufgrund dieses Vertrags hat Robert Eugster bisher 123 Plätze untervermietet. Er hat bei einigen Mietern den Mietzins für die Saison 1979 bereits eingezogen. Um zu verhindern, dass gewisse Mieter den Mietzins für 1979 allenfalls doppelt bezahlen müssen (falls die dinglich wirksame Vormerkung des Mietvertrags Eugster/Würth mit der Steigerung entfällt), werden jene Mietverträge für die Saison 1979, für die gewisse Mieter den Zins bereits an Robert Eugster bezahlt haben, dem Ersteigerer für das Jahr 1979 überbunden."
BGE 108 III 17 S. 18
Die Liegenschaft wurde am 8. Dezember 1978 von der Rappi AG nach erfolgtem Doppelaufruf ohne die in den Steigerungsbedingungen erwähnte Last der Vormerkung des Mietvertrags zum Preis von 8,6 Millionen Franken ersteigert. In der Folge bestritt die Rappi AG die Gültigkeit des Mietvertrags vom 4. August 1977 und forderte von Robert Eugster die seit dem 16. Februar 1976 vorgenommenen Inkassi von Bootsplatzmieten zurück. Über die von Eugster am 5. Dezember 1978 für das Jahr 1979 an Theo Heuberger vermieteten 60 Bootsplätze verfügte sie auf eigene Rechnung.
B.-
Am 12. Juni 1981 stellte Robert Eugster bei der Konkursverwaltung das Begehren, der Zuschlag bezüglich der Liegenschaft "Weisses Haus" sei in Anwendung von
Art. 143 SchKG
und
Art. 63 VZG
wegen Nichterfüllung von Steigerungsbedingungen beziehungsweise ausgewiesenem Zahlungsverzug aufzuheben; demzufolge sei sofort eine neue Steigerung anzuordnen. Die Konkursverwaltung wies dieses Gesuch mit Verfügung vom 11. August 1981 ab. Gegen diese Verfügung beschwerte sich Robert Eugster bei der kantonalen Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs des Kantons St. Gallen; seine Beschwerde wurde jedoch mit Entscheid vom 21. Januar 1982 abgewiesen, soweit darauf einzutreten war.
C.-
Mit dem vorliegenden Rekurs an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts verlangt Robert Eugster erneut die Aufhebung des Zuschlags der Liegenschaft "Weisses Haus" an die Rappi AG und die Anordnung einer neuen Steigerung.
Erwägungen
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
1.
Nach
Art. 143 Abs. 1 SchKG
, der gemäss
Art. 259 SchKG
auch im Konkurs Anwendung findet, wird die Übertragung der versteigerten Liegenschaft rückgängig gemacht und sofort eine neue Steigerung angeordnet, wenn die Zahlung nicht rechtzeitig erfolgt. Wie das Bundesgericht bereits in
BGE 30 I 177
und 856/857 entschieden hat, liegt ein Zahlungsverzug im Sinne dieser Bestimmung nur vor, wenn der Ersteigerer die Bezahlung einer dem Betreibungs- beziehungsweise dem Konkursamt zu leistenden Summe verweigert. Dazu gehören der Zuschlagspreis, soweit er nach den Steigerungsbedingungen bar zu bezahlen ist, aber auch die dem Ersteigerer überbundenen Kosten. Ein Verzug in der
BGE 108 III 17 S. 19
Erfüllung einer dem Ersteigerer überbundenen Verpflichtung gegenüber Drittpersonen hat dagegen nicht die Aufhebung des Zuschlags zur Folge; Ansprüche gegen den Ersteigerer aus solchen Verpflichtungen sind ausserhalb des Betreibungs- beziehungsweise Konkursverfahrens geltend zu machen (ebenso JAEGER, N. 1 zu
Art. 143 SchKG
; BLUMENSTEIN, Handbuch des Schweizerischen Schuldbetreibungsrechtes, S. 474; HÜSLER, Die Steigerungsbedingungen in der Zwangsversteigerung von Grundstücken, Diss. Bern 1937, S. 65/66).
Von diesem Grundsatz hat das Bundesgericht in der Folge nur in
BGE 32 I 225
ff. eine Ausnahme gemacht. In jenem Fall hatte sich der Ersteigerer geweigert, die ihm in den Steigerungsbedingungen auferlegte Handänderungsgebühr zu bezahlen. Die Bezahlung dieser Gebühr bildete aber die Voraussetzung für die Eintragung des Eigentumsübergangs im Grundbuch; anderseits konnten die Grundpfandgläubiger nach dem anwendbaren kantonalen Recht die dem Ersteigerer überbundenen Zinsen nur geltend machen, wenn dieser als Eigentümer im Grundbuch eingetragen war. Das Konkursamt hatte deshalb vom Ersteigerer die Hinterlegung der Handänderungsgebühr innert einer Frist von 10 Tagen verlangt, ansonst der Zuschlag aufgehoben würde. Das Bundesgericht billigte dieses Vorgehen. Zur Begründung führte es aus,
Art. 143 SchKG
wolle dem Amt durch Einräumung der Befugnis, eine neue Steigerung anzuordnen, ein Mittel in die Hand geben, um gegenüber dem Ersteigerer wirksam auf richtige und rechtzeitige Erfüllung aller Verbindlichkeiten dringen zu können, die für den Ersteigerer aus dem Steigerungsgeschäft entstanden seien und deren Liquidation im betreffenden Betreibungsverfahren selbst erfolgen müsse. Der Ausdruck "Zahlung" umfasse also nicht nur die Geldleistungen, welche der Ersteigerer als Erlös, zur Berichtigung der Kosten usw. dem Amte zu machen habe, sondern auch sonstige Leistungen, von deren Vornahme die Weiterführung des Verfahrens abhänge, also gegebenenfalls auch Zahlungen an Dritte. Andernfalls behielte der Ersteigerer die Möglichkeit, durch Bestreitung der Leistungspflicht der Betreibung ein Hindernis in den Weg zu legen. Die geforderte gerichtliche Hinterlegung des streitigen Gebührenbetrags sei nun aber eine Leistung, deren Erfüllung das Amt vom Ersteigerer verlangen müsse, um das Verfahren in ordentlicher Weise weiterführen zu können (
BGE 32 I 229
/230).
2.
Der Rekurrent behauptet nicht, die Ersteigerin sei gegenüber dem Konkursamt mit der Bezahlung des Zuschlagspreises
BGE 108 III 17 S. 20
oder der Verwertungskosten im Verzug. Er macht vielmehr geltend, sie habe die ihr in den Steigerungsbedingungen überbundenen Mietverträge über Bootsplätze nicht gegen sich gelten lassen beziehungsweise die Vermietung der Bootsplätze auf eigene Rechnung vorgenommen. Diese angebliche Verletzung einer in den Steigerungsbedingungen überbundenen, gegenüber einem Dritten bestehenden Verpflichtung lässt sich jedoch nicht mit der Nichtleistung der Handänderungsgebühr im erwähnten Entscheid vergleichen, ohne deren Bezahlung der Eigentumsübergang im Grundbuch nicht eingetragen werden konnte. Die Weiterführung des vorliegenden Konkursverfahrens hängt in keiner Weise davon ab, ob die Ersteigerin die ihr überbundenen Verpflichtungen gegenüber den Mietern der Bootsplätze erfülle oder nicht. Wenn der Rekurrent glaubt, aus der Überbindung der Mietverträge Ansprüche gegen die Ersteigerin zu haben, so kann er sie beim Richter einklagen. Es besteht keinerlei Anlass, deswegen den bereits vor drei Jahren erfolgten Zuschlag aufzuheben und eine neue Versteigerung anzuordnen, die möglicherweise weniger einbringen würde. Ein solches Vorgehen läge auch nicht im Interesse der Gesamtheit der Gläubiger. Zur Sicherung individueller Interessen Dritter kann aber
Art. 143 Abs. 1 SchKG
nicht dienen, auch wenn sie mit dem Konkursverfahren zusammenhängen. Würde man anders entscheiden, so könnte auch dann, wenn der Ersteigerer seine Verpflichtungen gegenüber den Gläubigern der überbundenen Pfandforderungen nicht erfüllt, die Aufhebung der Versteigerung verlangt werden, selbst wenn diese schon Jahre zurückliegt. Das würde jedoch eine ordentliche Verwertung von Grundstücken unmöglich machen und kann nicht der Sinn des Gesetzes sein.
Der Umstand, dass der Rekurrent selbst Konkursgläubiger ist und dass sich die Höhe seiner Konkursforderung nach seiner Darstellung um den Betrag der von ihm für die untervermieteten Bootsplätze einkassierten Mietzinse vermindert, kann zu keinem andern Ergebnis führen. Die Auseinandersetzung mit der Ersteigerin hat deswegen nicht innerhalb des Konkursverfahrens zu erfolgen. Der Streit zwischen dem Rekurrenten und der Ersteigerin bildet auch kein Hindernis für die Fortsetzung des Konkursverfahrens, selbst wenn es zutreffen sollte, dass die Höhe der Konkursforderung des Rekurrenten von seinem Ausgang abhängt. Einer allfälligen Änderung des Forderungsbetrags könnte ohne weiteres Rechnung getragen werden, sei es in der Verteilungsliste,
BGE 108 III 17 S. 21
sei es durch nachträgliche Kollokation der wiederauflebenden Forderung im Falle einer erfolgreichen Anfechtung der Mietzinsbezüge durch die Ersteigerin. Diese denkbaren Komplikationen rechtfertigen es nicht, das Konkursverfahren praktisch auf den Stand vom 8. Dezember 1978 zurückzuversetzen.
3.
Die Vorinstanz hat das Begehren des Rekurrenten um Aufhebung des Zuschlags somit zu Recht abgewiesen. Ob die Ersteigerin die ihr in den Steigerungsbedingungen überbundenen Verpflichtungen gegenüber dem Rekurrenten verletzt habe oder nicht, kann unter diesen Umständen dahingestellt bleiben. Auf die entsprechenden Ausführungen in der Rekursschrift ist deshalb nicht einzutreten.
Dispositiv
Demnach erkennt die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer:
Der Rekurs wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. | null | nan | de | 1,982 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
2f4a76f6-1218-4064-ae24-1a75455d8c43 | Urteilskopf
120 Ib 369
51. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit public du 27 octobre 1994 dans la cause S. contre Conseil d'Etat du canton de Genève (recours de droit public traité comme recours de droit administratif) | Regeste
Art. 9 Abs. 3 lit. c ANAG
: Erlöschen der Niederlassungsbewilligung wegen Auslandaufenthalt.
Die Niederlassungsbewilligung erlöscht grundsätzlich nur, wenn sich ein Ausländer während sechs aufeinanderfolgenden Monaten ununterbrochen im Ausland aufhält. Hat er den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen tatsächlich ins Ausland verlegt, wird diese Frist durch vorübergehende Rückkehr in die Schweiz zu Geschäfts- oder Besuchszwecken kurz vor Ablauf nicht unterbrochen. | Sachverhalt
ab Seite 369
BGE 120 Ib 369 S. 369
A.-
Le 24 avril 1981, S., né le 18 janvier 1955, ressortissant syrien (ayant par la suite acquis également la nationalité française), a déposé à Genève une demande de permis de séjour pour des raisons humanitaires, qui a été rejetée par décision de l'Office fédéral des étrangers du 18 juin 1981.
BGE 120 Ib 369 S. 370
Statuant le 16 novembre 1981 sur recours, le Département fédéral de justice et police a confirmé cette décision.
Le 15 décembre 1981, le prénommé a déposé une demande d'asile qu'il a retirée après avoir obtenu une autorisation de séjour annuelle en raison de son mariage, le 14 décembre 1982, avec une ressortissante française titulaire d'un permis de séjour. Du mariage sont nés deux enfants, A., le 12 janvier 1986, et A., le 24 janvier 1987.
Le 4 mars 1988, S. a obtenu une autorisation d'établissement. En avril 1991, son épouse a indiqué au Contrôle de l'habitant du canton de Genève que le couple s'était séparé et qu'elle quittait définitivement la Suisse avec ses enfants.
Le 7 septembre 1991, S. a annoncé au Contrôle de l'habitant qu'il avait quitté la Suisse pour une durée de six mois se terminant le 15 novembre 1991, gardant cependant son emploi à Genève; il donnait une adresse provisoire en Syrie.
Par lettre du 14 février 1992, datée de Genève mais donnant une adresse en Syrie, S. a informé le Contrôle de l'habitant de son divorce prononcé le 27 janvier 1992 en Syrie. Par courrier du même jour, son employeur la société A. SA, dont S. est du reste le fondateur et l'animateur principal, a sollicité pour ce dernier une autorisation d'absence de deux ans, en indiquant que l'intéressé avait pris domicile en Syrie pour une période qui ne devait pas dépasser ce délai. La société A. SA a toutefois retiré cette demande le 20 octobre 1992, en déclarant avoir renoncé à envoyer son employé à l'étranger.
Le 23 octobre 1992, S. a été entendu par le Contrôle de l'habitant. Il a déclaré qu'entre juin 1991 et octobre 1992, il avait quitté la Suisse à quatre reprises. Sur une période de seize mois, il n'avait en fait vécu en Suisse que pendant cinq mois, s'absentant ainsi du 14 juin au 18 octobre 1991, du 21 novembre 1991 au 6 janvier 1992, du 8 mars au 23 mai 1992 et du 20 juillet au 5 octobre 1992. Il a précisé que ses enfants vivaient depuis juin 1991 en Syrie auprès de leur grand-mère paternelle. Enfin, il a annoncé qu'il allait repartir de Suisse pour quelque temps. De fait, convoqué par la police pour le 25 novembre 1992, il ne s'est pas présenté. A l'Administration fiscale cantonale, l'intéressé a déclaré avoir passé la majeure partie de l'année 1991 en Syrie et n'avoir pas eu de revenu en Suisse durant cette année.
Par décision du 31 mars 1993, l'Office cantonal de la population du canton de Genève a constaté que S. avait vécu plus de six mois à l'étranger, de telle sorte que son autorisation d'établissement avait pris fin.
BGE 120 Ib 369 S. 371
B.-
S. a recouru au Conseil d'Etat du canton de Genève contre cette décision. Lors d'une enquête en mai 1993, l'intéressé n'a pas pu être atteint. Il louait toujours un appartement à Genève, où il ne se trouvait toutefois qu'épisodiquement. Le concierge de l'immeuble ne l'avait pas vu depuis le mois de mars. Convoqué à nouveau le 17 août 1993, S. n'a donné suite à cette invitation que le 13 septembre 1993. Il a expliqué que la faillite de sa société A. SA avait été prononcée récemment et qu'il avait monté avec un tiers une nouvelle société, qui devait connaître également des difficultés ultérieurement. Le 19 novembre 1993, la Commission de recours en matière de séjour et d'établissement des étrangers a entendu l'avocat de l'intéressé. Ce mandataire a expliqué qu'il avait demandé à son client de venir à la séance mais qu'il n'avait reçu aucune nouvelle de sa part. L'instruction a encore permis d'établir que la nouvelle épouse de l'intéressé vivait en Syrie.
Par arrêté du 7 mars 1994, le Conseil d'Etat a rejeté le recours.
C.-
Agissant par la voie du recours de droit public, S. conclut à l'annulation de l'arrêté pris le 7 mars 1994 par le Conseil d'Etat et à la constatation de ce qu'il est toujours au bénéfice de son autorisation d'établissement.
Le Tribunal fédéral a rejeté le recours.
Erwägungen
Extrait des considérants:
2.
a) Selon l'art. 9 al. 3 lettre c de la loi fédérale du 26 mars 1931 sur le séjour et l'établissement des étrangers (LSEE; RS 142.20), l'autorisation d'établissement prend fin lorsque l'étranger annonce son départ ou qu'il a séjourné effectivement pendant six mois à l'étranger; sur demande présentée au cours de ce délai, celui-ci peut être prolongé jusqu'à 2 ans.
b) En l'espèce, on ne peut considérer que le recourant a annoncé clairement son départ définitif pour l'étranger (cf.
ATF 112 Ib 1
consid. 3 p. 3). Il a d'abord parlé d'une absence provisoire de six mois. Puis, par l'intermédiaire de la société qu'il dominait, il a fait état d'une absence de deux ans avec prise de domicile en Syrie, en demandant le maintien de son autorisation d'établissement; mais cette requête a été retirée quelque temps après, au motif que le recourant n'avait finalement pas été envoyé à l'étranger par son employeur. Il convient donc d'examiner si l'autorisation d'établissement a pris fin parce que l'étranger a séjourné effectivement pendant six mois à l'étranger.
BGE 120 Ib 369 S. 372
c) Pour faciliter l'application de l'art. 9 al. 3 lettre c LSEE, le législateur a utilisé deux critères formels, soit l'annonce du départ et le séjour de six mois à l'étranger; il a évité de se fonder sur la notion de transfert de domicile ou du centre des intérêts, vu les difficultés d'interprétation que cela aurait entraîné (
ATF 112 Ib 1
consid. 2a p. 2). En cas de séjour effectif de plus de six mois à l'étranger, l'autorisation d'établissement prend fin quels que soient les causes de cet éloignement et les motifs de l'intéressé.
Il reste toutefois à définir si ce séjour de six mois à l'étranger doit avoir lieu consécutivement, comme le pense l'Office fédéral des étrangers, ou s'il suffit que ces six mois se passent dans un certain laps de temps, par exemple une année, comme le soutient le Conseil d'Etat. En principe, pour entraîner la perte de l'autorisation d'établissement, le séjour à l'étranger doit être de six mois consécutifs. Rien à l'art. 9 al. 3 lettre c LSEE ne permet de penser qu'un séjour fragmenté de six mois soit suffisant, sinon le texte légal l'aurait exprimé, par exemple en disant que l'étranger ne doit pas passer plus de six mois hors de Suisse durant une année (ou un autre laps de temps). De plus, aucune indication dans la loi ne permet de fixer la période pendant laquelle les six mois passés à l'étranger devraient avoir lieu pour aboutir à la fin de l'autorisation d'établissement.
Il se peut cependant que l'étranger passe l'essentiel de son temps hors de Suisse, voire y transfère son domicile ou le centre de ses intérêts, sans jamais y rester plus de six mois consécutivement, revenant régulièrement en Suisse pour une période relativement brève. On voit mal, dans ce cas, qu'une autorisation d'établissement puisse subsister, même si l'étranger garde un appartement en Suisse. Dans de telles conditions, il faut considérer que le délai de six mois prévu à l'art. 9 al. 3 lettre c LSEE n'est pas interrompu lorsque l'étranger revient en Suisse avant l'échéance de ce délai non pas durablement, mais uniquement pour des séjours d'affaires ou de visite (arrêt du 26 novembre 1992 en la cause B., reproduit in RDAT 1993 I 175 consid. 4 p. 179; arrêts non publiés du 21 janvier 1994 en la cause B., consid. 2a et du 27 mars 1987 en la cause R., consid. 2a).
d) En l'occurrence, on peut se demander si, en dépit de ses affirmations, le recourant n'a pas passé six mois consécutivement hors de Suisse. En 1991 d'abord, une de ses absences hors de Suisse pourrait bien avoir duré plus de six mois sans interruption, surtout si l'on tient compte de ses déclarations à l'Administration fiscale cantonale, selon lesquelles il n'a eu durant cette année aucun revenu à Genève. A cela s'ajoute que le recourant a lui-même annoncé à l'autorité
BGE 120 Ib 369 S. 373
compétente par lettre du 7 septembre 1991 qu'il avait quitté la Suisse pour une durée de six mois. Pour 1992, les déclarations initiales de la société A. SA vont dans le même sens. A fin octobre/début novembre 1992, le recourant a quitté Genève où il était revenu pour peu de temps au début octobre. Il paraît y être revenu brièvement au mois de mars 1993. Depuis lors, il n'a pu être atteint en mai, au moment où a eu lieu une enquête à son sujet. Une nouvelle convocation lui a été adressée en août, à laquelle il n'a donné suite qu'à mi-septembre 1993, après une absence dont on a tout lieu de penser qu'elle a été supérieure à six mois. Si tel est bien le cas, l'autorisation d'établissement a pris fin selon l'art. 9 al. 3 lettre c LSEE et il ne saurait être question d'une prolongation du délai de six mois jusqu'à deux ans, puisque la demande y relative présentée dans un premier temps a ensuite été retirée.
Toutefois, même si le recourant n'avait pas passé plus de six mois consécutifs hors de Suisse dans les années 1991, 1992 et 1993, son permis d'établissement aurait néanmoins pris fin. En effet, ses enfants et sa nouvelle épouse se trouvent en Syrie (où le recourant semble avoir transféré sinon son domicile, du moins le centre de ses intérêts). Le recourant n'a plus eu de gain notable à Genève, et même aucun en 1991. Par la suite, ses activités professionnelles se sont déroulées à l'étranger et il n'est revenu en Suisse que pour des séjours de courte durée, afin de s'occuper d'abord de la société A. SA qui périclitait, puis de ses intérêts dans la nouvelle société qu'il avait créée avec un tiers mais dont celui-ci était à la fois le gérant et l'unique administrateur. Effectivement parti pour l'étranger, le recourant n'est donc revenu en Suisse que pour des séjours d'affaires relativement courts, qui, au regard de la jurisprudence citée plus haut (consid. 2c), n'ont pas interrompu dans ces conditions le délai de six mois de l'art. 9 al. 3 lettre c LSEE. C'est donc à bon droit que les autorités genevoises ont constaté que son autorisation d'établissement avait pris fin. | public_law | nan | fr | 1,994 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
2f4ad645-b778-46d3-b487-9295d82189e6 | Urteilskopf
83 II 500
67. Arrêt de la IIe Cour civile du 5 décembre 1957 dans la cause Blanc et consorts contre Diserens et consorts. | Regeste
Art. 510 ZGB
. Widerruf eines öffentlichen Testaments durch Vernichtung der Urkunde.
1. Die Urkunde, die vernichtet werden muss, um den Widerruf des Testaments zu bewirken, ist das von der Urkundsperson ausgefertigte Original; die Vernichtung einer Abschrift der Urkunde führt nicht zum Widerruf des Testaments (Erw. 1).
2. Die Vernichtung der Urkunde kann nicht nur im Zerreissen oder Verbrennen, sondern auch im Durchstreichen, Durchschneiden oder Radieren bestehen (Erw. 2). | Sachverhalt
ab Seite 501
BGE 83 II 500 S. 501
A.-
Samuel Blanc, agriculteur à La Bugnonnaz, né le 17 janvier 1872, est décédé le 26 octobre 1951 à l'hôpital de Cery. Il était original et avait un caractère bizarre. Le 15 novembre 1938, il avait été pourvu d'un curateur ad interim en la personne d'Emile Chevalley, parce qu'il avait été mis alors en observation à l'asile de Cery. La Justice de paix de Pully lui désigna comme curateur un cousin issu de germains, Samuel Diserens, le 30 novembre 1938. Cette curatelle fut levée le 29 mai 1941. Samuel Diserens fut toutefois nommé à nouveau curateur le 20 décembre 1949, puis tuteur le 26 janvier 1950, Samuel Blanc ayant été replacé à l'hôpital de Cery, le 7 janvier 1950. Le professeur Steck, directeur de cet établissement, avait fait signer par Samuel Blanc une demande d'interdiction volontaire, sur l'intervention du juge de paix de Pully. Dans la lettre accompagnant cette requête, le professeur Steck exposait que le malade présentait une légère excitation psychique qui le poussait à entreprendre des affaires risquées, dépassant ses moyens, mais que malgré son âge il était assez bien conservé physiquement et présentait seulement une légère diminution de la mémoire; il estimait que Samuel Blanc était capable de comprendre la portée de la demande de tutelle volontaire qu'il avait signée.
Le 9 septembre 1949, Samuel Blanc a fait un testament public instrumenté par le notaire Krayenbuhl, à Lausanne, dans lequel il instituait comme héritiers de ses biens les trois fils de Samuel Diserens, savoir Henri, Gaston et Robert Diserens, et faisait différents legs.
Samuel Blanc fut interné à Cery jusqu'au 15 mars 1950. Il fut ensuite en pension pendant quelques jours chez dame Bride, puis hospitalisé une nouvelle fois à Cery dès le
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21 mars et jusqu'au 5 mai 1950. Il rentra chez lui au début de juin 1950, après avoir séjourné à l'asile de La Prairie. Il s'échappa à deux reprises de cet établissement et se rendit à La Bugnonnaz lors de l'une de ses escapades. Dans le courant du mois de juin 1950, son comportement devint de plus en plus excentrique. Le 30 juin 1950, il se déshabilla sur la place de la Riponne, à Lausanne, et fut immédiatement replacé à l'asile de Cery, qu'il ne quitta plus jusqu'à sa mort.
Par demande du 27 mai 1952, les héritiers légaux de Samuel Blanc, savoir ses neveux Georges Blanc, Georgette Damon-Blanc et Florence Blanc, ont ouvert action contre les héritiers testamentaires, Henri, Gaston et Robert Diserens, en concluant à ce que le testament du 9 septembre 1949 fût déclaré nul parce que son auteur n'était pas capable de discernement lors de sa confection ou, subsidiairement, parce qu'il l'avait révoqué par suppression.
Les défendeurs ont conclu à libération.
La Cour civile du Tribunal cantonal vaudois, par jugement du 4 juillet 1957, a rejeté la demande et prononcé que la succession de Samuel Blanc serait dévolue selon les dispositions de son testament. Elle a considéré notamment ce qui suit: Les demandeurs n'ont pas établi que Samuel Blanc était privé de discernement lorsqu'il a testé. Ils n'ont pas non plus rapporté la preuve qu'il avait luimême déchiré le testament, en sorte qu'on ne saurait admettre qu'il y a eu révocation au sens de l'art. 510 CC. Le notaire Krayenbuhl avait délivré à Samuel Blanc une expédition du testament public qu'il avait instrumenté le 9 septembre 1949. Les investigations entreprises à La Bugnonnaz par la Justice de paix de Pully étant restées infructueuses, le notaire Krayenbuhl lui fit parvenir une seconde expédition du testament. Le 5 juin 1956, à la demande de Georges Blanc, l'Office de paix de Pully se rendit à La Bugnonnaz pour procéder à de nouvelles recherches. Il résulte du procès-verbal établi à cette occasion
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que dame Marguerite Porchet avait découvert dans une bible rangée au galetas de la maison de La Bugnonnaz un fragment d'une pièce dactylographiée sur papier timbré qui lui avait paru être en corrélation avec la succession de Samuel Blanc et qu'elle en avait informé dame Georgette Damon; il a été constaté que ce fragment, qui provenait de la première expédition du testament délivré par le notaire à Samuel Blanc, était déchiré sur toute sa longueur, qu'il était plié en quatre et servait de signet dans la bible. Cette bible était celle de Samuel Blanc. Après la vente aux enchèr es publiques de divers biens ayant appartenu au de cujus, une caisse qui contenait de vieux papiers et des livres, notamment sa bible, a été transportée au galetas de la maison de La Bugnonnaz et y est restée. C'est en cherchant un livre de médecine dans cette caisse que dame Porchet a découvert la bible et le fragment de l'expédition du testament. L'original de l'acte est demeuré intact dans les minutes de Me Krayenbuhl. Au cours d'une conversation avec celui-ci en décembre 1949, le de cujus l'avait informé qu'il envisageait de modifier, le cas échéant, certaines clauses de son testament. Lors de ses séjours à Cery, Samuel Blanc n'avait pas avec lui l'expédition de son testament. Il n'est de toute façon pas établi qu'il l'ait lui-même déchirée.
B.-
Contre ce jugement les demandeurs ont interjeté en temps utile un recours en réforme au Tribunal fédéral, concluant à ce qu'il fût prononcé:
"I. que le testament de feu Samuel Blanc, instrumenté le 9 septembre 1949 par le notaire Krayenbuhl à Lausanne, est nul et de nul effet, l'acte ayant été révoqué par suppression, selon l'art. 510 CC;
II. que la succession est dévolue ab intestat, selon les prescriptions de la loi, aux héritiers légaux recourants."
Ils font valoir en particulier que l'expédition n'est pas une simple copie mais un second original et que la destruction de l'expédition équivaut à la destruction du testament; cette opinion est, à leur avis, la seule admissible, car il ne serait pas possible sans cela, dans le canton de
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Vaud, de révoquer un testament public par suppression, attendu que la minute reste toujours en main du notaire, qui ne peut pas s'en dessaisir. Ils prétendent que l'expédition du testament ayant été déchirée, il incombait aux défendeurs de prouver que cette destruction n'était pas le fait de Samuel Blanc ou d'une personne agissant selon ses instructions, et que la Cour cantonale a violé l'art. 8 CC en inversant le fardeau de la preuve.
Les défendeurs concluent au rejet du recours et à la confirmation du jugement déféré. Ils soutiennent que la révocation d'un testament public par la suppression de l'acte n'est pas possible dans le canton de Vaud, car la minute subsiste toujours chez le notaire. Quant à la preuve que Samuel Blanc a détruit l'expédition de son testament avec l'intention de la révoquer, ils estiment qu'il appartenait aux demandeurs de la rapporter. Au surplus, la capacité du de cujus au moment où la révocation aurait eu lieu est, à leur avis, improbable.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
Selon l'art. 510 al. 1 CC, le disposant peut révoquer son testament par la suppression de l'acte. Lorsqu'il s'agit d'un testament public, l'acte qui doit être supprimé pour entraîner la révocation du testament est l'original instrumenté par l'officier public conformément aux art. 499 ss. CC et portant les signatures de celui-ci, des témoins et, le cas échéant (art. 500 al. 2 CC), du disposant. La suppression d'une copie de l'acte n'a pas pour effet la révocation du testament (TUOR, note 12 aux art. 509-511; ESCHER, note 2 à l'art. 510; OENEN, De la révocation des testaments en droit suisse, p. 64).
Dans le canton de Vaud, le testament public doit être instrumenté par le ministère d'un notaire (art. 123 al. 1 de la loi d'introduction dans le canton de Vaud du code civil suisse, ci-après LICC). Le notaire qui a reçu un testament public le conserve en original dans l'onglet de ses minutes et en délivre une expédition ou grosse au testateur
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(art. 124 LICC). L'expédition est une copie, délivrée par le notaire, d'un acte reçu en minute (art. 94 de la loi vaudoise sur le notariat, du 10 décembre 1956, entrée en vigueur le 1er janvier 1957, ci-après: LNOt.; art. 93 de la loi vaudoise sur le notariat, du 18 novembre 1940, abrogée par la loi précitée, ci-après: aLNOt.). Il résulte de ces dispositions que l'original du testament public est, dans le canton de Vaud, la minute qui reste entre les mains du notaire, tandis que l'expédition délivrée au testateur n'est qu'une copie de cet original.
En l'espèce, il est constant que seule l'expédition du testament public de Samuel Blanc, instrumenté le 9 septembre 1949 par Me Krayenbuhl, a été déchirée. L'original est resté intact dans les minutes du notaire. Il s'ensuit que la destruction de cette copie n'a pas entraîné la révocation du testament au sens de l'art. 510 CC, attendu que la révocation ne peut être produite que par la suppression de l'acte lui-même, savoir de la minute dressée par l'officier public.
2.
Les recourants objectent toutefois que les notaires vaudois sont tenus de garder les minutes des actes qu'ils instrumentent, c'est-à-dire les originaux signés par les parties présentes et intervenantes (art. 76 LNOt., 72 aLNOt.) et qu'ils ne peuvent s'en dessaisir qu'en vertu d'un jugement ou d'une ordonnance du juge d'instruction cantonal (art. 81 LNOt., 76 aLNOt.); à leur avis, la révocation d'un testament par la suppression de l'acte selon l'art. 510 CC ne serait pas possible dans le canton de Vaud, si l'on n'admettait pas que la suppression par le disposant de l'expédition qui lui a été délivrée équivaut à la suppression de l'acte lui-même et entraîne la révocation du testament.
Cette argumentation est toutefois erronée. Selon l'art. 504 CC, les testaments publics doivent être conservés en original ou en copie par les officiers publics qui les ont instrumentés ou par une autorité chargée de ce soin. Lorsque l'original du testament public reste entre les mains du notaire auquel il incombe de le garder, conformément aux
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dispositions édictées par le législateur cantonal en exécution de l'art. 504 CC, le disposant ne peut pas, en tout temps et sans autre formalité, supprimer l'acte à l'effet de le révoquer, mais il doit s'adresser à l'officier public; toutefois, il ne peut pas l'atteindre à toute heure et se trouve en fait privé de la possibilité de recourir au mode de révocation prévu par l'art. 510 CC dans la mesure où il ne peut joindre le notaire, notamment parce que celui-ci est absent ou que son bureau est fermé. Le recours à la forme du testament public limite ainsi nécessairement la faculté du disposant de le révoquer par suppression dans tous les cantons qui prévoient le dépôt de l'original en main de l'officier public ou d'une autorité. D'autre part, la suppression de l'acte au sens de l'art. 510 CC peut consister non seulement dans le fait de le déchirer ou de le brûler mais dans la cancellation, le biffage, le découpage ou la rature (TUOR, note 11 aux art. 509-511; ESCHER, note 1 à l'art. 510; OENEN, op.cit., p. 62). Ainsi, alors même que le droit vaudois statue que le notaire est tenu de garder la minute du testament public qu'il a reçu et qu'il ne peut s'en dessaisir qu'en vertu d'un jugement ou d'une ordonnance du juge d'instruction cantonal, la révocation de l'acte par suppression de l'original n'est nullement impossible: le disposant peut s'adresser au notaire et lui donner l'ordre de supprimer l'acte par cancellation, biffage, découpage, rature ou autre moyen, à l'effet de le révoquer.
Dans l'espèce, les demandeurs n'ont au surplus ni allégué ni établi que Samuel Blanc aurait exprimé à Me Krayenbuhl son intention de révoquer son testament par suppression, lui aurait demandé de supprimer l'acte par un moyen adéquat, mais se serait heurté, de la part du notaire, à un refus fondé sur les dispositions de la loi vaudoise concernant le notariat. Ils ne sauraient dès lors prétendre que le de cujus se serait trouvé dans l'impossibilité de révoquer son testament par suppression de l'original et que, s'il entendait procéder selon l'art. 510 CC, il ne lui restait plus qu'à détruire l'expédition.
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Cela étant, les conclusions des recourants tendant à ce que le testament de Samuel Blanc soit déclaré révoqué par suppression doivent être rejetées, attendu que seule la suppression de l'acte lui-même, c'est-à-dire de l'original, entraîne sa révocation conformément à l'art. 510 CC et que, dans l'espèce, c'est uniquement l'expédition, savoir une copie, qui a été déchirée.
Comme le recours se révèle mal fondé pour ces motifs, on peut se dispenser d'examiner si l'expédition a été détruite par Samuel Blanc ou par un tiers agissant sur ses instructions, s'il était capable de discernement au moment de cette suppression et à quelle partie incombait le fardeau de la preuve de ces faits.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral:
Rejette le recours et confirme le jugement attaqué. | public_law | nan | fr | 1,957 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
2f4b462a-bb53-4237-9564-7d1f67aca834 | Urteilskopf
98 Ib 344
50. Auszug aus dem Urteil vom 23. Juni 1972 i.S. Metzgereipersonal-Verband der Schweiz gegen Meinen und Regierungsrat des Kantons Bern. | Regeste
Arbeitsgesetz: Nichtanwendbarkeit auf Arbeitnehmer, die eine höhere leitende Tätigkeit ausüben (
Art. 3 lit. d ArG
).
1. Beschwerdelegitimation eines Berufsverbandes (Erw. 1).
2. Begriff der höheren leitenden Tätigkeit im Sinne von
Art. 3 lit. d ArG
(Erw. 2).
3. Anwendung dieses Begriffes auf den vorliegenden Fall; keine höhere leitende Tätigkeit der in Frage stehenden Arbeitnehmer (Erw. 3). | Sachverhalt
ab Seite 344
BGE 98 Ib 344 S. 344
A.-
Fritz Meinen betreibt in Bern eine Grossmetzgerei. Er beschäftigt über 300 Arbeitnehmer.
Am 27. August 1969 unterbreitete der Metzgereipersonal-Verband der Schweiz (MPV) der Gewerbepolizei der Stadt Bern eine Liste mit den Namen von 19 Arbeitnehmern des Betriebes Meinen. Er erklärte, diese Arbeitnehmer benützten keine Stempelkarte und arbeiteten vorwiegend manuell. Seines Erachtens sei Art. 3 lit. d des Arbeitsgesetzes vom 13. März 1964 (ArG) auf sie nicht anwendbar. Er ersuchte die Behörde, den
BGE 98 Ib 344 S. 345
Fall abzuklären. Zur Stellungnahme aufgefordert schrieb Fritz Meinen am 25. September 1969, sechs der aufgeführten Arbeitnehmer fielen nicht unter
Art. 3 lit. d ArG
. Die übrigen dreizehn jedoch bekleideten in seinem Betrieb Chefposten und übten eine höhere leitende Tätigkeit aus. Die Direktion der Volkswirtschaft des Kantons Bern, an die das Polizeiinspektorat der Stadt Bern die Angelegenheit überwiesen hatte, qualifizierte diese dreizehn am 6. Januar 1970 als Arbeitnehmer, die im Sinne von
Art. 3 lit. d ArG
eine höhere leitende Tätigkeit ausüben.
Der Regierungsrat des Kantons Bern wies am 3. November 1971 eine gegen diese Verfügung gerichtete Beschwerde des MPV ab. Er stellte dabei fest, einer der dreizehn Arbeitnehmer, deren höhere leitende Tätigkeit im Streite liege, sei inzwischen aus der Firma Meinen ausgetreten.
B.-
Mit der vorliegenden Verwaltungsgerichtsbeschwerde stellt der MPV folgende Anträge:
"1. Die Verfügung des Regierungsrates des Kantons Bern vom 3. November 1971 sei aufzuheben.
2. Das Bundesgericht möge feststellen, dass die in dieser Verfügung namentlich erwähnten 12 Arbeitnehmer des Arbeitgebers Fritz Meinen keine höhere leitende Tätigkeit ausüben und dass demnach das Arbeitsgesetz auf sie anwendbar ist.
3. Die Kosten des gesamten Verfahrens seien dem Kanton Bern aufzuerlegen.
4. Dem Beschwerdeführer sei für seine Umtriebe eine angemessene Entschädigung zulasten des Kantons Bern zuzuerkennen."
Er führt im wesentlichen aus, bei Arbeitnehmern mit höherer leitender Tätigkeit im Sinne von
Art. 3 lit. d ArG
müsse es sich um "ausgesprochene Kaderleute", um "Spitzenleute von Betrieben" handeln, die in wesentlichen betrieblichen Angelegenheiten Entscheidungsbefugnis und nicht bloss ein Vorschlagsrecht besässen.
Art. 3 lit. d ArG
dürfe als Ausnahmebestimmung nicht extensiv interpretiert werden. Ausschlaggebend sei, dass die fraglichen 13 bzw. 12 Arbeitnehmer gar nicht die eigentlichen Kaderleute der Firma Meinen seien. Zum eigentlichen Kader der Firma gehörten zehn andere Arbeitnehmer. Möglicherweise übten diese zehn engeren Mitarbeiter Fritz Meinens höhere leitende Tätigkeiten aus. Neben ihnen könnten aber nicht auch noch die hier in Frage stehenden zwölf Arbeitnehmer eine höhere leitende Tätigkeit ausüben.
BGE 98 Ib 344 S. 346
C.-
Die Justizdirektion des Kantons Bern beantragt namens des Regierungsrates, die Verwaltungsgerichtsbeschwerde abzuweisen.
D.-
Das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit (BIGA) hält demgegenüber die Verwaltungsgerichtsbeschwerde des MPV für begründet.
E.-
Fritz Meinen beantragt Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Er hält daran fest, dass seine zwölf Chefs und Vizechefs eine höhere leitende Tätigkeit ausübten. Sie alle zeichneten sich durch ihre beruflichen Qualifikationen aus, verfügten über selbständige Entscheidungsbefugnisse in wesentlichen organisatorischen, betrieblichen und personellen Fragen und trügen im Rahmen ihrer Kompetenzen die volle Verantwortung.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Die Beschwerdelegitimation des MPV wird von keiner Seite bestritten. Ob sie sich für den vorliegenden Fall schon aus
Art. 103 lit. a OG
ergibt, kann hier offen bleiben, ist sie doch jedenfalls auf Grund von
Art. 103 lit. c OG
in Verbindung mit
Art. 58 Abs. 1 ArG
gegeben.
Art. 103 lit. c OG
erkennt die Legitimation zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde jeder nicht schon in lit. a oder b dieser Bestimmung genannten Person, Organisation oder Behörde zu, die vom Bundesrecht zur Beschwerde ermächtigt ist. Nach
Art. 58 Abs. 1 ArG
sind ausser den beteiligten Arbeitgebern und Arbeitnehmern auch "deren Verbände sowie Personen, die ein unmittelbares Interesse nachweisen" beschwerdeberechtigt. Als Verband der beteiligten Arbeitnehmer im Sinne von
Art. 58 Abs. 1 ArG
hat in erster Linie der Berufsverband zu gelten, der die von einer Verfügung unmittelbar betroffenen Arbeitnehmer zu seinen Mitgliedern zählt. Sinngemäss ist damit aber, unabhängig von der Mitgliedschaft der unmittelbar betroffenen Arbeitnehmer, ganz allgemein jede Vereinigung von Arbeitnehmern der betreffenden Branche gemeint, die den Schutz der gemeinsamen beruflichen Interessen verfolgt. Bedenken gegenüber den Folgen für das Verhältnis zu ihrem Arbeitgeber und die Hemmung, direkt und namentlich mit den Behörden konfrontiert zu werden, halten die einzelnen Arbeitnehmer oft davon ab, selbst Beschwerde zu führen. Sie können sich unter Umständen sogar mit Rücksicht auf ihr berufliches Fortkommen im Betriebe veranlasst
BGE 98 Ib 344 S. 347
sehen, ihr Einverständnis mit einer Anordnung zu erklären, die sich weder mit ihrem richtig verstandenen eigenen Interesse noch mit den einschlägigen Vorschriften des Gesetzes deckt. Mit dem Verbandsbeschwerderecht hier einen gewissen Ausgleich zu schaffen, ist einer der Hauptzwecke von
Art. 58 Abs. 1 ArG
. Die Beschwerdelegitimation eines Arbeitnehmerverbandes kann somit weder davon abhängen, ob die von der angefochtenen Verfügung direkt betroffenen Arbeitnehmer zu dessen Mitgliedern zählen, noch davon, ob sie an der Beschwerdeführung ein Interesse bekunden oder im Gegenteil, wie im vorliegenden Falle, erklären, mit der angefochtenen Verfügung einverstanden zu sein und auf Teilnahme am Beschwerdeverfahren zu verzichten (a.M. GYGI, Verwaltungsrechtspflege und Verwaltungsverfahren im Bund, S. 111). Der Metzgereipersonal-Verband der Schweiz hat nach Art. 2.1 seiner Statuten zum Zwecke, die Interessen seiner Mitglieder in sozialer, beruflicher, wirtschaftlicher und kultureller Hinsicht zu wahren und zu fördern. Er ist nach dem Gesagten zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde legitimiert. Auf die im übrigen frist- und formgerecht eingereichte Beschwerde ist somit einzutreten.
2.
Das Arbeitsgesetz ist nach seinem Art. 3 lit. d nicht anwendbar auf Arbeitnehmer, die eine höhere leitende Tätigkeit ausüben. Diese Vorschrift schliesst an die ähnlich lautenden Normen in der Vollzugsverordnung zum Fabrikgesetz (Art. 3 lit. d) und im BG vom 26. September 1931 über die wöchentliche Ruhezeit (Art. 2 Abs. 2 lit. c) an. Ihr Sinn liegt darin, dass Arbeitnehmer, die eine höhere leitende Tätigkeit ausüben, wegen ihrer besonderen Stellung im Betriebe keines öffentlichrechtlichen Schutzes bedürfen und für den Arbeitgeber vor allem in zeitlicher Hinsicht frei verfügbar sein sollten.
Im vorliegenden Falle ist umstritten, ob die zwölf Abteilungschefs und -vizechefs der Grossmetzgerei Meinen eine höhere leitende Tätigkeit im Sinne von
Art. 3 lit. d ArG
ausüben. Dabei stellt sich zunächst die Frage, was unter höherer leitender Tätigkeit zu verstehen ist. Das Gesetz selbst umschreibt dies nicht näher und gibt dafür auch keine Beispiele. Beispiele von Arbeitnehmern mit höherer leitender Tätigkeit nennt lediglich der Bundesrat in seiner Botschaft zum Gesetzesentwurf (BBl 1960 II 947/948: u.a. Direktoren, Betriebsleiter und höheres Forstpersonal, nicht aber Werkmeister und Poliere).
BGE 98 Ib 344 S. 348
Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich ausserdem, dass nicht ohne weiteres angenommen werden darf, der Arbeitnehmer, der in seinem Betrieb eine Vertrauensstellung einnimmt, übe eine höhere leitende Tätigkeit im Sinne von
Art. 3 lit. d ArG
aus. Auch die Unterschrifts- oder Weisungsberechtigung oder die Höhe des Salärs des betreffenden Arbeitnehmers sind danach für sich allein genommen keine tauglichen Kriterien zur Bestimmung der höheren leitenden Tätigkeit.
Der Begriff der höheren leitenden Tätigkeit wird in der Verordnung I vom 14. Januar 1966 (ArV I) näher umschrieben, ohne dass dabei allerdings - wie etwa im deutschen Betriebsverfassungsgesetz bezüglich des "leitenden Angestellten" - einzelne Befugnisse aufgezählt werden, die ihren Träger ohne weiteres als Arbeitnehmer mit höherer leitender Tätigkeit qualifizieren. Nach
Art. 7 ArV
I übt eine höhere leitende Tätigkeit aus, wer in einem Betrieb oder Betriebsteil über Entscheidungsbefugnis in wesentlichen Angelegenheiten verfügt und eine entsprechende Verantwortung trägt. Die Verordnungsvorschrift hält sich im Rahmen des Gesetzes und füllt diesen richtig aus, was denn auch von keiner Seite bestritten wird. Nach dem Sinn der für Arbeitnehmer mit höherer leitender Tätigkeit statuierten Ausnahme ist sie eng auszulegen (vgl. Kommentar HUG N. 14 zu
Art. 3 ArG
). Kern der Umschreibung in
Art. 7 ArV
I ist die Entscheidungsbefugnis in wesentlichen Angelegenheiten. Höhere leitende Tätigkeit im Sinne von
Art. 3 lit. d ArG
setzt demnach begriffsnotwendig die Befugnis voraus, in wesentlichen Angelegenheiten zu entscheiden und nicht etwa bloss Antrag zu stellen. Im Sinne von
Art. 7 ArV
I wesentlich ist eine Angelegenheit, die das Unternehmen als Ganzes oder doch einen bedeutenden Teil davon betrifft und Fragen aufwirft, deren Lösung den Gang oder die Struktur des Unternehmens oder eines bedeutenden Teils davon nachhaltig beeinflussen kann (vgl. Kommentar HUG, N. 13 zu
Art. 3 ArG
). Die Entscheidungsbefugnis in wesentlichen Angelegenheiten muss nach
Art. 7 ArV
I mit der entsprechenden Verantwortlichkeit verbunden sein, damit sie ihren Träger als Arbeitnehmer mit höherer leitender Tätigkeit im Sinne von
Art. 3 lit. d ArG
qualifiziert.
3.
Für die Beurteilung des vorliegenden Falles ist entscheidend, welche Tätigkeit die zwölf Abteilungschefs und -vizechefs tatsächlich ausüben. Neben den Arbeitsverträgen,
BGE 98 Ib 344 S. 349
die in erster Linie zu Rate zu ziehen sind, fallen deshalb auch die übrigen Umstände der Anstellung dieser zwölf Arbeitnehmer in Betracht.
a) Die dem Gerichte vorliegenden elf Arbeitsverträge - der Vertrag mit Fritz Reusser, Vizechef Schlachthof, fehlt - lauten, abgesehen von Lohnvereinbarung und Eintrittsdatum, im wesentlich gleich. In allen Verträgen wird dem Arbeitgeber das Recht eingeräumt, dem Arbeitnehmer je nach den Verhältnissen jederzeit "andere Arbeiten" zu übertragen. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, die Weisungen des Arbeitgebers gewissenhaft zu befolgen und ihn über alle wesentlichen Vorkommnisse zu unterrichten. In den zwischen 1958 und 1968 abgefassten Arbeitsverträgen sind Monatslöhne zwischen Fr. 900.-- und Fr. 1500.-- vereinbart. Im Arbeitsvertrag mit Hans Maurer wird festgehalten, Hans Maurer werde "auf Grund der 12-jährigen Anstellung als Ausläufer" als Chef in die Abteilung Spedition Wurst versetzt.
Aus den Arbeitsverträgen lässt sich nicht schliessen, die zwölf in Frage stehenden Arbeitnehmer verfügten über Entscheidungsbefugnis in wesentlichen Angelegenheiten des Betriebs oder eines Betriebsteils. Eher drängt sich der gegenteilige Schluss auf, ist doch schwerlich denkbar, dass einem Arbeitnehmer auf dieser obersten Stufe eines Betriebs oder Betriebsteils, wie hier vorgesehen, je nach den Verhältnissen jederzeit Arbeit ausserhalb seines vertraglichen Arbeitsbereichs übertragen werden kann. Die vereinbarten Löhne scheinen ausserdem selbst bei Berücksichtigung der seit Vertragsabschluss eingetretenen allgemeinen Lohnsteigerungen für solche Kompetenzen in einem Betrieb von der Bedeutung der Grossmetzgerei Meinen zu niedrig. Auch der Umstand, dass einer der Abteilungschefs als Ausläufer direkt in eine dieser Chefpositionen aufgestiegen ist, begründet Zweifel. Immerhin ist nicht ausgeschlossen, dass diesen Arbeitnehmern in der Praxis doch Entscheidungsbefugnis in wesentlichen Angelegenheiten zusteht.
b) Fritz Meinen behauptet, seine Chefs und Vizechefs verfügten kraft ihrer Fachkenntnis "im Rahmen ihres Pflichtenkreises über selbständige Entscheidungsbefugnisse"; hiefür trügen sie die volle Verantwortung, seien aber auch entsprechend entlöhnt. Sie seien "individuelle, nicht leicht ersetzbare Träger" des Betriebes, "Mitgestalter bei der unternehmerischen
BGE 98 Ib 344 S. 350
Willensbildung". Er räumt aber ein, dass er sich sowohl bezüglich Einstellung und Einsatz des Personals, Einteilung der Arbeitszeit und Lohnpolitik als auch in "Grundsatzfragen der Geschäftspolitik" den letzten Entscheid vorbehalte. Gerade das aber ist ausschlaggebend, kommt doch darin zum Ausdruck, dass den zwölf in Frage stehenden Arbeitnehmern in diesen wesentlichen Angelegenheiten auch tatsächlich keine eigentliche Entscheidungsbefugnis übertragen ist. Die Abteilungschefs und -vizechefs mögen für den Betrieb unentbehrlich sein. Damit ist aber über ihre Entscheidungsbefugnis nichts ausgesagt. Die Mitgestaltung der unternehmerischen Willensbildung setzt keineswegs selbständige Entscheidungsbefugnisse voraus; ein Antragsrecht kann unter Umständen vollauf genügen. Um vom Arbeitsgesetz ausgenommen zu werden, muss ein Arbeitnehmer aber über Entscheidungsbefugnis in wesentlichen Angelegenheiten seines Betriebs oder Betriebsteils verfügen.
Auch aus dem Organigramm der Grossmetzgerei Meinen ergibt sich, dass keiner der zwölf Chefs und Vizechefs über Entscheidungsbefugnis in wesentlichen Angelegenheiten verfügt. Die einzelnen Abteilungen, denen sie vorstehen, stellen keine betrieblichen Einheiten dar. Die Stellung des Abteilungschefs und -vizechefs lässt sich am ehesten mit der Stellung eines Werkmeisters vergleichen. Die Zahl der Untergebenen spricht nicht gegen diesen Vergleich.
c) Aus dem Gesamtarbeitsvertrag für das schweizerische Metzgereigewerbe lässt sich für den vorliegenden Fall nichts gewinnen. Wenn sein Art. 22 u.a. bestimmt, dass der Lohn für Metzger in leitender Stellung auf ersten Posten in grösseren Betrieben, bzw. nach neuer Fassung, für Metzger aufbesonderen Posten mit entsprechender Verantwortung, im Unterschied zum Lohn für die übrigen Kategorien von Metzgern, freier Parteivereinbarung unterliegt, so ist damit nicht gesagt, Metzger in dieser besonderen Kategorie besässen im Sinne von
Art. 7 ArV
I Entscheidungsbefugnis in wesentlichen Angelegenheiten ihres Betriebes oder Betriebsteils. Selbst wenn die zwölf in Frage stehenden Arbeitnehmer zu dieser Kategorie von Metzgern gezählt werden könnten, so liesse sich daraus nichts gegen ihre Unterstellung unter das Arbeitsgesetz ableiten.
d) Die Vorinstanz lässt ausser Acht, dass Fritz Meinen neben den hier in Frage stehenden zwölf Arbeitnehmern noch
BGE 98 Ib 344 S. 351
weitere acht Arbeitnehmer als auf Grund von
Art. 3 lit. d ArG
dem Arbeitsgesetz nicht unterstellt betrachtet, nämlich Kreienbühl, Chef der Anschafferei und Abteilungskoordination; Stocker, Prokurist und Einkaufschef; Hess, dessen Stellvertreter; Zurbrügg I Prokurist und Chefbuchhalter; Zurbrügg II Prokurist und Liegenschaftsverwalter; Kurth, Chef der Spedition Wurst; Spycher, Werkstattchef und Loosli, Chef der Chauffeure. Der Beschwerdeführer erblickt in dieser Gruppe das eigentliche Betriebskader, was in Anbetracht der Funktionsbezeichnungen nicht ohne weiteres von der Hand gewiesen werden kann. Indes ist hier über die arbeitsrechtliche Stellung dieser Gruppe nicht zu befinden. Die zwölf Abteilungschefs und -vizechefs, denen, wenigstens nach der Funktionsbezeichnung, eine weniger bedeutende Stellung im Betrieb zukommt, als den acht weiteren Arbeitnehmern, können aber jedenfalls neben diesen nicht auch noch als Arbeitnehmer mit höherer leitender Tätigkeit gelten. Ausserdem widerspricht es auch der praktischen Erfahrung, dass in einem Fabrikationsbetrieb von insgesamt rund 300 Arbeitnehmern volle zwanzig im Sinne von
Art. 7 ArV
I über Entscheidungsbefugnis in wesentlichen Angelegenheiten verfügen sollen.
e) Fehlt aber den zwölf Abteilungschefs und -vizechefs die Entscheidungsbefugnis in wesentlichen Angelegenheiten des Betriebs oder eines Betriebsteils, so üben sie nach
Art. 7 ArV
I keine höhere leitende Tätigkeit im Sinne von
Art. 3 lit. d ArG
aus. Die weitere Voraussetzung von
Art. 7 ArV
I braucht unter diesen Umständen nicht geprüft zu werden. Die Beschwerde erweist sich als begründet. | public_law | nan | de | 1,972 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
2f4c5776-a7e4-4afd-8368-187dd949d78b | Urteilskopf
82 II 231
34. Urteil der I. Zivilabteilung vom 25. Juni 1956 i.S. Montres Rolex SA gegen Nivada AG | Regeste
Art. 6 MSchG
.
Ob die aus einem verwechselbaren und aus einem genügend unterscheidbaren Bestandteil zusammengesetzte Wortmarke zulässig ist, hängt vom Eindruck ab, den sie als Ganzes erweckt. | Sachverhalt
ab Seite 232
BGE 82 II 231 S. 232
A. - Die Montres Rolex SA in Genf und die Nivada A.-G. in Grenchen stellen Uhren her und handeln mit solchen. Erstere liess am 23. Dezember 1938 beim Eidgenössischen Amt für geistiges Eigentum die Bezeichnung "Aqua" als Fabrik- und Handelsmarke für Uhren und Uhrenbestandteile eintragen. Die Nivada A.-G. hinterlegte bei der gleichen Amtsstelle am 22. November 1939 die Fabrik- und Handelsmarke "Aquamatica" für Uhren, Uhrenbestandteile und Zifferblätter und am 21. Juli 1947 die Marke "Aquamedico" für die gleichen Erzeugnisse und für Etuis. Auf Klage der Montres Rolex SA erklärte das Obergericht des Kantons Solothurn am 7. Juni 1951 diese beiden Marken nichtig und untersagte ihren weiteren Gebrauch. Auf Berufung der Nivada A.-G. bestätigte das Bundesgericht am 27. November 1951 dieses Urteil. Es war der Auffassung, die Marken "Aquamatica" und "Aquamedico" unterschieden sich nicht hinlänglich von der Marke "Aqua". Die Frage, ob sie in der tatsächlich verwendeten Verbindung mit den Firmen "Nivada" und "Croton" eingetragen werden dürften und alsdann nicht mehr mit "Aqua" verwechselt werden könnten, liess es offen.
Am 26. November 1952 liess die Nivada A.-G. beim Eidgenössischen Amt für geistiges Eigentum unter Nr. 142429-142434 folgende neuen Fabrik- und Handelsmarken eintragen: "Nivada Aquamatica", "Nivada Aquamedico", "Croton Aquamatica", "Croton Aquamedico", "Lamont Aquamatica", "Lamont Aquamedico". "Croton" und "Lamont" sind Firmen, die mit Uhren der Nivada A.-G. handeln.
B.-
Am 13. Dezember 1952 klagte die Montres Rolex SA gegen die Nivada A.-G. beim Obergericht des Kantons Solothurn mit den Begehren, die Marken Nr. 142429-142434 seien ungültig zu erklären, ihre Verwendung sei der Beklagten zu untersagen und die Beklagte sei zu verurteilen, der Klägerin als Schadenersatz Fr. 100'000.-- nebst 5% Zins seit Anhebung der Klage zu bezahlen.
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Das Obergericht wies die Klage am 11. Januar 1956 ab, weil sich die angefochtenen Marken genügend von der Marke "Aqua" unterschieden.
C.-
Die Klägerin beantragt dem Bundesgericht auf dem Wege der Berufung, dieses Urteil sei aufzuheben und die Klage gutzuheissen. Sie macht geltend, das angefochtene Urteil verletze Bundesrecht, insbesondere
Art. 6 MSchG
, weil die sechs neuen Marken der Beklagten mit jener der Klägerin verwechselt werden könnten.
D. - Die Beklagte beantragt, die Berufung sei abzuweisen.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Die angefochtenen Marken der Beklagten sind für gleichartige Erzeugnisse bestimmt wie die von der Klägerin hinterlegte Marke "Aqua". Da sie später als diese eingetragen wurden, sind sie nur zulässig, wenn sie sich hinlänglich von ihr unterscheiden (
Art. 6 MSchG
).
2.
Die Klägerin verneint die hinlängliche Verschiedenheit der angefochtenen Marken einerseits und ihrer Marke "Aqua" anderseits, weil jene die Worte "Aquamatica" bzw. "Aquamedico" enthalten, die, wie das Bundesgericht am 27. November 1951 entschieden hat, mit der Marke der Klägerin verwechselt werden könnten. Sie macht geltend, der Markenschutz wäre in Frage gestellt, wenn Verletzungen einfach durch Beifügung der Firma des Fabrikanten oder eines Händlers getarnt werden könnten. Die Gefahr der Verwechslung werde durch dieses Vorgehen nicht ausgeschlossen, sondern gegenteils erhöht, weil es die Käufer in den Glauben versetze, dass zwischen den Inhabern der Marken Beziehungen beständen.
Diese Auffassung kann im einzelnen Falle zutreffen, hält dagegen als allgemeiner Grundsatz nicht stand. Es kommt immer darauf an, welchen Eindruck die aus einem verwechselbaren und aus einem genügend unterscheidbaren Bestandteil zusammengesetzte Marke als
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Ganzes erweckt. Davon geht denn auch
Art. 6 Abs. 2 MSchG
aus, wonach "die Wiedergabe gewisser, einer bereits hinterlegten Marke angehörenden Figuren auf einer neuen Marke die letztere nicht von den an die Eintragung geknüpften Rechten ausschliesst, sofern sie sich von der schon deponierten Marke in hinlänglichem Masse unterscheidet und, als Ganzes betrachtet, nicht leicht zu einer Verwechslung Anlass geben kann". Die deutsche Rechtsprechung steht ebenfalls auf diesem Boden, wenn sie zwar einerseits annimmt, Zusätze zu verwechselbaren Bezeichnungen, wie z.B. die Beifügung einer Firma, erhöhten in der Regel die Unterscheidungskraft der Marken nicht, sondern stifteten nur Verwirrung (vgl. REIMER, Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht, 3. Auflage, S. 229 N. 16 und dort erwähnte Entscheide), anderseits aber dann eine Ausnahme macht, wenn "das geschützte Wort in der Zusammensetzung seine selbständige Bedeutung verliert, indem es durch andere Bestandteile der neuen Warenbezeichnung zurückgedrängt wird, so dass eine Warenbezeichnung von abweichendem Gesamteindruck entsteht" (Jur. Wochenschrift 1926 S. 48). Daher vermag die Klägerin aus den von ihr angeführten Beispielen, in denen die Beifügung eines Firmennamens die Gefahr der Verwechslung nicht nur nicht beseitigt, sondern den Käufer der Ware gegenteils im behaupteten Sinne täuschen könnte, nichts zu ihren Gunsten abzuleiten. Entscheidend ist vielmehr, ob auch im vorliegenden Falle die Gefahr der Verwechslung nach Beifügung des Firmennamens der Beklagten bzw. der Händlernamen Croton oder Lamont weiterbesteht oder sogar erhöht ist.
3.
Ob das zutrifft, hängt in erster Linie vom Klang der vorliegenden Marken ab, da diese reine Wortmarken sind (
BGE 42 II 666
,
BGE 73 II 62
). Schon nach dem Klang beurteilt, treten aber die Bezeichnungen "Aquamatica" und "Aquamedico" durch die Beifügung des Wortes "Nivada", "Croton" oder "Lamont" stark in den Hintergrund. Nach der verbindlichen Feststellung des Obergerichts
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ist die Beklagte in Fachkreisen als Uhrenproduzent bekannt und gilt die Bezeichnung Nivada in der Schweiz als Herkunftszeichen. Gestützt auf die Aussagen überseeischer Zeugen führt das Obergericht ferner aus, dass im Auslande der Name der Vertreterfirma Zugkraft hat; es verweist auf die Bedeutung und den Reklameaufwand der Firma Croton als Handelshaus in den Vereinigten Staaten von Nordamerika. Unter diesen Umständen verstösst die Annahme des Obergerichts, die Ausdrücke "Aquamatica" und Aquamedico" hätten in Verbindung mit den Firmennamen nur die Stellung von Typenbezeichnungen. nicht gegen Bundesrecht. Die Beklagte bietet, wie sich aus ihrem Katalog ergibt, ausser den Marken "Nivada Aquamatica" und "Nivada Aquamedico" z.B. auch Uhren unter den Bezeichnungen "Nivada Waterproof" und "Nivada Ultramic" an. Die Firma Croton sodann führt nach ihren Katalogen und Werbeschriften mehr als ein Dutzend verschiedene Sortenbezeichnungen und lässt sie als Teil der Marke neben "Croton" auf das Zifferblatt der Uhren setzen. So verwendet sie ausser den Marken "Croton Aquamatica" und "Croton Aquamedico" auch "Croton Aquabelle", "Croton Buccaneer", "Croton Sportsman", "Croton Maritimer", "Croton Acurator" u.a. Die Beklagte und die Firma Croton tun damit nur, was im Uhrenhandel häufig geschieht. Sie fügen, wie andere z.B. mit den Marken "Mido Superautomatic", Mido Multifort", "Tissot Automatic", "Tissot Visodate", "Tissot Camping", "Solar Aqua", "Marconi Aqua" dem Namen des Herstellers oder Händlers ein Wort bei, das die Serie oder Art der angebotenen Uhr kennzeichnet. Dass die Worte "Aquamatica" und "Aquamedico" nur Typenbezeichnungen sind, fällt umsoeher auf, als sie, ohne geradezu die Beschaffenheit der Uhr zu kennzeichnen, doch auf gewisse Eigenschaften anspielen, nicht nur durch die Silben "Aqua...", sondern auch durch "...matica" und "...medico".
Die Beurteilung nach dem Aussehen der Marken führt
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zu keinem anderen Schluss. Das Schriftbild prägt im Gegenteil noch deutlicher ein, dass eine Uhr der Gattung "Nivada", "Croton" oder "Lamont" vorliegt und das Wort "Aquamatica" bzw. "Aquamedico" nur die Rolle einer Typenbezeichnung spielt, die im Vergleich zur Firmenbezeichnung von untergeordneter Bedeutung ist. Die Buchstaben der Worte "Croton" und "Lamont" sind im hinterlegten Markenbild zweieinhalbmal, die Buchstaben N und d des Wortes "Nivada" sogar dreieinhalbmal so hoch wie jene von "Aquamatica" und "Aquamedico". Die Firmennamen stechen daher gegenüber diesen Worten stark hervor. Auch auf den Zifferblättern springen "Nivada" und "Croton" - nach der unbestrittenen Behauptung der Beklagten werden die Marken mit dem Wort "Lamont" noch nicht verwendet - gegenüber "Aquamatica" und "Aquamedico" durch erheblich grössere Schrift sofort in die Augen und drängen sich dem Leser als das Wesentliche auf. Auf die Befürchtung der Klägerin, die Beklagte könnte die Marken in anderer als der hinterlegten graphischen Ausführung verwenden, kommt für heute nichts an. Sollte die Beklagte das tun und in der Ausgestaltung irgendwie hervorheben, was ihre Marken mit jener der Klägerin gemeinsam haben, so stände es dieser frei, den Sachverhalt unter dem Gesichtspunkt des unlauteren Wettbewerbes beurteilen zu lassen.
Wer eine Uhr erwirbt, die eine der angefochtenen Marken der Beklagten trägt, stellt sich daher zutreffend vor, dass er von der Gattung der von der Nivada A.-G. hergestellten oder der Firma Croton bzw. Lamont in den Handel gebrachten Erzeugnisse die Art "Aquamatica" bzw. "Aquamedico" erhält. Die angefochtenen Marken erwecken nicht den Eindruck, das Erzeugnis sei eine Unterart der "Aqua"-Uhren, stamme also vom gleichen Hersteller oder Händler wie diese. Dass eine der angefochtenen Marken etwa geradezu mit der Marke "Aqua" verwechselt werden könnte, die stets nur allein oder dann in Verbindung mit den Händlernamen "Solar" oder
BGE 82 II 231 S. 237
"Marconi" verwendet wird, ist schon wegen des erheblichen Unterschiedes in der Länge und der Buchstabenzahl ausgeschlossen. Die Marrken der Beklagten unterscheiden sich somit durch wesentliche Merkmale von jener der Klägerin.
Das gilt nicht nur für das Ohr und Auge des Uhrenfachmannes, sondern - woraufes nach der Rechtsprechung ankommt (vgl. z.B.
BGE 73 II 60
) - auch des letzten Abnehmers, der die Uhr im Ladengeschäft ersteht. Erfahrungsgemäss spielt gerade für diesen der Name des Herstellers oder Händlers eine wesentliche Rolle, da die Qualität der angebotenen Uhr von ihnen abhängt. Der Name des Herstellers oder Händlers bleibt dem letzten Käufer auch eher im Gedächtnis haften als der zweite Teil der angefochtenen Marrken. Lässt sich jemand im Laden Uhren vorlegen, welche die Marken in der hinterlegten Gestalt tragen, so fällt ihm auch sofort auf, dass "Nivada", "Croton" und "Lamont" viel grösser und deutlicher geschrieben sind als "Aquamatica" und "Aquamedico".
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichtes des Kantons Solothurn vom 11. Januar 1956 bestätigt. | public_law | nan | de | 1,956 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
2f4c7033-054e-4bba-9264-1efb351798af | Urteilskopf
109 Ib 285
47. Arrêt de la IIe Cour de droit public du 24 juin 1983 dans la cause Département fédéral de l'intérieur contre Conseil d'Etat du canton de Vaud (recours de droit administratif) | Regeste
Verordnung über die Nationalstrassen (NSV): Verbot des Alkoholverkaufs in Autobahnrestaurants. Gesetz- und Verfassungsmässigkeit von Art. 4 Abs. 4, 2. Satz NSV.
Die allgemeine Gesetzgebungskompetenz des Bundes auf dem Gebiete der Nationalstrassen bezieht sich nicht nur auf den Bau und Unterhalt von Nebenanlagen, sondern auch auf deren Betrieb (E. 3).
Das Verbot, in Autobahnrestaurants Alkohol zu verkaufen, geht nicht über den in
Art. 7 Abs. 2 NSG
vorgesehenen Delegationsrahmen hinaus, obwohl es in der Bestimmung nicht ausdrücklich erwähnt wird (E. 3 und 4). Das Verbot verstösst auch nicht gegen das Verhältnismässigkeitsprinzip (E. 5). | Sachverhalt
ab Seite 286
BGE 109 Ib 285 S. 286
Sur le territoire de la commune vaudoise d'Yvorne, un centre de ravitaillement - comprenant une station d'essence, un restaurant et des places de stationnement - a été aménagé, dans chaque sens de circulation, le long de la route nationale 9 (autoroute Vallorbe - Lausanne - Villeneuve - Sion - Brigue). Par décision motivée du 5 juin 1981, le chef du Département de la justice, de la police et des affaires militaires du canton de Vaud a autorisé la création d'un restaurant sans alcool, en précisant notamment que la personne désignée pour exploiter l'établissement public devra solliciter une patente de restaurant sans alcool dans les formes requises par l'art. 7 du règlement d'exécution de la loi vaudoise du 3 juin 1947 sur la police des établissements publics et la vente des boissons alcooliques (en abrégé: LPEP).
En réalité, par requête déposée le 17 décembre 1981, Philippe Matti a demandé la délivrance d'une patente de café-restaurant (et non pas de restaurant sans alcool) pour le "Relais du Chablais" - un restaurant de 134 places avec une terrasse de 66 places -, qu'il entendait exploiter pour le compte de la société Mövenpick Restauroutes Yvorne S.A. (sur l'aire de ravitaillement à l'ouest de l'autoroute). Le chef du Département de la justice, de la police et des affaires militaires a estimé que la disposition de l'
art. 4 al. 4 ORN
"me paraît dépourvue de bases légales dans la mesure où elle ne repose sur aucune délégation de compétence expresse des Chambres fédérales permettant au Conseil fédéral de prohiber la vente d'alcool dans les restoroutes". Il a donc accordé, par décision du 25 mars 1982, une patente de café-restaurant avec les réserves suivantes:
"L'établissement devra offrir en tout temps un choix de boissons sans alcool à un prix qui ne dépasse pas, à quantité égale, celui de la boisson alcoolique la moins chère.
Cette patente autorise uniquement son titulaire à servir de la bière et des vins suisses, en accompagnement d'un plat principal.
Cette patente est accordée sous réserve de l'observation stricte des conditions fixées dans notre lettre du 13 avril 1982."
Dans sa séance du 1er septembre 1982, le Conseil d'Etat du canton de Vaud a rejeté le recours formé contre cette décision par le Département fédéral de l'intérieur.
Agissant par la voie du recours de droit administratif, le Département fédéral de l'intérieur demande au Tribunal fédéral
"que la décision attaquée soit annulée et que le Conseil d'Etat du canton de Vaud reçoive pour instruction de respecter l'interdiction de débiter de l'alcool dans les restaurants autoroutiers".
BGE 109 Ib 285 S. 287
Se basant sur un avis de l'Office fédéral de la justice, le département recourant fait valoir non seulement que l'
art. 4 al. 4 ORN
a une base légale suffisante, mais encore que cette interdiction de débiter de l'alcool dans les restaurants autoroutiers ne viole aucun principe constitutionnel. Il reproche donc au Gouvernement vaudois d'avoir fait application du droit cantonal, en violation d'une norme - valable - de droit public fédéral.
Le Tribunal fédéral a admis le recours et annulé la décision attaquée.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
Contre la décision du Conseil d'Etat vaudois, le Département fédéral de l'intérieur déclare former un recours de droit administratif au sens des
art. 97 ss OJ
ou, à défaut, une réclamation de droit public selon l'
art. 83 lettre a OJ
. Bien que l'entrée en matière ne soit discutée par personne, c'est là une question qu'il faut trancher d'abord, car le Tribunal fédéral examine toujours, d'office, la recevabilité du recours sans être lié par les conclusions des parties, ni par les moyens qu'elles ont - ou n'ont pas - fait valoir.
a) Selon l'
art. 97 al. 1 OJ
, le recours de droit administratif est ouvert contre les décisions au sens de l'
art. 5 PA
, c'est-à-dire contre les mesures prises par une des autorités mentionnées à l'
art 98 OJ
et fondées sur le droit public fédéral.
Pour accorder à Philippe Matti une patente de café-restaurant, les autorités vaudoises se sont basées sur les dispositions de la loi vaudoise du 3 juin 1947 sur la police des établissements et la vente des boissons alcooliques, en particulier sur la clause de besoin énoncée à l'
art. 40 LPEP
. La décision entreprise apparaît ainsi fondée exclusivement sur le droit cantonal. Il est vrai que, statuant sur le recours du Département fédéral de l'intérieur, le Gouvernement vaudois n'a pas eu à se prononcer sur l'application des dispositions de la LPEP. Il a dû trancher la question - seule litigieuse entre le Département fédéral de l'intérieur et le Département vaudois de la justice, de la police et des affaires militaires - de savoir si cette patente doit être refusée en raison de l'interdiction édictée par le Conseil fédéral à l'
art. 4 al. 4 ORN
, ce qui l'a conduit à examiner le problème de la légalité et de la constitutionnalité
BGE 109 Ib 285 S. 288
d'une norme de droit public fédéral. Le recours porte, sans conteste, uniquement sur la question de l'applicabilité d'une norme de droit public fédéral, puisque le département recourant soutient que les autorités vaudoises n'ont pas appliqué, à tort, la disposition de l'
art. 4 al. 4 ORN
. Il n'est dès lors pas douteux, au regard de la jurisprudence, que la décision du Conseil d'Etat vaudois - qui ne porte d'ailleurs elle-même que sur cette question de droit - peut être attaquée par la voie du recours de droit administratif (
ATF 108 Ib 74
consid. 1a, 107 Ib 172/3, 105 Ib 107 consid. 1a et 108 consid. 1c, 100 Ib 448 consid. 2b).
Par ailleurs, cette décision émane d'une autorité cantonale de recours qui a statué en dernière instance cantonale, aucun recours n'étant prévu contre les décisions du Conseil d'Etat en matière de police des établissements publics (
art. 97 LPEP
).
b)...
c)...
2.
a) En vertu des art. 113 al. 3 et 114bis al. 3 Cst., le Tribunal fédéral est tenu d'appliquer les lois et les arrêtés de portée générale qui ont été votés par l'Assemblée fédérale ainsi que les traités que celle-ci a ratifiés. Le droit fédéral, dont le Tribunal fédéral est chargé d'assurer la juste application en dernière instance, comprend, outre les actes législatifs émanant des Chambres fédérales, toutes les dispositions d'application prises dans les ordonnances du Conseil fédéral ou d'autres autorités fédérales, à la condition qu'elles trouvent leur fondement dans les lois ou directement dans la constitution (
ATF 103 IV 193
consid. 2a). Ainsi, le Tribunal fédéral peut, lorsqu'il est saisi d'un recours de droit administratif, examiner d'office la légalité des ordonnances du Conseil fédéral. En ce qui concerne les ordonnances qui reposent sur une délégation de la loi, il vérifie si le Conseil fédéral n'a pas dépassé les limites du pouvoir que le législateur lui a délégué et, dans la mesure où la loi n'autorise pas le Conseil fédéral à déroger à la constitution ou à établir une réglementation déterminée, le Tribunal fédéral s'assure encore de la constitutionnalité de l'ordonnance (
ATF 107 Ib 246
consid. 4,
ATF 106 Ib 186
consid. 2a,
ATF 105 Ib 369
consid. 11b,
ATF 104 Ib 420
consid. 4c).
En principe, le Tribunal fédéral examine librement la légalité et la constitutionnalité des ordonnances du Conseil fédéral. Toutefois, lorsque le législateur laisse au Conseil fédéral un très large pouvoir d'appréciation, le Tribunal fédéral est lié par cette délégation légale; il ne peut donc pas substituer sa propre appréciation à celle du Gouvernement, spécialement en ce qui concerne l'opportunité. Son examen porte alors sur la question de
BGE 109 Ib 285 S. 289
savoir si le Conseil fédéral a manifestement excédé le pouvoir d'appréciation qui lui a été délégué ou si, pour une autre raison, l'ordonnance est contraire à la loi ou à la constitution. En outre, il vérifie que l'ordonnance réalise le but poursuivi par le législateur et que le principe de la proportionnalité a bien été respecté; tel est le cas lorsque l'ordonnance met en oeuvre des moyens raisonnablement proportionnés au but recherché par le législateur. En revanche, le contrôle du Tribunal fédéral est plus strict lorsque l'autorité ne dispose d'aucun pouvoir d'appréciation ou que d'un pouvoir limité (
ATF 107 Ib 247
consid. 4 et les arrêts cités).
b) Dans le cas particulier, le litige porte tout d'abord sur la question de savoir si l'interdiction, prévue à l'art. 4 al. 4, 2e phrase ORN, de vendre ou de consommer de l'alcool dans les restoroutes repose sur une base légale suffisante. De l'avis concordant des parties, la seule norme de délégation qui puisse entrer en ligne de compte est celle de l'
art. 7 al. 2 LRN
, qui habilite le Conseil fédéral à édicter "les règles fondamentales régissant les installations annexes". Le Conseil d'Etat vaudois croit, tout au moins dans la décision attaquée, devoir vérifier la validité de cette clause de délégation au regard des principes dégagés par le Tribunal fédéral en sa qualité de juge chargé, dans le cadre de recours de droit public, de contrôler la constitutionnalité de délégations prévues par des dispositions de droit cantonal. Il faut donc rappeler, préliminairement, que l'
art. 114bis al. 3 Cst.
interdit au Tribunal fédéral de vérifier la validité des normes de délégation contenues dans les lois fédérales (
ATF 104 Ib 367
/368,
ATF 101 Ib 73
/74 consid. 3). Il s'agit en revanche d'examiner si l'
art. 7 al. 2 LRN
peut être interprété, dans le sens invoqué par le Département fédéral de l'intérieur, comme une norme de délégation donnant au Conseil fédéral la compétence d'édicter l'interdiction de servir des boissons alcooliques dans les restaurants aménagés le long des autoroutes.
3.
Les parties divergent d'opinion sur cette première question déjà de savoir si le Conseil fédéral peut, sans outrepasser le cadre de la délégation prévue à l'
art. 7 al. 2 LRN
, réglementer également l'exploitation des installations annexes, ou s'il ne dispose au contraire que de compétences purement techniques, portant uniquement sur la construction et l'entretien desdites installations. Aux yeux du Conseil d'Etat vaudois - et de l'intimé Philippe Matti -, cette dernière interprétation est la seule qui soit conforme à l'
art. 36bis al. 2 Cst.
, qui dispose, dans sa première phrase, que "les cantons construiront et entretiendront les routes
BGE 109 Ib 285 S. 290
nationales conformément aux dispositions arrêtées par la Confédération et sous sa haute surveillance".
a) L'
art. 36bis al. 1 Cst.
charge la Confédération d'assurer par voie législative l'établissement et l'utilisation d'un réseau de routes nationales. La Confédération est ainsi investie d'une compétence législative exclusive, qui l'habilite à régler complètement l'ensemble de ce domaine (cf. Rapport du Conseil fédéral, du 22 octobre 1957, concernant l'initiative populaire pour l'amélioration du réseau routier, FF 1957 II p. 858; Message du Conseil fédéral, du 3 juillet 1959, à l'appui d'un projet de loi sur les routes nationales, FF 1959 II p. 96 ss). Quant aux cantons, leur rôle en matière de construction et d'entretien (
art. 36bis al. 2 Cst.
) se limite pour l'essentiel à des tâches d'exécution (cf.
art. 61 LRN
) qu'ils n'exercent que sous la haute surveillance de la Confédération et sous réserve, au surplus, du pouvoir de substitution prévu à l'
art. 55 LRN
. Le constituant de 1958 a donc consacré une importante attribution de compétence en faveur de la Confédération. Ce faisant, il a délibérément choisi une solution explicitement reconnue comme fort peu fédéraliste mais considérée, selon les termes du rapporteur de langue allemande de la commission du Conseil national, comme "die zweckmässigste (...), staatsrechtlich richtige und praktisch einzig gangbare Lösung" (BO, CN, 1958, p. 205; cf. aussi, dans ce sens, BRUNO KLÄUSLI, Bundesstaats- und verwaltungsrechtliche Aspekte der Nationalstrassengesetzgebung, thèse Zurich 1970, p. 80 s., 89 s. et 95 ss; ALFRED RECHSTEINER, Die Kompetenzverteilung im Nationalstrassenbau, thèse Zurich 1970, p. 26, 54 ss et 75 ss). Cette répartition des compétences vaut aussi en ce qui concerne les installations annexes, qui sont parties intégrantes des routes nationales (
art. 6 et 7 al. 1 LRN
, art. 3 lettre d ORN; cf. Message du 3 juillet 1959 précité, FF 1959 II p. 101/102), et cela indépendamment du régime de propriété institué par le droit cantonal (cf.
art. 8 al. 2 LRN
).
b) Contrairement à l'opinion soutenue par les autorités vaudoises et l'intimé Philippe Matti, rien n'indique que cette compétence législative générale et exclusive de la Confédération ne puisse porter que sur la construction et l'entretien des installations annexes, à l'exclusion de leur exploitation. Cela ne résulte pas de l'
art. 36bis Cst.
, dont l'al. 1 parle - de façon parfaitement claire dans sa teneur française - de "l'utilisation" des routes nationales (en allemand: "Benützung" et en italien: "l'uso"; cf. aussi
BGE 109 Ib 285 S. 291
Rapport du Conseil fédéral précité, in FF 1957 II p. 858). A la différence de la question du financement, ce point n'a pas été contesté au cours des débats parlementaires, bien qu'il fût mis en évidence par les rapporteurs des commissions (BO 1958, CN pp. 203 et 205, CE pp. 8, 10 et 13).
La volonté du législateur fédéral de soumettre les installations annexes à une réglementation minimum et uniforme qui prenne en compte, outre les impératifs de la sécurité (
art. 5 al. 1 LRN
), les besoins des usagers, ressort tant du texte de la loi que des travaux préparatoires.
Tout d'abord, l'alinéa 1er de l'
art. 7 LRN
donne des installations annexes une définition très large: il s'agit d'installations pouvant "être aménagées (...) selon le besoin", notamment pour "permettre aux usagers de la route de se ravitailler, de se restaurer et de se loger". "Les règles fondamentales", que le Conseil fédéral est chargé d'édicter en vertu de l'alinéa 2, portent donc également sur la détermination des besoins auxquels doivent répondre les installations annexes. S'il est vrai que la portée exacte de cette habilitation pouvait éventuellement prêter à discussion lorsque l'
art. 7 LRN
était encore rédigé dans sa teneur initiale - plus restrictive -, tel n'est plus le cas depuis que le législateur a, en adoptant la loi du 17 décembre 1971 modifiant les
art. 7 et 50 LRN
, dissipé toute équivoque à cet égard. En effet, il a alors clairement exprimé sa volonté "d'élargir la conception actuelle des installations annexes" en formulant "les normes juridiques d'une manière plus large et plus souple (...) afin que l'on puisse installer tous les types imaginables de kiosques, de restaurants et d'hôtels, pourvu qu'ils répondent aux besoins du trafic routier" (Message du 28 avril 1971 précité, FF 1971 I pp. 1132/1133). Cette extension a été dûment soulignée par le rapporteur de la commission du Conseil des Etats: "Eine Planung für das gesamte Netz und eine gewisse Einheitlichkeit im Betrieb sind unerlässlich. Der Bund stellt also in Zukunft nicht nur Grundsätze über die Errichtung von Nebenanlagen auf, sondern erlässt die allgemeinen Grundsätze für die Nebenanlagen. Ich verweise hier auf Absatz 2 des Artikel 7." (BO, CE 1971, p. 860.) Par ailleurs, rappelant la nécessité, déjà exprimée en 1959 (FF 1959 II p. 103), d'avoir une réglementation uniforme assurant une conception unique des installations annexes et leur aménagement selon un plan d'ensemble, le législateur a voulu renforcer les attributions de la Confédération en matière de coordination et de surveillance
BGE 109 Ib 285 S. 292
(FF 1971 I pp. 1130 et 1133). Ce renforcement de la compétence réglementaire du Conseil fédéral n'a suscité aucune opposition au sein des Chambres fédérales (cf. BO 1971, CN p. 1369 ss, CE p. 860 s.).
c) C'est donc en vain que les autorités vaudoises et l'intimé Philippe Matti prétendent inférer des
art. 7 al. 3 et 50 LRN
que les cantons sont seuls compétents pour réglementer l'exploitation des installations annexes. L'art. 7 al. 3 reconnaît certes aux cantons le droit de délivrer les autorisations de construire, d'agrandir et d'exploiter ces installations, mais cela sous réserve de la législation fédérale et de l'approbation des projets par les autorités fédérales. Interprétée à la lumière de l'
art. 36 bis Cst.
- et du régime de compétences qu'il consacre -, ainsi que de la volonté du législateur - clairement exprimée dans les travaux préparatoires -, cette réserve de la législation fédérale signifie que les cantons ne peuvent exercer leur tâche - d'exécution - qu'en respectant l'ensemble des règles de droit fédéral et donc, notamment, celles que le Conseil fédéral édicte par voie d'ordonnance en vertu de la délégation de l'
art. 7 al. 2 LRN
. Il n'y a aucune raison qu'il en aille différemment en ce qui concerne l'exploitation, qui est aussi expressément mentionnée à l'
art. 7 al. 3 LRN
.
Les mêmes considérations conduisent à affirmer que les compétences - rappelées à l'
art. 50 LRN
- des cantons en matière d'exploitation des installations annexes ne les dispensent pas de l'obligation de se conformer à la législation fédérale. On ne saurait donc déduire de l'
art. 50 LRN
que l'art. 7 al. 2 n'habilite pas le Conseil fédéral à édicter des règles fondamentales pour l'exploitation des installations annexes. Au reste, la deuxième phrase de l'art. 50 dispose que "si les nécessités du trafic ou des intérêts d'ordre général l'exigent, le Département fédéral de l'intérieur peut édicter d'autres prescriptions". Dans l'ancienne teneur de cet article (RO 1960, p. 580), cette délégation expresse était attribuée au Conseil fédéral (FF 1959 II p. 122; cf. KLÄUSLI, op.cit., p. 187; RECHSTEINER, op.cit., p. 48). Le fait que, en 1971, elle ait été transférée au Département de l'intérieur ne saurait signifier que le Conseil fédéral - autorité hiérarchiquement supérieure - soit pour autant dépouillé de toute compétence de réglementer l'exploitation des installations annexes.
d) Le législateur eût certes pu circonscrire plus précisément la portée de l'habilitation du Conseil fédéral en cette matière. Mais il a délibérément choisi, tant en 1959 qu'en 1971, que certaines
BGE 109 Ib 285 S. 293
règles soient fixées par voie d'ordonnance, en raison du caractère évolutif des exigences techniques et des besoins en matière de trafic routier (FF 1959 II p. 122 et 1971 I pp. 1130 et 1133). On rappellera à ce propos que le recours à de semblables délégations en faveur de l'exécutif est parfaitement admissible et d'ailleurs fréquent, notamment lorsqu'il s'agit d'assurer la faculté d'adaptation de normes à l'état de la technique, des connaissances scientifiques ou à l'évolution de l'économie (
ATF 103 Ib 140
consid. c, 102 Ia 68,
ATF 100 Ib 434
/435 consid. 5; cf. GYGI, Interventionsrecht und Interventionsverwaltung, in: Abhandlungen zum schweiz. Recht, 334/1958, p. 47 ss; P.-L. MANFRINI, Nature et effets des ordonnances administratives, Genève 1978, p. 162 s.).
Il faut donc constater que, par la délégation de l'
art. 7 al. 2 LRN
, le législateur a conféré un très large pouvoir d'appréciation au Conseil fédéral. Selon les principes jurisprudentiels rappelés plus haut (consid. 2a), le Tribunal fédéral est lié par une telle délégation, en sorte qu'il ne peut substituer sa propre appréciation à celle du Gouvernement (
ATF 107 Ib 246
/247 consid. 4 et les arrêts cités). En l'espèce, rien n'interdit d'interpréter la norme de l'
art. 7 al. 2 LRN
en ce sens qu'elle habilite le Conseil fédéral à réglementer aussi l'exploitation des installations annexes et, partant, à édicter une interdiction relative à l'exploitation des restoroutes.
4.
Le Département recourant soutient que l'
art. 4 al. 4 ORN
résiste au grief d'inconstitutionnalité que lui adresse le Conseil d'Etat vaudois. A l'inverse, cette autorité estime que le Conseil fédéral ne saurait, à défaut d'y être expressément habilité par la loi, édicter une interdiction qui restreint la liberté du commerce et de l'industrie. Sur ce point, le sort du recours dépend donc en premier lieu de la question de savoir si la délégation que l'
art. 7 al. 2 LRN
confère à l'exécutif couvre également l'adoption de règles limitant la liberté économique des exploitants de restoroutes. Dans l'affirmative, le Tribunal de céans devrait constater que cette limitation résulte de la loi elle-même et que, lié dès lors par l'
art. 4 al. 4 ORN
comme il l'est par la norme de délégation (art. 113 al. 3 et 114bis al. 3 Cst.), il ne peut contrôler la constitutionnalité de l'ordonnance au regard de l'
art. 31 Cst.
(cf. consid. 2a ci-dessus et les arrêts cités).
a) A l'origine, le législateur fédéral avait prévu, le long des autoroutes, l'aménagement de simples buvettes et de kiosques attachés aux stations d'essence (
art. 7 al. 1 LRN
en sa teneur du 8 mars 1960; RO 1960 p. 570) et le Conseil fédéral avait précisé
BGE 109 Ib 285 S. 294
qu'il s'agissait de buvettes sans alcool (
art. 4 al. 3 ORN
en sa teneur du 24 mars 1964; RO 1964 p. 301). Lors de la revision de la loi en 1971, on a autorisé l'aménagement, le long des autoroutes, de restaurants et de motels: on s'est alors demandé si, malgré l'opposition de certains milieux, il fallait maintenir l'interdiction de débits d'alcool et, le cas échéant, si cette interdiction devait être introduite dans le texte légal.
Dans son message du 28 avril 1971, le Conseil fédéral a développé clairement les raisons pour lesquelles il n'y avait pas lieu de lever l'interdiction, concluant son exposé en ces termes: "On sait que les autorités fédérales combattent l'ivresse "au volant" par tous les moyens; la législation sur la circulation routière et les innombrables mesures, prises en vue de lutter contre l'éthylisme, en témoignent. Mais si l'Etat ne dispose en général que de moyens limités pour prévenir l'ivresse "au volant", la législation sur les routes nationales lui donne au moins la possibilité de le faire dans un domaine limité: En effet, d'après le droit actuellement applicable, la vente de boissons alcooliques peut être interdite sur les autoroutes et semi-autoroutes qui sont exclusivement réservées au trafic motorisé. Il nous paraît que la vente de boissons alcooliques et l'intérêt qu'elle représente pour certains milieux de notre population doivent être subordonnés aux exigences plus hautes du bien public, autrement dit à la nécessité d'accroître la sécurité du trafic et de lutter contre l'alcoolisme. D'un point de vue très général, la question de savoir si les restaurants bordant les autoroutes pourront servir de l'alcool doit donc être tranchée par la négative. Nous ne voyons aucune raison de revenir sur notre décision antérieure." (FF 1971 I p. 1138.)
La majorité de la Commission du Conseil national a approuvé cette décision et son rapporteur de langue allemande a fait la déclaration suivante lors de la séance du 7 octobre 1971:
"Der Sprechende seinerseits zählt kaum zu den Kreisen, die mit besonderer Leidenschaft gegen jeden Alkoholgenuss ankämpfen. Er ist aber persönlich auch der Meinung, dass die bisherige Regelung, wonach durch bundesrätliche Verfügung kein Alkohol an Autobahnen ausgeschenkt werden soll, richtig sei. Im Namen der Kommissionsmehrheit bitte ich Sie daher, von der Aufnahme einer Alkoholbestimmung im Gesetz abzusehen." (BO, CN 1971, p. 1368.)
Au cours du débat d'entrée en matière, une seule réserve a été formulée par le porte-parole du groupe PAB (paysans, artisans et bourgeois), qui cependant a approuvé le projet de loi:
BGE 109 Ib 285 S. 295
"Wie erwähnt, betrachten wir den uns unterbreiteten Vorschlag als richtig, trotzdem festgestellt werden könnte, eine Verweigerung des Alkoholausschankes müsste ja eigentlich nur den Autolenker als solchen betreffen, aber nicht unbedingt die Mitfahrer. Wir denken da beispielsweise an Cars, wo ja eine einzige Person für die andern verantwortlich ist und nur sie speziell keinen Alkohol trinken dürfte. Die Zeit wird dann zeigen, ob vielleicht später andere Möglichkeiten in die Gesetzesformen aufgenommen werden können. Heute aber stehen wir auf dem Standpunkt, dass die Raststätten nur mit alkoholfreien Getränken sollten bewilligt werden." (BO, CN 1971 p. 1369.)
Quant au chef du Département fédéral de l'intérieur, il a dit ce qui suit:
"Es liegt mir aber daran, dem Rate dafür zu danken, dass das Alkoholverbot unbestritten geblieben ist. Es wird zwar nicht im Gesetz festgelegt, auch nicht in der neuen Fassung, der Bundesrat hat sich aber in seiner Botschaft sehr klar für das Alkoholverbot ausgesprochen. Er wird es in der Verordnung aufrechterhalten." (BO, CN 1971 p. 1370.)
Finalement, le Conseil national puis le Conseil des Etats ont voté, sans discussion ni opposition, le texte proposé par le Conseil fédéral (BO, CN 1971 p. 1371, CE 1971 p. 861).
Il ressort ainsi clairement des travaux préparatoires que les Chambres fédérales ont accepté non seulement que l'on interdise de servir des boissons alcooliques dans les restaurants autoroutiers, mais encore que cette interdiction figure uniquement dans le texte revisé de l'ordonnance d'exécution et non pas dans la loi elle-même. Par là même, elles ont également admis la constitutionnalité de cette mesure, considérant, avec le Conseil fédéral, que la notion d'utilisation du réseau, au sens de l'
art. 36bis Cst.
, englobe, outre tous les équipements et installations nécessaires, "les mesures propres à augmenter le bien-être personnel des usagers" (FF 1971 I p. 1140).
b) Il est vrai que, pris à la lettre, l'
art 7 al. 2 LRN
n'habilite pas expressément le Conseil fédéral à interdire le débit d'alcool dans les restoroutes. Mais il est de jurisprudence qu'une base légale matérielle suffit pour que l'exécutif puisse édicter, dans le cadre d'une ordonnance de substitution, une réglementation qui restreint la liberté du commerce et de l'industrie dans un domaine de sa compétence (
ATF 104 Ia 198
/199,
ATF 98 Ia 591
).
Nul ne conteste que l'interdiction litigieuse est une pure mesure de police - et non de politique économique -, qui tend, ainsi que le veut la loi (
art. 5 LRN
), à garantir la sécurité du trafic. Une telle prescription de police, que le Conseil fédéral peut édicter en vertu de l'
art. 7 al. 2 LRN
- ainsi d'ailleurs que le Département fédéral
BGE 109 Ib 285 S. 296
de l'intérieur en vertu de l'art. 50 -, relève de la législation réservée par l'
art. 31 al. 1 Cst.
et est, partant, compatible avec cette disposition (cf.
ATF 83 I 150
consid. 4b).
Par ailleurs, on pourrait se demander si l'
art 4 al. 4 ORN
constitue réellement une nouvelle règle qui restreint les droits des citoyens ou leur impose de nouvelles obligations, au sens de la jurisprudence (
ATF 104 Ib 209
consid. 3b,
ATF 99 Ib 165
consid. 1a). En effet, il ne fait que reprendre une interdiction préexistante en l'appliquant aux nouveaux droits - d'exploiter des restaurants et des motels - introduits par la loi du 17 décembre 1971. Mais surtout, on a vu que si le législateur a certes voulu conférer un large pouvoir d'appréciation au Conseil fédéral, il a en même temps limité en quelque sorte ce pouvoir, en se prononçant lui-même directement sur l'insertion d'une interdiction dans l'ordonnance. Il apparaît ainsi que si la norme de l'
art. 4 al. 4 ORN
doit bel et bien être qualifiée, formellement, de règle primaire, elle s'apparente plutôt, en fait, à une simple disposition d'exécution comportant une règle indiquée avec précision par le législateur. Dans ce sens, la question pourrait même se poser de savoir si, malgré son large pouvoir d'appréciation, le Conseil fédéral eût pu prendre la liberté de renoncer, de lui-même, à inscrire cette interdiction de débit d'alcool dans l'ordonnance. Certes, ce problème relève en réalité surtout de l'opportunité politique. Il n'en demeure toutefois pas moins que les particularités de la procédure d'élaboration législative qui est à l'origine de l'
art. 4 al. 4 ORN
doivent nécessairement être prises en considération: elles offrent une raison supplémentaire d'admettre que la norme de délégation de l'
art. 7 al. 2 LRN
n'a pas besoin d'être expresse pour pouvoir être interprétée dans le sens proposé par le département recourant.
c) Outre qu'elle n'est pas contredite par le texte de la loi, cette interprétation est largement corroborée par les travaux préparatoires, qui attestent la volonté claire et unanime du législateur. Elle résiste au surplus à l'objection tirée du défaut de délégation expresse puisque, d'une part, l'interdiction litigieuse - en tant que restriction à la liberté du commerce et de l'industrie fondée sur des motifs de police - est compatible avec l'
art. 31 Cst.
et que, d'autre part, le législateur s'est lui-même directement prononcé sur la portée, en ce qui concerne cette règle particulière, de la norme de délégation inscrite à l'
art. 7 al. 2 LRN
.
Dans ces conditions, il faut constater que l'interdiction édictée à l'
art. 4 al. 4 ORN
n'excède pas le cadre de la délégation légale
BGE 109 Ib 285 S. 297
et qu'elle est - de l'avis même du législateur, qui ne saurait être contredit par le Tribunal de céans - conforme à l'
art. 31 Cst.
d) Cette conclusion rend superflu l'examen des autres problèmes constitutionnels abordés par les parties. Il n'y a donc pas lieu de se demander si l'exploitation des installations annexes n'entrerait éventuellement pas dans le champ de la liberté du commerce et de l'industrie, ou encore si les compétences reconnues aux cantons en matière d'établissements publics et de commerce des boissons spiritueuses (cf. art. 31 al. 2, 31 ter et 32 quater Cst.) pourraient faire obstacle à celles dont dispose la Confédération en vertu de l'
art. 31 Cst.
et de la disposition spéciale de l'
art. 36bis Cst.
5.
Lorsque le législateur fédéral a retenu la solution d'une interdiction de vente et de consommation d'alcool dans les restoroutes, il a par la même occasion admis d'une façon toute générale la constitutionnalité de cette mesure. Ainsi que cela ressort des matériaux législatifs déjà cités, il en a donc également examiné la pertinence sous l'angle de l'intérêt public et de la proportionnalité, et n'a jamais mis en doute sa compatibilité avec le principe de l'égalité. Il ne reste dès lors guère de place pour un contrôle de la validité de l'
art. 4 al. 4 ORN
au regard de ces principes constitutionnels (
art. 114bis al. 3 Cst.
;
ATF 101 Ib 151
consid. 4; cf. aussi
ATF 106 Ib 191
/192).
Sans aucun doute, l'opportunité et la justification d'une semblable prohibition suscitent - et susciteront encore à l'avenir - de nombreux avis contradictoires. Le Conseil fédéral les a exposés dans son Message du 28 avril 1971 précité (FF 1971 I p. 1136 ss) et a conclu à la prééminence des motifs liés tant à la sécurité du trafic qu'à la lutte contre l'alcoolisme. Au Parlement, qui n'est pourtant pas composé que d'ennemis du vin ou des milieux viti-vinicoles, nul ne s'est opposé à ce point de vue. Qui plus est, les Bulletins officiels déjà cités (cf. consid. 4a) révèlent que le législateur s'est déterminé en connaissance de cause et a estimé qu'il y a des raisons sérieuses et pertinentes d'interdire l'alcool dans les restoroutes, sans que cela implique pour autant des atteintes excessives à des intérêts importants. Pour le reste, il n'est pas déraisonnable d'estimer, comme l'indique le recourant, que toute autre mesure moins incisive s'avérerait forcément moins efficace et plus difficilement applicable. | public_law | nan | fr | 1,983 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
2f51a840-a487-4574-9acb-7a35e9f07add | Urteilskopf
86 IV 145
36. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 14. Oktober 1960 i.S. Wittelsbach gegen Egger. | Regeste
Art. 30, 31 StGB
.
Der Privatstrafkläger, der gegen einen der Beteiligten Anklage erhebt, stellt damit gleichzeitig Strafantrag gegen die andern und kann deshalb auf das Antragsrecht nicht mehr verzichten, sondern nur noch den Antrag zurückziehen.
Der Rückzug bedarf keiner ausdrücklichen Willenserklärung. | Sachverhalt
ab Seite 145
BGE 86 IV 145 S. 145
A.-
Am 22. Mai 1957 erschien in der Zeitung "Die Tat" unter dem Titel "Aus dem Reiche Wittelsbach" ein Artikel, in dem an den Anstellungsverhältnissen und Arbeitsbedingungen der Lehrer am Konservatorium für Musik in Zürich Kritik geübt wird. Verfasser des Artikels war der Journalist Schmid, der die sachlichen Unterlagen im wesentlichen von Egger, damals Musiklehrer am Konservatorium, erhalten und den Artikel mit dessen Zustimmung veröffentlicht hatte. Am 30. August 1957 reichte Wittelsbach, Direktor des Konservatoriums, gegen Schmid, der am 31. Mai 1957 in einer schriftlichen Erklärung die Verantwortung für das Presseerzeugnis übernommen hatte, beim Bezirksgericht Zürich Strafklage wegen Ehrverletzung ein.
BGE 86 IV 145 S. 146
Während des Untersuchungsverfahrens stellte der Verteidiger des Angeklagten Schmid den Antrag, Egger als Zeugen einzuvernehmen. Der Anwalt des Anklägers widersetzte sich mit Eingabe vom 14. Oktober 1958 diesem Begehren. Zur Begründung seines Antrages auf Nichtabnahme des Zeugnisses machte er geltend, die Aussagen Eggers seien im Hinblick auf seine Mitwirkung bei der Abfassung des Artikels und seine Stellung als Mittäter für den Prozess bedeutungslos; anschliessend bemerkte er:
"Egger gehört also ebensogut auf die Anklagebank wie Schmid. Damit hat er ohnehin die Stellung eines Zeugen verwirkt, auch wenn der Ankläger, um Egger zu schonen, auf eine Anklage gegen ihn verzichtet hat."
Am 6. November 1958 wurde Egger in Anwesenheit der Parteien und ihrer Anwälte als Zeuge einvernommen und vorgängig vom Instruktionsrichter darauf aufmerksam gemacht, dass ihm kein Zeugnisverweigerungsrecht zustehe, da der Ankläger ausdrücklich auf eine Strafklage gegen ihn verzichtet habe.
Nachdem sich Egger in einer weitern Zeugeneinvernahme geweigert hatte, die Namen von Kollegen zu nennen, die durch die Leitung des Konservatoriums ungerechtfertigt gemassregelt worden seien, stellte der Vertreter des Anklägers mit Eingabe vom 3. Januar 1959 das Begehren, Egger nochmals über konkrete Vorfälle einzuvernehmen. In der Begründung wurde u.a. ausgeführt:
"Die Weigerung des Zeugen ist sachlich unberechtigt und zudem ungesetzlich, denn es steht ihm kein Zeugnisverweigerungsrecht zu (StPO 129/131)."
Nach Abschluss des Beweisverfahrens, in welchem Schmid wiederholt die Abschreibung des Prozesses beantragt hatte, weil der Ankläger auf den Strafantrag verzichtet habe, erhob Wittelsbach am 4. Dezember 1959 auch gegen Egger als Anstifter und Mittäter von Schmid Strafklage wegen Ehrverletzung.
B.-
Am 18. Dezember 1959 sprach das Bezirrksgericht Zürich den Angeklagten Schmid von Schuld und Strafe
BGE 86 IV 145 S. 147
frei. Durch Beschluss vom gleichen Tage wies es die Anklage gegen Egger von der Hand mit der Begründung, der Ankläger habe durch sein Schreiben vom 14. Oktober 1958 auf die Strafklage gegen Egger verzichtet.
Das Obergericht des Kantons Zürich wies am 4. Juli 1960 den Rekurs, den Wittelsbach gegen den bezirksgerichtlichen Einstellungsbeschluss eingereicht hatte, als unbegründet ab. Es erblickt in der Eingabe des Anklägers vom 3. Januar 1959 einen Rückzug des Strafantrages im Sinne von
Art. 31 StGB
, indem Wittelsbach darin das Zeugnisverweigerungsrecht Eggers unter Hinweis auf
§ 131 StPO
bestritten und damit ausdrücklich zu erkennen gegeben habe, dass Egger im Zusammenhang mit der Sache, in der er als Zeuge auszusagen habe, von Seiten des Anklägers keine Strafverfolgung zu gewärtigen habe.
C.-
Wittelsbach führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, der Beschluss des Obergerichtes sei aufzuheben und die Sache zur materiellen Beurteilung der Anklage gegen Egger an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1.
Art. 27 StGB
schliesst, wenn der Verfasser eines ehrenrührigen Zeitungsartikels bekannt ist, die Bestrafung der nicht im Druckereigewerbe tätigen Personen, die nach den allgemeinen Vorschriften des StGB als Mittäter, Anstifter oder Gehilfe des Verfassers mitverantwortlich sind, nicht aus (
BGE 73 IV 67
). Egger, der als Musiklehrer dem Verfasser des eingeklagten Zeitungsartikels die Unterlagen verschafft und bei der Veröffentlichung mitgewirkt hat, fällt als Mittäter oder als Teilnehmer an der Schmid zur Last gelegten Ehrverletzung in Betracht. Er ist daher Beteiligter im Sinne von
Art. 30 StGB
.
2.
Nach dieser Bestimmung sind alle Beteiligten zu verfolgen, wenn ein Antragsberechtigter gegen einen an der Tat Beteiligten Strafantrag stellt. Der Kassationshof hat diese Vorschrift dahin ausgelegt, dass auch in den Kantonen, deren Prozessrecht eine formelle Anklage gegen
BGE 86 IV 145 S. 148
jeden der Beteiligten verlangt, schon mit dem gültig gestellten Antrag gegen einen Beteiligten bundesrechtlich die Voraussetzung zur Verfolgung der andern erfüllt ist, und zwar ohne Rücksicht darauf, in welchem Zeitpunkt gegenüber den andern Beteiligten Anklage erhoben wird (
BGE 80 IV 212
Erw. 2). Man könnte sich fragen, ob diese Auslegung mit dem vom Bundesrecht zwingend aufgestellten Grundsatz der Unteilbarkeit des Strafantrages vereinbar sei, mit andern Worten, ob die Verwirklichung dieses Prinzips nicht voraussetze, dass auch in den im Privatstrafklageprozess durchzuführenden Strafsachen das gegen einen Beteiligten angehobene Strafverfahren von Amtes wegen auf die andern ausgedehnt werde oder dass zum mindesten der Privatstrafkläger die prozessualen Handlungen, die zur Ingangsetzung des Strafverfahrens gegenüber den andern Beteiligten nach kantonalem Prozessrecht notwendig sind, innert der Antragsfrist des
Art. 29 Abs. 1 StGB
vornehme. Die erwähnte Entscheidung, auf die sich auch der Beschluss des Obergerichts stützt, wird jedoch von keiner der beteiligten Parteien angefochten, und ein zwingender Anlass, sie einer erneuten Prüfung zu unterziehen, besteht im vorliegenden Falle nicht. Die Frage kann daher offen bleiben.
3.
Geht man von der bisherigen Rechtsprechung aus, so hatte die am 30. August 1957 gegen Schmid innert der Antragsfrist und in der vom zürcherischen Prozessrecht geforderten Form anhängig gemachte Anklage gemäss
Art. 30 StGB
zugleich die Wirkung eines Strafantrages gegen alle Beteiligten, gleichgültig, ob diese bereits bekannt waren oder erst im Verlaufe der Untersuchung ermittelt wurden. Damit war auch gegen Egger, obschon in der Anklageschrift nicht genannt, nach Bundesrecht rechtswirksam Strafantrag gestellt; um das Untersuchungsverfahren gegen ihn auszulösen, bedurfte es nur noch der prozessrechtlich erforderlichen Anklage, die auch noch nach Ablauf der Frist des
Art. 29 Abs. 1 StGB
möglich war. Hat somit der Ankläger von seinem Recht, Strafantrag
BGE 86 IV 145 S. 149
zu stellen, rechtsgültig Gebrauch gemacht, so konnte er, wie das Obergericht richtigerweise feststellt, auf die Ausübung dieses Rechtes nicht mehr verzichten, denn ein Verzicht setzt voraus, dass der Antrag noch nicht gestellt ist (
Art. 28 Abs. 5 StGB
). Ein bereits gestellter Strafantrag kann nur durch Rückzug im Sinne von
Art. 31 StGB
rechtsunwirksam gemacht werden.
Das Obergericht ist der Meinung, dass der Rückzug des Strafantrages wie der Verzicht auf das Antragsrecht eine ausdrückliche Willenserklärung erfordere; der Wille des Berechtigten, den Strafantrag zurückzuziehen, müsse sich eindeutig und vorbehaltlos aus dem Wortsinn der Erklärung selbst ergeben. Dieser Auffassung steht der klare Wortlaut des Gesetzes entgegen, indem es nur in Art. 28 Abs. 5 für den Verzicht, nicht aber in Art. 31 für den Rückzug Ausdrücklichkeit verlangt. Demnach kann auf den Willen, den Strafantrag zurückzunehmen, auch aus den gesamten Umständen geschlossen werden, sofern er unmissverständlich zum Ausdruck kommt und nicht an eine Bedingung geknüpft ist (
BGE 79 IV 100
). An den Rückzug des Strafantrages weniger strenge Anforderungen zu stellen als an den Verzicht, ist auch sachlich gerechtfertigt. Wer auf sein Antragsrecht verzichtet, tut es vor Anhebung der Strafuntersuchung und damit regelmässig in Ungewissheit über den Verlauf des Verfahrens und den möglichen Ausgang der Klage, während der Rückzug des Strafantrages im allgemeinen in einem Zeitpunkt erfolgt, in dem die Untersuchung bereits bestimmte Ergebnisse gezeitigt hat, so dass der Antragsteller den Entschluss in Kenntnis der Sach- und Prozesslage fassen kann.
4.
(Gekürzt) In der Eingabe vom 14. Oktober 1958 erklärte der Beschwerdeführer vorbehaltlos, er habe darauf verzichtet, die Bestrafung Eggers zu verlangen. Der Verzicht war als endgültiger zu verstehen, da der Beschwerdeführer ein für allemal von einer Anklage absehen und sich trotzdem der Einvernahme Eggers als Zeuge widersetzen konnte, in der Meinung, dieser sei als Mittäter befangen
BGE 86 IV 145 S. 150
und verdiene als Zeuge keinen Glauben. Der Wille, keine Strafverfolgung einzuleiten, ergibt sich auch aus dem Verhalten des Beschwerdeführers in der Verhandlung vom 6. November 1958. Aus der Zeugenbelehrung und der entsprechenden Protokollierung war klar ersichtlich, dass Egger das Recht zur Zeugnisverweigerung nur deswegen abgesprochen wurde, weil die Erklärung des Beschwerdeführers vom 14. Oktober 1958 als verbindliche Zusicherung aufgefasst wurde, Egger laufe keine Gefahr, wegen seiner Aussagen vom Ankläger strafrechtlich verfolgt zu werden. Hätte der Beschwerdeführer seiner Erklärung eine weniger weit gehende Tragweite beigemessen, hätte er die Möglichkeit und nach Treu und Glauben auch die Pflicht gehabt, Vorbehalte anzubringen, was er jedoch unterliess. Schliesslich bestätigte der Beschwerdeführer den geäusserten Willen noch durch sein Schreiben vom 3. Januar 1959. Wenn er darin unter Hinweis auf die §§ 129/131 StPO bestritt, dass Egger ein Recht zur Zeugnisverweigerung habe, so wurde damit nicht bloss gesagt, dass Drittpersonen durch die Aussagen Eggers keinen Nachteilen ausgesetzt würden, sondern die Erklärung hatte, was aus dem Wortlaut des
§ 131 StPO
folgt, gleichzeitig den Sinn, auch Egger selber laufe nicht Gefahr, strafrechtlich zur Verantwortung gezogen zu werden, wenn er als Zeuge aussage. Das gesamte Verhalten des Beschwerdeführers führt daher zum Schluss, dass er den Strafantrag gegen Egger zurückgezogen hat.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen. | null | nan | de | 1,960 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
2f5628c9-9c86-495a-a310-7d43ea6dba06 | Urteilskopf
136 I 220
20. Auszug aus dem Urteil der I. sozialrechtlichen Abteilung i.S. Kanton Glarus gegen Z. (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
8C_212/2009 vom 15. April 2010 | Regeste
Art. 49 BV
;
Art. 64a und 65 KVG
; Art. 31 Abs. 1 und 2 des Einführungsgesetzes des Kantons Glarus vom 7. Mai 2006 zum Bundesgesetz über die Krankenversicherung (in der seit 1. Januar 2008 geltenden Fassung); Prämienverbilligung.
Eine kantonale Regelung, gemäss welcher Prämienverbilligungsbeiträge mit Steuerschulden verrechnet werden können, ist mit der Zielsetzung des KVG nicht vereinbar und daher bundesrechtswidrig (E. 6.4.3). | Sachverhalt
ab Seite 221
BGE 136 I 220 S. 221
A.
Die Steuerverwaltung des Kantons Glarus stellte mit Verfügung vom 30. April 2008 fest, dass Z. für das Jahr 2008 Anspruch auf einen Prämienverbilligungsbeitrag an die Krankenpflege-Grundversicherung von Fr. 956.- habe. Gleichzeitig hielt sie fest, der genannte Betrag werde in Anwendung von Art. 31 des Einführungsgesetzes des Kantons Glarus vom 7. Mai 2006 zum Bundesgesetz über die Krankenversicherung (EG KVG; GS VIII D/21/1) mit laufenden oder noch geschuldeten Steuern verrechnet. Z. erhob dagegen Einsprache, mit welcher er einzig die Verrechnung des Beitrages mit Steuerforderungen rügte. Die kantonale Steuerverwaltung wies die Einsprache mit Entscheid vom 30. Juni 2008 ab. Zur Begründung führte sie an, die anspruchsberechtigte Person könne die Auszahlung der Prämienverbilligung verlangen, wenn sie nachweise, dass sie die Krankenkassenprämien bis zum Antrag lückenlos bezahlt habe. Da der Leistungsansprecher diesen Nachweis nicht erbracht habe, sei die vorgenommene Verrechnung mit Steuerforderungen rechtens.
B.
Mit Entscheid vom 28. Januar 2009 hiess das Verwaltungsgericht des Kantons Glarus die von Z. dagegen erhobene Beschwerde gut, stellte fest, dass Art. 31 Abs. 1 und 2 EG KVG bundesrechtswidrig sei, hob den genannten Einspracheentscheid auf und wies die Steuerverwaltung an, den Prämienverbilligungsbeitrag von Fr. 956.- an Z. auszubezahlen bzw. zu überweisen.
C.
Mit Eingabe vom 27. Februar 2009 erhebt der Kanton Glarus, handelnd durch den Regierungsrat, beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten, mit welcher die Aufhebung des Entscheids des Verwaltungsgerichts beantragt und darum ersucht wird, den Einspracheentscheid vom 30. Juni 2008 zu bestätigen, eventualiter die Sache an das Verwaltungsgericht zurückzuweisen, und festzustellen, dass Art. 31 Abs. 1 und 2 EG KVG in der von der Landsgemeinde am 6. Mai 2007 beschlossenen Fassung nicht gegen Bundesrecht verstosse. Zudem wird um Erteilung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde ersucht.
Das Verwaltungsgericht wie auch Z. beantragen, auf die Beschwerde nicht einzutreten, eventualiter sie abzuweisen. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) liess sich in abweisendem Sinne vernehmen.
BGE 136 I 220 S. 222
D.
Am 15. Oktober 2009 hiess der Präsident der I. sozialrechtlichen Abteilung das vom beschwerdeführenden Kanton Glarus gestellte Gesuch um aufschiebende Wirkung gut.
E.
Am 15. April 2010 hat die I. sozialrechtliche Abteilung des Bundesgerichts eine publikumsöffentliche Beratung durchgeführt.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
4.
In materieller Hinsicht streitig und zu prüfen ist, ob Art. 31 Abs. 1 und 2 EG KVG, welcher eine Verrechnung von Prämienverbilligungsbeiträgen mit Steuerschulden vorsieht, bundesrechtskonform ist.
4.1
Gemäss
Art. 65 KVG
(in der seit 1. Januar 2001 in Kraft stehenden Fassung) gewähren die Kantone den Versicherten in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen Prämienverbilligungen (Abs. 1). Die Kantone sorgen dafür, dass bei der Überprüfung der Anspruchsvoraussetzungen, insbesondere auf Antrag der versicherten Person, die aktuellsten Einkommens- und Familienverhältnisse berücksichtigt werden. Nach der Feststellung der Bezugsberechtigung sorgen die Kantone zudem dafür, dass die Auszahlung der Prämienverbilligung so erfolgt, dass die anspruchsberechtigten Personen ihrer Prämienzahlungspflicht nicht vorschussweise nachkommen müssen (Abs. 3). Mit den Schlussbestimmungen der Änderung vom 24. März 2000 werden die Kantone verpflichtet, Ausführungsbestimmungen zu erlassen. Nach der Rechtsprechung geniessen die Kantone eine erhebliche Freiheit in der Ausgestaltung der Prämienverbilligung, indem sie autonom festlegen können, was unter "bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen" zu verstehen ist. Deshalb stellen die von den Kantonen erlassenen Bestimmungen bezüglich der Prämienverbilligung in der Krankenversicherung grundsätzlich autonomes kantonales Ausführungsrecht zu Bundesrecht dar (
BGE 134 I 313
E. 3 S. 315 mit Hinweisen).
4.2
Laut Art. 27 Abs. 1 EG KVG wird der Anspruch auf Prämienverbilligung grundsätzlich von Amtes wegen ermittelt und ausgerichtet. Nach Art. 31 Abs. 1 EG KVG (in der seit 1. Januar 2008 in Kraft stehenden Fassung) kann die anspruchsberechtigte Person die Auszahlung der vollen Prämienverbilligung an sich verlangen, wenn sie nachweist, dass sie der Zahlung der Prämien bis zum Zeitpunkt des Antrages auf Auszahlung der Prämienverbilligung lückenlos
BGE 136 I 220 S. 223
nachgekommen ist. Ein entsprechendes Gesuch ist mit den nötigen Belegen bei der zuständigen kantonalen Verwaltungsbehörde einzureichen. Im Regelungsbereich von Art. 21 (Personen, die wirtschaftliche Hilfe beziehen) und Art. 25 (Asylsuchende) erfolgt keine Auszahlung an die anspruchsberechtigten Personen. Der Regierungsrat regelt die Einzelheiten, namentlich bis zu welchem Zeitpunkt die Auszahlung der vollen Prämienverbilligung verlangt werden kann. Nach Art. 31 Abs. 2 EG KVG wird die Prämienverbilligung mit den geschuldeten Kantons- und Gemeindesteuern verrechnet, wenn die Auszahlung der vollen Prämienverbilligung nicht verlangt wird oder die Voraussetzungen dafür gemäss Absatz 1 nicht erfüllt sind. Gemäss Art. 4 lit. d EG KVG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 der kantonalen Verordnung vom 17. September 2002 über die Prämienverbilligung (GS VIII D/21/2; nachfolgend: RIPV) ist die kantonale Steuerverwaltung mit dem Vollzug der Prämienverbilligung betraut. Sie ist insbesondere zuständig für die Verrechnung der Prämienbeiträge mit den Kantons- und Gemeindesteuern bzw. die Auszahlung der Prämienbeiträge an die Berechtigten in besonderen Fällen (Art. 3 Abs. 2 lit. e RIPV).
5.
5.1
Das Verwaltungsgericht ging davon aus, dass aufgrund von Art. 3 Abs. 2 lit. e RIPV die Verrechnung der Verbilligungsbeiträge mit Kantons- und Gemeindesteuern die Regel bilde und die Auszahlung an die Berechtigten bloss in "besonderen Fällen" erfolge. Dabei stelle die Voraussetzung gemäss Art. 31 Abs. 1 EG KVG, dass die Auszahlung an die versicherte Person von einer lückenlosen Prämienzahlung bis zum Zeitpunkt des Gesuchs abhänge, eine Bedingung dar, die mit dem vom Bundesgesetzgeber verfolgten Ziel der Prämienverbilligung kaum vereinbar sei. Zudem entspreche es nicht Sinn und Geist von
Art. 65 KVG
, Steuerausstände oder den diesbezüglichen Inkassoaufwand zu reduzieren und die von Bund und Kanton bereitgestellten Mittel nicht direkt zur Prämienzahlung dem Versicherten oder zur Prämienreduktion dem Versicherer zuzuführen. Mit der Verrechnung mit Steuerforderungen könne überdies auch keine zweckmässige Verwendung der Beiträge sichergestellt werden.
5.2
Der Beschwerde führende Kanton Glarus macht im Wesentlichen geltend, die Umsetzung des Bundesrechts obliege nach
Art. 46 BV
den Kantonen. Der Bund habe im KVG nicht vorgeschrieben, welche Auszahlungssysteme im Rahmen der Prämienverbilligung
BGE 136 I 220 S. 224
möglich seien. Laut Botschaft vom 21. September 1998 betreffend den Bundesbeschluss über die Bundesbeiträge in der Krankenversicherung (BBl 1999 793 ff. Ziff. 242) sei es Sache eines jeden Kantons, den Kreis der Begünstigten, die Höhe, das Verfahren und den Auszahlungsmodus der Prämienverbilligung festzulegen. Der Kanton Glarus habe ein gemischtes System gewählt, indem die Prämienberechtigung von Amtes wegen mitgeteilt werde, die Auszahlung direkt an die Berechtigten jedoch beantragt werden müsse, wobei bei fehlendem Antrag eine Verrechnung mit geschuldeten Kantonssteuern erfolge. Weder verstosse dieses System gegen
Art. 65 KVG
, noch bestehe eine Verpflichtung zur Barauszahlung an die Versicherten.
6.
6.1
Der Grundsatz der derogatorischen Kraft des Bundesrechts nach
Art. 49 Abs. 1 BV
schliesst in Sachgebieten, welche die Bundesgesetzgebung abschliessend regelt, eine Rechtsetzung durch die Kantone aus. In Sachgebieten, die das Bundesrecht - wie bei der Prämienverbilligung - nicht abschliessend ordnet, dürfen Kantone nur solche Vorschriften erlassen, die nicht gegen Sinn und Geist des Bundesrechts verstossen und dessen Zweck nicht beeinträchtigen (ZBl 109/2008 S. 311, 2P.229/2006 E. 3). Die kantonalen Bestimmungen über die Prämienverbilligung müssen sich somit an Sinn und Geist des KVG halten und dürfen den mit der Prämienverbilligung angestrebten Zweck nicht vereiteln (
BGE 122 I 343
E. 4a S. 349; GEBHARD EUGSTER, Krankenversicherung, in: Soziale Sicherheit, SBVR Bd. XIV, 2007, S. 764 Rz. 1071; URS CH. NEF, Die Prämienverbilligung in der Krankenversicherung, in: LAMal - KVG, Recueil de travaux en l'honneur de la société suisse de droit des assurances, 1997, S. 489).
6.2
6.2.1
Die individuelle Prämienverbilligung zielt darauf ab, im System des KVG mit einer Einheitsprämie pro Versicherer ohne Berücksichtigung der finanziellen Leistungsfähigkeit der Versicherten, für Personen in bescheidenen Verhältnissen die wirtschaftliche Last der Krankenversicherungsprämien zu mildern. Sie ist damit ein Element der Solidarität zugunsten weniger bemittelter Bevölkerungsschichten (
BGE 122 I 343
E. 3g/bb S. 347). Dabei entschied sich der Bundesgesetzgeber für eine föderalistische Ausgestaltung, indem er die Festlegung des zu erreichenden Sozialziels und die Ausgestaltung der Prämienverbilligung (Festlegung des Bezügerkreises, des Betrags, des Verfahrens und der Zahlungsmodalitäten) an die Kantone delegierte.
BGE 136 I 220 S. 225
6.2.2
Wie der Beschwerdeführer zutreffend festhält, hat der Gesetzgeber den Kantonen im KVG die Auszahlungsmodalitäten der Prämienverbilligung nicht vorgeschrieben. In der Botschaft vom 6. November 1991 über die Revision der Krankenversicherung (BBl 1992 I 93 ff.) wird zur Prämienverbilligung durch die Kantone ausgeführt, wie das Modell in die Praxis umzusetzen sei, werde den Kantonen überlassen. In der Studie der Schweizerischen Vereinigung privater Kranken- und Unfallversicherer (PKU) sei ursprünglich vorgeschlagen worden, dass der Anspruch der Versicherten direkt von der Steuerschuld in Abzug gebracht werde. Die kantonalen Finanzdirektoren hätten seinerzeit gegen ein solches Vorgehen Bedenken geäussert. Die Kantone könnten ein von der Erhebung der Steuern losgelöstes System wählen. Es sei ihnen freigestellt, ob sie die Prämienverbilligung den Versicherten oder direkt den Versicherern ausbezahlen wollten (BBl 1992 I 198 Ziff. 3). In der bereits erwähnten Botschaft vom 21. September 1998 (BBl 1999 793 ff. Ziff. 242 f.) wurde festgehalten, es sei Sache eines jeden Kantons, den Kreis der Begünstigten, die Höhe, das Verfahren wie auch den Auszahlungsmodus für die Prämienverbilligung festzulegen. In der Regel erfolge die Auszahlung an den Versicherer, wobei die Berechtigten informiert würden. In Ausnahmefällen werde die Verbilligung den Berechtigten selbst entrichtet. Ein solches Verfahren werde jedoch von der überwiegenden Mehrzahl der Kantone mit dem Hinweis abgelehnt, die Gelder müssten zweckgebunden sein. In der Botschaft vom 26. Mai 2004 zur Änderung des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (Prämienverbilligung) und zum Bundesbeschluss über die Bundesbeiträge in der Krankenversicherung (BBl 2004 4327 ff.) wird bestätigt, dass bezüglich der Zahlungsmodalitäten zwei Tendenzen hätten beobachtet werden können, wobei die Mehrzahl der Kantone die Subventionen direkt an die Versicherer ausrichte, während einige wenige Kantone den Prämienverbilligungsbetrag den Versicherten bezahlen würden (BBl 2004 4337 Ziff. 1.1.5).
6.2.3
Aufgrund der Ausführungen in den bundesrätlichen Botschaften schloss das Verwaltungsgericht, das vom Kanton Glarus gewählte System der Gutschrift zur Verrechnung mit Steuerforderungen sei nicht in Erwägung gezogen worden. Wie das BAG in seiner Vernehmlassung zutreffend festhält, bestehen gestützt auf die Gesetzesmaterialien darüber hinaus auch keine Hinweise darauf, dass das vom Kanton Glarus gewählte System der Gutschrift zur Verrechnung mit Steuerforderungen als bundesrechtswidrig zu betrachten wäre.
BGE 136 I 220 S. 226
6.3
6.3.1
Das Verwaltungsgericht geht davon aus, dass vor allem jene Versicherten, die aus finanziellen Gründen (in der Vergangenheit) die Prämien nicht bzw. nicht rechtzeitig bezahlen konnten, in den Genuss der Prämienverbilligung kommen würden. Dabei gehe es nicht an, die Verbilligungsbeiträge nur indirekt dem gesetzlichen Zweck der Prämienverbilligung zukommen zu lassen. Wenn dies zulässig sei, würden finanzielle Mittel für andere Zwecke der Anspruchsberechtigten verfügbar gemacht, deren anderweitige Verwendung nicht als missbräuchlich betrachtet werden könne.
6.3.2
Der Beschwerdeführer wendet ein, zumindest in den Fällen, in welchen die Versicherten weder Krankenkassenprämien noch Steuern zahlen würden, obwohl sie weder Steuererlass genössen noch Sozialhilfeempfänger seien, könne der Aufwand des Staates bei Vorliegen von Verlustscheinen reduziert werden. Damit werde verhindert, dass Beiträge für die Krankenkassenprämien zuerst über die Prämienverbilligung und anschliessend auch noch im Rahmen eines Verlustscheins aufgewendet werden müssten, was eine sinnvolle und zweckgebundene Vollzugslösung darstelle.
6.3.3
Steuern sind grundsätzlich so lange geschuldet, als sie nicht erlassen werden. Ob die Erlassvoraussetzungen gegeben sind, wird in einem selbständigen Verfahren geprüft. Sind Steuerschulden zu begleichen und erfolgt die Tilgung durch Verrechnung, bleibt per Saldo das Vermögen der versicherten Person gleich, wie wenn ihr die Prämienverbilligung ausbezahlt würde. Der Unterschied besteht einzig darin, dass bei der Verrechnung die Passiven reduziert werden, während sich im Fall der Auszahlung die Aktiven erhöhen. Dies bestätigt auch der Beschwerde führende Kanton, wenn er festhält, die Prämien würden insofern ermässigt, indem den Berechtigten andere zwingende Kosten, nämlich die fälligen und zu begleichenden Steuern, abgenommen würden. Ein solches Vorgehen widerspricht grundsätzlich nicht dem Gesetzeszweck. Wie bereits oben anhand der Gesetzesmaterialien dargelegt (vgl. E. 6.2.2), lässt es das Bundesrecht zu, dass die Verbilligung bar an die Versicherten ausbezahlt wird. Damit akzeptiert der Bundesgesetzgeber, dass diese Beträge nicht für die Prämienzahlung, sondern allenfalls für anderweitige Auslagen verwendet werden. Wäre es ihm darum gegangen, nur die direkte Verwendung für die Prämienzahlung zu sichern, hätte er im KVG vorschreiben müssen, dass nur eine Auszahlung an den Versicherer zulässig sei. In diese Richtung zielt denn auch eine
BGE 136 I 220 S. 227
parlamentarische Initiative, welche mit einer Revision von
Art. 65 KVG
die Kantone verpflichten will, die Prämienverbilligung direkt an die Versicherer auszurichten, um künftig zu verhindern, dass diejenigen Versicherten, denen die Prämienverbilligung direkt ausgerichtet wird, die Gelder für andere Zwecke einsetzen (vgl. Bericht vom 28. August 2009 der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates "Parlamentarische Initiative Artikel 64a KVG und unbezahlte Prämien" [09.425]). Dass bei einer Barauszahlung an die Versicherten die Verbilligungen zum Teil anderweitig verwendet werden, ist unbestritten. Der Unterschied zu einer Gutschrift mit Verrechnung der Steuerschulden besteht einzig darin, dass im einen Fall die Tilgung einer zum vornherein bestimmten Schuld erfolgt, während im andern Fall die versicherte Person selber entscheidet, welche Schulden sie tilgen will. Wenn mittels Verrechnung der Prämienverbilligung mit geschuldeten Kantons- und Gemeindesteuern der Missbrauchsgefahr nicht entgegengewirkt wird, kann - solange kein bestimmter Auszahlungsmodus bundesrechtlich vorgeschrieben ist - daraus allein nicht geschlossen werden, das vom Kanton Glarus gewählte System sei bundesrechtswidrig.
6.4
6.4.1
Mit der Vorinstanz gilt es sodann auf den zwischen der Prämienverbilligung und der Prämienzahlungspflicht bestehenden engen Zusammenhang hinzuweisen, welcher in
Art. 65 Abs. 3 Satz 2 KVG
zum Ausdruck kommt, wonach die Auszahlung der Prämienverbilligung so zu erfolgen hat, dass die anspruchsberechtigten Personen ihrer Prämienzahlungspflicht nicht vorschussweise nachkommen müssen. Mit dem am 1. Januar 2006 in Kraft getretenen
Art. 64a Abs. 2 KVG
wurde zudem eine gesetzliche Grundlage für die Prämienzahlungspflicht geschaffen, und es wurden zugleich die Folgen des Verzugs verschärft (vgl. dazu Botschaft vom 26. Mai 2004, a.a.O., BBl 2004 4327 ff. Ziff. 3). Bezahlt die versicherte Person trotz Mahnung nicht und wurde im Betreibungsverfahren ein Fortsetzungsbegehren bereits gestellt, so schiebt der Versicherer nach dieser Bestimmung die Übernahme der Kosten für die Leistungen auf, bis die ausstehenden Prämien, Kostenbeteiligungen, Verzugszinse und Betreibungskosten vollständig bezahlt sind. Gleichzeitig benachrichtigt der Versicherer die für die Einhaltung der Versicherungspflicht zuständige kantonale Stelle über den Leistungsaufschub. Vorbehalten bleiben kantonale Vorschriften über eine Meldung an andere Stellen. Eine Person, die ihre Prämien nicht bezahlt, läuft Gefahr, dass
BGE 136 I 220 S. 228
ihr Versicherer die Übernahme der Kosten für ihre Leistungen aufschiebt, was sich auf die betroffenen Versicherten negativ auswirken kann, da für sie unter Umständen keine adäquate Gesundheitsversorgung mehr gewährleistet ist (vgl. den bereits erwähnten Bericht vom 28. August 2009 der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates "Parlamentarische Initiative Artikel 64a KVG und unbezahlte Prämien").
6.4.2
Der Beschwerde führende Kanton bestreitet nicht, dass beim System einer Verrechnung von Steuerschulden die Bestimmung von
Art. 65 Abs. 3 Satz 2 KVG
nicht eingehalten wird. Auch bleibt das Risiko eines Leistungsaufschubs, das mit der Prämienverbilligung verhindert werden soll, bestehen. In seiner Eingabe ans Bundesgericht bringt der Beschwerdeführer lediglich vor, die Verrechnung mit den geschuldeten Steuern werde nicht vorgenommen, wenn die berechtigte Person gemäss Art. 31 Abs. 1 EG KVG Antrag auf Auszahlung der Prämienverbilligung stellen könne und die Verrechnung mit Steuern somit auf freiwilliger Basis geschehe, was aber voraussetzt, dass die Prämien der Vorjahre lückenlos bezahlt wurden. Auch wenn die anspruchsberechtigte Person grundsätzlich die Auszahlung der vollen Prämienverbilligung an sich verlangen kann, knüpft der kantonale Gesetzgeber diese an Bedingungen, die von Versicherten in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen im Sinne von
Art. 65 Abs. 1 KVG
nicht einfach zu erfüllen sind. Denn wer offene Steuerschulden hat, kann oftmals auch die Krankenkassenprämien nicht lückenlos bezahlen und somit die Auszahlungsvoraussetzungen gemäss Art. 31 Abs. 1 EG KVG nicht erfüllen. Vor Vorinstanz hielt der Kanton zu diesem Punkt fest,
Art. 65 Abs. 3 KVG
bestimme zwar, dass die Bevorschussung so zu erfolgen habe, dass die anspruchsberechtigte Person ihrer Prämienzahlungspflicht nicht vorschussweise nachkommen müsse. Dies sei jedoch illusorisch und werde wohl von keinem Kanton eingehalten. Dieses Argument hilft dem Beschwerdeführer jedoch insofern nicht weiter, als es vorliegend nicht darum geht, andere Systeme zu würdigen.
6.4.3
Daraus ergibt sich, dass Art. 31 Abs. 1 und 2 EG KVG gegen die Zielsetzung des KVG und dabei namentlich gegen die Vorgabe von Art. 65 Ab. 3 Satz 2 KVG verstösst. Da die kantonalrechtlichen Bestimmungen mit der bundesgesetzlichen Regelung über die Prämienverbilligung nicht vereinbar sind, hat das kantonale Gericht sie zu Recht als bundesrechtswidrig erklärt. | public_law | nan | de | 2,010 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
2f5af707-5aee-4a6a-909d-d9b884881099 | Urteilskopf
85 II 378
61. Arrêt de la IIe Cour civile du 5 novembre 1959 dans la cause U. contre K. | Regeste
Art. 519 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB
; unsittliche Verfügung von Todes wegen (Vermächtnis und bedingte Beschränkung eines Erben auf den Pflichtteil).
Verfügungen eines verheirateten Mannes zu Gunsten einer mit ihm lebenden Geliebten, die ihn während seiner Krankheit und bis zu seinem Tode nicht verliess. | Sachverhalt
ab Seite 378
BGE 85 II 378 S. 378
A.-
G. U. épousa H. L. en 1916; elle lui donna une fille en 1927. La mésentente s'installa très tôt au ménage. L'épouse réagit violemment lorsqu'elle connut, en 1941, une liaison que son mari entretenait depuis 1939. En 1945, celui-ci ouvrit une action en divorce qui fut rejetée en dernière instance, le 24 mars 1949, par le Tribunal fédéral.
U., en effet, avait fait la connaissance, en 1944, d'une nouvelle amie, S. K. En avril 1949, elle vint à La Chauxde-Fonds, à la demande de son amant, qu'elle reçut et installa dans son appartement; ils y vécurent maritalement jusqu'à la mort d'U., survenue le 18 mars 1958. Le défunt laissait, comme héritières légales, sa femme et sa fille.
La succession, évaluée à 539 000 fr., a fait l'objet de
BGE 85 II 378 S. 379
plusieurs dispositions testamentaires. Le 20 décembre 1950, U. réduisit sa femme à la réserve; il institua sa fille héritière, à charge par elle de délivrer à S. K. divers objets et un legs de 35 000 fr., en reconnaissance "des bontés" de sa "compagne dévouée". Le 12 mars 1952, il laissa à cette dernière ses propres effets personnels et sa voiture. Le 15 novembre 1955, il porta le legs à 50 000 fr. Le 13 décembre 1957, enfin, il compléta ces dispositions (et deux codicilles des 30 mars et 1er novembre 1953) en ces termes:
"Madame S. K. m'a permis de supporter l'existence depuis que j'ai dû me séparer de mon épouse... Je lui dois une profonde reconnaissance, en sorte que je ne veux, en aucun cas, qu'après ma mort, elle soit ennuyée ou tracassée de quelle façon que ce soit par qui que ce soit et que mes héritiers discutent les dispositions que j'ai pu prendre en sa faveur.
Si, après ma mort, mon épouse, ou ma fille ..., ou toutes deux ensemble, ou toute autre personne agissant à leur suggestion ou pour leur faire plaisir, cherchaient à créer des difficultés quelles qu'elles soient à Madame S. K., je déclare réduire ma fille ... à sa réserve et instituer héritière de toute la quotité disponible Madame S. K.
De plus, dans cette éventualité, j'annule les clauses bénéficiaires de mes deux polices d'assurances non encore échues que j'avais attribuées à ma fille ... dans mon codicille du trente mars mil neuf cent cinquante-trois (30 mars 1953), et je déclare que je lui substitue Madame S. K., qui sera ainsi seule bénéficiaire de toutes mes polices."
Dans une lettre à sa fille, U. expliqua en outre longuement ses déboires conjugaux, dont S. K. n'était pas la cause, et rendit hommage à sa maîtresse qui lui apporta l'amour durable, la sensibilité féminine, le respect et le bonheur; il se sentait, disait-il, une immense reconnaissance.
B.-
Par mémoire du 20 juin 1958, la veuve et sa fille requirent l'annulation totale de toutes les dispositions pour cause de mort d'U.; elles tendaient, selon les demanderesses, à récompenser l'adultère et à empêcher, par une contrainte exercée sur la fille U., l'annulation judiciaire.
S. K. conclut à libération; étant restée étrangère, disaitelle, à la préparation et à la rédaction des dispositions, elle n'avait connu celles-ci réellement et dans toute leur
BGE 85 II 378 S. 380
étendue qu'après le décès; son amant s'était borné à lui dire que "tout était en ordre quoi qu'il arrive".
Par jugement du 1er juin 1959, le Tribunal cantonal neuchâtelois a rejeté l'action. Il tient pour constant que la défenderesse connaissait l'existence de dispositions pour cause de mort, mais qu'elle en ignora le contenu jusqu'au décès.
C.-
Les demanderesses ont recouru en réforme, reprenant toutes leurs conclusions.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
Les demanderesses prétendent que les libéralités du défunt sont immorales parce que leur motif réside dans le commerce adultérin entretenu avec la défenderesse. Elles soutiennent en outre que la réduction conditionnelle du droit de la fille l'est aussi, ayant été prévue pour assurer le respect de dispositions testamentaires contraires aux moeurs.
Comme l'expose exactement le jugement attaqué, G. U. aurait pu opérer cette réduction sans motifs, en tout cas sans indiquer de motifs; il pouvait donc le faire dans le cas seulement où sa fille adopterait une certaine attitude, notamment en exerçant un droit. Mais si ce droit est celui de faire constater le caractère illicite ou immoral d'un acte, toute mesure qui tend à en restreindre l'exercice favorise ou maintient une situation illicite ou immorale; elle est donc elle-même illicite ou immorale. Il s'ensuit que la réduction incriminée est contraire aux moeurs et nulle dans le sens de l'art. 519 CC si les dispositions que la fille n'eût pas dû attaquer sont elles-mêmes immorales. La validité des legs entraîne donc celle de la réduction conditionnelle. Les recourantes, d'ailleurs, ne contestent pas sérieusement cette argumentation.
2.
Selon l'art. 519 ch. 3 CC, une disposition pour cause de mort peut être annulée lorsqu'elle est contraire aux moeurs, soit par elle-même, soit par les conditions dont elle est grevée. Elle ne saurait l'être en raison seulement
BGE 85 II 378 S. 381
de son mobile; il faut au contraire que la libéralité prévue soit, comme telle, contraire aux moeurs, ou que le testateur ait voulu un tel résultat, ou qu'il l'ait tout au moins prévu et approuvé. Une disposition est ainsi nulle si la testatrice avait pour but, en la rédigeant, de déterminer le bénéficiaire à se fiancer avec elle et à rompre son union légitime, ou tout au moins à continuer des relations contraires à la notion du mariage, ou encore si elle devait simplement envisager cette éventualité et qu'elle ait admis que sa libéralité pouvait avoir un tel résultat ou contribuer à l'obtenir (RO 73 II 15 sv.).
Il est hors de doute, en l'espèce, que la libéralité n'a pas pour seul motif les relations adultérines consenties par la défenderesse (pretium stupri; RO 18.328, 20.998). Certes, après le rejet de son action en divorce, le disposant eût dû reprendre la vie commune, non en entreprendre le simulacre aux côtés de la défenderesse. Mais ce concubinage, qui ne fut pas la cause principale, ou du moins unique, de la désunion déjà profonde du ménage du testateur, a duré neuf ans au cours desquels la maîtresse devint peu à peu, dit le jugement attaqué, la compagne puis la garde-malade d'un vieillard condamné par la maladie dès 1956. Des soins attentifs et dévoués ont vraisemblablement pris de jour en jour plus de poids, aux yeux du testateur, que les relations charnelles, si même elles duraient encore. Aussi bien, ayant lié à son destin, sans l'épouser, une jeune femme de 34 ans employée de l'administration fédérale, le disposant dut-il se considérer comme moralement tenu d'assurer dans une certaine mesure, puisqu'il le pouvait largement, l'avenir matériel de son amie qui l'avait rendu heureux (cf. RO 20.998). Il ressort de la procédure de divorce que le défunt s'était toujours senti frustré de l'affection de sa femme et s'en plaignait amèrement depuis longtemps. Il dit tout cela dans ses testaments et codicilles et dans la lettre qu'il a adressée à sa fille; il n'y a pas de motif de douter qu'il l'ait pensé, à tort ou à raison, et que cette opinion l'ait déterminé à récompenser la légataire de l'appui moral
BGE 85 II 378 S. 382
qu'elle lui accorda dans ses vieux jours et dont il se croyait sevré. Ce motif, de l'avis général, est honorable; il ne saurait rendre la disposition pour cause de mort immorale comme telle ou par le résultat recherché.
3.
Du reste, si le disposant avait voulu atteindre un résultat contraire aux moeurs, ou qu'il l'ait tout au moins prévu et approuvé, il faudrait encore que sa libéralité ait pu l'y faire parvenir. Une telle influence ne se conçoit que si le bénéficiaire est informé de la disposition et de ses clauses essentielles, avant ou après la rédaction (RO 73 II 15 ss). Le jugement attaqué constate que si la défenderesse connaissait l'existence de dispositions pour cause de mort, son amant l'ayant assurée que tout était en ordre quoi qu'il arrive, elle ignora néanmoins le contenu des testaments et codicilles jusqu'au décès. La juridiction cantonale n'a pas commis une inadvertance manifeste, ni violé aucune règle fédérale de preuve (art. 63 al. 2 OJ); sa constatation, dès lors, ne pouvait être attaquée que par la voie du recours de droit public pour violation de l'art. 4 Cst.
Il suit de là que les legs attaqués ne sont pas immoraux, la défenderesse n'en ayant pas connu les clauses essentielles.
Si les legs sont valides, la clause de réduction conditionnelle l'est aussi (consid. 1). Dès lors, l'action et le recours doivent être rejetés dans leur ensemble.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral:
Rejette le recours et confirme le jugement attaqué. | public_law | nan | fr | 1,959 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
2f610737-ad81-4601-a286-cc599591933a | Urteilskopf
106 V 22
6. Urteil vom 20. März 1980 i.S. Huser gegen Krankenkasse des Personals des Bundes und der schweizerischen Transportanstalten und Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen | Regeste
Art. 3 Abs. 3 KUVG
.
- Ein fünfzehnjähriger Sekundarschüler, der eine noch mit intakter Zündkapsel versehene Flobertpatronenhülse durch Erhitzen mit einem Feuerzeug zur Detonation bringt und sich dabei verletzt, handelt grobfahrlässig (Erw. 2).
- Leistungskürzungen im Bereiche der sozialen Krankenversicherung wegen grobfahrlässiger Herbeiführung des Schadens durch den Versicherten sind grundsätzlich unbefristet zu verfügen. Sinngemässe Anwendung der Rechtspraxis zu
Art. 7 IVG
(Erw. 4).
Art. 128 OG
. Voraussetzungen, unter denen eine Streitfrage, die nicht Gegenstand der angefochtenen Verfügung war, aus prozessökonomischen Gründen in die Überprüfung einbezogen werden kann (Erw. 3). | Sachverhalt
ab Seite 23
BGE 106 V 22 S. 23
A.-
Der im Jahre 1963 geborene Marius Huser, Schüler der dritten Sekundarschulklasse, hatte auf der Strasse eine Flobertpatrone gefunden und mit nach Hause genommen. Seine Eltern setzte er davon nicht in Kenntnis. Zu Hause trennte er den Projektilteil von der Hülse und legte vorerst beides in die Schublade seines Schreibtisches. Am 23. April 1978 nahm er das Feuerzeug seines auf Besuch weilenden Grossvaters an sich und begab sich auf sein Zimmer. Dort erhitzte er mit dem Feuerzeug die Patronenhülse, wobei er sie mit einer Zange (von sich abgewendet) aus dem Fenster hielt. Die Zündkapsel explodierte, wobei ein Metallteilchen in sein rechtes Auge drang. Die ärztlichen Bemühungen im Kantonsspital Zürich konnten die Erblindung des Auges nicht verhindern.
Am 21. September 1978 Verfügte die Krankenkasse des Personals des Bundes und der schweizerischen Transportanstalten (KPT), dass sie die im Kantonsspital Zürich entstandenen Heilungskosten von Fr. 7'165.10 wegen groben Selbstverschuldens des Versicherten nur zu 80% übernehme.
B.-
Die hiegegen eingereichte Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 27. Dezember 1978 ab, indem es ebenfalls auf schweres Selbstverschulden des Versicherten erkannte.
C.-
Mit der vorliegenden Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt der Vater des Versicherten, die KPT sei zu Verpflichten, die Kosten aus dem Unfall ohne Leistungskürzung zu übernehmen, so die Rechnung des Kantonsspitals Zürich von Fr. 7'165.10 in vollem Umfang, ebenso die weiteren aufgelaufenen (ca. Fr. 650.--) und künftig noch entstehenden Heilungskosten. Sollte die Leistungskürzung geschützt werden, so sei diese zumindest zeitlich zu limitieren.
Die KPT und das Bundesamt für Sozialversicherung beantragen Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
Erwägungen
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
a) Nach Art. 40 lit. k der Statuten der KPT werden für Krankheiten und Unfälle, die auf schweres Selbstverschulden des Versicherten zurückzuführen sind, keine Versicherungsleistungen gewährt.
BGE 106 V 22 S. 24
Sofern diese Bestimmung in jedem Fall von schwerem Selbstverschulden Leistungen der Kasse vollständig ausschliessen will, hält sie vor dem Bundesrecht nicht stand. Wie das Eidg. Versicherungsgericht entschieden hat, entspricht es einer anerkannten Regel des Privat- wie des Sozialversicherungsrechts, Versicherungsleistungen zu kürzen, wenn der Anspruchsberechtigte den Schadenfall grobfahrlässig verursacht hat, wobei die Kürzung in einem angemessenen Verhältnis zum Verschulden des Versicherten stehen muss. Eine gänzliche Verweigerung von Leistungen ist hingegen nur zulässig, wenn das Verschulden als besonders schwer zu betrachten ist (
BGE 98 V 9
; RSKV 1977 Nr. 285, 1974 Nr. 191 mit Hinweisen).
b) Der Begriff des schweren Selbstverschuldens gemäss den Statuten der KPT deckt sich im vorliegenden Zusammenhang mit dem der groben Fahrlässigkeit. Grobfahrlässig handelt nach der Rechtsprechung im Gebiet der Sozialversicherung wer unter Verletzung elementarer Vorsichtsgebote das unbeachtet lässt, was jedem verständigen Menschen in der gleichen Lage und unter denselben Umständen hätte einleuchten müssen (
BGE 104 V 1
,
BGE 102 V 23
).
2.
a) Munition ist, wie allgemein bekannt, ein besonders gefahrenträchtiger Gegenstand und erfordert deshalb in der Handhabung entsprechend erhöhte Sorgfalt. Dass ein solcher Körper nicht mehr mit Explosivladung versehen sei, darf nicht leichthin angenommen werden. Namentlich ein mit Waffen und Munition Unvertrauter wird daher bei gehöriger Sorgfalt jedem Bestandteil eines Munitionskörpers mit Vorsicht begegnen und ihn als mit Gefahr verbunden betrachten. Allgemein darf sodann die Tatsache als bekannt vorausgesetzt werden, dass Munition - so auch eine Flobertpatrone - durch Schläge oder übermässige Hitze explodieren und schwere Schäden verursachen kann. Eine vernünftig handelnde Person wird sich deshalb hüten, Munition oder Bestandteile davon, die noch Explosivladung enthalten könnten, solchen Einwirkungen auszusetzen. Nach Massgabe dieser Erwägung steht daher ausser Frage, dass einem verständigen und erwachsenen Menschen die Erhitzung einer Patronenhülse (Flobert) mit noch intakter Zündkapsel als leichtfertige und gefährliche Handlungsweise zugerechnet werden müsste. Es läge grobe Fahrlässigkeit vor.
BGE 106 V 22 S. 25
b) Der Vater des Beschwerdeführers macht indes zu Recht geltend, dass von Kindern nicht das gleiche Mass an Sorgfalt gefordert werden könne wie von Erwachsenen. In der Praxis wird das Selbstverschulden von Kindern generell milder beurteilt als dasjenige von voll urteilsfähigen Erwachsenen (
BGE 102 II 363
mit Hinweisen). Das Mass der Urteilsfähigkeit bei Kindern bestimmt sich hauptsächlich nach dem Alter, der körperlichen und geistigen Entwicklung, aber auch nach der Natur der in Betracht kommenden Handlung.
Bei einem Fünfzehnjährigen im dritten Sekundarschuljahr, also mit verhältnismässig fortgeschrittenem Schulwissen auch bezüglich physikalischer Vorgänge, darf angenommen werden, er kenne die spezifischen Wirkungen von Waffen und Munition, nämlich die Fähigkeit, zu zerstören und zu verletzen. Dies erlaubt den Schluss, dass sich der Beschwerdeführer nach seinem Intelligenz- und Bildungsstand der Gefährlichkeit unsachgemässer Manipulation mit Munition zumutbarerweise hätte bewusst sein können und offenbar auch war. Indem er nämlich die Hülse, als er sie erhitzte, von sich weggewendet hielt, bekundete er, dass er in seinem Experiment ein Gefahrenmoment erblickte. Dem Verhalten nach erwartete er eine explosionsartige Reaktion als gewiss oder möglich. Die freiwerdende Energie übertraf indessen seine Erwartung, was offenbar auf das Fehlen näherer technischer Kenntnisse über Funktion und Reaktionsweise der verschiedenen Patronenteile zurückzuführen ist. Diese Unkenntnis vermag den Beschwerdeführer jedoch nicht zu entlasten. Angesichts der generellen Gefahrenträchtigkeit von Munition und der dadurch gebotenen elementaren Vorsicht hätte er vielmehr seiner Wissenslücke Rechnung tragen und sein Experiment als gefährliches Spiel mit dem Unbekannten betrachten müssen. Dieses Mass an Einsicht und sorgfaltsgerechtem Verhalten durfte auch vom Beschwerdeführer erwartet werden. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass die Kasse und die Vorinstanz trotz der Jugendlichkeit des Beschwerdeführers die grobe Fahrlässigkeit bejaht haben. Auch gegen das Mass der Leistungskürzung ist nichts einzuwenden.
3.
a) Nach der bundesrechtlichen Ordnung kann der Sozialversicherungsrichter nur solche Rechtsverhältnisse überprüfen, zu denen die zuständige Verwaltungsbehörde vorgängig verbindlich, d.h. in Form einer Verfügung Stellung genommen hat. Das Eidg. Versicherungsgericht hat jedoch schon
BGE 106 V 22 S. 26
mehrmals erklärt, dass das verwaltungsgerichtliche Verfahren aus prozessökonomischen Gründen auf eine weitere spruchreife Streitfrage ausgedehnt werden kann, wenn diese mit dem bisherigen Streitgegenstand derart eng zusammenhängt, dass von einer Tatbestandsgemeinschaft gesprochen werden kann, und wenn sich die Verwaltung zu dieser Streitfrage mindestens in Form einer Prozesserklärung geäussert hat (
BGE 103 V 113
,
BGE 101 V 114
,
BGE 98 V 33
mit Hinweisen; RSKV 1978 Nr. 314).
b) Ausschliesslicher Gegenstand der Kassenverfügung vom 21. September 1978 war die Kürzung der Kassenleistungen für die im Kantonsspital Zürich entstandenen Kosten im Rechnungsbetrage von Fr. 7'165.10. Die Frage der zeitlichen Begrenzung der Sanktion wurde nicht aufgeworfen. Anfechtungsobjekt im vorliegenden Verfahren bildet deshalb grundsätzlich die Leistungskürzung bei den im Kantonsspital Zürich entstandenen Kosten. Um die Frage der zeitlichen Limitierung der Sanktion, wie es der Beschwerdeführer für den Fall der Bestätigung der Leistungskürzung verlangt hatte, entscheiden zu können, ist somit zu prüfen, ob die Sachurteilsvoraussetzung aus dem engen Sachzusammenhang der neuen Streitfrage mit dem Gegenstand der Verfügung gewonnen werden kann.
Es ist durchaus möglich, dass der Beschwerdeführer in naher oder ferner Zukunft wegen der Unfallverletzung weitere ärztliche Hilfe beanspruchen muss. Es wird sich damit jedes Mal erneut die Frage der Leistungskürzung stellen. Es besteht daher zwischen dem Gegenstand der Verfügung und der grundsätzlichen Frage nach der Dauer der verhängten Sanktion ein so enger Sachzusammenhang, dass von Tatbestandsgemeinschaft gesprochen werden kann. Die Beschwerdegegnerin hat sich überdies in der Beschwerdeantwort zur Frage der zeitlichen Begrenzung der Sanktion - wenn auch sehr summarisch - geäussert. Ihre Ausführungen sind dahin zu verstehen, dass sie eine zeitliche Limitierung der Sanktion ablehnt. Da mit der grundsätzlichen Entscheidung in dieser Frage weitere Rechtsstreitigkeiten zwischen den Parteien bezüglich der streitigen Sanktion vermieden werden können, liegt es im Interesse der Prozessökonomie, auf den Antrag des Beschwerdeführers einzutreten.
4.
a) Das Eidg. Versicherungsgericht hatte sich mit der Frage der Dauer einer wegen grober Fahrlässigkeit verhängten Leistungskürzung im Rahmen der Krankenversicherung noch
BGE 106 V 22 S. 27
nicht zu befassen. Hingegen besteht in der Invalidenversicherung diesbezüglich eine konstante Praxis (
BGE 104 V 1
,
BGE 99 V 31
mit Hinweisen; ZAK 1977 S. 47).
Art. 7 IVG
, auf welchem IV-rechtlich die Leistungskürzung wegen vorsätzlicher oder grobfahrlässiger Herbeiführung der Invalidität beruht, soll verhüten, dass die Sozialversicherung über Gebühr mit Schäden belastet wird, welche die Betreffenden hätten vermeiden können, wenn sie die ihnen zumutbare Sorgfalt aufgewendet hätten (EVGE 1967 S. 98). Es würde dem Solidaritätsgedanken widersprechen, wenn die Gemeinschaft der Versicherten für die Folgen der von einem einzelnen Versicherten vorsätzlich oder grobfahrlässig verursachten Invalidität vollumfänglich aufkommen müsste. Dieser Zweck kann nur erreicht werden, wenn die prozentuale Kürzung der Rente so lange dauert, als die Kausalität des Verschuldens nachwirkt (
BGE 104 V 1
), mit andern Worten, solange das Selbstverschulden die Allein- oder Mitursache der Invalidität bildet. Wegen des aleatorischen Charakters von Höhe und Dauer der einzelnen Rente muss daher die Rentenkürzung grundsätzlich ohne Befristung verfügt werden (EVGE 1966 S. 98).
Allerdings sind im IV-Recht zeitlich begrenzte Kürzungen nicht schlechthin ausgeschlossen (EVGE 1962 S. 307, 1967 S. 98).
Art. 7 IVG
sieht diese Möglichkeit ausdrücklich vor. Eine befristete Kürzung im Rahmen von
Art. 7 IVG
ist allerdings nur ausnahmsweise und nur dann zulässig, wenn schon bei der Rentenfestsetzung wahrscheinlich ist, dass das grobfahrlässige Verhalten des Versicherten als Ursache seiner Invalidität nach Ablauf einer annähernd bestimmbaren Zeit nicht mehr erheblich sein wird, weil andere Faktoren in den Vordergrund treten (
BGE 104 V 1
).
b) Gleiches gilt für den Bereich der Krankenversicherung. Daher sind die im Rahmen der Invalidenversicherung entwickelten Grundsätze auf die Krankenversicherung ohne weiteres übertragbar. Eine Leistungskürzung in der Krankenversicherung wegen schweren Selbstverschuldens hat demnach so lange zu dauern, als die Kausalität des Verschuldens nachwirkt. Gleich wie in der Invalidenversicherung lässt sich auch in der Krankenversicherung in der Regel nicht mit genügender Gewissheit abschätzen, wie hoch der Schaden ausfällt, den die Versicherung zu tragen haben wird. So kann eine vermeintlich geheilte Krankheit oder Unfallverletzung noch nach Jahren
BGE 106 V 22 S. 28
wieder zu ärztlicher Behandlung Anlass geben. Wirkt bei einem solchen Rückfall die Kausalität des schweren Selbstverschuldens nach, so kann nach dem oben Gesagten notwendigerweise wiederum nur eine gekürzte Leistung der Versicherung erbracht werden. Eine Kürzung für eine bestimmte Zeitspanne würde eine vom wirklichen Schaden unabhängige einmalige Sanktion bedeuten. Dies liefe darauf hinaus, die Kürzung vor allem nach strafrechtlichen Gesichtspunkten zu gestalten, was deren Sinn widerspräche. Der Kürzung wegen groben Selbst-Verschuldens kommt keine Straffunktion zu (
BGE 99 V 31
, EVGE 1966 S. 98).
Wie der Beschwerdeführer einräumt, ist nicht ausgeschlossen, dass die unfallbedingte Verletzung auch später noch ärztliche Behandlung erfordern könnte. Nach dem Gesagten ist daher die Voraussetzung für eine zeitliche Begrenzung der Leistungskürzung nicht gegeben.
Dispositiv
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. | null | nan | de | 1,980 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
2f658868-6d51-4b91-ae5e-213293867c62 | Urteilskopf
81 I 298
48. Urteil der I. Zivilabteilung vom 15. Juni 1955 i.S. Geo. Bouverat & Co. Ltd. gegen Eidgen. Amt für geistiges Eigentum. | Regeste
Geographische Namen als Marke, Voraussetzungen der Zulässigkeit.
Eintragsfähigkeit einer seit Jahren bestehenden englischen Marke in der Schweiz, obwohl sie mit einem schweizerischen Ortsnamen übereinstimmt?
Pariser Verbandsübereinkunft Art. 6 B Ziff. 2 und 3. | Sachverhalt
ab Seite 298
BGE 81 I 298 S. 298
Die in Birmingham ansässige Firma Geo. Bouverat & Co. Ltd. ist Inhaberin der englischen Marke "Bernex", unter der sie seit vielen Jahren aus der Schweiz bezogene Uhren vertreibt. Am 17. März 1954 ersuchte sie um Eintragung dieser Marke im schweizerischen Register. Das Eidgenössische Amt für geistiges Eigentum erliess am 4. September 1954 eine ablehnende Verfügung, weil Bernex der Name einer schweizerischen Ortschaft, daher Gemeingut und gemäss
Art. 14 Abs. 1 Ziff. 2 MSchG
als
BGE 81 I 298 S. 299
Marke untauglich sei. Hiegegen richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtsbeschwerde, mit der am Eintragungsbegehren festgehalten wird. Das Amt schliesst auf Abweisung.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Grundsätzlich ist der in der angefochtenen Entscheidung eingenommene Standpunkt richtig. Schweizerische Ortsnamen gehören an sich, nach der eidgenössischen Gesetzgebung wie in Hinsicht auf die Pariser Verbandsübereinkunft vom 20. März 1883 /2. Juni 1934, zum Gemeingut und können nicht als Marken eingetragen werden (
Art. 14 Abs. 1 Ziff. 2 MSchG
;
BGE 72 I 240
,
BGE 55 I 270
).
Aber die Rechtsprechung lässt unter bestimmten Bedingungen Ausnahmen zu, so für geographische Bezeichnungen, die in ihrer Verwendung reinen Phantasiecharakter haben, die als Ortsangaben wenig bekannt oder unbestimmt sind, die sich im Verkehr durchgesetzt haben usw. (
BGE 79 II 101
,
BGE 77 II 326
,
BGE 73 II 188
,
BGE 59 II 212
,
BGE 55 I 271
und vom 10. Mai 1955 i.S. Ebneter A.-G. c. Hugentobler & Co.; vgl. MATTER, Kommentar zum MSchG S. 70 f.).
2.
Bernex ist der Name eines Dorfes im Kanton Genf. Die Beschwerdeführerin spricht von einer "unbedeutenden Ortschaft". Bei Bedachtnahme auf die schweizerischen Verhältnisse kann dieser Wertung nicht zugestimmt werden. Es handelt sich nicht um einen kleinen Weiler oder eine blosse Häusergruppe (vgl.
BGE 79 II 101
), sondern um eine Gemeinde mit 1260 Einwohnern, von einer Grösse also, wie sie sich in der Schweiz häufig findet.
Auch die Beschwerdebehauptung, das zufällig gewählte Markenwort stelle für Uhren eine reine Phantasiebezeichnung dar, hält nicht stand. Wenn es in Bernex keine Uhrenfabrik gibt, so liegt der Ort nichtsdestoweniger in einer Gegend, deren Uhrenindustrie Weltruf geniesst. Es könnte einmal auch in Bernex ein Betrieb eröffnet werden,
BGE 81 I 298 S. 300
was die Beziehung des Namens zum Gegenstande offenkundig machen würde.
Erwiesen ist dagegen, durch die im Beschwerdeverfahren beigebrachten Belege, dass im Ursprungslande Grossbritannien die Uhrenmarke "Bernex" gültig eingetragen ist, seit dem Jahre 1925 verwendet wird und als Warenzeichen der Beschwerdeführerin Verkehrsgeltung erlangt hat. Ob das genüge, um den beanspruchten Markenschutz in der Schweiz zu erzwingen, ist anhand der internationalen Vereinbarungen zu prüfen.
3.
Massgeblich ist die Pariser Verbandsübereinkunft vom 20. März 1883 in der revidierten Londoner-Fassung vom 2. Juni 1934, der sowohl die Schweiz wie Grossbritannien und Nordirland beigetreten sind. Aus Art. 2 ergibt sich zunächst formell die Legitimation der Beschwerdeführerin zur Geltendmachung von Markenrechten in der Schweiz. Sodann sieht Art. 6 lit. A vor, dass "jede im Ursprungslande regelrecht eingetragene Fabrik- oder Handelsmarke in den anderen Verbandsländern unter den nachstehenden Vorbehalten unverändert zur Hinterlegung zugelassen und geschützt werden". Die Vorbehalte, welche eine Zurückweisung oder Ungültigerklärung erlauben, sind in Art. 6 lit. B Abs. 1 aufgezählt. Sie betreffen u.a. gemäss Ziff. 2:
"Marken, welche jeder Unterscheidungskraft entbehren oder ausschliesslich aus Zeichen oder Angaben zusammengesetzt sind, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Best immung, des Wertes, des Ursprungsortes der Ware oder der Zeit ihrer Erzeugung dienen können, oder welche in der gewöhnlichen Sprache oder in den redlichen und ständigen Verkehrsgepflogenheiten des Landes, wo der Schutz beansprucht wird, gebräuchlich geworden sind";
gemäss Ziff. 3:
"Marken, welche gegen die guten Sitten oder gegen die öffentliche Ordnung verstossen, namentlich solche, welche geeignet sind, das Publikum zu täuschen."
4.
Unter die in Art. 6 lit. B Ziff. 2 gegebene Umschreibung der Voraussetzungen für die Verweigerung der Eintragung einer Marke fällt deren Eigenschaft als Freizeichen.
BGE 81 I 298 S. 301
Laut der an gleicher Stelle abschliessend angefügten Weisung sind "bei der Würdigung der Unterscheidungskraft einer Marke alle Tatumstände... namentlich die Dauer des Gebrauchs" zu berücksichtigen.
Das Amt will auf den Gebrauch im Inlande abstellen und, wo er fehlt, den Gebrauch im Auslande höchstens beachten für "ein Zeichen mit grösserem, ja internationalem Ruf... welches in anderer Weise (z.B. durch Reklame im Radio oder in Zeitungen. Fachschriften usw.) beim Publikum des Hinterlegungslandes doch als Marke des Hinterlegers bekannt ist". Indessen sprach sich das Bundesgericht bereits in seinem Entscheide
BGE 55 I 262
- betreffend die Marke "Tunbridge Wells" der englischen Firma A. Romary & Co. Ltd. - dahin aus, dass es auf den Gebrauch im Ursprungslande ankomme. Von dieser Anschauung abzugehen besteht kein Grund. Die an ihr geübte, auf eine engere Auslegung zielende Kritik (vgl. SEILER, Die Entstehung des Rechts an ausländischen Marken in der Schweiz, Berner Diss. 1943 S. 69 /70) ist unzutreffend. Sie kann sich sachlich weder auf die Entstehungsgeschichte des Art. 6 lit. B der Pariser Übereinkunft, noch auf Wortlaut und Wortsinn der Bestimmung, noch auf die Streichung von Art. 4 des Schlussprotokolls, noch auf die weitere Entwicklung stützen. Vielmehr zeigt ein Rückblick, dass an der Konferenz von Washington "dans le but de concilier les desiderata des différents pays" eine allgemeine Fassung des Art. 6 vorgeschlagen und angenommen wurde, und dass es dabei an der Haager-Konferenz blieb (vgl. PILLET, Le régime international de la propriété industrielle S. 15 /16, 347 ff.; OSTERRIETH, Die Washingtoner Konferenz, S. 59 ff.; LUZZATO, La proprietà industriale nelle convenzioni internazionali S. 125 ff., 147 ff., 151 /52; Actes de la Conférence réunie à Washington S. 300; PATAILLES, Annales Bd. 77 S. 347 ff.;
BGE 55 I 270
ff.). Falsch ist anderseits die Behauptung, das Bundesgericht habe die in
BGE 55 I 262
niedergelegte Auffassung "preisgegeben" (SEILER a.a.O.).
BGE 81 I 298 S. 302
Im Urteil
BGE 63 II 423
, auf das verwiesen wird, war darüber zu befinden, ob die Marke "Hammerschlagfarbe" Beschaffenheitsangabe sei, nicht über die Frage, ob das Hinterlegungsland die im Ursprungslande erreichte Verkehrungsgeltung einer Marke anzuerkennen habe. Auch anderweitig wurde die Stellungnahme in
BGE 55 I 262
weder aufgegeben noch in Wiedererwägung gezogen, wohl aber zweimal - in
BGE 72 I 241
und
BGE 59 II 212
- zumindest beiläufig durch Verweisung bestätigt. Sie ist im Einklang mit der inhaltlich gewollt weiten Fassung des Art. 6 der Übereinkunft. Sie ist auch zweckentsprechend, weil den Bedürfnissen eines gesteigerten internationalen Handelsverkehrs und den Schutzbestrebungen des Abkommens angepasst (vgl. OSTERRIETH, a.a.O. S. 65 ff.; LUZZATO, a.a.O. S. 127). Sie wurde endlich durch eine analoge ausländische Praxis erhärtet (vgl. PLAISANT, Traite de droit conventionnel international concernant la propriété industrielle S. 209 ff., besonders 211). Umso weniger hat das Bundesgericht Veranlassung, darauf zurückzukommen. Der Umstand allein, dass heute die Eintragung des Namens einer schweizerischen Ortschaft (Bernex) statt einer englischen Stadt (Tunbridge Wells) als im Ursprungslande verkehrsbekannte Marke verlangt wird, rechtfertigt keine Abweichung vom Präjudiz. Denn unter dem Gesichtspunkte von Art. 6 lit. B Ziff. 2 der Verbandsübereinkunft ist die Rechtslage in beiden Fällen gleich.
5.
Alsdann bleibt nach Art. 6 lit. B Ziff. 3 des Abkommens zu untersuchen, ob die Marke "Bernex" geeignet sei, das Publikum zu täuschen. Nichts deutet darauf hin. Die verkauften Uhren sind tatsächlich schweizerischer Herkunft. Ob sie nun den mit keinerlei Fachruf verbundenen Namen einer Ortschaft im Genfer- oder in einem sonstigen Uhrenfabrikationsgebiete tragen, ist in Hinsicht auf die Interessen sowohl der Käufer wie der Industrie unerheblich. Gewiss besteht die Möglichkeit, dass früher oder später in Bernex eine Fabrik eingerichtet werden könnte. Doch ist sie als gering einzuschätzen. Und sollte
BGE 81 I 298 S. 303
sie sich verwirklichen, so würde wohl eher in geeigneter Form auf den eingeführten Genfernamen gegriffen, als auf den wenig bekannten Ortsnamen. Anders als die Marken "Schweizer Gruss" für Rosen, die nicht aus der Schweiz, sondern aus Deutschland stammten (
BGE 79 I 252
), "Big Ben" für wasserdichte Kleidungsstücke, die nicht in England, sondern in Holland hergestellt wurden (
BGE 76 I 168
) oder "Kremlin" für nichtrussische Maschinenöle (
BGE 56 I 469
), bewirkt die Uhrenmarke "Bernex" nach dem Gesagten bei den beteiligten Verkehrskreisen keine Täuschungsgefahr.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird gutgeheissen und das Eidgenössische Amt für geistiges Eigentum angewiesen, die von der Beschwerdeführerin vorgelegten Marke "Bernex" einzutragen. | public_law | nan | de | 1,955 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
2f684c42-9f05-4b9c-b213-efef9dbc8576 | Urteilskopf
115 IV 65
14. Urteil des Kassationshofes vom 4. Januar 1989 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen gegen N. (Nichtigkeitsbeschwerde) | Regeste
Art. 42 Abs. 1 MPG (SR 661);
Art. 64 StGB
.
Wer mit dem Argument, keinen Beitrag zu Krieg und Tötung von Menschenleben leisten zu wollen, die Bezahlung des Militärpflichtersatzes verweigert, handelt nicht aus achtenswerten Beweggründen im Sinne von
Art. 64 StGB
. | Erwägungen
ab Seite 65
BGE 115 IV 65 S. 65
Aus den Erwägungen:
1.
Das Kantonsgericht stellt in tatsächlicher Hinsicht verbindlich fest (
Art. 277bis Abs. 1 BStP
), der Beweggrund des Beschwerdegegners für die Weigerung, Militärpflichtersatz zu bezahlen, gründe in seiner Überzeugung, "keinen Beitrag für Militär und Krieg und damit letztlich zur Tötung von Menschen leisten zu können". Es billigte ihm, da dieser Beweggrund, jedenfalls was die Ablehnung des Krieges und der damit notwendig verbundenen Tötung von Menschen betreffe, ethisch wertvoll sei, ein Handeln aus achtenswerten Beweggründen zu und milderte daher die Strafe in Anwendung von
Art. 64 StGB
.
Die Staatsanwaltschaft rügt, das Kantonsgericht habe durch die Anwendung von
Art. 64 StGB
Bundesrecht verletzt.
2.
Ob der Beweggrund achtenswert sei, beurteilt sich nach der Rangordnung ethischer Werte, die von der Gemeinschaft anerkannt werden. Der Beweggrund ist an sich unabhängig von der Tat
BGE 115 IV 65 S. 66
und ihrem Verhältnis zum verfolgten Zweck; denn er, nicht die Tat muss achtenswert sein (
BGE 107 IV 30
E. 2a mit Hinweisen).
a) Das Streben, Krieg und damit verbundene Tötung von Menschen nicht zu unterstützen, entspringt als solches fraglos einer ethisch zu rechtfertigenden Gesinnung. Es bildet deshalb einen achtenswerten Beweggrund im Sinne von
Art. 64 StGB
(
BGE 97 IV 80
E. 2a).
b) Als Strafmilderungsgrund vermag der achtenswerte Beweggrund nur in Betracht zu fallen, wenn er effektiv die Schuld herabsetzt, den Täter deswegen ein erkennbar wesentlich geringerer Schuldvorwurf trifft als den andern, ohne diesen Beweggrund handelnden. Das folgt aus der systematischen Stellung der Strafmilderungsgründe und der Ordnung ihrer Rechtsfolgen innerhalb der Strafzumessungsregeln sowie aus der blossen Befugnis des Richters (und nicht einer vorgeschriebenen Pflicht), die Strafe zu mildern (
Art. 64 StGB
;
BGE 101 IV 390
E. c mit Hinweisen). Wo die achtenswerten Beweggründe gegenüber der verübten Tat vollständig in den Hintergrund treten, mit dieser in keiner besonderen Beziehung mehr stehen, hat eine Strafmilderung zu unterbleiben (
BGE 106 IV 340
E. 2;
101 IV 390
E. c). So verhält es sich hier.
Der Militärpflichtersatz stellt eine Ersatzabgabe dar, welche anstelle der Naturallast, der Militärdienstleistung aufgrund der allgemeinen Wehrpflicht, tritt und in bezug auf diese die Rechtsgleichheit herstellen, also einen öffentlichrechtlichen Pflichtenausgleich verwirklichen soll. Die aus dem Militärpflichtersatz stammenden Mittel werden nicht direkt und ausschliesslich zur Deckung der Militärausgaben verwendet, sondern fliessen wie beispielsweise Steuern in die allgemeine Bundeskasse (WALTI, Der schweizerische Militärpflichtersatz, Diss. 1979 Zürich, S. 50 f., N. 119, 120, 121, 123, 124 und 129 mit Hinweisen auf die Literatur und Rechtsprechung; BBl 1958 II S. 340 f.). Wer den Militärpflichtersatz schuldhaft nicht bezahlt, handelt deshalb, auch wenn er es aus Gründen der Vermeidung von Krieg und der Rettung von Menschenleben zu tun erklärt, völlig sachfremd, mit einer Haltung also, die sein Verschulden gegenüber jenem anderer, aus keinem solchen speziellen Grunde säumig gewordener Täter nicht erkennbar verringert. Ihm achtenswerter Beweggründe wegen die Strafe zu mildern, verstösst deshalb klar gegen den Sinn des Gesetzes.
Art. 64 StGB
ist in solchen Fällen nicht anwendbar. | null | nan | de | 1,989 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
2f6a04da-8fbb-4c92-8eef-bc48e7a8dc5f | Urteilskopf
108 Ib 39
6. Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 2. April 1982 i.S. X. gegen Eidgenössische Steuerverwaltung (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Warenumsatzsteuer; gewerbsmässige Herstellung von Bauwerken als Eigenverbrauch (
Art. 16 Abs. 2 WUStB
).
Ein Bauwerk gilt nicht schon dann als gewerbsmässig für den Eigenverbrauch hergestellt, wenn der Hersteller dessen Vermietung bezweckt, sondern der Geschäftsbetrieb des Grossisten muss die Herstellung solcher Bauwerke zum Zwecke haben (
Art. 10 Abs. 2 Satz 3 WUStB
). | Sachverhalt
ab Seite 40
BGE 108 Ib 39 S. 40
X., der mit Landmaschinen und Traktoren handelt und eine Reparaturwerkstätte für solche Maschinen betreibt, ist seit 1952 als Grossist im Register der Warenumsatzsteuerpflichtigen eingetragen. Er bezog 1969 in B. einen Geschäftsneubau. In den Jahren 1972 bis 1975 erweiterte er in einer sog. zweiten Bauetappe die Einstellhalle im Untergeschoss, errichtete darüber im Erdgeschoss eine zweite Werkstatt und im Obergeschoss drei Wohnungen. Dabei führte er die Maurer- bzw. Baumeisterarbeiten selber mit Hilfe eines von ihm eingestellten Bauvorarbeiters und weiterer Arbeitskräfte sowie der Familienangehörigen aus. Alle Räumlichkeiten der zweiten Bauetappe sind in der Folge vermietet worden, die Geschäftsräume noch vor der Vollendung und auf 10 Jahre hinaus fest.
Nach Kontrolle seiner Buchhaltung für die Steuerperioden 1969 bis 1973 erhob die Eidgenössische Steuerverwaltung zunächst mit einer Steuernachforderung, namentlich für Baumaterial, das er zur eigenen Verwendung bei der zweiten Bauetappe steuerfrei bezogen hatte. Wie sie es ihm schon bei der Kontrolle angekündigt hatte, erhob die Eidgenössische Steuerverwaltung nach Abschluss der Bauarbeiten sodann mit Ergänzungsabrechnung vom 12. Januar 1976 eine Nachforderung für den Eigenverbrauch in Form gewerbsmässiger Herstellung von Bauwerken zwecks Vermietung. Eine dagegen gerichtete Einsprache des X. wies die Eidgenössische Steuerverwaltung ab. Sie bezeichnete den Eigenverbrauch in Form der Herstellung der Bauwerke für eigene Rechnung im Falle des X. als gewerbsmässig, obwohl er nicht Baumeister sei, weil er die Vermietung der fertigen Bauten bezweckt habe.
X. erhebt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem sinngemässen Antrag, der Entscheid der Eidgenössischen Steuerverwaltung sei aufzuheben. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
Erwägungen
Erwägungen:
1.
Der Warenumsatzsteuer unterliegt unter anderem die Herstellung von Bauwerken, und zwar einerseits als baugewerbliche Lieferung bei Herstellung für fremde Rechnung (
Art. 15bis Abs. 1 WUStB
), anderseits als Eigenverbrauch (
Art. 16 Abs. 2 WUStB
). Dies stützt sich auf
Art. 41ter Abs. 3 BV
, wonach die Warenumsatzsteuer auch auf gewerbsmässigen Arbeiten an Bauwerken und Grundstücken erhoben werden kann (zur Entstehungsgeschichte und den rechtlichen Grundlagen während der streitigen Veranlagungsperioden vgl.
BGE 100 Ib 56
ff.).
BGE 108 Ib 39 S. 41
2.
Als Eigenverbrauch gilt die Herstellung von Bauwerken für eigene Rechnung nach
Art. 16 Abs. 2 WUStB
aber nur, wenn sie gewerbsmässig erfolgt. Die Auffassung der Parteien geht einzig in diesem Punkte auseinander, nämlich ob der Beschwerdeführer die Bauwerke der sog. zweiten Bauetappe gewerbsmässig herstellte. Er bestreitet dies, weil er nicht Bauunternehmer sei. Die Eidgenössische Steuerverwaltung dagegen sieht unter Hinweis auf
Art. 10 Abs. 2 Satz 3 WUStB
die Gewerbsmässigkeit darin, dass der Beschwerdeführer die Herstellung dieser Bauwerke für die Vermietung bezweckte.
a) Sie macht geltend, die Qualifikation der Herstellung von Bauwerken für eigene Rechnung als gewerbsmässige Herstellung in
Art. 10 Abs. 2 Satz 3 WUStB
sei aus Gründen der Wettbewerbsgleichheit eingeführt worden. Für die Belastung mit der Eigenverbrauchssteuer (von Waren und Bauwerken) war nach dem Bundesratsbeschluss über die Warenumsatzsteuer vom 29. Juli 1941 ursprünglich nicht unterschieden worden, ob die Verwendung für den Eigenverbrauch gewerbsmässig erfolgte oder nicht. Damit sollten Grossisten, die zur Herstellung von Betriebsgebäuden und Betriebsmitteln über eigene Bauabteilungen, Reparaturwerkstätten und andere Hilfsbetriebe verfügten, also vor allem grosse Betriebe, aus Gründen der Wettbewerbsgleichheit steuerlich gleichgestellt werden wie kleinere Betriebe, die solche Betriebsmittel oder Arbeiten bei Dritten einkaufen oder ausführen lassen mussten und die volle Umsatzsteuerbelastung nicht nur auf dem Wert des verwendeten Materials, sondern auch auf den Löhnen und übrigen Kosten zu entrichten hatten. Mit dieser früheren Regelung zwangsläufig verbunden war jedoch eine steuerliche Benachteiligung der Grossisten gegenüber Nichtgrossisten (namentlich grossen Detailhandelsbetrieben) der gleichen Branche, die für ihren eigenen Betrieb entsprechende Arbeiten oder Reparaturen vornahmen und die Eigenverbrauchssteuer nur auf dem verwendeten Material zu entrichten hatten. Die frühere Ordnung wurde daher durch Bundesratsbeschluss vom 13. Dezember 1943 abgeändert, indem in
Art. 16 WUStB
der Eigenverbrauchstatbestand auf gewerbsmässig hergestellte Waren (bzw. Bauwerke) eingeschränkt und gleichzeitig im (neuen) dritten Satz von
Art. 10 Abs. 2 WUStB
die Gewerbsmässigkeit der Herstellung definiert wurde. Damit wurde grundsätzlich der Grossist, der Herstellungsarbeiten nur für die Bedürfnisse des eigenen Betriebs vornimmt, mit dem selbstherstellenden Nichtgrossisten gleichgestellt, während er den vollen Wert des Eigenverbrauchs zu versteuern hat, sofern er
BGE 108 Ib 39 S. 42
die Herstellungsvorgänge auch für Dritte gegen Entgelt (gewerbsmässig) ausführt. Diese Lösung stellte einen Kompromiss zwischen den erwähnten gegensätzlichen Interessen dar (WELLAUER, Die eidgenössische Warenumsatzsteuer, N. 691 bis 694; Urteil des Bundesgerichts vom 8. Februar 1980 in ASA 49 S. 495 E. 3b).
b) Nach
Art. 10 Abs. 2 Satz 3 WUStB
, auf den
Art. 16 Abs. 2 WUStB
ausdrücklich verweist, sind Waren oder Bauwerke als gewerbsmässig hergestellt dann anzusehen, wenn der Geschäftsbetrieb des Herstellers die Herstellung für fremde Rechnung, die Veräusserung, Vermietung oder Verpachtung solcher Waren oder Bauwerke zum Zwecke hat. Der entsprechende französische Gesetzestext lautet: "Des marchandises sont fabriquées ou des constructions exécutées professionnellement lorsque l'entreprise a pour but de fabriquer des marchandises de ce genre ou d'exécuter des constructions de ce genre pour le compte d'autrui, pour les aliéner ou les donner à bail." In Frage steht hier ausschliesslich die Herstellung der fraglichen Bauten durch den Beschwerdeführer zum Zwecke der Vermietung. Von gewerbsmässiger Herstellung kann nach dem Wortlaut von
Art. 10 Abs. 2 Satz 3 WUStB
nicht bereits dann gesprochen werden, wenn ein selbst hergestelltes Bauwerk vermietet wird, sondern der Geschäftsbetrieb des Grossisten muss die Herstellung für die Vermietung solcher Bauwerke zum Zwecke haben. So wie bei der Herstellung für fremde Rechnung Gewerbsmässigkeit nur dann angenommen wird, wenn diese Tätigkeit nicht bloss ausnahmsweise bei einer günstigen Gelegenheit ausgeübt wird, sondern im Geschäftsbetrieb des Herstellers tatsächlich eine anhaltende Bereitschaft zu Arbeiten dieser Art für Dritte gegen Entgelt besteht (ASA 49 S. 494 E. 3a mit Hinweisen; vgl. auch WELLAUER, Die Bundesgerichtspraxis zur Warenumsatzsteuer, Bern 1978, Ziff. 5.2 mit weiteren Hinweisen; I. BLUMENSTEIN, Zum Begriff des umsatzsteuerpflichtigen Eigenverbrauchs, ASA 28 S. 257 ff., insbes. S. 268/9 und S. 270/1; K. AMONN, Der Eigenverbrauch in der eidgenössischen Warenumsatzsteuer, Diss. Bern 1957, S. 56/7), muss es sich bei der Vermietung der für eigene Rechnung hergestellten Bauwerke um einen Vorgang handeln, der im Geschäftsbetrieb des Grossisten entweder regelmässig vorkommt oder doch zumindest neben der Herstellung für fremde Rechnung vorkommen kann und mit dieser zusammen zum Zweck des Geschäftsbetriebs gehört (WELLAUER, Die eidgenössische Warenumsatzsteuer, N. 349). Von gewerbsmässiger Herstellung von Bauwerken zum Zwecke der Vermietung kann nur gesprochen
BGE 108 Ib 39 S. 43
werden, wenn der Geschäftsbetrieb der Unternehmung die Herstellung von Bauwerken zum Zwecke hat, auch wenn es sich dabei nicht um Bauwerke der gleichen Gattung handeln muss, wie sie der Grossist sonst auf Bestellung oder zum Verkauf bzw. zur Vermietung herstellt (WELLAUER, a.a.O., N. 349 Abs. 2 in Verbindung mit N. 711). Es muss sich dabei nicht um den hauptsächlichen oder auch nur vorwiegenden Zweck des Geschäftsbetriebs handeln, sondern kann auch ein blosser Nebenzweck des Geschäftsbetriebs sein. Immerhin muss dieser mit einer gewissen Regelmässigkeit verfolgt werden (Urteil des Bundesgerichts vom 3. Mai 1968 in ASA 37 S. 53 E. 3; K. AMONN, a.a.O., S. 57; H. HEROLD, Praxis des Umsatzsteuerrechts, Art. 10 Anm. 2 S. 7, Art. 16 Anm. 1 S. 6/7 und Art. 20 Anm. 5 S. 2 und 3; H. HEROLD, Kommentar zur Eidgenössischen Warenumsatzsteuer, N. 1 zu Art. 10).
3.
Von einer gewerbsmässigen Herstellung der Bauwerke der zweiten Bauetappe im Rahmen eines Geschäftsbetriebs, der die Herstellung für die Vermietung der Bauwerke zum Zwecke hätte, kann beim Beschwerdeführer nicht gesprochen werden.
Zwar ist der Eidgenössischen Steuerverwaltung zuzugeben, dass nach dem Ergebnis ihrer Abklärungen viel für die Annahme spricht, der Beschwerdeführer habe die Bauten der zweiten Bauetappe von vorneherein zum Zwecke der Vermietung hergestellt.
Damit war aber die Herstellung der Bauwerke der sog. zweiten Bauetappe durch eigene Arbeitskräfte des Beschwerdeführers noch keineswegs Zweck seines Geschäftsbetriebs. Der Beschwerdeführer hat unwidersprochen geltend gemacht, dass er die Baumeisterarbeiten für die zweite Bauetappe nur wegen ungenügenden Bankkredits selber ausführte und nicht nur die andern Arbeitskategorien, sondern auch seine früheren Bauten ausschliesslich durch Unternehmungen des Baugewerbes ausführen liess. Sein Geschäftsbetrieb, in dem ausser ihm noch zur Zeit der Revision vom Frühjahr 1974 (offiziell) bloss ein Werkstattchef, ein Arbeiter und ein Lehrling beschäftigt waren, ist weder zum Baugewerbe zu rechnen, noch umfasst er eine betriebsinterne Bauabteilung. Man könnte höchstens die Frage aufwerfen, ob der Geschäftsbetrieb des Beschwerdeführers vorübergehend in den Jahren 1972 bis 1975 auch die gewerbsmässige Herstellung von Bauwerken zum Zwecke hatte, indem der Beschwerdeführer dem Betrieb für diese Jahre eine Art Bauabteilung angliederte. Das nahm die Eidgenössische Steuerverwaltung aber nicht an. Eine solche Annahme ginge im Falle des Beschwerdeführers auch zu weit. Denn er stellte für die
BGE 108 Ib 39 S. 44
Bauarbeiten dieser Jahre lediglich einen spanischen Maurer-Vorarbeiter fest ein, während er im übrigen in- und ausländische Arbeiter vor allem in der Freizeit beizog, soweit er und seine Familienangehörigen die Arbeiten nicht allein zu verrichten vermochten. Die Bauarbeiten der zweiten Bauetappe dienten der Ausnützung des für den Landmaschinenhandel erworbenen Geschäftsgrundstücks, die damit abgeschlossen ist. Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer beabsichtigt, mit Kräften des eigenen Betriebs weitere Bauwerke für die Vermietung an Dritte herzustellen oder gar Bauarbeiten für Rechnung Dritter auszuführen, sind den Akten nicht zu entnehmen und werden von der Eidgenössischen Steuerverwaltung auch nicht geltend gemacht.
Auch wenn die Vermietung der Bauwerke der zweiten Bauetappe auf seiner Geschäftsliegenschaft als Nebenzweck der Geschäftstätigkeit des Beschwerdeführers betrachtet werden kann, so fällt doch die Herstellung solcher Bauwerke nicht unter die Zwecke seines Geschäftsbetriebs und erfolgte nicht gewerbsmässig. Die Herstellung dieser Bauwerke unterliegt demnach nicht der Besteuerung als Eigenverbrauch. Es muss beim besteuerten Bezug der Baumaterialien bzw. bei der Eigenverbrauchsbesteuerung der zu Unrecht steuerfrei bezogenen Baumaterialien sein Bewenden haben, wie dies Gegenstand der Ergänzungsabrechnung vom 8. März 1974 war. | public_law | nan | de | 1,982 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
2f74a3e2-d118-4105-951f-73f72275b93d | Urteilskopf
126 II 185
17. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 27. März 2000 i.S. Bundesamt für Strassen gegen X. (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Art. 14 Abs. 2 lit. c,
Art. 16 Abs. 1,
Art. 17 Abs. 1bis SVG
;
Art. 30 Abs. 1 VZV
; Sicherungsentzug des Führerausweises, Trunksucht, Abklärung der Fahreignung bei hoher Blutalkoholkonzentration.
Personen, die während der letzten fünf Jahre vor der aktuellen Trunkenheitsfahrt keine einschlägige Widerhandlung begangen haben, sind einer Fahreignungsuntersuchung zu unterziehen, wenn die Blutalkoholkonzentration 2,5 und mehr Promille beträgt (E. 2e; Weiterführung und Klarstellung der Rechtsprechung). | Sachverhalt
ab Seite 186
BGE 126 II 185 S. 186
X., geboren 1944, besitzt den Führerausweis der Kategorie B seit 1963.
Am 21. Mai 1999, um 01.20 Uhr, wurde X. als Lenker seines Personenwagens wegen seiner unsicheren Fahrweise von der Polizei kontrolliert. Da Anzeichen von Angetrunkenheit bestanden, wurde eine Blutentnahme angeordnet. Diese ergab einen Blutalkoholgehalt von mindestens 2,73 und höchstens 3,31 Gewichtspromille.
Mit Verfügung vom 13. Juli 1999 entzog das Strassenverkehrsamt des Kantons Graubünden X. den Führerausweis gestützt auf Art. 16 Abs. 3 lit. b in Verbindung mit
Art. 17 Abs. 1 lit. b SVG
(SR 741.01) für die Dauer von 9 Monaten.
Die von X. dagegen erhobene Beschwerde wies das Justiz-, Polizei- und Sanitätsdepartement des Kantons Graubünden am 13. September 1999 ab.
In teilweiser Gutheissung der von X. dagegen eingereichten Berufung setzte das Kantonsgericht von Graubünden (Ausschuss) am 9. November 1999 die Dauer des Entzuges auf 7 Monate fest.
Das Bundesamt für Strassen führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Kantonsgerichtes sei aufzuheben; die Sache sei an das Strassenverkehrsamt des Kantons Graubünden zurückzuweisen zur medizinischen Abklärung der Eignung von X. zum Führen von Motorfahrzeugen im Sinne von
Art. 14 Abs. 2 lit. c SVG
; bis zum Vorliegen der Untersuchungsergebnisse sei X. der Führerausweis sofort vorsorglich zu entziehen; sollte die medizinische Abklärung ergeben, dass bei X. kein Eignungsmangel vorliegt, sei das Strassenverkehrsamt anzuweisen, gegenüber X. einen Warnungsentzug gemäss der Verfügung vom 13. Juli 1999 anzuordnen.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
a) Der Beschwerdeführer bringt vor, nach den im Schrifttum geäusserten Auffassungen sei bei Personen, die mit höheren Blutalkoholkonzentrationen am Strassenverkehr teilnehmen, von einer gewissen Suchtproblematik auszugehen. Das treffe in der Regel selbst bei Alkohol-Ersttätern zu. Eine Blutalkoholkonzentration von 2,5 Promille oder mehr weise auf eine hohe Alkoholtoleranz hin, die ihrerseits eine Alkoholabhängigkeit vermuten lasse. Die Vorinstanz begründe eingehend die Herabsetzung der Entzugsdauer von 9 auf 7 Monate. Sie gehe jedoch in keiner Weise ein auf eine
BGE 126 II 185 S. 187
beim Beschwerdegegner möglicherweise vorhandene Alkoholproblematik, obwohl ihr der ärztliche Bericht des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Zürich-Irchel (IRMZ) vom 31. Mai 1999 zur Verfügung gestanden sei. Darin halte das IRMZ fest, es bestehe der medizinisch begründete Verdacht auf einen chronischen Alkoholmissbrauch und eine amtsärztliche Untersuchung sei angezeigt. Damit dränge sich eine Abklärung einer möglichen Alkoholabhängigkeit des Beschwerdegegners auf. Indem die Vorinstanz eine dahin gehende Anordnung unterlassen und lediglich einen Warnungsentzug von 7 Monaten verfügt habe, habe sie Bundesrecht verletzt.
b) Die Vorinstanz räumt in ihrer Vernehmlassung ein, dass der festgestellte Alkoholgehalt von mindestens 2,73 Gewichtspromille für sich allein betrachtet ein gewichtiges Indiz für eine Alkoholproblematik darstelle. Ob ein solcher Verdacht begründet sei, bestimme sich jedoch aufgrund der gesamten Umstände. Der Beschwerdegegner sei seit 1963 im Besitz des Führerausweises. Bekannt sei nur ein Vorfall aus dem Jahre 1990 (Warnungsentzug von 5 Monaten wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand) und der jetzige Fall. Aus dem Leumundsbericht ergebe sich nichts Negatives, auch nicht in Bezug auf Alkoholmissbrauch. Sinngemäss legt die Vorinstanz dar, dass es sich hier um einen einmaligen Trinkexzess gehandelt habe.
c) Der Beschwerdegegner selbst hält sich weder dem Trunke noch anderen Süchten ergeben. Er fahre seit 30 Jahren unfallfrei.
2.
a) Gemäss
Art. 14 Abs. 2 lit. c SVG
darf der Führerausweis nicht erteilt werden, wenn der Bewerber dem Trunke oder anderen die Fahrfähigkeit herabsetzenden Süchten ergeben ist. Wird nachträglich festgestellt, dass die gesetzlichen Voraussetzungen zur Erteilung nicht oder nicht mehr bestehen, ist der Führerausweis nach
Art. 16 Abs. 1 SVG
zu entziehen. Ein solcher Sicherungsentzug dient gemäss Art. 30 Abs. 1 der Verordnung vom 27. Oktober 1976 über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Strassenverkehr (VZV; SR 741.51) der Sicherung des Verkehrs vor Führern, die aus medizinischen oder charakterlichen Gründen, wegen Trunksucht oder anderen Süchten oder wegen einer anderen Unfähigkeit zum Führen von Motorfahrzeugen nicht geeignet sind. In solchen Fällen wird der Führerausweis gemäss
Art. 17 Abs. 1bis SVG
auf unbestimmte Zeit entzogen.
Voraussetzung für den Sicherungsentzug gemäss Art. 14 Abs. 2 lit. c i.V.m.
Art. 17 Abs. 1bis SVG
ist das Vorliegen einer Sucht.
BGE 126 II 185 S. 188
Trunksucht ist nach der Rechtsprechung gegeben, wenn der Betreffende regelmässig so viel Alkohol konsumiert, dass seine Fahrfähigkeit vermindert wird und er diese Neigung zum übermässigen Alkoholgenuss durch den eigenen Willen nicht zu überwinden vermag (
BGE 104 Ib 46
E. 3a, S. 48). Der Sicherungsentzug wegen Trunksucht oder anderer Suchtkrankheiten wird gemäss
Art. 17 Abs. 1bis SVG
auf unbestimmte Zeit angeordnet und mit einer Probezeit von mindestens einem Jahr verbunden. Nach Ablauf der Probezeit kann der Ausweis bedingt und unter angemessenen Auflagen wieder erteilt werden; in der Regel wird hierfür der Nachweis der Heilung durch eine mindestens einjährige kontrollierte Abstinenz verlangt. Der Sicherungsentzug greift damit tief in den Persönlichkeitsbereich des Betroffenen ein. Nach der Rechtsprechung ist daher eine genaue Abklärung der persönlichen Verhältnisse und insbesondere der Trinkgewohnheiten des Betroffenen in jedem Fall und von Amtes wegen vorzunehmen. Das Ausmass der notwendigen behördlichen Nachforschungen, namentlich die Frage, ob ein medizinisches Gutachten eingeholt werden soll, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles und liegt im pflichtgemässen Ermessen der Entzugsbehörde (
BGE 104 Ib 46
E. 3a, S. 48). Bei Drogensucht ist die Entzugsbehörde in aller Regel verpflichtet, ein gerichtsmedizinisches Gutachten einzuholen; der Verzicht auf eine spezialärztliche Begutachtung wird nur ausnahmsweise, etwa in Fällen offensichtlicher, schwerer Drogenabhängigkeit, gerechtfertigt sein (
BGE 120 Ib 305
E. 4b; vgl. auch KARL HARTMANN, Der Sicherungsentzug in der neuen bundesgerichtlichen Rechtsprechung, Collezione Assista, Genf 1998, S. 259).
b) In
BGE 125 II 396
hatte das Bundesgericht einen Lenker zu beurteilen, der im Jahre 1998 mit einem Blutalkoholgehalt von 3,31 Gewichtspromille gefahren war. Die kantonale Behörde liess es bei einem neuerlichen Warnungsentzug bewenden, obwohl gegen den Betroffenen bereits 1988 und 1994 wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand je ein Warnungsentzug verfügt worden war und bei diesen früheren Vorfällen Blutalkoholgehalte von 3,45 bzw. 2,95 Promille gegeben waren. Überdies war nach dem Polizeirapport der Betroffene dafür bekannt, regelmässig Alkohol im Übermass zu konsumieren. Wie das Bundesgericht entschied, hätte in Anbetracht dieser Umstände die kantonale Behörde ernsthafte Zweifel an der Fähigkeit des Betroffenen haben müssen, vor dem Fahren auf alkoholische Getränke zu verzichten. Die Behörde hätte einen Sicherungsentzug ins Auge fassen und im Hinblick darauf ein ärztliches
BGE 126 II 185 S. 189
Gutachten zur Frage einer allfälligen Trunksucht einholen müssen (E. 2).
c) Im Schrifttum wird ausgeführt, es könne davon ausgegangen werden, dass bei Personen, die im Strassenverkehr mit 1,6 Promille und mehr auffällig werden, eine Missbrauchstoleranz oder auch robuste Alkoholgewöhnung vorliege, die nur durch chronischen, die Persönlichkeit, die soziale Umwelt und die Gesundheit belastenden Alkoholmissbrauch erworben werden könne (EGON STEPHAN, Trunkenheitsdelikte im Verkehr: Welche Massnahmen sind erforderlich?, AJP 1994 S. 453; vgl. auch derselbe, Trunkenheitsdelikte im Verkehr und Alkoholmissbrauch, Blutalkohol 1988, S. 203).
RENÉ SCHAFFHAUSER (Zur Entwicklung von Recht und Praxis des Sicherungsentzugs von Führerausweisen, AJP 1992 S. 34 f.) führt aus, die Richtlinien für die Prüfung der körperlichen und geistigen Eignung von Fahrerlaubnisbewerbern und -inhabern (Eignungsrichtlinien) vom 1. Dezember 1982 der Bundesrepublik Deutschland hätten bereits vorgesehen, dass die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Eignungsuntersuchung auch bei erstmals alkoholauffälligen Fahrzeugführern mit einer Blutalkoholkonzentration von 2 Promille oder mehr in Frage komme, wenn sonstige Umstände des Einzelfalles den Verdacht auf überdurchschnittliche Alkoholgewöhnung nahelegten. Diese Zahl sei mit einer Änderung der Richtlinien vom 30. September 1989 auf 1,6 Promille herabgesetzt worden; bei einer Blutalkoholkonzentration von 2 Promille oder mehr komme auch ohne das Vorliegen solcher Umstände regelmässig eine medizinisch-psychologische Untersuchung in Betracht. Es stehe fest, und unter Medizinern und Psychologen sei heute grundsätzlich unangefochten, dass ein höherer BAK-Wert selbst beim Alkoholersttäter in aller Regel ein Indiz für gewisse Suchtprobleme darstelle. Diese (nicht ganz neue) Erkenntnis scheine unseren Verwaltungen und Gerichten noch nicht ausreichend bekannt zu sein. Betrachte man die Entscheide zu den Sicherungsentzügen wegen Trunksucht, gewinne man (überspitzt formuliert) oft den Eindruck, es werde nach dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit zunächst einmal wiederholt ein Warnungsentzug ausgesprochen, ohne sich vorerst die Frage nach der Trunksucht überhaupt zu stellen. Erst wenn man zur Erkenntnis komme, dass auch lange Warnungs-Entzugsdauern keine Wirkung hätten, werde die Frage nach
Art. 14 Abs. 2 lit. c SVG
ernsthaft aufgeworfen. Die Frage, ob ein Warnungs- oder ein Sicherungsentzug auszusprechen sei, sei nicht aufgrund von Erwägungen zur Verhältnismässigkeit,
BGE 126 II 185 S. 190
sondern in Beantwortung der Rechtsfrage zu klären, ob Ungeeignetheit - hier: Trunksucht im strassenverkehrsrechtlichen Sinne - vorliege.
R. SEEGER (Fahreignung und Alkohol, in: Probleme der Verkehrsmedizin, hrsg. vom Institut für Rechtsmedizin der Universität Zürich, 1999, S. 7) legt dar, mit einem FIAZ-Ereignis habe die betreffende Person mindestens einmal bewiesen, dass sie Trinken und Fahren nicht trennen könne. Nicht selten liege dem ein chronisches Alkoholproblem zugrunde. Ein konkreter und erheblicher Verdacht auf das Vorliegen einer verkehrsmedizinisch relevanten Alkoholproblematik ergebe sich unter anderem bei einer Blutalkoholkonzentration von 2,5 oder mehr Promille. Derart hohe Blutalkoholwerte, die in der Regel erst ab einem Konsum von 3,5 Liter Bier oder 1,5 Liter Wein erreicht würden, zeigten eine sehr hohe Alkoholtoleranz an, die ihrerseits in der Regel auf eine Alkoholabhängigkeit hinweise.
d) Der Beschwerdegegner hat sein Fahrzeug am 21. Mai 1999 mit einer Blutalkoholkonzentration von mindestens 2,73 und höchstens 3,31 Gewichtspromille gelenkt. Im Lichte der angeführten Äusserungen im Schrifttum stellt diese hohe Blutalkoholkonzentration ein erhebliches Indiz für eine Trunksucht im Sinne des Strassenverkehrsgesetzes dar. In Anbetracht dessen hätte die Vorinstanz - dem Hinweis des IRMZ in seinem Bericht vom 31. Mai 1999 folgend - eine entsprechende medizinische Abklärung anordnen müssen. Dies war allein aufgrund der sehr hohen Blutalkoholkonzentration geboten. Da Alkohol nebst übersetzter Geschwindigkeit eine der Hauptursachen für schwere Unfälle im Strassenverkehr darstellt, ist der mit der medizinischen Abklärung verbundene Eingriff gegenüber dem Fahrzeuglenker verhältnismässig. Im Übrigen liegt es auch im Interesse des Lenkers selbst, wenn in einer Konstellation wie hier geklärt wird, ob er an einer Sucht leidet oder nicht.
Der Beschwerdegegner hat bereits im Jahre 1990 sein Fahrzeug mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,96 Promille geführt, wofür ihm die Behörden des Kantons Genf den Führerausweis für die Dauer von 5 Monaten entzogen haben. Der Beschwerdegegner war also schon damals erheblich alkoholisiert. Die Vorinstanz hätte damit umso mehr Anlass zur Anordnung einer medizinischen Untersuchung gehabt.
Die Vorinstanz hat Bundesrecht verletzt, wenn sie von einer medizinischen Abklärung der Fahreignung abgesehen hat. Die
BGE 126 II 185 S. 191
Beschwerde wird insoweit gutgeheissen. Die Sache wird an das Strassenverkehrsamt des Kantons Graubünden zur Durchführung der entsprechenden Abklärung zurückgewiesen.
e) Im Interesse der Klarheit und der einheitlichen Anwendung des Bundesrechts ist
Art. 14 Abs. 2 lit. c SVG
wie folgt zu konkretisieren: Personen, die während der letzten fünf Jahre vor der aktuellen Trunkenheitsfahrt keine einschlägige Widerhandlung begangen haben, sind einer Fahreignungsuntersuchung zu unterziehen, wenn die Blutalkoholkonzentration 2,5 und mehr Promille beträgt. Personen mit einer so hohen Blutalkoholkonzentration verfügen über eine sehr hohe Alkoholtoleranz, die in aller Regel auf eine Alkoholabhängigkeit hinweist.
f) Der Beschwerdeführer beantragt, bis zum Vorliegen der Untersuchungsergebnisse sei der Führerausweis sofort vorsorglich zu entziehen, d.h. also zunächst im Sinne einer vorsorglichen Massnahme durch das Bundesgericht selbst.
Grundsätzlich liegt es in der Verantwortung der kantonalen Behörde, gegebenenfalls vorsorglich einen Entzug anzuordnen. Darüber wird deshalb das Strassenverkehrsamt des Kantons Graubünden zu entscheiden haben. Dabei wird es zu berücksichtigen haben, wieweit die 7 Monate Führerausweisentzug, die bereits vollzogen sind, ihre Wirkung getan haben.
g) Der Beschwerdeführer beantragt, falls die medizinische Untersuchung ergebe, dass beim Beschwerdegegner kein Eignungsmangel vorliege, sei das Strassenverkehrsamt anzuweisen, einen Warnungsentzug gemäss der Verfügung vom 13. Juli 1999 anzuordnen. Da mit dieser Verfügung 9 Monate Entzug angeordnet worden sind, die Vorinstanz jedoch nur 7 Monate verfügt hat, beantragt der Beschwerdeführer damit sinngemäss eventualiter, die Dauer des Warnungsentzuges um 2 Monate zu erhöhen. Der Beschwerdeführer begründet diesen Antrag jedoch nicht näher und es ist auch nicht ersichtlich, dass die Vorinstanz mit der Reduktion der Entzugsdauer um 2 Monate ihr Ermessen überschritten hätte. Auf den Antrag wird deshalb nicht weiter eingetreten. | public_law | nan | de | 2,000 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
2f7a05d2-e017-4d23-a4b9-41b20402e244 | Urteilskopf
116 V 118
22. Sentenza del 14 maggio 1990 nella causa Cassa Malati Previdenza KFW contro D. e Tribunale delle assicurazioni del Cantone Ticino | Regeste
Art. 14 Abs. 6 KUVG
: Taggeldleistungen bei Mutterschaft.
Die in
BGE 113 V 212
zu
Art. 12bis Abs. 3 KUVG
aufgestellten Grundsätze sind im Rahmen von
Art. 14 Abs. 6 KUVG
analog anwendbar.
Die jeweils vereinbarte Wartefrist darf daher auf die Periode von zehn Wochen gemäss
Art. 14 Abs. 6 KUVG
nur angerechnet werden bei Taggeldleistungen, welche die gesetzlichen Minima übersteigen. | Sachverhalt
ab Seite 119
BGE 116 V 118 S. 119
A.-
Franca D. era assicurata dal 1982 presso la Cassa Malati Previdenza KFW per una perdita di salario dell'80% a partire dal 3o giorno di inabilità in virtù di un contratto collettivo concluso dal datore di lavoro. Essa cessò l'attività lucrativa il 19 aprile 1988 e diede alla luce un bambino il 6 maggio 1988. La Cassa malati, tenendo conto del termine di attesa di 2 giorni, assegnò le prestazioni di indennità giornaliera dal 21 aprile al 27 giugno 1988.
Sollecitata dall'assicurata, la Cassa malati rese il 26 agosto 1988 una decisione formale in cui confermò di aver concesso le indennità per 68 giorni richiamando la disposizione all'art. 46 cpv. 2 delle Condizioni generali di assicurazione per l'assicurazione collettiva (CGA), secondo cui, in caso di assicurazione di indennità giornaliera con inizio differito delle prestazioni, il termine di attesa viene dedotto dalla durata delle prestazioni di 70 giorni.
B.-
Franca D. è insorta con ricorso al Tribunale delle assicurazioni del Cantone Ticino. Essa, prevalendosi dell'
art. 14 cpv. 6 LAMI
, pretese l'erogazione di indennità durante 70 giorni.
Con giudizio del 19 ottobre 1988 il Presidente del Tribunale cantonale delle assicurazioni ha tutelato il ricorso ritenendo l'art. 46 cpv. 2 delle CGA in contrasto con l'
art. 14 cpv. 6 LAMI
e precisando che l'assicurata aveva diritto alle prestazioni per maternità fino al compimento delle 10 settimane legali anche dopo il termine di attesa.
C.-
La Cassa malati produce un ricorso di diritto amministrativo. Richiama il testo controverso dell'art. 46 delle CGA, approvato dall'Ufficio federale delle assicurazioni sociali (UFAS). Asserisce che la maternità ha trovato una speciale collocazione nell'
art. 14 LAMI
nel senso che gravidanza e parto sono stati considerati equivalenti a malattia, in particolare ritenendo la madre incapace di lavoro durante 70 giorni. Ma a giudizio della Cassa si sarebbe trattato non già di un massimo di prestazioni bensì di un massimo di tempo. In sostanza la madre è da ritenere incapace di lavoro durante 70 giorni, senza per ciò avere diritto a 70 indennità. Né sarebbe lecito applicare, nel caso di maternità, il principio del massimo di prestazioni stabilito per le indennità giornaliere di malattia. Se così non fosse, il periodo
BGE 116 V 118 S. 120
di 10 settimane sarebbe nell'ipotesi di un lungo termine di attesa da estendere in modo improponibile. Ciò provocherebbe problemi di sovrassicurazione. Sempre secondo la Cassa, non può inoltre essere disatteso che i premi sono stati calcolati in funzione del periodo di attesa, il che condurrebbe - se confermato il giudizio cantonale - ad una revisione generale del tema contributivo. Essa chiede pertanto l'annullamento del querelato giudizio.
Le conclusioni ricorsuali sono avversate da Franca D. L'UFAS di contro propone - per motivi che saranno illustrati nei considerandi di diritto - l'accoglimento parziale del ricorso di diritto amministrativo.
Erwägungen
Diritto:
1.
(Cognizione)
2.
a) Giusta l'
art. 14 LAMI
in caso di gravidanza e di parto, le casse devono concedere le prestazioni previste per i casi di malattia, se, fino al giorno del parto, l'assicurata ha appartenuto a una o più casse da almeno 270 giorni senza interruzione superiore a 3 mesi (cpv. 1). L'assicurata che cessa l'attività lucrativa, al massimo, 4 settimane prima del parto non può essere trasferita in una classe inferiore d'indennità di malattia prima che sia trascorso il periodo previsto al cpv. 6 (cpv. 4). La durata delle prestazioni per maternità è di 10 settimane, di cui almeno 6 dopo il parto; essa non può essere computata nelle durate previste agli art. 12, 12bis e 12ter; le prestazioni devono essere concesse anche se queste durate sono compiute (cpv. 6).
Secondo l'
art. 44 Ord
. III le casse devono lasciare all'assicurata la facoltà di scegliere come suddividere, entro i limiti dell'art. 14 cpv. 6 della legge, la durata del diritto alle prestazioni tra il periodo che precede il parto e quello che lo segue; tuttavia, nel periodo di 10 settimane le prestazioni non devono essere interrotte.
Giusta l'
art. 12bis cpv. 1 LAMI
nell'assicurazione dell'indennità di malattia, le casse devono concedere un'indennità giornaliera di almeno 2 franchi in caso di incapacità totale al lavoro. Da ricordare è inoltre che, secondo l'
art. 13 cpv. 2 LAMI
se la malattia è stata denunziata in conformità dello statuto, l'indennità di malattia deve essere accordata al più tardi col 3o giorno susseguente a quello in cui la malattia si è manifestata (periodo di franchigia, ora denominato differimento), e che in virtù del cpv. 3 dello stesso articolo il Consiglio federale all'
art. 28 Ord
. III ha
BGE 116 V 118 S. 121
consentito al prolungamento di detto periodo quando determinati presupposti relativi all'importo dell'indennità giornaliera fossero stati rispettati (riguardo all'assicurazione di un'indennità di malattia differita v. RJAM 1979 no. 354 pag. 33).
b) Giusta l'art. 46 delle CGA della Cassa malati, in caso di maternità l'assicurata ha diritto alle prestazioni di indennità giornaliera per 10 settimane ininterrotte, di cui almeno 6 settimane dopo il parto (cpv. 1). In caso di assicurazione di indennità giornaliera con inizio differito delle prestazioni, il termine di attesa viene dedotto dalla durata delle prestazioni di 70 giorni (cpv. 2).
3.
a) Se a ragione - visto l'
art. 44 Ord
. III esposto al precedente considerando 2a - il primo giudice ha ribadito che le prestazioni concesse prima del parto in misura inferiore a 4 settimane non impediscono che le prestazioni restanti, fino al compimento delle 10 settimane complessive, siano assegnate dopo il parto, a torto esso ha precisato che comunque le prestazioni sarebbero state da erogare durante 10 settimane anche dopo il termine di attesa.
Nell'evenienza concreta il differimento era ridotto a 2 giorni. Ma non si deve dimenticare che esso poteva essere di ben maggiore durata, ragione per cui, secondo quanto detto dal primo giudice, il diritto a prestazioni sarebbe potuto iniziare ad un momento ben lontano dal parto e persino oltre le 10 settimane dallo stesso. Trattandosi di indennità intesa a considerare l'incapacità lavorativa durante gli ultimi tempi della gravidanza e gli impegni materni che seguono il parto, non si vede come potrebbe essere seguito il ragionamento della precedente istanza, né come sarebbero da calcolare le almeno 6 settimane dopo il parto di cui all'
art. 14 cpv. 6 LAMI
.
b) Resta quindi solo da esaminare se le prestazioni di indennità giornaliera in caso di gravidanza e di parto debbano essere concesse per 70 giorni senza differimento, oppure se esse, come pretende la Cassa malati, debbano essere ridotte di tale periodo. È infatti pacifico che la Cassa nel presente caso ha versato 68 indennità.
La tesi della Cassa malati trova sostegno nell'avviso di PFLUGER (parere di diritto no. 1548, pubblicato in Schweizerische Krankenkassen-Zeitung, 1986, pag. 241), il quale ricorda come nel caso di rischio differito sia pagato, dopo tutto, un premio di minore entità. A sua volta l'UFAS, nella risposta al ricorso di diritto amministrativo, accenna ad una sua circolare (no. 116,
BGE 116 V 118 S. 122
capitolo II/3, pag. 4) in cui si era detto che, nel caso di assicurazione di un'indennità giornaliera differita, l'assicurata durante il differimento non ha diritto, anche in caso di maternità, alle prestazioni. Nondimeno l'Ufficio federale raccomandava alle casse di versare l'indennità anche durante il differimento, comunque nella misura in cui esso coincidesse con la durata del diritto alle prestazioni di 10 settimane. Nell'evenienza concreta la Cassa malati manifestamente non si è attenuta a questa raccomandazione quando si consideri il tenore dell'art. 46 delle CGA.
c) Nella sentenza pubblicata in
DTF 113 V 212
, alla quale allude l'UFAS, la Corte ha stabilito che le casse malati possono, in virtù degli statuti, limitare il diritto all'indennità giornaliera di importo superiore ai minimi legali, nel senso che il termine di attesa convenuto tra le parti è dedotto dal periodo di indennizzo di 720 giorni nel corso di 900 giorni consecutivi fissato dall'
art. 12bis cpv. 3 LAMI
. Il che significa che l'indennità giornaliera minima legale deve in ogni modo essere accordata durante 720 giorni in 900 giorni consecutivi. Il computo del differimento nel periodo di 720 giorni, previsto statutariamente, è pertanto ammissibile solo per indennità giornaliere superiori ai minimi legali (v. pag. 215 consid. 4a).
Come rettamente conclude l'UFAS, i principi giurisprudenziali esposti devono per analogia essere applicati anche alla presente fattispecie. Dal momento che la legge ha equiparato gravidanza e parto a malattia, difficilmente si potrebbe giustificare una differenza di trattamento tra l'assicurata che durante gli ultimi tempi della gravidanza e gli impegni materni che seguono il parto è presunta incapace di lavoro e l'assicurata (o l'assicurato) che lo è per motivi di malattia. In sostanza la soluzione, pur consentendo durante il periodo di attesa un trasferimento in una classe inferiore d'indennità di malattia escluso dall'
art. 14 cpv. 4 LAMI
, permette comunque di rispettare la lettera del cpv. 6 dello stesso articolo.
d) Ne deve essere dedotto che, nell'evenienza concreta, l'opponente durante il differimento non aveva diritto alle prestazioni di indennità giornaliera pattuite. Ma essa aveva diritto all'indennità minima legale di cui all'
art. 12bis cpv. 1 LAMI
. | null | nan | it | 1,990 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
2f7a10c0-dd1c-472e-a33b-d8c6fd828e7e | Urteilskopf
100 V 151
37. Auszug aus dem Urteil vom 6. November 1974 i.S. Ausgleichskasse des Kantons Luzern gegen Burkart und Verwaltungsgericht des Kantons Luzern | Regeste
Art. 104 lit. a und 105 Abs. 2 OG
.
- Feststellung des guten Glaubens: Tat- oder Rechtsfrage? (Erw. 2.)
- Schlussfolgerungen aus der allgemeinen Lebenserfahrung: Tat- oder Rechtsfrage? (Erw. 2.)
Art. 40 Abs. 1 AHVV
. Guter Glaube des Beitragspflichtigen, der die amtliche Belehrung über seine gesetzlichen Pflichten nicht beachtete, verneint (Erw. 3). | Erwägungen
ab Seite 152
BGE 100 V 151 S. 152
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Streitig ist, ob die von der Ausgleichskasse am 31. Mai 1972 für die Jahre 1969 und 1970 verfügte Beitragsnachzahlung, welche von der Vorinstanz bestätigt und von Burkart im Verfahren vor dem Eidg. Versicherungsgericht nicht mehr bestritten ist, zu erlassen sei.
Gemäss
Art. 40 Abs. 1 AHVV
ist Nachzahlungspflichtigen, die in gutem Glauben annehmen konnten, die nachgeforderten Beiträge nicht zu schulden, die Nachzahlung ganz oder teilweise zu erlassen, wenn diese für sie angesichts ihrer Verhältnisse eine grosse Härte bedeuten würde. Die Rechtsprechung verlangt ausserdem, dass der Erlass die durch diese Massnahme betroffenen Arbeitnehmer nicht benachteilige (ZAK 1968 S. 686 mit Hinweisen).
2.
a) Da im vorliegenden Fall keine Versicherungsleistungen streitig sind (vgl.
BGE 98 V 275
Erw. 2), hat das Eidg. Versicherungsgericht nur zu prüfen, ob der vorinstanzliche Richter Bundesrecht verletzt, sein Ermessen überschritten oder es missbräuchlich gehandhabt hat oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie
Art. 105 Abs. 2 OG
).
b) Die Vorinstanz hat den guten Glauben des Beitragspflichtigen bejaht und dazu bemerkt, es handle sich um eine tatbeständliche Feststellung, an welche das Eidg. Versicherungsgericht laut
Art. 105 Abs. 2 OG
gebunden sei.
Diese Auffassung ist indessen unrichtig. Die von der Vorinstanz festgestellten Umstände, auf Grund derer zu beurteilen ist, ob der gute Glauben gegeben sei oder nicht, sind für das Eidg. Versicherungsgericht im Sinne von
Art. 105 Abs. 2 OG
verbindlich. Die Frage aber, ob sich der gute Glaube aus jenen Umständen ableiten lasse, ist eine vom Eidg. Versicherungsgericht zu prüfende Rechtsfrage (vgl. auch
BGE 97 II 3
Erw. 3).
Es kommt hinzu, dass die Vorinstanz hinsichtlich des Erlassgesuches davon ausging, Burkart habe den fraglichen Barlohn effektiv nicht ausgerichtet. Zu dieser Annahme gelangte sie auf Grund der allgemeinen Lebenserfahrung. Nach konstanter Gerichtspraxis ist indes die Frage nach der Richtigkeit einer aus der allgemeinen Lebenserfahrung gezogenen Schlussfolgerung
BGE 100 V 151 S. 153
eine Rechtsfrage und daher vom Eidg. Versicherungsgericht frei zu überprüfen (nicht publiziertes Urteil in Sachen Ticozzi vom 10. Mai 1973;
BGE 95 II 124
und 169,
BGE 89 II 130
Erw. 4,
BGE 88 II 469
Erw. 5).
3.
a) Entgegen der Meinung der Vorinstanz liefert die allgemeine Lebenserfahrung kein schlüssiges Indiz dafür, dass Burkart seinem Sohn den fraglichen Barlohn effektiv nicht ausgerichtet hat; und ebensowenig lässt sich dies aus der Annahme ableiten, der Sohn werde voraussichtlich einmal den väterlichen Hof übernehmen. Konkreter Ausgangspunkt sind vielmehr die Steuererklärungen, worin der Barlohn als "wahrheitsgetreue" Angabe deklariert worden war. Inwieweit dabei ein "Irrtum passiert" sein soll, ist unerfindlich und vor allem auch deswegen unwahrscheinlich, weil dieser Lohn nicht nur in der Steuererklärung Burkarts, sondern auch in der vom Sohne selber eingereichten und unterzeichneten Steuererklärung angegeben wird. Es bestehen keine Anhaltspunkte, dass diese Angaben nicht der Wirklichkeit entsprechen würden. Es ist mithin davon auszugehen, dass die Barlöhne effektiv bezahlt wurden.
b) Das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern vertritt die Auffassung, der Umstand, dass Burkart im November 1971 gegenüber den Steuerbehörden den fraglichen Barlohn deklariert habe, schliesse den guten Glauben im Zeitpunkt, in dem die Abrechnung hätte erfolgen sollen, also in den Jahren 1969 und 1970, nicht aus.
Dieser Argumentation kann schon deswegen nicht gefolgt werden, weil sich sonst ein Beitragspflichtiger regelmässig auf Gesetzesunkenntnis berufen könnte, um seinen guten Glauben zu begründen. Dazu kommt, dass Burkart - wie die Ausgleichskasse unwidersprochen darlegt - mehrmals, zuletzt 1969, durch das an alle Kassenmitglieder versandte Merkblatt über die Abrechnungspflicht orientiert worden war. Mit Recht verweist die Ausgleichskasse auf das in ZAK 1968 S. 686 publizierte Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts in Sachen Stiftung C. vom 10. Juni 1968; danach kann derjenige, der Weisungen der Ausgleichskasse nicht beachtet, durch die er über die gesetzlichen Pflichten aufgeklärt wird, sich nicht darauf berufen, eine dieser Pflichten in gutem Glauben missachtet zu haben. Wenn Burkart das Merkblatt nicht beachtete, stellt dies eine Nachlässigkeit dar, welche die Annahme des guten Glaubens ausschliesst... | null | nan | de | 1,974 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
2f7a9b17-d8dc-4359-8350-9f5aa14fa087 | Urteilskopf
102 V 140
32. Auszug aus dem Urteil vom 14. September 1976 i.S. Poltera gegen Schweizerische Unfallversicherungsanstalt und Versicherungsgericht von Graubünden | Regeste
Art. 77 KUVG
.
Die nebenberufliche selbständige Erwerbstätigkeit ist bei der Bemessung der Invalidität eines Versicherten, der im unterstellten Betrieb nicht voll beschäftigt ist, zu berücksichtigen (Änderung der Rechtsprechung). | Sachverhalt
ab Seite 141
BGE 102 V 140 S. 141
A.-
Der Landwirt Poltera arbeitete jeweils im Winter während ungefähr 4 Monaten bei der X. Bergbahnen AG. Am 12. Februar 1973 geriet er mit beiden Händen in ein laufendes Brems- und Förderband. Dabei zog er sich mehrere Verletzungen der Finger zu, die zum Teil amputiert wurden. Am 7. Mai 1973 war der Versicherte klinisch geheilt, und die Behandlung konnte abgeschlossen werden.
Mit Verfügung vom 14. September 1973 sprach die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), die für Taggeld und Heilungskosten aufgekommen war, dem Versicherten für die Zeit vom 1. September 1973 bis 31. August 1974 eine Rente wegen 20%iger und für die Folgezeit eine solche wegen 10%iger Invalidität zu.
B.-
Jakob Poltera liess "Klage" einreichen mit den Anträgen: Die SUVA sei zu verpflichten, ihm vom 1. September 1973 hinweg bis zum AHV-Alter eine monatliche Rente von Fr. 1'025.55 auszurichten unter Abzug der bereits geleisteten Monatsbetreffnisse von Fr. 175.--; ferner sei die Rente jährlich dem Lebenskostenindex anzupassen. Die Leistungsfähigkeit in der Landwirtschaft sei von Dr. med. L. auf 25-30% veranschlagt worden. Bei der Rentenberechnung dürfe, abweichend von der SUVA, nicht von einem Jahresverdienst von Fr. 15'000.-- ausgegangen werden. Massgebend sei vielmehr das Jahreseinkommen von Fr. 25'115.75, das sich aus dem landwirtschaftlichen Einkommen von Fr. 19'557.--, dem Verdienst aus unselbständiger Tätigkeit bei der X. Bergbahnen AG von Fr. 5'020.80 und einem für Sägereiarbeiten bezogenen Gehalt von Fr. 537.95 zusammensetze. Bei 70%iger Invalidität ergebe sich damit die verlangte Monatsrente.
Das Versicherungsgericht des Kantons Graubünden hat die "Klage" am 17. Februar/10. März 1975 in dem Sinne gutgeheissen, dass es die SUVA verpflichtete, dem Versicherten ab 1. September 1974 eine Dauerrente von 15%, berechnet auf einem Jahreseinkommen von Fr. 15'000.--, auszuzahlen.
C.-
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt Poltera, es sei ihm eine Rente wegen 70%iger Invalidität zuzusprechen.
BGE 102 V 140 S. 142
Zur Begründung bringt er vor: Die X. Bergbahnen AG habe ihn entlassen, da er wegen der körperlichen Behinderung die Mechanikerarbeiten nicht mehr verrichten könne. Zudem müsse berücksichtigt werden, dass er in seiner "Hauptfunktion als Landwirt" noch viel mehr behindert sei denn als Gondelbahn-Angestellter. Die SUVA habe für den ganzen Verdienstausfall von 70% des Jahreseinkommens von Fr. 25'000.-- zu haften ...
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Der Beschwerdeführer verlangt erneut, dass bei der Rentenberechnung nicht nur der Lohn berücksichtigt werde, den er als Bergbahn-Angestellter bezogen habe; zum anrechenbaren Verdienst gehöre vielmehr auch sein Einkommen aus der Landwirtschaft.
Gemäss Lohnbescheinigung der X. Bergbahnen AG betrug der Monatslohn des Beschwerdeführers Fr. 1'225.--. Hätte der Beschwerdeführer ganzjährig bei den X. Bergbahnen gearbeitet, würde sich das Jahreseinkommen auf rund Fr. 15'000.-- belaufen haben. Ein höherer Verdienst darf gemäss
Art. 79 Abs. 2 und 3 KUVG
nicht berücksichtigt werden. Die SUVA hat daher zu Recht einen Jahresverdienst von Fr. 15'000.-- zugrundegelegt.
3.
Sein weiteres Begehren, den Invaliditätsgrad nicht bloss auf 15%, sondern auf 70% festzusetzen, begründet der Beschwerdeführer damit, dass er als Gondelbahn-Angestellter auch Mechanikerarbeiten verrichtet habe, inzwischen von der Arbeitgeberfirma "nicht mehr weiter angestellt" worden und auch in der Landwirtschaft sowie als Sägereiarbeiter beträchtlich behindert sei.
a) Im angefochtenen Entscheid wird ausdrücklich erwähnt, der Beschwerdeführer sei bei den X. Bergbahnen auch für Unterhaltsarbeiten eingesetzt gewesen und habe damit Tätigkeiten eines Mechanikers ausgeübt. Die Vorinstanz bemerkt, er werde wegen der Fingerschäden kaum mehr qualifizierte Unterhaltsarbeiten verrichten können, sondern sich mit anspruchsloseren Arbeiten begnügen müssen. Zu Unrecht meint also der Versicherte, das kantonale Versicherungsgericht habe bei der Invaliditätsschätzung seine Beeinträchtigung bei Mechanikerarbeiten nicht berücksichtigt.
BGE 102 V 140 S. 143
Der kantonale Richter führt sodann aus, die Erwerbsmöglichkeiten des Beschwerdeführers seien "auf dem für ihn in Betracht fallenden Arbeitsmarkt" spürbar beeinträchtigt. Es erscheint fraglich, ob diese Beeinträchtigung mit der vorinstanzlichen Invaliditätsschätzung hinreichend berücksichtigt worden ist. Dabei ist nämlich zu beachten, dass der Beschwerdeführer geltend macht, infolge seiner Behinderung habe ihn die X. Bergbahnen AG entlassen, was noch zu überprüfen wäre. Nicht abgeklärt sind ferner die Möglichkeiten, die dem in einer Bündner Berggemeinde niedergelassenen Versicherten mit eigener Landwirtschaft offenstehen, als Mechaniker oder in einem etwa gleichwertigen, ihm zumutbaren Berufszweig auf dem in Betracht fallenden Arbeitsmarkt eingesetzt zu werden.
b) Die SUVA wendet sich gegen die Auffassung des Beschwerdeführers, bei der Bemessung seiner Invalidität müsse auch beachtet werden, dass die Handverletzungen ihn bei seiner landwirtschaftlichen Tätigkeit erheblich behindern würden. Dementsprechend wurde bisher nicht geprüft, ob und gegebenenfalls in welchem Ausmass eine solche Behinderung besteht.
Nach der Rechtsprechung darf für die Invaliditätsschätzung eines Versicherten, der in einem der SUVA unterstellten Betrieb verunfallt, die Behinderung in einer Nebenbeschäftigung, insbesondere in der Landwirtschaft, nur dann berücksichtigt werden, wenn der Versicherte darin unselbständigerwerbend und im Hauptberuf nicht während der vollen betriebsüblichen Arbeitszeit beschäftigt ist (EVGE 1955 S. 81). Diese Praxis wurde mit den Bestimmungen der Verordnung II über die Unfallversicherung begründet. Danach wird für die Berechnung der Versicherungsleistungen an Arbeitnehmer, die jeweils höchstens während der Hälfte der für den einzelnen Arbeiter geltenden täglichen Arbeitsdauer im versicherungspflichtigen Betrieb beschäftigt werden, der innerhalb und ausserhalb dieses Betriebes verdiente "Lohn" zusammengerechnet und bis zur Höhe des Durchschnittslohnes eines im gleichen oder in einem gleichartigen benachbarten Betrieb vollbeschäftigten Arbeitnehmers berücksichtigt (Art. 4 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 der Verordnung II). Daraus schloss das Gericht, dass die betreffende Person auch im Nebenberuf unselbständigerwerbend sein müsse.
BGE 102 V 140 S. 144
Diese Betrachtungsweise lässt sich indessen mit dem allgemein geltenden Invaliditätsbegriff nicht vereinbaren. Für die Beurteilung der Frage, in welchem Ausmass ein Versicherter in seiner Erwerbsfähigkeit gesamthaft beeinträchtigt ist, kann es nicht darauf ankommen, ob ihn die Unfallfolgen in einer unselbständigen oder in einer selbständigen Nebenerwerbstätigkeit behindern. An der zitierten Rechtsprechung kann daher in dieser Hinsicht nicht länger festgehalten werden. Vielmehr ist für die Schätzung der Invalidität auch dann die Behinderung in der Nebenerwerbstätigkeit zu berücksichtigen, wenn diese selbständig ausgeübt wird. Anderseits bleibt es dabei, dass die Behinderung im Nebenberuf nur dann in Betracht fällt, wenn die betreffende Person im Hauptberuf nicht voll beschäftigt ist.
Poltera war bis zu seiner Invalidierung im Hauptberuf Arbeitnehmer der X. Bergbahnen AG. Als Gondelbahnangestellter (und Mechaniker) war er nur während der Wintermonate voll ausgelastet, während er in den übrigen Monaten nicht beschäftigt wurde, sondern sich als selbständigerwerbender Landwirt seinem Betrieb widmete und überdies in bescheidenem Ausmass auch als Sägereiarbeiter tätig war. Nach den obigen Darlegungen muss bei der Invaliditätsschätzung auch auf seine Behinderung in der Landwirtschaft abgestellt werden. Ebenso ist, übrigens schon nach bisheriger Rechtsprechung, zu berücksichtigen, inwieweit der Beschwerdeführer wegen der Unfallfolgen sich auch nicht mehr als unselbständigerwerbender Säger betätigen kann. Das Ausmass dieser Beeinträchtigungen lässt sich auf Grund der vorliegenden Akten nicht beurteilen.
c) Es wird Sache der SUVA sein, die zusätzlichen Abklärungen vorzunehmen und alsdann über den Rentenanspruch des Poltera neu zu befinden.
Dispositiv
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in dem Sinne gutgeheissen, dass der vorinstanzliche Entscheid sowie die Verfügung vom 14. September 1973 aufgehoben werden und die Sache an die SUVA zurückgewiesen wird, damit diese im Sinn der Erwägungen verfahre. | null | nan | de | 1,976 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
2f7e0fd0-cc1d-4173-8954-a6f75cc55565 | Urteilskopf
135 V 353
44. Auszug aus dem Urteil der I. sozialrechtlichen Abteilung i.S. S. gegen IV-Stelle Luzern (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
8C_644/2008 vom 19. August 2009 | Regeste
Art. 112 Abs. 2 BGG
;
Art. 61 lit. h ATSG
; a§ 8a des luzernischen Gesetzes vom 3. Juli 1972 über die Organisation des Verwaltungsgerichts (VGOG; SRL Nr. 41 [in der bis 31. Dezember 2008 in Kraft gestandenen Fassung]); Entscheidbegründungspflicht der kantonalen Sozialversicherungsgerichte.
a§ 8a Abs. 1 VGOG, wonach das Gericht in klaren Fällen Urteile und Entscheide ohne Begründung zustellen kann, ist mit Blick auf
Art. 112 Abs. 2 BGG
bundesrechtskonform (E. 3-5). | Erwägungen
ab Seite 354
BGE 135 V 353 S. 354
Aus den Erwägungen:
3.
Die Beschwerdeführerin rügt in formeller Hinsicht vorab die mangelnde Bundesrechtskonformität des a§ 8a Abs. 1 des Gesetzes des Kantons Luzern vom 3. Juli 1972 über die Organisation des Verwaltungsgerichts (VGOG; SRL Nr. 41), wonach das kantonale Gericht in klaren Fällen Urteile und Entscheide ohne Begründung zustellen konnte. Insbesondere widerspreche die betreffende Gesetzesnorm
Art. 61 lit. h ATSG
(SR 830.1), nach welcher Bestimmung Entscheide kantonaler Versicherungsgerichte u.a. versehen mit einer Begründung schriftlich zu eröffnen sind. Eine Ausnahme vom Begründungserfordernis sei gemäss Art. 61 Ingress ATSG in Verbindung mit
Art. 1 Abs. 3 und
Art. 35 Abs. 3 VwVG
(SR 172.021) in sozialversicherungsrechtlichen Streitigkeiten lediglich für den - vorliegend nicht gegebenen - Fall vorgesehen, dass den Begehren der Parteien voll entsprochen werde und keine Partei eine Begründung verlange.
4.
4.1
Die Organisation der Gerichtsbarkeit und die Regelung des Beschwerdeverfahrens sind - innerhalb des durch
Art. 57 und 61 ATSG
vorgegebenen Rahmens - Sache des kantonalen Rechts. Dessen Anwendung prüft das Bundesgericht, soweit die Beschwerde führende Partei nicht in einer den Anforderungen von
Art. 106 Abs. 2 BGG
genügenden Weise die Verletzung von Vorschriften nach
Art. 95 lit. c-e BGG
geltend macht, lediglich unter dem Aspekt einer Verletzung von Bundesrecht (einschliesslich Völkerrecht). Die
BGE 135 V 353 S. 355
Auslegung und Anwendung der kantonalen Bestimmungen als solche ist bundesrechtswidrig, wenn der Vorinstanz eine Verletzung des Willkürverbots (
Art. 9 BV
) vorgeworfen werden muss (
BGE 133 I 149
E. 3.1 S. 153;
BGE 132 I 13
E. 5.1 S. 17 f.;
BGE 131 I 467
E. 3.1 S. 473 f.; je mit Hinweisen). Willkürfrei ausgelegtes kantonales Recht kann nur daraufhin überprüft werden, ob es im Ergebnis zu einer Verletzung von Bundes- oder Völkerrecht führt (vgl.
BGE 131 I 113
E. 3.2 S. 115).
4.2
Gemäss a§ 8a Abs. 1 VGOG kann der Richter in klaren Fällen Urteile und Entscheide ohne die Begründung zustellen. Den Parteien, den Vorinstanzen und allfälligen beschwerdeberechtigten Instanzen ist - laut Abs. 2 der Bestimmung - mitzuteilen, dass sie innert zehn Tagen seit Zustellung des Rechtsspruchs schriftlich eine Begründung verlangen können, ansonsten das Urteil oder der Entscheid in Rechtskraft erwachse. Wird eine Begründung verlangt, beginnt die Rechtsmittelfrist erst mit Zustellung des begründeten Urteils oder Entscheids zu laufen (Abs. 3).
5.
Die bundesrechtliche Grundlage zur Frage der Möglichkeit des Verzichts eines kantonalen Versicherungsgerichts auf eine Entscheidbegründung stellt sich wie folgt dar:
5.1
5.1.1
Art. 112 BGG
regelt die Eröffnung der Entscheide, die der Beschwerde an das Bundesgericht unterliegen. Derartige Entscheide sind den Parteien schriftlich zu eröffnen und müssen u.a. die Begehren, die Begründung, die Beweisvorbringen und Prozesserklärungen der Parteien, soweit nicht aus den Akten hervorgehend, sowie die massgebenden Gründe tatsächlicher und rechtlicher Art, insbesondere die Angabe der zugrunde gelegten Gesetzesbestimmungen, enthalten (Abs. 1 lit. a und b). Abs. 2 der Bestimmung stipuliert sodann, dass, wenn es das kantonale Recht vorsieht, die Behörde ihren Entscheid ohne Begründung eröffnen kann. Die Parteien können diesfalls innert dreissig Tagen eine vollständige Ausfertigung des Entscheids verlangen. Dieser ist nicht vollstreckbar, solange nicht entweder die genannte Frist unbenützt abgelaufen oder die vollständige Ausfertigung eröffnet worden ist.
5.1.2
Dem kantonalen Recht steht es somit grundsätzlich frei, eine Regelung vorzusehen, wonach eine (schriftliche) Entscheidbegründung nur auf Verlangen geliefert wird. Diese Massnahme dient in erster Linie der Verfahrensbeschleunigung, kann sich aber auch aus
BGE 135 V 353 S. 356
finanziellen Gründen als sinnvoll erweisen. Fehlt eine derartige kantonale Grundlage, ist eine Eröffnung ohne Begründung nicht zulässig (vgl. SEILER/VON WERDT/GÜNGERICH, Bundesgerichtsgesetz [BGG], 2007, N. 16 f. zu
Art. 112 BGG
; BERNHARD EHRENZELLER, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2008, N. 12 ff. zu
Art. 112 BGG
; SPÜHLER/DOLGE/VOCK, Kurzkommentar zum Bundesgerichtsgesetz [BGG], 2006, N. 3 zu
Art. 112 BGG
).
5.2
5.2.1
Im Bereich des Sozialversicherungsrechts hat der Bundesgesetzgeber seit jeher Bestimmungen zur Ordnung des kantonalen Gerichtsverfahrens vorgesehen, welche im Wesentlichen vom Bestreben geprägt waren, die im kantonalen Verfahren sozial schwächere Partei - die versicherte Person - zu schützen. Dabei verblieben den Kantonen jedoch stets auch eigene Regelungsbereiche (vgl. dazu im Detail UELI KIESER, ATSG-Kommentar, 2. Aufl. 2009, N. 2 f. zu
Art. 61 ATSG
mit Hinweisen; Entwurf der Kommission des Ständerates vom 27. September 1990 zum Gesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts, BBl 1991 II 186 ff., insb. S. 264). Dem Anliegen, besondere, auf die Eigenheiten des sozialversicherungsrechtlichen Verfahrens zugeschnittene (Mindest-)Anforderungen an die Ausgestaltung des kantonalen Beschwerdeprozesses zu stellen, hat der Bundesgesetzgeber sodann auch bei der Legiferierung des ATSG Rechnung getragen (ULRICH MEYER-BLASER, Die Rechtspflegebestimmungen des ATSG, HAVE 2002 S. 326 ff., insb. S. 332). In
Art. 61 ATSG
werden im 3. Abschnitt ("Rechtspflegeverfahren") unter dem Titel "Verfahrensregeln" die entsprechenden bundesrechtlichen Rahmenbedingungen kodifiziert. Die Ordnung des Verfahrens vor kantonalen Beschwerdebehörden bleibt damit zwar weiterhin grundsätzlich den Kantonen überlassen (vgl. etwa die Ausgestaltung des Gerichts, die Verhandlungssprache, die Kriterien zur Bemessung der Parteientschädigung, die Frage, wer kantonale Entscheide zu unterzeichnen hat, etc.; KIESER, a.a.O., N. 12 zu
Art. 61 ATSG
), die aber wie bis anhin gewisse bundesrechtliche Rahmenvorschriften zu beachten haben (Vertiefte Stellungnahme des Bundesrates vom 17. August 1994 zur Parlamentarischen Initiative Sozialversicherungsrecht, BBl 1994 V 921 ff., insb. S. 940 ff.).
5.2.2
Gemäss Art. 61 Ingress ATSG, welche Norm auch für den hier vorliegenden Bereich der Eidg. Invalidenversicherung zur Anwendung gelangt (Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit
Art. 69 IVG
[die in
Art. 69 Abs. 1
bis
IVG
vorgesehene Abweichung betrifft die
BGE 135 V 353 S. 357
Kostenpflicht und damit nicht die vorstehend zu behandelnde Thematik]), bestimmt sich das Verfahren vor dem kantonalen Versicherungsgericht unter Vorbehalt von
Art. 1 Abs. 3 VwVG
nach kantonalem Recht. Es hat insbesondere den unter lit. a-i der Bestimmung genannten Anforderungen zu genügen. Lit. h deklariert in diesem Zusammenhang, dass Entscheide, versehen mit einer Begründung und einer Rechtsmittelbelehrung sowie mit den Namen der Mitglieder des Versicherungsgerichts, schriftlich zu eröffnen sind.
5.3
Aus dem Dargelegten ergibt sich, dass der Bundesgesetzgeber den kantonalen Versicherungsgerichten für das Verfahren im Rahmen von
Art. 61 ATSG
grundsätzlich eine schriftliche Entscheidbegründungspflicht auferlegt hat (vgl. dazu etwa auch
Art. 20a Abs. 2 Ziff. 4 SchKG
[für das Verfahren vor den kantonalen Aufsichtsbehörden]). Fraglich erscheint, ob dennoch - trotz der in
Art. 61 lit. h ATSG
normierten Minimalanforderungen - ein Begründungsverzicht nach Massgabe des
Art. 112 Abs. 2 BGG
, sofern kantonalrechtlich vorgesehen, zulässig ist. Dies kann aus folgenden Gründen bejaht werden.
5.3.1
Zum einen handelt es sich bei
Art. 112 Abs. 2 BGG
, welcher generell, bei Vorliegen des entsprechenden kantonalen Verfahrensrechts, die Möglichkeit des Verzichts auf eine Entscheidbegründung vorsieht, wenn die Parteien eine solche innert dreissig Tagen verlangen können, gegenüber
Art. 61 ATSG
(wie auch Art. 1 Abs. 3 in Verbindung mit
Art. 35 Abs. 3 VwVG
; vgl. dazu E. 5.3.3 hiernach) um die neuere - und damit massgebliche ("lex posterior derogat legi priori") - Regelung. Diese Sichtweise wird, soweit aus der sachbezüglichen Literatur erkennbar, auch seitens der Lehre befürwortet. So führen etwa SPÜHLER/DOLGE/VOCK, a.a.O., N. 3 zu
Art. 112 BGG
und EHRENZELLER, a.a.O., N. 16 zu
Art. 112 BGG
aus, dass Bestimmungen anderer Bundesgesetze über die schriftliche Eröffnung von Entscheiden (z.B.
Art. 61 lit. h ATSG
; Art. 1 Abs. 3 in Verbindung mit
Art. 34 ff. VwVG
;
Art. 20a Abs. 2 Ziff. 4 SchKG
) im Zweifel wohl im Sinne des neueren
Art. 112 Abs. 2 BGG
auszulegen seien, d.h. eine schriftliche Eröffnung im Dispositiv, mit der Möglichkeit eine Begründung zu verlangen, zuzulassen sei, soweit das kantonale Recht dies vorsehe. Auch KIESER opponiert einer derartigen Betrachtung nicht, sondern hält dafür, dass die kantonalen Gerichte ihre Entscheide unter den in
Art. 35 Abs. 3 VwVG
(in Verbindung mit Art. 61 Ingress ATSG und
Art. 1 Abs. 3 VwVG
; vgl.
BGE 135 V 353 S. 358
E. 5.3.3 hiernach) genannten Voraussetzungen (den Begehren der Parteien wird voll entsprochen und keine Partei verlangt eine Begründung) bzw. nach Massgabe des
Art. 112 Abs. 2 BGG
(samt entsprechender kantonalrechtlicher Grundlage), woraus sich "Ähnliches" ergebe, unbegründet erlassen können (a.a.O., N. 20, 126 in fine und 131 zu
Art. 61 ATSG
;
ders.
, Auswirkungen auf die Sozialversicherungsrechtspflege, in: Die Reorganisation der Bundesrechtspflege - Neuerungen und Auswirkungen in der Praxis, 2006, S. 466 unter Verweis auf Fn. 130).
5.3.2
Im Übrigen wird die mit
Art. 61 lit. h ATSG
normierte Entscheidbegründungspflicht kantonaler Versicherungsgerichte durch die Möglichkeit eines Verzichts weder verletzt, noch ihrer Schutzfunktion beraubt. Indem jede Partei mit einer blossen formlosen Mitteilung eine Begründung verlangen und hierauf entscheiden kann, ob sie den Entscheid anfechten will oder nicht, ist sie stets in der Lage, einen mit
Art. 61 lit. h ATSG
konformen Entscheid zu erwirken. Gegen ihren Willen darf dieser bundesrechtlich vorgegebene Mindeststandard durch kantonales Prozessrecht nicht unterschritten werden. Liegt indessen kein Bedürfnis nach näherer schriftlicher Begründung der Entscheidfindung vor, kann die Partei - wohl im Regelfall unter verminderter Kostenfolge (so auch EHRENZELLER, a.a.O., N. 15 zu
Art. 112 BGG
; SEILER/VON WERDT/GÜNGERICH, a.a.O., N. 21 f. zu
Art. 112 BGG
) - auf diese verzichten. Der Einwand der Beschwerdeführerin, der Empfänger eines unbegründeten Gerichtsentscheids sähe sich gezwungen, den Entscheid darüber, ob er anfechten wolle oder nicht, ohne Kenntnis der Motive der Vorinstanz zu treffen, sticht vor diesem Hintergrund nicht. Ebenso wenig wird sich das Bundesgericht in Anbetracht von Art. 100 Abs. 1 sowie
Art. 112 Abs. 2 und 3 BGG
je mit der Situation konfrontiert sehen, eine Beschwerde ohne Vorliegen eines begründeten vorinstanzlichen Entscheids beurteilen zu müssen (vgl. EHRENZELLER, a.a.O., N. 12 in fine zu
Art. 112 BGG
; SEILER/VON WERDT/GÜNGERICH, a.a.O., N. 18 zu
Art. 112 BGG
). Kein Raum bleibt nach dem Gesagten schliesslich auch für über den Kerngehalt des
Art. 112 Abs. 2 BGG
hinausgehendes kantonales Recht, welches den mit
Art. 61 lit. h ATSG
in diesem Verfahrensbereich abschliessend gesetzten Standard schmälert, aushöhlt oder gar vereitelt (vgl. dazu MEYER, a.a.O., S. 332). Kantonale Vorschriften, wonach eine Begründung erst dann erfolgte, wenn eine der Parteien den Entscheid weiterziehen würde, wären mithin, da nicht mit Sinn und Zweck der aus dem
BGE 135 V 353 S. 359
Anspruch auf rechtliches Gehör (
Art. 29 Abs. 2 BV
) fliessenden Begründungspflicht vereinbar, von
Art. 112 Abs. 2 BGG
nicht gedeckt (EHRENZELLER, a.a.O., N. 14 zu
Art. 112 BGG
). Die Bestimmungen des
Art. 61 lit. h ATSG
und
Art. 112 Abs. 2 BGG
stellen nach dem Gesagten zwei verschiedene Regelungstatbestände dar: Die Anforderungen an den begründeten Entscheid, wenn ein solcher denn zugestellt werden muss, einerseits, und die Möglichkeit des Verzichts darauf anderseits.
5.3.3
Zu keinem anderen Ergebnis führt alsdann der in Art. 61 Ingress ATSG enthaltene Verweis auf das VwVG. Nach
Art. 1 Abs. 3 Satz 1 VwVG
finden auf das Verfahren letzter kantonaler Instanzen, die gestützt auf öffentliches Recht des Bundes nicht endgültig verfügen, die
Art. 34-38 VwVG
Anwendung, welche sich zu den Eröffnungsmodalitäten äussern.
Art. 35 Abs. 3 VwVG
sieht dabei namentlich vor, dass die Behörde auf Begründung und Rechtsmittelbelehrung verzichten kann, wenn sie den Begehren der Parteien voll entspricht und keine Partei eine Begründung verlangt. Diese Bestimmung, auf welche indirekt somit zwar auch für das Verfahren vor den kantonalen Versicherungsgerichten Bezug genommen wird, stellt charakteristischerweise eine allgemeine Regelung im Rahmen verwaltungsinterner Verfahren dar - so befindet sie sich im zweiten Abschnitt des VwVG, der in den Art. 7-43 die allgemeinen Verfahrensgrundsätze des nichtstreitigen Verwaltungsverfahrens normiert, und hat durch
Art. 49 Abs. 3 Satz 2 ATSG
ihren Niederschlag denn auch im Sozialversicherungsverfahren gefunden -, die auf Grund ihres Kerngehalts nicht auf den Beschwerdeprozess zugeschnitten ist. Die darin verankerte Bedingung, nach der für einen Begründungsverzicht den Begehren der Parteien voll entsprochen werden muss, kann im Rahmen eines Gerichtsverfahrens - vorbehältlich der prozessualen Erledigung im Sinne etwa eines Rückzugs (vgl. dazu aber die in jüngster Zeit insofern präzisierte Rechtsprechung, als der Beschluss, mit welchem ein kantonales Versicherungsgericht das Verfahren infolge eines vor ihm geschlossenen Vergleichs abschreibt, zumindest eine summarische Begründung enthalten muss, die darlegt, dass und inwiefern der Vergleich mit Sachverhalt und Gesetz übereinstimmt [
BGE 135 V 65
E. 2 S. 71 ff. mit Hinweisen]) - kaum je erfüllt werden, gibt es im strittigen Zwei- oder Mehrparteienverfahren doch stets einen Verfahrensbeteiligten, der mit seinem Ersuchen unterliegt. Im Verwaltungsverfahren kommt es demgegenüber vor, dass eine Verfügung gleichläufige Rechte und
BGE 135 V 353 S. 360
Pflichten von Adressaten regelt und den Begehren der Parteien mithin vollumfänglich entsprochen werden kann. Der in Art. 61 Ingress ATSG enthaltene Verweis auf
Art. 1 Abs. 3 VwVG
(und
Art. 34-38 VwVG
) lässt folglich nicht auf eine spezifische bundesrechtliche Normierung des Begründungsverzichts im Rahmen kantonaler Versicherungsgerichtsentscheide schliessen und steht einer Anwendbarkeit des
Art. 112 Abs. 2 BGG
- bei entsprechender kantonalrechtlicher Grundlage - nicht entgegen.
5.4
5.4.1
Vor diesem Hintergrund erweist sich a§ 8a Abs. 1 VGOG, welcher den Verzicht auf einen begründeten Entscheid für sogenannt "klare" Fälle vorsieht, grundsätzlich als bundesrechtskonform. Demgegenüber hält Abs. 2 des a§ 8a VGOG, wonach die Parteien innert zehn Tagen seit Zustellung des (unbegründeten) Rechtsspruchs schriftlich eine Begründung verlangen können, vor Bundesrecht nicht stand, das gemäss
Art. 112 Abs. 2 Satz 2 BGG
eine diesbezügliche Frist von dreissig Tagen und für das Ersuchen um vollständig ausgefertigten Entscheid keine Formvorschrift deklariert (vgl. nunmehr aber § 8a Abs. 2 VGOG in der seit 1. Januar 2009 geltenden Fassung, der eine dreissigtägige Frist für das - aber immer noch schriftlich vorzunehmende - Einverlangen der Entscheidbegründung vorsieht). Es handelt sich dabei, im Falle entsprechender kantonalrechtlicher Umsetzung, um eine unmittelbar mit Zeitpunkt des Inkrafttretens Anwendung findende verfahrensrechtliche Bestimmung, auf welche sich die Parteien ohne Beachtung von Übergangsfristen berufen können (DENISE BRÜHL-MOSER, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2008, N. 6 zu
Art. 130 BGG
; SEILER/VON WERDT/GÜNGERICH, a.a.O., N. 38 zu Art. 112 und N. 10 zu
Art. 130 BGG
).
5.4.2
Da der vorliegend zu beurteilende Sachverhalt, wie die nachfolgenden Erwägungen zeigen, indes nicht als "klarer" Fall im Sinne des a§ 8a Abs. 1 VGOG zu qualifizieren ist, durfte das kantonale Gericht dennoch nicht auf eine Begründung verzichten. Daran vermag der Umstand, dass es der Behörde gemäss
Art. 112 Abs. 2 Satz 1 BGG
gestattet ist, ihren Entscheid ohne jedwede Voraussetzung begründungslos zu eröffnen, nichts zu ändern, da hierfür - jedenfalls bis Ende 2008 (seit 1. Januar 2009 lautet § 8a Abs. 1 VGOG: "Der Richter kann Urteile und Entscheide ohne Begründung zustellen.") - die erforderliche kantonalrechtliche Grundlage fehlte (E. 5.1.2 hievor). Die Vorinstanz hätte somit von Beginn weg
BGE 135 V 353 S. 361
begründet entscheiden müssen. Da dies jedoch auf bundesgerichtliche Rückweisung hin mit ergänztem Entscheid vom 11. Juni 2008, welcher in casu Anfechtungsobjekt bildet, geschehen ist, hat nachstehend eine Beurteilung der Streitsache auch in materieller Hinsicht zu erfolgen. | null | nan | de | 2,009 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
2f7f992e-8415-4f74-8491-a46dde0d71a1 | Urteilskopf
92 I 73
14. Urteil vom 25. Mai 1966 i.S. Renold gegen Einwolmergemeinde Baden sowie Regierungsrat und Obergericht des Kantons Aargau. | Regeste
Art. 4 BV
; rechtliches Gehör.
1. Eine irrtümliche Rechtsmittelbelehrung gibt keinen Anspruch darauf, dass auf ein vom kantonalen Prozessrecht nicht vorgesehenes Rechtsmittel eingetreten werde (Erw. 2a).
2. Verweigerung des rechtlichen Gehörs durch eine entgegen dem klaren Gesetzeswortlaut erfolgende Einschränkung der Überprüfungsbefugnis (Erw. 3c). | Sachverhalt
ab Seite 73
BGE 92 I 73 S. 73
A.-
Das am 25. Juni 1963 von der Einwohnergemeindeversammlung der Stadt Baden beschlossene Kanalisationsreglement (KRB) enthält u.a. die folgenden Bestimmungen:
"Art. 12 bis (Marginale "Anschlussgebühr für Altbauten").
Im Hinblick auf die neue Kläranlage erhebt die Gemeinde für bestehende Liegenschaften eine Anschlussgebühr in der halben Höhe der Regelung von Art. 13.
Art. 13 (Marginale "Anschlussgebühr").
Für den Anschluss an die öffentliche Kanalisation erhebt die Gemeinde von den Eigentümern der anzuschliessenden Grundstücke eine einmalige Anschlussgebühr. Sie beträgt
BGE 92 I 73 S. 74
a) für Ein- und Zweifamilienhäuser 1,5 Prozent
b) für Mehrfamilienhäuser 2 Prozent
des ordentlichen Brandversicherungswertes mit der gesetzlichen Zusatzversicherung.
Art. 17 (Marginale "Sonderfälle").
Bei nicht reinen Wohnbauten sowie für Fabriken und gewerbliche Betriebe ist der Gemeinderat berechtigt, die Anschlussgebühr, den Baubeitrag und die Benützungsgebühr von Fall zu Fall festzusetzen."
B.-
Dr. Pierre Renold reichte am 1. Juli 1963 beim Bezirksamt Baden zuhanden der Direktion des Innern und des Regierungsrats gegen den erwähnten Beschluss der Einwohnergemeindeversammlung eine Beschwerde ein. Er stellte darin die Begehren, dem KRB sei die in § 37 des aargauischen Gesetzes über die Nutzung und den Schutz der öffentlichen Gewässer vom 22. März 1954 (GSG) vorbehaltene Genehmigung des Regierungsrats nicht zu erteilen und die Vorlage sei an den Gemeinderat von Baden zurückzuweisen, damit dieser die Art. 13 und 17 KRB neu fasse. Zur Begründung machte Dr. Renold geltend, es sei unzulässig, eine Anschlussgebühr auch für bereits an die Kanalisation angeschlossene Grundstücke zu erheben. Es gehe sodann nicht an, dem Gemeinderat für nicht reine Wohnbauten sowie für Fabriken und gewerbliche Betriebe eine "rahmenlose Blankovollmacht" zur Festsetzung der Anschlussgebühr zu erteilen. Die Art und Weise, wie die Einwohnergemeindeversammlung mit der zusätzlichen Fiskalbelastung bereits an die Kanalisation angeschlossener Grundstücke "überrumpelt" worden sei, verletze § 22 Abs. 2 des Gemeindeorganisationsgesetzes.
Mit Entscheid vom 2. November 1964 trat die Direktion des Innern insoweit, als Bestimmungen des KRB beanstandet worden waren, auf die Beschwerde wegen Unzuständigkeit nicht ein, da diese Frage im Genehmigungsverfahren nach
§ 37 GSG
vom Regierungsrat zu beurteilen sei. Dagegen wies sie die Beschwerde ab, soweit sich diese auf die Rüge der Verletzung von § 22 Abs. 2 des Gemeindeorganisationsgesetzes bezog.
Eine gegen den genannten Abweisungsentscheid gerichtete Beschwerde Dr. Renolds wies der Regierungsrat mit Beschluss 3441 vom 17. Dezember 1964 ab. Mit dem am gleichen Tage gefassten Beschluss 3469 wies er "im Rahmen des Genehmigungsverfahrens" sodann auch die Beschwerde, die Dr. Renold
BGE 92 I 73 S. 75
gegen die genannten Bestimmungen des KRB geführt hatte, materiell ab. Er erteilte dabei die Rechtsmittelbelehrung, dass gemäss
§ 50 GSG
gegen diesen Entscheid innert 20 Tagen, von der Zustellung an gerechnet, wegen Rechtsverletzung, Rechtsverweigerung oder Willkür beim Obergericht als Verwaltungsgericht Beschwerde geführt werden könne. Dr. Renold zog den Beschluss 3469 des Regierungsrats gemäss der erhaltenen Rechtsmittelbelehrung an das Obergericht weiter. Abs. 1 des
§ 50 GSG
lautet:
"Gegen Beschlüsse über Entschädigungs-, Ausgleichs- und Enteignungsansprüche der Schätzungsbehörde und über letztinstanzliche Verfügungen und Entscheide der Verwaltungsbehörden, ausgenommen solche über Staatsbeiträge, steht den Beteiligten wegen Rechtsverletzung, Rechtsverweigerung oder Willkür innert 20 Tagen seit der Zustellung die Beschwerde beim Verwaltungsgericht offen."
Gleichzeitig focht Dr. Renold den Beschluss 3441, "eventuell auch 3469" mit staatsrechtlicher Beschwerde beim Bundesgericht an. In ihrem Urteil vom 26. Mai 1965 trat die staatsrechtliche Kammer auf den Antrag, "eventuell" auch den Beschluss 3469 aufzuheben, nicht ein mit der Begründung, dieser Entscheid könne mit den selben Rügen an das Obergericht als Verwaltungsgericht weitergezogen werden; der Beschwerdeführer habe dies denn auch getan, und das entsprechende Verfahren sei noch hängig, weshalb der kantonale Instanzenzug nicht erschöpft sei. Den Antrag, den Beschluss 3441 aufzuheben, wies das Bundesgericht ab.
In seinem Urteil vom 8. Oktober 1965 trat das Obergericht des Kantons Aargau auf die Beschwerde von Dr. Renold gegen den Beschluss 3469 des Regierungsrates nicht ein und auferlegte dem Beschwerdeführer eine Staatsgebühr von Fr. 300.--, die Auslagen von Fr. 50.- sowie die Parteikosten der Gemeinde Baden im Betrage von Fr. 967.--. Das Obergericht begründete seinen Entscheid im wesentlichen wie folgt: Der Beschwerdeführer fechte allgemein zwei Artikel des KRB an und verlange dem Sinne nach, dass die im Beschwerdeentscheid des Regierungrates stillschweigend enthaltene Genehmigung dieser Artikel wieder aufzuheben sei. Das aargauische Recht kenne aber keine Bestimmung, wonach beim Obergericht generelle Erlasse wegen Gesetz- oder Verfassungswidrigkeit angefochten werden könnten. Auch
§ 50 Abs. 1 GSG
räume dem Obergericht keine solche Überprüfungsbefugnis ein. Die
BGE 92 I 73 S. 76
Ordnung des Kanalisationswesens sei im Kanton Aargau eine eigene Angelegenheit der Gemeinden. Die in
§ 37 GSG
vorgesehene Genehmigung der Kanalisationsreglemente der Gemeinden durch den Regierungsrat sei ein formeller Hoheitsakt, der sich auf das Aufsichtsrecht des Regierungsrates stütze und nicht einmal mit der staatsrechtlichen Beschwerde angefochten werden könne. Der Beschluss 3469 des Regierungsrats sei ausdrücklich "im Rahmen des Genehmigungsverfahrens" gefasst worden. Er beziehe sich auf generelle Bestimmungen des Kanalisationsreglements. Unter "Verfügungen und Entscheide" gemäss
§ 50 GSG
müssten indessen Rechtsanwendungsakte im Sinne von Entscheidungen im Einzelfall verstanden werden, nicht aber Beschlüsse im Genehmigungsverfahren. An diesem seien denn auch nur die betreffende Gemeinde und der Regierungsrat "Beteiligte" im Sinne von
§ 50 GSG
. Auf die Beschwerde könnte übrigens auch dann nicht eingetreten werden, wenn der Regierungsrat seinen Entscheid nicht im Rahmen des Genehmigungsverfahrens gefällt hätte. Verwaltungsrechtssätze könnten nach der geltenden Ordnung nicht vor dem Obergericht als Verwaltungsgericht angefochten werden.
§ 50 Abs. 1 GSG
habe in dieser Beziehung keine Änderung des bisherigen Rechtszustandes gebracht. "Verfügungen" seien erstinstanzliche Verwaltungsakte in einem konkreten Fall, und unter "Entscheiden" müssten oberinstanzliche, einen Einzelfall betreffende Verwaltungsakte (besonders Rekursentscheide) verstanden werden. Die richterliche Überprüfung von Gemeindesatzungen auf ihre Gesetz- und Verfassungsmässigkeit sei nur im konkreten Fall zulässig. Bei Bejahung der Gesetz- oder Verfassungswidrigkeit dürfe der Richter die angefochtenen Normen jedoch nicht generell aufheben, sondern ihnen nur im Einzelfall die Anwendung versagen. Der Beschwerdeführer könne daher die Art. 12bis und 17 des KRB erst dann beim Verwaltungsgericht anfechten, wenn gestützt darauf eine Gebühr oder ein Beitrag von ihm verlangt worden sei. Die Rechtsmittelbelehrung im Entscheid des Regierungsrates und die Auffassung des Bundesgerichts im Urteil vom 26. Mai 1965 über die Möglichkeit des Weiterzugs an das Obergericht seien mithin unzutreffend und für das Obergericht nicht verbindlich, da es allein zur Auslegung zuständig sei.
C.-
Dr. P. Renold führt staatsrechtliche Beschwerde wegen
BGE 92 I 73 S. 77
Verletzung der
Art. 4 und 24quater BV
sowie des Grundsatzes der derogatorischen Kraft des Bundesrechts (Art. 2 Üb. Best. BV). Er beantragt Aufhebung des angefochtenen Entscheids eventuell Aufhebung der Art. 12bis und 17 KRB.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
2.
a) Der Beschwerdeführer vertritt die Auffassung, dass das Obergericht selbst dann, wenn dessen einschränkender Auslegung von
§ 50 GSG
gefolgt werden könnte, nach Treu und Glauben auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde hätte eintreten müssen, da er sie auf Grund der im Beschluss 3469 des Regierungsrates enthaltenen Rechtsmittelbelehrung eingereicht habe. Es sei eine formelle Rechtsverweigerung, ihn im Vertrauen auf die Richtigkeit dieser Rechtsmittelbelehrung nicht zu schützen.
Die UrteileBGE 76 I 189undBGE 77 I 274, welche der Beschwerdeführer zur Begründung seines Standpunktes anruft, betreffen indessen (wie auchBGE 78 I 297) die Versäumnis der Rechtsmittelfrist infolge unrichtiger bzw. missverständlicher Rechtsmittelbelehrung. Im vorliegenden Fall aber geht es darum, ob entgegen der Belehrung überhaupt ein Rechtsmittel gegeben sei. Muss diese Frage verneint werden, so vermag die irrtümliche Rechtsmittelbelehrung dem Beschwerdeführer nicht zu einem in der Rechtsordnung nicht vorgesehenen Rechtsmittel zu verhelfen. Die sachliche Zuständigkeit der Rechtsmittelinstanz wird durch das Gesetz festgelegt; behördliche Erklärungen, wie Rechtsmittelbelehrungen, Rechtsauskünfte und dergleichen können an der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung nichts ändern. Der Rechtsmittelrichter ist daher nicht verpflichtet, ein Rechtsmittel, für das die gesetzlichen Voraussetzungen nicht gegeben sind, entgegenzunehmen und materiell zu behandeln, bloss weil die Vorinstanz eine unrichtige Rechtsmittelbelehrung erteilt hat (nicht veröffentlichte Urteile vom 30. Oktober 1963 i.S. Consorzio Acquedotto di Camou, E. 3 c und vom 18. März 1964 i.S. Jaggi, E. 2). Umsoweniger ist er gehalten, auf Grund einer irrtümlichen Rechtsmittelbelehrung der unteren Instanz auf ein Rechtsmittel einzutreten, das es nach dem Gesetz überhaupt nicht gibt.
b) Der Beschwerdeführer hat aber auch nicht direkt von Bundesrechts wegen einen Anspruch darauf, dass das Obergericht ein in der kantonalen Gesetzgebung nicht vorgesehenes
BGE 92 I 73 S. 78
Rechtsmittel entgegennehme. Wie das Bundesgericht in seinem nicht veröffentlichten Urteil vom 20. Oktober 1965 i.S. Rheinpark A.-G. (E. 3 b) festgestellt hat, besteht unmittelbar auf Grund der Bundesverfassung kein Rechtsanspruch auf einen ungeschmälerten Instanzenzug.
Zwar macht der Beschwerdeführer unter Berufung auf
BGE 85 I 202
, IMBODEN (Schweiz. Verwaltungsrechtssprechung, 2. Aufl., Nr. 95, S. 342) und GIACOMETTI (Die Verfassungsgerichtsbarkeit des Schweiz. Bundesgerichts, S. 99) geltend, das Obergericht verkenne, dass er für den formellen Schutz seiner verfassungsmässigen Rechte nicht auf das noch weitgehend "embryonale" aargauische Verwaltungsgerichtsverfahren angewiesen sei, er vielmehr unmittelbar gestützt auf
Art. 4 BV
einen Anspruch auf rechtliches Gehör habe und verlangen könne, "dass nicht nur Einzelverfügungen der Rechtsanwendung, sondern auch generelle, abstrakte Normen auf ihre Übereinstimmung mit dem Grundsatz der Rechtsgleichheit überprüft werden". Allein auch aus den zitierten Stellen lässt sich eine Pflicht des Richters, auf ein vom Gesetz nicht vorgesehenes Rechtsmittel einzutreten, nicht herauslesen. GIACOMETTI befasst sich am angeführten Orte überhaupt nicht mit dem kantonalen Verfahren, sondern mit demjenigen der staatsrechtlichen Beschwerde. IMBODEN behandelt die Obliegenheit des kantonalen Richters, das kantonale Recht auf seine Übereinstimmung mit dem Bundesrecht hin zu überprüfen.
BGE 85 I 202
schliesslich bezieht sich auf den aus
Art. 4 BV
fliessenden Anspruch einer Partei, von den Behörden angehört zu werden, bevor ihre durch einen Entscheid bestimmte Rechtsstellung zu ihrem Nachteil abgeändert wird.
c) Sollte sich demnach die Rechtsmittelbelehrung des Regierungsrates und die Annahme des Bundesgerichts im Urteil vom 26. Mai 1965, wonach der kantonale Instanzenzug nicht erschöpft sei, als irrtümlich herausstellen, so wäre die Folge lediglich die, dass das Bundesgericht auf seinen Nichteintretensentscheid zurückkommen und gemäss
Art. 35 OG
Wiederherstellung gegen die Folgen der Versäumung der inzwischen abgelaufenen Frist für die Erhebung der staatsrechtlichen Beschwerde gegen den Beschluss 3469 des Regierungsrates erteilen müsste (
BGE 85 II 147
/8).
3.
a) Bei
§ 50 GSG
- einzig die Interpretation dieser Vorschrift durch das Obergericht steht vorliegend in Frage -
BGE 92 I 73 S. 79
handelt es sich um einfaches kantonales Gesetzesrecht. Der Staatsgerichtshof kann daher die Auslegung und Anwendung der genannten Bestimmung nur unter dem beschränkten Gesichtswinkel der Willkür und rechtsungleichen Behandlung prüfen (
BGE 91 I 253
/4). Der Beschwerdeführer macht keine rechtsungleiche Behandlung geltend. Es bleibt daher einzig zu prüfen, ob die Auslegung des
§ 50 Abs. 1 GSG
durch das Obergericht der Rüge der Willkür standhalte.
b)
§ 50 Abs. 1 GSG
lässt die Beschwerde wegen Rechtsverletzung, Rechtsverweigerung und Willkür an das Verwaltungsgericht zu gegen "letztinstanzliche Verfügungen und Entscheide der Verwaltungsbehörden". Eine Verfügung ist ein individueller, an den Einzelnen für einen bestimmten Fall gerichteter Hoheitsakt, durch den die Behörde den Betroffenen in definitiver, verbindlicher und erzwingbarer Weise zu einem Tun, Unterlassen oder Dulden verpflichtet (
BGE 60 I 369
,
BGE 72 I 280
,
BGE 76 I 103
E. 6; BIRCHMEIER, Handbuch des OG, S. 314; vgl. auch RUCK, Schweizerisches Verwaltungsrecht, I. Band, S. 82; GIACOMETTI, Die Verfassungsgerichtsbarkeit des Schweiz. Bundesgerichts, S. 97; derselbe, Allgemeine Lehren des rechtsstaatlichen Verwaltungsrechts, S. 349). Entscheide fallen nach dem Wortlaut von
Art. 84 OG
, wo sie in Klammer erwähnt sind, ebenfalls unter den Begriff der Verfügung, ebenso nach Art. 4 Abs. 1 lit. c in Verb. mit Art. 4 Abs. 2 des bundesrätlichen Entwurfs zu einem Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren (BBl 1965, S. 1377/8). Wenn § 50 Abs. 1 (wie auch § 49 Abs. 1) GSG von "Verfügungen und Entscheiden" spricht, so soll damit offensichtlich ausgedrückt werden, dass auch solche an den Einzelnen gerichtete Hoheitsakte mit der Beschwerde an das Verwaltungsgericht weitergezogen werden können, die in Beurteilung einer Einsprache oder Beschwerde ergangen sind. Dem Obergericht ist daher soweit zuzustimmen, dass sich die verwaltungsgerichtliche Beschwerde gemäss
§ 50 Abs. 1 GSG
nicht unmittelbar gegen einen allgemein verbindlichen Erlass, wie z.B. ein Kanalisationsreglement, richten kann, da in diesem Fall das Angriffsobjekt weder eine Verfügung noch ein Entscheid im dargelegten Sinne ist. Das Obergericht übersieht indes, dass der Beschwerdeführer die Art. 12bis und 17 KRB beim Regierungsrat angefochten, der Regierungsrat diese Beschwerde materiell geprüft und sie mit Beschluss 3469 vom 17. Dezember 1964 abgewiesen hat. Wohl fällte die kantonale
BGE 92 I 73 S. 80
Regierung ihren Beschluss "im Rahmen des Genehmigungsverfahrens", was jedoch nichts daran ändert, dass sie sich in diesem Entscheid darauf beschränkt hat, als Rechtsmittelinstanz die "Beschwerde" von Dr. Renold gegen die beiden beanstandeten Bestimmungen des KRB zu prüfen und sie abzuweisen, ohne sich zur Genehmigung des (ganzen) KRB auszusprechen. Die Frage, ob gegen einen das KRB als ganzes betreffenden Genehmigungsbeschluss die verwaltungsgerichtliche Beschwerde an das Obergericht gemäss
§ 50 Abs. 1 GSG
unzulässig wäre und die Ordnung des Kanalisationswesens im Kanton Aargau eine autonome Angelegenheit der Gemeinde sei, kann daher offen bleiben. Es erübrigt sich mithin auch, auf die nur in diesem Zusammenhang erhobenen Rügen der Missachtung des
Art. 24quater BV
und des Grundsatzes der derogatorischen Kraft des Bundesrechts einzutreten.
c) Liegt aber nach dem Gesagten ein Entscheid des Regierungsrates über die Frage der Rechtsgültigkeit der Art. 12bis und 17 KRB vor, der auf Einsprache oder Beschwerde des Beschwerdeführers hin ergangen ist, so waren an diesem Einsprache- oder Beschwerdeverfahren entgegen der Auffassung des Obergerichts nicht bloss die Gemeinde Baden und der Regierungsrat, sondern auch Dr. Renold "Beteiligte" im Sinne von
§ 50 Abs. 1 GSG
. Für diesen Fall will das Obergericht die Verwaltungsgerichtsbeschwerde aber nur gegen Entscheide zulassen, die "Rechtsanwendungsakte" sind, nicht dagegen auch gegen solche, welche die Überprüfung genereller Normen auf ihre Rechtmässigkeit zum Gegenstand haben. Eine solche Einschränkung sieht
§ 50 Abs. 1 GSG
indes nicht vor. Sie ergibt sich auch nicht aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen. Der Hinweis des Obergerichts auf GIACOMETTI (Allgemeine Lehren des rechtsstaatlichen Verwaltungsrechts, S.493/4) und GYGI/STUCKI (Handkommentar zum bernischen Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege, S. 74) hilft nicht. Der Beschwerdeführer hat beim Obergericht nicht unmittelbar Verwaltungsrechtssätze angefochten. Angriffsobjekt seiner Verwaltungsgerichtsbeschwerde war vielmehr ein einem Urteil vergleichbarer Entscheid des Regierungsrates über eine Einsprache oder Beschwerde, also ein Akt der Rechtspflege. Daran ändert nichts, dass der angefochtene Entscheid die Frage der Rechtsgültigkeit von zwei Bestimmungen des KRB beschlägt.
§ 50 Abs. 1 GSG
schliesst die Verwaltungsgerichtsbeschwerde
BGE 92 I 73 S. 81
gegen derartige Entscheide nicht aus. Das Obergericht hat seine Überprüfungsbefugnis somit entgegen dem klaren Wortlaut des Gesetzes eingeschränkt. Dadurch hat es dem Beschwerdeführer das rechtliche Gehör verweigert und damit
Art. 4 BV
verletzt (
BGE 84 I 227
ff.).
d) Zwar will das Obergericht die Anfechtung von Art. 12bis und 17 KRB im Rahmen einer Verwaltungsgerichtsbeschwerde nach
§ 50 Abs. 1 GSG
dann zulassen, wenn gestützt auf die beiden Bestimmungen eine Gebühr oder ein Beitrag erhoben worden ist, wobei es im Falle der Gutheissung der Beschwerde die angefochtenen Normen zwar nicht generell aufheben, jedoch ihre Anwendung im konkreten Fall versagen dürfe. Erlaubt indessen, wie ausgeführt, der Wortlaut von
§ 50 Abs. 1 GSG
, bereits den Entscheid des Regierungsrates über die Beschwerde betreffend die Rechtsgültigkeit der streitigen Bestimmungen des KRB mit der verwaltungsgerichtlichen Beschwerde an das Obergericht weiterzuziehen, dann läuft es auf einen sachlich nicht begründeten, übertriebenen Formalismus hinaus, der einer formellen Rechtsverweigerung gleichkommt (vgl.
BGE 81 I 118
,
BGE 85 I 209
,
BGE 86 I 10
,
BGE 87 I 9
), und widerspricht überdies dem Gebot der Prozessökonomie, den Beschwerdeführer auf die Anfechtung künftiger Anwendungsverfügungen zu verweisen. Dabei müsste nämlich zunächst wiederum Beschwerde beim Regierungsrat geführt werden (obschon dieser bereits im jetzt angefochtenen Entscheid Stellung genommen hat). Erst dann läge ein "letztinstanzlicher" Entscheid im Sinne von
§ 50 Abs. 1 GSG
vor, der beim Verwaltungsgericht anfechtbar wäre. Auf diese Weise könnte der Beschwerdeführer zudem die beanstandeten Bestimmungen des KRB als solche nicht mehr zu Fall bringen, sondern sich höchstens gegen ihre weitere Anwendung wehren. Demgegenüber hat das Obergericht im Rahmen seiner Überprüfung des Beschlusses 3469 des Regierungsrats die Möglichkeit, generell über die Rechtsbeständigkeit und künftige Anwendung der beiden angefochtenen Vorschriften zu befinden. Im Falle der Rechtswidrigkeit könnten diese ausgemerzt werden (wenn nicht durch das Obergericht selber, so doch auf Grund des obergerichtlichen Urteils durch den Regierungsrat). Damit wäre eine klare Rechtslage geschaffen, und es bliebe dem Beschwerdeführer (sowie gegebenenfalls weiteren Benützern der Kanalisation) die Anfechtung künftiger Anwendungsverfügungen erspart.
BGE 92 I 73 S. 82
e) Diese Erwägungen führen zur Gutheissung des Hauptantrages des Beschwerdeführers in dem Sinne, dass der angefochtene Entscheid des Obergerichtes vom 8. Oktober 1965 aufzuheben ist.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird dahin gutgeheissen, dass der Entscheid des Obergerichts des Kts. Aargau vom 8. Oktober 1965 aufgehoben wird. | public_law | nan | de | 1,966 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
2f7faff1-8520-41f9-a611-55152d5ca86b | Urteilskopf
138 II 346
26. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. Google Inc. und Google Switzerland GmbH gegen Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten EDÖB (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
1C_230/2011 vom 31. Mai 2012 | Regeste
Datenschutzgesetz,
Art. 28 ff. ZGB
; Gewährleistung des Persönlichkeitsschutzes bei der Publikation von Personendaten in Google Street View.
Zuständigkeit des EDÖB (E. 3). Begriff der Personendaten in Bezug auf die in Google Street View verwendeten Bilder (E. 6.5). Datenschutzvorschriften für die Bearbeitung von Personendaten (E. 7). Konkretisierung des in
Art. 28 ZGB
gewährleisteten Persönlichkeitsschutzes durch das Datenschutzrecht, Recht auf informationelle Selbstbestimmung und Recht am eigenen Bild (E. 8). Berücksichtigung allgemeiner datenschutzrechtlicher Grundsätze (E. 9).
Interessenabwägung in Bezug auf die Frage, ob und inwieweit die Bearbeitungsmethoden insgesamt geeignet sind, die Persönlichkeit einer grossen Anzahl von Personen zu verletzen: Es wird in Kauf genommen, dass höchstens ca. 1 % der Bilder ungenügend anonymisiert ins Internet gelangen und darauf erkennbare Personen und Fahrzeugkennzeichen erst auf Anzeige der Betroffenen hin nachträglich manuell unkenntlich gemacht werden (E. 10.6 und 10.7). Pflicht zur effizienten, unbürokratischen und kostenlosen nachträglichen Anonymisierung (E. 10.6.3 und 14.4). Die vorgängige automatische Anonymisierung ist laufend dem Stand der Technik anzupassen (E. 10.6.5 und 14.1). Bei sensiblen Einrichtungen (Schulen, Spitälern, Altersheimen, Frauenhäusern, Gerichten und Gefängnissen etc.) ist vor der Aufschaltung im Internet die vollständige Anonymisierung von Personen und Kennzeichen vorzunehmen (E. 10.6.4 und 14.2). Bilder von Privatbereichen wie umfriedeten Höfen, Gärten usw., die dem Einblick eines gewöhnlichen Passanten verschlossen bleiben, dürfen ohne Zustimmung der Betroffenen grundsätzlich nicht veröffentlicht werden, soweit sie von einer Kamerahöhe von über 2 m aufgenommen wurden; Übergangsfrist von max. drei Jahren zur Entfernung bereits aufgeschalteter Bilder, die dieser Anforderung nicht entsprechen (E. 10.7 und 14.3). Pflicht, in den Medien generell über die Widerspruchsmöglichkeit und speziell über bevorstehende Aufnahmen und Aufschaltungen von Bildern zu informieren (E. 10.6.3, 11 und 14.4). | Sachverhalt
ab Seite 348
BGE 138 II 346 S. 348
A.
Seit August 2009 bietet Google im Internet den Dienst "Street View" für die Schweiz an. Es handelt sich dabei um eine Funktion in Google Maps (
http://maps.google.ch
), mit welcher sich virtuelle Rundgänge namentlich durch Strassen und Plätze unternehmen lassen. Die abgebildeten Strassenzüge können dabei in der Regel in einer Rundsicht betrachtet werden. Die Aufnahme der Strassenbilder von speziell dafür ausgestatteten Fahrzeugen aus erfolgte seit März 2009. Auf den Bildern wurden Gesichter von aufgenommenen Personen und Kennzeichen von Fahrzeugen automatisch verwischt (sog. Blurring). Mehrere Personen, die sich durch einzelne Bilder in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt fühlten, wandten sich gegen die Publikation an den Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten (EDÖB). Dieser hielt die automatische Bearbeitung der Bilder mit einer Anonymisierungssoftware für ungenügend, weil lediglich ein Teil der Gesichter und Kennzeichen verwischt wurde. In der Folge fanden zwischen Google und dem EDÖB Gespräche statt.
B.
Am 11. September 2009 erliess der EDÖB eine Empfehlung an Google Inc. und Google Switzerland GmbH, die diese Unternehmen
BGE 138 II 346 S. 349
mit Schreiben vom 14. Oktober 2009 in weiten Teilen ablehnten. Daraufhin erhob der EDÖB am 11. November 2009 Klage beim Bundesverwaltungsgericht mit folgenden Rechtsbegehren:
"1. Google Inc. sowie die Google Schweiz GmbH stellen sicher, dass die Veröffentlichung der Bilder im Dienst Google Street View nur erfolgt, wenn Gesichter und Autokennzeichen vollständig unkenntlich [gemacht] worden sind.
2. Google Inc. sowie die Google Schweiz GmbH stellen sicher, dass im Dienst Google Street View die Anonymität von Personen im Bereich von sensiblen Einrichtungen, insbesondere vor Frauenhäusern, Altersheimen, Gefängnissen, Schulen, Sozialbehörden, Vormundschaftsbehörden, Gerichten und Spitälern, gewährleistet ist.
3. Google Inc. sowie die Google Schweiz GmbH stellen sicher, dass der Privatbereich (umfriedete Höfe, Gärten usw.) nicht auf Bildträger aufgenommen wird und die bereits aufgenommenen Bilder aus dem Privatbereich der betroffenen Personen aus dem Dienst Google Street View entfernt werden.
4. Google Inc. sowie die Google Schweiz GmbH stellen sicher, dass die von Privatstrassen aus gemachten Aufnahmen aus dem Dienst Google Street View entfernt werden, sofern keine Einwilligung für die Aufnahmen vorliegt.
5. Google Inc. sowie die Google Schweiz GmbH informieren mindestens eine Woche im Voraus, in welchen Städten und Dörfern in der darauf folgenden Woche Aufnahmen getätigt werden.
6. Google Inc. sowie die Google Schweiz GmbH informieren eine Woche vor Aufschaltung aufs Netz, welche Dörfer und Städte aufgeschaltet werden."
Die Klage begründete der EDÖB im Wesentlichen damit, dass das Fotografieren und die anschliessende Übermittlung der Bilder zur Weiterbearbeitung in die USA eine Bearbeitung von Personendaten darstelle, welche die Persönlichkeitsrechte der betroffenen Personen verletze, wenn es sich um Daten aus deren Privatbereich handle. Die Verwendung von Bildern der näheren Umgebung des Lebensmittelpunkts einer Person sei unzulässig, da die Betroffenen trotz unkenntlich gemachtem Gesicht identifiziert werden könnten. Der Betrieb von Google Street View stelle nur dann keine Persönlichkeitsverletzung dar, wenn eine angemessene Unkenntlichmachung gewährleistet sei, sodass ein Personenbezug verneint werden könne. Falls die automatische Verwischung in diesem Bereich nicht funktioniere, könne eine betroffene Person aufgrund der Zoom-Funktionen individualisiert dargestellt und identifiziert werden, was die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen verletze. Die von Google zum Persönlichkeitsschutz
BGE 138 II 346 S. 350
getroffenen Massnahmen reichten nicht aus, da noch Tausende von Bildern mit mangelhafter Unkenntlichmachung im Internet aufgeschaltet seien. Bei Aufnahmen aus der Privatsphäre einer betroffenen Person liege zudem immer eine Persönlichkeitsverletzung vor.
(...)
D.
Mit Urteil A-7040/2009 vom 30. März 2011 hiess das Bundesverwaltungsgericht die Klagebegehren 1 bis 3 sowie 5 und 6 im Sinne der Erwägungen gut. In Bezug auf das Rechtsbegehren 4 wies es die Klage ab.
Aus den Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts ergibt sich, dass der EDÖB die umstrittene Empfehlung zu Recht ausgesprochen habe. Die Datenbearbeitung durch Google verstosse gegen die Bearbeitungsgrundsätze des Bundesgesetzes vom 19. Juni 1992 über den Datenschutz (DSG; SR 235.1) und lasse sich nicht durch überwiegende private oder öffentliche Interessen rechtfertigen. Google habe darum besorgt zu sein, sämtliche Gesichter und Kontrollschilder unkenntlich zu machen, bevor die Bilder im Internet veröffentlicht werden. Im Bereich von sensiblen Einrichtungen, jedenfalls soweit sie der Kläger benenne (Frauenhäuser, Altersheime, Gefängnisse, Schulen, Sozial- und Vormundschaftsbehörden, Gerichte und Spitäler), seien die Bilder überdies so weit zu anonymisieren, dass nebst den Gesichtern auch weitere individualisierende Merkmale wie Hautfarbe, Kleidung, Hilfsmittel von körperlich behinderten Personen etc. nicht mehr feststellbar seien. Bilder, die Privatbereiche wie umfriedete Gärten oder Höfe zeigten, die dem Anblick eines gewöhnlichen Passanten verschlossen blieben, dürften nicht aufgenommen werden. Solche bereits vorhandenen Bilder seien aus Google Street View zu entfernen und die Aufnahmehöhe sei entsprechend anzupassen, oder es sei eine Einwilligung der Berechtigten einzuholen. Dagegen sei es nicht notwendig, Aufnahmen aus Privatstrassen ohne Einwilligung generell zu untersagen. Vielmehr müsse auch hier gelten, dass Aufnahmen und deren Veröffentlichung zulässig seien, sofern sie hinreichend unkenntlich gemacht worden sind und keine Privatbereiche im Sinne von Klagebegehren 3 zeigen. Zur Information über geplante Aufnahmeorte erwog das Bundesverwaltungsgericht, dass ein Hinweis auf der Startseite von Google Maps im Internet nicht genüge, sondern darüber hinaus auch in lokalen Presseerzeugnissen darüber zu orientieren sei. Es gebe potentiell betroffene Personen, die das Internet nicht nutzten, und selbst für den grösseren
BGE 138 II 346 S. 351
Teil der Bevölkerung, der das Internet regelmässig nutze, sei eine regelmässige Konsultation von Google Maps - nur um auf allfällige Aufnahmegebiete aufmerksam zu werden - nicht zumutbar. Gleiches gelte für die Aufschaltung von Aufnahmen im Internet.
E.
Google Inc. und die Google Switzerland GmbH führen mit Eingabe vom 19. Mai 2011 beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. März 2011. (...)
Sie beanstanden zahlreiche verfahrensrechtliche Mängel und machen geltend, die von der Vorinstanz angeordneten Auflagen führten im Ergebnis zu einem faktischen Verbot von Street View in der Schweiz, weil die Befolgung der Auflagen nicht möglich sei. Die Interessen der Nutzer am Weiterbestehen des Dienstes seien zu Unrecht nicht beachtet worden. Zudem habe das Bundesverwaltungsgericht die Bilder in Street View fälschlicherweise als Personendaten im Sinne des Datenschutzgesetzes des Bundes bezeichnet und eine Verletzung des Rechts am eigenen Bild bejaht. (...)
(Auszug)
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
1.1
Der vorliegenden Streitsache liegt eine Empfehlung des EDÖB im Privatrechtsbereich zugrunde (
Art. 29 Abs. 3 DSG
). Das Bundesverwaltungsgericht hat darüber auf Klage des EDÖB hin entschieden (
Art. 29 Abs. 4 DSG
i.V.m.
Art. 35 lit. b VGG
[SR 173.32]). Es handelt sich dabei um einen Endentscheid, der mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim Bundesgericht angefochten werden kann (
Art. 82 lit. a,
Art. 86 Abs. 1 lit. a und
Art. 90 BGG
;
BGE 136 II 508
E. 1.1). Die Beschwerdeführerinnen haben am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen und sind vom angefochtenen Entscheid in schutzwürdigen Interessen unmittelbar besonders betroffen. Sie sind somit zur Beschwerdeführung berechtigt (
Art. 89 Abs. 1 BGG
).
(...)
3.
Die Vorinstanz bejahte im angefochtenen Entscheid A-7040/2009 vom 30. März 2011, E. 5, die Anwendbarkeit des Datenschutzrechts des Bundes und die Zuständigkeit des EDÖB. Die Beschwerdeführerinnen bestreiten im bundesgerichtlichen Verfahren die Anwendbarkeit des Datenschutzrechts des Bundes nicht mehr. Sie sprechen hingegen der eidgenössischen Datenschutzbehörde im
BGE 138 II 346 S. 352
vorliegenden Fall die Zuständigkeit zu Abklärungen und Empfehlungen im Sinne von
Art. 29 DSG
ab, da die in Street View verwendeten Bilder nicht in der Schweiz, sondern in den USA veröffentlicht würden.
3.1
Google Inc. lässt mit Hilfe der Google Switzerland GmbH Bilder von Strassenzügen in der Schweiz aufnehmen. Diese werden anschliessend auf Festplatten zur weiteren Bearbeitung nach Belgien versendet. Vom Unternehmenssitz in den USA aus werden die bearbeiteten Aufnahmen alsdann ins Internet gestellt.
3.2
Das Datenschutzrecht bezweckt den Schutz der Persönlichkeit und der Grundrechte von Personen, über die Daten bearbeitet werden (
Art. 1 DSG
). Unter Bearbeitung von Personendaten ist nach
Art. 3 lit. e DSG
jeder Umgang mit Personendaten, unabhängig von den angewandten Mitteln und Verfahren, insbesondere das Beschaffen, Aufbewahren, Verwenden, Umarbeiten, Bekanntgeben, Archivieren oder Vernichten von Daten zu verstehen. Dazu gehört unter anderem auch die Bekanntgabe solcher Daten ins Ausland (
Art. 6 Abs. 1 DSG
; EPINEY/FASNACHT, in: Datenschutzrecht, Belser/Epiney/Waldmann [Hrsg.], 2011, S. 559 ff.; PHILIPPE MEIER, Protection des données, 2011, S. 436 ff.; ANDRÉ THALMANN, Zur Anwendung des schweizerischen Datenschutzgesetzes auf internationale Sachverhalte, sic! 13/2007 S. 341 f.).
Der EDÖB klärt gemäss
Art. 29 Abs. 1 lit. a DSG
von sich aus oder auf Meldung Dritter hin den Sachverhalt näher ab, wenn Bearbeitungsmethoden geeignet sind, die Persönlichkeit einer grösseren Anzahl von Personen zu verletzen (Systemfehler). Das DSG enthält keine ausdrücklichen Bestimmungen zu seinem räumlichen Geltungsbereich. Als öffentlich-rechtliche Bestimmung gilt für
Art. 29 DSG
das Territorialitätsprinzip. Die Vorschriften des DSG gelten somit für die Bearbeitung von persönlichen Daten in der Schweiz, die den grundrechtlichen Anspruch auf Schutz der Privatsphäre (
Art. 13 BV
) verletzen können (BELSER/NOUREDDINE, in: Datenschutzrecht, Belser/Epiney/Waldmann [Hrsg.], 2011, S. 432 ff.).
3.3
Die in Street View verwendeten Bilder werden in der Schweiz aufgenommen, enthalten Informationen über Personen, Strassen und Plätze in der Schweiz und werden so veröffentlicht, dass sie in der Schweiz abrufbar sind. Es liegt somit ein überwiegender Anknüpfungspunkt zur Schweiz vor. Dass die Bilder im Ausland weiterbearbeitet und nicht direkt von der Schweiz aus ins Internet gestellt
BGE 138 II 346 S. 353
werden, ändert nichts daran, dass eine allfällige Persönlichkeitsverletzung mittels in der Schweiz aufgenommener Bilder in der Schweiz eintritt. Die Beurteilung solcher Verfahren gehören zum Aufgabenkreis des EDÖB (
Art. 29 DSG
). Die Vorinstanz hat somit die Zuständigkeit des EDÖB in der vorliegenden Angelegenheit zu Recht bejaht (vgl. SCHWEIZER/BISCHOF, Der Begriff der Personendaten, digma 11/2011 S. 157; EVA MARIA BELSER, in: Datenschutzrecht, Belser/Epiney/Waldmann [Hrsg.], 2011, S. 370 ff.).
(...)
6.
Die Beschwerdeführerinnen halten den angefochtenen Entscheid für bundesrechtswidrig, weil eine Grundvoraussetzung der Anwendung des Datenschutzgesetzes, die Bearbeitung von
Personendaten
, nicht erfüllt sei.
6.1
Personendaten (bzw. "Daten" im Sinne des Datenschutzgesetzes) sind alle Angaben, die sich auf eine bestimmte oder bestimmbare Person beziehen (
Art. 3 lit. a DSG
). Dazu gehören auch Bilder, ohne dass es auf die Beschaffenheit des Datenträgers ankommt. Entscheidend ist, dass sich die Angaben einer Person zuordnen lassen (
BGE 136 II 508
E. 3.2 S. 513 f.; BELSER/NOUREDDINE, a.a.O., S. 25 ff., 421 ff.). Diese Anforderungen sind bei den in Street View verwendeten Bildern, auf welchen Personen und ihnen zugeordnete Objekte wie Häuser, Fahrzeuge mit Kennzeichen etc. abgebildet sind, grundsätzlich erfüllt. Näher zu untersuchen ist, ob sich die Angaben auf eine
bestimmte oder bestimmbare
Person im Sinne von
Art. 3 lit. a DSG
beziehen.
Eine Person ist dann bestimmt, wenn sich aus der Information selbst ergibt, dass es sich genau um diese Person handelt (Beispiel: Personalausweis). Bestimmbar ist die Person, wenn sie zwar allein durch die Daten nicht eindeutig identifiziert wird, aus den Umständen, das heisst aus dem Kontext einer Information oder aufgrund zusätzlicher Informationen auf sie geschlossen werden kann (z.B. wenn aus Angaben über Liegenschaften der Eigentümer ausfindig gemacht werden kann). Für die Bestimmbarkeit genügt jedoch nicht jede theoretische Möglichkeit der Identifizierung. Ist der Aufwand derart gross, dass nach der allgemeinen Lebenserfahrung nicht damit gerechnet werden muss, dass ein Interessent diesen auf sich nehmen wird, liegt keine Bestimmbarkeit vor (Botschaft vom 23. März 1988 zum Bundesgesetz über den Datenschutz, BBl 1988 II 444 f.). Die Frage ist abhängig vom konkreten Fall zu beantworten, wobei insbesondere
BGE 138 II 346 S. 354
auch die Möglichkeiten der Technik mitzuberücksichtigen sind, so zum Beispiel die im Internet verfügbaren Suchwerkzeuge. Von Bedeutung ist indessen nicht nur, welcher Aufwand objektiv erforderlich ist, um eine bestimmte Information einer Person zuordnen zu können, sondern auch, welches Interesse der Datenbearbeiter oder ein Dritter an der Identifizierung hat (
BGE 136 II 508
E. 3.2 S. 514; BELSER/NOUREDDINE, a.a.O., S. 423 f.; DAVID ROSENTHAL, in: Handkommentar zum Datenschutzgesetz, 2008, N. 24 f. zu
Art. 3 DSG
). Ob eine Information aufgrund zusätzlicher Angaben mit einer Person in Verbindung gebracht werden kann, sich die Information mithin auf eine bestimmbare Person bezieht (
Art. 3 lit. a DSG
), beurteilt sich aus der Sicht des jeweiligen Inhabers der Information. Im Falle der Weitergabe von Informationen ist dabei ausreichend, wenn der Empfänger die betroffene Person zu identifizieren vermag (
BGE 136 II 508
E. 3.4 S. 515). Weiter ist die Bestimmbarkeit zu bejahen, wenn sie sich zumindest auf einen Teil der gespeicherten Informationen bezieht (
BGE 136 II 508
E. 3.5 S. 516; s. zum Ganzen auch SCHWEIZER/BISCHOF, a.a.O., S. 153 ff.).
6.2
Die Vorinstanz hat aufgrund der genannten Kriterien die Bestimmbarkeit der abgebildeten Personen zunächst in Bezug auf die sog. Rohdaten, die bei der Aufnahme der Bilder entstehen und noch nicht automatisch weiterbearbeitet wurden, bejaht. Aber auch bei den nach der automatischen Bearbeitung in Street View aufgeschalteten Bildern ging das Bundesverwaltungsgericht von einem gewissen Anteil bestimmbarer Personen aus, welche wegen mangelhafter Verwischung direkt erkennbar oder zumindest bestimmbar seien. Ein Augenbalken oder die Verwischung der Gesichtspartie schliesse die Erkennbarkeit nicht ohne Weiteres aus, da die abgebildete Person auch durch andere Merkmale oder durch die Umstände identifizierbar bleiben könne. Insbesondere wenn Personen in ihrem Lebensumfeld aufgenommen würden, sei die Wahrscheinlichkeit einer Erkennung durch Bekannte oder Nachbarn zumindest nicht auszuschliessen. Auch lasse sich eine Person, selbst wenn das Gesicht mittels automatischer Software verwischt worden sei, je nach Umständen - Ort der Aufnahme, konkrete Situation, Kleidung und Haltung der Person - durchaus identifizieren. Der Personenbezug ergebe sich bei Fotografien von Personen aus der Abbildung selbst. Er könne sich aber auch erst aus dem Zusammenhang oder aufgrund von Zusatzinformationen direkt oder indirekt ergeben. So entstehe bei Abbildungen von Fahrzeugen ein Bezug zum Fahrer, aufgrund des
BGE 138 II 346 S. 355
Fahrzeugkennzeichens auch zum Halter; bei Häusern und Grundstücken ergebe sich ein Personenbezug zum Eigentümer oder zu dort verkehrenden Personen (Bewohner, Kunden etc.).
6.3
Diese Ausführungen der Vorinstanz sind zutreffend. Die Akten enthalten eine Dokumentation mit zahlreichen Beispielen, die an der Vorbereitungs- und der Hauptverhandlung der Vorinstanz gezeigt wurden. Es handelt sich um Bilder aus Street View, auf welchen Personen ungenügend oder gar nicht verwischt wurden. Teilweise sind Gesichter von Personen, Nummernschilder von Fahrzeugen etc. deutlich erkennbar und auch Einblicke in Gärten und Balkone oder sogar ins Innere von Wohnhäusern möglich. Daraus ergibt sich die Identifizierbarkeit eines Teils der abgebildeten Personen und ihres Umfelds. Selbst wenn auf gewissen Bildern keine Personen abgebildet sind, können Personendaten vorliegen. So etwa wenn sich Bilder von Häusern oder Fahrzeugen der Wohnadresse einer bestimmten Person zuordnen lassen und damit Rückschlüsse auf die konkrete Lebenssituation von Bewohnern des Hauses oder des Halters eines Fahrzeugs (sofern das Nummernschild erkennbar ist) möglich sind. Bilder von privaten Gärten, Höfen, Balkonen oder Hausfassaden mit Einblick in Wohnbereiche betreffen somit ebenfalls Personendaten (vgl. LUCIEN MÜLLER, Videoüberwachung in öffentlich zugänglichen Räumen - insbesondere zur Verhütung von Straftaten, 2011, S. 49; DREIER/SPIECKER GENANNT DÖHMANN, Die systematische Aufnahme des Strassenbildes, 2010, S. 74 ff., 82). Dies hat in Deutschland zur Forderung geführt, dass in Einzelfällen auch ganze Gebäudeansichten verschleiert werden sollen (DREIER/SPIECKER GENANNT DÖHMANN, a.a.o., s. 82 Fn. 240). Eine analoge Empfehlung hat der EDÖB für Street View in der Schweiz nicht abgegeben, sodass die Frage, inwieweit es sich bei Ansichten von Häuserfassaden ohne Einblick ins Gebäudeinnere um Personendaten handelt, nicht weiter zu prüfen ist.
6.4
Dass es sich bei den dokumentierten Beispielen erkennbarer Personen und Fahrzeug-Kennzeichen um das Resultat der Bearbeitung von Bildern durch Google handelt, ist offensichtlich und musste nicht durch zusätzliche Sachverhaltsabklärungen bestätigt werden. Auch durften weitere Abklärungen zu den Fortschritten der Beschwerdeführerinnen bei der Verwischungstechnik unterbleiben, da nicht ersichtlich ist und auch nicht behauptet wird, dass mit der verbesserten Verwischungstechnologie die Bestimmbarkeit von Personen im Sinne von
Art. 3 lit. a DSG
gänzlich entfallen würde. Dass das
BGE 138 II 346 S. 356
Bundesverwaltungsgericht seinen Entscheid auf den im Urteilszeitpunkt vorhandenen Stand von Street View stützte, ist somit nicht zu beanstanden.
6.5
Die Rohbilder von Personen sowie Abbildungen, bei denen nach der automatischen Bearbeitung das Erkennen der Person möglich ist, sind somit als Personendaten zu qualifizieren. Dies gilt auch für Fahrzeugkennzeichen und Abbildungen von Häusern, Gärten und Höfen, da sich auch hier problemlos ein Personenbezug herstellen lässt. Fahrzeugkennzeichen und Häuser können ohne grossen Aufwand Personen zugeordnet werden und es ist mit der Vorinstanz davon auszugehen, dass Dritte ein Interesse an diesen Angaben haben und entsprechend bereit sind, eine Identifizierung vorzunehmen. Der EDÖB klärt nach
Art. 29 Abs. 1 lit. a DSG
den Sachverhalt näher ab, wenn Bearbeitungsmethoden geeignet sind, die Persönlichkeit einer grösseren Anzahl von Personen zu verletzen (Systemfehler). Die Datenbearbeitung durch Google erfolgt mit Bildern aus der ganzen Schweiz, und diese stehen im Internet einem grossen Publikum kostenlos zur Verfügung. Street View ist damit geeignet, die Persönlichkeit einer grösseren Anzahl von Personen zu verletzen. Das führt zur Bejahung eines möglichen Systemfehlers im Sinne von
Art. 29 Abs. 1 lit. a DSG
. Der EDÖB hatte somit Anlass, die Abklärungen, die dem angefochtenen Entscheid zugrunde liegen, vorzunehmen.
7.
Die Beschwerdeführerinnen bringen vor, sie hielten sich an die Bearbeitungsgrundsätze gemäss
Art. 4 DSG
. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz seien weder der Rechtmässigkeitsgrundsatz (
Art. 4 Abs. 1 DSG
) noch der Erkennbarkeits- und Zweckmässigkeitsgrundsatz (
Art. 4 Abs. 3 und 4 DSG
) oder der Verhältnismässigkeitsgrundsatz (
Art. 4 Abs. 2 DSG
) verletzt, sodass kein Grund für die umstrittenen Empfehlungen des Bundesverwaltungsgerichts bestehe.
7.1
Art. 4 DSG
regelt die bei jeder Bearbeitung von Personendaten zu beachtenden allgemeinen Grundsätze (vgl. ASTRID EPINEY, in: Datenschutzrecht, Belser/Epiney/Waldmann [Hrsg.], 2011, S. 510). Dazu gehört, dass Personendaten nur rechtmässig bearbeitet werden dürfen (Abs. 1), dass ihre Bearbeitung nach Treu und Glauben zu erfolgen hat und verhältnismässig sein muss (Abs. 2), dass Daten nur zu dem Zweck bearbeitet werden, der bei der Beschaffung angegeben wurde, aus den Umständen ersichtlich oder gesetzlich vorgesehen ist (Abs. 3), und dass die Beschaffung der Daten und
BGE 138 II 346 S. 357
insbesondere der Zweck ihrer Bearbeitung für die betroffene Person erkennbar sein muss (Abs. 4). Ist für die Bearbeitung von Personendaten die Einwilligung der betroffenen Person erforderlich, so ist diese Einwilligung erst gültig, wenn sie nach angemessener Information freiwillig erfolgt. Bei der Bearbeitung von besonders schützenswerten Personendaten oder Persönlichkeitsprofilen muss die Einwilligung zudem ausdrücklich erfolgen (Abs. 5). Verstossen Private gegen die Grundsätze gemäss
Art. 4 Abs. 1-4 DSG
, so ist zu prüfen, ob die Bearbeitung der Personendaten widerrechtlich ist (ROSENTHAL, a.a.O., N. 3 zu
Art. 4 DSG
). In Ergänzung zu den allgemeinen Bearbeitungsgrundsätzen gemäss
Art. 4 DSG
wird die Bearbeitung von Personendaten durch Private in
Art. 12 und 13 DSG
geregelt. Darin sind die Voraussetzungen festgelegt, welche für eine rechtmässige Bearbeitung erfüllt sein müssen (
BGE 136 II 508
E. 5.1 S. 518). Diese Bestimmungen lauten:
Art. 12 Persönlichkeitsverletzungen
1
Wer Personendaten bearbeitet, darf dabei die Persönlichkeit der betroffenen Personen nicht widerrechtlich verletzen.
2
Er darf insbesondere nicht:
a. Personendaten entgegen den Grundsätzen der Artikel 4, 5 Absatz 1 und 7 Absatz 1 bearbeiten;
b. ohne Rechtfertigungsgrund Daten einer Person gegen deren ausdrücklichen Willen bearbeiten;
c. ohne Rechtfertigungsgrund besonders schützenswerte Personendaten oder Persönlichkeitsprofile Dritten bekanntgeben.
3
In der Regel liegt keine Persönlichkeitsverletzung vor, wenn die betroffene Person die Daten allgemein zugänglich gemacht und eine Bearbeitung nicht ausdrücklich untersagt hat.
Art. 13 Rechtfertigungsgründe
1
Eine Verletzung der Persönlichkeit ist widerrechtlich, wenn sie nicht durch Einwilligung des Verletzten, durch ein überwiegendes privates oder öffentliches Interesse oder durch Gesetz gerechtfertigt ist.
2
Ein überwiegendes Interesse der bearbeitenden Person fällt insbesondere in Betracht, wenn diese:
a. in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Abschluss oder der Abwicklung eines Vertrags Personendaten über ihren Vertragspartner bearbeitet;
b. mit einer anderen Person in wirtschaftlichem Wettbewerb steht oder treten will und zu diesem Zweck Personendaten bearbeitet, ohne diese Dritten bekannt zu geben;
BGE 138 II 346 S. 358
c. zur Prüfung der Kreditwürdigkeit einer anderen Person weder besonders schützenswerte Personendaten noch Persönlichkeitsprofile bearbeitet und Dritten nur Daten bekannt gibt, die sie für den Abschluss oder die Abwicklung eines Vertrages mit der betroffenen Person benötigen;
d. beruflich Personendaten ausschliesslich für die Veröffentlichung im redaktionellen Teil eines periodisch erscheinenden Mediums bearbeitet;
e. Personendaten zu nicht personenbezogenen Zwecken insbesondere in der Forschung, Planung und Statistik bearbeitet und die Ergebnisse so veröffentlicht, dass die betroffenen Personen nicht bestimmbar sind;
f. Daten über eine Person des öffentlichen Lebens sammelt, sofern sich die Daten auf das Wirken dieser Person in der Öffentlichkeit beziehen.
7.2
Im Hinblick auf die Berücksichtigung von Rechtfertigungsgründen bei der Anwendung von
Art. 12 Abs. 2 lit. a DSG
hat das Bundesgericht in
BGE 136 II 508
E. 5.2.4 S. 521 entschieden, dass eine Rechtfertigung der Bearbeitung von Personendaten entgegen den Grundsätzen von
Art. 4,
Art. 5 Abs. 1 und
Art. 7 Abs. 1 DSG
zwar nicht generell ausgeschlossen ist, dass Rechtfertigungsgründe im konkreten Fall aber nur mit grosser Zurückhaltung bejaht werden können. Dies trifft in besonderem Mass auf Dienste wie Street View zu, für welche Personendaten systematisch bearbeitet und für einen unbestimmbar grossen Kreis potenzieller Nutzer veröffentlicht werden.
8.
Das Datenschutzrecht ergänzt und konkretisiert den bereits durch das Zivilgesetzbuch (insbesondere
Art. 28 ZGB
) gewährleisteten Schutz der Persönlichkeit (
BGE 136 II 508
E. 6.3.2 S. 523;
BGE 127 III 481
E. 3 a/bb S. 492 f. mit Hinweis).
Art. 13 Abs. 1 DSG
übernimmt in diesem Sinne den in
Art. 28 Abs. 2 ZGB
verankerten Grundsatz, wonach eine Persönlichkeitsverletzung widerrechtlich ist, wenn sie nicht durch Einwilligung des Verletzten, durch ein überwiegendes privates oder öffentliches Interesse oder durch Gesetz gerechtfertigt ist (
BGE 136 II 508
E. 6.3.2 S. 523;
BGE 136 III 410
E. 2.2 S. 412). Grundsätzlich darf niemand ohne seine (vorgängige oder nachträgliche) Zustimmung abgebildet werden, sei es durch Zeichnung, Gemälde, Fotografie, Film oder ähnliche Verfahren (
BGE 136 III 401
E. 5.2.1 S. 404). Neben dem Recht am eigenen Bild ist im Bereich des Bildnisschutzes in der überwiegenden Zahl der Fälle auch die Ehre sowie die Geheim- oder die Privatsphäre betroffen (MARC BÄCHLI, Das Recht am eigenen Bild, 2002, S. 59 ff.).
8.1
Die Beschwerdeführerinnen vertreten die Auffassung, die in Street View abgebildeten Personen stellten blosses Beiwerk dar, das
BGE 138 II 346 S. 359
bezüglich dem Recht am eigenen Bild irrelevant sei. Daran ändere die in Street View enthaltene Funktion zur Vergrösserung von Bildausschnitten (Zoom-Funktion) nichts. Ebenso wenig sei entscheidend, dass Gärten und Höfe aufgenommen würden. Schliesslich verkenne die Vorinstanz den Zweck des Rechtmässigkeitsgrundsatzes (
Art. 4 Abs. 1 DSG
). Dieser erfasse nur Verhaltensweisen, die unabhängig vom DSG widerrechtlich seien. Ein persönlichkeitsverletzender Verstoss gegen das Recht am eigenen Bild sei kein Verstoss gegen die Bearbeitungsgrundsätze gemäss
Art. 12 Abs. 2 lit. a DSG
, an deren Rechtfertigung nach der Rechtsprechung erhöhte Anforderungen gestellt würden (
BGE 136 II 508
E. 5.2.4 S. 521; vgl. E. 7.2 hiervor).
8.2
Das Recht am eigenen Bild ist das Selbstbestimmungsrecht, das vor widerrechtlicher Verkörperung des eigenen Erscheinungsbildes schützt (BÄCHLI, a.a.O., S. 30 f.). Es umfasst zwei inhaltlich verschiedene Rechte: einerseits einen Abwehranspruch gegen gezieltes, auf Identifikation und Ausforschung gerichtetes Erstellen von Fotos und Videoaufzeichnungen, andererseits ein Recht auf Selbstbestimmung des Menschen bezüglich der Veröffentlichung des eigenen Bildes, insbesondere des Porträts, und seiner Verwendung in kommerzieller oder politischer Werbung (CHRISTIAN BRÜCKNER, Das Personenrecht des ZGB, 2000, S. 188 Rz. 628). Gleichermassen soll das Recht auf Achtung der Privatsphäre verhindern, dass jede private Lebensäusserung, die in der Öffentlichkeit stattfindet, wie zum Beispiel ein Abschiedskuss auf der Strasse oder die Beerdigung eines Menschen der Allgemeinheit bekannt wird (BÄCHLI, a.a.O. S. 43). Der Einzelne soll sich nicht dauernd beobachtet fühlen, sondern - in gewissen Grenzen - selber bestimmen dürfen, wer welches Wissen über ihn haben darf bzw. welche personenbezogenen Begebenheiten und Ereignisse des konkreten Lebens einer weiteren Öffentlichkeit verborgen bleiben sollen. Da mit Hilfe elektronischer Datenverarbeitung personenbezogene Informationen in beliebigem Umfang gespeichert, verknüpft und reproduziert werden können, lassen sich auch an sich harmlose Informationen, die ohne Weiteres der Öffentlichkeitssphäre zuzurechnen wären, zu eigentlich schützenswerten Persönlichkeitsprofilen verdichten.
Im Bereich des Datenschutzes garantiert das verfassungsmässig geschützte Recht auf informationelle Selbstbestimmung (
Art. 13 Abs. 2 BV
und Art. 8 Ziff. 1 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten [EMRK;
BGE 138 II 346 S. 360
SR 0.101]), dass grundsätzlich ohne Rücksicht darauf, wie sensibel die fraglichen Informationen tatsächlich sind, dem Einzelnen die Herrschaft über seine personenbezogenen Daten zusteht (BELSER, a.a.O., S. 361 ff.; RAINER J. SCHWEIZER, in: Die Schweizerische Bundesverfassung, 2. Aufl. 2008, N. 37 ff. zu
Art. 13 BV
; s. auch LUCIEN MÜLLER, Die Videoüberwachung in öffentlich zugänglichen Räumen - insbesondere zur Verhütung und Ahndung von Straftaten, 2011, S. 122 ff.). Nach
Art. 35 Abs. 3 BV
sorgen die Behörden dafür, dass die Grundrechte, soweit sie sich dazu eignen, auch unter Privaten wirksam werden. Der Verwirklichung dieses verfassungsrechtlichen Auftrags dient im vorliegenden Zusammenhang unter anderem das Tätigwerden des EDÖB gemäss
Art. 29 DSG
(vgl. MÜLLER, a.a.O., S. 308 ff., 314 f.).
8.3
Die Vorinstanz hält im angefochtenen Entscheid zu Recht fest, dass schon allein die Aufnahme des Bildes eine Persönlichkeitsverletzung bedeuten kann. Die Veröffentlichung des individualisierenden, das heisst nicht rein zufälligen Bildes ohne Einwilligung des Betroffenen stellt immer eine Persönlichkeitsverletzung dar, und zwar unabhängig davon, ob bereits die Aufnahme unrechtmässig erfolgte (HAUSHEER/AEBI-MÜLLER, Das Personenrecht des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, 2. Aufl. 2008, S. 212 ff.). Das Vorgehen der Beschwerdeführerinnen, Strassenzüge in der Schweiz abzufahren und fotografisch aufzunehmen, betrifft zweifelsohne das Recht am eigenen Bild, weil dabei auch Personen ohne ihr Wissen aufgenommen und im Internet gezeigt werden. Diese Personen sind erkennbar im Sinne des Datenschutzgesetzes (vorne E. 6). Auch wenn sie nur zufällig auf den Bildern als sog. "Beiwerk" oder "Staffage" erscheinen, kann ihr Recht am eigenen Bild verletzt sein (BÄCHLI, a.a.O., S. 106 ff.). Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerinnen kann nicht verallgemeinernd gesagt werden, bei den im öffentlichen Bereich aufgenommenen Personen handle es sich generell lediglich um "Beiwerk" ohne Anspruch auf Schutz der Persönlichkeit. Eine abgebildete Person kann ohne Rechtfertigung durch ein Informationsinteresse des Publikums ins Zentrum des Bildes gerückt oder mittels der Zoom-Funktion derart vergrössert werden, dass sie nicht mehr als untergeordneter Teil eines belebten Strassenbildes erscheint (vgl. BÄCHLI, a.a.O., S. 109). Eine solche Darstellung von Personen schliesst eine rechtliche Behandlung als blosses "Beiwerk" aus, auch wenn die Individualisierung einzelner Personen von den Beschwerdeführerinnen nicht beabsichtigt wird.
BGE 138 II 346 S. 361
Hinzu kommt, dass mitunter auch missliche oder anderweitig unangenehme Situationen aufgenommen und für ein grosses Publikum veröffentlicht werden oder Personen und Fahrzeuge auf Bildern im Bereich von sensiblen Einrichtungen erscheinen. Die Befürchtung von Betroffenen, dass daraus möglicherweise falsche oder sie persönlich belastende Schlüsse gezogen werden könnten, ist nicht von der Hand zu weisen. Dasselbe muss für Gärten und umfriedete Höfe gelten. Auch diese werden von der Privatsphäre umfasst und es ist - selbst wenn sie gemeinhin von Passanten wahrgenommen werden können - ein Unterschied, ob sie bloss im Vorbeigehen momentan zur Kenntnis genommen oder aber auf Fotos aufgenommen und (auf Dauer) im Internet veröffentlicht werden. Es liegt daher in vielen Fällen eine Persönlichkeitsverletzung und damit eine Verletzung des Rechtmässigkeitsprinzips im Sinne von
Art. 4 Abs. 1 DSG
vor. Im Folgenden ist zu prüfen, inwieweit eine Persönlichkeitsverletzung mit hinreichender Anonymisierung der Personendaten vermieden werden kann.
9.
Die Vorinstanz hat die Datenbearbeitung durch die Beschwerdeführerinnen auch als mit dem Erkennbarkeits- und Zweckmässigkeitsgrundsatz (
Art. 4 Abs. 3 und 4 DSG
) sowie dem Verhältnismässigkeitsgrundsatz (
Art. 4 Abs. 2 DSG
) unvereinbar bezeichnet.
9.1
Nach
Art. 4 Abs. 3 DSG
dürfen Personendaten nur für den Zweck bearbeitet werden, welcher bei der Beschaffung angegeben worden ist oder der aus den Umständen ersichtlich oder gesetzlich vorgesehen ist. Der Verwendungszweck der Daten muss bereits bei der Datenbeschaffung angegeben worden sein oder sonst feststehen (Grundsatz der Zweckbindung, vgl. EPINEY, a.a.O., S. 538 ff.). Mit diesem Grundsatz im engem Zusammenhang steht der Grundsatz der Transparenz, der besagt, dass die Beschaffung von Personendaten und insbesondere der Zweck ihrer Bearbeitung für die betroffene Person erkennbar sein müssen (
Art. 4 Abs. 4 DSG
, vgl. EPINEY, a.a.O., S. 544 ff.).
Diesen Grundsätzen wird nicht dadurch Genüge getan, dass die Fahrzeuge, auf welchen die Kameras installiert sind, für Passanten und Anwohner sichtbar sind. Der Zweck dieser Fahrzeuge, Strassenzüge (etc.) systematisch abzufahren und abzubilden und die Aufnahmen ohne Zustimmung der Betroffenen im Internet zu veröffentlichen, ist nicht ohne Weiteres erkennbar, auch wenn Street View in der Schweizer Bevölkerung mittlerweile einen hohen
BGE 138 II 346 S. 362
Bekanntheitsgrad geniesst. Ob ein vorbeifahrendes Google-Fahrzeug gerade Aufnahmen tätigt, ist für die Anwesenden nicht erkennbar. Eine jeweils eine Woche im Voraus erfolgende Information im Internet über aufzunehmende Gebiete gewährleistet die erforderliche Erkennbarkeit nicht hinreichend. Die Datenbearbeitung der Beschwerdeführerinnen verletzt damit die Grundsätze der Zweckbindung und der Transparenz.
9.2
Weiter ist nach
Art. 4 Abs. 2 DSG
das Verhältnismässigkeitsprinzip zu beachten. Dieser in
Art. 5 Abs. 2 BV
verankerte Grundsatz staatlichen Handelns ist im Anwendungsbereich des Datenschutzgesetzes auch für Private verbindlich (
Art. 12 Abs. 2 lit. a DSG
; EPINEY, a.a.O., S. 528 ff.; MEIER, a.a.O., S. 268 ff.). Der Grundsatz besagt, dass eine Grundrechtseinschränkung zur Erreichung des angestrebten Ziels geeignet und erforderlich sein muss und zudem für den Betroffenen zumutbar zu sein hat (
BGE 134 I 140
E. 6.2 S. 151 f.;
BGE 133 I 77
E. 4.1 S. 81; je mit Hinweisen). Im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung (Verhältnismässigkeit im engeren Sinne) ist vor dem Hintergrund des grundrechtlich geschützten Anspruchs auf informationelle Selbstbestimmung (
Art. 13 Abs. 2 BV
, vorne E. 8.2) zu beurteilen, ob zwischen der Datenbearbeitung und dem damit verbundenen Eingriff in die Privatsphäre ein angemessenes Verhältnis besteht. Diese Prüfung betrifft grundsätzlich konkrete Einzelfälle und läuft im Ergebnis auf eine gesamthafte Abwägung aller betroffenen öffentlichen und privaten Interessen hinaus, wie sie auch in Anwendung von
Art. 13 Abs. 1 DSG
und
Art. 28 Abs. 2 ZGB
vorzunehmen ist (EPINEY, a.a.O., S. 528 ff.; MEIER, a.a.O., S. 268 ff., 528, 532 ff.).
9.3
Die Vorinstanz beurteilte die Einhaltung des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes insbesondere im Rahmen einer Interessenabwägung unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismässigkeit im engeren Sinne. Eine weitere Interessenabwägung führte sie im Rahmen der Prüfung des Rechtfertigungsgrunds der überwiegenden Interessen (
Art. 13 Abs. 1 DSG
) durch. Die Beschwerdeführerinnen wenden gegen die vorinstanzliche Prüfung der Verhältnismässigkeit im engeren Sinne zunächst ein, die Persönlichkeitsverletzungen seien nicht anhand konkreter Fälle geprüft worden und die Vorinstanz habe den "sensiblen" Einrichtungen eine zu grosse Bedeutung beigemessen. Weiter habe sie die Widerspruchsmöglichkeiten von Street View verkannt und nicht ausreichend berücksichtigt, dass in traditionellen
BGE 138 II 346 S. 363
Medien und in anderen Online-Angeboten Bilder zu finden seien, die nicht einmal anonymisiert, aber trotzdem vorbehaltlos akzeptiert seien. Unter dem Gesichtspunkt der Interessenabwägung nach
Art. 13 Abs.1 DSG
und
Art. 28 Abs. 2 ZGB
führen die Beschwerdeführerinnen aus, allfällige Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen seien geringfügig und es stünden ihnen gewichtige private Drittinteressen, private Interessen der Beschwerdeführerin 1 sowie öffentliche Interessen gegenüber. Öffentliche Interessen gegen Street View seien nicht ersichtlich.
Es erscheint zweckmässig, die im Rahmen der Interessenabwägung und der Verhältnismässigkeitsprüfung massgebenden Gesichtspunkte gesamthaft zu prüfen und auf eine Aufspaltung der Behandlung dieser inhaltlich sehr eng zusammenhängenden Fragen zu verzichten.
10.
10.1
Wie bereits in E. 8 hiervor dargelegt, ergänzt und konkretisiert
Art. 13 Abs. 1 DSG
den bereits in
Art. 28 Abs. 2 ZGB
gewährleisteten Schutz der Persönlichkeit (
BGE 136 II 508
E. 6.3.2 S. 523;
BGE 127 III 481
E. 3a/bb S. 493; je mit Hinweisen). Trotz der identischen Formulierung von
Art. 13 Abs. 1 DSG
und
Art. 28 Abs. 2 ZGB
besteht in Bezug auf das Verfahren ein erheblicher Unterschied. Vorliegend geht es nicht wie in einem zivilrechtlichen Zweiparteienverfahren zwischen dem mutmasslich in seiner Persönlichkeit Verletzten und dem Datenbearbeiter um eine einzelne konkrete Persönlichkeitsverletzung. Vielmehr ist zu prüfen, ob das Bundesverwaltungsgericht einen erheblichen Teil der Klagebegehren des EDÖB gutheissen durfte. Die Intervention des EDÖB bezweckt die Verteidigung einer Vielzahl von Personen und liegt damit letztlich im öffentlichen Interesse (
Art. 29 DSG
;
BGE 136 II 508
E. 6.3.2 S. 523). Diese Bedeutung der Empfehlung des EDÖB ist bei der Interessenabwägung nach
Art. 13 Abs. 1 DSG
zu berücksichtigen.
10.2
Mit den gutgeheissenen Klagebegehren soll eine Verletzung der Persönlichkeit einer grösseren Anzahl von Personen vermieden werden (
Art. 29 Abs. 1 lit. a DSG
). Ob die Bearbeitungsmethoden der Beschwerdeführerinnen geeignet sind, die Persönlichkeit einer grösseren Anzahl von Personen zu verletzen (
Art. 29 Abs. 1 lit. a DSG
), hat die Vorinstanz vorweg detailliert geprüft. Sie stützte sich auf eine grössere Anzahl von Abbildungen aus Street View mit erkennbaren Personen und Kennzeichen von Fahrzeugen, Einblicken in private Höfe und Gärten sowie teilweise ins Innere von Wohnräumen. Wenn
BGE 138 II 346 S. 364
Personen in ihrem Lebensumfeld aufgenommen werden, erscheint die Wahrscheinlichkeit einer Erkennung durch Dritte relativ gross. Eine Person lässt sich, auch wenn das Gesicht mit der Anonymisierungssoftware verwischt wurde, je nach Umständen - Ort der Aufnahme, konkreter Situation, Kleidung und Haltung der Person - identifizieren. Es ist somit im Hinblick auf die Funktion der Klage sowie der Empfehlungen nach
Art. 29 Abs. 1 lit. a DSG
entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerinnen nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz die Interessenabwägung nicht in Bezug auf einzelne konkrete Darstellungen von Personen, Kennzeichen, Gärten und Höfen auf bestimmten Bildern vornahm. Sie orientierte sich bei der Interessenabwägung zu Recht an der Fragestellung, ob und inwieweit die Bearbeitungsmethoden der Beschwerdeführerinnen insgesamt geeignet sind, die Persönlichkeit einer grösseren Anzahl von Personen zu verletzen.
10.3
Im Rahmen der Interessenabwägung sind die konkreten Interessen zu ermitteln, diese mithilfe rechtlich ausgewiesener Massstäbe zu beurteilen und zu optimieren, sodass sie mit Rücksicht auf die Beurteilung, die ihnen zuteil wurde, im Entscheid möglichst umfassend zur Geltung gebracht werden können (TSCHANNEN/ZIMMERLI/MÜLLER, Allgemeines Verwaltungsrecht, 3. Aufl. 2009, S. 213).
Die sich gegenüberstehenden Interessen sind einerseits das Recht auf Achtung der Privatsphäre und das Recht am eigenen Bild der betroffenen Personen, andererseits die von den Beschwerdeführerinnen vorgebrachten privaten und öffentlichen Interessen. Auf der einen Seite stehen somit die Rechte Betroffener, die selber oder deren Häuser, Wohnungen, Gärten, Fahrzeuge etc. aufgenommen wurden und deren Abbildungen auf Street View für jedermann frei zugänglich veröffentlicht sind. Auf der anderen Seite berücksichtigte die Vorinstanz die überwiegend wirtschaftlichen Interessen der Beschwerdeführerinnen, insbesondere das Interesse, keinen finanziellen (Mehr-)Aufwand für eine manuelle Unkenntlichmachung von nicht automatisch genügend verwischten Bildern leisten zu müssen. Aber auch Interessen von Dritten oder sogar der betroffenen Personen selbst können die Datenbearbeitung unter Umständen rechtfertigen. Grundsätzlich kann jedes schützenswerte Interesse, das heisst jedes Interesse von allgemein anerkanntem Wert, berücksichtigt werden (ROSENTHAL, a.a.O., N. 6 ff. zu
Art. 13 DSG
; CORRADO RAMPINI, in: Basler Kommentar, Datenschutzgesetz, 2. Aufl. 2006, N. 20 ff. zu
Art. 13 DSG
).
BGE 138 II 346 S. 365
Hinweise, was als schützenswertes Interesse gilt, liefern die Beispiele in
Art. 13 Abs. 2 und
Art. 6 Abs. 2 DSG
. Auch rein wirtschaftliche Interessen, wie beispielsweise das Interesse daran, eine Datenbearbeitung möglichst effizient zu gestalten oder die eigenen Geschäftsabläufe zu optimieren, zählen grundsätzlich dazu.
10.4
Die Beschwerdeführerinnen stützten sich vor der Vorinstanz in erster Linie auf ihr eigenes wirtschaftliches Interesse am Betrieb von Street View, insbesondere daran, ihre Position im Bereich von Online-Kartenanwendungen auszubauen und mit Anwendungen, wie etwa Navigationssystemen, in neue Märkte einzusteigen. Damit verbunden sei eine wichtige Einnahmequelle für das Unternehmen, der Verkauf von Werbefläche. Indem das Kartenmaterial selber beschafft werde, würden zudem weitere Kosten gespart. Als öffentliche Interessen machen die Beschwerdeführerinnen einerseits den Wettbewerbsdruck geltend, der durch ihr Angebot erzielt werde, andererseits verweisen sie auf die Interessen zahlreicher Privater, Unternehmen und Gemeinwesen an der Verwendung ihres Dienstes. Letzteren sprach das Bundesverwaltungsgericht die Qualität eines öffentlichen Interesses ab. Es handle sich auch dabei um eigene wirtschaftliche Interessen vor allem finanzieller Art von Google. Die Beschwerdeführerinnen könnten sich somit einzig auf ihre privaten Interessen berufen. Angesichts der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, wonach überwiegende private oder öffentliche Interessen nur zurückhaltend zu bejahen seien (
BGE 136 II 508
E. 5.2.4 S. 521), genügten die angeführten wirtschaftlichen Interessen nicht, um die Persönlichkeitsverletzungen zu rechtfertigen. Die Beschwerdeführerinnen nähmen im Interesse ihres wirtschaftlichen Erfolgs die Verletzung der Persönlichkeitsrechte zahlreicher Personen in Kauf. Dabei gehe es nicht darum, dass sie ihren Online-Dienst nicht ohne Rücksicht auf das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen anbieten könnten. Vielmehr wären allfällige Persönlichkeitsverletzungen vermeidbar, würden aber einen finanziellen Mehraufwand für die Beschwerdeführerinnen nach sich ziehen, weil sie die Bilder teilweise manuell unkenntlich machen müssten. Der Mehraufwand würde ihre wirtschaftliche Existenz jedoch offensichtlich nicht infrage stellen. Es sei im Übrigen nicht ausgeschlossen, einen allfälligen Mehraufwand für die manuelle Anonymisierung auf die an Street View Interessierten zu überwälzen, gebe es doch keinen Grund, dass die Anwendung kostenlos angeboten werden müsse. Die Vermeidung von finanziellem Mehraufwand sowie das kostenlose und damit wirtschaftlich attraktive Anbieten von Street
BGE 138 II 346 S. 366
View anerkannte die Vorinstanz grundsätzlich als beachtenswerte gewinnstrebige Interessen. Diese würden jedoch die Schutzinteressen der von Persönlichkeitsverletzungen betroffenen Personen nicht überwiegen. Die Kostenlosigkeit von Street View sei denn auch kein überwiegendes privates oder gar öffentliches Interesse. Genauso wenig vermöge der angeblich erzeugte Wettbewerbsdruck durch Street View die Persönlichkeitsrechte der betroffenen Personen zu überwiegen.
10.5
Die Beschwerdeführerinnen halten die vorinstanzliche Interessenabwägung für einseitig und lückenhaft. Zusätzlich zu den vom Bundesverwaltungsgericht berücksichtigten Interessen stellen sie das Informationsinteresse des Publikums in den Vordergrund, das die Vorinstanz nicht hinreichend berücksichtigt habe. Street View entspreche einem über blosse Neugierde hinausgehenden Nutzen für die Bevölkerung, etwa bei Wegbeschreibungen oder bei der Orientierung über eine Anfahrt zu einem bestimmten Ziel, bei der Urlaubsplanung oder bei Fernbesichtigungen im Hinblick auf den Kauf oder die Miete einer Liegenschaft. Zudem ermögliche es virtuelle Ausflüge zu Sehenswürdigkeiten etc. Weiter verweisen die Beschwerdeführerinnen auf den Nutzen für sehbehinderte Personen, die sich auf Street View vorweg mit Örtlichkeiten vertraut machen könnten und damit weniger auf fremde Hilfe angewiesen seien. Diese Nutzerinteressen stünden unter dem Schutz der Informationsfreiheit nach
Art. 16 Abs. 3 BV
, was das Bundesverwaltungsgericht nicht beachtet habe. Weiter zu berücksichtigen seien die Interessen zahlreicher Nutzniesser wie der Tourismusbranche, der Immobilienbranche und all jener Anbieter, die Street View in ihre Website eingebunden hätten, um etwa Besuchern die Wegfindung zu erleichtern.
10.6
10.6.1
Den Beschwerdeführerinnen ist darin zuzustimmen, dass im Rahmen der Interessenabwägung nicht nur ihre vorwiegend wirtschaftlichen Interessen zu beachten sind, sondern auch die Interessen Dritter, die aus Street View einen Nutzen durch erleichterte Informationsbeschaffung und -verwendung ziehen (vgl. PHILIPPE MEIER, A l'impossible nul n'est tenu ... sauf Google ?, Medialex 2011 S. 70). Inwieweit dieses Interesse dem Schutz der in
Art. 16 Abs. 3 BV
verankerten Informationsfreiheit unterliegt, ist im Rahmen der vorliegenden Interessenabwägung nicht abschliessend zu prüfen. Es ist offensichtlich, dass Street View seit seiner Einführung für einen erheblichen Teil der Bevölkerung die Suche nach Informationen über
BGE 138 II 346 S. 367
den öffentlichen Raum erleichtert und insofern ein willkommenes, legitimes Hilfsmittel etwa bei der Reiseplanung, der Suche nach einer Liegenschaft oder der Erkundung unbekannter Örtlichkeiten darstellt. In diesem Sinne ergänzt der Dienst die Orientierung mittels Stadtplänen oder Landkarten, die auch im Internet konsultiert werden können. Allfällige unlautere Absichten gewisser Nutzer stellen die grundsätzlich positiven Aspekte der mit Street View eröffneten Orientierungshilfen nicht infrage. Das beschriebene Interesse an der Nutzung von Street View ist in der Interessenabwägung zu berücksichtigen.
Dem umstrittenen Betrieb von Street View stehen namentlich die von der Vorinstanz erörterten Persönlichkeitsschutzinteressen der Betroffenen entgegen. Für diese negativ auswirken kann sich auch die flächendeckende Wirkung von Street View, die Anlasslosigkeit bzw. Unverbundenheit der Abgebildeten mit Google als Dienstanbieter, die in einzelnen Fällen mögliche hohe Persönlichkeitsrelevanz der Daten, die Zweckungebundenheit und Unkontrolliertheit, mit der Dritte Daten aus Street View speichern, rekombinieren und verwenden können, mögliche Nachteile durch erleichterte Ausspähung, fehlende Information über den Eingriff usw. (vgl. DREIER/SPIECKER GENANNT DÖHMANN, a.a.O., S. 134 f.).
10.6.2
Den Persönlichkeitsverletzungen und weiteren negativen Auswirkungen beugen die Beschwerdeführerinnen vor, indem die meisten Bilder von Personen und Fahrzeugkennzeichen in Street View mit der automatischen Verwischungstechnologie "anonymisiert" im Internet erscheinen. Beim systematischen Bearbeiten sehr grosser Mengen von Personendaten mit Veröffentlichung für einen unbestimmbar grossen Kreis potenzieller Nutzer, wie es bei Street View der Fall ist, erscheint es grundsätzlich gerechtfertigt, hohe Anforderungen an die Anonymisierung zu stellen. Insbesondere, weil sich der öffentliche und der private Raum nur schwer voneinander abgrenzen lassen und die Trennung wesentlich auch vom Betrachter abhängt, sollten die betroffenen Personen möglichst auch im öffentlichen Raum in ähnlichem Mass durch Anonymisierung geschützt werden, als würde es um einen Einblick in einen privaten Raum gehen. Ausserdem ist zu bedenken, dass infolge der technologischen Entwicklung der letzten Jahre die Speicherfähigkeit, Durchlässigkeit und Vernetzung von Informationen enorm zugenommen haben (vgl. SCHWEIZER/BISCHOF, a.a.O., S. 156 f.).
BGE 138 II 346 S. 368
Die Fehlerquote der von den Beschwerdeführerinnen verwendeten Verwischungstechnologie beträgt nach dem angefochtenen Entscheid 0,9 bis 2,5 %, wobei die Beschwerdeführerinnen behaupten, sie hätten die Qualität der automatisierten Verwischung seither noch verbessert, was tatsächlich zu einer tieferen Fehlerquote führe. Der EDÖB hält diesen Ausführungen entgegen, bei der hohen Anzahl Bilder, die in Street View verwendet würden, sei auch eine tiefe Fehlerquote nicht hinnehmbar, da damit immer noch die Persönlichkeit einer grossen Anzahl Personen verletzt werde. Diese Überlegung ist grundsätzlich richtig. Wird nach den Angaben des EDÖB betreffend die Schweiz von 20 Mio. veröffentlichten Bildern ausgegangen, resultiert bei einer Fehlerquote von 2 % immerhin eine Anzahl von 400'000 mangelhaft anonymisierten Bildern. Bei einer Trefferquote von 99,5 % wären immer noch 100'000 Bilder nicht hinreichend bearbeitet. Hinzu kommt, dass auf einem Bild mehrere Mängel bei der Anonymisierung denkbar sind, welche potenziell zu einer höheren Anzahl von Persönlichkeitsverletzungen führen, und dass je nach den Umständen auch bei der Anonymisierung von Gesichtern und Kennzeichen eine gewisse Identifizierbarkeit für Dritte verbleibt (vgl. DREIER/SPIECKER GENANNT DÖHMANN, a.a.O., S. 83 f.; MÜLLER, a.a.O., S. 49).
Die Beschwerdeführerinnen sind somit bestrebt, mit der Verwischungstechnologie alle Abbildungen von Gesichtern und Fahrzeugkennzeichen unkenntlich zu machen, um den Eingriff in die Persönlichkeitsrechte betroffener Personen zu vermeiden. Zudem bieten sie eine Widerspruchsmöglichkeit an, mit der Betroffene die Entfernung oder wirksame Verwischung bestimmter Aufnahmen beantragen können. Die getroffenen Massnahmen reichen nach Auffassung der Vorinstanz nicht aus, da immer wieder Personen und Fahrzeugkennzeichen nicht genügend unkenntlich gemacht würden und somit erkenn- und bestimmbar blieben. Umso mehr gelte dies im Bereich von sensiblen Einrichtungen (insbesondere Schulen, Spitälern, Altersheimen, Frauenhäusern, Sozial- und Vormundschaftsbehörden, Gerichten, Gefängnissen). Hinzu komme, dass angesichts der Aufnahmehöhe Einblicke in Gärten und Höfe und teilweise auch in das Innere von Gebäuden ermöglicht würden, die etwa einem vorbeigehenden Passanten verborgen blieben. Daran ändere auch das von den Beschwerdeführerinnen angebotene Widerspruchsrecht nichts, da dieses zwangsläufig erst nach einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts ausgeübt werden könne.
BGE 138 II 346 S. 369
10.6.3
Grundsätzlich stellt jede unterbliebene Anonymisierung eines Gesichts oder eines anderen Identifikationsmerkmals eine Persönlichkeitsverletzung dar, soweit der Betroffene der Publikation des Bildes nicht zugestimmt hat und keine gesetzliche Rechtfertigung vorliegt (
Art. 13 Abs. 1 DSG
). Die Beschwerdeführerinnen haben sich jedoch verpflichtet, auf einfache Meldung hin die erforderlichen Nachbesserungen vorzunehmen.
Dazu besteht im Internetauftritt von Street View eine kleine Schaltfläche ("ein Problem melden") mit einem Link zur Bezeichnung von Bildern, die Persönlichkeitsrechte verletzen. In Anbetracht der Tatsache, dass ein stark überwiegender Teil der Bilder vor der Publikation im Internet automatisch korrekt anonymisiert wird, erscheint es grundsätzlich vertretbar, dass die restlichen Anonymisierungen erst auf Anzeige hin manuell vorgenommen werden. Dies setzt allerdings voraus, dass die Benutzer gut erkennbar über die Widerspruchsmöglichkeit informiert werden und die zusätzlichen Anonymisierungen effizient und unbürokratisch herbeigeführt werden können. Die zurzeit auf Street View bestehende kleine, kaum erkennbare Schaltfläche zur Meldung von Problemen genügt als Information über die Widerspruchsmöglichkeit nicht. Den Benutzern muss ein gut sichtbarer Link - etwa mit dem klaren Hinweis "Anonymisierung verlangen" - zur Verfügung gestellt werden. Aus einem solchen Link muss sich ergeben, dass die Benutzer die hinreichende Anonymisierung unzulässiger Inhalte in Street View veranlassen können. Die Beschwerdeführerinnen müssen berechtigte Anonymisierungswünsche rasch und für die Benutzer kostenlos umsetzen, ohne dass diese ein Interesse an der Anonymisierung nachweisen müssten. Eine komplizierte Auseinandersetzung darüber, ob und inwieweit Anonymisierungswünsche gerechtfertigt sind bzw. die Beschwerdeführerinnen zu deren Umsetzung verpflichtet sind, wäre mit dem Anspruch auf Persönlichkeitsschutz nicht vereinbar. Sollte sich ergeben, dass die Widerspruchsmöglichkeit nicht reibungslos ausgeübt werden kann, so steht den Betroffenen neben der Klage nach
Art. 28a ZGB
(vgl.
Art. 15 DSG
) die Benachrichtigung des EDÖB offen, der gestützt auf
Art. 29 DSG
eigene Abklärungen vornimmt und die Rechte nach
Art. 29 Abs. 2-4 DSG
ausüben kann.
Die Beschwerdeführerinnen haben daher auf der Internetseite von Street View eine einfach handhabbare Widerspruchsmöglichkeit zu schaffen, die auch von ungeübten Internetbenutzern problemlos in
BGE 138 II 346 S. 370
Anspruch genommen werden kann. Für Personen, die ihren Widerspruch nicht via Internet schriftlich erheben wollen, müssen sie eine Postadresse in der Schweiz für Beanstandungen angeben. Die Beschwerdeführerinnen müssen diese Widerspruchsmöglichkeiten in regelmässigen Abständen (mindestens alle drei Jahre) in weit verbreiteten Medien, namentlich auch Presseerzeugnissen öffentlich bekannt machen. Wenn neue Aufnahmefahrten durchgeführt werden und wenn neue Aufnahmen in Street View aufgeschaltet werden, ist dies ebenfalls in den Medien bekannt zu machen (Klagebegehren 5 und 6; E. 11 hiernach). Bei der Bekanntgabe neuer Aufnahmefahrten und der Aufschaltung neuer Aufnahmen in den Medien ist ebenfalls deutlich auf die Widerspruchsmöglichkeit hinzuweisen.
10.6.4
Die Benutzung der beschriebenen nachträglichen Widerspruchsmöglichkeit ist den von einer Persönlichkeitsverletzung Betroffenen unter datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten umso eher zumutbar, als nach dem angefochtenen Entscheid im Bereich von sensiblen Einrichtungen (insbesondere Schulen, Spitälern, Altersheimen, Frauenhäusern, Gerichten, Gefängnissen) nicht nur Gesichter und Kontrollschilder zu anonymisieren sind, sondern eine weitergehende Verwischung erfolgen muss, die zusätzliche individualisierende Merkmale wie Hautfarbe, Kleidung, Hilfsmittel von körperlich behinderten Personen etc. umfasst. Diese Verpflichtung kritisieren die Beschwerdeführerinnen zwar auch als zu weitgehend und in Bezug auf die Definition der "sensiblen Einrichtungen" als zu unbestimmt. Ihrer Kritik kann jedoch nicht gefolgt werden, da sich dem angefochtenen Entscheid mit hinreichender Klarheit entnehmen lässt, welche Bereiche und Gebäude zu den sensiblen Einrichtungen gehören, in deren Umgebung ein erhöhtes Interesse an lückenlosem Schutz vor Persönlichkeitsbeeinträchtigungen besteht.
Soweit die Beschwerdeführerinnen behaupten, eine lückenlose manuelle Anonymisierung sei mit einem unzumutbaren Aufwand verbunden, sodass die Fortführung von Street View in der Schweiz infrage gestellt sei, ergibt sich vor dem Hintergrund der auf dem Spiel stehenden Persönlichkeitsschutzinteressen, dass der zusätzliche Aufwand für die generelle vorgängige Anonymisierung zumindest im Bereich sensibler Einrichtungen im Verhältnis zum Gesamtaufwand, den die Beschwerdeführerinnen für die Bereitstellung von Street View auf sich nehmen, nicht als übermässig bezeichnet werden kann. Sollten sich bei der manuellen Verwischung einzelner
BGE 138 II 346 S. 371
Personen und Fahrzeuge vor gewissen sensiblen Einrichtung grössere Schwierigkeiten ergeben, so kann auch eine Totalverwischung eines Gebäudes mitsamt der sich in dessen Einzugsbereich befindenden Personen, Fahrzeugen etc. Platz greifen, ohne dass damit der Informationsgehalt von Street View insgesamt ernsthaft infrage gestellt wäre. Bei einer solchen Anonymisierung ist dafür Sorge zu tragen, dass aus der Anonymisierung keine eigenständigen Rückschlüsse gezogen werden können, etwa durch Angaben, warum und auf wessen Intervention hin eine Verwischung erfolgt ist (vgl. DREIER/SPIECKER GENANNT DÖHMANN, a.a.O., S. 84 f.).
10.6.5
Im Hinblick auf die wegen mangelhafter Anonymisierung verbleibenden Persönlichkeitsverletzungen ist weiter darauf hinzuweisen, dass jede widerrechtliche Persönlichkeitsverletzung einen Verstoss gegen
Art. 28 ZGB
darstellt, gegen den Berechtigte auf dem Klageweg vorgehen können (
Art. 15 DSG
i.V.m.
Art. 28a ZGB
; vgl.
BGE 136 II 401
und 410). Trotz der vom Bundesrat in seinem Bericht vom 9. Dezember 2011 über die Evaluation des Bundesgesetzes über den Datenschutz beklagten geringen Bekanntheit der gesetzlichen Durchsetzungsrechte (vgl. BBl 2012 342 f. Ziff. 3.2,
BGE 136 II 348
Ziff. 5.1) haben die Beschwerdeführerinnen ungeachtet der hier umstrittenen Begehren des EDÖB ein hohes Interesse an einer möglichst zuverlässigen Anonymisierung von Personendaten, ansonsten ihnen zivilrechtliche Folgen wegen Persönlichkeitsverletzungen drohen, die ihren eigenen (wirtschaftlichen) Interessen zuwiderlaufen. Es besteht somit ein immanentes Interesse, die Anonymisierungssoftware weiter zu verbessern. Der EDÖB hat ausserdem unter anderem Anspruch auf Bekanntgabe der Daten über die Fortschritte bei der automatischen Anonymisierung und den Aufwand über die zusätzliche Verwischung (
Art. 29 Abs. 2 DSG
). Sollte er dabei feststellen, dass die Bearbeitungsmethoden trotz der nach diesem Urteil vorzunehmenden Verbesserungen geeignet sind, die Persönlichkeit einer grösseren Anzahl von Personen zu verletzen (
Art. 29 Abs. 1 lit. a DSG
), so kann er diesbezüglich neue Empfehlungen abgeben (
Art. 29 Abs. 3 DSG
). Es besteht somit auch in datenschutzrechtlicher Hinsicht begründeter Anlass zur Annahme, dass die Gefahr von Persönlichkeitsverletzungen erheblich reduziert wird, selbst wenn nicht sämtliche Bilder einer manuellen Anonymisierung unterzogen werden. Trotz des Verzichts auf eine umfassende vorgängige manuelle Anonymisierung sind die Beschwerdeführerinnen verpflichtet, mit allen zur Verfügung stehenden technischen Mitteln eine vollständige Anonymisierung
BGE 138 II 346 S. 372
anzustreben und die automatische Anonymisierung laufend dem Stand der Technik anzupassen. Sollten die Beschwerdeführerinnen ihrer Pflicht nicht nachkommen, kann der EDÖB die nach
Art. 29 DSG
zulässigen Massnahmen ergreifen (E. 10.7 in fine). Unter den gegebenen Umständen erübrigt sich der Beizug eines Gutachtens zum Aufwand für eine manuelle Anonymisierung.
10.6.6
Bei einer gesamthaften Abwägung der verschiedenen Interessen ist auch zu beachten, dass angesichts der in der heutigen Gesellschaft faktisch bestehenden Einbindung von Personendaten in die soziale Realität nicht ein totaler Schutz vor einer unbefugten Bildveröffentlichung gewährleistet werden kann. Häufig haben die Bilder und betroffenen Daten nur eine geringe Persönlichkeitsrelevanz und sie geben einen statischen Zustand wieder, der in der Regel einige Zeit zurückliegt, ohne dass der genaue Zeitpunkt der Aufnahme für den Betrachter erkennbar wäre. Damit ist davon auszugehen, dass ein namhafter Teil der mit Street View hervorgerufenen Persönlichkeitsverletzungen nicht sehr schwer wiegt und mit einer unbürokratisch gehandhabten Widerspruchsmöglichkeit hinreichend korrigiert werden kann (vgl. E. 10.6.3 hiervor).
Hingegen behaupten die Beschwerdeführerinnen zu Unrecht, sie würden im Vergleich zu anderen Unternehmen und Personen, die Abbildungen mit erkennbaren Personen oder Stadtrundgänge etc. im Internet veröffentlichen, rechtsungleich behandelt. Die von den Beschwerdeführerinnen genannten anderen Dienste sind im Unterschied zu Street View nicht darauf ausgerichtet, die städtischen Räume in der Schweiz flächendeckend zu erfassen und eine derart grosse Datenmenge im Internet zu publizieren wie Google. Sie sind somit mit Street View nur beschränkt vergleichbar. Soweit sie ähnliche Persönlichkeitsverletzungen bewirken wie Street View, sind sie öffentlich- und privatrechtlich unter dem Gesichtspunkt des Persönlichkeitsschutzes gleich zu behandeln wie die Beschwerdeführerinnen. Wie erwähnt ist dabei zu berücksichtigen, dass eine Grosszahl von frei zugänglichen Abbildungen im Internet vorhanden ist, bei denen die Gefahr einer Persönlichkeitsverletzung in Kauf genommen wird. Dies ist Ausdruck einer gesellschaftlichen Realität, die bei der datenschutzrechtlichen Beurteilung von Street View berücksichtigt werden muss. Der Bundesrat hat im Übrigen die Bedrohungen für den Datenschutz durch die technologischen und gesellschaftlichen Entwicklungen der letzten Jahre erkannt und ist bestrebt, den Datenschutz zu
BGE 138 II 346 S. 373
stärken, ohne dadurch die Teilhabe von Bevölkerung, Wirtschaft und Gesellschaft an den neuen Kommunikationstechnologien und die weitere technologische Entwicklung zu gefährden (BBl 2012 348 Ziff. 5.1). Während der Bundesrat den weiteren Handlungsbedarf auf den Ebenen des Gesetzesvollzugs und der Gesetzesänderung prüft, sind im vorliegenden Verfahren die verschiedenen Interessen möglichst umfassend zu berücksichtigen.
10.7
Unter Beachtung der genannten Gesichtspunkte erscheint es nicht gerechtfertigt, die Beschwerdeführerinnen zusätzlich zur automatischen Anonymisierung vor der Aufschaltung im Internet auf eine
vollständige
Unkenntlichmachung aller Gesichter und Fahrzeugkennzeichen in Street View zu verpflichten. Diese Forderung gemäss Ziff. 1 der Rechtsbegehren des EDÖB entspricht zwar als Zielsetzung dem Datenschutzgesetz, doch ergibt sich im Rahmen der Interessenabwägung, dass eine kleine Fehlerquote von ca. 1 % bei der automatischen Anonymisierung hingenommen werden kann, wenn die Beschwerdeführerinnen bei der Veröffentlichung von Abbildungen in Street View verschiedene Kriterien erfüllen.
Dazu gehört neben der in E. 10.6.3 hiervor genannten Widerspruchsmöglichkeit die Gewährleistung der Anonymität von Personen im Bereich von sensiblen Einrichtungen, insbesondere vor Frauenhäusern, Altersheimen, Gefängnissen, Schulen, Gerichten und Spitälern im Sinne von Ziff. 2 der Klagebegehren und E. 10.6.4 hiervor.
Ausserdem haben die Beschwerdeführerinnen sicherzustellen, dass der Privatbereich der betroffenen Personen (umfriedete Höfe, Gärten, Balkone usw.) respektiert wird (Ziff. 3 der Klagebegehren und E. 11 des angefochtenen Entscheids A-7040/2009). Dabei geht es um Privatbereiche, die dem Einblick eines gewöhnlichen Passanten verschlossen bleiben. Nichts anderes ergibt sich aus
BGE 137 I 327
, der allerdings im Unterschied zur vorliegenden Sache eine gezielte Observation einer Person auf einem von jedermann ohne Weiteres frei einsehbaren Balkon in einem spezifischen sozialversicherungsrechtlichen Verfahren ohne Publikation der Aufnahmen im Internet betraf.
Die Publikation von Aufnahmen aus dem nicht frei einsehbaren Privatbereich ohne Einwilligung der Berechtigten bewirkt ungerechtfertigte Persönlichkeitsverletzungen, die nicht hingenommen werden können. Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass die Aufnahmen zurzeit von einer erhöhten Kameraposition (ca. 2,8 m) aus aufgenommen werden. Die von den Beschwerdeführerinnen
BGE 138 II 346 S. 374
vorgebrachte Rechtfertigung, die im Vergleich zu durchschnittlichen Passanten erhöhte Kameraposition entspreche dem, was Bewohner von Nachbargebäuden oder Bus- und Trampassagiere etc. sehen könnten, überzeugt nicht, da die von einer erhöhten Kameraposition aufgenommenen Standbilder etwa in Verbindung mit der Zoom-Funktion einem grösseren Personenkreis einen viel präziseren Einblick in Privatbereiche erlauben als dies bei einer persönlichen Präsenz im nachbarlichen Umfeld der Regel entspricht. Es ist somit anzuordnen, dass Bilder, die Privatbereiche wie umfriedete Gärten, Höfe etc. zeigen,
die dem Einblick eines gewöhnlichen Passanten
verschlossen bleiben, nicht in Street View veröffentlicht werden dürfen und solche bereits vorhandenen Bilder aus Street View entfernt werden müssen oder eine Einwilligung der betroffenen Personen einzuholen ist. Für die Entfernung der genannten, bereits aufgeschalteten Bilder können die Beschwerdeführerinnen eine Übergangsfrist von maximal drei Jahren beanspruchen, soweit Berechtigte nicht im Einzelfall früher von ihrem Widerspruchsrecht Gebrauch machen (E. 10.6.3) und die unverzügliche Beseitigung der Persönlichkeitsverletzung verlangen.
Bei der Handhabung des von den Beschwerdeführerinnen als zu unbestimmt gerügten Begriffs des gewöhnlichen Passanten erscheint im Hinblick auf die Aufschaltung neuer Aufnahmen eine Kamerahöhe von maximal 2 m als zulässig. Diese Höhenbeschränkung entspricht ungefähr der Augenhöhe eines Passanten auf dem Trottoir, wenn dem Umstand Rechnung getragen wird, dass die Strassenebene, auf welcher die Fahrzeuge von Google verkehren, in der Regel etwas tiefer liegt. Damit kann ein Sichtschutz (wie Zäune oder Hecken) die gegenüber Passanten beabsichtigte Schutzwirkung grundsätzlich auch gegenüber den Kameras von Google entfalten (vgl. DREIER/SPIECKER GENANNT DÖHMANN, a.a.O., S. 88 f.). Der von den Beschwerdeführerinnen zu Recht beklagten Schwierigkeit der Abgrenzung des Privatbereichs vom öffentlichen Raum kann dadurch Rechnung getragen werden, dass im Zweifelsfall eine Anonymisierung erfolgt, um Persönlichkeitsverletzungen möglichst weitgehend vorzubeugen.
Der EDÖB ist nach
Art. 29 Abs. 1 DSG
zuständig, die weitere Handhabung von Street View durch die Beschwerdeführerinnen und insbesondere die Praxis der Anonymisierung sowie die Erfüllung der Auflagen zu beobachten. Soweit nötig kann er auch neue Empfehlungen abgeben, wenn er ungerechtfertigte Persönlichkeitsverletzungen feststellen sollte, und von den weiteren Möglichkeiten nach
Art. 29 DSG
Gebrauch machen (s. auch E. 10.6.3 und 10.6.5 hiervor).
BGE 138 II 346 S. 375
11.
Schliesslich ergibt sich in Bezug auf die Rechtsbegehren 5 und 6 des EDÖB, dass die Vorinstanz diese zu Recht gutgeheissen hat. Die Beschwerdeführerinnen bemängeln, dass die Vorinstanz betreffend die Information über geplante Aufnahmeorte und die Aufschaltung neuer Bilder entschied, dass ein Hinweis auf der Startseite von Google Maps nicht genüge, sondern darüber hinaus auch in lokalen Presseerzeugnissen darüber zu orientieren sei. Mit der Pflicht zur Orientierung in lokalen Presseerzeugnissen sei die Vorinstanz über die Anträge des EDÖB hinausgegangen, da dieser nur beantragt habe, dass über die Aufnahmen und Aufschaltungen zu informieren sei, ohne ein bestimmtes Medium vorzuschreiben. Dem kann insoweit nicht beigepflichtet werden, als der EDÖB bereits in seiner Replik an die Vorinstanz die Rechtsbegehren 5 und 6 dahin präzisierte, dass die Beschwerdeführerinnen über bevorstehende Aufnahmen und Aufschaltungen nicht nur auf ihrer Homepage, sondern auch in sprachregionalen und lokalen Presseerzeugnissen informieren müssten. Die Kritik der Beschwerdeführerinnen, die Vorinstanz sei über die Begehren des EDÖB hinausgegangen, ist somit haltlos.
Die Gutheissung der präzisierten Rechtsbegehren 5 und 6 ist sachlich gerechtfertigt. Die Vorinstanz hat damit berücksichtigt, dass es betroffene Personen gibt, die das Internet nicht nutzen, und dass selbst für den grösseren Teil der Bevölkerung, der das Internet regelmässig nutzen dürfte, eine ständige Konsultation von Google Maps - nur um auf allfällige Aufnahmegebiete aufmerksam zu werden -, nicht zumutbar ist. Gleiches gilt in Bezug auf Aufschaltungen von Aufnahmen im Internet. Die Bekanntgabe in den lokalen Medien ermöglicht den potenziell Betroffenen, sich über die aktuell aufzunehmenden Gebiete zu informieren und sich danach zu richten, indem etwa bestimmte Gegenden während der möglichen Aufnahmedauer gemieden werden. Dies dient der vorsorglichen Vermeidung von Konflikten zwischen Betroffenen und Google. Es bestehen keine Hinweise, dass die verlangte breitere Information, die im Übrigen nicht nur über die Presse, sondern etwa auch über Radio und Fernsehen erfolgen kann, den Beschwerdeführerinnen nicht zumutbar wäre.
12.
Die Beschwerdeführerinnen erheben zahlreiche weitere Rügen, die, soweit im Lichte von
Art. 42 BGG
überhaupt darauf einzutreten ist, angesichts der vorstehenden Ausführungen keine eigenständige Bedeutung haben. Somit ist darauf nicht im Einzelnen einzugehen.
Die Beschwerdeführerinnen verlangen im Übrigen, die vorliegende Sache sei im Sinne von
Art. 23 Abs. 2 BGG
unter Mitwirkung der
BGE 138 II 346 S. 376
II. zivilrechtlichen Abteilung zu beurteilen, die zur Beurteilung von Beschwerden betreffend Persönlichkeitsverletzungen nach
Art. 28 ZGB
zuständig ist (Art. 32 Abs. 1 lit. a Ziff. 1 des Reglements vom 20. November 2006 für das Bundesgericht [BGerR; SR 173.110.131]). Ein solcher Antrag ist im bundesgerichtlichen Verfahren nicht zulässig. Die Abteilung entscheidet autonom, ob sie ein Verfahren nach
Art. 23 Abs. 2 BGG
für angezeigt hält. Im Übrigen ist in der vorliegenden Angelegenheit im Unterschied zu den in die Zuständigkeit der II. zivilrechtlichen Abteilung fallenden Beschwerden keine konkrete Persönlichkeitsverletzung zu prüfen (s. vorne E. 10.2). Zur Beurteilung der datenschutzrechtlichen Voraussetzungen von Street View ist allein die I. öffentlich-rechtliche Abteilung zuständig (
Art. 29 Abs. 2 lit. d BGerR
). Die Rechtsfragen, die sich in den datenschutzrechtlichen und in den zivilrechtlichen Verfahren stellen, können sich wegen des identischen Inhalts von
Art. 13 Abs. 1 DSG
und
Art. 28 Abs. 2 ZGB
zwar überschneiden. Die II. zivilrechtliche Abteilung beurteilt die Widerrechtlichkeit einer Persönlichkeitsverletzung indessen nicht unter den in der vorliegenden Angelegenheit massgebenden datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten.
13.
Nach
Art. 107 Abs. 1 BGG
darf das Bundesgericht nicht über die Begehren der Parteien hinausgehen. Heisst das Bundesgericht die Beschwerde gut, so entscheidet es in der Sache selbst oder weist diese zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurück. Es kann die Sache auch an die Behörde zurückweisen, die als erste Instanz entschieden hat (
Art. 107 Abs. 2 BGG
). In der vorliegenden Angelegenheit besteht kein Anlass, die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen. Indessen sind gewisse Präzisierungen in Bezug auf die Gewährleistung des Datenschutzes vorzunehmen (vgl. E. 10.6.3 und 10.7 hiervor), die für die Tätigkeit der Beschwerdeführerinnen mit weniger Einschränkungen verbunden sind als das von der Vorinstanz gutgeheissene und von den Beschwerdeführerinnen im vorliegenden Beschwerdeverfahren bekämpfte Rechtsbegehren 1 des EDÖB. Das Bundesgericht kann diese Präzisierungen gestützt auf
Art. 107 Abs. 2 BGG
mit dem vorliegenden Urteil anordnen.
14.
Zusammenfassend ergibt sich in Bezug auf Ziff. 1 der Rechtsbegehren des EDÖB, dass eine kleine Fehlerquote (ca. 1 %) bei der automatischen Anonymisierung hingenommen werden kann, wenn die Beschwerdeführerinnen die folgenden Kriterien erfüllen:
14.1
Die Beschwerdeführerinnen sind verpflichtet, mit allen zur Verfügung stehenden technischen Mitteln eine vollständige
BGE 138 II 346 S. 377
Anonymisierung anzustreben und die automatische Anonymisierung laufend dem Stand der Technik anzupassen.
14.2
Im Bereich von sensiblen Einrichtungen, insbesondere vor Frauenhäusern, Altersheimen, Gefängnissen, Schulen, Gerichten und Spitälern ist bei der Publikation von Abbildungen in Street View die vollständige, vor der Aufschaltung im Internet vorzunehmende Anonymisierung von Personen im Sinne von Ziff. 2 der Klagebegehren zu gewährleisten, damit nebst den Gesichtern auch weitere individualisierende Merkmale wie Hautfarbe, Kleidung, Hilfsmittel von körperlich behinderten Personen etc. nicht mehr feststellbar sind (vgl. E. 10.6.4 hiervor).
14.3
Die Beschwerdeführerinnen stellen sicher, dass bei der Publikation von Abbildungen in Street View der Privatbereich (umfriedete Höfe, Gärten usw.) respektiert wird. Abbildungen von Privatbereichen, die von einer Kamerahöhe von über 2 m aufgenommen wurden und dem Einblick eines gewöhnlichen Passanten verschlossen bleiben, dürfen nicht in Street View veröffentlicht werden. Soweit die Einwilligung der Betroffenen fehlt, sind bereits publizierte Bilder von Privatbereichen, die von einem höheren Kamerastandort aus aufgenommen wurden, aus Street View zu entfernen. Dazu können die Beschwerdeführerinnen eine Übergangsfrist von maximal drei Jahren beanspruchen, soweit Berechtigte nicht im Einzelfall früher von ihrem Widerspruchsrecht Gebrauch machen (E. 10.6.3) und die unverzügliche Beseitigung der Persönlichkeitsverletzung verlangen.
Der Schwierigkeit der Abgrenzung des Privatbereichs vom öffentlichen Raum kann dadurch Rechnung getragen werden, dass im Zweifelsfall eine Anonymisierung erfolgt, um Persönlichkeitsverletzungen möglichst weitgehend vorzubeugen (vgl. E. 10.7 hiervor).
14.4
Die Beschwerdeführerinnen nehmen auf Anzeige von Betroffenen hin manuell hinreichende Anonymisierungen in Street View vor, welche die Anonymisierungssoftware nicht automatisch ausführte, und sie machen diese Widerspruchsmöglichkeiten in geeigneter Form bekannt (E. 10.6.3). Dazu gehört im Wesentlichen, dass den Benutzern in Street View ein gut sichtbarer Link - etwa mit dem klaren Hinweis "Anonymisierung verlangen" - angeboten wird, mit welchem die hinreichende Anonymisierung unzulässiger Inhalte in Street View veranlasst werden kann. Die Beschwerdeführerinnen müssen
BGE 138 II 346 S. 378
berechtigte Anonymisierungswünsche rasch und für die Benutzer kostenlos umsetzen, ohne dass diese ein Interesse an der Anonymisierung nachweisen müssten. Für Personen, die ihren Widerspruch schriftlich erheben wollen, müssen sie für Beanstandungen eine Postadresse in der Schweiz angeben. Diese Widerspruchsmöglichkeiten sind in regelmässigen Abständen (mindestens alle drei Jahre) in weit verbreiteten und lokalen Medienerzeugnissen, insbesondere auch in der Presse, öffentlich bekannt zu machen. Wenn neue Aufnahmefahrten durchgeführt werden und wenn neue Aufnahmen in Street View aufgeschaltet werden, ist dies ebenfalls in den Medien bekannt zu machen und dabei deutlich auf die Widerspruchsmöglichkeit hinzuweisen.
15.
Die Beschwerde ist somit im Sinne der Erwägungen teilweise gutzuheissen. Der angefochtene Entscheid ist in Bezug auf die Rechtsbegehren 1-3 des Klägers insoweit aufzuheben, als darin den Beschwerdeführerinnen Pflichten auferlegt werden, die über die im vorliegenden Urteil genannten Pflichten hinausgehen. Im Übrigen ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. (...) | public_law | nan | de | 2,012 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
2f85522c-b49c-4801-870e-99471c59ba66 | Urteilskopf
113 V 198
32. Arrêt du 9 septembre 1987 dans la cause P. contre Caisse d'assurance du personnel de la Ville de Genève et Tribunal administratif, Genève | Regeste
Art. 73 Abs. 1 BVG
: Rechtspflege.
- Dürfen Vorsorgeeinrichtungen des öffentlichen Rechts über die Ansprüche ihrer Mitglieder Verfügungen erlassen? Frage i.c. offengelassen (Erw. 2).
- Ungeachtet der rechtlichen Natur der betroffenen Vorsorgeeinrichtung (Einrichtung des öffentlichen oder des privaten Rechts) sind Streitigkeiten im Sinne von
Art. 73 Abs. 1 BVG
durch die gleiche letzte kantonale Instanz zu beurteilen (Erw. 3). | Sachverhalt
ab Seite 198
BGE 113 V 198 S. 198
A.-
Georgette P., née en 1925, est entrée au service de la Ville de Genève le 1er février 1962. A ce titre, elle a été affiliée à la Caisse d'assurance du personnel de la Ville de Genève, des Services industriels de Genève et du personnel communal transféré dans l'administration cantonale (ci-après: la caisse), qui est une institution de prévoyance de droit public inscrite (provisoirement) au registre de la prévoyance professionnelle.
Georgette P. ayant manifesté le désir de prendre sa retraite à l'âge de 60 ans, la caisse lui a remis une "proposition de pension" par
BGE 113 V 198 S. 199
laquelle elle l'informait que sa pension de retraite s'élèverait à 66 pour cent du traitement assuré. L'assurée s'est opposée à cette proposition. Elle s'estimait en droit d'obtenir une pension équivalant à 70 pour cent de son gain assuré. Par décision du 8 mars 1985, le comité de gestion de la caisse a rejeté la prétention de l'assurée.
B.-
Se conformant à l'indication des voies de droit figurant dans cette décision, Georgette P. a porté le différend devant le Tribunal administratif du canton de Genève, mais elle a été déboutée par cette autorité, qui s'est ralliée pour l'essentiel aux motifs de la caisse (jugement du 7 mai 1986).
C.-
Georgette P. interjette recours de droit administratif contre ce jugement en concluant derechef au versement par la caisse d'une rente équivalant à 70 pour cent de son traitement assuré.
La caisse conclut principalement à l'irrecevabilité du recours et, subsidiairement, à son rejet. Quant à l'Office fédéral des assurances sociales (OFAS), il estime que le litige ressortissait à la juridiction de la Cour de justice du canton de Genève, et non à celle du Tribunal administratif. Aussi propose-t-il d'annuler le jugement entrepris et de transmettre la cause à la Cour de justice.
D.-
Le juge délégué a invité les parties et le Tribunal administratif à se déterminer sur le préavis de l'OFAS. La juridiction cantonale a versé au dossier la correspondance échangée en avril et mai 1986 entre la Cour de justice et la chancellerie d'Etat du canton de Genève sur la compétence des juridictions genevoises en matière de prévoyance professionnelle.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
a) Selon l'
art. 128 OJ
, le Tribunal fédéral des assurances connaît en dernière instance des recours de droit administratif contre des décisions au sens des art. 97 et 98 let. b à h OJ, en matière d'assurances sociales. Jusqu'au 31 décembre 1984, les litiges opposant une institution de prévoyance professionnelle à un assuré échappaient à la compétence du juge des assurances sociales et donc, en particulier, à celle du Tribunal fédéral des assurances. Cette situation a toutefois été modifiée, de la manière suivante, par l'entrée en vigueur de la loi fédérale sur la prévoyance professionnelle vieillesse, survivants et invalidité (LPP):
Selon l'
art. 73 al. 1 LPP
, chaque canton désigne un tribunal qui connaît, en dernière instance cantonale, des contestations opposant institutions de prévoyance, employeurs et ayants droit. Le Conseil
BGE 113 V 198 S. 200
fédéral a fixé l'entrée en vigueur de cette disposition au 1er janvier 1985 (art. 1er al. 1 de l'ordonnance sur la mise en vigueur et l'introduction de la loi sur la prévoyance professionnelle vieillesse, survivants et invalidité, en corrélation avec l'
art. 98 al. 2 LPP
). L'
art. 73 al. 1 LPP
s'applique, d'une part, aux institutions de prévoyance enregistrées de droit privé ou de droit public - aussi bien en ce qui concerne les prestations minimales obligatoires qu'en ce qui concerne les prestations allant au-delà (
art. 49 al. 2 LPP
) - et, d'autre part, aux fondations de prévoyance du personnel non enregistrées, dans le domaine des prestations qui dépassent le minimum obligatoire (
art. 89bis al. 6 CC
).
Les décisions des tribunaux cantonaux, désignés en vertu de l'
art. 73 al. 1 LPP
, peuvent être déférées au Tribunal fédéral des assurances par la voie du recours de droit administratif (
art. 73 al. 4 LPP
).
b) Dans le cas particulier, le litige oppose une institution de prévoyance à un ayant droit. Dans la mesure où la prétention de la recourante se fonde sur un cas d'assurance (ouverture du droit à une pension de retraite) qui est survenu sous l'empire du nouveau droit fédéral de la prévoyance professionnelle, elle relève des autorités juridictionnelles mentionnées à l'
art. 73 LPP
(
ATF 112 V 356
), contrairement à ce que soutient l'intimée à l'appui de sa conclusion principale. A cet égard, il importe peu que certains faits invoqués par la recourante (notamment le rachat d'années d'affiliation) se soient produits avant l'entrée en vigueur de la LPP.
2.
L'art. 97 du "Statut" de la caisse prévoit que les décisions du comité de gestion peuvent faire l'objet, dans les trente jours, d'un recours devant le Tribunal administratif. Cependant, le moyen juridictionnel visé par l'
art. 73 al. 1 LPP
est une action (message du Conseil fédéral, FF 1976 I 180;
ATF 112 Ia 184
), qui est définie comme une demande adressée à un organe judiciaire et tendant à l'attribution de droits ou de prestations, voire à la constatation de l'existence ou de l'inexistence d'un droit (GRISEL, Traité de droit administratif, p. 940 et les arrêts cités). De fait, la LPP ne prévoit pas la possibilité pour les institutions de prévoyance de rendre des décisions au sens propre du terme. Il est dès lors douteux, comme le Tribunal fédéral l'a d'ailleurs relevé dans l'
ATF 112 Ia 180
, déjà mentionné, que les institutions de prévoyance de droit public aient conservé le pouvoir de statuer sur les prétentions de leurs affiliés au moyen de telles décisions, cela d'une manière contraignante et en application de dispositions de droit
BGE 113 V 198 S. 201
fédéral, cantonal ou communal (cette possibilité étant de toute façon exclue s'agissant d'institutions de droit privé). Si la question devait être résolue par la négative, il s'ensuivrait que la décision du comité de gestion de la caisse du 8 mars 1985 serait nulle en tant que telle et qu'elle devrait être considérée comme une simple déclaration, non sujette à recours dans un délai déterminé et qui ne pouvait s'imposer qu'en vertu de la décision d'un tribunal (GRISEL, op.cit., p. 940; cf. également SPIRA, Le contentieux des assurances sociales fédérales et la procédure cantonale, in Recueil de jurisprudence neuchâteloise 1984, p. 15 note 3; SCHWARZENBACH, Die Rechtspflege nach dem BVG, in SZS 27/1983, p. 183).
La solution du présent litige n'exige toutefois pas que l'on examine plus avant ce problème, du moment que la recourante a respecté le délai statutaire de trente jours.
3.
a) En prévision de l'entrée en vigueur de la LPP, le Grand Conseil genevois a modifié l'
art. 34 let
. c de la loi cantonale sur l'organisation judiciaire (LOJ; RS GE E 2 1) par une loi du 10 novembre 1983, entrée en vigueur le 1er janvier 1985. Selon la nouvelle version de cette disposition (première phrase), il appartient à une chambre civile de la Cour de justice, fonctionnant en qualité de tribunal des assurances, de connaître comme juridiction cantonale unique:
"Des contestations, relatives à la prévoyance professionnelle, nées entre institutions de prévoyance ou compagnies d'assurances privées soumises à surveillance, d'une part, et employeurs ou ayants droit, d'autre part (art. 331 à 331c CO; art. 73 de la loi fédérale sur la prévoyance professionnelle, vieillesse, survivants et invalidité)."
Le législateur genevois n'a toutefois pas supprimé l'art. 11 al. 1 let. b de la loi sur le Tribunal administratif et le Tribunal des conflits du 29 mai 1970 (RS GE E 3,5 1), selon lequel la première de ces autorités est compétente pour connaître des actions relatives à des prétentions qui découlent "des régimes de retraite des fonctionnaires de l'Etat, des communes et des autres corporations et établissements de droit public". C'est sur la base de cette réglementation, en relation avec les dispositions statutaires de la caisse, que le Tribunal administratif a en l'espèce affirmé sa compétence.
b) Au terme de l'échange de vues auxquelles elles ont procédé au printemps 1986, la Cour de justice et la chancellerie d'Etat se sont accordées à reconnaître que l'adjectif "privées" dont use l'
art. 34 let
. c LOJ se rapporte aussi bien à l'expression "institutions de prévoyance" qu'aux mots "compagnies d'assurances".
BGE 113 V 198 S. 202
Elles sont parvenues à la conclusion que - nonobstant l'entrée en vigueur de la LPP - le Tribunal administratif a conservé le pouvoir de statuer sur les litiges opposant un affilié à une institution de droit public, la Cour de justice étant pour sa part compétente lorsque sont en cause des institutions de droit privé.
c) Cette interprétation, à laquelle s'est rallié le Tribunal administratif selon une lettre adressée par cette autorité à l'exécutif genevois, le 13 mai 1986, n'est toutefois pas conciliable avec l'
art. 73 LPP
. En effet, sous réserve de quelques exceptions (voir en particulier les art. 50 al. 2, 51 al. 5 et 69 al. 2 LPP), l'intention du législateur fédéral a été d'instaurer un régime identique pour les institutions de droit privé et de droit public (à propos de ces exceptions, voir RIEMER, Das Recht der beruflichen Vorsorge in der Schweiz, p. 85 s.). Ainsi, au stade des délibérations parlementaires, il subsistait une divergence entre les deux conseils sur l'opportunité de soumettre plus largement les institutions de droit public à des normes spéciales, notamment en ce qui concerne l'organisation, l'administration et le financement, divergence qui a été finalement éliminée au profit d'une réglementation aussi uniforme que possible (BO 1980 CE 289-293, 1981 CN 1099 ss, 1982 CE 20-21). Cette volonté d'unification résulte également des modifications apportées au code des obligations lors de l'entrée en vigueur de la LPP, puisque le champ d'application des art. 331a à c CO a été étendu, avec effet au 1er janvier 1985, aux rapports de travail de droit public de la Confédération, des cantons et des communes (
art. 342 al. 1 let. a CO
, dans sa version introduite par le ch. 2 de l'annexe à la LPP;
ATF 113 V 124
consid. 3b). Logiquement, le législateur a donc imposé aux parties de porter les litiges visés par l'
art. 73 al. 1 LPP
devant un même tribunal cantonal, quelle que soit la forme juridique de l'institution de prévoyance concernée (RIEMER, op.cit., p. 130 ss; SCHWARZENBACH, loc. cit., p. 175; PFITZMANN, Die öffentlich-rechtlichen Pensionskassen im BVG-Obligatorium, in SZS 29, 1985, p. 234; message du Conseil fédéral, FF 1976 I 179 ss; voir également, a contrario, RJAM 1980 No 422 p. 200, relatif à l'
art. 30bis LAMA
); c'est là une règle de compétence fonctionnelle à laquelle il n'est pas possible de déroger (RIEMER, op. cit., p. 131; SPIRA, loc.cit., p. 17).
Il s'ensuit que l'
art. 73 al. 1 LPP
exclut la coexistence de voies de droit parallèles. Cela ne signifie pas qu'il s'oppose à un échelonnement de la procédure cantonale en deux instances, dont l'une serait hiérarchiquement subordonnée à l'autre (cf. RIEMER, op.cit., p. 130).
BGE 113 V 198 S. 203
Mais ce n'est pas la question qui se pose en l'espèce car, sous l'angle de la procédure genevoise, la Cour de justice et le Tribunal administratif sont des juridictions de même rang.
d) Cela étant, il ressort clairement de l'
art. 34 let
. c LOJ que le législateur genevois a désigné la Cour de justice pour trancher - comme tribunal cantonal unique - les contestations mentionnées à l'
art. 73 al. 1 LPP
, ce qui s'explique vraisemblablement par le fait que cette autorité judiciaire exerçait déjà d'autres attributions en matière d'assurance sociale (assurance-maladie, assurance-accidents obligatoire et assurance militaire; art. 34 let. a et b LOJ). Le Grand Conseil aurait donc dû, par la même occasion, abroger ou modifier l'art. 11 al. 1 let. b de la loi sur le Tribunal administratif et le Tribunal des conflits. Selon toute vraisemblance, cette omission procède d'une inadvertance, car il n'a jamais été question, lors des travaux préparatoires de la loi du 10 novembre 1983, de permettre la coexistence de deux voies de droit. Dans son exposé des motifs, le Conseil d'Etat a au contraire insisté sur la nécessité d'adapter la réglementation cantonale aux exigences de l'
art. 73 LPP
, tout en indiquant que la Cour de justice connaîtrait désormais "des contestations prévues dans le titre premier de la cinquième partie, intitulée 'Contentieux', de la loi fédérale sur la prévoyance professionnelle, vieillesse, survivants et invalidité" (Mémorial du Grand Conseil 1983 III 4024).
Dans ces conditions, le Tribunal administratif n'aurait pas dû entrer en matière sur le litige, ce qui justifie l'annulation du jugement entrepris et la transmission de l'affaire à la Cour de justice. Le fait que les parties ont reconnu - implicitement tout au moins - la compétence du Tribunal administratif n'y change rien. En effet, le Tribunal fédéral des assurances examine d'office les conditions formelles de validité et de régularité de la procédure, soit en particulier le point de savoir si c'est à juste titre que la juridiction cantonale est entrée en matière sur le recours ou, comme en l'espèce, sur l'action (
ATF 112 V 83
consid. 1,
ATF 111 V 346
consid. 1a). En outre, il n'appartient pas à la Cour de céans de rendre un jugement au fond, en vertu du principe de l'économie de la procédure: l'incompétence ratione materiae est un vice relativement grave, auquel il ne serait en l'occurrence possible de remédier que si l'on pouvait considérer la transmission du cas à la Cour de justice comme une formalité superflue, parce que cette autorité se serait déjà exprimée, notamment dans une jurisprudence bien
BGE 113 V 198 S. 204
établie (cf.
ATF 102 Ib 235
,
ATF 97 I 290
). Or, on est tout à fait en dehors de cette hypothèse en l'espèce.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral des assurances prononce:
Le recours est admis en ce sens que le jugement du Tribunal administratif du canton de Genève du 7 mai 1986 est annulé, la cause étant transmise à la Cour de justice de ce même canton pour jugement au sens des motifs. | null | nan | fr | 1,987 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
2f884836-98a7-4454-9209-f66f59a637d2 | Urteilskopf
104 IV 293
67. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 19. Dezember 1978 i.S. P. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich | Regeste
Art. 19 Ziff. 1 Abs. 8 BetmG
.
Öffentliche Bekanntgabe der Gelegenheit zum Erwerb oder Konsum von Betäubungsmitteln; Begriff. | Erwägungen
ab Seite 293
BGE 104 IV 293 S. 293
Aus den Erwägungen:
1.
(Gekürzt) Wer öffentlich zum Betäubungsmittelkonsum auffordert oder öffentlich Gelegenheit zum Erwerb oder Konsum von Betäubungsmitteln bekanntgibt, wird, wenn er fahrlässig handelt, mit Gefängnis bis zu einem Jahr, Haft oder Busse bestraft (Art. 19 Ziff. 1 Abs. 8 in Verbindung mit Ziff. 3 BetmG).
2.
a) Durch den hier in Frage stehenden Tatbestand soll ein Weg, der zum Drogenmissbrauch führen kann, verschlossen werden.
b) Öffentlich bekanntgegeben werden muss nach dem deutschen Gesetzestext eine "Gelegenheit" zum Erwerb oder Konsum von Betäubungsmitteln. Der französische und der italienische Text lauten: "révèle des possibilités", "rivela la possibilità".
aa) Mit dem deutschen und italienischen und gegen den französischen Text ist anzunehmen, dass schon die Bekanntgabe einer einzigen Gelegenheit zur Strafbarkeit genügt. Sie kann allein ebensoviel oder mehr Schaden anrichten als ein einzelner Kauf, Verkauf oder Genuss von Drogen.
BGE 104 IV 293 S. 294
bb) Dem Worte "Gelegenheit" könnte man einschränkend entnehmen, das Gesetz erfasse bloss konkrete, einzelne und auch zeitlich nahe Möglichkeiten, Betäubungsmittel zu erwerben oder zu konsumieren. Der französische und italienische Gesetzestext lassen aber eine Möglichkeit schlechtweg genügen, sodass darunter zwanglos auch Herstellungsverfahren und Konsumarten von Betäubungsmitteln verstanden werden können. Diese letztere Auslegung entspricht dem Sinn des Gesetzes besser. Denn die öffentliche Bekanntgabe von praktikablen Herstellungs- und Konsumformen kann mitunter schädlicher sein als die öffentliche Bekanntgabe einer konkreten Gelegenheit zu einem einmaligen Erwerb oder Konsum, die sich von selbst erschöpft oder ein für allemal unterbunden werden kann.
c) aa) Die Vorinstanz sieht in Art. 19 Ziff. 1 Abs. 8 einen Spezialfall der öffentlichen Aufforderung zu Verbrechen. Diese verlange aber eine mit einer gewissen Dringlichkeit erfolgende Einladung zu einem bestimmten Verhalten, eine intellektuelle Einwirkung auf andere, die sie zur Verbrechensbegehung veranlassen soll, oder aber, dass die Äusserung nach Form und Inhalt geeignet sei, den Willen der Adressaten zu beeinflussen und zu bestimmten Handlungen zu veranlassen. Das gelte grundsätzlich auch für das Betäubungsmittelgesetz. Doch genügten hier auch schon subtile Beeinflussungsmethoden, wenn sie psychisch wirksam seien. Denn hier gehe es nicht darum, eine Masse stimmungsmässig in Bewegung zu setzen, sondern um Menschen, die infolge Drogenabhängigkeit, Jugend oder Unerfahrenheit gefährdet seien.
Die Verteidigung knüpft ebenfalls an die "Aufforderung" an, die dem Willen des Gesetzgebers entspreche, der gegen die Propaganda zum Drogenmissbrauch habe einschreiten wollen. Die Aufforderung setze aber Vorsatz und Eindringlichkeit voraus, die beide im eingeklagten Artikel fehlten.
bb) Das Gesetz bestraft neben der öffentlichen Aufforderung zum Drogenkonsum auch die öffentliche Bekanntgabe einer Gelegenheit zum Drogenkonsum (und -erwerb). Daraus folgt klar, dass die öffentliche Bekanntgabe einer Gelegenheit zum Drogenkonsum nicht die schärferen Formen der Aufforderung annehmen muss, ansonst es überflüssig gewesen wäre, neben der generelleren Tatform der öffentlichen Aufforderung zum Drogenkonsum auch jene speziellere noch besonders zu
BGE 104 IV 293 S. 295
erwähnen, welche mit der öffentlichen Aufforderung zum Konsum gleichzeitig auch noch eine Gelegenheit zum Konsum nennt. Im einen Fall liegt das unterscheidende Tatunrecht in der Intensität der Einwirkung auf den Willen zum Konsum (Aufforderung), im andern Fall in der Bekanntgabe von Mitteln und Wegen, wie man zum Konsum gelangt. Das eine ist vom andern verschieden. Beides ist strafwürdig und vom Gesetz unter Strafe gestellt. Es geht daher nicht an, aus dem Tatbestand der öffentlichen Bekanntgabe einer Gelegenheit zum Betäubungsmittelkonsum auf dem Wege der Auslegung ein Aufforderungsdelikt zu machen. Gilt dies für die öffentliche Bekanntgabe einer Gelegenheit zum Drogenkonsum, muss dies auch für den entsprechend formulierten Tatbestand der öffentlichen Bekanntgabe einer Gelegenheit zum Drogenerwerb gelten. Richtiger wäre es, was die objektive Tatseite angeht, die Veröffentlichung von Gelegenheiten zur Unzucht (
Art. 210 StGB
) vergleichsweise heranzuziehen. Diese verlangt keine Aufforderung im technischen Sinne, wie es auch
Art. 19 BetmG
nicht verlangt, weil die Bereitschaft, jede tauglich erscheinende Gelegenheit zu nutzen, bei Drogengefährdeten so weit verbreitet ist, dass sie, auch ohne Aufforderung dazu, strafwürdig erscheint. Die öffentliche Bekanntgabe einer Gelegenheit zum Erwerb oder Konsum von Betäubungsmitteln bedarf daher nicht der besonderen Intensität der Einwirkung auf die Personen, an die sich die Veröffentlichung richtet. Sie setzt auch nicht notwendig den Willen voraus, andere zum Erwerb oder Konsum von Betäubungsmitteln zu veranlassen. Die Tat kann vielmehr auch fahrlässig verübt werden.
d) Doch kann die blosse öffentliche Bekanntgabe einer Möglichkeit zum Erwerb oder Konsum von Betäubungsmitteln nicht genügen. Darin ist der Vorinstanz zuzustimmen. Die Bekanntgabe muss auch objektiv geeignet sein, den Erwerb oder Konsum von Drogen zu fördern, Drogengefährdeten einen ersten oder neuen namhaften Anstoss zu geben, auf die bekanntgegebene Art und Weise den Erwerb oder den Konsum von Betäubungsmitteln zu beginnen oder fortzusetzen. Nur so verstanden, trifft der Tatbestand ein Verhalten, welches das geschützte Rechtsgut gefährden kann. Ähnlich kann dem Wort "Gelegenheit" in anderer als der früher abgelehnten Hinsicht (vgl. oben Erw. b bb) eine entsprechende Einschränkung entnommen werden. In einer seiner Nuancen bedeutet es eine
BGE 104 IV 293 S. 296
Möglichkeit, die für einen Menschen irgendwie etwas Neues ist, zuvor nicht vorhanden war oder nicht erstrebt wurde, oder etwas, das erst gesucht oder erreicht werden muss oder das sich ohne eigenes Zutun nun als neue Möglichkeit eröffnet. So wird etwa gesagt, die Gelegenheit zur bösen Tat sei zu meiden, die Gelegenheit schaffe Diebe, Selbstbedienungsläden gäben Gelegenheit zum Diebstahl usf. Vernünftiges Ermessen muss entscheiden, ob eine öffentliche Bekanntgabe nach Inhalt, Form und Verbreitung im Einzelfall geeignet erscheint, den Drogenmissbrauch namhaft auszudehnen oder einzuengen. Die Veröffentlichung von (am Verbreitungsort) allgemein bekannten Tatsachen wird den Drogenmissbrauch, wenigstens in der Regel, nicht fördern. An ein breiteres Publikum gerichtete Veröffentlichungen sind entsprechend vorsichtig abzufassen, wie umgekehrt amtliche, wissenschaftliche oder berufliche Zwecke weitergehende Angaben über die Möglichkeiten, Betäubungsmittel zu erwerben oder zu konsumieren, verlangen und rechtfertigen können (vgl. z.B. entsprechende Vorbehalte von HAFTER, BT S. 511/12, und LOGOZ, BT S. 447, zu
Art. 226 Ziff. 3 StGB
). | null | nan | de | 1,978 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
2f8a65ab-81f3-4772-badb-f75eee499588 | Urteilskopf
92 I 104
19. Auszug aus dem Urteil vom 27. April 1966 i.S. Kocher gegen Vogel, Gemeinderat Kölliken und Regierungsrat des Kantons Aargau. | Regeste
Art. 4 BV
. Willkürliche Verweigerung einer Baubewilligung?
Voraussetzung für die Ausnahmebewilligung von der Zonenordnung, wenn ein Baugrundstück in verschiedenen Bauzonen liegt. Ausnahmen hinsichtlich der Ausnützungziffer sind zurückhaltend zu bewilligen. | Erwägungen
ab Seite 105
BGE 92 I 104 S. 105
Aus den Erwägungen:
3.
Das streitige Bauprojekt betrifft ein Achtfamilienhaus mit drei Geschossen im mittleren und östlichen, zwei Geschossen im westlichen Teil und einer Ausnützungszahl von 0'4209. Ungefähr 90% des Baues kämen auf denjenigen Teil des Grundstückes zu stehen, der zur Zone I gehört, wo nur Ein- und Zweifamilienhäuser mit zwei Geschossen und einer Ausnützungszahl von 0,35 zulässig sind. Das Bauvorhaben verletzt somit die Zonenordnung der Gemeinde Kölliken (ZOK).
a) Der Beschwerdeführer macht geltend, der Gemeinderat habe mit seinem Brief vom 23. Dezember 1964 von dem ihm gemäss den geltenden Bestimmungen des Baureglements zustehenden Recht zum Erlass von Sonderbauvorschriften Gebrauch gemacht. Auf welche Bestimmungen er sich beruft, sagt er nicht. Falls er damit § 14 der Bauordnung der Gemeinde Kölliken (BOK) meint, so irrt er. Für den Erlass derartiger Vorschriften ist nicht der Gemeinderat, sondern die Gemeindeversammlung unter dem Vorbehalt der Genehmigung durch den Regierungsrat zuständig. Abgesehen davon lässt sich im erwähnten Brief nicht der Erlass einer Sonderbauvorschrift im Sinne von § 14 BOK erblicken; denn darin werden lediglich die Anregungen des Ortsplaners bezüglich des Bauprojektes des Beschwerdeführers übernommen.
b) Dem Beschwerdeführer schwebt offenbar die Erteilung einer Ausnahmebewilligung vor. Nach § 4 BOK kann der Gemeinderat, wenn ausserordentliche Verhältnisse vorliegen oder die Anwendung der Bauordnung zu hart wäre, unter billiger Abwägung der beteiligten privaten Interessen Ausnahmen und Abweichungen von den Gemeindebauvorschriften gestatten, sofern dies mit dem öffentlichen Wohl vereinbar ist. In ähnlicher Weise bestimmt Ziff. 11 ZOK: "Wenn besondere Verhältnisse vorliegen, kann der Gemeinderat in Abwägung der öffentlichen und privaten Interessen Ausnahmen von dieser Zonenordnung gewähren".
Die Zonenordnung enthält keine Bestimmung darüber, wie sie anzuwenden ist, wenn das Baugrundstück in zwei verschiedenen
BGE 92 I 104 S. 106
Zonen liegt und die Zonengrenze hindurch läuft. Erlauben es die Grösse und Form der zu verschiedenen Zonen gehörenden Teile eines Grundstücks, gemäss den für jeden Teil geltenden Bestimmungen, insbesondere bezüglich Ausnützungsziffer und Grenzabstand, zu bauen, stellt sich die Frage einer Ausnahmebewilligung nicht; denn dann ist es dem Eigentümer möglich, sein Grundstück nach den für die einzelnen Teile massgebenden Vorschriften der Zonenordnung zu überbauen. Nun reicht der zur Zone III gehörende Teil der Parzelle Nr. 293 unbestrittenermassen aus, um darauf gemäss den für diese Zone geltenden Vorschriften zu bauen. Schon aus diesem Grunde ist es nicht willkürlich, wenn es der Regierungsrat ablehnt, dem Beschwerdeführer den Bau eines dreigeschossigen Achtfamilienhauses zu bewilligen, das zu 90% auf den zur Zone I gehörenden Teil der Liegenschaft zu stehen käme, wo derartige Bauten unzulässig sind. Daran ändert nichts, dass auf dem in der Zone III liegenden Teil des Grundstücks ein Einfamilienhaus steht. Wenn dem Beschwerdeführer daran gelegen ist, ein dreigeschossiges Achtfamilienhaus zu erstellen, das nur auf diesem Teil des Grundstücks zulässig ist, dann muss er eben, sofern das für die Ausführung eines solchen Neubaus unerlässlich ist, das Einfamilienhaus opfern.
Es ist aber auch nicht willkürlich, dass der Regierungsrat keine Ausnahmebewilligung auf Grund von Art. 4 BOK und Ziff. 11 ZOK erteilt hat. Die Ausnahmebewilligung würde vor allem die Ausnützungsziffer betreffen. Der Beschwerdeführer macht geltend, dass die ZOK die Anwendung gemischter Ausnützungsziffern nicht verbiete. Anderseits gestattet sie sie aber auch nicht. Wenn schon in der Lehre die Auffassung vertreten wird, dass die Ausnützungsziffer als eine zwingende Schranke jeder Ausnahmebewilligung zu gelten habe (ZIMMERLIN, Bauordnung der Stadt Aarau, S. 123 N. 6), so ist auf alle Fälle grösste Zurückhaltung zu üben bei der ausnahmsweisen Bewilligung höherer als der sonst zulässigen Ausnützungsziffern. Dazu kommt vor allem, dass der Regierungsrat ohne Willkür davon ausgehen durfte, dass weder ein Härtefall im Sinne von § 4 BOK noch besondere Verhältnisse im Sinne von Ziff. 11 ZOK vorliegen, da es möglich ist, auf jedem der beiden in verschiedenen Zonen liegenden Teile der Parzelle Nr. 293 gemäss den Vorschriften der ZOK zu bauen. Inwiefern auf diese Weise keine fachgerechte Überbauung des Grundstücks möglich sein soll,
BGE 92 I 104 S. 107
tut der Beschwerdeführer nicht dar. Es ist somit ausgeschlossen, bei der in Ziff. 11 ZOK vorgeschriebenen Abwägung der öffentlichen und privaten Interessen das private Interesse an der Bewilligung einer Ausnahme von der Zonenordnung als überwiegend zu betrachten. Daran vermögen auch die Behauptungen des Beschwerdeführers, die Ausführung der vorgesehenen Baute benachteilige die Nachbarn nicht - was der Regierungsrat übrigens bestreitet -, die Erstellung preiswerter Wohnungen sei dringlich und er habe sich zu der streitigen Überbauung seines Grundstückes entschlossen, um der Familie eine zusätzliche Erwerbsquelle zu schaffen, nichts zu ändern. Derartige Überlegungen rechtfertigen ein Abweichen von der Zonenordnung jedenfalls dann nicht, wenn - wie hier - eine zonengemässe Überbauung des Grundstücks möglich ist (vgl.
BGE 89 I 522
mit Bezug auf die Ablehnung von Ausnahmebewilligungen zugunsten des sozialen Wohnungsbaues; VOLLENWEIDER, Stadtgestaltung und Bauvorschriften, in Rechtsprobleme von Stadtgemeinden, S. 180).
Der Umstand, dass Architekt Gelpke die vom Gemeinderat bewilligte Lösung vorgeschlagen hat, ist für das Schicksal der staatsrechtlichen Beschwerde unerheblich. Die Ansicht des Ortsplaners ist für die Baubewilligungsbehörde nicht verbindlich. Ausschlaggebend ist, ob die Auffassung des Regierungsrates der Rüge der Willkür standhalte. Das trifft aber zu. Es kann keine Rede davon sein, dass der Regierungsrat sein Ermessen pflichtwidrig überschritten habe und dass seinem Entscheid die gesetzliche Grundlage fehle. Die Beschwerde ist daher abzuweisen.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. | public_law | nan | de | 1,966 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
2fa407d8-d6fd-4b6f-b02f-326bbef18cc1 | Urteilskopf
122 IV 145
21. Extrait de l'arrêt de la Cour de cassation pénale du 14 mai 1996 dans la cause Ministère public du canton de Vaud contre B. (pourvoi en nullité) | Regeste
Art. 18 Abs. 3 und
Art. 117 StGB
; fahrlässige Tötung, pflichtwidrige Unvorsichtigkeit, persönliche Verhältnisse.
Fall eines ungelernten und unerfahrenen Arbeiters, der auf Anweisung seines Arbeitgebers handelte (E. 3). | Sachverhalt
ab Seite 145
BGE 122 IV 145 S. 145
En août 1991, B., qui a une formation de serrurier, mais n'est pas titulaire d'un certificat fédéral de capacité, a été chargé par son employeur d'installer un portillon dans la porte coulissante du garage souterrain d'un immeuble d'habitation en propriété par étage. Il a été retenu que B. a réalisé le portillon conformément aux instructions reçues, même s'il a effectué les travaux avec une certaine autonomie. Aucun dispositif de sécurité empêchant le fonctionnement de la porte en cas d'ouverture du portillon n'a été mis en place.
A aucun moment, B. ou les autres intervenants n'ont imaginé que l'installation présentait des dangers pour l'intégrité corporelle ou pour la vie d'autrui.
Le 11 mai 1992, une enfant âgée de quatre ans s'est amusée avec la porte coulissante du garage et le portillon. Elle a probablement ouvert le portillon pendant que la porte du garage était en train de se fermer, ce qui a eu pour effet de provoquer l'ouverture automatique de la porte. L'enfant s'est alors retrouvée coincée entre le bord du portillon et le mur
BGE 122 IV 145 S. 146
latéral en béton le long duquel la porte du garage coulissait dans le sens de l'ouverture. La fillette est morte asphyxiée, la porte lui ayant écrasé le thorax contre la paroi de béton.
Par jugement du 24 juillet 1995, le Tribunal correctionnel du district d'Aigle a notamment libéré B. des accusations d'homicide par négligence. Statuant le 22 août 1995 sur recours du Ministère public cantonal, la Cour de cassation pénale du Tribunal cantonal vaudois a confirmé le jugement attaqué.
Contre cet arrêt, le Ministère public du canton de Vaud s'est pourvu en nullité à la Cour de cassation du Tribunal fédéral.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
(Recevabilité).
2.
Le danger a été créé par l'installation d'un portillon dans la porte coulissante d'un garage. Il n'est donc pas nécessaire de se demander si l'intimé se trouvait dans une position de garant. En effet, ce n'est que lorsque l'on reproche à l'auteur une pure omission que l'exigence d'une position de garant intervient, afin de déterminer dans quelle mesure il existait un devoir juridique d'agir (
ATF 121 IV 10
consid. 2b,
ATF 117 IV 130
consid. 2a). Dès qu'une action a contribué à créer ou à accroître le danger à l'origine du résultat, il convient de considérer que c'est une action qui a causé l'infraction (principe de la subsidiarité,
ATF 115 IV 199
consid. 2 et les références citées). En conséquence, la culpabilité de l'intimé doit être envisagée au regard de ses actes, indépendamment du fait qu'il ait eu ou non une position de garant (cf.
ATF 121 IV 10
consid. 2b).
Le raisonnement de l'autorité cantonale, selon lequel la responsabilité pénale de l'intimé ne saurait être engagée au motif qu'il n'avait pas une position de garant, ne peut donc être suivi. Toutefois, le pourvoi en nullité n'est pas ouvert pour se plaindre seulement de la motivation de la décision attaquée (
ATF 119 IV 145
consid. 2c p. 152,
ATF 118 IV 233
consid. 2c p. 239,
ATF 116 IV 288
consid. 2c p. 292,
ATF 101 IV 327
consid. 2d), de sorte qu'il faut encore examiner si la libération de l'intimé de l'accusation d'homicide par négligence ne se justifie pas pour d'autres motifs, non envisagés par l'autorité cantonale.
3.
Le recourant soutient que l'autorité cantonale a violé le droit fédéral en libérant l'intimé, alors que tous les éléments constitutifs de l'homicide par négligence au sens de l'article 117 CP sont réunis.
BGE 122 IV 145 S. 147
Selon l'article 117 CP, "celui qui, par négligence, aura causé la mort d'une personne sera puni de l'emprisonnement ou de l'amende". A la lecture de cette disposition, l'homicide par négligence suppose la réunion de trois conditions: le décès d'une personne, une négligence et un lien de causalité entre la négligence et la mort (CORBOZ, L'homicide par négligence, SJ 1994 p. 169 ss, 169).
a) La première condition est réalisée, dès lors qu'une fillette est décédée, après avoir emprunté le portillon, pendant que la porte coulissante du garage était en mouvement.
b) L'article 18 al. 3 CP donne une définition de la négligence: "celui-là commet un crime ou un délit par négligence, qui, par une imprévoyance coupable, agit sans se rendre compte ou sans tenir compte des conséquences de son acte. L'imprévoyance est coupable quand l'auteur de l'acte n'a pas usé des précautions commandées par les circonstances et par sa situation personnelle".
aa) Pour qu'il y ait homicide par négligence, il faut tout d'abord que l'auteur ait d'une part violé les règles de prudence que les circonstances lui imposaient pour ne pas excéder les limites du risque admissible et que, d'autre part, il n'ait pas déployé l'attention et les efforts que l'on pouvait attendre de lui pour se conformer à son devoir (
ATF 116 IV 306
consid. 1a et les références citées, confirmé notamment à l'
ATF 122 IV 17
consid. 2b). Pour déterminer plus précisément quels étaient les devoirs imposés par la prudence, on peut se référer à des normes édictées par l'ordre juridique pour assurer la sécurité et éviter des accidents; à défaut de dispositions légales ou réglementaires, on peut se référer à des règles analogues qui émanent d'associations privées ou semi-publiques lorsqu'elles sont généralement reconnues (
ATF 122 IV 17
consid. 2b/aa et les arrêts cités). La violation des devoirs de la prudence peut aussi être déduite des principes généraux, si aucune règle spéciale de sécurité n'a été violée (
ATF 106 IV 80
consid. 4b confirmé notamment aux
ATF 122 IV 17
consid. 2b/aa,
ATF 121 IV 10
consid. 3, 207 consid. 2a, 286 consid. 3 p. 290). Un comportement viole le devoir de prudence lorsque l'auteur, au moment des faits, aurait pu, compte tenu de ses connaissances et de ses capacités, se rendre compte de la mise en danger d'autrui et qu'il a simultanément dépassé les limites du risque admissible (ATF
ATF 121 IV 10
consid. 3, 207 consid. 2a, 286 consid. 3,
ATF 118 IV 130
consid. 3). C'est donc en fonction de la situation personnelle de l'auteur que l'on doit apprécier son devoir de diligence (
ATF 99 IV 127
consid. 2c; cf. CORBOZ, op.cit., p. 187; REHBERG, Strafrecht I, Zurich 1993, p. 206; STRATENWERTH, Allg. Teil I, Berne 1996,
BGE 122 IV 145 S. 148
p. 438 s. no 16). Peu importe toutefois que l'auteur ait pu ou dû prévoir que les choses se passeraient exactement comme elles ont eu lieu (
ATF 79 IV 165
p. 170 s. confirmé notamment aux
ATF 115 IV 199
consid. 5c,
ATF 99 IV 127
consid. 2c p. 132,
ATF 98 IV 11
consid. 4 p. 17 s.). S'il y a eu violation des règles de la prudence, encore faut-il que celle-ci puisse être imputée à faute, c'est-à-dire que l'on puisse reprocher à l'auteur, compte tenu de ses circonstances personnelles, d'avoir fait preuve d'un manque d'effort blâmable (
ATF 122 IV 17
consid. 2b/ee p. 22,
ATF 121 IV 207
consid. 2a p. 211 s. et les références citées).
bb) En l'espèce, les normes de sécurité en vigueur, tant au moment de l'installation du portillon qu'à l'époque de l'accident, prévoyaient que le déplacement des portes motorisées munies d'un portillon ne devait être possible qu'en cas de fermeture de celui-ci (cf. art. 2.5.6 des règles no 1511 relatives aux portes coulissantes et basculantes établies par la CNA en 1962, remplacé par l'art. 5.20 des règles no 1511 relatives aux portes, portails et fenêtres établies par la Commission fédérale de coordination pour la sécurité au travail en 1992). Même s'il fallait considérer que ces normes de sécurité ne sont pas opposables à l'intimé, les règles générales de la prudence imposaient de prendre les mesures nécessaires, afin que le portillon installé ne représente pas un danger pour les tiers. La création de ce portillon constitue donc bien, d'un point de vue objectif, une violation des devoirs de prudence.
Il faut ensuite se demander si cette violation objective des devoirs de prudence peut être imputée à l'intimé. L'examen de cette question revient à déterminer si celui-ci, en fonction de sa situation personnelle, pouvait se rendre compte que le portillon, tel qu'il l'avait installé, mettait en danger autrui. L'intimé, qui n'est pas titulaire d'un certificat fédéral de capacité, a une formation de serrurier, de sorte qu'il ne possède pas les connaissances techniques spécifiques en matière de portes coulissantes. De plus, ce n'est qu'après avoir installé le portillon avec une ouverture vers l'extérieur que l'intimé s'est immédiatement aperçu que les gonds du portillon frottaient sur le mur latéral lorsque la porte était en mouvement et que, si le portillon restait ouvert, il risquait de heurter le mur en béton le long duquel la porte du garage coulissait. Le fait que l'intimé n'ait remarqué de tels défauts qu'une fois le portillon mis en place, mais qu'il n'y ait pas pensé avant le montage démontre son inexpérience en la matière; il révèle également son incapacité à imaginer les difficultés ou les risques que ce genre d'installation est susceptible de créer, avant que
BGE 122 IV 145 S. 149
ceux-ci ne surviennent effectivement. Enfin, il découle des faits retenus - qui lient la Cour de cassation (
art. 277bis PPF
) - que, même s'il a effectué les travaux avec une certaine autonomie, l'intimé a réalisé le portillon conformément aux instructions reçues. Il a donc agi en tant que simple travailleur, exécutant les ordres de son employeur. Par conséquent, compte tenu de son manque de formation professionnelle, de son inexpérience en la matière et de son rôle de subordonné, on ne peut faire grief à l'intimé de ne pas avoir envisagé que l'installation pouvait se révéler dangereuse pour la vie ou l'intégrité corporelle d'autrui.
Comme l'intimé ne peut se voir reprocher une violation fautive de son devoir de prudence, son comportement ne tombe pas sous le coup de l'article 117 CP.
Partant, en libérant l'intimé au motif que celui-ci n'a pas commis de négligence, la cour cantonale n'a pas violé le droit fédéral, de sorte que le pourvoi doit être rejeté.
4.
(Frais). | null | nan | fr | 1,996 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
2fa7e84a-760a-4c3f-ad11-67c939a0dfe0 | Urteilskopf
108 Ib 425
74. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit public du 15 juillet 1982 dans la cause Office fédéral de la justice contre Cochard et Commission vaudoise de recours en matière foncière (recours de droit administratif) | Regeste
Art. 5 lit. b BewB
. Ausnahme von der Bewilligungspflicht für die gesetzlichen Erben. Fall des Vermächtnisnehmers.
Art. 5 lit. b BewB
ist so auszulegen, dass der Erwerb einer Liegenschaft in der Schweiz durch eine Person, die im Ausland Wohnsitz hat, der Bewilligungspflicht nicht untersteht, wenn der Erwerber (auch nur potentiell) zum Kreis der gesetzlichen Erben gehört, und die Liegenschaft im Zuge der Erbfolge (gesetzliche oder durch Testament) erworben wird. | Sachverhalt
ab Seite 425
BGE 108 Ib 425 S. 425
Le 13 août 1980, Franck-Henri Cochard, ressortissant français né en 1966, actuellement domicilié chez ses parents à Avoudrey (Département du Doubs), a sollicité, en qualité de légataire, l'autorisation d'acquérir des héritiers de sa grand-tante et marraine, Anne-Marie Cretin, six parcelles (d'une superficie totale
BGE 108 Ib 425 S. 426
de 56'218 m2) sur le territoire de la commune vaudoise d'Arzier, au lieu dit "Les Petits-Plats".
Considérant que les parcelles en question étaient situées dans la partie du territoire suisse acquise de la France selon le Traité concernant la vallée des Dappes du 8 décembre 1862 (RS 0.132.349.24), la Commission foncière II a, par décision du 29 août 1980, accordé l'autorisation sollicitée sans imposer de charge à l'acquéreur. Le Département vaudois de l'agriculture, de l'industrie et du commerce a renoncé à faire usage de son droit de recours contre cette décision.
En tant qu'autorité fédérale habilitée à recourir, l'Office fédéral de la justice a, quant à lui, saisi la Commission cantonale de recours en matière foncière en lui demandant d'annuler le prononcé de l'autorité de première instance. Son recours a toutefois été rejeté, par décision de ladite commission du 8 janvier 1981.
Agissant en temps utile par la voie du recours de droit administratif, l'Office fédéral de la justice a demandé au Tribunal fédéral d'annuler la décision de l'autorité cantonale de recours et de refuser l'autorisation sollicitée par Franck-Henri Cochard.
Le Tribunal fédéral a rejeté le recours.
Erwägungen
Extrait des considérants:
3.
a) Bien que le testament ne figure pas au dossier, les autorités cantonales ont considéré comme établi le fait qu'Anne-Marie Cretin a légué les six parcelles litigieuses non pas à ses neveux et nièces, ni même à sa nièce Josiane Cochard, mais directement à son petit-neveu et filleul Franck-Henri Cochard. En vertu de l'
art. 105 al. 2 OJ
, le Tribunal fédéral est lié par cette constatation de fait qui n'est pas manifestement inexacte et n'est d'ailleurs nullement contestée par le recourant. Ainsi, dans la succession de sa grand-tante (décédée sans descendants directs), l'intimé n'a pas reçu la propriété des six parcelles litigieuses dans la dévolution légale (comme représentant de sa mère, qui est toujours en vie), mais en tant que légataire. Toutefois, il n'en demeure pas moins vrai que, comme petit-neveu de la défunte, Franck-Henri Cochard fait partie du cercle des personnes que le code civil appelle des héritiers légaux.
En droit, le problème se pose donc de savoir si les autorités vaudoises n'ont pas eu tort d'exclure la possibilité pour
BGE 108 Ib 425 S. 427
Franck-Henri Cochard de se prévaloir de l'exception prévue à l'
art. 5 lettre b AFAIE
et d'échapper ainsi à l'assujettissement au régime de l'autorisation.
b) Certes, en disposant que l'acquisition d'immeubles par des héritiers légaux dans la dévolution d'une succession ("durch gesetzliche Erben im Rahmen eines Erbgangs", "da parte di eredi legitimi nella devoluzione di un'eredità") n'est pas subordonnée à l'assentiment de l'autorité, l'
art. 5 lettre b AFAIE
ne répond pas clairement à cette question et il faut bien reconnaître que cette disposition donne lieu à des interprétations différentes selon les autorités cantonales. Mais, pris à la lettre, ce texte peut signifier que tous les héritiers légaux - actuels ou potentiels - bénéficient de cette exception dès lors qu'ils reçoivent un immeuble dans la dévolution d'une succession, sans que l'on ait à faire une distinction - non prévue à l'
art. 5 lettre b AFAIE
- entre une dévolution légale - ou ab intestat - et une dévolution testamentaire. Ainsi, même si en fait elle était exclue de la succession ab intestat par un ascendant qui la précède dans l'ordre légal de succession, une personne à l'étranger pourrait se prévaloir de l'exception prévue à l'
art. 5 lettre b AFAIE
, à la condition d'être un héritier légal - même potentiel - selon les dispositions des
art. 457 ss CC
.
c) Il est vrai que, dans sa jurisprudence, le Tribunal fédéral semble avoir adopté une interprétation restrictive, puisqu'il a dit exclure l'application de l'
art. 5 lettre b AFAIE
en cas d'institution d'héritier (
ATF 101 Ib 381
consid. 1a et RNRF vol. 55, p. 57 s. consid. 4b) ou de legs (
ATF 103 Ib 179
s. consid. 1).
Toutefois, cette jurisprudence n'est pas décisive car, en réalité, dans les trois affaires jugées en 1973, 1975 et 1977, l'immeuble était acquis, dans la dévolution d'une succession, soit par des personnes morales (
ATF 101 Ib 379
ss), soit par des personnes physiques n'ayant aucun lien de parenté avec le de cujus (RNRF vol. 55, p. 53 ss et
ATF 103 Ib 178
ss), c'est-à-dire par des personnes qui n'avaient évidemment pas la qualité d'héritiers légaux selon le Code civil.
Dans son premier arrêt, du 18 mai 1973, examinant la question de savoir si des héritiers institués peuvent être assimilés à des héritiers, le Tribunal fédéral a dit notamment:
"Die Unterscheidung zwischen gesetzlichen und eingesetzten Erben
entstammt dem Zivilrecht. Eine Gleichsetzung von gesetzlichen und
eingesetzten Erben wird - wie das EJPD zu Recht hervorhebt - in der Lehre
BGE 108 Ib 425 S. 428
mehrheitlich abgelehnt. Es kann im vorliegenden Fall zwar offen bleiben, ob
der Gesetzgeber beim Erlass des Art. 5 lit. b BewB von gleichen oder
zumindest ähnlichen Überlegungen ausgegangen ist wie die Schöpfer des
Schweizerischen Zivilgesetzbuches bei der Verwendung des Begriffs
gesetzliche Erben. Wahrscheinlich erscheint aber zumindest, dass der
Gesetzgeber durch die Wahl dieses Begriffs nur jene Erben von der
Unterstellung unter die Bewilligungspflicht ausnehmen wollte, die das
Gesetz selbst schon als Erben einsetzt. Wäre dem nicht so, hätte der
Gesetzgeber sich mit dem Begriff "Erben" begnügt. Offenbar liegt der
alleinigen Ausnahme der gesetzlichen Erben von der Bewilligungspflicht der
Zweck zugrunde, allfälligen Gesetzesumgehungen auf dem Wege der
Erbeneinsetzung vorzubeugen. Hätte der Gesetzgeber überdies eingesetzte
Erben privilegieren wollen, ohne sie von der generellen Bewilligungspflicht
nach Art. 5 BewB auszunehmen, hätte er den eingesetzten Erben ein
berechtigtes Interesse in Art. 6 Abs. 2 BewB zuerkennen können."
(RNRF vol. 55, p. 57 s. consid. 4b)
En outre, dans son arrêt du 2 mai 1975, le Tribunal fédéral a considéré qu'il existe de sérieuses raisons d'être plus libéral à l'égard des héritiers légaux, dont le choix n'appartient pas au de cujus, qu'à l'égard des héritiers institués, que le disposant pourrait désigner en vue de réaliser par une voie détournée une opération immobilière prohibée (
ATF 101 Ib 381
consid. 1a).
d) Dans son projet du 15 novembre 1960, le Conseil fédéral avait prévu, à l'art. 6 al. 3, que l'approbation ne pourrait pas être refusée "lorsque la propriété foncière est transférée dans la dévolution d'une succession à un héritier légal". Pour simplifier, la commission du Conseil des Etats a proposé de faire passer cette règle à l'art. 5 lettre b et de dispenser ainsi les héritiers légaux de l'obligation de demander l'autorisation d'acquérir un immeuble dans la dévolution d'une succession. Acceptée par les Chambres, cette proposition n'a, à vrai dire, fait l'objet d'aucun commentaire lors des débats parlementaires (voir notamment Bull. stén. CE 1961, p. 53 s.). D'ailleurs, dans son Message du 15 novembre 1960, le Conseil fédéral s'était contenté de dire, d'une manière un peu vague, que l'art. 6 al. 3 du projet "crée un privilège en faveur des héritiers légaux..." (voir FF 1960 II p. 1275), sans préciser si ce privilège serait accordé seulement dans la dévolution légale d'une succession ou si elle le serait aussi dans une dévolution testamentaire.
En 1962, l'un des membres de la Commission d'experts a tenu pour admis que les héritiers légaux bénéficient de la dérogation prévue à l'
art. 5 lettre b AFAIE
"même lorsqu'ils héritent en vertu d'une disposition testamentaire, notamment d'une règle de partage
BGE 108 Ib 425 S. 429
attribuant à l'un d'eux tel immeuble situé en Suisse afin d'éviter un état d'indivision ou de copropriété; en revanche, le Département fédéral de justice et police considère qu'une telle attribution à un héritier légal en vertu d'une convention de partage est sujette à autorisation, ce qui semble inutilement restrictif puisqu'on devra toujours admettre qu'il existe un intérêt légitime au partage" (voir CHARLES-ANDRÉ JUNOD, L'acquisition d'immeubles en Suisse par des personnes domiciliées à l'étranger, 2e Journée juridique de la Faculté de droit de Genève, 1963, p. 120).
e) L'
art. 5 lettre b AFAIE
doit ainsi être interprété en ce sens que l'acquisition d'un immeuble en Suisse par une personne domiciliée à l'étranger n'est pas soumise à autorisation lorsqu'elle est faite par un héritier légal - même potentiel - dans la dévolution - légale ou testamentaire - d'une succession. Certes, le disposant jouit encore d'une certaine liberté dans le choix de la personne qu'il entend favoriser - par une institution d'héritier ou par un legs - au détriment de parents plus proches, mais il faut bien reconnaître que, ce choix étant limité aux seuls héritiers légaux, le disposant ne pourrait guère réaliser, par cette voie détournée, une opération immobilière prohibée. La crainte que le Tribunal fédéral a exprimée dans son arrêt du 2 mai 1975 (
ATF 101 Ib 381
consid. 1a) n'apparaît pas justifiée dans le cas d'acquisition par un héritier légal (même potentiel).
Dans le cas particulier, il faut donc admettre - contrairement à l'avis exprimé par l'intimé et par les autorités vaudoises - que Franck-Henri Cochard peut, en tant qu'héritier légal potentiel (
art. 458 al. 3 CC
), se prévaloir de l'exception prévue à l'
art. 5 lettre b AFAIE
. D'ailleurs, cette solution apparaît d'autant plus justifiée qu'Anne-Marie Cretin aurait pu librement disposer des six parcelles litigieuses en faveur de son petit-neveu en léguant ces immeubles à sa nièce Josiane Cochard - dont la qualité d'héritière légale est indiscutable - à charge pour elle de les transférer à son fils Franck-Henri Cochard: l'intimé a fait observer à juste titre, dans ses mémoires, qu'une telle opération n'aurait pas été soumise à autorisation, en application des dispositions de l'art. 5 lettres b et bbis AFAIE.
f) C'est donc avec raison - mais pour des motifs autres que ceux retenus dans la décision attaquée - que les autorités cantonales ont autorisé Franck-Henri Cochard à faire l'acquisition de six parcelles sur le territoire de la commune d'Arzier. | public_law | nan | fr | 1,982 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
2fa8099b-b9d3-4248-af06-520f7edc3b68 | Urteilskopf
134 III 102
18. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit civil dans la cause A. contre Swiss International Air Lines SA (recours en matière civile)
4A_48/2007 du 23 octobre 2007 | Regeste
Übergang der Arbeitsverhältnisse (
Art. 333 OR
).
Ist
Art. 333 OR
anwendbar, wenn die Betriebsübertragung im Rahmen eines Verfahrens des Nachlassvertrages mit Vermögensabtretung erfolgt? Frage offengelassen (E. 2.2).
Wenn die Arbeitsverhältnisse infolge einer vorzeitigen Pensionierung des Arbeitnehmers vor dem Betriebsübertrag erlöschen, gehen die daraus fliessenden Rechte und Pflichten nicht auf den Erwerber über (E. 3). | Sachverhalt
ab Seite 102
BGE 134 III 102 S. 102
A.
A.a
Swissair, Société Anonyme Suisse pour la Navigation Aérienne (ci-après: Swissair), a été inscrite en 1931 au Registre du commerce de Zurich; son but consistait, notamment, dans l'exploitation de services aériens en Suisse et à l'étranger. En 1949, ladite société a ouvert une succursale à Genève.
Au printemps 1997, Swissair a changé de raison sociale et modifié son but social. Appelée désormais SAirGroup SA (ci-après: SAirGroup), elle est devenue une holding. L'une de ses filiales - SAirLines SA, créée la même année - comptait elle-même, au nombre de ses sociétés filles, une société constituée en 1997 également, sous la raison Swissair, Société Anonyme Suisse pour la Navigation Aérienne (ci-après: Nouvelle Swissair), et une société existante - Crossair SA (ci-après: Crossair) -, qui effectuaient toutes deux les activités aériennes du groupe.
BGE 134 III 102 S. 103
Le 13 mai 2002, Crossair s'est transformée en Swiss International Air Lines SA (ci-après: Swiss ou la défenderesse).
Nouvelle Swissair et SAirGroup ont fait l'objet de poursuites ayant abouti, pour chacune d'elles, à l'homologation d'un concordat par abandon d'actifs en mai, respectivement juin 2003, après qu'elles avaient obtenu un sursis concordataire à fin 2001.
A.b
Au début des années 1990, Swissair, puis SAirGroup ont progressivement recentré leurs activités sur la plate-forme de Zurich et diminué le nombre de leurs vols intercontinentaux. Pour pallier les conséquences des licenciements devenus indispensables, les deux sociétés ont élaboré, dès 1993, avec les syndicats des travailleurs concernés, plusieurs plans sociaux successifs, valables pour l'ensemble du groupe.
L'un de ces plans, dénommé "Option 96", prévoit des retraites anticipées, ou préretraites, donnant droit à différentes prestations pécuniaires de la part de l'employeur jusqu'à ce que le travailleur ait atteint l'âge de la retraite AVS.
Dans une lettre du 11 juillet 1997, Swissair/SAirGroup a informé son employée A. que, conformément à divers entretiens et à un précédent courrier, elle serait mise à la retraite anticipée pour raisons économiques, selon le plan "Option 96", avec effet au 31 décembre 1997. Elle lui a également indiqué les diverses prestations liées à son futur statut de préretraitée.
Le 1
er
novembre 2001, SAirGroup a adressé à A. une lettre l'avisant de la cessation des versements prévus par le plan "Option 96".
B.
Le 13 novembre 2001, A. a ouvert action contre SAirGroup et contre Crossair en concluant, notamment, à ce que les défenderesses soient condamnées solidairement à lui payer les indemnités de préretraite, entre autres prétentions.
Par jugement du 26 août 2002, le Tribunal des prud'hommes du canton de Genève a rectifié la désignation de Crossair pour la remplacer par celle de Swiss, rejeté la demande en tant qu'elle visait cette défenderesse, faute de légitimation passive, et condamné SAirGroup à verser une certaine somme à la demanderesse.
A. a appelé de ce jugement. Ayant passé ultérieurement un accord avec SAirGroup en liquidation concordataire, elle a retiré sa demande, avec désistement d'instance, dans la mesure où elle visait ladite société.
BGE 134 III 102 S. 104
Statuant par arrêt du 9 février 2007, la Cour d'appel de la juridiction des prud'hommes a rejeté l'appel de la demanderesse.
C.
A. exerce un recours en matière civile. Elle invite le Tribunal fédéral à annuler l'arrêt cantonal et à condamner Swiss à lui payer, d'une part, des indemnités totalisant 152'690 fr., intérêts en sus, dont à déduire la somme de 91'614 fr., et, d'autre part, le montant de 20'000 fr. à titre de dommage consécutif à la suppression des facilités de transport. Subsidiairement, la demanderesse conclut à la constatation de la légitimation passive de la défenderesse et au renvoi de la cause à la Cour d'appel pour qu'elle statue sur les prétentions litigieuses.
La défenderesse propose le rejet du recours. La cour cantonale en fait de même.
Le Tribunal fédéral a rejeté le recours.
Erwägungen
Extrait des considérants:
1.
1.1
Comme l'arrêt attaqué a été rendu après l'entrée en vigueur, le 1
er
janvier 2007 (RO 2006 p. 1242), de la loi sur le Tribunal fédéral (LTF; RS 173.110), le recours est régi par le nouveau droit (
art. 132 al. 1 LTF
).
Interjeté par la partie qui a succombé dans ses conclusions (
art. 76 al. 1 LTF
), en tant qu'elles visaient la défenderesse Swiss, et dirigé contre un jugement final (
art. 90 LTF
) rendu en matière civile (
art. 72 al. 1 LTF
) par une autorité cantonale de dernière instance (
art. 75 LTF
), dans une affaire pécuniaire en matière de droit du travail dont la valeur litigieuse atteint le seuil de 15'000 fr. (
art. 74 al. 1 let. a LTF
), le recours est en principe recevable, puisqu'il a été déposé dans le délai (
art. 100 al. 1 LTF
) et la forme (
art. 42 LTF
) prévus par la loi.
Le recours peut être interjeté pour violation du droit, tel qu'il est délimité par les
art. 95 et 96 LTF
. Le Tribunal fédéral applique le droit d'office (
art. 106 al. 1 LTF
). Il n'est donc limité ni par les arguments soulevés dans le recours ni par la motivation retenue par l'autorité précédente; il peut admettre un recours pour un autre motif que ceux qui ont été invoqués et il peut rejeter un recours en adoptant une argumentation différente de celle de l'autorité précédente (cf.
ATF 130 III 136
consid. 1.4). Eu égard à l'exigence de motivation contenue à l'
art. 42 al. 1 et 2 LTF
, sous peine
BGE 134 III 102 S. 105
d'irrecevabilité (
art. 108 al. 1 let. b LTF
), le Tribunal fédéral n'examine en principe que les griefs invoqués; il n'est pas tenu de traiter, comme le ferait une autorité de première instance, toutes les questions juridiques qui se posent, lorsque celles-ci ne sont plus discutées devant lui.
1.2
La demanderesse reproche à la Cour d'appel d'avoir méconnu l'
art. 333 CO
. Elle dénonce ainsi une prétendue violation du droit fédéral. Son recours est, dès lors, recevable.
2.
2.1
Il est incontesté, et du reste incontestable, que Swiss ne s'est jamais engagée envers la demanderesse à lui fournir quelque prestation que ce fût, soit directement, sur la base d'un contrat de travail ou d'une convention
ad hoc
, soit à titre subsidiaire, en cas de défaillance du débiteur (porte-fort, au sens de l'
art. 111 CO
; cf.
ATF 131 III 606
consid. 4.2.2). Les parties n'ont pas non plus conclu un contrat en vertu duquel la défenderesse se serait substituée à un débiteur de la demanderesse (reprise de dette externe, au sens de l'
art. 176 CO
) et celle-là ne s'est pas davantage constituée débitrice de celle-ci aux côtés d'un autre obligé (reprise de dette cumulative;
ATF 129 III 702
consid. 2.1 p. 704).
Cela étant, le seul fondement juridique susceptible d'être invoqué, en l'espèce, par la demanderesse à l'appui de ses prétentions et de conférer à Swiss la qualité pour défendre (ou légitimation passive), en tant que sujet passif des créances litigieuses, réside dans un éventuel transfert automatique des rapports de travail, avec tous les droits et les obligations qui en découlent, aux conditions de l'
art. 333 CO
(cf.
ATF 132 III 32
consid. 4.2.1).
2.2
L'application de cette disposition soulève un certain nombre de questions délicates
in casu
. Il s'agit, en particulier, de déterminer si Swiss (ex-Crossair) s'est effectivement vu transférer l'entreprise ou une partie de celle-ci par Swissair/SAirGroup ou par Nouvelle Swissair et, dans l'affirmative, de décider si l'
art. 333 CO
est applicable ou non lorsqu'un tel transfert s'opère dans le cadre d'une procédure de concordat par abandon d'actifs (
art. 317 ss LP
) visant son auteur.
Ces questions peuvent toutefois demeurer indécises dès lors que, pour le motif indiqué ci-après, le présent recours devra être rejeté, quelles que soient les réponses qui pourraient leur être données.
BGE 134 III 102 S. 106
3.
3.1
3.1.1
Aux termes de l'
art. 333 al. 1 CO
, si l'employeur transfère l'entreprise ou une partie de celle-ci à un tiers, les rapports de travail passent à l'acquéreur avec tous les droits et les obligations qui en découlent, au jour du transfert, à moins que le travailleur ne s'y oppose. Selon la jurisprudence et la doctrine, seuls les rapports de travail
existant
au moment du transfert de l'entreprise passent à l'acquéreur (
ATF 123 III 466
consid. 3b p. 468; arrêt 4C.333/1998 du 7 janvier 1999, consid. 1b/aa; ULLIN STREIFF/ADRIAN VON KAENEL, Arbeitsvertrag, 6
e
éd., n. 8 ad
art. 333 CO
, p. 554; GABRIEL AUBERT, Commentaire romand, n. 4 ad
art. 333 CO
; WOLFGANG PORTMANN, Commentaire bâlois, n. 10 in fine ad
art. 333 CO
; JEAN-LOUIS DUC/OLIVIER SUBILIA, Commentaire du contrat individuel de travail, n. 8 ad
art. 333 CO
, p. 335; THOMAS GEISER, Arbeitsrechtliche Fragen bei Sanierungen, in Sanierung der AG [éd. Vito Roberto], 2003, p. 119 ss, 141; ENDRIT KARAGJOZI, Les transferts d'entreprise en droit du travail, in Le droit du travail en pratique [éd. Gabriel Aubert], 2003, p. 65). La situation n'est pas différente en droit communautaire (voir les arrêts de la Cour de justice des Communautés européennes [CJCE] cités par KARAGJOZI, op. cit., p. 65, notes de pied 211 et 212). Il suit de là que le bénéfice de l'
art. 333 CO
ne peut être invoqué que par les seuls travailleurs dont la relation de travail est en cours à la date du transfert, mais qu'il peut l'être même si les rapports de travail ont déjà été résiliés pour une date postérieure à ce transfert (cf.
ATF 132 III 32
ss;
ATF 123 III 466
ss). L'acquéreur de l'entreprise n'a ainsi pas à reprendre des contrats de travail n'existant plus au moment du transfert (DUC/SUBILIA, ibid.).
Demeure réservée la question, controversée, mais qui ne se pose pas en l'espèce, des conséquences de la résiliation d'un contrat de travail notifiée par l'employeur pour éluder la protection découlant de l'
art. 333 al. 1 CO
(cf. l'arrêt 4C.333/1998, précité, consid. 1b/bb et les références; voir aussi l'exposé - fait par SREIFF/VON KAENEL, op. cit., n. 10 ad
art. 333 CO
- des diverses opinions émises à ce sujet).
3.1.2
Le contrat de travail, au sens de l'
art. 319 CO
, est celui par lequel une personne (le travailleur) s'oblige envers une autre (l'employeur) à fournir, dans un état de subordination, des services contre le paiement d'un salaire, pendant une période déterminée ou indéterminée (PIERRE ENGEL, Contrats de droit suisse, 2
e
éd., p. 290 s.).
BGE 134 III 102 S. 107
Le travailleur a deux obligations essentielles (cf. PIERRE TERCIER, Les contrats spéciaux, 3
e
éd., n. 3044 ss): la première est d'exécuter personnellement et avec soin les services que l'employeur attend de lui (
art. 321 CO
); la seconde, de sauvegarder fidèlement les intérêts légitimes de l'employeur (
art. 321a al. 1 CO
), ce qui implique l'interdiction de travailler au noir (
art. 321a al. 3 CO
) et de divulguer des secrets (
art. 321a al. 4 CO
). Quant aux obligations de l'employeur (cf. TERCIER, op. cit., n. 3098 ss), elles consistent principalement à payer le salaire (
art. 322 al. 1 CO
) et à protéger la personnalité du travailleur (
art. 328 CO
), ce dernier devoir comprenant la protection de la personnalité au sens étroit, l'octroi de congés et de vacances ainsi que le paiement des cotisations aux assurances sociales (TERCIER, op. cit., n. 3100).
Normalement le contrat de travail prévoit que les rapports de travail prennent fin lorsque le travailleur atteint l'âge de la retraite et la rente de vieillesse n'est plus versée par l'employeur, mais par un tiers, à savoir l'institution de prévoyance (
ATF 132 III 32
consid. 6.2.2 p. 46). Mais il se peut aussi que, pour telle ou telle raison, les rapports de travail s'éteignent avant que le travailleur ait atteint cet âge-là et que l'intéressé acquière le statut de préretraité. Suivant les circonstances, il bénéficiera alors de prestations que l'employeur se sera engagé à effectuer lui-même dans le but de favoriser un départ anticipé. Cependant, la situation de ce préretraité ne sera en rien comparable à celle du travailleur, car les éléments caractéristiques du contrat de travail et les obligations respectives des parties à ce contrat, tels qu'ils ont été rappelés plus haut, feront défaut dans cette hypothèse, quand bien même il subsistera une relation juridique entre le créancier et le débiteur de la prestation de préretraite. En particulier, le crédirentier sera libéré définitivement de son obligation de fournir un travail, sa situation se distinguant à cet égard de celle des personnes empêchées temporairement d'exécuter cette obligation pour différentes causes (maladie, accident, accouchement, etc.). De surcroît, il n'aura plus de devoir de fidélité à respecter envers son employeur, contrairement au travailleur qui a simplement été libéré de l'obligation de travailler par l'employeur (
ATF 128 III 271
consid. 4a/bb p. 281; ALFRED BLESI, Die Freistellung des Arbeitnehmers, thèse St-Gall 2000, p. 205 ss).
Point n'est besoin d'examiner ici, étant donné que les circonstances de la présente cause y sont étrangères, le cas de figure, évoqué dans la doctrine, où la mise à la retraite anticipée du travailleur ne
BGE 134 III 102 S. 108
consisterait qu'en une libération de l'obligation de travailler jusqu'à l'âge de la retraite, moyennant versement d'une prestation transitoire généralement inférieure au salaire, sans qu'il soit mis fin aux rapports de travail (au sujet de cette hypothèse, cf. ALFRED BLESI,
Art. 333 OR
und Haftung des Betriebsnachfolgers für Versprechen betreffend Frühpensionierung, in Jusletter du 8 mai 2006, n. 16).
3.2
En l'espèce, la demanderesse a été mise à la retraite anticipée bien avant l'éventuel transfert de l'entreprise à Swiss. Il est manifeste que cette mise à la retraite a entraîné l'extinction des rapports de travail existants. Telle est du reste la conclusion à laquelle le Tribunal fédéral avait abouti en interprétant une lettre dont le contenu était comparable à celle que Swissair/SAirGroup a adressée le 11 juillet 1997 à la demanderesse pour l'informer de sa prochaine mise à la retraite anticipée (
ATF 131 III 606
consid. 5 p. 614; dans ce sens, cf. BLESI, dernier op. cit., ibid.).
Ainsi, comme Swiss n'a pas repris les rapports de travail liant la demanderesse à son précédent employeur, les obligations y relatives, en particulier les dettes découlant du plan social (cf.
ATF 132 III 32
consid. 6.2.2 p. 47), ne lui ont pas été transférées. La défenderesse n'est donc pas le sujet passif des créances litigieuses. Par conséquent, c'est à bon droit que l'autorité précédente lui a dénié la légitimation passive pour résister à l'action en paiement introduite par la demanderesse.
Cela étant, le présent recours ne peut qu'être rejeté. | null | nan | fr | 2,007 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
2faba211-2e41-47d8-8b9d-66ff1de3e522 | Urteilskopf
92 I 143
25. Urteil vom 26. März 1966 i.S. Katholisches Jugendsekretariat und Mitbeteiligte gegen PTT. | Regeste
1. Formelle und materielle Legitimation zur Erhebung einer Verwaltungsgerichtsbeschwerde (Erw. 2).
2. Die umstrittene Weisung der Post, mit der die Beförderung regalfreier Sendungen eingeschränkt wird, verstösst gegen den in
Art. 4 Abs. 1 PVG
ausgesprochenen Grundsatz der Rechtsgleichheit. Wäre die Weisung auch bei rechtsgleicher Behandlung der Postbenützer gesetzeswidrig? (Erw. 3-5). | Sachverhalt
ab Seite 144
BGE 92 I 143 S. 144
A.-
Seit 1956 geben zahlreiche römisch-katholische Pfarreien des Kantons Zürich ein "Katholisches Pfarrblatt für Stadt und Kanton Zürich" heraus. Das Pfarrblatt erscheint mit Ausnahme der Ferienmonate Juli und August wöchentlich. Die Gesamtheit der Pfarreien, die dieses Pfarrblatt verwenden, wird als "Pfarrblatt-Gemeinschaft" bezeichnet. Die Pfarrblatt-Gemeinschaft hat das Katholische Jugendsekretariat des Kantons Zürich mit der Herausgabe des Pfarrblattes beauftragt.
1964 umfasste die Pfarrblatt-Gemeinschaft 53 Pfarreien; das Pfarrblatt wurde ca. 42 000 Abonnenten zur Taxe für abonnierte Zeitungen und Zeitschriften von 1 1/4 Rappen bis 50 g zugestellt (
Art. 20 Abs. 1 PVG
).
B.-
Zu Beginn des Jahres 1965 traten drei weitere Pfarreien, nämlich Zürich Dreikönigen, Zürich St. Theresia und Rümlang mit ca. 2600 Abonnenten der Pfarrblatt-Gemeinschaft bei. Bis dahin hatten die drei Pfarreien ihr eigenes Pfarrblatt; dieses wurde in Zürich Dreikönigen und Rümlang in ca. 260 Exemplaren durch die Post zugestellt und in Zürich St. Theresia durch Schulkinder ausgetragen.
Am 15. Januar 1965 teilte die Kreispostdirektion Zürich telephonisch und am 1. Februar schriftlich dem Jugendsekretariat auf Anfrage mit, wegen des zunehmenden Personalmangels sei es der Post nicht möglich, "die gänzlich oder im wesentlichen Umfang neu der Post zur Vertragung übergebenen katholischen Pfarrblätter zu den Taxen und Bedingungen für abonnierte Zeitungen zu akzeptieren". Gleichzeitig erklärte
BGE 92 I 143 S. 145
sich die Kreispostdirektion aber bereit, die Pfarrblätter der drei Pfarreien - im Sinne einer Übergangslösung - vorläufig als adressierte PP-Drucksache zur Taxe von 5 Rappen bis 50 g anzunehmen (
Art. 17 Abs. 1 PVG
).
C.-
Am 10. April 1964 war folgende dienstliche Mitteilung der PTT-Betriebe ergangen:
"Zustellung von bisher durch Private vertragenen Zeitungen Die missliche Lage auf dem Arbeitsmarkt veranlasst immer häufiger die Verleger regionaler, bisher von Privaten vertragenen Tageszeitungen, zu versuchen, diese dauernd durch die Post zustellen zu lassen.
Ob und in welchem Umfange dies geschehen kann, muss von Fall zu Fall geprüft werden. Die Poststellen werden deshalb gebeten, allfälligen Begehren von Zeitungsverlegern auf Vertragung ihrer Zeitungen durch die Post nicht von sich aus zu entsprechen. Solche Gesuche sind unverzüglich an die vorgesetzte Kreispostdirektion weiterzuleiten, die, gegebenenfalls nach Rücksprache mit der Postbetriebsabteilung, entscheidet, ob dem Wunsche stattgegeben werden kann oder nicht.
Sofern es sich um kurzfristige Übernahmen handelt (z.B. wenn Verträger wegen Unfall, Krankheit usw. ausfallen), können die Poststellen von sich aus, sofern es die Verhältnisse erlauben, derartigen Anliegen entsprechen. Bei dieser Gelegenheit wird daran erinnert, dass nur ausnahmsweise der Post zur Vertragung übergebene Zeitungen, der Drucksachentaxe unterliegen (A 1, Nr. 232)." (in "Dienstliche Mitteilungen der PTT-Betriebe" Nr. 165/1964).
Diese Mitteilung wurde am 5. Februar 1965 dahin ergänzt, sie beziehe sich nun auf alle Veröffentlichungen (illustrierte Wochenzeitungen, Pfarrblätter und dgl.), die zur Zeit durch Private vertragen würden ("Dienstliche Mitteilungen der PTT-Betriebe" Nr. 119/1965).
D.-
Am 12. März 1965 verlangten das Jugendsekretariat und die Pfarrblatt-Gemeinschaft von der Generaldirektion der PTT, den Abonnenten der drei genannten Pfarreien das Pfarrblatt zu den gleichen Bedingungen wie den übrigen Abonnenten zuzustellen. Ihre Beschwerde wurde vom Direktor der Postdienste und nach Weiterzug der Sache von der Generaldirektion der PTT abgewiesen.
E.-
Gegen den Entscheid der Generaldirektion der PTT haben die Beschwerdeführer die verwaltungsrechtliche Beschwerde an das Bundesgericht erhoben mit dem Antrag, auch den neuen Abonnenten sei das Pfarrblatt nach den Vorschriften und Taxen für abonnierte Zeitungen zuzustellen. In einer besondern
BGE 92 I 143 S. 146
Eingabe äussern sich die Beschwerdeführer zu ihrer Aktivlegitimation.
Die Generaldirektion der PTT verlangt, die Beschwerde abzuweisen.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Die Beschwerde ist wie folgt unterzeichnet: "Katholisches Jugendsekretariat: Katholisches Pfarrblatt für Stadt und Kanton Zürich: Dr. F. Demmel, Redaktor." Diese Art Unterzeichnung zeigt mit genügender Deutlichkeit, dass der Redaktor namens des Jugendsekretariats und namens der in der Pfarrblatt-Gemeinschaft zusammengeschlossenen Pfarreien Beschwerde führen wollte. Demnach sind Jugendsekretariat und Pfarrblatt-Gemeinschaft, insbesondere die ihr angehörenden Kirchgemeinden von Zürich Dreikönigen, Zürich St. Theresia und Rümlang, als Parteien des vorliegenden verwaltungsrechtlichen Verfahrens zu betrachten mit Redaktor Dr. F. Demmel als bevollmächtigtem Vertreter.
2.
Da die genannten Beschwerdeführer schon im bisherigen Verfahren als Parteien beteiligt waren, sind sie formell zur Beschwerde legitimiert; auf die Beschwerde ist deshalb einzutreten. Neben der formellen Legitimaton ist jedoch gemäss
Art. 103 Abs. 1 OG
erforderlich, dass die Beschwerdeführer durch den angefochtenen Entscheid in ihren rechtlich geschützten Interessen verletzt worden sind, d.h. die Legitimation zur Sache besitzen (
BGE 85 I 124
Erw. 2;
BGE 87 I 225
, 433;
BGE 87 I 476
f. und dort zitierte Entscheide; vgl. auch
BGE 90 I 63
; KIRCHHOFER, Die Verwaltungsrechtspflege beim Bundesgericht, S. 32 f.). Es ist somit zu prüfen, ob das katholische Jugendsekretariat und die der Pfarrblatt-Gemeinschaft angeschlossenen Pfarreien in ihren Rechten als Postbenützer verletzt worden sind (vgl. Art. 99 XI OG;
BGE 83 I 50
).
a) Wie aus der Zuschrift des Jugendsekretariats vom 10. März 1966 hervorgeht, besteht zwischen diesem und der Pfarrblatt-Gemeinschaft nur insofern eine Beziehung, als der Leiter des Jugendsekretariats, Dr. Demmel, gleichzeitig Redaktor des Pfarrblatts ist. Der Versand der Pfarrblätter, der zu den hier umstrittenen Fragen Anlass gegeben hat, erfolgt ausschliesslich durch die Pfarrämter. Es fehlt daher an der Sachlegitimation des katholischen Jugendsekretariats, und dessen Beschwerde ist abzuweisen.
BGE 92 I 143 S. 147
b) Die Beschwerdelegitimation der Kirchgemeinden Zürich Dreikönigen, Zürich St. Theresia und Rümlang ist dagegen zu bejahen, da sie das Bundesgericht zum Schutze subjektiver Rechte anrufen, die ihnen durch den angedrohten Ausschluss von der Postbeförderung und die Verfügung über die Posttaxen als verletzt erscheinen.
c) Fraglich ist aber, ob die übrigen zur Pfarrblatt-Gemeinschaft gehörenden Kirchgemeinden ebenfalls beschwerdeberechtigt sind. Die Pfarrblatt-Gemeinschaft ist eine einfache Gesellschaft. Jeder Gesellschafter hat ein Interesse daran, dass sich viele Pfarreien mit einer möglichst grossen Zahl Abonnenten der Gemeinschaft anschliessen, weil damit die Auflage erhöht wird und sich für den Verkauf günstigere Bedingungen ergeben. Wird ein Teil der Pfarrblätter von der Post nicht zur Zeitungstaxe oder überhaupt nicht spediert, so sind Verbreitung und Vertrieb erschwert. Es haben somit alle der Pfarrblatt-Gemeinschaft angeschlossenen Pfarreien ein Interesse an der Aufhebung des angefochtenen Entscheides, welcher der Entwicklung ihres Unternehmens abträglich ist; ihr Interesse ist aber ein mittelbares, das dem vom Gesetz geforderten Rechtsschutzinteresse nicht gleichgestellt werden kann (vgl.
BGE 83 I 50
,
BGE 85 I 124
;
BGE 87 I 476
und dort zitierte Entscheide; KIRCHHOFER a.a.O. S. 32 f; GYGI, Die Beschwerdebefugnis im Verwaltungsprozess, ZBl 61 (1960), 473 f.). Die Sachlegitimation der nur mittelbar betroffenen Kirchgemeinden, die als Dritte vom angeblich gesetzwidrigen Verwaltungsakt bloss reflexweise berührt werden, besteht nicht: Ihre Begehren sind wie die des Jugendsekretariats abzuweisen.
3.
Art. 4 Abs. 1 PVG
verleiht jedermann ein subjektives öffentliches Recht, die der Post übergebenen Sendungen nach Massgabe der Bestimmungen des PVG, der Postordnung und der dazu gehörigen Ausführungsbestimmungen befördern zu lassen. Die diesem Recht entsprechende Beförderungspflicht der Postverwaltung erstreckt sich auf regalpflichtige und regalfreie Sendungen (
BGE 59 I 171
; TUASON, Das Recht der PTT-Betriebe, 2. Auflage 1959, S. 9 und 47; RUFFY, L'obligation de transporter en droit postal, ferroviaire et aérien suisse, S. 29).
In Rücksicht auf den die Postverwaltung empfindlich treffenden Personalmangel ist die Beförderungspflicht mit Bundesgesetz vom 9. März 1962 eingeschränkt worden (AS 1962
BGE 92 I 143 S. 148
S. 973 f.). Mit dieser Gesetzesänderung wurden dem Postverkehrsgesetz neu die Art. 15 Abs. 3 und Art. 19 Abs. 2 beigefügt, die von der Beförderung durch die Post unfrankierte Warenmuster sowie Warenmuster ohne Adresse über 50 g, ferner Drucksachen ohne Adresse über 100 g ausnehmen (vgl. dazu auch Botschaft des Bundesrates vom 26. März 1961, Bundesblatt 1961 I 1129).
4.
In der hier umstrittenen Weisung, die in Dienstanordnungen vom 10. April 1964 und 5. Februar 1965 ihren Ausdruck gefunden hat, ist die Postverwaltung noch einen Schritt weiter gegangen: Sie hat Einschränkungen getroffen, die dahin gehen, alle zusätzlichen Leistungen auf dem Sektor der regalfreien Sendungen abzulehnen. Dementsprechend hat sie die Beförderung der Pfarrblätter der drei zürcherischen Pfarreien nur vorübergehend und zur Drucksachentaxe übernommen.
Ob die Post die von ihr behauptete Unmöglichkeit der Leistung darzutun vermöchte, kann offen bleiben. Jedenfalls wäre dazu der Nachweis erforderlich, dass sie trotz Ausschöpfung aller Möglichkeiten und aller ihr zur Verfügung stehenden Mittel nicht mehr in der Lage ist, in vollem Umfang den gesetzlich umschriebenen Leistungen nachzukommen. Gegen eine solche Annahme scheint auf den ersten Blick die Tatsache zu sprechen, dass in vorliegender Sache die gewünschte Postbeförderung zum Tarif für Drucksachen gewährt worden ist. Dahingestellt bleibt im weitern, ob die Post - die Unmöglichkeit der Leistung vorausgesetzt - Inhalt und Umfang der Beförderungspflicht durch blosse Ausführungsbestimmung oder Verordnung im Sinne von
Art. 4 Abs. 1 PVG
einschränken kann. Zweifel an der Zulässigkeit eines solchen Vorgehens ergeben sich vor allem deshalb, weil, wie die Postverwaltung in ihren Darlegungen anerkennt, mit der umstrittenen Dienstanweisung nicht einer momentanen Notlage begegnet werden soll, sondern weil dieser Weisung die Rolle einer das Gesetz ergänzenden, auf die Dauer angelegten Regelung zufällt. Endlich ist auch nicht zu prüfen, ob die Weisung, auf die sich die Post stützt, überhaupt eine Ausführungsbestimmung gemäss
Art. 4 Abs. 1 PVG
ist: Die von ihr erlassene Weisung verstösst nämlich gegen den im Postverkehrsgesetz Art. 4 Abs. 1 und in der Bundesverfassung aufgenommenen Grundsatz rechtsgleicher Behandlung und ist schon deshalb unbeachtlich.
BGE 92 I 143 S. 149
5.
Die Post geht zunächst zutreffend davon aus, bei einer Unmöglichkeit, der gesetzlichen Leistungspflicht nachzukommen, sei in erster Linie die Beförderung nicht regalpflichtiger Sendungen einzuschränken. Diese Einschränkung nimmt sie dann aber in unzulässiger Weise vor.
a) Die Anordnung, es seien keine Veröffentlichungen neu zur dauernden Vertragung durch die Post zu übernehmen, begünstigt in sachlich nicht zu rechtfertigender Weise Verleger, die schon vor Inkrafttreten dieser Bestimmung zur Postzustellung übergegangen sind, gegenüber solchen, die - teilweise den Wünschen der Post entsprechend - an der privaten Zustellung festgehalten haben. Als auf die Dauer angelegte Massnahme liesse sie sich - unter den erwähnten Vorbehalten (s. Erw. 4) - nur rechtfertigen, wenn sie in sachlich zu vertretender Weise Postbenützer, die gleiche oder ähnliche Leistungen verlangen, gesamthaft ausschlösse. Die Verletzung der Rechtsgleichheit ist deshalb besonders stossend, weil die Vertragung durch die Post zu einer nicht kostendeckenden, seit langem unveränderten Taxe erfolgt, während die Verleger, die die Post nicht beanspruchen, alle Lohnerhöhungen der Verträger selbst tragen müssen.
b) Dazu kommt, dass nach den streitigen Dienstanweisungen die Kreispostdirektion "von Fall zu Fall prüfen soll, ob und in welchem Umfange sie entsprechenden Begehren von Verlegern regionaler Zeitungen entsprechen könne". Damit wird der Kreis der von der Ausnahmeregelung betroffenen Postbenützer weiter eingeschränkt, ohne dass feststünde, wer und unter welchen Bedingungen Anspruch auf Postzustellung besitzt: Anstelle des in
Art. 4 Abs. 1 PVG
umschriebenen gesetzlichen Anspruchs tritt das völlig freie Ermessen der Kreispostdirektionen.
Diese Gründe führen dazu, dem Begehren der drei Pfarreien entsprechend, die Post anzuhalten, ohne Rücksicht auf ihre gesetzwidrige Weisung, die Pfarrblätter nach den heute geltenden gesetzlichen Vorschriften auf die Dauer und nicht bloss vorübergehend zu befördern.
6.
Nach dem Gesagten ist das Pfarrblatt ohne weiteres als abonnierte Zeitung im Sinne von
Art. 20 PVG
zu betrachten. Von den vier in
Art. 20 Abs. 2 PVG
genannten Ausnahmen ist keine anwendbar. Das Pfarrblatt, das in drei Pfarreien von einem bestimmten Zeitpunkt an regelmässig durch die Post
BGE 92 I 143 S. 150
zugestellt werden soll, stellt auch keine unregelmässig aufgegebene Zeitung gemäss Art. 44 Abs. 1 VV I zum PVG dar. Die Pfarrblätter sind somit zur Zeitungstaxe zu befördern.
Dispositiv
Demgemäss hat das Bundesgericht erkannt:
1.- Die Beschwerden der Kirchgemeinden von Zürich Dreikönigen, Zürich St. Theresia und Rümlang werden gutgeheissen und die Beschwerdebeklagte verpflichtet, das katholische Pfarrblatt für Stadt und Kanton Zürich in diesen drei Kirchgemeinden zur Taxe für abonnierte Zeitungen den Abon nenten zuzustellen.
2.- Die Beschwerden der andern der zürcherischen Pfarrblatt-Gemeinschaft angeschlossenen katholischen Kirchgemeinden sowie die Beschwerde des katholischen Jugendsekretariats werden abgewiesen. | public_law | nan | de | 1,966 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
2fac4611-9b3f-4033-a845-7c90fb986eed | Urteilskopf
107 II 381
59. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 1. September 1981 i.S. Jankovich gegen AG für Baurationalisierung (Berufung) | Regeste
Art. 50 Abs. 1 OG
.
Unter einem selbständigen Zwischenentscheid im Sinne dieser Bestimmung kann auch ein Beweisbeschluss verstanden werden, wenn er von präjudizieller Bedeutung für das Sachurteil ist und seine Erwägungen den kantonalen Richter im weiteren Verfahren binden. | Sachverhalt
ab Seite 381
BGE 107 II 381 S. 381
In einem Forderungsprozess gegen die AG für Baurationalisierung beantragte Jankovich dem Handelsgericht des Kantons St. Gallen: festzustellen, dass die Beklagte ihm Lizenzgebühren schulde (Begehren 1); die Beklagte zu verpflichten, ihm Fr. 1'260'870.70 nebst 5% Zins seit verschiedenen Verfalldaten zu bezahlen (Begehren 2); ihm einen noch zu beziffernden Schaden wegen Nichteinhaltung des Lizenzvertrages (Begehren 3), eventuell einen solchen aus Nachahmung der Patente zu ersetzen und weitere Nachahmungen zu unterlassen (Begehren 4).
Das Handelsgericht fand, dass zur Streitfrage eine Expertise einzuholen und Urkunden zu edieren seien; da der Lizenzvertrag nur Mindestumsatzzahlen, nicht aber Mindestvergütungen vorsehe, müssten die geschuldeten Lizenzgebühren aufgrund des effektiven Umsatzes ermittelt werden. Es beschloss am 4. November 1980, in diesem Sinne Beweise zu erheben.
Der Kläger hat gegen diesen Beschluss Berufung eingelegt, die vom Bundesgericht zugelassen, aber abgewiesen wird.
BGE 107 II 381 S. 382
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
Nach
Art. 50 OG
ist die Berufung gegen einen selbständigen Vor- oder Zwischenentscheid ausnahmsweise zulässig, wenn dadurch sofort ein Endentscheid herbeigeführt und ein bedeutender Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren erspart werden kann.
a) Die zweite dieser Voraussetzungen ist hier erfüllt, weil die angeordnete Expertise sich erübrigt, wenn der Kläger unbekümmert um den effektiven Umsatz einen vertraglichen Anspruch auf Mindestlizenzgebühren hat, deren Betrag als solcher nicht streitig ist.
Der Kläger hält auch die erste Voraussetzung für gegeben, da eine Zusprechung der Minimallizenzgebühren den Prozess abschliessen würde; er habe nämlich vor Handelsgericht sein Rechtsbegehren im Hauptpunkt auf diese Gebühren beschränkt und fordere sie nur noch eventuell nach dem effektiven Umsatz. Die Berufung bezieht sich auf das Klagebegehren 2; wie es sich mit den Begehren 1 und 3 verhält, an denen der Kläger nach dem angefochtenen Entscheid vor Handelsgericht festgehalten hat, ist weder ihrer Begründung noch den Akten zu entnehmen. Das ergibt sich erst aus seinem Schreiben vom 13. Juli 1981 an den Instruktionsrichter, worin der Kläger erklärte, dass er auf alle weiteren Begehren verzichte, wenn sein Rechtsbegehren 2 gutgeheissen werde. Diesfalls könnte also sofort ein Endentscheid herbeigeführt werden.
b) Eine andere Frage ist, ob von einem selbständigen Vor- oder Zwischenentscheid im Sinne von
Art. 50 OG
die Rede sein kann. Das Handelsgericht legt ausführlich dar, weshalb der Kläger keine Minimallizenz, sondern nur eine umsatzabhängige Stücklizenz beanspruchen könne, beschränkt seinen Entscheid aber auf die Beweiserhebung durch Expertise und Edition. Das spricht eher für einen blossen Beweisbeschluss im Sinne von Abs. 4 als für einen urteilsmässigen Vorentscheid gemäss Abs. 3 des
Art. 184 ZPO
/SG. Was im Berufungsverfahren als selbständiger Vor- oder Zwischenentscheid gilt, muss sich indes aus Bundesrecht ergeben und kann nicht von Zufälligkeiten des kantonalen Rechts oder der Terminologie abhangen, wonach die beiden Begriffe bald einander gegenübergestellt (vgl. STRÄULI/MESSMER, N. 10 zu § 188, N. 4 ff. zu
§ 189 ZPO
), bald einander gleichgesetzt werden (GULDENER, Zivilprozessrecht 3. Aufl. S. 242 f.). Wichtig sind die präjudizielle
BGE 107 II 381 S. 383
Bedeutung des Entscheides und seine Selbständigkeit gegenüber dem späteren Endentscheid (BIRCHMEIER, Kommentar zum OG S. 179). Beides trifft hier zu; begrifflich können deshalb unter den in
Art. 50 OG
erwähnten Zwischenentscheiden auch Beweisbeschlüsse wie der angefochtene verstanden werden.
Nach der bundesrätlichen Botschaft vom 9. Februar 1943 will
Art. 50 OG
einen Vorentscheid des Bundesgerichts über die Anspruchsgrundlage ermöglichen, bevor es zu einem langen und teuren Beweisverfahren über die Höhe des Anspruchs kommt, das sich als völlig unnütz erweist, wenn das Bundesgericht den Anspruch als solchen verneint. Die Grenze der weiterziehbaren Zwischenentscheide musste freilich eng gezogen werden, um Missbräuche vermeiden zu können. Deshalb wurde die Berufung nur ausnahmsweise zugelassen, wenn die gegenteilige Beantwortung der im Entscheid beurteilten Frage den Endentscheid ergibt und damit ein bedeutender Aufwand an Zeit und Kosten erspart werden kann (BBl 1943 S. 122 ff.). Diese Grundgedanken des
Art. 50 OG
und nicht die äussere Form oder die Bezeichnung des angefochtenen Entscheides müssen daher massgebend sein.
Die Rechtsprechung stimmt damit überein. Sie hat sich mit wenigen Ausnahmen immer nur mit den besonderen Voraussetzungen der Bestimmung, nicht aber mit dem Begriff des Vor- und Zwischenentscheides befasst. Dabei wurde bezweifelt, ob es überhaupt einer ausdrücklichen, urteilsmässigen Beantwortung der Vorfrage im Dispositiv bedürfe (
BGE 78 II 398
). Nach anfänglichem Zögern (
BGE 81 II 398
) wurden sodann auch blosse Rückweisungsentscheide der obern kantonalen Instanz als berufungsfähig anerkannt, zumindest wenn diese "im Sinne der Erwägungen" entschied (
BGE 91 II 204
). Später wurden Rückweisungsentscheide ohne Bedenken nach
Art. 50 OG
behandelt, schliesslich sogar im Scheidungsprozess (
BGE 105 II 221
,
BGE 103 II 157
,
BGE 101 II 173
). Ob sich die Berufung aber gegen einen kantonalen Entscheid richtet, der das Beweisverfahren durch Rückweisung der ersten Instanz überträgt, oder ob wie vorliegend eine einzige kantonale Instanz gegeben ist, die den Beweis selbst erheben muss, kann keinen Unterschied machen.
In
BGE 85 II 51
sind prozessleitende Beschlüsse freilich von der Berufungsfähigkeit ausgenommen worden, weil der kantonale Richter jederzeit auf sie zurückkommen könne. Dies dürfte nach
Art. 220 ZPO
/SG im vorliegenden Fall auch die Vorinstanz tun, während ein eigentlicher Vor- oder Teilentscheid für sie unabänderlich
BGE 107 II 381 S. 384
wäre (LUTZ, N. 3 zu
Art. 220 ZPO
). Das kann jedoch ebenfalls nicht entscheidend sein und ist in der Rechtsprechung zur Berufungsfähigkeit von Rückweisungsentscheiden denn auch oft übergangen worden. Es folgt schon aus Bundesrecht, dass die Erwägungen des Berufungsentscheides gemäss
Art. 50 OG
den kantonalen Richter im weiteren Verfahren binden müssen (
Art. 66 Abs. 1 OG
). Auch das Handelsgericht hält seine Erwägungen zur Vertragsauslegung offenbar für abschliessend, weshalb es seinen Entscheid urteilsmässig (
Art. 185 ZPO
), nicht nur als Beweisbeschluss begründet hat (
Art. 186 ZPO
); es macht dazu jedenfalls keinen Vorbehalt für den Endentscheid, wie ihn der kantonale Richter im Falle angebracht hat, der
BGE 85 II 50
ff. zugrunde liegt.
Auf die Berufung ist daher einzutreten. | public_law | nan | de | 1,981 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
2fafbf62-439e-40a4-8a88-4891dc71ea86 | Urteilskopf
108 II 272
54. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour civile du 8 juillet 1982 dans la cause J. contre K. (recours en réforme) | Regeste
Güterrechtliche Auseinandersetzung bei der Scheidung (
Art. 154 ZGB
).
1. Einen Rückschlag hat die Ehefrau nur dann zu tragen, wenn bewiesen ist, dass sie ihn verursacht hat, wobei ein Verschulden nicht dargetan sein muss (E. 3b, aa).
2. Die Unterhaltspflicht der Ehefrau gegenüber einem Kind aus einer ersten Ehe geht grundsätzlich der Pflicht vor, einen Beitrag an die Haushaltskosten zu leisten (E. 3b, bb-3c).
3. Die Ehefrau, die eingebrachtes Gut verwendet hat, um Haushaltskosten zu decken, weil die Mittel des Ehemannes nicht ausreichten, kann diesem gegenüber eine Ersatzforderung geltend machen. Die Kosten für den Unterhalt des Kindes aus einer ersten Ehe sind dabei nicht abzuziehen (E. 4). | Erwägungen
ab Seite 273
BGE 108 II 272 S. 273
Extrait des considérants:
3.
a) A la suite des premiers juges, la cour cantonale retient en fait, conformément aux indications fournies par les rapports d'expertise du notaire F., que, durant la période de vie commune, soit du 27 octobre 1973 au 30 avril 1977, J. a investi dans le ménage les sommes suivantes:
"Fr. 82'989.--, produit de son travail,
3'596.--, revenus de ses apports,
16'804.--, prélèvements sur ses apports,
7'500.--, emprunt,
----------
110'889.-- au total."
Elle constate d'autre part que dame K. a contribué aux frais du ménage au moyen des gains provenant de son travail, en dehors de son activité domestique, à concurrence de 38'548 fr., et de prélèvements sur ses apports s'élevant à 23'382 fr., soit au total 61'960 fr.
Le Tribunal cantonal vaudois admet en outre que dame K. a conservé les revenus de ses titres, par 3'735 fr. 20, et qu'elle a supporté sur ses apports le remboursement partiel d'un prêt de l'Etat suédois pour ses études, par 4'329 fr. Il retient enfin que les parties se sont partagé le mobilier, et que dame K. a repris le solde de ses apports. Le recourant ne conteste pas, avec raison, ces constatations de fait.
b) Selon l'
art. 154 CC
, en cas de divorce, chacun des époux reprend son patrimoine personnel quel qu'ait été le régime matrimonial (al. 1); le bénéfice est réparti entre les conjoints conformément aux règles de leur régime, et le déficit est à la charge du mari, à moins que celui-ci n'établisse qu'il a été causé par la femme (al. 2).
En l'espèce, les parties se sont partagé le mobilier, d'un commun accord, et l'intimée a repris le solde de ses apports. Le recourant n'a en revanche pas pu reprendre les siens, sauf le mobilier, car il les avait investis en totalité dans les charges du ménage.
aa) A la liquidation des biens consécutive au divorce, les comptes de l'union conjugale se soldaient par un déficit. La cour cantonale, à l'instar des premiers juges, considère que ce déficit est à la charge du recourant, qui n'a pas établi qu'il eût été causé par l'intimée.
BGE 108 II 272 S. 274
C'est en vain que le recourant critique sur ce point l'arrêt attaqué. Selon l'
art. 214 al. 2 CC
, invoqué erronément par lui, comme selon l'
art. 154 al. 2 CC
, applicable en l'espèce, le déficit n'est à la charge de l'épouse que dans le cas où la preuve est faite qu'il a été causé par elle. Certes, il n'est pas exigé que le déficit soit la conséquence d'une faute de la femme (LEMP, n. 68 ad
art. 214 CC
; BÜHLER, n. 58 ad
art. 154 CC
; HINDERLING, Das schweizerische Ehescheidungsrecht, 3e éd., p. 122; DESCHENAUX, FJS 1246 p. 11), mais il ne suffit pas d'établir que le déficit n'est pas dû au mari (
ATF 78 II 305
consid. 3a). Le déficit est tenu pour causé par la femme, par exemple lorsqu'il résulte des frais d'entretien d'enfants à elle nés d'un autre lit, de cautionnements de la femme pour des proches, de dépenses de voyages exagérées ou d'acquisitions coûteuses, que le mari ne pouvait pas refuser de faire sans compromettre la paix conjugale (LEMP, n. 69 à 71 ad
art. 214 CC
; DESCHENAUX, loc.cit.), ou encore de dépenses importantes pour la santé de la femme (
ATF 58 II 328
).
bb) En l'espèce, le recourant prétend que ce sont les frais d'entretien du fils de l'intimée, Pierre, qui sont à l'origine du déficit de l'union conjugale. Il fait valoir que l'intimée n'a pas affecté, comme elle aurait dû le faire en vertu de l'
art. 192 al. 2 CC
, l'intégralité des salaires provenant de son activité lucrative au paiement des frais du ménage, lequel ne comprenait, au sens de cette disposition, que les conjoints et leur fils Jean, à l'exclusion de Pierre.
Cette argumentation n'est pas fondée.
D'une part, l'arrêt attaqué ne contient aucune constatation de fait d'où il découle que le déficit de l'union conjugale proviendrait directement des dépenses relatives à l'entretien de Pierre. Ces dépenses se sont élevées, durant la vie commune, soit jusqu'au 30 avril 1977, selon l'estimation de l'expert admise par les autorités cantonales, à 18'900 fr. (450 fr. par mois). Or l'intimée a consacré aux charges du ménage ses salaires pendant cette période à concurrence de 38'548 fr. L'entretien de Pierre a été ainsi couvert par des biens réservés de l'épouse et n'a pas grevé comme tel le ménage des parties.
D'autre part, il est parfaitement admissible, au regard de l'
art. 192 al. 2 CC
, que la femme qui doit subvenir à l'entretien d'un enfant qu'elle a eu d'un autre homme avant le mariage le fasse au moyen des gains qu'elle réalise par une activité lucrative et qu'elle consacre seulement le solde de ses salaires aux charges du ménage, comprenant les conjoints et leurs enfants communs. L'entretien de
BGE 108 II 272 S. 275
la femme et des enfants incombe au mari (
art. 160 al. 2 CC
). La femme qui a la charge de l'entretien d'un enfant né d'un premier lit ne saurait être tenue d'affecter aux frais du ménage, non compris l'entretien de cet enfant, l'intégralité de ses salaires. On ne voit pas avec quels moyens elle entretiendrait ledit enfant, dès lors que ses apports sont soumis à l'administration et à la jouissance du mari (
art. 200-201 CC
), qui en perçoit les revenus et peut s'opposer à leur réalisation.
En réalité, les salaires de l'épouse par 38'548 fr. ont été affectés à l'ensemble des charges du ménage, sans qu'une distinction fût faite entre la part destinée à couvrir l'entretien de Pierre et le solde consacré aux autres postes. De toute façon, si on opère une ventilation entre ces parts, on constate que, déduction faite des frais d'entretien de Pierre pendant la période de vie commune, l'intimée a utilisé quelque 20'000 fr. (exactement 19'648 fr.) pour le ménage comprenant son mari, elle-même et leur fils Jean. Elle a par là satisfait régulièrement à l'obligation prévue à l'
art. 192 al. 2 CC
.
De là il suit que le recourant n'a nullement rapporté la preuve, qui lui incombait, que le déficit de l'union conjugale aurait été causé par l'intimée. Ce déficit est dès lors à sa charge.
c) Le recourant n'est pas en droit d'exiger que l'intimée affecte la totalité de ses gains professionnels, qui sont des biens réservés (
art. 191 ch. 3 CC
), au paiement des frais du ménage, comprenant seulement, à son avis, les conjoints et leur fils Jean, et qu'elle prélève sur le capital de ses apports, même s'il l'y autorise, les montants nécessaires pour l'entretien de Pierre. Certes, en vertu de l'
art. 192 al. 2 CC
, la femme est tenue, en tant que besoin, d'affecter le produit de son travail au paiement des frais du ménage; il n'est pas nécessaire que les ressources du mari soient épuisées pour qu'elle y soit obligée (
ATF 73 II 100
/101 consid. 2,
ATF 63 III 109
). Il reste cependant qu'il incombe, au premier chef, au mari d'entretenir convenablement la femme et les enfants issus de leur union; ce devoir est primordial. Contrairement à l'opinion du recourant, l'obligation de la femme de consacrer, en tant que besoin, le produit de son travail aux frais du ménage ne l'emporte pas sur son devoir d'entretien envers un enfant qu'elle a eu d'un autre homme avant le mariage. Ce devoir de la mère envers son enfant (
art. 276 CC
) prime plutôt, en cas de conflit, son obligation de contribuer comme épouse, en vertu de l'
art. 192 al. 2 CC
, aux charges d'un nouveau ménage. Lorsque le mari est incapable
BGE 108 II 272 S. 276
d'entretenir sa famille, son devoir à cet égard ne passe pas à la femme (
ATF 78 II 305
a). La femme a le droit d'utiliser en premier lieu une partie du produit de son travail pour couvrir les frais d'entretien de son enfant né d'un autre lit avant le mariage et d'affecter le reste aux charges du nouveau ménage, en conformité de l'
art. 192 al. 2 CC
. Si la contribution de la femme aux charges du ménage, par le produit de son travail, n'est pas suffisante, elle peut certes être tenue d'entamer ou de laisser entamer la substance de ses apports pour faire face aux dépenses nécessaires pour vivre (
ATF 78 II 305
a). Mais, pour le capital ainsi utilisé, elle acquiert une créance de récompense correspondante (
ATF 78 II 305
/306,
ATF 52 II 424
ss).
De là il suit que la cour cantonale n'a violé ni l'art. 192 al. 2 ni l'
art. 246 CC
en repoussant la prétention de J. tendant à ce que l'intégralité des salaires de son épouse soit affectée au paiement des frais du ménage, non compris l'enfant Pierre, et à ce que les dépenses d'entretien de celui-ci soient couvertes au moyen de prélèvements sur la substance des apports mulièbres.
4.
a) La cour cantonale retient que dame K. a non seulement consacré le produit de son travail, en dehors de son activité domestique, à concurrence de 38'548 fr., mais encore prélevé sur ses apports 23'382 fr. pour couvrir les dépenses du ménage, car les gains du mari, les revenus de sa fortune, les sommes fournies par la réalisation de valeurs lui appartenant, et même un emprunt, n'y suffisaient pas. Elle a admis dès lors avec raison que dame K. pouvait faire valoir contre son mari une récompense en raison des prélèvements opérés sur ses apports (
ATF 78 II 305
/306) et a confirmé le jugement de première instance, qui avait ramené, ex aequo et bono, de 23'382 fr. à 15'000 fr. cette créance de récompense.
C'est à tort que le recourant critique sur ce point l'arrêt attaqué. Il ne saurait être question de déduire du déficit établi par le rapport d'expertise du notaire F., et arrêté à 20'919 fr., la somme de 18'900 fr. représentant les frais d'entretien de l'enfant Pierre durant la période de la vie commune. La couverture de ces frais a été assurée par une partie du produit du travail de dame K. L'entretien de Pierre n'a dès lors pas émargé aux charges du ménage J. Dame K. n'a pas eu besoin de recourir à l'aide de son mari, puisqu'elle pouvait, au moyen du produit de son travail, assurer elle-même la subsistance de Pierre.
b) Le devoir du mari de contribuer aux frais d'entretien et
BGE 108 II 272 S. 277
d'éducation d'enfants de sa femme est en effet subsidiaire, selon la jurisprudence (
ATF 72 II 168
/169;
ATF 80 IV 100
); il n'existe pas lorsque la mère ou l'enfant dispose de ressources suffisantes pour assurer l'entretien de celui-ci. Le fondement juridique de cette obligation dans l'
art. 159 al. 2 et 3 CC
pouvant prêter à discussion, le nouveau droit de la filiation a prévu expressément à l'
art. 278 al. 2 CC
, introduit par la loi fédérale du 25 juin 1976 et entré en vigueur le 1er janvier 1978, que chaque époux est tenu d'assister son conjoint de façon appropriée dans l'accomplissement de son obligation d'entretien envers les enfants nés avant le mariage.
Contrairement à ce que prétend le recourant, cette disposition a été applicable dès le 1er janvier 1978 au cas de l'enfant Pierre. C'est à tort qu'il affirme que cet article suppose l'existence d'un lien de filiation entre l'époux et l'enfant à l'entretien duquel il devrait contribuer. Cette disposition vise précisément la situation où un tel lien n'existe pas. Le recourant cite erronément le passage de l'ouvrage de HEGNAUER/SCHNEIDER, Droit suisse de la filiation, p. 121, consacré au droit transitoire, où il est dit que l'obligation d'entretien née avant le 1er janvier 1978 est régie par le nouveau droit pour autant qu'il existe un lien de filiation entre le débiteur et l'enfant: les auteurs y traitent de la contribution d'entretien du père et/ou de la mère envers leur enfant. A l'endroit où ils parlent de l'obligation visée à l'
art. 278 al. 2 CC
, les auteurs déclarent expressément (p. 113) que le devoir d'assistance institué à cet article à la charge de chaque époux concerne l'enfant que l'autre conjoint a eu avant le mariage avec un autre partenaire. C'est le cas de l'enfant Pierre par rapport au recourant.
On peut laisser indécise la question de savoir si le recourant était tenu ou non de participer à l'entretien de l'enfant Pierre, soit en vertu de la jurisprudence précitée (
ATF 72 II 168
/169) jusqu'au 31 décembre 1977, soit de par l'
art. 278 al. 2 CC
dès le 1er janvier 1978. En effet, comme on l'a vu, dame K. a pourvu à cet entretien au moyen de ses propres ressources. Le recourant n'a pas eu à y participer lui-même. C'est uniquement la contribution de son épouse aux charges du ménage qui a été moindre.
De là il suit que la créance de récompense de l'intimée contre le recourant, fixée à 15'000 fr., ex aequo et bono, est fondée. | public_law | nan | fr | 1,982 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
2fb85d1d-78d1-4f9c-a95f-a61b989d0465 | Urteilskopf
108 V 253
56. Arrêt du 21 décembre 1982 dans la cause Liechti contre Société vaudoise et romande de secours mutuels et Tribunal des assurances du canton de Vaud | Regeste
Art. 12 Abs. 2 Ziff. 1 lit. a und Abs. 5 KUVG, Art. 21 Abs. 1 Vo III.
Umfang der Leistungspflicht der Krankenkassen für Akupunkturbehandlungen. | Sachverhalt
ab Seite 253
BGE 108 V 253 S. 253
André Liechti est assuré contre la maladie auprès de la Société vaudoise et romande de secours mutuels. Il a été soigné du 12 mai au 8 juillet 1980 par le Dr B. et a reçu de ce dernier une note d'honoraires de 880 francs, à raison de 370 francs pour 17 consultations
BGE 108 V 253 S. 254
et 510 francs pour 17 séances d'acupuncture. La caisse n'accepta de lui rembourser que le prix des consultations selon le tarif médical vaudois, conformément aux circulaires et directives de l'Office fédéral des assurances sociales et de la Fédération vaudoise des caisses-maladie.
André Liechti, qui avait recouru auprès du Tribunal des assurances du canton de Vaud et avait été débouté par jugement du 10 novembre 1980, interjette recours de droit administratif en concluant à la prise en charge intégrale de la note litigieuse.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
a) Suivant la jurisprudence relative aux art. 12 al. 2 ch. 1 let. a et 12 al. 5 LAMA ainsi qu'à l'art. 21 al. 1 Ord. III, les mesures diagnostiques ou thérapeutiques appliquées par le médecin qui ne sont pas reconnues ou qui sont contestées scientifiquement ne constituent pas des prestations obligatoires, sauf décision contraire du Département fédéral de l'intérieur (
ATF 107 V 167
).
b) Le point de savoir si et dans quelle mesure les caisses-maladie doivent prendre en charge tout ou partie des traitements par acupuncture a occupé l'autorité administrative à plusieurs reprises. En 1969, le Département fédéral de l'intérieur a déclaré, sur la base d'un avis de la Commission fédérale des prestations générales de l'assurance-maladie, que ces traitements n'étaient pas scientifiquement reconnus et n'entraient donc pas dans les prestations obligatoires des caisses-maladie, point de vue confirmé en 1974 (RJAM 1969 p. 131 ch. 6, 1974 p. 62 ch. 3). Il assouplit ensuite sa pratique, ainsi que cela ressort de la circulaire no 176, édictée par l'Office fédéral des assurances sociales le 6 mars 1980 et précisée par une note dans RJAM 1980 p. 141, d'après lesquelles le traitement par acupuncture ne constitue pas, en lui-même, une prestation obligatoirement à la charge des caisses-maladie; toutefois, ces dernières doivent rembourser, au tarif valable pour les consultations, les traitements par acupuncture qui s'insèrent dans une consultation médicale de 15 à 20 minutes au plus et qui sont appliqués entièrement par le médecin en personne. Celui-ci ne peut alors facturer, en sus, des honoraires privés pour le traitement par acupuncture administré à l'occasion de ces consultations. En outre, il y a lieu de veiller, dans chaque cas, à ce que le nombre et la durée de ces consultations médicales respectent le caractère économique que doit avoir tout traitement (
art. 23 LAMA
).
BGE 108 V 253 S. 255
Hors de ces consultations limitées quant à la durée, conformément à la circulaire no 176, le médecin est toutefois libre, après avoir renseigné l'assuré, et avec son accord, de faire des traitements spéciaux par acupuncture et de présenter à ce sujet au patient une note d'honoraires privée (RJAM 1980 p. 141).
c) La Commission fédérale des prestations générales de l'assurance-maladie a dénié au traitement par acupuncture le caractère d'un traitement scientifique, appréciation dont le Tribunal fédéral des assurances n'a pas de raison de mettre en doute le bien-fondé. Or, si le Conseil fédéral et, sur délégation de compétence, le Département fédéral de l'intérieur ont la possibilité d'imposer aux caisses-maladie la prise en charge de traitements médicaux, fussent-ils scientifiquement contestés, ou au contraire de les exclure, il est évident qu'ils ont le droit également d'astreindre les caisses-maladie à prendre en charge de façon seulement partielle de tels traitements. De ce point de vue, la réglementation de la circulaire no 176 susmentionnée reste dans les limites de la délégation de compétence instituée par l'art. 21 al. 1 de l'Ordonnance III concernant les prestations des caisses-maladie et fédérations de réassurance reconnues par la Confédération, dans la mesure tout au moins où - comme en l'espèce - le traitement scientifiquement contesté ne présente pas de dangers particuliers pour la santé des intéressés (
ATF 107 V 167
). Au surplus, elle est conforme à l'exigence du traitement économique posée par l'
art. 23 LAMA
.
2.
Cette nouvelle réglementation est entrée en vigueur le 15 mars 1980 (RJAM 1980 p. 35 ch. 1). Elle est donc applicable au cas du recourant.
En l'espèce, la Société vaudoise et romande de secours mutuels a versé au recourant la somme de 199 fr. 50, qui correspond au tarif médical vaudois en vigueur à l'époque de la décision pour 17 consultations, à raison de six points la consultation, le point valant 2 fr. 25; la franchise légale de 30 francs a en outre été déduite du montant brut de la prestation à la charge de la caisse. En procédant de la sorte, la Société vaudoise et romande de secours mutuels s'est conformée aux prescriptions découlant de la circulaire no 176 précitée, ainsi qu'aux dispositions légales et statutaires auxquelles elle est soumise.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral des assurances prononce:
Le recours est rejeté. | null | nan | fr | 1,982 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
2fb86357-a486-48c5-b5bb-194491629adb | Urteilskopf
118 V 223
29. Urteil vom 4. November 1992 i.S. W. gegen Ausgleichskasse des Kantons St. Gallen und Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen | Regeste
Art. 22 Abs. 1 und 2 ELV
.
Indem
Art. 22 Abs. 2 ELV
den EL-Nachzahlungsanspruch (gemäss Abs. 1) auf die Fälle der Herabsetzung einer Invalidenrente beschränkt, trifft die Verordnung eine rechtsungleiche Regelung.
Der Nachzahlungsanspruch ist aus Gründen der Gleichbehandlung auch in den Fällen der Heraufsetzung einer Invalidenrente zu gewähren. | Sachverhalt
ab Seite 223
BGE 118 V 223 S. 223
A.-
Walter W. steht seit 1. November 1988 im Genuss einer halben Invalidenrente (Verfügung der Ausgleichskasse des Kantons Zürich vom 7. September 1989), welche durch Verfügung vom 11. Januar 1991 revisionsweise mit Wirkung ab 1. August 1990 auf eine ganze Invalidenrente angehoben wurde. Am 13. Januar 1991 reichte Walter W. das Formular zum EL-Bezug ein, worauf die Ausgleichskasse des Kantons St. Gallen am 21. März 1991 die Zusprechung von Ergänzungsleistungen ab Januar 1991 verfügte.
B.-
Im Rahmen des hiegegen eingeleiteten Beschwerdeverfahrens beanstandete der Versicherte einerseits die Behandlung verschiedener Berechnungspositionen, anderseits - unter Hinweis
BGE 118 V 223 S. 224
darauf, dass er sich bereits mit Schreiben vom 10. November 1990 an die AHV-Zweigstelle R. und mit Schreiben vom 29. November 1990 an das Sozialamt dieser Stadt gewendet hatte - den Umstand, dass ihm die Ergänzungsleistungen erst mit Wirkung ab Januar 1991, und nicht schon ab November 1990, zugesprochen worden waren. Nachdem sämtliche Rügen hinsichtlich der Berechnung erledigt werden konnten, wies das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen die Beschwerde im streitig gebliebenen Punkt (Beginn des Anspruchs auf Ergänzungsleistungen) ab (Entscheid vom 5. März 1992).
C.-
Walter W. führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde und beantragt sinngemäss, es seien ihm, sofern und soweit die wirtschaftlichen Voraussetzungen erfüllt seien, Ergänzungsleistungen bereits ab August 1990, jedenfalls aber ab November 1990, zuzusprechen.
Die Ausgleichskasse und das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) schliessen auf Abweisung der Beschwerde.
Erwägungen
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Im vorliegenden Fall steht fest, dass der Beschwerdeführer ab Januar 1991 Anspruch auf Ergänzungsleistungen hat, deren Höhe nicht mehr bestritten ist. Streitig und zu prüfen ist einzig, ob dem Beschwerdeführer ein Anspruch auf Nachzahlung von Ergänzungsleistungen ab 1. August 1990 - dem Beginn der revisionsweise zugesprochenen ganzen Invalidenrente - zusteht, wie der Hauptantrag lautet.
2.
a) aa) Nach
Art. 21 Abs. 1 ELV
besteht der Anspruch auf Ergänzungsleistungen erstmals für den Monat, in dem die Anmeldung eingereicht worden ist und sämtliche gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind (Satz 1). Vorbehalten bleibt (Satz 2)
Art. 22 Abs. 1 ELV
, welcher lautet:
Wird die Anmeldung für eine Ergänzungsleistung innert sechs Monaten seit der Zustellung der Verfügung über eine Rente der Alters- und Hinterlassenenversicherung oder der Invalidenversicherung eingereicht, so beginnt der Anspruch mit dem Monat der Anmeldung für die Rente, frühestens jedoch mit der Rentenberechtigung.
Diesen Abs. 1 betreffend die Nachzahlung bei erstmaliger AHV/IV-Rentenberechtigung erklärt
Art. 22 Abs. 2 ELV
in Fällen eines laufenden Rentenbezugs für folgendermassen anwendbar:
BGE 118 V 223 S. 225
"Wird eine laufende Rente der Alters- und Hinterlassenenversicherung oder der Invalidenversicherung mittels Verfügung herabgesetzt, so findet Abs. 1 Anwendung."
bb) Das kantonale Gericht hat erwogen, eine Nachzahlung sei nach
Art. 22 Abs. 2 ELV
bei Anpassungen laufender Renten auf den Fall der Leistungsherabsetzung beschränkt, welche Voraussetzung vorliegend nicht erfüllt sei.
In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird
Art. 22 Abs. 2 ELV
als gesetzwidrig gerügt, wogegen das BSV diese Bestimmung mit dem Hinweis rechtfertigt:
"Die Beschränkung in Abs. 2 auf die Herabsetzung einer laufenden Rente hat ihren Grund darin, dass die finanzielle Situation des Rentenbezügers sich mit der Herabsetzung verschlechtert. Wenn er mit der alten Rente noch genügend zum Leben hatte und da er nicht auf Ergänzungsleistungen angewiesen war, ist dies mit der verminderten Rente vielleicht nicht mehr der Fall. Eine Ausdehnung auf Fälle, bei denen eine Rente heraufgesetzt wird, drängt sich u. E. nicht auf. Wenn der Rentner mit der tieferen Rente nicht auf Ergänzungsleistungen angewiesen war, so ist er es um so weniger, wenn seine Rente heraufgesetzt wird."
b) Nach der Rechtsprechung kann das Eidg. Versicherungsgericht Verordnungen des Bundesrates grundsätzlich, von hier nicht in Betracht fallenden Ausnahmen abgesehen, auf ihre Rechtmässigkeit hin überprüfen. Bei (unselbständigen) Verordnungen, die sich auf eine gesetzliche Delegation stützen, prüft es, ob sie sich in den Grenzen der dem Bundesrat im Gesetz eingeräumten Befugnisse halten. Wird dem Bundesrat durch die gesetzliche Delegation ein sehr weiter Spielraum des Ermessens für die Regelung auf Verordnungsebene eingeräumt, muss sich das Gericht auf die Prüfung beschränken, ob die umstrittenen Verordnungsvorschriften offensichtlich aus dem Rahmen der dem Bundesrat im Gesetz delegierten Kompetenzen herausfallen oder aus andern Gründen verfassungs- oder gesetzwidrig sind. Es kann jedoch sein eigenes Ermessen nicht an die Stelle desjenigen des Bundesrates setzen und es hat auch nicht die Zweckmässigkeit zu untersuchen. Die vom Bundesrat verordnete Regelung verstösst allerdings dann gegen
Art. 4 BV
, wenn sie sich nicht auf ernsthafte Gründe stützen lässt, wenn sie sinn- oder zwecklos ist oder wenn sie rechtliche Unterscheidungen trifft, für die sich ein vernünftiger Grund nicht finden lässt. Gleiches gilt, wenn die Verordnung es unterlässt, Unterscheidungen zu treffen, die richtigerweise
BGE 118 V 223 S. 226
hätten berücksichtigt werden sollen (
BGE 117 V 180
Erw. 3a mit Hinweisen).
c) aa) Die Argumentation des Bundesamtes zeigt, dass die Beschränkung des in
Art. 22 Abs. 1 ELV
festgelegten Nachzahlungsanspruchs auf Fälle der Herabsetzung einer laufenden Invalidenrente (
Art. 22 Abs. 2 ELV
) rechtsungleich ist. Das BSV verkennt, dass der einer Rentenheraufsetzung nach
Art. 41 IVG
zugrunde liegende - zufolge verschlechterter gesundheitlicher oder erwerblicher Verhältnisse eingetretene - Einkommensverlust das erhöhte Rentenbetreffnis in aller Regel übersteigt. Das liegt daran, dass IV-Leistungen nur eine pauschale Abgeltung der mit gesundheitlich bedingter Erwerbsunfähigkeit verbundenen Einkommenseinbussen bezwecken (
BGE 112 V 130
Erw. 2d mit Hinweis).
bb) Ein Beispiel mag dies verdeutlichen: Ein Versicherter, der im Gesundheitsfall ein hypothetisches Valideneinkommen (
Art. 28 Abs. 2 IVG
) von Fr. 40'000.-- erzielen könnte und bei einem Invaliditätsgrad von 50% eine halbe Invalidenrente (
Art. 28 Abs. 1 IVG
) bezieht, verfügt im günstigsten Fall, d.h. bei voller Ausnützung der ihm noch zumutbaren Teilerwerbsfähigkeit, über folgende EL-rechtlich anrechenbaren (
Art. 3 Abs. 1 ELG
) Einkünfte:
- Invalideneinkommen in Höhe von
50% des Valideneinkommens von Fr. 40'000.-- Fr. 20'000.--
- Anspruch auf die halbe Invalidenrente von
(bis 31. Dezember 1991) 12 x Fr. 800.--
(50% der maximalen Vollrente
bei hälftiger Invalidität) Fr. 9'600.--
-------------
Total der insgesamt EL-rechtlich anrechenbaren
Einkünfte Fr. 29'600.--
=============
Erwirbt der gleiche Versicherte revisionsweise (
Art. 41 IVG
) Anspruch auf eine ganze Invalidenrente, verfügt er über folgende Einkünfte:
- Invalideneinkommen zwischen
Fr. 0.-- und höchstens Fr. 13'333.--
- Anspruch auf die ganze Invalidenrente von
(bis 31. Dezember 1991) 12 x Fr. 1'600.--
(maximale Vollrente) Fr. 19'200.--
-------------
Total der insgesamt EL-rechtlich anrechenbaren
Einkünfte zwischen Fr. 19'200.-- bis maximal Fr. 32'533.--
BGE 118 V 223 S. 227
=============
Dieser Vergleich zeigt, dass der Versicherte, welcher nach Auffassung des BSV mit höherer Invalidenrente "weniger" auf Ergänzungsleistungen angewiesen sein soll als früher mit tieferer Invalidenrente, in Wirklichkeit nur dann besserfährt, wenn er seine Resterwerbsfähigkeit von einem Drittel voll ausschöpft (im Beispiel mit Fr. 13'333.--). Das dürfte die Ausnahme bilden. Zudem lässt das EL-Recht die Anrechnung hypothetischer Erwerbseinkommen nur in engen Grenzen zu (Berücksichtigung auch invaliditätsfremder Gesichtspunkte, vgl. ZAK 1984 S. 97 Erw. 2 und 3). Ferner handelt es sich bei den durch
Art. 14a und 14b ELV
normierten Anrechnungstatbeständen um gesetzliche Vermutungen, welche der Versicherte nach der Rechtsprechung durch den Beweis des Gegenteils widerlegen kann (
BGE 117 V 205
Erw. 2b mit Hinweis). Bei Rentenbezügern mit einem Invaliditätsgrad von mehr als 2/3 erfolgt schliesslich überhaupt keine Anrechnung mehr (
Art. 14a Abs. 2 lit. c ELV
).
cc) All dies belegt, dass die Heraufsetzung einer (z.B.) halben auf eine ganze Invalidenrente die (nach
Art. 3 ELG
massgeblichen) anspruchserheblichen Einkommensverhältnisse genau so entscheidend und nachhaltig zu beeinflussen vermag wie umgekehrt (z.B.) die Herabsetzung der ganzen auf eine halbe Invalidenrente; denn (höheres) Erwerbseinkommen und (tiefere) Invalidenrente unterliegen beide nach
Art. 3 Abs. 1 lit. a und c ELG
der EL-rechtlichen Anrechenbarkeit. Es lässt sich daher kein sachlicher Grund namhaft machen, die in
Art. 22 Abs. 2 ELV
vorgesehene Anwendung der Nachzahlungsregelung des Abs. 1 dieser Bestimmung bei laufenden Renten auf die Fälle der Herabsetzung zu beschränken. Aus Gründen der Rechtsgleichheit muss
Art. 22 Abs. 2 ELV
sich auch auf Fälle der Rentenheraufsetzung beziehen.
Somit steht dem Beschwerdeführer, als Ergebnis der vorfrageweisen Prüfung des
Art. 22 Abs. 2 ELV
auf seine Vereinbarkeit mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz, nachzahlungsrechtlich ein Anspruch ab August 1990 zu. Dieser Schluss steht selbstverständlich unter dem Vorbehalt, wie sich die rechtlich massgeblichen wirtschaftlichen Verhältnisse in diesem Prüfungszeitraum entwickelt haben, was ausschlaggebend ist für die Frage, ob und in welcher Höhe ab August 1990 ein EL-Anspruch entstanden ist (
Art. 21 Abs. 1 ELV
).
3.
Damit können alle andern Fragen offenbleiben, insbesondere, ob die Schreiben des Beschwerdeführers vom 10. November 1990 an die AHV-Zweigstelle R. und vom 29. November 1990 an das Sozialamt R. als gültige Anmeldungen im Sinne der Rechtsprechung
BGE 118 V 223 S. 228
zu
Art. 20 ELV
(vgl.
BGE 103 V 70
; ZAK 1989 S. 47 Erw. 2) zu betrachten sind.
Dispositiv
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 5. März 1992 und die angefochtene Verwaltungsverfügung, soweit sie die Nachzahlung eines allfälligen Anspruchs auf Ergänzungsleistungen für die Zeit vor Januar 1991 ablehnen, aufgehoben, und es wird die Sache an die Ausgleichskasse des Kantons St. Gallen zurückgewiesen, damit sie, nach ergänzenden Abklärungen im Sinne der Erwägungen, über den Anspruch des Beschwerdeführers auf Nachzahlung von Ergänzungsleistungen ab August 1990 neu verfüge. | null | nan | de | 1,992 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
2fbdd28b-7278-4412-847e-b2bf554810ce | Urteilskopf
94 IV 72
20. Urteil des Kassationshofes vom 7. Juni 1968 i.S. Schmied gegen Generalprokurator des Kantons Bern. | Regeste
Art. 34 Abs. 1 SVG
und
Art. 7 Abs. 4 VRV
.
1. Gesetzmässigkeit und Anwendungsbereich der Ausführungsvorschrift (Erw. 1).
2. Pflichtwidriges Verhalten eines Automobilisten, der zwischen zwei Haltestelle-Inseln durchfährt, obschon dort ein aus der Gegenrichtung kommender Tramzug anhält (Erw. 2).
3. Adäquater Kausalzusammenhang zwischen diesem Verhalten und den Körperverletzungen einer Fussgängerin (Erw. 3). | Sachverhalt
ab Seite 72
BGE 94 IV 72 S. 72
A.-
Schmied fuhr am 16. Oktober 1965, etwa um 14.40 Uhr, in Bern mit einem Personenwagen "Ford Corsair" über die Kornhausbrücke aufwärts gegen den Viktoriaplatz.
Die Strasse weist auf dieser Strecke zwei Tramgeleise auf. Kurz nach der Brücke, wo die Fahrbahn sich auf 13,5 m verbreitert,
BGE 94 IV 72 S. 73
befindet sich eine Tramhaltestelle mit je einer 28 m langen und 1,25 m breiten Schutzinsel in jeder Strassenhälfte. Die Insel in der rechten Hälfte überragt die andere aufwärts um etwa 8 m. Links und rechts bis zum Strassenrand bleiben je 3 m, zwischen den Inseln, wo die Tramgeleise durchführen, noch 5 m frei für die Durchfahrt.
Als Schmied sich der Haltestelle näherte, hielt dort ein aus der Gegenrichtung kommender Tramzug an. Auf dem obern Ende der rechten Schutzinsel stand die 72-jährige Frau Kohli, die zum Viktoriaplatz hinaufschaute. Einige Meter vor dieser Insel holte Schmied einen mit 20-30 km/Std fahrenden Personenwagen ein, der die Insel rechts umfuhr. Schmied dagegen, der eine Geschwindigkeit von 40 km/Std innehielt, fuhr zwischen der Insel und dem haltenden Tramzug durch. Dabei stiess er mit Frau Kohli zusammen, welche die Strasse von der Insel aus nach links überqueren wollte. Die Fussgängerin wurde zu Boden geworfen und verletzt, trug aber keinen bleibenden Nachteil davon.
B.-
Frau Kohli liess gegen Schmied Strafklage einreichen. Der Gerichtspräsident VI von Bern sprach Schmied von der Anschuldigung der fahrlässigen Körperverletzung frei, das Obergericht des Kantons Bern erklärte ihn dagegen am 24. Oktober 1967 dieses Vergehens schuldig und verurteilte ihn in Anwendung des
Art. 125 Abs. 1 StGB
zu einer bedingt vorzeitig löschbaren Busse von Fr. 100.--.
C.-Der Verurteilte führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag auf Freisprechung.
D.-
Der Generalprokurator des Kantons Bern und die Strafklägerin halten die Beschwerde für unbegründet.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1.
Nach
Art. 7 Abs. 4 VRV
ist die Durchfahrt zwischen Haltestelle-Inseln gestattet, wenn keine Strassenbahn sich dort befindet oder herannaht.
a) Diese Bestimmung stellt nach ihrem eigenen Hinweis auf das Gesetz eine Ausführungsvorschrift zum Gebot des Rechtsfahrens dar. Soweit sie die Durchfahrt zwischen Traminseln gestattet, enthält sie eine Ausnahme vom Gebot, weicht also von der gesetzlichen Regelung ab. Das ist gemäss
Art. 57 Abs. 1 SVG
zulässig, wenn die Verordnungsvorschrift besondere Verhältnisse betrifft; nur dann kann der Bundesrat Ausnahmen
BGE 94 IV 72 S. 74
von den Verkehrsregeln vorsehen.
Art. 7 Abs. 4 VRV
erfüllt diese Voraussetzung. Die Bestimmung regelt bloss das Verhalten des Fahrzeugführers an Haltestelle-Inseln, bezieht sich somit im Vergleich zu
Art. 34 Abs. 1 SVG
auf besondere Verhältnisse. Der Bundesrat konnte sich deshalb zum Erlass der Ausnahmevorschrift für befugt erachten, ohne die ihm vom Gesetz erteilte Ermächtigung zu überschreiten.
Die Vorschrift steht übrigens mit der Entstehungsgeschichte des Gesetzes, das selber keine abschliessende Regelung enthält, im Einklang. Die Frage, ob den Fahrzeugführern die Durchfahrt zwischen Traminseln zu gestatten sei, war in den Beratungen des Gesetzesentwurfes sehr umstritten. Schliesslich setzte sich die Meinung durch, dass die Durchfahrt nicht allgemein verboten werden, es grundsätzlich vielmehr beim bisherigen Rechtszustand bleiben solle (vgl. insbes. Vernehmlassungen S. 81; Prot. Exp. Kom. S. 40 und 104; Prot. Kom. NR S. 130, StR S. 68; StenBull NR 1957 S. 186, StR 1958 S. 107). Der Bundesrat trug dem Rechnung, indem er die Durchfahrt zwischen den Inseln gestattete, wenn keine Strassenbahn sich dort befindet oder herannaht. Seine Vorschrift entspricht damit denn auch der Regel, die, wenn nicht wörtlich, so doch sinngemäss schon in
Art. 61 Abs. 4 MFV
enthalten war.
b)
Art. 7 Abs. 4 VRV
gestattet dem Fahrzeugführer die Durchfahrt zwischen Schutzinseln ohne Rücksicht darauf, von welcher Seite er sich der Haltestelle nähert und ob er nach der Durchfahrt geradeaus weiterfahren oder nach links abbiegen will. Die Bestimmung frägt aber auch nicht danach, aufwelchem Geleise sich die Strassenbahn befinden oder nähern müsse, damit die Durchfahrt für den Fahrzeugführer verboten sei. Nach ihrem klaren Wortlaut genügt, dass eine Strassenbahn zwischen den Inseln hält oder sich der Haltestelle nähert, die Strassenmitte also nicht frei ist. Wollte man die Bestimmung auf die jeweilige Fahrtrichtung der Strassenbahn beschränken, so wäre sie praktisch überflüssig, da sich bereits aus dem Gesetz ergibt, wie der Fahrzeugführer sich im gleichgerichteten Verkehr der Strassenbahn gegenüber zu verhalten hat. Der fahrenden Strassenbahn, die sich ihm von hinten nähert, hat er das Geleise freizugeben (
Art. 38 Abs. 1 SVG
), sei es, dass er die Fahrt beschleunigt oder bei langsamer Fahrt sich an den rechten Strassenrand hält (
Art. 34 Abs. 1 Satz 2 SVG
). Die haltende Strassenbahn sodann hat er dort, wo eine Schutzinsel vorhanden
BGE 94 IV 72 S. 75
ist, schon gemäss
Art. 38 Abs. 3 Satz 2 SVG
rechts zu überholen.
Eine Beschränkung des
Art. 7 Abs. 4 VRV
auf den gleichgerichteten Verkehr wäre auch sachlich nicht gerechtfertigt, ganz abgesehen davon, dass die Bestimmung diesfalls noch weiter vom Gesetz abwiche, als ihr Wortlaut es zulässt. Die Gefahr, dass Fussgänger an einer Haltestelle die Strasse überschreiten und dabei dem übrigen Verkehr in die Quere kommen, wenn dort eine Strassenbahn eintrifft, anhält oder abfährt, besteht unbekümmert darum, ob die anderen Fahrzeuge in der gleichen Richtung wie die Strassenbahn oder in der Gegenrichtung verkehren. In
Art. 7 Abs. 4 VRV
wird denn auch beigefügt, dass an Haltestellen auf Fussgänger besonders Rücksicht zu nehmen ist (vgl.
Art. 33 Abs. 3 SVG
). Im gleichen Sinne bestimmt
Art. 38 Abs. 3 Satz 1 SVG
, dass die haltende Strassenbahn nur in langsamer Fahrt gekreuzt werden darf. Diesen Pflichten könnte der Fahrzeugführer aber nicht nachkommen, wenn er den Raum zwischen der sich auf dem linken Geleise befindenden Strassenbahn und der rechten Schutzinsel zum Überholen eines anderen Fahrzeuges benützen dürfte.
Dazu kommt, dass der Verkehr in hohem Masse an einfachen und klaren Regeln interessiert ist, die nur dort durchbrochen werden sollen, wo besondere Umstände eine Ausnahme rechtfertigen; Ausnahmen, die dem Verkehrsgefühl widersprechen, werden erfahrungsgemäss nur schwer begriffen und geben leicht zu Täuschungen oder Verwirrung Anlass, womit weder der Flüssigkeit noch der Sicherheit des Verkehrs gedient ist. Dieses Interesse besteht auch am Gebot des Rechtsfahrens, auf das sich der Verkehr, weil es zu den Grundregeln des Gesetzes gehÖrt, soll verlassen können. Das Linksfahren kann deshalb nur dann gestattet sein, wenn es durch eine Ausnahmeregel gedeckt wird.
2.
Das war hier nicht der Fall. Das Obergericht hält für erwiesen, dass der aus der Gegenrichtung kommende Tramzug zwischen den Schutzinseln anhielt und selbst im Augenblick, als der Angeklagte mit Frau Kohli zusammenstiess, noch stillstand. Unter diesen Umständen hätte der Beschwerdeführer die Schutzinsel wie der ihm vorausfahrende Personenwagen rechts umfahren müssen. Indem er stattdessen zwischen der Insel und der haltenden Strassenbahn durchfuhr, hat er das in
Art. 7 Abs. 4 VRV
enthaltene Verbot missachtet. Dass er am
BGE 94 IV 72 S. 76
Viktoriaplatz nach links abbiegen wollte, ändert nichts. Wie die Vorinstanz feststellt, beginnt die Vorsortierspur für die Linksabbieger erst 128 m oberhalb der Haltestelle. Diese Strecke hätte dem Beschwerdeführer hinreichend genügt, um gegen die Strassenmitte einzuspuren, zumal kein Fahrzeug folgte, das zur Hast genötigt hätte (vgl.
BGE 93 IV 103
Erw. b am Ende). Er versucht das mit Recht nicht mehr zu widerlegen.
3.
Der Beschwerdeführer bestreitet den rechtserheblichen Zusammenhang zwischen seiner Fahrweise und den Verletzungen der Strafklägerin. Er macht geltend, diese sei völlig überraschend und ohne sich vorher zu vergewissern, ob von unten ein Fahrzeug nahe, in seine Fahrbahn getreten. Angesichts einer solchen Unachtsamkeit könne aber die Tatsache, dass er zwischen dem Tramzug und der rechten Schutzinsel durchfuhr, nicht als adäquate Unfallursache angesehen werden.
Ein pflichtwidriges Verhalten ist nach ständiger Rechtsprechung dann als adäquate Ursache zu betrachten, wenn es nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der Erfahrung des Lebens geeignet war, einen Erfolg von der Art des eingetretenen herbeizuführen, so dass der Eintritt des Erfolges durch die Pflichtwidrigkeit allgemein als begünstigt erscheint (statt vieler:
BGE 64 II 204
,
BGE 73 IV 232
,
BGE 83 II 411
,
BGE 92 IV 25
). Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Die Vorschriften über das Verhalten des Fahrers an Haltestellen wollen Gefahren vorbeugen, denen Benützer der Strassenbahn auf dem Gang von und zu den Schutzinseln ausgesetzt sind. Das gilt auch vom Verbot, zwischen den Inseln durchzufahren, wenn dort eine Strassenbahn anhält. Die Fahrweise des Beschwerdeführers, der sich über dieses Verbot hinwegsetzte, war daher nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge geeignet, einen Unfall herbeizuführen.
Die Rechtserheblichkeit des Kausalzusammenhanges würde nur entfallen, wenn das Verhalten der Fussgängerin ausserhalb des normalen Geschehens läge. Das lässt sich nicht sagen. Gewiss hat Frau Kohli nicht nach links geschaut, bevor sie von der Schutzinsel auf die Fahrbahn trat. Die Erfahrung zeigt indes, dass Fussgänger den Halt der Strassenbahn nicht nur häufig dazu ausnützen, die Strasse zu überqueren, sondern sich dabei auch leicht der Meinung hingeben, der übrige Verkehr werde gerade wegen des Haltes der Strassenbahn vermehrt auf sie Rücksicht nehmen. Unter solchen Umständen kommt es immer wieder vor, dass Fussgänger sich voreilig oder unbedacht
BGE 94 IV 72 S. 77
auf die Strasse begeben und deshalb überraschend vor Fahrzeugen auftauchen, welche die haltende Strassenbahn überholen oder kreuzen wollen. Im vorliegenden Fall kann übrigens von einem aussergewöhnlichen Verhalten der Fussgängerin umsoweniger die Rede sein, als die Beschwerde selber wiederholt davon ausgeht, Frau Kohli habe sich auf das Durchfahrtsverbot verlassen.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen. | null | nan | de | 1,968 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
2fbe46b6-0c68-4655-b297-5e2cc3e60124 | Urteilskopf
136 II 539
49. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. Touring Club Schweiz gegen Einwohnergemeinde Münsingen, Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion sowie Regierungsrat des Kantons Bern (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
1C_17/2010 vom 8. September 2010 | Regeste
Tempo-30-Zonen auf Durchgangsstrassen;
Art. 3 Abs. 4 und
Art. 32 Abs. 3 SVG
,
Art. 2a und 108 SSV
sowie Art. 3 der Verordnung über die Tempo-30-Zonen und die Begegnungszonen.
Der Touring Club Schweiz (Sektion Bern, Landesteil Bern-Mittelland) ist zur Anfechtung einer Tempo-30-Zone auf einer Durchgangsstrasse legitimiert ("egoistische Verbandsbeschwerde"; E. 1.1).
Die Errichtung von Tempo-30-Zonen ist auch auf verkehrsorientierten Durchgangsstrassen ausnahmsweise zulässig, wenn aufgrund eines Gutachtens nachgewiesen ist, dass durch diese Massnahme auf Strecken mit grosser Verkehrsbelastung der Verkehrsablauf verbessert werden kann (E. 2.2 und 3.4). Die Verordnung über die Tempo-30-Zonen und die Begegnungszonen sieht ausdrücklich die Möglichkeit vor, in Tempo-30-Zonen eine vom Rechtsvortritt abweichende Vortrittsregelung zu treffen, wenn die Verkehrssicherheit es erfordert (E. 2.4). Das erstellte Gutachten und das Betriebskonzept legen schlüssig dar, weshalb die Einführung einer Tempo-30-Zone mit Wechselsignalisation (Tempo 30 von 06.30 Uhr bis 19.00 Uhr, Tempo 50 in der übrigen Zeit) als nötig, zweck- und verhältnismässig einzustufen ist (E. 3.4). | Sachverhalt
ab Seite 540
BGE 136 II 539 S. 540
A.
Vom 15. August bis zum 16. September 2005 lag der Strassenplan "Sanierung Ortsdurchfahrt Münsingen" betreffend die Abschnitte Ortseinfahrt von Rubigen, Ortsdurchfahrt Münsingen und Ortseinfahrt von Wichtrach öffentlich auf. Der Plan umfasst verschiedene bauliche Massnahmen an der Kantonsstrasse Nr. 6 (Bern- Münsingen-Thun) im Bereich des Ortskerns von Münsingen, so unter anderen die Verschiebung und Umgestaltung der Kreuzung beim Dorfplatz zu einem vierarmigen Kreisel, den Bau eines Mittelstreifens als Querungs- und Abbiegehilfe in den Knotenbereichen, die Einführung einer Kernfahrbahn mit durchgehendem Radstreifen und die Verbreiterung der Bernstrasse. Vom 1. bis zum 31. Mai 2006 lag sodann der Strassenplan betreffend den Abschnitt östliche Ortseinfahrt von Münsingen öffentlich auf. Dieser Plan sieht auf der Kantonsstrasse Nr. 228 (Münsingen-Konolfingen-Zäziwil) neben verschiedenen anderen Massnahmen den Bau einer Insel auf der Fahrbahn und einer Bushaltestelle im Gebiet "Sandacher" vor. Bestandteil des Strassenplans ist weiter ein "Signalisationsplan", der namentlich die Signalisation einer Tempo-30-Zone im Umkreis des Kreisels Dorfplatz und das Anbringen einer Wechselsignalisation (Tempo 30 von
BGE 136 II 539 S. 541
06.30 Uhr bis 19.00 Uhr, Tempo 50 in der übrigen Zeit) auf der Bernstrasse zum Gegenstand hat. Gegen den Strassenplan gingen zahlreiche Einsprachen ein, darunter diejenige des Touring Club Schweiz (TCS), Landesteil Bern-Mittelland.
B.
Mit Gesamtbauentscheid vom 18. Juli 2007 erliess die Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion des Kantons Bern (BVE) den Strassenplan "Sanierung Ortsdurchfahrt Münsingen" samt Verkehrsmassnahmen und erteilte eine wasserbaupolizeiliche Bewilligung. Die Einsprache des TCS hiess die BVE in einem Nebenpunkt gut und wies sie im Übrigen ab. Die gegen diese Verfügung der BVE erhobene Beschwerde des TCS wies der Regierungsrat des Kantons Bern am 27. Mai 2009 ab.
Gegen diesen Entscheid führte der TCS Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Verwaltungsgericht des Kantons Bern. Dieses wies die Beschwerde mit Urteil vom 24. November 2009 ab, soweit es darauf eintrat.
C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 11. Januar 2010 beantragt der TCS, das Urteil des Verwaltungsgerichts und die mit dem Strassenplan "Sanierung Ortsdurchfahrt Münsingen" am 18. Juli 2007 verfügte Verkehrs- und Signalisationsmassnahme (Tempo-30-Zone) auf den Kantonsstrassen Nr. 6 und Nr. 228 seien aufzuheben. Eventualiter sei die Sache zur Ergänzung des Beweisverfahrens, insbesondere zur Einholung eines Obergutachtens durch eine neutrale Fachstelle, an die Vorinstanz bzw. an die Genehmigungsbehörde zurückzuweisen. (...)
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
(Auszug)
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
1.1
Die Beschwerde richtet sich gegen einen kantonal letztinstanzlichen Entscheid in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (
Art. 82 lit. a und
Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG
). Es liegt keine Ausnahme gemäss
Art. 83 BGG
vor. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist deshalb grundsätzlich gegeben.
Die umstrittene Tempo-30-Zone stellt eine sogenannte funktionelle Verkehrsanordnung im Sinne von
Art. 3 Abs. 4 SVG
dar. Das Strassenverkehrsrecht räumt den Automobilverbänden kein Beschwerderecht im Sinne von
Art. 89 Abs. 2 lit. d BGG
ein. Somit ist zu
BGE 136 II 539 S. 542
prüfen, ob der Beschwerdeführer gestützt auf
Art. 89 Abs. 1 BGG
zur Beschwerde berechtigt ist.
Zur Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist berechtigt, wer vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat, wer zudem durch den angefochtenen Entscheid oder Erlass besonders berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung hat (
Art. 89 Abs. 1 BGG
).
Der TCS, Landesteil Bern-Mittelland, ist ein Verein gemäss
Art. 60 ff. ZGB
und somit als juristische Person konstituiert. Was die Legitimation der beschwerdeführenden Vereine betrifft, sind die von der Rechtsprechung des Bundesgerichts zum alten Verfahrensrecht entwickelten Grundsätze über das Verbandsbeschwerderecht grundsätzlich weiter anwendbar (vgl. etwa 2C_561/2007 vom 6. November 2008 E. 1.4.3). Danach kann ein Verband insbesondere zur Wahrung der eigenen Interessen Beschwerde führen. Er kann aber auch die Interessen seiner Mitglieder geltend machen, wenn es sich um solche handelt, die er nach seinen Statuten zu wahren hat, die der Mehrheit oder doch einer Grosszahl seiner Mitglieder gemeinsam sind und zu deren Geltendmachung durch Beschwerde jedes dieser Mitglieder befugt wäre (
BGE 131 I 198
E. 2.1 S. 200;
BGE 130 II 514
E. 2.3.3 S. 519 mit Hinweisen; Urteil 2C_52/2009 vom 13. Januar 2010 E. 1.2.2, nicht publ. in:
BGE 136 I 1
; sogenannte "egoistische Verbandsbeschwerde"). Diese Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt sein; sie sollen die Popularbeschwerde ausschliessen. Wer keine eigenen, sondern nur allgemeine oder öffentliche Interessen geltend machen kann, ist nicht befugt, Beschwerde zu führen. Das Beschwerderecht steht daher auch nicht jedem Verein zu, der sich in allgemeiner Weise mit dem fraglichen Sachgebiet befasst. Vielmehr muss ein enger, unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem statutarischen Vereinszweck und dem Gebiet bestehen, in welchem die fragliche Verfügung erlassen worden ist (Entscheid des Bundesrats vom 23. Mai 2001, in: VPB 65/2001 Nr. 114 S. 1236).
Der Beschwerdeführer bezweckt gemäss Ziff. 1.2 seiner Statuten unter anderem die Wahrung der Rechte und Interessen seiner Mitglieder im Strassenverkehr und im Tourismus sowie in den entsprechenden Bau-, Planungs- und verwaltungsrechtlichen Verfahren. Was die Beschwerdebefugnis der einzelnen Mitglieder anbelangt, steht sie allen Verkehrsteilnehmern zu, welche die mit einer
BGE 136 II 539 S. 543
Beschränkung belegte Strasse mehr oder weniger regelmässig benützen, wie das bei Anwohnern oder Pendlern der Fall ist, während bloss gelegentliches Befahren der Strasse nicht genügt (Urteil 1A.73/2004 vom 6. Juli 2004 E. 2.2, in: Pra 2004 Nr. 157 S. 894). Der Beschwerdeführer macht diesbezüglich geltend, die Gemeinde Münsingen mit einer Einwohnerzahl von 11'000 sowie Zu- und Wegpendlern von 7'000 weise eine grosse Zahl von Automobilisten auf, die Mitglieder des Vereins seien. Hinzu kämen Tausende von Automobilisten aus Nachbargemeinden und aus der Region, die täglich durch Münsingen fahren würden.
Diese Ausführungen sind plausibel. Es kann davon ausgegangen werden, dass eine ansehnliche Zahl von Mitgliedern des Beschwerdeführers (Landesteil Bern-Mittelland) die mit der umstrittenen Beschränkung belegte Strasse mehr oder weniger regelmässig benutzt und zur Beschwerde berechtigt wäre. Die Legitimation des Beschwerdeführers ist damit gegeben, und auf die Beschwerde ist grundsätzlich einzutreten.
Diese Schlussfolgerung steht in Einklang mit der bisherigen Praxis des Bundesrats. So stufte dieser den Automobil Club der Schweiz (ACS) Luzern als legitimiert ein, eine erlassene Geschwindigkeitsbeschränkung auf einer Autobahn anzufechten, da davon ausgegangen werden könne, dass ein überwiegender Anteil der Mitglieder eines Automobilclubs in einem regional beschränkten Sektionsgebiet die Autobahn regelmässig benutze (Entscheid des Bundesrats vom 23. Mai 2001, in: VPB 65/2001 Nr. 114 S. 1236).
1.2
Als Folge des im Beschwerdeverfahren geltenden Devolutiveffekts hat der Entscheid des Verwaltungsgerichts den bei ihm angefochtenen Entscheid des Regierungsrats und die diesem zugrunde liegenden Verfügungen ersetzt. Diese Verwaltungsakte sind inhaltlich notwendigerweise mitangefochten, wenn der Sachentscheid der obersten kantonalen Instanz mit Beschwerde ans Bundesgericht weitergezogen wird. Auf das Rechtsbegehren, die mit dem Strassenplan vom 18. Juli 2007 verfügte Tempo-30-Zone sei aufzuheben, ist daher nicht einzutreten (vgl.
BGE 134 II 142
E. 1.4 S. 144).
2.
2.1
Der Beschwerdeführer bringt vor, die Kantonsstrassen Nr. 6 und Nr. 228 seien im Anhang 2 der Durchgangsstrassenverordnung vom 18. Dezember 1991 (SR 741.272) aufgeführt. Auf diesen Hauptstrassen seien lediglich signalisierte Verkehrsanordnungen, wie
BGE 136 II 539 S. 544
Mass- und Gewichtsbeschränkungen, erlaubt. Die Errichtung von Tempo-30-Zonen sei einzig auf siedlungsorientierten, nicht aber auf sog. verkehrsorientierten Durchgangsstrassen zulässig. Zur Begründung beruft sich der Beschwerdeführer auf die Botschaft vom 13. März 2000 zur Volksinitiative "für mehr Verkehrssicherheit durch Tempo 30 innerorts mit Ausnahmen (Strassen für alle)" (BBl 2000 2887 ff.), auf die Erläuterungen des Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) zur Verordnung 28. September 2001 über die Tempo-30-Zonen und Begegnungszonen vom (SR 741.213.3), auf die Empfehlungen des Bundesamts für Strassen ASTRA und des Bundesamts für Umwelt BAFU (vormals BUWAL), auf die Fachbroschüre der Beratungsstelle für Unfallverhütung (bfu) sowie auf die Normen der Vereinigung Schweizerischer Strassenfachleute (VSS-Normen 640 044 und 640 045).
Der Beschwerdeführer macht ergänzend geltend, in einer Tempo-30-Zone gelte generell Rechtsvortritt. Die in Frage stehenden Hauptstrassenabschnitte, in welche auch Nebenstrassen einmündeten, eigneten sich daher per se nicht für einen Einbezug in eine Tempo-30-Zone.
2.2
Zu klären ist damit vorab, ob auf Durchgangsstrassen, d.h. auf Hauptstrassen, welche in Anhang 2 der Durchgangsstrassenverordnung aufgeführt sind, Tempo-30-Zonen grundsätzlich zulässig sind.
Nach
Art. 32 Abs. 2 SVG
beschränkt der Bundesrat die Geschwindigkeit der Motorfahrzeuge auf allen Strassen. Die allgemeine Höchstgeschwindigkeit für Fahrzeuge in Ortschaften ist mit Art. 4a Abs. 1 lit. a der Verkehrsregelnverordnung vom 13. November 1962 (VRV; SR 741.11) vom Bundesrat auf 50 km/h festgelegt worden.
Art. 32 Abs. 3 SVG
sieht weiter vor, dass die vom Bundesrat festgesetzten Höchstgeschwindigkeiten für bestimmte Strassenstrecken von der zuständigen Behörde aufgrund eines Gutachtens herab- oder heraufgesetzt werden können.
Bei der Einführung von Tempo-30-Zonen gemäss Art. 2a und 22a der Signalisationsverordnung vom 5. September 1979 (SSV; SR 741.21) handelt es sich um sogenannte funktionelle Verkehrsanordnungen im Sinne von
Art. 3 Abs. 4 SVG
(Urteil 2A.90/2006 vom 26. Juni 2006 E. 1.1 mit Hinweisen). Im Grundsatz sind Tempo-30-Zonen nur auf Nebenstrassen mit möglichst gleichartigem Charakter zulässig (
Art. 2a Abs. 5 SSV
). Ausnahmsweise und bei
BGE 136 II 539 S. 545
besonderen örtlichen Gegebenheiten kann aber auch ein Hauptstrassenabschnitt in eine Tempo-30-Zone einbezogen werden, namentlich in einem Ortszentrum oder in einem Altstadtgebiet (
Art. 2a Abs. 6 SSV
).
Die Gründe, welche eine Herabsetzung der allgemeinen Höchstgeschwindigkeit erforderlich machen können, werden in
Art. 108 Abs. 2 SSV
abschliessend aufgezählt: Eine Gefahr ist nur schwer oder nicht rechtzeitig erkennbar und anders nicht zu beheben (lit. a); bestimmte Strassenbenützer bedürfen eines besonderen, nicht anders zu erreichenden Schutzes (lit. b); es kann auf Strecken mit grosser Verkehrsbelastung der Verkehrsablauf verbessert (lit. c) oder es kann eine im Sinne der Umweltschutzgesetzgebung übermässige Umweltbelastung (Lärm, Schadstoffe) vermindert werden (lit. d). In
Art. 108 Abs. 5 SSV
werden für jede Strassenkategorie die zulässigen abweichenden Höchstgeschwindigkeiten genannt. Innerorts sind unter anderem Tempo-30-Zonen zulässig (
Art. 108 Abs. 5 lit. e SSV
). Einzelheiten zu den Anforderungen hat das UVEK in der Verordnung über die Tempo-30-Zonen und die Begegnungszonen geregelt (vgl. zum Ganzen Urteil 1C_206/2008 vom 9. Oktober 2008 E. 2.1).
Nach dem Gesagten sind Tempo-30-Zonen unter den Voraussetzungen von
Art. 108 Abs. 2 SSV
auch auf Hauptstrassen grundsätzlich zulässig (vgl. auch Urteil 2A.38/2006 vom 13. Juli 2006 E. 3.4.3, in: ZBl 108/2007 S. 611). Für als Durchgangsstrassen bezeichnete Hauptstrassen - die Kantonsstrassen Nr. 6 und Nr. 228 sind in Anhang 2 der Durchgangsstrassenverordnung aufgeführt - gilt insoweit keine abweichende Regelung. Auf Durchgangsstrassen darf der Motorfahrzeug- und Fahrradverkehr nicht vollständig untersagt werden. Signalisierte Verkehrsanordnungen, wie Mass- und Gewichtsbeschränkungen, bleiben hingegen ausdrücklich vorbehalten (Art. 1 Satz 2 der Durchgangsstrassenverordnung). Aus dem Wortlaut folgt, dass die Nennung von Mass- und Gewichtsbeschränkungen beispielhaften Charakter hat und die Herabsetzung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit - auch in Form von Tempo-30-Zonen - nicht im Sinne qualifizierten Schweigens ausschliesst.
2.3
Die vom Beschwerdeführer hiergegen vorgebrachten Einwände sind nicht stichhaltig:
Mit den bundesrätlichen Ausführungen zur Volksinitiative "für mehr Verkehrssicherheit durch Tempo 30 innerorts mit
BGE 136 II 539 S. 546
Ausnahmen (Strassen für alle)" lässt sich eine prinzipielle Unzulässigkeit der Zonensignalisation auf Durchgangsstrassen nicht begründen. Gemäss der Botschaft zur Initiative wurde die Beschränkung der Zonensignalisation auf siedlungsorientierte Nebenstrassen ganz bewusst getroffen. Fahrzeugführer würden im Alltag überfordert, wenn Verkehrsmassnahmen mit Zonensignalisation grossflächig für alle Innerortsstrassen, d.h. für ganz unterschiedliche Strassenkategorien angeordnet würden (BBl 2000 2897). Diese Ausführungen sind jedoch im Kontext der Initiative zu verstehen, welche innerorts die Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h als Regel vorsah und Abweichungen nur in begründeten Fällen zuliess. Die geltende Ordnung geht demgegenüber vom gegenteiligen Konzept aus, wonach die Herabsetzung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h auf 30 km/h die Ausnahme bildet (vgl.
Art. 2a Abs. 5 und 6 SSV
und E. 2.2 hiervor). Im Übrigen wird vorliegend die Höchstgeschwindigkeit nicht flächendeckend auf dem gesamten Innerortsgebiet auf 30 km/h herabgesetzt. Entgegen den Ausführungen in der Beschwerde wird damit auch der mit der Ablehnung der genannten Initiative geäusserte Volkswille nicht umgangen.
Ebenso wenig kann der Beschwerdeführer aus den Erläuterungen des UVEK zur Verordnung über die Tempo-30-Zonen und die Begegnungszonen etwas zu seinen Gunsten ableiten, wird doch dort explizit festgehalten, der Einbezug von Hauptstrassen in Tempo-30-Zonen sei ausnahmsweise möglich (Erläuterung UVEK, S. 3). Gleiches ergibt sich aus der Empfehlung "innerorts Verkehrsberuhigung" des Bundesamts für Strassen ASTRA. Gemäss dieser Empfehlung eignen sich "für verkehrsberuhigende Massnahmen in der Form der Zonensignalisation (...) vor allem siedlungsorientierte Strassen", bei denen es sich "in der Regel um Nebenstrassen" handelt (Empfehlung ASTRA, S. 12 f.). Auch das ASTRA geht demnach nicht von der generellen Unzulässigkeit verkehrsberuhigender Massnahmen in Form von Tempo-30-Zonen auf Hauptstrassen aus. Nichts anderes folgt aus der Empfehlung des BAFU. Gestützt wird die Position des Beschwerdeführers demgegenüber durch die Ausführungen der Beratungsstelle für Unfallverhütung, wonach auf Durchgangsstrassen keine Tempo-30-Zonen eingeführt werden können. Allerdings kommt der Broschüre der bfu nicht der Charakter eines Rechtssatzes oder einer Weisung zu, weshalb hierauf nicht abzustellen ist. Soweit der Beschwerdeführer ferner auf die VSS-Normen SN 640 044 und 640 045 (Projektierung, Grundlagen;
BGE 136 II 539 S. 547
Strassentyp: Erschliessungsstrassen) verweist, substanziiert er seine Rüge nicht näher.
2.4
Schliesslich führt der Einbezug der beiden Kantonsstrassen in eine Tempo-30-Zone im Bereich des Ortszentrums von Münsingen entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers nicht zwingend dazu, dass Rechtsvortritt zu gelten hat:
Gemäss
Art. 36 Abs. 2 SVG
hat auf Strassenverzweigungen das von rechts kommende Fahrzeug den Vortritt, während Fahrzeuge auf gekennzeichneten Hauptstrassen den Vortritt haben, auch wenn sie von links kommen. Art. 4 der Verordnung über die Tempo-30-Zonen und die Begegnungszonen sieht ausdrücklich die Möglichkeit vor, in Tempo-30-Zonen eine vom Rechtsvortritt abweichende Vortrittsregelung zu treffen, wenn die Verkehrssicherheit es erfordert. Die Unterstellung eines Hauptstrassenabschnitts unter eine Tempo-30-Zone unter Beibehaltung der für Hauptstrassen geltenden Vortrittsregelung ist folglich aus Verkehrssicherheitsgründen durchaus zulässig.
3.
3.1
Der Beschwerdeführer macht geltend, das angefochtene Urteil verletze Bundesrecht, weil es auf ein Gutachten des Tiefbauamts des Kantons Bern vom 19. Juni 2007 abstelle, das den bundesrechtlichen Vorgaben (
Art. 32 Abs. 3 SVG
,
Art. 108 SSV
und Verordnung über die Tempo-30-Zonen und die Begegnungszonen) nicht genüge. So basierten die gutachterlichen Ergebnisse auf Simulationen ohne Beweiswert. Die Herabsetzung der Geschwindigkeit bewirke keine Reduktion des Verkehrs, sondern führe einzig zu einer Verlagerung des Staus an die Dorfeingänge. Angesichts des nicht überzeugenden Gutachtens wäre es vorliegend unerlässlich gewesen, im Interesse der vollständigen Sachverhaltsfeststellung und richtigen Rechtsanwendung ein unabhängiges Obergutachten einzuholen. Mit der Abweisung seines entsprechenden Antrags habe die Vorinstanz seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.
3.2
Die Anordnung von abweichenden Höchstgeschwindigkeiten ist nur gestützt auf ein vorgängig zu erstellendes Gutachten zulässig. Dieses hat aufzuzeigen, dass die Massnahme nötig, zweck- und verhältnismässig ist und keine anderen Massnahmen vorzuziehen sind (
Art. 32 Abs. 3 SVG
i.V.m.
Art. 108 Abs. 4 SSV
). Gutachten unterliegen der freien richterlichen Beweiswürdigung. In Fachfragen darf das Gericht jedoch nur aus triftigen Gründen von einer Expertise
BGE 136 II 539 S. 548
abweichen. Die Beweiswürdigung und die Beantwortung der sich stellenden Rechtsfragen ist Aufgabe des Gerichts. Dieses hat zu prüfen, ob sich aufgrund der übrigen Beweismittel und der Vorbringen der Parteien ernsthafte Einwände gegen die Schlüssigkeit der gutachterlichen Darlegungen aufdrängen. Erscheint dem Gericht die Schlüssigkeit eines Gutachtens in wesentlichen Punkten zweifelhaft, hat es nötigenfalls ergänzende Beweise zur Klärung dieser Zweifel zu erheben. Das Abstellen auf eine nicht schlüssige Expertise bzw. der Verzicht auf die gebotenen zusätzlichen Beweiserhebungen kann gegen das Verbot willkürlicher Beweiswürdigung (
Art. 9 BV
) verstossen (
BGE 130 I 337
E. 5.4.2 S. 345;
BGE 128 I 81
E. 2 S. 84).
Art. 3 der Verordnung über die Tempo-30-Zonen und die Begegnungszonen umschreibt den Inhalt des zu erstellenden Gutachtens näher, wobei der Inhalt und der Umfang des Gutachtens auch vom Zweck der Geschwindigkeitsbeschränkung und den örtlichen Gegebenheiten abhängen. Umfangreiche Untersuchungen können beispielsweise bei verkehrsreichen Kantonsstrassen nötig sein. Im Ergebnis entscheidend ist, dass die zuständige Behörde die erforderlichen Informationen besitzt, um zu beurteilen, ob eine der Voraussetzungen von
Art. 108 Abs. 2 SSV
erfüllt ist und ob die Massnahme im Hinblick auf das betreffende Ziel nötig, zweck- und verhältnismässig ist (
Art. 108 Abs. 4 SSV
; vgl. zum Ganzen Urteil 1C_206/2008 vom 9. Oktober 2008 E. 2.2). Ob die Anordnung einer Tempo-30-Zone zulässig ist, prüft das Bundesgericht mit freier Kognition. Es übt jedoch Zurückhaltung, soweit die Beurteilung von einer Würdigung der örtlichen Verhältnisse abhängt, welche die zuständigen Behörden besser kennen als das Bundesgericht (vgl.
BGE 129 I 337
E. 4.1 S. 344). Verkehrsbeschränkungen der hier in Frage stehenden Art sind zudem regelmässig mit komplexen Interessenabwägungen verbunden. Die zuständigen Behörden besitzen einen erheblichen Gestaltungsspielraum (vgl. Urteile 1C_153/2009 vom 3. Dezember 2009 E. 4.2 und 1C_206/2008 vom 9. Oktober 2008 E. 2.3).
3.3
Die Einführung der Tempo-30-Zone wird vorliegend insbesondere auf die Bestimmung von
Art. 108 Abs. 2 lit. c SSV
gestützt, wonach die Herabsetzung der Geschwindigkeit zulässig ist, wenn auf Strecken mit grosser Verkehrsbelastung der Verkehrsablauf verbessert werden kann. Die Ortsdurchfahrt von Münsingen weist mit
BGE 136 II 539 S. 549
einem durchschnittlichen Tagesverkehr von 17'300 Fahrzeugen auf der Bernstrasse (vgl. Betriebskonzept, S. 5) eine grosse Verkehrsbelastung auf. Umstritten ist, ob die Einführung der Tempo-30-Zone zu einem verbesserten Verkehrsfluss führt. Der Beschwerdeführer stellt insoweit die gutachterlichen Ergebnisse in Frage.
Das Gutachten hält die Vorgaben von Art. 3 der Verordnung über die Tempo-30-Zonen und die Begegnungszonen ein. So werden im Gutachten die Ziele, welche mit der Tempo-30-Zone erreicht werden sollen (Art. 3 lit. a der Verordnung), aufgelistet. Der von Art. 3 lit. b der Verordnung verlangte Übersichtsplan mit der Hierarchie der Strassen fehlt zwar. In Übereinstimmung mit der Argumentation im angefochtenen Urteil ist jedoch davon auszugehen, dass die BVE als Oberaufsichtsbehörde auf dem Gebiet der Strassen über die örtlichen Gegebenheiten und die Hierarchie der dortigen Strassen informiert ist. Zu den Sicherheitsdefiziten und den Massnahmen zu deren Behebung (Art. 3 lit. c der Verordnung) äussert sich das Gutachten ebenso wie zum vorhandenen Geschwindigkeitsniveau (Art. 3 lit. d der Verordnung) und zur bestehenden und angestrebten Qualität als Wohn-, Lebens- und Wirtschaftsraum (Art. 3 lit. e der Verordnung). Thematisiert werden weiter die möglichen Auswirkungen der Temporeduktion und Vorschläge zur Vermeidung allfälliger negativer Folgen (Art. 3 lit. f der Verordnung). Schliesslich wird die Erforderlichkeit einer Tempo-30-Zone (Art. 3 lit. g der Verordnung) im Gutachten wie auch im Betriebskonzept zum Strassenplan ausdrücklich begründet.
3.4
Die Gutachter kommen zusammenfassend zum Schluss, die Herabsetzung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h auf 30 km/h verbessere den Verkehrsfluss. Gemäss dem auf Computersimulationen beruhenden Betriebskonzept weist die Ortsdurchfahrt von Münsingen mit einer Tempo-30-Zone und Querungszonen eine höhere Leistungsfähigkeit auf als bei Tempo 50 mit Fussgängerstreifen. Die Verflüssigung des Verkehrs sei im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass zu Fuss gehende Personen beim Queren der Strasse ohne Fussgängerstreifen (vgl. insoweit Art. 4 Abs. 2 der Verordnung über die Tempo-30-Zonen und die Begegnungszonen) die Zeitlücken zwischen den Fahrzeugen besser ausnutzten und ihnen kein Vortrittsrecht zustünde. Hierdurch könne insbesondere das Stau verursachende und den öffentlichen Verkehr behindernde "Stop-and-Go-Fahrverhalten" vermieden und die
BGE 136 II 539 S. 550
Durchflusskapazität erhöht werden. Im Ergebnis wird im Betriebskonzept und im Gutachten gefolgert, die Massnahmen seien zweck- und verhältnismässig und erfüllten die für die Festsetzung abweichender Höchstgeschwindigkeiten erforderlichen Voraussetzungen gemäss
Art. 108 SSV
.
In Übereinstimmung mit der Einschätzung der Vorinstanz erscheinen die Ausführungen der Fachbehörde im Betriebskonzept nachvollziehbar. Der Beschwerdeführer macht hiergegen einzig pauschal geltend, den Computersimulationen käme kein Beweiswert zu, ohne diese Rüge jedoch näher zu substanziieren. Insbesondere vermag er mit seinen Vorbringen nicht darzutun, dass das Betriebskonzept und das Gutachten auf offensichtlich falschen Sachverhaltsannahmen beruhten. Selbst wenn der Stau - wie vom Beschwerdeführer betont - aufgrund der Tempo-30-Zone primär an die Dorfeingänge verlagert würde, ändert dies nichts daran, dass die Temporeduktion in Kombination mit der Umgestaltung des Verkehrsraums und der Einführung sog. Dosierungsanlagen zur angestrebten Verflüssigung des Verkehrs im belebten Ortszentrum führen dürfte.
Das Gutachten und das Betriebskonzept legen zusammenfassend schlüssig dar, weshalb die Massnahme als nötig, zweck- und verhältnismässig einzustufen ist. Bei diesem Ergebnis konnte die Vorinstanz - ohne den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör zu verletzen - in antizipierter Beweiswürdigung auf die Einholung eines Obergutachtens verzichten. | public_law | nan | de | 2,010 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
2fbf5e8a-e599-4c18-a2a0-5e0b4349cbc9 | Urteilskopf
108 Ib 196
35. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 25. Juni 1982 i.S. X-Bank AG gegen Eidgenössische Bankenkommission (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Auskunftspflicht der Banken über die weitere berufliche Tätigkeit ihrer Organe (Art. 3 Abs. 2 lit. c, 23 bis Abs. 2, 23ter Abs. 1 BankG;
Art. 8 Abs. 3 BankV
).
1. Bundesgerichtliche Verfahrensgrundsätze bei Verwaltungsgerichtsbeschwerden gegen Verfügungen der Eidgenössischen Bankenkommission (E. 1).
2. Die Eidgenössische Bankenkommission kann sich im vorliegenden Fall sowohl auf
Art. 23bis Abs. 2 BankG
(E. 2) als auch auf
Art. 23ter Abs. 1 BankG
(E. 3) stützen, um die Beschwerdeführerin zu verpflichten, Informationen bezüglich der weiteren, über die Tätigkeit für die Bank hinausgehenden beruflichen Aktivitäten ihrer mit der Verwaltung und Geschäftsführung betrauten Personen zu liefern. Bedeutung von
Art. 3 Abs. 2 lit. c BankG
(E. 2b) und
Art. 8 Abs. 3 BankV
(E. 2c) im Zusammenhang mit dem Einschreiten der Bankenkommission.
3. Prüfung der Rechtmässigkeit der im konkreten Fall angeordneten Massnahme (E. 4). | Sachverhalt
ab Seite 197
BGE 108 Ib 196 S. 197
Der unbestritten gebliebenen Sachverhaltsdarstellung der Eidgenössischen Bankenkommission können die folgenden Ausführungen entnommen werden:
Unter der Firma X-Bank AG besteht seit 1956 eine Aktiengesellschaft mit Sitz in St. Gallen. Die Gesellschaft bezweckt die Durchführung von Bank- und Finanzierungsgeschäften jeder Art. Das Grundkapital beträgt Fr. 2 Mio. Die X-Bank AG gehört, mit Ausnahme der Dr. Müller gehörenden Aktien, seit ihrer Gründung zu gleichen Teilen den Herren Y. und Z. Beide Herren sind im Verwaltungsrat tätig, Herr Y. als Präsident, Herr Z. als Delegierter und Geschäftsleiter der Bank.
Neben der X-Bank AG üben die beiden Hauptaktionäre noch bei anderen, am gleichen Ort wie die Bank domizilierten Gesellschaften einen massgebenden Einfluss aus, sei es, dass ihnen diese Gesellschaften gehören, sei es, dass sie aufgrund einer Organstellung die Geschäftsleitung ausüben. Es sind dies die Gesellschaften A-AG, B-AG, Institut-C, AG-D sowie die E-AG. Weiter ist erwähnenswert, dass über diese Gesellschaften bzw. über die Herren Y. und Z. Kontakte zu liechtensteinischen Firmen bestehen, über die aufgrund von Vollmachten ebenfalls Geschäfte abgewickelt werden. Es sind dies (soweit bekannt):
- das Institut-C., Eschen: von dieser Firma erhält Herr Y. in Ausnahmefällen Vollmachten. Eigentümer sind zwei Ausländer (Mr. B., Niederlande / Mr. van D., Mexiko).
- die F., Vaduz: für sie gilt analog das zum Institut-C Gesagte: Eigentümer sind ebenfalls Ausländer.
BGE 108 Ib 196 S. 198
- die G-Stiftung, Vaduz: sie ist ebenfalls ausländisch beherrscht. Herr Y. ist im Verwaltungsrat dieser Stiftung.
H. war ein in der Ostschweiz tätiger Kaufmann, der verschiedene Gesellschaften im Bau- und Transportgewerbe betrieb oder kontrollierte. Ende 1973 gingen gegen H. diverse Strafanzeigen wegen Veruntreuung, Betrug, Urkundenfälschung und ähnlicher Delikte ein. Der Angeschuldigte war mit allen seinen Unternehmen in Konkurs gefallen und hatte offensichtlich versucht, den Niedergang seines kleinen Geschäftsimperiums mit kriminellen Handlungen zu verhindern. Im Überweisungsbeschluss des Verhörrichters werden Herr Y. und die X-Bank AG oft recht kritisch erwähnt, da H. eine recht grosse Anzahl seiner Finanztransaktionen über diese abgewickelt hatte. Das Sekretariat der Bankenkommission eröffnete gegen Herrn Y. eine Untersuchung mit dem Ziel, abzuklären, ob er an diesen Geschäften in einer Art und Weise mitgewirkt habe, die darauf schliessen liesse, dass bei ihm der gute Ruf und die Gewähr für eine einwandfreie Geschäftstätigkeit nicht mehr gegeben sei (Art. 3 Abs. 2 lit. c BG über die Banken und Sparkassen vom 8. November 1934; SR 952.0; BankG). Weil die Vorwürfe unbewiesen blieben, wurde diese Untersuchung ergebnislos abgebrochen.
Die Eidgenössische Bankenkommission ist der Ansicht, dass die den Herren Y. und Z. (mit Ausnahme der Aktien von Dr. M.) gehörende X-Bank AG sowie die anderen genannten Gesellschaften zwar "eine Gruppe juristisch selbständiger Gesellschaften" darstellten, dass sie indessen "mit der Bank eine wirtschaftliche Einheit" bildeten. Bliebe die bankgesetzliche Revision auf die X-Bank AG allein beschränkt, so würde nach Ansicht der Bankenkommission eine sachgerechte Überprüfung verunmöglicht: Für die Frage, ob die betroffenen Gesellschaften neben der Bank in die aufsichtsrechtliche Kontrolle einbezogen werden müssten, sei nicht ihre eigene Tätigkeit, sondern deren organisatorische und wirtschaftliche Einheit massgeblich. Die wirtschaftliche Integration der Bank in der gesamten Firmengruppe und die mit den verschiedenen Tätigkeiten der beiden Eigentümer verbundene Gefahr der Interessenkollision machten eine strenge Funktionstrennung für die Oberleitung, Aufsicht und Kontrolle einerseits und die Geschäftsführung der Anlagebank andererseits, unumgänglich; besondere Organe für diese verschiedenen Gesellschaftsfunktionen bestünden bei der X-Bank AG indessen nicht. Personelle Änderungen im Verwaltungsrat oder in der Geschäftsleitung der X-Bank AG würden diese Probleme nicht befriedigend lösen, sei die Bank doch zu stark in die Gruppe integriert und für sich allein für eine solche Variante zu klein. Angemessen sei es dagegen, der X-Bank AG die Ausnahmebewilligung im Sinne von
Art. 8 Abs. 3 BankV
zu gewähren (Ausnahme vom Grundsatz, wonach kein
BGE 108 Ib 196 S. 199
Mitglied des für die Oberleitung, Aufsicht und Kontrolle verantwortlichen Organs der Geschäftsführung angehören darf) und die fehlende Funktionstrennung durch entsprechende Kontrollmassnahmen zu ersetzen. Die bankengesetzliche Revision auf die gesamte berufliche Tätigkeit der beiden Herren auszudehnen, sei hiefür geeignet und erlaube gleichzeitig die Prüfung der Frage, ob die mit der Verwaltung und Geschäftsführung der Bank betrauten Personen im Sinne von
Art. 3 Abs. 2 lit. c BankG
einen guten Ruf genössen und Gewähr für eine einwandfreie Geschäftstätigkeit böten.
Mit Entscheid vom 23. März 1981 verfügte daher die Eidgenössische Bankenkommission:
1. Die X-Bank AG wird angewiesen, bis zum 31.8.1981 alle Massnahmen und Vorkehrungen zu treffen, damit die bankengesetzliche Revisionsstelle die gesamte berufliche Tätigkeit von Herrn Y. und Herrn Z. uneingeschränkt überprüfen kann.
2. Die Revisionsstelle hat zu diesem Zweck zu prüfen, ob
a) die finanzielle Situation, der Gruppe Y./Z. sich in irgendeiner Form negativ auf die X-Bank AG auswirken kann;
b) zur Umgehung bankengesetzlicher Vorschriften oder Standesregeln der Banken Geschäfte über die Buchhaltungen (der) der X-Bank AG nahestehenden Gesellschaften abgewickelt werden.
3. (Die Verfahrenskosten werden der X-Bank AG auferlegt.)
Mit fristgerechter Verwaltungsgerichtsbeschwerde stellt die X-Bank AG dem Bundesgericht die nachfolgenden Anträge:
"1. Die Verfügung der Eidgenössischen Bankenkommission vom 23. März 1981 sei aufzuheben.
2. Dieser Beschwerde sei aufschiebende Wirkung beizulegen.
Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen."
Mit Verfügung vom 5. Juni 1981 gewährte der Präsident der II. öffentlichrechtlichen Abteilung der Beschwerde die anbegehrte aufschiebende Wirkung.
Die Beschwerdeführerin rügt namentlich die Verletzung von Bundesrecht. Auf ihre einzelnen Vorbringen wird, soweit erforderlich, in den Erwägungen eingegangen.
Die Eidgenössische Bankenkommission beantragt die Abweisung der Beschwerde.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab
Erwägungen
aus folgenden Erwägungen:
1.
a) Das Bundesgericht wendet das Bundesrecht im verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren von Amtes wegen an. Es ist dabei nach
Art. 114 Abs. 1 OG
nicht an die von den Parteien
BGE 108 Ib 196 S. 200
gegebene Begründung der Begehren gebunden, weshalb es die Beschwerde auch aus anderen als den geltend gemachten Gründen gutheissen oder abweisen kann (
BGE 107 Ib 90
E. 1).
b) Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann die Verletzung von Bundesrecht einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens sowie die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts geltend gemacht werden (
Art. 104 lit. a und b OG
), nicht aber die Unangemessenheit der angefochtenen Verfügung (
Art. 104 lit. c OG
).
Ob die Voraussetzungen für ein Einschreiten der Eidgenössischen Bankenkommission gegen eine Bank gegeben sind, ist eine Rechtsfrage, die das Bundesgericht an sich frei überprüft. Dabei muss es sich aber Zurückhaltung auferlegen bei der Beurteilung von ausgesprochenen Fachfragen, zu deren Beantwortung die Bankenkommission zufolge ihrer Zusammensetzung aus Sachverständigen besser imstande ist als das Bundesgericht (technisches Ermessen der Eidgenössischen Bankenkommission). Insofern ist der Bankenkommission ein gewisser Beurteilungsspielraum bei der Prüfung des Einzelfalls zuzugestehen (
BGE 103 Ib 354
E. 5b). Ein solcher Beurteilungsspielraum ist der Kommission auch zuzugestehen, wenn die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffes der Bankgesetzgebung im Einzelfall zu überprüfen ist (
BGE 103 Ib 356
E. 7b).
2.
a) Es fragt sich zunächst, ob das Einschreiten der Bankenkommission auf
Art. 23bis Abs. 2 BankG
gestützt werden kann. Nach
Art. 23bis Abs. 2 BankG
kann die Kommission von den Revisionsstellen sowie von den Banken alle Auskünfte und Unterlagen verlangen, die sie zur Erfüllung ihrer Aufgabe benötigt. Welche Auskünfte und Unterlagen "zur Erfüllung der Aufgaben der Bankenkommission", die nach
Art. 23 Abs. 1 BankG
in "der selbständigen Erledigung (der) Aufsicht über das Bankwesen" besteht, erforderlich sind, muss durch Auslegung des Gesetzes ermittelt werden. Welche Auskünfte und Unterlagen dies im einzelnen sind, ist jedoch weitgehend dem technischen Ermessen der Eidgenössischen Bankenkommission anheimgestellt, weshalb das Bundesgericht nur bei eigentlichen Ermessensfehlern in den Entscheid eingreift. Im Zweifel ist ausserdem für eine eher weite Auslegung der Auskunftspflicht gemäss
Art. 23bis Abs. 2 BankG
zu entscheiden, begünstigt doch der präventive Beizug von genügenden Informationen die frühzeitige Erkennung von Gesetzesverletzungen und sonstigen Missständen.
BGE 108 Ib 196 S. 201
b) Als Bestandteil des öffentlichen Rechtes sind die Normen der Bankengesetzgebung grundsätzlich zwingender Natur. Insbesondere die Elemente, die gemäss
Art. 3 BankG
Voraussetzung für die Erteilung der Geschäftsbewilligung sind, müssen dauernd erfüllt sein. Die Bankenkommission hat darüber zu wachen, dass die ihrer Aufsicht unterstellten Institute sämtliche zwingenden Rechtsnormen einhalten, wobei sie nach
Art. 23quinquies Abs. 1 BankG
die Bewilligung zur Geschäftstätigkeit entzieht, wenn die Bank die Voraussetzungen für die Bewilligung nicht mehr erfüllt oder ihre gesetzlichen Pflichten grob verletzt.
aa) Damit die Bankenkommission diese Aufgabe erfüllen kann, müssen ihr selbstredend die erforderlichen Informationen über die Geschäftstätigkeit der zu beaufsichtigenden Banken zur Verfügung stehen; darüber hinaus muss sie insbesondere aber auch über alle Informationen verfügen, die die Beantwortung der Frage erlauben, ob die mit der Verwaltung und Geschäftsführung der Bank betrauten Personen einen guten Ruf geniessen und Gewähr für eine einwandfreie Geschäftstätigkeit bieten (
Art. 3 Abs. 2 lit. c BankG
), bildet dieses personelle Erfordernis doch ebenfalls eine dauernd zu erfüllende Voraussetzung für die Ausübung der Geschäftstätigkeit.
Die weiteren, über die eigentliche Tätigkeit für die Bank hinausgehenden beruflichen Aktivitäten einer mit der "Verwaltung und Geschäftsführung" einer Bank betrauten Person, etwa in einem freien Berufe oder als Organ dritter Gesellschaften, sind geeignet, bankaufsichtsrechtlich relevante Tatbestände zu schaffen; insbesondere im Hinblick auf die von einem Banquier zu verlangende Seriosität (
Art. 3 Abs. 2 lit. c BankG
) kann dessen weitere berufliche Tätigkeit von Bedeutung sein. So wären etwa die Anforderungen an den "guten Ruf" des Banquiers bei Begehung eines Vermögensdeliktes im Sinne des Strafgesetzbuches selbst dann nicht mehr erfüllt, wenn die Tat ausschliesslich mit der weiteren beruflichen Tätigkeit in Verbindung stünde und die Bank selbst durch sie in keiner Weise tangiert würde. Sodann wären die an einen Banquier zu stellenden Anforderungen an den guten Ruf wohl auch schon dann nicht mehr erfüllt, wenn er, ohne sich strafrechtlich schuldig zu machen, im Rahmen seiner weiteren beruflichen Tätigkeit eine schwere Verletzung seiner vertraglichen Verpflichtungen begehen würde.
bb) Die Bankenkommission muss schliesslich auch über all diejenigen Informationen über die weiteren beruflichen Aktivitäten
BGE 108 Ib 196 S. 202
der Banquiers im Sinne von
Art. 3 Abs. 2 lit. c BankG
verfügen können, die im Hinblick auf die Frage von Bedeutung sind, ob dadurch die Interessen der Bankgläubiger gefährdet werden könnten (
BGE 106 Ib 147
f. E. 2); wie die Bankenkommission zu Recht festhält, ist in diesem Zusammenhang insbesondere einer allfälligen Haftung der Bank gemäss
Art. 55 ZGB
(Organhaftung) besondere Beachtung zu schenken. Stünden der Bankenkommission die notwendigen Informationen nicht zur Verfügung, so könnte sie ihren Pflichten nicht nachkommen, wodurch auch die Einhaltung der Vorschriften der Bankengesetzgebung nicht gewährleistet wäre.
c) Es kann somit festgehalten werden, dass die Bankenkommission gewisse Informationen über die weitere berufliche Tätigkeit der Banquiers zur Erfüllung ihrer Aufgabe benötigt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn wie vorliegend keine strikte personelle Funktionstrennung zwischen der Oberleitung und Aufsicht in der Bank einerseits und der Geschäftsführung andererseits besteht, wie dies vorbehältlich einer ausdrücklichen Ausnahmebewilligung im Sinne von
Art. 8 Abs. 3 BankV
sonst der Fall sein muss; wird eine solche Ausnahmebewilligung aufgrund der besonderen Umstände, die ein Bankinstitut geltend macht, wie im Falle der Beschwerdeführerin gewährt, so erscheint es als sachlich gerechtfertigt, die fehlende personelle Funktionstrennung mit entsprechenden Auflagen, hier einer Erweiterung der bankengesetzlichen Revision, zu kompensieren.
Art. 23bis Abs. 2 BankG
ermöglicht deshalb der Bankenkommission im vorliegenden Fall, Informationen über die weitere berufliche Tätigkeit der Herren Y. und Z. anzubegehren, weshalb sie zum Einschreiten berechtigt war. Es kann somit keine Rede davon sein, dass die Kommission bei der Auferlegung der Pflicht, die weitere berufliche Tätigkeit offenzulegen, ihr Ermessen überschritten oder missbraucht hätte. Die Frage, welche konkreten Informationen die Bankenkommission von den betroffenen Banquiers verlangen darf und die Frage, auf welche Weise diese Informationen zu beschaffen sind, brauchen an dieser Stelle, wo nur die grundsätzliche Zulässigkeit des Einschreitens der Bankenkommission zu beurteilen ist, nicht beantwortet zu werden.
3.
Es fragt sich, ob das Einschreiten der Bankenkommission nicht auch direkt schon auf
Art. 23ter BankG
gestützt werden kann, wovon die Kommission offensichtlich ausgeht. Anders als
BGE 108 Ib 196 S. 203
Art. 23bis Abs. 2 BankG
erlaubt
Art. 23ter BankG
nur ein repressives Einschreiten der Bankenkommission gegen ein Bankinstitut.
a) Nach
Art. 23ter Abs. 1 BankG
erlässt die Bankenkommission die zur Herstellung des ordnungsgemässen Zustandes und zur Beseitigung der Missstände notwendigen Verfügungen, wenn sie von Verletzungen des Gesetzes oder von sonstigen Missständen Kenntnis erhält. Umstritten ist zunächst, ob überhaupt eine "Verletzung des Gesetzes oder ein sonstiger Missstand" vorliegt, der die Bankenkommission zum Einschreiten berechtigt. Dass das Einschreiten der Bankenkommission im vorliegenden Fall mit der Tatbestandsvariante der "Verletzung des Gesetzes" begründet werden könnte, wird von der Vorinstanz nicht geltend gemacht und ergibt sich auch nicht aus den Akten. Hingegen ist die Bankenkommission der Ansicht, es liege ein "sonstiger Missstand" im Sinne von
Art. 23ter Abs. 1 BankG
vor, der ihr Einschreiten erforderlich mache. Der Missstand liege im Umstand, dass die Revisionsgesellschaft ihren Auftrag, die "Bank gemäss den Bestimmungen im Bankengesetz und in der Verordnung zu prüfen", nicht mehr nachkommen könne, "weil sie keine volle Einsicht in die gesamte wirtschaftliche Tätigkeit der Bank" habe. Dem hält die Beschwerdeführerin namentlich entgegen, unter einem Missstand im Sinne des Bankengesetzes könne nur eine "andauernde Gesetzesverletzung" verstanden werden.
b) Was unter einem Missstand im Sinne von
Art. 23ter Abs. 1 BankG
zu verstehen ist, muss durch Auslegung des Gesetzes ermittelt werden. Dabei handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, bei dessen Anwendung der Bankenkommission im Einzelfall, gleich wie bei der Beurteilung von Fachfragen, ein gewisser Beurteilungsspielraum zuzugestehen ist. Mit Rücksicht auf den der Bankenkommission zustehenden Beurteilungsspielraum bei der Sinnermittlung der unbestimmten Rechtsbegriffe der Bankengesetzgebung, auferlegt sich das Bundesgericht Zurückhaltung, wenn ein derartiger Entscheid zu überprüfen ist. Es widerspräche in der Tat dem Wesen der Rechtskontrolle, wenn das Bundesgericht einer vertretbaren Auslegung des fraglichen unbestimmten Rechtsbegriffes die Anerkennung versagen und in völlig freier Überprüfung von der Rechtsauffassung der Bankenkommission abweichen würde. Andererseits obliegt es dem Bundesgericht, die Grenzen der Beurteilungsspielräume möglichst genau zu umschreiben, würde doch sonst die Rechtskontrolle ihrerseits ihre Aufgabe nicht mehr erfüllen.
BGE 108 Ib 196 S. 204
Der Begriff des "sonstigen Missstandes" gemäss
Art. 23ter Abs. 1 BankG
, mit welchem die Voraussetzung für das Einschreiten der Bankenkommission umschrieben wird, ist eine Generalklausel: Der Gesetzgeber ging davon aus, dass auch die eingehendste Gesetzgebung nie alle vorkommenden Erscheinungen des Wirtschaftslebens zu regeln vermag (BODMER/KLEINER/LUTZ, Kommentar zum schweizerischen Bankengesetz, Zürich 1982, N. 1 zu
Art. 23ter BankG
). Es kann daher auch nicht die Aufgabe des Richters sein, den Beurteilungsspielraum, der der Bankenkommission bei der Konkretisierung des Begriffes des "Missstandes" zukommt, ein für allemal zu umschreiben, wenn dies auch im Hinblick auf die Rechtssicherheit wünschbar wäre; das Bundesgericht muss sich deshalb darauf beschränken, in jedem einzelnen Fall zu prüfen, ob sich die Bankenkommission an den ihr vom Gesetz vorgegebenen Beurteilungsspielraum gehalten hat.
c) Wie bereits dargestellt (E. 2b), vermag die weitere berufliche Tätigkeit eines Banquiers im Sinne von
Art. 3 Abs. 2 lit. c BankG
bankenaufsichtsrechtlich relevante Tatbestände zu schaffen, weshalb der Banquier diese Aktivitäten der Bankenkommission insoweit offenzulegen hat, als sie nach dem Ermessen der Kommission hiezu geeignet sind. Dies muss selbst dann gelten, wenn die Bankenkommission keinerlei Anhaltspunkte dafür hat, dass sich der Banquier im Rahmen dieser Tätigkeit irgendwelche Unkorrektheiten zu Schulden kommen liess. Verweigert der betroffene Banquier diese notwendige und zumutbare Auskunftserteilung gegenüber der Bankenkommission oder ist die weitere berufliche Tätigkeit des Banquiers so beschaffen, dass eine blosse allenfalls mit entsprechenden Unterlagen belegte Auskunftserteilung noch nicht zu einer genügenden Abklärung der tatsächlichen Verhältnisse führt, so hat die Bankenkommission vom Bestehen eines Missstandes im Sinne von
Art. 23ter Abs. 1 BankG
auszugehen und die für die Beseitigung dieses Zustandes notwendigen Verfügungen zu erlassen.
e) Ein solcher Fall ist vorliegend gegeben. Zwar bestehen keinerlei relevante Anhaltspunkte dafür, dass die Herren Y. und Z. die personellen Anforderungen im Sinne von
Art. 3 Abs. 2 lit. c BankG
nicht mehr erfüllen würden oder dass die weitere berufliche Tätigkeit der beiden Herren die Interessen der Bankgläubiger in anderer Weise gefährden würde; die Bankenkommission hat denn auch die Berechtigung für ihr Vorgehen nicht aus einem konkreten Verstoss gegen die Bankengesetzgebung heraus abgeleitet, wenn
BGE 108 Ib 196 S. 205
sie auch aus dem Fall H. gewisse Schlüsse gezogen hat. Doch ist die umfangreiche weitere berufliche Tätigkeit der beiden Banquiers aufgrund der erteilten Auskünfte noch keineswegs so weit erhellt, dass sich die Bankenkommission deswegen ein abschliessendes Urteil darüber bilden könnte, ob dadurch aufsichtsrechtlich relevante Tatbestände geschaffen worden sind. Die Voraussetzungen für ein Einschreiten der Bankenkommission sind daher auch gestützt auf
Art. 23ter Abs. 1 BankG
gegeben.
4.
a) Welche Massnahme im Einzelfall angezeigt ist, stellt eine Ermessensfrage dar. Hier kommt der Bankenkommission als fachkundiger Behörde ein weiter Spielraum des Ermessens bei der Auswahl der Massnahmen zu (
BGE 105 Ib 408
E. 1c;
BGE 103 Ib 354
E. 5c). Bei der Betätigung ihres Ermessens ist die Kommission an die allgemeinen Grundsätze verwaltungsmässigen Handelns gebunden: Es ist dies das Verbot der Willkür und der rechtsungleichen Behandlung, das Gebot von Treu und Glauben und der Grundsatz der Verhältnismässigkeit.
b) aa) Es ist zunächst nicht ersichtlich und wird von der Beschwerdeführerin auch nicht behauptet, dass die Bankenkommission bei der Wahl des Mittels, also der Ausweitung der bankengesetzlichen Revision auf die weitere berufliche Tätigkeit der Herren Y. und Z. gegen das Verbot der Willkür und der rechtsungleichen Behandlung verstossen hätte. Ebensowenig bestehen Anhaltspunkte dafür, dass sie mit ihrem Vorgehen gegen Treu und Glauben verstossen hätte.
bb) Es fragt sich schliesslich, ob die Ausweitung der bankengesetzlichen Revision auf die weitere berufliche Tätigkeit der Herren Y. und Z. gegen das Verhältnismässigkeitsprinzip verstösst.
In der angefochtenen Verfügung wird die X-Bank AG angewiesen, "Vorkehrungen" zu treffen oder, mit anderen Worten, die Unterlagen bereitzustellen, die es der Revisionsstelle erlauben, die bankengesetzlich relevanten Aspekte der weiteren beruflichen Tätigkeit der Herren Y. und Z. zu überprüfen. Die X-Bank AG hat also nur diejenigen Unterlagen vorzulegen und Auskünfte zu erteilen, die für die Aufsichtsbehörde für deren Aufgabenerfüllung unmittelbar von Bedeutung sind, weshalb die Geheimsphäre der Beschwerdeführerin im Rahmen des angestrebten Zieles optimal geschützt wird; von einem Verstoss gegen das Verhältnismässigkeitsprinzip kann diesbezüglich keine Rede sein.
Die Beschwerdeführerin hält die Massnahme sodann für
BGE 108 Ib 196 S. 206
unverhältnismässig, weil sie "enorme zusätzliche und jährlich wiederkehrende Revisionskosten" verursache. Die Beschwerdeführerin unterlässt es jedoch zu erläutern, welche andere Massnahme einerseits zur Bereitstellung der erforderlichen Information über die weitere berufliche Tätigkeit der Herren Y. und Z. führen würde und andererseits weniger weit in ihre Rechtssphäre eingreifen würde. Auch ist der Einwand der Beschwerdeführerin, die Verfügung bedeute "einen Eingriff in die persönlichen Rechte und die Handels- und Gewerbefreiheit der Herren Y. und Z. sowie der ihnen nahestehenden Personen" in keiner Weise substantiiert, weshalb darauf nicht eingegangen zu werden braucht. | public_law | nan | de | 1,982 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
2fc004ca-b408-4eea-91a2-2a81a0a9534d | Urteilskopf
97 II 333
46. Arrêt de la IIe Cour civile du 21 octobre 1971 en la cause Consortage de Cleuson contre Commune de Nendaz. | Regeste
Art. 704 Abs. 1 ZGB
.
Die Quellen, die auf einem privaten Grundstück entspringen und von Anfang an einen Wasserlauf bilden (Bachquellen), sind nicht Quellen im Sinne von
Art. 704 Abs. 1 ZGB
. | Sachverhalt
ab Seite 333
BGE 97 II 333 S. 333
A.-
La commune de Nendaz a accordé en 1945 à la société anonyme L'Energie de l'Quest-Suisse (en abrégé: EOS), à Lausanne, pour une durée de quatre-vingts ans, une concession d'exploitation des eaux de la Printze supérieure et de ses affluents. En contrepartie, l'EOS s'est engagée à payer à la commune un montant de 50 000 fr. ainsi qu'une redevance annuelle.
BGE 97 II 333 S. 334
Le Consortage de Cleuson est une corporation de droit cantonal au sens de l'art. 59 CC. Il est propriétaire de l'alpage du Cleuson. En 1951, il a vendu une partie de cet alpage à l'EOS pour permettre la construction du barrage de Cleuson, qui retient les eaux de la Printze. Au moyen d'une station de pompage, les eaux de ce barrage sont amenées, à travers une galerie souterraine, dans le lac des Dix formé par le barrage de la Dixence.
Le versant droit de la Printze est composé de plusieurs combes. Dans chacune d'elles s'écoule un torrent. Celui qui parcourt la combe de la Zallaz rejoint à l'altitude de 2140 mètres le torrent de la petite combe de Tsava pour former un seul affluent de la Printze.
La source de la Zallaz est située au niveau du bisse désaffecté de Chervé, à environ 2330 mètres. Elle compte une dizaine de points de sortie, de débits différents, disséminés autour de la venue principale sur une largeur de 40 mètres environ, avec des différences de niveau de l'ordre de 4 mètres. Elle forme immédiatement un torrent. Son débit, qui varie selon les saisons, est de 60 à 3420 litres/minute. Le torrent est intercepté à une vingtaine de mètres de la source par une prise d'eau qui alimente un réservoir servant à l'alimentation de la cabane des gardiens du barrage. En aval de cette prise, le torrent s'infiltre progressivement dans son cône de déjection. Il réapparaît plus bas sous la forme d'une source qui, pour une bonne part, n'est qu'une résurgence de la source du bisse. Une fraction des eaux infiltrées se perd dans le lac artificiel de Cleuson et échappe à la résurgence. Une deuxième prise d'eau située à 2191 mètres amène l'eau du torrent directement dans le lac.
La galerie souterraine d'adduction des eaux du barrage de Cleuson au lac des Dix a une longueur de 4 km. Elle traverse une partie des territoires des communes de Nendaz et d'Hérémence. Des eaux souterraines s'infiltrent dans la galerie. Elles représentent, sur le territoire de la commune de Nendaz, un volume de 789 300 m3 par année. Seul le 33% de cette eau provient du sous-sol situé à l'aplomb des zones herbeuses de l'alpage de Cleuson.
B.-
Le 2 avril 1965, le Consortage de Cleuson a ouvert action contre la commune de Nendaz. Il a demandé en définitive que son droit de propriété soit reconnu sur les eaux captées par l'EOS dans la combe de la Zallaz et sur celles qui jaillissent
BGE 97 II 333 S. 335
dans la galerie d'adduction du barrage de Cleuson à celui de la Dixence. Il a conclu d'autre part au paiement des redevances reçues par la commune de Nendaz pour les eaux captées sur l'alpage de Cleuson et dans la galerie, soit 1536 fr. 11 par an dès 1964, avec intérêt à 5% sur chaque annuité.
La commune de Nendaz a conclu au rejet de l'action.
Par jugement du 19 janvier 1971, le Tribunal cantonal du Valais a rejeté l'action. Il a considéré en bref ce qui suit.
Le demandeur ne connaissait pas l'existence des eaux qui ont jailli dans la galerie souterraine. Leur captage est purement accidentel. Il est dû aux travaux de dérivation des eaux de la Printze dans le barrage de la Dixence. L'acheminement des eaux en direction de la galerie où elles émergent n'est pas connu. Il est donc impossible de les capter par des forages à la surface du sol. Ces eaux n'ont dès lors aucun rapport avec l'exercice du droit de propriété sur l'alpage. Elles appartiennent à la commune de Nendaz en tant que propriétaire des choses sans maître selon le droit cantonal.
La source de la Zallaz jaillit au sommet du pâturage, sur la propriété du demandeur. Elle forme immédiatement un torrent. Les prises d'eau de l'EOS sont installées sur le torrent, soit à un endroit où, quel que soit le régime juridique de la source, les eaux sont devenues communales.
C.-
Contre ce jugement, le Consortage de Cleuson recourt en réforme au Tribunal fédéral. Il persiste dans les conclusions de sa demande.
La commune de Nendaz propose le rejet du recours.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
Selon l'art. 704 al. 1 CC, les sources sont une partie intégrante du fonds et la propriété n'en peut être acquise qu'avec celle du sol où elles jaillissent. Le code civil ne précise pas si les sources de ruisseaux, c'est-à-dire celles dont le flux forme immédiatement un cours d'eau relativement important, rentrent aussi dans le domaine privé du propriétaire du fonds. WIELAND (n. 3 ad art. 704 CC) et LEEMANN, dans la première édition de son commentaire (n. 13 ad art. 667 CC et n. 7 ad art. 704 CC), assimilent de telles sources aux eaux publiques. Cette opinion était déjà défendue par E. HUBER (Die Gestaltung des Wasserrechts im künftigen schweizerischen Recht, in RDS n. F, vol. 19
BGE 97 II 333 S. 336
p. 528; Zu der Frage der Rechtsverhältnisse an Quellen und Wasserlauf und des Expropriationsrechts zu Gunsten ausländischer Unternehmungen, in RDS n. F, vol. 12 p. 57).
Dans un arrêt Haab & Cie c. Frei et consorts, du 15 mars 1917 (RO 43 II 158), le Tribunal fédéral relève cependant que le code civil ne contient aucune réserve au sujet des sources de ruisseaux ou de rivières. Il estime qu'une telle réserve ne pourrait se justifier qu'en considérant que le sol lui-même d'où jaillissent de telles sources forme le lit d'un cours d'eau public et qu'il est simplement entouré de propriété privée. Dans le cas particulier, la source jaillissait dans la cave d'une maison avec un débit de 600 litres/minute. Le Tribunal fédéral a dès lors admis qu'elle était régie par l'art. 704 al. 1 CC.
Dans la deuxième édition de son commentaire (n. 19 ad art. 667 CC et n. 10 ad art. 704 CC), LEEMANN s'est rallié à ce point de vue. Il estime toutefois qu'une notion de la source qui ne s'étendrait pas aux sources de ruisseaux correspondrait mieux aux intérêts économiques.
D'autres auteurs ont exprimé un avis différent.
Selon ROSSEL (Des sources immédiatement génératrices d'eaux courantes, in RJB 1918 vol. 54 p. 252 et 331), l'arrêt Haab isole par trop la source du cours d'eau qu'elle forme ou qu'elle alimente. Le Tribunal fédéral aurait dû exclure du domaine d'application de l'art. 704 CC toutes sources immédiatement génératrices de cours d'eau, rivières, ruisseaux ou torrents. Cette solution lui paraît d'autant plus indiquée qu'on avait songé à faire dans le code civil une réserve expresse sur ce point et qu'on y renonça parce qu'il eût été difficile de la formuler en termes suffisamment précis. HAAB (n. 9 à 11 ad art. 704 CC) expose que l'arrêt Haab est en contradiction avec la tendance du législateur suisse et les législations étrangères les plus récentes. L'affirmation qu'une source dont le débit s'élève à 600 litres/minute n'est pas une eau publique constitue à ses yeux une petitio principii contraire aux conceptions actuelles. Il suggère d'admettre l'existence d'une lacune, d'autant plus que seule la difficulté de trouver une formule précise a empêché l'introduction dans le code civil d'une réserve expresse concernant les sources immédiatement génératrices de cours d'eau. GUISAN (L'eau en droit privé, in JdT 1942 I 502) critique également l'arrêt Haab. Il s'étonne que le Tribunal fédéral ait pensé pouvoir tabler sur la propriété publique ou
BGE 97 II 333 S. 337
privée du sol, étant donné que la question ne se pose que si le sol est privé. A son avis, un vrai cours d'eau qui sort de terre avec un débit considérable et à peu près constant n'est pas une source. DESCHENAUX et JÄGGI (Le régime juridique de sources provenant d'eaux souterraines publiques, in JdT 1959 I 104) estiment que l'argumentation de l'arrêt Haab est un peu courte. Partant du principe que le droit fédéral s'en remet au droit cantonal pour décider si un cours d'eau appartient au domaine public, ils en déduisent que le même régime doit être appliqué aux sources de ruisseaux. Enfin LIVER (Der Prozess des Müllers Arnold und das private Wasserrecht, in RJB 1946 vol. 82 p. 154) relève que la notion de source en droit suisse est trop individualiste. Elle ne correspond pas à son avis à la tendance sociale du code civil ni à l'évolution générale de notre ordre juridique. Elle revêt un caractère exceptionnel si on la compare au droit des eaux des pays qui nous entourent. Cet auteur estime (Die Entwicklung des Wasserrechts in der Schweiz seit hundert Jahren, in RDS n. F, 1952 vol. 71 p. 344/345) que, lorsque l'écoulement d'une source forme dès le début un ruisseau ou une rivière, la source fait partie du cours d'eau en ce sens qu'elle constitue le caput fluminis. Ce cours d'eau est en règle générale de l'eau publique. Son unité naturelle et économique serait rompue s'il ne devenait public qu'après avoir franchi la limite du fonds où la source jaillit et si le propriétaire de ce fonds pouvait le détourner à sa guise. Il considère dès lors (Öffentliches Grundwasserrecht und privates Quellenrecht, in RJB 1953 vol. 89 p. 22) que les sources de ruisseaux ne peuvent être assimilées aux sources visées par l'art. 704 al. 1 CC.
Les critiques formulées par les auteurs contre l'arrêt Haab sont pertinentes. Conformément à l'opinion de la doctrine dominante concernant les sources de ruisseaux, la jurisprudence instaurée par cet arrêt ne saurait être maintenue. Il faut admettre au contraire que les sources qui jaillissent sur une propriété privée et qui forment dès le début un cours d'eau ne sont pas des sources au sens de l'art. 704 al. 1 CC. Elles sont censées faire partie du cours d'eau auquel elles donnent naissance et sont dès lors soumises au régime juridique de celui-ci.
En l'espèce, la source de la Zallaz forme immédiatement un torrent. Selon l'art. 3 de la loi valaisanne du 17 janvier 1933 concernant l'attribution de la propriété des biens du domaine public et des choses sans maître, les rivières et les torrents
BGE 97 II 333 S. 338
rentrent dans le domaine public des communes. Il s'ensuit que la source de la Zallaz ne peut être considérée comme étant l'objet d'un droit de propriété privé. Dès lors, les conclusions du recourant qui tendent à ce qu'il soit reconnu propriétaire des eaux captées par l'EOS dans le torrent de la Zallaz ne sont pas fondées.
2.
Le recourant prétend être aussi propriétaire des eaux qui s'infiltrent dans la galerie d'adduction de l'eau du barrage de Cleuson au barrage de la Dixence.
Ces eaux souterraines ne sont certes pas comparables à une grande nappe d'eau ou à un grand cours d'eau souterrain, lesquels font d'emblée partie du domaine public (RO 93 II 180). Mais selon l'art. 667 al. 1 CC, la propriété du sol n'emporte celle du dessous que dans la profondeur utile à son exercice. Cela suppose que le propriétaire ait un intérêt digne de protection quant à l'exercice, même éventuel, de son droit dans le sous-sol. Or un tel intérêt n'existe pas si le propriétaire ne peut dominer ce qui se trouve au-dessous du sol (RO 93 II 175 consid. 5).
En l'espèce, le recourant ignorait l'existence des eaux qui coulent dans la galerie. On ne voit pas non plus comment il aurait pu, sans difficultés particulières et sans frais excessifs, capter cette eau souterraine, puisqu'on ignore le chemin qu'elle parcourt à l'intérieur de la montagne. Le recourant n'a pas établi qu'il aurait été en mesure par des moyens ordinaires de prendre possession de cette eau. Son droit de propriété ne saurait dès lors s'étendre aux eaux qui arrivent dans la galerie.
3.
Il résulte de ce qui précède que l'action en constatation de droit du demandeur n'est pas fondée. L'admission éventuelle de ses conclusions pécuniaires étant subordonnée au succès de l'action en constatation de droit, le rejet de celle-ci entraîne le rejet des conclusions pécuniaires.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral:
Rejette le recours et confirme le jugement rendu le 19 janvier 1971 par le Tribunal cantonal valaisan. | public_law | nan | fr | 1,971 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
2fc3b87d-3615-4615-a5d9-9a1e39d346fe | Urteilskopf
126 III 497
87. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 19. Oktober 2000 i.S. X. gegen Y. & Bezirksgerichtsausschuss Unterlandquart (staatsrechtliche Beschwerde) | Regeste
Anhörung der Kinder gemäss
Art. 144 Abs. 2 ZGB
im Verfahren betreffend Erlass vorsorglicher Massnahmen für die Dauer des Scheidungsverfahrens (
Art. 137 ZGB
).
Die Kinder sind bereits im Massnahmeverfahren nach
Art. 137 ZGB
in geeigneter Weise durch den Richter oder durch eine beauftragte Drittperson persönlich anzuhören, soweit nicht ihr Alter oder andere wichtige Gründe dagegen sprechen. | Sachverhalt
ab Seite 498
BGE 126 III 497 S. 498
A.-
Y. und X. heirateten im Jahre 1985. Aus dieser Ehe gingen die Kinder L. (geb. 15. Februar 1986), G. (geb. 24. Februar 1987), F. (geb. 3. April 1989) und T. (geb. 2. März 1991) hervor.
B.-
Nachdem das Scheidungsverfahren am 18. November 1998 eingeleitet worden war, wies der Bezirksgerichtspräsident Unterlandquart am 3. Februar 2000 die Kinder für die Dauer des Verfahrens zur Pflege und Erziehung Y. zu und stellte sie unter deren alleinige Obhut. X. räumte er ein Besuchsrecht ein und verpflichtete ihn zu Unterhaltsbeiträgen für seine Kinder. Die gegen diese Verfügung erhobene Beschwerde von X. wies der Bezirksgerichtsausschuss Unterlandquart mit Beiurteil vom 3. Mai 2000 ab.
C.-
X. führt staatsrechtliche Beschwerde unter anderem wegen Verletzung von
Art. 9 BV
mit dem Antrag, das angefochtene Beiurteil aufzuheben.
Y. sowie der Bezirksgerichtsausschuss Unterlandquart schliessen auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Das Bundesgericht heisst die staatsrechtliche Beschwerde gut und hebt das angefochtene Beiurteil auf.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
4.
a) Nach
Art. 144 Abs. 1 ZGB
sind die Eltern persönlich anzuhören, wenn Anordnungen über die Kinder zu treffen sind. Abs. 2 der genannten Bestimmung sieht vor, dass die Kinder in geeigneter Weise durch das Gericht oder durch eine beauftragte Drittperson persönlich anzuhören sind, soweit nicht ihr Alter oder andere wichtige Gründe dagegen sprechen.
b) Aus dem Wortlaut von Abs. 1 des
Art. 144 ZGB
in Verbindung mit Abs. 2 der Bestimmung lässt sich folgern, dass auch eine persönliche Anhörung der Kinder vorgeschrieben ist, wenn sie betreffende Anordnungen getroffen werden; daraus ergibt sich, dass es sich bereits im Massnahmeverfahren nach
Art. 137 ZGB
von Gesetzes wegen aufdrängt, die Kinder persönlich anzuhören, sofern die im Gesetz umschriebenen Massnahmen verfügt werden. Die hier vertretene Auslegung rechtfertigt sich denn auch im Lichte von Art. 12 Abs. 2 des Übereinkommens vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes (SR 0.107); diese Bestimmung gebietet grundsätzlich eine Anhörung der Kinder, wenn ein Gerichts- oder Verwaltungsverfahren ihre Angelegenheiten betrifft (vgl. dazu auch:
BGE 124 III 90
). In der Literatur wird eine Anhörung bereits im Massnahmeverfahren nach
Art. 137 ZGB
unter anderem aus den
BGE 126 III 497 S. 499
vorgenannten Gründen befürwortet (vgl. insbes. SUTTER/FREIBURGHAUS, Kommentar zum neuen Scheidungsrecht, Zürich 1999, N. 6 zu
Art. 144 ZGB
; SPÜHLER, Neues Scheidungsverfahren, Zürich 1999, S. 30; RUMO-JUNGO, Die Anhörung des Kindes unter besonderer Berücksichtigung verfahrensrechtlicher Fragen, AJP 1999 S. 1587, VII. 2.; etwas nuancierter: SCHWEIGHAUSER, in Schwenzer [Herausg.], Praxiskommentar zum Scheidungsrecht, Basel 2000, N. 18 zu
Art. 144 ZGB
, wonach sich die Anhörung lediglich aufdrängt, wenn die Frage der Zuteilung der Obhut oder des Besuchsrechts strittig ist).
c) Im vorliegenden Fall sind keine Gründe ersichtlich, die im Sinne von
Art. 144 Abs. 2 ZGB
gegen eine solche Anhörung sprechen würden. Dies gilt bezüglich des Alters der Kinder; dabei wird keineswegs übersehen, dass das Jüngste derzeit erst ca. 9 1/2 Jahre alt ist. In dem in
BGE 124 III 93
/94 beschriebenen Fall wurde ein 6-jähriges Kind vor allem wegen des bis dahin fehlenden Kontaktes zum Vater, aber auch wegen anderer wichtiger Gründe nicht persönlich angehört (vgl. hiezu auch RUMO-JUNGO, a.a.O., S. 1581/1582). Ferner besteht auch keine Dringlichkeit, bei der eine Anhörung im Verfahren der vorsorglichen Massnahmen allenfalls unterbleiben könnte (RUMO-JUNGO, a.a.O., S. 1587 Anm. 129). | null | nan | de | 2,000 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
2fc4c46e-187e-457b-a7c8-7a3ac3c3eef2 | Urteilskopf
139 V 1
1. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. K. und O. gegen Ausgleichskasse Luzern (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
9C_678/2012 / 9C_679/2012 vom 30. Januar 2013 | Regeste
Art. 25 Abs. 1 ATSG
;
Art. 2 Abs. 1 lit. a ATSV
; Rückerstattungspflicht der Nachkommen.
Nachkommen, die die letztwillig verfügte Einsetzung eines Universalerben unangefochten liessen, sind keine Erben. Sie haben daher die zuvor durch den Erblasser zu Unrecht bezogenen Sozialversicherungsleistungen nicht zurückzuerstatten (E. 4). | Sachverhalt
ab Seite 2
BGE 139 V 1 S. 2
A.
Die Ausgleichskasse Luzern (nachfolgend: Ausgleichskasse) richtete dem am (...) verstorbenen A. sel., Vater von K. und O., Ergänzungsleistungen zur AHV aus. Das öffentliche Inventar über den Nachlass wies einen Aktivenüberschuss von Fr. 1'681.50 aus. K. und O. akzeptierten die Einsetzung der Lebenspartnerin von A. als Universalerbin, welche die Erbschaft antrat. Nachdem das Teilungsamt Kenntnis von neuen Vermögenswerten erhalten hatte, erstellte es am (...) einen Nachtrag zum Inventar vom (...), der neu einen Aktivenüberschuss von Fr. 257'911.50 auswies. Am 10. August 2006 forderte die Ausgleichskasse verfügungsweise von K. und O. (unter solidarischer Haftung) zu viel bezahlte Ergänzungsleistungen im Betrag von Fr. 20'795.- zurück. Das darauf eingeleitete Einspracheverfahren blieb bis zum Entscheid über eine güter- resp. erbrechtliche Klage betreffend den Nachlass von A. sel. sistiert. Mit Einspracheentscheiden vom 6. Juli 2011 bestätigte die Ausgleichskasse die Rückforderung.
B.
Die von K. und O. dagegen erhobenen Beschwerden wies das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern mit Entscheiden vom 28. Juni 2012 ab. In der Begründung führte es u.a. aus, beide hätten die Erbschaft nicht ausgeschlagen.
C.
K. und O. lassen mit Beschwerden in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten die Aufhebung der Entscheide vom 28. Juni 2012 und der Verfügungen vom 10. August 2006 beantragen.
Die Ausgleichskasse schliesst auf Abweisung der Beschwerden. Das kantonale Gericht und das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichten auf eine Vernehmlassung.
Das Bundesgericht vereinigt die Verfahren und heisst die Beschwerden gut.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
Die Rückforderungsverfügungen vom 10. August 2006 und die Einspracheentscheide vom 6. Juli 2011 haben die sozialversicherungsrechtlichen Rückerstattungsregeln als Rechtsgrundlage.
BGE 139 V 1 S. 3
3.1
Gemäss
Art. 25 ATSG
(SR 830.1), der auch auf Ergänzungsleistungen Anwendung findet (
Art. 2 ATSG
in Verbindung mit
Art. 1 Abs. 1 ELG
[SR 831.30]), sind unrechtmässig bezogene Leistungen zurückzuerstatten. Wer Leistungen in gutem Glauben empfangen hat, muss sie nicht zurückerstatten, wenn eine grosse Härte vorliegt (Abs. 1). Der Rückforderungsanspruch erlischt mit dem Ablauf eines Jahres, nachdem die Versicherungseinrichtung davon Kenntnis erhalten hat, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Jahren nach der Entrichtung der einzelnen Leistung (Abs. 2 Satz 2). Dabei handelt es sich um Verwirkungsfristen (
BGE 138 V 74
E. 4.1 S. 77 mit Hinweisen).
3.2
Rückerstattungspflichtig sind der Bezüger oder die Bezügerin der unrechtmässig gewährten Leistungen und seine oder ihre Erben (
Art. 2 Abs. 1 lit. a ATSV
[SR 830.11]).
4.
4.1
K. und O. sind als Nachkommen des A. sel. gesetzliche Erben (
Art. 457 Abs. 1 ZGB
). Dieser setzte in seinem Testament seine Lebenspartnerin als Alleinerbin ein. Die Beschwerdeführer bestritten in der Folge deren Erbberechtigung nicht. Ebenso steht fest, dass sie - anders als die getrennt lebende Ehefrau und zwei weitere Nachkommen - von einer Herabsetzungsklage (
Art. 522 ff. ZGB
) absahen. Mit anderen Worten akzeptierten die Beschwerdeführer, dass ihnen ihr Vater den Pflichtteil (vgl.
Art. 470 Abs. 1 ZGB
) als Ganzes entzogen hatte.
4.2
Der Erblasser ist befugt, durch Verfügung von Todes wegen einem Erben den Pflichtteil zu entziehen, wenn der Erbe gegen den Erblasser oder gegen eine diesem nahe verbundene Person eine schwere Straftat begangen hat oder wenn er gegenüber dem Erblasser oder einem von dessen Angehörigen die ihm obliegenden familienrechtlichen Pflichten schwer verletzt hat (
Art. 477 ZGB
). Bei fehlender oder ungenügender Angabe oder aber bei Unrichtigkeit des Grundes bzw. wenn der Grund die Enterbung nicht rechtfertigt, kann der Enterbte die Verfügung prinzipiell mittels der Herabsetzungsklage anfechten (
Art. 479 ZGB
;
BGE 86 II 340
E. 1 S. 342;
BGE 85 II 597
E. 3 S. 600; ROUSSIANOS/AUBERSON, in: Commentaire du droit des successions, 2012, N. 4 zu
Art. 479 ZGB
; BALTHASAR BESSENICH, in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, Bd. II, 4. Aufl. 2011, N. 5 zu
Art. 479 ZGB
; ROLAND FANKHAUSER, in: Praxiskommentar Erbrecht, 2. Aufl. 2011, N. 8 zu
Art. 479 ZGB
; TUOR/SCHNYDER/SCHMID/RUMO-JUNGO, Das Schweizerische Zivilgesetzbuch, 13. Aufl.
BGE 139 V 1 S. 4
2009, S. 671 Rz. 65; PETER WEIMAR, Berner Kommentar, 4. Aufl. 2009, N. 9 und 12 zu
Art. 479 ZGB
; PAUL-HENRI STEINAUER, Le droit des successions, 2006, S. 212 Rz. 390; JEAN NICOLAS DRUEY, Grundriss des Erbrechts, 5. Aufl. 2002, S. 70 Rz. 68; ARNOLD ESCHER, Zürcher Kommentar, 3. Aufl. 1959, N. 3 zu
Art. 479 ZGB
). Darüber hinaus bleibt ihm die Herabsetzungsklage verwehrt (insoweit ist Art. 478 Abs. 1 zweiter Satzteil ZGB missverständlich [FANKHAUSER, a.a.O., N. 1 zu
Art. 478 ZGB
]).
Der vollständig Enterbte besitzt keinen Pflichtteilsanspruch, keinen gesetzlichen Erbanspruch und auch keine Erbenstellung. Diese Konsequenz geht unmissverständlich aus der Formulierung von Art. 478 Abs. 1 erster Satzteil ZGB hervor und ergibt sich auch aus der Rechtsprechung (Urteil 5C.81/2003 vom 21. Januar 2004 E. 5.2 mit Hinweisen auf
BGE 115 II 211
E. 4 S. 212;
BGE 110 II 228
E. 7c S. 233;
BGE 104 II 75
E. II 3b/bb S. 84 f.;
BGE 102 II 329
E. 2a S. 333 und
BGE 86 II 340
E. 5 S. 344 sowie auf eine Vielzahl von Autoren).
4.3
In concreto erfolgte keine Enterbung im Rechtssinne. Die Beschwerdeführer wurden einfach übergangen. Im Endeffekt macht es jedoch keinen Unterschied, ob ein gesetzlicher Nachkomme im (handschriftlichen) Testament explizit ohne Grundangabe oder implizit mit der Einsetzung eines alleinigen Erben gänzlich von der Erbschaft ausgeschlossen wird. Es gibt keinen sachlichen Grund, nur im ersten Fall den Verlust der Erbenstellung anzunehmen. Auch der überwiegende Teil der Lehre trifft diesfalls keine Unterscheidung (ANTOINE EIGENMANN, in: Commentaire du droit des successions, 2012, N. 9 zu
Art. 522 ZGB
; FORNI/PIATTI, in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, Bd. II, 4. Aufl. 2011, N. 2 Vorbemerkungen zu
Art. 522-533 ZGB
; FANKHAUSER, a.a.O., N. 1 zu
Art. 478 ZGB
; WEIMAR, a.a.O., N. 15 Vorbemerkungen vor
Art. 470 ZGB
; DRUEY, a.a.O., S. 57 Rz. 12; PAUL PIOTET, in: Schweizerisches Privatrecht, Bd. IV/1, 1978, S. 415, differenziert: der Enterbte ist grundsätzlich in keinem Fall an der Erbschaft beteiligt, während der übergangene Erbe unter der Bedingung von der Erbschaft ausgeschlossen ist, dass die eingesetzten Erben definitiv alle erben). Soweit
BGE 125 III 35
E. 3b/bb S. 40 f. etwas Gegenteiliges entnommen werden kann, vermag dies hier nicht als Massstab zu dienen. Einerseits handelt es sich um ein obiter dictum im Rahmen eines Auslegungsstreits, in welchem es um die Frage nach dem auf einen Nachlass anwendbaren Recht (deutsches oder schweizerisches Recht) ging. Dabei bildete ein öffentliches Testament Ausgangspunkt. Anderseits wurde in der fraglichen
BGE 139 V 1 S. 5
Erwägung ausdrücklich erwähnt, dass die Erbenqualität eines pflichtteilsberechtigten Erben, der mittels Testament von der Erbschaft ausgeschlossen wurde, "kürzlich" (
BGE 104 II 75
E. II 3b/bb und cc S. 84 f.) - wie letztlich auch in
BGE 125 III 35
- offengelassen wurde. Schliesslich blieb
BGE 115 II 211
E. 4 S. 212 vollkommen ausser Betracht, obwohl das Bundesgericht darin unzweideutig erwogen hatte, dass der (ausgeschlossene) pflichtteilberechtigte Erbe die Erbeneigenschaft erst mit dem Herabsetzungsurteil verliehen bekommt. Dies ergibt sich - wie der zitierten Stelle weiter entnommen werden kann - aus der Natur des Herabsetzungsurteils als Gestaltungsurteil, wodurch die Verfügung, die den Pflichtteil verletzt, erst ihre Wirkung verliert (bestätigt in
BGE 138 III 354
E. 5 S. 357 mit weiteren Hinweisen).
4.4
Das Teilungsamt hielt in seinen Schlussbemerkungen zum öffentlichen Inventar vom (...) somit korrekt fest, dass die Beschwerdeführer, da "im jetzigen Zeitpunkt nicht erbberechtigt", keine Erklärungspflicht in Bezug auf den Erwerb der Erbschaft bzw. deren allfällige Ausschlagung treffe. An der mangelnden Erbeneigenschaft ändert der am (...) verfasste Nachtrag zum öffentlichen Inventar nichts, da die Beschwerdeführer weiterhin von einer Testamentsanfechtung resp. Herabsetzungsklage absahen. Im Übrigen wies das Teilungsamt im Begleitschreiben zum Nachtrag erneut darauf hin, dass die Beschwerdeführer "heute keine Erbenstellung" besässen und ohne Gegenbericht innert 20 Tagen davon ausgegangen werde, dass sie stillschweigend auf eine solche verzichteten. Insoweit die Vorinstanz dazu erwog, der Verzicht auf die Erbenstellung sei abschliessend im ZGB geregelt und könne nicht stillschweigend angenommen werden, lässt sie ausser Acht, dass eine Verfügung von Todes wegen weder im Falle eines formellen noch in jenem eines inhaltlichen Mangels eo ipso nichtig ist. Sie besteht zunächst zu Recht, wird aber vom Gericht als ungültig erklärt, falls innerhalb bestimmter Zeit ein daran interessierter Erbe oder Bedachter klagt. Unterbleibt die Erhebung der Ungültigkeits- oder Herabsetzungsklage (
Art. 519 ff. und 522 ff. ZGB
), behält die Verfügung von Todes wegen ihre Wirksamkeit (vgl. E. 4.3 in fine;
BGE 138 III 354
E. 5 S. 357 f.;
BGE 115 II 211
E. 4 S. 212;
BGE 91 II 327
E. 4 S. 332;
BGE 86 II 340
E. 5 S. 344; DANIEL STAEHELIN, in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, Bd. II, 4. Aufl. 2011, N. 4 zu
Art. 470 ZGB
). Wird eine allfällige Herabsetzungsklage gutgeheissen, verschafft dies lediglich dem klagenden Pflichtteilserben die Erbenstellung (
BGE 115 II 211
E. 4 S. 212; STAEHELIN, a.a.O.).
BGE 139 V 1 S. 6
4.5
Nach dem Gesagten verfügen die Beschwerdeführer über keine Erbenqualität. Sie sind daher für die durch ihren Vater unrechtmässig bezogenen Ergänzungsleistungen nicht rückerstattungspflichtig (vgl. E. 3.2). | null | nan | de | 2,013 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
2fc6c991-b6d1-4b66-9114-f2647fd8824a | Urteilskopf
105 IV 106
29. Arrêt de la Cour de cassation pénale du 21 juin 1979 dans la cause Ministère public du canton de Neuchâtel contre F. (pourvoi en nullité) | Regeste
Art. 159 StGB
, ungetreue Geschäftsführung.
Diese Bestimmung ist auf jedes Mitglied eines kollektiven Geschäftsführungsorgans anwendbar, das allein oder mit andern Mitgliedern ungetreue Geschäftsführung begeht. Das gilt auch für Strohmänner (Erw. 2). | Sachverhalt
ab Seite 107
BGE 105 IV 106 S. 107
A.-
F. a été au service de la Fabrique d'horlogerie G. S.A. de 1953 à fin avril 1974, successivement en qualité d'employé, de fondé de pouvoirs puis de directeur administratif et de membre du conseil d'administration. G. S.A. a été déclarée en faillite le 23 décembre 1975. Le découvert a dépassé 3 millions de francs.
G. S.A. possédait une caisse de prévoyance constituée sous la forme d'une fondation au sens des art. 80 ss. CC. F. était membre du conseil de fondation en qualité de secrétaire; il y a même représenté le personnel.
La fondation détenait le capital d'une S.I. propriétaire d'un immeuble. Cet immeuble a été vendu à la fondation le 17 décembre 1973. En octobre 1973, une cédule hypothécaire de 250'000 fr. grevant cet immeuble avait été remise par la S.I. à la Banque populaire suisse, en garantie d'un crédit accordé à G. S.A. En mars 1974, la fondation a repris à son compte la dette résultant de ce crédit de 250'000 fr. Elle a aussi pris à sa charge le déficit d'exploitation du réfectoire de G. S.A. pour les années 1970 à 1973 et l'a fait figurer dans ses comptes pour 168'334 fr.
F. a participé à ces opérations.
B.-
Le 20 décembre 1978, le Tribunal correctionnel du district de Neuchâtel a condamné F., pour gestion déloyale au sens de l'
art. 159 CP
, à un mois d'emprisonnement avec sursis pendant 2 ans.
La Cour de cassation pénale du canton de Neuchâtel a admis le 14 mars 1979 le pourvoi interjeté par F. Elle a cassé le jugement du Tribunal correctionnel et prononcé l'acquittement.
C.-
Le Procureur général du canton de Neuchâtel se pourvoit en nullité au Tribunal fédéral.
F. conclut au rejet du pourvoi.
BGE 105 IV 106 S. 108
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
a) Contrairement aux premiers juges qui avaient estimé que l'intimé, en sa qualité de secrétaire du conseil de la Caisse de prévoyance, avait le droit et le devoir d'en gérer les biens et assumait l'obligation de veiller à la conservation matérielle du patrimoine de la fondation, la Cour de cassation cantonale a considéré que l'intimé ne s'était pas trouvé en position de gérant autonome des biens de la fondation, au sens de la jurisprudence. Considérant que dans ces conditions il n'était pas possible de faire application de l'
art. 159 CP
, elle a cassé le jugement, sans même examiner d'autres moyens libératoires avancés par l'intimé.
L'autorité cantonale a justifié son refus de considérer que l'intimé ait eu la position d'un gérant en relevant que le fait d'appartenir à un conseil de fondation ou, par exemple, au conseil d'administration d'une S.A., ne signifie pas que l'on ait la qualité d'un gérant autonome. Citant la jurisprudence selon laquelle l'
art. 159 CP
est applicable aux personnes qui dirigent réellement l'entreprise et qui s'abritent derrière le paravent d'hommes de paille portant le titre de membres du conseil d'administration ou de directeurs, elle a estimé que le membre du conseil administratif d'une société et, par analogie, celui d'un conseil de fondation, qui ne dispose en réalité d'aucun pouvoir autonome de gestion, ne saurait encourir de responsabilité pénale au sens de l'
art. 159 CP
. Dans le cas d'espèce, la Cour cantonale a constaté que ni le premier jugement ni le dossier ne permettaient de considérer comme établi que la position de F. au sein du conseil de fondation ait été autre que celle qui était la sienne au conseil d'administration et à la direction de G. S.A., c'est-à-dire celle d'un administrateur-directeur dont les pouvoirs sont restreints à l'exécution des décisions prises par le ou les administrateurs dirigeants. Au contraire, l'hypothèse selon laquelle l'intimé aurait été investi de davantage de pouvoirs au sein du conseil de fondation se heurterait au fait que dans ce conseil, comme dans le conseil d'administration et à la direction de G. S.A., il se trouvait confronté aux mêmes personnes, soit aux membres les plus marquants et les plus autoritaires de la famille G. propriétaire de l'entreprise, et qu'en raison des lacunes de sa formation juridique et financière
BGE 105 IV 106 S. 109
il était réduit à jouer un rôle de sous-ordre, d'exécutant et de secrétaire, tout juste bon à donner pour la forme sa signature conjointement avec celle du président. De surcroît, il exerçait ces activités en vertu d'un contrat de travail et non d'un mandat. Il n'aurait dès lors pas réellement eu la position d'un gérant autonome des biens de la fondation, au sens de la jurisprudence.
b) Le procureur recourant critique cette manière de voir et fait valoir que si l'administrateur de fait est bien punissable au même titre que l'administrateur de droit, il est erroné d'en déduire qu'un administrateur de fait et de droit, membre du conseil d'administration, n'encourt pas de responsabilité pénale faute d'avoir disposé d'un pouvoir autonome de gestion. Certes, la responsabilité pénale est-elle limitée aux administrateurs de fait et de droit qui, en fait, ont agi. Mais c'est précisément le cas de l'intimé, puisqu'il est intervenu ès qualités dans les opérations qui lui sont reprochées; et il importe peu qu'il ait éventuellement agi sous l'influence des membres autoritaires de la famille G. Si la notion de gérant suppose bien un pouvoir indépendant et autonome de gestion, cette qualité ne saurait être déniée au membre d'un conseil d'administration pour le motif qu'il ne dispose que d'une voix dans les décisions prises par le conseil. Le membre d'un conseil d'administration n'est certes pas un gérant autonome puisqu'il ne dispose que d'une voix, mais il participe en cette qualité à l'exercice d'un pouvoir autonome et indépendant.
2.
Selon l'
art. 159 CP
, se rend coupable de gestion déloyale celui qui, tenu par une obligation légale ou contractuelle de veiller sur les intérêts pécuniaires d'autrui, y aura porté atteinte. Cette définition s'applique, dans le cadre de la gestion des personnes morales, à l'organe d'administration, auquel incombent la direction effective des affaires internes en vue de l'accomplissement du but social et la représentation de la personne morale face aux tiers (
ATF 100 IV 113
consid. 4;
ATF 97 IV 13
consid. 2). Tel est le cas notamment de l'organe chargé de représenter, d'administrer et de diriger une fondation au sens des art. 80 ss. CC. Un tel organe est tenu, par une obligation découlant de la loi, d'administrer fidèlement et correctement le patrimoine de la fondation, conformément au but de celle-ci (cf. RIEMER, ZGB, Berner Kommentar, Die Stiftungen, n. 5 et 18 ad art. 83, p. 480, 490); il se trouve ainsi nécessairement en
BGE 105 IV 106 S. 110
position de gérant de la fondation et jouit d'un pouvoir de disposition autonome sur les biens qu'il administre.
Lorsque, comme en l'espèce, l'organe est composé de plusieurs personnes, celles-ci jouissent collectivement du pouvoir de gestion autonome propre à l'organe dont elles font partie. Si l'un des membres de cet organe, seul ou avec d'autres, accomplit dans l'exercice de ce pouvoir l'un des actes constitutifs de l'infraction de l'
art. 159 CP
, il tombe sous le coup de cette disposition. Il n'y a aucune raison en effet de considérer que seul celui qui jouit individuellement d'un pouvoir de disposition autonome peut tomber sous le coup de l'
art. 159 CP
, à l'exclusion de ceux qui disposent du même pouvoir collectivement.
En l'espèce, l'intimé était membre de l'organe administratif de la fondation, c'est-à-dire du conseil de fondation qui gérait celle-ci et disposait d'un pouvoir de disposition autonome sur son patrimoine. Il tombe dès lors sous le coup de l'
art. 159 CP
si, en cette qualité, il a participé à des actes constitutifs de l'infraction visée par cette disposition.
Contrairement à l'avis de la Cour cantonale, il importe peu, s'agissant de décider si l'
art. 159 CP
est applicable, de savoir si l'intimé a fait ou n'a pas fait qu'exécuter les décisions prises par d'autres membres du conseil de fondation, en se pliant aveuglément à leurs directives. En droit, sa position au conseil était égale à celle des autres, et il participait comme les autres au pouvoir de gestion et d'administration de la fondation. Qu'il n'ait pas, en réalité, exercé sa fonction comme il pouvait et devait le faire en droit, n'enlève rien à sa qualité de participant à la gestion.
La jurisprudence a certes posé que l'
art. 159 CP
pouvait s'appliquer à l'égard de toutes les personnes qui gèrent effectivement une société même si elles utilisent comme hommes de paille les membres du conseil d'administration, les directeurs ou les fondés de pouvoirs (
ATF 97 IV 14
). Mais cela n'emporte nullement que les hommes de paille seront en conséquence exonérés de toute responsabilité dans le cadre de l'
art. 159 CP
. Celui qui, en droit, assume des obligations, doit en répondre et ne peut dégager sa responsabilité qu'en se démettant de ses fonctions. Il ne peut invoquer à décharge sa dépendance à l'égard d'autres responsables, fussent-ils ses employeurs. Il a en effet le choix entre le respect de ses obligations légales et celui
BGE 105 IV 106 S. 111
des directives des personnes auxquelles il se considère comme soumis (cf.
ATF 96 IV 79
). Si, comme l'intimé en l'espèce, il opte pour la seconde solution, il doit en supporter les conséquences sur le plan pénal. Retenir une autre solution reviendrait à exonérer d'avance de toute responsabilité les employés membres d'un conseil d'administration et à enlever toute substance à la position que, notamment dans les fondations (
art. 89bis al. 3 CC
), ils doivent occuper et assumer.
Le pourvoi doit donc être admis et la cause renvoyée à l'autorité cantonale pour nouvelle décision. L'intimé devra être condamné pour gestion déloyale, pour autant qu'après examen des autres moyens qu'il a développés en instance cantonale et qui n'ont pas été examinés, il apparaisse que les éléments constitutifs de cette infraction sont réunis à sa charge.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral:
1. Admet le pourvoi.
2. Annule l'arrêt attaqué et renvoie la cause à l'autorité cantonale pour nouvelle décision dans le sens des considérants. | null | nan | fr | 1,979 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
2fc72f42-59c5-4082-a519-d0ceb42b72f4 | Urteilskopf
97 IV 210
37. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 9. Juli 1971 i.S. Funk und Konsorten gegen Schweizerische Bundesanwaltschaft. | Regeste
Art. 110 Ziff. 5 und 253 StGB
, Art. 52 ff. BG über die Luftfahrt vom 21. Dezember 1948.
Erschleichung einer falschen Eintragung in das schweizerische Luftfahrzeugregister. | Sachverhalt
ab Seite 210
BGE 97 IV 210 S. 210
A.-
1) Der Kaufmann Edwin Ott führte im Jahre 1962 aus den USA ein fabrikneues Flugzeug Mooney Mark 21 Typ 20 in die Schweiz ein. Am 16. Januar 1963 wurde er als dessen Eigentümer und Halter im schweizerischen Luftfahrzeugregister eingetragen; dem Flugzeug wurde das Kennzeichen HB-DEB zugeteilt.
BGE 97 IV 210 S. 211
Am 19. Februar 1964 schloss Ott mit dem in Essen wohnhaften deutschen Staatsangehörigen Herbert Dinkheller einen Kaufvertrag ab. Danach sollte intern Dinkheller das Flugzeug für Fr. 95'000.-- zu Eigentum erwerben, wobei eine nicht ernstgemeinte Klausel bis zur Bezahlung des vollen Kaufpreises der Firma Ott das Eigentum vorbehielt. Nach aussen sollte dagegen Ott weiterhin als Eigentümer erscheinen und Dinkheller als Halter auftreten. Ott und Dinkheller wollten auf diese Weise erreichen, dass das Flugzeug im schweizerischen Luftfahrzeugregister eingetragen blieb. Auf eine von den beiden unterzeichnete Anmeldung hin trug der Registerführer Dinkheller als neuen Halter ein.
2) Am 16. Juni 1965 verkaufte Dinkheller das Flugzeug an die Bölkow-Werke in München, bzw. gab es an Zahlung gegen ein neues. Er erklärte, er sei Eigentümer des Flugzeugs, und es bestünden an diesem keine Drittrechte. Die Firma Bölkow wandte sich an den fiktiven Eigentümer Ott zur Bereinigung der Eintragung, doch weigerte sich dieser, sich als Eigentümer löschen zu lassen, weil Dinkheller angeblich seinen finanziellen Verpflichtungen nicht nachgekommen sei. Daraufhin nahm die Firma Bölkow an, Ott sei tatsächlich noch Eigentümer und bot Hand zu einer Änderung im Register, die lediglich einen Halterwechsel von Dinkheller auf die Firma Bölkow betraf. Ott und Dinkheller wussten hingegen auch mbezug auf diesen neuen Eintrag, dass Ott gar nicht mehr Eigentümer des Flugzeugs war.
3) Am 16. März 1966 übertrug die Firma Bölkow dieses an den in Konstanz wohnhaften staatenlosen Robert Mihaljevic. Das Flugzeug trug immer noch das Kennzeichen HB-DEB und war im schweizerischen Luftfahrzeugregister als Eigentum des Ott eingetragen. Mitte August 1966 ersuchte Mihaljevic das eidg. Luftamt, ihn als Eigentümer im Register einzutragen. Das Gesuch wurde abgewiesen, weil Flugzeuge in der Schweiz nur eingetragen werden bzw. bleiben können, wenn der Eigentümer Schweizer oder ein seit längerer Zeit in der Schweiz lebender Ausländer ist, und Mihaljevic diese Voraussetzung nicht erfüllte.
Mihaljevic wandte sich daher an den Schweizer Piloten Peter Funk mit dem Ansinnen, dieser solle als sein Strohmann sich als Flugzeugeigentümer eintragen lassen. Funk war einverstanden. Die beiden erstellten unter dem Datum des 22. August 1966 eine fingierte Rechnung über Fr. 70'000.--, welche sie mit einem Eintragungsgesuch dem eidg. Luftamt vorlegten. Dieses
BGE 97 IV 210 S. 212
lehnte indessen ab, Funk als Eigentümer einzutragen. Es erklärte, Funk habe sein Eigentum nicht glaubhaft gemacht, und verlangte zumindest noch den Kaufvertrag. Daraufhin erstellten Funk und Mihaljevic einen auf den 20. August 1966 zurückdatierten fingierten Kaufvertrag und übermittelten ihn dem eidg. Luftamt. Am 29. August 1966 wurden Mihaljevic als Halter und Funk als Eigentümer des Flugzeugs im Luftfahrzeugregister eingetragen.
B.-
Das eidg. Luftamt erhob wegen dieser Machenschaften Strafanzeige wegen Urkundenfälschung im Sinne von
Art. 251 Ziff. 1 Abs. 1 und 2 StGB
und Erschleichung einer Falschbeurkundung im Sinne von
Art. 253 Abs. 1 StGB
gegen Ott und Dinkheller einerseits, gegen Funk und Mihaljevic anderseits, sowie gegen die Verantwortlichen der Firma Bölkow.
Gegen die letzteren wurde das Verfahren eingestellt mit der Begründung, es könne nicht nachgewiesen werden, dass sie böswillig gehandelt hätten.
Die vier übrigen Angeklagten wurden am 13. Februar 1969 vom Bezirksgericht Zürich freigesprochen.
C.-
Auf Berufung der schweizerischen Bundesanwaltschaft gegen das bezirksgerichtliche Urteil sprach das Obergericht des Kantons Zürich am 7. Juli 1970 in zwei getrennten Urteilen alle vier Angeklagten der Erschleichung einer falschen Beurkundung gemäss
Art. 253 Abs. 1 StGB
(inbezug auf den Eintrag in das Luftfahrzeugregister), Funk und Mihaljevic ausserdem der Urkundenfälschung im Sinne von
Art. 251 Ziff. 1 Abs. 1 und 2 StGB
schuldig (inbezug auf den fingierten Kaufvertrag vom 20. August 1966). Ott, Funk und Mihaljevic verurteilte es zu je 8 und Dinkheller zu 5 Tagen Gefängnis; allen Verurteilten gewährte es den bedingten Strafvollzug.
D.-
Die vier Verurteilten führen Nichtigkeitsbeschwerde. Sie beantragen, die beiden bisher getrennt geführten Verfahren seien zu vereinigen, die Urteile vom 7. Juli 1970 aufzuheben und die Sache sei zur Freisprechung an das Obergericht des Kantons Zürich zurückzuweisen.
E.-
Mit Entscheid vom 9. Dezember 1970 wies das Kassationsgericht des Kantons Zürich die von den Verurteilten gegen die obergerichtlichen Urteile erhobenen Kassationsbeschwerden ab, soweit es auf diese eintrat.
Gegen das Urteil des Kassationsgerichtes führen die Verurteilten staatsrechtliche Beschwerde. Auf ihren Antrag hin hat
BGE 97 IV 210 S. 213
der Präsident der staatsrechtlichen Kammer für Beschwerden wegen Verletzung von
Art. 4 BV
verfügt, dass das Verfahren vor dem Staatsgerichtshof bis zum Entscheid des Kassationshofes über die Nichtigkeitsbeschwerde ruhe.
F.-
Die Bundesanwaltschaft beantragt, die Nichtigkeitsbeschwerden seien abzuweisen. Zum formellen Antrag nimmt sie nicht Stellung.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1.
(Prozessuales).
2.
Der Erschleichung einer falschen Beurkundung nach
Art. 253 StGB
macht sich schuldig, wer durch Täuschung bewirkt, dass ein Beamter oder eine Person öffentlichen Glaubens eine rechtserhebliche Tatsache unrichtig beurkundet, namentlich eine falsche Unterschrift oder eine unrichtige Abschrift beglaubigt.
Die Beschwerdeführer bestreiten nicht, dass der Registerführer Beamter ist. Dagegen machen sie geltend, die Vorinstanz habe deshalb Bundesrecht verletzt, weil der Eintrag im Luftfahrzeugregister Urkundencharakter nur hinsichtlich der Personalien desjenigen besitze, der sich in der Anmeldung als Eigentümer ausgegeben habe, nicht aber inbezug auf das materielle Eigentumsrecht selbst. Dem Eintrag komme für das Eigentum weder Beweiseignung noch Beweisbestimmung zu. Wer eine unrichtige Person als Eigentümer bezeichne und damit einen materiell unrichtigen Eintrag erwirke, erschleiche keine Falschbeurkundung. Im übrigen seien die Eintragungen gar nicht unrichtig gewesen, denn die als Eigentümer eingetragenen Personen hätten jedenfalls fiduziarisches Eigentum behalten bzw. erworben.
3.
a) Indem
Art. 253 StGB
im Randtitel von der Erschleichung einer falschen Beurkundung und im Wortlaut davon spricht, dass ein Beamter eine Tatsache unrichtig beurkundet bzw. dass der Täter eine erschlichene Urkunde gebraucht, nimmt die Bestimmung Bezug auf den in
Art. 110 Ziff. 5 StGB
umschriebenen Urkundenbegriff. Die Annahme des objektiven Tatbestands gemäss
Art. 253 StGB
setzt daher voraus, dass die fragliche Schrift bestimmt oder geeignet ist, eine Tatsache von rechtlicher Bedeutung zu beweisen. Nicht erforderlich ist, dass der Urkunde erhöhte Beweiskraft zukommt (
BGE 81 IV 243
). Es genügt, dass sie sich im Zusammenwirken mit andern Mitteln
BGE 97 IV 210 S. 214
dazu eignet, eine Tatsache zu beweisen (HAEFLIGER, Probleme der Falschbeurkundung, ZStR 1959, S. 404). So kommt z.B. dem Kontrollstreifen einer Registrierkasse Urkundencharakter zu, weil wegen der Buchführungspflicht des Geschäftsinhabers vermutet wird, der Kassastreifen gebe wahrheitsgemäss und lückenlos Aufschluss, und zwar unabhängig davon, ob er allein oder zusammen mit andern Unterlagen zum Beweis taugt (
BGE 91 IV 7
). Anderseits genügt nicht jede in einem öffentlichen Register veranlasste Falscheintragung zur Annahme einer Urkundenerschleichung. Kommt der Eintragung keine Beweiseignung oder - bestimmung zu, so handelt es sich bloss um eine schriftliche Lüge, die zur Anwendung von
Art. 253 StGB
nicht ausreicht.
b) Das Obergericht nimmt zur Frage der Beweiseignung und Beweisbestimmung des Luftfahrzeugregisters ausführlich Stellung. Es verkennt nicht, dass die Bedeutung des Registers - im Gegensatz zum Luftfahrzeugbuch - nicht darin besteht, Beweis über Eigentum oder andere dingliche Rechte an Luftfahrzeugen in Verhältnis einzelner Ansprecher zu schaffen. Vielmehr bewirkt der Eintrag, dass das im Register eingetragene Luftfahrzeug als schweizerisch gilt (Art. 55 Bundesgesetz über die Luftfahrt vom 21. Dezember 1948, LFG), mit der Folge, dass mit Bezug auf dieses Luftfahrzeug auch ausserhalb schweizerischen Hoheitsgebietes schweizerische Rechtsregeln Anwendung finden können (
Art. 97 ff. LFG
) und dass es auch im internationalen Verkehr als schweizerischer Nationalität anerkannt wird (Art. 17 ff. Abkommen über die internationale Zivilluftfahrt, abgeschlossen in Chicago am 7. Dezember 1944). Mit Bezug auf das öffentliche Recht kommt damit dem Eintrag des Eigentums im Luftfahrzeugregister Beweisfunktion zu, denn die Eigentumsverhältnisse sind für den Eintrag gemäss
Art. 52 ff. LFG
ausschlaggebend. So ist Voraussetzung des Eintrags u.a., dass ein Luftfahrzeug im Eigentum einer schweizerischen natürlichen oder juristischen Person steht (
Art. 52 und 53 LFG
) oder dass es Eigentum eines Ausländers ist, der sich seit längerer Zeit in der Schweiz aufhält, und ausserdem in der Regel von der Schweiz aus benützt werden soll (
Art. 54 lit. a LFG
; s. die in
Art. 54 lit. b LFG
genannten Ausnahmen). Art. 5 Abs. 1 der Vollziehungsverordnung vom 5. Juni 1950 zum LFG verpflichtet den Eigentümer, sein Luftfahrzeug zur Eintragung ins Luftfahrzeugregister anzumelden. Dabei ist durch Belege der Erwerb des
BGE 97 IV 210 S. 215
Eigentums glaubhaft zu machen. Ist das Luftfahrzeug einmal im Register eingetragen, so liegt darin für jedermann der Beweis, dass der Registerführer die Voraussetzungen des Eintrags geprüft und deren Vorliegen festgestellt hat. Das schliesst in sich, dass der Registerführer das behauptete Eigentumsrecht des Anmeldenden geprüft hat. Wenn hierüber auch nicht ein voller Beweis verlangt wird, so setzt der Registereintrag jedenfalls voraus, dass die Behauptung des Anmeldenden glaubhaft gemacht wurde, d.h. zumindest als wahrscheinlich richtig erscheint.
c) Wenn die Beschwerdeführer hiegegen einwenden, das Register erschöpfe sich in einer bloss formellen Eintragung, ohne etwas über deren Wahrheitsgehalt auszusagen, so irren sie. Das Register gibt nicht nur Auskunft darüber, welche Angaben bei der Anmeldung über den Eigentümer gemacht wurden, sondern es erbringt der Eintrag auch Beweis dafür, dass der Registerführer sich vergewissert hat, das die Angaben über das Eigentum glaubhaft waren. Der vorliegende Fall zeigt, dass an diese Glaubhaftmachung strenge Massstäbe angelegt werden. Denn die blosse Anmeldung genügte nicht, und auch gewisse Urkunden, für deren Richtigkeit an sich ein hoher Grad der Wahrscheinlichkeit sprach, reichten mit den Angaben der Gesuchsteller zusammen nicht aus, um den Registerführer zur Eintragung zu veranlassen.
4.
a) Was das Vorbringen anbelangt, Ott bzw. Funk seien fiduziarische Eigentümer gewesen, so kann offen bleiben, ob aus prozessualen Gründen überhaupt auf dieses Vorbringen einzutreten sei, da es sich jedenfalls materiell als unbegründet erweist.
Dem schweizerischen Recht ist das Institut der Treuhandschaft und des fiduziarischen Eigentums nicht fremd. Wo der Fiduziant das Eigentum treuhänderisch einem Fiduziar überträgt oder es dem letzteren, z.B. bei einem Kaufgeschäft, belässt, wird bzw. bleibt der Fiduziar im Aussenverhältnis Eigentümer; er hat jedoch sein Eigentum nach den Weisungen und im Interesse des Fiduzianten auszuüben. Der Treuhandvertrag ist von beiden Seiten gewollt und rechtlich verbindlich.
Anders verhält es sich beim simulierten Vertrag, auf Grund dessen der angebliche Eigentümer in Tat und Wahrheit kein Eigentum erwirbt, sondern sich bloss zum Schein als Eigentümer ausgibt. Der Inhalt des simulierten Vertrags ist nicht
BGE 97 IV 210 S. 216
gewollt. Der Vertrag soll bloss dazu dienen, gegenüber Dritten den Schein eines Rechtsgeschäftes zu erwecken; er ist nichtig (
BGE 71 II 99
).
Indem die Beschwerdeführer von Strohmännern sprechen, verwischen sie den Unterschied zwischen Treuhandvertrag und simuliertem Geschäft. Der Strohmann kann fiduziarischer Eigentümer sein, muss dies aber nicht. Tritt er nicht auf Grund einer vertraglich vereinbarten ernstgemeinten Eigentumsübertragung oder - belassung auf, sondern auf Grund nur simulierter Abmachungen, so kommt ihm jedenfalls keine Eigentümerstellung zu. Gibt er sich dennoch als Eigentümer aus und bewirkt er auf diese Weise einen Eintrag im Luftfahrzeugregister, so beruht diese Eintragung auf Täuschung.
b) In den beiden kantonalen Verfahren haben Ott und Dinkheller behauptet, das Eigentum sei deshalb bei Ott geblieben, weil dieser das Flugzeug unter Eigentumsvorbehalt veräussert habe. Diese Darstellung verwirft das Obergericht. Ott und Dinkheller legten darüber hinaus nicht dar, dass eine übereinstimmende Willensäusserung vorlag, die erlauben würde, auf einen Treuhandvertrag zu schliessen. Das letztere gilt sinngemäss auch für das Verhältnis zwischen Funk und Mihaljevic. Die Vorinstanz stellt hier verbindlich fest, dass der Vertrag zwischen Funk und Mihaljevic nur zum Schein abgeschlossen worden sei und der Täuschung diente. Weder Ott noch Funk sollten also im eigenen Namen, jedoch im fremden Interesse das Eigentum am Flugzeug ausüben; sie sollten einzig als fiktive Eigentümer auftreten, um die Eintragung im schweizerischen Luftfahrzeugregister zu ermöglichen. Mit Treuhandgeschäften haben diese Machenschaften nichts zu tun.
c) Damit kann offen bleiben, ob es zulässig wäre, an Stelle des wirklichen Eigentümers einen Fiduziar im schweizerischen Luftfahrzeugregister als Eigentümer einzutragen.
5.
Funk und Mihaljevic wurden schliesslich auch in Anwendung von
Art. 251 Ziff. 1 Abs. 1 und 2 StGB
wegen Urkundenfälschung bestraft, weil sie einen auf den 20. August 1966 zurückdatierten simulierten Vertrag erstellt und verwendet hatten. Sie sprechen diesem Kaufvertrag jede Urkundenqualität ab; ein so kurz gefasster Vertrag sei dem kostbaren Kaufgegenstand nicht angepasst und eigne sich deshalb offensichtlich nicht zum Nachweis eines wirklichen Kaufgeschäftes. Die Eigentumsübertragung werde dadurch nicht erwiesen. Der
BGE 97 IV 210 S. 217
Registerführer habe aus der Vorlage von Kaufvertrag und Quittung schliessen müssen, es handle sich um ein Treuhandgeschäft. Zudem sei der Vertrag gar nicht als Beweismittel bestimmt gewesen, sondern habe nur der Erledigung einer Formalität gedient.
Diese Einwendungen grenzen an Trölerei, hat doch die Einfachheit oder Kompliziertheit von schriftlich ausgefertigten Verträgen mit der Bedeutung des Vertragsobjekts nichts zu tun. Häufig werden einfache Mietverträge weitschweifig und umständlich formuliert, während anderseits oft für Millionengeschäfte keine schriftlichen Verträge abgeschlossen oder, z.B. bei Börsengeschäften, äusserst knapp gehalten werden. Wäre zwischen den Parteien ein echter Treuhandvertrag abgeschlossen worden, so hätte dieser jedenfalls weniger einfach abgefasst werden müssen als ein gewöhnlicher Kaufvertrag. Die Kürze des von den Parteien unterzeichneten Vertrages deutet also nicht auf ein fiduziarisches Geschäft. Überdies schloss dessen Inhalt eine bloss treuhänderische Eigentumsübertragung aus, wie die Vorinstanz zutreffend feststellt.
Die Beweisbestimmung aber war gegeben. Der simulierte Vertrag wurde nur erstellt, weil die Eintragung von Funk als angeblichem Eigentümer des Flugzeugs gestützt auf die Anmeldung und die fingierte Rechnung misslungen war und der Registerführer die Vorlage des Kaufvertrages verlangt hatte. Dass mit einem Kaufvertrag allein der Eigentumsübergang nicht bewiesen werden kann, ist bedeutungslos. Zusammen mit der Rechnung und den in der Anmeldung enthaltenen Angaben war er geeignet, den behaupteten Eigentumserwerb durch Funk glaubhaft zu machen. Die Angelegenheit war für Funk und Mihaljevic so wichtig, dass sie vor der Erstellung und dem Gebrauch gefälschter Schriftstücke nicht zurückschreckten. Auch für sie bedeutete die Vorlage des Kaufvertrages keinesfalls bloss eine Formalität.
Belanglos ist der Umstand, dass der Registerführer inbezug auf den Kaufvertrag misstrauisch wurde und, wie die betroffenen Beschwerdeführer behaupten, Weisungen des Rechtsdienstes einholte. Die Annahme der Urkundenfälschung im Sinne von
Art. 251 Ziff. 1 StGB
setzt bloss voraus, dass der Täter um eines unrechtmässigen Vorteils willen (hier die Eintragung im schweizerischen Luftfahrzeugregister) eine Urkunde fälscht, bzw. eine gefälschte Urkunde zur Täuschung verwendet,
BGE 97 IV 210 S. 218
nicht auch, dass der angestrebte Erfolg eintrete. Abgesehen hievon erreichten sie schliesslich den Eintrag.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden abgewiesen. | null | nan | de | 1,971 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
2fc77219-a172-46a8-8054-b15ce17d4a8a | Urteilskopf
85 II 131
23. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour civile du 28 avril 1959 dans la cause Fabrique suisse de ressorts d'horlogerie SA contre Hausheer et Nerfos S.à r.l. | Regeste
Erfindungspatente.
1. Anforderungen an den Patentanspruch, insbesondere bei Kombinationserfindungen (Erw. 2 und 3).
2. Begriffsmerkmale der Erfindung:
a) Die Erfindung muss auf einer schöpferischen Idee beruhen, die nicht schon für jeden gutausgebildeten Fachmann nahelag (Erw. 4 a aa).
b) Die Erfindung muss einen klar erkennbaren technischen Fortschritt verwirklichen; dieser braucht jedoch nicht ein wesentlicher zu sein (Änderung der Rechtsprechung) (Erw. 4 a bb).
3.
Art. 67 Abs. 1 OG
verpflichtet das Bundesgericht nicht, beantragte neue Beweismassnahmen anzuordnen (Erw. 4 b aa). | Sachverhalt
ab Seite 132
BGE 85 II 131 S. 132
A.-
Dans l'horlogerie, le barillet est un logement circulaire à l'intérieur duquel est placé un ressort spiral enroulé autour d'un axe (bonde). En se détendant, le ressort, par sa spire externe, imprime un mouvement de rotation au barillet et celui-ci, par sa paroi extérieure dentée, transmet ce mouvement aux autres organes de la montre.
Lorsque la montre se remonte automatiquement, il est nécessaire de prévoir un dispositif pour éviter une tension excessive, qui provoquerait la rupture du ressort.
Dès 1938, la Manufacture des montres Rolex a construit à cette fin un ressort renforcé par une lame flexible insérée entre la spire extérieure et la spire précédente et fixée à l'extrémité du ressort par un rivet dont la tête fait légèrement saillie sur la face externe de la dernière spire. Ce ressort est placé dans un barillet dont le tambour porte trois petites encoches sur sa face intérieure. La tête du rivet se loge dans une encoche pour entraîner le barillet. Lorsque le ressort est trop tendu, elle saute dans l'encoche suivante, et le désarme ainsi partiellement.
En 1943, Perrin & Co a fait enregistrer un brevet pour un ressort construit selon un système différent (brevet no 228 985). Ce ressort est muni d'une "bride glissante", insérée entre la spire extérieure et le tambour du barillet et fixée à l'extrémité du ressort par un rivet qui ne dépasse pas l'épaisseur des deux lames. Ce ressort est logé dans un barillet à paroi lisse et l'entraîne par friction. Quand il est trop tendu, la bride glisse sur la paroi du barillet, ce qui le désarme dans la mesure nécessaire.
BGE 85 II 131 S. 133
B.-
Le 7 juin 1948, la Fabrique suisse de ressorts d'horlogerie SA a déposé une demande de brevet relative à un "ressort moteur pour mouvements d'horlogerie" (ressort dit Sirius). Cette requête contenait la revendication suivante:
"Ressort moteur pour mouvements d'horlogerie, destiné à être logé, enroulé en spirale, dans un tambour de barillet à paroi lisse et à entraîner en rotation ledit tambour par frottement, au moyen de sa spire terminale extérieure, caractérisé en ce qu'il est renforcé par une lame flexible insérée entre sa spire terminale extérieure et la spire précédente, cette lame étant fixée à l'extrémité de ladite spire terminale."
Trois sous-revendications concernaient la fixation et la longueur de la lame flexible.
Dans cette construction, le désarmage du ressort se fait par glissement de la spire terminale sur la paroi du barillet. Selon la description, "la lame a pour fonction de réagir élastiquement sur la spire terminale pendant l'armage et le désarmage du ressort moteur, de façon à exercer sur cette spire un effet correcteur s'opposant au décentrage des spires du ressort moteur, dans le but de diminuer les pertes par frottement entre ces spires, et, d'autre part, d'augmenter la pression de la spire terminale contre la paroi du tambour et, partant, d'assurer un bon entraînement dudit tambour sans l'aide d'une bride ou autre organe d'accrochage".
Le brevet demandé par la Fabrique suisse de ressorts d'horlogerie SA a été enregistré le 15 novembre 1950, sous le numéro 271 693.
C.-
En 1954 et 1955, Hermann Hausheer a obtenu deux brevets (nos 303 345 et 305 163) pour un ressort moteur de mouvement d'horlogerie logé dans un barillet à paroi lisse et comprenant deux lames superposées fixées à l'extrémité extérieure du ressort et insérées entre la spire extérieure et la spire précédente.
Hausheer a octroyé une licence sur ces brevets à Nerfos S. à r. 1., qui les exploite actuellement.
BGE 85 II 131 S. 134
D.-
Le 6 mars 1956, la Fabrique suisse de ressorts d'horlogerie SA a intenté action à Hausheer et Nerfos S. à r. 1. devant le Tribunal cantonal neuchâtelois, en prenant les conclusions suivantes:
"1. - Prononcer la nullité des brevets Nos 303345 et 305163 classe 71 a.
2. - Faire défense aux défendeurs d'utiliser l'invention protégée par le brevet No 271693.
3. - Condamner les défendeurs solidairement à payer à la demanderesse l'indemnité que justice connaîtra, mais Fr. 50.000. - ... au moins, intérêt 5 % dès ce jour.
4. - Ordonner la publication du jugement dans trois journaux, au choix de la demanderesse et aux frais des défendeurs."
Les défendeurs ont proposé le rejet de l'action et ont conclu reconventionnellement à ce que le Tribunal cantonal prononçât la nullité du brevet no 271 693, relatif au ressort Sirius.
La demanderesse a conclu au rejet de l'action reconventionnelle.
L'autorité neuchâteloise a chargé MM. Pfister et Kirker d'une expertise, après le dépôt de laquelle elle leur a encore demandé un rapport complémentaire.
Après avoir requis sans succès une surexpertise, la demanderesse a déposé des rapports d'expertise privés émanant de MM. Thélin et Augsburger.
Par jugement du 1er décembre 1958, le Tribunal cantonal neuchâtelois a annulé les brevets nos 303 345 et 305 163 enregistrés au nom de Hausheer ainsi que le brevet no 271 693 enregistré au nom de la demanderesse. Il a rejeté la demande principale pour le surplus.
E.-
La Fabrique suisse de ressorts d'horlogerie SA recourt en réforme au Tribunal fédéral contre ce jugement. Elle demande que celui-ci soit confirmé dans la mesure où il a annulé les brevets nos 303 345 et 305 163 et elle reprend pour le surplus les conclusions qu'elle a formulées dans l'instance cantonale.
Les intimés proposent le rejet du recours.
BGE 85 II 131 S. 135
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
...
2.
En vertu de l'art. 112 litt. a LBI, les causes de nullité continuent à être régies par l'ancien droit pour les brevets délivrés avant le 1er janvier 1956, jour où la nouvelle loi est entrée en vigueur. C'est donc à la lumière de la loi ancienne qu'on doit examiner quel est l'objet du brevet et apprécier s'il a le caractère d'une invention et s'il est nouveau (art. 16 ch. 1 et 4 LBI de 1907). Pour juger ces questions, il faut se fonder sur la revendication, qui, selon l'art. 5 al. 2 LBI de 1907, est concluante quant à la nouveauté de l'invention et à l'étendue de la protection accordée au breveté.
Se ralliant à l'avis des experts judiciaires, le jugement attaqué constate que le ressort Sirius ne se distingue du ressort Rolex que par l'abandon de la saillie terminale et des encoches du barillet. Tous les deux sont en effet caractérisés par une lame fixée à l'extrémité de la spire terminale et insérée entre cette dernière et la spire précédente. Dès lors, l'adjonction d'une telle lame, l'endroit où elle est placée et son point de fixation ne constituent pas, pour le ressort Sirius, des éléments nouveaux.
En outre, il est constant qu'on connaissait déjà, avant le brevet litigieux, les autres éléments indiqués dans la revendication, savoir le fait que le ressort est enroulé en spirale, qu'il est logé dans un tambour de barillet à paroi lisse et qu'il l'entraîne par frottement. En particulier, on retrouve ces caractéristiques dans le ressort Perrin. Ainsi, aucun des éléments indiqués dans la revendication du brevet litigieux n'est nouveau.
Cependant, ce qui paraît neuf dans le procédé de la recourante, c'est le fait de loger dans un barillet à paroi lisse un ressort renforcé par une lame fixée à l'extrémité de la spire terminale et insérée entre celle-ci et la spire précédente. En effet, le ressort Rolex, qui est muni de la même lame, est monté dans un barillet à encoches et
BGE 85 II 131 S. 136
les ressorts logés dans des barillets à paroi lisse étaient jusqu'alors, comme le ressort Perrin, munis d'une bride de freinage placée sur la surface externe de la spire terminale. Il s'agit donc de juger si la protection légale s'applique à la combinaison d'un barillet à paroi lisse avec un ressort muni d'une lame insérée entre les deux dernières spires. Pour qu'on doive répondre à cette question par l'affirmative, il faut que cette combinaison soit couverte par le brevet litigieux et qu'elle constitue une invention (cf. RO 82 II 253 et les arrêts cités).
3.
a) Selon l'art. 5 al. 1 à 3 LBI de 1907, le déposant doit, pour chaque invention faisant l'objet d'une demande de brevet, formuler une revendication définissant l'invention par les propriétés qu'il juge nécessaires et suffisantes pour la déterminer; c'est la revendication, interprétée au besoin à l'aide de la description, qui est concluante quant à la nouveauté de l'invention et à l'étendue de la protection. Il incombe donc au déposant de définir avec précision le droit exclusif auquel il prétend. Seuls sont protégés les éléments constitutifs de l'invention tels qu'ils sont indiqués dans la revendication, interprétée le cas échéant au moyen de la description. La sécurité juridique exige que les hommes du métier puissent savoir à quoi s'en tenir à la seule lecture du brevet. Lorsqu'un doute subsiste parce que la revendication et la description sont équivoques, c'est le déposant qui doit en pâtir et non les tiers.
Si l'invention consiste dans une combinaison nouvelle d'éléments connus, la revendication ne peut donc se borner à les énumérer. Elle doit indiquer que le titulaire du brevet prétend à la protection légale pour la combinaison comme telle. Il n'est toutefois pas nécessaire que le mot "combinaison" figure dans la revendication ni même que le déposant se soit rendu compte de la portée exacte de l'invention. La revendication doit s'interpréter objectivement et selon les règles de la bonne foi (RO 64 II 393, 83 II 228). Il suffit donc que, après en avoir pris
BGE 85 II 131 S. 137
connaissance et avoir au besoin recouru à la description, l'homme du métier se rende compte que l'invention réside dans la combinaison et que c'est pour celle-ci que la protection légale est revendiquée (RO 57 II 230 consid. 3, 58 II 63, 69 II 185 consid. 5).
b) En l'espèce, le déposant n'a nullement mis l'accent sur la combinaison des éléments énumérés mais sur l'un d'eux, savoir la fixation, à l'extrémité de la spire terminale, d'une lame insérée entre cette dernière spire et la précédente. L'idée de la combinaison de cet élément avec un barillet à paroi lisse ne peut être recherchée que dans la partie générale de la revendication, qui par le simplement d'un "ressort... destiné à être logé... dans un tambour de barillet à paroi lisse". Quant aux sous-revendications, elles ne concernent point le barillet.
La description ne met pas davantage en relief la combinaison nouvelle. Elle insiste au contraire sur le fait que la lame fixée à l'extrémité du ressort diminue les pertes par frottement entre les spires et augmente la pression de la spire terminale contre la paroi du tambour. Or cette fonction est la même, que le ressort soit logé dans un barillet à paroi lisse ou dans un barillet à encoches. La description ne fait allusion à la combinaison que lorsqu'elle ajoute que le ressort assure un bon entraînement du tambour sans l'aide d'une bride ou d'un autre organe d'accrochage.
Enfin, le titre du brevet met l'accent sur le ressort lui-même et non sur son adaptation à un barillet déterminé. Ainsi, la recourante n'a pas caractérisé son invention comme l'application au barillet à paroi lisse d'un type de ressort connu. Sans doute, celui qui connaît le ressort Rolex peut se rendre compte que la seule nouveauté de l'invention est l'adaptation de ce ressort au barillet à paroi lisse et il peut comprendre dans ce sens le passage de la revendication où il est question d'un ressort "destiné à être logé dans un tambour de barillet à paroi lisse". Mais une telle interprétation fait appel à la connaissance
BGE 85 II 131 S. 138
d'éléments extrinsèques. L'homme du métier, qui peut ignorer l'existence du ressort Rolex, ne se rendra pas nécessairement compte que l'invention alléguée consiste dans une combinaison et que c'est pour cette combinaison que la protection légale est revendiquée.
Dès lors, la revendication n'indiquant pas le seul caractère nouveau du dispositif Sirius, le brevet litigieux est nul.
4.
a) Au surplus, le recours doit également être rejeté parce que, même s'il consiste dans une combinaison nouvelle, l'objet du brevet n'est pas une invention au sens de l'art. 1er LBI de 1907, qui, du reste, ne diffère pas de la nouvelle loi sur ce point.
Il est de jurisprudence constante que l'invention implique une idée créatrice et un progrès technique. A partir de 1937, le Tribunal fédéral a exigé que ces deux éléments atteignent un degré particulier: l'idée créatrice doit dépasser ce qui était à la portée d'un homme du métier ayant une bonne formation (niveau inventif; RO 63 II 276, 69 II 200 et 423 consid. 3, 74 II 140, 81 II 298, 82 II 251); quant au progrès technique, il faut qu'il soit clairement reconnaissable et d'une importance essentielle dans le domaine qui lui est propre (RO 63 II 276, 74 II 140).
aa) Les commentateurs BLUM et PEDRAZZINI (Das schweizerische Patentrecht, I, ad art. 1er LBI, rem. 18, p. 105 et suiv., et rem. 20, p. 118 et suiv.) critiquent le critère de l'idée créatrice. A leur avis, il doit être abandonné, car il repose souvent sur une fiction, et il faut admettre l'existence d'une invention dès qu'est réalisé un progrès technique qui n'était pas à la portée d'un homme du métier moyen (Durchschnittsfachmann). Leur commentaire est consacré, il est vrai, à la loi de 1954; mais celle-ci n'introduit pas une nouvelle notion de l'invention, de sorte que la thèse de BLUM et PEDRAZZINI concerne également la loi de 1907, applicable en l'espèce. Il convient donc d'examiner le mérite de leur argumentation.
Le progrès technique est toujours un résultat. Il constitue l'aboutissement d'une activité intellectuelle, qui peut
BGE 85 II 131 S. 139
revêtir les formes les plus variées, allant de l'intuition subite à la recherche méthodique et persévérante. En outre, l'invention devant être nouvelle, l'idée qu'elle concrétise ne peut être que créatrice. La notion d'idée créatrice, loin d'être une fiction, se déduit donc nécessairement du fait que la réalisation de l'invention procède toujours d'un effort intellectuel qui ouvre une voie nouvelle dans la technique. Aussi bien, BLUM et PEDRAZZINI (op. cit., ad art. 1er, rem. 6, p. 73) voient eux-mêmes l'essence de l'invention dans une idée qui réalise un progrès technique et qui est concrétisée dans un résultat; et ils ajoutent qu'en d'autres termes, il y a invention lorsque le résultat technique procède d'une idée nouvelle.
Cependant, on ne doit accorder la protection légale qu'à des réalisations qui la méritent par leur valeur particulière. Des brevets délivrés trop libéralement conduisent à des abus et paralysent la concurrence. En outre, le fonds commun de la formation technique s'est développé grâce à la collectivité et les résultats qui peuvent être obtenus par la simple utilisation de ce fonds ne doivent pas être monopolisés. On ne saurait donc protéger par un brevet tout progrès technique dû à une idée créatrice (cf. RO 63 II 271 et suiv.). BLUM et PEDRAZZINI n'en disconviennent pas. Ils admettent même le critère que le Tribunal fédéral tire des capacités de l'homme du métier. Sans doute tiennent-ils compte de l'"homme du métier moyen", tandis que le Tribunal fédéral prend en considération celles de l'"homme du métier ayant une bonne formation". Mais cette divergence est purement verbale et, en réalité, les deux notions se recouvrent. On peut admettre, en effet, que l'homme du métier moyen a une bonne formation (cf. BLUM/PEDRAZZINI, op.cit., ad art. 1er LBI, rem. 19, p. 112 et 113).
Toutefois, BLUM et PEDRAZZINI veulent appliquer ce critère au progrès technique et non, comme le Tribunal fédéral le fait, à l'idée créatrice. Mais le résultat pratique n'est pas différent. Il revient au même, en effet, de juger
BGE 85 II 131 S. 140
si un homme du métier - moyen ou ayant une bonne formation - était en mesure d'obtenir un résultat déterminé ou d'apprécier s'il était capable de l'effort intellectuel dont cette réalisation est issue. Dans un cas comme dans l'autre, le juge - ou l'expert - doit résoudre la même question, à savoir si, connaissant l'état de la technique, l'homme du métier était capable de réaliser l'invention par un effort de réflexion normal.
En outre, du point de vue systématique, il est préférable de mettre l'accent sur l'acte de création plutôt que sur son résultat et d'appliquer au premier le critère tiré des capacités de l'homme du métier. En effet, pour décider si celui-ci aurait été à même de réaliser l'invention, le juge - ou l'expert - mesurera la distance qui séparait le point de départ, à savoir l'état de la technique, du point d'arrivée, c'est-à-dire l'invention elle-même; puis il se représentera l'effort intellectuel nécessaire pour arriver de l'un à l'autre et il le comparera aux capacités de l'homme du métier. On pose donc le problème de façon plus claire et plus logique si l'on rattache à l'idée créatrice l'exigence selon laquelle la réalisation ne devait pas être à la portée de l'homme du métier ayant une bonne formation.
Dans ces conditions, il n'y a aucune raison de renoncer aux critères de l'idée créatrice et du niveau inventif, qui sont du reste admis par la doctrine la plus autorisée (cf. notamment MATTER, Aktuelle Fragen aus dem Gebiet des Patent- und Patentprozessrechtes, dans RDS, 1944, p. 7 a à 16 a et 125 a, ainsi que MARTIN-ACHARD, Questions actuelles dans le domaine du droit et de la procédure en matière de brevets d'invention, ibid., p. 198 a et 199 a).
bb) Il est constant, d'autre part, que, pour qu'il y ait invention, il faut que l'idée créatrice provoque un progrès technique clairement démontré. En revanche, on peut se demander si ce progrès doit nécessairement être essentiel. Cette dernière exigence est critiquée par plusieurs auteurs (MATTER, op.cit., p. 41 a à 43 a; BLUM/PEDRAZZINI, op.cit., ad art. 1er LBI, rem. 18, p. 109; OFFERMANN,
BGE 85 II 131 S. 141
Rechtswissenschaftliche Untersuchungen zum Erfindungsbegriff, p. 172 et suiv.) et a du reste été atténuée par le Tribunal fédéral (cf. notamment RO 69 II 423 consid. 3, ainsi que RO 81 II 298 et 82 II 251). De fait, elle se heurte à des objections importantes.
En rendant l'arrêt qui a introduit cette condition supplémentaire (RO 63 II 271), le Tribunal fédéral est parti de l'idée qu'on devait protéger les réalisations qui le méritaient vraiment, mais non les découvertes qui n'avaient exigé qu'une activité intellectuelle minime et constituaient une nouvelle présentation plutôt qu'un effet technique original. Ces considérations gardent toute leur valeur. Cependant, si elles conduisent nécessairement à l'exigence du niveau inventif, elles n'impliquent pas une condition supplémentaire relative à l'importance du progrès technique. Pour réserver la protection légale aux innovations qui procèdent d'une activité réellement originale, il suffit d'exiger strictement une idée créatrice dépassant ce qui était à la portée d'un homme du métier ayant une bonne formation professionnelle.
A cela s'ajoute un argument de texte. Les art. 22 LBI de 1907 et 36 LBI de 1954 instituent exceptionnellement une licence obligatoire en faveur du titulaire d'un brevet qui a pour objet une invention présentant un progrès technique notable. On doit en déduire, a contrario, que l'invention visée par l'art. 1er LBI ne suppose pas nécessairement la réalisation d'un progrès technique notable.
D'autre part, l'importance d'un progrès technique peut ne pas apparaître immédiatement mais se manifester plus tard, par exemple à la suite d'inventions complémentaires. Or il serait injuste de refuser la protection légale à l'auteur d'une invention dont la portée réelle n'était pas visible d'emblée et qui a cependant constitué par la suite la base d'un véritable essor technique.
Enfin, le critère tiré de l'importance du progrès technique est imprécis. Il est d'autant plus difficile de l'appliquer qu'un avantage peut être compensé par des inconvénients
BGE 85 II 131 S. 142
et qu'il faut également prendre en considération des facteurs économiques, commerciaux, voire esthétiques (cf. RO 74 II 133 et suiv.). Ce critère provoque ainsi une grave insécurité juridique.
On doit, dans ces conditions, renoncer à exiger vue le progrès technique soit important ou essentiel. On se trouve donc en présence d'une invention dès qu'un progrès technique nettement établi procède d'une idée créatrice qui n'était pas à la portée d'un homme du métier ayant une bonne formation professionnelle.
b) aa) En l'espèce, le Tribunal cantonal, se fondant sur l'avis des experts judiciaires, a nié que le ressort litigieux procédât d'une idée créatrice d'un niveau suffisamment élevé et constituât un progrès technique. La recourante requiert une nouvelle expertise sur ces deux points, en soutenant que les experts commis par les juges neuchâtelois n'ont pas saisi dans toute son ampleur l'idée protégée par le brevet no 271 693.
Aux termes de l'art. 67 al. 1 OJ, le Tribunal fédéral peut, sur requête ou d'office, revoir les faits d'ordre technique constatés par la juridiction cantonale et ordonner à cet effet les mesures probatoires nécessaires. Mais il n'a pas l'obligation d'ordonner une nouvelle expertise dès qu'il en est requis par une partie (cf. message complémentaire du Conseil fédéral du 28 décembre 1951, FF, 1952, I p. 24; Bull. stén., CN 1952 p. 450 et suiv., CE 1953, p. 406/407). S'il n'est pas lié par les constatations des premiers juges relatives à des faits d'ordre technique, il peut néanmoins, lorsqu'elles apparaissent bien fondées, les admettre sans ordonner de nouvelles mesures probatoires. Pour juger en l'espèce s'il y a lieu de commettre de nouveaux experts, le Tribunal fédéral doit donc examiner d'abord la valeur probante de l'expertise ordonnée par la juridiction neuchâteloise.
bb) En ce qui concerne l'idée créatrice et le niveau inventif... les experts ont déclaré que le passage du système Rolex au système Sirius consistait dans la suppression
BGE 85 II 131 S. 143
d'inconvénients évidents, encore que peu importants, par un procédé également évident. Cela revient à nier toute idée créatrice. Sans doute est-ce là une appréciation et il n'est pas exclu que d'autres experts arrivent à une conclusion différente. Mais ce n'est pas un motif suffisant pour ordonner une nouvelle expertise. Le Tribunal fédéral ne doit le faire que si l'opinion des experts n'emporte point sa conviction parce qu'elle est fondée sur des prémisses erronées ou ne repose pas sur un raisonnement sain. Ni l'une ni l'autre de ces conditions n'est remplie en l'espèce.
cc) La recourante prétend que les experts judiciaires et Tribunal cantonal ont méconnu la véritable portée de son procédé. "L'élément caractéristique de l'invention, dit-elle, n'est pas dans la paroi lisse du barillet, mais bien dans la façon compensatrice dont travaille toute la spire extérieure du ressort contre cette paroi lisse grâce à l'emploi d'une lame flexible de renforcement." Cette thèse est du reste fondée sur l'expertise privée Thélin. Pour celui-ci, en effet, la lame flexible insérée à l'intérieur de la spire terminale ne joue pas, dans le ressort Rolex, le même rôle que dans le ressort Sirius; dans le premier, elle exerce une pression sur l'extrémité du ressort et assure un meilleur embrayage des saillies dans les encoches; dans le second, l'entraînement du barillet est obtenu par la friction d'une partie importante de la spire extérieure contre la paroi lisse du barillet; or la lame accroît précisément la surface de frottement à mesure que le ressort se détend, et cette augmentation de la surface de friction compense la diminution de la tension du ressort. Ainsi, pour arriver au ressort Sirius, il a fallu, selon l'expert Thélin, "se tourner vers une voie nouvelle, celle du ressort coopérant directement avec le barillet".
Il est exact qu'avant le procédé de la recourante, les ressorts logés dans un barillet à paroi lisse ne l'entraînaient pas directement mais coopéraient avec son tambour par l'intermédiaire d'une bride, c'est-à-dire d'une lame fixée
BGE 85 II 131 S. 144
sur la face externe de la spire terminale. Cependant, cette bride avait déjà été supprimée dans le ressort Rolex, qui coopère directement avec le barillet. Pour parvenir à l'invention litigieuse, il fallait donc simplement, comme l'ont exposé les experts judiciaires, supprimer la saillie et les encoches du système Rolex.
Quant à la prétendue supériorité de l'entraînement du barillet, dans le système Sirius, grâce à l'extension progressive de la surface de friction, elle ne concerne que l'amélioration du fonctionnement du barillet. Ce résultat, que la titulaire du brevet litigieux tient pour l'"élément caractéristique" de l'invention, indique donc seulement le progrès technique que celle-ci réalise d'après la recourante et ses experts privés. Mais il n'est pas décisif pour juger si l'invention procède d'une idée créatrice d'un niveau suffisant. En effet, l'idée créatrice ne réside pas dans le progrès technique obtenu par le ressort Sirius mais tout au plus - à supposer qu'on interprète la revendication aussi largement (cf. ci-dessus, consid. 3) - dans la combinaison d'un ressort et d'un barillet déterminés...
c) Ainsi, comme le système litigieux ne procède pas d'une idée créatrice d'un niveau suffisant, le brevet serait nul même s'il avait pour objet une combinaison nouvelle d'un ressort et d'un barillet déterminés. Dans ces conditions, il n'est pas nécessaire de juger si le système Sirius a fait avancer la technique.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral:
Rejette le recours et confirme le jugement attaqué. | public_law | nan | fr | 1,959 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
2fcb074e-be35-4d01-90dc-d779881a79dc | Urteilskopf
99 Ia 739
85. Arrêt du 4 décembre 1973 dans la cause Galland contre Commune de Lausanne et Commission cantonale vaudoise de recours en matière d'impôt. | Regeste
Kultussteuer.
Art. 49 Abs. 6 BV
.
Die in
Art. 49 Abs. 6 BV
(Kultussteuern) vorgesehene Steuerbefreiung erstreckt sich nicht auf die allgemeinen Steuern, die von einem Kanton erhoben werden, der die Kultuskosten einer sogenannten Landeskirche selbst übernimmt; sie bezieht sich dagegen auf d ie allgemeinen Steuern, die von einer Gemeinde erhoben werden, deren Haushalt solche Kosten trägt. | Sachverhalt
ab Seite 740
BGE 99 Ia 739 S. 740
A.-
Le 25 octobre 1971, Henri Galland a demandé à la Commission d'impôt du district de Lausanne de déduire de son bordereau la part de l'impôt communal affectée aux dépenses du culte; il déclarait n'appartenir ni à l'une ni à l'autre des deux confessions reconnues officiellement (Eglise évangélique réformée et Eglise catholique). La Commission de district a rejeté cette requête le 18 novembre 1971, relevant qu'il n'existait, dans le canton de Vaud, aucun impôt ecclésiastique spécial au sens de l'art. 49 al. 6 Cst.
Saisie d'un recours de Galland, la Commission cantonale de recours en matière d'impôt l'a rejeté le 19 décembre 1972, pour les motifs suivants: Selon la jurisprudence du Tribunal fédéral, l'art. 49 al. 6 Cst. vise exclusivement les impôts ecclésiastiques spéciaux, soit ceux qui sont perçus en plus des impôts ordinaires, en vue de couvrir les frais des Eglises nationales et des paroisses. Par le texte précité, le constituant a voulu empêcher que des personnes n'appartenant pas à une Eglise nationale puissent déduire de leurs impôts généraux payés à l'Etat et à la commune une part correspondant aux prestations destinées à une institution telle qu'une Eglise nationale. Il a entendu maintenir ainsi l'état de fait historique selon lequel les besoins de l'Eglise nationale sont principalement couverts au moyen de recettes générales de l'Etat. Les arrêts du Tribunal fédéral invoqués par le recourant et remontant au siècle dernier, selon lesquels la limitation de l'art. 49 al. 6 ne touche pas les impôts communaux généraux, se rapportaient à des situations particulières, différentes de la présente espèce. Il s'agissait de communes qui décidaient librement de leurs dépenses en faveur du culte et du financement par l'impôt, alors que dans le canton de Vaud le système est tout différent et qu'au surplus la liberté des communes se trouve très limitée en matière fiscale.
Il en résulte que l'art. 49 al. 6 Cst. ne vise que les impôts ecclésiastiques spéciaux et que les communes vaudoises ne
BGE 99 Ia 739 S. 741
perçoivent aucune contribution de cette nature en vue de participer aux frais des Eglises protestante et catholique. D'ailleurs, le recourant n'établit pas qu'une part de son impôt communal est réellement affectée à des dépenses d'ordre religieux. La commune de Lausanne dispose non seulement des rentrées fiscales, mais encore d'autres ressources importantes, si bien que celles-ci suffisent en général à la couverture des dépenses cultuelles. Il n'y a donc pas de violation de la Constitution fédérale et la décision attaquée se révèle ainsi justifiée.
B.-
Agissant par la voie du recours de droit public, Henri Galland demande au Tribunal fédéral d'annuler l'arrêt du 19 décembre 1972 de la Commission cantonale vaudoise de recours en matière d'impôt. Il allègue la violation de la garantie constitutionnelle de la liberté de conscience et de croyance (art. 49 Cst.) et prétend qu'en ne l'autorisant pas à déduire de son impôt communal la part qui est affectée aux frais proprement dits des cultes de communautés religieuses auxquelles il n'appartient pas, l'autorité cantonale aurait également violé le principe de l'égalité devant la loi. Ses arguments seront repris ci-dessous, dans la mesure utile.
Dans leur réponse respective des 6 et 14 juin 1973, l'Administration cantonale des impôts et la Commission cantonale de recours concluent au rejet du recours.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
L'art. 49 Cst., qui garantit l'inviolabilité de la liberté de conscience et de croyance, dispose à son al. 6 que "nul n'est tenu de payer des impôts dont le produit est spécialement affecté aux frais proprement dits du culte d'une communauté religieuse à laquelle il n'appartient pas. L'exécution ultérieure de ce principe reste réservée à la législation fédérale".
La loi prévue par cette disposition n'a jamais été adoptée par les Chambres fédérales, malgré un projet du Conseil fédéral de 1875, qui lui a été renvoyé par décision des Chambres, après un premier examen de la Commission du Conseil national (cf. DE SALIS/BOREL, Le droit fédéral suisse, 1905, 3e vol. no 1019 p. 74). Mais le Tribunal fédéral, dans une jurisprudence constante, applique directement le principe constitutionnel, estimant qu'il s'agit d'un principe positif et précis et
BGE 99 Ia 739 S. 742
qu'on ne saurait paralyser indéfiniment un droit individuel important garanti par la Constitution fédérale (RO 10 p. 323 et les arrêts cités). Le recourant a donc qualité pour requérir, par la voie du recours de droit public, la protection de sa liberté de conscience et de croyance en invoquant cette disposition constitutionnelle.
2.
Il est admis d'une façon générale qu'en adoptant, à l'art. 49 al. 6 Cst., l'expression "spécialement" (impôts dont le produit est spécialement affecté aux frais proprement dits du culte), le constituant a consciemment voulu tenir compte de la situation historique des Eglises dites nationales, dont les frais sont supportés par le budget général d'un Etat cantonal, et empêcher par là que des personnes n'appartenant pas à ces Eglises puissent réclamer le remboursement de la part de leur impôt cantonal général qui est consacrée aux frais de culte. Aussi le Tribunal fédéral a-t-il, dans une jurisprudence constante, refusé de donner suite aux demandes de personnes qui réclamaient un tel remboursement (RO 39 I 31 et les arrêts cités).
Tout en consacrant une exception au principe de la liberté de conscience et de croyance posé par l'al. 1 de ce même article, cette jurisprudence est conforme à la volonté du constituant, telle qu'elle s'est manifestée non seulement lors des travaux préparatoires (cf. le résumé des délibérations des Chambres dans VON REDING-BIBEREGG, Über die Frage der Cultussteuern, Bâle 1885, p. 42 ss., notamment p. 46 et 47), mais surtout dans le texte même de l'art. 49 al. 6 Cst. Il n'y a pas lieu de s'en écarter, d'autant moins qu'en l'espèce le recourant ne la remet pas en question; ce dernier, en effet, demande le remboursement non pas de la part de son impôt cantonal consacrée aux frais des cultes des Eglises protestante et catholique, mais seulement de la part de son impôt communal utilisée à cette même fin.
3.
Si le Tribunal fédéral a toujours admis que l'exemption d'impôt prévue par l'art. 49 al. 6 Cst. ne pouvait pas porter sur les impôts généraux prélevés par un canton qui assume lui-même les frais de culte d'une Eglise dite nationale, il a en revanche déclaré dès le début que la garantie de l'art. 49 al. 6 Cst. restait entière en matière de dépenses communales pour le culte, même dans les cas où ces dépenses étaient couvertes par une allocation du budget général de la
BGE 99 Ia 739 S. 743
commune, et non au moyen d'une contribution spéciale (arrêt Pelli du 1er novembre 1879, RO 5 p. 432 ss.). A l'appui de cette décision, le Tribunal fédéral a notamment cité le projet de "loi fédérale concernant les impôts pour frais de culte", présenté en 1875 par le Conseil fédéral (FF 1875 vol. 4 p. 961), dont l'art. 2 prévoyait uniquement en faveur des impôts cantonaux le non-remboursement, aux citoyens n'appartenant à aucune des communautés religieuses soutenues par les deniers publics, d'une part proportionnelle des impôts généraux payés par eux. Il a même rappelé que la majorité de la Commission du Conseil national, qui s'était occupée de ce projet, avait proposé de supprimer cette restriction au principe de la liberté de conscience et de croyance et de prévoir un remboursement proportionnel des impôts directs perçus tant par l'Etat que par les communes (cf. SALIS/BOREL, op.cit., p. 75 s.). Mais l'impôt cantonal n'étant pas en jeu dans cette affaire Pelli, le Tribunal fédéral n'avait à s'occuper que de l'impôt communal. Il a relevé à ce propos que, s'agissant d'une exception au principe de la liberté de conscience et de croyance, il y avait lieu de l'interpréter de façon restrictive et de n'admettre une telle exception que dans les cas où elle était expressément voulue, de façon certaine, par le constituant qui avait posé ledit principe. Constatant qu'une telle volonté n'était nullement prouvée en ce qui concerne les impôts communaux, il en a conclu que la protection de l'art. 49 al. 6 Cst. subsistait entière dans ce domaine. Il a encore ajouté que la solution contraire ne contribuerait guère au maintien de la paix confessionnelle dans les communes.
Cette jurisprudence a été maintenue de façon constante dans les arrêts ultérieurs (RO 10 p. 325, 13 p. 374, 14 p. 18 et 164, 39 I 31). Tout en reconnaissant dans ce dernier arrêt (qui date de 1913) que le texte même de la Constitution n'empêcherait pas d'appliquer également aux impôts généraux des communes la restriction admise en faveur des impôts généraux des cantons, le Tribunal fédéral a néanmoins déclaré vouloir s'en tenir à cette jurisprudence constante, qui s'appuie sur la genèse de la disposition constitutionnelle et sur le projet de loi fédérale de 1875.
Alors même qu'il s'agit d'une jurisprudence déjà ancienne, il n'y a pas lieu de s'en écarter ici. Sans doute convient-il d'user de circonspection à l'égard de l'interprétation historique
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d'une disposition vieille de près d'un siècle, alors que les circonstances qui l'ont inspirée à l'époque se sont sensiblement modifiées; on ne saurait non plus attribuer une trop grande importance à la règle selon laquelle les dispositions exceptionnelles doivent être interprétées restrictivement (RO 88 II 153; cf. EGGER, Komm., n. 19 ad art. 1er CC; MEIER-HAYOZ, Komm., n. 191 ad art. 1er CC; GRISEL, Droit administratif suisse, p. 57). Mais, s'agissant de l'exception apportée à une disposition constitutionnelle qui assure la protection d'une des libertés fondamentales de la personne humaine, on comprendrait mal qu'aujourd'hui, où se manifeste la tendance à une protection plus efficace de ces libertés (cf. FF 1968 II 1086 al. 2), on s'écarte d'une jurisprudence constante en étendant davantage la restriction d'une telle liberté. On le comprendrait d'autant moins que la Suisse s'apprête à ratifier la Convention européenne de sauvegarde des droits de l'homme et des libertés fondamentales, dont l'art. 9 garantit à toute personne le droit à la liberté de pensée, de conscience et de religion (cf. FF 1968 II, p. 1069 ss., notamment p. 1126 ss., 1972 I 989 ss. et 1974 I p. 1020 ss.).
4.
Dans sa réponse au recours de droit public, l'Administration cantonale des impôts soutient qu'en vertu du système fiscal vaudois, on ne saurait appliquer cette jurisprudence aux communes vaudoises. Elle relève que, dans les arrêts cités par le recourant (il s'agit des arrêts mentionnés ci-dessus, au consid. 3), les communes concernées fixaient elles-mêmes librement les dépenses à effectuer en faveur du culte et prévoyaient leur financement par l'impôt, tandis que, dans le canton de Vaud, la participation des communes aux dépenses cultuelles leur est imposée par la législation cantonale, les communes n'ayant pas la faculté de diminuer, ni d'augmenter leurs contributions.
Il est exact que c'est la législation cantonale qui met à la charge des communes certains frais de culte, à savoir notamment l'entretien des immeubles nécessaires au culte, la fourniture et l'entretien du mobilier nécessaire au culte, la mise à disposition des locaux pour l'mstruction des catéchumènes, le traitement du personnel auxiliaire (cf.
art. 122 à 124
de la loi du 25 mai 1965 sur l'Eglise évangélique réformée du canton de Vaud,
art. 13 à 16
de la loi du 16 février 1970 sur l'exercice de la religion catholique dans le canton de Vaud). Mais cette
BGE 99 Ia 739 S. 745
législation ne change rien à la nature des frais concernés, qui restent essentiellement des frais de culte, ni au fait que leur couverture est notamment assurée par le prélèvement des impôts communaux ordinaires. Si ces derniers sont, en raison du système fiscal vaudois, perçus sur les mêmes bases et avec les mêmes défalcations que les impôts cantonaux correspondants, ce sont cependant les communes elles-mêmes qui en fixent le taux, en pour-cent de l'impôt cantonal de base (loi du 5 décembre 1956 sur les impôts communaux, art. 5 et 6).
Il n'y a donc aucune raison de déroger en l'espèce au principe posé par la jurisprudence.
5.
Dans la décision attaquée, la Commission cantonale relève que le recourant n'établit pas qu'une part de son impôt communal est réellement affectée à des dépenses d'ordre religieux; elle fait état des autres ressources importantes de la commune, qui "suffisent en général à la couverture des dépenses cultuelles". Dans la mesure où elle prétendrait par là dénier au recourant le droit au remboursement d'une part de son impôt communal, on ne saurait lui donner raison.
En effet, s'il est admis en jurisprudence que les autres recettes d'une commune peuvent servir à la couverture des frais de culte et qu'un citoyen dissident n'a pas à se plaindre d'une telle utilisation tant qu'il n'est pas appelé à payer un impôt général (RO 17 p. 222 consid. 6), on ne saurait admettre en revanche que, dans une commune qui prélève un impôt général, cet impôt soit censé ne couvrir que les dépenses communales autres que les dépenses pour le culte. Dans un tel cas, il faut comparer les situations qui se présentent dans l'hypothèse d'un budget sans dépenses pour le culte et celle d'un budget semblable mais supportant de telles dépenses: si, dans la première hypothèse, les autres recettes de la commune suffisent juste à équilibrer les comptes sans qu'il y ait lieu de prélever un impôt général, cela signifie que, dans la seconde hypothèse, la commune doit prélever des impôts pour un montant équivalant aux dépenses pour le culte; de même si, dans la première hypothèse, la commune prélève déjà un impôt général, le produit de cet impôt doit être, dans la seconde hypothèse, augmenté d'un montant équivalant aux dépenses pour le culte.
Ainsi, le contribuable qui n'appartient à aucune des communautés religieuses bénéficiaires des deniers de la commune
BGE 99 Ia 739 S. 746
a le droit de demander le remboursement du montant dont son impôt communal est majoré en raison des dépenses de culte supportées par la commune. Cette part correspond, en pour-cent, au rapport qui existe entre le montant des dépenses pour le culte et le montant des dépenses totales de la commune.
On ne saurait non plus admettre le raisonnement de l'Administration cantonale des impôts qui, dans sa réponse au recours, prétend qu'on ne devrait retenir, pour le calcul de la déduction, que la moitié du rapport entre dépenses de culte et dépenses totales, en raison du fait que les recettes fiscales de la commune de Lausanne représentent grosso modo la moitié de l'ensemble de ses recettes. En effet, comme les recettes autres que fiscales peuvent aussi être utilisées pour la couverture des dépenses de culte, chaque franc de recette générale comprend un certain pourcentage (correspondant au rapport précité) destiné aux dépenses du culte, donc chaque franc de l'impôt général comprend ce même pourcentage, et c'est le remboursement de ce pourcentage que peuvent réclamer les contribuables qui ne font partie d'aucune des communautés religieuses bénéficiaires des deniers de la commune. Ledit pourcentage devrait au contraire être doublé si les recettes autres que fiscales ne pouvaient pas servir à la couverture des dépenses destinées au culte; mais on a vu ci-dessus que tel n'était pas le cas. Il y a donc lieu de s'en tenir au pourcentage que représentent les dépenses de culte par rapport au montant total des dépenses de la commune.
Quant à la détermination précise des dépenses à considérer comme frais de culte proprement dits, la chambre de céans n'a pas à y procéder ici. Il appartiendra à la commune de le faire, en s'inspirant des principes posés par la jurisprudence du Tribunal fédéral, que le recourant admet implicitement.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral:
Admet le recours et annule la décision attaquée. | public_law | nan | fr | 1,973 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
2fd4da36-615a-4a04-b7ba-899e8dfb66b7 | Urteilskopf
115 IV 173
39. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 5. September 1989 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich gegen A. (Nichtigkeitsbeschwerde) | Regeste
Art. 48 Ziff. 2,
Art. 58 Abs. 1 und 4 StGB
; Einziehung.
Die Höhe einer Busse ist nach den in
Art. 48 Ziff. 2 StGB
festgelegten Grundsätzen zu bemessen (E. 2; Bestätigung der Rechtsprechung). Unabhängig davon muss der Richter die Einziehung anordnen, wenn deren Voraussetzungen vorliegen; insbesondere darf er eine ausgesprochene Busse nicht bei der Abschöpfung des unrechtmässig erlangten Vermögensvorteils auf die Ersatzforderung anrechnen (E. 3). | Sachverhalt
ab Seite 174
BGE 115 IV 173 S. 174
Das Bezirksgericht Zürich verurteilte A. am 9. März 1988 wegen gewerbsmässiger Kuppelei zu zehn Monaten Gefängnis sowie einer Busse von Fr. 30'000.-- und verpflichtete ihn, vom unrechtmässig erlangten Vermögensvorteil Fr. 87'034.-- an den Kanton Zürich abzuliefern. Das Obergericht des Kantons Zürich gelangte am 29. November 1988 zum gleichen Schuld- und Strafspruch, sah aber von einer Einziehung ab.
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und die Sache zur Abschöpfung des unrechtmässig erlangten Vermögensvorteils an das Obergericht zurückzuweisen.
A. beantragt in seiner Vernehmlassung, die Beschwerde sei abzuweisen. Das Obergericht verzichtete auf Gegenbemerkungen.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Umstritten ist einzig die Frage, ob die Vorinstanz zu Recht von einer Abschöpfung des unrechtmässig erlangten Vermögensvorteils absah.
2.
Als einzige Vermögensstrafe des Strafgesetzbuches ist die Busse (
Art. 48-50, 106 StGB
) wie die Freiheitsstrafe persönlicher Natur (
BGE 86 II 75
f.); sie bleibt auch dann eine Hauptstrafe, wenn sie gemäss
Art. 50 StGB
mit einer Freiheitsstrafe verbunden wird (
BGE 86 IV 231
ff. E. 3). Innerhalb des Strafrahmens von
Art. 48 Ziff. 1 StGB
bestimmt der Richter den Betrag der Busse je nach den Verhältnissen des Täters so, dass dieser durch die Einbusse jene Strafe erleidet, die seinem Verschulden angemessen ist. Massgebend bleibt in erster Linie das Verschulden; erst danach ist unter Berücksichtigung der übrigen in
Art. 48 Ziff. 2 Abs. 2 StGB
genannten Umstände anhand der Einkommens- und Vermögensverhältnisse die Höhe der Busse so anzusetzen, dass sie den
BGE 115 IV 173 S. 175
Verurteilten in der dem Verschulden angepassten Höhe trifft (
BGE 101 IV 16
f. mit Hinweisen; SCHULTZ, Einführung in den allgemeinen Teil des Strafrechts II, 4. Aufl., S. 122 ff.; REHBERG, Strafrecht II, 4. Aufl., S. 42 ff.). Durch ihren Strafcharakter unterscheidet sich die Busse unter anderem von der Massnahme der Einziehung nach
Art. 58 StGB
(SCHWANDER, Das Schweizerische Strafgesetzbuch, 2. Aufl., S. 192, N. 369).
Dem Bezirksgericht erschien nach Würdigung der Strafzumessungsgründe und angesichts des Vermögens von Fr. 1'886'000.-- eine Strafe von zehn Monaten Gefängnis sowie eine Busse von Fr. 30'000.-- dem Verschulden des Beschwerdegegners als angemessen. Das Obergericht verwies im wesentlichen auf die Erwägungen des Bezirksgerichts und erachtete die ausgesprochene Strafe, "verbunden mit Fr. 30'000.-- Busse", ebenfalls als angemessen.
3.
Die Vorinstanz erwog für den Beschwerdegegner einen "unbestimmten, Fr. 20'645.-- nicht übersteigenden Betrag" als unrechtmässig erlangten Vermögensvorteil, hielt diesen in der Bussenhöhe von Fr. 30'000.-- als genügend berücksichtigt und verzichtete deswegen auf eine "zusätzliche Vorteilsbeseitigung". Damit verstiess sie gegen die für die Bussenbemessung im Schuldstrafrecht geltenden Grundsätze (SCHULTZ, a.a.O., S. 208 f.) und missachtete das zwingende Gebot der Einziehung bzw. Ersatzeinziehung nach
Art. 58 Abs. 1 und 4 StGB
(STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, AT II, S. 487 N. 31; SCHULTZ, a.a.O., S. 210 f.), wonach unter den gegebenen Voraussetzungen auf eine Ersatzforderung des Staates in der Höhe des unrechtmässigen Vorteils hätte erkannt werden müssen. Indem die Vorinstanz letzteres nicht tat, verletzte sie Bundesrecht. Dies führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils. | null | nan | de | 1,989 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
2fd6bad5-b202-4f8d-a638-4cf9764d74dc | Urteilskopf
135 IV 32
5. Extrait de l'arrêt de la Cour de droit pénal dans la cause X. contre Ministère public du canton de Vaud (recours en matière pénale)
6B_621/2007 du 1er octobre 2008 | Regeste
Art. 36 Abs. 2 und 4 SVG
; Rechtsvortritt in Parkhäusern und auf Parkplätzen.
In Parkhäusern und auf Parkplätzen kommt die Rechtsvortrittsregel von
Art. 36 Abs. 2 SVG
für die Kreuzung zwischen den verschiedenen Verkehrswegen zur Anwendung, unabhängig davon, ob es sich dabei um Zu-, Weg- oder Durchfahrtswege handelt. Davon ausgenommen ist einzig die Zu- und Ausfahrt zu einem individuellen Parkfeld, welche der in
Art. 36 Abs. 4 SVG
vorgesehenen Regel unterworfen ist (Änderung der Rechtsprechung; E. 4). | Sachverhalt
ab Seite 32
BGE 135 IV 32 S. 32
Par jugement du 1
er
octobre 2007, le Tribunal de police de l'arrondissement de La Côte a rejeté l'appel formé par X. contre un prononcé préfectoral du 1
er
juin 2007, le condamnant, pour violation des
art. 36 al. 4 LCR
, 3 al. 1, 14 al. 1 et 15 al. 3 OCR, à une amende de 200 fr.
Ce jugement retient, en résumé, ce qui suit.
Le 11 décembre 2006, un accident de la circulation s'est produit sur le parking de la surface commerciale Hornbach, à Etoy, sur lequel seules les places de parc sont balisées au sol, à l'exclusion de tout
BGE 135 IV 32 S. 33
autre marquage, notamment de flèches indiquant les sens de circulation ou les priorités. Après avoir quitté une place de stationnement, X., empruntant l'allée transversale, s'est dirigé vers la voie d'entrée et de sortie, en vue d'obliquer à droite. A cet endroit, où une camionnette masquait la visibilité, il a heurté, avec l'avant gauche de son véhicule, l'avant droit de celui de l'automobiliste Y., qui arrivait sur la gauche et s'apprêtait à obliquer à droite dans l'allée transversale pour aller parquer sa voiture.
Le tribunal a estimé que la règle de l'
art. 15 al. 3 OCR
s'appliquait, du moins par analogie, et non celle de la priorité de droite. L'appelant devait donc accorder la priorité à l'automobiliste Y. Au besoin, il devait s'arrêter, voire, dans la mesure où sa visibilité était gênée, recourir à l'aide de sa passagère. L'accident lui était donc imputable.
X. forme un recours en matière pénale au Tribunal fédéral, pour violation de son droit d'être entendu, de son droit à un procès équitable ainsi que des dispositions de la LCR et de l'OCR retenues à son encontre. Il conclut à la réforme du jugement attaqué en ce sens qu'il soit acquitté, subsidiairement à son annulation.
Parallèlement, X. a recouru contre le jugement d'appel à la Cour de cassation pénale du Tribunal cantonal vaudois, qui, par arrêt du 5 novembre 2007, a rejeté le recours dans la mesure où il était recevable.
Par courrier du 14 avril 2008, X., agissant par l'entremise de sa mandataire, a fait parvenir au Tribunal fédéral une copie de l'arrêt cantonal du 5 novembre 2007, en précisant qu'il contestait le raisonnement par lequel cet arrêt écartait son grief de violation du droit d'être entendu.
Le Ministère public conclut au rejet du recours, en se référant au jugement attaqué. L'autorité cantonale a renoncé à se déterminer.
Le Tribunal fédéral a admis le recours dans la mesure où il était recevable.
Erwägungen
Extrait des considérants:
4.
Le recourant se plaint d'une violation de l'
art. 36 LCR
ainsi que de l'
art. 15 al. 3 OCR
, au motif que l'autorité cantonale aurait dû faire application, non pas de cette dernière disposition, mais de la règle de la priorité de droite.
4.1
Dans la mesure où le recourant conteste les faits retenus, en alléguant que l'accident se serait produit sur l'allée centrale, bien avant
BGE 135 IV 32 S. 34
qu'il ne débouche sur la voie de sortie, il n'y a pas lieu d'entrer en matière, faute d'une quelconque démonstration d'arbitraire dans l'établissement des faits.
4.2
L'
art. 36 al. 2, 1
re
phrase LCR pose le principe qu'aux intersections le véhicule qui vient de droite a la priorité. Sont des intersections, les croisées, les bifurcations ou les débouchés de chaussée (
art. 1 al. 8, 1
re
phrase OCR). De ces règles, il découle que la règle de la priorité de droite s'applique en principe toujours lorsque des chaussées interfèrent ou se croisent sous la forme de croisées, de bifurcations ou de débouchés (
ATF 117 IV 498
consid. 3 p. 500).
La loi et l'ordonnance prévoient toutefois des exceptions. Ainsi, l'art. 36 al. 2, 2
e
phrase LCR dispose que les véhicules qui circulent sur une route signalée comme principale ont la priorité, même s'ils viennent de gauche. L'art. 36 al. 2, 3
e
phrase LCR réserve toute réglementation différente de la circulation imposée par des signaux ou par la police. Une exception au principe résulte en outre de l'
art. 36 al. 4 LCR
, qui prescrit que le conducteur qui veut engager son véhicule dans la circulation, faire demi-tour ou marche arrière ne doit pas entraver les autres usagers de la route, en précisant que ces derniers bénéficient de la priorité. Une autre exception découle encore de l'art. 1 al. 8, 2
e
phrase OCR, en tant qu'il prévoit que ne constituent pas des intersections les endroits où débouchent sur la chaussée des pistes cyclables, des chemins ruraux ou des sorties de garage, de places de stationnement, de fabriques, de cours, etc. (
ATF 117 IV 498
consid. 3 p. 500).
Dans une jurisprudence relativement ancienne, le Tribunal fédéral a assimilé les allées secondaires, transversales ou perpendiculaires, conduisant les automobilistes depuis les voies de circulation d'entrée et de sortie de la place de parc vers les cases de stationnement proprement dites des véhicules, à ces dernières. Il a retenu que les voies de circulation ne permettent pas d'accéder à une case sans passer par l'une ou l'autre des allées perpendiculaires. Celles-là (les voies de circulation) se trouvaient donc par rapport à celles-ci (les allées perpendiculaires) dans la situation d'une chaussée ou d'une route. Il s'ensuivait que celui qui y débouchait en sortant d'une place de parc ne bénéficiait d'aucune priorité conformément à l'
art. 15 al. 3 OCR
et à la règle générale de l'
art. 36 al. 4 LCR
. Les endroits où débouchaient sur la voie de circulation les sorties des places de stationnement que constituaient aussi bien les allées que les cases n'étaient
BGE 135 IV 32 S. 35
pas des intersections, en vertu de l'
art. 1 al. 8 OCR
, de sorte que la règle de la priorité de droite ne trouvait pas application dans ce lieu déterminé (
ATF 100 IV 59
consid. 3 et 4 p. 62).
Ultérieurement, cette jurisprudence a été confirmée dans l'
ATF 117 IV 498
consid. 4b p. 501/502. A cette occasion, il a été rappelé que les exceptions à la règle de la priorité de droite risquant de causer des accidents, la sécurité du trafic exigeait qu'elles fussent limitées aux cas qui, même pour les usagers qui ne connaissent pas les lieux ou si les conditions de visibilité sont mauvaises, étaient clairement reconnaissables en l'absence de signalisation. Dans le doute, la réglementation ordinaire doit l'emporter sur l'exception (
ATF 117 IV 498
consid. 4a p. 501).
Or, l'assimilation à une case de parc des allées transversales ou perpendiculaires, qui soustrait le traitement de la priorité au régime ordinaire de l'
art. 36 al. 2 LCR
(priorité de droite), est de nature à provoquer des confusions et des accidents, dans la mesure où toutes les voies de circulation, à l'intérieur d'une grande place de parc (ou parking), ont topographiquement une relation les unes avec les autres qui se rapproche bien davantage de celle existant entre deux routes secondaires que de la sortie d'une case individuelle de stationnement sur une voie publique, même secondaire. En l'absence de toute indication au sol ou de toute signalisation adéquate, le conducteur doit pouvoir se référer au principe général de l'
art. 36 al. 2, 1
re
phrase LCR, qui fixe la priorité de droite, et non pas s'interroger sur les exceptions possibles, pour apprécier la nature juridique de l'espace sur lequel il roule, et pour déterminer en conséquence son comportement.
Il est en effet manifeste que les conducteurs circulant sur les voies d'accès et sur les voies transversales (ou perpendiculaires) desservant une grande place de parc (parking) se trouvent dans une situation analogue à celle des usagers empruntant deux routes secondaires. Dans ce cas, la priorité appartient aux conducteurs venant de droite, selon la règle ordinaire, tant qu'elle n'a pas été supprimée par le signal 116 ou 217; que l'une des deux routes soit plus animée que l'autre, ce qui peut être éventuellement le cas des voies d'entrée et de sortie de l'espace de parc, ne joue aucun rôle (
ATF 96 IV 35
consid. 1 in fine p. 37 et l'arrêt cité). Dans ces conditions, il convient d'abandonner la jurisprudence inaugurée par l'
ATF 100 IV 59
et d'affirmer qu'à l'intérieur d'un emplacement de parc (parking) la règle de la priorité de droite de l'
art. 36 al. 2 LCR
s'applique aux intersections entre
BGE 135 IV 32 S. 36
les différentes dessertes, qu'il s'agisse des voies de circulation d'entrée et/ou de sortie ou des voies de circulation transversales, la seule exception concernant l'entrée ou la sortie de la case individuelle de stationnement, qui est soumise à la règle prévue à l'
art. 36 al. 4 LCR
.
En l'absence d'une signalisation claire et vu la relative équivalence de trafic entre les différentes dessertes, qui ne justifie pas une exception au principe de l'
art. 36 al. 2 LCR
, celui-ci doit être affirmé à leurs intersections (
ATF 127 IV 91
consid. 2b p. 95 et 96 et les références).
4.3
Dans le cas présent, l'accident est survenu sur une place de parc (parking) ne comportant, hormis le balisage des places de parc au sol, aucune signalisation. En particulier, la voie d'entrée et de sortie de la place de parc (parking) n'est pas signalée comme principale. Cette voie permet d'accéder aux aires de stationnement, soit aux allées transversales séparant les cases de parc et, partant, à ces dernières. Ces mêmes allées transversales peuvent être empruntées par les automobilistes qui, après avoir quitté leur place de stationnement, veulent rejoindre la voie d'entrée et de sortie de la place de parc (parking). Entre celle-là et les allées, il n'y a pas de différence significative. Leur point de rencontre constitue donc une intersection au sens de l'
art. 1 al. 8, 1
re
phrase OCR. A cet endroit, la règle de la priorité de droite est par conséquent applicable. Demeure réservé l'
art. 36 al. 4 LCR
, qui implique notamment que l'automobiliste qui, en avançant ou reculant, quitte une case de parc, doit la priorité aux autres usagers.
4.4
En l'espèce, l'accident s'est produit à l'intersection entre la voie d'entrée et de sortie de la place de parc (parking) et l'une des allées transversales, au moment où l'automobiliste Y., qui arrivait sur cette voie, bifurquait à droite pour entrer dans l'aire de stationnement et où le recourant, après avoir quitté sa case, sortait de cette aire et bifurquait à droite pour s'engager dans la voie d'entrée et de sortie, en vue de quitter la place de parc (parking). Le recourant survenait ainsi sur la droite de l'automobiliste Y., de sorte qu'il bénéficiait de la priorité. Le grief est donc fondé. | null | nan | fr | 2,008 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
2fde03c9-5bf3-49ae-91a6-ea06ad68532a | Urteilskopf
120 II 128
27. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 11. Mai 1994 i.S. Eva B. gegen Bank Y. (Berufung) | Regeste
Art. 1104 und 468 Abs. 1 OR
. Tragweite des checkrechtlichen Akzeptverbots.
Art. 1104 OR
ist rein wertpapierrechtlich zu verstehen und schliesst nicht aus, dass sich die bezogene Bank nach den allgemeinen schuldrechtlichen Regeln gegenüber dem Checkinhaber zur Zahlung verpflichtet. | Sachverhalt
ab Seite 128
BGE 120 II 128 S. 128
A.-
Die X. Corp., bot ihren Kunden lukrative Kapitalanlagen an. Ihr Geschäftsführer A. gab jedoch, wie sich später herausstellte, bloss vor, im Interesse der Anleger Börsengeschäfte zu tätigen, während er in Wirklichkeit aus den neu eingehenden Geldern jeweils - nach dem Schneeballsystem - die versprochenen Renditen bestehender Einlagen auszahlte. Anfangs 1990 begann die Staatsanwaltschaft Düsseldorf wegen Betrugs zu ermitteln.
A. stellte am 6. Februar 1990 namens der X. Corp. einen Check über DM 2'161'551.-- an die Order von Eva B. aus, gezogen auf die Bank Y.. Über die Bank Z. gelangte der Check am 12. Februar 1990 zur Bank Y., welche ihn am 13. Februar 1990 der X. Corp. belastete. Mit Telex vom 14. Februar 1990 ersuchte die Bank Z. die Bank Y. um "dringende Rückantwort per Telex
BGE 120 II 128 S. 129
bezüglich der Einlösung des Checks sowie der Valuta, mit der ihr der Betrag angeschafft" werde. Die Bank Y. antwortete mit Telex vom gleichen Tag: "WIR ZAHLEN DM 2'161'551.-- MIT VAL 16.2.90 DURCH DEUTSCHE BANK AG, FRANKFURT". In der Folge widerrief indessen die Bank Y. diese Zusage, nachdem sie erfahren hatte, dass die Staatsanwaltschaft Düsseldorf gegen die X. Corp. ermittelte.
B.-
Am 16. Januar 1991 klagte Eva B. beim Handelsgericht des Kantons Zürich gegen die Y. Bank auf Bezahlung von Fr. 1'804'895.-- (DM 2'161'551.-- zum Kurs von 83.50) zuzüglich Zins und Kosten. Das Handelsgericht wies die Klage mit Entscheid vom 25. Juni 1993 ab.
C.-
Das Bundesgericht weist die von der Klägerin eingelegte Berufung ab und bestätigt das handelsgerichtliche Urteil.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Die Klägerin stützt ihr Klagebegehren auf das Zahlungsversprechen der Beklagten vom 14. Februar 1990. Das Handelsgericht ist davon ausgegangen, dass die Beklagte aufgrund dieses Versprechens grundsätzlich zur Honorierung des Checks verpflichtet wäre; es hat die Klage aber aufgrund weiterer Gesichtspunkte, die seiner Auffassung nach angesichts der besonderen Umstände des vorliegenden Falles zu berücksichtigen waren, dennoch abgewiesen (dazu E. 3-4 hienach). Die Beklagte stellt sich demgegenüber in ihrer Berufungsantwort auf den Standpunkt, im Hinblick auf das checkrechtliche Akzeptverbot (
Art. 1104 OR
) sei eine Zahlungspflicht schon aus grundsätzlichen Erwägungen zu verneinen...
a) Die Beklagte ist, obschon sie keine Abänderung, sondern im Gegenteil Bestätigung des angefochtenen Urteils beantragt, befugt, einzelne von dessen Erwägungen im Rahmen der Berufungsantwort als bundesrechtswidrig zu beanstanden (
BGE 118 II 36
E. 3, S. 37;
BGE 61 II 124
E. 1, S. 124 f.).
b) aa) Nach
Art. 1104 OR
kann ein Check nicht angenommen werden und gilt ein auf den Check gesetzter Annahmevermerk als nicht geschrieben. In
BGE 99 II 332
(E. 2a, S. 336) hat das Bundesgericht daraus abgeleitet, dass ein Forderungsrecht des Checkinhabers gegen den Bezogenen nie entstehen könne. Es handelt sich dabei allerdings - bei näherem Zusehen - um ein obiter dictum. Im Entscheid ging es nicht direkt um die Gültigkeit eines Akzeptes, sondern um Fragen der Auslegung von Willenserklärungen
BGE 120 II 128 S. 130
(JÄGGI/DRUEY/VON GREYERZ), Wertpapierrecht, S. 306). Im Urteil des deutschen Bundesgerichtshofes vom 23. Februar 1951 und in der zugehörigen Urteilsanmerkung von HEFERMEHL (NJW 1951, S. 598 f.), auf welche das Bundesgericht verweist, findet sich ebenfalls nur die beiläufige Bemerkung, dass eine rechtliche Pflicht der bezogenen Bank zur Einlösung dem Checkinhaber gegenüber nicht bestehe; eine nähere Auseinandersetzung mit der Tragweite des checkrechtlichen Akzeptverbots unterbleibt auch hier.
Eingehend mit dieser Frage befasst sich hingegen das Zürcher Handelsgericht in einem Entscheid vom 14. Februar 1974 (publiziert in SJZ 71/1975, S. 96 ff., und in ZR 73/1974 Nr. 89, S. 232 ff.). Es sieht im Akzeptverbot von
Art. 1104 OR
eine lex specialis zur allgemeinen Regel, wonach Anweisungen angenommen werden können (
Art. 468 Abs. 1 OR
). Die Sonderregel bezieht sich dabei nach Ansicht des Gerichts nur auf Annahmeerklärungen, die auf den Check geschrieben sind, während für das auf andere Weise erklärte Akzept die allgemeinen Regeln gälten. Zur Begründung wird im Urteil im wesentlichen ausgeführt, die beschränkte Tragweite von
Art. 1104 OR
ergebe sich einerseits schon aus dessen Wortlaut, nach welchem nur der "auf den Check geschriebene Annahmevermerk" als "nicht geschrieben" zu gelten habe. Zum gleichen Schluss führe anderseits auch die Berücksichtigung des Normzwecks. Mit dem Akzeptverbot habe der Gesetzgeber namentlich einen banknotenähnlichen Umlauf akzeptierter Checks verhindern wollen, um das Banknotenmonopol der Notenbank zu schützen. Eine ausserhalb der Checkurkunde abgegebene Verpflichtungserklärung aber könne nur unter den Beteiligten wirken und gehe nicht mit dem Check-Papier auf dessen jeweiligen Inhaber über. Ein solches Akzept könne deshalb das Privileg der Notenbank zur Ausgabe von Papiergeld zum vornherein nicht beeinträchtigen (a.a.O., E. 3.1).
Die Auffassung, dass
Art. 1104 OR
nur Zusicherungen erfasst, die auf der Checkurkunde selber festgehalten sind, verdient Zustimmung. Sie entspricht denn auch einhelliger Lehre (OR-WIDMER, N. 2 zu Art. 1104; GUHL/KUMMER/DRUEY, Das Schweizerisch Obligationenrecht, 8. Aufl. 1991, S. 854; JÄGGI/DRUEY/VON GREYERZ, a.a.O., S. 306; MEIER-HAYOZ/VON DER CRONE, Wertpapierrecht, S. 238 Rz. 22; ZIMMERMANN, Kommentar des Schweiz. Scheckrechts, N. 7 zu Art. 1104; AUCKENTHALER, Das Verbot des Checkakzeptes, Diss. Basel 1958, S. 33; ebenso auch die deutsche Lehre und Rechtsprechung: BAUMBACH/HEFERMEHL, Komm. Wechselgesetz und Scheckgesetz, 18. Aufl. 1993,
BGE 120 II 128 S. 131
N. 2 zu Art. 4 SchG mit weiteren Hinweisen). Der Check ist vom Gesetzgeber als Zahlungsmittel konzipiert.
Art. 1104 OR
soll verhindern, dass dieses Wertpapier ihm nicht zugedachte Funktionen übernimmt, namentlich zum Kreditmittel oder zum Banknotenersatz wird und damit das Banknotenmonopol des Bundes (
Art. 39 BV
) beeinträchtigt (OR-WIDMER, N. 1 zu Art. 1104). Das Akzeptverbot ist daher nur wertpapierrechtlich zu verstehen. Es lässt zwar keine wertpapierrechtliche Verpflichtung aus Checkakzept zu, schliesst aber nicht aus, dass sich die bezogene Bank ausserhalb des Checks nach den allgemeinen schuldrechtlichen Regeln gegenüber dem Checkinhaber zur Zahlung verpflichtet.
bb) Angesichts seiner bloss beschränkten Tragweite steht das Akzeptverbot namentlich der Verbindlichkeit einer Checkeinlösungszusage nicht entgegen, welche die bezogene Bank auf Anfrage des Checkinhabers erteilt (OR-WIDMER, a.a.O.; ALBISETTI/BOEMLE/EHRSAM/GSELL/NYFFELER/RUTSCHI, Handbuch des Geld-, Bank- und Börsenwesens, 4. Aufl. 1987, S. 178; ZIMMERMANN, a.a.O., N. 7 zu Art. 1104 in fine; BAUMBACH/HEFERMEHL, a.a.O., N. 2 und 4 zu Art. 4 SchG). Eine derartige Zusage ist - übereinstimmend mit dem zitierten Urteil des Zürcher Handelsgerichts - als Annahme der im Check enthaltenen Anweisung (
Art. 468 Abs. 1 OR
) aufzufassen.
cc) Die bezogene Bank kann sich auf Anfrage hin verbindlich verpflichten, den Check einzulösen (Checkeinlösungszusage), oder aber - ohne eine Zahlungspflicht zu übernehmen - bloss bestätigen, dass der Check im Zeitpunkt der Auskunfterteilung gedeckt ist (Deckungsbestätigung). Welcher Sinn der Erklärung zukommt, entscheidet sich danach, wie sie der Empfänger nach den Umständen in guten Treuen verstehen durfte und musste (
BGE 118 II 130
E. 2b, S. 132;
117 II 273
E. 5a, S. 278 f., mit Hinweisen). Gibt die Bank Auskunft, bevor ihr der Check vorliegt, kann unsicher sein, ob er auch im Zeitpunkt seiner Vorlage noch gedeckt sein wird. Eine verbindliche Checkeinlösungszusage darf diesfalls deshalb nicht leichthin angenommen werden; der Checkinhaber darf nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass die Bank die Gefahr auf sich nehmen will, gegebenenfalls aus eigener Tasche bezahlen zu müssen (vgl. BAUMBACH/HEFERMEHL, a.a.O., N. 4 zu Art. 4 SchG; ferner auch JÄGGI/DRUEY/VON GREYERZ, a.a.O., S. 310). Anders verhält es sich jedoch, wenn die Bank erst nach der Vorlegung des Checks angefragt wird, ob sie diesen einlösen werde. Da hier kein Deckungsrisiko besteht, darf der Checkinhaber davon ausgehen, dass sich die Bank mit einer
BGE 120 II 128 S. 132
vorbehaltlos geäusserten bejahenden Antwort zur Zahlung verpflichtet.
c) Das entspricht der Sachlage des vorliegenden Falles. Als die Beklagte, ohne irgendwelche Vorbehalte anzubringen, am 14. Februar 1990 per Telex erklärte, den Checkbetrag zu bezahlen, war sie bereits im Besitz des Checks. Die Erklärung durfte deshalb nach dem Gesagten seitens der Klägerin klarerweise als verbindliche Zusage der Einlösung des Checks aufgefasst werden. Da diese Zusage nicht etwa durch Vermerk auf der Checkurkunde, sondern separat im Fernschreiben der Beklagten vom 14. Februar 1990 erteilt worden ist, fällt sie nach dem Gesagten (E. b/aa und bb hievor) nicht unter das checkrechtliche Akzeptverbot. Von einer Umgehung des
Art. 1104 OR
kann entgegen der Meinung der Beklagten ebenfalls keine Rede sein; ausserhalb der Checkurkunde erklärte Einlösungsversprechen laufen dem Zweck dieser Vorschrift nicht zuwider (E. b/aa hievor; vgl. ferner auch ZR 73/1974 Nr. 89, S. 233 f.; SJZ 71/1975, S. 97). Die Vorinstanz ist somit zu Recht davon ausgegangen, dass die Beklagte aufgrund ihres Telex vom 14. Februar 1990 grundsätzlich zur Zahlung verpflichtet ist...
3.
und 4.- (Die Abweisung der Klage durch das Handelsgericht erweist sich als richtig, da aufgrund der tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil davon auszugehen ist, dass die Annahmerklärung der Beklagten auf Willensmangel beruhte). | public_law | nan | de | 1,994 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
2fdf743c-c7f0-4233-bf5a-8fa8d4d46e06 | Urteilskopf
120 V 288
39. Urteil vom 28. März 1994 i.S. P. gegen Kantonale Ausgleichskasse des Wallis, Sitten, und Kantonales Versicherungsgericht, Sitten | Regeste
Art. 16 Abs. 1 IVG
,
Art. 5 Abs. 3 und Abs. 4 IVV
:
- Transportkostenvergütung im Rahmen der erstmaligen beruflichen Ausbildung: Anwendung der Austauschbefugnis.
- Der Versicherte, der infolge Invalidität die Vergütung der Taxikosten für die Fahrten zwischen seinem Wohnort und der von ihm besuchten Mittelschule beanspruchen könnte, den Schulweg aber nicht im Taxi zurücklegt, sondern von seinen Eltern mit dem Auto zur Schule gebracht und von dort abgeholt wird, hat Anspruch auf Übernahme der durch den Transport im elterlichen Fahrzeug tatsächlich anfallenden Mehrkosten durch die Invalidenversicherung.
- Berechnung der invaliditätsbedingten Mehrkosten. | Sachverhalt
ab Seite 288
BGE 120 V 288 S. 288
A.-
Der 1974 geborene, in V. wohnhafte P. leidet an der Werdnig-Hoffmann-Krankheit, einer progressiven spinalen Muskelatrophie. Die Invalidenversicherung erbrachte Leistungen zur Behandlung dieses Geburtsgebrechens, sprach Pflegebeiträge zu, gab Hilfsmittel ab und übernahm die für den Schulbesuch notwendigen, invaliditätsbedingten Transportkosten. Unter diesem Titel gewährte sie dem Versicherten, der seit August 1988 die Maturitätsschule in X besucht, je Fahrt von seinem Wohnort
BGE 120 V 288 S. 289
zur Schule und zurück im von seinen Eltern geführten Personenwagen (Nissan "Prairie") einen Betrag von Fr. 18.--, dies so lange, bis die Beiträge die Höhe des Kaufpreises des Autos erreicht hatten (Verfügung der Kantonalen Ausgleichskasse des Wallis vom 12. Oktober 1984). Nach diesem Zeitpunkt vergütete die Invalidenversicherung eine Kilometer-Entschädigung von 45 Rappen.
Im Sommer 1991 teilte der Vater von P. der Invalidenversicherungs-Kommission mit, sein Sohn sei seit 1984 erheblich grösser und schwerer geworden. Er beabsichtige deshalb, im Hinblick auf den Transport seines an den Rollstuhl gebundenen Sohnes zur Schule ein grösseres Fahrzeug zu erwerben. Mit dieser Begründung ersuchte er um Vergütung eines Betrages von Fr. 25.-- je Fahrt zur Schule, entsprechend den Kosten eines Taxitransportes, dies bis zur Höhe der Anschaffungskosten des Personenwagens, die sich, einschliesslich der behinderungsbedingt notwendigen Umbaukosten, auf rund Fr. 60'000.-- beliefen. Gestützt auf einen Beschluss der Invalidenversicherungs-Kommission eröffnete die Ausgleichskasse dem Vater von P., dass für die Transportkosten lediglich eine Kilometerentschädigung von 45 Rappen ausgerichtet werde, während sie die Begehren um Übernahme der invaliditätsbedingten Änderungen am Fahrzeug und um Beteiligung an den Anschaffungskosten ablehnte (Verfügung vom 17. Januar 1992).
B.-
Der Vater des Versicherten liess Beschwerde führen mit den Anträgen, es sei ihm, unter Aufhebung der angefochtenen Verfügung, eine Entschädigung für das benötigte Fahrzeug im Sinne eines Hilfsmittels zuzusprechen; eventuell sei die Sache zu neuer Beurteilung an die Verwaltung zurückzuweisen. Mit Entscheid vom 28. Januar 1993 wies das Kantonale Versicherungsgericht des Wallis die Beschwerde ab.
C.-
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt der Vater des Versicherten den vorinstanzlich gestellten Hauptantrag erneuern.
Während die Ausgleichskasse auf eine Stellungnahme der Invalidenversicherungs-Kommission verweist, die sich in ablehnendem Sinne äussert, beantragt das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV), in teilweiser Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde seien die Transportkosten in Anwendung der Austauschbefugnis zu vergüten; dabei sei die Entschädigung auf der Grundlage der tatsächlichen Transportkosten mit dem eigenen Fahrzeug, der hypothetischen Aufwendungen für die Taxibenützung und der Kosten eines Personenwagens der unteren Preisklasse zu berechnen.
BGE 120 V 288 S. 290
Die hypothetischen Taxikosten stellten die höchstmögliche Entschädigung dar. Von den effektiven Transportkosten seien, im Sinne eines Selbstbehaltes, die Kosten eines Personenwagens der unteren Preisklasse abzuziehen, könne doch davon ausgegangen werden, dass die Eltern auch ohne Invalidität ihres Sohnes einen solchen benützen würden.
Erwägungen
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Ein Anspruch des Beschwerdeführers auf Leistungen gestützt auf
Art. 21 und 21bis IVG
fällt nach den zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz, auf welche verwiesen werden kann, nicht in Betracht.
2.
a) Nach
Art. 16 Abs. 1 IVG
haben Versicherte, die noch nicht erwerbstätig waren und denen infolge Invalidität bei der erstmaligen beruflichen Ausbildung in wesentlichem Umfange zusätzliche Kosten entstehen, Anspruch auf Ersatz dieser Kosten, sofern die Ausbildung den Fähigkeiten des Versicherten entspricht. Als erstmalige berufliche Ausbildung gilt gemäss
Art. 5 Abs. 1 IVV
jede Berufslehre oder Anlehre sowie, nach Abschluss der Volks- oder Sonderschule, der Besuch einer Mittel-, Fach- oder Hochschule und die berufliche Vorbereitung auf eine Hilfsarbeit oder auf die Tätigkeit in einer geschützten Werkstätte. Laut
Art. 5 Abs. 3 IVV
werden die aus der erstmaligen beruflichen Ausbildung entstehenden zusätzlichen Kosten ermittelt, indem die Kosten der Ausbildung des Invaliden den mutmasslichen Aufwendungen gegenübergestellt werden, die bei der Ausbildung eines Gesunden zur Erreichung des gleichen beruflichen Zieles notwendig wären. Anrechenbar im Rahmen dieser Bestimmung sind insbesondere die Transportkosten (
Art. 5 Abs. 4 IVV
).
b) Nach der Verwaltungspraxis (Rz. 27 des Kreisschreibens des BSV über die Eingliederungsmassnahmen beruflicher Art, gültig ab 1. Januar 1983, in Verbindung mit Rz. 20 und Rz. 39 sowie Anhang 4 des Kreisschreibens des BSV über die Vergütung der Reisekosten, gültig ab 1. März 1982) wird im Rahmen der erstmaligen beruflichen Ausbildung unter dem Titel Transportkosten für die Verwendung privater Personenwagen ein Kilometer-Ansatz von 45 Rappen vergütet.
3.
Im vorliegenden Fall steht fest, dass der Beschwerdeführer aufgrund seines Gebrechens nicht in der Lage ist, den täglichen Schulweg in einem öffentlichen Verkehrsmittel oder mit dem Fahrrad zurückzulegen, weshalb er
BGE 120 V 288 S. 291
gestützt auf
Art. 16 Abs. 1 IVG
in Verbindung mit
Art. 5 Abs. 4 IVV
Anspruch auf Vergütung der mit der erstmaligen beruflichen Ausbildung verbundenen invaliditätsbedingten Mehrkosten für den Transport zur Schule hat. Streitig und näher zu prüfen ist, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die durch den Transport im von den Eltern angeschafften und mit Rücksicht auf die Behinderung des Beschwerdeführers umgebauten Personenwagen entstehenden Kosten von der Invalidenversicherung zu übernehmen sind.
a) In Anwendung der vorstehend zitierten Verwaltungsweisungen hat die Ausgleichskasse dem Versicherten für diese Kosten eine Kilometer-Entschädigung von 45 Rappen zugesprochen, was nach den unbestritten gebliebenen Ausführungen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde umgerechnet auf ein Jahr einen Betrag von rund Fr. 1'080.-- ergibt (200 Schultage à 12 km x 45 Rappen). Die Vorinstanz hat die angefochtene Verwaltungsverfügung unter Hinweis auf das in ZAK 1986 S. 633 ff. publizierte Urteil F. vom 22. Mai 1986 bestätigt.
In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird eingewendet, dass der Versicherte einen weit höheren Betrag beanspruchen könnte, wenn er die Fahrten zwischen seinem Wohnort und der Schule statt als Mitfahrer im Auto seiner Eltern in einem Taxi zurücklegte.
Das BSV weist darauf hin, dass bei Anwendung der Kilometerentschädigung von 45 Rappen in Anbetracht der kurzen Wegstrecke zwischen dem Wohnort des Versicherten und der Ausbildungsstätte für die Eltern eine bescheidene, nicht kostendeckende Vergütung resultiere, die zudem in einem Missverhältnis zu den Kosten eines entsprechenden Taxi-Transportes stehe. Der Entscheid der Eltern, ein eigenes Fahrzeug anzuschaffen, statt die Transporte mit dem Taxi durchführen zu lassen, habe für die Invalidenversicherung beträchtliche Einsparungen zur Folge. Unter diesen Umständen erscheine es gerechtfertigt, die Entschädigung in Anwendung der Austauschbefugnis festzusetzen.
b) Im Urteil F. vom 22. Mai 1986 (ZAK 1986 S. 633 ff.) hat das Eidg. Versicherungsgericht zum Anspruch auf die Vergütung der Transportkosten im Rahmen der erstmaligen beruflichen Ausbildung ausgeführt, dass der für die Fortbewegung auf einen Rollstuhl angewiesene Versicherte lediglich die Übernahme der Transportkosten im Rahmen von
Art. 5 Abs. 4 IVV
verlangen kann, und diesbezüglich festgehalten, dass der Betrag von 45 Rappen pro Kilometer den hiefür geltenden Richtlinien der Verwaltung entspricht (S. 635 Erw. 4b).
BGE 120 V 288 S. 292
c) Im Hilfsmittelbereich der Invalidenversicherung hat das Eidg. Versicherungsgericht folgenden Grundsatz aufgestellt: Umfasst ein vom Versicherten selber angeschafftes Hilfsmittel, auf das kein Anspruch besteht, auch die Funktion eines ihm an sich zustehenden Hilfsmittels, so steht einer Gewährung von Amortisations- oder Kostenbeiträgen nichts entgegen; diese sind alsdann auf der Basis der Anschaffungskosten des Hilfsmittels zu berechnen, auf das der Versicherte an sich Anspruch hat (
BGE 111 V 213
Erw. 2b und 215, 107 V 89; ZAK 1988 S. 182 Erw. 2b, 1986 S. 527 Erw. 3a; vgl. auch
Art. 2 Abs. 5 HVI
). Diese sogenannte Austauschbefugnis des Versicherten (vgl. dazu MEYER-BLASER, Zum Verhältnismässigkeitsgrundsatz im staatlichen Leistungsrecht, Diss. Bern 1985, S. 87 ff.) hat das Gericht nicht nur im Hilfsmittelbereich, sondern namentlich auch auf dem Gebiete der medizinischen Massnahmen (
Art. 12 ff. IVG
) als zulässig erachtet (
BGE 120 V 280
, K. vom 5. August 1993 und S. vom 22. März 1989). Wie das BSV zutreffend feststellt, steht einer Anwendung der Rechtsprechung über die Austauschbefugnis auch im Bereich der Transportkostenvergütung im Sinne von
Art. 16 Abs. 1 IVG
in Verbindung mit
Art. 5 Abs. 4 IVV
- betreffend das Verhältnis der von den Eltern des Versicherten durchgeführten Fahrten im eigenen Auto zum Transport mit einem Taxi - nichts entgegen. Insbesondere lässt sich auch dem vorstehend zitierten Urteil F. (ZAK 1986 S. 633 ff.) nicht entnehmen, dass die Austauschbefugnis des Versicherten im Zusammenhang mit der Transportkostenvergütung gemäss
Art. 5 Abs. 4 IVV
nicht zum Tragen kommen könnte; in jenem Fall war in erster Linie streitig, ob der Versicherte die Anspruchsvoraussetzungen in bezug auf Beiträge an die Kosten von Dienstleistungen Dritter im Sinne von
Art. 21bis Abs. 2 IVG
und
Art. 9 Abs. 1 HVI
erfüllte, während die vorliegend interessierende Frage der Austauschbefugnis des Versicherten nicht erörtert wurde.
d) Der Beschwerdeführer hätte gestützt auf
Art. 16 Abs. 1 IVG
und
Art. 5 Abs. 4 IVV
für den Transport von der elterlichen Wohnung zur Schule und zurück unbestrittenermassen Anspruch auf die Vergütung der anfallenden Taxikosten, abzüglich der Kosten, die ihm auch ohne Invalidität für den Schulweg entstünden. Seine Eltern gaben indessen einer anderen zweckmässigen Lösung den Vorzug, indem sie ein geeignetes Auto kauften, dieses mit Rücksicht auf die Behinderung umbauen liessen und damit den Transport zwischen Wohnort und Schule bewerkstelligen. Auf die Übernahme dieser Anschaffungs- und Abänderungskosten durch die Invalidenversicherung
BGE 120 V 288 S. 293
besteht kein gesetzlicher Anspruch. Hingegen kann der Beschwerdeführer in Anwendung der Austauschbefugnis die Vergütung der durch den Transport im elterlichen Fahrzeug tatsächlich entstehenden Kosten, abzüglich der auch ohne Invalidität anfallenden Kosten für den Schulweg, beanspruchen. Es stellt sich die Frage, wie die Kosten des Transports mit dem Auto der Eltern zu berechnen sind.
e) Um die tatsächlich entstehenden Mehrkosten im Sinne von
Art. 5 Abs. 3 IVV
zu ermitteln, ist vom Kaufpreis des angeschafften Fahrzeuges, zuzüglich der Kosten für die invaliditätsbedingten Abänderungen, auszugehen. Von diesem Betrag sind die Anschaffungskosten für einen Personenwagen mittlerer Preislage abzuziehen, den die Eltern aller Wahrscheinlichkeit nach erworben hätten, wenn ihr Sohn nicht invalid wäre. Diese Kosten sind bei der Berechnung des Anspruchs daher ausser acht zu lassen. Der auf diese Weise bestimmte Differenzbetrag ist durch sechs Jahre, entsprechend der "heute zu erwartenden Lebensdauer" eines Fahrzeuges (
BGE 119 V 255
; Rz. 10.05.3* der Wegleitung des BSV über die Abgabe von Hilfsmitteln durch die Invalidenversicherung, gültig ab 1. Januar 1989), zu dividieren. Zum daraus resultierenden Betrag sind sodann einerseits die auf den Transport zur Schule zurückzuführenden Betriebs- und Unterhaltskosten des Fahrzeuges - zweckmässigerweise mittels einer Kilometerpauschale - hinzuzuzählen; andererseits sind die in einem Jahr anfallenden, hypothetischen Kosten für die Zurücklegung des Schulweges mit einem öffentlichen Verkehrsmittel oder Fahrrad abzuziehen. Das Ergebnis entspricht den jährlichen invaliditätsbedingten Mehrkosten für den Transport zwischen Wohnort und Schule, die dem Beschwerdeführer von der Invalidenversicherung zu vergüten sind. Dabei darf die Entschädigung die hypothetischen Taxikosten nicht übersteigen.
Die Verwaltung, an welche die Sache zurückzuweisen ist, wird die zur Berechnung der Transportkostenentschädigung erforderlichen Abklärungen treffen und hernach über den Anspruch neu verfügen. | null | nan | de | 1,994 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
2ff1787a-f2cc-4b27-9a89-805307ebead8 | Urteilskopf
113 II 484
85. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 5. November 1987 i.S. Halter gegen Kuster (Berufung) | Regeste
Bäuerliches Erbrecht: Zuweisung eines landwirtschaftlichen Heimwesens zum Ertragswert (
Art. 620 Abs. 1 ZGB
).
1. Für den Entscheid, ob eine bestimmte Grundstückfläche von der Integralzuweisung auszunehmen sei, sind die Auswirkungen auf die Rentabilität des landwirtschaftlichen Gewerbes ohne Belang (Erw. 5).
2. Zuweisungsrechtliche Behandlung einer in der Industriezone gelegenen Grundstückfläche:
- Einfluss des Zonenplanes auf den Zuweisungsentscheid (Erw. 6a);
- Grad der Erschliessung, der für den Ausschluss einer Grundstückfläche von der Integralzuweisung erreicht sein muss (Erw. 6d);
- Gesichtspunkt der Sicherstellung hinreichender Fruchtfolgeflächen (Erw. 6e). | Sachverhalt
ab Seite 485
BGE 113 II 484 S. 485
Der am 22. Februar 1984 verstorbene Ernst Kuster-Ludwig hinterliess als gesetzliche Erben seine Ehefrau Charlotte Kuster-Ludwig sowie den Sohn Ernst Kuster-Straub und die Tochter Charlotte Halter-Kuster. Hauptbestandteil des Nachlasses bildet das in der Stadtgemeinde St. Gallen gelegene landwirtschaftliche Gewerbe "Oberschachen", bestehend aus der Hauptparzelle Nr. 1939 im Halte von rund 9,4 Hektaren sowie drei Waldparzellen, wovon eine in Untereggen. Der nördlichste Teil von Parzelle Nr. 1939 ist mit rund zwei Hektaren der Industriezone zugewiesen. Das Heimwesen wurde bis 1967 durch den Erblasser bewirtschaftet; seither hat es der Sohn Ernst Kuster-Straub, der seit 1945 auf dem Hof mitgearbeitet hatte, in Pacht; dessen dreissigjähriger Sohn Martin ist ebenfalls gelernter Landwirt und im Betrieb tätig. Zur Zeit werden rund zwanzig Hektaren an verschiedenen Orten gelegenen Pachtlandes mitbewirtschaftet, so dass der Landwirtschaftsbetrieb gesamthaft rund dreissig Hektaren umfasst.
Am 23. Mai 1985 erhob Ernst Kuster-Straub beim Vermittleramt St. Gallen Klage gegen seine beiden Miterbinnen mit folgendem Rechtsbegehren:
"Es sei das landwirtschaftliche Gewerbe der Erbengemeinschaft Ernst Kuster-Ludwig (dieser gestorben am 22.2.1984) (vor allem umfassend die Liegenschaften St. Fiden Parz. Nr. 1939, Parz. Nr. 1943 (Wald Martinstobel), Parz. Nr. 1951 (Schachenwald) und Parz. Nr. 185/187 (Wald Untereggen) sowie Ökonomiegebäude mit Remisen und Wohnhaus) dem Kläger gemäss
Art. 620 ZGB
zum Ertragswert auf Anrechnung ungeteilt zuzuweisen."
Während Charlotte Kuster-Ludwig das Begehren ihres Sohnes anerkannte, widersetzte sich Charlotte Halter-Kuster (im folgenden Beklagte genannt) der Klage. Diese wurde in der Folge beim Bezirksgericht St. Gallen anhängig gemacht.
Mit Urteil vom 10. Januar 1986 hiess das Bezirksgericht St. Gallen (3. Abteilung) die Klage gut. Eine von der Beklagten hiegegen erhobene Berufung wurde von der I. Zivilkammer des Kantonsgerichts St. Gallen mit Urteil vom 15. Dezember 1986 abgewiesen.
Gegen den kantonsgerichtlichen Entscheid hat die Beklagte Berufung an das Bundesgericht erhoben mit den Anträgen, jener sei aufzuheben und die Klage auf Integralzuweisung der Nachlassliegenschaft "Oberschachen" sei abzuweisen.
BGE 113 II 484 S. 486
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
Die Prozessparteien sind sich darin einig, dass das landwirtschaftliche Gewerbe "Oberschachen" grundsätzlich gemäss
Art. 620 ZGB
zum Ertragswert auf Anrechnung dem Kläger zugewiesen werden soll. Umstritten ist hingegen, ob die Zuweisung auch jene nördliche Teilfläche des Heimwesens zu umfassen habe, die nicht wie das übrige Land samt Wohn- und Ökonomiegebäuden in der Landwirtschafts-, sondern in der Industriezone der Stadt St. Gallen liegt. Während der Kläger auch diesen Teil der Parzelle Nr. 1939 beansprucht, verlangt die Beklagte, dass diese Fläche von rund zwei Hektaren von der Integralzuweisung ausgenommen werde. Einigkeit herrscht zwischen den Parteien darüber, dass sämtliche subjektiven und - die fragliche Teilfläche ausgenommen - auch die objektiven Voraussetzungen von
Art. 620 Abs. 1 ZGB
erfüllt sind.
3.
Das Kantonsgericht ist der Auffassung, für eine Qualifikation des strittigen Teils der Parzelle Nr. 1939 von rund zwei Hektaren als Bauland spreche einzig, dass diese Fläche rechtskräftig der Industriezone der Stadt St. Gallen zugewiesen sei und dass der für das fragliche Land erzielbare Preis den Ertragswert bei weitem übersteige. Aus der Sicht der übrigen Kriterien stelle die strittige Fläche dagegen landwirtschaftlichen Boden dar. Die Vorinstanz weist darauf hin, dass es sich bei den rund zwei Hektaren um besten Boden handle und sie zum Kernland des Betriebes gehörten. Der fragliche Parzellenteil sei mit der Hauptparzelle fast schicksalshaft verbunden, weshalb eine gesonderte Behandlung nicht ohne ernsthafte Auswirkungen auf den ganzen Hof bleiben könne. Zwar bewirtschafte der Kläger derzeit rund zwanzig Hektaren Pachtland, doch könne dieses wegen der stets möglichen Fluktuationen dem Eigenland nicht gleichgesetzt werden. Es diene der agrarpolitisch erwünschten Stabilisierung eines Betriebs, wenn der Kernbestand an Eigenland erhalten bleibe.
Im Zusammenhang mit der mutmasslichen künftigen Verwendung des eingezonten Parzellenteils weist die Vorinstanz zunächst auf die Entschlossenheit des Klägers und seines Sohnes Martin zur weiteren landwirtschaftlichen Nutzung des fraglichen Landes hin. Ferner hält sie dafür, es bestehe eine nicht unerhebliche Wahrscheinlichkeit, dass dieses als Fruchtfolgefläche in die Richtplanung aufgenommen werde, was sich auf die Nutzungsplanung auswirken dürfte. Ob der strittige Parzellenteil in der Bauzone
BGE 113 II 484 S. 487
verbleiben werde, erscheine als durchaus unsicher; der gegenwärtigen Zoneneinteilung komme keine entscheidende Bedeutung zu; die Zukunftsprognose weise gerade nicht auf den Baulandcharakter der Teilparzelle hin. Schliesslich erwog das Kantonsgericht, der Hof "Oberschachen" liege an der Peripherie eines grossen zusammenhängenden Landwirtschaftsgebietes; auch wenn der eingezonte Teil im Norden, Osten und Westen an überbautes Gebiet angrenze, befinde er sich in einer ausgesprochenen Zonen-Randlage, weshalb seine landwirtschaftliche Prägung nicht als störend empfunden werde ...
5.
Unter Hinweis auf einen (in der amtlichen Sammlung nicht veröffentlichten) Entscheid des Bundesgerichts vom 23. Juli 1975 (wiedergegeben bei NEUKOMM/CZETTLER, Das bäuerliche Erbrecht, 5. Auflage, S. 295 ff.) beanstandet die Beklagte sodann die kantonsgerichtliche Feststellung, das in der Industriezone gelegene Land stelle das "Kernstück" des Hofes "Oberschachen" dar, und sie macht darüber hinaus geltend, dass dies ohnehin unerheblich sei; im erwähnten Entscheid habe das Bundesgericht dem objektiven Wert des Baulandes die entscheidende Rolle vor der Tatsache zuerkannt, dass über die zentrale Parzelle zu befinden gewesen sei, deren Abtrennung angeblich dem ganzen Grundstückkomplex die Eigenschaft als landwirtschaftliches Grundstück nehme.
Das Kantonsgericht scheint tatsächlich die Meinung zu vertreten, dass neben der Prognose über die mutmassliche Verwendung des Landes in den nächsten Jahren die Notwendigkeit seiner Erhaltung für den Betrieb ein gewichtiges Entscheidungskriterium darstelle. Diese Auffassung lässt sich mit dem Gesetz nicht vereinbaren.
Art. 617 Abs. 2 ZGB
unterscheidet zwischen den landwirtschaftlichen und den "anderen" Grundstücken. Die gleiche Unterscheidung gilt auch aus der Sicht des
Art. 620 ZGB
. Eine im Zeitpunkt des Zuweisungsentscheids noch landwirtschaftlich genutzte Liegenschaft ist dann zu den "anderen" Grundstücken zu rechnen, d.h. von der Integralzuweisung auszunehmen, wenn sie sofort überbaut werden kann bzw. wenn die bestimmte Erwartung besteht, dass sie sich in naher Zukunft zu anderen als landwirtschaftlichen Zwecken wird verwenden lassen (vgl.
BGE 113 II 138
E. 5a;
BGE 83 II 113
f.; ESCHER, N. 20 zu
Art. 620 ZGB
; TUOR/PICENONI, N. 5 zu
Art. 620 ZGB
; PIOTET, Erbrecht, in: Schweizerisches Privatrecht, Band IV/2, S. 942 f.). Solche Grundstücke sind dem - Sonderrecht darstellenden - bäuerlichen Erbrecht generell nicht unterstellt, und Überlegungen zur Existenzfähigkeit bzw.
BGE 113 II 484 S. 488
Rentabilität des Heimwesens sind in diesem Zusammenhang deshalb unbeachtlich.
6.
Sodann hält das Kantonsgericht auch auf Grund einer Würdigung der Lage und der mutmasslichen künftigen Nutzung der strittigen Fläche von zwei Hektaren dafür, diese sei von der Integralzuweisung des Heimwesens zum Ertragswert an den Kläger nicht auszunehmen. Nach Ansicht der Vorinstanz, die namentlich auf das Interesse an der Erhaltung von Kulturland und die entsprechende Gesetzgebung verweist, besteht eine nicht unerhebliche Wahrscheinlichkeit, dass der fragliche Grundstückteil, der zur Zeit in der Industriezone liegt, als Fruchtfolgefläche in die Richtplanung aufgenommen werde, was sich voraussichtlich auf die Nutzungsplanung auswirken werde.
a) Das Bundesgericht hat in jüngster Zeit verschiedentlich festgehalten, dass die Zuweisung, die ein landwirtschaftlich genutztes Grundstück in der Zonenordnung erfahre, ein wesentliches Kriterium zur Beurteilung seiner künftigen Verwendung darstelle (vgl.
BGE 113 II 136
ff. E. 5a, wo es ebenfalls darum gegangen war, ob einzelne Grundstückflächen von der Integralzuweisung eines landwirtschaftlichen Heimwesens auszunehmen seien). Es wurde dort darauf hingewiesen, dass der Änderung bzw. Neufestlegung der Nutzung durch Planungsmassnahmen besonders dann gewisses Gewicht zukomme, wenn sie auf dem am 1. Januar 1980 in Kraft getretenen Bundesgesetz über die Raumplanung (RPG; SR 700) beruhen würden. Die Zoneneinteilung neurechtlicher Nutzungspläne bleibe regelmässig über viele Jahre hinweg gültig. Zwar seien die kantonalen Richtpläne, welche die Raumplanung in den Grundzügen festlegten und wegweisend für die kommunale Nutzungsplanung seien, gemäss
Art. 9 Abs. 3 RPG
in der Regel alle zehn Jahre einer gesamthaften Überprüfung zu unterziehen, doch sei Voraussetzung hiefür, dass sich die Verhältnisse erheblich geändert hätten oder dass gewichtige Gründe tatsächlicher oder rechtlicher Natur für eine Anpassung gegeben seien. Im erwähnten Entscheid hat das Bundesgericht weiter festgehalten, dass hinsichtlich eingezonter, jedoch noch landwirtschaftlich genutzter Grundstücke im allgemeinen angenommen werden dürfe, dass sie unter dem Einfluss des erhöhten Nachfragedrucks, aber auch der sich ebenfalls am Nutzungsplan orientierenden Erschliessung bzw. Infrastrukturanpassung innerhalb einer fünfzehnjährigen Zeitspanne (vgl.
Art. 15 RPG
) für die Landwirtschaft verloren gingen. Landwirtschaft werde auf solchen Flächen gewissermassen nur noch auf
BGE 113 II 484 S. 489
Zusehen hin betrieben. Bei der Beurteilung der Frage, ob einem Grundstück im Sinne von
Art. 620 ZGB
landwirtschaftlichen Charakter beizumessen sei, das heisst, ob gesagt werden könne, es bestehe für die absehbare Zukunft keine bestimmte Erwartung für eine Überbauung, würden vom Raumplanungsrecht geprägte Nutzungspläne deshalb ein gewichtiges Indiz bilden.
Die Ausscheidung eines Grundstücks im Zonenplan ist für den Zuweisungsrichter freilich nicht absolut verbindlich. Dieser hat anhand der konkreten Gegebenheiten vielmehr für die einzelnen Grundstücke zu prüfen, ob sich nicht allenfalls eine vom Plan abweichende Prognose aufdränge. Zu denken ist namentlich etwa an die voraussichtliche Nachfrage für den strittigen Teil des landwirtschaftlichen Heimwesens, die ihrerseits von der vorhandenen Infrastruktur (Erschliessung, Quartierplan usw.) abhängt, sowie an planerische Massnahmen die seit dem Inkrafttreten der geltenden Nutzungsordnung in die Wege geleitet wurden. Unerheblich sind dagegen subjektive Faktoren, so etwa der Gebrauch, den der Ansprecher des landwirtschaftlichen Gewerbes vom fraglichen Grundstück machen würde, sollte er es zum Ertragswert zugewiesen erhalten.
b) Das Kantonsgericht hält fest, die strittige Fläche von zwei Hektaren befinde sich seit 1978 rechtskräftig in der Industriezone. (Dem von der Vorinstanz angeführten Beschluss des Stadtrates St. Gallen über das Begehren des Erblassers vom 12. Januar 1980 betreffend Zonenänderung lässt sich entnehmen, dass der erwähnte Teil der Parzelle Nr. 1939 bereits im Jahre 1963 in den "Gewerbe- und Industriezonenplan Martinsbruggstrasse" (Teilzonenplan) aufgenommen worden war.) Nach dem gleichen stadträtlichen Entscheid wurde der genannte Teilzonenplan am 9. April 1980 aufgehoben. Am 1. November 1980 trat dann ein umfassender Zonenplan für das ganze Stadtgebiet in Kraft, wonach das hier in Frage stehende Gebiet der Industriezone zugewiesen ist. Ob dieser Plan nach den Grundsätzen des nicht ganz ein Jahr zuvor in Kraft getretenen Raumplanungsgesetzes erarbeitet wurde, geht aus dem angefochtenen Urteil nicht ausdrücklich hervor. Das Kantonsgericht scheint davon auszugehen, stellt es doch unter Berufung auf
Art. 21 Abs. 2 RPG
fest, dass der Zonenplan in absehbarer Zeit neu werde überprüft werden müssen, zumal die gegenwärtige Einzonung schon seit acht Jahren in Kraft stehe.
c) Das Kantonsgericht führt weiter aus, die strittige Landfläche grenze im Norden an die Martinsbruggstrasse und befinde sich in
BGE 113 II 484 S. 490
der Nähe der Autobahnausfahrt St. Gallen-Neudorf. Die unmittelbare Umgebung im Norden, Westen und Osten sei weitgehend überbaut und entsprechend erschlossen. Ob für den strittigen Parzellenteil als Bauland eine konkrete Nachfrage besteht, ergibt sich aus dem angefochtenen Urteil nicht ausdrücklich. Die Vorinstanz hält jedoch fest, dass für die fragliche Fläche ein Preis erzielt werden könnte, der den Ertragswert bei weitem übersteige. Sie verweist in diesem Zusammenhang auf einen Entwurf zu einem Kaufvertrag, wonach die Politische Gemeinde St. Gallen vor einigen Jahren dem Erblasser für die Hälfte des strittigen Parzellenteils (10 000 m2) eine Million Franken, d.h. 100 Franken je m2, angeboten hatte. Angesichts der Person der damaligen Interessentin darf angenommen werden, dass es sich dabei keineswegs um einen Spekulationspreis gehandelt hatte. Mittelbar ergibt sich die Nachfrage für Bauland im fraglichen Gebiet auch aus dem bereits erwähnten Entscheid des Stadtrates, der festgestellt hatte, in der Stadt St. Gallen bestehe ein erheblicher Bedarf an Bauland für Industrie- und Gewerbebetriebe; die im Zonenplan für diesen Zweck bestimmte Fläche sollte deshalb nicht ohne Not verkleinert werden. Der Kläger stellt denn auch selbst nicht in Abrede, dass das Land in kurzer Zeit verkauft werden könnte; er hat einzig den von der Beklagten als erzielbar betrachteten Quadratmeterpreis in Zweifel gezogen.
d) Nach Auffassung des Kantonsgerichts steht einer Qualifizierung des fraglichen Bodens als Bauland unter anderem entgegen, dass er erschliessungsmässig nicht baureif sei. Es hat sich dabei von
Art. 19 Abs. 1 RPG
leiten lassen, wonach Land erschlossen ist, wenn die für die betreffende Nutzung hinreichende Zufahrt besteht und die erforderlichen Wasser-, Energie- sowie Abwasserleitungen so nahe heranführen, dass ein Anschluss ohne erheblichen Aufwand möglich ist. Die Beklagte wendet ein, die vorinstanzlichen Erwägungen seien mit den Begriffen der "anderen Grundstücke" im Sinne von
Art. 617 Abs. 2 ZGB
und des "landwirtschaftlichen Gewerbes" gemäss
Art. 620 Abs. 1 ZGB
nicht zu vereinbaren. Sie macht damit sinngemäss geltend, das Kantonsgericht sei von einem unzutreffenden Begriff der Baureife ausgegangen, d.h. habe verkannt, was an Erschliessung gegeben sein müsse, um im Sinne der Rechtsprechung die bestimmte Erwartung zu begründen, dass das Land in absehbarer Zukunft überbaut werde. Entgegen der Ansicht des Klägers betrifft die beklagtische Rüge damit eine Rechtsfrage, so dass hier darauf einzutreten ist.
BGE 113 II 484 S. 491
Das Kantonsgericht stellt in der Tat zu hohe Anforderungen an die Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, um ein Grundstück von der Integralzuweisung zum Ertragswert auszunehmen. Die Umschreibung der Erschliessung in
Art. 19 Abs. 1 RPG
ist in Verbindung mit
Art. 22 RPG
zu sehen, wonach Bauten und Anlagen nur mit einer behördlichen Bewilligung errichtet oder geändert werden dürfen (Abs. 1) und für die Erteilung dieser Bewilligung verlangt wird, dass das Land erschlossen ist (Abs. 2 lit. b). Die genannten Gesetzesbestimmungen befassen sich somit mit den Bedingungen, die in einem konkreten Fall für die Erteilung der Baubewilligung erfüllt sein müssen. Die Feinerschliessung eines Grundstücks wird indessen regelmässig erst im Hinblick auf ein bestimmtes Bauvorhaben geplant und verwirklicht, und es stünde nicht in Einklang mit der gefestigten Rechtsprechung, ein Grundstück stets nur dann von der Integralzuweisung auszunehmen, wenn es diesen Grad der Erschliessung im Zeitpunkt des Zuweisungsentscheids bereits aufweist, mit andern Worten ein bewilligungsfähiges Bauprojekt besteht. Aus der Sicht der Infrastruktur eines Grundstücks kann von einer bestimmten Erwartung, dieses werde in näherer Zukunft überbaut werden, vielmehr schon dann gesprochen werden, wenn es soweit erschlossen ist, dass die notwendige Resterschliessung sich innert nützlicher Frist verwirklichen lässt. Diese Voraussetzung ist angesichts der Lage der hier strittigen Landfläche und der unmittelbaren Umgebung, die bereits weitgehend überbaut ist, erfüllt. Die Vorinstanz führt wohl aus, dass insbesondere zufolge der ungünstigen Geländeform die strassenmässige Erschliessung noch keineswegs gewährleistet sei. Daraus ergibt sich jedoch nur, dass bei der Erstellung einer privaten Stichstrasse als Verbindung zwischen der öffentlichen Strasse und den zu erstellenden Gebäuden gewisse topographisch bedingte Schwierigkeiten zu überwinden sein würden, nicht aber, dass eine Zufahrt innert nützlicher Frist nicht angelegt werden könnte oder geradezu ausgeschlossen wäre. Letzteres anzunehmen, hiesse übrigens, den in Kraft stehenden Zonenplan hinsichtlich der strittigen Grundstückfläche (die der Industriezone zugewiesen ist) als unbrauchbar zu betrachten. Derart schwerwiegende Planungsmängel sind auf Grund des angefochtenen Entscheids jedoch nicht erstellt.
e) Bei der Begründung seiner Auffassung hat das Kantonsgericht grosses Gewicht auf einen raumplanerischen Gesichtspunkt allgemeiner Art gelegt. Es weist auf die am 1. Mai 1986 in Kraft getretene Verordnung über die Raumplanung (RPV; SR 700.1)
BGE 113 II 484 S. 492
hin, wonach die Behörden des Bundes und der Kantone raumplanerische Massnahmen zur Sicherstellung hinreichender Fruchtfolgeflächen zu treffen hätten. Im Zuge der Vorarbeiten für den kantonalen Gesamtplan habe das Baudepartement des Kantons St. Gallen bereits solche Flächen ermittelt; darunter falle auch der strittige Parzellenteil des Hofes "Oberschachen" und seine Umgebung. Auch wenn diesem Plan als blosser Arbeitsunterlage keine direkten Rechtswirkungen zukämen, gehe daraus dennoch die Eignung der fraglichen Fläche für die ackerbauliche Nutzung hervor. Unter Hinweis auf den Umstand, dass geeignete Fruchtfolgeflächen in der Schweiz und insbesondere auch im Kanton St. Gallen knapp seien, hält die Vorinstanz fest, es bestehe eine nicht unerhebliche Wahrscheinlichkeit, dass auch der strittige Grundstückteil als Fruchtfolgefläche in die Richtplanung aufgenommen werde, was sich in der Folge auf die Nutzungsplanung auswirken dürfte. Obschon denkbar sei, dass die Stadt St. Gallen - aus ihrerseits legitimen Erwägungen - den fraglichen Boden werde in der Industriezone belassen wollen, erscheine es insbesondere angesichts des Mangels an Fruchtfolgeflächen und der Eignung des strittigen Parzellenteils als durchaus unsicher, ob dieser in der Bauzone (Industriezone) verbleiben werde, zumal der Kläger und sein Sohn ihn weiterhin landwirtschaftlich nutzen würden. Der gegenwärtigen Zoneneinteilung komme unter diesen Umständen keine entscheidende Bedeutung zu; die Zukunftsprognose weise gerade nicht darauf hin, dass es sich um Bauland handle.
Dass der Kläger auch die strittige Fläche von zwei Hektaren weiterhin landwirtschaftlich nutzen würde, ist einzig unter dem Gesichtspunkt der subjektiven Voraussetzungen für eine Integralzuweisung von Bedeutung, nicht aber im Zusammenhang mit der Frage, ob der Boden als Bauland zu betrachten sei. Die Ausführungen des Kantonsgerichts sind aber auch sonst nicht geeignet, die eingezonten zwei Hektaren der Parzelle Nr. 1939 als landwirtschaftliches Grundstück erscheinen zu lassen. Aus den von der Vorinstanz festgehaltenen Tatsachen ergibt sich einzig, dass die erwähnte Fläche im Zuge der Sicherstellung von Fruchtfolgeflächen (vgl.
Art. 15 RPV
) in die Landwirtschaftszone umgezont werden könnte. Dass ein entsprechendes Verfahren bereits hängig wäre oder unmittelbar bevorstünde, stellt das Kantonsgericht indessen nicht fest. Den Plan des kantonalen Baudepartements, auf den sich die Vorinstanz hauptsächlich stützt, bezeichnet diese selbst als blosse Arbeitsunterlage, die im Rahmen der Vorarbeiten
BGE 113 II 484 S. 493
für den kantonalen Gesamtplan erstellt worden sei und der keine direkten Rechtswirkungen zukämen. Es folgt aus dem erwähnten Plan auch keineswegs zwingend, dass der für den Kanton St. Gallen im bundesrätlichen Sachplan (vgl.
Art. 14 RPV
) dereinst festgelegte Anteil am gesamtschweizerischen Mindestumfang an Fruchtfolgeflächen nur durch eine Inanspruchnahme des im städtischen Plan erfassten eingezonten und noch nicht überbauten Gebiets sichergestellt werden könnte. Bei der endgültigen Festlegung der einzelnen Fruchtfolgeflächen werden die zuständigen Instanzen unter anderem auch dem Umstand Rechnung zu tragen haben, dass allgemein für die Stadt St. Gallen offenbar ein erheblicher Bedarf an Bauland für Industrie- und Gewerbebetriebe besteht (vgl. den oben in Erw. 6b angeführten Entscheid des Stadtrates) und dass die hier in Frage stehende Landfläche weitgehend von Bauten umgeben ist.
Die Erwägungen des Kantonsgerichts betreffend die Ausscheidung und Sicherstellung von Fruchtfolgeflächen sind nach dem Gesagten nicht geeignet, die auf Grund der gegenwärtigen Einzonung und der weiteren lagemässigen Verhältnisse sich aufdrängende Prognose entscheidend zu beeinflussen. Eine Gesamtwürdigung der zur Zeit gegebenen Umstände lässt entgegen der Auffassung der Vorinstanz auf die bestimmte Erwartung schliessen, dass die strittigen zwei heute in der Industriezone gelegenen Hektaren der Parzelle Nr. 1939 in absehbarer Zukunft als Bauland genutzt werden. Dass eine weitere landwirtschaftliche Nutzung des Parzellenteils nicht als stossend empfunden würde, wie die Vorinstanz ausführt, vermag am Gesagten nichts zu ändern. Die Berufung ist mithin gutzuheissen und die Klage insoweit abzuweisen, als der in der Industriezone gelegene Teil der Parzelle Nr. 1939 von der ungeteilten Zuweisung des landwirtschaftlichen Heimwesens "Oberschachen" an den Kläger auszunehmen ist. | public_law | nan | de | 1,987 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
2ff91d7b-d827-40bf-a7e1-0a68afb109a8 | Urteilskopf
118 Ib 543
67. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 7. August 1992 i.S. S. gegen Bundesamt für Polizeiwesen (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Rechtshilfe an die USA,
Art. 4 Ziff. 2 RVUS
(SR 0.351.933.6); beidseitige Strafbarkeit;
Art. 161 StGB
.
Dass Wertpapiere nicht an Schweizer Börsen kotiert waren, schliesst die Annahme beidseitiger Strafbarkeit und damit die Gewährung der Rechtshilfe nicht aus (Präzisierung von
BGE 116 Ib 94
f. E. 3c/bb). | Sachverhalt
ab Seite 544
BGE 118 Ib 543 S. 544
Das Justizdepartement der Vereinigten Staaten von Amerika stellte am 3. Juli 1991 beim Bundesamt für Polizeiwesen (BAP) ein Rechtshilfeersuchen. Dieses betrifft ein Ermittlungsverfahren, das die amerikanische Börsenaufsichtsbehörde (Securities and Exchange Commission, im folgenden abgekürzt: SEC) wegen Verdachts eines Insidervergehens im Zusammenhang mit dem Kauf und Verkauf von Aktien der Firma F. führt. Im Ersuchen wird vorgebracht, die SEC glaube, dass C., ein Vorstandsmitglied dieser Firma, der Öffentlichkeit nicht zustehende Informationen betreffend die bevorstehende Verbindung der Firma mit einem industriellen Partner verwendet habe, um 20'000 Aktien der F. über die Bank H., Zürich, zu erwerben; die Aktien seien später mit einem Gewinn von 455'880 US-$ verkauft worden. Damit die SEC feststellen könne, ob diese Angelegenheit an die Kriminalstrafverfolgung weitergegeben werden sollte, müsse sie jene Personen identifizieren, die den Kauf der 20'000 Aktien angeordnet hätten, nutzniesserische Besitzer jenes Kontos bei der Bank H. seien, über das sich der Aktienkauf abgewickelt habe, die Überweisungen, mit welchen der Kauf finanziert worden sei, angeordnet oder vom Kauf profitiert hätten. Die SEC benötige deshalb die entsprechenden Dokumente und Informationen von der Bank H. Ausserdem ersuche sie um Sperre jener bei dieser Bank bestehenden Konten, die unter der Kontrolle von C. stünden und auf denen Gelder angelegt seien, von denen angenommen werde, dass sie einen Erlös aus dem später erfolgten Verkauf der 20'000 Aktien darstellten.
Das BAP ordnete am 11. September 1991 an, dem Ersuchen sei zu entsprechen und die Bezirksanwaltschaft Zürich habe die verlangten Untersuchungshandlungen vorzunehmen. Gegen diese Anordnung erhob S., Inhaber eines von den anbegehrten Rechtshilfehandlungen betroffenen Kontos, am 23. September 1991 Einsprache. Diese wurde vom BAP am 27. April 1992 abgewiesen.
S. reichte dagegen Verwaltungsgerichtsbeschwerde ein. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
Der Beschwerdeführer rügt, das BAP habe zu Unrecht angenommen, die Voraussetzungen der beidseitigen Strafbarkeit seien erfüllt.
BGE 118 Ib 543 S. 545
b) Das hier in Frage stehende Rechtshilfeersuchen betrifft ein Ermittlungsverfahren der SEC wegen Verdachts eines Insidervergehens. Die amerikanische Behörde glaubt, dass C., ein Vorstandsmitglied der Firma F., vertrauliche Informationen betreffend die Möglichkeit einer Verbindung dieser Firma mit einem industriellen Partner verwendet habe, um den am 7. Juni 1990 über die Bank H. in Zürich erfolgten Kauf von 20'000 Aktien der F. anzuordnen oder zu veranlassen, welche Aktien später mit einem Gewinn von 455'880 US-$ verkauft worden seien. Das BAP nahm an, diese Handlung würde nach schweizerischem Recht den Tatbestand des Ausnützens der Kenntnis vertraulicher Tatsachen im Sinne von
Art. 161 StGB
erfüllen.
aa) Der Beschwerdeführer wendet zunächst ein, dieser sog. Insidertatbestand werde durch C. nicht erfüllt, da die Aktien der F. nicht an einer Schweizer Börse kotiert gewesen seien.
Nach
Art. 161 Ziff. 1 StGB
wird bestraft, wer als Mitglied des Verwaltungsrates, der Geschäftsleitung, der Revisionsstelle oder als Beauftragter einer Aktiengesellschaft oder einer sie beherrschenden oder von ihr abhängigen Gesellschaft, als Mitglied einer Behörde oder als Beamter oder als Hilfsperson einer der vorgenannten Personen "sich oder einem andern einen Vermögensvorteil verschafft, indem er die Kenntnis einer vertraulichen Tatsache, deren Bekanntwerden den Kurs von in der Schweiz börslich oder vorbörslich gehandelten Aktien, andern Wertschriften oder entsprechenden Bucheffekten der Gesellschaft oder von Optionen auf solche in voraussehbarer Weise erheblich beeinflussen wird, ausnützt oder diese Tatsache einem Dritten zur Kenntnis bringt". Das Bundesgericht hat sich in einem Urteil vom 9. März 1990 (
BGE 116 Ib 89
ff.) im Zusammenhang mit der Voraussetzung der beidseitigen Strafbarkeit nach Art. 5 des Europäischen Rechtshilfeübereinkommens (RS 0.351.1) zur Frage geäussert, ob die in
Art. 161 StGB
enthaltene Umschreibung betreffend "in der Schweiz börslich oder vorbörslich gehandelte" Effekten der Gewährung der Rechtshilfe entgegenstehe, falls die im Ersuchen angeführten Wertpapiere nur im Ausland kotiert seien. Es verneinte die Frage mit der Begründung, die Bezugnahme auf die Schweizer Börsen in Art. 161 StBG grenze lediglich den Anwendungsbereich der Norm in territorialer Hinsicht ab und falle deshalb im Rechtshilfeverfahren für die Beurteilung der Strafbarkeit nach schweizerischem Recht ausser Betracht (
BGE 116 Ib 94
f. E. 3c/bb). Der Beschwerdeführer wendet dagegen mit Recht ein, das Erfordernis der Kotierung der Wertpapiere an einer Schweizer Börse
BGE 118 Ib 543 S. 546
sei nicht als objektive Strafbarkeitsbedingung, sondern als Teil des objektiven Tatbestands von
Art. 161 StGB
zu verstehen und daher bei der Prüfung der Strafbarkeit nach schweizerischem Recht zu berücksichtigen. Hingegen ist er zu Unrecht der Meinung, dieses Tatbestandsmerkmal sei im vorliegenden Fall nicht erfüllt, weil die im amerikanischen Ersuchen genannten Wertpapiere nicht in der Schweiz kotiert gewesen seien. Es ist zu beachten, dass allgemein bei der Beurteilung der Strafbarkeit nach dem Recht des ersuchten Staates der im Rechtshilfebegehren angeführte Sachverhalt sinngemäss umgestellt werden muss, d.h. die verfolgte Tat der Beurteilung so zugrunde zu legen ist, wie wenn sie sich auf dem Gebiet des ersuchten Staates abgespielt hätte (HANS SCHULTZ, Das schweizerische Auslieferungsrecht, Basel 1953, S. 327; WOLFGANG METTGENBERG, Deutsches Auslieferungsgesetz, Mannheim, Berlin, Leipzig 1930, S. 185). Wenn die im vorliegenden Rechtshilfeersuchen angeführten Wertpapiere an einer amerikanischen Börse gehandelt wurden, so muss demnach bei der Prüfung der beidseitigen Strafbarkeit der Sachverhalt sinngemäss umgestellt werden. Die behauptete Straftat wurde in den USA begangen und die Aktien der F. wurden an Börsen der USA gehandelt. Wird der Sachverhalt im erwähnten Sinn umgestellt, so ist von der Vorstellung auszugehen, die Handlung sei in der Schweiz ausgeführt worden und die Aktien seien an schweizerischen Börsen kotiert gewesen. Würde diese Umstellung nicht vorgenommen, so müsste in einem solchen Fall die Rechtshilfe wegen Fehlens der beidseitigen Strafbarkeit verweigert werden. Das liefe aber dem Sinn und Zweck der Vorschrift von
Art. 161 StGB
zuwider, die vor allem deshalb erlassen wurde, weil es im Rechtshilfeverkehr mit den USA bei Insiderfällen Schwierigkeiten gegeben hatte. Zusammenfassend ergibt sich, dass das in
Art. 161 StGB
genannte Erfordernis der Kotierung der Wertpapiere an einer Schweizer Börse ein Tatbestandsmerkmal ist und daher bei der Beurteilung der Strafbarkeit nach schweizerischem Recht zu berücksichtigen ist. Es steht aber der Gewährung der Rechtshilfe nicht entgegen, wenn die im Ersuchen angeführten Wertpapiere nur im Ausland kotiert waren, da bei der Prüfung der Strafbarkeit nach schweizerischem Recht in sinngemässer Umstellung des Sachverhalts anzunehmen ist, die betreffenden Papiere wären, wenn sich die Tat auf dem Gebiet der Schweiz abgespielt hätte, an einer Schweizer Börse gehandelt worden. In diesem Sinne sind die in
BGE 116 Ib 94
f. E. 3c/bb gemachten Erwägungen zu präzisieren. | public_law | nan | de | 1,992 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
2ffc91f7-70fe-49d4-877c-d0b71a94791f | Urteilskopf
126 V 273
46. Auszug aus dem Urteil vom 20. Oktober 2000 i.S. IV-Stelle Basel-Landschaft gegen A. und A. gegen IV-Stelle Basel-Landschaft und Versicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft | Regeste
Art. 6 Abs. 1 und 2,
Art. 36 Abs. 1 IVG
;
Art. 3 Abs. 2 lit. b AHVG
(gültig gewesen bis 31. Dezember 1996);
Art. 3 Abs. 1 und 3 AHVG
; Ziff. 1 lit. c Abs. 1 Satz 1 der Übergangsbestimmungen der 10. AHV-Revision: Invalidenrente und Übergangsrecht.
Bei Versicherungsfällen, die vor dem 1. Januar 1997 eingetreten sind, kann nicht rückwirkend vom Erfordernis der persönlichen Beitragsentrichtung abgesehen werden.
Daher hat eine Antragstellerin, die bei Eintritt der Invalidität 1985 zufolge Wohnsitzes versichert war, aber keine eigene Mindestbeitragsdauer von einem Jahr aufwies, auch nach Inkrafttreten der 10. AHV-Revision, ungeachtet der Beitragszahlungen ihres Ehegatten, keinen Anspruch auf eine Invalidenrente. | Erwägungen
ab Seite 274
BGE 126 V 273 S. 274
Aus den Erwägungen:
2.
Streitig und zu prüfen sind die versicherungsmässigen Voraussetzungen für den Bezug einer Invalidenrente.
a) Nach
Art. 6 Abs. 1 IVG
haben Anspruch auf Leistungen alle bei Eintritt der Invalidität versicherten Schweizer Bürger, Ausländer und Staatenlosen. Ausländische Staatsangehörige sind nach Abs. 2 derselben Bestimmung vorbehältlich des hier nicht relevanten
Art. 9 Abs. 3 IVG
nur anspruchsberechtigt, solange sie ihren Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz haben und sofern sie bei Eintritt der Invalidität während mindestens eines vollen Jahres Beiträge geleistet oder sich ununterbrochen während zehn Jahren in der Schweiz aufgehalten haben.
Gemäss
Art. 36 Abs. 1 IVG
haben Anspruch auf eine ordentliche Rente die rentenberechtigten Versicherten, die bei Eintritt der Invalidität während mindestens eines vollen Jahres Beiträge geleistet haben.
Die nicht erwerbstätigen Ehefrauen von Versicherten waren nach
Art. 3 Abs. 2 lit. b AHVG
(in der bis Ende 1996 gültig gewesenen Fassung) von der Beitragspflicht befreit. Am 1. Januar 1997 trat die 10. AHV-Revision in Kraft. Dabei wurde der soeben erwähnte Abs. 2 lit. b von
Art. 3 AHVG
ersatzlos gestrichen. Neu sind die Versicherten gemäss
Art. 3 Abs. 1 AHVG
beitragspflichtig, solange sie eine Erwerbstätigkeit ausüben. Für Nichterwerbstätige beginnt die Beitragspflicht am 1. Januar nach Vollendung des 20. Altersjahres und dauert bis zum Ende des Monats, in welchem Frauen das 64. und Männer das 65. Altersjahr vollendet haben. Nach
Art. 3 Abs. 3 AHVG
(in Kraft seit 1. Januar 1997) gelten die eigenen Beiträge als bezahlt, sofern der Ehegatte Beiträge von mindestens der doppelten Höhe des Mindestbeitrags bezahlt hat, bei:
a. nichterwerbstätigen Ehegatten von erwerbstätigen Versicherten
b. (...)
Gemäss Ziff. 1 lit. c Abs. 1 Satz 1 der Übergangsbestimmungen zur 10. AHV-Revision (ÜbBest. AHV 10) gelten die neuen Vorschriften für alle Renten, auf die der Anspruch nach dem 31. Dezember 1996 entsteht.
BGE 126 V 273 S. 275
b) Unbestrittenermassen reiste die Versicherte nach ihrer Heirat mit einem italienischen Staatsangehörigen im August 1980 aus Italien in die Schweiz ein. Eigene Beiträge an die Alters- und Hinterlassenenversicherung oder Erziehungszeiten weist sie nur für einen Monat (Mai 1982) nach. Ihr Ehemann hat seit der Einreise jedes Jahr mehr als den doppelten Mindestbeitrag an die Alters- und Hinterlassenenversicherung geleistet.
Im Rahmen eines ersten Rentengesuchs fasste die Invalidenversicherungs-Kommission des Kantons Basel-Landschaft (heute IV-Stelle) am 5. November 1990 einen Beschluss, wonach die Versicherte seit dem 1. Mai 1985 (Ablauf der Wartezeit von einem Jahr gemäss
Art. 29 Abs. 1 lit. b IVG
) zu 100% invalid sei. Mangels Erfüllung der versicherungsmässigen Voraussetzungen (Fehlen eigener Beitragszahlungen) lehnte die Ausgleichskasse Basel-Landschaft jedoch die Auszahlung einer Rente mit Verfügung vom 20. März 1991 ab. Das zweite, vorliegend streitige Gesuch lehnte die IV-Stelle Basel-Landschaft mit derselben Begründung ab.
Die Vorinstanz hingegen erwog, dank der auf 1. Januar 1997 mit der 10. AHV-Revision in Kraft gesetzten neuen Regelung, wonach die Mindestbeitragspflicht auch dann erfüllt sei, wenn der Ehegatte bzw. die Ehegattin der betreffenden Person wenigstens das Doppelte des Mindestbeitrags bezahlt habe, erfülle die Versicherte über die Beiträge ihres Ehegatten nun die versicherungsmässigen Voraussetzungen. Dem widerspricht die Beschwerde führende IV-Stelle mit dem Argument, das neue Recht sei nur anwendbar, wenn der Versicherungsfall für die jeweilige Leistungsart (hier: Invalidenrente) am 1. Januar 1997 oder später eingetreten sei. Die Versicherte sei jedoch schon am 1. Mai 1985 invalid geworden, ihr Versicherungsfall somit vor dem 1. Januar 1997 eingetreten, weshalb die neue Regelung keine Anwendung finde.
c) Zwar trifft zu, dass laut der am 1. Januar 1997 im Rahmen der 10. AHV-Revision in Kraft getretenen Fassung von
Art. 6 Abs. 2 IVG
bei der Ermittlung der einjährigen Mindestbeitragsdauer für den ordentlichen Rentenanspruch nach IVG keine persönliche Beitragsentrichtung mehr nötig ist (
BGE 125 V 254
Erw. 1). Dies verschafft der Versicherten aber noch keinen Anspruch auf eine Invalidenrente. Vielmehr ist Folgendes zu beachten: Die Invalidität gilt laut
Art. 4 Abs. 2 IVG
als eingetreten, sobald sie die für die Begründung des Anspruchs auf die jeweilige Leistung erforderliche Art und Schwere erreicht hat. Vorliegend ist nach dem Gesagten erstellt und im Übrigen nicht bestritten, dass der Versicherungsfall (Eintritt der
BGE 126 V 273 S. 276
Invalidität bezüglich einer Rente) bereits in den 80er Jahren eingetreten ist. Im damaligen Zeitpunkt waren die versicherungsmässigen Voraussetzungen (einjährige Mindestbeitragsdauer) nach den damals geltenden Rechtsvorschriften unbestrittenermassen nicht erfüllt. Daher könnte die Versicherte nach neuem Recht nur dann Anspruch auf eine Invalidenrente erheben, wenn bei Versicherungsfällen, welche vor dem 1. Januar 1997 eingetreten sind, rückwirkend vom Erfordernis der persönlichen Beitragsentrichtung abgesehen werden könnte. Wie das Eidg. Versicherungsgericht in AHI 2000 S. 174 ff. Erw. 3-5 einlässlich dargelegt hat, wollte der Gesetzgeber mit Ausnahme der in Ziff. 1 lit. f Abs. 2 (betrifft Witwenrenten geschiedener Frauen) und Ziff. 1 lit. h (betrifft Staatsangehörige von Ländern ohne Sozialversicherungsabkommen mit der Schweiz) ÜbBest. AHV 10 ausdrücklich geregelten Fälle keine Anknüpfung neuen Rechts an früher eingetretene Versicherungsfälle (erster Satz von Ziff. 1 lit. c Abs. 1 ÜbBest. AHV 10; vgl. ferner
BGE 126 V 5
und nicht veröffentlichtes Urteil H. vom 6. Dezember 1999). Der vorliegende Sachverhalt lässt sich unter keine dieser Ausnahmen subsumieren. Demnach muss es dabei sein Bewenden haben, dass im Zeitpunkt des Versicherungsfalls für eine Rente die versicherungsmässigen Voraussetzungen nicht erfüllt waren und die Versicherte sich nicht rückwirkend auf die erst später in Kraft gesetzten Erleichterungen der 10. AHV-Revision berufen kann. Da sich sodann auch aus dem Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Italienischen Republik vom 14. Dezember 1962 über Soziale Sicherheit nichts zu ihren Gunsten ableiten lässt, hat sie keinen Anspruch auf eine Invalidenrente. | null | nan | de | 2,000 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
2ffddf42-cb22-4cc4-b75e-f9b77fe8f597 | Urteilskopf
118 II 229
46. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 13. Juli 1992 i.S. C. gegen S. (Berufung) | Regeste
Herabsetzung einer Unterhaltsersatzrente wegen verbesserter wirtschaftlicher Verhältnisse des Rentenberechtigten (
Art. 151 Abs. 1 und
Art. 153 Abs. 2 ZGB
).
1. Erheblichkeit der im Scheidungszeitpunkt nicht voraussehbaren Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Rentenberechtigten (E. 3a).
2. Ausreichende Altersvorsorge als Voraussetzung für die Dauerhaftigkeit der Verbesserung (E. 3b).
3. In welchem Umfang ist die Unterhaltsersatzrente wegen verbesserter wirtschaftlicher Verhältnisse des Rentenberechtigten zu kürzen (E. 4)? | Sachverhalt
ab Seite 230
BGE 118 II 229 S. 230
A.-
Mit Urteil des Amtsgerichtes Luzern-Stadt vom 28. Mai 1982 wurde die Ehe von Maria C. und Erwin S. geschieden und dieser unter anderem verpflichtet, seiner geschiedenen Ehefrau eine indexierte Rente nach
Art. 151 ZGB
von monatlich Fr. 1'200.-- zu bezahlen.
B.-
Am 2. Februar 1989 klagte Erwin S. beim Amtsgericht Luzern-Land gegen Maria C. und verlangte die vollständige Aufhebung der Scheidungsrente. Mit Urteil vom 1. September setzte das Amtsgericht die Scheidungsrente auf Fr. 800.-- herab (Indexstand Juli 1989).
Auf Appellation von Maria C. und Anschlussappellation von Erwin S. hin bestätigte das Obergericht am 17. Dezember 1991 dieses Urteil.
C.-
Maria C. gelangt mit Berufung an das Bundesgericht und verlangt die Aufhebung des obergerichtlichen Urteils und die vollumfängliche Abweisung der Klage. Eventuell sei das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass die Reduktion der Rente erst ab dem 1. Januar 1992 wirke. Erwin S. beantragt die Abweisung der Berufung und die Bestätigung des angefochtenen Entscheides. Das Obergericht hat keine Vernehmlassung eingereicht.
Das Bundesgericht weist die Berufung ab, soweit es darauf eintritt, und bestätigt das angefochtene Urteil aus folgenden
Erwägungen
Erwägungen:
2.
Der Kläger verlangt die Abänderung der in der gerichtlich genehmigten Scheidungskonvention festgelegten Rente. Er begründet sein Begehren damit, dass sich die Einkommensverhältnisse der Beklagten seit der Scheidung in damals nicht voraussehbarer Weise erheblich und dauernd verbessert hätten. Die Rente sei deshalb nach
Art. 153 Abs. 2 ZGB
herabzusetzen.
Das Obergericht ist gemäss der neusten bundesgerichtlichen Rechtsprechung davon ausgegangen, dass nicht nur eine Bedürftigkeitsrente nach
Art. 152 ZGB
, sondern auch eine Rente nach
Art. 151 Abs. 1 ZGB
herabgesetzt werden könne, wenn sich die wirtschaftlichen
BGE 118 II 229 S. 231
Verhältnisse der rentenberechtigten Person wesentlich, dauernd und in einer im Scheidungszeitpunkt nicht voraussehbaren Weise verändert hätten. Die Beklagte wendet sich in der Begründung ihres Hauptantrages einerseits gegen die Herabsetzbarkeit einer Unterhaltsersatzrente nach
Art. 151 ZGB
überhaupt und macht andererseits geltend, wenn man diese grundsätzlich zulasse, seien die entsprechenden Voraussetzungen vorliegend nicht gegeben.
Das Bundesgericht hat seine Praxisänderung mit Bezug auf die Herabsetzbarkeit einer Unterhaltsersatzrente wegen verbesserter wirtschaftlicher Lage der rentenberechtigten Person ausführlich begründet (
BGE 117 II 212
ff.; 361 ff.). Es hat insbesondere dargelegt, dass sich eine unterschiedliche Behandlung der Bedürftigkeits- und der Unterhaltsersatzrente mit Bezug auf den Grundsatz der Herabsetzbarkeit wegen veränderter wirtschaftlicher Verhältnisse durch nichts rechtfertigen lasse (
BGE 117 II 217
, E. 4c). Das Bundesgericht hat festgehalten, dass diese Auffassung aus der neueren Rechtsprechung zur Gewährung einer Scheidungsrente folge, nach der es dem während der Ehe nicht oder nur vermindert erwerbstätigen Ehegatten obliege, soweit möglich und zumutbar nach der Scheidung eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen, beziehungsweise auszubauen, um den durch die Scheidung erlittenen Schaden zu mindern (
BGE 117 II 215
, E. 4a, 362 f.). Das neue Eherecht hat mit seiner nicht mehr geschlechtsspezifischen Unterhaltsregelung dafür nur zusätzliche Argumente geliefert (
BGE 117 II 216
, E. b), ohne aber allein für die Änderung der Rechtsprechung ausschlaggebend zu sein.
Die Ausführungen der Beklagten in der Berufungsschrift enthalten nichts, das es rechtfertigte, auf diese Praxis zurückzukommen. Es trifft insbesondere nicht zu, dass die neue Rechtsprechung jeden Unterschied zwischen einer Unterhaltsersatz- und einer Bedürftigkeitsrente verwische. Sowohl mit Bezug auf die Voraussetzungen für die Zusprechung einer Rente als auch mit Bezug auf die Rentenhöhe unterscheiden sich die beiden Rentenarten nach wie vor erheblich. Die unterschiedlichen Rentengrundlagen wirken sich auch bei der Herabsetzung der Rente in erheblichem Masse aus. Während eine Bedürftigkeitsrente schon dann herabgesetzt werden kann, wenn die rentenberechtigte Person in der Lage ist, mit eigenen Mitteln die Bedürftigkeit zu heben, muss bei einer Unterhaltsersatzrente nach
Art. 151 Abs. 1 ZGB
untersucht werden, welche Lebenshaltung mit dieser garantiert werden sollte. Erst wenn sich die wirtschaftliche Lage des Rentengläubigers in einem derartigen Mass verbessert hat,
BGE 118 II 229 S. 232
dass die möglicherweise weit über der Bedürftigkeit liegende Lebenshaltung dauernd als gesichert erscheint, rechtfertigt sich eine Herabsetzung (
BGE 117 II 365
f. E. 5a).
3.
Das Obergericht ist davon ausgegangen, dass Fr. 200.-- des ursprünglichen Rentenbetrages als Entschädigung für entgangenen Versicherungsschutz in der Konvention vorgesehen sind, so dass vom ursprünglichen Rentenbetrag nur Fr. 1'000.--. Unterhaltsersatz darstellen und nur diese herabgesetzt werden können. Diese Aufteilung ist nicht mehr bestritten.
a) Die Beklagte bestreitet jedoch, dass sich ihre wirtschaftliche Lage erheblich in einer zum Scheidungszeitpunkt noch nicht voraussehbaren Weise verbessert habe. Die Voraussetzungen der erheblichen Verbesserung und der Nichtvoraussehbarkeit haben einen inhaltlichen Zusammenhang. Mit der Unterhaltsersatzrente soll nämlich grundsätzlich der Ehefrau (soweit möglich und zumutbar) jene Lebenshaltung für die Zukunft gesichert werden, die sie während der Ehe hatte. Aus diesem Grunde ist bei der Festlegung der Rente zuerst festzustellen, von welcher Lebenshaltung auszugehen ist und der dafür nötige Finanzbedarf mit dem Einkommen zu vergleichen, den der oder die Rentenberechtigte zumutbarer Weise selber erzielen kann (BÜHLER/SPÜHLER, Berner Kommentar, 1979, N 36 zu
Art. 151 ZGB
; vgl. auch HAUSHEER, Neuere Tendenzen der bundesgerichtlichen Rechtsprechung im Bereiche der Ehescheidung, ZBJV 122 (1986), S. 57 f.; THOMAS GEISER, Die Auswirkungen der AHV und der beruflichen Vorsorge auf die Scheidung, de lege lata et ferenda, recht 1991, S. 5). Häufig ist vorauszusehen, dass sich das Einkommen in Zukunft ändern wird; soweit eine entsprechende Prognose mit genügender Sicherheit gestellt werden kann, müssen die Veränderungen bei der Festsetzung der Rente berücksichtigt werden. Dies kann nicht nur dadurch geschehen, dass eine Änderung der Rente bereits im Scheidungsurteil für bestimmte Ereignisse vorgesehen wird, sondern auch seinen Niederschlag bei der Rentenhöhe finden, indem beispielsweise eine lebenslange Rente niedriger festgesetzt wird, weil der oder die Rentenberechtigte zu einem späteren Zeitpunkt über ein erheblich höheres Einkommen verfügen wird, so dass ein Ausgleich mit der dannzumal zu hohen Rente erfolgt.
Das Obergericht führt aus, die Ehefrau habe anlässlich der Scheidungsverhandlung zu Protokoll gegeben, sie sei zur Zeit nicht berufstätig und könne auch vorläufig daran nichts ändern, da der eine Sohn noch zur Schule gehe. Später möchte sie allerdings einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Das Obergericht schloss daraus und aus der
BGE 118 II 229 S. 233
langen Ehedauer, es sei im Zeitpunkt der Scheidung wohl voraussehbar gewesen, dass die Ehefrau berufstätig sein werde, indessen habe nicht angenommen werden können, dass sie einer 100% Erwerbstätigkeit in der Art nachgehen werde, wie sie sie nun seit Jahren ausübe. Erblickt man darin eine Feststellung darüber, was die Parteien und das Gericht im Zeitpunkt der Scheidung tatsächlich als künftige Entwicklung erwartet haben, so handelt es sich um eine tatsächliche Feststellung, die das Bundesgericht bindet (
Art. 63 Abs. 2 OG
). Auf die entsprechenden Rügen der Beklagten könnte somit nicht eingetreten werden. Handelt es sich demgegenüber um die Darlegung der hypothetischen Erwartungen der Parteien und des Gerichts im Scheidungsverfahren, so betreffen diese Ausführungen eine Rechtsfrage, die vom Bundesgericht im Berufungsverfahren überprüft werden kann. Wie die Ausführungen des Obergerichts zu verstehen sind, kann indessen offenbleiben, da die Beklagte nichts vorbringt, was die Annahme eines hypothetischen Willens in der vom Obergericht angenommen Art als bundesrechtswidrig erscheinen lassen könnte.
Es ist in der Tat einsichtig, dass von Anfang an davon auszugehen war, eine Scheidungsrente von Fr. 1'000.-- werde für den Unterhalt der Klägerin nicht ausreichen. Eine Erwerbstätigkeit der Ehefrau war somit notwendig. Zu fragen ist deshalb, wie hoch die Parteien das mutmassliche künftige Einkommen der Ehefrau im Scheidungszeitpunkt veranschlagt hatten. Aufgrund der langen Ehedauer ohne Erwerbstätigkeit und der damaligen wirtschaftlichen Verhältnisse der Ehegatten - der Ehemann verdiente Fr. 3'500.-- monatlich - konnte damit gerechnet werden, dass die heutige Beklagte etwa Fr. 1'000.-- bis 1'500.-- an zusätzlichem Erwerb erzielen werde. Dann hätte sie nämlich nach Wegfall der Kinderrenten für sich Fr. 2'000.-- bis 2'500.-- im Monat zur Verfügung gehabt (zuzüglich Fr. 200.-- für entgangene Anwartschaften), während dem Mann Fr. 2'300.-- verblieben wären. Eine dieses Mass übersteigende Erwerbstätigkeit war somit nicht vorauszusehen. Dass dieses Einkommen mit einer Teilzeiterwerbstätigkeit hätte erreicht werden können, durfte - wie auch die tatsächlichen Einkommensverhältnisse belegen - das Obergericht ohne weiteres annehmen.
Zweifellos die rechtliche Würdigung und nicht die Sachverhaltsfeststellung betrifft demgegenüber die Rüge der Beklagten, das Obergericht habe den Begriff der Erheblichkeit falsch angewendet. Ausgangspunkt bilden hier die Feststellungen über den mutmasslichen Verdienst von rund Fr. 1'000.-- bis 1'500.-- im Monat. Dies entspräche nach den Inflationsberechnungen, die gemäss dem Obergericht auch
BGE 118 II 229 S. 234
der Rentenberechnung zu Grunde liegen, im September 1989 einem Erwerbseinkommen von Fr. 1'167.-- bis 1'750.--. Der tatsächlich erzielte Erwerb übertrifft diesen Betrag um mindestens Fr. 1'250.--. Eine derartige Abweichung der eingetretenen Einkommensentwicklung von den im Zeitpunkt der Scheidung gehegten Erwartungen muss sowohl im Verhältnis zum damals erwarteten Einkommen als auch zur Unterhaltsersatzrente als erheblich bezeichnet werden.
b) Eine Herabsetzung der Scheidungsrente rechtfertigt sich indessen nur, wenn die erhebliche und nicht vorhergesehene wirtschaftliche Verbesserung auch von Dauer ist. Zu Recht weist die Beklagte darauf hin, dass von einer dauerhaften Verbesserung nur gesprochen werden kann, wenn das Einkommen auch nach dem altersbedingten Ausscheiden aus dem Erwerbsleben gesichert ist.
Wie die Beklagte in ihrer Berufungsschrift selber ausführen lässt, war sie während der Ehe nie berufstätig, sondern nahm eine Arbeit erst im Mai 1985 auf. Die fehlende Erwerbstätigkeit während der Ehe wirkt sich indessen auf die Altersrente, die der Beklagten dereinst aus der eidgenössischen Versicherung zustehen wird, nicht nachteilig aus. Die Ehejahre zählen grundsätzlich als Beitragsjahre (
Art. 29bis Abs. 2 AHVG
). Aufgrund der neueren Rechtsprechung des EVG können für die Berechnung des für die Höhe der Altersrente der geschiedenen Frau massgeblichen durchschnittlichen Einkommens die Ehejahre indessen ausgeklammert werden (
BGE 101 V 184
;
BGE 111 V 11
). Die Beklagte wird somit eine ihrem Erwerbseinkommen gemässe Altersrente erhalten. Im Bereich der zweiten Säule weist ihre Altersvorsorge wegen der fehlenden Erwerbstätigkeit während der Ehe eine Lücke auf. Diese wird indessen dadurch geschlossen, dass der Kläger ihr gemäss Scheidungsurteil neben der Unterhaltsersatzrente noch lebenslang Fr. 200.-- für entgangenen Versicherungsschutz bezahlen muss. Es ist in keiner Weise dargetan und mit Blick auf die Höhe des Betrages und das relativ bescheidene Einkommen der Beklagten auch nicht wahrscheinlich, dass dies dafür nicht ausreichen sollte. Die Altersvorsorge der Beklagten ist somit im gleichen Masse gesichert, wie wenn sie immer im derzeitigen Rahmen erwerbstätig gewesen wäre. Auch wenn die Altersrente der ersten und der zweiten Säule zusammen regelmässig nicht den gleichen Betrag ausmachen wie das entsprechende Erwerbseinkommen, muss eine dauernde Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse angenommen werden.
Auch im Bereich der verbleibenden Alimente besteht kein Bedarf für eine zusätzliche Altersvorsorge. Wohl entfallen diese mit dem
BGE 118 II 229 S. 235
Tod des Klägers. Die Beklagte ist aber gegen die Folgen dieses Ereignisses durch die Sozialversicherung versichert. Nach dem Tod des geschiedenen Mannes berechnet sich unter bestimmten, vorliegend gegebenen Voraussetzungen die Altersrente der geschiedenen Frau auf Grund der Beiträge des geschiedenen Mannes. Eine Differenz zwischen den gemäss Scheidungsurteil geschuldeten Unterhaltsleistungen und den zusätzlichen Leistungen der AHV sind gegebenenfalls von der Pensionskasse des Verstorbenen als Witwenrente auszugleichen (
Art. 19 Abs. 3 BVG
und Art. 20 BBV 2; zur Auslegung vgl. THOMAS GEISER, a.a.O., S. 2 f.; THOMAS LOCHER, Nahtstellen zwischen Scheidungs- und Sozialversicherungsrecht, ZBJV 1991, S. 367 f.).
4.
Die vom Obergericht vorgenommene Kürzung der Rente erweist sich auch vom Betrag her als angemessen. Wie dargestellt, übersteigt der tatsächliche Verdienst den erwarteten um mindestens Fr. 1'250.-- (vgl. vorn E. 3a). Die Vorinstanz hat eine Kürzung der Rente um Fr. 600.-- vorgenommen. Dies ist etwa die Hälfte des von der Beklagten erzielten zusätzlichen Verdienstes. Es bleibt damit ein genügender Anreiz, für eine wirtschaftliche Besserstellung selber zu sorgen.
Die Angemessenheit der Kürzung kann nicht davon abhängen, wie sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des oder der Rentenpflichtigen verändert haben. Diese bleiben grundsätzlich unberücksichtigt (
BGE 117 II 366
). | public_law | nan | de | 1,992 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
3000422b-fbc8-4f90-8f27-b405affa1ebb | Urteilskopf
81 I 9
3. Urteil vom 18. Februar 1955 i.S. Fonderie et Robinetterie Kugler SA gegen Zürich, Kanton und Oberrekurskommission. | Regeste
Kant. Steuerrecht.
Die im Kanton Zürich geltende Ordnung, wonach im Rahmen einer Besteuerung nach Ertragsintensität nur die als Ertrag versteuerten Reserven als Bestandteile des für die Berechnung des Steuersatzes massgebenden Verhältniskapitals behandelt werden, ist nicht willkürlich. | Sachverhalt
ab Seite 9
BGE 81 I 9 S. 9
A.-
Die Beschwerdeführerin Kugler Metallgiesserei und Armaturenfabrik AG in Genf unterhält seit dem Jahre 1932 ein Atelier und Verkaufsdepot in Zürich und unterliegt daher auch der zürcherischen Steuerhoheit.
BGE 81 I 9 S. 10
Nach dem ersten Weltkrieg, nach ihren Angaben vor Errichtung der Zürcher Filiale, ging sie unter dem Eindruck der Nachkriegskrise und des Zerfalls der Kupferpreise dazu über, ihre Warenvorräte vorsichtig zu bewerten. Sie setzte diese Bilanzierungsweise mindestens bis 1934 fort. Ende 1934 wies sie in der Buchhaltung auf der Aktivseite Waren im Betrage von Fr. 718'595.55 aus, und stellte ihnen eine "Reserve auf Waren" im Betrage von Fr. 595'069.55 gegenüber. In der Bilanz auf den 31. Dezember 1934 wurde nur der Saldo im Betrage von Fr. 123'526.-- ausgewiesen. Bis zum Jahre 1937 verminderte sich der in den Büchern als Reserve auf Waren verbuchte Posten auf Fr. 424'063.85.
In Genf verlangte die Beschwerdeführerin erstmals bei der Einschätzung für die Krisenabgabe III (1938) die Anrechnung dieser Reserve beim Verhältniskapital. Dem Begehren wurde stattgegeben. Ebenso wurde die Reserve bei der Einschätzung zum I. und zum II. Wehropfer (1940 und 1945) als Bestandteil des steuerbaren Vermögens behandelt. Die Beschwerdeführerin legt im Verfahren vor Bundesgericht einen Bilanzauszug auf den 31. Dezember 1939 vor, in welchem die Reserve im angegebenen Betrage ausgewiesen ist.
B.-
In Zürich wurde in diesem Zeitraum weder die Anrechnung der Reserve als Bestandteil des für die Steuerberechnung massgebenden Vermögens in Anspruch genommen, noch auch der Posten "Reserve auf Waren" in den den Steuererklärungen der Beschwerdeführerin beigegebenen Bilanzen ausgewiesen. In diesen war das Warenkonto nach wie vor nur mit seinem Saldobetrage aufgeführt. Die Warenreserve erscheint in den in Zürich eingereichten Bilanzen erstmals in dem der Steuererklärung für 1945 beiliegenden Abschluss auf den 31. Dezember 1944.
Die Beschwerdeführerin war in Zürich nach unbestrittener Feststellung im Entscheide der Oberrekurskommission im Jahre 1934 zur Besteuerung herangezogen worden. Die "Reserve auf dem Warenlager", die nicht als Bestandteil
BGE 81 I 9 S. 11
des steuerbaren Kapitals ausgewiesen worden war, wurde weder damals noch auch seither als steuerbarer Ertrag ausgewiesen. Sie wurde auch dann nicht in die Ertragsbesteuerung einbezogen, als die Beschwerdeführerin seit Ende 1944 anfing, sie in den Bilanzen auszuweisen.
Bei den Steuereinschätzungen 1948-1950 entstand Streit darüber, ob die Reserve von Fr. 424'063.-- dem steuerbaren und gleichzeitig für die Berechnung des Ertragssteuersatzes massgebenden Kapitals zuzurechnen sei. Während die Rekurskommission I - ausgehend von der Annahme, die Bildung einer als Kapitalbestandteil anzusehenden Reserve auf Waren im angegebenen Betrage habe schon vor Errichtung der zürcherischen Betriebsstätte stattgefunden - deren Zurechnung zum steuerbaren Kapital anordnete, lehnte die Oberrekurskommission, auf Beschwerde des Steuerkommissärs hin, die Hinzurechnung ab, weil nach feststehender Praxis (RB. 1933 Nr. 25 und 26 = ZBl. 35, 483 = ZR 33 Nr. 87; RB 1941 Nr. 21 mit Zitaten) nur die als Ertrag versteuerten Reserven steuerbares Eigenkapital bilden und ein Vermögenszuwachs, der noch nicht als steuerbarer Ertrag ausgewiesen ist, nicht zum steuerbaren Kapital gerechnet werden dürfe. Eine Ausnahme wäre nur zu machen, wenn der Anlass, die Warenreserve als Ertrag zu besteuern, vor Eintritt der Steuerpflichtigen in die zürcherische Steuerpflicht (1. April 1932) entstanden wäre. Dies sei aber nicht anzunehmen, da die Reserve aus geschäftsmässig begründeten und steuerrechtlich nicht zu beanstandenden Abschreibungen gebildet worden sei, als steuerrechtlich zulässige vorsichtige Warenbewertung zu gelten habe und diesen Charakter solange bewahre, bis die Pflichtige selbst sich dazu entschliesse, den Mehrwert auf dem Warenlager als Ertrag und Eigenkapital auszuweisen. Nach zürcherischer Praxis könne ein Vermögenszuwachs erst bei seiner Realisierung oder bei freiwilliger Aufwertung als steuerbarer Ertrag erfasst werden. Das gelte auch für stille Reserven auf dem Warenlager (RB 1947 Nr. 29 = ZBl. 48, 515 = ZR 46 Nr. 30).
BGE 81 I 9 S. 12
Es könne daher keine Rede davon sein, dass vor Eintritt der Pflichtigen in die zürcherische Steuerpflicht irgendein Anlass entstanden wäre, die durch vorsichtige Warenbewertung herangewachsene Reserve als Ertrag zu besteuern.
Auch seither sei kein Anlass zur Besteuerung eingetreten. Am 31. Dezember 1934 habe die Pflichtige eine Warenreserve wohl in der Buchhaltung, nicht aber in der für die Steuerbehörden massgebenden Bilanz ausgewiesen. Nach der Bilanzierung auf Ende 1934 erscheine die "Reserve auf dem Warenlager" als interner Wertberichtigungsposten. Eine als Ertrag steuerbare Aufwertung des Warenlagers sei darin nicht zu erblicken. Als Ende 1944 erstmals gegenüber Dritten wirksam eine "Reserve auf dem Warenlager" bilanziert wurde, habe diese noch immer sehr wohl als Wertberichtigungsposten (Rückstellung) aufgefasst werden können, solange nicht die Steuerpflichtige selbst die angeblichen Reserven auf dem Warenlager (durch Auflösung der Rückstellung über das Gewinn- und Verlustkonto) als Ertrag auswies. Das sei bis zu den für die Einschätzungen 1948-1950 massgebenden Abschlüssen unstreitig nie geschehen. Wenn die je auf Ende 1947, 1948 und 1949 erstellten Bilanzen überhaupt ertragssteuerfähige Reserven enthalten, so seien diese doch nicht als Ertrag besteuert und auch nicht steuerbar geworden und deshalb dem steuerbaren Kapital nicht zuzurechnen.
C.-
Hiegegen richtet sich die staatsrechtliche Beschwerde mit dem Antrage, den angefochtenen Entscheid aufzuheben, soweit die Anrechnung der Reserve von Fr. 424'063.85 bei Berechnung des steuerbaren Kapitals und bei Festsetzung der Ertragssteuer abgelehnt wurde, und die Steuerfaktoren und Steuersätze entsprechend festzusetzen, eventuell die Sache zu neuer Beurteilung zurückzuweisen.
Zur Begründung wird im wesentlichen ausgeführt, die Reserve sei von den Genfer Behörden seit 1938 sowohl für die kantonalen Steuern als auch bei den eidgenössischen
BGE 81 I 9 S. 13
Steuern als kapitalbildende Reserve anerkannt und namentlich auch beim I. eidg. Wehropfer als solche deklariert worden. Die Genfer Behörden hätten festgestellt, dass die Reserve seit dem 31. Dezember 1934 ordnungsgemäss gebucht worden sei und dass die Bildung der Reserve auf die Zeit zwischen 1918 und 1927 zurückgehe. Die Zürcher Steuerbehörde handle willkürlich, wenn sie für einen Zeitraum, in welchem eine Unternehmung der zürcherischen Steuerhoheit nicht unterstand, deren Verhältnisse nach ihrer eigenen Steuergesetzgebung überprüfe und damit vom Steuerpflichtigen verlange, dass er den Anforderungen einer Gesetzgebung genüge, mit der er nichts zu tun hatte und deren Anforderungen er erst von dem Zeitpunkt an zu genügen brauchte, in dem er ein Steuerdomizil begründete. Die Zürcher Steuerbehörde müsse sich vielmehr darauf beschränken, zu prüfen, ob die zuständige Steuerbehörde, d.h. diejenige von Genf, die Reserve als Bestandteil des steuerbaren Kapitals anerkannt hatte. Es sei daher nur die Lösung der Steuerrekurskommission I möglich, die festgestellt habe, dass die Reserve vor Errichtung der Filiale bestand, und sich damit der Entscheidung der Genfer Behörden angeschlossen habe.
Die Beschwerdeführerin- habe die Reserve beim I. Wehropfer als steuerbares Vermögen deklariert. Diese Erklärung habe von rechtswegen zur Folge, dass die Beschwerdeführerin für die Gewinne, aus denen sie gebildet wurde, die eidg. Amnestie von 1940 anrufen könne. Das Begehren der Zürcher Behörde, dass die Reserve über Gewinn- und Verlustkonto ausgewiesen werden müsse, um als kapitalbildend anerkannt zu werden, bezwecke nur, die Beschwerdeführerin um den Genuss der Amnestie zu bringen. Es verstosse daher gegen diese.
Das Zürcher Steuergesetz gestatte nicht nur, wie die Oberrekurskommission annehme, den Saldo der Gewinn- und Verlustrechnung als Gewinn anzusehen, es anerkenne als Gewinn vielmehr auch, ohne Verbuchung über Gewinn und Verlust, die geschäftsmässig nicht begründeten Abschreibungen.
BGE 81 I 9 S. 14
Hier handle es sich zweifellos um solche.
Die Behauptung im angefochtenen Entscheid, die Zürcher Steuerbehörden hätten keine Möglichkeit gehabt, eine Aufwertung als Ertrag zu besteuern, sei missbräuchlich. Die Reserve sei nicht nur seit dem 31. Dezember 1934 verbucht gewesen, sondern sogar in die Bilanz von 1944 aufgenommen worden, und die Beschwerdeführerin habe die Zürcher Steuerbehörde von jeher darauf aufmerksam gemacht, dass sie die Reserve als Bestandteil des steuerbaren Kapitals behandelt haben möchte in gleicher Weise, wie sie es bei den Genfer Steuerbehörden und bei den verschiedenen Behörden für die eidg. Spezialsteuern (Wehrsteuer und Wehropfer) verlangt habe. Es bedeute Willkür zu verlangen, dass die Reserve über die Gewinn- und Verlustrechnung ausgewiesen werde, nur damit sie der Besteuerung als Ertrag unterworfen werden könne.
Das Bundesgericht hat die Beschwerde abgewiesen
Erwägungen
in Erwägung:
1.
Mit der staatsrechtlichen Beschwerde aus
Art. 4 BV
, die rein kassatorischen Charakter hat, kann nur die Aufhebung des angefochtenen Entscheides beantragt werden. Soweit mit der vorliegenden Eingabe andere Begehren erhoben werden, ist auf die Beschwerde nicht einzutreten.
Nicht einzutreten ist weiterhin auf die Behauptung, der angefochtene Entscheid verletze die bundesrechtliche Steueramnestie vom Jahre 1940. Diese Rüge, die im direkten verwaltungsrechtlichen Prozess gemäss
Art. 111, lit. a OG
zu beurteilen ist, wurde von der Beschwerdeführerin nachträglich zum Gegenstand einer besonderen Eingabe an das Bundesgericht gemacht und scheidet daher hier aus.
2.
Die Praxis der Zürcher Oberrekurskommission, wonach nur die als Ertrag versteuerten Reserven steuerbares Eigenkapital bilden (RB 1933 Nr. 25 und 26), ist mit Recht nicht als willkürlich angefochten worden. Wenn sie auch nicht die einzige, an sich denkbare Ordnung für das steuerbare Kapital einer Aktiengesellschaft ist, so
BGE 81 I 9 S. 15
erscheint sie doch jedenfalls als eine mögliche und - im Rahmen einer Besteuerung, die auf die Ertragsintensität als wesentliches Element für die Steuerbemessung abstellt - einleuchtende Regelung.
Im übrigen beruht der Entscheid der Oberrekurskommission auf der Annahme, dass die Anrechnung der Reserve als steuerbares Kapital stattzufinden hätte, wenn die Reserve vor dem Eintritt der Steuerpflichtigen in die zürcherische Steuerhoheit in Genf als Ertrag versteuert worden wäre oder wenn sie als Ertrag hätte besteuert werden können und unter der Annahme, dass zürcherisches Recht anwendbar gewesen wäre, hätte besteuert werden müssen.
Damit wird die Beschwerdeführerin nicht, wie sie behauptet, einer für sie im massgebenden Zeitpunkt nicht geltenden Steuergesetzgebung unterstellt, sondern es wird zusätzlich, zu ihren Gunsten, neben der Behandlung, die am damaligen Steuerort tatsächlich stattgefunden hat, ein weiterer Gesichtspunkt, der die Anrechnung der Reserve als steuerbares Kapital ermöglichen würde, in die Untersuchung einbezogen. In einer solchen Erweiterung der Untersuchung zu Gunsten des Steuerpflichtigen kann aber unmöglich Willkür liegen. Dass das Ergebnis negativ ausgefallen ist, ändert daran nichts. Im Jahre 1932, dem Zeitpunkt, in welchem die Betriebsstätte in Zürich gegründet wurde und die Beschwerdeführerin unter die Steuerhoheit und Steuergesetzgebung des Kantons Zürich trat, war die Reserve unbestrittenermassen in der Bilanz nicht ausgewiesen und sie hatte, wie die Oberrekurskommission überzeugend dartut, sowohl nach ihrer Veranlassung als auch nach der - übrigens noch in der staatsrechtlichen Beschwerde vorgebrachten - Begründung den Charakter einer internen Berichtigung der Warenbewertung (vgl. dazu auch BGE 69 I S. 274). Die Anerkennung als steuerbares Kapital bei der Besteuerung in Genf und bei den eidgenössischen direkten Steuern fand erst viel später statt in einem Zeitpunkt, in welchem die Beschwerdeführerin
BGE 81 I 9 S. 16
längst der zürcherischen Steuergesetzgebung unterstand, der Vorwurf, es werde auf die Beschwerdeführerin eine für sie nicht geltende Gesetzgebung angewandt, daher überhaupt nicht zutreffen kann.
3.
Seit 1932 unterlag die Beschwerdeführerin der zürcherischen Steuerhoheit. Die zürcherische Steuerpraxis lässt die Überführung einer aus geschäftsmässig begründeten Abschreibungen herrührenden Reserve in das steuerbare Kapital davon abhängen, dass der Steuerpflichtige die Reserve in der einen oder andern Form realisiert, was in der Regel dazu führt, dass die Reserve als Ertrag ausgewiesen wird. Bis dies geschieht, hat es bei der Gestaltung der Sachlage sein Bewenden, die durch Anerkennung der Geschäftsmässigkeit der vom Steuerpflichtigen in Anspruch genommenen Abschreibungen geschaffen wurde. In einer Besteuerung, die sich in dieser Weise nach der Haltung richtet, die der Steuerpflichtige nach seinem geschäftlichen Ermessen einnimmt, kann aber unmöglich Willkür liegen. Widerspruchsvoll und in diesem Sinne willkürlich verhält sich die Beschwerdeführerin, die auf der einen Seite die Reserven, die aus mit dem Zerfall der Rohmaterialpreise begründeten Abschreibungen entstanden sind, als definitiv erworbenes Kapital behandelt wissen will, anderseits aber dem ordnungsgemässen Ausweis der entsprechenden Erträgnisse über Gewinn- und Verlustrechnung auszuweichen versucht. | public_law | nan | de | 1,955 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
30021aec-3d16-4d36-81cc-94c6259e482e | Urteilskopf
135 III 359
53. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. KG gegen Eidgenössisches Institut für Geistiges Eigentum (IGE) (Beschwerde in Zivilsachen)
4A_566/2008 vom 7. April 2009 | Regeste
Art. 1 und 2 lit. a MSchG
; Schutzfähigkeit eines akustischen Zeichens.
Auch ein visuell nicht wahrnehmbares akustisches Zeichen weist die Begriffsmerkmale einer Marke nach
Art. 1 MSchG
auf (E. 2.4).
Beurteilung der konkreten Unterscheidungskraft (
Art. 2 lit. a MSchG
) eines akustischen Zeichens ohne sprachliche Elemente, das aus einer kurzen Melodie besteht (E. 2.5). | Sachverhalt
ab Seite 360
BGE 135 III 359 S. 360
A.
Die internationale Marke IR Nr. 858'788, eine auf eine deutsche Basiseintragung gestützte Abfolge von sieben Tönen, wird von der X. KG (Beschwerdeführerin) unter anderem auch für das Gebiet der Schweiz beansprucht. Die Eintragung der Marke wurde dem Eidgenössischen Institut für Geistiges Eigentum (IGE; Beschwerdegegner) am 15. September 2005 mitgeteilt. Die Marke ist für die Waren "Confiserie, chocolat et produits de chocolat, pâtisserie" in Klasse 30 registriert und im internationalen Register wie folgt wiedergegeben:
B.
B.a
Mit "Notification de refus provisoire total (sur motifs absolus)" vom 15. September 2006 verweigerte das IGE der Marke den Schutz für das Gebiet der Schweiz. Am 11. Dezember 2007 verweigerte es der Marke den Schutz in der Schweiz definitiv.
B.b
Mit Urteil vom 27. Oktober 2008 wies das Bundesverwaltungsgericht eine von der Beschwerdeführerin gegen die Verfügung des IGE vom 11. Dezember 2007 erhobene Beschwerde ab und bestätigte den angefochtenen Entscheid.
C.
Mit Beschwerde in Zivilsachen beantragt die Beschwerdeführerin dem Bundesgericht, das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Oktober 2008 sei aufzuheben und das IGE sei anzuweisen, der internationalen Registrierung Nr. 858'788 den Schutz in der Schweiz für sämtliche beanspruchten Waren zu erteilen.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut, hebt das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Oktober 2008 auf und weist das IGE an, der internationalen Registrierung der Beschwerdeführerin den Schutz in der Schweiz für die in Klasse 30 beanspruchten Waren "Confiserie, chocolat et produits de chocolat, pâtisserie" zu erteilen.
(Zusammenfassung)
BGE 135 III 359 S. 361
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Die Beschwerdeführerin wirft der Vorinstanz vor, sie habe die Hörmarke IR Nr. 858'788, die durchaus unterscheidungskräftig sei, bundesrechtswidrig als Gemeingut qualifiziert.
2.1
Während das IGE Melodien ohne Text die originäre Unterscheidungskraft abspricht, findet nach Ansicht der Vorinstanz eine grundsätzliche Ablehnung nichtsprachlicher Hörmarken ohne Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls in den Gewohnheiten des täglichen Zeichengebrauchs keine Stütze. Für die Prüfung der Unterscheidungskraft sei vielmehr die Art der Waren und Dienstleistungen zu berücksichtigen, für welche die Marke beansprucht werde; insbesondere sei zu prüfen, ob dekorative Untermalungen und beschreibende akustische Hinweissignale bei solchen Waren oder Dienstleistungen üblich oder vernünftigerweise zu erwarten seien. Auch wenn musikalische Untermalung im Bereich der Zuckerbackwaren in der Werbung verbreitet sei, müsse der Beschwerdeführerin zugutegehalten werden, dass "Confiserie, chocolat et produits de chocolat, pâtisserie" häufig in Schachteln oder Dosen angeboten würden. Solche Verpackungen könnten, so die Vorinstanz weiter, "das für Augen und Nase bisweilen verführerisch präsentierte Sortiment mit Hilfe eines Klanggenerators akustisch begleiten"; die strittige Marke wäre zu einem solchen Gebrauch grundsätzlich geeignet, weshalb die Beurteilung nicht allein auf den Gebrauch in der Werbung beschränkt erfolgen dürfe, wie dies das IGE getan habe.
Bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft sei auch zu berücksichtigen, ob die Hörmarke einen erkennbaren Sinngehalt aufweise, wobei ein solcher im zu beurteilenden Fall nicht vorliege. Zur Unterscheidungskraft solcher Zeichen ohne Sinngehalt hätten Lehre und Rechtsprechung detaillierte Regeln entwickelt, und zwar vor allem mit Bezug auf sogenannte Elementar- oder Primitivzeichen einerseits sowie für Formmarken andererseits. Wie bei verbalen Kennzeichen vermöge das Publikum in der Regel auch bei Klangfolgen leicht zwischen blossen Untermalungen und als Signal verstandenen Hörzeichen zu unterscheiden. Es brauche eine unterscheidungskräftige Melodie nicht aktiv singen und in der Erinnerung wiederholen zu können, um sie wiederzuerkennen; stattdessen genüge es, dass es sich an sie erinnere, wenn es sie höre. Einfache
BGE 135 III 359 S. 362
Melodien bedürften dafür jedoch, wie andere Zeichen ohne Sinngehalt, ungebräuchlicher und charakteristischer Merkmale, um beim erneuten Hören ein Wiedererinnern zu ermöglichen und als Hörmarke geschützt werden zu können.
Die Vorinstanz erwog weiter, dass es sich bei der zu prüfenden Marke um eine verhältnismässig kurze, trochäisch rhythmisierte Abfolge der ersten vier Töne einer Fis-Dur-Tonleiter handle. Ausgehend vom Grundton "Fis" werde je einmal die Quarte, die Terz und schliesslich die Sekunde gespielt. Dazwischen, ausser von der Quarte zur Terz, werde stets der Grundton "Fis" wiederholt, der in den sieben Tönen viermal erklinge. Die absteigende Tonleiter von der vierten zur zweiten Stufe führe ebenfalls geradewegs auf diesen Grundton zu und bewahre damit die Grundtonart in einfachster Weise. Die Tonfolge werde eher als Umspielung oder banale Verzierung des Grundtons "Fis" denn als Melodie wahrgenommen. Da sie weder eine Tonarten-Modulation noch eine in anderer Hinsicht auffällige oder unerwartete Entwicklung enthalte, die die Erinnerung besonders prägen könnte, andere Stimmen, Instrumentierungs- und Dynamikangaben fehlten und die im Notenbild verwendeten Phrasierungszeichen (Punkte auf den Viertelnoten, Keile auf den Schlussnoten) nur anzeigten, dass die entsprechenden Noten kurz gespielt werden, was im Verkaufsumfeld von Confiserie, Schokolade und Patisserie kaum auffalle, werde diese Marke bei den angesprochenen Abnehmerkreisen als Dekoration und Stimmungsmache wahrgenommen und weder in der Erinnerung haften bleiben noch zur Unterscheidung der damit versehenen Waren dienen. Die Marke sei deshalb Gemeingut.
2.2
Die Beschwerdeführerin bringt hiergegen vor, die vorinstanzliche Einordnung des Zeichens beruhe auf einer Melodienanalyse, die nicht anhand markenrechtlich relevanter, sondern allenfalls urheberrechtlicher Kriterien vorgenommen worden sei. Die Vorinstanz verkenne damit das Wesen von Hörmarken. Derartige Sound Logos seien das Pendant zum visuellen Logo und zeichneten sich durch eine kurze, markante Tonfolge oder eine Sequenz von Geräuschen aus, die überwiegend am Beginn oder am Ende eines Werbespots zu finden sei. Um kennzeichenmässig wirksam zu sein, müsse ein solches Sound Logo insbesondere einprägsam sein, was dadurch erreicht werde, dass es so einfach wie möglich aufgebaut sei. Es gehe bei Hörmarken eben gerade nicht darum, eine im urheberrechtlichen Sinne individuelle Prägung der Melodie zu
BGE 135 III 359 S. 363
schaffen, sondern die Melodie müsse vielmehr eingängig sein, damit sie ihren kennzeichenmässigen Zweck erfüllen könne. Die Erfahrung zeige, dass es sich das Publikum heute gewohnt sei, dass kurze, einprägsame Tonfolgen von Unternehmen im Zusammenhang mit Produkten als Herkunftshinweis und damit markenmässig verwendet würden. Entgegen der Ansicht der Vorinstanz liessen sich überdies Hörmarken ohne bestimmten Sinngehalt (insbesondere Melodien ohne Wortelemente) nicht einfach mit Elementar- und Primitivzeichen bzw. Formmarken gleichsetzen. Schliesslich wirft die Beschwerdeführerin der Vorinstanz ein zu enges Markengebrauchsverständnis vor. Da es sich bei der Hörmarke IR Nr. 858'788 um eine kurze, gleichwohl markante Tonfolge handle, die unverwechselbar und einprägsam sei, hätte die Schutzfähigkeit nach Ansicht der Beschwerdeführerin bejaht werden müssen.
2.3
Das IGE macht demgegenüber geltend, der Prüfungsgrundsatz des Instituts sei gestützt auf den Erfahrungssatz entwickelt worden, nach welchem das Publikum anders als bei Wörtern und Bildern grundsätzlich nicht gewohnt sei, eine Melodie ohne sprachliche Untermalung als Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen wahrzunehmen. Das Bundesgericht habe den analogen Erfahrungssatz für Warenformen in
BGE 134 III 547
E. 2.3.4 bestätigt. In Analogie zu den Warenformen würden Melodien ohne Wortelemente beim unbefangenen erstmaligen Zuhören nicht als Hinweise auf die betriebliche Herkunft von Produkten aufgefasst, weil sie ebenfalls in erster Linie funktional oder ästhetisch wahrgenommen würden und primär andere Funktionen (emotionale Kommunikationsmittel, Aufmerksamkeitserreger, Warnsignale oder einfache Unterhaltung) erfüllten. In Anbetracht der grossen Melodienvielfalt auf dem Markt werde der Abnehmer beim erstmaligen Hören einer Melodie keinen betrieblichen Herkunftshinweis erkennen. Nach Ansicht des IGE werde der Abnehmer erst durch mehrfaches Hören der gleichen Melodie im Zusammenhang mit einem bestimmten Produkt möglicherweise den direkten Bezug zwischen dem Klang und der betrieblichen Herkunft der Produkte herstellen, was im Rahmen der Verkehrsdurchsetzung glaubhaft gemacht werden könne. Das Publikum sei sich gewohnt, in einer Tonabfolge von sieben Tönen wie dem strittigen Zeichen Hintergrundmusik oder ein reines Aufmerksamkeitssignal zu erkennen, weshalb es an der originären Unterscheidungskraft fehle.
BGE 135 III 359 S. 364
2.4
Nach der Legaldefinition von
Art. 1 Abs. 1 MSchG
(SR 232.11) ist die Marke ein Zeichen, das geeignet ist, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von solchen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Zwar erwähnt
Art. 1 Abs. 2 MSchG
, wonach als Marken "insbesondere Wörter, Buchstaben, Zahlen, bildliche Darstellungen, dreidimensionale Formen oder Verbindungen solcher Elemente untereinander oder mit Farben" in Frage kommen, nur visuell wahrnehmbare Zeichen. Dabei handelt es sich allerdings nicht um eine abschliessende Aufzählung zulässiger Markenformen. Die Bestimmung schliesst daher Zeichen, die als solche nicht mit dem Auge wahrnehmbar sind, sondern etwa nur über das Gehör, nicht vom Markenschutz aus (vgl. bereits die Botschaft vom 21. November 1990 zu einem Bundesgesetz über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben, BBl 1991 I 19 f. Ziff. 222.11). Akustische Zeichen sind zudem nicht von Grund auf ungeeignet, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Wie die Vorinstanz unter Berufung auf die herrschende Lehre zutreffend darlegt und zwischen den Parteien unbestritten ist, weist auch ein visuell nicht wahrnehmbares akustisches Zeichen die Begriffsmerkmale einer Marke nach
Art. 1 MSchG
auf (EUGEN MARBACH, in: Schweizerisches Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht [SIWR], Bd. III: Kennzeichenrecht, von Büren/David [Hrsg.], 1996, S. 21; LUCAS DAVID, Lexikon des Immaterialgüterrechts, SIWR, Bd. I/3, 2005, S. 190; CHRISTOPH WILLI, Markenschutzgesetz, 2002, N. 27 zu
Art. 1 MSchG
; IVAN CHERPILLOD, Le droit suisse des marques, 2007, S. 60 f.; KAMEN TROLLER, Grundzüge des schweizerischen Immaterialgüterrechts, 2. Aufl. 2005, S. 66 f.; ROLAND VON BÜREN UND ANDERE, Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht, 3. Aufl. 2008, Rz. 564; JOACHIM NOVAK, Die Darstellung von besonderen Markenformen, 2007, S. 60; vgl. auch Urteile des EuGH vom 27. November 2003 C-283/01
Shield Mark BV
, Randnrn. 34 ff., und vom 12. Dezember 2002 C-273/00
Ralf Sieckmann
, Randnr. 45).
Die akustische Marke IR Nr. 858'788 der Beschwerdeführerin lässt sich überdies in Notenschrift niederschreiben und ist im internationalen Register als ein in Takte gegliedertes Notensystem mit Notenschlüssel, Noten-, Pausen- und Phrasierungszeichen hinterlegt. Die zu beurteilende Tonfolge ist damit Gegenstand einer registerrechtlich gebotenen klaren und verständlichen graphischen Darstellung (vgl.
Art. 10 Abs. 1 MSchV
[SR 232.111]; MARBACH, a.a.O., S. 16). Ob und unter welchen Voraussetzungen auch Hörzeichen
BGE 135 III 359 S. 365
dem Markenschutz zugänglich sind, die nicht in einer Melodie bestehen und sich daher nicht in Notenschrift darstellen lassen (wie das etwa bei Geräuschen der Fall ist), steht hier nicht zur Diskussion.
2.5
Im Zentrum des vorliegenden Verfahrens steht die Frage, ob die Vorinstanz der akustischen Marke IR Nr. 858'788 zu Recht aufgrund fehlender konkreter Unterscheidungskraft (
Art. 2 lit. a MSchG
) die Schutzfähigkeit abgesprochen hat.
2.5.1
Sowohl Deutschland als auch die Schweiz sind Vertragsstaaten des Madrider Abkommens über die internationale Registrierung von Marken (MMA; SR 0.232.112.3; revidiert in Stockholm am 14. Juli 1967). Beide Staaten sind auch dem Protokoll vom 27. Juni 1989 zum Madrider Abkommen über die internationale Registrierung von Marken (SR 0.232.112.4; im Folgenden: MMP) beigetreten. Sowohl
Art. 5 Abs. 1 MMA
als auch Art. 5 Abs. 1 MMP verweisen bezüglich der zulässigen Gründe für eine Schutzverweigerung auf die Pariser Übereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums, revidiert in Stockholm am 14. Juli 1967 (PVÜ; SR 0.232.04). Nach
Art. 6
quinquies
lit. B Ziff. 2 und 3 PVÜ
ist eine Schutzverweigerung unter anderem in Fällen statthaft, in denen die Marke jeder Unterscheidungskraft entbehrt bzw. als Gemeingut anzusehen ist. Diese zwischenstaatliche Regelung entspricht den in
Art. 2 MSchG
vorgesehenen Ablehnungsgründen, wonach namentlich Zeichen, die zum Gemeingut gehören (lit. a), vom Markenschutz ausgeschlossen sind (
BGE 128 III 454
E. 2 S. 457 mit Hinweisen).
2.5.2
Wie die Vorinstanz zutreffend erkannt hat, ist eine Schutzverweigerung allein aus dem Grund, dass ein akustisches Zeichen keine sprachlichen Elemente aufweist, nicht haltbar. Entgegen der Ansicht des IGE (vgl. die Richtlinien in Markensachen des IGE vom 1. Juli 2008, S. 96) schliesst der Umstand, dass Musik in der Werbung häufig eingesetzt wird, die Unterscheidungskraft einer kurzen Melodie ohne Wortelemente nicht ohne Weiteres aus. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass nichtsprachliche akustische Signale immer häufiger zur Kennzeichnung von Waren und Dienstleistungen eingesetzt werden, sei es unmittelbar produktbezogen (wie etwa bei Computern bzw. Computerprogrammen und anderen Elektronikgeräten), sei es in der Radio-, Fernseh- und Internetwerbung (vgl. CHERPILLOD, a.a.O., S. 65; LEONZ MEYER, Urheber- und markenrechtliche Überlegungen zum Klingelton, Medialex 2003
BGE 135 III 359 S. 366
S. 154; IVO LEWALTER, Akustische Marken, Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht [GRUR] 2006 S. 546; ROMAN A. BECKER, Kennzeichenschutz der Hörmarke, Wettbewerb in Recht und Praxis [WRP] 1/2000 S. 57). Im Fernsehen und im Radio kommen akustische Zeichen neben der Werbung häufig zum Einsatz, um einzelne Sender oder Sendungsformate zu identifizieren (STEPHAN BAHNER, Der Schutz akustischer Marken nach dem deutschen Markengesetz und der europäischen Gemeinschaftsmarkenverordnung, Berlin 2005, S. 33; KARL-HEINZ FEZER, Markenrecht, 3. Aufl., München 2001, N. 272a zu § 3 MarkenG). Mit der Vorinstanz ist davon auszugehen, dass das Publikum wie bei verbalen Kennzeichen in der Regel auch bei Tonfolgen leicht zwischen blossen musikalischen Untermalungen und als Signal verstandenen Hörzeichen zu unterscheiden vermag.
Dabei ist zu beachten, dass auch der Gebrauch in der Werbung als kennzeichenmässiger Gebrauch gilt (vgl.
Art. 13 Abs. 2 lit. e MSchG
; WILLI, a.a.O., N. 13 zu
Art. 13 MSchG
). Ein kurzes, in sich geschlossenes musikalisches Thema kann vom Abnehmer durchaus auch beim erstmaligen Hören als betrieblicher Herkunftshinweis erkannt werden und ist damit grundsätzlich geeignet, Waren oder Dienstleistungen zu unterscheiden (CHERPILLOD, a.a.O., S. 64 f.). Dies setzt voraus, dass das akustische Zeichen verkehrsüblich eingesetzt wird, typischerweise zu Beginn oder am Ende eines Werbespots. Wie Wort- und Bildmarken nicht als Kennzeichnungsmittel erkannt werden, wenn sie an wenig sichtbarer Stelle auf der Unter- oder Rückseite der Verpackung angebracht oder im Kleingedruckten der warenbeschreibenden Angaben unauffällig aufgedruckt sind (vgl. WILLI, a.a.O., N. 18 zu
Art. 11 MSchG
), müssen auch Hörmarken dem Präsentationsumfeld elektronischer Medien entsprechend verwendet werden, um in der Werbung ohne weitere Gedankenarbeit als kennzeichnender Hinweis wahrgenommen zu werden. Dies beschlägt jedoch das Erfordernis des markenmässigen Gebrauchs des Zeichens (vgl.
Art. 11 MSchG
), das für sämtliche Markenformen gilt. Entscheidend ist, dass auch das Hörzeichen - sofern richtig eingesetzt - geeignet ist, als Herkunftszeichen erkannt zu werden. Der Umstand, dass die Verwendungsmöglichkeiten von Hörmarken im Vergleich zu visuell wahrnehmbaren Marken wesentlich eingeschränkt sind, darf jedoch nicht zu strengeren Anforderungen an die Beurteilung der Unterscheidungskraft führen.
BGE 135 III 359 S. 367
2.5.3
Damit eine akustische Marke ihre Unterscheidungs- und Herkunftsfunktion erfüllen kann, ist nicht erforderlich, dass sie von den angesprochenen Abnehmern eindeutig wiedergegeben werden kann (vgl. STRÖBELE/HACKER/KIRSCHNECK, Markengesetz, 8. Aufl., Köln/Berlin/München 2006, § 8 N. 171). Vielmehr genügt es, dass die angesprochenen Verbraucher diese wiedererkennen können. Dies ist bei einer Tonfolge umso eher der Fall, wenn es sich dabei um eine kurze, eingängige und gut einprägsame Melodie handelt. Musikalischen Zeichen, die für das menschliche Gehör besonders melodisch klingen und damit leichter zu merken sind, kommt tendenziell höhere Kennzeichnungskraft zu. Stimmt die vom Zuhörer antizipierte Fortsetzung der Tonfolge mit dem später Gehörten dagegen nicht überein, empfindet sie der Adressat also nicht als melodisch, so ist das Zeichen auch weniger eingängig und einprägsam. Die entscheidende Eingängigkeit und Einprägsamkeit liegt eher bei solchen Zeichen vor, die eine verhältnismässig einfache Struktur haben und sich an den Regeln einfacher Unterhaltungsmusik orientieren. Damit ist am ehesten gewährleistet, dass das musikalische Motiv von einer Vielzahl von Verbrauchern nachvollzogen und memoriert werden kann, auch wenn sie musikalisch unerfahren sind (vgl. BAHNER, a.a.O., S. 238 f.; BECKER, a.a.O., S. 66; vgl. auch PAUL STRÖBELE, Die Eintragungsfähigkeit neuer Markenformen, GRUR 1999 S. 1045, wonach bei einfachsten Lautfolgen keine hohen künstlerischen oder ästhetischen Anforderungen gestellt werden dürfen, damit sie das Mindestmass der Unterscheidungskraft erfüllen). Dies verkennt die Vorinstanz, wenn sie einem Zeichen ohne Sinngehalt die Kennzeichnungskraft nur unter der Voraussetzung zusprechen will, dass dieses ungebräuchliche und charakteristische Merkmale aufweist bzw. eine auffällige oder unerwartete Entwicklung (etwa in Form einer Tonarten-Modulation) enthält.
Zu beachten ist ausserdem, dass nach ständiger Rechtsprechung die Schutzunfähigkeit einer registrierten Marke im Zivilprozess widerklage- oder einredeweise geltend gemacht werden kann (
BGE 130 III 328
E. 3.2 S. 332;
BGE 128 III 447
E. 1.4 S. 450;
BGE 124 III 277
E. 3c S. 286; je mit Hinweisen). Daraus folgt, dass das IGE in Zweifelsfällen eine Marke einzutragen und die endgültige Entscheidung dem Zivilrichter zu überlassen hat (
BGE 130 III 328
E. 3.2 S. 332;
BGE 103 Ib 268
E. 3b S. 275; vgl. auch
BGE 129 III 225
E. 5.3 S. 229).
2.5.4
Wie bei Buchstabenkombinationen bzw. Wortmarken sind bei Tonfolgen, auch wenn sie sich auf eine geringe Anzahl von Tönen
BGE 135 III 359 S. 368
beschränken, verschiedenste Kombinationen denkbar, die sich über die Höhe und die Dauer der gespielten Töne voneinander unterscheiden. Eine grundsätzlich unterschiedliche Behandlung von Wort- und Klangmarken hinsichtlich ihres Gemeingutcharakters ist unter diesem Gesichtspunkt nicht angezeigt und der Vergleich der Vorinstanz mit Elementar- oder Primitivzeichen verfängt nicht, zumal es sich beim strittigen Zeichen nicht etwa um einen einzelnen Ton oder einen einfachen Dreiklang handelt. Ebenso wenig stichhaltig ist ein Rückgriff auf die von Rechtsprechung und Lehre entwickelten Regeln zur Unterscheidungskraft von Formmarken. Dreidimensionale Marken, die in der Form der gekennzeichneten Ware selbst bestehen, weisen notwendigerweise eine unmittelbare Beziehung zur Ware auf, weshalb sie sich von der als rein funktional beurteilten Form durch ihre Eigenheiten abzuheben haben, um als Unterscheidungsmerkmal zu dienen (vgl.
BGE 134 III 547
E. 2.3.4 S. 553;
BGE 133 III 342
E. 3.1 S. 345;
BGE 120 II 307
E. 3b S. 310). Demgegenüber besteht eine vergleichbare Nähe zur Ware bei Melodien nicht. Entsprechend kann von einem akustischen Zeichen nicht wie bei einer Formmarke verlangt werden, dass es sich vom Gewohnten und Erwarteten abhebt. Vielmehr ist im Einzelfall zu beurteilen, ob das Zeichen im Zusammenhang mit den konkret beanspruchten Waren dem Gemeingut (
Art. 2 lit. a MSchG
) zuzuordnen ist.
2.5.5
Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung bestimmt sich die Frage, ob ein Zeichen infolge Fehlens jeglicher Kennzeichnungs- und Unterscheidungskraft zum Gemeingut gehört, vorwiegend nach dem Kriterium des beschreibenden Charakters des Zeichens. Nicht kennzeichnungskräftig sind demnach insbesondere Sachbezeichnungen und Hinweise auf Eigenschaften wie beispielsweise die Beschaffenheit, Bestimmung oder Wirkung der Waren oder Dienstleistungen, sofern solche Hinweise vom angesprochenen Publikum ohne besondere Denkarbeit und ohne Fantasieaufwand verstanden werden und sich nicht in blossen Anspielungen erschöpfen (
BGE 131 III 495
E. 5 S. 503;
BGE 129 III 514
E. 4.1 S. 524 f.;
BGE 128 III 454
E. 2.1 S. 457 f.).
Wie bei Wort- und Bildmarken ist auch bei einer Hörmarke, die aus einer Melodie besteht, denkbar, dass diese einen Sinngehalt aufweist, der im Zusammenhang mit bestimmten Waren zu einem absoluten Ausschlussgrund nach
Art. 2 lit. a MSchG
führen kann. Dies dürfte einerseits bei Liedmelodien vorkommen, deren Text allgemein bekannt ist; andererseits ist auch nicht auszuschliessen, dass
BGE 135 III 359 S. 369
sich ein Sinngehalt aus einer Melodie selbst ergibt, sofern sie eine bestimmte Gedankenverbindung hervorzurufen vermag. Bei allgemein bekannten Kompositionen könnte die Unterscheidungskraft je nach Bezug zu den beanspruchten Waren oder Dienstleistungen fraglich sein, weil die massgebenden Verkehrskreise sie womöglich weniger als Identifikationsmittel, sondern als beschreibenden Zusatz auffassen. Als Gemeingut vom Markenschutz ausgeschlossen wäre etwa die Melodie eines bekannten Weihnachtsliedes für Christbaumschmuck. Ähnlich einer beschreibenden Wortmarke riefe ein solches Zeichen beim Durchschnittsabnehmer unweigerlich eine Gedankenverbindung mit Weihnachten hervor und würde wegen des direkten Bezugs zur Ware nicht als Hinweis auf deren betriebliche Herkunft aufgefasst (vgl. BAHNER, a.a.O., S. 151). Bei Werken mit überragendem Bekanntheitsgrad dürfte es zudem meist an der Unterscheidungskraft fehlen, da diese häufig allgemein gebräuchliche Werbemotive darstellen, mit denen nach Auffassung der angesprochenen Verkehrskreise lediglich der Kaufanreiz gefördert oder die Aufmerksamkeit des Publikums erregt werden soll (vgl. BAHNER, a.a.O., S. 155).
Soweit es sich beim Zeichen demgegenüber um eine eingängige und einprägsame Melodie ohne bestimmten Sinngehalt handelt, die neu komponiert wurde, wird die konkrete Unterscheidungskraft selten zu verneinen sein (vgl. BAHNER, a.a.O., S. 151).
2.5.6
Bei der strittigen Marke handelt es sich um eine verhältnismässig kurze Melodie in Fis-Dur mit sieben Tönen auf Basis eines 6/8-Taktes, die mit dem Grundton "Fis" beginnt und mit einem Oktavsprung endet. Dazwischen wird einmal die Quarte, die Terz und die Sekunde gespielt sowie der Grundton "Fis" zweimal wiederholt. Die Tonfolge, die von der Grundtonart nicht abweicht, erscheint als einfache Melodie, mit der auch das musikalisch ungeschulte Ohr leicht vertraut wird, und die weder allgemein noch den Abnehmern von Confiserie, Schokolade und Patisserie bekannt ist. Als solche ist sie eingängig und für den durchschnittlichen Verbraucher derartiger Waren, dem keine besonderen musikalischen Vorkenntnisse unterstellt werden können, einprägsam. Im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren ("Confiserie, chocolat et produits de chocolat, pâtisserie") ist kein Sinngehalt der Melodie erkennbar, der zu einem Ausschlussgrund führen könnte. Aufgrund der einfachen Struktur sowie der Kürze des Motivs dürfte sie von den massgeblichen Verkehrskreisen im Kontext der Werbung kaum
BGE 135 III 359 S. 370
als musikalische Untermalung, sondern - sofern richtig eingesetzt - durchaus als Herkunftshinweis wahrgenommen werden.
2.5.7
Zusammenfassend ergibt sich, dass das Zeichen IR Nr. 858'788 für die beanspruchten Waren ("Confiserie, chocolat et produits de chocolat, pâtisserie") unterscheidungskräftig ist, weshalb es nicht als Gemeingut vom Markenschutz ausgeschlossen werden kann (
Art. 2 lit. a MSchG
). Die Vorinstanz hat der internationalen Marke die Schutzfähigkeit daher zu Unrecht verweigert. | null | nan | de | 2,009 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
30022925-2afb-4471-a711-1fcadfc5d1d0 | Urteilskopf
108 Ib 286
53. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 13. Mai 1982 i.S. Schweizerische Treuhandgesellschaft und Coopers & Lybrand AG gegen Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Aufsicht über die privaten Versicherungseinrichtungen.
1. Eine ausländische Versicherungsgesellschaft, die mit einem in der Schweiz domizilierten Versicherungsnehmer einen Versicherungsvertrag über dessen berufliches Haftpflichtrisiko abschliesst, untersteht grundsätzlich der schweizerischen Versicherungsaufsicht. Vereinbarkeit von Art. 1 Abs. 1 lit. a und d der VO über die Abgrenzung der Versicherungsaufsichtspflicht vom 11. Februar 1976 mit dem BG betreffend die Aufsicht über die privaten Versicherungseinrichtungen vom 23. Juni 1978 (E. 2).
2. Befreiung von der Versicherungsaufsichtspflicht im konkreten Fall wegen Fehlens eines Schutzbedürfnisses gemäss Art. 3 Abs. 1 der VO über die Abgrenzung der Versicherungsaufsichtspflicht (E. 3). | Sachverhalt
ab Seite 287
BGE 108 Ib 286 S. 287
Am 12. Januar 1981 stellte die Schweizerische Treuhandgesellschaft beim Bundesamt für Privatversicherungswesen zuhanden des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartementes (EJPD) das Gesuch, es sei ihr selbst und ihr nahestehenden Gesellschaften, insbesondere der Coopers & Lybrand AG, Basel, zu gestatten, mit der C.T. Bowring Professional Indemnity Ltd., London, bzw. den von ihr vertretenen mehr als 100 Versicherern einen Vertrag über die Versicherung des beruflichen Haftpflichtrisikos abzuschliessen unter Befreiung der Versicherer von der Aufsichtspflicht im Sinne des Bundesgesetzes betreffend die Aufsicht über die privaten Versicherungseinrichtungen vom 23. Juni 1978. Zur Begründung des Gesuchs machte sie im wesentlichen geltend, es bestehe kein Schutzbedürfnis im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Verordnung über die Abgrenzung der Versicherungsaufsichtspflicht vom 11. Februar 1976; sodann stelle das "International Firm Agreement" der Coopers & Lybrand (International), an dem die Coopers & Lybrand AG, Basel, beteiligt sei, eine vertragliche internationale Zusammenarbeit auf anderem als nur das Versicherungswesen betreffenden Gebiet im Sinne von Art. 3 Abs. 2 der erwähnten Verordnung dar, so dass eine Aufsichtspflicht auch deswegen entfalle; schliesslich biete der beabsichtigte Versicherungsvertrag mit der C.T. Bowring wesentliche Vorteile, die auf dem schweizerischen Versicherungsmarkt gar nicht erhältlich seien.
Mit Schreiben vom 7. Mai 1981 schloss sich die Coopers & Lybrand AG dem Gesuch der Schweizerischen Treuhandgesellschaft an.
Mit Verfügung vom 1. Oktober 1981 wies das EJPD das Gesuch der Schweizerischen Treuhandgesellschaft und der Coopers & Lybrand AG ab.
Die Schweizerische Treuhandgesellschaft und die Coopers &
BGE 108 Ib 286 S. 288
Lybrand AG haben Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht erhoben, mit dem Antrag,
"Es sei die angefochtene Verfügung aufzuheben und es sei festzustellen, dass der von den Beschwerdeführerinnen geplante Beitritt zu einem Versicherungsvertrag mit über 100 Versicherern, alle vertreten durch die C.T. Bowring Professional Indemnity Ltd., London, über die Deckung des beruflichen Haftpflichtrisikos der schweizerischen Versicherungsaufsicht nicht unterliegt und daher keiner Bewilligung nach
Art. 7 VAG
bedarf. Eventuell wird die Gewährung einer Befreiung nach
Art. 4 Abs. 2 VAG
beantragt."
Das EJPD beantragt in seiner Vernehmlassung die Abweisung der Beschwerde.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut und ändert die angefochtene Verfügung in dem Sinne ab, dass die von der C.T. Bowring Professional Indemnity Ltd. vertretenen Versicherer hinsichtlich des geplanten Abschlusses eines Versicherungsvertrages mit den Beschwerdeführerinnen der schweizerischen Versicherungsaufsicht nicht unterstehen.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Nach Art. 1 des Bundesgesetzes über die Aufsicht über die privaten Versicherungseinrichtungen vom 23. Juni 1978 (VAG; SR 961.01) übt der Bund, insbesondere zum Schutz der Versicherten, die Aufsicht über die privaten Versicherungseinrichtungen aus. Der Aufsicht des Bundes unterstehen nach
Art. 3 Abs. 1 VAG
die privaten Versicherungseinrichtungen, die in der Schweiz oder von der Schweiz aus im direkten Geschäft oder im Rückversicherungsgeschäft tätig sind, wobei der Bundesrat bestimmt, was zum direkten Geschäft in der Schweiz gehört. Gemäss Art. 1 Abs. 1 der Verordnung über die Abgrenzung der Versicherungsaufsichtspflicht vom 11. Februar 1976 (SR 961.11), die nach Art. 2 lit. f des Bundesratsbeschlusses über die Inkraftsetzung des Versicherungsaufsichtsgesetzes und die Weitergeltung von Bundesrecht vom 22. November 1978 (SR 961.011) in Kraft geblieben ist, soweit sie dem VAG nicht widerspricht, unterliegt die Vornahme von Versicherungsgeschäften insbesondere dann der Aufsicht des Bundes, wenn eine in der Schweiz domizilierte Person Versicherungsnehmerin ist (lit.
a) oder wenn die Haftpflicht von in der Schweiz domizilierten Personen gedeckt wird, sofern nicht eine staatsvertragliche oder gesetzliche Regelung eine abweichende Ordnung vorsieht (lit. d).
BGE 108 Ib 286 S. 289
Es ist unbestritten, dass die Beschwerdeführerinnen in der Schweiz domiziliert sind und dass der Versicherungsvertrag, den sie abschliessen wollen, ihr Haftpflichtrisiko decken soll. Die Voraussetzungen von Art. 1 Abs. 1 lit. a und d der Abgrenzungsverordnung sind daher erfüllt. Die Beschwerdeführerinnen machen jedoch geltend, die Versicherungsaufsicht erfasse nach
Art. 3 Abs. 1 VAG
nur Versicherungseinrichtungen, die in der Schweiz oder von der Schweiz aus "tätig" seien. Das könne nur so verstanden werden, dass in der Schweiz eine werbende oder mindestens sich empfehlende organisierte Tätigkeit gegenüber einem Kundenkreis von mehr oder weniger grosser Bedeutung mit dem Ziel des Abschlusses einer unbegrenzten Zahl von Versicherungsverträgen entfaltet werden müsse. Wenn nach Art. 1 Abs. 1 der Abgrenzungsverordnung schon der Abschluss eines einzigen Versicherungsvertrags der Versicherungsaufsicht unterstehen solle, sprenge dies den Rahmen des Gesetzes.
a) Es ist richtig, dass die von der C.T. Bowring vertretenen Versicherungsgesellschaften in der Schweiz nicht das Versicherungsgeschäft im eigentlichen Sinne betreiben, wenn sie mit den Beschwerdeführerinnen einen Versicherungsvertrag abschliessen. Das Versicherungsgeschäft setzt einen planmässigen Geschäftsbetrieb voraus, der sich an eine Vielzahl von Personen wendet, so dass die Risiken nach den Gesetzen der Statistik kompensiert werden können (vgl.
BGE 107 Ib 56
).
Art. 3 Abs. 1 VAG
stellt aber bei der Unterstellung unter die Versicherungsaufsicht nicht darauf ab, ob eine Gesellschaft in der Schweiz das Versicherungsgeschäft als solches betreibt, sondern darauf, ob sie in der Schweiz oder von der Schweiz aus im Versicherungsgeschäft "tätig" ist (qui exercent en Suisse "une activité" en matière d'assurance...). Es ergibt sich demnach schon aus dem Wortlaut des Gesetzes, dass für die Unterstellung unter die Versicherungsaufsicht entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerinnen eine unter den vielfältigen Tätigkeiten, die zusammen den Betrieb des Versicherungsgeschäfts ausmachen, genügt, sofern sie sich in der Schweiz abspielt.
b) Dass nicht nur das Versicherungsgeschäft als solches, sondern bereits eine einzelne Tätigkeit auf diesem Gebiet, im Extremfall der Abschluss eines einzigen Versicherungsvertrags, der schweizerischen Versicherungsaufsicht unterliegt, sofern eine Berührung mit der Schweiz besteht, folgt auch aus der Botschaft des Bundesrats zum VAG. Darin wird ausgeführt, es komme bei der Frage, was zur Geschäftstätigkeit in der Schweiz gehöre, nicht
BGE 108 Ib 286 S. 290
darauf an, ob der Vertragsabschluss auf dem Korrespondenzweg oder im Ausland erfolge; massgebend für die Aufsichtspflicht sei allein die Tatsache, dass ein Schutzbedürfnis vorliege und dass die Wirkungen in der Schweiz einträten, gleichgültig wo und auf welche Weise der Vertrag zustandegekommen sei; es könnten somit in der Schweiz nur jene Versicherungseinrichtungen Versicherungsverträge abschliessen, die die Bewilligung zum Geschäftsbetrieb in der Schweiz besässen (BBl 1976 II S. 893). Diese Auffassung wurde in den Verhandlungen vor den eidgenössischen Räten nicht in Frage gestellt (vgl. Amtl.Bull. S 1977 S. 35, N 1978 S. 39). Sie wird in der Literatur zum VAG geteilt (A.F. GANZ, Ausländische Versicherungsunternehmen und staatliche Aufsicht in der Schweiz, Diss. Zürich 1979, S. 43; A. KRAMER, Die Kompetenzen des Eidgenössischen Versicherungsamtes, Diss. Zürich 1977, S. 29 ff.).
Ob aus Art. 1 Abs. 1 des früheren Versicherungsaufsichtsgesetzes vom 25. Juni 1885 (BS 10 S. 289 ff.) und insbesondere aus der Botschaft dazu (BBl 1885 I S. 124) etwas anderes abgeleitet werden kann, wie die Beschwerdeführerinnen geltend machen, kann dahingestellt bleiben. Immerhin sei bemerkt, dass die Praxis der Aufsichtsbehörden schon unter der Herrschaft des alten Rechts dahin ging, dass ein aufsichtspflichtiges Versicherungsgeschäft bereits dann vorliege, wenn eine Gesellschaft mit Einwohnern der Schweiz einen Versicherungsvertrag abschliesse (VEB 28 Nr. 77). Das Bundesgericht hat, ohne sich abschliessend zu äussern, in
BGE 91 I 379
ausgeführt, diese Auslegung des (früheren) Gesetzes sei zwar sehr weit; sie lasse sich jedoch auf dessen Zweck stützen, das schweizerische Publikum im Gebiet des privaten Versicherungswesens zu schützen.
c) Dass ausländische Versicherungseinrichtungen, die in der Schweiz eine Bewilligung zum Geschäftsbetrieb erlangen wollen, der Aufsichtsbehörde einen Geschäftsplan mit Angabe des örtlichen Tätigkeitsbereichs und der in der Schweiz zu verwendenden Tarife einzureichen haben (
Art. 8 VAG
), dass sie in der Schweiz eine Geschäftsstelle für das gesamte schweizerische Geschäft unter der Leitung eines Generalbevollmächtigten unterhalten müssen (
Art. 14 Abs. 2 VAG
) und dass sie über den Stand der Guthaben und Verpflichtungen in der Schweiz sowie über die Einnahmen und Ausgaben des schweizerischen Geschäfts Bericht zu erstatten haben (
Art. 22 Abs. 2 VAG
), ändert an diesem Ergebnis entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerinnen nichts. Die C.T. Bowring
BGE 108 Ib 286 S. 291
und die von ihr vertretenen Versicherungsgesellschaften, die im Ausland tätig sind, haben notwendigerweise einen Geschäftsplan, den sie der Aufsichtsbehörde einreichen können. Dass auch die ausländische Geschäftstätigkeit Gegenstand des einzureichenden Geschäftsplanes bildet, ergibt sich ausdrücklich aus
Art. 8 Abs. 3 VAG
. Die abzuschliessenden Versicherungsverträge unterliegen sodann notwendigerweise einem Tarif. Es ist nicht einzusehen, weshalb dieser der Aufsichtsbehörde nicht zur Kenntnis gebracht werden kann. Dass er auch auf das ausländische Geschäft Anwendung findet, ist ohne Belang. Es besteht auch kein Grund, weshalb der ausländische Versicherer, der in der Schweiz nur einen einzigen Versicherungsvertrag abschliessen möchte, daran gehindert sein sollte, in der Schweiz eine Geschäftsstelle zu unterhalten und einen Generalbevollmächtigten zu ernennen und dadurch für die Verbindlichkeiten aus diesem Vertrag einen Gerichtsstand und einen Betreibungsort in der Schweiz zu schaffen (
Art. 29 VAG
). Dass die Berichterstattung über den Stand der Guthaben und Verpflichtungen in der Schweiz sowie über die Einnahmen und Ausgaben des schweizerischen Geschäfts Schwierigkeiten bieten soll, wenn in der Schweiz nur ein einziger Versicherungsvertrag abgeschlossen worden ist, ist ebenfalls nicht ersichtlich. Im übrigen sagt
Art. 22 Abs. 2 VAG
ausdrücklich, dass die ausländischen Versicherungseinrichtungen auch über das Gesamtgeschäft Bericht zu erstatten haben. Ob sich ein ausländischer Versicherer, der in der Schweiz ohne Bewilligung einen Versicherungsvertrag abschliesst, im Sinne von
Art. 50 Ziff. 1 VAG
strafbar macht, ist hier nicht zu prüfen. Diese Bestimmung stellt das Betreiben des Versicherungsgeschäfts als solches unter Strafe, während nach
Art. 3 Abs. 1 VAG
für die Unterstellung unter die Versicherungsaufsicht wie dargetan bereits eine "Tätigkeit" im Versicherungsgeschäft genügt. Im übrigen ist nach
Art. 49 Abs. 1 VAG
jeder Verstoss gegen eine Vorschrift dieses Gesetzes wenigstens als Ordnungswidrigkeit strafbar. Dass sich ausländische Versicherer möglicherweise der Bestrafung entziehen können, ist für den materiellen Gehalt dieser Vorschriften unerheblich.
d) Es trifft auch nicht zu, dass Art. 1 der Abgrenzungsverordnung mit Sinn und Zweck des VAG in Widerspruch stehen würde. Dieses Gesetz bezweckt nach seinem Art. 1 insbesondere den Schutz der Versicherten. Nach der bundesrätlichen Botschaft ist der Begriff des Versicherten im weitesten Sinn zu verstehen. Er umfasst nicht nur die Versicherungsnehmer, sondern auch die
BGE 108 Ib 286 S. 292
Versicherten im versicherungsvertraglichen Sinn, die Anspruchsberechtigten und Geschädigten (insbesondere in der Motorfahrzeug-Haftpflichtversicherung) sowie die Versicherungsinteressenten. Diese Personen sollen vor technischer und finanzieller Insuffizienz und Insolvenz der Versicherungseinrichtungen, vor Täuschung durch unklare Verhältnisse, unwahre Kundgebungen und falsche Angaben, vor zu hoher Prämienbelastung, vor Versicherungsbedingungen, die mit zwingenden Bestimmungen des VVG in Widerspruch stehen, sowie vor sachwidriger Gestaltung der Versicherungsbedingungen, deren Tragweite sie nicht zu überblicken vermögen, geschützt werden (BBl 1976 II S. 892; vgl. auch
BGE 99 Ib 58
, 76 I 240 ff. für das frühere Gesetz). Es liegt auf der Hand, dass dieser vom Gesetz angestrebte Schutz der Gesamtheit der Versicherten nur verwirklicht werden kann, wenn jeder einzelne Versicherungsvertrag mit Wirkungen in der Schweiz der behördlichen Aufsicht untersteht. Die gegenteilige Auffassung der Beschwerdeführerinnen, die der Umgehung des VAG Tür und Tor öffnen würde, ist unhaltbar. Die Unterstellung individueller Versicherungsverträge unter die Versicherungsaufsicht hat so wenig eine Bevormundung des Bürgers zur Folge wie die Aufsicht über die Geschäftstätigkeit der Versicherungseinrichtungen überhaupt. Ob für den betreffenden Bereich ein Versicherungsobligatorium besteht, ist ohne Bedeutung; auch wo dies nicht der Fall ist, setzt das Gesetz ein Schutzbedürfnis der Versicherten voraus. Unerheblich ist auch, dass der Schutzgedanke des Gesetzes nicht immer durchgesetzt werden kann, weil die Aufsichtsbehörde nicht von jedem ohne Bewilligung mit einem ausländischen Versicherer abgeschlossenen Versicherungsvertrag Kenntnis erhält. Diese Unvollkommenheit, die das VAG mit vielen Gesetzen teilt, ändert an dessen Geltungsbereich nichts.
e) Ausländische Versicherungseinrichtungen der schweizerischen Versicherungsaufsicht zu unterstellen, wenn sie mit in der Schweiz domizilierten Personen Versicherungsverträge über die Deckung des Haftpflichtrisikos abschliessen, verstösst schliesslich entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerinnen auch nicht gegen eine Regel des Völkerrechts. Die Schweiz greift nicht in die Hoheitsrechte fremder Staaten ein, wenn sie den schweizerischen Versicherungsbestand ausländischer Versicherungseinrichtungen beaufsichtigt. Da die Solvenz einer Versicherungseinrichtung nur aufgrund des gesamten Geschäftsbetriebs beurteilt werden kann, hat die schweizerische Aufsichtsbehörde zum Schutz der schweizerischen
BGE 108 Ib 286 S. 293
Versicherten freilich auch eine gewisse Kontrolle über das Auslandgeschäft der in der Schweiz tätigen ausländischen Versicherungseinrichtungen auszuüben. Diese haben daher nach
Art. 22 Abs. 2 VAG
auch über das Gesamtgeschäft Bericht zu erstatten. Darin liegt jedoch kein Eingriff in die Hoheit ausländischer Staaten. Die Schweiz kann das Gesamtgeschäft ausländischer Versicherungseinrichtungen nicht reglementieren und sie kann auch nicht direkt auf diese einwirken. Ihre Befugnisse erschöpfen sich darin, dass sie der ausländischen Gesellschaft die Bewilligung für den Geschäftsbetrieb in der Schweiz entziehen kann, wenn die Interessen der schweizerischen Versicherten gefährdet sind (BOSS, Systeme der Staatsaufsicht über Versicherungsunternehmungen, Diss. Bern 1954, S. 29/30). Dass die ausländischen Versicherungseinrichtungen für ihre Tätigkeit in der Schweiz wie übrigens auch die schweizerischen für die ihre im Ausland in diesem Rahmen möglicherweise einer doppelten Aufsicht unterstehen, macht die von der Schweiz beanspruchte Aufsichtskompetenz keineswegs völkerrechtswidrig. Immerhin ist diesem Umstand bei der Ausübung der Aufsicht gebührend Rechnung zu tragen (BBl 1976 II S. 904 zu Art. 17/18 VAG).
Es bleibt somit dabei, dass die Regelung in Art. 1 der Abgrenzungsverordnung nicht bundesrechtswidrig ist, so dass der geplante Vertragsabschluss an sich der staatlichen Aufsicht untersteht.
3.
Die Beschwerdeführerinnen berufen sich indessen auch auf Art. 3 Abs. 1 Satz 2 der Abgrenzungsverordnung. Nach dieser Bestimmung wird die Befreiung von der Versicherungsaufsichtspflicht ausgesprochen, wenn im Einzelfall nachgewiesen ist, dass kein Schutzbedürfnis besteht. Die Beschwerdeführerinnen machen geltend, sie hätten als Treuhand- und Buchprüferunternehmungen, die unter anderem auch mit der Revision einer Vielzahl von Versicherungseinrichtungen betraut seien, einen in jeder Beziehung hinreichenden Einblick in die Solididät der fraglichen Versicherer sowie in die Prämiengestaltung auf dem Gebiet der Berufshaftpflichtversicherung; wegen ihrer Sachkenntnis bestehe auch kein Anlass zu einem behördlichen Schutz vor Täuschung durch unklare Verhältnisse, unwahre Kundgebungen und falsche Angaben des Versicherers, vor sachwidriger Gestaltung der Versicherungsbedingungen sowie vor der Verletzung zwingender Bestimmungen des VVG; schliesslich seien sie ebenso gut wie die Aufsichtsbehörde in der Lage, ihre Vertragspartner zu kontrollieren. Demgegenüber stellt sich das EJPD auf den Standpunkt,
BGE 108 Ib 286 S. 294
auf die Fachkenntnisse des Versicherungsnehmers komme es gar nicht an; diese könnten die Schutzbestimmungen des Gesetzes nicht ersetzen; der Schutzgedanke des Gesetzes zeige sich nicht nur bei der Erteilung der Bewilligung, sondern auch bei der laufenden Aufsicht; sei eine Versicherungseinrichtung der schweizerischen Aufsicht nicht unterstellt, so kämen den schweizerischen Versicherten auch die Bestimmungen über das Bundesgesetz über die Kautionen der Versicherungsgesellschaften vom 4. Februar 1919 (SR 961.02), durch die das Solvenz- und das Transferrisiko ausgeschaltet werde, nicht zugute; ebensowenig sei die Einhaltung der zwingenden Bestimmungen des VVG (vgl. Art. 101 Abs. 1 Ziff. 2) gewährleistet.
a) Es ist richtig, dass die Versicherungsaufsicht nicht schon dann entfällt, wenn ein Versicherungsnehmer glaubt, seine Interessen gegenüber den Versicherungsgesellschaften selbst wahrnehmen zu können. Das VAG will das Publikum schlechthin schützen, ohne Rücksicht auf die mehr oder weniger grossen Fachkenntnisse des Einzelnen. Wie bereits dargetan worden ist, versucht es diesen Zweck dadurch zu erreichen, dass es jede Tätigkeit im Versicherungsgeschäft mit Auswirkungen in der Schweiz der staatlichen Aufsicht unterwirft, nicht nur das Betreiben des Versicherungsgeschäfts im eigentlichen Sinne, so dass im Extremfall bereits der Abschluss eines einzigen Versicherungsvertrags mit einem in der Schweiz domizilierten Versicherungsnehmer einer Bewilligung bedarf. Diese sehr weitgehende Ausdehnung der Aufsichtskompetenz (vgl.
BGE 91 I 379
) ist angesichts der für den Laien nicht ohne weiteres erkennbaren Gefahren des Versicherungsgeschäfts im Normalfall durchaus gerechtfertigt. Verfügt der betreffende Versicherungsnehmer aber ausnahmsweise über besondere Fachkenntnisse im Versicherungswesen, die es ihm ermöglichen, sich ein Urteil über den abzuschliessenden Versicherungsvertrag zu bilden und die damit verbundenen Risiken zu überblicken, so entfällt die Rechtfertigung dafür, auch einen individuellen Vertrag der staatlichen Aufsicht zu unterstellen. In diesem Sinne sind die Fachkenntnisse des Versicherungsnehmers bei der Prüfung der Frage, ob ein Schutzbedürfnis im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Abgrenzungsverordnung vorliegt, entgegen der Auffassung des EJPD von erheblicher Bedeutung. Würde man nicht darauf abstellen, käme diese Bestimmung, die mit dem Sinn und Zweck des VAG als eines Polizeigesetzes in Einklang steht (vgl.
Art. 1 VAG
), überhaupt nie zur Anwendung. Auf das Kriterium der Fachkunde
BGE 108 Ib 286 S. 295
des Versicherungsnehmers stellt übrigens auch das VAG selbst ab, wenn es in Art. 4 Abs. 1 lit. a die ausländischen Versicherungseinrichtungen, die in der Schweiz nur das Rückversicherungsgeschäft betreiben, generell von der Aufsicht ausnimmt; die schweizerischen Versicherungsgesellschaften, die mit ausländischen Gesellschaften Rückversicherungsverträge abschliessen, bedürfen eben wegen ihrer besonderen Kenntnisse des Schutzes des Gesetzes nicht.
b) Im vorliegenden Fall wollen die C.T. Bowring und die von ihr vertretenen Versicherer in der Schweiz nicht das Versicherungsgeschäft im eigentlichen Sinne betreiben. Sie wenden sich nicht an das schweizerische Publikum, auch nicht an eine unbestimmte Zahl von Treuhandgesellschaften. In Frage steht vielmehr einzig der Abschluss eines individuellen Versicherungsvertrages mit zwei bestimmten Versicherungsnehmern. Es geht daher nicht um den mit dem Gesetz bezweckten Publikumsschutz, sondern einzig um den Schutz dieser zwei Versicherungsnehmer. Nun ist unbestritten geblieben und im übrigen notorisch, dass die Beschwerdeführerinnen als Kontrollstelle verschiedener Versicherungseinrichtungen amten. Sie sind daher aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit in ganz anderem Ausmass als ein Laie in der Lage, die Solvenz und Solidität solcher Einrichtungen, und zwar insbesondere auch in versicherungstechnischer Hinsicht, zu beurteilen. Ihre besondere Fachkenntnis erlaubt ihnen auch ein fundiertes Urteil über die Angemessenheit der Versicherungsbedingungen und die konkrete Ausgestaltung des vorgesehenen Versicherungsvertrages. Freilich ist richtig, dass die Beschwerdeführerinnen die laufende Aufsicht nicht in gleicher Weise ausüben können wie die staatliche Aufsichtsbehörde, da ihnen die erforderlichen Überwachungs- und Eingriffsmöglichkeiten fehlen. Sie können sich jedoch die entsprechenden Kontrollrechte vertraglich einräumen lassen und ein Rücktrittsrecht vorsehen für den Fall, dass die verlangten Auskünfte nicht erteilt oder ungenügend ausfallen sollten, gerade weil beim Fehlen der staatlichen Aufsicht die Vorschriften des VVG nicht anwendbar sind (
Art. 101 Abs. 1 Ziff. 2 VVG
). Ferner können sie den Vertragsabschluss davon abhängig machen, dass die ausländischen Versicherer der Wahl eines schweizerischen Gerichtsstandes zustimmen und dass sie für ihre allfälligen Verbindlichkeiten aus dem Versicherungsvertrag in geeigneter Weise Sicherheit leisten. Es mag zutreffen, dass die Bestimmungen des VAG und des Kautionsgesetzes ihnen insgesamt einen besseren
BGE 108 Ib 286 S. 296
Schutz gewähren würden. Die Beschwerdeführerinnen sind jedoch in der Lage, die Wirksamkeit der von ihnen getroffenen Massnahmen zu beurteilen und die mit dem Vertragsabschluss mit ausländischen Versicherern verbundenen Risiken abzuschätzen. Im übrigen werden durch die geplante Verteilung des Versicherungsrisikos auf über 100 Versicherer die vom EJPD hervorgehobene Insolvenzgefahr und die Gefahr von Transferschwierigkeiten erheblich herabgesetzt. Unter diesen besonderen Umständen kann nicht gesagt werden, die Beschwerdeführerinnen bedürften des Schutzes der schweizerischen Versicherungsaufsichtsgesetzgebung.
c) Für den geplanten Vertragsabschluss fehlt es somit an einem Schutzbedürfnis im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Satz 2 der Abgrenzungsverordnung, weshalb die von der C.T. Bowring vertretenen ausländischen Versicherer diesbezüglich der schweizerischen Versicherungsaufsicht nicht unterstehen. Die Beschwerde ist demzufolge gutzuheissen. Bei diesem Ergebnis braucht nicht geprüft zu werden, ob sich die Beschwerdeführerinnen auch auf Art. 3 Abs. 2 der Abgrenzungsverordnung (Versicherungsgeschäfte einer in der Schweiz domizilierten Person im Rahmen einer vertraglichen internationalen Zusammenarbeit auf anderem als nur das Versicherungswesen betreffenden Gebiet) berufen können. Offen bleiben kann auch die Tragweite der von den Beschwerdeführerinnen angerufenen Bestimmungen des "Code de la libération des opérations invisibles" der OECD. | public_law | nan | de | 1,982 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
30038f6e-546d-4dfb-82c2-163367960170 | Urteilskopf
118 Ia 360
49. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 22. September 1992 i.S. N. gegen Regierungsrat des Kantons Solothurn (staatsrechtliche Beschwerde) | Regeste
Persönliche Freiheit;
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
. Haftbedingungen.
1. Anspruch auf vegetarische Gefängnisverpflegung sowie auf tägliche Bewegung im Freien. Verfassungskonforme Auslegung des Solothurner Vollzugsgesetzes vom 3. März 1991 und der Vollzugsverordnung vom 5. November 1991 (E. 3a/E. 3c).
2. Stellen disziplinarischer Arrest bzw. Einschliessung bis zu 10 Tagen eine strafrechtliche Sanktion im Sinne von
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
dar? Frage offengelassen, da nach Solothurner Prozessrecht eine richterliche Überprüfung jedenfalls gewährleistet ist (E. 3b). | Sachverhalt
ab Seite 361
BGE 118 Ia 360 S. 361
Der Kantonsrat von Solothurn erliess am 3. März 1991 das kantonale Gesetz über den Vollzug von Freiheitsstrafen und sichernden Massnahmen (VG/SO, BGS 331.11). Gestützt auf § 43 Abs. 1 dieses Gesetzes erliess der Regierungsrat des Kantons Solothurn am 5. November 1991 die Vollzugsverordnung zum genannten Gesetz (VV/SO). Beide Erlasse wurden am 6. Februar 1992 im Amtsblatt des Kantons Solothurn veröffentlicht und sind seit 1. März 1992 in Kraft. Innert 30 Tagen seit der amtlichen Publikation hat N. beide Erlasse mit staatsrechtlicher Beschwerde angefochten. Seine Beschwerde richtet sich gegen folgende Bestimmungen:
§ 24 VG
/SO (Verpflegung),
§ 40 VG
/SO (Rechtsmittel), § 50 VV/SO (Verpflegung), § 56 VV/SO (Aufenthalt im Freien). Zur Begründung macht der Beschwerdeführer geltend, die angefochtenen Bestimmungen würden verschiedene Grundrechtsgarantien bzw. verfassungsmässige Rechte verletzen, insbesondere die Garantie der persönlichen Freiheit sowie
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
a) Der Beschwerdeführer ficht als erstes
§ 24 VG
/SO sowie § 50 VV/SO an. Er macht geltend, diese Bestimmungen liessen hinsichtlich Gefängnisverpflegung einen Anspruch von Vegetariern auf nichttierische Ernährung vermissen. Vegetarier hätten daher "nur die Möglichkeit, die Nahrungsaufnahme zu verweigern". Damit verstiessen die angefochtenen Bestimmungen gegen
Art. 49 BV
und
Art. 10 KV/SO
(Gewissensfreiheit) sowie gegen die in
Art. 8 Abs. 1 KV/SO
und (stillschweigend) in der Bundesverfassung verankerte persönliche Freiheit. Die angefochtenen Bestimmungen sehen die Abgabe von Sonderkost aus besonderen medizinischen oder religiösen Gründen vor.
aa) Der freiwillige Verzicht auf tierische Nahrungsmittel durch Vegetarier ist vor allem weltanschaulich und ethisch begründet und meist nur indirekt mit religiösen Anschauungen verbunden. Die Wünsche von Vegetariern bei der Haftverpflegung werden in der Praxis des Bundesgerichtes daher als Ausdruck der persönlichen Freiheit und nicht der religiösen Glaubensfreiheit (
Art. 49 BV
) angesehen (vgl.
BGE 118 Ia 79
f. E. 3h). Im zitierten Urteil Minelli hat das Bundesgericht auf die Empfehlung Nr. 25 Ziff. 1 des Ministerkomitees des Europarates R (87) 3 für die Behandlung von
BGE 118 Ia 360 S. 362
Gefangenen hingewiesen, wonach hinsichtlich Anstaltsverpflegung die religiösen und kulturellen Überzeugungen "soweit wie möglich" zu achten seien. Das Bundesgericht hat sodann erwogen, es sei "auf ernsthaften Wunsch des Gefangenen auch den berechtigten Interessen namentlich von konsequenten Vegetariern" Rechnung zu tragen (
BGE 118 Ia 79
E. 3h; vgl. ZBJV 128 (1992) 408). Das Bundesgericht kam zum Schluss, dass im Falle der Zürcher Bezirksgefängnisverordnung eine verfassungskonforme Auslegung möglich sei, da die Abgabe von nichttierischer Verpflegung an überzeugte Vegetarier nirgends ausgeschlossen werde. Das Fehlen eines ausdrücklichen Anspruches auf vegetarische Ernährung sei daher nicht grundrechtswidrig.
bb) Diese Überlegungen gelten auch im vorliegenden Fall. Dass die Solothurner Strafvollzugsgesetzgebung die Zulassung von Sonderkost aus religiösen oder medizinischen Gründen ausdrücklich vorsieht, schliesst die Abgabe von vegetarischer Kost (auf Ersuchen des Betroffenen hin) keineswegs aus. In diesem Sinne und durchaus verfassungskonform werden die angefochtenen Bestimmungen auch vom Solothurner Regierungsrat verstanden. Dieser hält in seiner Vernehmlassung fest, dass er "davon Kenntnis" nehme, "dass auch weltanschauliche und kulturelle Besonderheiten im Zusammenhang mit der Gefängniskost Beachtung finden sollten. Wir können auch zusichern, dass die Praxis im Kanton Solothurn in diesem Sinne verfassungskonform gehandhabt wird." Der Regierungsrat weist insbesondere darauf hin, dass über das Bürgerspital Solothurn die Verpflegung mit vegetarischer Kost sichergestellt werden könne. Bei Haftfällen in der Nähe der Kantonsgrenzen gebe es nötigenfalls auch geeignete Einrichtungen in Aarau, Liestal oder Basel. Da die angefochtenen Bestimmungen verfassungskonform auslegbar sind und von den kantonalen Behörden auch in diesem Sinne interpretiert werden, erweisen sich die dagegen erhobenen Verfassungsrügen als unbegründet.
b)
§ 40 Abs. 1 VG
/SO sieht gegen Verfügungen einer Anstaltsverwaltung oder der Abteilung Straf- und Massnahmenvollzug die Beschwerde an das kantonale Polizei-Departement vor. Der Beschwerdeführer macht geltend, die Rechtsmittelordnung des Solothurner Vollzugsgesetzes verstosse gegen die Europäische Menschenrechtskonvention und Art. 19 der Kantonsverfassung, da für die disziplinarische Anordnung von Einschliessungen und Arreststrafen keine richterliche Überprüfung gewährleistet sei.
aa)
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
verlangt, dass über strafrechtliche Sanktionen von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz
BGE 118 Ia 360 S. 363
beruhenden Gericht entschieden wird. Nach der Praxis des Bundesgerichtes und der Rechtsprechungsorgane der Europäischen Menschenrechtskonvention ist
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
auf Disziplinarmassnahmen gegenüber Gefangenen in der Regel nicht anwendbar. So hat das Bundesgericht in
BGE 117 Ia 187
entschieden, dass die Ausfällung einer disziplinarischen Arreststrafe von zwei Tagen Dauer nicht unter
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
falle. Ob sich ausnahmsweise eine Anwendung von
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
rechtfertigt, kann zudem in der Regel nur im konkret zu entscheidenden Fall beurteilt werden (vgl. Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 22. Mai 1990 i.S. Franz Weber, Série A, vol. 177; FROWEIN/PEUKERT, EMRK-Kommentar, Kehl u.a. 1985,
Art. 6 N 24
). Im bereits zitierten Urteil i.S. Minelli hat das Bundesgericht offengelassen, ob eine Arreststrafe von 20 Tagen, welche gemäss Zürcher Bezirksgefängnisverordnung ausgefällt werden kann, einer kriminalrechtlichen Strafe gleichkommt und daher von einer richterlichen Behörde sanktioniert werden müsste. Im Gegensatz zur vorliegenden Beschwerde war im Fall Minelli die fragliche Rechtsmittelordnung unangefochten geblieben. In einem obiter dictum erwähnte das Bundesgericht indessen, dass für den Fall schwerer Disziplinarsanktionen eine richterliche Überprüfung notwendig erscheinen könne (
BGE 118 Ia 90
E. 3s/bb; vgl. ZBJV 128 (1992) 407 f.).
bb)
§ 36 Abs. 1 VG
/SO sieht neben anderen Disziplinarsanktionen in lit. c und d Einschliessung und Arrest bis zu 10 Tagen vor. Es braucht indessen auch im vorliegenden Fall nicht entschieden zu werden, ob diese Massnahmen - losgelöst vom konkreten Anwendungsfall - als strafrechtliche Sanktion im Sinne von
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
zu qualifizieren sind. Selbst wenn dies bejaht würde, wäre nämlich dem Erfordernis der richterlichen Überprüfung Genüge getan. Nach der Auffassung des Regierungsrates ist im Kanton Solothurn "jede Disziplinarstrafe im Bereich Strafvollzug der richterlichen Überprüfung zugänglich". In der Tat beurteilt das kantonale Verwaltungsgericht gemäss § 49 lit. b des Gesetzes über die Gerichtsorganisation vom 13. März 1977 (GO/SO, BGS 125.12) Beschwerden gegen Verfügungen der Departemente. Eine Ausnahme gemäss §§ 50 und 59ter GO/SO besteht im Falle von Disziplinarstrafverfügungen nach
§
§ 33 ff. VG
/SO nicht.
cc) Aus dem gleichen Grund verstösst die Rechtsmittelordnung von
§ 40 VG
/SO weder gegen
Art. 19 Abs. 3 KV/SO
, wo das "Recht zur Beschwerde an eine im Gesetz genannte richterliche Behörde" statuiert ist, noch gegen das Willkürverbot von
Art. 4 BV
.
BGE 118 Ia 360 S. 364
c) Der Beschwerdeführer ficht schliesslich noch § 56 VV/SO an. Die Bestimmung hat folgenden Wortlaut:
"Wünschen Untersuchungsgefangene einen Aufenthalt im Freien, kann ihnen
die freie Bewegung im Innenhof gestattet werden."
aa) Der Beschwerdeführer wendet gegen die angefochtene Bestimmung ein, die Gefangenen seien "auf das Wohlwollen der Richter und der Verwaltungsbeamten angewiesen", da der Aufenthalt im Freien nur durch eine "Kann"-Vorschrift gewährleistet sei. Ausserdem fehle eine Garantie, wonach dem Gefangenen "ab dem zweiten Haftmonat mindestens eine Stunde Aufenthalt im Freien" zustehe. § 56 VV/SO verstosse damit gegen das Grundrecht auf persönliche Freiheit und Unversehrtheit. Der Regierungsrat macht demgegenüber geltend, die angefochtene Bestimmung sei zwar "bewusst offen formuliert" worden, damit den Entwicklungen der Rechtsprechung, insbesondere der bundesgerichtlichen Praxis, Rechnung getragen werden könne. Die angefochtene Bestimmung werde aber durchaus verfassungskonform angewendet, wie sich aus den inzwischen erlassenen Hausordnungen der Untersuchungsgefängnisse Solothurn und Olten ergebe, wo folgende Regelung verankert worden sei:
"14. Aufenthalt im Freien
Während eines Monats nach dem Eintritt ist täglich eine halbe Stunde
Aufenthalt im Innenhof möglich, nach einem Monat täglich eine Stunde. Der
Wunsch ist beim Einzug des Frühstückgeschirrs anzumelden."
bb) Auch zum Anspruch des Gefangenen auf täglichen Spaziergang hat sich das Bundesgericht im Urteil Minelli in grundsätzlicher Weise ausgesprochen. Gestützt unter anderem auf einschlägige Empfehlungen des Ministerkomitees des Europarates hat das Bundesgericht entschieden, dass Untersuchungs- und Strafgefangenen ein Anspruch auf körperliche Bewegung im Freien von mindestens einer halben Stunde täglich zustehe, wo es die tatsächlichen Verhältnisse zulassen, von einer ganzen Stunde. Ungeachtet der baulichen, organisatorischen und personellen Voraussetzungen sei nach einer Haftdauer von einem Monat in jedem Fall ein täglicher Spaziergang von mindestens einer Stunde zu gewährleisten. Vorbehalten blieben einschränkende disziplinarische Sanktionen im Falle von schweren Disziplinarvergehen (
BGE 118 Ia 76
f. E. 3c, 81 f. E. 3k; vgl. ZBJV 128 (1992) 407).
cc) Die Verfassungsmässigkeit von § 56 VV/SO ist zu bejahen. Die Bestimmung lässt sich grundrechtskonform anwenden und wird
BGE 118 Ia 360 S. 365
von den kantonalen Behörden auch entsprechend interpretiert. Dies wird an den beiden Hausordnungen der Untersuchungsgefängnisse Solothurn und Olten deutlich, welche gestützt auf
§ 16 VG
/SO vom kantonalen Polizei-Departement erlassen worden sind. Die in Erwägung 3c/aa zitierte Spaziergangsregelung des Solothurner Untersuchungsgefängnisses entspricht den dargelegten Mindestgrundsätzen der neuesten bundesgerichtlichen Rechtsprechung zum Anspruch des Gefangenen auf körperliche Bewegung im Freien. Daran ändert der Umstand nichts, dass die solothurnische Spaziergangsregelung in gesetzestechnischer Hinsicht nicht gerade als ideal bezeichnet werden kann. Im Solothurner Strafvollzugsgesetz (VG/SO) fehlt es diesbezüglich an jeglicher Bestimmung. In § 56 der kantonalen Vollzugsverordnung (VV/SO) findet sich wenigstens die erwähnte Bestimmung betreffend Untersuchungsgefangene, welche allerdings als "Kann"-Vorschrift ausgestaltet ist und den in Erwägung 3c/bb dargelegten Rechtsprechungsgrundsätzen wenig Rechnung trägt. Wie dargelegt, lässt sich die angefochtene Bestimmung indessen verfassungskonform anwenden. Dass eine Regelung des Anspruches auf körperliche Bewegung im Freien im formellen Gesetz wünschbar wäre, schadet der Verfassungskonformität von § 56 VV/SO daher nicht. Sollte § 56 VV/SO trotz der erwähnten Hausordnungen in Einzelfällen zu Fehlinterpretationen führen, könnten entsprechende behördliche Verfügungen zudem im konkreten Anwendungsfall als verfassungswidrig angefochten werden. | public_law | nan | de | 1,992 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
300b3cec-04e6-488d-9f88-98d47118fd63 | Urteilskopf
119 II 482
97. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour civile du 10 août 1993 dans la cause SI X. et SI Y. contre les époux A., B. et C., D. et E., F. et G., et les époux H. (recours en réforme) | Regeste
Art. 54 OG
; Beginn der Berufungsfrist im Falle der Berichtigung eines Urteils.
Mit der nachträglichen Zustellung eines berichtigten Urteils beginnt für die Partei, die dadurch nicht beschwert ist, keine neue Berufungsfrist hinsichtlich jener Punkte zu laufen, die Gegenstand der Berichtigung bildeten. Anspruch auf Vertrauensschutz (E. 3). | Erwägungen
ab Seite 482
BGE 119 II 482 S. 482
Extrait des considérants:
1.
La SI X. est propriétaire d'un immeuble à Genève, dont deux appartements ont été remis à bail respectivement aux époux A. ainsi qu'à B. et C. La SI Y. est propriétaire d'un immeuble à Genève, dont trois appartements ont été remis à bail respectivement à D. et E., F. et G. ainsi qu'aux époux H. Par avis de majoration du 8 juin 1989, la SI X. et la SI Y. ont notifié à leurs locataires précités une augmentation de loyer dès le 1er octobre 1989, en invoquant les motifs de hausse tirés des art. 15 let. a, b et d AMSL. Les locataires ont contesté ces hausses devant la Commission de conciliation en matière de baux et loyers. Après échec de la conciliation, les sociétés bailleresses ont saisi le Tribunal des baux et loyers de Genève, qui, statuant le 19 mars 1992 par cinq jugements distincts, a admis, suivant les appartements, une hausse de loyer de 15,44% ou de 14,13%. La Chambre d'appel en matière de baux et loyers du canton de Genève, par cinq arrêts rendus le 25 janvier 1993, a modifié les décisions précitées. Le 10 février 1993, l'autorité cantonale a communiqué
BGE 119 II 482 S. 483
les cinq arrêts au mandataire des demanderesses, lequel, par lettre du 17 février 1993, lui a fait savoir qu'ils comportaient des "erreurs manifestes", dont il sollicitait la rectification en application de l'
art. 160 LPC
GE. Le représentant des bailleresses a ainsi signalé aux juges cantonaux que les dispositifs des cinq arrêts fixaient au 1er octobre 1990 l'entrée en force des augmentations de loyers, alors que les hausses avaient été signifiées valablement à compter du 1er octobre 1989. Faisant droit à cette requête, la Chambre d'appel a rectifié les arrêts en cause, qu'elle a notifiés le 5 mars 1993 aux mandataires des parties.
Par actes du 8 avril 1993, tant la SI X. que la SI Y. recourent en réforme au Tribunal fédéral dans les causes les concernant. Concluant à l'annulation des arrêts cantonaux, elles reprennent toutes deux leurs conclusions d'instance cantonale. Chaque groupe de défendeurs propose le rejet du recours qui le concerne, tout en se rapportant à justice quant à la recevabilité dudit recours.
3.
Les demanderesses ont recouru en temps utile au Tribunal fédéral s'il y a lieu d'admettre que le délai de recours de l'
art. 54 OJ
n'a commencé à courir pour les parties qu'à réception le 5 mars 1993 des arrêts dont le dispositif a été rectifié par l'autorité cantonale. En revanche, les demanderesses ont recouru à tard si le point de départ dudit délai était déjà le 10 février 1993, jour où elles ont reçu communication des arrêts contenant les erreurs corrigées par la suite.
A teneur de l'
art. 54 al. 1 OJ
, l'acte de recours doit être adressé à l'autorité qui a statué dans les trente jours dès la réception de la communication écrite de la décision critiquée. Selon la jurisprudence et la doctrine, la notification ultérieure d'un jugement rectifié fait courir un nouveau délai de recours, mais à l'encontre seulement des éléments de la décision qui étaient l'objet de la rectification. En d'autres termes, le délai pour recourir contre un jugement rectifié ne court en principe du jour de la communication de la rectification que dans la mesure où cette rectification provoque le dépôt d'un recours de la partie qui en subit un préjudice (
ATF 69 IV 57
/58; MESSMER/IMBODEN, Die eidgenössischen Rechtsmittel in Zivilsachen, p. 22, n. 6; LEUCH, Die Zivilprozessordnung für den Kanton Bern, n. 1 ad art. 338 ZPO BE; cf. également l'ATF du 2 avril 1986 dans la cause Commune de P. c/M., consid. 1, publié in SJ 1987 p. 154, cité par MESSMER/IMBODEN; pour les cas d'interprétation du jugement, cf.
ATF 117 II 510
consid. 1a et
ATF 116 II 88
consid. 3; moins clairs: POUDRET, Commentaire de la loi fédérale d'organisation judiciaire, n. 1.1 ad
art. 54 OJ
; BIRCHMEIER, Handbuch des Bundesgesetzes über die
BGE 119 II 482 S. 484
Organisation der Bundesrechtspflege, n. 4 ad
art. 57 OJ
, p. 218; GULDENER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3e éd., par. 61, ch. 8, p. 537; HABSCHEID, Schweizerisches Zivilprozess- und Gerichtsorganisationsrecht, 2e éd., p. 473/474, Rz. 775). Le cas échéant, la protection de la bonne foi peut commander de protéger le justiciable auquel successivement des expéditions modifiées d'une décision sont notifiées, dans la confiance qu'il mettait en ce que la dernière expédition se substituait à la première et provoquait dès sa réception le départ d'un nouveau délai de recours (cf.
ATF 115 Ia 12
ss).
En l'espèce, les demanderesses ne font valoir aucun grief déduit du droit fédéral à propos de la date d'entrée en force des hausses de loyers litigieuses, rectifiée à la suite de leur requête du 17 février 1993. Elles reprochent à la cour cantonale de n'avoir accueilli que partiellement leurs conclusions. Or, les motifs fondant le rejet partiel de leurs actions leur avaient déjà été notifiés le 10 février 1993. Ainsi, dès cette date, les demanderesses étaient à même de s'en prendre en toute connaissance de cause aux décisions rendues le 25 janvier 1993 par les juges cantonaux. La rectification des arrêts cantonaux opérée ultérieurement par la Chambre d'appel a en outre profité aux demanderesses, qui n'en ont ainsi subi aucun préjudice. Au reste, le principe de la protection de la bonne foi ne saurait trouver application en l'occurrence. En effet, les arrêts corrigés n'ont pas été à nouveau approuvés et datés, mais simplement assortis d'adjonctions manuscrites et communiqués aux parties avant que le délai de trente jours dès leur première notification ne soit écoulé. Dans ces conditions, le mandataire des recourantes, en sa qualité d'avocat, ne pouvait raisonnablement partir de l'idée que ces arrêts rectifiés constituaient de nouvelles décisions. Au contraire, il était évident que la substance de ces décisions n'avait pas été modifiée par la rectification d'une inadvertance rédactionnelle. L'art. 160 al. 2 in fine LPC GE dispose d'ailleurs expressément que la rectification d'une erreur matérielle est faite en marge ou au bas de la minute même du jugement (cf. BERTOSSA/GAILLARD/GUYET, Commentaire de la loi de procédure civile genevoise, n. 6 ad
art. 160 LPC
). Au vu de ce qui précède, il convient d'admettre que le délai de recours instauré par l'
art. 54 al. 1 OJ
n'a pas été observé par les demanderesses. Les présents recours en réforme sont donc irrecevables (POUDRET, op.cit., n. 1.1 in fine ad
art. 54 OJ
). | public_law | nan | fr | 1,993 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
3018f8c6-c1c4-4c23-aff8-7fe65372eea5 | Urteilskopf
97 I 60
10. Urteil vom 29. Januar 1971 i.S. X. gegen Regierungsrat des Kantons Zürich. | Regeste
Art. 100 lit. b und
Art. 101 lit. d OG
;
Art. 10 ANAG
.
Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die Verweigerung vorübergehender Aufhebung der gestützt auf
Art. 10 Abs. 1 lit. a ANAG
erlassenen Ausweisung; Verbindlichkeit des rechtskräftigen Entscheides über die Ausweisung trotz strafrechtlicher Rehabilitation des Gesuchstellers (Erw. 1 und 2).
Fehlt ein völkerrechtlicher Anspruch auf Wiedereinreise, so ist die Behörde auch beim Entscheid über vorübergehende Aufhebung der Ausweisung auf das pflichtgemässe Ermessen verwiesen; Überprüfung des Entscheides auf Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens (Erw. 3); für die Interessenabwägung massgebende Gesichtspunkte (Erw. 4). | Sachverhalt
ab Seite 61
BGE 97 I 60 S. 61
A.-
Das Divisionsgericht 8 verurteilte den deutschen Staatsangehörigen X. am 10. Dezember 1942 wegen versuchter Anstiftung zur Verletzung militärischer Geheimnisse, politischen Nachrichtendienstes und Nachrichtendienstes gegen fremde Staaten im Abwesenheitsverfahren zu acht Jahren Zuchthaus und fünfzehn Jahren Landesverweisung. Das Urteil erwuchs in Rechtskraft. Ferner verurteilte das Territorialgericht 3 A den Beschwerdeführer am 26. Oktober 1944 wegen Versuches der Verletzung militärischer Geheimnisse, militärischen Nachrichtendienstes bzw. Anstiftung hiezu sowie wegen versuchter Anstiftung zur Verletzung militärischer Geheimnisse im Abwesenheitsverfahren zu einer Zusatzstrafe von zwei Jahren Zuchthaus. Die Strafurteile konnten wegen des Aufenthalts des Beschwerdeführers in Deutschland nicht vollstreckt werden.
Am 11. Februar 1943 hat die Polizeidirektion des Kantons Zürich den Beschwerdeführer auf Grund von
Art. 10 Abs. 1 lit. a ANAG
dauernd aus der Schweiz ausgewiesen. Diese Verfügung konnte dem Beschwerdeführer erst am 24. April 1968 zugestellt werden, als er sich in einem Hotel in B. aufhielt. Am 16. Mai 1968 ersuchte der Beschwerdeführer um die Aufhebung der Ausweisung. Die Polizeidirektion wies das Begehren ab. Das Militärkassationsgericht hat am 17. Juli 1968 die gegen den Beschwerdeführer ergangenen Strafurteile im Strafregister gelöscht. Den Rekurs des Beschwerdeführers gegen die Verfügung der Polizeidirektion hat der Regierungsrat am 30. Januar 1969 abgewiesen.
Am 11. November 1969 ersuchte der Beschwerdeführer die Eidgen. Fremdenpolizei, ihm die Einreise in die Schweiz für die Dauer einer Woche zu gestatten. Die Fremdenpolizei überwies das Gesuch zuständigkeitshalber der Polizeidirektion des Kantons Zürich. Diese wies das Begehren ab. Den Rekurs dagegen hat der Regierungsrat des Kantons Zürich am 12. März 1970
BGE 97 I 60 S. 62
abgewiesen, im wesentlichen mit der Begründung: der Beschwerdeführer habe keinen Rechtsanspruch auf vorübergehende Einstellung der Ausweisung. Diese könnte nur aufgehoben werden, wenn feststünde, dass ein öffentliches Interesse daran festzuhalten nicht mehr vorhanden sei. Bis zum Jahre 1961 habe der Regierungsrat von Personen, die seinerzeit der nationalsozialistischen Weltanschauung zum Durchbruch verhelfen wollten, erklärt, sie seien selbst dann weiterhin unerwünscht, wenn ihre Anwesenheit für die Schweiz keine Gefahr mehr bedeuten würde. Erst damals habe er Richtlinien für eine Lockerung dieser Rechtsprechung erlassen und die Polizeidirektion ermächtigt, Ausweisungsbeschlüsse gegenüber leichter belasteten Nationalsozialisten auf Gesuch hin aufzuheben. Der Beschwerdeführer erfülle die Voraussetzungen für die Anwendung dieser neuen Praxis nicht. Auch der Zeitablauf und die Rehabilitation könnten nicht massgebend sein. Der Beschwerdeführer sei immer noch unerwünscht, auch für einen kürzeren Aufenthalt. Er plane übrigens für später weitere Aufenthalte in der Schweiz. Geschäftliche Interessen vermöchten einen gegenteiligen Entscheid nicht zu rechtfertigen. Das Interesse der Öffentlichkeit an der Fernhaltung eines Verräters überwiege. Eine besondere Härte sei für den Beschwerdeführer mit der Abweisung des Gesuches nicht verbunden. Auch das Legalitätsprinzip sei nicht verletzt. Die Ausweisung auf unbestimmte Dauer wäre sinnlos, wenn sie auf den Zeitpunkt der Verjährung der Strafe und der Rehabilitierung des Täters aufgehoben werden müsste. Nach dem Willen des Gesetzgebers solle die Ausweisung für immer gelten und dieser Grundsatz nur in seltenen Ausnahmefällen durchbrochen werden. Die Landesverweisung verfolge von der administrativen Wegweisung verschiedene Ziele.
B.-
Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt X., die Ausweisung für die Dauer einer Woche aufzuheben.
Die Begründung des Antrages ergibt sich soweit notwendig aus den nachfolgenden Erwägungen.
C.-
Der Regierungsrat des Kantons Zürich beantragt die Abweisung der Beschwerde.
Das Eidgen. Justiz- und Polizeidepartement schliesst ebenfalls auf Abweisung.
D.-
Über die Zuständigkeit zur Behandlung der Beschwerde hat das Bundesgericht einen Meinungsaustausch mit dem Bundesrat
BGE 97 I 60 S. 63
durchgeführt. Darin wurde die Zuständigkeit des Bundesgerichts zur Behandlung der Beschwerde festgestellt.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Auf dem Gebiet der Fremdenpolizei ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht zulässig gegen Verfügungen über die Einreiseverweigerung, die Einreisebeschränkung und die Einreisesperre (
Art. 100 lit. b Ziff. 1 OG
); gleiches gilt für Verfügungen über das Asylrecht (Ziff. 2), die Erteilung oder Verweigerung von Bewilligungen, auf die das Bundesrecht keinen Anspruch gibt (Ziff. 3), sowie gegen die Ausweisung, welche sich auf
Art. 70 BV
stützt und gegen die Wegweisung (Ziff. 4). Die Beschwerde ist dagegen zulässig gegen die Ausweisung, die von einer kantonalen Behörde auf Grund von Art. 10 f. ANAG, also z.B. dann angeordnet wird, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens oder Vergehens gerichtlich bestraft wurde (
Art. 10 Abs. 1 lit. a ANAG
; Botschaft des Bundesrates zur Revision des OG, BBl 1965 II 1306; GRISEL, Droit administratif suisse S. 500 lit. b). Aus der Ausweisung im Sinn von
Art. 10 ANAG
ergibt sich begriffsnotwendig eine implicite Einreisesperre für die Dauer der Ausweisung. Sie ist nicht identisch mit der Einreisesperre im Sinn von
Art. 100 lit. b Ziff. 1 OG
. Denn als solche hat die Sperre zu gelten, die sich aus
Art. 13 ANAG
oder aus Art. 2 des BRB vom 10. April 1946 über Einreise und Anmeldung der Ausländer ergibt. Wird die Ausweisung eingestellt, die sich aus
Art. 10 ANAG
ergibt, so zieht die Einstellung die Aufhebung der mit der Ausweisung verbundenen Einreisesperre nach sich und bildet deren notwendige Folge. Sie charakterisiert sich als Widerruf und unterliegt nach
Art. 101 lit. d OG
der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
Da die angefochtene Einreisesperre auch von einer letztinstanzlichen kantonalen Behörde ausgeht, steht dem Betroffenen die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zur Verfügung.
2.
Der Beschwerdeführer verweist darauf, dass der Regierungsrat das Gesuch um gänzliche Aufhebung der Ausweisung abgewiesen hat, obwohl das Militärkassationsgericht die Strafen mittlerweile im Strafregister gelöscht hatte. Er macht aber mit Recht nicht geltend, dass sich die Gutheissung der Beschwerde automatisch aus der Rehabilitation ergebe. Jene
BGE 97 I 60 S. 64
Entscheidung ist in Rechtskraft erwachsen und kann in diesem Verfahren nicht überprüft werden. Die Frage stellt sich deshalb nicht, ob eine Löschung im Strafregister ohne weiteres die Aufhebung der sich auf die strafgerichtliche Verurteilung stützenden administrativen Ausweisung nach sich zieht. Das Bundesgericht ist an den Entscheid der Ausweisung in diesem Verfahren gebunden, solange er nicht von der zuständigen Behörde aufgehoben wird.
Wenn sowohl die gesetzliche Grundlage als der Zweck der administrativen Ausweisung von einander verschieden sind (HOFMANN, Das Verhältnis der gerichtlichen Landesverweisung als Nebenstrafe zur administrativen Ausweisung, SJZ Bd. 53 1957 S. 313), darf übrigens angenommen werden, dass auch der Hinfall der gerichtlichen Landesverweisung durch Rehabilitation nicht automatisch den Wegfall der administrativen Ausweisung zur Folge haben muss. Auch für andere Gebiete gilt der Grundsatz, dass die Verwaltungsbehörde die Verwaltungsgesetze unabhängig vom Strafrecht anzuwenden hat, jedenfalls wenn sich der Entscheid im Rahmen des der Verwaltung zustehenden Ermessens hält, sofern das Gesetz sie auf dieses verweist.
3.
Nach
Art. 10 ANAG
kann der Ausländer u.a. dann ausgewiesen werden, wenn er wegen eines Verbrechens oder Vergehens gerichtlich bestraft wurde. Doch soll die Ausweisung nur angeordnet werden, wenn sie nach den gesamten Umständen als angemessen erscheint. Was für die Ausweisung selber gilt, ist auch für die Einstellung und die damit verbundene Einreisesperre rechtens.
Der Charakter der Bestimmung als Kann-Vorschrift und die Anweisung an die Behörde, die sämtlichen Umstände zu berücksichtigen, machen klar, dass es sich um einen Entscheid handelt, den die Behörde nach pflichtgemässem Ermessen zu treffen hat, vom Falle immerhin abgesehen, wo ein völkerrechtlicher Anspruch auf Wiedereinreise besteht (BBl 1965 II 1307, 1315; GRISEL a.a.O.). Auf einen derartigen Anspruch aus Staatsvertragsrecht kann sich der Beschwerdeführer nicht berufen. Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann deshalb ausser der Rüge unrichtiger oder unvollständiger Tatbestandsfeststellung und derjenigen der Verletzung von Bundesrecht nur die Rüge der Überschreitung oder des Missbrauchs des behördlichen Ermessens, nicht auch der Unangemessenheit der Verfügung
BGE 97 I 60 S. 65
erhoben werden (
Art. 104 OG
). Der Beschwerdeführer behauptet einen derartigen Ermessensmissbrauch.
4.
Die angefochtene Entscheidung wird damit begründet, dass, weil der Beschwerdeführer keinen Anspruch auf Einreise in die Schweiz, d.h. auf Einstellung der Ausweisung besitze, darüber wie bei der Gewährung eines Aufenthalts grundsätzlich nach freiem Ermessen zu entscheiden und deshalb nur der Grundsatz der Rechtsgleichheit zu berücksichtigen sei. Dieser Grundsatz werde durch die Verweigerung der vorübergehenden Einstellung nicht verletzt. Demgegenüber macht der Beschwerdeführer geltend, der Entscheid dürfe nicht nur danach ausgerichtet werden; es habe vielmehr eine Interessenabwägung Platz zu greifen und die Behörde habe den Grundsatz der Verhältnismässigkeit zu beachten.
Die Einstellung der Ausweisung ist mit dem angefochtenen Entscheid jedoch nicht bloss deshalb verweigert worden, weil der Beschwerdeführer damit nicht rechtsungleich behandelt werde. Sie wird damit begründet, dass das strafbare Verhalten des Beschwerdeführers schwer, und dass unsicher sei, ob die Verurteilung ohne den Vollzug der Strafe die verschiedenen Strafzwecke erreicht habe; ferner damit, dass der Beschwerdeführer den Aufenthalt in der Schweiz wiederholen wolle und dass die geschäftlichen Besprechungen, für welche die Einreisebewilligung verlangt werde, diese nicht zu rechtfertigen vermöchten.
Dass der Beschwerdeführer bei gleichen tatsächlichen Verhältnissen mit der Verweigerung der Einreisebewilligung anders, schlechter behandelt worden sei als andere Gesuchsteller, wird von ihm nicht behauptet. Er gehört nicht zu den Personen, auf welche die neuere Praxis des Regierungsrates zutrifft. Die Verbrechen, wegen deren er verurteilt worden ist, sind nicht leicht, sondern müssen als schwer bezeichnet werden, objektiv sowohl als subjektiv, auch wegen ihrer Häufung und Wiederholung. Dass er im Abwesenheitsverfahren verurteilt wurde, sich vor dem Strafrichter nicht stellte, ist nicht erheblich. Er behauptet nicht, dass bestimmte, zu seinen Gunsten sprechende Umstände nicht gewürdigt wurden. Er hätte sich dies auch selbst zuzuschreiben gehabt. Dasselbe gilt von der Behauptung, die während des Krieges gefällten Urteile seien aus der damaligen Zeit und Mentalität zu verstehen und die Verurteilung wäre unter veränderten Verhältnissen möglicherweise anders ausgefallen.
BGE 97 I 60 S. 66
Von welcher Intensität die verbrecherische Gesinnung des Täters, und ob das begangene Verbrechen objektiv schwer war, beurteilt sich nach dem Zeitpunkt der Urteilsfällung. Es durfte auch berücksichtigt werden, dass der Beschwerdeführer sich dem Vollzug der Urteile zu entziehen wusste.
Ob dem Umstand Bedeutung zukommt, dass der Beschwerdeführer gegenwärtig für die Sicherheit des Landes keine Gefahr darstellen dürfte, mag auf sich beruhen. Jedenfalls brauchte hierauf nicht entscheidend abgestellt zu werden. Der Ausländer, der in einer für die Unabhängigkeit des Gastlandes schweren Zeit wegen Verletzung militärischer Geheimnisse und verbotenen Nachrichtendienstes verurteilt worden ist, und der sich der Strafe entzogen hat, ist auch unerwünscht, wenn sich die politischen Verhältnisse inzwischen geändert haben und eine Wiederholung des Verbrechens nicht mehr zu befürchten ist. Das öffentliche Interesse an seiner Fernhaltung dauert fort, sofern nicht ganz gewichtige Interessen des Ausgewiesenen die Aufhebung der Einreisesperre rechtfertigen. Ein solcher Grund liegt nicht vor.
Der Beschwerdeführer hat das Gesuch damit begründet, dass er zur schweizerischen Industrie enge Beziehungen habe und dass die Zusammenarbeit mit einer Firma einlässliche Verhandlungen erfordere, welche seine persönliche Anwesenheit in der Schweiz notwendig machen. Er würde auch persönlich untragbar, wenn er an Verhandlungen und Sitzungen nicht mehr teilnehmen könnte.
Der Beschwerdeführer hat unterlassen, diese Behauptungen glaubhaft zu machen. Weder ergibt sich aus seinen Vorbringen, dass die vorgesehenen geschäftlichen Verhandlungen nicht in Deutschland oder in einem andern Lande möglich sind, noch dass sie in der Schweiz nicht durch andere Organe, oder dass sie nicht schriftlich oder telephonisch geführt werden können. Dafür, dass es sich nicht um die Interessen einer einzelnen schweizerischen Fabrik handeln kann, spricht der Umstand, dass der Beschwerdeführer bereits in B. Besprechungen und Verhandlungen geführt hat. Warum er sich nicht durch jemand anders vertreten lassen kann, ist ebenfalls nicht ersichtlich. Das blosse wirtschaftliche Interesse an der Ausdehnung der Geschäftstätigkeit, von der nicht feststeht, dass sie für den Beschwerdeführer wichtig ist, vermag dasjenige, dass der Beschwerdeführer im Hinblick auf seine Verurteilung die Schweiz nicht mehr soll betreten können, nicht aufzuwiegen.
BGE 97 I 60 S. 67
Es stellt deshalb weder einen Ermessensmissbrauch noch eine Überschreitung des Ermessens dar, wenn die kantonale Behörde die Einstellung der Ausweisung auch nicht vorübergehend auf gehoben hat.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen. | public_law | nan | de | 1,971 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
301ed227-fd96-4902-a3eb-aa40cbd1c421 | Urteilskopf
141 I 20
3. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit public dans la cause X. contre Département fédéral des affaires étrangères (recours en matière de droit public)
2C_97/2014 du 13 décembre 2014 | Regeste
Art. 26, 36, 54 Abs. 2 und
Art. 184 Abs. 3 BV
;
Art. 7e RVOG
; Verordnung über Massnahmen gegen gewisse Personen aus der Arabischen Republik Ägypten (Ägypten-V); Weigerung, den Namen des Beschwerdeführers von der Liste der Ägypten-V zu streichen; Blockierung der (potentiellen) Vermögenswerte in der Schweiz.
Die Weigerung, den Namen des Beschwerdeführers von der Liste der Ägypten-V zu streichen, was die Sperrung aller Vermögenswerte in der Schweiz zur Folge hat, bildet einen Eingriff in die Eigentumsgarantie. Die Voraussetzungen nach
Art. 184 Abs. 3 und
Art. 36 BV
sind nicht identisch; deren Gehalt ist jeweils separat zu prüfen (E. 4). Voraussetzungen von
Art. 184 Abs. 3 BV
; Vorliegen einer genügenden gesetzlichen Regelung (E. 5). Die Einschränkung der Grundrechte des Beschwerdeführers verfolgt ein öffentliches Interesse (E. 6.1) und ist noch verhältnismässig (E. 6.2 und 6.3). | Sachverhalt
ab Seite 21
BGE 141 I 20 S. 21
A.
Le 2 février 2011, le Conseil fédéral a adopté l'ordonnance instituant des mesures à l'encontre de certaines personnes originaires de la République arabe d'Egypte (RS 946.231.132.1; ci-après: Ordonnance-Egypte ou O-Egypte). Le nom de X. figure sur l'annexe à cette ordonnance avec l'indication: "ancien Secrétaire de l'Organisation au Partie national démocratique" (sic).
Le 14 février 2011, la banque A. SA a informé la Direction du droit international public du Département fédéral des affaires étrangères (ci-après: le Département fédéral) que X. était l'ayant droit économique de plusieurs comptes auprès de son établissement dont l'un présentait un solde de 1'228'357 fr. (compte n° 1) et l'autre de 30'962'682 fr. (compte n° 2), étant précisé que la société B. Holdings Ltd était la titulaire du second compte. Le 17 février 2011, la banque C. SA a annoncé deux relations bancaires avec X. présentant un solde de USD 9'254.-.
BGE 141 I 20 S. 22
Le 4 mars 2011, X. a contesté son inscription sur l'annexe de l'ordonnance du 2 février 2011, puis a demandé la libération d'un montant de 200'000 fr. du compte n° 2. Cette demande a été rejetée par décision du 27 avril 2011, qui n'a pas fait l'objet de recours.
Le 9 janvier 2012, le Ministère public de la Confédération a admis une demande d'entraide judiciaire formée par les autorités égyptiennes et, le 10 février 2012, il a étendu à X. une instruction pénale ouverte contre plusieurs personnes proches du clan de l'ancien président égyptien Hosni Mubarak. Le même jour, il a ordonné à A. SA de bloquer le compte n° 1 appartenant à celui-ci et, le 5 avril 2012, il a fait séquestrer ledit compte.
B.
Le 13 août 2012, le Département fédéral a rejeté la requête de X., formée le 6 juillet 2011 et complétée le 13 février 2012, tendant à sa radiation de l'Ordonnance-Egypte et à la levée du blocage de ses avoirs. Il a considéré en substance que l'inscription sur l'annexe à cette ordonnance ne s'avérait ni arbitraire ni contraire au principe de la proportionnalité, X. ayant été condamné, en septembre 2011, à dix ans de prison et à 660 millions de livres égyptiennes d'amende pour avoir obtenu de manière irrégulière des licences pour deux de ses sociétés. En outre, l'intéressé faisait l'objet d'une instruction pénale en Suisse et était également désigné par l'Union européenne parmi les personnes faisant l'objet de mesures restrictives en lien avec la situation en Egypte.
Par arrêt du 5 décembre 2013, le Tribunal administratif fédéral a rejeté le recours de X. à l'encontre de la décision du Département fédéral du 13 août 2012.
C.
A l'encontre de l'arrêt du 5 décembre 2013, X. dépose un recours en matière de droit public au Tribunal fédéral. Il conclut (...) à l'annulation de l'arrêt entrepris et de la décision du 13 août 2012 du Département fédéral; il demande à être radié de la liste des personnes visées par l'annexe de l'Ordonnance-Egypte. A titre subsidiaire, il requiert qu'il soit ordonné au Département fédéral de rendre une nouvelle décision ayant pour objet de le radier de la liste des personnes visées par l'Ordonnance-Egypte. (...)
Le Tribunal fédéral rejette le recours dans la mesure où il est recevable.
(extrait)
BGE 141 I 20 S. 23
Erwägungen
Extrait des considérants:
4.
Il n'est à juste titre pas contesté que le refus de radier le nom du recourant de la liste figurant à l'annexe à l'O-Egypte, en tant qu'il a pour conséquence de l'empêcher de disposer de ses avoirs, porte atteinte à ses droits fondamentaux, en particulier à la garantie de la propriété invoquée par l'intéressé (
art. 26 Cst.
; cf.
ATF 132 I 229
consid. 11.2 p. 245; arrêt 2C_721/2012 du 27 mai 2013 consid. 6.3, non publié in
ATF 139 II 384
, mais in Pra 2013 n° 103 p. 791; BIANCHI/HEIMGARTNER, Die Rückerstattung von Potentatengeldern, PJA 2012 p. 353 ss, 355). Pour être admissible, cette restriction suppose que soit respecté l'
art. 36 Cst.
4.1
Le recourant fonde ses griefs sur les conditions de l'
art. 36 Cst.
dont il met en doute la réalisation. Il soutient en substance que la décision attaquée, qui constitue une ingérence dans ses droits fondamentaux, ne remplit pas les exigences de l'
art. 184 al. 3 Cst.
, de sorte que cette disposition ne saurait lui servir de base légale (
art. 36 al. 1 Cst.
). En outre, elle ne répond à aucun intérêt public ni ne respecte le principe de la proportionnalité (
art. 36 al. 2 et 3 Cst.
), ces deux aspects se recoupant, selon lui, avec les conditions d'application de l'
art. 184 al. 3 Cst.
4.2
Aux termes de l'
art. 184 al. 3 Cst.
:
"Lorsque la sauvegarde des intérêts du pays l'exige, le Conseil fédéral peut adopter les ordonnances et prendre les décisions nécessaires. Les ordonnances doivent être limitées dans le temps."
De cette disposition constitutionnelle l'exécutif fédéral peut déduire, si nécessaire directement et exclusivement, une compétence normative dans le domaine des relations internationales (cf. art. 7c al. 1 de la loi fédérale du 21 mars 1997 sur l'organisation du gouvernement et de l'administration [LOGA; RS 172.010]; AUER/MALINVERNI/HOTTELIER, Droit constitutionnel suisse, vol. I, 3
e
éd. 2013, n. 1971 p. 669), visant à préserver les intérêts de la politique étrangère suisse (GIOVANNI BIAGGINI, in BV, 2007, n° 12 ad
art. 184 Cst.
p. 815). Ce pouvoir normatif prend la forme d'une ordonnance indépendante de substitution (
ATF 132 I 229
consid. 10.1 p. 243; cf., sur ces textes, AUER/MALINVERNI/HOTTELIER, op. cit., n. 1631 p. 552).
L'
art. 184 al. 3 Cst.
prévoit, en des termes généraux, à quelles conditions objectives le Conseil fédéral est autorisé à user de cette prérogative. Lorsque le pouvoir exécutif adopte une ordonnance qui s'en
BGE 141 I 20 S. 24
tient auxdites conditions constitutionnelles, l'
art. 184 al. 3 Cst.
vaut à lui seul base légale suffisante, permettant également de restreindre, en tant que de besoin, les libertés fondamentales des particuliers (
ATF 132 I 229
consid. 10.1 p. 243). Partant, savoir si l'
art. 184 al. 3 Cst.
constitue une base légale suffisante implique de déterminer, à titre préjudiciel, si l'acte à l'origine de la décision attaquée (cf.
ATF 139 II 384
consid. 2.3 p. 390), en l'occurrence l'O-Egypte, en respecte les conditions.
4.3
En revanche, on ne saurait assimiler les "intérêts du pays" ainsi que le caractère nécessaire des décisions qui sont évoqués à l'
art. 184 al. 3 Cst.
aux notions d'intérêt public et de proportionnalité qui sont posées à l'
art. 36 al. 2 et 3 Cst.
dans l'optique de limiter un droit fondamental. Tandis que les premiers termes énoncent les conditions matérielles auxquelles le Conseil fédéral se voit exceptionnellement reconnaître le droit de réglementer, à la manière du pouvoir législatif, certains aspects des relations internationales, le respect des secondes notions doit se déterminer en fonction des circonstances ainsi que de l'évolution de la situation individuelle des personnes concernées, en l'occurrence l'inscription sur la liste, suivie du blocage administratif des avoirs bancaires en Suisse dont le recourant est le titulaire ou l'ayant droit économique.
Partant, contrairement à ce qu'indique le recourant et à ce qui résulte partiellement de l'arrêt attaqué, l'examen des conditions d'application de l'
art. 184 al. 3 Cst.
en lien avec l'existence d'une base légale suffisante (
art. 36 al. 1 Cst.
; cf. infra consid. 5.1) ne coïncide pas avec les conditions du respect de l'intérêt public et de la proportionnalité au sens des
art. 36 al. 2 et 3 Cst.
, qu'il y a donc lieu d'aborder séparément (cf.
ATF 132 I 229
consid. 10 et 11 p. 243 ss; consid. 5.2 et 5.3 infra).
5.
L'examen de la
base légale
, dont l'existence est contestée par le recourant, suppose de vérifier si l'O-Egypte sur laquelle le maintien du gel administratif des avoirs du recourant se fonde, correspond aux conditions posées par l'
art. 184 al. 3 Cst.
(cf. consid. 4.2 supra).
5.1
En premier lieu, le Conseil fédéral ne peut adopter une ordonnance indépendante de substitution en matière de relations internationales que "lorsque la sauvegarde des intérêts du pays l'exige" (
art. 184 al. 3 Cst.
; cf. également
art. 7e al. 1 let. a LOGA
).
5.1.1
Le champ d'application de cette clause est large par définition, car il n'est pas possible d'anticiper toutes les situations dans
BGE 141 I 20 S. 25
lesquelles le gouvernement peut être appelé à intervenir en matière de relations internationales aux fins de préserver les intérêts de la Suisse (voir déjà: DIETRICH SCHINDLER, in Commentaire de la Constitution de la Confédération suisse du 29 mai 1874, vol. IV, 1987, n° 115 ad
art. 102 ch. 8 Cst.
p. 46; cf. aussi SCHOTT/KÜHNE, An den Grenzen des Rechtsstaats: exekutive Notverordnungs- und Notverfügungsrechte in der Kritik, ZBl 8/2010 p. 409 ss, 419). Ceux-ci sont en premier lieu énumérés à l'
art. 54 al. 2 Cst.
sur les affaires étrangères (cf., dans ce sens, SCHWENDIMANN/TSCHAN-TRUONG/THÜRER, Die Schweizerische Bundesverfassung, 3
e
éd. 2014, n
os
24 s. ad
art. 184 Cst.
p. 2951), en vertu duquel:
"La Confédération s'attache à préserver l'indépendance et la prospérité de la Suisse; elle contribue notamment à soulager les populations dans le besoin et à lutter contre la pauvreté ainsi qu'à promouvoir le respect des droits de l'Homme, la démocratie, la coexistence pacifique des peuples et la préservation des ressources naturelles."
Par ailleurs, il ressort de la pratique que le Conseil fédéral a développée en application de l'
art. 184 al. 3 Cst.
que des ordonnances visant à sauvegarder les intérêts du pays ont été, parmi d'autres usages possibles, adoptées comme moyens de sanctions et de représailles à l'encontre d'autres Etats ou, au contraire, dans l'optique d'éviter de nuire aux relations que la Suisse entretient avec d'autres Etats et des organisations internationales, ou de porter atteinte à la réputation de la Suisse vis-à-vis de l'étranger (cf. SCHWENDIMANN/TSCHAN-TRUONG/THÜRER, op. cit., n° 24 ad
art. 184 Cst.
p. 2951 et les ouvrages cités; SCHINDLER, op. cit., n
os
116 ss ad
art. 102 ch. 8 Cst.
p. 46 s.).
Le Tribunal fédéral fait preuve de retenue s'agissant d'apprécier si les objectifs que le Conseil fédéral annonce vouloir poursuivre en se fondant sur l'
art. 184 al. 3 Cst.
font partie des "intérêts de la Suisse" en matière de politique étrangère (cf., mutatis mutandis,
ATF 130 III 430
consid. 3.3 p. 434).
5.1.2
En l'espèce, à la suite des événements dits du "Printemps arabe", les pays affectés par un changement de régime, notamment l'Egypte, qui soupçonnait son ancien président Hosni Mubarak d'avoir détourné à grande échelle des fonds publics, se sont adressés aux Etats dotés d'une importante place financière en demandant leur soutien. Concernant l'Egypte, le Conseil fédéral a réagi rapidement en adoptant l'O-Egypte qui avait pour effet immédiat de geler les avoirs et les ressources appartenant à ou sous contrôle de Hosni Mubarak ainsi que de personnes physiques, entreprises et entités proches,
BGE 141 I 20 S. 26
énumérées dans l'annexe à ladite ordonnance (cf. art. 1 al. 1 O-Egypte). Lorsqu'il a ordonné ce blocage, le Conseil fédéral a souligné l'engagement de la Suisse en faveur de la bonne gouvernance et de la lutte contre la corruption et l'impunité. Le blocage était par ailleurs primordial pour protéger la réputation et l'intégrité de la place financière helvétique, autre intérêt essentiel de la Suisse (cf. Rapport explicatif du Département fédéral du 8 mai 2013 relatif à l'avant-projet de loi fédérale sur le blocage et la restitution des valeurs patrimoniales d'origine illicite liées à des personnes politiquement exposées, p. 4 et 6;
ATF 131 II 169
consid. 6 p. 175).
A l'aune des explications fournies par le gouvernement helvétique, dont aucun élément au dossier ne permet de douter de la pertinence, l'Ordonnance-Egypte a donc essentiellement pour objectifs, d'une part, de préserver l'image de la Suisse et de sa place financière vis-à-vis de l'étranger, laquelle ne doit pas être perçue comme un havre sûr pour les valeurs patrimoniales de provenance illicite que des potentats déchus ou leurs proches y auraient déposées. D'autre part, l'O-Egypte entend éviter de nuire aux relations que la Suisse entretient avec l'Egypte, à travers une coopération diligente avec son nouveau gouvernement tendant au blocage de fonds d'origine douteuse. En d'autres termes, le Conseil fédéral voulait éviter à travers l'O-Egypte que la Suisse se voie reprocher sur le plan international d'avoir négligé de faire ce qu'elle pouvait pour assurer que les avoirs de Hosni Mubarak et de son entourage se trouvant en Suisse, susceptibles de provenir de l'importante fortune qu'il leur a été reproché de s'être constituée au préjudice du peuple égyptien, puissent revenir autant que possible à ce dernier (cf., mutatis mutandis,
ATF 132 I 229
consid. 10.2 p. 243). Or, de tels objectifs relèvent traditionnellement des "intérêts du pays" détaillés ci-avant (consid. 5.1.1) et sont dès lors admissibles au regard de l'
art. 184 al. 3 Cst.
5.2
L'
art. 184 al. 3 Cst.
implique, en deuxième lieu, que la mesure apparaisse comme
nécessaire
(cf. en particulier les termes "l'exige" et "décisions nécessaires"). Savoir si une mesure est nécessaire à la sauvegarde des intérêts de la Suisse dans les relations avec l'étranger est une question de droit, que le Tribunal fédéral examine donc librement. Au vu de ses implications politiques, elle comporte toutefois une importante marge d'appréciation, justifiant de procéder à cet examen avec une grande réserve (cf.
ATF 132 I 229
consid. 10.3 p. 243). Par ailleurs, le Tribunal fédéral ne saurait procéder à un
BGE 141 I 20 S. 27
contrôle de l'opportunité de la mesure (art. 95-97 a contrario LTF; THIERRY TANQUEREL, Manuel de droit administratif, 2011, n. 521 p. 173).
Comme indiqué ci-avant (consid. 5.1), le pouvoir exécutif a adopté l'Ordonnance-Egypte en particulier dans le but de garantir que les avoirs que l'ancien chef d'Etat égyptien et son entourage ont déposés en Suisse, si leur caractère douteux était par la suite confirmé, puissent être restitués aux ayants droit légitimes. Afin d'éviter que ces fonds ne soient retirés de la place financière helvétique et donc soustraits au contrôle suisse avant même qu'une procédure d'entraide internationale ou pénale nationale n'ait pu aboutir, il était indispensable que le Conseil fédéral procède au gel immédiat de l'ensemble de ces avoirs suspects, qu'ils aient ou non été identifiés à ce stade précoce des événements. En outre, compte tenu de l'instabilité et des incertitudes politiques qui, de façon notoire, perdurent en Egypte, l'O-Egypte servait et sert toujours les intérêts de politique étrangère de la Suisse. Quant à la question de savoir si le refus de lever le gel des avoirs du recourant, pris individuellement, est (encore) nécessaire, elle relève de l'examen de l'intérêt public et de la proportionnalité de la restriction à la garantie de propriété (consid. 6 infra).
Il s'ensuit que l'O-Egypte est et était nécessaire pour atteindre les buts poursuivis par le Conseil fédéral en application de l'
art. 184 al. 3 Cst.
5.3
En troisième lieu, la durée de l'Ordonnance-Egypte doit être limitée dans le temps. A ce titre, l'
art. 7c LOGA
invite le Conseil fédéral à limiter la durée de validité de l'ordonnance de manière appropriée; cette durée ne peut dépasser quatre ans (al. 2). En outre, cette ordonnance ne pourra être prorogée qu'une fois. Le cas échéant, celle-ci devient caduque six mois après l'entrée en vigueur de sa prorogation si le Conseil fédéral n'a pas soumis à l'Assemblée fédérale un projet établissant la base légale de son contenu (al. 3).
5.3.1
Promulguée le 2 février 2011, l'O-Egypte a vu sa durée initialement fixée jusqu'au 10 février 2014, soit pour une période inférieure à quatre ans. L'ordonnance a ensuite été prolongée une fois jusqu'au 10 février 2017, soit pour une période limitée à trois ans.
5.3.2
En parallèle à la prorogation de l'ordonnance, à savoir avant l'écoulement des six mois mentionné à l'
art. 7c al. 3 LOGA
, le Conseil fédéral a soumis au Parlement fédéral un projet de loi sur le blocage
BGE 141 I 20 S. 28
et la restitution de valeurs patrimoniales d'origine illicite liées à des personnes politiquement exposées (P-LBRV; objet 14.039). L'idée est de créer une base légale formelle générale, plus large que la loi fédérale du 1
er
octobre 2010 sur la restitution des valeurs patrimoniales d'origine illicite de personnes politiquement exposées (LRAI; RS 196.1) dont l'abrogation est envisagée, en regroupant, dans une seule loi, le droit actuel et la pratique en matière de recouvrement des avoirs d'origine illicite, couvrant le blocage, la confiscation et la restitution (Message du 21 mai 2014 relatif à la loi sur les valeurs patrimoniales d'origine illicite, FF 2014 5121 ss, 5123; cf., à ce sujet, LOÏC PAREIN, L'avant-projet de loi fédérale sur le blocage et la restitution de valeurs patrimoniales d'origine illicite liées à des personnes politiquement exposées [LBRV], Jusletter 18 novembre 2013). A terme, cette loi devrait ainsi encadrer la compétence du Conseil fédéral d'édicter des ordonnances fondées directement sur l'
art. 184 al. 3 Cst.
5.3.3
Il s'ensuit que l'O-Egypte respecte les exigences temporelles figurant à l'art. 184 al. 3 in fine Cst.
5.4
En quatrième et dernier lieu, dès lors qu'il pouvait, en adoptant l'O-Egypte, directement se fonder sur la Constitution fédérale, en l'occurrence l'
art. 184 al. 3 Cst.
, le Conseil fédéral a par définition édicté des dispositions praeter legem, qui se substituent à et/ou complètent la loi au sens formel (cf.
ATF 131 III 652
consid. 2 p. 655; BIAGGINI, op. cit., n° 13 ad
art. 184 Cst.
p. 815; SCHINDLER, op. cit., n° 123 ad
art. 102 ch. 8 Cst.
p. 47). En revanche, une telle ordonnance indépendante ne saurait en principe être adoptée contra legem, soit en contradiction avec le droit fédéral, en particulier avec les lois fédérales existantes (cf. AUER/MALINVERNI/HOTTELIER, op. cit., n. 1973 p. 670; BIANCHI/HEIMGARTNER, op. cit., p. 354; SCHOTT/KÜHNE, op. cit., p. 428).
5.4.1
Le recourant ne conteste plus, comme il semble l'avoir fait devant l'instance inférieure, que l'O-Egypte est compatible avec la loi fédérale sur la restitution des valeurs patrimoniales d'origine illicite de personnes politiquement exposées précitée (LRAI). En effet, ce texte, entré en vigueur le 1
er
février 2011 (RO 2011 275), soit un jour avant l'O-Egypte, qui permet au Conseil fédéral de décider le blocage de valeurs patrimoniales en Suisse en vue de l'ouverture d'une confiscation (cf.
art. 2 LRAI
), s'applique uniquement lorsqu'une demande d'entraide judiciaire en matière pénale ne peut aboutir en
BGE 141 I 20 S. 29
raison de la situation de défaillance au sein de l'Etat requérant (cf.
art. 1 LRAI
). Il n'en découle pas, e contrario, que l'adoption de la LRAI par le législateur fédéral ait eu, à la manière d'un silence qualifié, pour but ou conséquence d'empêcher le Conseil fédéral d'adopter une ordonnance en se fondant directement sur l'
art. 184 al. 3 Cst.
dans les situations qui n'entrent pas dans le cadre de cette loi; il a au contraire été précisé que "la compétence prévue par l'
art. 184 al. 3 Cst.
reste intacte pour les cas qui, comme ici, n'entreraient pas dans le cadre de la nouvelle loi" (cf. Message du 28 avril 2010 relatif à la loi fédérale sur la restitution de valeurs patrimoniales [...], FF 2010 2995 ss, 3008 ch. 1.7.2; voir également
art. 14 LRAI
e contrario;BIANCHI/HEIMGARTNER, op. cit., p. 357).
5.4.2
Quant à la loi fédérale du 22 mars 2002 sur l'application de sanctions internationales (loi sur les embargos, LEmb; RS 946.231), elle réserve expressément, à son art. 1 al. 2, les mesures prises sur la base de l'
art. 184 al. 3 Cst.
, de sorte qu'elle ne remet pas en cause la compétence du Conseil fédéral en la matière (Message du 20 décembre 2000 concernant la loi fédérale sur l'application de sanctions internationales, FF 2001 1341 ss, 1342, 1344 ch. 1.1.2 et 1360 ch. 1.5.2; GEORGIOS PAVLIDIS, Confiscation internationale: instruments internationaux, droit de l'Union européenne, droit suisse, 2012, p. 246).
Il s'ensuit que les mesures prises par l'exécutif fédéral ne vont pas à l'encontre du droit positif.
5.5
Force est donc d'admettre que les conditions de l'
art. 184 al. 3 Cst.
sont toutes réunies, de sorte que les mesures coercitives infligées au recourant en application de l'O-Egypte remplissent l'exigence de la base légale.
6.
L'appartenance du recourant aux personnes exposées énumérées dans la liste annexée à l'O-Egypte, initialement contestée, a été tranchée par décision du 27 avril 2011 qui est entrée en force. Au demeurant, le recourant ne remet plus en cause ses attaches avec l'ancien régime politique égyptien. S'ajoute à cela que la Suisse n'est pas la seule à avoir pris des mesures à l'encontre du recourant. Son nom figure également parmi les personnes visées par le règlement (UE) n° 270/2011 du Conseil du 21 mars 2011, et sa modification du 26 novembre 2012, concernant des mesures restrictives à l'encontre de certaines personnes, entités et organismes au regard de la situation en Egypte, en tant que personne faisant l'objet de poursuites judiciaires par les autorités égyptiennes pour détournement de fonds
BGE 141 I 20 S. 30
publics (JO L 76 du 22 mars 2011 p. 4 ss et L 327 du 27 novembre 2012 p. 14 s.). C'est donc à juste titre que le recourant entre dans le champ d'application ratione personae de l'O-Egypte.
Encore faut-il toutefois que la décision attaquée, qui a pour effet de maintenir le gel des avoirs du recourant et qui constitue, par conséquent, une ingérence dans la garantie de la propriété de ce dernier (
art. 26 al. 1 Cst.
), réponde à un intérêt public (consid. 6.1 infra) et soit proportionnée (consid. 6.2 infra), au sens de l'
art. 36 al. 2 et 3 Cst.
6.1
S'agissant de la condition selon laquelle la mesure de gel prise à l'encontre du recourant doit être motivée par un
intérêt public
ou par la protection d'un droit fondamental d'autrui, l'intéressé soutient que l'intérêt public du gel des avoirs fondé sur l'
art. 184 al. 3 Cst.
ne se justifie, de manière conservatoire, qu'aussi longtemps que les instruments classiques de blocage des fonds n'ont pas pu aboutir. Du reste, le Département fédéral a lui-même admis cet objectif. Or, au moment où celui-ci a refusé de radier le recourant de la liste des personnes visées par l'O-Egypte le 13 août 2012, cet objectif conservatoire n'existait plus, puisque le Ministère public était entré en matière sur la demande d'entraide, qu'une procédure pénale nationale avait été étendue au recourant et que des mesures de blocage parallèles de l'ensemble des fonds gelés en application de l'O-Egypte avaient été prononcées dans le cadre de ces procédures.
6.1.1
Il est vrai, comme l'a indiqué du reste le Département fédéral dans l'extrait cité par le recourant, que l'O-Egypte a pour but premier de conférer aux autorités judiciaires de l'Etat concerné le temps nécessaire pour ouvrir une procédure pénale et adresser une demande d'entraide à la Suisse. Toutefois, contrairement à ce que prétend le recourant, ce n'est pas parce que, dans le cadre de procédures d'entraide ou pénales nationales, le blocage des avoirs d'une personne visée par une ordonnance fondée sur l'
art. 184 al. 3 Cst.
a été prononcé que l'intérêt public au maintien de celle-ci sur la liste des personnes exposées et partant la nécessité de geler ses avoirs disparaît aussitôt.
6.1.2
Est en effet visée par l'O-Egypte et partant gelée
l'intégralité
des avoirs et des ressources économiques appartenant à ou sous contrôle de personnes politiquement exposées, alors que seuls des biens limitativement énumérés peuvent être séquestrés par les autorités pénales. Par nature, ces deux mesures sont donc différentes. En outre, leurs finalités se distinguent: tandis que les mesures de séquestre
BGE 141 I 20 S. 31
pénal obéissent aux règles (plus) strictes et objectifs spécifiques de l'entraide pénale internationale et du droit ainsi que de la procédure pénale (cf., notamment,
ATF 140 IV 57
consid. 4.1.1 p. 61 s. et les conditions du séquestre pénal exposées par LEMBO/JULEN BERTHOD, in Commentaire romand, Code de procédure pénale suisse, 2011, n
os
16 ss ad
art. 263 CPP
p. 1185 ss), les mesures de gel administratif prises en vertu de l'O-Egypte interviennent dans le but préventif de faciliter une éventuelle future exécution du droit pénal et de l'entraide. Par ailleurs, même si les avoirs et ressources visés par l'ordonnance peuvent, à un moment donné, se recouper entièrement avec les biens séquestrés sur le plan pénal, le gel fondé sur un acte qui, comme l'O-Egypte, repose sur l'
art. 184 al. 3 Cst.
, est plus large. Il concerne aussi des fonds qui seraient cachés ou inconnus et dont l'existence ne serait révélée qu'ultérieurement.
Par conséquent, tant que l'ordonnance est en vigueur, des avoirs cachés ou inconnus qui apparaîtraient ultérieurement seraient de facto bloqués. En cela, l'O-Egypte garantit que des biens ayant échappé au séquestre pénal ne puissent pas disparaître sans que les autorités pénales n'aient eu la possibilité d'approfondir leurs enquêtes en vue d'identifier d'éventuels autres avoirs et relations bancaires d'origine suspecte en Suisse. Or, l'image internationale de la Suisse ainsi que sa volonté de coopérer en vue de lutter contre la corruption et le blanchiment d'argent - que vise précisément à préserver cette ordonnance - seraient sérieusement compromises si des avoirs cachés de personnes exposées politiquement pouvaient quitter la Suisse, alors que les faits reprochés à ces mêmes personnes seraient suffisamment sérieux pour justifier (ultérieurement) une demande d'entraide et/ou l'ouverture d'une procédure pénale interne.
6.1.3
Certes, il n'est ni souhaitable ni idéal que des avoirs fassent l'objet d'un cumul de mesures de blocage, ni que les autorités chargées d'intervenir se multiplient (cf. URSULA CASSANI, Les avoirs mal acquis, avant et après la chute du "potentat", RSDIE 2010 p. 465 ss, 482). Toutefois, le fait que l'
art. 183 al. 4 Cst.
exige que la mesure prise soit de durée limitée réduit ces inconvénients à une période transitoire, laissant aux autorités pénales, lorsqu'elles ont été saisies d'une demande d'entraide ou qu'une procédure nationale est menée, le temps pour enquêter sur les structures financières mises en place. Il ne faut en effet pas perdre de vue que, généralement, les régimes corrompus utilisent des montages financiers complexes, et qu'il n'est d'emblée pas évident de faire le tri entre les avoirs de provenance
BGE 141 I 20 S. 32
licite et illicite (cf. MARNIE DANNACHER, Diktatorengelder in der Schweiz, 2012, p. 172).
6.1.4
Il existe partant un intérêt public à ce que les autorités refusent de radier de la liste annexée à l'O-Egypte le nom des personnes y figurant aussitôt que les avoirs déclarés sur la base de cette ordonnance ont parallèlement fait l'objet d'un séquestre sur le plan pénal. Quant à la question de savoir à partir de quel moment concret le maintien d'une mesure de gel administrative fondée sur l'
art. 184 al. 3 Cst.
, parallèlement aux mesures pénales, ne se justifie plus, elle ressortit à la proportionnalité (consid. 6.2 infra).
6.2
Reste la
proportionnalité
de la décision attaquée, que le recourant conteste également. Reprenant l'argument soulevé en lien avec l'intérêt public, il affirme en substance que, étant donné que tous les biens qui ont été annoncés par les banques en application de l'O-Egypte font l'objet d'un séquestre pénal, il serait disproportionné de maintenir leur gel également en application de l'O-Egypte.
6.2.1
En matière de restrictions aux droits fondamentaux, le principe de la proportionnalité exige que la mesure envisagée soit apte à produire les résultats d'intérêt public escomptés (règle de l'aptitude) et que ceux-ci ne puissent être atteints par une mesure moins incisive (règle de la nécessité). En outre, il interdit toute limitation allant au-delà du but visé et postule un rapport raisonnable entre celui-ci et les intérêts publics ou privés compromis (principe de la proportionnalité au sens étroit, impliquant une pesée des intérêts; cf.
ATF 140 I 168
consid. 4.2.1 p. 173;
ATF 136 IV 97
consid. 5.2.2 p. 104;
ATF 135 I 169
consid. 5.6 p. 174; arrêt 2C_1019/2013 du 2 juin 2014 consid. 7.2).
6.2.2
Comme il a été expliqué ci-avant, le gel des avoirs fondé sur l'Ordonnance-Egypte, en ce qu'il concerne aussi des biens dont il ne serait pas encore établi qu'ils appartiennent à la personne exposée ou dont celle-ci serait la titulaire économique, a un champ d'application plus large que les séquestres pénaux. Partant, le refus de lever cette mesure est
apte
à éviter que des avoirs jusqu'à présent inconnus, qui ne seraient pas visés par un séquestre pénal, puissent quitter la Suisse, alors que les conditions de l'
art. 184 al. 3 Cst.
justifiant le maintien de l'O-Egypte demeurent réunies. Le recourant nie ce risque en indiquant qu'il ne se serait jamais produit. Or, il cite de manière tronquée le Département fédéral, qui a lui-même évoqué cette possibilité, mais sans révéler d'exemples précis, pour des motifs - compréhensibles - de confidentialité.
BGE 141 I 20 S. 33
6.2.3
La mention sur la liste des personnes exposées annexée à l'ordonnance a permis que des fonds appartenant au recourant ou dont celui-ci était le titulaire économique en Suisse, soient gelés, ce qui confirme, de manière générale, le caractère
nécessaire
de la mesure. Pour des motifs déjà exposés, ce refus de lever le gel des avoirs est en outre indispensable en vue d'éviter que la position de la Suisse sur le plan international soit discréditée, ce qui est précisément l'un des objectifs d'intérêt public poursuivis par l'O-Egypte.
6.2.4
Enfin, s'agissant du critère de la
proportionnalité au sens étroit
, l'atteinte invoquée par le recourant à son droit de propriété est limitée, puisque, comme il l'affirme, l'ensemble de ses biens sont aussi bloqués par les autorités pénales. Partant, de toute façon, une éventuelle acceptation de le radier de la liste de l'O-Egypte n'aurait pas pour effet automatique de lui permettre de disposer de ses avoirs.
L'on remarquera également que l'art. 1 al. 2 O-Egypte permet, en tant que de besoin, au recourant de demander au Département fédéral d'autoriser exceptionnellement des versements prélevés sur des comptes bloqués, des transferts de biens en capital gelés et le déblocage de ressources économiques gelées afin de protéger des intérêts suisses ou de prévenir des cas de rigueur.
Par ailleurs, le fait que certains fonds, voire l'ensemble des avoirs d'une personne visée par ces mesures, puissent être bloqués à deux titres distincts mais complémentaires n'est que transitoire.
D'un point de vue technique et comme déjà indiqué (cf. consid. 5.3 supra), les ordonnances fondées sur l'
art. 184 al. 3 Cst.
doivent être en effet limitées dans le temps, au maximum quatre ans, et ne peuvent être reconduites qu'une seule fois (cf.
art. 7c al. 2 et 3 LOGA
). En l'occurrence, l'O-Egypte a été prorogée jusqu'au 10 février 2017 (art. 7 al. 2 O-Egypte; RO 2013 5497); sa durée se situe dans les limites fixées par la Constitution et par la LOGA. Au-delà d'une telle période, leurs effets ne pourront être maintenus qu'à condition d'avoir été transposés dans une loi au sens formel (art. 7c al. 3 in fine et al. 4 LOGA), sous le contrôle des Chambres fédérales.
D'un point de vue matériel et dans la perspective de protéger les droits fondamentaux des personnes affectées, l'autorité compétente doit veiller à ce que la mesure cesse de produire ses effets à l'égard du recourant une fois que le but de celle-ci aura été atteint; l'art. 6 O-Egypte prévoit d'ailleurs la possibilité pour le Département fédéral d'adapter l'annexe contenant le nom des personnes visées par les
BGE 141 I 20 S. 34
mesures de blocage administratif et consacre ainsi un devoir de mutabilité afin de tenir compte de l'évolution de la situation concrète.
Il a été vu que la mesure litigieuse était destinée à bloquer préventivement l'ensemble des avoirs d'origine douteuse, identifiés ou non (encore), que le recourant est susceptible d'avoir déposés en Suisse, de manière à ce que l'Etat égyptien puisse à un stade ultérieur le cas échéant en réclamer la restitution par le biais d'une procédure d'entraide. Il a également été précisé précédemment que les avoirs de l'entourage de potentats déchus peuvent avoir être déposés en Suisse par le biais de montages financiers complexes, de sorte qu'il n'était pas systématiquement possible de déceler aussitôt l'ensemble des valeurs patrimoniales d'origine douteuse appartenant au recourant. En conséquence, leur découverte par les autorités helvétiques, le cas échéant en collaboration étroite avec celles de l'Etat requérant dont le système politique demeure cependant encore fragile, peut requérir des enquêtes approfondies préalables, lesquelles prennent par définition du temps. Il se justifie ainsi que le blocage administratif de tous les avoirs, identifiés et potentiels, du recourant en Suisse, soit maintenu parallèlement au séquestre pénal des valeurs déjà identifiées et ne puisse être levé qu'une fois que ces enquêtes auront pu être menées à chef et que l'existence d'autres avoirs suspects en Suisse ait pu être écartée.
Cela dit, la simple possibilité abstraite que des valeurs patrimoniales non encore découvertes puissent être dissimulées en Suisse ne saurait justifier un blocage administratif illimité ou pour une durée indéterminée des avoirs du recourant. Une fois la mesure de blocage prise en application de l'O-Egypte, il convient en principe de s'assurer que l'Etat ou l'entité dont les biens sont soupçonnés d'avoir été détournés formule dès qu'il est en mesure de le faire une demande d'entraide ou s'adresse à la Confédération dans le cadre d'une procédure analogue. En outre, les autorités helvétiques chargées de l'enquête pénale ou de la procédure d'entraide doivent avancer avec soin et diligence dans leurs enquêtes respectives; à ce défaut, soit en cas de retards injustifiés imputables aux autorités suisses, la levée de la mesure administrative de blocage devra être envisagée. De surcroît, plus la durée de la mesure précitée s'avère ou s'annonce longue, plus les exigences pour pouvoir justifier son maintien seront importantes; en cas de contestation à cet égard, les autorités concernées doivent être en mesure d'établir les efforts concrets entrepris -
BGE 141 I 20 S. 35
sans désemparer - en vue de découvrir les éventuelles valeurs patrimoniales dissimulées en Suisse ou d'énoncer les éventuels obstacles à une conclusion plus rapide des enquêtes. Passé un tel délai raisonnable, seuls des indices concrets laissant penser que la place financière suisse abriterait encore d'autres avoirs inconnus, appartenant vraisemblablement au recourant, pourront en principe justifier une prolongation du gel administratif des avoirs décrété en vertu de l'Ordonnance-Egypte.
En l'occurrence, les parties ne remettent pas en cause que des valeurs patrimoniales appartenant au recourant et d'origine suspecte ont pu être identifiées et bloquées en Suisse. Les autorités égyptiennes ont adressé une demande d'entraide à la Confédération, qui a entamé une telle procédure, en parallèle à l'ouverture d'une procédure pénale nationale. Se contentant de critiquer la coexistence des blocages pénaux et administratifs et d'affirmer que l'ensemble de ses avoirs en Suisse auraient d'ores et déjà été gelés, le recourant ne se plaint pas de manière spécifique de longueurs ou inconsistances dans les procédures pénales et d'entraide engagées à son sujet, de sorte que rien n'indique que celles-ci ne suivraient pas leur cours ordinaire et ne pourront apporter les clarifications nécessaires dans un délai raisonnable, mais en principe avant la nouvelle échéance de l'O-Egypte le 10 février 2017. En l'état et en l'absence d'éléments permettant de retenir un avancement insuffisant des enquêtes visant à exclure ou identifier d'autres valeurs patrimoniales du recourant en Suisse, la présente mesure prise selon l'
art. 184 al. 3 Cst.
, affectant le recourant, s'avère dès lors encore proportionnée aux objectifs en matière de politique internationale poursuivis par la Confédération.
6.3
Il apparaît ainsi que l'arrêt attaqué, qui confirme le refus du Département fédéral de radier le nom du recourant de la liste figurant à l'annexe à l'O-Egypte, ne viole pas l'
art. 36 Cst.
, de sorte que le recours doit être rejeté, dans la mesure de sa recevabilité. | public_law | nan | fr | 2,014 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
30227b7a-f338-4b35-ae30-a5bc302b25e5 | Urteilskopf
99 V 206
61. Urteil vom 3. Dezember 1973 i.S. D'Aloia gegen Ausgleichskasse des Kantons Bern und Versicherungsgericht des Kantons Bern | Regeste
Schweizerisch-italienisches Abkommen über Soziale Sicherheit (Art. 8 lit. a).
Saisonarbeiter können ihren zivilrechtlichen Wohnsitz in der Schweiz haben, wenn sie daselbst dauernd zu verbleiben beabsichtigen und ihre Aufenthaltszeit zur Erlangung einer Ganzjahresbewilligung genügt. | Sachverhalt
ab Seite 207
BGE 99 V 206 S. 207
A.-
Am 5. Oktober 1971 meldete der italienische Staatsangehörige Mario D'Aloia seinen am 1. Juli 1969 in der Schweiz geborenen Sohn Pasqualino bei der Invalidenversicherung und suchte um medizinische Massnahmen sowie Hilfsmittel nach. Das Kind leidet an den Folgen einer im Dezember 1969 aufgetretenen Säuglingstoxikose. Mit Verfügung vom 30. November 1971 wies die Ausgleichskasse das Begehren ab, da mangels zivilrechtlichen Wohnsitzes in der Schweiz die versicherungsmässigen Voraussetzungen gemäss Art. 8 lit. a des schweizerisch-italienischen Abkommens über Soziale Sicherheit nicht erfüllt seien.
B.-
Gegen diesen Entscheid erhob Mario D'Aloia Beschwerde bei der kantonalen Rekursinstanz und machte geltend, seit dem 15. Juni 1971 verfüge er über eine Ganzjahresbewilligung.
Die Vorinstanz veranlasste zusätzliche Abklärungen über den Zeitpunkt des Eintritts der Invalidität, welche ergaben, dass die Erkrankung am 8. Dezember 1969 aufgetreten war und am 12. Dezember 1969 eine notfallmässige Überweisung ins Kinderspital Basel notwendig gemacht hatte. Mit Entscheid vom 27. September 1972 wies das Versicherungsgericht des Kantons Bern die Beschwerde ab. Zwar sei ausnahmsweise auch bei Saisonarbeitern Wohnsitz anzunehmen, wenn innert kurzer Zeit mit der Erteilung einer Ganzjahresbewilligung gerechnet werden könne. Im Zeitpunkt des Versicherungsfalles hätte Mario D'Aloia bei rechtzeitiger Gesuchstellung aber noch rund 14 Monate bis zur Erteilung der Ganzjahresbewilligung warten müssen. Ein solcher Zeitraum könne nicht als "verhältnismässig kurz" im Sinne der Rechtsprechung gewertet werden.
C.-
Für Pasqualino D'Aloia lässt dessen Vater den kantonalen Entscheid durch Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Eidg. Versicherungsgericht weiterziehen. In der Begründung wird ausgeführt, Mario D'Aloia sei entgegen der Annahme der Vorinstanz nicht erst seit 1966, sondern schon seit 1957 - mit einem Unterbruch in den Jahren 1962 und 1964 - in der Schweiz als Saisonnier tätig. Bereits in den Jahren 1969 und
BGE 99 V 206 S. 208
1970 habe er um eine Ganzjahresbewilligung nachgesucht, ohne jedoch Erfolg zu haben.
Aus Beilagen zur Beschwerdeschrift geht hervor, dass ein erstes Gesuch vom 20. November 1969 abgelehnt worden ist, weil der Arbeitgeber im Sinne der damals geltenden betrieblichen Plafonierungsregelung keinen offenen Platz in seinem Fremdarbeiterkontingent hatte. Das am 3. November 1970 gestellte zweite Gesuch scheiterte dagegen am Umstand, dass im damaligen Zeitpunkt die für Umwandlungsfälle festgesetzte Quote im Rahmen des kantonalen Kontingentes an Ganzjahresbewilligungen bereits ausgeschöpft war.
Während die Ausgleichskasse von einer Stellungnahme absieht, beantragt das Bundesamt für Sozialversicherung Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
Erwägungen
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Streitig ist, ob Pasqualino D'Aloia Anspruch auf Eingliederungsmassnahmen der schweizerischen Invalidenversicherung hat. Der Beurteilung dieser Frage ist das seit dem 1. September 1964 in Kraft stehende schweizerisch-italienische Abkommen über Soziale Sicherheit vom 14. Dezember 1962 zugrunde zu legen. Laut dessen Art. 8 lit. a haben minderjährige Kinder italienischer Staatsangehörigkeit Anspruch auf Eingliederungsmassnahmen, solange sie in der Schweiz Wohnsitz haben und wenn sie sich unmittelbar vor Eintritt der Invalidität ununterbrochen während mindestens eines Jahres in der Schweiz aufgehalten haben oder daselbst entweder invalid geboren sind oder sich seit der Geburt ununterbrochen aufgehalten haben. Voraussetzung ist in jedem Fall, dass der Minderjährige Wohnsitz in der Schweiz hat (EVGE 1969 S. 47 ff.). Gemäss Ziff. 9 des Schlussprotokolls zum erwähnten Abkommen ist der Ausdruck "Wohnsitz haben" im Sinne des schweizerischen Zivilgesetzbuches zu verstehen, wonach sich der Wohnsitz grundsätzlich an dem Ort befindet, an dem sich eine Person mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält (
Art. 23 Abs. 1 ZGB
).
Die für den Leistungsanspruch massgebenden versicherungsmässigen Voraussetzungen müssen bei Eintritt der Invalidität verwirklicht sein, d.h. im Zeitpunkt, in welchem der Gesundheitsschaden die für die Begründung des Anspruchs auf die jeweilige Leistung erforderliche Art und Schwere erreicht hat
BGE 99 V 206 S. 209
(
Art. 4 Abs. 2 IVG
). Entscheidend ist dabei der Zeitpunkt, in welchem der Versicherte bzw. dessen Vertreter bei der ihm gebotenen Sorgfalt erstmals Kenntnis davon bekommt, dass der Gesundheitsschaden Anspruch auf Leistungen der betreffenden Art geben kann. Bei medizinischen Eingliederungsmassnahmen entspricht dies dem Zeitpunkt, in welchem solche Massnahmen erstmals indiziert sind (EVGE 1969 S. 223 f.).
2.
Ausländische Arbeitnehmer, die in der Schweiz auf Grund einer Saisonbewilligung erwerbstätig sind, vermögen in der Regel keinen zivilrechtlichen Wohnsitz zu begründen. Die Absicht dauernden Verbleibens in der Schweiz kann grundsätzlich so lange nicht beachtlich sein, als das öffentliche Recht die Verwirklichung dieser Absicht langfristig verbietet (EVGE 1963 S. 22, 1966 S. 60, 1967 S. 30; ZAK 1968 S. 235). Nach der Rechtsprechung kann bei Saisonarbeitern ausnahmsweise jedoch Wohnsitz angenommen werden, wenn sie sich mit der Absicht dauernden Verbleibens in der Schweiz aufhalten und im Zeitpunkt des Versicherungsfalles die Voraussetzungen für die Umwandlung der Saisonbewilligung in eine ganzjährige Aufenthaltsbewilligung (vgl. Art. 12 Ziff. 1 des Abkommens zwischen der Schweiz und Italien über die Auswanderung italienischer Arbeitskräfte in die Schweiz vom 10. August 1964) bereits erfüllen oder doch zu erfüllen im Begriffe sind. Im letzteren Fall muss mit der Erteilung der Jahresaufenthaltsbewilligung innert verhältnismässig kurzer Frist gerechnet werden können. Noch als "verhältnismässig kurz" hat das Eidg. Versicherungsgericht eine Wartezeit von 5 (ZAK 1969 S. 508) bzw. 8 Monaten (EVGE 1966 S. 58 ff.) anerkannt; als zu lang wurde dagegen eine Frist von 32 Monaten erachtet, da auf derart lange Sicht nicht mit genügender Verlässlichkeit vorauszusehen sei, ob die Jahresbewilligung auch tatsächlich erlangt werde (ZAK 1968 S. 237 Erw. 3).
3.
Wie die Vorinstanz richtig darlegt, ist der Versicherungsfall spätestens am 12. Dezember 1969 eingetreten, als Pasqualino D'Aloia wegen Kreislaufkollapses in komatösem Zustand notfallmässig ins Basler Kinderspital verbracht werden musste. Es ist daher zunächst zu prüfen, ob das Kind in diesem Zeitpunkt seinen zivilrechtlichen Wohnsitz in der Schweiz hatte. Massgebend ist hiefür, ob dessen Vater in der Schweiz Wohnsitz hatte (
Art. 25 Abs. 1 ZGB
).
a) Verwaltung und Vorinstanz sind davon ausgegangen,
BGE 99 V 206 S. 210
dass Vater D'Aloia erstmals im Februar 1966 in die Schweiz eingereist ist und deshalb frühestens auf Februar 1971 mit der Erlangung der Ganzjahresbewilligung rechnen konnte.
In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird nun aber geltend gemacht, der Beschwerdeführer sei bereits im Jahre 1957 in die Schweiz eingereist und - mit zwei Unterbrüchen in den Jahren 1962 und 1964 - bis heute beim gleichen Arbeitgeber tätig gewesen. Aus den Beilagen zur Beschwerdeschrift geht hervor, dass schon vor dem Jahre 1971 um die Erteilung einer Ganzjahresbewilligung nachgesucht wurde, nachdem Mario D'Aloia die hiefür geltenden Voraussetzungen gemäss Art. 12 Ziff. 1 des erwähnten Abkommens über die Auswanderung italienischer Arbeitskräfte erfüllt hatte. Ein erstes, am 20. November 1969 gestelltes Gesuch wurde im Rahmen der damals geltenden betrieblichen Kontingentierung vom kantonalen Arbeitsamt abgewiesen. Ein im November 1970 gestelltes Gesuch wurde von der kantonalen Fremdenpolizei abgelehnt, da die nunmehr kantonal festgesetzte Umwandlungsquote erschöpft war. Erst auf Grund eines dritten Gesuches vom 15. Juni 1971 erhielt D'Aloia die Ganzjahresbewilligung.
Die für die Umwandlung des fremdenpolizeilichen Verhältnisses geltenden Voraussetzungen waren objektiv bereits bei Eintritt des Versicherungsfalles gegeben. In jenem Zeitpunkt hatte sich Mario D'Aloia schon seit mehr als 45 Monaten im Verlaufe der vorangehenden 5 Jahre in der Schweiz zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit aufgehalten. Er hatte auch bereits ein Gesuch um Umwandlung der Aufenthaltsbewilligung gestellt. Dass er die Jahresbewilligung nicht bereits Ende 1969 oder 1970 erhalten hat, ist auf Umstände zurückzuführen, die nicht in der Person des Beschwerdeführers liegen. Insbesondere seitdem die Zahl der Umwandlungen kantonal kontingentiert ist, lässt sich im Einzelfall nicht mehr mit ausreichender Wahrscheinlichkeit voraussehen, in welchem Zeitpunkt der Saisonnier die Jahresbewilligung tatsächlich erlangen wird. Es stellt sich daher die Frage, inwieweit an der bisherigen, in EVGE 1966 S. 58 ff. begründeten Praxis festzuhalten ist, wonach der Wohnsitz ausnahmsweise bejaht wird, wenn der Saisonnier innert verhältnismässig kurzer Frist mit der Erlangung der ganzjährigen Aufenthaltsbewilligung rechnen kann.
Das Gericht gelangt zur Auffassung, von einer Einschränkung der bisherigen Praxis sei abzusehen. Eine Änderung in
BGE 99 V 206 S. 211
dem Sinne, dass künftig allein auf den tatsächlichen Besitz der Jahresbewilligung abzustellen wäre, würde es verunmöglichen, der besonderen Situation der Saisonarbeiter gerecht zu werden. Den tatsächlichen Verhältnissen ist vielmehr in der Weise Rechnung zu tragen, dass in Fällen wie dem vorliegenden zivilrechtlicher Wohnsitz in der Schweiz dann anzunehmen ist, wenn die formalen Voraussetzungen für die Umwandlung der Bewilligung (Aufenthalt zur Erwerbstätigkeit von 45 Monaten innert 5 Jahren) erfüllt sind und sich die Absicht dauernden Verbleibens aus den objektiv erkennbaren Umständen klar ergibt.
b) Mario D'Aloia ist seit vielen Jahren in der Schweiz erwerbstätig. Er verfügt über eine eigene Mietwohnung, in welcher er zusammen mit Frau und Kind lebt. Die Ehefrau ist ebenfalls seit längerer Zeit in der Schweiz wohnhaft und hat hier ihr Kind Pasqualino geboren. Selbst wenn sich die übrigen zwei Kinder D'Aloia in Italien aufhalten sollten, was den Akten nicht mit Sicherheit zu entnehmen ist, besteht kein Zweifel, dass der Beschwerdeführer schon seit Jahren - namentlich auch im Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles - den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in der Schweiz hatte. Es darf auch angenommen werden, dass sich die Familie mit der Absicht dauernden Verbleibens in der Schweiz aufhält. Dem steht nicht entgegen, dass der Beschwerdeführer selbst diese Absicht im Fragebogen der Invalidenversicherungs-Kommission am 5. Oktober 1971 als "vorläufig" bezeichnet hat. Auch ein vorübergehender Aufenthalt schliesst die Wohnsitznahme nicht aus, sofern die Absicht besteht, den Aufenthaltsort auch nur für kürzere Zeit zum Mittelpunkt der Lebensbeziehungen zu machen (
BGE 69 I 12
, 79;
BGE 69 II 281
). Diese Absicht muss aus den objektiven Umständen jedoch klar erkennbar sein (
BGE 97 II 1
ff.). Nach dem Gesagten kann dies im vorliegenden Fall bejaht werden. Die Voraussetzungen zur Annahme eines zivilrechtlichen Wohnsitzes des Beschwerdeführers im Zeitpunkt des zu beurteilenden Versicherungsfalles sind demnach erfüllt. Da sich das Kind seit der Geburt bis zum Eintritt der Invalidität ununterbrochen in der Schweiz aufgehalten hat, erfüllt es auch die weitere, unmittelbar mit seiner Person verbundene versicherungsmässige Voraussetzung. Pasqualino D'Aloia hat daher grundsätzlich Anspruch auf Eingliederungsmassnahmen der Invalidenversicherung. Es wird Sache
BGE 99 V 206 S. 212
der Invalidenversicherungs-Kommission sein, das Leistungsbegehren materiell zu prüfen.
Dispositiv
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird gutgeheissen.
II. . Die Akten werden zur materiellen Beurteilung des Leistungsbegehrens an die Verwaltung zurückgewiesen. | null | nan | de | 1,973 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
302c88e5-ef3c-429e-a18c-140fd725221a | Urteilskopf
107 Ia 182
36. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 28. August 1981 i.S. Fiklocki gegen Regierungsrat und Obergericht (als Verwaltungsgericht) des Kantons Schaffhausen | Regeste
Art. 88 OG
; Nichtwiederwahl eines Beamten.
1. Unter welchen Voraussetzungen greift die Nichtwiederwahl in die rechtlich geschützten Interessen des Beamten ein (E. 2)?
2. Dem Beamten steht der Anspruch auf rechtliches Gehör gestützt auf
Art. 4 BV
nur zu, wenn er durch den Ausgang des Nichtwiederwahlverfahrens in seinen rechtlich geschützten Interessen betroffen wird. Ist dies nicht der Fall, kann er die Verweigerung des rechtlichen Gehörs nur rügen, soweit ihm die kantonalen Vorschriften Rechte im Nichtwiederwahlverfahren einräumen (E. 3). | Sachverhalt
ab Seite 182
BGE 107 Ia 182 S. 182
Stefan Fiklocki wurde 1965 vom Regierungsrat des Kantons Schaffhausen zum Hauptlehrer für Physik an der Kantonsschule Schaffhausen gewählt. Er wurde im Jahre 1972 für die Amtsdauer 1973 bis 1980 wiedergewählt.
Am 5. Juni 1980 eröffnete ihm der Erziehungsdirektor mündlich, der Regierungsrat beabsichtige, von der Wiederwahl für die
BGE 107 Ia 182 S. 183
Amtszeit 1981 bis 1988 abzusehen. Mit Schreiben vom 13. Juni 1980 bestätigte der Erziehungsdirektor, der Regierungsrat werde angesichts der sich häufenden Klagen auf eine Wiederwahl verzichten. Fiklocki wurde eine nicht weiter erstreckbare Frist bis 20. Juni 1980 angesetzt, um dazu schriftlich Stellung zu nehmen. Am 20. Juni 1980 stellte Fiklocki ein Fristerstreckungsgesuch, worin er ausführte, er habe den Brief des Erziehungsdirektors erst am 16. Juni 1980 erhalten. Er verlangte Fristerstreckung bis anfangs der folgenden Woche. Sein Rechtsanwalt werde dem Regierungsrat eine Stellungnahme zuleiten. Der Erziehungsdirektor wies das Gesuch am gleichen Tag ab.
Der Regierungsrat des Kantons Schaffhausen beschloss am 24. Juni 1980, Fiklocki nicht wiederzuwählen. Er stellte fest, das Anstellungsverhältnis ende am 31. Dezember 1980. Allerdings könne im Interesse der Schule der Lehrauftrag bis Ende Schuljahr 1980/81 verlängert werden.
Das Obergericht des Kantons Schaffhausen (als Verwaltungsgericht) wies die von Fiklocki dagegen erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit Urteil vom 19. September 1980 ab.
Fiklocki führt staatsrechtliche Beschwerde mit dem Antrag, den Entscheid der Nichtwiederwahl aufzuheben. Er rügt eine Verweigerung des rechtlichen Gehörs im regierungsrätlichen Verfahren, weil das Fristerstreckungsgesuch abgewiesen und kein Protokoll der Unterredung vom 5. Juni 1980 erstellt worden war. In materieller Hinsicht macht der Beschwerdeführer geltend, die angeführten Gründe für die Nichtwiederwahl seien willkürlich ausgewählt worden und stellten Bagatelltatbestände dar, welche teilweise weit zurücklägen. Das Bundesgericht tritt auf die staatsrechtliche Beschwerde Fiklockis nicht ein.
Erwägungen
Erwägungen:
1.
Gemäss
Art. 88 OG
kommt das Recht zur Beschwerdeführung Bürgern und Korporationen bezüglich solcher Rechtsverletzungen zu, die sie durch allgemein verbindliche oder sie persönlich treffende Erlasse oder Verfügungen erlitten haben. Im Gegensatz zur Regelung der Legitimationsvoraussetzungen im verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren (
Art. 103 OG
) steht dem Einzelnen die staatsrechtliche Beschwerde lediglich zur Geltendmachung seiner rechtlich geschützten Interessen zu. Zur Verfolgung bloss tatsächlicher Interessen wie auch zur Wahrung allgemeiner
BGE 107 Ia 182 S. 184
öffentlicher Interessen ist die staatsrechtliche Beschwerde nicht gegeben (
BGE 105 Ia 272
/3 mit Hinweisen).
2.
Der Beschwerdeführer rügt, er sei willkürlich nicht wiedergewählt worden.
a) Gewährt das kantonale Recht dem Beamten keinen Anspruch auf Wiederwahl, ist die Wahlbehörde grundsätzlich frei, das Dienstverhältnis nach Ablauf der Amtsdauer zu erneuern. Verzichtet sie auf die Fortführung des Dienstverhältnisses, greift diese Massnahme nicht in die rechtlich geschützten Interessen des Beamten im Sinne von
Art. 88 OG
ein. Daran ändert nichts, dass die zuständige Behörde an das allgemeine Willkürverbot, das für die gesamte staatliche Verwaltungstätigkeit gilt, gebunden ist. Die Legitimation zur Willkürbeschwerde besteht erst dann, wenn die Rechtsstellung des Beamten durch die Nichtwiederwahl betroffen wird. Aus
Art. 4 BV
folgt kein selbständiger Anspruch auf willkürfreies staatliches Handeln. Der Beamte ist somit zur Führung der staatsrechtlichen Beschwerde wegen Willkür befugt, wenn das massgebende kantonale Recht ihm einen Anspruch auf Wiederwahl gewährt (
BGE 105 Ia 275
). Denkbar ist, dass dieser Anspruch auch aufgrund von Gewohnheitsrecht besteht (vgl. zur Entstehung von Gewohnheitsrecht auch
BGE 105 Ia 84
mit Hinweisen). An der Rechtsprechung des Bundesgerichts zur Frage der materiellen Beschwerdelegitimation ist trotz der in der Literatur teilweise erhobenen Kritik (vgl. KNAPP, Précis de droit administratif S. 414 f) grundsätzlich festzuhalten.
b) Vorliegend weist der Beschwerdeführer nicht nach, dass das geschriebene oder ungeschriebene kantonale Recht ihm einen Anspruch auf Fortführung des Dienstverhältnisses nach Ablauf der Amtsperiode einräumt. Tatsächlich enthält das Schaffhauser Recht keine gesetzliche Grundlage, auf welche dieser Anspruch gestützt werden könnte. Aus der Parteistellung des Beschwerdeführers im kantonalen Rechtsmittelverfahren folgt nichts anderes, denn die Legitimation im staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren beurteilt sich ausschliesslich nach
Art. 88 OG
(
BGE 104 Ia 159
E. 2 b mit Hinweisen). Auf die Rüge des Beschwerdeführers, die Nichtwiederwahlgründe verletzten
Art. 4 BV
, kann daher nicht eingetreten werden.
c) Im übrigen beruft sich der Beschwerdeführer nicht auf die Verletzung eines besonderen Freiheitsrechtes. Es kann demnach offen bleiben, ob ein Beamter zur Einreichung der staatsrechtlichen Beschwerde legitimiert ist, wenn er aufgrund eines Verhaltens
BGE 107 Ia 182 S. 185
nicht wiedergewählt wird, das seinerseits unter dem Schutz eines besonderen verfassungsmässigen Rechtes wie z.B. der Meinungsäusserungsfreiheit, der Glaubens- und Gewissensfreiheit, der Vereinsfreiheit, des Diskriminierungsverbotes (
Art. 14 EMRK
) oder der Garantie der persönlichen Freiheit, steht (vgl. auch J.P. MÜLLER, Die staatsrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts 1979, ZBJV 117/1981, S. 245).
3.
Der Beschwerdeführer rügt im Zusammenhang mit dem Verfahren vor dem Regierungsrat einzig die seiner Auffassung nach willkürliche Ablehnung des Fristerstreckungsgesuches. Sinngemäss macht er damit eine Verweigerung des rechtlichen Gehörs geltend.
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts kann der an einem kantonalen Verfahren Beteiligte in jedem Fall die Verletzung jener Parteirechte rügen, die ihm nach dem kantonalen Verfahrensrecht oder unmittelbar aufgrund von
Art. 4 BV
zustehen (
BGE 105 Ia 276
mit Hinweisen). Es bleibt daher zu prüfen, ob das kantonale oder das Bundesverfassungsrecht dem Beschwerdeführer das rechtliche Gehör garantiert.
b) Der Beschwerdeführer weist keine Bestimmungen des kantonalen Rechts nach, gemäss welchen der Beamte im Nichtwiederwahlverfahren anzuhören ist. Es fragt sich daher, ob der Beschwerdeführer sich auf
Art. 4 BV
berufen kann.
c) Die Rechtsprechung des Bundesgerichts stellt bei der Umschreibung des aus
Art. 4 BV
abgeleiteten Gehörsanspruchs auf die konkrete Interessenlage der Beteiligten ab. Die Funktion des Gehörsanspruchs lässt sich wie folgt umschreiben: Einerseits dient das rechtliche Gehör der Sachaufklärung, andererseits stellt es ein persönlichkeitsbezogenes Mitwirkungsrecht beim Erlass von Verfügungen dar, die in die Rechtsstellung des Einzelnen eingreifen (
BGE 105 Ia 197
mit Hinweis). Der Anspruch auf rechtliches Gehör gilt nicht um seiner selbst Willen, sondern ist mit der Berechtigung in der Sache eng verbunden. Von Verfassungs wegen besteht der Gehörsanspruch erst dann, wenn die Gefahr besteht, dass der Einzelne durch den Erlass einer Verfügung in seinen rechtlich geschützten Interessen verletzt wird (vgl.
BGE 105 Ia 195
ff.,
BGE 87 I 155
; REINHARDT, Das rechtliche Gehör in Verwaltungssachen, Diss. Zürich 1968, S. 69/70; TINNER, Das rechtliche Gehör, ZSR 83 II S. 331). Soweit aus
BGE 105 Ia 276
E. d abgeleitet werden könnte, ein Anspruch auf rechtliches Gehör stehe einem Verfahrensbeteiligten unmittelbar aufgrund von
Art. 4 BV
schon
BGE 107 Ia 182 S. 186
dann zu, wenn er am Ausgang des Verfahrens tatsächlich interessiert sei, kann daran nicht festgehalten werden. Ein kantonaler Beamter, der nach
Art. 88 OG
nicht befugt ist, mit staatsrechtlicher Beschwerde die Verfügung über seine Nichtwiederwahl in der Sache selbst anzufechten, kann daher eine Verweigerung des rechtlichen Gehörs nur rügen, soweit ihm kantonale Vorschriften Rechte im Nichtwiederwahlverfahren einräumen.
d) Wie unter Ziff. 2 ausgeführt, hat der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall keinen Anspruch auf Wiederwahl. Durch die angefochtene Massnahme wird er in seinen rechtlich geschützten Interessen nicht verletzt. Aufgrund von
Art. 4 BV
lässt sich daher kein Anspruch auf vorgängige Anhörung ableiten. Auf die in Bezug auf das regierungsrätliche Verfahren vorgebrachte Rüge kann mithin nicht eingetreten werden. | public_law | nan | de | 1,981 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
302fd9f3-e78a-4a9f-9f8d-cde51fcbdfe7 | Urteilskopf
136 I 184
17. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. X. AG gegen Swissmedic, Schweizerisches Heilmittelinstitut (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
2C_407/2009 vom 18. Januar 2010 | Regeste
Art. 27 und 29 BV
;
Art. 105 BGG
; Art. 1, 10, 11 Abs. 1 lit. f, Art. 13 und 16 in Verbindung mit
Art. 66 HMG
;
Art. 13 und 14 AMZV
;
Art. 5 AWV
; Änderung der Fachinformation für Spedifen®.
Anwendung von
Art. 105 BGG
im Arzneimittelrecht: Welche Wirkungen Präparate haben und was die Studien dazu aussagen, bildet Teil der Sachverhaltsfeststellung (E. 1.2).
Prüfungs- und Begründungspflicht des Bundesverwaltungsgerichts in Verfahren gegen Entscheide der Swissmedic (E. 2).
Übersicht über die Anforderungen an die Arzneimittelinformation und -werbung: In der Fachinformation sind vergleichende Aussagen zu ähnlichen Produkten nicht ausgeschlossen, wenn sie behandlungsrelevant und wissenschaftlich unzweifelhaft belegt sind, was bei Spedifen® hinsichtlich der Wirkgeschwindigkeit gegenüber anderen Ibuprofenprodukten aufgrund der vorgelegten Studien und des Anwendungsbereichs als nicht hinreichend erwiesen beurteilt werden durfte (E. 3 und 4). | Sachverhalt
ab Seite 185
BGE 136 I 184 S. 185
Mit Verfügung vom 30. September 2003 genehmigte das Schweizerische Heilmittelinstitut Swissmedic (im Weitern auch: Swissmedic oder Heilmittelinstitut) der X. AG eine Änderung der Fach- und Patienteninformation für die Arzneimittel Spedifen
®
Granulat und Filmtabletten. Am 13. Dezember 2004 erteilte es ihr in Ablösung der IKS-Registrierung für Spedifen
®
die Swissmedic-Zulassung (gültig bis 12. Dezember 2009). Es verband diese mit der Auflage, dass die Fachinformation gemäss seiner Textprüfung anzupassen sei; die am 30. September 2003 bewilligten Passagen beanstandete es hierbei nicht.
Am 27. April 2005 teilte das Heilmittelinstitut der X. AG mit, dass zusätzliche Korrekturen am Text nötig seien; es habe sich gezeigt, dass das Gesuch, welches der Verfügung vom 30. September 2003 zugrunde gelegen habe, "ohne detaillierte Prüfung" der Daten genehmigt worden sei. Die X. AG widersetzte sich den vorgeschlagenen Anpassungen, soweit sie einen vergleichenden Hinweis auf die höhere Wirkgeschwindigkeit von Spedifen
®
als Ibuprofen in Form von Arginat-Salz gegenüber anderen ibuprofenhaltigen Arzneimitteln ausschlossen. Am 6. Juli 2007 hielt die Swissmedic an ihrer Auffassung fest und forderte die X. AG auf, die umstrittene Arzneimittelfachinformation in mehreren Punkten hinsichtlich der Angaben zur Wirkgeschwindigkeit im Vergleich zu anderen Ibuprofenprodukten zu ändern.
Mit Urteil vom 7. Mai 2009 wies das Bundesverwaltungsgericht die von der X. AG hiergegen eingereichte Beschwerde ab. Es begründete seinen Entscheid im Wesentlichen damit, dass das Institut nicht
BGE 136 I 184 S. 186
die Verfügung vom 30. September 2003 widerrufen habe, sondern wegen einer ursprünglichen Fehlerhaftigkeit auf seinen Zulassungsentscheid vom 13. Dezember 2004 zurückgekommen sei. Swissmedic sei es nicht verwehrt gewesen, "im Interesse einer richtigen und einheitlichen Rechtsanwendung" eine nachträgliche Anpassung der Arzneimittelinformation zu verlangen. Das Institut habe die ursprünglich genehmigte Fachinformation "zu Recht" als fehlerhaft qualifiziert und belegt, dass eine Neubeurteilung erforderlich gewesen sei; es obliege jeweils der Zulassungsinhaberin, "nachzuweisen, dass der von ihr beantragte Text den Anforderungen entspricht [...], mithin aufgrund der beigebrachten Unterlagen bewiesen wurde".
Das Bundesgericht weist die von der X. AG hiergegen eingereichte Beschwerde ab, soweit sie nicht gegenstandslos geworden ist.
(Zusammenfassung)
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
1.1
Gegen Entscheide des Bundesverwaltungsgerichts über Verfügungen der Swissmedic in Anwendung des Bundesgesetzes vom 15. Dezember 2000 über Arzneimittel und Medizinprodukte (Heilmittelgesetz, HMG; SR 812.21) bzw. der Ausführungserlasse dazu kann mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht gelangt werden (vgl.
Art. 82 ff. BGG
). Die X. AG ist als Zulassungsinhaberin der Spedifen
®
-Produkte hierzu legitimiert (
Art. 89 Abs. 1 BGG
), soweit sie am Ausgang des vorliegenden Verfahrens noch ein aktuelles Interesse hat (vgl.
BGE 123 II 285
E. 4): Die Swissmedic ordnete die umstrittenen Modifikationen der Arzneimittelinformation am 6. Juli 2007 in Abänderung zweier Genehmigungsentscheide vom 30. September 2003 und vom 13. Dezember 2004 an. In den vorinstanzlichen Verfahren war umstritten, ob der Widerruf dieser - angeblich ursprünglich fehlerhaften - Verfügungen zulässig sei. Nachdem die Zulassungsbewilligung der umstrittenen Produkte am 12. Dezember 2009 so oder anders ausgelaufen ist, hat die Beschwerdeführerin kein schutzwürdiges Interesse mehr daran, dass das Bundesgericht prüft, ob die Verfügung der Swissmedic in diesem Punkt Bundesrecht verletzt hat. Wegen der aufschiebenden Wirkung ihrer Rechtsmittel war sie bis zum Ablauf der Bewilligungsdauer nicht verpflichtet, ihre Produkteinformationen gemäss den Anordnungen der Swissmedic vom 6. Juli 2007 anzupassen, womit ihr aus deren Entscheid während der ganzen
BGE 136 I 184 S. 187
Bewilligungsdauer kein Nachteil erwachsen ist. Ihre Beschwerde ist in diesem Punkt (Widerrufsvoraussetzungen) durch den Fristablauf gegenstandslos geworden; anders verhält es sich hinsichtlich der Frage der inhaltlichen Rechtmässigkeit der angeordneten Abänderungen, da die Swissmedic diesbezüglich bei der Erneuerung der Bewilligung implizit an ihrem Standpunkt festgehalten und den Ausgang des vorliegenden Verfahrens vorbehalten hat.
1.2
Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, wie ihn die Vorinstanz festgestellt hat (
Art. 105 Abs. 1 BGG
). Es kann diesen bloss berichtigen oder ergänzen, wenn er offensichtlich unrichtig, unvollständig oder in Verletzung wesentlicher Verfahrensrechte ermittelt wurde (
Art. 105 Abs. 2 BGG
). Der Betroffene hat darzulegen, dass und inwiefern dies klar und eindeutig der Fall ist (
Art. 42 Abs. 2 und
Art. 106 Abs. 2 BGG
; vgl.
BGE 133 II 249
E. 1.4.3;
BGE 133 III 350
E. 1.3,
BGE 133 III 393
E. 7.1, 462 E. 2.4). Im Arzneimittelrecht bildet die Frage, welche Wirkungen Präparate haben und was die Studien dazu aussagen, Teil der Sachverhaltsfeststellung (Urteile 2A.526/2006 vom 6. März 2007 E. 6.2 und 2A.278/2005 vom 29. November 2005 E. 4.2, in: ZBl 107/2006 S. 661 ff.). Das Bundesgericht untersucht die Akten nicht selber auf Anhaltspunkte hin, welche diese als unrichtig oder zweifelhaft erscheinen lassen könnten (Urteil 2A.526/2006 vom 6. März 2007 E. 6.2). Eine offensichtliche Unrichtigkeit liegt nicht schon dann vor, wenn wissenschaftliche Studien zu unterschiedlichen Interpretationen Anlass geben, sondern nur, wenn die von der Behörde daraus gezogenen Schlüsse eindeutig und augenfällig unzutreffend erscheinen oder doch erhebliche Zweifel wecken (vgl.
BGE 132 I 42
E. 3.1 S. 44). Allfällige wissenschaftliche Unsicherheiten gehen zulasten der beweispflichtigen Gesuchstellerin (vgl.
Art. 10 HMG
; Urteile 2A.526/2006 vom 6. März 2007 E. 6.5 und 2A.200/2003 vom 18. August 2003 E. 2.1). Fallen bei mehreren Studien die eine oder andere zugunsten des Präparats aus, genügt dies nicht, um den Sicherheits- oder Wirksamkeitsnachweis zu erbringen, wenn insgesamt Widersprüche bestehen bzw. andere Studien die behaupteten Ergebnisse nicht zu stützen vermögen (Urteil 2A.526/2006 vom 6. März 2007 E. 5 und 6).
2.
2.1
Die Beschwerdeführerin macht geltend, das Bundesverwaltungsgericht habe sich in seinem Entscheid mit ihren Ausführungen nicht hinreichend auseinandergesetzt und seine Kognition in unzulässiger Weise beschränkt. Beschwerdeinstanzen auferlegten sich zwar
BGE 136 I 184 S. 188
regelmässig Zurückhaltung, "soweit für die Überprüfung des vorinstanzlichen Entscheids hoch stehende fachliche oder spezialisierte Kenntnisse erforderlich seien", doch dürfe dies nicht für Rechtsfragen gelten; als erste verwaltungsunabhängige Instanz müsse das Bundesverwaltungsgericht das Vorgehen und die Argumente der Verwaltungsbehörden umfassend prüfen; es könne sich nicht "unbesehen" darauf verlassen, dass diese "stets richtig" entschieden; andernfalls die Einsetzung einer unabhängigen richterlichen Kontrollinstanz keinen Sinn mehr mache. Auch wenn sich die urteilende Behörde in ihren Ausführungen auf die für den Entscheid wesentlichen Punkte beschränken dürfe, sei doch zu verlangen, dass sie zu diesen "eine einlässliche Begründung" abgebe und "die Argumente beider Parteien gleichermassen" in ihre Erwägungen "einbeziehe". Vorliegend habe das Bundesverwaltungsgericht ihre Überlegungen "gar nicht oder nur am Rande" erwähnt und in seiner Begründung nicht dargelegt, weshalb es die entsprechenden Argumente nicht als stichhaltig erachtet habe.
2.2
2.2.1
Der verfassungsmässige Anspruch auf rechtliches Gehör umfasst das Recht des Betroffenen, sich vor Erlass eines in seine Rechtsstellung eingreifenden Akts zur Sache äussern zu können (
BGE 122 II 274
E. 6b S. 286 f. mit Hinweisen). Er verlangt von der Behörde, dass sie seine Vorbringen tatsächlich hört, ernsthaft prüft und in ihrer Entscheidfindung angemessen berücksichtigt (
BGE 123 I 31
E. 2c S. 34 mit Hinweisen). Dies gilt für alle form- und fristgerechten Äusserungen, Eingaben und Anträge, die zur Klärung der konkreten Streitfrage geeignet und erforderlich erscheinen (
BGE 112 Ia 1
E. 3c S. 3). Die Begründung muss so abgefasst sein, dass der Betroffene den Entscheid gegebenenfalls sachgerecht anfechten kann. Sie muss kurz die wesentlichen Überlegungen nennen, von denen sich das Gericht hat leiten lassen und auf die es seinen Entscheid stützt. Nicht erforderlich ist, dass sich die Begründung mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzt und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegt (
BGE 133 III 439
E. 3.3 S. 445 mit Hinweisen). Auch eine Rechtsmittelbehörde, der - wie dem Bundesverwaltungsgericht - volle Kognition zusteht, soll in Gewichtungsfragen den Beurteilungsspielraum der Vorinstanz respektieren. Sie muss zwar eine falsche Entscheidung korrigieren, darf aber die Wahl unter mehreren sachgerechten Lösungen der Vorinstanz überlassen. Wenn es um die Beurteilung technischer oder wirtschaftlicher Spezialfragen geht,
BGE 136 I 184 S. 189
kann sie sich mit Blick auf deren Fachwissen eine gewisse Zurückhaltung auferlegen, ohne damit ihre Kognition in unzulässiger Weise zu beschränken, falls im konkreten Fall keine Anhaltspunkte für eine unrichtige oder unvollständige Feststellung des Sachverhalts bestehen und die spezialisierte Vorinstanz die für den Entscheid wesentlichen Gesichtspunkte geprüft und ihre Abklärungen sorgfältig und umfassend vorgenommen hat (vgl.
BGE 131 II 680
E. 2.3.2 mit Hinweisen).
2.2.2
Der Beschwerdeführerin ist einzuräumen, dass die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts zu ihren Darlegungen bezüglich der Wirksamkeit und der wissenschaftlichen Einschätzung des von ihr eingereichten Materials knapp ausgefallen sind; es ergibt sich indessen daraus hinreichend klar, dass und warum das Gericht sich der Auffassung der Swissmedic anschloss. Das Schweizerische Heilmittelinstitut ist eine durch den Bund unter Mitwirkung der Kantone betriebene öffentlich-rechtliche Anstalt mit eigener Rechtspersönlichkeit, welche im Medizinalbereich über ein besonderes Fachwissen verfügt (vgl.
Art. 68 ff. HMG
); dies rechtfertigte die geübte Zurückhaltung in den von der Beschwerdeführerin aufgeworfenen wissenschaftlich-technischen Fachfragen (etwa hinsichtlich der Probleme um die "Good Clinical Practice" [GCP] von Studien), nachdem keine Indizien dafür bestanden, dass das Institut die entscheidenden Kriterien widersprüchlich, rechtsungleich oder willkürlich angewendet haben könnte. Sind die Ausführungen von Swissmedic zu den wesentlichen Gesichtspunkten inhaltlich nachvollziehbar, besteht gestützt auf den Anspruch auf rechtliches Gehör kein Anlass zu weiteren Abklärungen seitens des Gerichts. Es ist in diesem Fall an der Gesuchstellerin, zu belegen, dass und inwiefern der Entscheid der Fachbehörde auf einer unsorgfältig erarbeiteten oder lückenhaften Grundlage beruht und deshalb eine unabhängige wissenschaftliche Analyse im gerichtlichen Verfahren erforderlich erscheint.
2.2.3
Die Beschwerdeführerin hatte im Widerrufs-/Anpassungsverfahren vor der Swissmedic umfassend Gelegenheit, ihren Standpunkt einzubringen; sie hat dabei verschiedene Kompromissvorschläge zur Formulierung der Fachinformation gemacht und von Swissmedic akzeptierte Alternativvorschläge abgelehnt. Das Bundesverwaltungsgericht führte einen doppelten Schriftenwechsel durch, in dem die Beschwerdeführerin sich detailliert zu den wissenschaftlichen Vorbehalten von Swissmedic äussern konnte. Sie erhielt schliesslich auch Gelegenheit, ihren Standpunkt vor Gericht
BGE 136 I 184 S. 190
mündlich darzulegen, wobei sie keine zusätzlichen wissenschaftlichen Unterlagen nachreichte. Das Gericht kam in der Folge zur Auffassung, dass es nicht zu beanstanden sei, wenn Swissmedic die europäische Leitlinie zur Durchführung von klinischen Studien mit Arzneimittel zur Behandlung von Schmerzen (CPMP/EWP/612/00) sinngemäss angewendet habe, obwohl die Zulassungsvoraussetzungen eines Analgetikums mit bekanntem Wirkstoff zur Diskussion gestanden habe, welches eine Weiterentwicklung eines Originalpräparats darstellte. Es schloss sich im Folgenden auch den Überlegungen der Swissmedic an, dass verschiedene Indizien darauf hinwiesen, dass die eingereichten Unterlagen (noch) keine hinreichende wissenschaftliche Basis für die gewünschte Formulierung und positive Abgrenzung hinsichtlich des Wirksamkeitseintritts von Ibuprofen-Arginat (IBA) gegenüber Ibuprofen-Säure (IBU) böten, was in der ursprünglichen Genehmigungsverfügung verkannt worden sei. Die Vorinstanz übernahm damit die fachlich-wissenschaftlichen Ausführungen von Swissmedic in deren Verfügung und Vernehmlassungen, womit es der Beschwerdeführerin möglich war, ihren Entscheid sachgerecht anzufechten.
2.2.4
Juristisch hat das Bundesverwaltungsgericht seinen Entscheid umfassend und ohne Beschränkung seiner Kognition begründet. Es war in diesem Rahmen nicht gehalten, auf sämtliche wissenschaftlichen Ausführungen der Beschwerdeführerin, die sie in der vorliegenden Eingabe unter dem Titel der Verweigerung des rechtlichen Gehörs umfassend wiederholt, im Einzelnen einzugehen. Es wäre an der Beschwerdeführerin gewesen, allenfalls mit zusätzlichem wissenschaftlichem Material darzutun, dass und weshalb die technische Einschätzung von Swissmedic, die in der Fachinformation gewünschten Hinweise seien nicht für alle Indikationen wissenschaftlich genügend fundiert nachgewiesen, falsch erschien und weitere gerichtliche Abklärungen nötig machte.
3.
3.1
3.1.1
Das Heilmittelinstitut entscheidet nach Prüfung der erforderlichen Unterlagen über die Zulassung von Arzneimitteln bzw. neuen Indikationen, wobei die Gesuchstellerin belegen muss, dass ihr Präparat qualitativ hochstehend, sicher und wirksam ist (
Art. 10 und
Art. 16 HMG
). Die Arzneimittelinformation (Fach- und Patienteninformation) bildet Teil des Bewilligungsverfahrens (vgl.
Art. 11 Abs. 1 lit. f HMG
; Art. 2 lit. a in Verbindung mit
Art. 4 und 5 der
BGE 136 I 184 S. 191
Verordnung des Schweizerischen Heilmittelinstituts vom 9. November 2001 über die Anforderungen an die Zulassung von Arzneimitteln [AMZV; SR 812.212.22]
; Urteil 2A.278/2005 vom 29. November 2005 E. 2.1, in: ZBl 107/2006 S. 526 ff.). Erläuternde Ausführungen in der Fachinformation müssen mit der Anwendung des Arzneimittels in einem direkten Zusammenhang stehen und für die gesundheitliche Aufklärung wichtig sein; sie dürfen anderen Angaben nicht widersprechen und haben sich auf die zugelassenen Anwendungen zu beziehen (vgl. Art. 13 und 14 in Verbindung mit Ziff. 1 Abs. 6 des Anhangs 4 der AMZV ["Anforderung an die Information für die Medizinalpersonen und den Arzneimittel-Fachhandel"] sowie Ziff. 13 und 14 der Erläuterungen der Swissmedic hierzu [Stand: 1. Oktober 2006]). Über die Fachinformation sollen die behandelnden Medizinalpersonen die für die Verschreibung und sichere Anwendung von Arzneimitteln erforderlichen Angaben erhalten; nur diese erlauben es ihnen, die Patienten sachgerecht zu beraten und zu informieren, womit die entsprechenden Informationen deren Schutz dienen: Sie sollen potentielle Gefahren und mögliche Täuschungen oder Fehlinterpretationen im Umgang mit dem jeweiligen Arzneimittel verhindern ("Heilmittelrechtliches Vorsorgeprinzip"; vgl. auch JUANA SCHMIDT, Pharmakommunikation - Information oder Werbung?, in: Biomedizinrecht, Dörr/Michel [Hrsg.], 2007, S. 371 ff., dort S. 389 ff.).
3.1.2
Die Swissmedic kann die Zulassung während der Geltungsdauer von Amtes wegen oder auf Gesuch hin veränderten Verhältnissen anpassen. Sie ist in diesem Rahmen insbesondere auch befugt, Änderungen der Arzneimittelinformationen anzuordnen, wenn diese den gesetzlichen Vorgaben nicht mehr entsprechen (
Art. 16 Abs. 2 und
Art. 66 Abs. 1 HMG
). Die Zulassungsinhaberin muss ihrerseits jeweils dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik sowie neuen Ereignissen und Bewertungen Rechnung tragen, wobei sie die nötigen Änderungen in der Regel vorgängig dem Institut zur Bewilligung vorzulegen hat (vgl.
Art. 16 der Verordnung vom 17. Oktober 2001 über die Arzneimittel [Arzneimittelverordnung, VAM; SR 812.212.21]
). Die Genehmigung erfolgt aufgrund einer wissenschaftlichen Begutachtung, sofern von der Gesuchstellerin eine Dokumentation vorgelegt wird oder die Änderung sicherheitsrelevant ist; ansonsten wird auf eine (erneute) wissenschaftliche Begutachtung verzichtet (vgl. Ziff. 2 Abs. 1 Subziff. 2 und 3, Ziff. 3 Abs. 1 Subziff. 1-3 Anhang 7 AMZV). Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens wird geprüft, ob der vorgeschlagene Text, (noch) dem
BGE 136 I 184 S. 192
aktuellen Wissensstand entspricht. Dabei kommt dem Institut als Fachbehörde ein pflichtgemäss wahrzunehmender Beurteilungsspielraum zu, den es gestützt auf eigene Erkenntnisse, allgemein zugängliche wissenschaftliche Arbeiten, Richtlinien schweizerischer und internationaler (Fach-)Organisationen und den von der Gesuchstellerin beigebrachten Unterlagen sachgerecht wahrzunehmen hat.
3.1.3
Indirekt mit der Fachinformation ist die Frage der Fachwerbung verbunden: Zwar gilt die Verordnung vom 17. Oktober 2001 über die Arzneimittelwerbung (Arzneimittel-Werbeverordnung, AWV; SR 812.212.5; vgl. URSULA EGGENBERGER STÖCKLI, Werbung für Heilmittel, in: Gesundheit und Werbung, Poledna [Hrsg.], 2005, S. 61 ff., dort S. 80 f.) für das Packungsmaterial und die Arzneimittelinformation nicht unmittelbar (
Art. 1 Abs. 2 lit. a AWV
), doch müssen alle Angaben in der Fachwerbung im Einklang mit der vom Schweizerischen Heilmittelinstitut zuletzt genehmigten Arzneimittelinformation stehen; insbesondere dürfen grundsätzlich nur vom Institut genehmigte Indikationen und Anwendungsmöglichkeiten beworben werden (
Art. 5 Abs. 1 AWV
; vgl. URSULA EGGENBERGER STÖCKLI, Arzneimittel-Werbeverordnung, 2006, N. 11 ff. zu
Art. 5 AWV
). Die Fachwerbung muss in ihren Aussagen genau, ausgewogen, sachlich zutreffend und belegbar sein; sie darf keine irreführenden Angaben enthalten (
Art. 5 Abs. 3 AWV
). Die Werbeaussagen müssen auf dem aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse beruhen und sollen diesen widerspiegeln. Sie dürfen nur auf klinische Versuche Bezug nehmen, die nach den Anforderungen der Guten Praxis der Klinischen Versuche (GPKV) durchgeführt und publiziert oder zur Publikation angenommen sind (
Art. 5 Abs. 5 AWV
). Aussagen zu Vergleichen mit anderen Arzneimitteln sind in der Fachwerbung zulässig, wenn sie sich als wissenschaftlich korrekt erweisen und sich auf Studien abstützen, welche den Anforderungen der Guten Praxis der Klinischen Versuche entsprechen (
Art. 7 AWV
).
3.2
3.2.1
Die Beschwerdeführerin macht geltend, zwischen ihr und der Swissmedic sei in der Sache selber im Wesentlichen noch umstritten, (1) ob Ibuprofen-Arginat (der Wirkstoff in Spedifen [IBA]) schneller wirkt als Ibuprofen-Säure (IBU), die in herkömmlichen Ibuprofen-Präparaten zur Anwendung kommt, (2) ob der Unterschied zwischen IBA und IBU beim Wirkungseintritt in der Arzneimittelinformation erwähnt werden darf und (3) ob Swissmedic ohne triftige Gründe auf die Verfügung vom 30. September 2003
BGE 136 I 184 S. 193
zurückgekommen ist. Die letzte Frage ist hier nicht mehr zu prüfen, da die ursprünglich auf fünf Jahre beschränkte Zulassungsbewilligung am 12. Dezember 2009 ausgelaufen ist (vgl. oben E. 1.1).
3.2.2
In Bezug auf die wissenschaftliche Einschätzung der eingereichten Unterlagen bringt die Beschwerdeführerin nichts vor, was die Annahme, die eingereichten Unterlagen genügten im Rahmen der Guten Praxis der Klinischen Versuche (GPKV) für den gewünschten allgemeinen Hinweis einer schnelleren Wirksamkeit von Spedifen
®
nicht, als offensichtlich unvollständig oder fehlerhaft erscheinen liesse. Ihre Ausführungen erschöpfen sich darin, die eigenen, bereits wiederholt in den vorinstanzlichen Verfahren vorgebrachten Einschätzungen jenen des Instituts gegenüberzustellen. Sie verkennt dabei, dass es an ihr ist, die Wirksamkeit hinsichtlich der bewilligten Indikationen anhand von wissenschaftlich erhärteten, über vernünftige Zweifel erhabene Untersuchungen nachzuweisen. Die von ihr eingereichten Unterlagen weisen zwar allenfalls auf eine gewisse schnellere Wirkgeschwindigkeit im Rahmen klinischer Versuche bei chirurgischen Zahnextraktionen hin (Dental Surgery-Studien); die Swissmedic durfte indessen davon ausgehen, dass die entsprechende Behauptung für die anderen zugelassenen Indikationen dadurch nicht im Rahmen der CPMP-Guideline (Note for Guidance on Clinical Investigation of Medicinal Products for Treatment of Nociceptive Pain [CPMP/WEWP/612/00]) hinreichend nachgewiesen erschien (vgl. das Urteil 2A.515/2002 vom 28. März 2003 E. 3.5). Das Indikations-/Anwendungsgebiet von Spedifen
®
umfasst gemäss Arzneimittel-Kompendium "verschiedene Schmerzzustände besonders akuter Natur, wie z.B. Symptome des Zervikalsyndroms, Kopfschmerzen, Zahnschmerzen, muskuläre und osteoartikuläre Schmerzen, schmerzhafte Wirbelsäulensyndrome, posttraumatische und postoperative Entzündungen und Schmerzen; Schmerzzustände in der Gynäkologie wie z.B. Dysmenorrhoe; schubweise wiederkehrende Schmerzzustände bei rheumatischen Erkrankungen entzündlicher und degenerativer Formen und bei morgendlicher Gelenksteifheit; extraartikuläre rheumatische Beschwerden; Fieber- und Schmerzzustände bei infektiösen Erkrankungen (z.B. grippale Infekte)". Die von der Beschwerdeführerin als "Pivotal-Studien" bezeichneten Untersuchungen bezogen sich auf chirurgische Zahnextraktionen; für die anderen Bereiche reichte sie lediglich zwei ergänzende supportive Studien bei Dysmenorrhoe ein; die zwei Studien bei Spannungs-Kopfschmerzen bezeichnete sie im Laufe des Verfahrens als
BGE 136 I 184 S. 194
"untaugliches Schmerzmodell", obwohl entsprechende Schmerzen ebenfalls in den zugelassenen Anwendungsbereich fallen, weshalb die diesbezüglichen Untersuchungen nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben konnten.
3.2.3
Swissmedic hat nachvollziehbar dargelegt, dass aus den von der Beschwerdeführerin angerufenen Werten der drei Dental Surgery-Studienberichten nicht zwingend generell auf den behaupteten schnelleren Wirkungseintritt geschlossen werden kann, da sie in verschiedenen Punkten (Definition im Studienprotokoll, Signifikanzschranken usw.) nicht den Anforderungen der einschlägigen Guidelines entsprächen. Es bestanden gestützt auf die inkonsistenten Resultate der Studie IA-US-03 (ungewöhnlich langsame Resorption und unterdurchschnittlich tiefe maximale Plasmaspiegel im Vergleich zu anderen Ibuprofen-Präparaten), bei der als einziger der eingereichten sieben klinischen Untersuchungen gleichzeitig die Pharmakokinetik und die klinische Wirksamkeit untersucht wurden (vgl. zu den verschiedenen Untersuchungstypen und -definitionen: CHRISTOPH SCHMIDT, Die Zulassung von Arzneimitteln nach dem Heilmittelgesetz, 2008, S. 96 ff.), tatsächlich Zweifel daran, dass die Resultate eine genügende statistische Signifikanz der Unterschiede (zum Original Ibuprofen), klinische Relevanz der Effektgrösse (Ausmass der Wirkung von Test und Referenz im Vergleich mit Placebo im Dosierungsintervall) und wissenschaftlich ausreichende Datenkonsistenz über sämtliche Studien hinweg für die von der Beschwerdeführerin gewünschten vergleichenden Aussagen über die Wirkgeschwindigkeit zu schaffen vermochten. Zwar ist Ibuprofen als Arginat(-salz) besser wasserlöslich als andere Ibuprofenformen; hieraus kann aber nicht zwangsläufig darauf geschlossen werden, dass damit auch eine schnellere Absorption oder gar ein schnellerer klinischer Wirkungseintritt erstellt ist. Ein solcher muss vielmehr mit geeigneten, den einschlägigen wissenschaftlichen Guidelines entsprechenden klinischen Studien belegt werden.
3.2.4
Mit der Beschwerdeführerin ist davon auszugehen, dass nicht jede vergleichende Aussage zu einem anderen ähnlichen Produkt in der Fachinformation ausgeschlossen erscheint (vgl. EGGENBERGER STÖCKLI, a.a.O., N. 16 zu
Art. 5 AWV
). Es kann durchaus ein Interesse daran bestehen, die Fachkreise über den schnelleren Wirkungseintritt eines Stoffes in einer bestimmten Form gegenüber anderen Arzneiformen zu informieren; gleichzeitig müssen dann aber wohl auch die Wirkungsdauer und allenfalls die Wirkungsintensität
BGE 136 I 184 S. 195
mitberücksichtigt werden. Auf jeden Fall haben die entsprechenden Unterschiede wissenschaftlich unzweifelhaft belegt zu sein; nur dann kann sich die Frage stellen, ob allenfalls - mit Blick auf die Wirtschaftsfreiheit (
Art. 27 BV
), welche auch das Recht auf Werbung umfasst - ein Anspruch darauf besteht, dass sie in die Fachinformationen aufgenommen werden. Da bei den sieben eingereichten Studien - wie dargelegt - hinreichende Indizien für eine ungenügende wissenschaftliche Validität bestanden, braucht die Frage hier nicht vertieft zu werden. Grundsätzlich bleibt es bei den Vorgaben des Heilmittelinstituts, wonach die Angaben über die Eigenschaften des Wirkstoffes oder der Wirkstoffkombination konzis und belegt sein müssen und Werbeaussagen zu unterlassen sind. Pharmakodynamisch sollen nur Wirkungen beschrieben werden, die für die Indikation relevant oder zum Verständnis von Nebenwirkungen wichtig erscheinen. Dabei ist deutlich zwischen experimentellen Befunden und nachgewiesenen therapeutischen Wirkungen beim Menschen zu unterscheiden. Mit Bezug auf die klinische Wirksamkeit sind die wesentlichen Daten der vorgelegten klinischen Studien zu erwähnen (z.B. Charakteristik der Patientenpopulation, Effektgrösse, Statistik usw.; vgl. zum Ganzen: Ziff. 13 der Erläuterungen der Swissmedic vom 1. Oktober 2006 zu den "Anforderungen an die Information für die Medizinalpersonen und den Arzneimittel-Fachhandel [Fachinformation]").
4.
Was die Beschwerdeführerin gegen den angefochtenen Entscheid weiter einwendet, lässt diesen ebenfalls nicht bundesrechtswidrig erscheinen:
4.1
Zwar fällt ihre Tätigkeit in den Anwendungsbereich der Wirtschaftsfreiheit, doch darf diese zum Schutz des Publikums im öffentlichen Interesse durch angemessene Massnahmen beschränkt werden (vgl.
Art. 36 BV
). Dass allenfalls nur wissenschaftlich einwandfrei belegte Charakteristika eines Wirkstoffs in Abgrenzung zu ähnlichen Arzneiformen in die Fachinformation aufgenommen werden können, womit sie hernach im Rahmen der Arzneimittel-Werbeverordnung auch beworben werden dürfen, dient der klaren Information von Fachkreisen und Publikum sowie der Lauterkeit auf dem Medikamentenmarkt (vgl.
Art. 1 Abs. 3 lit. c HMG
). Dieser soll nicht nur "qualitativ hoch stehende, sichere und wirksame Heilmittel" hervorbringen (
Art. 1 Abs. 1 HMG
), sondern den Konsumentinnen und Konsumenten zudem auch einen angemessenen Schutz vor Täuschung bieten (
Art. 1 Abs. 2 lit. a HMG
). Die in Verkehr gebrachten Heilmittel sind ihrem Zweck entsprechend und massvoll zu verwenden
BGE 136 I 184 S. 196
(
Art. 1 Abs. 2 lit. b HMG
), was eine konzise und wissenschaftlich belegte Information über die gesamten oder doch über einen wesentlichen Teil der zulässigen Indikationen bzw. Applikationen voraussetzt (vgl. POLEDNA/BERGER, Öffentliches Gesundheitsrecht, 2002, N. 308).
4.2
Soweit die Beschwerdeführerin eine Gleichbehandlung mit Algifor-L
®
/-forte verlangt, das ihrem Ibuprofenprodukt ähnlich sei, verkennt sie, dass in dessen Fachinformation lediglich darauf hingewiesen wird, dass das darin enthaltene Ibuprofenlysinat "die gleichen pharmakologischen Eigenschaften wie Ibuprofen" zeigt, sich aber von diesem durch "seine höhere Wasserlöslichkeit" unterscheidet. Pharmakokinetisch wird festgehalten, dass der maximale Plasmaspiegel von 33,6 mg/l (Beutel) resp. 37,2 mg/l (Filmtablette) "in ungefähr 30 Minuten nach einer oralen Gabe von 400 mg Ibuprofen" erreicht wird. Abgesehen davon, dass die entsprechenden Informationen auf anderen Unterlagen beruhen, unterscheiden sich die von der Swissmedic gegenüber der Beschwerdeführerin angeordneten Anpassungen im Resultat hiervon nicht grundlegend: Auch die Fachinformation zu Algifor-L
®
/-forte enthält trotz der ebenfalls bestehenden höheren Wasserlöslichkeit keinen vergleichenden Hinweis bezüglich eines gegenüber anderen Ibuprofenprodukten schnelleren Wirkungseintritts. Die Beschwerdeführerin kann aus der bewilligten Produkteinformation von Algifor-L
®
/-forte deshalb nichts zu ihren Gunsten ableiten.
4.3
Dasselbe gilt bezüglich der Tatsache, dass die französische Zulassungsbehörde Spifen 400 mg mit dem pharmakologischen Hinweis akzeptiert hat: "... Dans les douleurs dentaires post-extractionelles, l'effet antalgique de SPIFEN à été observé plus précocement que pour une forme conventionnelle d'ibuprofène" und die Beschwerdeführerin gestützt hierauf in Frankreich entsprechend wirbt: Es ist nicht ersichtlich, auf welchen rechtlichen und wissenschaftlichen Grundlagen die französischen Behörden diesen Hinweis gestattet haben. Bezüglich der Werbung in der Schweiz hat das Bundesgericht die Auffassung von Swissmedic bestätigt, dass bereits gestützt auf die
bisherigen
Arzneimittelinformationen Aussagen wie "Lindert den Schmerz bereits nach wenigen Minuten" und: "... befreit vollständig vom Schmerz innert 30 Minuten" sachlich unzutreffend und übertrieben seien; der zuletzt genehmigten Arzneimittelinformation könne kein Hinweis darüber entnommen werden, in welchem Umfang und nach welchem Zeitablauf eine Linderung der Schmerzen
BGE 136 I 184 S. 197
eintrete; sie enthalte auch keine Angaben, die darauf hindeuten würden, dass eine vollständige Schmerzbefreiung nach zirka 30 Minuten eintreten könnte (Urteil 2A.607/2005 vom 23. Juni 2006, E. 6 ["Dolo-Spedifen 400"], in: sic! 2007 S. 126 ff.). Nach
Art. 13 HMG
sindzwar bei Arzneimitteln, die bereits in einem anderen Land mit vergleichbarer Arzneimittelkontrolle zugelassen sind, die entsprechenden Ergebnisse - auch hinsichtlich der Arzneimittelinformationen - zu berücksichtigen. Die ausländische Zulassung muss indessen nicht zwingend übernommen werden. Sie bildet lediglich ein Indiz dafür, dass eine genügende wissenschaftliche Relevanz bestehen kann, entbindet die Swissmedic indessen nicht davon, ihrer Prüfungspflicht gemäss dem schweizerischen Zulassungsrecht nachzukommen und bei wissenschaftlich begründeten Zweifeln zusätzliche Unterlagen einzuverlangen (vgl. CHRISTA TOBLER, in: Basler Kommentar, Heilmittelgesetz, 2006, N. 5 ff. zu
Art. 13 HMG
). | public_law | nan | de | 2,010 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
30340360-24f3-4697-988d-92381deff32c | Urteilskopf
121 III 279
56. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 22. Mai 1995 i.S. Actron Security AG gegen George Jay Lichtblau und Checkpoint Systems Inc. (Berufung) | Regeste
Patentnichtigkeitsklage; Nichtigkeitsgrund der unzulässigen Erweiterung des Patentgegenstands (Art. 26 Abs. 1 Ziff. 3bis und 27 Abs. 1 PatG).
Ein solcher Nichtigkeitsgrund führt nicht zwangsläufig zur Vollnichtigkeit des Patents. Der Richter hat vielmehr die Möglichkeit, bei gegebenen Voraussetzungen die Teilnichtigkeit des Patents festzustellen und es entsprechend einzuschränken (E. 3). | Erwägungen
ab Seite 279
BGE 121 III 279 S. 279
Aus den Erwägungen:
3.
Die Beklagte rügt eine Verletzung von
Art. 26 Abs. 1 Ziff. 3bis PatG
(SR 232.14). Nach ihrer Auffassung muss eine unzulässige Erweiterung des Gegenstands des Patents im Sinne dieser Bestimmung, wie sie von der Vorinstanz bejaht wurde, zwingend zur Vollnichtigkeit führen und ist eine blosse Einschränkung des Patents durch den Richter wegen Teilnichtigkeit (
Art. 27 PatG
) ausgeschlossen. Die Beklagte macht zudem geltend, der vom
BGE 121 III 279 S. 280
Handelsgericht neugefasste Patentanspruch 1 sei ebenfalls nichtig, weil mit dem Weglassen des Merkmals der "Bogenentladung" der Gegenstand des Patents im Sinne von
Art. 26 Abs. 1 Ziff. 3bis PatG
unzulässig erweitert worden sei.
a) Ein Patent ist nach
Art. 26 Abs. 1 Ziff. 3bis PatG
vom Richter als nichtig festzustellen, wenn dessen Gegenstand über den Inhalt des Patentgesuchs in der für das Anmeldedatum massgebenden Fassung hinausgeht. Der Nichtigkeitsgrund der unzulässigen nachträglichen Erweiterung des anspruchsgemässen Patentgegenstands ist
Art. 138 Abs. 1 lit. c EPÜ
entnommen und mit dem Bundesgesetz vom 17. Dezember 1976 (AS 1977 1997 ff.) in das nationale Recht überführt worden (im Rahmen der sog. Harmonisierung; vgl.
BGE 120 II 71
E. 2 S. 73). Die Bestimmung knüpft an die gleichzeitig neugefassten
Art. 56 Abs. 1 PatG
(Erfordernis ausformulierter Patentansprüche im Zeitpunkt der Einreichung des Patentgesuchs) sowie
Art. 58 Abs. 2 PatG
(Änderung der technischen Unterlagen über den Offenbarungsgehalt) an und entspricht sachlich, das heisst bezüglich Gegenstand und Schutzbereich des Patents, dem Teilverzichtstatbestand von
Art. 24 Abs. 1 lit. c PatG
(vgl. Botschaft des Bundesrats vom 24. März 1976, BBl 1976 II 1ff., 76 f.).
Betrifft ein Nichtigkeitsgrund nur einen Teil der patentierten Erfindung, so ist das Patent durch den Richter entsprechend einzuschränken (
Art. 27 Abs. 1 PatG
). Das Handelsgericht wendet die Bestimmung auch auf den Nichtigkeitsgrund von
Art. 26 Abs. 1 Ziff. 3bis PatG
an. Die Beklagte hält dieses Vorgehen für bundesrechtswidrig.
Nach der Gesetzessystematik und dem Wortlaut erfasst
Art. 27 PatG
sämtliche Nichtigkeitsgründe von
Art. 26 Abs. 1 PatG
. In der Literatur wird denn auch die Auffassung vertreten, die Gründe, derentwegen eine Teilnichtigkeit ausgesprochen werden könne, seien die in
Art. 26 Abs. 1 PatG
aufgezählten (RETO M. HILTY, Der Schutzbereich des Patents, S. 280). Dieser Meinung ist zuzustimmen. Entgegen dem Einwand der Beklagten wird sie nicht dadurch in Frage gestellt, dass
Art. 27 PatG
älteren Datums ist als
Art. 26 Abs. 1 Ziff. 3bis PatG
, denn die Grundsätze, dass die jüngere der älteren und die spezielle der allgemeinen Norm vorgeht, kommen nicht zur Anwendung, da die entsprechenden Voraussetzungen fehlen. Zum einen ist weder unter systematischem noch teleologischem Gesichtspunkt ein Widerspruch zwischen den beiden Gesetzesvorschriften erkennbar. Zum andern stehen sie nicht im Verhältnis von allgemeiner zu spezieller Norm.
BGE 121 III 279 S. 281
Rechtsvergleichend ist sodann festzuhalten, dass das EPÜ in Art. 138 Abs. 2 die Teilnichtigkeit mit Beschränkungsmöglichkeit für alle im vorangehenden Absatz des Artikels genannten Nichtigkeitsgründe vorsieht (vgl. SINGER, N. 5 zu
Art. 138 EPÜ
). Sodann gilt im - ebenfalls harmonisierten - deutschen und französischen Recht, dass sämtliche Nichtigkeitsgründe mit der milderen Massnahme der blossen Patentbeschränkung beseitigt werden können, wozu auch der Fall der unzulässigen Erweiterung des Patentgegenstands gehört (BENKARD/ROGGE, 9. Aufl., N. 18 ff. zu § 21 DPatG sowie N. 48 und 56 ff. zu § 22 DPatG; MATHÉLY, Le nouveau droit français des brevets d'invention, S. 387 f.). In der deutschen Literatur wird im übrigen darauf hingewiesen, dass die unzulässige Erweiterung des Patentgegenstands für sich allein in aller Regel lediglich eine Teilnichtigkeit zur Folge habe, welcher durch Beschränkung des Patents Rechnung zu tragen sei (BALLHAUS, Folgen der Erweiterung der Patentanmeldung, GRUR 1983, S. 1 ff., S. 6; BENKARD/ROGGE, N. 48 zu § 22 DPatG). Für das schweizerische Recht ergibt sich nichts anderes.
Zu beachten ist allerdings, dass die Einschränkung des teilnichtigen Patents durch Einfügen zusätzlicher Merkmale, soll sie nicht ihrerseits zu einer Erweiterung führen, nur mit Elementen zulässig ist, die in der erteilten Fassung des Patents in ihrer Bedeutung für die technische Lehre bereits offenbart wurden (BENKARD/ROGGE, N. 36 zu § 22 DPatG; BERNHARDT/KRASSER, Lehrbuch des Patentsrechts, S. 437 f.). Zu berücksichtigen ist zudem, dass einer unzulässigen Erweiterung, die im Nachbringen eines ursprünglich nicht offenbarten und nicht bloss wahlweise aufgeführten Merkmals bestand, wegen der damit verbundenen Erweiterung des Schutzbereichs mit Rücksicht auf die Interessen Dritter im allgemeinen nicht mit einer Anspruchsänderung durch Streichung dieses Merkmals Rechnung getragen werden kann (BERNHARDT/KRASSER, a.a.O., S. 438; BENKARD/ROGGE, N. 57 zu § 22 DPatG; a.A. BALLHAUS, a.a.O., S. 7). Das angefochtene Urteil stimmt mit diesen Grundsätzen überein. Eine Verletzung von Bundesrecht durch das Handelsgericht ist insoweit nicht erkennbar.
b) Das Handelsgericht stellt übereinstimmend mit den Äusserungen des gerichtlichen Gutachters fest, in den ursprünglich eingereichten Unterlagen sei eine Resonanzetikette beschrieben worden, die ein flaches Substrat aus dielektrischem Material aufweise, auf dessen entgegengesetzten Oberflächen ein Paar aufeinander ausgerichteter und einen Kondensator des Schwingkreises der Etikette bildender leitender Bereich angeordnet sei,
BGE 121 III 279 S. 282
wobei an die beiden Kondensatorplatten Leiterbahnen anschlössen. Aus diesen Unterlagen gehe zudem hervor, dass zwischen bestimmten Stellen auf beiden Kondensatorplatten oder zwischen einer bestimmten Stelle auf einer Kondensatorplatte und der anderen Kondensatorplatte oder zwischen einer Kondensatorplatte und einer gegenüberliegenden Stelle der an die andere Kondensatorplatte anschliessenden Leiterbahn ein geringerer Abstand bestehe als zwischen den übrigen Teilen der leitenden Bereiche, so dass an diesen Stellen ein Pfad quer durch das dielektrische Substrat und zwischen den leitenden Bereichen definiert sei, entlang dem bei hinreichender Energiezufuhr ein Durchschlag nach Art einer Bogenentladung erfolge.
Das Handelsgericht ist zum Ergebnis gekommen, dass das Patent in der erteilten Fassung durch das Weglassen des Merkmals des flachen Substrats aus dielektrischem Material einerseits und des Merkmals der Anordnung gegenseitig ausgerichteter leitender Bereiche auf gegenüberliegenden Oberflächen des Substrats zur Bildung eines Kondensators anderseits unzulässig erweitert worden sei. Nicht als Erweiterung betrachtete das Handelsgericht dagegen das Weglassen des Merkmals der "Bogenentladung". Mit der Berufung wird demgegenüber geltend gemacht, auch das Weglassen dieses Merkmals sei als unzulässige Erweiterung im Sinne von
Art. 26 Ziff. 3bis PatG
zu beurteilen.
Nach Meinung des gerichtlichen Gutachters, der sich das Handelsgericht angeschlossen hat, ist das Weglassen des Merkmals der "Bogenentladung" deshalb unbedenklich, weil das - in der erteilten Fassung aufgeführte - Merkmal der "Bildung eines Pfads verminderten Widerstands" dem Fachmann den eindeutigen Hinweis liefere, dass hier ein Durchschlag durch das Dielektrikum erfolge. Die Beklagte wendet mit der Berufung ein, in der ursprünglichen Fassung sei dem Fachmann nur eine ausschliessliche Ausführungsform offenbart worden, wogegen die erteilte Fassung offener sei, indem namentlich auch die Möglichkeit bestehe, den "Pfad verminderten Widerstands" durch Laserlicht zu bilden. Der Einwand geht indessen an der Sache vorbei. Nach dem objektiven Verständnis des massgebenden Patentanspruchs lokalisiert der "Pfad verminderten Widerstands" den zu erwartenden Durchschlag und dient die ursprünglich erwähnte "Bogenentladung" nicht ihrerseits der Bildung dieses Pfades. Einzelheiten aber, welche der Fachmann aus der Beschreibung der Erfindung aufgrund seines Fachwissens ohne weiteres erkennen kann, bedürfen der Offenbarung
BGE 121 III 279 S. 283
nicht, und ihr Weglassen stellt deshalb keine unzulässige Erweiterung des Patentgegenstands dar. So verhält es sich mit der insoweit unbeanstandet gebliebenen fachtechnischen Auffassung des gerichtlichen Experten im vorliegenden Fall hinsichtlich des Merkmals der "Bogenentladung". Die Rüge einer Verletzung von
Art. 26 Abs. 1 Ziff. 3bis PatG
erweist sich daher auch insoweit als unbegründet. | null | nan | de | 1,995 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
30361b34-4a33-4e85-abb0-bfc69777a233 | Urteilskopf
118 V 171
21. Arrêt du 27 août 1992 dans la cause Chrétienne-Sociale Suisse contre R. et R. contre Chrétienne-Sociale Suisse et Tribunal cantonal jurassien | Regeste
Art. 12 Abs. 2 Ziff. 1 und Ziff. 2 KUVG
: Transportkosten.
Die Kosten für den Transport mit einer Ambulanz (einschliesslich Begleitung durch einen Krankenpfleger) sind von den Krankenkassen nicht als Pflichtleistungen zu übernehmen. | Sachverhalt
ab Seite 171
BGE 118 V 171 S. 171
A.-
a) Le 26 mars 1990, David R., né en 1967, domicilié à C. (JU), a été admis à l'Hôpital de l'Ile, à Berne, pour y subir une néphrectomie consécutive au rejet d'un rein transplanté. Le lendemain, il a été transféré à l'Hôpital régional de Porrentruy pour la poursuite de dialyses et un traitement postopératoire.
Le 8 mai 1990, David R. a de nouveau été admis à l'Hôpital régional de Porrentruy, en raison cette fois d'une pancréatite aiguë. Il a été conduit dans un établissement hospitalier bâlois, puis à l'Hôpital de l'Ile, avant d'être ramené à l'Hôpital régional de Porrentruy.
Par la suite, le 30 octobre 1990, il est allé en consultation au service des urgences de l'Hôpital régional de Porrentruy. Présentant un état hautement fébrile et une symptomatologie de rejet ou de pyélonéphrite aiguë, il a été immédiatement transporté à l'Hôpital de l'Ile; il fut soumis à divers examens et reconduit le lendemain à son domicile.
BGE 118 V 171 S. 172
b) Les frais de ces différents transports, qui ont tous été effectués au moyen d'une ambulance, ont été facturés par l'Hôpital régional de Porrentruy. Celui-ci a ainsi adressé cinq factures au patient, pour un montant total de 4'623 fr. 90 (918 francs, 1'469 fr. 10, 758 fr. 40, 729 fr. 60 et 748 fr. 80).
c) David R. a demandé à la Chrétienne-Sociale Suisse (CSS), auprès de laquelle il est assuré contre la maladie, de lui rembourser les montants précités. Le 12 juillet 1991, la CSS lui a notifié une décision de refus, au motif que la prise en charge des frais de transport ne faisait pas partie des prestations obligatoirement à la charge des caisses-maladie.
B.-
David R. a recouru contre cette décision. Par jugement du 29 novembre 1991, le Tribunal cantonal jurassien (Chambre des assurances) a partiellement admis le recours en condamnant la CSS à verser la somme de 570 francs à l'assuré. Les premiers juges ont constaté, en effet, que, dans trois cas de transport, l'Hôpital régional de Porrentruy avait porté en compte des frais pour l'accompagnement par un infirmier, par 148 fr. 20, 239 fr. 40 et 182 fr. 40 (570 francs au total). Ils ont estimé qu'il s'agissait là d'une surveillance de caractère paramédical, qui se distinguait des déplacements proprement dits, et dont les frais incombaient en conséquence à la CSS.
C.-
Tant la CSS que David R. forment un recours de droit administratif contre ce jugement, dont ils demandent tous deux l'annulation. David R. conclut, en outre, à la prise en charge intégrale des frais de transport facturés par l'Hôpital régional de Porrentruy.
Chacun des recourants a conclu au rejet du recours de l'adverse partie. De son côté, l'Office fédéral des assurances sociales renonce à présenter une proposition.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
Selon l'
art. 12 al. 2 ch. 1 LAMA
, les caisses-maladie doivent prendre en charge, dans l'assurance des soins médicaux et pharmaceutiques (assurance de base), en cas de traitement ambulatoire, au moins les soins donnés par un médecin (let. a), les traitements scientifiquement reconnus auxquels procède le personnel paramédical sur prescription d'un médecin (let. b), les médicaments et les analyses ordonnés par un médecin (let. c et d), ainsi que les soins donnés par un chiropraticien au sens de l'
art. 21 al. 4 LAMA
(let. e).
BGE 118 V 171 S. 173
En cas de traitement dans un établissement hospitalier, les caisses sont tenues d'allouer, au titre de la même assurance, les prestations fixées par la convention passée entre cet établissement et la caisse, mais au moins les soins donnés par le médecin, y compris les traitements scientifiquement reconnus, les médicaments et les analyses, conformément aux taxes de la salle commune, ainsi qu'une contribution journalière minimale aux autres frais de soins (
art. 12 al. 2 ch. 2 LAMA
).
2.
a) Il résulte a contrario de ces dispositions que les frais de transport, notamment par ambulance, ne font pas partie des prestations à la charge des caisses-maladie, sauf disposition statutaire contraire (cf.
ATF 108 V 239
consid. 3c et 242 consid. 5a; RJAM 1977 No 288 p. 103; MAURER, Schweizerisches Sozialversicherungsrecht, vol. II, p. 328; BONER/HOLZHERR, FJS No 1315, p. 13). A cet égard, la proposition du Conseil fédéral d'insérer dans le projet de révision de l'assurance-maladie une disposition sur la prise en charge obligatoire par les caisses-maladie d'une participation aux frais de transport d'urgence, ainsi qu'aux frais de sauvetage, démontre qu'une modification législative est nécessaire pour permettre le remboursement de tels frais (cf. l'
art. 19 let
. f du projet de LAMal du 6 novembre 1991, FF 1992 I 250). Cette innovation, du reste, a été contestée au cours de la procédure de consultation. Pour cette raison, le Conseil fédéral s'est contenté de prévoir, au lieu d'une prise en charge jusqu'à concurrence d'un montant maximal, comme le proposait la commission d'experts, une simple participation aux frais, selon des modalités à définir par voie d'ordonnance (Message concernant la révision de l'assurance-maladie, du 6 novembre 1991, FF 1992 I 135).
b) C'est dire que, contrairement à l'opinion de l'assuré recourant, la loi ne contient pas de lacune authentique qui appellerait inévitablement une intervention du juge en application des principes généraux de l'
art. 1er al. 2 CC
(cf.
ATF 114 V 18
consid. 2b,
ATF 113 V 12
consid. 3c et les références). Le fait que le remboursement des frais de transport jusque dans un établissement hospitalier ne constitue pas une prestation obligatoire peut, il est vrai, avoir des conséquences pénibles pour l'assuré. Mais, que l'on soit en présence d'un silence qualifié ou d'une lacune impropre (cf.
ATF 111 V 327
), le juge ne saurait, au mépris du principe de la séparation des pouvoirs, se substituer au législateur en adoptant la solution qu'il jugerait adéquate en droit désirable (
ATF 117 III 3
consid. 2b). La perspective de l'adoption éventuelle de nouvelles règles de droit à ce sujet n'y saurait rien changer.
BGE 118 V 171 S. 174
c) Le recourant est au bénéfice de l'assurance de base des soins médicaux et pharmaceutiques, assortie d'un supplément d'hospitalisation - obligatoire en vertu des statuts - de 50 francs par jour. Pour ce genre d'assurance, les dispositions internes de la caisse ne prévoient pas la prise en charge des frais de transport (d'urgence) dans un établissement hospitalier, à la différence de l'assurance supplémentaire pour frais de traitement hospitalier (art. 68 ch. 1 des statuts) et de l'assurance combinée d'hospitalisation (art. 3 ch. 3 du règlement concernant cette assurance).
La prétention de l'assuré ne peut ainsi trouver appui ni dans la loi ni dans les dispositions adoptées par la caisse.
d) Le recourant se prévaut aussi du droit à l'égalité. Il fait valoir que d'autres assurés dans une situation semblable à la sienne, mais domiciliés à proximité d'un établissement pour soins aigus, n'auraient pas eu à supporter comme lui des frais de transport élevés; le cas échéant, ils auraient eu la possibilité, en raison de cette proximité géographique, de séjourner dès le début du traitement dans un établissement équipé pour les recevoir. Mais ce grief n'est pas fondé. La prétendue inégalité découle de l'application du droit fédéral: comme la LAMA n'impose pas, on l'a vu, la prise en charge des frais de transport, le Tribunal fédéral des assurances n'est pas habilité, eu égard aux art. 113 al. 3 et 114bis al. 3 Cst., à prescrire cette prise en charge en se fondant directement sur l'
art. 4 Cst.
(cf.
ATF 113 Ib 95
consid. 2d/bb). Pour la même raison, il ne peut s'appuyer sur le principe de la mutualité (dont découle notamment le droit à l'égalité;
ATF 113 IV 210
), également invoqué par le recourant.
e) Les autres arguments présentés par ce dernier sont dépourvus de pertinence. En particulier, il n'est pas décisif, au regard de la loi, qu'il se soit agi de transports effectués à partir d'un établissement hospitalier vers un autre hôpital (et non à partir du domicile du patient): même dans cette hypothèse, le déplacement en ambulance ne saurait être considéré comme la continuation d'un traitement en cours. Quant au fait que la caisse aurait retiré un avantage économique en raison du transfert de l'assuré dans un établissement moins coûteux, en l'occurrence l'Hôpital régional de Porrentruy, il n'est pas déterminant. L'
art. 19bis LAMA
, qui garantit à l'assuré un libre choix parmi les établissements hospitaliers suisses, ne lui permet pas d'entrer ou de rester, en cas de maladie nécessitant une hospitalisation, dans un établissement coûteux, conçu pour traiter des malades ayant besoin de soins intensifs, alors
BGE 118 V 171 S. 175
que lui n'en a pas besoin et qu'il pourrait être soigné convenablement dans un établissement équipé plus simplement et plus économique (
ATF 115 V 48
consid. 3b/aa). Au demeurant, il n'existe aucun droit de recevoir, en lieu et place des prestations légales, des prestations moins coûteuses et qui ne sont pas obligatoirement à la charge des caisses-maladie (
ATF 111 V 324
; RAMA 1987 No K 707 p. 3).
f) Dans ces conditions, le recours de l'assuré se révèle mal fondé.
3.
De son côté, la caisse recourante conteste devoir rembourser à l'assuré le montant de 570 francs au titre de frais d'accompagnement par un infirmier. Les premiers juges considèrent, à cet égard, que la surveillance par un infirmier est un acte paramédical qui relève du traitement comme tel et qui, par conséquent, se distingue du déplacement proprement dit.
Un transport d'urgence d'un malade nécessite, le plus souvent, un accompagnement du patient, que ce soit par un infirmier ou par une autre personne qualifiée. Les frais qui en résultent sont inhérents aux frais de transport, même si, comme en l'espèce, ces frais ont été portés en compte séparément dans les factures adressées à l'assuré (comme l'ont d'ailleurs aussi été les frais de prise en charge, de déplacement proprement dit et d'attente). Dès lors que les dépenses de transport en général ne relèvent pas des prestations obligatoires, on ne saurait, logiquement, mettre à la charge des caisses-maladie les frais d'accompagnement qui leur sont étroitement liés, voire indissociables.
En outre, l'accompagnement d'un patient par un infirmier n'est pas, en soi, une mesure thérapeutique qui puisse être prise en charge au même titre que les traitements exécutés par le personnel paramédical (de condition dépendante) sous la surveillance directe du médecin (voir
ATF 110 V 187
). Il ne s'agit pas non plus de prestations d'infirmier ou d'infirmière (de condition indépendante) visées par l'art. 21a Ord. III: ces prestations sont énumérées à l'art. 1er ch. II Ord. Dép. 7; l'accompagnement ou la surveillance de patients n'y sont pas mentionnés.
Il suit de là que le recours de droit administratif de la caisse est bien fondé. Le jugement cantonal doit ainsi être annulé, ce qui a pour conséquence de rétablir les effets de la décision litigieuse du 12 juillet 1991.
BGE 118 V 171 S. 176
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral des assurances prononce:
I. Le recours de David R. est rejeté.
II. Le recours de la Chrétienne-Sociale Suisse est admis et le jugement du Tribunal cantonal jurassien (Chambre des assurances) du 29 novembre 1991 est annulé. | null | nan | fr | 1,992 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
3038a7a4-40a0-436b-ad00-7e0658fd37b4 | Urteilskopf
85 II 145
24. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 16. Juni 1959 i.S. Weisshaupt gegen Hauser. | Regeste
Wiederherstellung (
Art. 35 OG
) gegen die Folgen der Versäumung der Berufungsfrist (
Art. 54 OG
) kann erteilt werden, selbst wenn der Prozess bereits durch Nichteintreten auf die Berufung erledigt worden ist.
Unrichtige Rechtsmittelbelehrung als Wiederherstellungsgrund. | Sachverhalt
ab Seite 145
BGE 85 II 145 S. 145
Am 22. April 1959 ist das Bundesgericht auf die Berufung des Beklagten gegen ein Urteil des Obergerichtes des Kantons Schaffhausen wegen Verspätung nicht eingetreten, weil das angefochtene Urteil dem damaligen Vertreter des Beklagten am 25. März 1959 zugestellt, die Berufungsschrift des Beklagten aber erst am 15. April 1959, d.h. am Tage nach Ablauf der zwanzigtägigen Berufungsfrist von
Art. 54 OG
, der Post übergeben worden war.
Am 12. Mai 1959, fünf Tage nach Empfang des Urteils vom 22. April 1959, hat der Beklagte beim Bundesgericht einen "Rekurs" eingereicht, worin er u.a. geltend macht, er habe sich persönlich bei der Obergerichtskanzlei erkundigt und dabei die Auskunft erhalten, die Frist laufe am 15. März (gemeint: April) ab; es genüge, wenn er "das Schreiben" (die Berufungsschrift) an diesem Datum der Post übergebe, was er auch getan habe. Eine Erkundigung
BGE 85 II 145 S. 146
beim Präsidenten des Obergerichtes hat ergeben, dass der Beklagte sich am 14. April 1959 nachmittags telephonisch bei der Obergerichtskanzlei erkundigt hatte, wann die Frist für die Berufung an das Bundesgericht ablaufe, und dass die Kanzlistin des Obergerichtes ihm darauf erklärte, diese Frist laufe am 15. April ab, weil sie der irrtümlichen Meinung war, der 26. März 1959, an welchem der Vertreter der Klägerin das obergerichtliche Urteil erhalten hatte, sei wie bei der Berechnung des Datums der Rechtskraft, so auch bei der Berechnung der Berufungsfrist für den Beklagten zum Ausgangspunkt zu nehmen, obwohl dessen Vertreter das Urteil einen Tag früher erhalten hatte.
Das Bundesgericht erteilt dem Beklagten die Wiederherstellung gegen die Folgen der Versäumung der Berufungsfrist und hebt sein Urteil vom 22. April 1959 auf.
Erwägungen
Begründung:
Der "Rekurs" des Beklagten ist als Gesuch um Wiederherstellung gegen die Folgen der Versäumung der Berufungsfrist aufzufassen.
Während
Art. 33 OG
, der sich auf die Verlängerung der Fristen bezieht, die vom Gesetz und die vom Richter festgesetzten Fristen verschieden behandelt, regelt
Art. 35 OG
die Voraussetzungen der Wiederherstellung gegen die Folgen der Versäumung "einer Frist", ohne zwischen gesetzlichen und richterlichen Fristen einen Unterschied zu machen. Daraus ist zu schliessen, dass
Art. 35 OG
wie
Art. 34 OG
, wonach "gesetzlich oder richterlich bestimmte Fristen" in der Zeit vom 15. Juli bis und mit 15. August stillstehen, für Fristen beider Art in gleicher Weise gilt (wogegen z.B. die bernische ZPO die Wiedereinsetzung gegen Versäumung gesetzlicher Fristen, insbesondere der Rechtsmittelfristen, nicht zulässt; LEUCH, Die ZPO für den Kanton Bern, 3. Aufl., N. 2 zu Art. 288, und GULDENER, Schweiz. Zivilprozessrecht, 2. Aufl., S. 221 Anm. 40). Um Wiederherstellung im Sinne von
Art. 35 OG
kann also
BGE 85 II 145 S. 147
insbesondere auch eine Partei nachsuchen, welche die Berufungsfrist von
Art. 54 OG
versäumt hat (vgl. z.B.
BGE 51 II 450
; ferner
BGE 81 III 83
, wo es u.a. heisst,
Art. 35 OG
gelte "zweifellos für alle Fristen, die in den vom OG geregelten Verfahren vor Bundesgericht zu beobachten sind").
Art. 35 OG
lässt die Wiederherstellung ganz allgemein "gegen die Folgen der Versäumung einer Frist" zu. Zu diesen Folgen gehört gegebenenfalls auch die wegen der Versäumung der Frist erfolgte Erledigung des Prozesses. Wiederherstellung kann also auch dann verlangt werden, wenn der Prozess bereits erledigt ist; sie führt in diesem Falle zur Aufhebung des Erledigungsentscheides. Die Rechtskraft, welche die Entscheidungen des Bundesgerichtes gemäss
Art. 38 OG
mit der Ausfällung erlangen, steht dem nicht entgegen. Die Verbindlichkeit rechtskräftiger Entscheidungen ist nicht absolut, sondern unterliegt den Einschränkungen, die sich aus dem Bestehen gesetzlicher Mittel zur Beseitigung der Rechtskraft ergeben, und zu diesen Mitteln gehört eben neben den ausserordentlichen Rechtsmitteln (von denen das OG in Art. 136 ff. dasjenige der Revision vorsieht) auch die Wiederherstellung gegen die Folgen der Versäumung einer Frist (GULDENER a.a.O. S. 223 und 300 sowie SJZ 37 S. 230), sofern wenigstens das Gesetz diesen Rechtsbehelf für alle Fristen, also auch für die Rechtsmittelfristen, und zur Behebung aller Versäumnisfolgen zur Verfügung stellt, wie dies für das OG zutrifft.
Dass der Gesuchsteller oder sein Vertreter im Sinne von
Art. 35 OG
"durch ein unverschuldetes Hindernis abgehalten worden ist, innert der Frist zu handeln", kann nach der neuern Rechtsprechung des Bundesgerichtes nicht mehr bloss dann angenommen werden, wenn die Einhaltung der Frist objektiv unmöglich war. Vielmehr fällt als Wiederherstellungsgrund auch in Betracht ein die Fristversäumnis bewirkender Irrtum, in welchen der Gesuchsteller, ohne selbst dafür einstehen zu müssen, durch das
BGE 85 II 145 S. 148
Verhalten einer Behörde - namentlich durch unrichtige Rechtsmittelbelehrung seitens der Amtsstelle, welche den angefochtenen Entscheid getroffen hat - versetzt worden ist (
BGE 76 I 357
).
Mit einem solchen Falle hat man es hier zu tun. Der Beklagte durfte sich - zumal als Laie - darauf verlassen, dass er bei der Kanzlei des Obergerichtes, dessen Urteil er mit dem ordentlichen Rechtsmittel der Berufung an das Bundesgericht anfechten wollte, zuverlässig erfahren könne, bis wann die Berufungsfrist laufe. Wenn ihm die Obergerichtskanzlei auf Grund eines für ihn nicht erkennbaren Irrtums über den Ausgangspunkt der Frist unrichtigerweise angab, die Frist laufe erst am 15. April 1959 ab, und wenn er im Vertrauen auf diese Angabe die Berufung erst an diesem Tage zur Post gab, so ist die Versäumung der in Wirklichkeit am 14. April abgelaufenen Frist durch einen von ihm nicht verschuldeten Irrtum verursacht worden. Auf diesen Irrtum ist der Beklagte erst durch den Nichteintretensentscheid des Bundesgerichtes vom 22. April 1959, der ihm am 7. Mai 1959 zugestellt wurde, aufmerksam gemacht worden. Das Wiederherstellungsgesuch ist schon fünf Tage später, also im Sinne von
Art. 35 OG
"binnen zehn Tagen nach Wegfall des Hindernisses", beim Bundesgericht eingegangen. Der Grund der Versäumung der Berufungsfrist war darin angegeben. Die versäumte Rechtshandlung, d.h. die Einlegung der Berufung, war schon am 15. April 1959 nachgeholt worden. Unter diesen Umständen ist dem Beklagten die Wiederherstellung zu erteilen und der wegen Verspätung der Berufung erlassene Nichteintretensentscheid vom 22. April 1959 aufzuheben. | public_law | nan | de | 1,959 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
3038e9ad-01c5-4e41-946a-ebe94a9b45f7 | Urteilskopf
85 III 90
21. Arrêt du 20 mai 1959 dans la cause Office des faillites de Genève. | Regeste
Berechtigung des Konkursamtes zur Weiterziehung eines Entscheides an das Bundesgericht (Erw. 1).
Beginn der Beschwerdefrist. Begriff der Verfügung nach
Art. 17 SchKG
(Erw. 2). | Sachverhalt
ab Seite 90
BGE 85 III 90 S. 90
A.-
René Georges Maillard a produit, dans la faillite de Paul Pellaud, une créance de 156 000 fr. Celle-ci n'ayant été admise qu'à concurrence de 5113 fr. 40, il a intenté une action en contestation de l'état de collocation.
Par la suite, Maillard a été déclaré en faillite, à Genève. Le 12 février 1959, l'Office des faillites de Genève a envoyé aux créanciers une circulaire où il les renseignait sur l'action pendante et ajoutait:
"La masse n'a aucun fonds pour soutenir ce procès et en courir tous les risques. C'est pourquoi l'Office a recherché une transaction avec la masse Pellaud. En vue de mettre fin à ce procès, celle-ci propose d'admettre la créance de Sieur Maillard pour Fr. 10 000. - en 5e classe.
L'administration de la masse Maillard, faute de fonds pour plaider, décide d'accepter cette transaction.
En conséquence, et conformément à l'art. 260 LP, il est offert aux créanciers qui désireraient faire valoir cette prétention en reprenant le procès, à leurs risques et périls, la cession des droits de la masse. Cette cession doit être demandée dans les dix jours dès réception des présentes; elle ne sera accordée que contre paiement à l'Office de Fr. 3900.-- représentant le dividende probable devant revenir à la masse Maillard, sur ledit montant de Fr. 10 000. - (39% mais sans garantie de la part de l'Office)."
Le 2 mars 1959, le créancier Emile Feisst demanda la cession des droits de la masse, en s'enquérant des conditions de cette cession. Par lettre du 4 mars 1959, l'office l'invita, conformément à la circulaire du 19 février, à verser le montant de 3900 fr. jusqu'au 14 mars, faute de quoi il serait censé avoir renoncé à la cession requise.
BGE 85 III 90 S. 91
Feisst demanda à l'office d'être dispensé de déposer la somme de 3900 fr. dans la mesure où elle était destinée à couvrir le dividende qui devait lui revenir à lui-même; il relevait à ce propos que sa créance représentait près des deux tiers du passif total de Maillard. L'office lui répondit que cette requête ne pouvait être admise.
B.-
Le 16 mars 1959, Feisst a porté plainte contre la décision prise par l'office le 4 mars 1959; il déclarait "qu'il était prêt à verser un montant représentant le dividende revenant aux autres créanciers que lui-même plus les frais de liquidation de la faillite".
L'office a conclu à ce que la plainte fût déclarée irrecevable et, subsidiairement, à ce qu'elle fût rejetée. A l'appui de ses conclusions principales, il alléguait que la plainte était tardive. En effet, exposait-il, c'est par la circulaire du 19 février 1959 que Feisst a été informé que la cession était subordonnée au dépôt de 3900 fr.; le seul élément nouveau contenu dans la lettre du 4 mars est la fixation du délai dans lequel le versement devait être opéré; or ce n'est pas ce délai mais le montant lui-même que le plaignant critique.
Par décision du 1er mai 1959, l'Autorité de surveillance des offices de poursuite pour dettes et de faillite du canton de Genève a considéré que la mesure attaquée par Feisst était celle qui le concernait personnellement, savoir la décision du 4 mars 1959; que celle-ci avait été reçue par le destinataire le 5 mars et que le délai de recours, expirant le dimanche 15 mars, avait été reporté au lendemain, de sorte que la plainte était recevable. Statuant au fond, la juridiction cantonale a annulé la décision de l'office et fixé à 2000 fr. le montant à déposer par Feisst.
C.-
L'Office des faillites de Genève recourt au Tribunal fédéral en reprenant les conclusions qu'il a formulées dans l'instance cantonale et les arguments qu'il y a invoqués.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
En sa qualité d'administration de la faillite, l'office des faillites doit sauvegarder les intérêts de la
BGE 85 III 90 S. 92
masse. Il a donc qualité pour recourir (RO 54 III 101, 55 III 64, 75 III 21 consid. 1).
2.
Dans sa circulaire du 19 février 1959, l'office des faillites a indiqué clairement que la prétention dirigée contre la masse en faillite de Pellaud ne serait cédée à un créancier que s'il versait le montant de 3900 fr. Une telle décision constitue une mesure au sens de l'art. 17 LP. En effet, l'office n'a pas donné des indications de portée générale en vue de cas futurs ni réservé des décisions particulières lorsqu'il serait saisi de demandes de cession (cf. RO 37 I 614, 38 I 802). Il a, dans un cas concret, fixé les conditions auxquelles les créanciers pouvaient obtenir la cession d'un droit de la masse. Du reste, s'il ne s'agissait pas d'une mesure selon l'art. 17 LP, l'office n'eût pas été lié dès l'expiration du délai de plainte (cf. RO 78 III 23 et 51, ainsi que les arrêts cités) et aurait pu, en accordant une cession, modifier les conditions prévues. Or un tel résultat eût été inadmissible. En effet, les créanciers devaient pouvoir compter que l'office ne céderait les droits en cause que moyennant le paiement de 3900 fr. par le cessionnaire.
Certes, si l'office entendait n'exiger du créancier cessionnaire que les frais de la procédure et le dividende présumé revenant aux autres créanciers, il ne pouvait déjà fixer le montant de ce versement dans sa circulaire. Mais il lui était loisible de déclarer que la somme à déposer était de 3900 fr. moins le dividende qui reviendrait probablement au cessionnaire. Or il n'en a rien fait. Les destinataires de l'avis du 19 février 1959 devaient donc comprendre que, s'ils voulaient obtenir la cession des droits de la masse, ils devaient, quel que fût le montant de leur créance, payer 3900 fr. à l'office des faillites.
Quant à la lettre de l'office du 4 mars 1959, elle constitue simplement, quant au principe et au montant du versement, une mesure d'exécution de la décision qui a fait l'objet de la circulaire du 19 février.
Par conséquent, si Feisst entendait se plaindre qu'il dût
BGE 85 III 90 S. 93
payer 3900 fr. pour obtenir la cession des droits en cause, il devait attaquer, dans les dix jours, la décision du 19 février 1959. Comme il n'a agi que le 16 mars, sa plainte est tardive. Par conséquent, c'est à tort que l'autorité de surveillance est entrée en matière. Il y a lieu d'annuler sa décision et de déclarer la plainte irrecevable. | null | nan | fr | 1,959 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
3041abdf-b580-471f-9ebc-cc9b2f2942ca | Urteilskopf
96 I 502
78. Extrait de l'arrêt du 16 juin 1970 dans la cause Ligue suisse pour la protection de la nature et Ligue suisse pour la sauvegarde du patrimoine national contre Bourgeoisie de Sion et consorts et Département fédéral de l'intérieur. | Regeste
Bundesgesetz betreffend die eidgenössische Oberaufsicht über die Forstpolizei. Bundesgesetz über den Natur- und Heimatschutz (NHG). Rodung in einer Schutzwaldung.
Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde (Erw. 1).
Beschwerderecht der Vereinigungen für Natur- und Heimatschutz (
Art. 12 Abs. 1 NHG
; Erw. 2).
Ob die Rodungsbewilligung zu erteilen oder zu verweigern sei, hängt vom Ergebnis der Abwägung der sich gegenüberstehenden Interessen ab (Erw. 4).
Von wann an ist der Inhaber einer noch der Anfechtung durch einen Dritten unterliegenden Bewilligung berechtigt, von ihr Gebrauch zu machen (Erw. 5)? | Sachverhalt
ab Seite 502
BGE 96 I 502 S. 502
A.-
Le 13 août 1969, les communes valaisannes d'Hérémence, de Vex, des Agettes, de Salins et de Veysonnaz conclurent
BGE 96 I 502 S. 503
avec la Bourgeoisie de Sion et l'Hôpital-Asile de Sion une convention aux termes de laquelle ceux-ci acceptaient, en tant que propriétaires, l'aménagement d'une piste de ski dans la forêt de Thyon, au territoire de la commune des Agettes, et autorisaient les cinq communes à défricher la surface d'environ 8 hectares nécessaire au tracé de la piste. Les communes, ainsi que les représentants de leurs autorités, à titre personnel, s'engageaient à des contre-prestations déterminées et notamment à fournir gratuitement à la Bourgeoisie de Sion une surface d'environ 8 hectares, au territoire de la commune de St-Martin, pour permettre un boisement compensatoire.
Le 12 septembre 1969, après avoir essuyé un refus de l'inspection fédérale des forêts, les cinq communes prénommées et la commune de Sion présentèrent au chef du Département fédéral de l'intérieur une demande d'autorisation de défricher. Par la suite les propriétaires des forêts déposèrent la demande formelle et les plans.
Le 4 décembre 1969, le Département fédéral de l'intérieur accorda l'autorisation de défricher dans la forêt protectrice, entre la Crête de Thyon et les Mayens de l'Ours, une surface de 82 000 m2, en vue de l'aménagement d'une piste de ski. Sur la foi d'un consentement donné par téléphone, les communes firent procéder aux travaux de défrichement avant la réception de l'autorisation écrite; le 4 décembre les arbres étaient abattus sur la plus grande partie de la surface de la piste.
B.-
Par acte du 30 décembre 1969, la "Ligue suisse pour la protection de la nature" et la "Ligue suisse pour la sauvegarde du patrimoine national" ont interjeté un recours de droit administratif, dont les conclusions sont les suivantes:
1. Il est constaté que l'autorisation de défricher en cause a été accordée en violation du droit fédéral.
2. L'autorisation de défricher est annulée et les requérants sont tenus de reboiser les surfaces qui auront été déboisées.
3. (éventuellement) La cause est renvoyée au Département fédéral de l'intérieur pour constatation complète de l'état de fait et nouvelle décision.
4. L'effet suspensif est accordé en ce sens que, jusqu'à décision sur le recours, il ne pourra être établi sur la surface déjà déboisée aucune construction ou installation de nature à rendre sensiblement plus difficile ou impossible le reboisement requis. sous chiffre 2.
BGE 96 I 502 S. 504
C.-
Par décision du 27 janvier 1970, l'effet suspensif a été ordonné dans le sens requis.
D.-
Le chef du Département fédéral de l'intérieur, la Bourgeoisie de Sion et l'Hôpital-Asile de Sion ont proposé le rejet du recours.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
L'autorisation litigieuse est une décision au sens de l'art. 5 de la loi sur la procédure administrative, du 20 décembre 1968 (LPA). Prise par un département du Conseil fédéral, elle peut faire l'objet d'un recours de droit administratif en vertu de l'art. 98 lit. b OJ. Aucune des règles exceptionnelles des
art. 99 à 102
OJ ne s'y oppose.
2.
Dans sa réponse, le Département de l'intérieur met en doute la qualité pour agir des associations recourantes. Celles-ci, qui ne sont pas atteintes directement par la décision en cause (art. 103 lit. a OJ), fondent leur légitimation sur l'art. 103 lit. c OJ et l'art. 12 al. 1 de la loi fédérale du 1er juillet 1966 sur la protection de la nature et du paysage (LPN). La première de ces règles est un renvoi général à la législation fédérale; la seconde est topique. Elle donne qualité pour recourir, "lorsque la décision peut faire l'objet d'un recours de droit administratif au Tribunal fédéral, aux associations d'importance nationale qui, aux termes de leurs statuts, se vouent à la protection de la nature et du paysage ou à des tâches semblables par pur idéal". Il résulte à l'évidence de cette dernière disposition et de la place qu'elle occupe dans la loi que les associations désignées n'ont qualité pour recourir que contre les décisions touchant à des domaines que ladite loi régit et qu'en même temps leur but statutaire embrasse.
a) Les autorités fédérales ne peuvent octroyer des autorisations de défricher que dans la mesure où elles ne se mettent pas en contradiction avec le devoir de la Confédération de ménager l'aspect caractéristique du paysage (art. 24 sexies al. 2 Cst.). Certes, l'interdiction de principe de procéder à des défrichements, qui résulte de l'art. 31 de la loi fédérale du 11 octobre 1902 concernant la haute surveillance de la Confédération sur la police des forêts (LPF), n'a pas été édictée pour éviter l'altération du paysage, mais bien pour prévenir les éboulements, les avalanches et les dérèglements du régime des eaux. Cependant, le but final des mesures de police des forêts s'est diversifié, en
BGE 96 I 502 S. 505
même temps que s'étendaient les zones habitées. Alors que la première ordonnance d'exécution de la loi de 1902 ne faisait aucune allusion à la protection du paysage, l'ordonnance du 1er octobre 1965 sur le même objet dispose en son art. 26 al. 1 (dans ses versions allemande et italienne, le texte français étant imprécis) que le rôle de la forêt dans la conservation de l'aspect caractéristique du paysage doit être pris en considération lors de l'examen des demandes de défrichement. En mentionnant expressément, à l'art. 2 lit. b LPN, les autorisations de défrichement dans la liste exemplaire des tâches de la Confédération soumises à cette loi, le législateur a consacré cette évolution (cf. H. HUBER in "Rechtliche Probleme des Bauens", Berne 1969, p. 65/66).
b) Dès lors que d'une part l'autorisation de défricher peut faire l'objet d'un recours de droit administratif et que d'autre part les autorités fédérales sont tenues, de par la loi, de prendre en considération le point de vue de la protection de la nature et du paysage au moment de l'octroyer, le droit de recours compète, en vertu de l'art. 12 al. 1 LPN, aux associations d'importance nationale qui, aux termes de leurs statuts, se vouent à la protection de la nature et du paysage ou à des tâches semblables par pur idéal.
Les deux associations recourantes ont une importance nationale. Selon des dispositions expresses de leurs statuts, elles se vouent, entre autres tâches, à la protection du paysage. La première se propose en particulier de protéger l'aspect du paysage et de favoriser son développement harmonieux. La seconde a notamment pour but d'empêcher la destruction ou l'endommagement évitables de biens naturels et d'encourager la protection du paysage. Les conditions de l'art. 12 al. 1 LPN sont ainsi réunies et les associations recourantes ont qualité pour agir.
c) Dans sa réponse, le Département de l'intérieur soutient que, fondée sur une règle exceptionnelle, la qualité pour agir des associations doit être entendue restrictivement. En réalité la loi ne contient rien qui permette de restreindre le droit de recours des associations, notamment en fonction de l'importance de l'objet. La limite serait du reste impossible à tracer. La seule restriction réside dans le fait que la qualité pour agir n'est reconnue qu'aux associations d'importance nationale. On peut attendre d'une telle association qu'elle recoure seulement
BGE 96 I 502 S. 506
lorsque le cas revêt - ne serait-ce que parce qu'il est destiné à faire précédent - une certaine importance générale. Selon le Département de l'intérieur, le droit de recours des associations devrait être exclu, comme superflu, en matière de police des forêts, où l'intérêt public est sauvegardé de manière efficace par les services forestiers fédéraux et cantonaux. L'argument ne convainc pas. La décision n'appartient pas aux services forestiers, mais à l'autorité supérieure, le Département de l'intérieur ou le gouvernement cantonal. Si le particulier auquel l'autorisation de défricher est refusée peut recourir, les services forestiers n'ont aucun moyen d'attaquer une autorisation qui, à leur avis, aurait été octroyée à tort. Le recours des associations revêt donc une réelle importance pratique. Au reste, la situation décrite par le Département n'est pas propre au domaine de la police des forêts, mais se retrouve, en règle générale, chaque fois qu'une décision touche au domaine de la protection de la nature et du paysage. Dans la plupart de ces cas, les services administratifs chargés de constituer les dossiers comprennent des spécialistes dont le rôle est de défendre, au sein de l'administration, les intérêts publics que les associations font aussi valoir. Le législateur n'en a pas moins jugé nécessaire d'ouvrir la voie du recours à ces associations. Leur dénier le droit de recourir en l'espèce serait non seulement contraire à la lettre de la loi, mais encore objectivement mal fondé.
3.
(rejet du moyen pris de l'insuffisance des constatations de fait).
4.
L'octroi ou le rejet d'une autorisation de défricher dépend du résultat de la pesée des intérêts en présence. Aux arguments présentés à l'appui de la demande s'opposent les raisons de maintenir la forêt intacte, en raison de ses effets protecteurs, de son rôle social et de son importance pour la conservation de l'aspect du paysage. Les principes à observer lors de la pesée des intérêts sont fixés à l'art. 31 LPF, à l'art. 26 al. 1 de l'ordonnance d'exécution et à l'art. 3 LPN.
a) La décision attaquée est très brièvement motivée; le dossier fournit toutefois les éléments qui ont été décisifs. Les six communes de Sion, Hérémence, Vex, Les Agettes, Veysonnaz et Salins ont exposé que, dans la lutte engagée contre l'exode de la population rurale, il est indispensable d'améliorer les conditions d'existence de celle-ci, en lui offrant sur place de nouvelles possibilités de gain. Pour cela, il convient de favoriser
BGE 96 I 502 S. 507
le développement du tourisme d'hiver, lequel exige la création d'une piste dont l'enneigement soit assuré et qui se prête à l'organisation de concours de descente internationaux. Invitées par le Département de l'intérieur à examiner si de nouvelles pistes ne pouvaient pas être tracées en dehors de la forêt, si une piste orientée au nord était réellement indispensable, alors qu'elle manque dans de nombreuses stations réputées, et si la piste prévue en dehors de la forêt pour les concours de descente des dames ne conviendrait pas aussi pour les concurrents masculins, les communes ont répondu comme il suit, en substance, le 3 octobre 1969. Les pistes de la zone nord-est du cône de Thyon ne peuvent être prolongées en direction d'Hérémence, en raison notamment des risques d'avalanches et des conditions de propriété; une partie de la zone nord-ouest connaît des conditions d'enneigement défavorables dues au vent. Une piste sur le versant nord n'est pas indispensable à une station, de manière générale. Mais, pour le cas de Thyon, le flanc nord du cône est la dernière possibilité qui reste ouverte. La piste prévue, aboutissant à mi-distance entre Veysonnaz et la zone des chalets des Mayens de Sion, permettrait d'intégrer celle-ci au complexe touristique de Thyon. Elle pourrait être utilisée pour l'organisation de concours de descente "messieurs", alors que les autres pistes ne présentent pas assez de difficultés. De tels concours font en faveur d'une région une publicité très efficace. D'autres stations ont aussi procédé à des déboisements pour aménager des pistes de ski, telle notamment celle de Zermatt pour la piste de Blauherd.
En plus de ces arguments de fond, les requérantes ont fait valoir, tout au long de l'instruction et en particulier dans leur correspondance, que la piste projetée devait être prête pour les concours de la coupe d'Europe des jeunes, fixés au 10 janvier 1970, et que son utilisation à cette occasion ne serait pas sans conséquence sur le sort de la candidature de Sion à l'organisation des jeux olympiques d'hiver, en 1976. Ces faits n'étaient manifestement pas décisifs. Les requérantes elles-mêmes ne les ont pas invoqués à titre principal, mais seulement pour obtenir une décision à bref délai, et à titre d'indice de l'intérêt que présentait la piste pour le développement touristique de la région. Pour les intéressés comme pour l'autorité administrative, il ne faisait aucun doute que les concours de la coupe d'Europe des jeunes pouvaient se dérouler sur une autre piste et qu'un
BGE 96 I 502 S. 508
défrichement ne peut en aucun cas se justifier du seul fait qu'il est nécessaire à l'organisation d'un unique concours. Quant au sort de la candidature de Sion, il ne dépendait pas du point de savoir si la nouvelle piste - prévue comme solution de remplacement - serait utilisable ou seulement projetée au début de 1970. Ces deux arguments n'entrent pas en ligne de compte pour la pesée des intérêts.
b) Tel qu'il est pratiqué aujourd'hui par la très grande majorité de ses adeptes, le ski exige des pistes bien aménagées, partant de points accessibles sans effort et assez nombreuses pour offrir différents degrés de difficulté et une certaine variété. Voulant procurer à leurs habitants de nouvelles ressources tirées du tourisme d'hiver, les communes requérantes devaient tenir compte des nécessités actuelles du principal sport d'hiver. Elles avaient ainsi un intérêt indéniable à établir une nouvelle piste, qui ouvre à la pratique du ski un terrain favorable et renforce l'attrait de leur région aux yeux des skieurs, tout en permettant l'organisation de concours qui lui font une publicité efficace. Il n'est pas démontré en effet que, contrairement à l'affirmation des communes, la nouvelle piste soit superflue ou qu'il soit possible de tracer de nouvelles pistes en d'autres endroits. A cet égard, l'étude privée d'une station à créer sur le plateau de Thyon, que produisent les recourantes, n'est pas pertinente. Elle ne s'exprime du reste que très brièvement sur les pistes de ski. Les communes ne cherchent pas à se procurer à elles-mêmes un profit matériel, mais à venir en aide à leur population. Contrairement à ce qui se passe le plus souvent, le sol défriché ne sera pas transformé en terrain à bâtir et ne procurera aucun gain. Le défrichement pour lequel l'autorisation a été sollicitée apparaît bien nécessaire à la réalisation d'un ouvrage d'intérêt public.
c) A l'intérêt des communes s'oppose l'intérêt général au maintien d'une vaste surface forestière d'un seul tenant. Ces intérêts, qui sont tous deux de nature publique, ne sont pas directement comparables. Aucun d'eux ne doit à priori être jugé supérieur à l'autre. Il en irait autrement si l'essartage provoquait un risque d'avalanches ou d'éboulements; la protection de la vie humaine l'emporterait sur toutes considérations d'ordre économique ou sportif, si importantes qu'elles soient. Les recourantes considèrent certes que des avalanches ou des éboulements peuvent se produire dans la saignée pratiquée au
BGE 96 I 502 S. 509
travers de la forêt. Dans les observations qu'il a adressées au Tribunal fédéral, l'inspecteur forestier cantonal déclare toutefois qu'il n'y a pas de risques de voir de véritables avalanches se former dans la trouée, mais que des éboulements et des dégâts dus à l'eau sont possibles. Par cette seule remarque brève et prudente dans un mémoire relativement long, l'inspecteur cantonal n'a manifestement pas voulu signaler un risque important, mais seulement attirer l'attention sur les conséquences possibles de tout défrichement, sans en tirer la conclusion qu'il eût fallu y renoncer en l'espèce pour des motifs de sécurité. L'inspection fédérale des forêts devait elle-même tenir compte, lors de l'examen de la demande, de la question de la sécurité. Au cours de l'instruction, personne n'a jamais soutenu que l'ouverture de la piste créât un danger sérieux de glissement de neige ou de terre. Le chef du Département pouvait dès lors considérer qu'aucun motif de sécurité ne s'opposait à l'octroi de l'autorisation. La procédure de recours n'a révélé aucun élément qui fasse apparaître nécessaire un complément d'instruction à ce sujet.
Les recourantes signalent que les arbres situés à la lisière de la trouée sont menacés de périr sous l'action du vent et du soleil. Ce risque est la conséquence de tout déboisement. Personne ne prétend qu'il revête en l'espèce une gravité exceptionnelle, telle que l'autorisation eût dû être refusée. Sur ce point, l'inspecteur cantonal ne s'exprime aussi que très brièvement, quoique plus catégoriquement.
Du point de vue de la protection du paysage, le tracé légèrement sinueux de la trouée, tracé qui doit au surplus rester libre de construction, est une atteinte nettement moins grave que les saignées rectilignes pratiquées pour le passage de routes importantes, de lignes à haute tension ou de téléphériques. Les pentes situées au sud de la vallée du Rhône, à la hauteur de Sion, conservent une importante couverture forestière. La forêt en cause a à elle seule une superficie de plus de 300 hectares. Le rôle social de la forêt n'est donc pas compromis, quand bien même le boisement compensatoire serait opéré dans un lieu moins favorable, de ce point de vue particulier. Grâce à ce boisement, l'aire des forêts traitées en futaie reste inchangée, à longue échéance. Compte tenu de toutes ces circonstances, l'autorisation critiquée n'apparaît pas contraire au droit fédéral. Le Département de l'intérieur pouvait, dans les limites
BGE 96 I 502 S. 510
de la latitude de jugement qu'il y a lieu de lui reconnaître en l'espèce, considérer que la modification du paysage résultant de la trouée légèrement sinueuse pratiquée dans la forêt, comme les autres inconvénients consécutifs à l'essartage, n'étaient pas suffisamment graves pour qu'on puisse refuser l'autorisation de défricher, requise non pas à des fins purement financières ou sportives, mais bien pour assurer sur place, dans une perspective moderne, des moyens d'existence suffisants à une population de montagne qui joue du reste un rôle important pour la conservation du paysage montagnard. Sans doute peut-on regretter, comme le font les recourantes, que le développement du tourisme se fasse au prix de modifications du paysage qu'une planification faite à temps aurait peut-être permis d'éviter. Mais une telle planification, à peine ébauchée aujourd'hui, exige de longues études. Dans l'intervalle, la population montagnarde doit se maintenir. Comme un aménagement rationnel des zones de montagne est inconcevable sans elle, des sacrifices limités apparaissent inévitables, dans l'intérêt même d'une protection efficace de la nature.
5.
Il n'est pas contesté que les agents des communes intéressées ont procédé à l'abattage des arbres dès le 21 novembre 1969, avant même que la décision écrite ait été communiquée, sur la foi d'une conversation téléphonique avec le chef du Département de l'intérieur leur assurant qu'ils auraient gain de cause. L'autorisation n'étant pas contraire au droit fédéral, la Cour de céans ne saurait l'annuler pour le motif que les bénéficiaires en auraient usé prématurément. Il se justifie néanmoins d'examiner s'il était légitime de faire usage immédiatement de l'autorisation de défricher, qui était attaquable par la voie du recours de droit administratif et de mettre ainsi le tiers titulaire du droit de recours devant un fait accompli. Plus souvent que par le passé, des tiers sont habilités à recourir contre des décisions octroyant des autorisations ou conférant des droits, de sorte que la question revêt une importance pratique certaine (cf. GYGI, Verwaltungsrechtspflege und Verwaltungsverfahren im Bund, p. 69). Au surplus, le règlement des frais de la présente cause peut dépendre de sa solution.
Bien que le droit fédéral de procédure ne contienne aucune prescription sur ce point, cette solution ne peut faire aucun doute en l'espèce. Lorsque le législateur a reconnu un droit de recours à un tiers, qu'il soit susceptible d'être lésé par la
BGE 96 I 502 S. 511
décision, tel un voisin en cas d'octroi d'un permis de bâtir, ou qu'il soit comme en l'espèce un organisme habilité à défendre des intérêts publics, le bénéficiaire de l'autorisation n'a pas le droit, avant que celle-ci ne soit définitive, d'apporter à la situation de fait des modifications irréversibles. La loi ne peut à la fois prévoir le droit de recours d'un tiers et permettre au bénéficiaire de placer ce tiers devant un fait accompli, dépouillant son droit de recours de toute portée pratique. Il serait donc choquant et, sauf circonstances exceptionnelles, impossible à justifier par un intérêt légitime de laisser le bénéficiaire user d'une autorisation qu'un tiers peut encore attaquer lorsque cet usage a nécessairement des effets à peu près irrémédiables, tels la démolition d'un monument historique ou l'abattage d'arbres de grande taille. En pareille occurrence, il faut conclure qu'en principe l'autorisation ne déploie ses effets que lorsqu'elle ne peut plus être attaquée ou que l'autorité de dernière instance a refusé l'effet suspensif. Il n'y a pas à décider aujourd'hui si certaines autorisations peuvent sortir provisoirement leurs effets avant d'être définitives. Il n'y a pas à rechercher non plus si, dans certaines circonstances, un défrichement pourrait être déclaré urgent et autorisé avec effet immédiat. Seuls des motifs tout à fait particuliers pourraient justifier en cette matière que l'on ôte toute portée utile à la procédure de recours. De tels motifs n'existaient pas en l'espèce. La possibilité d'utiliser la nouvelle piste pour les concours de la coupe d'Europe des jeunes ne présentait pas un intérêt tel que l'on ait pu lui sacrifier l'intérêt public au déroulement régulier de toute la procédure. Le rapport très lointain avec la candidature de Sion pour les jeux olympiques de 1976 ne le permettait pas davantage.
Admettre que le déboisement était urgent et en autoriser l'exécution immédiate, c'était s'écarter des principes qui doivent régler l'entrée en vigueur d'une autorisation de ce genre. Il faut relever cependant qu'à ce moment, la pratique n'avait pas encore élucidé la question de la qualité pour agir des associations et que la suspension des effets de l'autorisation, que la Cour de céans a déduite de l'existence de ce droit de recours, ne résultait ni d'une disposition expresse, ni d'une jurisprudence bien établie.
6.
Les recourantes défendent des intérêts immatériels. La manière dont le défrichement litigieux a été opéré justifiait leurs alarmes et leur donnait une raison valable de saisir le
BGE 96 I 502 S. 512
Tribunal fédéral. Il ne serait pas équitable de mettre à leur charge des frais de justice et une indemnité aux intimés, à titre de dépens, quand bien même elles n'obtiennent pas gain de cause sur le fond.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral:
Rejette le recours. | public_law | nan | fr | 1,970 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
304cf09f-052f-400d-bfcd-cd68a834496f | Urteilskopf
138 III 294
45. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. AG und B. gegen Handelsregisteramt des Kantons St. Gallen und A.X. (Beschwerde in Zivilsachen)
4A_412/2011 vom 4. Mai 2012 | Regeste
Gerichtliches Organisationsmängelverfahren nach
Art. 731b OR
.
Grundsätze des Organisationsmängelverfahrens (E. 3.1.2-3.1.4); fehlende Revisionsstelle als Organisationsmangel (E. 3.1.1 und 3.2); Pattsituation (E. 3.1.5); Verhältnis von
Art. 731b OR
zur Auflösungsklage nach
Art. 736 Ziff. 4 OR
(E. 3.1.6); Anwendung im konkreten Fall (E. 3.3). | Sachverhalt
ab Seite 295
BGE 138 III 294 S. 295
A.
Das Aktienkapital der X. AG (Gesuchsgegnerin und Beschwerdeführerin) beträgt Fr. 150'000.- und ist in 150 Namenaktien unterteilt. Die beiden Aktionäre der Gesuchsgegnerin, A.X. und B., halten je 75 Namenaktien, d.h. je 50 % des Aktienkapitals.
B.
B.a
Mit Gesuch vom 24. Februar 2011 teilte das Handelsregisteramt des Kantons St. Gallen (Gesuchsteller und Beschwerdegegner) dem Präsidenten des Handelsgerichts des Kantons St. Gallen mit, dass die Gesuchsgegnerin Mängel in der gesetzlich zwingend vorgeschriebenen Organisation aufweise, und stellte den Antrag, es seien gestützt auf
Art. 941a Abs. 1 OR
die erforderlichen Massnahmen zu ergreifen.
Zur Begründung führte das Handelsregisteramt aus, dass der Gesuchsgegnerin die Revisionsstelle fehle und keine Unterlagen für einen Verzicht auf eine eingeschränkte Revision gemäss
Art. 727a Abs. 2 OR
("Opting-Out") eingegangen seien. Die der Gesuchsgegnerin angesetzte Frist zur Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes sei unbenutzt verstrichen.
Mit Brief vom 25. Februar 2011 wies der Handelsgerichtspräsident die Gesuchsgegnerin darauf hin, dass er die Gesellschaft gestützt auf
Art. 731b Abs. 1 Ziff. 3 OR
auflösen und ihre Liquidation nach den Vorschriften über den Konkurs anordnen werde, sofern die Gesuchsgegnerin nicht bis zum 3. April 2011 den Nachweis erbringe, dass die Mängel in der gesetzlich zwingend vorgeschriebenen Organisation behoben worden sind.
B.b
Mit Eingabe vom 18. März 2011 beantragte A.X. dem Handelsgerichtspräsidenten, er sei als Nebenintervenient auf Seiten des Gesuchstellers zuzulassen und die Gesuchsgegnerin sei gemäss
Art. 731b Abs. 1 Ziff. 3 OR
wegen Mängeln in der Organisation aufzulösen und es sei deren Liquidation nach den Vorschriften über den Konkurs anzuordnen.
BGE 138 III 294 S. 296
Zur Begründung führte A.X. insbesondere aus, dass er und der Verwaltungsratspräsident sowie Mitaktionär B. seit mehreren Jahren im Streit lägen. An der ordentlichen Generalversammlung vom 10. Dezember 2010 habe kein einziger Beschluss gefasst werden können, weil die beiden Aktionäre sich nicht hätten einigen können bzw. das Beschlussquorum gemäss Art. 12 der Statuten in keinem Fall erreicht worden sei. Entsprechend habe auch keine Revisionsstelle gewählt werden können. In Anbetracht der nicht beizulegenden Streitigkeiten zwischen den beiden Aktionären und Verwaltungsräten der Gesuchsgegnerin sei es unmöglich, eine Einigung betreffend die Einsetzung einer Revisionsstelle zu finden, weshalb die Gesellschaft durch Entscheid des Handelsgerichtspräsidenten aufzulösen sei.
B.c
Mit Eingabe vom 4. April 2011 reichte die Gesuchsgegnerin, vertreten durch den Verwaltungsratspräsidenten B., eine Stellungnahme ein und stellte dem Handelsgerichtspräsidenten u.a. den Antrag, es sei für die Gesuchsgegnerin gemäss
Art. 731b Abs. 1 Ziff. 2 OR
eine Revisionsstelle zu bestellen.
B.d
Mit Eingabe vom 4. April 2011 beantragte B. dem Handelsgerichtspräsidenten unter anderem, er sei als Nebenintervenient auf Seiten der Gesuchsgegnerin zuzulassen und es sei für die Gesuchsgegnerin eine Revisionsstelle einzusetzen.
B.e
Mit Entscheid vom 27. Mai 2011 löste der Handelsgerichtspräsident die Gesuchsgegnerin auf und ordnete deren Liquidation nach den Vorschriften über den Konkurs an.
C.
Mit Beschwerde in Zivilsachen beantragt die Gesuchsgegnerin dem Bundesgericht, es sei der Entscheid des Handelsgerichtspräsidenten vom 27. Mai 2011 aufzuheben und es sei für die Gesuchsgegnerin gemäss
Art. 731b Abs. 1 Ziff. 2 OR
eine Revisionsstelle einzusetzen. Eventualiter sei der angefochtene Entscheid aufzuheben und es sei die Vorinstanz anzuweisen, für die Gesuchsgegnerin gemäss
Art. 731b Abs. 1 Ziff. 2 OR
eine Revisionsstelle einzusetzen.
A.X. schliesst in seiner Vernehmlassung auf Abweisung der Beschwerde, soweit Eintreten, während B. die Gutheissung der Beschwerde beantragt. Der Beschwerdegegner und die Vorinstanz haben auf eine Vernehmlassung verzichtet. Die Beschwerdeführerin reichte eine Replik ein.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
(Zusammenfassung)
BGE 138 III 294 S. 297
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
Die Beschwerdeführerin macht eine Verletzung von
Art. 731b OR
geltend. Ihrer Auffassung nach hätte die Vorinstanz zur Behebung des Organisationsmangels gestützt auf
Art. 731b Abs. 1 Ziff. 2 OR
das fehlende Organ, d.h. eine Revisionsstelle ernennen sollen, anstatt sogleich die Auflösung der Gesellschaft gestützt auf
Art. 731b Abs. 1 Ziff. 3 OR
anzuordnen. Mit ihrem Vorgehen habe die Vorinstanz unverhältnismässig gehandelt, zumal es sich bei der Beschwerdeführerin grundsätzlich um ein funktionierendes Unternehmen handle und die Auflösung eine
ultima ratio
darstelle. Wenn A.X. die Auflösung der Beschwerdeführerin anstrebe, so stehe ihm hierzu die Auflösungsklage gemäss
Art. 736 Ziff. 4 OR
zur Verfügung.
3.1
3.1.1
Aktiengesellschaften haben ihre Jahresrechnung durch eine Revisionsstelle ordentlich (
Art. 727 OR
) oder gegebenenfalls eingeschränkt (
Art. 727a OR
) prüfen zu lassen, wobei wenigstens ein Mitglied der Revisionsstelle seinen Wohnsitz in der Schweiz haben muss (
Art. 730 Abs. 4 OR
). Nach
Art. 727a Abs. 2 OR
kann mit Zustimmung sämtlicher Aktionäre auf eine eingeschränkte Revision verzichtet werden, wenn die Gesellschaft im Jahresdurchschnitt nicht mehr als zehn Vollstellen hat (sog. "Opting-out").
3.1.2
Gemäss
Art. 731b OR
kann ein Aktionär, ein Gläubiger oder der Handelsregisterführer dem Richter beantragen, die erforderlichen Massnahmen zu ergreifen, falls der Gesellschaft eines der vorgeschriebenen Organe fehlt oder eines dieser Organe nicht rechtmässig zusammengesetzt ist (Abs. 1 Ingress). Der Richter kann insbesondere der Gesellschaft unter Androhung ihrer Auflösung eine Frist ansetzen, binnen derer der rechtmässige Zustand wieder herzustellen ist (Abs. 1 Ziff. 1), das fehlende Organ oder einen Sachwalter ernennen (Abs. 1 Ziff. 2) oder die Gesellschaft auflösen und ihre Liquidation nach den Vorschriften über den Konkurs anordnen (Abs. 1 Ziff. 3).
Mit dieser Norm hat der Gesetzgeber eine einheitliche Ordnung für die Behebung und Sanktionierung organisatorischer Mängel innerhalb einer Gesellschaft geschaffen (
BGE 136 III 369
E. 11.4.1 mit Hinweisen). Die Bestimmung erfasst diejenigen Fälle, in denen eine zwingende gesetzliche Vorgabe hinsichtlich der Organisation der Gesellschaft nicht oder nicht mehr eingehalten wird (Urteil 4A_457/2010 vom 5. Januar 2011 E. 2.2.1; PETER/CAVADINI, in:
BGE 138 III 294 S. 298
Commentaire romand, Code des obligations, Bd. II, 2008, N. 1 zu
Art. 731b OR
; WATTER/WIESER, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht, Bd. II, 3. Aufl. 2008, N. 1 zu
Art. 731b OR
; Botschaft vom 19. Dezember 2001 zur Revision des Obligationenrechts [GmbH-Recht sowie Anpassungen im Aktien-, Genossenschafts-, Handelsregister- und Firmenrecht], BBl 2002 3231 f.). Sie bezieht sich sowohl auf das Fehlen als auch die nicht rechtsgenügende Zusammensetzung obligatorischer Gesellschaftsorgane (Botschaft, a.a.O., S. 3231).
3.1.3
Die Behebung von Organisationsmängeln steht im Interesse eines funktionierenden Rechtsverkehrs und kann die Interessen von Anspruchsgruppen ("Stakeholder") berühren, die sich am Verfahren nach
Art. 731b OR
nicht beteiligen (Arbeitnehmer, Gläubiger, Aktionäre). Aufgrund der Interessen Dritter sowie der Öffentlichkeit ist der Richter an spezifizierte Anträge der Parteien nicht gebunden (Botschaft, a.a.O., S. 3232;
BGE 138 III 166
E. 3.5 S. 170). Das im Summarium durchzuführende Organisationsmängelverfahren (
BGE 138 III 166
E. 3.9 S. 172 f.) ist mithin vom
Offizialgrundsatz
beherrscht (
Art. 58 Abs. 2 ZPO
): Die Parteien haben keine Verfügungsbefugnis über den Streitgegenstand und können sich namentlich auch nicht vergleichen (vgl. WATTER/WIESER, a.a.O., N. 9 zu
Art. 731b OR
; BÜRGE/GUT, Richterliche Behebung von Organisationsmängeln der AG und der GmbH - Normgehalt und verfahrensrechtliche Aspekte von
Art. 731b OR
, SJZ 2009 S. 161; FRANCO LORANDI, Konkursverfahren über Handelsgesellschaften ohne Konkurseröffnung - Gedanken zu
Art. 731b OR
, AJP 2008 S. 1384; PETER LEHMANN, Die "kleine" Aktienrechtsrevision [Teil 2], Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht [GesKR] 2007 S. 423).
3.1.4
Bei den in den Ziffern 1-3 von
Art. 731b Abs. 1 OR
genannten Massnahmen zur Behebung des Organisationsmangels handelt es sich um einen exemplifikativen, nicht abschliessenden Katalog (
BGE 136 III 369
E. 11.4.1 S. 371; WATTER/WIESER, a.a.O., N. 16 zu
Art. 731b OR
; PETER/CAVADINI, a.a.O., N. 7 zu
Art. 731b OR
). Mit
Art. 731b Abs. 1 OR
wollte der Gesetzgeber dem Richter ähnlich wie bei der Auflösungsklage gemäss
Art. 736 Ziff. 4 OR
einen hinreichenden Handlungsspielraum gewähren, um eine mit Blick auf die konkreten Umstände des Einzelfalles angemessene Massnahme treffen zu können (Botschaft, a.a.O., S. 3232;
BGE 136 III 369
E. 11.4.1 S. 371;
BGE 138 III 166
E. 3.5 S. 170). Der Richter ist bei der Ausübung dieses Handlungsspielraums freilich nicht ungebunden: Die Lehre geht zutreffend davon aus, dass die in
Art. 731b Abs. 1 OR
BGE 138 III 294 S. 299
genannten Massnahmen in einem Stufenverhältnis stehen (LORANDI, a.a.O., S. 1385; BÜRGE/GUT, a.a.O., S. 159 f.). Der Richter soll die drastische Massnahme der Auflösung gemäss Ziffer 3 erst anordnen, wenn die milderen Massnahmen gemäss Ziffer 1 (Fristansetzung zur Wiederherstellung des rechtmässigen Zustands) und Ziffer 2 (Ernennung des fehlenden Organs oder eines Sachwalters) nicht genügen oder erfolglos geblieben sind. Es gilt mithin wie im Verfahren nach
Art. 736 Ziff. 4 OR
das
Verhältnismässigkeitsprinzip
(vgl.
BGE 136 III 278
E. 2.2.2 S. 280; BÜRGE/GUT, a.a.O., S. 159 f.). Die Auflösung nach
Art. 731b Abs. 1 Ziff. 3 OR
stellt eine
ultima ratio
dar, also das letztmögliche Mittel, das erst zur Anwendung gelangt, wenn sich mildere Mittel nicht als sachgerecht bzw. zielführend erweisen (
BGE 136 III 369
E. 11.4.1 S. 371; VON BÜREN/STOFFEL/WEBER, Grundriss des Aktienrechts, 3. Aufl. 2011, N. 743, 1184; PETER BÖCKLI, Schweizer Aktienrecht, 4. Aufl. 2009, § 13 N. 492; LORANDI, a.a.O., S. 1385; PETER/CAVADINI, a.a.O., N. 21 zu
Art. 731b OR
; BÜRGE/GUT, a.a.O., S. 159 f.; PIERRE-ALAIN RECORDON, Les premiers pas de l'article 731b CO, SZW 2010 S. 4; DANIEL S. WEBER, Mängel in der Organisation von Gesellschaften, in: Auswirkungen von Krisen auf Wirtschaft, Recht und Gesellschaft, Haunreiter und andere [Hrsg.], 2009, S. 365). Dies ist etwa der Fall, wenn Verfügungen nicht zustellbar sind oder wenn sich die Gesellschaft in keiner Art und Weise vernehmen lässt (BÜRGE/GUT, a.a.O., S. 160).
3.1.5
Besteht im Aktionariat einer Gesellschaft eine Pattsituation bzw. Blockade (sog. "Deadlock"), kann dies dazu führen, dass die Revisionsstelle als obligatorisches Gesellschaftsorgan nicht bestellt werden kann. In der Lehre wird die Auffassung vertreten, dass zur Behebung eines solchen Organisationsmangels, der auf eine Pattsituation im Aktionariat zurückgeht, die Ernennung des fehlenden Organs gemäss
Art. 731b Abs. 1 Ziff. 2 OR
die grundsätzlich angemessene Massnahme darstellt (RECORDON, a.a.O., S. 3; vgl. auch BÖCKLI, a.a.O., § 13 N. 491, 493 sowie BÜRGE/GUT, a.a.O., S. 160). Auch in der Botschaft wird gerade die "andauernde Pattsituation" als Beispiel einer Situation genannt, in der die richterliche Ernennung des fehlenden Organs zum Zuge kommt (Botschaft, a.a.O., S. 3232).
3.1.6
Beantragt ein Aktionär gestützt auf
Art. 731b Abs. 1 Ziff. 3 OR
die Auflösung der Gesellschaft, hat der Richter bei der Ausübung seines Ermessens zu beachten, dass die strengen Voraussetzungen der Auflösungsklage gemäss
Art. 736 Ziff. 4 OR
nicht
BGE 138 III 294 S. 300
unterlaufen werden. Denn in den Gesetzesmaterialien finden sich keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber mit
Art. 731b OR
die Möglichkeit einer erleichterten Auflösung von Aktiengesellschaften schaffen wollte. Mit dem Auflösungsgesuch gemäss
Art. 731b Abs. 1 Ziff. 3 OR
soll dem Aktionär, der sich in der Pattsituation einer Lösung widersetzt, kein Instrument an die Hand gegeben werden, mit dem er die Auflösung der Gesellschaft erwirken kann, ohne dass gleichzeitig die strengen Voraussetzungen einer Auflösungsklage gemäss
Art. 736 Ziff. 4 OR
vorliegen.
Nach der im Leitentscheid
BGE 136 III 278
E. 2.2.2 bestätigten Rechtsprechung ist die Auflösung einer Aktiengesellschaft aus wichtigem Grund eine subsidiäre Massnahme, die nicht angeordnet werden darf, solange sich bei einer Prüfung der konkreten Umstände des Einzelfalles zeigt, dass der um Auflösung ersuchende Aktionär seine legitimen Interessen mit weniger einschneidenden Mitteln verteidigen kann, wie z.B. mittels Anfechtung von Generalversammlungsbeschlüssen oder mittels Klagen auf Auskunftserteilung (
BGE 136 III 278
E. 2.2.2 S. 280;
BGE 126 III 266
E. 1a und 2a;
BGE 109 II 140
E. 4 S. 142;
BGE 105 II 114
E. 6c S. 125 und E. 6d S. 126 f.;
BGE 104 II 32
E. 1a S. 35;
BGE 84 II 44
E. 1 S. 47;
67 II 162
E. d S. 166). Die Auflösung muss verhältnismässig sein, was eine Abwägung aller auf dem Spiel stehenden Interessen voraussetzt (
BGE 136 III 278
E. 2.2.2 S. 280;
BGE 105 II 114
E. 7 S. 127). Zu beachten ist dabei nicht nur das Interesse des klagenden Aktionärs, sondern auch das der übrigen Aktionäre und weiteren Anspruchsgruppen (namentlich der Arbeitnehmer) am Fortbestand der Gesellschaft (
BGE 136 III 278
E. 2.2.2 S. 280;
BGE 126 III 266
E. 1c S. 270;
BGE 105 II 114
E. 7 S. 128), wobei zu berücksichtigen ist, dass die Aktiengesellschaft eine Kapital- und nicht eine Personengesellschaft ist, so dass - jedenfalls bei grösseren Gesellschaften - grundsätzlich nur die finanziellen Interessen der Aktionäre massgeblich sind (
BGE 136 III 278
E. 2.2.2 S. 280;
67 II 162
E. b S. 164). Am Ende des Abwägungsprozesses muss sich eine Situation präsentieren, die derart gravierend ist, dass der Fortbestand der Gesellschaft nach Treu und Glauben als nicht mehr tragbar erscheint, die beklagte Gesellschaft mithin ihr Existenzrecht verwirkt hat und verschwinden muss (
BGE 136 III 278
E. 2.2.2 S. 280;
67 II 162
E. c S. 165).
3.2
Die Vorinstanz erwog, dass die Beschwerdeführerin über keine Revisionsstelle verfügt und auch nicht auf eine eingeschränkte
BGE 138 III 294 S. 301
Revision gemäss
Art. 727a Abs. 2 OR
verzichtet hat. Damit liege ein Mangel in der Gesellschaftsorganisation gemäss
Art. 731b OR
vor. Solange die beiden Aktionäre, die je 50 % der Aktien halten, keine Lösung finden, sei die Behebung dieses Mangels nicht möglich. Denn bei diesem Stimmenverhältnis könnten in der Generalversammlung der Beschwerdeführerin nur Beschlüsse gefällt werden, wenn beide Aktionäre zustimmen. Zudem sei auch der Verwaltungsrat der Beschwerdeführerin nur beschluss- und handlungsfähig, wenn beide Aktionäre zustimmen bzw. gemeinsam handeln. Dass das seit längerer Zeit zwischen den beiden Aktionären bestehende Patt einvernehmlich beendet werden könnte, erscheine ausgeschlossen, da A.X. im vorinstanzlichen Verfahren die Auflösung der Gesuchsgegnerin gemäss
Art. 731b Abs. 1 Ziff. 3 OR
und deren Liquidation nach den Vorschriften über den Konkurs beantragt habe.
Die Vorinstanz gelangte zum Schluss, dass "gemäss der konstanten Praxis des Handelsgerichtspräsidenten" nur noch die der Beschwerdeführerin bereits angedrohte Auflösung und Liquidation bleibe, nachdem die milderen Massnahmen, d.h. insbesondere die Aufforderungen des Handelsregisteramtes und des Handelsregisterpräsidenten zur Mängelbehebung, nicht zum Ziel geführt haben. Der Beschwerdeführerin sei in Anwendung von
Art. 731b Abs. 1 Ziff. 1 OR
praxisgemäss unter Androhung der Auflösung eine Frist angesetzt worden, binnen derer der rechtmässige Zustand wiederherzustellen war. Da diese Frist unbenutzt verstrichen sei, müsse die Gesellschaft aufgelöst und ihre Liquidation nach den Vorschriften über den Konkurs angeordnet werden.
Die richterliche Ernennung einer Revisionsstelle fällt nach Auffassung der Vorinstanz unter anderem deshalb ausser Betracht, weil sich die beiden Aktionäre auch in der Zukunft nicht auf eine Revisionsstelle einigen könnten. Von "entscheidender Bedeutung" sei jedoch, dass die Beschwerdeführerin nicht in der Lage wäre, einen Kostenvorschuss für die zu ernennende Revisionsstelle zu leisten, da A.X. als kollektivzeichnungsberechtigtes Verwaltungsratsmitglied offensichtlich nicht bereit wäre, eine solche Zahlungsanweisung zu unterzeichnen. Damit sei auf die Massnahme, richterlich eine Revisionsstelle zu ernennen, zu verzichten, da diese aussichtslos erscheine. Es verbleibe ausschliesslich die Möglichkeit, die Gesellschaft aufzulösen und ihre Liquidation nach den Vorschriften über den Konkurs anzuordnen.
BGE 138 III 294 S. 302
Dem fügte die Vorinstanz bei, dass das Konkursamt den Umstand zu berücksichtigen haben werde, dass die Beschwerdeführerin nicht überschuldet zu sein scheine, und es sich bei ihr abgesehen von der Pattsituation im Aktionariat um ein funktionierendes Unternehmen handle. In Berücksichtigung des Verhältnismässigkeitsprinzips müsse das Konkursamt deshalb dafür besorgt sein, dass das Unternehmen als Einheit an A.X., B. oder an einen meistbietenden Dritten verkauft werden kann.
3.3
3.3.1
Mit diesen Erwägungen verkennt die Vorinstanz das Verhältnismässigkeitsprinzip, welches bei der Auswahl der zur Behebung eines Organisationsmangels erforderlichen Massnahmen nach
Art. 731b Abs. 1 OR
gilt (oben E. 3.1.4 f.). Die Vorinstanz hat der Beschwerdeführerin zwar zunächst korrekterweise eine Frist zur Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes angesetzt (
Art. 731b Abs. 1 Ziff. 1 OR
). Sie hat in der Folge jedoch zu Unrecht die richterliche Ernennung der fehlenden Revisionsstelle gestützt auf
Art. 731b Abs. 1 Ziff. 2 OR
als milderes Mittel zur Auflösung nach
Art. 731b Abs. 1 Ziff. 3 OR
verworfen. Denn der von der Vorinstanz hierfür als von "entscheidender Bedeutung" angeführte Grund, dass die Beschwerdeführerin nicht in der Lage wäre, einen Kostenvorschuss für die zu ernennende Revisionsstelle zu leisten, beruht auf der Annahme, dass der Verwaltungsrat der Beschwerdeführerin nicht handlungsfähig sei. Dies trifft - wie oben in E. 2.3 dargelegt - nicht zu, da die Gesellschaft jedenfalls durch ihren Verwaltungsratspräsidenten, der über eine Einzelzeichnungsbefugnis verfügt, vertreten werden kann. Zudem ist die Beschwerdeführerin bei richterlicher Ernennung der Revisionsstelle gestützt auf
Art. 731b Abs. 2 OR
ohnehin direkt im Urteilsdispositiv zu verpflichten, die Kosten der ernannten Revisionsstelle zu tragen und dieser einen Vorschuss zu leisten. Mit dieser Regelung wird verhindert, dass die richterliche Ernennung eines entsprechenden Organs faktisch daran scheitert, dass eine blockierte Gesellschaft die Kosten bzw. Vorschüsse für das entsprechende Mandat nicht bezahlt (BÖCKLI, a.a.O., § 13 N. 494; RECORDON, a.a.O., S. 3). Unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismässigkeit rechtfertigt es sich somit nicht, bei einem Fehlen der Revisionsstelle, das auf eine Pattsituation im Aktionariat zurückzuführen ist, sogleich die drastische Massnahme der Auflösung anzuordnen, zumal wenn es sich wie bei der Beschwerdeführerin um ein im Aussenverkehr handlungsfähiges und gemäss den Feststellungen der Vorinstanz grundsätzlich funktionierendes und finanziell gesundes Unternehmen handelt.
BGE 138 III 294 S. 303
3.3.2
Die Auflösung der Beschwerdeführerin wird in erster Linie von A.X. beantragt, während es das Handelsregisteramt in das Ermessen der Vorinstanz gestellt hat, mit welcher Massnahme der Organisationsmangel zu beheben ist. A.X. versucht mithin, mit dem Instrumentarium von
Art. 731b OR
ein Resultat zu erwirken, das für einen Aktionär grundsätzlich nur mittels einer Auflösungsklage nach
Art. 736 Ziff. 4 OR
zu erreichen ist. Die Gutheissung einer Auflösungsklage nach
Art. 736 Ziff. 4 OR
würde indessen voraussetzen, dass das Interesse von A.X. an der Auflösung der Beschwerdeführerin dasjenige von B. und der weiteren Anspruchsgruppen (Arbeitnehmer, Gläubiger) am Fortbestand der Gesellschaft überwiegt (
BGE 136 III 278
E. 2.2.2 S. 280). Dass dem so wäre, ist gestützt auf die vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen nicht ersichtlich. Eine Situation, die derart gravierend ist, dass der Fortbestand der Gesellschaft nach Treu und Glauben als nicht mehr tragbar erscheint, so dass die Beschwerdeführerin geradezu ihr Existenzrecht verwirkt hätte (
BGE 136 III 278
E. 2.2.2 S. 280), hat A.X. weder vor der Vorinstanz noch vor Bundesgericht dargetan. Mit der sofortigen Anordnung einer Auflösung der Beschwerdeführerin würden somit nicht nur das im Rahmen von
Art. 731b Abs. 1 OR
zu beachtende Verhältnismässigkeitsprinzip verletzt, sondern auch die in der Rechtsprechung entwickelten, strengen Voraussetzungen von
Art. 736 Ziff. 4 OR
unterlaufen (oben E. 3.1.6).
Vorliegend ist der Mangel in der Organisation der Beschwerdeführerin daher einstweilen dadurch zu beheben, dass die fehlende Revisionsstelle gemäss
Art. 731b Abs. 1 Ziff. 2 OR
richterlich ernannt wird.
3.3.3
Die Vorinstanz hat Bedenken geäussert, dass sich die beiden Aktionäre auch in der Zukunft nicht zu gemeinsamem Handeln durchringen könnten. Selbst wenn sich diese als berechtigt herausstellen und die Pattsituation die Gesellschaft auf Dauer funktionsunfähig machen sollte, ist darauf hinzuweisen, dass die Auflösung der Gesellschaft nicht die einzige Lösung ist, um den "Deadlock" zu beheben. Gestützt auf
Art. 731b OR
bzw.
Art. 736 Ziff. 4 OR
kann das Gericht nämlich Massnahmen anordnen, die für die Gesellschaft und die weiteren Anspruchsgruppen des Unternehmens weniger einschneidend sind als eine Auflösung und anschliessende Liquidation. Bei einer blockierten Zweimanngesellschaft ist etwa an eine Übernahme der Aktien des einen Aktionärs durch den anderen im Rahmen einer richterlich angeordneten Versteigerung zu denken (dazu HANS CASPAR VON DER
BGE 138 III 294 S. 304
CRONE, Lösung von Pattsituationen bei Zweimanngesellschaften, SJZ 1993 S. 42 ff.; ferner rechtsvergleichend MERKT/GÖTHEL, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, 2. Aufl., Frankfurt a.M. 2006, N. 759 ff., zu den Möglichkeiten einer Auflösung der Pattsituation mittels eines "buyouts"). Mit einer solchen oder ähnlichen Massnahme kann der Beibehaltung des Fortführungswerts der Gesellschaft ("going concern value") im richterlichen Urteilsdispositiv selbst Rechnung getragen werden. Eine entsprechende (letztlich unverbindliche) Empfehlung in den Urteilserwägungen, wie sie die Vorinstanz vorliegend dem Konkursamt erteilt hat, würde sich damit erübrigen. | null | nan | de | 2,012 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
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