decision_id
stringlengths 36
36
| header
stringlengths 59
550
| regeste
stringlengths 7
5.41k
| text
stringlengths 350
179k
| law_area
stringclasses 1
value | law_sub_area
stringclasses 1
value | language
stringclasses 3
values | year
int32 1.95k
2.02k
| court
stringclasses 1
value | chamber
stringclasses 7
values | canton
stringclasses 1
value | region
stringclasses 1
value |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
18eb2d83-9560-4e46-a318-7c83f4b8bece | Urteilskopf
95 I 579
83. Urteil der I. Zivilabteilung vom 11. November 1969 i.S. Sacer gegen Eidg. Amt für geistiges Eigentum | Regeste
Patentrecht.
Begriff der Erfindung,
Art. 1 PatG
(Erw. 3).
Patentierbarkeit eines Planungsverfahrens zur Ausgestaltung eines Verteilungsnetzes für elektrische Energie? (Erw. 4). | Sachverhalt
ab Seite 579
BGE 95 I 579 S. 579
A.-
Joze F. Sacer reichte am 23. Januar 1965 beim Eidgenössischen Amt für geistiges Eigentum ein Patentgesuch ein für ein Planungsverfahren eines Verteilungsnetzes für elektrische Energie. Es wird darin eine Methode umschrieben, die sich zum Ziel setzt, ein Energieverteilnetz mit einer Mehrzahl von Einspeisestellen und einer Vielzahl von Verbraucherstellen bezüglich
BGE 95 I 579 S. 580
räumlicher Leitungsführung und Wahl der Leiterquerschnitte optimal zu gestalten, d.h. möglichst wenig Leitermaterial zu benötigen bei möglichst geringen Energieverlusten im Verteilsystem.
In einer I. Beanstandung vom 9. August 1967 wies das Amt den Anmelder darauf hin, dass das Gesuch nach seinem sachlichen Inhalt nichts anderes sei als eine Neuanmeldung seines zurückgezogenen Gesuches Nr. 11966/61. Gleich jenem betreffe auch das neue Gesuch nur eine Anweisung an den menschlichen Geist und könne darum nach ständiger Praxis des Amtes nicht als gewerblich anwendbare Erfindung im Sinne von
Art. 1 PatG
betrachtet werden. Das Amt forderte daher den Anmelder auf, auch das neue Patentgesuch zurückzuziehen; andernfalls müsste es das Gesuch zurückweisen.
Mit Schreiben vom 30. Oktober 1967 weigerte sich Sacer, das Patentgesuch zurückzuziehen, und beharrte darauf, dass dieses die Voraussetzungen für die Patenterteilung erfülle.
B.-
Mit Verfügung vom 28. Juli 1969 wies das Amt das Gesuch gestützt auf
Art. 59 Abs. 1 PatG
zurück mit der Begründung, es liege keine Erfindung im Sinne des
Art. 1 Abs. 1 PatG
vor.
C.-
Gegen diese Zurückweisung hat der Anmelder beim Bundesgericht verwaltungsgerichtliche Beschwerde eingereicht. Er beantragt, die angefochtene Verfügung aufzuheben und das Amt für geistiges Eigentum anzuweisen, seine Patentanmeldung entgegenzunehmen.
Das Amt beantragt, die Beschwerde abzuweisen.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
2.
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Auffassung des Amtes, das zur Patentierung angemeldete Verfahren sei keine Erfindung im Sinne des
Art. 1 PatG
, weil es lediglich Anweisungen für die Durchführung von Berechnungen und Planungen für die Erstellung eines Netzplanes enthalte. Er wirft dem Amt vor, es sei überhaupt nicht eingetreten auf seine Ausführungen, die er in der Stellungnahme vom 30. Oktober 1967 zur Erledigung der I. Beanstandung gemacht habe. Dort habe er dargelegt, dass auch eine Anweisung an den menschlichen Geist dann eine Erfindung sei, wenn sie sich auf einen realisierbaren Gegenstand beziehe und die Erzielung eines Nutzens ermögliche.
BGE 95 I 579 S. 581
Damit macht der Beschwerdeführer geltend, die angefochtene Zurückweisungsverfügung beruhe auf einer rechtlich unzutreffenden Auffassung über den Begriff der patentierbaren Erfindung im Sinne des
Art. 1 PatG
.
3.
Der Gesetzgeber hat bewusst davon abgesehen, den Begriff der Erfindung in
Art. 1 PatG
zu umschreiben, sondern er hat dies der Lehre und Rechtsprechung überlassen (TROLLER, Immaterialgüterrecht, 2. Aufl., 1968, Bd. I S. 159). Nach Lehre und Rechtsprechung liegt eine Erfindung vor, wenn dank einer schöpferischen Idee durch eine neue, originelle Kombination von Naturkräften oder -stoffen ein technischer Nutzeffekt erzielt wird, der einen wesentlichen technischen Fortschritt bedeutet (
BGE 43 II 523
,
BGE 48 II 291
ff.,
BGE 72 I 370
Erw. 1,
BGE 74 II 133
Erw. 3,
BGE 76 I 381
; Botschaft des Bundesrates vom 25. April 1950 über die Revision des Bundesgesetzes über die Erfindungspatente, BBl 1950 I S. 999; TROLLER, op.cit. S. 165).
Keine Erfindung ist die Entdeckung (z.B. der Elektrizität), aber sie kann die Grundlage für eine solche abgeben (z.B. die Benützung der Elektrizität als Treibkraft). Die Erfindung ist somit weder die Naturkraft als solche, noch das Ergebnis ihrer Anwendung. Sie ist die abstrakte Regel, deren Wiederholung zu einem bestimmten technischen Erfolg führt, der gewerblicher Anwendung fähig ist. Sie gibt an, wie Naturkräfte beherrscht und dem Menschen dienstbar gemacht werden.
Nicht zum Gebiet der Technik gehören und daher des Patentschutzes nicht teilhaftig sind dagegen blosse Anweisungen an den menschlichen Geist, die dem Menschen ein bestimmtes Verhalten vorschreiben und die einen bestimmten Erfolg herbeiführen, ohne dass dabei Naturkräfte unmittelbar eingesetzt werden. Nicht patentfähig sind daher z.B. Lotteriesysteme, Spielregeln, Lehrmethoden, Buchhaltungs- und Stenographiesysteme, Logarithmentafeln usw. (TROLLER, op.cit. S. 171; BLUM/PEDRAZZINI, PatG Art. 1 Anm. 8 S. 77 f.; ROUBIER, Le droit de la propriété industrielle, Bd. II S. 86).
4.
Das vorliegende Patentgesuch betrifft ein Planungsverfahren zur Ausgestaltung eines elektrischen Netzes. Nach den Ausführungen zur Kennzeichnung der Erfindung wird von einem massstabgerechten Plan des mit elektrischer Energie zu versorgenden Gebietes ausgegangen, in dem die Einspeisestellen und Bedarfsstellen eingetragen sind. Das von einer Einspeisestelle zu versorgende Gebiet wird zunächst rein graphisch und an sich
BGE 95 I 579 S. 582
willkürlich in schmale Sektoren unterteilt und die Summe der durchschnittlichen Leistungen in jedem dieser Sektoren ermittelt und graphisch aufgetragen, so dass sich ein Belastungsdiagramm ergibt. Der Patentanspruch enthält weiterhin Anweisungen, wie das zu versorgende Gebiet auf Grund des Belastungsdiagrammes in grössere Winkelsektoren eingeteilt wird, deren jedem eine Hauptleitung zugeordnet wird. Hierauf wird eine Formel angegeben, mit deren Hilfe der Verlauf der Leitungen von einem Ausgangspunkt zu zwei weiteren Bestimmungspunkten ermittelt werden kann; ferner wird angegeben, wie beim Vorhandensein von mehreren Verbindungsstellen ein Leistungsschwerpunkt zu berechnen und als dritter Bestimmungspunkt anzunehmen ist. Der Patentanspruch enthält somit ausschliesslich Anweisungen, wie auf Grund graphischer und rechnerischer Massnahmen ein Netzplan aufgezeichnet werden kann. Es handelt sich also ausschliesslich um ein Rechenverfahren, da auch hier graphische Methoden nichts anderes als Rechenmethoden sind.
Die Idee, für die der Beschwerdeführer Patentschutz anstrebt, ist keine Schöpfung, die mit den Mitteln der Naturkräfte arbeitet oder auf sie einwirkt, um einen technischen Erfolg zu erzielen, sondern ist als eine rein geistige Leistung anzusehen, für die der Patentschutz nicht beansprucht werden kann. Ob das angegebene Planungsverfahren zur Lösung eines technischen Problems verwendet werden kann, ist unerheblich. Eine Methode zur Lösung einer mathematischen Aufgabe wird nicht dadurch patentfähig, dass durch ihre praktische Anwendung ein technisches Problem gelöst werden kann. Das Amt hat somit bei der Zurückweisung des vorliegenden Patentgesuches den bundesrechtlichen Begriff der Erfindung nicht verletzt.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen. | public_law | nan | de | 1,969 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
18ef7c6a-1a8e-4db2-80e3-81190bb587a6 | Urteilskopf
102 Ib 103
19. Urteil vom 28. Mai 1976 i.S. Tresch gegen Schweizerische Eidgenossenschaft | Regeste
Haftung des Bundesbeamten für Schaden, den er dem Bund unmittelbar zufügt (
Art. 8 VG
).
1. Rechtsweg: Verwaltungsrechtliche Klage, nicht Verwaltungsgerichtsbeschwerde (Erw. 1).
2. Kann der Bund den Beamten in die Klägerrolle verweisen? Negative Feststellungsklage des Beamten im vorliegenden Fall zulässig erklärt (Erw. 2).
3. Haftung des Klägers mangels grober Fahrlässigkeit verneint (Erw. 4). | Sachverhalt
ab Seite 103
BGE 102 Ib 103 S. 103
Hans Tresch ist Magazinchef im Eidg. Zeughaus Amsteg. Als er am 3. August 1973 mit dem Lastwagen M + 3131 rückwärts aus einer zum Zeughaus gehörenden Garageboxe fahren wollte, übersah er, dass deren Schiebetor nicht völlig geöffnet war, und beschädigte es mit der hinteren linken Ecke des Lastwagens. Die Reparaturkosten beliefen sich auf Fr. 1'291.--.
BGE 102 Ib 103 S. 104
Mit Schreiben vom 12. August 1974 liess die Kriegsmaterialverwaltung Tresch wissen, er werde nach
Art. 8 VG
mit 10% am Schaden, den er grobfahrlässig verursacht habe, beteiligt werden müssen. Der Beamte bestritt, grobfahrlässig gehandelt zu haben, und wandte ausserdem ein, der Schadenersatzanspruch sei gemäss
Art. 23 VG
verjährt.
Am 22. Januar 1975 "verfügte" das Eidg. Militärdepartement (EMD), Tresch habe zur teilweisen Deckung des Schadens Fr. 129.-- zu bezahlen. Es erklärte ihm, er könne, wenn er nicht einverstanden sei, innerhalb eines Jahres seit Erhalt der "Verfügung" beim Bundesgericht verwaltungsrechtliche Klage gegen den Bund erheben; vorher sei die Stellungnahme des Eidg. Personalamtes einzuholen.
Das Personalamt, an das sich Tresch darauf wandte, gab ihm am 15. Juli 1975 den Bescheid, dass am Anspruch des Bundes festgehalten werde. Es fügte bei, gegen die Verfügung vom 22. Januar 1975 sei die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegeben.
Am 29. Juli 1975 erhob Tresch beim Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, die Verfügung des EMD vom 22. Januar 1975 sei aufzuheben, und von einer Schadenbeteiligung des Beschwerdeführers sei abzusehen.
Das EMD beantragte, auf die Beschwerde sei mangels einer anfechtbaren Verfügung nicht einzutreten. Es bemerkte, Tresch sei nun dadurch in die Klägerrolle verwiesen worden, dass es die Verrechnung des Betrages von Fr. 129.-- mit der Besoldung für den September 1975 angeordnet habe; die Beschwerde könne als Klage entgegengenommen werden.
Das Personalamt reichte eine "Vernehmlassung und Widerklage" ein, womit es dem Gericht beantragte, auf die Beschwerde nicht einzutreten und den Beschwerdeführer zur Zahlung des Betrages von Fr. 129.-- zu verpflichten bzw. die Verrechnung mit dem Lohnguthaben zu schützen. In der Duplik erklärte das Personalamt, der Bund erhebe selber Klage.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Der Schadenersatzanspruch, den der Bund gegenüber Tresch erhebt, stützt sich auf
Art. 8 VG
, wonach der Beamte dem Bund für den Schaden haftet, den er ihm durch vorsätzliche
BGE 102 Ib 103 S. 105
oder grobfahrlässige Verletzung seiner Dienstpflicht unmittelbar zufügt.
Art. 10 Abs. 1 VG
schreibt vor, dass über streitige Ansprüche des Bundes oder gegen den Bund aus diesem Gesetz das Bundesgericht als einzige Instanz im Sinne der Art. 110 ff. (heute Art. 116 ff.) OG entscheidet. Gemäss
Art. 116 OG
beurteilt das Bundesgericht als einzige Instanz, unter Vorbehalt des Art. 117, Klagen in bestimmten Streitigkeiten aus dem Verwaltungsrecht des Bundes. Was Gegenstand der verwaltungsrechtlichen Klage sein kann, wird in
Art. 116 lit. a-k OG
umschrieben. Genannt werden u.a. Streitigkeiten über vermögensrechtliche Leistungen aus dem Dienstverhältnis von Bundespersonal (lit. a) und über ausservertragliche Entschädigungen (lit. c), ferner solche über andere Angelegenheiten, soweit ein Bundesgesetz die verwaltungsrechtliche Klage vorsieht (lit. k). Nach dieser Ordnung ist das Bundesgericht zuständig, über den hier streitigen Anspruch des Bundes im direkten Prozess zu entscheiden.
Es liegt keiner der Fälle vor, in denen nach
Art. 117 OG
die verwaltungsrechtliche Klage unzulässig ist. Insbesondere ist der Ausschlussgrund der lit. c daselbst nicht gegeben. Nach dieser Bestimmung ist die Klage unzulässig, wenn die Erledigung des Streites einer Behörde im Sinne von
Art. 98 lit. b-h OG
zusteht, d.h. wenn eine solche Behörde kraft besonderer Bestimmung des Bundesrechtes befugt ist, über den Streit durch Verfügung zu entscheiden (
BGE 99 Ib 119
); gegen diese Verfügung ist nach dem Schlussatz von
Art. 117 lit. c OG
die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig. Es besteht indes keine besondere bundesrechtliche Bestimmung, welche eine der in
Art. 98 lit. b-h OG
erwähnten Behörden ermächtigen würde, über Streitigkeiten aus
Art. 8 VG
durch Verfügung zu entscheiden. Namentlich enthält Art. 5 der Vollziehungsverordnung zum VG (VV-VG) keine solche Ermächtigung. Er bestimmt in Abs. 1, dass die Wahlbehörde oder, wo der Bundesrat Wahlbehörde ist, das Departement darüber "entscheidet", "ob ein Beamter für dem Bunde unmittelbar zugefügten Schaden belangt werden soll"; bejaht die Behörde diese Frage im einzelnen Fall, so ist nach Abs. 3 dem Beamten davon schriftlich unter Angabe der Gründe Kenntnis zu geben, wobei ihm Einsicht in die Akten zu gewähren und eine angemessene Frist zur schriftlichen Stellungnahme anzusetzen ist; Abs. 4 fügt bei: "In streitig gebliebenen Fällen entscheidet
BGE 102 Ib 103 S. 106
das Bundesgericht (Art. 10 Abs. 1 des Gesetzes)." Diese Vorschriften der Verordnung stehen durchaus im Einklang mit dem darin zitierten
Art. 10 Abs. 1 VG
wie auch mit
Art. 24 VG
, der den Bundesrat beauftragt, die erforderlichen Ausführungsbestimmungen zu erlassen (Abs. 1) und insbesondere "die Zuständigkeit der Departemente und der Abteilungen ... zur Geltendmachung von Schadenersatz- und Rückgriffsansprüchen gegenüber Beamten und zur Durchführung der erforderlichen Prozesse" zu ordnen (Abs. 2). Die Stellungnahme der Wahlbehörde oder des Departements, die in Art. 5 Abs. 1 VV-VG als "Entscheid" bezeichnet wird, ist also nicht eine Verfügung, mit welcher im Sinne von
Art. 117 lit. c OG
über die Streitsache unter Vorbehalt der Beschwerde entschieden würde. Teilt die Wahlbehörde oder das Departement dem Beamten gemäss Art. 5 Abs. 3 VV-VG mit, dass er "belangt werden soll", so gibt sie ihm damit bloss einen Bescheid im Sinne des
Art. 5 Abs. 3 VwVG
, wonach Erklärungen von Behörden über Erhebung von Ansprüchen, die auf dem Klageweg zu verfolgen sind, nicht als Verfügungen gelten.
Als solche Parteierklärung ist im vorliegenden Fall die Verlautbarung des EMD vom 22. Januar 1975 zu qualifizieren, obwohl sie als "Verfügung" bezeichnet ist. In dem Schriftstück wird denn auch der Weg der Klage beim Bundesgericht vorbehalten. Da der in ihm geltend gemachte Anspruch des Bundes streitig geblieben ist, hat darüber das Bundesgericht, dem der Streit unterbreitet worden ist, als einzige Instanz gemäss
Art. 10 VG
und
Art. 116 OG
zu entscheiden.
2.
Da der Anspruch aus
Art. 8 VG
der Eidgenossenschaft zusteht, ist er auch von ihr geltend zu machen. Es erscheint deshalb als folgerichtig, dass der Bund selber Klage beim Bundesgericht erhebt, wenn sein Anspruch streitig geblieben ist. Indes hat das Bundesgericht bisher angenommen, der Bund könne durch Verrechnung des Schadenersatzanspruches mit einem Lohnguthaben des belangten Beamten diesen in die Rolle des Klägers verweisen (
BGE 86 I 179
E. 2,
BGE 89 I 417
f.); im letztgenannten Urteil hat es ferner die Auffassung vertreten, dass der Beamte schon der bloss drohenden Verrechnung durch eine negative Feststellungsklage entgegentreten könne.
BGE 102 Ib 103 S. 107
Man kann sich fragen, ob an dieser Rechtsprechung festzuhalten sei. Die Frage kann jedoch im vorliegenden Falle offengelassen werden. Die Verwaltung durfte sich hier auf die bisherige Praxis des Gerichtes verlassen. Im Vertrauen auf sie hat das EMD Tresch in der Mitteilung vom 22. Januar 1975 darauf hingewiesen, dass er Klage beim Bundesgericht erheben könne, wenn er mit der "verfügten" Schadenbeteiligung nicht einverstanden sei. Tresch hat dann tatsächlich die Rolle des Klägers übernommen, indem er sich mit Eingabe vom 29. Juli 1975 an das Bundesgericht gewandt hat. Unter diesen Umständen rechtfertigt es sich, jedenfalls in der vorliegenden Angelegenheit noch der erwähnten Rechtsprechung zu folgen.
Die Rechtsschrift vom 29. Juli 1975 ist deshalb als verwaltungsrechtliche Klage zu behandeln, obwohl Tresch sie, gemäss der unzutreffenden Belehrung im Bescheid des Personalamtes vom 15. Juli 1975, als Verwaltungsgerichtsbeschwerde bezeichnet hat.
Die Verrechnung wurde von der Verwaltung offenbar erst angeordnet, nachdem Tresch das Bundesgericht angerufen hatte. Er konnte aber nach dem Gesagten schon vor der Verrechnung, die er ja zu gewärtigen hatte, eine negative Feststellungsklage einreichen. Ist die Klage gutzuheissen, so wird damit auch die Verrechnung hinfällig.
Da als Kläger Tresch zu betrachten ist, haben die Erklärungen des Personalamtes, dass der Bund "Widerklage" bzw. seinerseits Klage erhebe, praktisch keine Bedeutung; der Bund ist einfach als Beklagter zu behandeln.
3.
Tresch hatte im administrativen Verfahren eingewandt, der Anspruch des Bundes sei nach
Art. 23 VG
verjährt. Die Verwaltung hatte dies bestritten. Im Verfahren vor Bundesgericht hat der Beamte die Einrede nicht mehr erhoben. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Frage der Verjährung vom Gericht dennoch geprüft werden könnte, und wie sie gegebenenfalls zu beurteilen wäre; denn der Anspruch des Bundes kann auf jeden Fall deshalb nicht geschützt werden, weil er sachlich nicht begründet ist.
4.
Der Beamte kann nur dann nach
Art. 8 VG
haftbar gemacht werden, wenn er den Schaden durch vorsätzliche oder grobfahrlässige Verletzung seiner Dienstpflicht verursacht hat. Im vorliegenden Fall kommt nur Fahrlässigkeit in Betracht. Damit sie als grob bewertet werden kann, muss sie
BGE 102 Ib 103 S. 108
von einer gewissen Schwere sein. Bei der Beurteilung ihres Grades sind die gesamten Umstände des einzelnen Falles zu berücksichtigen (
BGE 86 I 180
/1). Zu beachten ist auch, dass gemäss
Art. 8 VG
eine grobfahrlässige "Verletzung der Dienstpflicht" erforderlich ist. Die Fahrlässigkeit muss nach dem Wortlaut und Sinn dieser Bestimmung derart schwer sein, dass die Verwaltung begründeten Anlass zum Zweifel daran hat, ob der Beamte das Vertrauen, das sie ihm nach seiner amtlichen Stellung muss entgegenbringen können, noch uneingeschränkt verdiene.
Als der Kläger sich am 3. August 1973 anschickte, den Militärlastwagen rückwärts aus der Garageboxe zu führen, übersah er, dass deren Schiebetor nicht weit genug geöffnet war. Er hätte sich vor dem Beginn der Rückwärtsfahrt darüber vergewissern müssen, dass der Ausführung des Vorhabens kein solches Hindernis entgegenstand. Indem der Kläger, der nach
Art. 22 BtG
zur treuen und gewissenhaften Erfüllung seiner dienstlichen Obliegenheiten und zur Wahrung der Interessen des Bundes verpflichtet ist, das Fahrzeug in Bewegung gesetzt hat, ohne sich Gewissheit über die Lage des Schiebetors verschafft zu haben, hat er sich offensichtlich einer fahrlässigen Verletzung seiner Dienstpflicht schuldig gemacht. Klar ist auch, dass ein adäquater Kausalzusammenhang zwischen seinem pflichtwidrigen Verhalten und dem eingetretenen Schaden besteht. Der Kläger gibt denn auch zu, seine Dienstpflicht fahrlässig verletzt und damit dem Bund Schaden zugefügt zu haben. Dagegen bestreitet er, dass seine Fahrlässigkeit als grob im Sinne des
Art. 8 VG
zu qualifizieren sei.
Er macht geltend, das Schiebetor sei von einem anderen Beamten geöffnet worden; er selber habe die Boxe durch einen anderen Eingang betreten, und er habe sich darauf verlassen, dass der Mitarbeiter das Tor vollständig zur Seite geschoben habe. Diese Darstellung wird von der Verwaltung nicht bestritten. Sie ist in der Tat glaubwürdig. Es ist anzunehmen, dass Tresch nur deshalb nicht näher zugesehen hat, weil er darauf vertraut hat, dass das Schiebetor bereits von einem zweiten Beamten weit genug geöffnet worden sei; denn anders lässt sich das Verhalten des Klägers, der vom Verwalter des Zeughauses Amsteg als pflichtbewusster, erfahrener und zuverlässiger Chauffeur bezeichnet wird, nicht wohl erklären.
BGE 102 Ib 103 S. 109
Der Beamte, der das Schiebetor aufgestossen hat, muss angenommen haben, der Kläger würde das Hindernis ohne weiteres von sich aus rechtzeitig sehen. Die beiden müssen sich also missverstanden haben. Solche Missverständnisse können gelegentlich auch erfahrenen und pflichtbewussten Motorfahrzeugführern unterlaufen. Dazu kommt, dass der Kläger sich nicht etwa auf irgendeine ihm nicht näher bekannte Person, sondern auf einen anderen Beamten des Zeughauses verlassen hat. Unter den gegebenen Umständen erscheint die Unachtsamkeit, deren er sich schuldig gemacht hat, nicht als derart schwerwiegend, dass durch sie das Vertrauensverhältnis zwischen der Verwaltung und ihm ernstlich beeinträchtigt würde. Seine Fahrlässigkeit ist somit nicht als grob im Sinne des
Art. 8 VG
zu werten.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Klage wird gutgeheissen. Der Kläger schuldet der Beklagten den streitigen Betrag von Fr. 129.-- nicht. | public_law | nan | de | 1,976 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
18f07531-302b-46a6-8caa-386d7691916f | Urteilskopf
99 V 110
36. Auszug aus dem Urteil vom 11. Juli 1973 i.S. Zumstein gegen Ausgleichskasse des Kantons Obwalden und Kantonale Rekurskommission für Sozialversicherung des Kantons Obwalden | Regeste
Anrechenbares Einkommen (
Art. 3 Abs. 1 ELG
).
Weil das Wohnrecht weder der Substanz noch der Ausübung nach übertragbar ist (
Art. 776 Abs. 2 ZGB
), darf dessen Gegenwert dem Berechtigten, deres aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben kann, bei der Bemessung der Ergänzungsleistung nicht als Einkommen angerechnet werden. | Erwägungen
ab Seite 110
BGE 99 V 110 S. 110
Aus den Erwägungen:
Wie der Sohn der Beschwerdeführerin in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ausführt, steht seiner Mutter auch heute noch das im Teilungsvertrag vereinbarte Wohnrecht in seinem Hause zu. Sie kann esjedoch aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben. Die Ausgleichskasse ist der Meinung, dass die Wohnung ohne grosse Schwierigkeiten an einen Dauerinteressenten oder an Feriengäste vermietet werden könnte, wobei ein jährlicher Erlös von mindestens Fr. 1200.-- resultieren dürfte. Dieser Auffassung kann indessen nicht beigepflichtet werden.
Gemäss
Art. 776 Abs. 2 ZGB
ist das Wohnrecht unübertragbar und unvererblich. Es ist weder der Substanz noch der Ausübung nach übertragbar. Vielmehr steht es dem Berechtigten grundsätzlich bloss für seine Person zu (TUOR, Das Schweizerische Zivilgesetzbuch, 8. Aufl., Zürich 1968, S. 576). Das Wohnrecht erschöpft sich somit in der Benützung der Wohnung durch eigenes Wohnen des Berechtigten und allfällig seiner Familienangehörigen und Hausgenossen (vgl.
Art. 777 ZGB
;
BGE 52 II 136
). Kann die Beschwerdeführerin das Wohnrecht gezwungenermassen nicht mehr ausüben und nach Gesetz auch nicht übertragen, so darf der Gegenwert dieses Rechts bei der Bemessung der ihr zustehenden Ergänzungsleistung nicht als Einkommen angerechnet werden. | null | nan | de | 1,973 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
18f420ae-f88a-4935-9c52-291aac5ee912 | Urteilskopf
140 V 193
25. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. IV-Stelle des Kantons St. Gallen gegen A. (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
9C_850/2013 vom 12. Juni 2014 | Regeste
Art. 6 ATSG
; Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit.
Aufgabenteilung von rechtsanwendender Stelle und begutachtender Arztperson bei der Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit als Grundlage für den Anspruch auf Invalidenrente (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 3.1 und 3.2). Anwendungsfall (E. 3.3). | Sachverhalt
ab Seite 194
BGE 140 V 193 S. 194
A.
A., geboren 1966, war von 2003 bis 23. Dezember 2008 als Justiererin in der Firma B. GmbH tätig, auf welches Datum ihr, seit Mitte September 2008 krankgeschrieben, wegen eines der Arbeitgeberin nicht gemeldeten Auslandaufenthaltes fristlos gekündigt wurde. Am 11. Februar 2009 meldete sie sich unter Angabe von Depressionen, Schwindel, Atemnot sowie Kopfschmerzen bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle des Kantons St. Gallen (nachfolgend: IV-Stelle) klärte die medizinischen und beruflich-erwerblichen Verhältnisse ab, u.a. durch Beizug eines polydisziplinären Gutachtens der Medizinischen Abklärungsstelle (MEDAS) vom 3. Dezember 2010. Mit Vorbescheid vom 20. Juli 2011 und Verfügung vom 26. Oktober 2011 lehnte sie den Antrag der Versicherten auf eine Invalidenrente mangels einer invalidisierenden gesundheitlichen Beeinträchtigung ab.
B.
Die gegen die Verfügung vom 26. Oktober 2011 eingereichte Beschwerde hiess das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 13. November 2013 gut. Es sprach A. mit Wirkung ab 1. September 2009 eine ganze Invalidenrente und ab 1. Januar 2010 eine Viertelsrente zu.
C.
Die IV-Stelle führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Sie beantragt die Aufhebung des kantonalen Entscheides und die Bestätigung der Verfügung vom 26. Oktober 2011.
A. und die Vorinstanz beantragen die Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) verzichtet auf eine Vernehmlassung.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
3.1
Entgegen der im angefochtenen Entscheid zum Ausdruck kommenden Auffassung ist es
in sämtlichen Fällen
gesundheitlicher Beeinträchtigungen, somit auch bei Depressionen,
keineswegs allein
Sache der mit dem konkreten Einzelfall (gutachtlich) befassten Arztpersonen, selber abschliessend und für die rechtsanwendende Stelle (Verwaltung, Gericht) verbindlich zu entscheiden, ob das
BGE 140 V 193 S. 195
medizinisch festgestellte Leiden zu einer (andauernden oder vorübergehenden) Arbeitsunfähigkeit (bestimmter Höhe und Ausprägung) führt. Der Annahme einer solchen abschliessenden medizinischen Entscheidkompetenz stehen im Wesentlichen drei Gründe entgegen. Zunächst ist die Arbeitsunfähigkeit ein
unbestimmter Rechtsbegriff
des formellen Gesetzes (
Art. 6 ATSG
[SR 830.1]). Dessen
allgemeine Konkretisierung
fällt dem
Bundesgericht
zu, während seine
praktische Handhabung im Einzelfall
der
rechtsanwendenden
Stelle obliegt, welche den durch Gesetz und Rechtsprechung gezogenen
normativen Rahmen
zu berücksichtigen hat. Zweitens verlangt der
Grundsatz der freien Beweiswürdigung
(
Art. 61 lit. c ATSG
) eine umfassende, inhaltsbezogene, verantwortliche und der behördlichen Begründungspflicht genügende Prüfung
aller
Beweismittel, somit auch des
Sachverständigengutachtens
, auf Beweiseignung und Beweiskraft im Einzelfall hin; hierbei dürfen die normativen Vorgaben von Gesetz und Rechtsprechung ebenfalls nicht ausgeblendet werden. Drittens gebietet die Natur der Sache unter dem Gesichtswinkel eines rechtsgleichen Gesetzesvollzugs (
Art. 8 Abs. 1,
Art. 29 Abs. 1 BV
) eine administrative bzw. gerichtliche Überprüfung der ärztlichen Stellungnahme zur Arbeitsfähigkeit auf ihre beweisrechtlich erforderliche Schlüssigkeit im Einzelfall hin. Denn zwischen ärztlich gestellter Diagnose und Arbeitsunfähigkeit - und zwar sowohl bei somatisch dominierten als auch bei psychisch dominierten Leiden - besteht
keine Korrelation
(vgl. zum Beispiel die Untersuchungen zu MRI-Rückenbefunden: KLIPSTEIN/MICHEL/LÄUBLI UND ANDERE, Do MRI findings correlate with mobility tests?, Eur Spine 2007 S. 803-811). Deshalb weist die medizinische Folgenabschätzung notgedrungen eine
hohe Variabilität
auf und trägt unausweichlich
Ermessenszüge
(vgl.
BGE 137 V 210
E. 3.4.2.3 S. 253).
3.2
Aufgrund dieser tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten hat die Rechtsprechung seit jeher die Aufgaben von Rechtsanwender und Arztperson im Rahmen der Invaliditätsbemessung wie folgt verteilt: Sache des (begutachtenden)
Mediziners
ist es erstens, den
Gesundheitszustand zu beurteilen
und wenn nötig seine Entwicklung im Laufe der Zeit zu
beschreiben
, d.h. mit den Mitteln fachgerechter ärztlicher Untersuchung unter Berücksichtigung der subjektiven Beschwerden die
Befunde
zu erheben und gestützt darauf die
Diagnose
zu stellen. Hiermit erfüllt der Sachverständige seine genuine Aufgabe, wofür Verwaltung und im Streitfall Gericht nicht kompetent sind (z.B. Urteil 9C_437/2012 vom 6. November 2012 E. 3.2).
BGE 140 V 193 S. 196
Bei der Folgenabschätzung der erhobenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen für die Arbeitsfähigkeit kommt der Arztperson hingegen keine abschliessende Beurteilungskompetenz zu. Vielmehr
nimmt die Arztperson zur Arbeitsunfähigkeit Stellung
, d.h. sie gibt eine
Schätzung
ab, welche sie aus ihrer Sicht so substanziell wie möglich begründet. Schliesslich sind die
ärztlichen Angaben eine wichtige Grundlage
für die juristische Beurteilung der Frage, welche Arbeitsleistungen der Person
noch zugemutet werden
können (so die mit
BGE 105 V 156
E. 1 in fine S. 158 f. begründete und in zahllosen Urteilen bestätigte Rechtsprechung, z.B.
BGE 132 V 93
E. 4 S. 99 f.). Nötigenfalls sind, in Ergänzung der medizinischen Unterlagen, für die Ermittlung des erwerblich nutzbaren Leistungsvermögens die Fachpersonen der beruflichen Integration und Berufsberatung einzuschalten (seit
BGE 107 V 17
E. 2b S. 20 geltende Rechtsprechung, vgl. Urteil 8C_545/2012 vom 25. Januar 2013 E. 3.2.1, nicht publ. in:
BGE 139 V 28
). An dieser Rechtslage haben die von der Vorinstanz relevierten Schlussbestimmungen zur IV-Revision 6a mitsamt Materialien, wonach Depressionen nicht in deren Anwendungsbereich fallen sollen (AB 2010 N 2117 ff., 2011 S 39 f.), nichts geändert.
3.3
Das kantonale Gericht hat ohne Weiteres gestützt auf das MEDAS-Gutachten vom 3. Dezember 2010 und das psychiatrische Konsiliargutachten des Dr. med. C. vom 18. Oktober 2010 eine durch die Depression bedingte vollständige Arbeitsunfähigkeit bis 23. September 2009 und anschliessend eine solche von 40 % angenommen (was nach Einkommensvergleich und mit Blick auf die im Februar 2009 erfolgte IV-Anmeldung zu einer ganzen Invalidenrente ab 1. September 2009 und zu einer Viertelsrente ab 1. Januar 2010 bei einem Invaliditätsgrad von 46 % führte). Diese Vorgehensweise hält vor dem in E. 3.1 und 3.2 Gesagten nicht stand (
Art. 95 lit. a BGG
), weshalb das Bundesgericht an die entsprechenden Tatsachenfeststellungen nicht gebunden ist (Art. 97 Abs. 1 i.V.m.
Art. 105 Abs. 2 BGG
) und, da es sich um einen rechtlichen Mangel handelt, den entscheidwesentlichen Sachverhalt ausnahmsweise selber feststellt.
Nach den Akten hat die Beschwerdegegnerin seit vielen Jahren an multiplen gesundheitlichen Beeinträchtigungen, insbesondere Schmerzen und einem chronisch rezidivierenden Zervikalsyndrom, gelitten, was zwar regelmässig zu Absenzen führte, sie aber nicht daran hinderte, ihre Arbeit in der Produktion der Firma B. GmbH als Justiererin zu verrichten, bevor sie ab 15. September 2008 z.T. 100 %, z.T. 50 % wegen "Kopf- und Nackenschmerzen, Gyni OP,
BGE 140 V 193 S. 197
Appendektomie" (Meldeformular Früherfassung vom 26. Januar 2009) krankgeschrieben wurde. Jedenfalls hat vor Mitte September 2008 eine depressionsspezifische Behandlung nicht stattgefunden. Die Berichte weisen die bezüglich Schweregrad und rezidivierendem oder episodischem Charakter psychiatrisch kontrovers beurteilte Depression klar als
therapeutisch angehbares reaktives Geschehen
auf bestimmte belastende Lebensereignisse aus (Tod der Mutter am 17. Dezember 2008, fristlose Entlassung per 23. Dezember 2008 wegen unentschuldigten Fernbleibens von der Arbeit seit 9. Dezember 2008). Aus den Berichten ergibt sich ferner, dass die zumutbaren Behandlungsmöglichkeiten
in keinem Zeitpunkt
optimal und nachhaltig ausgeschöpft wurden. Es fehlt somit an einer konsequenten Depressionstherapie, deren Scheitern das Leiden als resistent ausweisen würde (Urteil 9C_667/2013 vom 29. April 2013 E. 4.3.2). Schliesslich ist das Beschwerdebild offensichtlich geprägt von Selbstlimitierung in Form passiv-aggressiven Verharrens in der Meinung, dass "Therapeuten sie heilen sollen" (Bericht Psychiatrie-Zentrum D. vom 29. Oktober 2009), mit konsekutiver Dekonditionierung, sodann von offensichtlichem sekundärem Krankheitsgewinn und von grossen Diskrepanzen zwischen Testergebnissen und objektiven Befunden, wofür sich keine psychiatrische Erklärung finden liess. Bei solchen Umständen auf einen rentenbegründenden Invaliditätsgrad zu schliessen ist auch mit Art. 7 Abs. 2 erster Satz ATSG unvereinbar, laut dem für die Beurteilung des Vorliegens einer Erwerbsunfähigkeit ausschliesslich die Folgen der gesundheitlichen Beeinträchtigung zu berücksichtigen sind. Sämtliche Vorbringen der Beschwerdegegnerin vermögen hieran nichts zu ändern. | null | nan | de | 2,014 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
18f6d96a-bb11-474b-a340-5507ea0dd4b6 | Urteilskopf
93 III 1
1. Richtlinien für die eidgenössische Betreibungsstatistik(von der Konferenz der Betreibungs- und Konkursbeamten der Schweiz im Einverständnis mit dem Eidgenössischen Statistischen Amt aufgestellt und von der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer genehmigt; vgl. das Kreisschreiben Nr. 24 des Bundesgerichts vom 23. Dezember 1935,
BGE 61 III 189
ff.). 17. März 1967 | Regeste
Anweisungen und Entscheidungen der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer. | Erwägungen
ab Seite 1
BGE 93 III 1 S. 1
Text auf Deutsch
1. Zahlungsbefehle:
Grundzätzlich sind alle ausgestellten Zahlungsbefehle zu melden, ohne Rücksicht darauf, ob sie zugestellt oder nicht zugestellt, ob sie zurückgezogen, widerrufen oder aufgehoben worden sind.
2. Pfändungsvollzüge:
Als Pfändungsvollzüge sind zu zählen
a) alle Vollzüge mit Einschluss der direkten Verlustscheine (
Art. 115 SchKG
);
b) Gruppenanschlüsse mit oder ohne Ergänzungspfändung;
c) Ergänzungspfändungen auf Begehren von Gläubigern und Nachpfändungen im Sinne von
Art. 145 SchKG
;
BGE 93 III 1 S. 2
d) Änderung von Einkommenspfändungen (Erhöhung des Deckungsbetrages, Revision früherer Vollzüge);
e) Requisitionspfändungen.
3. Verwertungen:
Massgebend ist hier die Zahl der Betreibungen, für welche eine Verwertungshandlung stattgefunden hat. Als solche gilt damit auch ein vom Betreibungsamt vorgenommener Freihandverkauf, der Einzug gepfändeter Einkommensbetreffnisse sowie von Forderungen irgendwelcher Art, die Zuteilung gepfändeter Barschaft, die Zuteilung eingezogener Miet- und Pachtzinse sowie die Anweisung gepfändeter Forderungen an Zahlungsstatt oder zum Inkasso (
Art. 131 SchKG
).
Soweit in der kantonalen Betreibungs-Statistik die für die eidgenössische Statistik benötigten Angaben nicht enthalten sind, ist jene entsprechend zu modifizieren.
Texte en français
Directives concernant la statistique fédérale des poursuites (établies par la Conférence suisse des préposés aux poursuites et aux faillites, d'entente avec le Bureau fédéral de statistique, et approuvées par la Chambre des poursuites et des faillites; cf. la circulaire no 24 du Tribunal fédéral, du 23 décembre 1935, RO 61 III 189 ss). 17 mars 1967
1. Commandements de payer:
En principe, on indiquera tous les commandements de payer rédigés, sans égard au fait qu'ils ont été notifiés ou non, même s'ils ont été retirés, révoqués ou annulés.
2. Saisies exécutées:
On comptera comme saisies exécutées:
a) tous les actes d'exécution, y compris les actes de défaut de biens après saisie infructueuse (art. 115 LP);
b) la participation de créanciers à une série avec ou sans complément de saisie;
c) les compléments de saisie requis par des créanciers et les saisies complémentaires au sens de l'art. 145 LP;
BGE 93 III 1 S. 3
d) la modification des saisies de salaire (augmentation du montant à saisir, revision de saisies antérieures);
e) les saisies opérées à la requête d'un autre office.
3. Réalisations:
C'est le nombre des poursuites dans lesquelles un acte de réalisation a été exécuté qui est déterminant. Il faut donc considérer également comme tel une vente de gré à gré opérée par l'office, l'encaissement de montants saisis sur un revenu ou de créances de n'importe quelle nature, l'attribution d'espèces saisies, l'attribution de loyers et fermages encaissés, ainsi que la cession en paiement de créances saisies, ou le mandat de recouvrement (art. 131 LP).
Dans la mesure où les indications nécessaires pour établir la statistiquefédérale nefigurent pas dans les statistiques cantonales en matière de poursuite, celles-ci seront modifiées en conséquence.
Testo in italiano
Direttive concernenti la statistica federale delle esecuzioni (stabilite dalla Conferenza svizzera degli ufficiali di esecuzione e dei fallimenti d'intesa con l'Ufficio federale di statistica e approvate dalla Camera di esecuzione e dei fallimenti; cfr. la circolare n. 24 del Tribunale federale del 23 dicembre 1935, RU 61 III 189 segg.). 17 marzo 1967
1. Precetti esecutivi:
In principio, devono essere annunciati tutti i precetti esecutivi emessi, senza tener conto se sono stati notificati o meno, se sono stati ritirati, revocati o annullati.
2. Pignoramenti eseguiti:
Vanno annoverati a tale riguardo:
a) tutti gli atti d'esecuzione, ivi compresi gli attestati di carenza di beni a seguito di pignoramento infruttuoso (art. 115 LEF);
b) le partecipazioni di creditori a un gruppo, con o senza completamento del pignoramento;
c) i completamenti di pignoramento richiesti dai creditori e i pignoramenti complementari ai sensi dell'art. 145 LEF;
BGE 93 III 1 S. 4
d) la modificazione di pignoramenti del reddito (aumento dell'importo da pignorare, revisione di pignoramenti anteriori);
e) i pignoramenti eseguiti per rogatoria.
3. Realizzazioni:
Determinante è il numero delle esecuzioni per le quali si è proceduto a un atto di realizzazione. Come tale bisogna quindi considerare anche la vendita a trattative private eseguita dall'ufficio, l'incasso di importi pignorati su un reddito o di crediti di qualsiasi natura, l'attribuzione di pigioni e affitti incassati, cosî come l'assegnazione in pagamento o per l'incasso di crediti pignorati (art. 131 LEF).
Nella misura in cui le indicazioni necessarie per stabilire la statistica federale non figurano nelle statistiche cantonali in materia di esecuzione, queste devono essere modificate in conse guenza. | null | nan | fr | 1,967 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
18f76264-40a7-4a30-aeb1-69cdd46b54c6 | Urteilskopf
106 II 232
47. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 23. September 1980 i.S. M. und AG F. gegen X. (Berufung) | Regeste
Haftung der Kontrollstelle gemäss
Art. 754 OR
.
Verantwortlichkeitsansprüche aus dieser Bestimmung kann auch erheben, wer zur Zeit der Klage nicht mehr Gläubiger der Gesellschaft ist; es genügt, dass er in dieser Eigenschaft unmittelbar geschädigt worden ist. | Sachverhalt
ab Seite 232
BGE 106 II 232 S. 232
A.-
Der Bücherexperte X. war seit dem Geschäftsjahr 1972/73 bis Ende 1976 als Kontrollstelle der AG Z. tätig, die mit Verlusten arbeitete und in finanzielle Bedrängnis geriet. Im Juni 1976 begann die Gesellschaft mit der AG F., deren Verwaltungsrat M. als Präsident vorstand, über eine Abtretung von Aktien zu verhandeln.
Mit Vertrag vom 25. August 1976 erwarb die AG F. von der AG Z. 300 Aktien im Nennwert von je Fr. 1'000.--, wofür sie insgesamt Fr. 300.-- bezahlte. Gleichzeitig vereinbarten die Parteien, das Aktienkapital der AG Z. von Fr. 400'000.-- auf Fr. 1'000'000.-- zu erhöhen; die Differenz war zu Fr. 500'000.- von der AG F. und zu Fr. 100'000.-- von einem Aktionär der AG Z. durch Verrechnung zu liberieren. Gemäss einer weiteren Vereinbarung vom Januar 1977 liess die AG F. sich zum Preise von Fr. 200.-- auch die restlichen 200 Aktien der AG Z. abtreten, wobei die Parteien sich per Saldo auseinandergesetzt erklärten.
Zwischen Januar und Oktober 1977 will M. der AG Z. Darlehen von insgesamt Fr. 1'195'000.-- gewährt haben; dazu kam angeblich noch ein solches der AG F. von Fr. 175'000.--. Zwecks Sanierung der AG Z. trat M. am 21. Dezember 1977 Fr. 825'000.-- seines Guthabens an die AG F. ab und erliess der AG Z. den Rest der Schuld. Gleichzeitig wurde das gesamte
BGE 106 II 232 S. 233
Aktienkapital der AG Z. abgeschrieben und von der AG F. durch Verrechnung mit ihrer Darlehensforderung von nunmehr Fr. 1'000'000.-- neu liberiert.
B.-
Im April klagten M. und die AG F. gegen X. auf Zahlung von Fr. 1'370'000.-- nebst 7% Zins seit 21. Dezember 1977. Sie machten geltend, der Beklagte hafte aus seiner Tätigkeit als Kontrollstelle der AG Z. dem M. für Fr. 370'000.-- und der AG F. für Fr. 1'000'000.--.
Das Handelsgericht des Kantons Zürich wies die Klage am 9. Januar 1980 ab.
Auf Berufung der Kläger hat das Bundesgericht dieses Urteil am 23. September 1980 aufgehoben und die Sache zur Ergänzung des Sachverhaltes und zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Das Handelsgericht hat den Klägern die Befugnis abgesprochen, Verantwortlichkeitsansprüche aus
Art. 754 OR
zu erheben, weil sie im April 1978, als sie klagten, nicht mehr Gläubiger der AG Z. gewesen seien; ihre Aktivlegitimation ergebe sich nur daraus, dass die AG Z. ihnen die Verantwortlichkeitsansprüche gegen den Beklagten abgetreten habe und die AG F. Aktionärin der Zedentin geworden sei.
a) Dass die AG Z. selbst durch das Verhalten des Beklagten geschädigt worden sei, haben die Kläger im kantonalen Verfahren zwar behauptet, nach dem angefochtenen Urteil aber nicht ausreichend dargetan; sie gaben auch keine Anhaltspunkte für eine Schätzung des Schadens. Sie versuchen dies mit der Berufung nicht zu widerlegen, auch nicht mit dem Einwand, die Vorinstanz habe die bundesrechtlichen Anforderungen an die Substantiierung des Schadens verkannt. Da die AG Z. dringend finanzielle Hilfe benötigte und die Kläger die Mittel dafür aufbrachten, ist übrigens nicht zu ersehen, wie die Gesellschaft dabei zu Schaden kommen konnte. Die Klagebegehren lassen sich daher nicht darauf abstützen, dass die AG Z. ihre Ansprüche gegen den Beklagten an die Kläger abgetreten habe oder dass diese als ihre Gläubiger oder Aktionäre mittelbar geschädigt worden seien.
Es ist unbestritten, dass der Kläger M. seine Darlehensforderung gegen die AG Z. anlässlich der Sanierung vom 21. Dezember 1977
BGE 106 II 232 S. 234
teils an die AG F. abgetreten, teils darauf verzichtet und dass diese ihre Guthaben gegen die AG Z. dazu verwendet hat, das zuvor abgeschriebene Aktienkapital wieder zu liberieren. Gleichwohl wollen die Kläger damals mit je Fr. 1.-- pro memoria Gläubiger der AG Z. geblieben sein, was das Handelsgericht aus Versehen nicht berücksichtigt habe. Die Rüge ist indes durch nichts belegt und kaum ernst gemeint. Ebensowenig können die Kläger aus Bestimmungen über die Solidarität etwas für eine spätere Gläubigereigenschaft ableiten, weil auch eine solidarische Haftung mehrerer nicht über eine fehlende Klageberechtigung hinweghilft.
b) Eine andere Frage ist, ob die Kläger unbekümmert darum, dass sie ihre Gläubigereigenschaft vor Einreichung der Klage aus irgendwelchen Gründen eingebüsst haben, gemäss
Art. 754 OR
Ersatz für Schaden verlangen können, den sie angeblich unmittelbar als Gesellschaftsgläubiger erlitten haben. Das Handelsgericht verneinte die Frage unter Hinweis auf FORSTMOSER (Die aktienrechtliche Verantwortlichkeit, S. 39 N. 73), CH.-A. HOTZ (La responsabilité civile des fondateurs de la société anonyme, Diss. Neuenburg 1945, S. 209 N. 129) und GUTZWILLER (Kommentar, N. 6 zu
Art. 917 OR
). FORSTMOSER erklärt an der zitierten Stelle zwar, dass es sich um einen vermögensrechtlichen Forderungsanspruch gegen die AG, also um unmittelbaren Schaden handeln müsse; über den Zeitpunkt, der für die Legitimation massgebend ist, schweigt er sich aber aus. HOTZ äussert sich ebenfalls nicht im Sinne der Vorinstanz und befasst sich am angeführten Ort ohnehin nur mit der mittelbaren Schädigung. Einzig GUTZWILLER hält es ohne weitere Begründung für selbstverständlich, dass der Kläger zur Zeit der Klage Genossenschafter oder Gläubiger sein müsse.
Die herrschende Lehre zum Aktienrecht unterscheidet bei der Aktivlegitimation dagegen klar zwischen mittelbarer und unmittelbarer Schädigung. So kann der unmittelbar betroffene Aktionär, der seinen Aktienbesitz vor Einreichung der Klage verloren hat, infolge seiner früheren Stellung aber noch geschädigt ist, nach
Art. 754 OR
Ersatz verlangen; bloss auf mittelbaren Schaden hat er keinen Anspruch. Gleiches muss für die Gesellschaftsgläubiger gelten (BÜRGI, N. 105 bzw. 103 zu Art. 753/54 OR; FORSTMOSER, S. 28 N. 28 und S. 38 N. 69 bzw. S. 31 N. 42; vgl. auch F. VON STEIGER, Schweiz. Aktienrecht, 4. Aufl. S. 276). Entgegen der Annahme des Handelsgerichts
BGE 106 II 232 S. 235
genügt es deshalb für die Legitimation der Kläger, dass sie in ihren Gläubigerrechten geschädigt wurden, auch wenn sie bei Klageerhebung nicht mehr Gläubiger waren. Ob die Kläger auch heute noch geschädigt oder, wie das Handelsgericht vage anzudeuten scheint, von der Gesellschaft befriedigt worden sind, wird damit nicht bedeutungslos; das ist aber nicht eine Frage der Aktivlegitimation, sondern des Schadensnachweises.
c) Die irrtümliche Annahme der Vorinstanz blieb freilich ohne Folgen für den angefochtenen Entscheid; denn das Handelsgericht hat den Klägern unter anderem einen Anspruch aus unerlaubter Handlung zugestanden, dann aber eine Haftung des Beklagten aus beliebigem Rechtsgrund verneint, weil es an einem Schaden und am adäquaten Kausalzusammenhang fehle. Dass subsidiär die
Art. 41 ff. OR
anwendbar wären, ist zu Recht unbestritten. Die Bestimmungen über die Pflichten der Kontrollstelle (Art. 728/29 OR) sind auch zum Schutze Dritter erlassen worden, die der Gesellschaft insbesondere ein Darlehen gewähren oder sich beteiligen wollen. Verletzt die Kontrollstelle ihre Pflichten, so handelt sie widerrechtlich im Sinne von
Art. 41 Abs. 1 OR
(
BGE 95 III 91
E. 6 c,
BGE 93 II 339
E. 5; vgl. ferner
BGE 101 II 72
E. 2,
BGE 89 II 247
E. 6). Das gilt auch für ihre zusätzlichen Aufgaben (
Art. 731 OR
), weshalb offen bleiben kann, wieweit eine Kontrollstelle wegen Verletzung von Sorgfaltspflichten gemäss
Art. 398 OR
Dritten gegenüber aus
Art. 41 Abs. 1 OR
haften könnte. So oder anders enthebt dies den Richter aber nicht von der Prüfung der Frage, ob die Kläger sich im vorliegenden Fall auf
Art. 754 OR
berufen können, der die Stellung des Geschädigten insbesondere in der Beweislast verbessert. | public_law | nan | de | 1,980 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
18f8165a-cd0a-4647-a5df-1d3b86bc2c88 | Urteilskopf
110 Ia 155
32. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 7. September 1984 i.S. C. c. Regierung des Kantons Graubünden (staatsrechtliche Beschwerde) | Regeste
Art. 4 BV
. Jagdausschluss.
Art. 1, 39 ff., 58 JVG
(SR 922.0).
Jagdberechtigung: Verhältnis von Bundesrecht und kantonalem Recht. | Erwägungen
ab Seite 155
BGE 110 Ia 155 S. 155
Aus den Erwägungen:
2.
...
a) Nach
Art. 1 JVG
sind die Kantone verpflichtet, das Jagdwesen in Übereinstimmung mit dem Gesetz zu regeln und zu überwachen. Sie ordnen die Voraussetzungen für die Erlangung der Jagdberechtigung und bestimmen das Jagdsystem. Die
Art. 39 ff. JVG
enthalten Strafbestimmungen für die einzelnen Jagdvergehen.
Art. 58 Abs. 1 JVG
bestimmt, dass der Ausschluss von der Jagdberechtigung als Nebenstrafe ausgesprochen wird, ferner, dass sich die Wirkung der Nebenstrafe, deren kürzeste Dauer ein und deren längste Dauer zehn Jahre beträgt, auf das ganze Gebiet der Schweiz bezieht. In
Art. 58 Abs. 2 und 3 JVG
wird abschliessend festgelegt, in welchen Fällen die Nebenstrafe auszusprechen ist. Die Kantone sind nach
Art. 58 Abs. 5 JVG
nur befugt, den Ausschluss von der Jagdberechtigung in den Fällen des Abs. 3 bereits bei erstmaliger Verurteilung statt erst bei Rückfall vorzusehen. Es steht ihnen dagegen nicht zu, die Nebenstrafe auf weitere Tatbestände als die in
Art. 58 JVG
aufgezählten auszudehnen (
BGE 94 IV 41
E. 2).
b) Aus dieser gesetzlichen Regelung ist aber nicht zu folgern, dass ein Ausschluss von der Jagdberechtigung einzig als vom Richter zu verhängende Nebenstrafe ausgesprochen werden kann. Das Bundesgesetz über Jagd- und Vogelschutz überlässt es dem kantonalen Recht, die Voraussetzungen für die Erlangung der Jagdberechtigung zu umschreiben. Die Kantone sind dabei einzig durch das Willkürverbot und das Gebot rechtsgleicher Behandlung
BGE 110 Ia 155 S. 156
gebunden. Sie können ohne Verletzung dieser Grundsätze vorschreiben, dass die Jagdberechtigung auch solchen Personen nicht zukommt, die ein Jagdvergehen begangen haben, das nach der bundesrechtlichen Ordnung die entsprechende Nebenstrafe nicht nach sich zieht. Sie können die Erlangung der Jagdberechtigung für den Fall ausschliessen, dass der Bewerber bestimmte schwere Straftaten begangen hat, die mit der Ausübung der Jagd in keinem direkten Zusammenhang stehen (Urteil vom 19. Dezember 1973 i.S. B., in ZBl 75/1974, S. 306 ff.). Steht es den Kantonen zu, die Voraussetzungen für die Erlangung der Jagdberechtigung in der dargelegten Weise zu regeln, so sind sie auch befugt, ein bereits erteiltes Jagdpatent zu entziehen oder die Erteilung für die Zukunft auszuschliessen, wenn der Inhaber die entsprechenden Voraussetzungen nicht mehr erfüllt. Diese Massnahme betrifft aber nur die Jagdberechtigung im verfügenden Kanton, während sich die Wirkung der vom Richter verhängten bundesrechtlichen Nebenstrafe auf das ganze Gebiet der Schweiz erstreckt. In diesem Sinne hat bereits der Bundesrat in konstanter Praxis entschieden (VPB 1964-65, Nr. 158; VEB 1959-60, Nr. 58; 1958, Nr. 36), ebenso das Bundesgericht in zwei unveröffentlichten Entscheidungen vom 29. August 1979 und 18. Juli 1984. | public_law | nan | de | 1,984 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
18ffe06a-029d-4ef5-b96b-e0918198551b | Urteilskopf
122 V 249
36. Urteil vom 10. Juli 1996 i.S. A. gegen Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Solothurn und Versicherungsgericht des Kantons Solothurn | Regeste
Art. 8 Abs. 1 lit. e, Art. 9 Abs. 3,
Art. 13 Abs. 1,
Art. 16 Abs. 1bis,
Art. 23 Abs. 4,
Art. 24 Abs. 1 AVIG
,
Art. 11 Abs. 1 und 4 AVIV
.
Rz. 54 des Kreisschreibens des BIGA über die Arbeitslosenentschädigung (KS-ALE; in der ab 1. Januar 1992 gültigen Fassung), wonach bei der Ermittlung der Beitragszeit bei Erzielung eines Zwischenverdienstes nur die einzelnen Tage, an welchen der Versicherte effektiv zum Einsatz gelangte, und nicht die gesamte Dauer der beitragspflichtigen Arbeitnehmerbeschäftigung zu berücksichtigen sind, ist gesetzeswidrig. | Sachverhalt
ab Seite 249
BGE 122 V 249 S. 249
A.-
Die 1942 geborene A. hatte sich ein erstes Mal am 23. Juli 1992 bei der Arbeitslosenversicherung zum Taggeldbezug gemeldet, wodurch eine zweijährige Rahmenfrist für die Leistungsberechtigung eröffnet worden war. Den Taggeldanspruch in einer zweiten, ab 23. Juli 1994 laufenden
BGE 122 V 249 S. 250
Rahmenfrist für den Leistungsbezug lehnte das Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Solothurn mit Verfügung vom 12. August 1994 ab, weil die Versicherte die hiefür erforderliche Mindestbeitragszeit von 6 Monaten in der zurückliegenden zweijährigen Beitragsrahmenfrist nicht erfülle; sie weise eine beitragspflichtige Beschäftigung während insgesamt lediglich 120,4 Kalendertagen oder 4 Monaten und 0,4 Kalendertagen aus.
B.-
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons Solothurn mit Entscheid vom 16. November 1994 ab.
C.-
A. führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Begehren um Zusprechung von Arbeitslosenentschädigung ab 23. Juli 1994.
Das kantonale Amt verweist auf seinen im vorinstanzlichen Verfahren vertretenen Standpunkt, an welchem es festhält. Das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit (BIGA) hat sich nicht vernehmen lassen.
Erwägungen
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Streitig und zu prüfen ist, ob die für die Anspruchsberechtigung der Beschwerdeführerin erforderliche Mindestbeitragszeit von 6 Monaten innerhalb der ab 23. Juli 1992 bis 22. Juli 1994 dauernden Rahmenfrist für die Beitragszeit als erfüllt gelten kann. Diese Frage beurteilt sich nach Massgabe der Rechtssätze, die im Zeitraum, für welchen Leistungen geltend gemacht werden, Gültigkeit hatten, mithin nach den damals in Kraft stehenden Bestimmungen des Arbeitslosenversicherungsgesetzes (AVIG) und der Arbeitslosenversicherungsverordnung (AVIV).
2.
a) Nach
Art. 9 AVIG
gelten für den Leistungsbezug und für die Beitragszeit zweijährige Rahmenfristen (Abs. 1); die Rahmenfrist für den Leistungsbezug beginnt mit dem ersten Tag, für den sämtliche Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind (Abs. 2), diejenige für die Beitragszeit zwei Jahre vor diesem Tag (Abs. 3); ist die Rahmenfrist für den Leistungsbezug abgelaufen und beansprucht der Versicherte wieder Arbeitslosenentschädigung, so gelten erneut zweijährige Rahmenfristen für den Leistungsbezug und die Beitragszeit (Abs. 4).
b) Eine der Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung besteht darin, dass der Versicherte die Beitragszeit erfüllt hat oder von der Erfüllung der Beitragszeit befreit ist (Art. 8 Abs. 1 lit. e in Verbindung mit
Art. 13 und 14 AVIG
). Die Beitragszeit erfüllt hat laut
BGE 122 V 249 S. 251
Art. 13 AVIG
, wer innerhalb der massgebenden Rahmenfrist (Art. 9 Abs. 3) während mindestens 6 Monaten eine beitragspflichtige Beschäftigung ausgeübt hat (Abs. 1). Was eine beitragspflichtige Beschäftigung ist, ergibt sich aus
Art. 2 Abs. 1 lit. a AVIG
. Danach ist für die Arbeitslosenversicherung beitragspflichtig, wer nach AHVG obligatorisch versichert und für Einkommen aus unselbständiger Tätigkeit beitragspflichtig ist. Wer also als Arbeitnehmer in der zweijährigen Rahmenfrist für den Nachweis der beitragspflichtigen Beschäftigung während mindestens 6 Monaten massgebenden Lohn im Sinne von
Art. 5 Abs. 2 AHVG
bezieht, erfüllt die erwähnte gesetzliche Anspruchsvoraussetzung (
BGE 119 V 158
Erw. 3a mit Hinweisen; vgl. auch
BGE 113 V 352
; ARV 1988 Nr. 8 S. 88 Erw. 3a).
c) Gemäss
Art. 11 AVIV
zählt als Beitragsmonat jeder volle Kalendermonat, in dem der Versicherte beitragspflichtig ist (Abs. 1); Beitragszeiten, die nicht einen vollen Kalendermonat umfassen, werden zusammengezählt, wobei je 30 Kalendertage als ein Beitragsmonat gelten (Abs. 2); die Beitragszeit von Teilzeitbeschäftigten wird nach den gleichen Regeln ermittelt wie bei Arbeitnehmern mit Vollzeitbeschäftigung (Abs. 4 Satz 1); übt der Versicherte gleichzeitig mehrere Teilzeitbeschäftigungen aus, so wird die Beitragszeit nur einmal gezählt (Abs. 4 Satz 2).
Für die Ermittlung der Beitragsdauer sind die Kalendertage massgebend und nicht etwa die Tage, an welchen der Leistungsansprecher tatsächlich einer beitragspflichtigen Beschäftigung nachging. Die Beschäftigungstage, wozu auch solche zählen, an denen der Versicherte unter Umständen nur kurz, z.B. eine Stunde, gearbeitet hat, müssen deshalb mit dem Faktor 1,4 in Kalendertage umgerechnet werden (ARV 1992 Nr. 1 S. 70; GERHARDS, Kommentar zum Arbeitslosenversicherungsgesetz, Band I, S. 170 f., N. 9 ff. zu
Art. 13 AVIG
; vgl. auch Rz. 52 f. des Kreisschreibens des BIGA über die Arbeitslosenentschädigung [KS-ALE; gültig ab 1. Januar 1992] sowie nicht veröffentlichtes Urteil B. vom 20. Oktober 1993, wonach eine Teilzeitbeschäftigung mit Bezug auf die Erfüllung der Minimalbeitragszeit einer Vollzeitbeschäftigung gleichgestellt ist).
3.
a) Während der vom 23. Juli 1992 bis 22. Juli 1994 dauernden zweijährigen Rahmenfrist für den Beitragsnachweis, welche identisch ist mit der ersten zweijährigen Rahmenfrist für den Leistungsbezug, war die Beschwerdeführerin jeweils vorübergehend bei drei verschiedenen Arbeitgebern, nämlich der Institution X, der Drogerie Y und dem Verlag Z beschäftigt. Was die Drogerie Y anbelangt, liegt ein ab 1. Januar 1994 auf
BGE 122 V 249 S. 252
unbestimmte Zeit abgeschlossener Arbeitsvertrag vor, in welchem eine Teilzeitbeschäftigung von wöchentlich 30% von 42 Stunden vorgesehen ist. Dieses Arbeitsverhältnis löste die Drogerie Y am 19. Mai 1994 auf den 30. Juni 1994 auf. Bei dieser Aktenlage ist an sich, nach den in Erw. 2 dargelegten Rechtsgrundlagen, insbesondere der zu
Art. 11 Abs. 1 und 4 AVIV
ergangenen Rechtsprechung, das Erfordernis der beitragspflichtigen Arbeitnehmerbeschäftigung während mindestens 6 Monaten eindeutig erfüllt.
b) Verwaltung und ihr folgend die Vorinstanz wollen die Qualifikation der in diesen drei Arbeitgeberfirmen, namentlich in der Drogerie Y, ausgeübten Beschäftigungen als beitragspflichtige Arbeitnehmertätigkeiten im von
Art. 13 Abs. 1 AVIG
geforderten zeitlichen Mindestumfang von 6 Monaten deswegen nicht gelten lassen, weil die Beschwerdeführerin während dieser Kontrollperioden Lohn aus Teilzeiteinsätzen erhielt, welcher als Zwischenverdienst behandelt wurde, weshalb sie von der Arbeitslosenversicherung zusätzlich Differenzausgleich nach
Art. 24 AVIG
bezog. Gestützt auf die Weisungen des BIGA im KS-ALE zählte die Verwaltung die in den Zwischenverdienstformularen der Institution X und des Verlags Z bestätigten einzelnen Arbeitstage resp. Arbeitseinsätze zusammen. Gleich ging sie bezüglich des Arbeitsverhältnisses mit der Drogerie Y vor, wofür sie aber, da ein dauernder Anstellungsvertrag vorlag, keine Zwischenverdienstformulare über die je einmonatigen Kontrollperioden beigezogen hatte. Die Verwaltung liess somit das auf volle 6 Monate angelegte, rechtlich und tatsächlich vollzogene Arbeitsverhältnis mit der Drogerie Y nicht als sechsmonatige Mindestbeitragszeit gelten, sondern berücksichtigte bei der Ermittlung der Beitragszeit nur einzelne Arbeitseinsätze zwischen 4 und 13 Tagen monatlich, multiplizierte diese mit dem Faktor 1,4 und gelangte so zu einem Ergebnis von Kalendertagen, welches deutlich unter den vom Gesetz geforderten 6 Monaten liegt.
c) Verwaltung und Vorinstanz stützen sich auf die Rz. 47 ff., insbesondere auf Rz. 54 KS-ALE (gültig ab 1. Januar 1992). Diese Verwaltungsweisung hält, nach Darlegung der Rechtsgrundsätze (Rz. 47-51), zutreffend fest, dass ein Arbeitsverhältnis, welches mindestens einen vollen Kalendermonat umfasst, als Beitragsmonat zählt; dabei sei es unerheblich, ob eine beitragspflichtige Beschäftigung (Voll- und Teilzeitbeschäftigung) während aller möglichen Arbeitstage oder nur während eines oder einzelner Arbeitstage (z.B. Aushilfsstelle, Abrufertätigkeit) ausgeübt worden ist;
BGE 122 V 249 S. 253
massgebend sei die vom Arbeitgeber bescheinigte Dauer des Arbeitsverhältnisses bzw. der Beitragspflicht (Rz. 52). Dieser Grundsatz gilt nach der Verwaltungspraxis auch dann, wenn es Beitragszeiten innerhalb der Rahmenfrist für den Leistungsbezug zu ermitteln gilt (Rz. 54). Darauf fährt das Kreisschreiben in Rz. 54 fort:
"Eine Besonderheit ist jedoch dann zu beachten, wenn der Versicherte während der gleichen Beschäftigungsperiode noch Leistungen der Arbeitslosenversicherung beansprucht (Zwischenverdienst). In diesen Fällen ist der Versicherte als Arbeitsloser zu behandeln. Es dürfen nur die Arbeitstage, wie sie z.B. der Arbeitgeber in der Bescheinigung über den Zwischenverdienst ausweist, als Beitragszeiten angerechnet werden. Die Kasse muss die als Beitragszeiten während der Leistungsrahmenfrist angerechneten Arbeitstage tel quel als Beitragszeiten auf eine parallel laufende Beitragsrahmenfrist übertragen. Die gegenteilige Lösung (Anrechnung der Zwischenverdienstzeiten gemäss Arbeitgeberbescheinigung) würde dem Versicherten den Nachweis einer genügenden Beitragsdauer zwar erleichtern, aber anderseits seinen versicherten Verdienst in einer neuen Rahmenfrist ungerechtfertigterweise herabsetzen."
d) Nach ständiger Rechtsprechung (
BGE 119 V 259
Erw. 3a,
BGE 118 V 131
Erw. 3a, 210 Erw. 4c,
BGE 117 V 284
Erw. 4c,
BGE 116 V 19
Erw. 3c, je mit Hinweisen) sind Verwaltungsweisungen keine Rechtsnormen und daher für den Richter - im Gegensatz zu den der Aufsichtsbehörde untergeordneten Durchführungsstellen - nicht verbindlich. Der Richter berücksichtigt aber die Lösung gemäss Verwaltungsweisung, wenn sie eine überzeugende Interpretation des Gesetzes durch die Aufsichtsbehörde zum Zwecke der rechtsgleichen Anwendung des Gesetzes darstellt.
e) Im vorliegenden Verfahren stellt sich die Frage, ob Rz. 54 KS-ALE (gültig ab 1. Januar 1992), auf welche sich die vorinstanzlich bestätigte Ablehnungsverfügung stützt, als rechtmässig betrachtet werden kann.
aa) Wie das Eidg. Versicherungsgericht in
BGE 120 V 233
ausführte, hat die auf den 1. Januar 1992 in Kraft getretene Revision des AVIG ergeben, dass sämtliche Arten von Einkommenserzielung während Perioden kontrollierter Arbeitslosigkeit nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers gleich zu behandeln sind (
BGE 120 V 248
f. Erw. 5b). Dies ist denn im revidierten
Art. 24 Abs. 1 AVIG
auch deutlich zum Ausdruck gekommen, indem diese Bestimmung als Zwischenverdienst ausdrücklich jedes während einer Kontrollperiode erzielte Einkommen aus unselbständiger oder selbständiger Erwerbstätigkeit bezeichnet. Unter diesem Gesichtswinkel der
BGE 122 V 249 S. 254
Gleichbehandlung aller während der Zeiten kontrollierter Arbeitslosigkeit ausgeübten Teilzeittätigkeiten wendet die Beschwerdeführerin durchaus zu Recht ein, dass sie ihre nach Vertrag auf 30% der im Betrieb üblichen Normalarbeitszeit von 42 Stunden pro Woche beschränkte Teilzeitbeschäftigung ohne weiteres auf 5 statt wie in der Regel nur auf 2 bis 3 Tage hätte verteilen können. Diese Argumentation überzeugt jedenfalls dann, wenn der Versicherte tatsächlich und rechtlich ununterbrochen über mehrere Kalendermonate hinweg in einem Teilzeitarbeitsverhältnis steht und aus diesem fest vereinbarte beitragspflichtige Einkünfte erzielt, deren Höhe nicht davon abhängt, wie die Arbeitseinsätze im Ablauf einer Woche angesetzt werden.
bb) Abgesehen davon trägt Rz. 54 KS-ALE den durch den auf den 1. April 1993 in Kraft getretenen und bis 31. Dezember 1995 gültig gewesenen dringlichen Bundesbeschluss vom 19. März 1993 über Massnahmen in der Arbeitslosenversicherung bewirkten Rechtsänderungen nicht Rechnung. Mit diesem Bundesbeschluss hat der Gesetzgeber den Begriff der zumutbaren Arbeit, zu deren Annahme der Versicherte nach
Art. 17 AVIG
verpflichtet ist, erweitert, indem er
Art. 16 AVIG
einen Abs. 1bis angefügt hat. Danach gilt eine Arbeit, die alle Bedingungen der Zumutbarkeit mit Ausnahme derjenigen von Abs. 1 Buchstabe e erfüllt, solange als zumutbar, als der Versicherte Kompensationsleistungen nach
Art. 24 AVIG
erhält. Aus dieser vorliegend intertemporalrechtlich ohne weiteres anwendbaren Bestimmung ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin verpflichtet war, die Beschäftigung in der Drogerie Y ab 1. Januar 1994 anzunehmen, nachdem keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind und auch nicht behauptet wird, dass es sich dabei um ein - ausser in der Lohnfrage - unzumutbares Arbeitsverhältnis gehandelt hätte.
Bedeutsam ist, dass der Bundesgesetzgeber die Pflicht zur Annahme einer lohnmässig unzumutbaren Arbeit nach
Art. 16 Abs. 1bis AVIG
bei Erhalt von Kompensationsleistungen im Sinne des revidierten
Art. 24 AVIG
auch in bezug auf die Entwicklung des versicherten Verdienstes berücksichtigte. So fügte er mit dem erwähnten dringlichen Bundesbeschluss dem
Art. 23 AVIG
einen neuen Abs. 4 an, gemäss welchem in Fällen, in denen die Verdienstberechnung auf einem Zwischenverdienst nach
Art. 24 AVIG
beruht, den der Versicherte in der Beitragsrahmenfrist von
Art. 9 Abs. 3 AVIG
erzielt hat, die ergänzende Arbeitslosenentschädigung für die Ermittlung des versicherten Verdienstes mitberücksichtigt wird, wie wenn darauf Beiträge zu entrichten wären. Nationalrat Allenspach führte dazu in der vorberatenden
BGE 122 V 249 S. 255
nationalrätlichen Kommission für Soziale Sicherheit und Gesundheit (SGK) aus, es gehe darum, dass eine Arbeit auch zumutbar sein soll, wenn eine schlechter entlöhnte Arbeit im Vergleich zur Arbeitslosenentschädigung angeboten wird; die Differenz zwischen einem solchen Zwischenverdienst und der Arbeitslosenentschädigung werde von der Arbeitslosenversicherung ausgeglichen, verbunden mit einem gewissen Bonus; der Arbeitslose könne sich demnach nicht mehr weigern, einen solchen Zwischenverdienst anzunehmen; weiter habe er eine Klausel eingebaut, um zu verhindern, dass bei Erzielung eines Zwischenverdienstes in der nachfolgenden Periode die Arbeitslosentaggelder neu auf dem tieferen Zwischenverdienst ausgerechnet werden können (Sitzungsprotokoll vom 11. Februar 1993, S. 39 unten in Verbindung mit Anhang 9a). In der vorberatenden Kommission des Ständerates wurde dieser Zusammenhang klar erkannt. So erklärte BIGA-Direktor Nordmann, wenn ein Zwischenverdienst, der nur dank der Zwischenverdienstabrechnung zumutbar sei, als zumutbar erklärt werde, wenn also jemand schon gleichsam dazu gezwungen werde, dann sei es sinnvoll, diese Phase später auch entsprechend zu berücksichtigen, und zwar im ganzen Betrag und nicht nur mit dem wenigen, das er verdient hat (Sitzungsprotokoll der vorberatenden ständerätlichen Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit vom 22. Februar 1993, S. 52). Dem stimmten Nationalrat (Sten.Bull. N 1993 158 2. Spalte unten f.) und Ständerat zu (Sten.Bull. S 1993 118 1. Spalte unten). Ständerätin Josy Meier hielt dabei fest, sie spreche zu Art. 23 Abs. 4 und Art. 24 Abs. 5 gemeinsam; in Art. 16 sei ein Konzept über die Zumutbarkeit der Arbeit und den Zwischenverdienst verabschiedet worden; hier gehe es nur noch um dessen Vollzug; dies sei in der Kommission des Ständerates und im Nationalrat so akzeptiert worden; wolle man den Beschlüssen bei Art. 16 nicht widersprechen, müssten jetzt diese beiden Artikel ebenfalls angenommen werden (Sten.Bull. S 1993 118 1. Spalte unten).
Aufgrund dieser Materialien, welche in dem seit 1. April 1993 geltenden Gesetzestext ihren Niederschlag gefunden haben, ist einwandfrei erstellt, dass genau jenes Motiv gemäss Rz. 54 KS-ALE, welches für die Berücksichtigung bloss der einzelnen Einsatztage, an welchen auch effektiv gearbeitet wurde, und nicht der gesamten Zeiten arbeitsvertraglich vereinbarter beitragspflichtiger Zwischenverdienstbeschäftigungen sprach - nämlich die Gefahr, dass sich in der nachfolgenden Rahmenfrist der versicherte Verdienst wegen des Zwischenverdienstes ungerechtfertigterweise
BGE 122 V 249 S. 256
vermindern könnte - beseitigt worden ist. Damit aber ist kein Grund ersichtlich, beim Nachweis der beitragspflichtigen Mindestbeschäftigung von 6 Monaten nach
Art. 13 Abs. 1 AVIG
im Falle von Zwischenverdienst nur die einzelnen Tage, an welchen tatsächlich gearbeitet wurde, und nicht die gesamte Dauer der beitragspflichtigen Arbeitnehmerbeschäftigungen zu berücksichtigen. Insofern erweist sich Rz. 54 KS-ALE als gesetzeswidrig, und zwar auch unter dem seit 1. Januar 1996 geltenden Recht, soweit Art. 23 rev. Abs. 4 AVIG inhaltlich im hier wesentlichen Kerngehalt beibehalten wurde.
4.
Die Beschwerdeführerin ging vom 1. Januar bis 30. Juni 1994 in der Drogerie Y ununterbrochen einer beitragspflichtigen Beschäftigung nach, welche ihr Einkünfte von monatlich Fr. 1'100.-- bis Fr. 1'200.-- einbrachte. Nach dem Gesagten ist damit das in
Art. 13 Abs. 1 AVIG
aufgestellte Erfordernis einer Mindestbeitragszeit von 6 Monaten erfüllt. Die Beschwerdeführerin ist demnach berechtigt, für die Zeit ab 23. Juli 1994 Arbeitslosenentschädigung zu beziehen, sofern auch die übrigen Anspruchsvoraussetzungen gegeben sind. | null | nan | de | 1,996 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
1907cd36-db94-4e77-91b3-25b9a8928cbe | Urteilskopf
122 V 265
38. Auszug aus dem Urteil vom 19. August 1996 i.S. Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit gegen P. und Kantonale Rekurskommission i.S. Arbeitslosigkeit, Sitten | Regeste
Art. 15 Abs. 1,
Art. 59 ff. AVIG
.
Vermittlungsfähigkeit eines Versicherten, der während der Arbeitslosigkeit einen Kurs besucht, ohne dass die Bedingungen von
Art. 59 ff. AVIG
gegeben sind. | Erwägungen
ab Seite 265
BGE 122 V 265 S. 265
Aus den Erwägungen:
3.
Das beschwerdeführende BIGA macht geltend, die Versicherte habe den Kurs nach der Ablehnung seitens des Arbeitsamtes auf eigene Kosten besucht. Angesichts der Gesamtauslagen von Fr. 2780.-- und der negativen Bewertung durch die Arbeitsmarktbehörde sei erwiesen, dass sie bloss ein persönliches Berufsziel, nämlich den Erhalt eines Diploms, habe erreichen wollen. Da
BGE 122 V 265 S. 266
hiezu unabdingbarerweise der gesamte Kurs besucht werden müsse, sei die Versicherte nicht mehr ernsthaft bereit gewesen, sich um eine Stelle zu bemühen. Bloss verbal erklärte Vermittlungsbereitschaft genüge dabei nicht; vielmehr müsse sich diese Bereitschaft anhand objektiver Kriterien erkennen lassen. Wer nichts unternehme oder Dispositionen treffe, welche der Vermittlungsbereitschaft entgegenständen, könne sich nicht darauf berufen, er habe Arbeit suchen wollen. Das Kriterium, welches das Eidg. Versicherungsgericht in ARV 1990 Nr. 22 S. 139 erarbeitet habe, nämlich ob der Versicherte jederzeit bereit und in der Lage sei, den Kurs abzubrechen, erweise sich als untauglich. Jede Kursleitung werde attestieren, dass ein sofortiger Kursabbruch möglich sei, da ihr schliesslich die geleisteten Kursgelder verblieben. Deshalb komme einer entsprechenden Bestätigung kein Beweiswert zu.
4.
Es besteht entgegen der Auffassung des BIGA kein Anlass, von den in ARV 1990 Nr. 22 S. 139 festgehaltenen Kriterien abzugehen. Zu unterscheiden sind der objektive und der subjektive Bereich der Vermittlungsfähigkeit. Klarzustellen ist dabei, dass die hier zu prüfende Vermittlungsfähigkeit gemäss
Art. 15 AVIG
nicht mit der Vermittelbarkeit auf dem Arbeitsmarkt gleichgestellt werden darf (
BGE 120 V 390
Erw. 4c/aa; vgl. auch GERHARDS, Kommentar zum Arbeitslosenversicherungsgesetz, N. 43 ff. zu
Art. 59 AVIG
). Zwar darf angenommen werden, diese sei durch den Kursbesuch gesteigert worden; davon unabhängig beurteilt sich indessen im vorliegenden Zusammenhang, ob während der Arbeitslosigkeit die Vermittlungsfähigkeit im Sinne von
Art. 15 Abs. 1 AVIG
gegeben war.
Hinsichtlich des objektiven Bereichs der Vermittlungsfähigkeit ist festzuhalten, dass der Besuch eines ganztägigen Kurses die Annahme einer erwerblichen Tätigkeit ausschliesst. Die Vermittlungsfähigkeit kann daher nur bejaht werden, wenn eindeutig feststeht, dass der Versicherte bereit und in der Lage ist, den Kurs jederzeit abzubrechen, um eine Stelle anzutreten. Dies ist aufgrund objektiver Kriterien zu prüfen. Die Willensäusserung des Versicherten allein genügt hiezu nicht. Vielmehr ist eine entsprechende überprüfbare Bestätigung der Schulleitung zu verlangen, worin auch die allfälligen finanziellen Konsequenzen eines Kursabbruchs enthalten sein müssen.
In subjektiver Hinsicht muss feststehen, dass der Versicherte auch während des Kursbesuches seiner Pflicht zu persönlichen Arbeitsbemühungen nachgekommen ist. Daher müssen an die Disponibilität und Flexibilität der
BGE 122 V 265 S. 267
Versicherten, die freiwillig und auf eigene Kosten einen nicht bewilligten Kurs besuchen, erhöhte Anforderungen gestellt werden. Sie müssen ihre Arbeitsbemühungen qualitativ und quantitativ fortsetzen und bereit sein, den Kurs unverzüglich abzubrechen, um eine angebotene Stelle anzutreten. Eine entsprechende Willenshaltung oder die bloss verbal erklärte Vermittlungsbereitschaft genügt nicht. Bei fehlender Aktivität und Dispositionen, die der Annahme der Vermittlungsbereitschaft entgegenstehen, kann sich der Versicherte nach den zutreffenden Ausführungen des BIGA nicht darauf berufen, er habe die Vermittlung und Suche einer Arbeit gewollt.
In diesem Sinne ist die Rechtsprechung ARV 1990 Nr. 22 S. 139 zu präzisieren. | null | nan | de | 1,996 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
19080330-9e2b-4d29-aada-47aeda1ba203 | Urteilskopf
98 Ib 447
65. Sentenza 8 dicembre 1972 nelle causa Monte Sole SA contro Dipartimento federale dell'Interno. | Regeste
Rodungsbewilligung; BG vom 11. Oktober 1902/18. März 1971 betreffend die eidgenössische Oberaufsicht über die Forstpolizei (FPG) und Vollziehungsverordnung vom 1. Oktober 1965/25. August 1971 (FPV).
1. Der Bundesrat hat dadurch, dass er die neuen Bestimmungen vom 25. August 1971 auf noch nicht entschiedene Rodungsgesuche anwendbarerklärt hat, die ihm im FPG delegierte Kompetenz nicht überschritten (Erw. 1).
2. Abwägung der Interessen im Sinne des
Art. 26 FPV
(Erw. 2 und 4).
3. Relativer Charakter des in
Art. 26 Abs. 3 FPV
verlangten Zusammenhangs zwischen dem geplanten Werk und der Rodung (Erw. 3).
4. Berücksichtigung des Heimatschutzes. Bedeutung der Auffassung der kantonalen Behörde (Erw 5).
5. Privates Interesse an der Rodung; konkreter Fall (Erw. 6).
6. Öffentliches Interesse an der Rodung (im vorliegenden Fall: Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Entwicklung der Gegend). Die für die Bewilligung zuständige Bundesbehörde hat zu berücksichtigen, was die Kantonsregierung in dieser Beziehung geltend macht (Erw. 7 und 8). | Sachverhalt
ab Seite 448
BGE 98 Ib 447 S. 448
A.-
La Società Monte Sole SA, Lugano, si propone di costruire sulla collina denominata "Calangelo" (ca 800 metri sul livello del mare) nel territorio dei comuni di Iseo e di Cimo un grande agglomerato edilizio. A tal fine essa prevede un'area di circa 15 ettari, costituita da bosco, che ha in parte già acquistato o di cui s'é riservata la disponibilità. È progettata l'edificazione di 200-250 appartamenti in otto case a terrazza, ognuna con una superficie di ca 30-40 x 80 metri e 11-16 piani, disposte a stella nella parte orientale-meridionale e occidentale della collina.
Le azioni della Monte Sole saranno donate alla fondazione americana "Progress Foundation" non appena questa sarà costituita; detta fondazione intende realizzare progetti di ricerca scientifica, soprattutto nel campo del comportamento umano con riferimento alla struttura politica e sociale dell'attuale civiltà. Non è escluso che la Monte Sole SA sia in un secondo tempo sciolta e che la sua proprietà fondiaria sia assunta direttamente dalla fondazione.
La prevista agglomerazione includerà un auditorio, una grande biblioteca, locali di studio e di lavoro, un albergo, un ristorante, un centro commerciale, ecc. Gli appartamenti saranno messi a disposizione anzitutto delle persone, in prevalenza cittadini americani, che hanno effettuato donazioni a favore
BGE 98 Ib 447 S. 449
della fondazione, nonchè del personale scientifico ed amministrativo al servizio di quest'ultima.
L'attuazione di questo progetto è auspicata e appoggiata dai comuni della zona e dal governo ticinese, che se ne ripromettono uno sviluppo economico di quella regione malcantonese. La Monte Sole SA dichiara d'aver speso sinora per l'acquisto di terreni, lavori di progettazione ecc., un importo maggiore di franchi 600 000.--.
B.-
Per procedere alla costruzione del centro nel modo originariamente previsto è necessario il dissodamento di circa 35 000 mq. di bosco sulla collina Calangelo. La Monte Sole SA presentava il 23 agosto 1968 la relativa domanda presso l'Ispettorato forestale del VI Circondario del cantone Ticino. Il Dipartimento cantonale delle costruzioni trasmetteva la domanda il 6 febbraio 1969 al Dipartimento federale dell'interno, che ordinava un sopralluogo, avvenuto il 23 settembre 1969. Con decisione del 31 dicembre 1971 il Dipartimento respingeva la domanda di dissodamento, rilevando in sostanza che nella ponderazione degli interessi in gioco risultava preminente la funzione protettrice, in senso stretto e lato, dell'estesa area boscata di cui si chiedeva il dissodamento, e che anche dal punto di vista della tutela del paesaggio e della pianificazione del territorio la domanda non poteva essere accolta.
C.-
Contro tale decisione la Monte Sole SA ha proposto tempestivo ricorso di diritto amministrativo, chiedendone l'annullamento; essa domanda il rilascio dell'autorizzazione di dissodamento, con protesta delle spese.
Il Dipartimento federale dell'interno postula la reiezione del gravame.
Il Consiglio di Stato del cantone Ticino chiede che il ricorso sia accolto.
La Lega svizzera per la protezione della natura, invitata a prendere posizione, s'è astenuta dall'inviare osservazioni.
Una delegazione del Tribunale federale ha proceduto ad un sopralluogo il 3 luglio 1972.
Erwägungen
Considerando in diritto:
1.
Ai sensi dell'art. 50 cpv. 1 della legge federale concernente l'alta vigilanza della Confederazione sulla polizia delle foreste, dell'11 ottobre 1902 (LVPF), il Consiglio federale deve emanare i necessari regolamenti d'esecuzione di tale legge. Fondandosi
BGE 98 Ib 447 S. 450
su questa sua competenza, il Consiglio federale ha adottato il 10 ottobre 1965 un'ordinanza d'esecuzione (OVPF). Con legge federale del 18 marzo 1971 è stato aggiunto all'art. 50 LVPF un secondo capoverso, il quale conferisce, tra l'altro, al Consiglio federale la competenza di emanare direttive speciali sul modo di trattare le domande di dissodamento. Il Consiglio federale ha modificato pertanto il 25 agosto 1971 l'ordinanza di esecuzione. La disposizione transitoria di tale decreto del Consiglio federale del 25 agosto 1971 stabilisce che le nuove norme sono applicabili alle domande di dissodamento in esame ma non ancora decise all'entrata in vigore del decreto stesso. I ricorsi contro decisioni prese prima dell'entrata in vigore delle nuove disposizioni sono invece giudicati secondo il diritto precedente. Nel dichiarare applicabili alle domande non ancora decise il diritto nuovo, il Consiglio federale non ha ecceduto la competenza accordatagli di emanare direttive speciali sul modo di trattare le domande di dissodamento. Poichè la domanda della ricorrente era pendente, ma non ancora decisa, al momento dell'entrata in vigore delle nuove disposizioni, essa va giudicata secondo queste ultime, ciò che non è d'altronde contestato dalla stessa ricorrente.
2.
L'art. 31 LVPF dispone che l'area boschiva della Svizzera non può essere diminuita. L'art. 24 cpv. 1 OVPF precisa che la conservazione di tale area si riferisce tanto alla sua estensione che alla sua distribuzione regionale. Questo precetto va interpretato nel senso che non può, in linea di principio, essere diminuita l'area di un bosco concretamente esistente. I dissodamenti sono quindi soggetti ad autorizzazione, il cui rilascio incombe, secondo se si tratti di foreste protettrici o non protettrici e, nel caso delle prime, secondo l'estensione del dissodamento richiesto, alle autorità federali o a quelle cantonali (art. 25 bis OVPF). Nella fattispecie, poichè s'è in presenza d'una foresta protettrice - tutti i boschi del cantone Ticino sono stati dichiarati tali in virtù del decreto del Dipartimento cantonale dell'agricoltura del 13 maggio 1913 - e poichè la superficie da dissodare è superiore alle 200 are, competente per l'autorizzazione è il Dipartimento federale dell'interno.
Il senso dell'art. 31 LVPF è quello di proibire in linea di principio i dissodamenti e d'autorizzarli soltanto ove siano dettati da un interesse rilevante, chiaramente superiore a quello
BGE 98 Ib 447 S. 451
della conservazione dell'area boschiva. La riduzione di quest'ultima deve quindi essere impedita ogni qual volta non corrisponda ad una imperiosa necessità (sentenza del Tribunale federale del 22 dicembre 1971 nella causa Ruch c. Dipartimento federale dell'interno, consid. 4b, pubblicata in "Schweizerisches Zentralblatt für Staats- und Gemeindeverwaltung", 1972, vol. 73, p. 447 ss., e richiami ivi menzionati). Ogni dissodamento deve, di regola, essere compensato con un rimboschimento di superficie equivalente, nella stessa regione.
Concretando il precetto della conservazione dell'area boschiva il Consiglio federale ha precisato nell'art. 26 OVPF i principi da seguire nel trattare le domande di dissodamento. Esso ha disposto che il dissodamento può essere autorizzato soltanto se è provata l'esistenza di una necessità preponderante, di ragione più valida dell'interesse alla conservazione della foresta. Ciò significa che in ogni procedura deve essere compiuta previamente una ponderazione degli interessi in gioco. L'interesse ad un dissodamento può essere meramente privato, oppure pubblico, oppure privato e pubblico nello stesso tempo. La questione di sapere se esiste una situazione particolare che valga a giustificare un dissodamento è una questione di diritto, che è esaminata liberamente dal Tribunale federale. Per converso, costituisce prevalentemente una questione d'apprezzamento quella concernente il genere di deroghe alla regola generale e le misure che s'impongono, alla luce delle particolari circostanze, nel caso concreto.
L'art. 26 OVPF dispone espressamente che non devono esistere ragioni di polizia che si oppongano al dissodamento. Ai fini della valutazione dei contrapposti interessi, gli interessi finanziari, quali il miglior sfruttamento del suolo o la ricerca di terreno a buon mercato, non possono essere considerati quali necessità preponderante.
Nella fattispecie tali aspetti non risultano determinanti. Le funzioni protettive in senso esclusivamente tecnico della zona boscata di cui si chiede il dissodamento, ossia la salvaguardia da essa garantita contro scoscendimenti, erosione, ecc., possono essere verosimilmente, almeno in larga misura, assicurate anche da opere ad hoc, quali muri protettivi, ecc. La scelta della collina "Calangelo" per l'insediamento del centro pare, d'altra parte, non tanto dettata dal desiderio di una utilizzazione particolarmente
BGE 98 Ib 447 S. 452
intensa del terreno o di disporre d'un'area edificabile a un prezzo conveniente, quanto dal proposito di giovarsi della posizione paesaggistica assai pregiata della collina stessa.
3.
L'art. 26 cpv. 3 OVPF stabilisce che l'opera per cui è chiesto il dissodamento debba poter essere realizzata unicamente nel luogo previsto. Tale norma va interpretata non in modo assoluto, chè altrimenti rarissimi sarebbero i casi nei quali un dissodamento potrebbe essere autorizzato (dissodamenti per tracciati ferroviari o stradali, installazioni idroelettriche, ecc.); una limitazione tanto drastica del diritto di proprietà, sia pure a tutela dell'importante interesse pubblico rappresentato dalla conservazione dell'area boschiva, non sarebbe potuta essere adottata dal governo in via di ordinanza, ma avrebbe semmai necessitato la forma della legge. Non è infatti concepibile che il Parlamento abbia inteso delegare al Consiglio federale una competenza tanto estesa, quale quella di escludere in pratica quasi del tutto qualsiasi dissodamento, astraendo dagli interessi, anche pubblici, meritevoli di tutela che possono in determinate circostanze militare a favore di un dissodamento. La regola posta da tale disposizione acquista invece un significato più aderente al regime giuridico in cui essa è inserita, ove le si riconosca un valore relativo, ossia quello d'un elemento che deve certamente essere considerato nel quadro della ponderazione degli interessi in gioco, ma che non deve necessariamente essere determinante. Vi saranno così casi in cui, in assenza d'interessi pubblici di rilievo a favore del dissodamento, l'aspetto della connessione tra il luogo da dissodare e l'opera prevista sarà decisivo, tenuto conto del principio della conservazione dell'area forestale. In altri casi, invece, questo aspetto dovrà cedere il passo ad altre considerazioni ritenute nel caso concreto di maggior momento.
In particolare, potrà eventualmente prescindersi dal cennato requisito della stretta connessione ove da una pianificazione accuratamente effettuata risulti che la richiesta modifica dell'area boschiva corrisponde ad un interesse pubblico preponderante ed è tale da favorire il necessario sviluppo del comune o della regione, il quale non potrebbe essere realizzato in altra guisa.
Nella fattispecie, è assai dubbio se la connessione necessaria, considerata di per se stessa, sia data, poichè è concepibile che i promotori del centro possano ricercare e trovare altrove una
BGE 98 Ib 447 S. 453
superficie adeguata per attuare il loro proposito, ancorchè debba ammettersi che il reperimento d'un'altra area corrispondente ai loro disegni non sia agevole e che il progetto originario dovrebbe allora essere verosimilmente ridimensionato (ciò che però gli interessati sembrano disposti, almeno in certa misura, a fare nel luogo ora previsto, se tale modificazione valesse loro il conseguimento della richiesta autorizzazione). La questione può comunque essere pel momento lasciata aperta, dato che, come si vedrà più innanzi, la sua rilevanza è subordinata rispetto a quella del problema degli interessi pubblici, che appare qui primordiale.
4.
La superficie che la ricorrente intende dissodare fa parte d'un esteso bosco, il quale ricopre la sommità della collina "Calangelo", spartiacque tra i comuni di Cimo e d'Iseo. Questo bosco è costituito in parte d'alberi d'alto fusto (castagni), in parte d'alberi di dimensioni minori. Lo stato in cui esso si trova appare negletto, ciò che è dovuto al suo scarso rendimento economico. Esso è attraversato da alcuni sentieri, parzialmente invasi dalla vegetazione, che possono essere utilizzati dagli escursionisti. Dalla vetta della collina si gode d'un'ampia vista panoramica sul lago di Lugano e sul lago Maggiore.
Il dissodamento richiesto implicherebbe l'eliminazione di una considerevole estensione boschiva e, di conseguenza, una notevole amputazione del bosco colà esistente. Una rilevante modificazione dell'ambiente originario sarebbe inevitabile anche ove la ricorrente risolvesse di cambiare il suo progetto iniziale e si limitasse a costruire sul pendio settentrionale, verso Iseo, rinunciando ad una edificazione verso Cimo e il lago di Lugano.
La ricorrente fa valere che le attuali condizioni del bosco lasciano assai a desiderare e che quest'ultimo non trae beneficio a nessuno. Essa propone di sostituire parte del bosco dissodato con un parco, ben curato, in parte accessibile al pubblico, e s'impegna a piantare due nuovi alberi per ogni albero eliminato. Al proposito va osservato che la creazione di un parco non può, per la sua distinta natura, compensare di per sè la scomparsa di un bosco naturale, sia pure attualmente inselvatichito oltre misura. Inoltre, il rimboscamento compensativo, che è d'altronde prescritto dall'art. 26 bis OVPF, tarderebbe assai a fornire un risultato soddisfacente.
Tenuto conto dell'interesse pubblico alla conservazione dell'area boschiva in generale, e a quello della salvaguardia, nel caso
BGE 98 Ib 447 S. 454
particolare, di una estesa zona boscata in un punto panoramico di notevole rilievo, ciò che acquisterà un'importanza ancora maggiore allorchè la regione diverrà, più ancora d'adesso, una meta di escursioni ed una fonte di svago e di ristoro, risulta che nella ponderazione degli interessi in gioco deve essere usato un criterio rigoroso; essendo intenso l'interesse pubblico alla conservazione del bosco litigioso, l'opposto interesse privato ed eventualmente pubblico dev'essere manifestamente superiore nei suoi riguardi, ossia assai spiccato, ove s'intenda dar luogo alla domanda di dissodamento.
5.
Il cpv. 4 dell'art. 26 OVPF prescrive che dev'essere tenuto conto debitamente della natura e del paesaggio. Tale disposizione corrisponde all'obbligo posto a carico delle autorità dalla legge federale sulla protezione della natura e del paesaggio, del 10 luglio 1966, di provvedere, nella concessione dei permessi di dissodamento, perchè le caratteristiche del paesaggio siano rispettate e, ove predomini l'interesse generale, conservate intatte (v. art. 3 cpv. 1 in relazione con l'art. 2 lett. b in fine).
Il complesso edilizio progettato sulla collina "Calangelo" costituirebbe senza dubbio una modificazione importante dell'aspetto panoramico. Il fatto che già esistano nel Ticino vari edifici costruiti sulla sommità di un monte non toglie, come giustamente ha ritenuto il Dipartimento, che sia opportuno impedire un ulteriore dilagare di questo vezzo, atto ad alterare la bellezza paesaggistica. Sia la Società ticinese per la conservazione delle bellezze naturali ed artistiche, che la Commissione federale per la protezione della natura e del paesaggio si sono espresse a tal riguardo contro la realizzazione del progetto.
È possibile che anche un progetto ridotto abbia un'incidenza sulla situazione panoramica. In assenza di un simile progetto in forma concreta, la questione può essere lasciata aperta.
In quanto appaiano determinanti ragioni dettate dalla protezione della natura, può tuttavia esigersi dalla ricorrente che essa sottoponga al Dipartimento una nuova domanda che tenga conto dei rilievi fatti al proposito dalle autorità competenti. La protezione della natura e del paesaggio essendo affidata in primo luogo ai cantoni, la posizione assunta dal governo ticinese su questo punto riveste un'importanza preponderante ai fini dell'armonizzazione dell'opera prevista con le esigenze di tale tutela.
6.
Per quanto concerne gli interessi privati di cui può prevalersi la ricorrente, essi non appaiono tali da poter far
BGE 98 Ib 447 S. 455
pendere la bilancia a favore dell'autorizzazione a dissodare; essi non fanno, cioè, il peso con l'interesse pubblico alla conservazione dell'area boschiva.
Puramente privato è l'interesse d'un investimento fiscalmente privilegiato dei donatori americani della fondazione, i quali fruirebbero verosimilmente, in una forma qualsivoglia (per esempio, la disponibilità di alloggio a condizioni particolari, ecc.), d'un adeguato corrispettivo della loro liberalità. A tale interesse s'accompagna nondimeno un interesse pubblico, nel senso che i previsti investimenti sarebbero destinati a favorire la ricerca scientifica. Come ciò suole essere frequentemente il caso negli Stati Uniti, si avrebbe quindi una combinazione di interessi privati e pubblici.
In realtà, malgrado i ragguagli, un poco vaghi, forniti dai promotori del centro, non esiste ancora soverchia chiarezza sull'organizzazione e l'attività concreta che la fondazione patrocinatrice del centro intende attuare nel Ticino. Trattasi d'un aspetto che dovrebbe essere ancora meglio delucidato ed esaminato con uno spirito realistico adeguato alle circostanze. Non è certamente agevole prevedere sino a che punto una attività futura che si vuole esclusivamente improntata a fini di ricerca sia poi effettivamente compiuta in modo adeguato e non tenda piuttosto a divenire un paravento per la realizzazione di propositi d'altro genere. La frequenza con cui determinate iniziative che si dichiarano scientifico-culturali celano intenti economici, o addirittura speculativi, di diversa indole, deve indurre le autorità a vagliare anche sotto questo aspetto obiettivamente e con il dovuto senso critico i casi loro sottoposti. Incomberà pertanto sia al Consiglio di Stato, quale rappresentante del cantone in cui la ricerca scientifica dovrebbe aver luogo, che al Dipartimento, quale organo competente per il rilascio della eventuale autorizzazione, acclarare meglio questo punto, nell'interesse ben compreso tanto della ricorrente che della collettività.
7.
La ricorrente pone l'accento essenzialmente sui vantaggi che deriverebbero al Malcantone dall'insediamento del centro previsto, specialmente dal profilo economico e della remora allo spopolamento che affligge tale regione. Questo aspetto è di grande importanza. Il Consiglio di Stato, avallando l'appoggio dei comuni direttamente interessati, auspica infatti la concessione dell'autorizzazione richiesta giustamente per queste ragioni.
BGE 98 Ib 447 S. 456
La posizione assunta dal governo cantonale va attentamente esaminata, dato che fa valere interessi pubblici di cui esso è politicamente responsabile. Vicino ai problemi concreti del proprio ambito, ma nello stesso tempo provvisto del distacco necessario per superare interessi meramente locali, il governo cantonale è particolarmente qualificato per valutare gli interessi pubblici del cantone e segnatamente quelli peculiari del proprio.
Ne discende che appare indispensabile un contemperamento tra gli obblighi imposti alla Confederazione in materia di alta vigilanza sulla polizia delle foreste - tra i quali figura quello della conservazione dell'area boschiva - e gli interessi pubblici invocati dal Cantone, nel senso che l'autorità federale chiamata a statuire su una domanda di dissodamento non può semplicemente ignorare detti interessi, ma deve al contrario considerarli adeguatamente. In particolare, essa dovrà dar prova della necessaria riserva in una eventuale critica dell'accertamento degli interessi pubblici cantonali fatti valere dal Consiglio di Stato, accertamento che è da presumersi corretto sino a prova del contrario. Laddove invece l'autorità federale mantiene la propria libertà d'apprezzamento è nella ponderazione tra l'interesse alla conservazione dell'area boschiva e gli interessi pubblici del cantone, quali validamente accertati dal governo cantonale.
8.
Il Consiglio di Stato ha rilevato nelle sue memorie l'importanza che esso attribuisce al progetto di cui trattasi ai fini dello sviluppo economico delle aree depresse del Malcantone. Tale aspetto è stato ignorato nell'impugnata decisione. Omettendo di considerarlo, il Dipartimento ha violato il diritto federale. Poichè la sua omissione, il cui oggetto può essere determinante per la definizione della controversia, dev'essere sanata, gli atti vanno rinviati al Dipartimento perchè esso consideri nella ponderazione che gli incombe degli interessi in gioco le ragioni fatte valere dal Consiglio di Stato. Tale ponderazione dovrà essere compiuta tenendo conto dei principi sopra esposti concernenti il potere d'apprezzamento del governo cantonale circa gli interessi del cantone.
Al cantone dovrà ancora essere data la possibilità di fornire informazioni più precise sull'attività prevista del centro e sulle ripercussioni concrete che possono presumersi essa abbia ad esercitare sulla struttura economica e sociale della regione malcantonese. Dovrà essere considerata anche l'eventualità che l'attività scientifica prevista venga, per una ragione qualsiasi, a
BGE 98 Ib 447 S. 457
mancare o, più generalmente, che i capitali investiti siano ritirati. È infatti equo che il Dipartimento, chiamato a sindacare solo in modo marginale sul giudizio del cantone in merito all'esistenza e all'entità degli interessi pubblici cantonali, disponga di dati sufficientemente precisi, tali da consentirgli di compiere una ponderazione realistica di questi elementi con l'interesse alla conservazione dell'area boschiva.
Ove il Dipartimento ritenga gli interessi alla tutela dell'area boschiva superiori a quelli pubblici allegati dal Consiglio di Stato, ma non neghi a questi ultimi una certa rilevanza - la loro eventuale irrilevanza dovrebbe essere adeguatamente provata -, sarà da considerare la possibilità d'una soluzione su scala minore, quale quella genericamente ventilata dalla ricorrente, od altra eventualmente da convenire. In tale ipotesi sarà quindi indicato dare alla ricorrente modo di presentare nuove proposte elaborate e agli organi competenti di discuterle con essa. S'intende che sarà compito delle autorità competenti d'imporre alla ricorrente, nel caso d'una soluzi one destinata a contemperare gli opposti interessi, tutte le misure indispensabili per garantire in misura appropriata il rispetto dei principi fondamentali su cui poggia la legislazione federale in tale materia (quali un adeguato rimboscamento, la salvaguardia delle principali esigenze paesaggistiche, ecc.).
Dispositiv
Il Tribunale federale pronuncia:
Il ricorso è accolto ai sensi dei considerandi e gli atti sono rinviati al Dipartimento federale dell'interno per nuova decisione. | public_law | nan | it | 1,972 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
190b617a-aa92-4d38-84f9-1a4ad4ef5d07 | Urteilskopf
93 I 607
77. Extrait de l'arrêt du 27 octobre 1967 dans la cause X. contre Commission fribourgeoise de recours en matière d'impôt. | Regeste
Art. 97 ff. OG
.
Ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig gegen eine Verfügung, welche das Beweisverfahren in Gang setzt? | Erwägungen
ab Seite 607
BGE 93 I 607 S. 607
Extrait des motifs:
2.
La décision attaquée ordonne une expertise des comptes du recourant et en fixe les modalités. Contre une telle décision, soutient la Commission, le recours de droit administratif est irrecevable. Elle se réfère notamment à un arrêt du Tribunal fédéral du 28 septembre 1962 (Archives, vol. 31, p. 498, consid. 2), selon lequel une simple ordonnance tendant à acheminer la procédure en matière de contributions de droit fédéral ne peut être attaquée par la voie du recours de droit administratif.
BGE 93 I 607 S. 608
Les art. 97 ss. OJ n'opèrent pas de distinction, comme le font les
art. 48 à 50
et 87 OJ, entre les décisions finales et les décisions préjudicielles ou incidentes pour soumettre à certaines conditions la recevabilité du recours de droit administratif dirigé contre ces dernières. Cela ne signifie pas pour autant que toutes les décisions de cette seconde catégorie puissent faire l'objet d'un recours de droit administratif. Le Tribunal fédéral a jugé recevable le recours dirigé contre une décision préjudicielle qui admet la compétence de la juridiction saisie, la qualité pour défendre (RO 92 I 70) ou le principe de l'assujettissement à l'impôt pour la défense nationale (RO 86 I 2o8/299). Il y a lieu de relever que, prises séparément du fond, ces décisions étaient de nature à provoquer immédiatement une décision finale. En effet, rendues dans le sens opposé, elles auraient mis fin à l'instance. Certaines décisions préjudicielles ou incidentes n'offrent pas cette possibilité. C'est notamment le cas des décisions destinées à acheminer la procédure probatoire. A leur égard, il convient de s'en tenir à la règle dégagée par la jurisprudence, selon laquelle les art. 97 ss. OJ visent principalement les décisions qui concernent le fond (RO 85 I 198, Archives, vol. 31 p. 498/499). Une exception cependant a été faite en vue de l'hypothèse où, contrairement à une règle du droit fédéral, elles mettraient en péril les prétentions du recourant (RO 85 I 198).
En l'espèce, ces prétentions consistent dans le droit à une imposition qui soit conforme à la loi. Or le recourant ne prétend pas et on ne voit pas non plus comment la décision attaquée, simple ordonnance tendant à acheminer la procédure de l'enquête prévue par l'art. 109 AIN, pourrait entraver ou empêcher la réalisation de ce droit. Cela étant, son recours doit être déclaré irrecevable. | public_law | nan | fr | 1,967 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
19101184-090f-492a-bb91-a883860286c0 | Urteilskopf
117 Ia 440
70. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 27. September 1991 i.S. X. gegen Verwaltungsgericht des Kantons Bern (staatsrechtliche Beschwerde) | Regeste
Vollmacht; Handels- und Gewerbefreiheit; selbständige Ausübung des Berufs eines medizinischen Masseurs.
1. Eine generelle Vollmacht zur Wahrung aller Interessen des Vertretenen gilt auch für das bundesgerichtliche Verfahren (
Art. 29 Abs. 1 OG
; E. 1).
2. Die gewerbsmässig ausgeübte, privatwirtschaftliche Tätigkeit eines medizinischen Masseurs steht unter dem Schutz der Handels- und Gewerbefreiheit (E. 2).
3. Die Regelung im Kanton Bern, wonach die selbständig ausgeübte medizinische Massage den Physiotherapeuten vorbehalten ist, lässt sich mit gesundheitspolizeilichen Gründen nicht rechtfertigen (E. 4). Unzulässige Motive für eine Beschränkung der Handels- und Gewerbefreiheit (E. 5a-e). | Sachverhalt
ab Seite 441
BGE 117 Ia 440 S. 441
Gemäss Art. 14 Abs. 1 des bernischen Gesundheitsgesetzes vom 2. Dezember 1984 (nachfolgend "Gesundheitsgesetz") bedarf einer Berufsausübungsbewilligung der Gesundheitsdirektion, wer unter eigener fachlicher Verantwortung berufsmässig oder gegen Entgelt (lit. a) "Krankheiten, Verletzungen und andere Störungen der körperlichen und seelischen Gesundheit feststellt und behandelt". Unter die Bewilligungspflicht fallen "die Berufe des Gesundheitswesens, namentlich die Medizinalberufe gemäss Artikel 25 und die anderen Berufe gemäss Artikel 38" (Art. 14 Abs. 2 Gesundheitsgesetz). Medizinalpersonen im Sinne von Art. 25 des Gesetzes sind die Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Apotheker und Hebammen, zu den "anderen Berufen" zählt Art. 38 Abs. 1 unter anderem die Physiotherapeuten.
Der Beruf des medizinischen Masseurs ist im Gesetz nicht erwähnt. Zwar kann der Regierungsrat durch Verordnung weitere Berufe des Gesundheitswesens der Bewilligungspflicht unterstellen (Art. 38 Abs. 3 Gesundheitsgesetz), doch hat er zugunsten der medizinischen Masseure von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht.
Damit ist im Kanton Bern die selbständig, d.h. unter eigener fachlicher Verantwortung, ausgeübte medizinische Massage den
BGE 117 Ia 440 S. 442
Physiotherapeuten vorbehalten (aufgrund von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 5 der Verordnung über die Physiotherapeutinnen und die Physiotherapeuten vom 4. Mai 1988).
X. erwarb nach einjährigem Besuch der Fachschule für medizinische Massage in St. Gallen (Tagesschule) und einjährigem Praktikum an der Solbadklinik Rheinfelden am 16. April 1981 das Diplom eines medizinischen Masseurs/Bademeisters.
Er arbeitete in der Folge von 1981 bis 1986 unter fachlicher Anleitung von Ärzten als medizinischer Masseur in der Bernischen Höhenklinik Heiligenschwendi. Daneben besuchte er verschiedene Weiterbildungskurse wie beispielsweise den Kurs für therapeutische Lymphdrainage am Lehrinstitut für Lymphologie an der Feldbergklinik in Deutschland.
Seit 1986 betreibt er eine eigene Massagepraxis in Steffisburg.
Am 20. September 1988 ersuchte X. die Gesundheitsdirektion des Kantons Bern, ihm die selbständige Ausübung des Berufs des medizinischen Masseurs im Kanton Bern zu bewilligen. Die Gesundheitsdirektion wies das Gesuch ab. Sie begründete dies damit, dass im Kanton Bern die selbständig ausgeübte medizinische Massage ausschliesslich den Physiotherapeuten vorbehalten sei und dass die vom Gesuchsteller absolvierte Ausbildung fachlich und vor allem hinsichtlich ihrer Dauer nicht der Ausbildung eines Physiotherapeuten entspreche.
Eine Beschwerde an den Regierungsrat des Kantons Bern blieb ohne Erfolg.
Mit Entscheid vom 5. November 1990 wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern die Beschwerde von X. ab. Das Gericht stufte die medizinische Massage als eine im Sinne von Art. 14 Abs. 1 lit. a Gesundheitsgesetz bewilligungspflichtige Heiltätigkeit ein und bejahte auch, dass das Gesundheitsgesetz eine genügende gesetzliche Grundlage enthalte, um die Handels- und Gewerbefreiheit der medizinischen Masseure zu beschränken. Es verwarf sodann mit ausführlicher Begründung die Einwände des Beschwerdeführers, wonach sich die Beschränkung der Handels- und Gewerbefreiheit durch kein öffentliches Interesse rechtfertigen lasse und unverhältnismässig sei.
Mit staatsrechtlicher Beschwerde beantragt X., das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern sei aufzuheben und es sei ihm die Bewilligung zur selbständigen Ausübung des Berufs eines medizinischen Masseurs zu erteilen. Er beruft sich auf eine Verletzung von
Art. 31 BV
.
BGE 117 Ia 440 S. 443
Am 11. Dezember 1990 wurde der Anwalt des Beschwerdeführers von der Bundesgerichtskanzlei mit dem Formular "Kostenvorschuss" aufgefordert, bis spätestens am 16. Januar 1991 die Gerichtskosten sicherzustellen. Die Rubrik "Besondere Hinweise" des Formulars enthielt folgende Aufforderung:
Wir ersuchen Sie, uns innert gleicher Frist für das bundesgerichtliche Verfahren eine Vollmacht von ... zukommen zu lassen. Im Unterlassungsfalle würde das Bundesgericht gemäss
Art. 30 Abs. 2 OG
und
Art. 20 Abs. 2 BZP
in Verbindung mit
Art. 40 OG
auf Ihre Beschwerde nicht eintreten.
Am 7. Februar 1991 - nach Ablauf der Frist - machte der Bundesgerichtsschreiber den Anwalt auf die Auflage vom 11. Dezember 1990 aufmerksam. Der Anwalt räumte ein, dass keine Vollmacht abgeschickt worden sei, er reichte aber am 8. Februar 1991 eine Vollmachtsurkunde nach. Gleichzeitig stellte er im Sinne von
Art. 35 OG
ein Gesuch um Wiederherstellung der Frist, welches er mit Eingabe vom 11. Februar 1991 noch ergänzte.
Die Justizdirektion und das Verwaltungsgericht des Kantons Bern beantragen, die Beschwerde abzuweisen.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut und hebt den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern auf.
Erwägungen
Erwägungen:
1.
Gemäss
Art. 29 Abs. 1 OG
haben Parteivertreter eine Vollmacht zu den Akten zu legen (Satz 1); eine solche kann jederzeit nachgefordert werden (Satz 2). Es ist unbestritten, dass der Anwalt des Beschwerdeführers innert Frist keine Vollmacht für das staatsrechtliche Verfahren eingereicht hat, obwohl er im Formular "Kostenvorschuss" dazu aufgefordert wurde. Bei den kantonalen Akten befand sich jedoch bereits eine Vollmacht, ausgestellt auf dem offiziellen Formular des bernischen Anwaltsverbandes, die den Anwalt ermächtigt, den Beschwerdeführer "vor allen Behörden" zu vertreten und namentlich "Appellationen, Rekurse, Nichtigkeitsklagen und Beschwerden" sowie "Revisionen, Kassationen und Wiedereinsetzungen" einzulegen bzw. zu verlangen.
a) Eine solche Generalvollmacht genügt auch für das bundesgerichtliche Verfahren. Das muss, entgegen der Auffassung BIRCHMEIERS im Kommentar zur Bundesrechtspflege (N 2 zu
Art. 29 OG
, S. 30), auch für das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde gelten (in diesem Sinne auch POUDRET, Commentaire de la loi fédérale d'organisation judiciaire, N 2.2.3 zu Art. 29, S. 155 f.; WALTER KÄLIN,
BGE 117 Ia 440 S. 444
Das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde, S. 219 Anm. 55; HANS MARTI, Die staatsrechtliche Beschwerde, 4. Aufl., S. 59 N 85). Bei der staatsrechtlichen Beschwerde handelt es sich um ein Rechtsmittel, mit dem kassatorische Rügen vorgebracht werden können und das den Prozess in einem für die vertretene Partei günstigen Sinn beeinflussen kann. Vom Anwalt für die staatsrechtliche Beschwerde in jedem Fall eine spezielle Vollmacht zu verlangen, erweist sich daher als überflüssig und unangemessen (s. auch
BGE 104 Ia 405
E. 4b, wonach es überspitzt formalistisch ist, von einem Anwalt, der seinen Klienten im ganzen Verfahren vertreten hat, noch eine spezielle Vollmacht zu verlangen). Es entspricht denn auch ständiger Praxis der beiden öffentlichrechtlichen Abteilungen, dass die für das kantonale Verfahren ausgestellte generelle Ermächtigung in der Regel als genügend angesehen wird.
b) Das bedeutet nicht, dass das Bundesgericht von einem Anwalt (oder irgendeinem Vertreter) keine Vollmacht nachfordern kann. Dieses Vorgehen rechtfertigt sich ohne weiteres, wenn Zweifel über den Umfang einer im kantonalen Verfahren ausgestellten Vollmacht bestehen, d.h. wenn fraglich ist, ob die vom Anwalt erhobene Beschwerde durch sie gedeckt sei. Eine Vollmacht ist aber auch einzuholen, wenn in der Beschwerde überhaupt nicht auf eine bei den kantonalen Akten befindliche Vollmacht hingewiesen wird; in einem solchen Fall kann nicht davon ausgegangen werden, der Anwalt sei zur Vertretung im bundesgerichtlichen Verfahren befugt. Die Einlegung einer speziellen (schriftlichen) Vollmacht ist ferner dann, wenn der Anwalt im kantonalen Verfahren aufgrund einer mündlich zu Protokoll erklärten oder konkludent erteilten Vollmacht zugelassen wurde, erforderlich. Eine schriftliche Vollmacht für das bundesgerichtliche Verfahren verlangt zwar nur der italienische Text von
Art. 29 Abs. 1 OG
("procura scritta"), doch schreibt schon
Art. 20 Abs. 2 BZP
, auf den
Art. 40 OG
verweist, eine solche vor. (Zu den Ausnahmen, die es rechtfertigen, von dieser Regel abzuweichen, vgl. POUDRET, a.a.O., N 2.3 zu Art. 29, und BIRCHMEIER, a.a.O., N 3 zu Art. 29.) Schliesslich kann etwa auch bei leichtfertig oder trölerisch wirkenden Beschwerden eine spezielle Ermächtigung eingeholt werden; diese verschafft dem Gericht die Gewissheit, dass der Vertreter nicht selbständig, ohne Wissen der Partei, Prozesshandlungen vornimmt, die sich für sie nachteilig auswirken können.
c) Im vorliegenden Fall bestand indessen kein Grund, eine Spezialvollmacht einzuholen. Das wurde übersehen, als der Anwalt
BGE 117 Ia 440 S. 445
des Beschwerdeführers aufgefordert wurde, eine Vollmacht nachzureichen. Auf die staatsrechtliche Beschwerde nicht einzutreten, wäre daher durch kein schutzwürdiges Interesse gerechtfertigt und würde eine allzu formalistische Interpretation von
Art. 29 Abs. 1 OG
darstellen. Es ist deshalb darüber hinwegzusehen, dass der Anwalt innert der ihm von der Bundesgerichtskanzlei gesetzten Frist keine Vollmacht eingereicht hat. Auf die staatsrechtliche Beschwerde ist einzutreten.
d) Damit kann offenbleiben, ob das Gesuch um Wiederherstellung der Frist für die Einreichung der Vollmacht gemäss
Art. 35 Abs. 1 OG
begründet ist. Es braucht auch nicht geprüft zu werden, ob es zulässig war, auf dem Formular "Kostenvorschuss" eine Vollmacht zu verlangen, oder ob hierfür der Anwalt speziell hätte aufgefordert werden müssen, wie der Beschwerdeführer geltend macht.
2.
Der Beschwerdeführer beruft sich auf die Handels- und Gewerbefreiheit. Unter dem Schutz des
Art. 31 BV
steht jede gewerbsmässig ausgeübte, privatwirtschaftliche Tätigkeit, die der Erzielung eines Gewinnes oder Erwerbseinkommens dient (
BGE 116 Ia 121
E. 3), somit auch die Tätigkeit eines medizinischen Masseurs.
Art. 31 Abs. 1 BV
gewährleistet im Rahmen der Bundesverfassung und der auf ihr beruhenden Gesetzgebung die Handels- und Gewerbefreiheit, behält jedoch in Abs. 2 kantonale Bestimmungen über die Ausübung von Handel und Gewerben vor. Solche Einschränkungen bedürfen einer gesetzlichen Grundlage, müssen durch ein überwiegendes öffentliches Interesse gerechtfertigt sein und den Grundsatz der Verhältnismässigkeit (
BGE 116 Ia 121
E. 3,
BGE 115 Ia 121
E. 2b und dort zitierte Entscheide) sowie der Rechtsgleichheit (
BGE 112 Ia 34
,
BGE 91 I 462
E. 3) wahren. Unzulässig sind wirtschaftspolitische oder standespolitische Massnahmen, die den freien Wettbewerb behindern, um gewisse Gewerbezweige oder Bewirtschaftungsformen zu sichern oder zu begünstigen. Zulässig sind dagegen andere im öffentlichen Interesse begründete Massnahmen, namentlich polizeilich motivierte Eingriffe. Dazu gehören auch Massnahmen zum Schutz der öffentlichen Gesundheit (
BGE 116 Ia 121
f. E. 3 mit Hinweisen).
3.
Gemäss Art. 14 Abs. 1 des bernischen Gesundheitsgesetzes bedarf einer Berufsausübungsbewilligung, wer unter eigener fachlicher Verantwortung berufsmässig oder gegen Entgelt (lit. a) "Krankheiten, Verletzungen und andere Störungen der körperlichen
BGE 117 Ia 440 S. 446
und seelischen Gesundheit feststellt und behandelt". Damit enthält das Gesundheitsgesetz eine gesetzliche Grundlage, um die selbständige, d.h. unter eigener fachlicher Verantwortung, ausgeübte medizinische Massage bewilligungspflichtig zu erklären. Das ist unbestritten.
Ob das Gesundheitsgesetz auch eine genügende gesetzliche Grundlage enthält, um die selbständige Ausübung des Berufs eines medizinischen Masseurs den Physiotherapeuten vorzubehalten, ist fraglich. (Art. 38 Abs. 1 des Gesundheitsgesetzes erwähnt zwar nur die Physiotherapeuten, nicht auch die medizinischen Masseure, behält aber in Abs. 3 ausdrücklich "weitere Berufe" vor, die der Regierungsrat durch Verordnung der Bewilligungspflicht unterstellen kann.) Die Frage braucht hier jedoch nicht entschieden zu werden, denn eine eigentliche Rüge erhebt der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang nicht.
4.
Der Beschwerdeführer macht vielmehr geltend, wenn es keine gesundheitspolizeilichen Gründe gebe, den medizinischen Masseuren die selbständige Berufsausübung zu verbieten, dann sei die vom Verwaltungsgericht geschützte kantonale Regelung, welche diese Tätigkeit den ausgebildeten Physiotherapeuten vorbehalte, eine unverhältnismässige Beschränkung der Handels- und Gewerbefreiheit. Der Beschwerdeführer beruft sich damit auf den Grundsatz der Verhältnismässigkeit und zumindest sinngemäss auf das Erfordernis des überwiegenden öffentlichen Interesses.
a) Nach dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit von Verwaltungsmassnahmen, die die Handels- und Gewerbefreiheit einschränken, dürfen Bestimmungen über die Ausübung von Handel und Gewerben, die ein Kanton gestützt auf
Art. 31 Abs. 2 BV
erlassen kann, nicht über das hinausgehen, was erforderlich ist, um den gewerbepolizeilichen Zweck zu erfüllen, durch den sie gedeckt sind: Sie müssen das richtige Mittel zur Verwirklichung des im öffentlichen Interesse liegenden Zieles sein und es erlauben, dieses unter möglichster Schonung der Freiheit des Einzelnen zu erreichen; das gesteckte Ziel muss zudem in einem vernünftigen Verhältnis zu den eingesetzten Mitteln, den zu seiner Erlangung notwendigen Freiheitsbeschränkungen, stehen (
BGE 109 Ia 37
E. 4 mit Verweisung).
Auf dem Gebiet der beruflichen Fähigkeitsausweise kommt dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit und Notwendigkeit die Bedeutung zu, vor unnötigen und übertriebenen (vielfach standespolitisch motivierten) Erfordernissen zu bewahren, aber auch,
BGE 117 Ia 440 S. 447
dem Schutzbedürfnis des Publikums wirksam Rechnung zu tragen (FRITZ GYGI, Wirtschaftsverfassungsrecht, S. 89). Das gilt namentlich für das Gesundheitswesen im weitesten Sinn. Einerseits geht es darum, vor - in diesem Bereich nicht seltenen - standespolitischen Überlegungen (wie die wirtschaftliche Sicherung von Angehörigen bestimmter Berufe) zu schützen. Solche Motive dürfen nicht dazu führen, dass durch unverhältnismässige Anforderungen an die Befähigung oder an den Fähigkeitsausweis einzelne Angehörige dieser Berufe von der selbständigen Berufsausübung praktisch ausgeschlossen werden. Anderseits muss den berechtigten öffentlichen Interessen, dass in diesem Bereich nur fähige Personen tätig sind, Rechnung getragen werden (
BGE 112 Ia 325
ff. und Hinweise, vgl. auch
BGE 116 Ia 123
ff.).
b) Der medizinische Masseur übt einen nichtärztlichen Heilberuf mit physiotherapeutischen Mitteln aus. Im Gegensatz zum Physiotherapeuten beschränkt sich der medizinische Masseur auf passive Therapiemassnahmen, wie die Heilmassage, die Elektrotherapie, die Hydrotherapie usw. Demgegenüber betreibt der Physiotherapeut auch die aktive Therapie, d.h. die Heilgymnastik. Die medizinische Massage beschränkt sich somit auf einen Teilbereich der Physiotherapie. Das ist zwischen den Parteien nicht streitig. Es kann aber nicht gesagt werden, der medizinische Masseur sei ein "schlechterer" Physiotherapeut. Der Physiotherapeut verfügt auf dem Gebiet der passiven Therapie über keine umfassendere oder gründlichere Ausbildung als der medizinische Masseur. Die Ausbildung des Physiotherapeuten dauert zurzeit drei Jahre, jene des medizinischen Masseurs zwei Jahre. Das hängt, wie das Verwaltungsgericht im angefochtenen Entscheid dargelegt hat, damit zusammen, dass der Physiotherapeut zusätzlich die aktive Therapie beherrschen muss. Ist danach aber ein medizinischer Masseur für die von ihm ausgeübte Tätigkeit, die passive Therapie, ebensogut ausgebildet wie ein Physiotherapeut, so ist nicht einzusehen, weshalb die selbständige Ausübung dieser Tätigkeit den Physiotherapeuten vorbehalten werden muss. Mit gesundheitspolizeilichen Gründen lässt sich diese Regelung jedenfalls nicht rechtfertigen.
Das bestätigt auch der Bericht, den der Regierungsrat zur Frage der Zulassung der medizinischen Masseure zur selbständigen Berufsausübung beim Sanitätskollegium des Kantons Bern eingeholt hat. Die aus Ärzten zusammengesetzte und von einem Vertreter der medizinischen Fakultät präsidierte medizinische Sektion (des
BGE 117 Ia 440 S. 448
Sanitätskollegiums) stellt darin fest, aufgrund seiner Ausbildung sei der medizinische Masseur durchaus fähig, die medizinische Massage unter eigener fachlicher Verantwortung auszuüben. Er könne selbständig beurteilen, wann ein Patient einer anderen medizinischen Fachstelle zu überweisen sei, und er sei ebensogut wie ein Physiotherapeut in der Lage, bei auftretenden Komplikationen richtig zu reagieren; aus medizinischen Gründen müsse die selbständige Ausübung des Berufs nicht von der Zusatzausbildung als Physiotherapeut abhängig gemacht werden. Es genüge, wenn der medizinische Masseur zusätzlich zur zweijährigen Ausbildung zwei Jahre praktische Ausbildung an einer anerkannten ärztlichen Ausbildungsstätte genossen habe.
Das Sanitätskollegium befürwortet deshalb die Zulassung medizinischer Masseure zur selbständigen Berufsausübung, sofern diese Tätigkeit (gleich wie die selbständige Ausübung der Physiotherapie, vgl. Art. 2 Abs. 3 der entsprechenden Verordnung vom 4. Mai 1988) auf Zuweisung eines Arztes erfolgt. Auf diese Meinungsäusserung von Fachleuten kann abgestellt werden. Auch die kantonalen Instanzen haben dem Gutachten nichts entgegenzusetzen.
c) Es ist im übrigen unbestritten, dass der Beschwerdeführer über eine genügende theoretische und praktische Ausbildung verfügt, um seinen Beruf selbständig ausüben zu können.
Die Ausbildung an der vom Beschwerdeführer besuchten Fachschule für medizinische Massage in St. Gallen steht auf hohem theoretischem Niveau und ist der Ausbildung an ausländischen Anstalten "mindestens ebenbürtig", wie aus dem erwähnten Bericht des Sanitätskollegiums hervorgeht. Das zeigt auch eine Durchsicht des Ausbildungsprogramms, Stoffplans, Prüfungsreglements und der Promotionsordnung dieser Schule.
Im Rahmen von Vorarbeiten, welche die gesamtschweizerische Anerkennung des Berufs des medizinischen Masseurs zum Ziele hatten, erarbeitete die Schweizerische Sanitätsdirektorenkonferenz im Jahre 1980 einen Entwurf für die "Regelung des Berufs des medizinischen Masseurs". Die Ausbildung an der Fachschule für medizinische Massage in St. Gallen entspricht sowohl hinsichtlich ihrer Dauer (24 Monate mit insgesamt rund 3300 Unterrichts- und Praktikumsstunden) als auch hinsichtlich des vermittelten Wissens (Fächerkatalog) im wesentlichen den in diesem Entwurf aufgestellten Richtlinien.
d) Im Lichte dieser Erwägungen kann dem Beschwerdeführer die selbständige Ausübung des Berufs des medizinischen Masseurs
BGE 117 Ia 440 S. 449
aus gesundheitspolizeilichen Gründen nicht verboten oder von einer Zusatzausbildung als Physiotherapeut abhängig gemacht werden. Auch das Verwaltungsgericht begründet seinen Entscheid nicht mit Erwägungen gesundheitspolizeilicher Natur; es weist darin vielmehr ausdrücklich auf das Gutachten des Sanitätskollegiums hin, dessen Schlussfolgerungen es nicht in Zweifel zieht.
5.
Das Verwaltungsgericht rechtfertigt seinen Entscheid, den Beschwerdeführer nicht zur selbständigen Berufsausübung zuzulassen, vielmehr damit, eine weitere Spezialisierung im Bereich der medizinischen Hilfsberufe liege nicht im öffentlichen Interesse. Sie führe nicht zu einem verbesserten Leistungsangebot. Das Verwaltungsgericht befürchtet zudem, die Anerkennung selbständig tätiger medizinischer Masseure würde zu einer weiteren Kostensteigerung im Gesundheitswesen führen und die Kontrolle über die medizinischen Hilfsberufe zusätzlich erschweren. Demgegenüber wendet der Beschwerdeführer ein, mit diesen Argumenten könne die selbständige Berufsausübung nicht verboten werden; aus der Handels- und Gewerbefreiheit folge auch das Recht zur Spezialisierung.
a) Unter dem Gesichtspunkt des öffentlichen Interesses und der Verhältnismässigkeit von Verwaltungsmassnahmen ist ein Gemeinwesen nicht grundsätzlich gehalten, für alle möglichen Berufe oder Berufszweige Teilbewilligungen vorzusehen. Es darf sich auf die Einführung einer allgemeinen Bewilligung beschränken und deren Erteilung von der Fachkunde abhängig machen, wenn das öffentliche Interesse dies verlangt und der Grundsatz der Verhältnismässigkeit dem nicht entgegensteht. Das trifft im Gesundheitswesen namentlich dann zu, wenn sich eine einfache Tätigkeit von riskanten Tätigkeiten nicht leicht unterscheiden lässt und zum Schutze der Gesundheit der Patienten eine Teilbewilligung mit weniger weitgehenden fachlichen Anforderungen sich nicht rechtfertigen lässt. So hat das Bundesgericht ein kantonales Verbot der selbständigen Ausübung des Berufs der Dentalhygienikerin angesichts gesundheitlicher Komplikationen, die bei bestimmten Tätigkeiten auftreten können und für deren Behandlung die Dentalhygienikerin nicht ausgebildet ist, unter dem Gesichtspunkt des öffentlichen Interesses und der Verhältnismässigkeit nicht beanstandet (
BGE 116 Ia 124
ff. E. 6). Das Verwaltungsgericht verweist sodann auf das (nicht publizierte) Urteil L. vom 18. November 1988, wo das Bundesgericht ein Verbot für das Anpassen von Zahnprothesen durch Zahnprothetiker angesichts der
BGE 117 Ia 440 S. 450
zahnmedizinischen Kenntnisse, welche gewisse Arbeiten im Munde des Patienten erfordern, nicht als verfassungswidrig bezeichnet hat. Anders ist jedoch zu entscheiden, wenn sich in klarer und praktikabler Weise ein Tätigkeitsgebiet abgrenzen lässt, für das sich aufdrängt, geringere Anforderungen an die fachliche Befähigung zu stellen (
BGE 112 Ia 322
ff.).
b) Das Verwaltungsgericht führt aus, für die Anerkennung selbständig tätiger medizinischer Masseure bestehe keine Notwendigkeit. Dieser Beruf sei sehr spezialisiert. Übersichtlichkeit im Bereich der medizinischen Hilfsberufe sowie eine Beschränkung der selbständigen Berufsausübung auf in sich geschlossene, eine Einheit bildende Fachbereiche liege im öffentlichen Interesse.
Mit dieser Begründung kann den medizinischen Masseuren die selbständige Berufsausübung jedoch nicht untersagt werden. Zwar ist für die selbständige Ausübung des Berufs nicht schon deshalb eine Teilbewilligung vorzusehen, weil ein Lehrgang absolviert wurde. Entscheidend dafür ist vielmehr, dass es sich um einen in der Schweiz verbreiteten Heilberuf mit klar umschriebenem Tätigkeitsgebiet und eigenem Berufsbild handelt, wie aus dem bereits erwähnten Bericht der Schweizerischen Sanitätsdirektorenkonferenz erhellt. Es gibt spezielle Institute, an denen der Beruf erlernt werden kann (in der Schweiz die Fachschule für medizinische Massage in St. Gallen), und Berufsverbände, welche die Wahrung der beruflichen Interessen der medizinischen Masseure bezwecken (z.B. den Verein Arbeitsgemeinschaft für Physikalische Therapie oder den Verband diplomierter Masseure der Schweiz). Bereits im Jahre 1919 wurde in der Schweiz der Verband diplomierter Masseure und Masseurinnen gegründet. Es scheint, dass demgegenüber der Beruf des Physiotherapeuten erst später aus dem Beruf des medizinischen Masseurs/Bademeisters hervorgegangen ist, wie der Beschwerdeführer geltend macht.
Wegen der Bedeutung des Berufes gibt es Schulen, an denen dieser erlernt werden kann, und arbeitet die Schweizerische Sanitätsdirektorenkonferenz auf seine gesamtschweizerische Anerkennung hin. Wie aus dem vom Verwaltungsgericht beim Zentralsekretariat der Schweizerischen Sanitätsdirektorenkonferenz eingeholten Bericht hervorgeht, erteilen bereits zehn Kantone medizinischen Masseuren die Bewilligung zur selbständigen Berufsausübung und zwei weitere Kantone gestatten diese Tätigkeit auch ohne Bewilligung (Stand August 1990). Medizinische Masseure werden zudem an öffentlichen Spitälern eingesetzt,
BGE 117 Ia 440 S. 451
jedenfalls im Kanton Bern. Diese Möglichkeit sieht Art. 4 Abs. 2 der Verordnung des Kantons Bern über die Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten vom 4. Mai 1988 ausdrücklich vor, "um die physiotherapeutische Versorgung in Spitälern zu gewährleisten". Mit dem Argument, der Beruf des medizinischen Masseurs sei nicht regelungsbedürftig oder für dessen Anerkennung bestehe kein Bedürfnis, ist der angefochtene Entscheid daher nicht zu begründen.
c) Das Verwaltungsgericht bringt weiter vor, die Anerkennung selbständig tätiger medizinischer Masseure führe zu keinem qualitativ verbesserten Behandlungsangebot, da es sich bei der medizinischen Massage bloss um eine Spezialisierung im Sinne einer Beschränkung auf einen Teilbereich der physikalischen Therapie handle. Das mag zutreffen, doch hat umgekehrt die selbständig ausgeübte medizinische Massage keine Verschlechterung des Therapieangebots zur Folge. Unter dem Gesichtspunkt der die Bewilligungspflicht rechtfertigenden gesundheitspolizeilichen Gründe muss es genügen, dass die fachliche Ausbildung für die Ausübung der in Frage stehenden Tätigkeit ausreicht.
d) Ebensowenig rechtfertigen die vom Verwaltungsgericht angeführten Gründe der Kosteneindämmung im Gesundheitswesen eine andere Lösung. Das Verwaltungsgericht geht davon aus, dass die selbständige Ausübung der medizinischen Massage im Kanton Bern gleich wie die selbständige Physiotherapie nur auf Zuweisung eines Arztes (oder Chiropraktors, vgl. Art. 2 Abs. 3 Verordnung über die Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten) hin erfolgen dürfte. Ob gesundheitspolizeiliche Gründe für diese Auffassung sprechen, braucht hier nicht entschieden zu werden, weil es nicht gerügt wird; auch der Beschwerdeführer geht davon aus, dass der Heilmassage stets eine ärztliche Diagnose vorauszugehen habe, und er erklärt sich mit einer entsprechenden Präzisierung der Bewilligung ausdrücklich einverstanden. Dann ist es aber am behandelnden Arzt zu entscheiden, ob eine medizinische Massage genügt oder ob von Anfang an eine (umfassendere) Physiotherapie ins Auge gefasst werden muss. Spricht der Patient auf die Behandlung nicht an, so muss sich der Arzt erneut überlegen, welche andere Behandlung helfen könnte. Die Tätigkeit des medizinischen Masseurs neben jener des Physiotherapeuten führt aber zu keinen zusätzlichen Kosten.
e) Das Verwaltungsgericht sucht seinen Entscheid schliesslich damit zu stützen, dass die Anerkennung des Berufs des medizinischen
BGE 117 Ia 440 S. 452
Masseurs mit einem unverhältnismässigen Kontrollaufwand durch den Staat verbunden wäre. Die Frage der Überwachung durch den Staat stellt sich indes bei den anderen medizinischen Berufen und Hilfsberufen in gleicher oder ähnlicher Weise. Dass die Kontrolle beim medizinischen Masseur im Vergleich zu anderen Berufen des Gesundheitswesens ausserordentliche Probleme aufwerfen würde, wird von den kantonalen Behörden nicht behauptet. Sie machen auch nicht geltend, die Tätigkeit der medizinischen Massage lasse sich nicht genügend klar umschreiben oder die Grenzen zur Physiotherapie seien fliessend. Abgesehen davon wäre es am Staat, in einem solchen Fall die erforderlichen Richtlinien für die selbständige Berufsausübung aufzustellen. Auf jeden Fall müsste ein vollständiges Verbot der selbständigen Berufsausübung für die Durchsetzung der Kontrolle der medizinischen Massage als unverhältnismässiges Mittel bezeichnet werden. | public_law | nan | de | 1,991 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
1912ef3f-203a-4a1c-a31d-f745a280fc2a | Urteilskopf
118 Ib 349
45. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 5. Oktober 1992 i.S. SBB gegen Stellv. Präsident der Eidg. Schätzungskommission, Kreis X | Regeste
Verordnung über die Gebühren und Entschädigungen im Enteignungsverfahren; Gebühren für Fotokopien, Äquivalenzprinzip.
Anfechtung der Rechnung des Schätzungskommissions-Präsidenten durch die kostenpflichtige Partei (E. 1).
Es verstösst gegen das Äquivalenzprinzip, auch bei Massenanfertigung von Fotokopien eine Gebühr von zwei Franken pro Seite zu verlangen. Für die Leistungen des Schätzungskommissions-Präsidenten dürfen allein dann die vorgesehenen Gebühren in Rechnung gestellt werden, wenn die Abfassung oder Vervielfältigung einzelner Schreiben nur kurze Zeit in Anspruch nimmt; andernfalls ist auch die Entschädigung für Fotokopier- und andere Kanzleiarbeiten, soweit diese nicht Hilfskräften übertragen worden sind, in Taggeldern zu bemessen (E. 4, 5).
Ersatz von Mietkosten (E. 7). | Erwägungen
ab Seite 350
BGE 118 Ib 349 S. 350
Aus den Erwägungen:
1.
Nach Art. 20 Abs. 1 der Verordnung über die Gebühren und Entschädigungen im Enteignungsverfahren vom 10. Juli 1968 (SR 711.3; im folgenden: Gebührenverordnung) stellen die Mitglieder und Ersatzmänner der Schätzungskommission, die beigezogenen besonderen Sachverständigen und der Aktuar für ihre Bemühungen dem Präsidenten der Schätzungskommission Rechnung. Der Präsident prüft diese Rechnungen, erstellt und visiert eine Gesamtrechnung, welche er der kostenpflichtigen Partei übermittelt (Art. 20 Abs. 2 der Gebührenverordnung). Diese kann gemäss Art. 23 Abs. 2 der Gebührenverordnung gegen die festgesetzten Gebühren und Entschädigungen binnen 30 Tagen seit Empfang der Rechnung beim Bundesgericht Beschwerde führen (vgl.
Art. 113 Abs. 2 EntG
). Da im vorliegenden Fall die SBB als kostenpflichtige Partei die dreissigtägige Frist eingehalten haben, kann auf die Beschwerden eingetreten werden.
4.
In der Gebührenverordnung wird über die vom Schätzungskommissions-Präsidenten zu erhebenden Kanzleigebühren bestimmt:
"
Art. 1
1 Für jedes notwendige, hienach nicht besonders genannte Schreiben kann
eine Gebühr von 4 Franken berechnet werden.
2 Umfasst ein Schreiben mehr als eine Seite und können nicht vorgedruckte
Formulare verwendet werden, so beträgt die Gebühr für jede folgende ganze
Seite 4 und für eine angefangene Seite 2 Franken.
Art. 2
Für eine Vorladung beträgt die Gebühr 4 Franken.
BGE 118 Ib 349 S. 351
Art. 3
Für eine öffentliche Bekanntmachung beträgt die Gebühr 10 Franken mit
einem Zuschlag von 1 Franken für jedes zu versendende Exemplar.
Art. 4
1 In den Gebühren der Artikel 1-3 ist die Vergütung für die den Akten als
Beleg beizufügende Abschrift inbegriffen.
2 Im übrigen kann für jede Abschrift oder Photokopie eines Schriftstückes
eine Gebühr von 2 Franken für die Seite berechnet werden."
Art. 6 Abs. 2 und 3 sowie Art. 8 der Gebührenverordnung lauten wie folgt:
"
Art. 6
1 ...
2 Das Taggeld umfasst die gesamte vom Präsidenten der
Schätzungskommission oder dem amtierenden Ersatzmann in der Leitung des
einzelnen Enteignungsfalles zu leistende Arbeit, insbesondere die Prüfung
aller Eingaben und Gesuche sowie der Rechnungen über Gebühren und
Entschädigungen, die Verfügungen, Entscheide, Beweismassnahmen, Vornahme
von Augenscheinen, Leitung der Einigungsverhandlung und der Verhandlung
der Schätzungskommission, endlich die Führung des Protokolls dieser
Verhandlung sowie der Einigungsverhandlung, sofern kein besonderer Aktuar
beigezogen wird.
3 Auf die Gebühren der Artikel 1 und 2 hat der Präsident der
Schätzungskommission nur insoweit Anspruch, als die Abfassung von
Schreiben und Vorladungen nicht durch das in Rechnung gestellte Taggeld
gedeckt ist.
Art. 8
1 Für einen angefangenen oder halben Verhandlungstag wird ein halbes
Taggeld berechnet.
2 Bei der Entschädigung durch Taggeld ist auch die Zeit der Reise zur
Verhandlung und zurück in Anschlag zu bringen."
Aus diesen Bestimmungen geht klar hervor, dass die Arbeit des Schätzungskommissions-Präsidenten in erster Linie durch das Taggeld abgegolten werden soll. Seine Leistungen sind einzig dann nach dem Gebührenansatz zu entschädigen, wenn es lediglich um die Abfassung einzelner Schreiben und Vorladungen geht, für die nur so kurze Zeit beansprucht wird, dass eine Entschädigung durch ein - halbes oder ganzes - Taggeld ausser Betracht fällt. Dass allein entweder Taggelder oder Gebühren in Rechnung gestellt werden können, muss nach dem Sinn der Regelung auch für das Anfertigen von Fotokopien gelten, obwohl Art. 6 Abs. 2 nicht ausdrücklich auf Art. 4 Abs. 2 verweist. Dies wird denn auch vom stellvertretenden Schätzungskommissions-Präsidenten des Kreises X nicht bestritten. Er ist
BGE 118 Ib 349 S. 352
jedoch der Auffassung, dass selbst bei Massenanfertigungen von Fotokopien eine Gebühr von zwei Franken pro Seite verlangt werden könne, sofern keine Taggeld-Entschädigung beansprucht werde. Nach Meinung der Beschwerdeführerinnen ist indessen in solchen Fällen die Anwendung des Gebührentarifs aufgrund des Äquivalenzprinzipes ausgeschlossen und dürfen nur die effektiven Auslagen für die Fotokopien in Rechnung gestellt werden.
5.
Gemäss dem aus
Art. 4 BV
hergeleiteten, das Verhältnismässigkeitsgebot konkretisierenden Äquivalenzprinzip darf die Gebühr zum objektiven Wert der Leistung nicht in ein offensichtliches Missverhältnis geraten und muss sich in vernünftigen Grenzen bewegen. Der Wert der Leistung bemisst sich entweder nach dem Nutzen, den sie dem Pflichtigen bringt, oder - wie im vorliegenden Fall - nach dem Kostenaufwand der konkreten Inanspruchnahme im Verhältnis zum gesamten Aufwand des betreffenden Verwaltungszweiges bzw. der betreffenden Behörde (
BGE 109 Ib 314
E. 5b,
BGE 109 II 480
E. 3c,
BGE 107 Ia 33
E. 2d).
a) Die Gestehungskosten für eine Fotokopie dürften heute - ohne Lohnkosten - nicht mehr als Fr. 0.20 betragen. Jedenfalls werden in Einkaufszentren, Verwaltungsgebäuden usw. den Privaten in der Regel für dieses Entgelt Fotokopier-Apparate zur Verfügung gestellt. Was weiter den zeitlichen Aufwand anbelangt, so lassen sich mit modernen Apparaten innert wenigen Stunden Hunderte von Kopien erstellen sowie allenfalls sortieren und heften; auch mit älteren Maschinen kann eine Kopie in einigen Sekunden hergestellt werden. Für ihre Tätigkeit werden die Präsidenten der Schätzungskommissionen und ihre Aktuare, wie dargestellt, in der Regel mit Taggeldern entschädigt. Diese belaufen sich zur Zeit für Präsidenten auf Fr. 800.--, sofern sie freierwerbende Anwälte sind, andernfalls auf Fr. 500.--; den Aktuaren steht, sofern sie freierwerbende Anwälte sind, ein Taggeld von Fr. 500.--, andernfalls von Fr. 400.-- zu (Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 der Gebührenverordnung in der Fassung vom 3. Dezember 1990, in Kraft seit 1. Januar 1991). Vor dem 1. Januar 1991 waren die Taggelder für die Präsidenten auf Fr. 600.-- bzw. Fr. 400.--, für die Aktuare auf Fr. 300.-- festgesetzt. Für die Hilfskräfte, die für Kanzleiarbeiten, wie das Anlegen von Dossiers sowie Registratur- und Vervielfältigungsarbeiten, beigezogen werden können, sind gemäss den an die Schätzungskommissionen gerichteten Mitteilungen der Bundesgerichtskasse die üblichen Stundenlöhne zu bezahlen. Müssen somit im Rahmen der Tätigkeit der Schätzungskommission beispielsweise 1000 Fotokopien erstellt werden, was
BGE 118 Ib 349 S. 353
auch mit älteren Maschinen in einem Tag möglich sein sollte (vgl.
BGE 107 Ia 34
), so belaufen sich die heutigen Lohnkosten pro Kopie auf etwa Fr. 0.25, wenn eine Hilfskraft eingesetzt wird, auf Fr. 0.50 bzw. 0.40, wenn der Aktuar die Vervielfältigungen vornimmt, und auf Fr. 0.80 bzw. Fr. 0.50, wenn der Präsident selbst kopiert. Vor dem 1. Januar 1991 betrugen die Kosten pro Kopie sogar nur Fr. 0.30 bei Einsatz des Aktuaren und Fr. 0.60 bzw. Fr. 0.40 bei Vervielfältigungsarbeit durch den Präsidenten.
Liegen demnach im vorliegenden Fall die Gesamtkosten für die serienmässige Herstellung von Fotokopien deutlich unter Fr. 1.-- pro Stück, so hält der in Rechnung gestellte Betrag von Fr. 2.-- je Seite, wie die Beschwerdeführerinnen zu Recht geltend machen, vor dem Äquivalenzprinzip nicht stand. Die Unvereinbarkeit eines solchen Gebührenansatzes mit
Art. 4 BV
ergibt sich denn hier auch aus der Gegenüberstellung der geforderten Taggelder und Gebühren: Während für die 1989 an 25 Tagen durchgeführten Einigungsverhandlungen und die damit verbundenen Arbeiten Taggeld-Entschädigungen von insgesamt Fr. 38'000.-- verlangt werden, belaufen sich die Gesamtgebühren für die Fotokopien der Verhandlungsprotokolle auf nicht weniger als Fr. 25'996.--. Wird nur die Rechnung des Aktuars betrachtet, so übersteigt seine Kostennote für Fotokopien in Höhe von Fr. 13'088.-- die Taggeld-Entschädigungen von Fr. 4'800.-- sogar um ein Mehrfaches. Auch für die Rechnungsperiode 1991 bleibt die vom Präsidenten für Fotokopien geforderte Gebühr von Fr. 5'814.-- nicht weit unter dem Taggeld-Gesamtbetrag von Fr. 7'000.--. Es kann aber offensichtlich nicht verhältnismässig sein, wenn der Präsident oder Aktuar einer Schätzungskommission als Entgelt für blosse Hilfsarbeiten, wie das Kopieren, mehr verlangt als das, was ihm für seine eigentliche juristische Tätigkeit zusteht. Der Auffassung der Beschwerdegegner, es stehe ihnen frei, der kostenpflichtigen Partei auch für umfangreiche Vervielfältigungsarbeiten statt der Taggeld-Entschädigungen oder der effektiv den Hilfskräften bezahlten Löhne die Gebühr von Fr. 2.-- pro Kopie zu belasten, kann daher nicht gefolgt werden.
b) Es stellt sich somit die Frage, welcher Betrag für die Fotokopien hätte in Rechnung gestellt werden dürfen.
Die Beschwerdegegner machen in ihren Vernehmlassungen geltend, dass ihnen zur Anfertigung der Kopien keine leistungsfähigen Maschinen zur Verfügung gestanden hätten und mit den erhobenen Gebühren nicht nur das Fotokopieren selbst, sondern auch das Sortieren, Heften, Verpacken und Versenden der Schriftstücke
BGE 118 Ib 349 S. 354
abgegolten werde. Der Aktuar führt weiter aus, dass er im Anschluss an die an 14 Tagen durchgeführten Einigungsverhandlungen für die erwähnten Kanzleiarbeiten mindestens je einen zusätzlichen Tag habe aufwenden müssen. Ausserdem habe er für die von ihm erstellten 6544 Kopien seinem Arbeitgeber für die Benützung des Apparates je Fr. 0.10 bezahlen müssen. Der stellvertretende Schätzungskommissions-Präsident macht weder über den zeitlichen Aufwand noch über allfällige Auslagen irgendwelche Angaben.
Grundsätzlich ist zu bemerken, dass es angebracht gewesen wäre, für die umfangreichen Kanzleiarbeiten, die im Jahre 1989 im Zusammenhang mit den an 25 Tagen durchgeführten Einigungsverhandlungen anfielen, eine Hilfskraft einzusetzen. Dies wurde den Präsidenten der Eidgenössischen Schätzungskommission des Kreises X vom Bundesgericht schon mit Schreiben vom 11. September 1989 empfohlen. Da jedoch diese Arbeiten nun einmal durch den Präsidenten und den Aktuaren selbst vorgenommen worden sind, steht ihnen hiefür eine Vergütung zu, die indessen aus den genannten Gründen die Taggeld-Entschädigungen nicht übersteigen darf und nach den Vorschriften der Gebührenverordnung auch in solchen auszurichten ist.
Dem Aktuar sind demnach für die gemäss eigenen Angaben für Kanzleiarbeiten aufgewendeten 14 Tage nach dem damals geltenden Taggeld-Ansatz je Fr. 300.--, insgesamt Fr. 4'200.--, zu bezahlen. Zudem sind ihm die für die Anfertigung der 6544 Fotokopien entstandenen Auslagen von Fr. 654.40 zu vergüten.
Was den Präsidenten anbelangt, so hat dieser für die zwischen dem 28. Juli und dem 31. Dezember 1989 an 25 Tagen stattfindenden Einigungsverhandlungen und die damit verbundenen Arbeiten Taggelder für 84 Tage in Rechnung gestellt. Es fragt sich, ob mit diesen Taggeld-Entschädigungen die Vervielfältigungs- und Versandarbeiten nicht bereits abgegolten seien. Da jedoch nicht ausgeschlossen werden kann, dass der zeitliche Aufwand doch grösser war, können dem Präsidenten für die von ihm anschliessend an 11 Verhandlungstagen vorgenommenen administrativen Arbeiten weitere 11 Taggelder zugestanden werden. Allfällige Auslagen - solche sind nicht ausgewiesen worden - sind in diesen zusätzlichen Taggeld-Entschädigungen inbegriffen.
Mit der Zwischenabrechnung für das Jahr 1991 wird neben den Taggeldern für insgesamt 14 Tage ein in Anwendung des umstrittenen Gebühren-Tarifes berechneter Gesamtbetrag von Fr. 5'814.-- für Fotokopien eingefordert. Über den zeitlichen Aufwand des
BGE 118 Ib 349 S. 355
Präsidenten für die Anfertigung dieser Kopien und allfällige Auslagen ist ebenfalls nichts bekannt. An die Stelle des verlangten Betrages ist daher ermessensweise eine Entschädigung von 5 Taggeldern zu je Fr. 500.-- zu setzen, die als eher grosszügig gelten kann und mit der auch eventuelle Unkosten abgegolten werden.
7.
Den Antrag auf Streichung der Entschädigung für die "Raum-Miete" bzw. für die Aktenaufbewahrung im Jahre 1991 in Höhe von Fr. 960.-- begründen die Beschwerdeführerinnen damit, dass ein solches Entschädigungsbegehren jedenfalls für die Zeit nach der Überweisung der Einspracheakten an das Bundesamt für Verkehr nicht mehr geltend gemacht werden könne; es könne daher offenbleiben, ob für eine solche Forderung überhaupt eine gesetzliche Grundlage bestehe.
Es trifft zu, dass die Gebührenverordnung in der heutigen Fassung eine Vergütung von Mietkosten nicht ausdrücklich vorsieht. Die Büro-Benützung wird denn auch in der Regel mit der Taggeld-Entschädigung abgegolten. Allerdings ist nicht ausgeschlossen, dass im Rahmen grösserer Verfahren eigens wegen der Enteignungsgeschäfte zusätzliche Räume zur Aktenaufbewahrung gemietet werden müssen. In diesem Fall müssen die entsprechenden Kosten ebenfalls als Auslagen in Rechnung gestellt werden können. Den Beschwerdeführerinnen ist aber darin zuzustimmen, dass im vorliegenden Fall nach der Überweisung der Einspracheakten an das Bundesamt für Verkehr nur noch die Unterlagen über die Entschädigungsforderungen der Enteigneten beim Schätzungskommissions-Präsidenten verblieben sind und diese keinen derartigen Umfang aufweisen, dass allein für deren Aufbewahrung ein Raum zur Verfügung gestellt oder hinzugemietet werden müsste. Die Beschwerde ist daher auch in diesem Punkte gutzuheissen. | public_law | nan | de | 1,992 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
191b6451-7e21-4354-8482-4e03257a76de | Urteilskopf
96 II 439
57. Arrêt de la Ire cour civile, du 8 décembre 1970 dans la cause Verreyken contre Parsel SA | Regeste
Aktiengesellschaft. Vertretungsmacht.
Art. 458 ff. und 718 OR
.
1. Die Ermächtigung kann stillschweigend erteilt werden (Erw. 2).
2. Wenn die Organe der AG bloss dulden, dass eine Person im Namen der Gesellschaft handelt, so wird die AG durch die Handlungen dieser Person verpflichtet, wenn Dritte beim Vertragsschluss in guten Treuen auf eine Ermächtigung schliessen durften; haben dagegen die Organe eine Ermächtigung erteilen wollen, so stellt sich die Frage des guten Glaubens Dritter beim Vertragsschluss nicht (Erw. 2).
3. Die Handlungen des Stellvertreters verpflichten die AG nicht, wenn er auf eigene Rechnung gehandelt oder über den Gesellschaftszweck hinausgehende Geschäfte abgeschlossen hat (Erw. 3).
- Unterschied zwischen Tat- und Rechtsfrage hinsichtlich des ersten Punktes (Erw. 3 a).
- Der Zweck der AG kann Dritten entgegengehalten werden, gleichgültig, ob sie Ausländer und im Ausland wohnhaft sind (Erw. 3 b). | Sachverhalt
ab Seite 440
BGE 96 II 439 S. 440
A.-
Parsel SA avait un seul actionnaire, Mozes, lequel était titulaire d'une procuration qui lui permettait de prélever de l'argent sur le compte de chèques postaux et sur le compte en banque; Chapuis était administrateur unique et pouvait, seul, engager la société par sa signature. Le but social était "la vente par correspondance de marchandises de toute nature et de toutes provenances se rapportant à l'homme, à la femme, à l'enfant et à la maison". Depuis 1964, c'est Mozes seul qui s'est occupé des achats et, notamment, a traité avec les fournisseurs. A partir de l'année suivante, il s'est mis à payer les commandes importantes au moyen de traites, qu'il signait lui-même. Dès avant le mois de septembre 1966, Chapuis savait que Mozes en usait ainsi.
Verreyken, qui faisait, à Anvers, le commerce des diamants, est entré en rapport avec Parsel par un tiers qui appartenait, au même lieu, à la maison CEF, spécialisée dans la taille des diamants.
Le 28 septembre 1966, il a envoyé à la "maison Parsel, 16 rue Roveray, à Genève", un premier lot de diamants, commandé par l'intermédiaire de CEF et facturé 295 440 fr. belges. Le 5 octobre, Mozes a accusé réception de la marchandise et annoncé l'envoi d'un "effet accepté à 60 jours suivant les conventions prévues". Le 6 octobre, il a envoyé, avec une lettre de couverture, un effet accepté par Parsel SA et qui devait échoir le 5 décembre 1966. Le paiement est intervenu le 22 décembre 1966.
Le 19 octobre 1966, Verreyken a envoyé à Parsel un second lot de diamants pour 560 045 fr. belges. Le 27 octobre, Mozes
BGE 96 II 439 S. 441
en a accusé réception et annoncé l'envoi d'une traite; en même temps, il a passé une nouvelle commande, dite urgente. Le 2 novembre, il a expédié à Verreyken une traite qui portait, comme date d'échéance, le 10 janvier 1967; elle était également accompagnée d'une lettre de couverture.
Verreyken a fait à Parsel un troisième envoi, le 31 octobre 1966, pour 1 328 576 fr. belges; il a écrit, le 4 novembre, que le destinataire avait la faculté de conserver ou de renvoyer la marchandise. Le 8 novembre, Mozes a répondu qu'il avait dédouané définitivement les pierres, à l'exception de trois grands brillants qu'il avait introduits en Suisse avec passavant et se réservait de renvoyer après examen. Il les a finalement conservés et ils ont été facturés. Le 21 novembre, il a envoyé à Verreyken, toujours avec une lettre de couverture, un effet accepté par Parsel, avec échéance le 20 janvier 1967. Cet effet a été protesté, faute de paiement, le 24 janvier 1967.
Le quatrième envoi de Verreyken à Parsel date du 19 décembre 1966; la facture se montait à 180 808 fr. belges.
Enfin, le cinquième envoi, du 9 janvier 1967, pour 347 612 fr., a été refusé par une lettre du 13 janvier suivant, signée par Chapuis, lequel déclarait qu'en l'absence de Mozes et ignorant tout de l'affaire, il demandait les duplicata de toutes les factures que Verreyken aurait pu adresser à Parsel. Le 17 janvier, Chapuis a écrit à Verreyken, au nom de Parsel, que l'affaire ne concernait pas la société, laquelle déclinait toute responsabilité et refusait tous paiements pour les transactions entre Verreyken et Mozes.
Pour toute sa correspondance avec celui-là, celui-ci avait utilisé du papier portant l'en-tête de Parsel. Verreyken était venu à Genève dans la première quinzaine du mois de décembre 1966; Mozes l'y avait reçu dans les locaux de Parsel, qui ne contenaient que des vêtements et de la lingerie; il s'y était comporté comme le chef de l'entreprise; lui ayant exhibé des montres, il lui avait expliqué que la maison allait en entreprendre la vente par correspondance; il lui avait même fait une commande de petits diamants, les disant destinés à ce commerce.
A la fin du mois de décembre, Mozes a cessé de venir dans les bureaux de Parsel et a disparu sans laisser d'adresse. Au début du mois suivant, Verreyken a téléphoné à de très nombreuses reprises chez Parsel, cherchant à l'atteindre et se plaignant que la traite du 20 novembre 1966, donnée pour le
BGE 96 II 439 S. 442
paiement de la deuxième livraison, fût demeurée impayée. Il a même écrit au domicile privé de Mozes, le 16 janvier 1966, au sujet de la lettre que Chapuis lui avait envoyée, le 13 janvier 1966. La comptabilité de Parsel ne porte pas trace des achats de diamants.
B.-
Parsel SA est tombée en faillite et Verreyken a produit sa créance pour 241 757,90 fr. suisses. Sa production ayant été totalement écartée de l'état de collocation, il a ouvert action en rectification dudit état; il demandait que sa créance fût admise en cinquième classe. La masse en faillite a conclu au déboutement.
Statuant le 12 décembre 1968, le Tribunal de première instance de Genève a ordonné la collocation en cinquième classe de 176 766 fr.
Sur appel de la masse en faillite de Parsel SA, la Cour de justice de Genève a annulé le jugement de première instance et débouté Verreyken, le 19 juin 1970.
C.-
Verreyken a recouru en réforme. Il conclut à la collocation en cinquième classe de 176 766 fr. dans la faillite de Parsel.
D.-
La masse en faillite de Parsel SA conclut à la confirmation de l'arrêt attaqué.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
...
2.
D'après les constatations souveraines du juge du fait, Mozes était le véritable maître de Parsel SA, société dont il était l'unique actionnaire et où il exerçait effectivement tous les pouvoirs. L'administrateur unique Chapuis n'était qu'un prête-nom; il se bornait à contrôler la comptabilité et a toléré que Mozes s'arroge tous les pouvoirs, y compris celui de signer des effets de change. Mozes avait aussi pris en main toutes les relations avec la clientèle et la conclusion de tous les contrats. L'administrateur unique de la société l'avait donc laissé exercer les pouvoirs les plus étendus; il l'avait fait sciemment.
Sans doute ces pouvoirs n'avaient-ils fait l'objet ni d'un acte écrit, ni d'une inscription au registre du commerce; ils étaient simplement tacites. Mais cela ne fait pas obstacle à leur validité (art. 458 s. et 718 CO; RO 60 I 393;
74 II 151
;
76 I 351
s.). Si Chapuis, administrateur unique de Parsel, avait simplement toléré que Mozes ait accompli, au nom de la société, les
BGE 96 II 439 S. 443
actes les plus divers, comme s'il était représentant de celle-ci mais sans vouloir, d'une façon générale, lui conférer les pouvoirs correspondants, il faudrait sans doute rechercher si Verreyken était fondé à admettre de bonne foi, vu les apparences ainsi créées, que Mozes avait pouvoir d'agir comme il l'a fait (RO 76 I 352). Mais cette question ne se pose pas, en l'espèce. Le juge du fait - à savoir le Tribunal de première instance, suivi par la Cour de justice - a constaté souverainement que l'administration s'en était entièrement remise à Mozes, lequel exerçait les pouvoirs les plus étendus, y compris celui de signer seul des traites, mais, bien plus encore, que l'administrateur unique, Chapuis, voulait qu'il en fût ainsi.
3.
Dès lors, c'est dans deux hypothèses seulement que les actes de Mozes auraient pu ne pas engager Parsel SA: premièrement s'il avait agi pour son propre compte et non comme représentant de la société, secondement si les achats de diamants étaient exorbitants du but social.
a) Sur le premier point, il faut distinguer les questions de fait des questions de droit. Le juge cantonal examine des questions de fait - et sa décision à cet égard est souveraine selon l'art. 63 al. 2 OJ - lorsqu'il recherche qui a conclu tel contrat, sous quelle forme, dans quelles circonstances, qui a signé telle lettre, sur quel genre de papier et comment. Il tranche des questions de droit lorsqu'il dit en quelle qualité telle personne a conclu un marché, si c'est en son propre nom ou en qualité de représentant d'une tierce personne, par exemple. En cette matière, son prononcé est soumis à la censure du Tribunal fédéral saisi par la voie du recours en réforme (art. 43 OJ).
Le juge genevois a constaté les faits suivants (arrêt entrepris, qui se réfère aux faits constatés par le Tribunal de première instance): C'est avec Parsel SA que Verreyken a été mis en rapport par la maison CEF; c'est sur du papier à en-tête de Parsel SA que Mozes lui a fait cinq commandes successives de diamants et c'est à l'adresse de cette société qu'il a livré les diamants par la poste. C'est également sur du papier à en-tête de Parsel SA qu'ont été écrites toutes les autres lettres adressées à Verreyken par Mozes, lequel a même, parfois, apposé le timbre humide de la société au-dessus de sa signature. C'est la société également que mentionnent toutes les factures et tous les documents douaniers relatifs aux livraisons. C'est elle enfin
BGE 96 II 439 S. 444
qui est l'acceptant des effets de change envoyés à Verreyken pour le paiement.
Ces faits obligent à conclure que, contrairement à ce qu'a admis la Cour de justice, c'est au nom de Parsel SA et non pas en son propre nom que Mozes a traité avec Verreyken. Peu importe à cet égard que Verreyken ait écrit à l'adresse de cette société en usant de la formule d'appel "Monsieur" au lieu de "Messieurs", que celle-ci ait écrit à son tour, sous la signature de Mozes: "J'accuse réception" ... et non pas "Nous accusons réception" ... Ce sont là des nuances dont on ne saurait rien tirer de décisif, vu les faits constatés par ailleurs.
De même, il n'importe que, le 6 janvier 1967, Verreyken ait écrit à Mozes une lettre personnelle. Cette lettre, postérieure aux livraisons, s'explique par la surprise qu'avait causée à son auteur l'intervention soudaine de Chapuis, administrateur de Parsel SA, qu'il ne connaissait en aucune manière. Comme l'a expliqué le juge de première instance, le fait que, lors de sa comparution personnelle, le recourant ait nié s'être adressé directement à Mozes ne permet pas de conclure qu'il avait voulu traiter avec lui, à l'exclusion de Parsel SA
b) La Cour de justice a admis que le but statutaire de Parsel SA ne lui permettait pas de faire le commerce des pierres précieuses.
Le but d'une société anonyme, tel qu'il a été inscrit au registre du commerce (art. 641 ch. 3 CO), est censé connu des tiers et leur est opposable. Le tiers qui conclut un marché sans s'informer sur ce point en assume le risque et supporte le dommage qui peut en découler (art. 933 CO). Peu importe qu'il soit étranger et domicilié à l'étranger. Les doutes que le Tribunal de première instance exprime sur ce point ne sont pas fondés. En principe, l'étranger qui traite des affaires en Suisse avec une personne morale constituée selon le droit suisse se soumet implicitement à l'ordre juridique de ce pays. Les renseignements qu'il trouve au registre du commerce constituent du reste, positivement pour lui, une certaine garantie. Parsel SA ne répondrait donc pas des actes par lesquels son représentant aurait conclu des marchés exorbitants de son but social, inscrit au registre du commerce.
La formule inscrite au registre du commerce, qui définit le but d'une société, doit être comprise dans un sens large. Aussi bien l'art. 718 al. 1 CO donne-t-il aux représentants d'une SA
BGE 96 II 439 S. 445
le droit de faire, au nom de celle-ci, "tous les actes que peut impliquer le but social". Cette disposition vise à protéger les tiers de bonne foi et non à régir les rapports internes entre la société et ses représentants. Le Tribunal fédéral a jugé (RO 95 II 448) que le but social embrasse l'ensemble des actes juridiques qui, du point de vue objectif, peuvent, ne fût-ce que de façon indirecte, contribuer à atteindre le but social, c'est-à-dire tous ceux que ce but n'exclut pas nettement; il n'est pas nécessaire qu'ils rentrent dans l'activité habituelle de l'entreprise.
En l'occurrence, Parsel SA avait pour but, selon ses statuts, de vendre par correspondance des marchandises de toute nature et de toute provenance se rapportant en particulier "à la femme". On ne saurait dire qu'un tel but exclue l'achat de diamants; il peut le couvrir, soit que la société veuille s'attirer des clients par l'institution de concours pour lesquels les pierres, montées, pourraient servir de prix, comme Mozes l'avait fait entrevoir à l'un de ses employés, soit qu'elle veuille entreprendre le commerce par correspondance de joaillerie et de montres - serties ou non de pierres précieuses. Il n'importe que cette activité n'ait pas été usuelle pour Parsel SA
L'arrêt attaqué méconnaît donc aussi le droit fédéral pour avoir interprété trop strictement la notion du but de la société.anonyme.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral:
Admet le recours, annule l'arrêt attaqué, rectifie l'état de collocation de la masse en faillite de Parsel SA en ce sens que la production de Verreyken est colloquée en 5e classe à concurrence de 176 766 fr. | public_law | nan | fr | 1,970 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
191cd735-c8de-4116-bda2-3cb5e705c37b | Urteilskopf
119 IV 195
35. Extrait de l'arrêt de la Cour de cassation pénale du 21 septembre 1993 dans la cause Y. c. Ministère public du canton de Vaud (pourvoi en nullité) | Regeste
Art. 55 StGB
; Landesverweisung.
Bei der Verurteilung eines Flüchtlings zu einer Landesverweisung muss der Strafrichter die einschränkenden Voraussetzungen der Flüchtlingsgesetzgebung berücksichtigen; ist der Entscheid der zuständigen Behörde über die Flüchtlingseigenschaft des Betroffenen noch nicht ergangen, so hat er diese Frage nach den allgemeinen Voraussetzungen zur Prüfung von Vorfragen zu entscheiden (E. 2).
Ob die Landesverweisung bedingt aufgeschoben oder vollzogen werden soll, hängt einzig von der Prognose über das zukünftige Verhalten des Verurteilten in der Schweiz ab; nicht von Bedeutung ist dabei die Frage, ob die Aussichten seiner Wiedereingliederung in der Schweiz oder seinem Heimatland erfolgsversprechender sind (E. 3). | Sachverhalt
ab Seite 195
BGE 119 IV 195 S. 195
A.-
Entre le début août 1992 et la date de son arrestation, à savoir le 9 août de la même année, Y., requérant d'asile de nationalité turque, s'est livré à un trafic de drogue portant au moins sur une vingtaine de grammes d'héroïne.
BGE 119 IV 195 S. 196
Le 8 août 1992, alors qu'il livrait une dose d'héroïne à un consommateur, dans les toilettes d'un établissement public, Y. a été surpris par un serveur, H., qui a tenté de s'emparer du sachet pour mettre fin à ces agissements délictueux. Y. a résisté et a même frappé H. à l'abdomen pour se libérer et prendre la fuite. La victime n'a pas subi de lésions durables, mais a eu mal à l'estomac et a dû suspendre son activité professionnelle pendant une semaine. En outre, peu après ces faits, Y. a dit à H. d'oublier ce qu'il avait pu voir le 8 août 1992 s'il tenait à éviter des ennuis pour lui-même ou pour sa femme.
B.-
Par jugement du 11 février 1993, le Tribunal correctionnel du district de Vevey a reconnu Y. coupable de voies de fait, de menaces et d'infraction grave à la LStup. et l'a condamné à 20 mois d'emprisonnement, sous déduction de la détention préventive subie, et à 5 ans d'expulsion du territoire suisse. Il a en outre mis à sa charge une créance compensatrice de 1'000 francs et les frais de la cause.
C.-
Le 5 avril 1993, la Cour de cassation pénale vaudoise a admis le recours interjeté par le condamné. Elle a réformé le jugement de première instance en ce sens qu'elle a ramené la peine à 14 mois d'emprisonnement avec sursis pendant 3 ans. Pour le surplus, elle a confirmé la décision du Tribunal correctionnel.
D.-
Y. s'est pourvu en nullité contre cet arrêt. Invoquant une violation des
art. 41 et 55 CP
, il conclut, avec suite de frais et dépens, à l'annulation de l'arrêt attaqué et au renvoi de la cause à l'autorité cantonale pour qu'elle statue à nouveau. Relevant qu'il a déposé une demande d'asile le 10 décembre 1990, qui a été rejetée par l'Office fédéral des réfugiés en date du 5 juin 1991, décision qui fait l'objet d'un recours actuellement pendant, il conteste que les conditions permettant le prononcé d'une expulsion soient réalisées et considère qu'une telle mesure devait pour le moins être assortie du sursis.
Le recourant sollicite en outre l'assistance judiciaire et l'effet suspensif.
Erwägungen
Extrait des considérants:
2.
Le recourant fait valoir que l'autorité cantonale a considéré à tort que sa demande d'asile était vouée à l'échec.
Selon la jurisprudence, le juge pénal qui envisage de prononcer une mesure d'expulsion à l'encontre d'un réfugié doit prendre en considération les art. 32 ch. 1 de la Convention relative au statut des réfugiés (RS 0.142.30) et 44 al. 1 de la loi sur l'asile (RS 142.31) et,
BGE 119 IV 195 S. 197
le cas échéant, interpréter de manière restrictive l'
art. 55 CP
afin de tenir compte de ces normes selon lesquelles un réfugié à qui la Suisse a accordé l'asile ne peut être expulsé que s'il compromet la sécurité intérieure ou extérieure de la Suisse ou s'il a porté gravement atteinte à l'ordre public. Si les autorités compétentes en matière d'asile n'ont pas encore statué, le juge pénal doit se prononcer sur la qualité de réfugié conformément aux règles applicables à l'examen des questions préjudicielles (
ATF 116 IV 111
consid. bb et les références citées).
La cour cantonale n'a pas méconnu cette jurisprudence puisque, faisant sienne la motivation du jugement de première instance sur cette question, elle a considéré que l'expulsion était envisageable car la demande d'asile du recourant était promise au rejet, l'instruction n'ayant pas permis d'établir qu'il ait été personnellement inquiété ou arrêté en Turquie. L'autorité cantonale a constaté de surcroît que le recourant a déclaré avoir été en danger dans son pays parce que sa famille était sympathisante du parti clandestin kurde PKK et qu'il aurait effectué certaines activités ou propagande en faveur de ce mouvement. Son activité politique apparaît donc accessoire à celle de ses proches, de sorte qu'il n'y a pas lieu de considérer que sa demande d'asile ait plus de chances d'être admise que celle de son père, qui a été rejetée définitivement. Dans ces circonstances, les juges cantonaux n'ont pas violé le droit fédéral en appréciant, à titre préalable, les chances de succès de la requête d'asile déposée par le recourant et en concluant, sur la base des faits constatés, que celle-ci était vouée à l'échec.
En outre, dans la mesure où il fait valoir que la procédure en matière d'asile n'aurait pas été menée de manière correcte, le recourant s'écarte de l'état de fait de l'arrêt attaqué, de sorte que son grief n'est pas recevable sur ce point (
ATF 115 IV 41
consid. 3a).
3.
a) Le recourant soutient d'autre part que l'expulsion devait pour le moins être assortie du sursis.
b) L'
art. 41 ch. 1 al. 1 CP
prévoit la possibilité d'accorder le sursis "en cas de condamnation à une peine privative de liberté n'excédant pas dix-huit mois ou à une peine accessoire". L'octroi ou le refus du sursis à l'expulsion dépend exclusivement des critères fixés à l'
art. 41 ch. 1 al. 1 CP
(
ATF 118 IV 104
consid. aa,
ATF 114 IV 97
). Ainsi, le juge pourra suspendre l'exécution de l'expulsion si les antécédents et le caractère du condamné font prévoir que cette mesure le détournera de commettre d'autres crimes ou délits (
ATF 117 IV 4
consid. 2b, 118 consid. b,
ATF 114 IV 97
). La protection de la sécurité publique
BGE 119 IV 195 S. 198
n'intervient qu'au moment de décider ou non d'une expulsion; quant aux chances de resocialisation, elles doivent être prises en considération - lorsque l'accusé est condamné à une peine ferme - au moment de la libération conditionnelle (
ATF 114 IV 97
). Pour décider si le sursis serait de nature à détourner l'accusé de commettre de nouvelles infractions, l'autorité cantonale doit se livrer à une appréciation d'ensemble (
ATF 117 IV 5
consid. 2b, 114 IV 97); dans ce cadre, elle dispose d'un large pouvoir d'appréciation (
ATF 115 IV 82
consid. 2a et les arrêts cités). La Cour de cassation ne peut donc intervenir, en considérant le droit fédéral comme violé, que si la décision attaquée ne repose pas sur les critères légaux ou si elle apparaît exagérément sévère ou clémente, au point que l'on puisse parler d'un abus du pouvoir d'appréciation (
ATF 104 IV 225
consid. b).
c) En l'espèce, l'autorité cantonale a relevé, d'une manière qui lie la Cour de cassation du Tribunal fédéral conformément à l'
art. 277bis al. 1 PPF
, que le recourant n'avait pas d'attaches importantes en Suisse, son père dont la demande d'asile a été rejetée ayant déjà dû quitter le pays. Elle a en outre mis l'activité délictueuse du recourant en relation avec le désoeuvrement de celui-ci, lequel apparaît comme la conséquence de sa situation en Suisse. Dans ces circonstances, on peut douter sérieusement qu'une expulsion assortie du sursis soit propre à le détourner de retomber dans la délinquance. D'une part, les conditions de vie qui sont les siennes dans le pays ne sont pas particulièrement propices pour éviter la récidive et d'autre part il n'a pas assez de liens avec la Suisse pour que l'on puisse penser qu'il accordera à sa présence dans le pays un prix suffisant pour le dissuader de commettre de nouvelles infractions. Dès lors, on ne saurait admettre que l'autorité cantonale a abusé de son large pouvoir d'appréciation en considérant qu'une expulsion assortie du sursis ne serait pas de nature à détourner le recourant de la récidive.
Le recourant reproche à l'autorité cantonale d'avoir violé l'
art. 41 CP
en se limitant à dire que ses chances de réinsertion paraissaient inexistantes en Suisse, sans déterminer si elles semblaient meilleures dans son pays d'origine.
Est seul déterminant en vue de l'octroi ou du refus du sursis le pronostic relatif au comportement futur du condamné en Suisse (
ATF 117 IV 6
). Ainsi, c'est à juste titre que l'autorité cantonale n'a examiné que les chances de réinsertion du recourant dans ce pays; il n'y avait pas lieu de les mettre en parallèle avec ses perspectives d'amendement dans son pays d'origine. Le recours doit dès lors être rejeté. | null | nan | fr | 1,993 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
191d9575-aa0c-4abc-be7c-7559f8e52b9f | Urteilskopf
138 III 59
9. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen B. (Beschwerde in Zivilsachen)
4A_227/2011 vom 10. Januar 2012 | Regeste
Art. 262, 271 und 271a Abs. 1 lit. a OR; Untermiete, Kündigung des Mietverhältnisses.
Treu und Glauben als Schranke der ordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses (E. 2.1). Die vage Möglichkeit, die Mietsache allenfalls wieder einmal selber zu nutzen, rechtfertigt eine Untervermietung nicht (E. 2.2). Massgebender Zeitpunkt, bis zu dem im Verfahren Gründe für die Kündigung vorgebracht werden können (E. 2.3).
Der Umstand, dass der Vermieter für eine gewisse Zeit ein vertrags- oder gesetzwidriges Verhalten des Mieters geduldet hat, schliesst eine ordentliche Kündigung wegen dauernder Beeinträchtigung des Vertrauensverhältnisses nicht notwendigerweise aus (E. 3). | Sachverhalt
ab Seite 60
BGE 138 III 59 S. 60
A.
A. war Eigentümer eines Ferienhauses, das er gemäss mündlichem Vertrag für einen monatlichen Mietzins von Fr. 500.- an C. (Mieter) vermietete; dieser war Miteigentümer eines Nachbarhauses, das er 2007 an D. verkaufte. Ab dem 1. November 2008 vermietete der Mieter das von A. gemietete Ferienhaus, ohne die Garage, für den gleichen Mietzins an E. und F. (Untermieter); eine vorgängige Zustimmung von A. zur Untermiete hatte er nicht eingeholt.
Am 12. Juni 2009 übertrug A. das Ferienhaus seinem Sohn A.X. Letzterer (Vermieter) kündigte vier Tage später den Vertrag mit dem Mieter mittels amtlichem Formular auf den 30. September 2009, ohne Angabe von Gründen. Auf diesen Termin hin hatte auch der Mieter den Untermietern gekündigt, die allerdings nicht auszogen und sich erfolgreich gegen ein Ausweisungsbegehren zur Wehr setzten. In der Folge vermietete der Vermieter das Ferienhaus den Untermietern.
B.
Der Mieter gelangte am 7. Juli 2009 an die Schlichtungsstelle im Mietwesen; er schloss hauptsächlich auf Aufhebung der gegen ihn ausgesprochenen Kündigung und subsidiär auf eine Erstreckung des Mietverhältnisses um fünfzehn Monate. Eine Einigung konnte nicht erreicht werden. Mit Entscheid vom 29. September 2009 erachtete die Schlichtungsstelle die Kündigung als missbräuchlich und erklärte sie für ungültig.
BGE 138 III 59 S. 61
Der Vermieter klagte beim Bezirksgericht Hinterrhein mit dem Begehren, die Kündigung sei für gültig zu erklären. Mit Urteil vom 16. Juni 2010 hiess das Bezirksgericht die Klage gut und erklärte die Kündigung für gültig.
C.
Der Mieter reichte Berufung ein mit dem Begehren, es sei die Kündigung als ungültig zu erklären. Mit Urteil vom 7. Dezember 2010 hiess das Kantonsgericht von Graubünden die Berufung gut, es hob das erstinstanzliche Urteil auf und wies die Klage des Vermieters auf Gültigerklärung der Kündigung ab.
D.
Der Mieter starb am 24. Dezember 2010, nach Fällung des kantonsgerichtlichen Urteils. Die schriftliche Ausfertigung wurde den Parteivertretern am 8. März 2011 zugestellt.
E.
Der Vermieter (nachfolgend: Beschwerdeführer) reichte am 7. April 2011 Beschwerde in Zivilsachen ein. Er schliesst dahin, es sei die Kündigung vom 16. Juni 2009 für gültig zu erklären.
Das Verfahren wurde bis zum Entscheid über den Antritt der Erbschaft des verstorbenen Mieters sistiert. Am 26. Juli 2011 teilte die testamentarische Alleinerbin D. (nachfolgend: Beschwerdegegnerin) mit, sie habe die Erbschaft angenommen.
Das Bundesgericht hebt das Urteil des Kantonsgerichts von Graubünden vom 7. Dezember 2010 in teilweiser Gutheissung der Beschwerde auf und weist die Sache zur Ergänzung des Sachverhalts und zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurück.
(Zusammenfassung)
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von
Art. 271 und 271a Abs. 1 lit. a OR
. Er bestreitet, dass die Kündigung des Mietvertrages gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstiess.
2.1
Die strittige Kündigung ist eine ordentliche Kündigung. Es geht im vorliegenden Fall nicht um eine ausserordentliche Kündigung aus wichtigen Gründen (vgl.
Art. 266g OR
) und nicht um eine Kündigung während eines mit dem Mietverhältnis zusammenhängenden Schlichtungs- oder Gerichtsverfahrens oder innert der darauffolgenden dreijährigen Sperrfrist (vgl. Art. 271a Abs. 1 lit. d und e und Abs. 3 OR), die nur aus bestimmten Gründen zulässig sind, für deren Vorliegen die Partei, die den Mietvertrag kündigt, die Beweislast trägt.
BGE 138 III 59 S. 62
Eine ordentliche Kündigung setzt keine besonderen Kündigungsgründe voraus. Mieter und Vermieter sind grundsätzlich frei, den Mietvertrag unter Einhaltung der vertraglichen oder gesetzlichen Fristen und Termine zu beenden. Eine Schranke ergibt sich einzig aus dem Grundsatz von Treu und Glauben: Bei der Miete von Wohn- und Geschäftsräumen ist die Kündigung anfechtbar, wenn sie gegen diesen Grundsatz verstösst (
Art. 271 Abs. 1 OR
).
Allgemein gilt eine Kündigung als treuwidrig, wenn sie ohne objektives, ernsthaftes und schützenswertes Interesse und damit aus reiner Schikane erfolgt oder Interessen der Parteien tangiert, die in einem krassen Missverhältnis zueinander stehen. Der Umstand, dass die Kündigung für den Mieter eine Härte darstellt, genügt nicht; eine solche Härte ist nur im Hinblick auf eine Erstreckung des Mietverhältnisses relevant (vgl.
Art. 272 OR
). Es obliegt dem Empfänger der Kündigung zu beweisen, dass die Kündigung aus einem verpönten oder ohne schützenswerten Grund erfolgte; der Kündigende hat jedoch redlich zur Wahrheitsfindung beizutragen, die Kündigung auf Ersuchen hin zu begründen (vgl.
Art. 271 Abs. 2 und
Art. 266l OR
,
Art. 9 Abs. 1 lit. c der Verordnung vom 9. Mai 1990 über die Miete und Pacht von Wohn- und Geschäftsräumen [VMWG; SR 221. 213.11]
) und im Bestreitungsfall alle für die Beurteilung des Kündigungsgrunds notwendigen Unterlagen vorzulegen. Eine mangelnde oder fehlerhafte Begründung kann ein Indiz dafür sein, dass ein schützenswertes Interesse an der Kündigung nicht besteht; Treuwidrigkeit wird deshalb angenommen, wenn der angegebene Kündigungsgrund vorgeschoben ist und der wahre Grund nicht feststellbar ist (
BGE 136 III 190
E. 2;
BGE 135 III 112
E. 4.1;
BGE 132 III 737
E. 3.4.2; Urteil 4A_241/2010 vom 10. August 2010 E. 2.3, in: SJ 2011 I S. 69).
Ob eine Kündigung gegen Treu und Glauben verstösst, beurteilt sich in Bezug auf den Zeitpunkt, in welchem sie ausgesprochen wird. Fällt der Grund, aus welchem die Kündigung ausgesprochen wurde, in der Folge dahin, wird die Kündigung nicht nachträglich treuwidrig (Urteil 4C.333/1997 vom 8. Mai 1998 E. 3b, in: CdB 1998 S. 108).
2.2
2.2.1
Das Gesetz zählt beispielhaft Gründe auf, bei deren Vorliegen die Kündigung durch den Vermieter als treuwidrig gilt und folglich anfechtbar ist (
Art. 271a OR
). Ein solcher Grund liegt namentlich vor, wenn die Kündigung ausgesprochen wurde, weil der Mieter nach Treu und Glauben Ansprüche aus dem Mietverhältnis geltend
BGE 138 III 59 S. 63
macht (
Art. 271a Abs. 1 lit. a OR
). Zu diesen Ansprüchen zählt unter anderem das Recht des Mieters, die Mietsache mit Zustimmung des Vermieters ganz oder teilweise unterzuvermieten (
Art. 262 Abs. 1 OR
; Urteil 4C.155/2000 vom 30. August 2000 E. 2a, in: SJ 2001 I S. 19).
Voraussetzung für den Kündigungsschutz ist, dass der Mieter zur Untervermietung überhaupt berechtigt ist. Das ist, abweichende vertragliche Abmachung vorbehalten, nur dann der Fall, wenn der Mieter beabsichtigt, das Mietobjekt in absehbarer Zeit wieder selber zu nutzen. Ansonsten setzt er im Ergebnis auf dem Umweg über die Untermiete einen Nachmieter ein, als wäre er selber Eigentümer; darin liegt ein Rechtsmissbrauch und es kann sich der Mieter nicht auf das gesetzlich vorgesehene Recht zur Untervermietung berufen (
BGE 134 III 446
E. 2.4). Hierbei ist ein relativ strenger Massstab anzusetzen, soll das Institut der Untermiete nicht zweckentfremdet werden. Die Untervermietung ist an sich gedacht für Fälle, in denen der Mieter die Mietsache, beispielsweise wegen eines beruflich bedingten, zeitlich begrenzten Auslandaufenthalts, vorübergehend nicht nutzen kann und für die Zeit seiner Abwesenheit aus finanziellen Gründen einem Dritten überlässt, oder für Fälle, in denen eine Wohnung infolge Wegzuges oder Todes von Familienangehörigen zu gross geworden ist und deshalb teilweise Dritten überlassen wird.
Der Mieter, der eine Mietwohnung verlässt, weiss nicht, ob er, je nach Entwicklung der Dinge, nicht dort wieder einziehen möchte; er kann deshalb, insbesondere in Zeiten der Wohnungsknappheit, ein Interesse haben, die Wohnung nicht definitiv aufzugeben. Daraus aber folgt das Risiko, dass zahlreiche Mieter ausziehen, ohne den Mietvertrag zu kündigen, das Mietobjekt auf unbestimmte Zeit untervermieten und so anstelle des Eigentümers den wahren Bewohner der Mietwohnung bestimmen. Die vage Möglichkeit, die Mietsache allenfalls wieder einmal selber zu nutzen, rechtfertigt eine Untervermietung nicht; eine solche ist umso mehr ausgeschlossen, wenn eine allfällige Rückkehr überhaupt nicht in Betracht fällt (Urteil 4A_367/2010 vom 4. Oktober 2010 E. 2.1, in: CdB 2011 S. 15). Die Überhandnahme langdauernder Untermietverhältnisse oder sukzessiver Untermietverträge (Kettenverträge) wäre im Übrigen weder im Interesse der Eigentümer noch in jenem der Mieter (vgl. Urteil 4A_487/2008 vom 10. März 2009 E. 2.3, in: CdB 2009 S. 67 f.).
2.2.2
Gemäss Feststellung des Kantonsgerichts hat einerseits der Beschwerdeführer in seiner Eingabe an die Schlichtungsstelle
BGE 138 III 59 S. 64
vorgebracht, dass der Mieter mündlich die Absicht geäussert hatte, das Mietverhältnis zu kündigen und ins Nachbarhaus zu ziehen, und hat andererseits der Mieter eine solche Absicht bestritten. Das Kantonsgericht hat - anders als noch das Bezirksgericht - festgehalten, dass trotz Zeugenaussage des Vaters des Beschwerdeführers eine unzweideutige Kündigungsabsicht des Mieters nicht erstellt ist. Damit hat es aber nicht festgestellt, der Mieter habe im Gegenteil die konkrete Absicht gehabt, das Mietobjekt wieder selber zu nutzen; eine tatsächliche Feststellung hierüber fehlt. Der Mieter trägt die Beweislast für die Treuwidrigkeit der Kündigung und folglich dafür, dass er im vorliegenden Fall zur Untervermietung berechtigt war, also insbesondere dafür, dass er das Mietobjekt später wieder selber nutzen wollte. Der Beweis hierfür wurde, zumindest bisher, nicht erbracht, womit auch nicht erwiesen ist, dass der Mieter zur Untervermietung berechtigt war und so nach Treu und Glauben einen Anspruch aus dem Mietvertrag wahrgenommen hat. Die Beschwerdegegnerin als dessen Rechtsnachfolgerin kann sich auf dieser Grundlage nicht auf
Art. 271a Abs. 1 lit. a OR
berufen.
Der Beschwerdeführer bringt vor, die Kündigung sei ohnehin nicht treuwidrig, weil der Mieter es unterlassen hat, die vorgängige Zustimmung des Vermieters einzuholen, und er so das Vertrauensverhältnis zwischen ihnen zerstört hat. Es wurde schon entschieden, dass eine solche Unterlassung in Zusammenhang mit einer gesetzmässigen Untervermietung gar eine ausserordentliche Kündigung rechtfertigen kann, wenn auch erst nach einer Verwarnung (
BGE 134 III 446
E. 2.2). Die Gültigkeit einer ordentlichen Kündigung hängt von weit weniger strengen Anforderungen ab als eine ausserordentliche; sie darf nur Treu und Glauben nicht widersprechen. Es ist nicht auszuschliessen, dass der Umstand, dass der Mieter - allenfalls wider besseres Wissen - für eine gesetzmässige Untervermietung keine vorgängige Zustimmung des Vermieters einholt, grundsätzlich geeignet ist, das Vertrauensverhältnis zwischen den Vertragsparteien derart zu erschüttern, dass eine ordentliche Kündigung als nicht treuwidrig erscheint. Zum Vertrauensverhältnis zwischen Beschwerdeführer und Mieter fehlen im angefochtenen Urteil jedoch die notwendigen tatsächlichen Feststellungen.
2.3
Anders als beispielsweise bei der Mietzinserhöhung (
Art. 269d OR
,
Art. 19 Abs. 1 lit. a VMWG
) schreibt das Gesetz bei der ordentlichen Kündigung nicht vor, bis wann Gründe für die Kündigung vorgebracht werden können (vgl.
Art. 9 VMWG
); es schreibt
BGE 138 III 59 S. 65
insbesondere nicht vor, dass dies innert einer bestimmten Frist nach dem Ersuchen der Gegenpartei um Angabe der Gründe oder spätestens im Schlichtungsverfahren zu geschehen habe. Nichts anderes ergibt sich aus den prozessrechtlichen Vorschriften. Unter dem im vorliegenden Fall vor den kantonalen Behörden noch anwendbaren alten Recht hatten die Schlichtungsbehörde und zumindest der erstinstanzliche Richter den Sachverhalt in Mietstreitigkeiten von Amtes wegen zu ermitteln (aArt. 274d Abs. 3 OR [AS 1990 822]), weshalb Gründe für die Kündigung grundsätzlich auch noch vor dem erstinstanzlichen Richter vorgebracht werden konnten (vgl.
BGE 125 III 231
E. 4b). Daran ändert sich unter dem neuen Recht nichts. Dieses sieht vor, dass in Fällen des Kündigungsschutzes in Mietsachen das erstinstanzliche Gericht neue Tatsachen und Beweismittel bis zum Zeitpunkt der Urteilsfällung berücksichtigt (Art. 229 Abs. 3, Art. 247 Abs. 2 lit. a i.V.m.
Art. 243 Abs. 2 lit. c ZPO
[SR 272]); überdies ist das vorangehende Schlichtungsverfahren vertraulich und dürfen Aussagen der Parteien weder protokolliert noch später im Entscheidverfahren verwendet werden, so dass im Gerichtsverfahren ohnehin kaum eindeutig feststehen dürfte, was anlässlich des Schlichtungsverfahrens vorgebracht wurde (
Art. 273 Abs. 4 OR
;
Art. 205 ZPO
).
Das Gesetz schliesst sodann, unter Vorbehalt des Verbots rechtsmissbräuchlichen Verhaltens, auch ein späteres Nachschieben zusätzlicher Kündigungsgründe nicht aus; das Nachschieben kann allenfalls ein Indiz zu Ungunsten der kündigenden Partei sein oder Kostenfolgen nach sich ziehen, schliesst aber die Berücksichtigung der neuen Gründe nicht von vornherein aus. Die Ergänzung oder Präzisierung schon vorgebrachter Kündigungsgründe schliesslich ist an sich ohne weiteres zulässig (vgl. DAVID LACHAT UND ANDERE, Das Mietrecht für die Praxis, 8. Aufl. 2009, S. 603 Ziff. 3.3; BURKHALTER/MARTINEZ-FAVRE, Le droit suisse du bail à loyer, commentaire, 2011, N. 8 zu
Art. 266l-266o OR
und N. 51 f. zu
Art. 271 OR
; PETER HIGI, Zürcher Kommentar, 4. Aufl. 1996, N. 121 und 140 ff. zu
Art. 271 OR
).
Der Umstand allein, dass Gründe für die Kündigung erst in der Klageschrift an das Bezirksgericht vorgebracht wurden, rechtfertigte es somit nicht, sie nicht zu prüfen. Das gilt insbesondere für jene Gründe, die in Zusammenhang mit der Untervermietung stehen und eher als Ergänzung eines schon vorgebrachten Grundes zu betrachten sind. Die Vorinstanz hat sie zu prüfen.
BGE 138 III 59 S. 66
3.
Das Kantonsgericht hat in einer subsidiären Begründung festgehalten, der Vater des Beschwerdeführers habe als damaliger Vermieter spätestens im November 2008 um die Untervermietung und deren Bedingungen gewusst und sie trotzdem während Monaten geduldet, und es hat dieses passive Verhalten als nachträgliche konkludente Zustimmung zur Untervermietung gewertet. Es fand daher, es sei widersprüchlich, Mitte Juni 2009 wegen der Untervermietung zu kündigen.
Laut Beschwerdeführer ist die Feststellung, wonach sein Vater die Untermiete monatelang stillschweigend geduldet habe, offensichtlich unrichtig. Er behauptet, sein Vater habe bereits Mitte Februar 2009 die Kündigung mündlich angekündet, und beruft sich auf eine Beilage zur erstinstanzlichen Klageantwort, die das Kantonsgericht nicht erwähnt; bei dieser Beilage handelt es sich um einen vom Mieter selber zu den Akten gegebenen, vom 17. Februar 2009 datierten eingeschriebenen Brief, mit welchem der Mieter dem Vater des Beschwerdeführers sein grosses Erstaunen darüber ausdrückt, dass dieser das Mietverhältnis per 30. Juni 2009 auflösen wolle. Die tatsächliche Feststellung im angefochtenen Entscheid, aus der die Vorinstanz eine Zustimmung zur Untervermietung ableitet, erscheint damit offensichtlich unrichtig.
Der Umstand, dass der Vater des Beschwerdeführers ein vertrags- oder gesetzwidriges Verhalten des Mieters, aus welchem Grund auch immer, geduldet hätte, schlösse im Übrigen nicht notwendigerweise aus, dass dieses unkorrekte Verhalten des Mieters das Vertrauensverhältnis zum Beschwerdeführer dennoch dauernd beeinträchtigt hat und eine ordentliche Kündigung deswegen nicht treuwidrig wäre. Es geht vorliegend nicht um einen Grund für eine ausserordentliche Kündigung, dessen Geltendmachung der Vater durch Zuwarten verwirkt hat, sondern um das Vertrauensverhältnis zwischen Beschwerdeführer und Mieter im Zeitpunkt der Kündigung. Inwiefern dieses Vertrauensverhältnis beeinträchtigt war und aus welchem Grund, wurde nicht festgestellt. | null | nan | de | 2,012 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
19283b33-9341-40dd-983c-7dbb88bbed65 | Urteilskopf
111 V 307
57. Auszug aus dem Urteil vom 17. Dezember 1985 i.S. Ausgleichskasse des Kantons Schwyz gegen Schmid und Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz | Regeste
Art. 30 Abs. 2bis AHVG
: Berechnungsgrundlagen einer ordentlichen Invalidenrente.
Als volles Beitragsjahr im Sinne dieser Bestimmung gilt ein Kalenderjahr, in welchem der Versicherte gemäss
Art. 3 Abs. 1 AHVG
während mindestens elf Monaten der Beitragspflicht unterstellt war und den Mindestbeitrag entrichtet hat. | Erwägungen
ab Seite 307
BGE 111 V 307 S. 307
Aus den Erwägungen:
2.
Im vorliegenden Fall ist streitig, ob der Berechnung der ordentlichen Invalidenrente des Beschwerdegegners das nach Massgabe des
Art. 30 Abs. 2 AHVG
oder das gemäss
Art. 30 Abs. 2bis AHVG
ermittelte durchschnittliche Jahreseinkommen zugrundezulegen ist. Dies ist davon abhängig, ob der Beschwerdegegner vom 1. Januar nach Vollendung des 20. Altersjahres bis zum 31. Dezember vor Entstehung des Rentenanspruchs im Sinne von
Art. 30 Abs. 2bis AHVG
während eines vollen Jahres Beiträge geleistet hat. Massgebend ist dabei für den am 24. Oktober 1960 geborenen und seit dem 1. Juli 1982 rentenberechtigten Beschwerdegegner der Zeitraum vom 1. Januar bis 31. Dezember 1981.
a) Die Vorinstanz vertritt die Auffassung, das massgebende durchschnittliche Jahreseinkommen sei gestützt auf
Art. 30 Abs. 2bis AHVG
zu ermitteln. Sie begründet ihren Standpunkt
BGE 111 V 307 S. 308
damit, dass gemäss
Art. 50 AHVV
ein volles Beitragsjahr vorliege, wenn der Versicherte insgesamt länger als 11 Monate der Beitragspflicht unterstellt gewesen sei und die entsprechenden Beiträge entrichtet worden seien. Der Beschwerdegegner habe in der massgeblichen Zeitspanne von Januar bis Dezember 1981 aber nur während rund drei Monaten Beiträge geleistet, weshalb in Anwendung von
Art. 30 Abs. 2bis AHVG
auch die Erwerbseinkommen der Jahre 1978 bis 1980 zu erfassen seien.
Die beschwerdeführende Ausgleichskasse macht demgegenüber geltend, dass der Beschwerdegegner ab 1. Januar 1981 der allgemeinen Beitragspflicht unterstellt gewesen sei. Dabei spiele es keine Rolle, dass er nur während eines Teils des Jahres 1981 eine Erwerbstätigkeit ausgeübt habe. Eine Erfassung als Nichterwerbstätiger sei nicht notwendig gewesen, weil er den Mindestbeitrag als Erwerbstätiger entrichtet und damit die einjährige Mindestbeitragsdauer erfüllt habe. Das Bundesamt für Sozialversicherung schliesst sich dieser Auffassung an und führt zusätzlich aus, dass - entgegen der Meinung des kantonalen Gerichts - die effektive Beitragsdauer nur bei denjenigen Versicherten massgebend sei, welche als Nichterwerbstätige von der Beitragspflicht befreit seien, was für Jugendliche vor dem 1. Januar nach Vollendung des 20. Altersjahres und für Ehefrauen von Versicherten zutreffe.
b)
Art. 30 Abs. 2bis AHVG
ist im Rahmen der 9. AHV-Revision ins Gesetz aufgenommen worden und steht seit dem 1. Januar 1979 in Kraft. Er regelt die Ermittlung des durchschnittlichen Jahreseinkommens des Versicherten, der vom 1. Januar nach Vollendung des 20. Altersjahres bis zum 31. Dezember vor Entstehung des Rentenanspruchs nicht während eines vollen Jahres Beiträge geleistet hat. Gemäss der Botschaft des Bundesrates über die 9. Revision der AHV vom 7. Juli 1976 handelt es sich bei dieser Bestimmung um eine Anpassungsvorschrift für den Fall, in dem ein jugendlicher Versicherter beim Eintritt des Versicherungsfalles (Tod oder Invalidität) die einjährige Mindestbeitragsdauer für eine ordentliche Rente erfüllt hat, sein Jahrgang aber noch nicht während mindestens eines vollen Jahres der Beitragspflicht unterstellt war. Zweck der neuen Bestimmung ist es, sachlich nicht gerechtfertigte Überentschädigungen zu vermeiden, die sich dadurch ergaben, dass nach der Rechtsprechung in solchen Fällen Vollrenten zuzusprechen waren, wobei das für die Rentenberechnung massgebende durchschnittliche Jahreseinkommen ermittelt wurde, indem alle Einkommen, von denen Beiträge geleistet worden waren,
BGE 111 V 307 S. 309
zusammengezählt und durch 1 geteilt wurden. Nach der Neuregelung werden alle Einkommen, von denen ein junger Versicherter vor Eintritt des Versicherungsfalls Beiträge geleistet hat, pauschal aufgewertet, zusammengezählt und durch die entsprechende Beitragsdauer geteilt (BBl 1976 III 56).
Die Verwaltungspraxis umschreibt den Begriff der Beitragsdauer allgemein als denjenigen Zeitabschnitt, in dem ein Versicherter der Beitragspflicht unterstellt war und für den die geschuldeten Beiträge ganz oder doch teilweise entrichtet worden sind oder noch entrichtet werden können. War der Rentenansprecher während eines Jahres versichert und der Beitragspflicht unterstellt, so zählt das ganze Jahr als Beitragsdauer, wenn der Versicherte für dieses Jahr den Mindestbeitrag entrichtet hat (vgl. Rz. 354, 355, 361, 363, 382, 410, 410.1, 426 und 430 der Wegleitung über die Renten vom 1. Januar 1980). Das Eidg. Versicherungsgericht hat diese Verwaltungspraxis in einem Anwendungsfall zu
Art. 30 Abs. 2 AHVG
geschützt und festgestellt, dass dann, wenn ein Versicherter im Sinne von
Art. 3 Abs. 1 AHVG
während eines ganzen Jahres der Beitragspflicht unterstanden und in diesem Jahr jedenfalls den Mindestbeitrag entrichtet habe, das ganze Jahr als Beitragsjahr zähle. Diese Ordnung entspreche der Verwaltungspraxis (Rz. 363 und 374.6 der Wegleitung über die Renten), in welche einzugreifen kein Anlass bestehe (nicht veröffentlichtes Urteil Favetto vom 12. November 1984). Das Eidg. Versicherungsgericht hat sodann wiederholt entschieden, dass der Rechtsbegriff des Beitragsjahres einheitlich, im Sinne des
Art. 50 AHVV
, ausgelegt werden müsse. Nach dieser konstanten Rechtsprechung liegt ein volles Beitragsjahr vor, wenn der Versicherte insgesamt länger als 11 Monate der Beitragspflicht unterstellt war und jedenfalls den Mindestbeitrag entrichtet hat (
BGE 99 V 26
Erw. 2; EVGE 1960 S. 316 Erw. 1, 1958 S. 197 Erw. 2; in ZAK 1982 S. 222 nicht veröffentlichter Teil der Erw. 2 des Urteils M. vom 9. Oktober 1981).
c) Es besteht kein Grund dafür, den Begriff des vollen Beitragsjahres gemäss
Art. 30 Abs. 2bis AHVG
nicht ebenfalls im Sinne der Rechtsprechung und Verwaltungspraxis zu
Art. 50 AHVV
auszulegen. Eine entsprechende Auslegung erscheint umso mehr angebracht, als diese Betrachtungsweise auch in der Botschaft des Bundesrates über die 9. AHV-Revision eine Stütze findet. Die Anwendung der Sonderregelung des
Art. 30 Abs. 2bis AHVG
auf Fälle wie den vorliegenden würde nämlich dem genannten Zweck dieser Bestimmung, sachlich nicht gerechtfertigte Überentschädigung
BGE 111 V 307 S. 310
u vermeiden, zuwiderlaufen. Als volles Beitragsjahr im Sinne des
Art. 30 Abs. 2bis AHVG
gilt nach dem Gesagten somit ein Kalenderjahr, in welchem der Versicherte gemäss
Art. 3 Abs. 1 AHVG
während mehr als 11 Monaten beitragspflichtig war und den Mindestbeitrag entrichtet hat. Wollte man den im Bereiche der AHV-Gesetzgebung zentralen Begriff des Beitragsjahres, welcher verschiedene Funktionen zu erfüllen hat, allgemein im Sinne der Vorinstanz verstehen, hätte dies Auswirkungen auf das ganze Beitrags- und Rentensystem. Versicherte, die während einiger Monate im Jahr wegen Krankheit oder Unfalls ein nicht AHV-pflichtiges Ersatzeinkommen beziehen, sowie Versicherte, die einen unbezahlten Urlaub antreten, müssten für einzelne Monate als Nichterwerbstätige erfasst werden. Eine Praxis, die auf die effektive Beitragsdauer abstellt, hätte für die Verwaltung einen unverhältnismässigen Mehraufwand zur Folge und würde sich zudem auf den Rentenanspruch eines grossen Teils der Versicherten nachteilig auswirken. | null | nan | de | 1,985 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
192922dd-d506-4a19-8163-e869abce19e5 | Urteilskopf
97 II 153
22. Urteil der I. Zivilabteilung vom 30. März 1971 i.S. Elektrisola Feindraht AG gegen Schweizerische Isola-Werke AG. | Regeste
Firmenrecht, unlauterer Wettbewerb.
Art. 2 ZGB
. Verwirkung des Klagerechts des Firmeninhabers (Erw. 1).
Art. 951 Abs. 2 OR
. Anforderungen an die Unterscheidbarkeit der Firmen von Aktiengesellschaften (Erw. 2).
Art. 29 Abs. 2 ZGB
. Namensanmassung einer Aktiengesellschaft, wenn sie den verwechselbaren Hauptbestandteil ihrer Firma im Geschäftsverkehr verwendet (Erw. 3).
Art. 1 Abs. 2 lit. d UWG
. Unlauterer Wettbewerb durch Führung einer verwechselbaren Firma (Erw. 4). | Sachverhalt
ab Seite 153
BGE 97 II 153 S. 153
A.-
Am 23. Januar 1968 wurde in Luzern die Elektrisola Feindraht A.-G. gegründet. Sie bezweckt u.a. die Herstellung und den Vertrieb von blanken und isolierten Drähten und Leitungen, Lizen und Kabeln, sowie verwandten Artikeln aller Art. Ende 1968 verlegte sie ihren Sitz nach Escholzmatt.
In Breitenbach bestand bereits die Schweizerische Isola-Werke A.-G., welche Isolierlacke, Isolationsmaterialien, isolierte Drähte und Kabel, keramische Isolierkörper für die Elektronik herstellt und mit solchen Erzeugnissen handelt. Da sie in jener Neugründung eine Verletzung ihrer Rechte sah,
BGE 97 II 153 S. 154
klagte sie im Dezember 1968 gegen die Elektrisola Feindraht A.-G. mit den nachstehenden Begehren:
"1. Es sei der Beklagten gerichtlich zu untersagen, unter Androhung von Strafe gemäss StGB Art. 292 im Zuwiderhandlungsfall, das Wort 'Elektrisola' im Zusammenhang mit dem Anbieten, Verkauf und Vertrieb von blanken und isolierten Drähten und Leitungen, Lizen und Kabeln sowie verwandten Artikeln aller Art zu verwenden.
2. Die Beklagte sei gerichtlich zu verpflichten, ihre Firma so zu ändern, dass in ihr das Wort 'Elektrisola' nicht mehr enthalten ist."
Das Obergericht des Kantons Luzern hiess die Klage am 18. Juni 1970 in dem Sinne gut, dass es der Beklagten nur die Verwendung des Wortes "Isola" untersagte, die verwandten Artikel nach Rechtsbegehren 1 mangels Bestimmbarkeit vom Verbot ausnahm, und der Beklagten für die entsprechende Änderung der Firma eine Frist von 30 Tagen ab Rechtskraft des Urteils ansetzte.
B.-
Mittels Berufung an das Bundesgericht verlangt die Beklagte die Abweisung der Klage. Die Klägerin beantragt Bestätigung des angefochtenen Entscheides.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Wie im kantonalen Verfahren macht die Beklagte zunächst die Verwirkung geltend. Diese aus
Art. 2 ZGB
hergeleitete Rechtsfolge tritt nicht mit blossem Zeitablauf ein, sondern setzt Umstände voraus, welche die Ausübung des Klagerechts als missbräuchlich erscheinen lassen (
BGE 95 II 116
, 362,
BGE 94 II 42
). Solche Umstände liegen nach Firmen-, Wettbewerbs- und Immaterialgüterrecht dann vor, wenn der Berechtigte die Verletzung seiner Rechte während langer Zeit widerspruchslos geduldet und infolgedessen der Verletzer einen wertvollen wirtschaftlichen Besitzstand aufgebaut hat (
BGE 94 II 42
; MERZ, N 517 zu
Art. 2 ZGB
; VON BÜREN, Kommentar zum UWG, S. 199).
Die Vorinstanz stellt fest, dass die in Eckenhagen, Bundesrepublik Deutschland, niedergelassene Firma "Elektrisola Dr. Gerd Schildbach" am 30. September 1962 das Warenzeichen "Elektrisola" im deutschen Patentregister hat eintragen lassen und dass sie unter dieser Bezeichnung seit längerer Zeit, möglicherweise seit 1953, ihre Erzeugnisse auch auf den schweizerischen Markt bringt. Sie fügt sodann bei, die Beklagte
BGE 97 II 153 S. 155
habe indessen nicht einmal behauptet, dass damit ein wertvoller Besitzstand geschaffen worden sei.
Die Beklagte rügt diese Feststellung als "aktenwidrig", weil der Aufbau eines wertvollen Besitzstandes "die direkte Folge" ihrer Behauptungen und daher selbstverständlich sei. Sie verkennt damit, dass die deutsche Mutterfirma durch die jahrelangen Lieferungen in die Schweiz nicht notwendigerweise einen wertvollen Besitzstand geschaffen hat. Die entsprechenden Tatsachen waren daher im kantonalen Verfahren gesondert zu behaupten, weshalb die gerügte Feststellung der Vorinstanz Bundesrecht nicht verletzt. Bleibt es also dabei, dass nicht einmal für das deutsche Unternehmen ein wertvoller Besitzstand behauptet wurde, so braucht nicht geprüft zu werden, ob dieser auch zugunsten der Beklagten zu berücksichtigen wäre, wie sie es mit Hinweis auf die Zulässigkeit von Konzernmarken nach
Art. 6 bis MSchG
beansprucht.
2.
Die Beklagte bestreitet die vom Obergericht angenommene Verwechselbarkeit der Firmenbezeichnungen der Parteien.
a) Die Firma einer Aktiengesellschaft muss sich von jeder in der Schweiz bereits eingetragenen Firma deutlich unterscheiden (
Art. 951 Abs. 2 OR
). Sie steht dem Berechtigten zum ausschliesslichen Gebrauch zu (
Art. 956 Abs. 1 OR
). Wer durch unbefugten Gebrauch einer Firma beeinträchtigt wird, kann auf Unterlassung klagen (
Art. 956 Abs. 2 OR
), was besonders für den Inhaber der älteren gegenüber der jüngeren Firma gilt. Da Aktiengesellschaften nach
Art. 950 Abs. 1 OR
unter Wahrung der allgemeinen Grundsätze der Firmenbildung ihre Firma frei wählen können (
Art. 950 Abs. 1 OR
), stellt die bundesgerichtliche Rechtsprechung hohe Anforderungen an die Unterscheidungskraft und besonders strenge dann, wenn zwei Firmen miteinander im Wettbewerb stehen und sich an die gleichen Abnehmerkreise wenden oder wenn Phantasiebezeichnungen in Frage stehen (
BGE 95 II 458
ff. 569,
BGE 94 II 129
,
BGE 93 II 44
,
BGE 92 II 96
ff. und dort erwähnte Entscheide).
b) Für die Beurteilung der Verwechselbarkeit ist grundsätzlich die ganze Firma zu berücksichtigen. Jedoch kommt Bestandteilen, die durch Klang oder Sinn hervorstechen, erhöhte Bedeutung zu, da sie in der Erinnerung besser haften bleiben und im Verkehr vom Firmainhaber selber oder von Dritten oft allein verwendet werden. Schon Gebrauch oder Nachahmung des Hauptbestandteils einer Firma kann daher die Unterscheidung
BGE 97 II 153 S. 156
so erschweren, dass Verwechslungen möglich werden (BGE wie vorstehend erwähnt, ferner 90 II 202 ff. und dort zitierte Entscheide).
c) Die Vorinstanz beurteilt als hervorstechend im genannten Sinne das Wort "Isola" in der Firma der Klägerin und die Wortverbindung "Electrisola" in der Firma der Beklagten. Sie spricht den Zusätzen in den beiden Firmen die selbständige kennzeichnende Bedeutung ab, was die Beklagte als bundesrechtswidrig rügt.
Der Zusatz "Schweizerische" in der Firma der Klägerin weist mindestens auf die Lage des Unternehmens hin. Auf den rund 500 Zuschriften, Bestellungen usw., die die Klägerin im kantonalen Verfahren vorgelegt hat, findet sich in keinem einzigen Fall die Bezeichnung "Schweizerische". Sodann stellt die Vorinstanz fest, dass die meisten von der Klägerin zu den Akten gegebenen Schreiben mit "Isola-Werke", "Isolawerke", "Isola-Werk" adressiert sind. "Werke" oder "Werk" steht wie in früher beurteilten Fällen, zum Beispiel "Nago-Nährmittel Werke AG" (
BGE 72 II 183
), "Silta-Werke AG" (
BGE 77 II 321
), "Sewa-Werk AG Rothenburg" (
BGE 86 III 94
), "Emser-Werke AG" (
BGE 92 I 314
, 317) für Fabrik. Ferner ist erwiesen, dass zahlreiche Zuschriften an die Klägerin bloss an "Isola" gerichtet sind, gelegentlich in Verbindung mit A.-G. oder SA; dass die Klägerin das Wort "Isola" auf Werbeprospekten neben der Bezeichnung "Schweizerische Isola-Werke Breitenbach" anführt und durch entsprechenden Druck deutlich hervorhebt; dass die Klägerin in Fachkreisen seit Jahrzehnten die Kurzbezeichnung "Isola", verwendet. Die Vorinstanz folgert somit zu Recht, dass die Zusätze "Schweizerische" und "Werke" in der Firma der Klägerin nicht kennzeichnend seien.
Die Beklagte macht hinsichtlich ihrer Firma geltend, der Zusatz "Feindraht" habe wegen der Herstellung hochspezialisierter Erzeugnisse für die Elektroindustrie eine besondere Bedeutung. Indessen handelt es sich um einen Hinweis auf die Tätigkeit der Beklagten, der gegenüber der Wortverbindung "Elektrisola" eindeutig zurücktritt. Das wird denn auch durch die Feststellung bestätigt, dass die Presseberichte über die Betriebseröffnung der Beklagten im September 1969 die Kurzbezeichnung "Elektrisola" verwendeten. Zudem ist der Beklagten das Argument der Berufungsantwort entgegenzuhalten, dass
BGE 97 II 153 S. 157
der angebliche Besitzstand des deutschen Mutter-Unternehmens in der Schweiz, den die Beklagte für sich auswerten möchte, unter dem Warenzeichen "Elektrisola", ohne Beifügung des Wortes "Feindraht" erworben worden wäre. Die Beklagte behauptet sodann nicht, sie stelle als einziges Unternehmen Feindraht her. Kennzeichnende Kraft in diesem Sinne hat also der Zusatz "Feindraht" für ihre Firma nicht. Ebensowenig vermag er die ganze Firma der Beklagten von der ganzen Firma der Klägerin wirksam zu unterscheiden. Als Tätigkeitsangabe, die der Zusatz auch gemäss der Darstellung in der Berufung ist, scheint er viel eher geeignet, den Eindruck einer rechtlichen oder wirtschaftlichen Beziehung zwischen den beiden Unternehmen zu fördern (
BGE 95 II 459
,
BGE 92 II 96
/97), sofern die Bezeichnungen "Isola" und "Elektrisola" verwechselbar sind.
d) Die Beklagte behauptet, der Zusatz "Feindraht" in ihrer Firma sei umso bedeutsamer, als das Wort "Isola" für sich allein zum mindesten als Marke keine Unterscheidungskraft besitze. Dieser Einwand ist unerheblich, da kein markenrechtlicher, sondern ein firmen-, namens- und wettbewerbsrechtlicher Streit vorliegt. Demnach ist auch belanglos, welche Marken, die das Wort "Isola" allein oder in Zusammensetzungen enthalten, eingetragen sind, und ob das Eidgenössische Amt für geistiges Eigentum "Isola"-Marken zur Eintragung entgegennimmt. Im übrigen hat die Beklagte die dahin gehenden Behauptungen erst im Berufungsverfahren aufgestellt, was nach
Art. 55 Abs. 1 lit. c OG
nicht zulässig ist.
e) Die Beklagte macht geltend, das Ragionenbuch, welches gerichtsnotorisch sei, führe neben der Klägerin die Firma Isola AG in Cugnasco, die Isolag AG in Zürich und weitere Firmen mit den Bestandteilen "Isolation" und "Isolationen" an. Indessen entbindet die Gerichtsnotorietät nicht die Prozesspartei von der Behauptungspflicht, sondern erlaubt dem Gericht, auf Beweiserhebungen zu verzichten. Aber auch jene neuen, im Berufungsverfahren unzulässigen Behauptungen (
Art. 55 Abs. 1 lit. c OG
) ändern nichts daran, dass die Klägerin im Geschäftsverkehr allgemein mit "Isola" bezeichnet wird (vgl. Erw. 2 c). Ferner gilt auch hier der Grundsatz, dass die Klägerin nicht daran gehindert ist, gegen eine neue verwechselbare Firma vorzugehen, während sie andere ebenfalls ungenügend unterscheidungskräftige Firmen nicht oder noch nicht angegriffen hat. Endlich erbringen auf "Isolag", "Isolation", "Isolationen"
BGE 97 II 153 S. 158
lautende Firmen von Industrieunternehmen noch keinen Beweis dafür, dass das Wort "Isola" in der technischen Branche eine als Gemeingut anzusprechende Sachbezeichnung sei. Auch wenn es anders wäre, würde das der Beklagten vorerst nicht helfen. Denn gleichwohl könnte sich die Klägerin dem eine Verwechslung begünstigenden Gebrauch der gleichen Bezeichnung durch einen Dritten widersetzen, und ergäbe in der Firma der Beklagten jedenfalls der Zusatz "Feindraht" nach dem Gesagten keine hinlänglich unterscheidungskräftige Ergänzung (
BGE 95 II 570
und dort erwähnte Entscheide).
f) Die Vorinstanz wertet das Wort "Isola" in der Firma der Klägerin als Phantasiebezeichnung. Sie nimmt an, die Klägerin sei bei der Wahl ihrer Firma offenbar über das ihre Tätigkeit andeutende Wort "isolieren" zu "Isola" gelangt; diese Vermutung werde durch die französiche und die englische Fassung der Firma der Klägerin ("Fabrique Suisse d'isolants", "The Swiss Insulating Works Ltd.") gestützt. Damit ist jedoch nicht gesagt, dass das Wort "Isola", weil es der italienische Ausdruck für "Insel" ist, an sich nicht Sachbezeichnung sein könnte. Allein im vorliegenden Falle ist es das nicht, weil es auch mit diesem Sinne nicht unmittelbar auf die Natur des Unternehmens oder der Erzeugnisse der Klägerin schliessen lässt (vgl.
BGE 94 II 130
,
BGE 84 II 432
). Übrigens muss es auch geschützt werden, weil es sich als Bezeichnung für die Klägerin im Verkehr durchgesetzt hat (
BGE 82 II 342
,
BGE 77 II 326
).
g) Die Beklagte ist der Meinung, ihre Firma werde durch die Zusätze "Electr" und "Feindraht" genügend von der Firma der Klägerin unterschieden. Das trifft nicht zu. Wie in der Firma der Klägerin ist der Bestandteil "isola" in der Wortverbindung "Electrisola" der Beklagten bildlich und klanglich das einprägsamste Element, weshalb sich der Name der Beklagten nicht deutlich von jenem der Klägerin unterscheidet. Die beiden Firmen können umso mehr verwechselt werden, als das Publikum oft den charakteristischen Teil einer Firma als Kurzbezeichnung verwendet (
BGE 95 II 458
,
BGE 94 II 129
,
BGE 88 II 96
) und dies festgestelltermassen auch im Verkehr mit der Klägerin geschieht. Besonders für den, der die abgekürzten Bezeichnungen "Isola" und "Electrisola" nicht nebeneinander oder unmittelbar nacheinander liest oder hört, wird das beiden gemeinsame Wort "Isola" die Erinnerung bestimmen (
BGE 95 II 459
,
BGE 94 II 130
,
BGE 93 II 45
,
BGE 92 II 97
). Auch der Zusatz "Feindraht" behebt die Verwechslungsgefahr nicht, da er nur auf die Natur der von der
BGE 97 II 153 S. 159
Beklagten hergestellten Drähte hinweist. Jedenfalls ist möglich, dass die Firma der Beklagten mit der Firma der Klägerin in einen rechtlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhang gebracht wird. Das gilt nicht bloss für die abgekürzten, sondern mehr noch für die ganzen Firmenbezeichnungen. Überhaupt kann der Eindruck einer Verbundenheit der Elektrisola Feindraht A.-G. mit der Schweizerischen Isola-Werke A.-G. nicht nur trotz, sondern teils gerade wegen der Verdeutlichungen in der Firma der Beklagten aufkommen. Auch das braucht sich die Klägerin nicht gefallen zu lassen (
BGE 95 II 459
, 571,
BGE 94 II 131
,
BGE 93 II 45
,
BGE 92 II 96
/97).
3.
Die Vorinstanz sieht in der Verwendung der Bezeichnung "isola" beim Anbieten, Verkauf, Vertrieb von Waren durch die Beklagte eine Namensanmassung im Sinne des
Art. 29 Abs. 2 ZGB
. Das ist angesichts ihrer verbindlichen Feststellung, dass die Klägerin in Fachkreisen seit Jahrzehnten unter der Bezeichnung "Isola" sich durchgesetzt und damit Verkehrsgeltung erlangt hat, nicht zu beanstanden. Der Einwand der Beklagten, das Wort "Isola" sei im Zusammenhang mit Herstellung und Vertrieb von Isoliermaterialien jeder Art als gemeinfreie Sachbezeichnung zu werten und die Firmen der Parteien würden sich in jeder Beziehung unterscheiden, hält, wie dargetan, nicht stand.
Die Klägerin macht geltend, der hievor erwähnte Sachverhalt falle auch unter
Art. 28 ZGB
. Sie laufe wegen der Namensanmassung durch die Beklagte Gefahr, mit dieser in Verbindung gebracht zu werden, was ein unbefugter Eingriff in ihre persönlichen Verhältnisse sei.
Art. 28 ZGB
kommt indessen nur in Betracht bei Verletzung von Persönlichkeitsrechten, die weder firmen- noch namensrechtlich erfassbar sind (HIS, N 71 ff. zu
Art. 956 OR
), was hier nicht zutrifft.
4.
Die Parteien stehen miteinander im wirtschaftlichen Wettbewerb. Indem die Beklagte auf Briefpapier, in der Reklame oder sonstwie im Geschäftsverkehr das Zeichen "isola" verwendet, handelt sie gegen Treu und Glauben (
BGE 72 II 189
). Sie begeht somit auch unlauteren Wettbewerb nach
Art. 1 Abs. 2 lit. d UWG
(
BGE 95 II 572
und dort erwähnte Entscheide). Der Einwand der Beklagten, das Unterlassungsgebot treffe den durch die deutsche Mutterfirma "Elektrisola Dr. Gerd Schildbach" geschaffenen wettbewerbsrechtlichen Besitzstand, ist auch hier verfehlt (vgl. Erw. 1).
Eine gemeinfreie Sachbezeichnung ist "Isola" nicht. Dass
BGE 97 II 153 S. 160
nach der Rechtsprechung zum UWG (
BGE 87 II 350
,
BGE 84 II 227
,
BGE 81 II 468
,
BGE 80 II 173
) Sachbezeichnungen freizuhalten sind, hilft somit der Beklagten nicht.
Auch die Entscheide 95 II 572 und 91 II 24 sprechen nicht für, sondern gegen den Standpunkt der Beklagten. Sie stellen klar, dass unlauterer Wettbewerb weder Bösgläubigkeit noch Verschulden voraussetzt und dass der Gebrauch einer verwechselbaren Bezeichnung objektiv gegen die Grundsätze von Treu und Glauben verstösst. Mehr oder anderes wird aber der Beklagten nicht vorgeworfen.
Endlich kann die Beklagte das vorinstanzliche Unterlassungsgebot nicht damit anfechten, dass es sie hindere, ihre Waren unter der Bezeichnung "Electrisola" zu exportieren. Als schweizerische Firma untersteht sie in der Schweiz der schweizerischen Rechtsordnung und hat sich dieser zu unterziehen.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichts (I. Kammer) des Kantons Luzern vom 18. Juni 1970 bestätigt. | public_law | nan | de | 1,971 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
19358dce-ce01-4d10-aed1-c78c85a69acb | Urteilskopf
114 IV 11
4. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 27. Juni 1988 i.S. S. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zug (Nichtigkeitsbeschwerde) | Regeste
Art. 164 Ziff. 1 StGB
;
Art. 91 Abs. 1 SchKG
. Pfändungsbetrug: Verheimlichen von Vermögenswerten, Auskunftspflicht.
Der Schuldner hat in der Betreibung auf Pfändung auch auf im Ausland erzielte Einkünfte und dort gelegene Vermögensgegenstände hinzuweisen (E. 1). Die Auskunftspflicht erstreckt sich jedoch nicht auf Vermögensverhältnisse eines Dritten, selbst wenn diese die Höhe des schuldnerischen Vermögens beeinflussen (E. 2). | Sachverhalt
ab Seite 11
BGE 114 IV 11 S. 11
A.-
In verschiedenen Betreibungen gegen S. wurde am 16. November 1982 sowie am 23. Februar 1983 die Pfändung vollzogen. Zwei Pfändungsurkunden vom 16. November 1982, die zugleich Verlustscheine bilden, tragen folgenden Vermerk des Betreibungsbeamten:
"Der Schuldner, auf die Strafbestimmungen ausdrücklich aufmerksam
gemacht, erklärt, er besitze keine Barschaft, Bankguthaben,
Wertschriften etc. Bei
der V. AG Zug verdient der Betriebene Fr. 5'000.-- pro Monat. Das
Existenzminimum wird unter Berücksichtigung der Unterhaltsbeiträge an
Ehefrau und Kinder plus Schulgeld für Sohn und Tochter nicht erreicht.
Eine Lohnpfändung ist daher nicht zulässig."
Auf drei Pfändungsurkunden vom 23. Februar 1983, die wiederum Verlustscheine darstellen, hielt der Betreibungsbeamte fest:
BGE 114 IV 11 S. 12
"Der Schuldner, auf die Strafbestimmungen ausdrücklich aufmerksam
gemacht,
erklärt, er besitze keine Guthaben oder Wertsachen, weder in seinem noch
im Gewahrsam Dritter. Er beziehe von der A. Inc. USA kein Gehalt, sondern
ausschliesslich Spesenentschädigung. Das Existenzminimum wird unter
Berücksichtigung von Unterhaltsbeiträgen an Frau und Kinder auf Fr.
8'315.-- festgesetzt."
S. wird vorgeworfen, durch diese zumindest unvollständigen Angaben Vermögen und Einkünfte verheimlicht zu haben. Er sei nämlich Eigentümer von Aktien der V. AG Zug oder der V. AG St. Niklausen gewesen. Überdies sei ihm jährlich ein Betrag von US$ 80'000.-- als Einkommen und/oder als Spesenersatz von der A. Inc. USA zugestanden, worauf er beim Vollzug der Pfändungen hätte hinweisen müssen (respektive im Hinblick auf die Höhe des Betrages konkretere Angaben hätte machen müssen).
B.-
Mit Urteil vom 4. Juli 1986 sprach das Strafgericht Zug S. von der Anklage des Pfändungsbetruges frei.
Auf Berufung der Staatsanwaltschaft verurteilte das Strafobergericht Zug S. am 1. Dezember 1987 wegen fortgesetzten Pfändungsbetruges im Sinne von
Art. 164 Ziff. 1 StGB
zu zwei Monaten Gefängnis unter Gewährung des bedingten Strafvollzuges.
C.-
Gegen dieses Urteil erhebt S. eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Strafobergerichtes aufzuheben und die Sache zur Freisprechung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
Der Beschwerdeführer rügt unter Hinweis auf das Territorialitätsprinzip,
Art. 164 StGB
sei ausschliesslich auf die Verheimlichung von Vermögenswerten in der Schweiz anwendbar.
a) Gemäss
Art. 164 Ziff. 1 StGB
macht sich der der Betreibung auf Pfändung unterliegende Schuldner strafbar, der zum Nachteile seiner Gläubiger sein Vermögen verheimlicht. Es stellt sich die Frage, ob der Schuldner auch auf Vermögenswerte hinweisen muss, die möglicherweise oder sogar mit Sicherheit nicht gepfändet werden können, weil sie sich jedenfalls nach Auffassung des Schuldners im Ausland befinden und deshalb dem Pfändungsbeschlag in der Schweiz entzogen sind.
b) Gemäss
Art. 91 Abs. 1 SchKG
hat der Schuldner, soweit es für eine genügende Pfändung nötig ist, seine Vermögensgegenstände anzugeben, mit Einschluss derjenigen, welche sich nicht in seinem Gewahrsam befinden, sowie seiner Forderungen und
BGE 114 IV 11 S. 13
Rechte gegenüber Dritten. Das Bundesgericht hat in
BGE 103 IV 233
angenommen, Angriffsobjekt des Paralleltatbestandes des betrügerischen Konkurses sei das Schuldnervermögen, soweit es nach dem Betreibungsrecht dem Zugriff der Gläubiger im Konkurs offensteht, nicht aber Vermögen, das seiner Natur nach oder kraft besonderer Vorschrift der Zwangsvollstreckung entzogen ist. Im Konkurs der Fondsleitung eines Anlagefonds sei deshalb Vermögen im Sinne von
Art. 163 StGB
nur das eigene Vermögen der Fondsleitung, nicht aber auch das Fondsvermögen.
Dieser Entscheid lässt sich nicht generell auf die vorliegende Konstellation übertragen: Unter Vorbehalt der Ausführungen in E. 2 wird dem Beschwerdeführer im Unterschied zum zitierten Fall nicht vorgeworfen, dass er Vermögen eines Dritten nicht angegeben hat, sondern eigene Vermögenswerte, nämlich die ihm gehörenden Aktien der V. AG Zug und der V. AG St. Niklausen. Fragen kann man sich einzig, ob diese Aktien nicht Gegenstand des Pfändungsverfahrens sein konnten, weil sie sich zu diesem Zeitpunkt auf dem Sperrkonto einer Bank im Ausland befunden hätten, und der Beschwerdeführer deshalb nicht verpflichtet gewesen wäre, sie anzugeben. Die Frage ist zu verneinen. Der Zweck der Vorschrift spricht dafür, dass der Schuldner gehalten ist, auch auf im Ausland erzielte Einkünfte und auf im Ausland gelegene Vermögensgegenstände hinzuweisen (vgl. JAEGER, Art. 91 N. 7; PIERRE-ROBERT GILLIÉRON, Poursuite pour dette, faillite et concordat, Lausanne 1985, S. 172 f.). Solches Vermögen ist zwar dem Zugriff im Rahmen einer schweizerischen Zwangsvollstreckung entzogen; dennoch kann es für die Berechnung des Existenzminimums gemäss
Art. 93 SchKG
und für die Beantwortung der Frage, ob in der Schweiz gelegene Gegenstände etwa nach
Art. 92 Ziff. 1 und 3 SchKG
unpfändbar sind, eine Rolle spielen. Entsprechend wird auch in der Literatur die Auffassung vertreten, der Schuldner habe dem pfändenden Beamten jede für eine erfolgreiche Pfändung erforderliche Auskunft zu erteilen (KURT AMONN, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 4. Aufl., Bern 1988, S. 162) und für die Berechnung des Existenzminimums sei unter Einbezug der unpfändbaren und beschränkt pfändbaren Einkünfte vom Gesamteinkommen auszugehen (AMONN, a.a.O., S. 182).
Zutreffend ist überdies die Auffassung der Vorinstanz, dass es letztlich Sache des Betreibungsbeamten ist zu entscheiden, ob ein Vermögenswert gepfändet werden kann. Macht der Schuldner
BGE 114 IV 11 S. 14
wahrheitsgetreu Angaben über ihm gehörige Aktien, die sich angeblich im Ausland befinden, dann hat der Betreibungsbeamte wenigstens die Möglichkeit, diesen Angaben nachzugehen.
2.
Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz habe offengelassen, ob die vage umschriebenen weiteren Gesellschaften im Eigentum der V. AG Zug oder im Eigentum des Beschwerdeführers gestanden seien. Diese Frage sei aber von entscheidender Bedeutung. Soweit diese Aktien nämlich Eigentum jener Gesellschaft gewesen seien, habe der Beschwerdeführer den Tatbestand von
Art. 164 Ziff. 1 StGB
nicht erfüllen können.
Die Beschwerde erweist sich in diesem Punkte als begründet: Zwar ist es richtig, dass diese Aktien, wenn sie der V. AG Zug gehörten, den Wert der Aktien dieser Gesellschaft beeinflussten. Allein aus
Art. 91 SchKG
lässt sich nicht die Verpflichtung des Schuldners herleiten, auch über die Vermögensverhältnisse eines Dritten Auskunft zu geben und zwar auch dann nicht, wenn diese Auskunft für die Einschätzung seiner eigenen Vermögenswerte von Bedeutung sein kann. Insoweit beruft sich der Beschwerdeführer zu Recht auf
BGE 103 IV 233
.
Eine Verurteilung des Beschwerdeführers wäre somit nur möglich, wenn die Vorinstanz Eigentum des Beschwerdeführers an weiteren verheimlichten Aktien feststellen könnte. Das Urteil ist deshalb insoweit aufzuheben und der Fall zur Sachverhaltsergänzung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Sollte sich die Eigentümerstellung des Beschwerdeführers nicht beweisen lassen, so wäre er insoweit freizusprechen. | null | nan | de | 1,988 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
193756cb-39b7-4b8e-a1b3-01c7cc8317f7 | Urteilskopf
87 II 1
1. Auszug aus dem Urteil vom 9. Februar 1961 i.S. Eheleute K. | Regeste
Ehescheidung.
Unter welchen Voraussetzungen kann ein Ehegatte, der die Ehe gebrochen hat, die Scheidung wegen tiefer Zerrüttung im Sinne von
Art. 142 ZGB
durchsetzen? | Sachverhalt
ab Seite 1
BGE 87 II 1 S. 1
A.-
Die Parteien geb. 1929 bzw. 1931, lernten einander im Jahre 1952 kennen und verlobten sich an Ostern 1954. Sie heirateten am 16. Oktober 1954. Am 10. März 1955 wurde das in der Verlobungszeit gezeugte Kind geboren.
B.-
Im Jahre 1956 leitete die Ehefrau erstmals das Scheidungsverfahren ein. Nach dem Sühnvorstand führte sie dieses aber nicht weiter.
Bald darauf, im Herbst 1956, erkrankte der Ehemann an Kinderlähmung. Er musste sich - mit kurzen Unterbrüchen - bis 1959 oder 1960 im Spital aufhalten.
Die Ehefrau behielt nach der Erkrankung des Ehemannes die eheliche Wohnung bei. Zuerst verdiente sie ihren Unterhalt mit Heimarbeit. Vom März 1957 an arbeitete sie als Gehilfin in einem Küchenbetrieb. Der Ehemann
BGE 87 II 1 S. 2
wohnte während der Unterbrüche der Spitalbehandlung und nach deren Abschluss bei seinen Eltern.
C.-
Im Jahre 1957 reichte der Ehemann beim Friedensrichteramt eine Scheidungsklage ein. Die Ehefrau wandte sich am 21. Dezember 1957 mit einem eigenen Scheidungsbegehren an dieses Amt. Bei der Sühnverhandlung vom 28. Dezember 1957 erklärte sich der Ehemann mit der Scheidung einverstanden.
Das vom Ehemann eingeleitete Scheidungsverfahren wurde anfangs März 1957 vom Friedensrichter als erledigt abgeschrieben, weil der Ehemann es unterlassen hatte, innert der gesetzlichen Frist die Ausstellung der Weisung an das Gericht zu verlangen. Dagegen machte die Ehefrau ihre Scheidungsklage am 6. März 1958 beim Bezirksgericht anhängig.
D.-
Nach Durchführung eines Beweisverfahrens sprach das Bezirksgericht entgegen dem Antrag des Beklagten in Anwendung von
Art. 142 ZGB
die Scheidung aus. Das Obergericht des Kantons Zürich hat am 7. September 1960 im gleichen Sinn entschieden.
Das Bundesgericht weist die Berufung des Beklagten ab.
Erwägungen
Begründung:
2.
Nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz und denjenigen des Bezirksgerichtes, welche die Vorinstanz sich zu eigen gemacht hat, äusserte der Beklagte schon vor der Heirat gegenüber einer Tante der Klägerin, er hätte eigentlich lieber eine andere geheiratet. Gegenüber der gleichen Zeugin bemerkte er, man werde dann sehen, wem das Kind gleiche. Als diese Äusserungen der Klägerin zur Kenntnis gelangten, fühlte sie sich - begreiflicherweise - verletzt. Beim intimen Verkehr liess es der Beklagte am nötigen Verständnis für die Gefühle seiner Frau fehlen und machte darüber hinaus noch unpassende Bemerkungen, die er als "Spässli" aufgefasst wissen wollte. Die Klägerin wurde dadurch abgestossen, und es entstanden Spannungen, die ein harmonisches Geschlechtsleben
BGE 87 II 1 S. 3
unter den Ehegatten nicht aufkommen liessen. Die Klägerin bekam den Eindruck, der Beklagte sehe in ihr nur die Bettgenossin und suche bei ihr ohne Rücksicht auf ihre seelischen Bedürfnisse einfach seine eigene Befriedigung, wann es ihm gerade passe. Der Beklagte tat nichts, um diesen Eindruck zu entkräften. Er verbrachte seine Freizeit meist bei seinen Eltern und Geschwistern und liess die Klägerin allein. Seine starke Bindung an die elterliche Familie hinderte ihn, seiner Frau zur Seite zu stehen, wie es sich gehört hätte. Aus diesen Gründen wandte sich die Klägerin schon im Jahre 1956 an den Friedensrichter. Nach seiner Erkrankung im Herbst 1956 stand der Beklagte noch mehr als früher unter dem Einfluss seiner Verwandten, die sich von dieser Zeit an besonders intensiv in die Angelegenheiten der Parteien einmischten. Ihre Einmischung überstieg, wie die Vorinstanz sagt, jedes erträgliche Mass. In dieser Lage knüpfte die Klägerin im Laufe des Jahres 1957 mit dem um sechs Jahre jüngern X., den sie als Arbeitskollegen kennen gelernt hatte, ein Liebesverhältnis an, in dessen Verlauf es einmal zum Ehebruch kam. Schon bevor der Beklagte von diesen Beziehungen hörte, hatte er im Sommer 1957 seiner Schwester erklärt, er wolle scheiden. In der Folge leitete er ein Scheidungsverfahren ein, das er dann allerdings nach dem Sühnvorstand nicht weiterführte. Im Dezember 1957/Januar 1958 brachen die Klägerin und X. ihre Beziehungen ab, und zwar nicht bloss zum Schein. Auf einen Vorschlag zur Versöhnung, den die Klägerin dem Beklagten mit Schreiben vom 16. August 1958 machte, reagierte dieser überhaupt nicht. Seit dem Herbst 1956 haben die Parteien nie mehr zusammengelebt.
Diese Feststellungen betreffen tatsächliche Verhältnisse und sind daher gemäss
Art. 63 Abs. 2 OG
für das Bundesgericht verbindlich, und zwar gilt dies auch insoweit, als sie seelische Vorgänge und das Verhältnis von Ursache und Wirkung auf diesem Gebiete zum Gegenstand haben (
BGE 80 II 4
).
BGE 87 II 1 S. 4
Auf Grund des Sachverhaltes, von dem hienach auszugehen ist, lässt sich nicht bezweifeln, dass die Ehe der Parteien heute im Sinne von
Art. 142 Abs. 1 ZGB
tief zerrüttet ist und dass keine Aussicht auf eine Wiedervereinigung der Parteien besteht. Dem Scheidungsbegehren der Klägerin ist daher zu entsprechen, es wäre denn, die tiefe Zerrüttung sei im Sinne von
Art. 142 Abs. 2 ZGB
vorwiegend ihrer Schuld zuzuschreiben, wie dies der Beklagte behauptet.
3.
Indem die Klägerin sich mit X. in ein Liebesverhältnis einliess, hat sie sich schwer gegen ihre ehelichen Pflichten vergangen. Der Beklagte hätte wegen des von ihr begangenen Ehebruchs gestützt auf
Art. 137 ZGB
die Scheidung verlangen können. Daraus folgt aber nicht ohne weiteres, dass er sich dem auf die tiefe Zerrüttung der Ehe gestützten Scheidungsbegehren der Klägerin unter Berufung auf
Art. 142 Abs. 2 ZGB
widersetzen könne. Nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz kann keine Rede davon sein, dass es sich bei den Misshelligkeiten, die vor dem Verhältnis der Klägerin mit X. zwischen den Parteien bestanden, nur um "gewisse Anfangsschwierigkeiten" gehandelt habe und dass erst dieses Verhältnis die Zerrüttung herbeigeführt habe, wie das in der Berufungsschrift behauptet wird. Vielmehr waren die Beziehungen unter den Ehegatten schon vorher wegen des geschilderten Verhaltens des Beklagten und seiner Angehörigen ohne Verschulden der Klägerin stark getrübt, und in der Folge haben neben der Verfehlung der Klägerin auch die weitern Einmischungen der Verwandten des Beklagten, die langdauernde Trennung und die Tatsache, dass der Beklagte sich nicht umzustellen vermochte und sich gegenüber dem Versöhnungsversuch der Klägerin rein passiv verhielt, zur weitern Verschlimmerung des ehelichen Verhältnisses beigetragen. Unter diesen Umständen lässt sich dem Scheidungsbegehren der Klägerin nicht entgegenhalten, die von ihr geltend gemachte tiefe Zerrüttung dieses Verhältnisses sei vorwiegend ihrer eigenen Schuld zuzuschreiben.
BGE 87 II 1 S. 5
In
BGE 68 II 65
ff. wurde bei Beurteilung der Scheidungsklage eines Ehemannes, der die Ehe gebrochen hatte, freilich ausgeführt, die auf
Art. 142 ZGB
gestützte Scheidungsklage des ehebrecherischen Gatten müsste in Anwendung von Abs. 2 dieser Bestimmung abgewiesen werden, wenn sich ergäbe, "dass die Zerrüttung überwiegend seiner Schuld zuzuschreiben ist und nicht etwa schon vollständig eingetreten war, bevor der Ehebruch erfolgte"; daher müsse der Richter ungeachtet des spätern Ehebruchs die Ursachen dieser Zerrüttung untersuchen; ein Ehegatte, der an der tiefen Zerrüttung weniger als der andere oder höchstens gleich viel wie dieser schuld sei, habe nach dem Gesetz den Scheidungsanspruch aus diesem Titel, und diesen einmal "erworbenen" Scheidungsgrund verliere er auch durch einen nachträglich selber gesetzten speziellen nicht; die Vorinstanz habe daher die auf
Art. 142 ZGB
gestützte Klage des Ehemannes nicht abweisen dürfen, ohne die zu ihrer Begründung vorgebrachten tatsächlichen Behauptungen zu untersuchen; die Sache sei deshalb an sie zurückzuweisen, damit sie prüfe, "ob vor dem Ehebruch des Mannes schon eine so tiefe Zerrüttung des ehelichen Verhältnisses eingetreten war, dass ihm die Fortsetzung der Gemeinschaft nicht zuzumuten war" (a.a.O. S. 68/69). Hieraus könnte geschlossen werden, nach der Auffassung des Bundesgerichtes könne ein Ehegatte, der Ehebruch begangen hat, die Scheidung wegen tiefer Zerrüttung gegen den Willen des andern einzig dann erreichen, wenn er darzutun vermag, dass schon vor seinem Ehebruch eine tiefe Zerrüttung im Sinne von
Art. 142 Abs. 1 ZGB
bestanden hatte, und wenn ihm nicht entgegengehalten werden kann, die damals schon vorhanden gewesene Zerrüttung sei vorwiegend seiner Schuld zuzuschreiben. Im Falle
BGE 68 II 65
ff. handelte es sich jedoch nicht darum, in abschliessender Weise festzustellen, unter welchen Voraussetzungen ein Ehebrecher die Scheidung wegen tiefer Zerrüttung durchsetzen kann. Vielmehr war nur zu entscheiden, ob der damalige Kläger beim Zutreffen seiner (von der Vorinstanz nicht überprüften)
BGE 87 II 1 S. 6
Sachdarstellung diese Möglichkeit habe. Zu dieser Sachdarstellung gehörte die Behauptung, die Ehe sei (namentlich wegen der Streitsucht der Ehefrau) schon vor seinem Ehebruch tief zerrüttet gewesen. Dies war das entscheidende Argument des Klägers dafür, dass er trotz seinem Ehebruch die Scheidung verlangen könne. Unter diesen Umständen konnte sich das Bundesgericht in jenem Falle auf die Feststellung beschränken, die Klage sei trotz dem Ehebruch des Klägers zu schützen, wenn sich ergeben sollte, dass die Ehe schon vorher ohne vorwiegende Schuld des Klägers tief zerrüttet war. Zu andern Eventualitäten Stellung zu nehmen, hatte es keinen Anlass. Seine damaligen Ausführungen haben daher in Wirklichkeit nicht die allgemeine Bedeutung, die ihnen nach ihrem Wortlaut beigemessen werden könnte. Die Annahme, dass ein des Ehebruchs schuldiger Gatte die Scheidung wegen tiefer Zerrüttung in keìnem andern als dem erwähnten Falle durchsetzen könne, wäre denn auch sachlich nicht gerechtfertigt und mit dem Sinne von
Art. 142 ZGB
, wonach die Frage der Zerrüttung und des Verschuldens daran grundsätzlich vom Standpunkte der Gegenwart aus zu beurteilen ist, nicht verträglich. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob die Ehe der heutigen Parteien schon vor dem Ehebruch der Klägerin mit X. so tief zerrüttet gewesen sei, dass die Klägerin schon damals die Scheidung hätte verlangen können. Um die Gutheissung ihrer Klage zu rechtfertigen, genügt die Feststellung, dass die Ehe jedenfalls heute im Sinne von
Art. 142 Abs. 1 ZGB
tief zerrüttet ist, ohne dass dafür vorwiegend ihre eigene Verfehlung verantwortlich wäre. Damit soll nicht etwa gesagt werden, bei der Beurteilung der Klage eines Ehegatten, der die Ehe gebrochen hat, komme es überhaupt nie darauf an, ob schon vor seinem Ehebruch eine nicht vorwiegend von ihm verschuldete tiefe Zerrüttung bestanden habe. Wenn das ehebrecherische Verhältnis zur Zeit der Klage noch andauert, besteht nach der Lebenserfahrung eine starke Vermutung
BGE 87 II 1 S. 7
dafür, dass dieses Verhältnis der Hauptgrund dafür ist, dass der Kläger die Scheidung verlangt. In solchen Fällen kann beim Entscheid darüber, ob dem Kläger die Fortsetzung der Ehe noch zugemutet werden könne (vgl.
BGE 78 II 301
) und ob verneinendenfalls die tiefe Zerrüttung vorwiegend seiner Schuld zuzuschreiben sei, von ausschlaggebender Bedeutung sein, ob er die Scheidung wegen tiefer Zerrüttung schon vor dem Ehebruch hätte verlangen können oder nicht (vgl. z.B. die Urteile des Bundesgerichtes vom 4. Oktober 1957 und 10. Juli 1958 i.S. Eheleute E., zusammengefasst bezw. abgedruckt in ZR 1959 Nr. 134). Ähnlich kann es sich auch verhalten, wenn das illegitime Verhältnis zwar beendet ist, aber Anzeichen dafür bestehen, dass der Kläger die Fortsetzung der Ehe hauptsächlich wegen der Nachwirkungen dieses Verhältnisses ablehnt. Mit einem solchen Falle hat man es hier aber nicht zu tun. Die Klägerin und X. haben ihre unerlaubten Beziehungen abgebrochen, weil sie einsahen, dass eine dauernde Verbindung zwischen ihnen nicht in Frage komme, und die Klägerin wäre bereit gewesen, die eheliche Gemeinschaft wieder aufzunehmen, wenn der Beklagte seinerseits den hiefür nötigen guten Willen aufgebracht und sich gegen die Einmischungen seiner Verwandten gewehrt hätte. Hieran hat er es aber eben fehlen lassen. Bei dieser Sachlage könnte die heute bestehende tiefe Zerrüttung auch dann nicht vorwiegend der Klägerin zur Last gelegt werden, wenn man annähme, das Zerwürfnis sei vor dem Ehebruch noch nicht so tief gewesen, dass sie schon damals die Scheidung hätte verlangen können. | public_law | nan | de | 1,961 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
19394e9c-0603-4568-8199-e2ffece08f4e | Urteilskopf
117 II 246
48. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 31. Oktober 1991 i.S. C. gegen G. (Berufung) | Regeste
Art. 505 Abs. 1 ZGB
; Form der eigenhändigen letztwilligen Verfügung.
Eine vollständige Datumsangabe bildet nach wie vor Gültigkeitserfordernis der eigenhändigen letztwilligen Verfügung. Fehlt in einem Testament jeglicher Hinweis auf das Errichtungsjahr, führt dies daher zur Ungültigerklärung der eigenhändigen letztwilligen Verfügung wegen Formmangels. | Sachverhalt
ab Seite 247
BGE 117 II 246 S. 247
A.-
Der im Alter von nicht ganz 92 Jahren verstorbene Caspar C. hinterliess als gesetzliche Erben einen Bruder sowie eine Anzahl Nichten und Neffen, die an die Stelle vorverstorbener Geschwister getreten waren.
In seiner eigenhändigen letztwilligen Verfügung hatte der Erblasser auf sein Ableben hin folgende Anordnungen getroffen: "Meine dannzumal noch lebenden Geschwister setze ich auf den gesetzlichen Pflichtteil. Der übrige Nachlass vermache ich an Herrn G., der auch meinen Grabunterhalt besorgt. Für den Grabunterhalt sowie für den Grabstein werde ich ein separates Sparheft anlegen, damit diese Kosten aus diesem Sparheft bestritten werden können. Das Sparheft wird auf dem Gemeindeamt W. deponiert."
Die letztwillige Verfügung enthielt vor der Unterschrift folgende Datierung: "Azmoos, den 18. Oktober". Das Jahr der Testamentserrichtung war nicht aufgeführt und ergab sich auch sonst nicht aus der letztwilligen Verfügung oder dem Briefumschlag, worin diese beim Gemeindeamt deponiert worden war.
B.-
Insgesamt 12 der gesetzlichen Erben von Caspar C. reichten beim Bezirksgericht eine Rechtsschrift ein, womit sie Klage auf Ungültigkeit der letztwilligen Verfügung erhoben. Das Bezirksgericht wies die Klage ab, und in gleicher Weise entschied das Kantonsgericht, an welches sieben der ursprünglichen Kläger die Streitsache weitergezogen hatten.
Demgegenüber hiess das Bundesgericht die Berufung gut, erklärte in Gutheissung der Klage die eigenhändige letztwillige Verfügung als ungültig und stellte fest, dass in bezug auf die (verbleibenden zwei) Berufungskläger die gesetzliche Erbfolge gelte.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
a) Das Kantonsgericht St. Gallen ist im angefochtenen Urteil von der Praxisänderung ausgegangen, die das Bundesgericht in seiner jüngsten Rechtsprechung bezüglich der Formgültigkeit eigenhändiger letztwilliger Verfügungen mit inhaltlich falschen Angaben des Errichtungsdatums vorgenommen hat (
BGE 116 II 117
ff.). Es hat geprüft, ob die vom Bundesgericht für die unrichtige Datumsangabe entwickelten Grundsätze auch bei einer unvollständigen Datierung, wie sie im vorliegenden Fall zu beurteilen ist, Anwendung finden könnten. Das Bundesgericht hatte im
BGE 117 II 246 S. 248
zitierten Entscheid ausgeführt, solange die geltende gesetzliche Ordnung unverändert in Kraft stehe, müsse an einem den rein formellen Anforderungen genügenden Datum festgehalten werden, zumal sich ein Abweichen vom klaren Wortlaut des
Art. 505 Abs. 1 ZGB
nicht geradezu aufdränge; wie es sich damit verhalte, könne offenbleiben, da die zu beurteilende Zeitangabe wenigstens in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden sei (
BGE 116 II 128
f. E. 7c).
Das Kantonsgericht ist zum Schluss gelangt, es sei nicht einzusehen, weshalb eine Datumsangabe ohne Jahreszahl anders zu behandeln wäre als eine offensichtlich unrichtige Datierung. Eine unterschiedliche Beurteilung der beiden Fallkonstellationen würde zum unbilligen und durch nichts zu rechtfertigenden Ergebnis führen, dass ein Testament mit einem noch so unsinnigen, aber formell vollständigen Datum durch Auslegung berichtigt werden könnte und gültig bliebe, währenddem dies bei einer unvollständigen Datierung ausgeschlossen wäre. Testamente ohne jene Datumsangabe würden zwar mit gutem Grund von der Möglichkeit der Berichtigung ausgenommen, weil die Zulassung des Datumsnachweises durch ausserhalb der Testamentsurkunde liegende Umstände keine Auslegung mehr wäre, sondern eine unzulässige Ergänzung des Testaments. Wo aber, wie hier, ein Datum mindestens ansatzweise vorhanden sei, rechtfertige sich die Vermutung, dass der Erblasser die gesetzliche Form habe erfüllen wollen und die vollständige Datierung aus Versehen unterlassen worden sei.
Voraussetzung für die Gültigkeit eines unvollständig datierten Testaments sei ebenso wie beim unrichtig datierten, dass entweder das vollständige Datum auf dem Wege der Auslegung erstellt werden könne oder dass der Vollständigkeit des Datums unter dem Gesichtspunkt der verschiedenen Schutzzwecke des
Art. 505 Abs. 1 ZGB
keinerlei Bedeutung zukomme. Auf die Vollständigkeit des Datums komme es nur dann an, wenn zweifelhaft sei, ob der Erblasser vor übereilten Entschlüssen hinreichend geschützt gewesen sei, wenn mehrere einander widersprechende Testamente vorlägen, wenn die Verfügungsfähigkeit des Erblassers in Frage stehe oder wenn nicht klar sei, ob es sich bei dem zu beurteilenden Testament lediglich um einen Entwurf oder um eine endgültige Verfügung handle. Hier spiele keiner dieser Schutzzwecke eine Rolle. Den Klägern sei somit der Nachweis nicht gelungen, dass die Vollständigkeit der Datierung hier in irgendeiner Hinsicht von
BGE 117 II 246 S. 249
Bedeutung sei. Aber selbst wenn es auf das Errichtungsjahr überhaupt ankäme, sei der Nachweis, dass das Testament im Jahr 1980 verfasst worden sei, aufgrund des Beweisverfahrens als erbracht anzusehen.
Die Berufungskläger machen demgegenüber geltend, der Entscheid der Vorinstanz weiche vom klaren Wortlaut des Gesetzes ab und trage dem Umstand nicht Rechnung, dass es sich bei den Formvorschriften in
Art. 505 Abs. 1 ZGB
um Gültigkeitserfordernisse handle.
b) Das Bundesgericht hat, wie bereits erwähnt, auch in seinem Entscheid vom 22. März 1990 betreffend die inhaltlich unrichtige Datierung eines Testaments an seiner ständigen Rechtsprechung festgehalten, wonach formell ein vollständiges Datum vorliegen müsse, ansonst das Testament wegen Formmangels angefochten werden könne (
BGE 116 II 128
f. E. 7c). Es ist dieser Rechtsprechung auch kürzlich noch gefolgt, indem es ein eigenhändiges Testament, das keine (selbständige) Angabe des Errichtungsortes enthielt, wegen Formmangels als ungültig erklärte (
BGE 117 II 242
E. 3d-f).
Die Auffassung des Bundesgerichts entspricht denn auch der herrschenden Lehre (PIOTET, Erbrecht, in: Schweizerisches Privatrecht IV/1, S. 236 f.; Kommentar ESCHER, N. 16 ff. zu
Art. 505 ZGB
, insbesondere N. 26; Kommentar TUOR, N. 15 ff. zu
Art. 505 ZGB
, insbesondere N. 22; WALTHER BURCKHARDT, Über die Form des eigenhändigen Testamentes, ZBJV (72/1936, S. 381 ff.; PICENONI, Die Auslegung von Testament und Erbvertrag, Zürich 1955, S. 36 ff.; BREITSCHMID, Formvorschriften im Testamentsrecht, Zürcher Diss. 1982, Nrn. 439 ff., insbesondere Nrn. 451 und 452); REY, Aspekte richterlicher Rechtsfortbildung im Erbrecht, in: recht 2/1984, S. 86 f.).
BREITSCHMID kritisiert allerdings die herrschende Auffassung als zu eng und meint, auch eine unvollständige, aber wenigstens im Ansatz vorhandene Datierung müsse nicht zwangsläufig zur Ungültigkeit des Testaments führen, wenn sie versehentlich geschehen sei und "entweder aus Externa berichtigt werden" könne "oder sich die Berichtigung mangels Relevanz des Datums überhaupt erübrigt" (BREITSCHMID, Testament und Erbvertrag, in: St. Galler Studien zum Privat-, Handels- und Wirtschaftsrecht, Band 26, 1991, S. 48 f.; vgl. auch die oben zitierte Dissertation desselben Autors, Nrn. 453 ff.). Diese Meinung hat sich das Kantonsgericht St. Gallen zu eigen gemacht. Nach seiner Auffassung ist es unbillig
BGE 117 II 246 S. 250
und durch nichts zu rechtfertigen, wenn ein inhaltlich unrichtiges, aber vollständiges Datum im Sinne der neuesten Rechtsprechung des Bundesgerichts nicht mehr unbedingt zur Ungültigkeit des Testaments führe, das gleiche aber im Falle einer unvollständigen Datierung nicht gelten sollte.
c) Damit wird jedoch dem wichtigen Unterschied zwischen dem Erfordernis der vollständigen Datierung einerseits und der Frage nach deren inhaltlicher Richtigkeit anderseits, auf die bereits WALTHER BURCKHARDT hingewiesen hat, nicht Rechnung getragen. Ob die Angabe von Ort, Jahr, Monat und Tag, wie sie
Art. 505 Abs. 1 ZGB
verlangt, richtig sei, ist genau besehen keine Frage der Form, sondern eine solche des Inhalts, während das Erfordernis der Vollständigkeit der vom Gesetz vorgeschriebenen Datumsangaben eine reine Formvorschrift bleibt (BURCKHARDT, a.a.O., S. 386 ff., insbesondere S. 389). Die vom Bundesgericht vollzogene Praxisänderung in der Frage der inhaltlichen Richtigkeit der in einer letztwilligen Verfügung enthaltenen Datierung muss somit unter dem Gesichtspunkt der Logik keineswegs dazu führen, auch unvollständig datierte Verfügungen als gültig zu betrachten.
d) Obgleich auf der inhaltlichen Richtigkeit des Datums nicht mehr unter allen Umständen beharrt wird, erscheint es gerechtfertigt und sinnvoll, an der vollständigen Angabe von Ort, Jahr, Monat und Tag als Gültigkeitserfordernis der letztwilligen Verfügung festzuhalten. Ebenso wie die Eigenhändigkeit der Schrift bilden die vom Gesetz geforderten Angaben über Ort und Zeit der Errichtung Formvorschriften, deren Zweck vor allem darin besteht, dem Testierenden die Ernsthaftigkeit seiner Verfügung bewusst zu machen.
Zudem kann im allgemeinen verhältnismässig leicht festgestellt werden, ob eine eigenhändige letztwillige Verfügung diesen formellen Anforderungen genügt. Liesse man die Ergänzung einer unvollständigen Datierung aufgrund von ausserhalb der Urkunde liegenden Umständen zu, so würde man die durch Formvorschriften gewährleistete Rechtssicherheit und damit auch den Sinn der im Gesetz enthaltenen Datierungsvorschriften in Frage stellen. So wäre zum Beispiel unklar, wann ein genügender Ansatz einer Datierung vorläge, wie ihn auch BREITSCHMID und die Vorinstanz noch verlangen, wenn sie die Ergänzung der Datumsangabe eines Testaments für möglich halten. Es müssten auf dem Wege der Rechtsprechung Regeln hierüber entwickelt werden, da
Art. 505 Abs. 1 ZGB
ausdrücklich die Angabe von Ort, Jahr, Monat und
BGE 117 II 246 S. 251
Tag der Errichtung verlangt. Die Aufstellung solcher über den klaren Gesetzeswortlaut hinausgehender Regeln würde aber den Rahmen blosser Auslegung, wie sie dem Richter zusteht, sprengen und damit in die Entscheidungsbefugnis des Gesetzgebers eingreifen.
4.
Kann es die Rechtsprechung aus den dargelegten Gründen nicht zulassen, dass die unvollständige Datierung in gleicher Weise wie die inhaltlich unrichtige Datierung unter bestimmten Umständen ohne Einfluss auf die Gültigkeit einer eigenhändigen letztwilligen Verfügung bleibt, so muss das angefochtene Urteil aufgehoben und die Ungültigkeitsklage der Berufungskläger gutgeheissen werden.
Dass damit der letzte Wille des Erblassers keinen Schutz findet, ist wie in den übrigen Fällen von Formmängeln zu bedauern. Es handelt sich dabei aber um die unvermeidliche Folge der Verletzung einer Formvorschrift, die vom Richter so lange angewendet werden muss, als sie vom Gesetzgeber nicht aufgehoben oder geändert wird. Die Geltendmachung des Formmangels wird nicht dadurch schon rechtsmissbräuchlich, dass die Berufungskläger - wie in der Berufungsantwort geltend gemacht wird - finanzielle Interessen verfolgen. Das Gesetz lässt Ungültigkeitsklagen auch dann zu, wenn sie aus rein wirtschaftlichen Gründen angehoben werden; dies liegt sozusagen in der Natur solcher Klagen. | public_law | nan | de | 1,991 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
193965a2-c848-484d-b387-110895450b4e | Urteilskopf
117 III 61
18. Extrait de l'arrêt de la Chambre des poursuites et des faillites du 21 octobre 1991 dans la cause N. P.-D. (recours LP) | Regeste
Art. 91 und 95 SchKG
. Pflicht zur Angabe der Vermögenswerte bei der Pfändung.
1. Der Betreibungsschuldner hat alle ihm gehörenden beweglichen Vermögenswerte anzugeben, damit das Betreibungsamt die Pfändung unter Beachtung der gesetzlich festgelegten Reihenfolge vollziehen kann (Erw. 2).
2. Wo die Pfändung unbeweglicher Vermögenswerte als unumgänglich erscheint, ist er verpflichtet, auch das gesamte unbewegliche Vermögen anzugeben (Erw. 3). | Sachverhalt
ab Seite 61
BGE 117 III 61 S. 61
A.-
A la réquisition de la banque C., l'Office des poursuites de Montreux notifia à N. P.-D. un commandement de payer la somme de 7'731'758 fr. 05, plus accessoires.
La banque C. requit l'Office des poursuites de Lausanne-Ouest de continuer la poursuite sur la base du commandement de payer susmentionné et d'un prononcé de mainlevée provisoire de l'opposition.
Par avis de saisie (provisoire) du 8 janvier 1991, l'office convoqua le poursuivi pour le 17 janvier. Le 18 janvier, son mandataire informa l'office qu'il n'était pas en mesure de préciser à quelle date son mandant pourrait être présent à Lausanne, mais qu'il était habilité à proposer un immeuble afin qu'il soit procédé à une saisie définitive. Il s'agissait des parcelles 354 et 368 de Fribourg, d'une valeur de gage de 17 millions. Le représentant du poursuivi précisait qu'une autre banque avait un gage en premier rang à concurrence de 5 millions de francs sur ces parcelles alors que la banque C. en avait un de 7'500'000 fr. au total. Il estimait qu'ainsi les créances de la banque C. étaient couvertes.
BGE 117 III 61 S. 62
A la demande de l'Office des poursuites de Lausanne-Ouest, l'Office des poursuites de la Sarine, à Fribourg, procéda à la saisie provisoire des parcelles 354 et 468 (recte 368) à concurrence de 7'731'758 fr. 05 en faveur de la banque C. L'Office des poursuites de Lausanne-Ouest entendit, le 12 mars 1991, le mandataire du poursuivi qui ignorait presque tout de la situation matérielle de son mandant. Il impartit alors au poursuivi un délai au 22 mars 1991 pour lui fournir tous les renseignements utiles pour l'exécution de la saisie, notamment sur ses biens mobiliers, ainsi que sur ses immeubles.
B.-
N. P.-D. a porté plainte contre cette décision de l'office. Il demandait de ne pas être requis de proposer plus d'objets meubles ou immeubles en vue de l'exécution de la saisie, ni de fournir de plus amples renseignements concernant son patrimoine jusqu'à droit connu sur le résultat de la saisie, puis de la réalisation des immeubles saisis. L'autorité inférieure de surveillance a rejeté la plainte.
N. P.-D. a recouru auprès de l'autorité cantonale supérieure de surveillance, qui a rejeté le recours.
C.-
N. P.-D. recourt au Tribunal fédéral.
Erwägungen
Extrait des considérants:
2.
Lorsqu'il prétend avoir satisfait, en offrant un bien immobilier d'une valeur suffisante, à ses obligations de débiteur, le recourant méconnaît ses devoirs dans la saisie.
En effet, le débiteur est non seulement tenu d'indiquer jusqu'à due concurrence tous les biens, créances et autres droits qui lui appartiennent (
art. 91 al. 1 LP
), mais il doit encore le faire de façon que l'ordre légal de saisie puisse être respecté. La saisie porte en première ligne sur les biens meubles, y compris les créances; les immeubles ne sont saisis qu'à défaut de biens meubles suffisants pour couvrir la créance ou lorsque le créancier et le débiteur le demandent. En général, le fonctionnaire qui procède à la saisie doit concilier autant que possible les intérêts du créancier et ceux du débiteur (
art. 95 LP
). Ces règles s'appliquaient en l'espèce, car la banque C. avait introduit une poursuite ordinaire sans que le recourant exige, par voie de plainte, la réalisation du gage selon l'
art. 41 al. 1 LP
(
ATF 110 III 7
consid. 2 et les arrêts cités) et la saisie provisoire s'exécute comme la saisie définitive (GILLIÉRON, Poursuite pour dettes, faillite et concordat, 2e éd., Lausanne 1988, p. 152).
BGE 117 III 61 S. 63
En l'espèce, l'office s'est trouvé dans l'impossibilité de connaître le patrimoine, en particulier mobilier, du recourant, car celui-ci était durablement absent. Vu l'offre de faire porter la saisie sur deux parcelles de Fribourg, il ne pouvait évidemment y renoncer, sous prétexte qu'il fallait en priorité s'assurer de l'inexistence de biens mobiliers saisissables. Il devait, pour sauvegarder les intérêts de la banque C., faire saisir les biens connus, même immobiliers. Mais l'obligation de procéder d'abord à la saisie de biens mobiliers demeurait, car l'ordre légal de saisie est aussi établi dans l'intérêt du créancier, c'est-à-dire de façon que les biens les plus faciles à réaliser soient saisis en premier lieu (GILLIÉRON, op.cit., p. 172). La loi exige d'ailleurs l'accord du créancier pour qu'un immeuble puisse être saisi avant des biens mobiliers (
art. 95 al. 2 LP
) et la banque C. n'avait pas demandé une saisie immobilière en lieu et place d'une saisie mobilière. Dès lors, c'est à bon droit que l'office a imparti au recourant un délai pour fournir tous renseignements utiles à l'exécution de la saisie, en particulier au sujet de ses biens mobiliers. Cette décision, fondée sur l'obligation de renseigner (
art. 91 al. 1 LP
) et l'ordre légal de saisie (
art. 95 LP
), est donc indépendante de l'application de l'
art. 97 al. 2 LP
.
3.
L'office a aussi exigé, par la décision du 12 mars 1991, des renseignements complets sur le patrimoine immobilier du recourant, c'est-à-dire la liste de ses immeubles avec l'indication d'éventuels créanciers hypothécaires. Lorsqu'une saisie immobilière paraît inévitable, comme c'est le cas en l'espèce, l'office doit connaître d'emblée l'ensemble des immeubles du débiteur de façon à pouvoir choisir celui ou ceux sur lesquels il fera porter la saisie. En effet, pour éviter la saisie de biens difficilement réalisables, l'office choisira lui-même l'immeuble à saisir. L'exigence posée par l'office de le renseigner tant sur les immeubles que sur les meubles du recourant était donc justifiée et, par conséquent, l'arrêt attaqué ne doit pas être annulé. | null | nan | fr | 1,991 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
193d9938-fdaa-4699-9f1e-2c6e55c497f4 | Urteilskopf
115 Ib 505
65. Estratto della sentenza 5 ottobre 1989 della I Corte di diritto pubblico nella causa A. B. e Pro Mendrisio e dintorni contro Gran Consiglio e Consiglio di Stato del Cantone Ticino (ricorsi di diritto amministrativo e di diritto pubblico) | Regeste
Art. 34 Abs. 3 RPG
, 97 ff. OG; Rechtsmittel gegen einen Nutzungsplan.
Ein allgemein verbindlicher kantonaler Nutzugsplan ist gemäss
Art. 34 Abs. 3 RPG
mit staatsrechtlicher Beschwerde anzufechten; kommt der Plan jedoch einer Verfügung im Sinne von
Art. 5 VwVG
gleich, indem er bereits Elemente einer künftigen Baubewilligung enthält, so ist er mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde gemäss
Art. 97 ff. OG
anfechtbar, und der in
Art. 99 lit. c OG
genannte Ausschlussgrund ist nicht gegeben (E. 2). | Sachverhalt
ab Seite 505
BGE 115 Ib 505 S. 505
Il Consiglio di Stato del Cantone Ticino ha deciso, con risoluzione del 23 dicembre 1987, di adattare il piano cantonale di risanamento per l'eliminazione dei rifiuti urbani. La modifica prevede, in special modo, la realizzazione di una discarica nella Valle della Motta, in territorio di Coldrerio e Novazzano, che dovrà servire l'insieme dei Comuni del Sottoceneri. Sono stati concessi un permesso generale di dissodare le
BGE 115 Ib 505 S. 506
superfici necessarie all'impianto e l'autorizzazione di eseguire la prima fase del disboscamento. Il Tribunale federale ha respinto i ricorsi di diritto pubblico e amministrativo interposti dal Comune di Coldrerio contro la modifica del piano di risanamento e l'autorizzazione del disboscamento.
Il Consiglio di Stato ha allestito un piano cantonale di utilizzazione per la discarica della Valle della Motta, giusta gli art. 6h e segg. della legge edilizia ticinese (LE). Il 28 dicembre 1988 la medesima autorità ha statuito sui reclami presentati in seguito alla prima pubblicazione, avvenuta a norma dall'art. 6i LE. Dopo la seconda pubblicazione prescritta dall'art. 6m cpv. 3 LE, la Pro Mendrisio e dintorni, associazione intesa a favorire lo sviluppo locale, e A. B., cittadino di Coldrerio, hanno adito il Gran Consiglio. In data 22 maggio 1989 il legislativo ticinese ha approvato il piano cantonale di utilizzazione e ha respinto i ricorsi. La ponderazione dei contrapposti interessi è basata su diverse relazioni tecniche e sullo studio di impatto ambientale allegato al piano nel corso della prima pubblicazione.
La Pro Mendrisio e dintorni ha impugnato la risoluzione del Gran Consiglio mediante ricorsi di diritto amministrativo e di diritto pubblico, A. B. ha interposto un ricorso di diritto pubblico. Il Tribunale federale non è entrato nel merito del primo e del terzo gravame, respingendo in quanto ammissibile il secondo.
Erwägungen
Dai considerandi:
1.
(Congiunzione dei ricorsi ai fini del giudizio.)
2.
Il provvedimento impugnato è un piano cantonale di utilizzazione giusta il capo III, articoli da 6h a 6s, della legge edilizia ticinese del 19 febbraio 1973. In base all'art. 6h cpv. 1 LE tali misure disciplinano l'uso ammissibile del suolo nelle zone previste all'art. 6b cpv. 1 lett. f LE, ossia quelle che secondo il piano direttore cantonale richiedono ulteriori studi particolareggiati. Si tratta dunque di piani nell'accezione degli art. 14 cpv. 1 e 21 cpv. 1 LPT, obbligatori nei confronti di ognuno. Il giudizio di un'autorità cantonale, che approva in ultima istanza un provvedimento di questa natura, è suscettibile di impugnazione mediante ricorso di diritto pubblico, in conformità all'
art. 34 cpv. 3 LPT
(
DTF 114 Ia 387
consid. 2 e rinvii,
DTF 113 Ib 373
consid. 1b in fine,
DTF 106 Ia 330
/331 consid. 1).
BGE 115 Ib 505 S. 507
D'altra parte l'ordinamento in esame, che configura un piano di utilizzazione speciale a norma della giurisprudenza (
DTF 112 Ib 166
/167 con rimandi), determina nei minimi particolari una singola infrastruttura pubblica. Esso stabilisce definitivamente l'attuazione della discarica e vincola, al riguardo, le autorità chiamate ad approvare i diversi lavori di esecuzione, come ad esempio il dissodamento, nella fattispecie già concesso, le opere di canalizzazione, la rete viaria o ancora gli edifici e i manufatti previsti. Un piano di utilizzazione speciale tanto minuzioso è assimilabile nei suoi effetti, che precorrono certi elementi delle successive e indispensabili autorizzazioni edilizie, a una decisione concreta (cfr.
DTF 113 Ib 225
e segg., consid. 1a, non pubblicato, e 2b). In quanto tale e alla stessa stregua di una licenza di costruzione, simile provvedimento deve poter essere impugnato con ricorso di diritto amministrativo giusta gli
art. 97 OG
e 5 PA, se è fondato o avrebbe dovuto fondarsi sul diritto pubblico federale, segnatamente le disposizioni contenute nella legge del 7 ottobre 1983 sulla protezione dell'ambiente e nelle ordinanze di esecuzione (art. 54 cpv. 1 LPA), purché non sussistano motivi di inammissibilità a norma degli art. 99 e segg. OG (
DTF 114 Ib 216
consid. 1b e rinvii). In particolare non si applica, a un caso come quello presente, l'eccezione dell'art. 99 lett. c OG: un piano così specifico, analogo a un'autorizzazione di massima, che riveste carattere pregiudiziale nei confronti degli ulteriori permessi edilizi necessari al compimento della prevista opera pubblica, non ricade in questo motivo di esclusione (DFT 113 Ib 373 consid. 1b, ultimo capoverso; cfr. inoltre GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege II edizione, pag. 105/106; SALADIN, Das Verwaltungsverfahrensrecht des Bundes, pag. 71/72).
Nel principio, dunque, a giusta ragione la Pro Mendrisio e dintorni fa valere mediante un ricorso di diritto amministrativo l'incongruenza tra la legislazione federale e il piano di utilizzazione per la discarica nella Valle della Motta. Il ricorso di A. B., benché contesti materialmente la decisione litigiosa dal solo profilo dell'arbitrio, evoca in maniera implicita l'inosservanza delle medesime disposizioni. A tal proposito il suo gravame dev'essere trattato come un ricorso di diritto amministrativo (
DTF 112 Ib 243
consid. 1a), connesso a un ricorso di diritto pubblico in merito alla violazione delle norme che soggiacciono a questo rimedio (
DTF 114 Ib 217
consid. 1d). Occorre pertanto verificare, per entrambe le impugnative e i due ricorrenti, le altre condizioni di
BGE 115 Ib 505 S. 508
ammissibilità, in particolare la legittimazione ad agire sulla base degli
art. 103 e 88 OG
. Il Tribunale federale procede d'ufficio a questo esame (
DTF 114 Ib 216
consid. 1 e rimandi). Ciò non significa tuttavia che il ricorrente possa limitarsi a sostenere che la decisione impugnata lo concerne nei suoi interessi protetti, in modo che si debba entrare nel merito delle censure avanzate. Egli ha invece l'obbligo di addurre gli elementi materiali che consentano di stabilire la sua facoltà di ricorrere per ciascuno dei rimedi esperiti (cfr.
DTF 114 Ib 202
consid. 1c,
DTF 107 Ia 178
consid. 1a). | public_law | nan | it | 1,989 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
194725b9-d9bc-4136-8040-c1d92ce4a4a9 | Urteilskopf
102 Ia 46
10. Urteil vom 12. Mai 1976 i.S. Schenkel gegen Ortsgemeinde Wellhausen und Regierungsrat des Kantons Thurgau. | Regeste
Anstösserbeiträge,
Art. 4 BV
.
Die Auferlegung von Anstösserbeiträgen an den Ausbau einer öffentlichen Strasse ist willkürlich, wenn die gesetzlichen Bestimmungen über die Planauflage und die Benachrichtigung der beitragspflichtigen Grundeigentümer vor der Erstellung des Werkes nicht eingehalten werden (E. 2). | Sachverhalt
ab Seite 47
BGE 102 Ia 46 S. 47
Im Jahre 1970 wurde auf Beschluss der Ortsgemeindeversammlung hin die Strasse von Wellhausen nach Schloss Wellenberg ausgebaut.
Im Jahre 1974 wurde Kurt Schenkel, dem Eigentümer des Landwirtschaftsbetriebes Schloss Wellenberg die Bewilligung für den Bau einer Rindermaststallung mit Futterzentrale mit der Auflage erteilt, nachträglich - gemäss § 47 des thurgauischen Gesetzes über das Strassenwesen vom 25. Februar 1939 (StrG) - einen Anstösserbeitrag in der Höhe von Fr. 8'880.-- an den Ausbau der genannten Strasse zu leisten.
Der Regierungsrat des Kantons Thurgau bestätigte den Entscheid, soweit die Beitragspflicht in Frage stand.
Schenkel hat wegen Verletzung von
Art. 4 BV
staatsrechtliche Beschwerde erhoben, die das Bundesgericht gutheisst.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Beiträge Privater an die Kosten der Erstellung oder des Ausbaus öffentlicher Strassen sind Vorzugslasten (
BGE 98 Ia 171
E. 2). Als solche bedürfen sie wie alle öffentlichen Abgaben einer gesetzlichen Grundlage (
BGE 97 I 203
E. 5b,
BGE 95 I 251
E. 4a,
BGE 93 I 634
E. 3,
BGE 92 I 47
; vgl. auch A. GRISEL, Droit administratif suisse, S. 164/165).
2.
Der angefochtene Beschluss des Regierungsrates des Kantons Thurgau stützt sich auf § 47 StrG. Nach dieser Bestimmung können Eigentümer von Grundstücken, denen durch den Bau öffentlicher Strassen und Wege besondere Vorteile erwachsen, von den kostenpflichtigen Gemeinden zur Deckung der Kosten herangezogen werden. Das Verfahren wird in § 48 StrG geregelt. Demnach hat bei Gemeindestrassen die Ortsbehörde festzustellen, welche Bauten zum Strassenunternehmen gehören und welche Grundstücke beitragspflichtig werden. Der Beschluss über den Umfang des Unternehmens,
BGE 102 Ia 46 S. 48
das Verzeichnis der beitragspflichtigen Grundstücke und, sofern es durch Baureglemente ausdrücklich verlangt wird, der Kostenvoranschlag mit dem Verzeichnis der Beiträge sind mit dem Bau- oder Korrektionsplan aufzulegen. Die Eigentümer der beitragspflichtigen Grundstücke sind über die Planauflage und über die voraussichtlichen Kosten des Unternehmens durch eingeschriebenen Brief oder gegen Empfangsbescheinigung in Kenntnis zu setzen. Einsprachen gegen die Art und Weise, wie das Unternehmen gebildet wurde und gegen die Beitragspflicht als solche sind für Gemeindestrassen bei der Ortsbehörde zu erheben. Über die Höhe der Beiträge entscheidet endgültig die kantonale Schätzungskommission.
Im vorliegenden Falle ist die Ortsgemeinde Wellhausen beim Ausbau der Wellenbergstrasse, der unbestrittenermassen im Jahre 1970 erfolgt ist, nicht im Sinne von § 48 StrG vorgegangen. Weder wurde ein Verzeichnis der beitragspflichtigen Grundstücke erstellt (oder, um die Ausdrücke des Baureglementes von Wellhausen zu verwenden, eine Interessenzone festgelegt), noch wurden die Baupläne aufgelegt und die Eigentümer der beitragspflichtigen Grundstücke durch eingeschriebenen Brief über die zu erwartenden Kosten orientiert. Bei diesen Bestimmungen handelt es sich keineswegs nur um Ordnungsvorschriften von untergeordneter Tragweite, sondern um Rechtssätze, die für den Schutz der Interessen des Privaten von massgebender Bedeutung sind. Nur die Planauflage, die Bezeichnung der Grundstücke, deren Eigentümer zu Beiträgen herangezogen werden sollen (Interessenzone) und die Bekanntgabe der mutmasslichen Kosten ermöglichen es den Betroffenen, sich rechtzeitig, nämlich vor der Ausführung des Strassenbaues, darüber schlüssig zu werden, ob sie dem Bauvorhaben stillschweigend zustimmen oder ob sie dagegen oder gegen die Art der Bildung der Interessenzone oder gegen ihre persönliche Beitragspflicht Einsprache erheben wollen. Dem lässt sich nicht entgegenhalten, das Einspracherecht bleibe auch bei späterer Heranziehung eines Grundeigentümers zu Anstösserbeiträgen gewahrt. Gerade der vorliegende Fall zeigt, dass dies nicht in vollem Umfange zutrifft. Der Beschwerdeführer kann zwar noch heute Einwendungen gegen seine persönliche Beitragspflicht erheben, nicht aber gegen die Art und Weise, wie das Unternehmen gebildet wurde, obschon ihm dieses Recht von Gesetzes wegen zusteht.
BGE 102 Ia 46 S. 49
Da § 47 StrG nur zusammen mit § 48 anwendbar ist, fehlt damit der angefochtenen Entscheidung die gesetzliche Grundlage.
3.
Weiter ist festzustellen, dass der Beschwerdeführer nicht im Zusammenhang mit dem Strassenbau zu Anstösserbeiträgen herangezogen worden ist, sondern erst vier Jahre später, als er um die Bewilligung für den Bau einer Rindermaststallung mit Futterzentrale auf einem seiner Grundstücke nachsuchte. Wenn der Regierungsrat im angefochtenen Entscheid ausführt, die Beiträge würden "nicht für die erstellte landwirtschaftliche Baute, sondern für den Ausbau der Wellenbergstrasse erhoben, welche der verkehrsmässigen Erschliessung des Schlosses und des ganzen Hofes dient", so setzt er sich in Widerspruch zum Verhalten der Ortsbehörden von Wellhausen. Diese haben einerseits beim Strassenausbau gerade keine Anstösserbeiträge erhoben, anderseits aber die Beitragspflicht des Beschwerdeführers als Bedingung in die Baubewilligung vom 4. Juli 1974 für die Rindermaststallung aufgenommen und zudem die Grundfläche dieser neuen Baute samt Umschwung als Massstab für die Berechnung des Beitrages gewählt. Es widersprach aber klarerweise § 47 StrG, einen Anstösserbeitrag nur bezüglich eines einzelnen, nachträglich überbauten Grundstückes zu verlangen, ohne die übrigen im Einzugsbereich der ausgebauten Strasse liegenden Parzellen überhaupt zu erwähnen. Das vom Regierungsrat geschützte Vorgehen der Ortsgemeinde Wellhausen läuft im Ergebnis auf die Erhebung einer Sonderabgabe für die Errichtung von Neubauten an einer seit Jahren bestehenden Strasse hinaus, die im Gesetz keine Grundlage findet.
Aus diesen Gründen erscheint der angefochtene Entscheid als willkürlich im Sinne von
Art. 4 BV
(
BGE 100 Ia 6
E. 3b mit Hinweis auf frühere Urteile) und ist demgemäss aufzuheben, ohne dass auf die Frage einzutreten wäre, ob die Grundstücke des Beschwerdeführers insgesamt durch den Strassenausbau im Jahre 1970 einen Wertzuwachs erfahren haben oder nicht. | public_law | nan | de | 1,976 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
194a7841-1504-475e-9fb6-6952873c66f5 | Urteilskopf
117 Ib 101
14. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit public du 15 août 1991 dans la cause Léon et Anne-Marie Mornod contre Société de tir "L'Arquebuse" et Conseil d'Etat du canton de Fribourg (recours de droit administratif) | Regeste
Ausnahmebewilligung gemäss
Art. 24 RPG
für den Ausbau eines Schiessstands; Einhaltung der Anforderungen der bundesrechtlichen Gesetzgebung im Bereiche des Umweltschutzes (LSV) und des Naturschutzes (
Art. 18 ff. NHG
).
Der Einbau einer elektronischen Trefferanzeige und die Verbesserung der sanitären Einrichtungen in einem alten Schiessstand sind Modernisierungsarbeiten, die eine wesentliche Änderung im Sinne des
Art. 8 LSV
darstellen. Im kantonalen Verfahren wurden keine Untersuchungen über die zulässige Lärmbelastung durchgeführt. Auch eine gewissenhafte Abwägung der vorhandenen Interessen fehlt, obschon der Schiessstand sich in einer geschützten Landschaft befindet. Gutheissung der Beschwerde, da der rechtserhebliche Sachverhalt unvollständig festgestellt wurde (
Art. 104 lit. b OG
) (Erw. 3 und 4). | Sachverhalt
ab Seite 102
BGE 117 Ib 101 S. 102
Les époux Léon et Anne-Marie Mornod sont propriétaires sur le territoire de la commune d'Echarlens, au sud-ouest de la tourbière, de la parcelle No 6036, bâtie d'une maison familiale. Sur la parcelle voisine No 6034, propriété de la commune, se trouve, à quelque 280 m de la villa Mornod, le stand de tir exploité par la société de tir privée "L'Arquebuse" d'Echarlens. Ce stand existe depuis 1908, le bâtiment actuel datant de 1963/1964. Il ne sert pas seulement aux tireurs de la commune d'Echarlens, mais aussi à ceux des communes de Marsens, Morlon et Riaz.
Le 22 février 1989, la société de tir "L'Arquebuse" a déposé une demande de permis de construire pour le raccordement du stand et de la ciblerie aux réseaux d'électricité et d'eau, et pour la pose d'une fosse étanche à vidanger. Le raccordement en électricité devait permettre à la société d'installer un système électronique pour le marquage des touchés. Les époux Mornod se sont opposés à ce projet, en invoquant que le stand de tir ne remplissait pas les exigences minima requises par l'ordonnance fédérale du 15 décembre 1986 sur la protection contre le bruit (OPB), et qu'il était impératif d'éviter de rendre plus difficile encore, voire impossible, l'adaptation de cette installation aux exigences fédérales; en outre, une atteinte serait irrémédiablement portée au biotope protégé constitué par la tourbière d'Echarlens. Le 26 avril 1990, la Direction des travaux publics du canton de Fribourg délivra à la société requérante une autorisation spéciale au sens de l'art. 24 de la loi fédérale sur l'aménagement du territoire (LAT), le stand de tir étant situé à l'extérieur des zones à bâtir communales, en zone de protection naturelle. Le stand fait par
BGE 117 Ib 101 S. 103
ailleurs partie d'un site de protection intégrale, absolue et obligatoire, selon l'inventaire des sites naturels du canton de Fribourg (objet No 91) et, actuellement, il figure à l'inventaire fédéral des hauts-marais et des marais de transition d'importance nationale (cf. ordonnance sur les hauts-marais du 21 janvier 1991, annexe 1, No 67).
Saisi d'un recours des époux Mornod contre la décision de la Direction des travaux publics du 26 avril 1990, le Conseil d'Etat l'a rejeté par arrêté du 21 août 1990. Agissant par la voie du recours de droit administratif, les époux Mornod ont fait valoir devant le Tribunal fédéral que cette décision violait le droit de l'aménagement du territoire, en particulier l'
art. 24 LAT
, le droit de l'environnement, notamment les art. 16 à 18 LPE, 8 et 13 ss OPB, ainsi que les dispositions sur la protection des biotopes (
art. 18 ss LPN
). En cours de procédure, le 8 novembre 1990, la société de tir a déposé un rapport de l'Officier fédéral de tir du 5e arrondissement sur l'intensité du bruit du stand de tir d'Echarlens. Selon ce rapport, les mesures effectuées à la villa Mornod, conformément à l'annexe 7 de l'OPB, donnaient un résultat de 67,32 décibels (dB). Les recourants faisaient état, eux, de valeurs plus élevées (90 dB). En outre, le rapport de l'Officier fédéral de tir parlait d'un degré de sensibilité III (avec un point d'interrogation et la mention "décision du Conseil communal"), alors que les recourants se référaient au degré de sensibilité I. L'arrêté attaqué ne parlait, lui, ni de mesures d'intensité du bruit, ni de degrés de sensibilité. Le Tribunal fédéral a admis le recours, annulé l'arrêté attaqué et renvoyé la cause à la Direction des travaux publics pour nouvelle décision dans le sens des considérants.
Erwägungen
Extrait des considérants:
3.
Les autorités cantonales partent visiblement de l'idée que les travaux d'aménagement autorisés ne tendant qu'à améliorer une situation déjà existante, l'autorisation peut être accordée sans problème tant au regard de l'
art. 24 al. 2 LAT
que des dispositions d'assainissement de la LPE. Pareille conclusion présuppose cependant l'établissement des valeurs actuelles d'exposition au bruit et une analyse de toutes les conséquences des travaux projetés. Une installation automatique pour le marquage des touchés accroît l'efficacité d'un stand. Pour évaluer le bruit d'une
BGE 117 Ib 101 S. 104
installation de tir, il y a lieu de déterminer l'intensité d'utilisation de cette installation au cours des trois années précédentes (ch. 32 al. 3 de l'annexe 7 à l'OPB) et la nature des tirs effectués (tirs obligatoires ou exercices volontaires subventionnés par la Confédération et également tirs de compétition). La détermination des valeurs admissibles d'exposition au bruit présuppose en outre la fixation des degrés de sensibilité au sens de l'
art. 43 OPB
(cf.
ATF 117 Ib 20
ss).
En l'espèce, de telles investigations n'ont pas du tout été faites en procédure cantonale. Ce n'est que devant le Tribunal fédéral que des indications ont été apportées quant à la nature et au nombre des séances de tir et qu'un calcul du bruit du stand par l'Officier fédéral de tir a été produit, dont les recourants contestent d'ailleurs l'exactitude. Il n'appartient pas au Tribunal fédéral de procéder, pour ainsi dire en première instance, à l'établissement correct des faits pertinents, ce d'autant moins qu'il doit faire preuve de retenue dans l'appréciation des circonstances locales. Les recourants ont par ailleurs fait valoir, en instance cantonale déjà, qu'en 1983 la société de tir intimée avait aménagé une place de parc sans autorisation. Dans sa détermination du 3 mai 1991, le Conseil d'Etat admet qu'il en a bien été ainsi. Des éclaircissements à cet égard auraient néanmoins dû être apportés également en procédure cantonale. S'il était vrai que, sous l'empire de la LAT, une place de parc avait bel et bien été aménagée sans autorisation en zone de protection - ce qui est en principe inadmissible (cf.
ATF 115 Ib 508
) - la question de l'autorisation selon l'
art. 24 LAT
se devait alors d'être élucidée en tout cas au moment de la demande de modernisation ultérieure. Toutes ces insuffisances dans les constatations de fait commandent, à elles seules déjà, d'admettre le recours.
4.
Sur le fond, il faut constater tout d'abord que les travaux de modernisation d'un ancien stand de tir, qu'on dote d'un système électronique de marquage des touchés et dont on améliore les installations sanitaires, constituent une modification notable au sens de l'
art. 8 OPB
; à plus forte raison, si la place de parc en zone de protection devait être autorisée après coup. On note en outre, s'agissant du problème de la protection des hauts-marais, que l'arrêté attaqué omet de peser consciencieusement les intérêts en présence. Le Conseil d'Etat se réfère simplement à la prise de position favorable de la Commission cantonale pour la protection de la nature et du paysage, qui n'est arrivée à ce pronostic positif
BGE 117 Ib 101 S. 105
qu'après reconsidération d'un premier préavis négatif. On relève enfin que pour pouvoir autoriser les modifications sollicitées, il faut encore fixer, au cours d'une procédure irréprochable, les degrés de sensibilité au sens de l'
art. 43 OPB
(cf.
ATF 117 Ib 20
ss). L'omission d'une telle opération en l'espèce ne peut conduire, elle aussi, qu'à l'admission du recours.
S'il devait résulter des mesures d'instruction complémentaires qu'il faille accorder, au terme d'une pesée correcte des intérêts en présence, l'autorisation exceptionnelle requise, celle-ci devrait être assortie des charges et conditions nécessaires, qu'il conviendrait d'énoncer avec précision. A cet égard, les réserves générales formulées par la Direction des travaux publics ne sont pas suffisantes. Il faudrait bien plutôt fixer impérativement le nombre maximum admissible de demi-journées de tir, tout en veillant à ce que les valeurs limites d'immission ne puissent pas être dépassées, si les installations devaient aussi être utilisées pour du tir de compétition (cf.
ATF 117 Ib 20
ss). | public_law | nan | fr | 1,991 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
194c9e82-57a5-4b84-860e-cda14ab8ea32 | Urteilskopf
104 Ib 87
16. Auszug aus dem Urteil vom 3. Februar 1978 i.S. Amt für Administrativmassnahmen nach Strassenverkehrsgesetz des Kantons St. Gallen gegen Wegebauer und Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen | Regeste
Entzug des Motorfahrrad-Führerausweises/Fahrverbot; Ergänzung durch den Entzug des Motorfahrzeug-Führerausweises; Art. 37. Abs. 1 der V über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Strassenverkehr vom 27. Oktober 1976 (VZV).
1. Übergangsrechtliche Grundsätze für die Anordnung von Administrativmassnahmen nach SVG (E. 2).
2.
Art. 37 Abs. 1 VZV
stellt es - abweichend von der früheren Regelung des BRB vom 27. August 1969 - in das pflichtgemässe Ermessen der Administrativbehörde, den Entzug des Führerausweises für Motorfahrräder oder das entsprechende Fahrverbot durch den Entzug eines allfälligen Motorfahrzeug-Führerausweises zu ergänzen (E. 3).
3. Gesetzmässigkeit dieser Regelung (E. 4 und 5). | Sachverhalt
ab Seite 88
BGE 104 Ib 87 S. 88
Gustav Wegebauer fuhr am 27. Juni 1976 auf seinem Motorfahrrad in Richtung Sevelen. In einer Doppelkurve kam er von der Fahrbahn ab und stiess gegen einen Begrenzungspfahl, wobei er sich am Kopf verletzte. Eine in der Folge durchgeführte Blutprobe ergab für den Zeitpunkt des Unfalls eine Mindesthöhe des Blutalkoholgehalts von 2,3 Gew. 0/00. Am 18. August 1976 verbot das st. gallische Amt für Administrativmassnahmen nach Strassenverkehrsgesetz Wegebauer das Führen eines Motorfahrrades für die Dauer von sechs Monaten und entzog ihm gestützt auf Art. 28 Abs. 1 des Bundesratsbeschlusses über administrative Ausführungsbestimmungen zum Strassenverkehrsgesetz vom 27. August 1969 (im folgenden: Bundesratsbeschluss, BRB) für die gleiche Dauer den Motorfahrzeug-Führerausweis. Mit Entscheid vom 24. März 1977 hob die Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen den Führerausweisentzug auf und setzte das Verbot, ein Motorfahrrad zu führen, von sechs Monaten auf vier Monate herab. Sie begründete dies im wesentlichen damit, für den Entzug des Führerausweises sei nach Aufhebung des BRB und nach Inkrafttreten der Verordnung über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Strassenverkehr vom 27. Oktober 1976 (im folgenden: Verkehrszulassungsverordnung, VZV) keine ausreichende gesetzliche Grundlage mehr vorhanden.
Das Amt für Administrativmassnahmen erhebt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, der Entscheid der Verwaltungsrekurskommission sei aufzuheben, soweit er den Entzug des Führerausweises betreffe. Die Herabsetzung der Dauer des Fahrverbots wird nicht beanstandet.
BGE 104 Ib 87 S. 89
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
a) Der Vorfall, der Anlass zu Administrativmassnahmen gegen den Beschwerdegegner gab, ereignete sich im Juni 1976, also noch unter der Geltung des Bundesratsbeschlusses vom 27. August 1969 und vor Inkrafttreten der neuen Verkehrszulassungsverordnung. Auch wurden das Fahrverbot und der Entzug des Führerausweises noch vor dem 1. Januar 1977 verfügt. Bei dieser Sachlage fragt sich, ob die Verwaltungsrekurskommission ihrem Entscheid vom 24. März 1977 zu Recht die auf den 1. Januar 1977 in Kraft getretenen neuen Vorschriften zugrundelegte, oder ob sie den alten Bundesratsbeschluss zur Anwendung hätte bringen müssen.
b) Die neue Verkehrszulassungsverordnung enthält in Art. 151 eine Reihe von Übergangsbestimmungen, welche in der Hauptsache die Abgabe neuer sowie die Weitergeltung alter Ausweise und Kontrollschilder betreffen. Für die hier interessierende Frage stellt sie keine Vorschrift auf, auch nicht in
Art. 151 Abs. 8 VZV
, wo bestimmt wird, dass die bisherigen Massnahmen und Strafen Anwendung finden, soweit nach den Übergangsbestimmungen der VZV bisherige Regelungen weitergelten. Auch das Strassenverkehrsgesetz selber enthält keine Übergangsbestimmung, auf welche abgestellt werden könnte. Ob der Vorfall vom Juni 1976 von der Verwaltungsrekurskommission nach altem oder nach neuem Recht zu beurteilen war, bestimmt sich deshalb aufgrund allgemeiner übergangsrechtlicher Grundsätze (
BGE 99 Ib 153
E. 1;
BGE 99 V 203
;
BGE 96 I 676
).
Führerausweisentzüge und Fahrverbote dienen der Sicherung des Verkehrs oder der Warnung des Betroffenen. Massnahmen der ersteren Art sind auszusprechen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für das Führen eines Fahrzeuges nicht mehr erfüllt sind. Kommt ein Sicherungsentzug oder ein entsprechendes Fahrverbot in Betracht, so hat die jeweilige Behörde deshalb auf das Recht abzustellen, das im Zeitpunkt ihres Entscheids (Entzugsverfügung oder Rechtsmittelentscheid) in Kraft steht. Der Warnungsentzug knüpft an einen bestimmten Vorfall (Verletzung von Verkehrsregeln und Gefährdung des Verkehrs, Fahren in angetrunkenem Zustand, usw.) an. Insoweit ist deshalb das Recht anzuwenden,
BGE 104 Ib 87 S. 90
das im Zeitpunkt des zur Massnahme Anlass gebenden Vorfalls galt. Später in Kraft getretenes Recht ist jedoch dann massgebend, wenn es milder als das alte ist, was sich mit Rücksicht auf die besondere Natur des Warnungsentzugs rechtfertigt. Diese Grundsätze wurden bereits von den Bundesbehörden bei Inkrafttreten des SVG befolgt (vgl. Stauffer, Der Entzug des Führerausweises, S. 19, mit Hinweisen auf die Praxis des EJPD), und es besteht für das Bundesgericht kein Anlass, davon abzuweichen.
c) Die Vorschriften der neuen Verkehrszulassungsverordnung sind hinsichtlich der Ausdehnung des Fahrverbots auf den Entzug des Motorfahrzeug-Führerausweises milder als die Bestimmungen des Bundesratsbeschlusses, wie aus den nachfolgenden Erwägungen hervorgehen wird. Die Verwaltungsrekurskommission nahm deshalb zu Recht an, der vom Amt für Administrativmassnahmen verfügte Warnungsentzug sei anhand des neuen Rechts zu überprüfen.
3.
a) Nach dem Bundesratsbeschluss vom 27. August 1969 war für Motorfahrräder ein Führerausweis nicht erforderlich. Für den Fall, dass gegen den Führer eines Motorfahrrades (oder eines anderen mit einem Motor versehenen Fahrzeuges, für das ein Führerausweis nicht erforderlich war) ein Fahrverbot ausgesprochen wurde, bestimmte Art. 28 Abs. 1 BRB:
"Wird ein Fahrverbot verfügt, so ist damit auch stets der Entzug eines allfälligen Führerausweises und das Verbot zum Führen aller Fahrzeugkategorien zu verbinden."
In der Verkehrszulassungsverordnung wurde für Motorfahrräder neu ein Führerausweis eingeführt (
Art. 27 VZV
), den jedoch nicht benötigt, wer den Führerausweis nach irgendeiner der in
Art. 3 VZV
aufgezählten Motorfahrzeugkategorien besitzt. Ebenso benötigt bis Ende 1979 keinen solchen Ausweis, wer das 14. Altersjahr vor dem 1. Juli 1977 vollendet hat (
Art. 151 Abs. 2 VZV
). Die neue Verordnung enthält im Abschnitt betreffend "Massnahmen gegenüber Fahrzeugführern" unterschiedliche Bestimmungen in bezug auf den Führerausweisentzug (Ziff. 131) und den Entzug des Führerausweises für Motorfahrräder sowie das Fahrverbot (Ziff. 132).
Art. 34 VZV
bestimmt für den Führerausweisentzug:
BGE 104 Ib 87 S. 91
"1 Der Entzug des Führerausweises für eine bestimmte Kategorie hat den Entzug des Ausweises für alle Motorfahrzeugkategorien zur Folge. Dies gilt nicht, wenn der Führerausweis aus medizinischen Gründen nur für eine bestimmte Kategorie entzogen werden muss oder der Führerausweis der Kategorie Bl oder D nicht aus Verkehrssicherheitsgründen, sondern aus gewerblichen Gründen entzogen werden muss.
2 In Härtefällen kann - unter Einhaltung der gesetzlichen Minimaldauer für alle Kategorien - der Führerausweis für verschiedene Ausweiskategorien von unterschiedlicher Dauer verfügt werden. Dies ist namentlich zulässig, wenn der Ausweisinhaber die Widerhandlung, die zum Entzug führte, mit einem Fahrzeug begangen hat, auf dessen Benützung er beruflich nicht angewiesen ist, und wenn der Betroffene als Führer der Kategorie, für die die Entzugsdauer verkürzt werden soll, unbescholten ist."
Art. 37 Abs. 1 VZV
bestimmt für den Entzug des Führerausweises für Motorfahrräder und das Fahrverbot:
"Der Entzug des Führerausweises für Motorfahrräder und das Fahrverbot gelten nur für die Fahrzeugarten, für die sie in der Verfügung angeordnet sind."
b) Aus dieser Gegenüberstellung der Vorschriften des Bundesratsbeschlusses und der Verkehrszulassungsverordnung geht hervor, dass sich im neuen Recht keine dem alten Art. 28 Abs. 1 BRB entsprechende Bestimmung mehr findet, welche ausdrücklich vorschreibt, dass das Fahrverbot stets durch den Entzug eines allfälligen Führerausweises zu ergänzen sei. Eine solche Anordnung kann den neuen Vorschriften auch nicht sinngemäss entnommen werden. Es kann auf der andern Seite aber auch nicht gesagt werden, die Ergänzung des Führerausweisentzugs für Motorfahrräder oder des Fahrverbots durch den Entzug eines allfälligen Motorfahrzeug-Führerausweises finde in der Verordnung überhaupt keine Grundlage mehr. Wenn
Art. 37 Abs. 1 VZV
bestimmt, dass der Entzug des Führerausweises für Motorfahrräder und das Fahrverbot nur für diejenigen Fahrzeugarten gelten, für die sie in der Verfügung angeordnet sind, so ist das in dem Sinne zu verstehen, dass die Ausdehnung der Massnahme im Gegensatz zur alten Regelung nicht mehr obligatorisch vorgeschrieben, sondern dem pflichtgemässen Ermessen der verfügenden Behörde anheimgestellt ist. Dies geht auch aus einem bei den kantonalen Akten liegenden Schreiben der eidg. Polizeiabteilung hervor, in welchem ausgeführt wird, Art. 28 Abs. 1 BRB sei mit
BGE 104 Ib 87 S. 92
Absicht nicht unverändert in das neue Recht übernommen worden, und es bleibe künftig der Praxis überlassen, mit dem Entzug des Motorfahrrad-Führerausweises oder dem Fahrverbot den Entzug des Motorfahrzeug-Führerausweises zu verbinden. Der Auffassung der Verwaltungsrekurskommission, die Ausdehnung finde in der neuen Verordnung keine Grundlage mehr, kann deshalb nicht beigepflichtet werden.
4.
Von der eben behandelten Frage verschieden ist die weitere, ob die Ergänzung des Motorfahrrad-Führerausweisentzugs oder des Fahrverbots durch den Entzug des Motorfahrzeug-Führerausweises mit der gesetzlichen Ordnung vereinbar sei. Das Bundesgericht hatte sich damit bereits in
BGE 102 Ib 190
E. 2 b zu befassen und bejahte die Frage mit der Begründung, soweit Art. 28 Abs. 1 des Bundesratsbeschlusses vom 29. August 1969 mit der Verfügung eines Fahrverbots stets auch den Entzug eines allfälligen Führerausweises verbinde, so liege das "in der Logik der gesetzlichen Ordnung und der Sachlage selber begründet". Wer nämlich mit verhältnismässig leichten und langsamen Fahrzeugen den Verkehr derart gefährde, dass ihm deren Benützung untersagt werden müsse, könne nicht gleichzeitig zum Verkehr mit Fahrzeugen von grösserer Betriebsgefahr zugelassen werden.
Die Verwaltungsrekurskommission erhebt gegen diese Betrachtungsweise verschiedene Einwendungen. Sie macht vorerst geltend,
Art. 16 SVG
setze für den Entzug des Motorfahrzeug-Führerausweises, soweit es sich um einen Warnungsentzug handle, voraus, dass der zur Massnahme Anlass gebende Tatbestand mit einem Motorfahrzeug, für das ein Führerausweis benötigt werde, gesetzt worden sei. Motorfahrräder seien trotz des neu eingeführten Führerausweises den Fahrrädern nach wie vor weitgehend gleichgestellt. Ein Vorfall, der sich beim Führen eines Motorfahrrades ereignet habe, könne deshalb nicht den Entzug des Motorfahrzeug-Führerausweises nach
Art. 16 Abs. 2 oder 3 SVG
zur Folge haben. Mit Hinblick auf die sachliche Rechtfertigung der Ausdehnung macht die Verwaltungsrekurskommission geltend, für den Sicherungsentzug treffe es durchaus zu, dass nicht zum Verkehr mit Fahrzeugen von hoher Betriebsgefahr zugelassen werden könne, wer den Verkehr schon mit leichten und langsamen Fahrzeugen gefährde. Für den Warnungsentzug gelte diese Überlegung indes nicht in gleicher allgemeiner Weise. So
BGE 104 Ib 87 S. 93
lasse sich zum Beispiel aus dem Umstand, dass jemand eine Verkehrsregelverletzung begangen habe, namentlich in angetrunkenem Zustand gefahren sei, nicht ohne weiteres folgern, er hätte die gleiche Verfehlung mit einem Fahrzeug von wesentlich höherer Betriebsgefahr begangen. Es rechtfertigt sich angesichts dieser Einwendungen und in Anbetracht des Umstandes, dass offenbar auch bei Schaffung der neuen Verordnung Zweifel an der Gesetzmässigkeit der Ausdehnung bestanden, die Frage einer erneuten Überprüfung zu unterziehen.
5.
a) Voraussetzung für einen Entzug des Führerausweises nach
Art. 16 Abs. 2 und 3 SVG
ist, wie die Verwaltungsrekurskommission zutreffend ausführt, dass der Tatbestand, der zur Massnahme Anlass gibt, mit einem Motorfahrzeug gesetzt wurde. Zwar ist nur in Art. 16 Abs. 3 lit. d und f ausdrücklich von einem Motorfahrzeug die Rede, doch muss die erwähnte Voraussetzung für sämtliche der in Art. 16 Abs. 2 und 3 genannten Entzugsgründe gelten. Dieser Grundsatz wurde schon in der Praxis der Bundesbehörden zum Motorfahrzeuggesetz von 1932 befolgt (vgl. VEB 1959, Nr. 72) und wurde in der Rechtsprechung zum Strassenverkehrsgesetz unverändert beibehalten (vgl. VPB 1968-69, Nr. 68). Das will jedoch nicht heissen, dass der Entzug des Motorfahrzeug-Führerausweises wegen eines Vorfalls, der sich beim Führen eines Motorfahrrades ereignete, im Widerspruch zu
Art. 16 SVG
stehe. Motorfahrräder sind durchaus Motorfahrzeuge im Sinne der gesetzlichen Ordnung, wie sich aus der Legaldefinition von
Art. 7 Abs. 1 SVG
ergibt. Wenn sie im Verordnungsrecht weitgehend wie motorlose Fahrzeuge behandelt und den Fahrrädern gleichgestellt werden, so geschieht das nicht deshalb, weil ihnen die Eigenschaft von Motorfahrzeugen fehlen würde; Grund dafür ist vielmehr, dass
Art. 25 Abs. 1 lit. a SVG
den Bundesrat ermächtigt, "Fahrräder mit Hilfsmotor, Motorhandwagen und andere Fahrzeuge von geringer Motorkraft oder Geschwindigkeit oder solche, die selten auf öffentlichen Strassen verwendet werden" ganz oder teilweise von den Bestimmungen des II. Titels des SVG auszunehmen und nötigenfalls ergänzende Vorschriften für sie aufzustellen (
BGE 102 Ib 189
E. 2 a ist deshalb ungenau, wenn als Grundlage für das Verbot, ein Motorfahrrad zu führen,
Art. 19 SVG
genannt wird). Bei dieser Sachlage steht nicht im
BGE 104 Ib 87 S. 94
Widerspruch zur gesetzlichen Ordnung, wenn in der Verkehrszulassungsverordnung vorgesehen wurde, dass mit dem Entzug des Motorfahrrad-Führerausweises oder dem Fahrverbot auch der Entzug eines allfällig vorhandenen Motorfahrzeug-Führerausweises verbunden werden könne, und zwar gilt dies ungeachtet der Tatsache, dass der Bundesrat für das Führen von Motorfahrrädern im übrigen Vorschriften aufstellte, die von den für Motorfahrzeuge geltenden weitgehend abweichen und von diesen auch systematisch getrennt sind.
b)
Art. 16 Abs. 2 und 3 SVG
spricht nur vom Entzug "des Führer- und Lernfahrausweises" und enthält keine Bestimmungen darüber, ob aufgrund eines Vorfalls, der sich beim Führen eines Motorfahrzeuges einer bestimmten Kategorie ereignete, stets der Führerausweis für sämtliche Motorfahrzeugkategorien zu entziehen sei, oder ob auch der Entzug für einzelne Kategorien in Frage komme. Der Bundesrat regelte die Frage in
Art. 34 VZV
in dem Sinne, dass der Entzug des Führerausweises für eine der in
Art. 3 VZV
aufgezählten Motorfahrzeugkategorien A bis G stets den Entzug des Führerausweises für alle Kategorien zur Folge hat, unter Vorbehalt bestimmter Ausnahmen, die ebenfalls in
Art. 34 VZV
vorgesehen sind. Demgegenüber gelten der Entzug des Motorfahrrad-Führerausweises und das Fahrverbot nach
Art. 37 Abs. 1 VZV
nur für diejenigen Fahrzeugarten, für welche die Massnahme in der Entzugsverfügung angeordnet wird. Insoweit überlässt es die Verordnung, wie bereits ausgeführt, dem pflichtgemässen Ermessen der Behörde, den Umfang der Massnahme zu bestimmen. Diese Regelung, die der Bundesrat aufgrund seiner Vollzugskompetenz (
Art. 106 SVG
) sowie der in
Art. 25 Abs. 1 lit. a SVG
enthaltenen Ermächtigung treffen konnte, überschreitet den vom Gesetz bestimmten Rahmen nicht. Sie kann auch nicht als unverhältnismässig bezeichnet werden. Ob die gegenüber einer obligatorischen Ausdehnung geäusserte Kritik in dieser Hinsicht begründet wäre, kann in Anbetracht der neuen Regelung dahingestellt bleiben.
c) Bei dieser Sachlage ist der angefochtene Entscheid aufzuheben, soweit er den Entzug des Führerausweises betrifft, und die Sache ist in diesem Umfang zu neuer Beurteilung an die Verwaltungsrekurskommission zurückzuweisen. Diese hat zu prüfen, ob unter Berücksichtigung der Art und Schwere der Verfehlung Wegebauers und der weiteren Umstände des Falles
BGE 104 Ib 87 S. 95
ein Entzug des Führerausweises zu verfügen, und für welche Dauer die Massnahme allenfalls auszusprechen sei.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid der Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen vom 24. März 1977 aufgehoben, soweit er den Entzug des Führerausweises betrifft, und die Sache in diesem Umfang zu neuer Beurteilung an die Verwaltungsrekurskommission zurückgewiesen. | public_law | nan | de | 1,978 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
194e4210-074b-49e6-a7f2-00178d25b60a | Urteilskopf
120 IV 342
57. Auszug aus dem Urteil der Anklagekammer vom 13. Oktober 1994 i.S. K. gegen Schweizerische Bundesanwaltschaft | Regeste
Art. 51 Abs. 2,
Art. 52 Abs. 2 und
Art. 105bis BStP
. Haftbeschwerde; Kognition.
Die Verweigerung der Akteneinsicht sowie die Nichtzulassung des Verteidigers bei der Einvernahme des Beschuldigten unterliegen nicht der Beschwerde gemäss
Art. 105bis Abs. 2 BStP
(E. 1).
Beschwerden gegen die Abweisung von Haftentlassungsgesuchen durch die Bundesanwaltschaft überprüft die Anklagekammer mit voller Kognition (E. 2; Praxisänderung).
Bereits die im gerichtspolizeilichen Ermittlungsverfahren ausschliesslich wegen Kollusionsgefahr angeordnete Untersuchungshaft darf nur mit Bewilligung der Anklagekammer länger als 14 Tage aufrechterhalten werden (E. 3; Praxisänderung). | Sachverhalt
ab Seite 343
BGE 120 IV 342 S. 343
A.-
Gestützt auf eine Anzeige der Eidgenössischen Finanzkontrolle eröffnete die Bundesanwaltschaft am 11. August 1994 ein gerichtspolizeiliches Ermittlungsverfahren gegen die deutschen Staatsangehörigen K. und Dr. S. wegen Verdachts der ungetreuen Geschäftsführung, der aktiven und passiven Bestechung oder der Annahme von Geschenken, der Urkundenfälschung und des Betruges.
B.-
Am 30. August 1994 verfügte die Bundesanwältin die Verhaftung von K. und Dr. S. wegen Verdunkelungs- und Fluchtgefahr.
Mit begründeter Verfügung vom 31. August 1994 versetzte der eidg. Untersuchungsrichter als Haftrichter K. in Untersuchungshaft. Er erachtete den dringenden Tatverdacht sowie die Kollusionsgefahr als gegeben; grundsätzlich offengelassen wurde der von der Bundesanwaltschaft ebenfalls geltend gemachte Haftgrund der Fluchtgefahr.
C.-
Mit Eingaben vom 8./9. September 1994 ersuchte der Beschuldigte K. die Bundesanwältin um sofortige Entlassung aus der Untersuchungshaft.
Mit Verfügung vom 15. September 1994 wies die Bundesanwältin das Haftentlassungsgesuch ab.
D.-
Mit Beschwerde vom 19. September 1994 beantragt K. der Anklagekammer des Bundesgerichts zur Hauptsache, die Verfügung der Bundesanwaltschaft vom 15. September 1994 aufzuheben und ihn sofort aus der Haft zu entlassen.
Die Bundesanwaltschaft beantragt, die Beschwerde abzuweisen.
In seiner Stellungnahme vom 29. September 1994 hält der Beschwerdeführer an seinen Anträgen fest.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
a) Soweit der Beschwerdeführer die teilweise Verweigerung der Akteneinsicht sowie die Nichtzulassung der anwaltlichen Vertretung bei seinen Einvernahmen rügt, ist auf die Beschwerde nicht einzutreten, da der Beschwerde an die Anklagekammer nur Zwangsmassnahmen bzw. damit
BGE 120 IV 342 S. 344
zusammenhängende Amtshandlungen des Bundesanwalts unterliegen (
Art. 105bis BStP
).
b) Da der Bundesanwalt im übrigen der Aufsicht des Bundesrates untersteht, ist gegen seine Handlungen und Unterlassungen im Rahmen der Ermittlungen der gerichtlichen Polizei ausserhalb des Anwendungsbereiches von
Art. 105bis BStP
nur die Aufsichtsbeschwerde an das Eidg. Justiz- und Polizeidepartement oder den Bundesrat gegeben (
Art. 14 Abs. 1 und
Art. 17 Abs. 1 BStP
;
BGE 109 IV 58
E. 1; HANSJÖRG STADLER, Bemerkungen zur Teilrevision vom 1. Juli 1993 des Bundesgesetzes über die Bundesstrafrechtspflege [BStP] im Zusammenhang mit dem eidgenössischen Datenschutzgesetz [DSG], ZStrR 112 [1994] 296).
Die Beschwerde wird diesbezüglich im Einverständnis mit den Parteien dem Eidg. Justiz- und Polizeidepartement überwiesen.
2.
a) Der Beschwerdeführer macht zunächst geltend, die Anklagekammer des Bundesgerichts habe die vorliegende Beschwerde "angesichts der Europäischen Menschenrechtskonvention" mit voller Kognition zu prüfen. In diesem Zusammenhang rügt er eine Verletzung von Art. 5 Ziffer 4 EMRK, nach welcher Bestimmung der Verhaftete das Recht hat, ein Verfahren zu beantragen, in welchem von einem Gericht raschmöglichst über die Rechtmässigkeit der Haft entschieden wird und im Falle der Widerrechtlichkeit seine Entlassung angeordnet wird.
b) Mit dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes über das Verwaltungsstrafrecht am 1. Januar 1975 wurde
Art. 52 Abs. 2 BStP
geändert. Die Änderung wurde damit begründet, dass der verhaftete Beschuldigte gemäss
Art. 5 Ziff. 4 EMRK
bereits während des gerichtspolizeilichen Ermittlungsverfahrens die Möglichkeit haben sollte, gegen die Abweisung eines Haftentlassungsgesuches an eine gerichtliche Behörde zu gelangen; auch gegen die Abweisung eines Haftentlassungsgesuches durch den Bundesanwalt könne daher bei der Anklagekammer des Bundesgerichts Beschwerde geführt werden. Gleichzeitig wurde (in Art. 52 Abs. 2 zweiter Satz BStP) bestimmt, dass bei Haftbeschwerden gegen den Bundesanwalt die Verfahrensvorschriften der Art. 215 - 219 sinngemäss gelten (BBl 1971 I 1017 und 1062). Entsprechend der bis dahin geübten Praxis der Anklagekammer bei Beschwerden gegen die Abweisung von Haftentlassungsgesuchen durch den eidgenössischen Untersuchungsrichter konnte damit die Beschwerde gegen die Abweisung der Haftentlassung durch den Bundesanwalt auch nur dann gutgeheissen werden, wenn dieser das Gesetz verletzt oder das ihm eingeräumte Ermessen
BGE 120 IV 342 S. 345
offensichtlich überschritten hatte (
BGE 96 IV 139
E. 2).
c) Mit der Änderung vom 19. Juni 1992 wurde Art. 52 Abs. 2 zweiter Satz BStP aufgehoben und in Abs. 3 des neuen
Art. 105bis BStP
aufgenommen, in welchem Artikel die Beschwerdemöglichkeiten gegen Zwangsmassnahmen insgesamt geregelt werden (BBl 1988 II 500 und 505,
BGE 190 III 1230
und 1235). Die damit erfolgte Ausweitung des Beschwerderechts auf alle Zwangsmassnahmen und damit zusammenhängende Amtshandlungen bedeutete jedoch nach der ausdrücklichen Absicht des Gesetzgebers nicht, dass die Anklagekammer in das untersuchungsrichterliche Ermessen eingreifen oder jede Untersuchungshandlung auf ihre Angemessenheit prüfen solle; eine Änderung der geltenden Praxis der Anklagekammer (es wird in der Botschaft dazu verwiesen auf
BGE 96 IV 141
und
BGE 95 IV 47
) sei nicht beabsichtigt (BBl 1988 II 505 und 1990 III 1235).
d) An der bisherigen Rechtsprechung kann indessen - soweit sie Beschwerden gegen die Abweisung von Haftentlassungsgesuchen durch die Bundesanwaltschaft betrifft - nicht länger festgehalten werden. Denn bereits in
BGE 115 Ia 293
hat das Bundesgericht in bezug auf
Art. 5 Ziff. 4 EMRK
und
Art. 4 BV
festgehalten, dass
Art. 4 BV
dem Beschuldigten zwar nicht das Recht zubillige, vor jeder Hafterstreckung angehört zu werden, ihm aber dennoch Gewähr dafür biete, gegen den Hafterstreckungsentscheid bei einer mit voller Kognition ausgestatteten richterlichen Behörde Einsprache erheben und seine Gründe und Einwendungen vorbringen zu können; diese Mindestgarantie entspreche im übrigen dem Recht, einen Rekurs an ein Gericht zu erheben, damit es sich zur Rechtmässigkeit der Haft äussere (E. 5b). Dasselbe muss auch für die dem Hafterstreckungsentscheid gleichzusetzende Abweisung eines Haftentlassungsgesuches gelten.
3.
a) Der Beschwerdeführer bringt vor, die Frist gemäss
Art. 51 Abs. 2 BStP
- wonach eine wegen Kollusionsgefahr verfügte Untersuchungshaft nur mit Zustimmung der Anklagekammer länger als 14 Tage aufrechterhalten werden darf - sei umgangen worden; denn diese Bestimmung sei nicht erst in der Voruntersuchung, sondern bereits im polizeilichen Ermittlungsverfahren anwendbar.
b) Das vorliegende Verfahren befindet sich im Stadium der gerichtspolizeilichen Ermittlungen. Gemäss der Verfügung des eidg. Untersuchungsrichters (als Haftrichter) vom 31. August 1994 wurde die Untersuchungshaft wegen dringenden Tatverdachts und Kollusionsgefahr (
Art. 44 Ziff. 2 BStP
) angeordnet, denn der Haftgrund der Fluchtgefahr wurde
BGE 120 IV 342 S. 346
ausdrücklich "grundsätzlich offengelassen".
c) Nach der bisherigen ständigen Rechtsprechung der Anklagekammer findet
Art. 51 Abs. 2 BStP
im gerichtspolizeilichen Ermittlungsverfahren keine Anwendung (vgl. BÖSCH, Die Anklagekammer des Schweizerischen Bundesgerichts, Diss. Zürich 1978, S. 54; PETER, Ermittlungen nach Bundesstrafprozess, Kriminalistik 1974, S. 36).
Dieser Rechtsprechung ist Kritik erwachsen (vgl. BÖSCH, a.a.O., S. 55; SCHUBARTH, Die Rechte des Beschuldigten im Untersuchungsverfahren, besonders bei Untersuchungshaft, Bern 1973, S. 143 ff.).
Art. 51 BStP
befindet sich im ersten Abschnitt "Allgemeine Bestimmungen" des Zweiten Teils des Bundesstrafprozesses unter dem Titel "VIII. Untersuchungs- und Sicherungshaft". Die Bestimmungen des Bundesstrafprozesses kennen indessen keine Randtitel bei den einzelnen Artikeln, wie dies etwa im Bundeszivilprozess der Fall ist. Allein der Umstand, dass nach Absatz 1 von
Art. 51 BStP
nur die während der Voruntersuchung verfügte Verhaftung oder Haftentlassung der Anklagekammer des Bundesgerichts zu melden ist, schliesst an sich nicht aus, Absatz 2 auch im (bundesrechtlichen) gerichtspolizeilichen Ermittlungsverfahren anzuwenden.
Im Lichte der dem Beschuldigten durch das Inkrafttreten der EMRK zustehenden Rechte drängt sich eine weite Auslegung dieser Bestimmung auf. Nach
Art. 5 Ziff. 3 EMRK
hat der Verhaftete Anspruch auf Aburteilung innerhalb einer angemessenen Frist oder auf Haftentlassung während des Verfahrens. Aus diesem Beschleunigungsgebot ergibt sich ein Anspruch des Verhafteten auf zeitliche Begrenzung der Untersuchungshaft (vgl. HAUSER, Kurzlehrbuch des Strafprozessrechts, S. 191). Es ist deshalb eine unzulässige Beschneidung der Freiheitsrechte des Beschuldigten und widerspricht auch dem Gebot der Verfahrensbeschleunigung (vgl. SCHMID, Strafprozessrecht, N. 714 und 714a, und HAUSER, a.a.O., S. 190), ihn erst nach Eröffnung der Voruntersuchung in den Genuss der Begrenzung der Haftdauer kommen zu lassen. Mit der Eröffnung könnte sonst einfach zugewartet und damit die Frist in jedem Fall umgangen werden. Demnach kann nach konventionskonformer Auslegung der Sinn der Vorschrift von
Art. 51 Abs. 2 BStP
nur sein, dass jede wegen Kollusionsgefahr verhängte Haft nur mit besonderer Bewilligung der Anklagekammer länger als 14 Tage aufrechterhalten werden darf. Die Möglichkeit, jederzeit ein Haftentlassungsgesuch stellen zu können (
Art. 52 Abs. 1 BStP
), bietet dem
BGE 120 IV 342 S. 347
Inhaftierten zwar auch einen gewissen Schutz, da in diesem Verfahren die Berechtigung der Weiterführung der Haft geprüft wird. Dieser Schutz versagt indessen dem gegenüber, der gar kein Haftentlassungsgesuch stellt. Weil der Verhaftete freizulassen ist, sobald kein Grund mehr vorliegt, die Verhaftung aufrechtzuerhalten (
Art. 50 BStP
), müssen auch gegenüber jenen Verhafteten, die kein Haftentlassungsgesuch stellen, die Voraussetzungen der Haft überprüft werden; denn ein geeignetes Mittel gegen die Fortdauer einer unrechtmässigen Haft ist die Statuierung von Haftfristen (vgl. unveröffentlichtes Urteil der Anklagekammer vom 31. Juli 1991 i.S. A. S. gegen Schweizerische Bundesanwaltschaft, E. 5, in welchem die Frage indessen noch offengelassen wurde, weil die Untersuchungshaft auch wegen Fluchtgefahr verfügt worden war, die nach wie vor bestand).
Die bisherige Auslegung von
Art. 51 Abs. 2 BStP
kann aus diesen Gründen nicht länger aufrechterhalten werden.
d) Da im vorliegenden Fall die Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft über die in
Art. 51 Abs. 2 BStP
vorgesehene Dauer hinaus durch die Anklagekammer nicht besonders bewilligt wurde, wäre sie aufzuheben, sofern nicht neu der von der Bundesanwaltschaft in der angefochtenen Verfügung ebenfalls geltend gemachte Haftgrund der Fluchtgefahr zu bejahen ist. | null | nan | de | 1,994 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
1951b0f5-5527-4ac1-bd5e-086f781846af | Urteilskopf
82 II 15
3. Urteil der II. Zivilabteilung vom 23. Februar 1956 i. S. Zimmermann gegen Lehrerversicherungskasse des Kantons Glarus. | Regeste
Bauhandwerkerpfandrecht.
Klage gegen den vorgehenden Pfandgläubiger gemäss
Art. 841 ZGB
.
Was ist im Falle der Reparatur oder des Umbaus eines bereits bestehenden Gebäudes unter dem "den Wert des Bodens übersteigenden Verwertungsanteil" der vorgehenden Pfandgläubiger zu verstehen? Erkennbare Benachteiligung der Bauhandwerker? Berechnung der Entschädigung. | Sachverhalt
ab Seite 15
BGE 82 II 15 S. 15
A.-
Jakob Schmid-Stauffacher, Konditor, kaufte am 22. November 1950 von Peter Stüssi die aus einem Wohnhaus, einem Nebengebäude, Hofraum und Garten bestehende, 1129 m2 umfassende Liegenschaft Nr. 87 des eidgenössischen Grundbuchs in Linthal-Ennetlinth zum Preise von Fr. 120 000.--. Der Versicherungswert des Wohnhauses betrug damals gemäss Schätzung vom 1. Juli 1948 Fr. 93'500.--, die Grundpfandbelastung einschliesslich des beim Kauf errichteten Schuldbriefs von Fr. 20 000.-- insgesamt Fr. 80 000.--.
Schmid liess die Liegenschaft sogleich umbauen und renovieren. Er richtete eine moderne Konditorei ein. Der
BGE 82 II 15 S. 16
Gesamtbetrag der Bauhandwerkerrechnungen belief sich auf Fr. 22'181.75, wovon Fr. 6455.90 auf die Rechnung der Firma Heinrich Zimmermann & Sohn entfielen. Am 11. Januar 1951 wurde das Wohnhaus für die Gebäudeversicherung neu auf Fr. 165 000.-- geschätzt.
Am 19. Januar 1951 wurden auf der Liegenschaft Schmids zugunsten der Lehrerversicherungskasse des Kantons Glarus zwei neue Schuldbriefe von zusammen Fr. 55'000.-- errichtet. Diese erhielten im Nachgang zu den im 1. und 2. Rang stehenden Schuldbriefen der Glarner Kantonalbank von zusammen Fr. 30'000.-- den 3. und 4. Rang. Die Gläubiger der Schuldbriefe, die bisher den 3.-5. Rang innegehabt hatten, nahmen mit dem 5.-7. Rang vorlieb. Die gesamte Grundpfandbelastung betrug nunmehr Fr. 135'000.--. Vom neu aufgenommenen Gelde erhielten die Bauhandwerker nur Fr. 8800.--. Die Firma Zimmermann & Sohn war an dieser Summe mit Fr. 2000.-- beteiligt.
Am 23. Februar 1951 erwirkte die Firma Zimmermann & Sohn die provisorische Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts zu ihren Gunsten. Am 17. Mai 1951 erfolgte auf Grund einer Einigung zwischen ihr und Schmid die definitive Eintragung für den Betrag von Fr. 4489.95.
B.-
Am 12. März 1952 fiel Schmid in Konkurs. Die am 24. September 1952 durchgeführte Zwangsversteigerung seiner Liegenschaft ergab bei einem Zuschlagspreis von nur Fr. 82'000.-- einen Nettoerlös von Fr. 80'908.--, während die konkursamtliche Schätzung gemäss der Steigerungspublikation im Amtsblatt des Kantons Glarus vom 13. September 1952 Fr. 110 000.-- und der Gebäudeversicherungswert gemäss "Generalschätzung" vom 6. Mai 1952 Fr. 179 000.-- (einschliesslich Garage und Fr. 13'000.-- für "Innenwerke") betragen hatte. Die Schuldbriefe im 5.-7. Rang und das Bauhandwerkerpfandrecht zugunsten der Firma Zimmermann & Sohn wurden infolgedessen am 13. November 1952 gelöscht und der auf die Lehrerversicherungskasse lautende Schuldbrief im 4. Rang von
BGE 82 II 15 S. 17
Fr. 25'000.-- auf Fr. 20'908.-- herabgesetzt. Auf die in die 5. Klasse eingereihte Pfandausfallforderung der Firma Zimmermann & Sohn, die einschliesslich der Zinsen Fr. 4714.45 ausmachte, entfiel eine Dividende von Fr. 117.85. Für den ungedeckt gebliebenen Betrag von Fr. 4596.60 erhielt die Firma Zimmermann & Sohn einen Verlustschein.
C.-
In der Folge leitete die Firma Zimmermann & Sohn gegen die Lehrerversicherungskasse Klage ein mit dem Begehren, die Beklagte sei zu verpflichten, aus ihrem Verwertungsanteil den von der Klägerin erlittenen Pfandausfall zu ersetzen und der Klägerin demgemäss Fr. 4596.60 nebst 5% Zins seit dem Tage der Vermittlung zu bezahlen. (Die vorsorglicherweise ebenfalls eingeklagte Glarner Kantonalbank wurde mit Zustimmung der Lehrerversicherungskasse aus dem Prozess entlassen.) Am 3. Juni 1954 verurteilte das Zivilgericht des Kantons Glarus die Beklagte in teilweiser Gutheissung der Klage, der Klägerin Fr. 908.-- nebst 5% Zins seit 17. November 1953 zu bezahlen. Das Obergericht des Kantons Glarus, an das die Klägerin die Appellation, die Beklagte die Anschlussappellation erklärte, hat dieses Urteil am 29. März 1955 bestätigt.
D.-
Mit ihrer Berufung an das Bundesgericht erneuert die Klägerin ihr Klagebegehren. Die Beklagte schliesst auf Abweisung der Berufung.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
(Berufungssumme.)
2.
Die Forderung der Klägerin ist bei der Pfandverwertung zu Verlust gekommen. Der Ausfall ist also gemäss
Art. 841 Abs. 1 ZGB
"aus dem den Wert des Bodens übersteigenden Verwertungsanteil der vorgehenden Pfandgläubiger zu ersetzen, sofern das Grundstück durch ihre Pfandrechte in einer für sie erkennbaren Weise zum Nachteil der Handwerker und Unternehmer belastet worden ist."
BGE 82 II 15 S. 18
Da das Gesetz den Handwerkern und Unternehmern lediglich ein Vorrecht auf Befriedigung aus den von ihnen geschaffenen Werten gewähren will (vgl.
BGE 43 II 611
,
BGE 80 II 24
/25), darf die Bestimmung, wonach ein allfälliger Ausfall aus dem "den Wert des Bodens übersteigenden Verwertungsanteil" zu ersetzen ist, im Falle der Reparatur oder des Umbaus eines bereits bestehenden Gebäudes nicht wörtlich genommen werden. Vielmehr ist in einem solchen Falle sinngemäss der Wert, den der Boden samt dem Gebäude vor Beginn der Reparatur bzw. Umbauarbeiten aufwies, als massgebend anzusehen. Nur soweit der bei der Verteilung den vorgehenden Pfandgläubigern zugeflossene Anteil am Verwertungserlös diesen Wert übersteigt, kann er, wenn die übrigen Voraussetzungen von
Art. 841 ZGB
zutreffen, zur Deckung des Ausfalls herangezogen werden, den die an den fraglichen Arbeiten beteiligten Handwerker und Unternehmer erlitten haben.
Bei der Beurteilung der vorliegenden Klage kommt es also in erster Linie darauf an, ob und allenfalls wieweit der - vollständig den vorgehenden Pfandgläubigern zugefallene - Verwertungserlös aus der umgebauten Liegenschaft deren Wert vor dem Umbau überstiegen habe. Die kantonalen Gerichte haben denn auch übereinstimmend erklärt, dass zunächst diese Frage zu prüfen sei. In den hieran anschliessenden Ausführungen, welche diese und die weitere Frage, ob das Grundstück durch die Pfandrechte der Beklagten in einer für diese erkennbaren Weise zum Nachteil der Klägerin belastet worden sei, zum Teil vermengen, haben die kantonalen Gerichte dann allerdings nicht ausdrücklich festgestellt, welchen Wert die Liegenschaft Schmids vor dem Umbau hatte bzw. welches die Differenz zwischen dem Verwertungserlös und diesem Werte war. Aus ihrer Feststellung, dass die Liegenschaft schon zur Zeit des Übergangs an Schmid, nämlich am 22. November 1950, mit Fr. 80'000.-- belastet gewesen sei, während der damalige Gebäudeschätzungswert Fr. 93'500.-- betragen habe, und aus der Tatsache, dass sie im Hinblick auf diese vorbestehende Belastung den
BGE 82 II 15 S. 19
Anspruch des Klägers auf Fr. 908.-- beschränkten, darf jedoch geschlossen werden, dass sie annahmen, der Wert der Liegenschaft vor dem Umbau habe dem Betrag der damaligen Grundpfandbelastung entsprochen. Angesichts der amtlichen Gebäudeschätzungen hätte denn auch nicht wohl angenommen werden können, dass die Liegenschaft damals weniger als Fr. 80 000.-- wert und folglich überlastet gewesen sei, was die Klägerin zu beweisen gehabt hätte, weil sie ihren Anspruch u.a. hierauf stützte. Der Umstand, dass die auf den Boden und das umgebaute Gebäude bezügliche Schätzung des Konkursamtes nur Fr. 110'000.-- betrug, kann hieran nichts ändern; zieht man von diesem Betrag die Umbaukosten von ca. Fr. 22'000.-- ab, so bleiben immer noch ca. Fr. 88'000.--. Der Zuschlagspreis betrug dann freilich nur Fr. 82'000.--. Auch hieraus ist aber nicht notwendig zu schliessen, dass die Liegenschaft vor dem Umbau weniger als Fr. 80'000.-- wert gewesen sei; denn erfahrungsgemäss führt die Zwangsverwertung oft zu einer Verschleuderung von Vermögensgegenständen und damit zu einer Wertvernichtung. Die Auffassung der Vorinstanz, dass Schmid die Liegenschaft mit Fr. 120'000.-- stark überzahlt habe, steht mit der Annahme, dass ihr damaliger Wert immerhin Fr. 80'000.-- erreicht habe, nicht im Widerspruch. Wenn schliesslich die Beklagte für ihre nach dem Umbau errichteten Schuldbriefe den 3. und 4. Rang in Anspruch nahm, so beweist dies entgegen der Behauptung der Klägerin nicht etwa, dass die Beklagte die vor dem Umbau vorhanden gewesene Belastung selbst als übersetzt betrachtet habe. Die Erklärung für ihr Begehren, dem zu entsprechen die zurückversetzten Pfandgläubiger keine Bedenken gehabt zu haben scheinen, dürfte vielmehr in den Belehnungsgrundsätzen liegen, welche die Versicherungsinstitutionen im allgemeinen zu beobachten pflegen. Eine Expertise über den Wert vor dem Umbau hat die Klägerin nicht beantragt, sondern eine solche im Gegenteil mindestens implicite als untaugliches Beweismittel abgelehnt.
War die Liegenschaft vor dem Umbau wenigstens
BGE 82 II 15 S. 20
Fr. 80'000.-- wert und belief sich der reine Verwertungserlös auf Fr. 80'908.--, so ist klar, dass die Klägerin nach
Art. 841 ZGB
höchstens auf den Betrag von Fr. 908.-- Anspruch erheben könnte, selbst wenn das Grundstück durch die Pfandrechte der vorgehenden Pfandgläubiger, insbesondere der Beklagten, in einer für diese erkennbaren Weise zum Nachteil der Bauhandwerker belastet worden wäre. Diesen Betrag hat die Vorinstanz der Klägerin zugesprochen. Die Beklagte hat sich damit abgefunden. Unter diesen Umständen könnte dahingestellt bleiben, ob eine erkennbare Benachteiligung der Bauhandwerker im Sinne von Art. 841 vorgelegen habe. Es mag aber immerhin bemerkt werden, dass für die Beklagte angesichts der Schätzungen, die bei Errichtung ihrer Pfandrechte bekannt waren, auf jeden Fall nicht erkennbar war, dass ihre Pfandrechte schon insoweit, als sie nur in die Stellung bereits bestehender Hypotheken einrückten, eine den Bauhandwerkern nachteilige Belastung darstellen könnten. Auch deshalb kann höchstens der Fr. 80'000.-- übersteigende Teil des Verwertungserlöses der Klägerin verfallen sein. Der von dieser hervorgehobene Umstand, dass durch die Transaktion der Beklagten die Gesamtbelastung um Fr. 55'000.-- auf Fr. 135 000.-- erhöht wurde, ist, nachdem die Beklagte sich mit der Gutheissung der Klage für Fr. 908.-- abgefunden hat, ohne Bedeutung, weil alle den Betrag von Fr. 80'908.-- übersteigenden Pfandforderungen ungedeckt geblieben sind. Ob der Verwertungserlös bis zum Betrage von Fr. 80'000.-- neben der Glarner Kantonalbank den Gläubigern, die bis zum 19. Januar 1951 den dritten bis fünften Rang innehatten, oder aber der Beklagten zufiel, berührt die Klägerin in keiner Weise.
Auf volle Deckung ihres Ausfalls hätte übrigens die Klägerin, deren Rechnung weniger als ein Drittel der gesamten Bausumme ausmachte, beim Vorliegen einer erkennbaren Benachteiligung der Baugläubiger nicht schon dann Anspruch gehabt, wenn der Überschuss des Verwertungserlöses über den Grundstückswert vor dem Umbau
BGE 82 II 15 S. 21
den Betrag ihres Guthabens erreicht hätte, sondern nur dann, wenn dieser Überschuss so hoch gewesen wäre wie die gesamte Bausumme von ca. Fr. 22'000.-- (vgl.
BGE 76 II 143
und dort zit. Entscheide).
Dass die Beklagte durch eine geeignete Kontrolle der Verwendung des von Schmid aufgenommenen Geldes die Verluste der Bauhandwerker hätte verhüten können, mag zutreffen. Dies genügt aber nach
Art. 841 ZGB
eben nicht, um ihre Haftung zu begründen.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichtes des Kantons Glarus vom 29. März 1955 bestätigt. | public_law | nan | de | 1,956 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
195aa6cb-96c1-40bc-8a27-ec3d72175ecc | Urteilskopf
111 V 279
54. Urteil vom 19. August 1985 i.S. Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit gegen Strub und Schiedskommission für Arbeitslosenversicherung des Kantons Basel-Stadt | Regeste
Art. 68 Abs. 1 AVIG
,
Art. 129 Abs. 1 lit. c OG
.
Art. 68 Abs. 1 AVIG
räumt einen Anspruch auf Beiträge ein, weshalb die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht ausgeschlossen ist (Erw. 2).
Art. 71 Abs. 2 AVIG
,
Art. 94 AVIV
: Finanzielle Einbusse bei Aufnahme einer Arbeit ausserhalb der Wohnortsregion.
- Die Regelung in
Art. 71 Abs. 2 AVIG
ist nicht lückenhaft (Erw. 4).
-
Art. 94 AVIV
ist gesetzmässig; ob dem Versicherten durch Aufnahme einer auswärtigen Arbeit im Vergleich zu seiner bisherigen Tätigkeit eine finanzielle Einbusse entsteht, bemisst sich aufgrund einer Gegenüberstellung der tatsächlich erzielten Verdienste (Erw. 5). | Sachverhalt
ab Seite 279
BGE 111 V 279 S. 279
A.-
Die Versicherte war ab 1. Oktober 1983 unverschuldet arbeitslos, nachdem sie zuvor als Sozialarbeiterin in Basel gearbeitet und bei einem hälftigen Pensum (20 Wochenstunden) einen Monatsverdienst von Fr. 1832.60 erzielt hatte. Ab 1. Januar 1984 arbeitete sie bei einem Hilfswerk in Zürich zu einem Bruttolohn von monatlich Fr. 3022.50 bei 80%iger Tätigkeit. Sie behielt ihren Wohnsitz in Basel bei und pendelte täglich mit der Bahn zur Arbeit und zurück.
Mit Gesuch vom 4./6. Januar 1984 beantragte sie einen Pendlerkostenbeitrag (Kostenbeteiligung ans SBB-Generalabonnement).
BGE 111 V 279 S. 280
Dies lehnte das Kantonale Arbeitsamt Basel-Stadt mit Verfügung vom 13. Januar 1984 ab, weil der Verdienst in Zürich höher sei als der frühere in Basel und der Versicherten somit keine finanzielle Einbusse im Sinne von
Art. 94 AVIV
entstehe.
B.-
Die hiegegen erhobene Beschwerde hiess die Schiedskommission für Arbeitslosenversicherung des Kantons Basel-Stadt mit Entscheid vom 28. Februar 1984 gut und wies das Kantonale Arbeitsamt an, der Versicherten einen Pendlerkostenbeitrag im Sinne der Erwägungen auszurichten. Die Schiedskommission nahm eine echte Gesetzeslücke an, da der Gesetzgeber den Sonderfall des Versicherten, der im Anschluss an eine Halbtagesstelle eine ausserwohnörtliche Ganztagsarbeit annehme, nicht geregelt habe. In einem solchen Falle müssten die Einkommen nach Massgabe der Arbeitszeit miteinander verglichen werden, da eine blosse Gegenüberstellung der absoluten Verdienste gegen das Gleichbehandlungsgebot verstosse.
C.-
Das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit (BIGA) erhebt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, es sei der vorinstanzliche Entscheid aufzuheben.
Die Versicherte schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
Erwägungen
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
a) Das Arbeitslosenversicherungsgesetz will gemäss
Art. 1 Abs. 2 AVIG
drohende Arbeitslosigkeit verhüten und bestehende bekämpfen. Diesem Zwecke dienen die sogenannten Präventivmassnahmen (Art. 59 bis 75 AVIG). Mit ihnen soll, sofern es die Arbeitsmarktlage gebietet, vorab die berufliche, sodann aber auch die geographische Mobilität gefördert werden (Botschaft vom 2. Juli 1980, BBl 1980 III 536 ff.). Dieser zweiten Zielsetzung dienen die Vorschriften im Abschnitt "Arbeit ausserhalb der Wohnortsregion" (Art. 68 bis 71 AVIG).
b)
Art. 68 Abs. 1 AVIG
sieht Pendlerkostenbeiträge sowie Beiträge an Wochenaufenthalter vor. Sie können Arbeitnehmern zugesprochen werden, denen in ihrer Wohnortsregion keine zumutbare Arbeit vermittelt werden konnte und die zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit Arbeit ausserhalb ihrer Wohnortsregion angenommen haben. Sodann setzt Art. 68 Abs. 2 durch Verweisung auf
Art. 60 Abs. 1 lit. b AVIG
voraus, dass solche Arbeitnehmer innerhalb der Rahmenfrist eine Beitragszeit von mindestens sechs
BGE 111 V 279 S. 281
Monaten nachweisen oder von der Erfüllung der Beitragszeit befreit sind. Schliesslich bestimmt
Art. 71 Abs. 2 AVIG
, dass Leistungen an Pendler und Wochenaufenthalter nur soweit ausgerichtet werden dürfen, als dem Versicherten im Vergleich zu seiner letzten Tätigkeit durch die auswärtige Arbeit finanzielle Einbussen entstehen. Dazu legt die bundesrätliche Verordnung (AVIV) in Art. 94 näher fest, dass der Versicherte eine finanzielle Einbusse erleidet, wenn bei seiner neuen Tätigkeit der Verdienst, abzüglich der notwendigen Auslagen (Fahrkosten, Unterkunft, Verpflegung), den vor der Arbeitslosigkeit erzielten versicherten Verdienst, abzüglich der entsprechenden Auslagen, nicht erreicht.
2.
a) Zunächst erhebt sich die Frage, ob angesichts der Kann-Vorschrift in
Art. 68 Abs. 1 AVIG
die Beitragsgewährung dem Ermessen der Verwaltung anheimgestellt ist und dem Versicherten demzufolge kein Rechtsanspruch eingeräumt wird (vgl.
BGE 106 Ib 127
Erw. 2a,
BGE 98 Ib 79
BGE 96 V 127
f.). Ist dies zu bejahen, kann auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht eingetreten werden. Denn nach
Art. 129 Abs. 1 lit. c OG
ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde unzulässig gegen Verfügungen über die Bewilligung oder Verweigerung vermögensrechtlicher Zuwendungen, auf die das Bundesrecht keinen Anspruch einräumt. Die Parteien haben sich zu dieser Eintretensfrage nicht geäussert. Sie ist indessen von Amtes wegen zu prüfen (
BGE 110 Ib 152
Erw. 1b,
BGE 110 V 129
Erw. 2).
b) Nach der Rechtsprechung ist ein bundesrechtlicher Anspruch auf einen Beitrag zu bejahen, wenn das Bundesrecht selber die Bedingungen umschreibt, unter welchen ein Beitrag zu gewähren ist, ohne dass es im Ermessen der gesetzesanwendenden Behörde läge, ob sie einen Beitrag gewähren will oder nicht (
BGE 110 Ib 152
Erw. 1b,
BGE 100 Ib 342
Erw. 1b
BGE 99 Ib 422
; vgl. auch
BGE 97 I 880
und
BGE 96 V 126
). Die Eidgenössischen Gerichte haben deshalb einen bundesrechtlichen Anspruch auf Leistungen wiederholt auch dann bejaht, wenn die betreffende Rechtsnorm als Kann-Vorschrift formuliert war (
BGE 106 V 96
Erw. 1a,
BGE 98 Ib 508
Erw. 1; vgl. auch
BGE 99 Ia 41
Erw. 3c sowie ARV 1981 Nr. 2 S. 23 Erw. 3a).
Nach
Art. 68 Abs. 1 AVIG
"können" Leistungen zugesprochen werden. Dabei werden diese davon abhängig gemacht, dass dem Versicherten in der Wohnortsregion keine zumutbare Arbeit vermittelt werden konnte, dass er die auswärtige Arbeit zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit angenommen hat und dass er - gemäss
BGE 111 V 279 S. 282
Art. 68 Abs. 2 AVIG
- der Anforderung des
Art. 60 Abs. 1 lit. b AVIG
genügt. Ferner verlangt
Art. 71 Abs. 2 AVIG
eine finanzielle Einbusse. Mit diesen Bestimmungen werden die Voraussetzungen für die Beitragsgewährung erschöpfend umschrieben, weshalb denn auch der Randtitel zu
Art. 68 AVIG
von "Anspruchsvoraussetzungen" spricht. Trotz der Kann-Formulierung in Abs. 1 und im Gegensatz zur nicht begründeten Auffassung von HANS-ULRICH STAUFFER (Die Arbeitslosenversicherung, Zürich 1984, S. 193) ist ein Anspruch daher zu bejahen.
Die Gesetzesmaterialien führen nicht zu einer andern Auslegung. Schon der Wortlaut des bundesrätlichen Entwurfs (damaliger Art. 66; BBl 1980 III 670) deutete auf die Einräumung eines Anspruchs hin ("Arbeitnehmer ... können folgende Leistungen beanspruchen ..."). In der nationalrätlichen Kommission erwuchs allerdings hiegegen Widerstand, indem die Meinung vertreten wurde, dass kein Anspruch auf die fraglichen Beiträge gewährt werden solle. Dies glaubte man - unter Beibehaltung der Kann-Formulierung - damit erreichen zu können, dass der Text wie folgt geändert wurde: "Arbeitnehmern ... können folgende Leistungen zugesprochen werden ..." (Protokoll der nationalrätlichen Kommission vom 8./9. Januar 1981 S. 35 f. und vom 26. Januar 1981 S. 22). Dem stimmte der Nationalrat diskussionslos zu (Amtl.Bull. 1981 N 841). In der ständerätlichen Kommission wurde die Frage der Gewährung eines Anspruchs nicht erörtert. Zur Diskussion stand hier vielmehr der ganze Abschnitt über "Arbeit ausserhalb der Wohnortsregion" als solcher (Art. 66 bis 70 des Entwurfs). Die Kommission strich ihn zunächst (Protokoll der ständerätlichen Kommission vom 11./12. November 1981 S. 32 f.), kam aber darauf zurück und begnügte sich mit der Streichung der - ursprünglich vom Bundesrat noch vorgeschlagenen - Umzugskostenentschädigung (Protokoll der ständerätlichen Kommission vom 4. Februar 1982 S. 19 f.). Dem folgten sowohl der Ständerat als auch im Differenzbereinigungsverfahren der Nationalrat (Amtl.Bull. 1982 S 143, N 598). Diese Umformulierung des heutigen
Art. 68 Abs. 1 AVIG
könnte an sich auf Verneinung eines Anspruches schliessen lassen. Demgegenüber ist aber festzustellen, dass der Randtitel zum geltenden
Art. 68 AVIG
das Wort "Anspruchsvoraussetzungen" enthält, woraus die Absicht hervorgeht, einen Anspruch zu gewähren. Da die Materialien somit im hier fraglichen Punkt keine klare Antwort geben, sind sie als Auslegungshilfe nicht dienlich (
BGE 108 Ia 37
, 104 Ia 244 f., 103 Ia 290 Erw. 2c).
BGE 111 V 279 S. 283
Da der Ausschlussgrund gemäss
Art. 129 Abs. 1 lit. c OG
somit nicht vorliegt, ist auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde einzutreten.
3.
In materieller Hinsicht ist unbestritten, dass die Beschwerdegegnerin an ihrer Stelle in Zürich - auch unter Berücksichtigung der nach
Art. 94 AVIV
anzurechnenden Auslagen - erheblich mehr verdiente als an der früheren Stelle in Basel. Ein Vergleich der beiden Einkommen zeigt, dass eine "finanzielle Einbusse" im Sinne von
Art. 71 Abs. 2 AVIG
bzw.
Art. 94 AVIV
durch die Annahme der Stelle ausserhalb der Wohnortsregion nicht entstanden war.
Die Beschwerdegegnerin erachtet es aber als unzulässig, die absoluten Einkommenszahlen als solche miteinander zu vergleichen; denn in Zürich arbeite sie zu 80% gegenüber vorher bloss 50% in Basel. Der Mehrverdienst in Zürich ergebe sich aus dem grösseren Pensum. Entscheidend müsse der Stundenansatz sein. Andernfalls würden Versicherte, die ihren Arbeitseinsatz ausserhalb ihrer Wohnortsregion reduzieren, begünstigt.
Demgegenüber berief sich das Kantonale Arbeitsamt im vorinstanzlichen Verfahren auf den Wortlaut von Gesetz und Verordnung, wonach ausnahmslos auf die tatsächlichen Verdienste abzustellen sei.
Die Vorinstanz führt in ihrem Entscheid folgendes aus:
"Allerdings kann sich die Kantonale Schiedskommission der Auffassung der kantonalen Amtsstelle, der Gesetzgeber habe bewusst keine Ausnahmen für solche Fälle wie dem vorliegenden gemacht, nicht anschliessen. Nach dieser Betrachtungsweise würde der Versicherte, der nach einer Halbtagsstelle auswärts einen Vollzeitberuf ausübt, nie eine finanzielle Einbusse erleiden; aber umgekehrt würde derjenige, der nach einer Vollzeitbeschäftigung eine Teilzeitarbeit annimmt, praktisch immer eine Einkommenseinbusse nachweisen können. Diese beiden Kategorien stehen sich nicht nur diametral gegenüber, sondern weichen auch beide stark vom Normalfall ab, dass ein Versicherter nach Verlust einer Vollzeitarbeit auswärts eine neue Vollzeitbeschäftigung antritt. Wenn nun alle Versicherten unter einem Gesichtspunkt betrachtet und nur ihre absoluten Einkommen verglichen würden, wäre dies ein Verstoss gegen das Gleichbehandlungsgebot, da Ungleiches gleich behandelt würde. Die Kantonale Schiedskommission ist der Auffassung, dass der Gesetzgeber zu sehr vom Normalfall ausgegangen ist und die Sonderfälle nicht genügend berücksichtigt hat. Es liegt somit eine echte Gesetzeslücke vor, da sich der Gesetzgeber zu dem unvermeidlichen Problem der Abweichungen vom Normalfall nicht äussert, und ein qualifiziertes Schweigen nicht vorliegen kann, weil dies einen Verstoss gegen das Gleichbehandlungsgebot darstellen würde.
BGE 111 V 279 S. 284
Demzufolge kann die Kantonale Schiedskommission nicht anders, als in eigener Rechtsfindung die Beschwerde in diesem Punkt gutzuheissen und die kantonale Amtsstelle anzuweisen, das Gesuch erneut zu überprüfen und diesmal die beiden Einkommen nach Arbeitsintensität der Anstellung (50% bzw. 80%) zu relativieren und neu zu berechnen."
4.
Insofern die Vorinstanz eine echte Gesetzeslücke annimmt, ist ihr nicht zuzustimmen. Die Frage, ob Fälle wie derjenige der Beschwerdegegnerin einer Sonderlösung rufen, kann zunächst dahingestellt bleiben. Denn wenn man sie verneint, liegt von vornherein keine Gesetzeslücke vor. Bejaht man sie hingegen, dann ist es Sache des Gesetzgebers, zu bestimmen, ob er die erforderliche Sonderregelung selber treffen oder dies dem Verordnungsgeber überlassen will. Im letztgenannten Fall schafft der Gesetzgeber jedoch keine Gesetzeslücke. Mit Recht weist das BIGA in seiner Verwaltungsgerichtsbeschwerde darauf hin, dass das AVIG dem Bundesrat nicht bloss eine generelle Verordnungskompetenz einräumt (vgl.
Art. 109 AVIG
), sondern in
Art. 71 Abs. 4 AVIG
noch eine zusätzliche Kompetenznorm enthält. Damit wird deutlich, dass es der Gesetzgeber dem Bundesrat überliess, die in Art. 68 bis 71 AVIG sich allenfalls zusätzlich und unvermeidlicherweise stellenden Rechtsprobleme zu lösen.
5.
Demnach kann sich nur fragen, ob
Art. 94 AVIV
vor dem Gesetz standhält.
a) Nach der Rechtsprechung kann das Eidg. Versicherungsgericht Verordnungen des Bundesrates grundsätzlich, von hier nicht in Betracht fallenden Ausnahmen abgesehen, auf ihre Rechtmässigkeit hin überprüfen. Bei (unselbständigen) Verordnungen, die sich auf eine gesetzliche Delegation stützen, prüft es, ob sie sich in den Grenzen der dem Bundesrat im Gesetz eingeräumten Befugnisse halten. Wird dem Bundesrat durch die gesetzliche Delegation ein sehr weiter Spielraum des Ermessens für die Regelung auf Verordnungsebene eingeräumt, muss sich das Gericht auf die Prüfung beschränken, ob die umstrittenen Verordnungsvorschriften offensichtlich aus dem Rahmen der dem Bundesrat im Gesetz delegierten Kompetenzen herausfallen oder aus andern Gründen verfassungs- oder gesetzwidrig sind. Es kann jedoch sein eigenes Ermessen nicht an die Stelle desjenigen des Bundesrates setzen und es hat auch nicht die Zweckmässigkeit zu untersuchen. Die vom Bundesrat verordnete Regelung verstösst allerdings dann gegen
Art. 4 BV
, wenn sie sich nicht auf ernsthafte Gründe stützen lässt, wenn sie sinn- oder zwecklos ist oder wenn sie rechtliche
BGE 111 V 279 S. 285
Unterscheidungen trifft, für die sich ein vernünftiger Grund nicht finden lässt. Gleiches gilt, wenn die Verordnung es unterlässt, Unterscheidungen zu treffen, die richtigerweise hätten berücksichtigt werden sollen (
BGE 110 V 256
Erw. 4a und 328 Erw. 2d, je mit Hinweisen).
b) Die Vorinstanz hält - allerdings bezogen auf die Gesetzesbestimmung (
Art. 71 Abs. 2 AVIG
) - dafür, dass Ungleiches gleich behandelt würde und mithin ein Verstoss gegen das Gleichbehandlungsgebot vorliege, wenn bei allen Versicherten nur die absoluten Einkommen verglichen würden. In ähnlichem Sinne lässt sich auch die Beschwerdegegnerin vernehmen: Werde nicht auf den Stundenansatz abgestellt, ergebe sich eine Begünstigung derjenigen Versicherten, die am auswärtigen Arbeitsplatz ihren Arbeitseinsatz gegenüber der früheren Stelle reduzierten und damit die für den Pendlerkostenbeitrag vorausgesetzte finanzielle Einbusse ausweisen könnten.
Dem kann nicht gefolgt werden. Wenn ein bislang vollzeitbeschäftigter Versicherter arbeitslos wird und mangels einer zumutbaren neuen Stelle in seiner Wohnortsregion ausserhalb derselben eine Teilzeitarbeit aufnimmt, wird er zunächst um Entschädigungen wegen Teilarbeitslosigkeit nachsuchen. Im Rahmen dieses Verfahrens wird geprüft, ob er - gemäss seiner Schadenminderungspflicht (
Art. 17 AVIG
;
BGE 108 V 164
Erw. 2a mit Hinweis) - nicht zumutbarerweise ausserwohnörtlich eine Vollzeitbeschäftigung hätte annehmen können. Muss dies bejaht werden, so kann er den faktischen Minderverdienst weder für die Arbeitslosenentschädigung noch für den Pendlerkostenbeitrag geltend machen. Entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin kann er sich demnach nicht selber begünstigen. Ergibt sich hingegen, dass objektiv nur eine Teilzeitarbeit erhältlich war, dann ist es nicht unberechtigt, dass diesem Versicherten - neben der Arbeitslosenentschädigung - ein Pendlerkostenbeitrag gewährt wird, soweit er durch die auswärtige Arbeit eine finanzielle Einbusse im Sinne von
Art. 94 AVIV
erleidet.
Auch im umgekehrten Fall - wie bei der Beschwerdegegnerin - ergibt sich keineswegs ein stossendes und unbefriedigendes Ergebnis. Für die arbeitslose Beschwerdegegnerin war die Annahme der Stelle ausserhalb ihres Wohnorts gemäss
Art. 16 Abs. 4 AVIG
zumutbar (was übrigens nicht bestritten ist), und zwar in gleicher Weise, wie wenn diese neue Stelle innerhalb ihrer Wohnortsregion erhältlich gewesen wäre. In diesem letztgenannten Falle hätten keine Ansprüche gegenüber der Arbeitslosenversicherung
BGE 111 V 279 S. 286
bestanden. Ohne Belang ist dabei, ob am früheren Arbeitsplatz voll- oder nur teilzeitlich gearbeitet worden ist. Grundsätzlich verhält es sich nicht anders, wenn der neue Arbeitsplatz ausserhalb der Wohnortsregion liegt. Mit den Leistungen der Arbeitslosenversicherung gemäss
Art. 68 AVIG
soll bloss dann ein Ausgleich geschaffen werden, wenn dadurch, dass der Arbeitsplatz ausserhalb der Wohnortsregion liegt ("durch die auswärtige Arbeit", vgl.
Art. 71 Abs. 2 AVIG
), finanzielle Einbussen entstehen. Auch hier ist es ohne Belang, ob und aus welchen Gründen die Beschwerdegegnerin vor ihrer Arbeitslosigkeit nur Teilzeitarbeit geleistet hatte. Dank dem neuen Arbeitsplatz ausserhalb ihrer Wohnortsregion beendete sie pflichtgemäss die Arbeitslosigkeit und stellte sich - auch unter Berücksichtigung der Auslagen für Reise und Verpflegung - finanziell sogar besser. Es wäre nicht gerechtfertigt, in einem solchen Fall einen Pendlerkostenbeitrag zu gewähren und damit denjenigen Versicherten, der ausserhalb seiner Wohnortsregion eine Stelle annimmt, besserzustellen gegenüber demjenigen, der innerhalb seiner Wohnortsregion analoge Arbeit findet. Der Pendlerkostenbeitrag will eine tatsächliche finanzielle Einbusse ausgleichen und kann nicht als Belohnung dafür verstanden werden, dass eine Stelle ausserhalb des Wohnorts angetreten wurde, wozu der Versicherte gemäss
Art. 16 Abs. 4 AVIG
ohnehin verpflichtet ist.
Es lässt sich darum die Art und Weise, wie der Bundesrat von der an ihn delegierten Kompetenz Gebrauch gemacht hat, nicht beanstanden, und
Art. 94 AVIV
ist als gesetzmässig zu betrachten. Massgebend dafür, ob der Versicherte eine finanzielle Einbusse erleidet, ist somit - unter Berücksichtigung der notwendigen Auslagen - der Vergleich der tatsächlich erzielten Verdienste.
c) Wird vorliegend im Sinne von
Art. 94 AVIV
das in Zürich erzielte Einkommen mit dem früheren Verdienst in Basel verglichen, so ergibt sich, dass die Beschwerdegegnerin - auch unter Berücksichtigung der Auslagen - keine finanzielle Einbusse erlitten hat. Zu Recht hat ihr daher das Kantonale Arbeitsamt einen Pendlerkostenbeitrag verweigert. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde des BIGA erweist sich mithin als begründet.
BGE 111 V 279 S. 287
Dispositiv
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird der Entscheid der Schiedskommission für Arbeitslosenversicherung des Kantons Basel-Stadt vom 28. Februar 1984 aufgehoben. | null | nan | de | 1,985 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
195fb4a5-7709-42ec-9415-519c910fba87 | Urteilskopf
104 Ib 138
24. Urteil der I. Zivilabteilung vom 14. März 1978 i.S. Zehentmayer gegen Eidg. Amt für geistiges Eigentum | Regeste
Art. 3 Abs. 2 und
Art. 14 Abs. 1 Ziff. 2 MSchG
.
Die Marke "SANO-VITAL" ist für Vitaminpräparate und Futtermittel nicht zulässig. | Sachverhalt
ab Seite 138
BGE 104 Ib 138 S. 138
A.-
Eduard Zehentmayer vertreibt unter der Einzelfirma "Sano-Pharm E. Zehentmayer" chemisch-pharmazeutische Erzeugnisse für den veterinär-medizinischen und den futtertechnischen Bedarf. Am 14. Juli 1977 meldete er beim Eidgenössischen Amt für geistiges Eigentum die Bezeichnung "SANO-VITAL" zur Eintragung als Wortmarke im Markenregister an, und zwar für emulgierte Vitaminpräparate und Futtermittel (Gesuch Nr. 3561). Das Amt, das entsprechende Gesuche schon in den Jahren 1971 und 1974 abgewiesen hatte, verweigerte mit Verfügung vom 15. Dezember 1977 die Eintragung. Hingegen hatte es früher "SANO-VITAL" mit Farbenanspruch und in besonderer Schriftgestaltung zur Eintragung angenommen.
B.-
Gegen die Verfügung des Eidgenössischen Amtes für geistiges Eigentum vom 15. Dezember 1977 hat Eduard Zehentmayer Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben, mit der er die Gutheissung seines Eintragungsgesuches verlangt. Das Amt trägt auf Abweisung der Beschwerde an.
BGE 104 Ib 138 S. 139
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Marken, die als wesentlichen Bestandteil ein zum Gemeingut gehörendes Zeichen enthalten, werden nicht geschützt; ihre Eintragung ist zu verweigern (
Art. 3 Abs. 2 und
Art. 14 Abs. 1 Ziff. 2 MSchG
). Das gilt namentlich für Wörter, die in einem so engen Zusammenhang zur Ware stehen, dass sie unmittelbar auf deren Herkunft, Zweckbestimmung oder Eigenschaften hinweisen, also Sachbezeichnungen sind und als solche die erforderliche Kennzeichnungskraft nicht besitzen. Ein derartiger Hinweis liegt dann vor, wenn die Bezeichnung in einem so engen Zusammenhang mit der Ware steht, dass sie ohne besondere Gedankenarbeit auf eine bestimmte Eigenschaft oder auf die Beschaffenheit schliessen lässt (
BGE 103 Ib 17
E. 1,
BGE 101 Ib 16
E. 2,
BGE 100 Ib 251
E. 1,
BGE 99 II 402
E. 1 a mit Hinweisen).
2.
Richtig ist, dass die Verbindung zweier an sich gemeinfreier Bezeichnungen eine schutzwürdige Marke bilden kann, wenn sie dergestalt eine genügende Kennzeichnungskraft aufweist (
BGE 99 II 403
E. 1 a). Dies ändert jedoch nichts daran, dass bei der Beurteilung von den Bestandteilen einer zusammengesetzten Wortmarke auszugehen und dann zu prüfen ist, was die Verbindung als Ganzes ergibt. Das gilt auch für Bestandteile, die aus Fremdsprachen stammen, aber allgemein bekannt sind.
Anhand der aufgezeigten Grundsätze ist im folgenden zu untersuchen, wie es sich mit der Bezeichnung "SANO-VITAL" verhält, die vom Amt als Wortmarke nicht zugelassen worden ist. Für das Verständnis und die sprachliche Einordnung des Elementes "sano" ist der Bindevokal "o" ohne wesentliche Bedeutung. Abzustellen ist auf den Wortstamm "san-", von dem aus unter anderem die lateinischen Wörter sanus (gesund, heil), sanare (gesund machen, heilen), sanitas (Gesundheit) gebildet werden. Auf denselben Wortstamm gehen im Deutschen die Fremdwörter sanieren (gesund machen, wieder leistungsfähig machen), sanitarisch (den Gesundheitsdienst betreffend), Sanität (Gesundheitsdienst), im Französischen die Wörter sain (gesund), santé (Gesundheit) und schliesslich im Italienischen die Wörter sano (gesund) und sanità (Gesundheit) zurück. Ausgehend von den schweizerischen Landessprachen ist somit offensichtlich, dass das Element "sano" in der vom Beschwerdeführer
BGE 104 Ib 138 S. 140
zur Eintragung angemeldeten Marke ohne weiteres mit Begriffen wie Gesundheit, gesund usw. in Zusammenhang gebracht wird. Auch das Element "vital" ist lateinischen Ursprungs. Es bedeutet lebensvoll, lebenswichtig, lebenskräftig, für das Leben kennzeichnend, das Leben betreffend, unternehmungslustig. Als Fremdwort hat es in das Deutsche, aber auch in die andern Landessprachen Eingang gefunden und ist im dargelegten Sinne ohne weiteres verständlich und durchaus gebräuchlich (vgl.
BGE 99 II 403
E. 1 b). Eine besondere Bedeutung ergibt sich aus der Verbindung der Elemente "sano" und "vital" nicht. Vielmehr lässt sich ohne besondere Gedankenarbeit schliessen, dass die mit einer Marke "SANO-VITAL" gekennzeichneten Futtermittel und Vitaminpräparate die zu fütternden Tiere gesund und lebenskräftig machen sollen. Die zu beurteilende zusammengesetzte Wortmarke beschreibt somit zwei Eigenschaften, die jeder Käufer von Erzeugnissen, wie sie in Frage stehen, voraussetzt. Die vom Beschwerdeführer zur Eintragung angemeldete Marke enthält zum Gemeingut gehörende, in ihrer Aussage verschiedene, dennoch sich ergänzende Hinweise auf die Eigenschaft der Erzeugnisse, für die sie bestimmt ist, weshalb ihre Schutzfähigkeit entfällt (
Art. 14 Abs. 1 Ziff. 2 MSchG
). Diese Hinweise sind überdies derart deutlich, dass der Umstand, dass das Amt früher für "SANO-VITAL" einen besonderen Schriftzug mit Farbenanspruch zur Eintragung entgegennahm, von vornherein keine Rolle spielen kann; davon abgesehen, geht es in diesem Verfahren ohnehin nur darum, ob "SANO-VITAL" als Wortmarke die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt.
Ein Schutzanspruch des Beschwerdeführers lässt sich auch nicht aus einem Vergleich mit andern Marken, die die Ausdrücke "sano" und "vital" enthalten, ableiten. Ob eine Marke zulässig ist oder nicht, beurteilt sich nach den besonderen Gegebenheiten des einzelnen Falles. Einzuräumen ist freilich, dass das Bundesgericht in
BGE 99 II 401
wohl etwas weit ging, als es die schon längst eingetragene Marke "BIOVITAL" gegen den Angriff des Inhabers einer jüngeren, verwechselbaren Marke schützte.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen. | public_law | nan | de | 1,978 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
19609946-51d0-4760-9c11-a7314d918270 | Urteilskopf
100 IV 94
25. Urteil des Kassationshofes vom 26. März 1974 i.S. Staub gegen Generalprokurator des Kantons Bern. | Regeste
Art. 45 Abs. 2 VRV
.
Mündet eine Nebenstrasse trichterförmig in eine vortrittsberechtigte Hauptstrasse ein, so darf auch die aus der Nebenstrasse kommende Strassenbahn bis zur markierten Grenzlinie zwischen Haupt- und Nebenstrasse fahren, ohne die auf der Hauptstrasse verkehrenden Fahrzeuge in der Ausübung ihres Vortrittsrechtes zu behindern. | Sachverhalt
ab Seite 95
BGE 100 IV 94 S. 95
A.-
a) Die Seftigenstrasse in Bern beschreibt an der Stelle, wo von Südwesten die Weissensteinstrasse in sie einmündet, nach Osten hin, eine grosse Linkskurve. Der nördlich dieser Einmündung liegende Ast der Seftigenstrasse ist durch eine weiss schraffierte, breite Fläche gemäss
Art. 54 Abs. 5 SSV
in zwei Fahrbahnen unterteilt; die eine Abrundung dieser Fläche weist gegen die Weissensteinstrasse. Durch diese schraffierte Fläche führen beide Geleise der die Seftigenstrasse befahrenden städtischen Strassenbahn. Die Projektion der beiden Randlinien der Weissensteinstrasse in die Seftigenstrasse ist durch eine weisse Rand- bzw. Begrenzungslinie im Sinne von
Art. 53 Abs. 5 SSV
(Markierung No 409 und 410) am Boden markiert. Die nördliche Begrenzungslinie führt dabei über die ganze Seftigenstrasse - also auch über das Strassenbahngeleise - bis zu deren nördlichem Rand. Die Weissensteinstrasse und der südliche Teil der Seftigenstrasse bilden dadurch einen Strassenzug. Dieser ist als Hauptstrasse mit Vortrittsrecht signalisiert (Signal No 307). Dementsprechend ist für die südliche Fahrbahnhälfte der Seftigenstrasse vor der Einmündung der Weissensteinstrasse das Vortrittsrecht durch das Signal No 116 aufgehoben.
b) Am 13. November 1972 führte Staub einen Strassenbahnzug langsam von Norden her über die schraffierte Fläche der Seftigenstrasse. In diesem Augenblick gewahrte er den einen Lieferwagen lenkenden Kilcher, der aus der Weissensteinstrasse um die Spitze der schraffierten Fläche herum in die nördliche Fahrbahn der Seftigenstrasse einspurte. Da Kilcher den von rechts aus der Seftigenstrasse kommenden Fahrzeugen den Vortritt zu lassen hatte, beobachtete er vorwiegend nach rechts und erblickte die von links kommende Strassenbahn erst im letzten Augenblick. Die beiden Fahrzeuge stiessen zwischen der schraffierten Fläche und der nördlichen Markierung der Verlängerung der Weissensteinstrasse zusammen, wobei Sachschaden entstand.
Mit Strafmandat des Gerichtspräsidenten VI von Bern vom
BGE 100 IV 94 S. 96
9. April 1973 wurde Staub wegen Nichtgewährung des Vortrittsrechts im Sinne von Art. 15 Abs. 1 und 45 Abs. 2 VRV mit Fr. 50. - gebüsst.
B.-
Auf Einsprache wurde Staub vom Gerichtspräsidenten VI von Bern am 28. Juni 1973 der Übertretung von
Art. 45 Abs. 2 VRV
schuldig erklärt; in Anwendung von
Art. 100 Ziff. 1 Abs. 2 SVG
wurde von einer Bestrafung Umgang genommen, da sich ergeben hatte, dass die Strassenbahnführer auf Weisung der Direktion der Städtischen Verkehrsbetriebe nicht nur bis zum Ende der weiss-schraffierten Zone, sondern bis zur Markierungslinie zu fahren hatten, um dem auf dem Strassenzug Weissenstein-/Seftigenstrasse zirkulierenden Verkehr den Vortritt zu lassen.
Auf Appellation des Verurteilten hin bestätigte das Obergericht des Kantons Bern am 15. November 1973 den erstinstanzlichen Schuldspruch, sah von einer Bestrafung des Staub aus dem dargelegten Grunde jedoch ab, indem es ihm Rechtsirrtum im Sinne von
Art. 20 StGB
zugute hielt.
C.-
Staub führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag auf Freisprechung.
D.-
Der Generalprokurator des Kantons Bern beantragt die Abweisung der Beschwerde.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Es ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer den auf der Weissenstein-/Seftigenstrasse verkehrenden Fahrzeugen gemäss
Art. 45 Abs. 2 VRV
den Vortritt zu lassen hatte. Dies ist durch die Signalisierung des genannten Strassenzuges als Hauptstrasse mit Vortrittsrecht (Signal No 307) sowie durch die Aufhebung des Vortrittsrechts für den aus dem nördlichen Zweig der Seftigenstrasse herkommenden Verkehr (Signal No 116) deutlich gemacht. Streitig ist indessen, bis wo die aus der nördlichen Seftigenstrasse kommende Strassenbahn fahren darf, ohne den sich auf dem Strassenzug Weissenstein-/Seftigenstrasse bewegenden Verkehr in der Ausübung seines Vortrittsrechts zu behindern. Während die kantonalen Instanzen der Auffassung sind, sie müsse bei der Spitze der weiss-schraffierten Fläche im nördlichen Teil der Seftigenstrasse warten, damit den aus der Weissensteinstrasse einmündenden Fahrzeugen das Einspuren nach Norden in die Seftigenstrasse nicht
BGE 100 IV 94 S. 97
erschwert werde, macht der Beschwerdeführer geltend, sie dürfe bis zur markierten Linie vordringen, die den erwähnten Strassenzug begrenzt.
2.
Nach ständiger Rechtsprechung steht das Vortrittsrecht dem Berechtigten auf der ganzen Fläche zu, auf der sich die zusammentreffenden Strassen überschneiden, wobei sich die Ausdehnung dieser Fläche nach den beiden Punkten bestimmt, in denen die Randlinien der Hauptstrasse und der einmündenden Nebenstrasse zusammentreffen (
BGE 80 IV 199
,
BGE 85 IV 87
). Wo die Einmündung, wie im vorliegenden Falle, durch Abrundung der Randlinien trichterförmig ausgeweitet ist, stimmen diese Punkte mit der Stelle überein, wo sich die Hauptstrasse auszuweiten beginnt. Diese unter der Herrschaft des MFG geübte Rechtsprechung entspricht auch der heutigen Ordnung. In
BGE 98 IV 117
hat das Bundesgericht denn auch ausgeführt, bei trichterförmigen Einmündungen von Nebenstrassen in vortrittsberechtigte Hauptstrassen erstrecke sich das Einmündungsgebiet der vortrittsbelasteten Nebenstrasse über die ganze Länge der durch die gestrichelte Linie begrenzten Fläche. Der Wartepflichtige darf also bis zur gestrichelten Linie vorfahren, ohne den Vortrittsberechtigten zu behindern.
Daraus ergibt sich, dass den auf dem Hauptstrassenzug Weissenstein-/Seftigenstrasse verkehrenden Fahrzeugen das Vortrittsrecht auf der ganzen Fläche zusteht, auf der sich die zusammentreffenden Strassen (nördlicher Teil der Seftigenstrasse und Hauptstrassenzug Weissenstein-/Seftigenstrasse) überschneiden, und dass diese Fläche nach den beiden Punkten bestimmt wird, an denen die Randlinien des Hauptstrassenzuges sich gegen die nördliche Seftigenstrasse hin abzubiegen beginnen. Demzufolge fällt die Grenze zwischen Haupt- und Nebenstrasse mit der markierten Begrenzungslinie (No 410) zusammen. Dies entspricht denn auch
Art. 53 Abs. 5 SSV
, wonach solche Linien (z.B. bei Einmündungen) die Fahrbahn von andern Verkehrsflächen abgrenzen.
Das absolute Vortrittsrecht der den Hauptstrassenzug Weissenstein-/Seftigenstrasse benützenden Fahrzeuge (
Art. 36 Abs. 2 Satz 2 SVG
,
Art. 45 Abs. 2 VRV
) reicht somit bis zu dieser Begrenzungslinie und nur bis zu ihr. Wenn die auf der Seftigenstrasse von Norden kommenden Fahrzeuge bis zu dieser Linie vordringen, verletzen sie es nicht. Auch gegenüber
BGE 100 IV 94 S. 98
der Strassenbahn reicht es nur bis zur Begrenzungslinie. Die Strassenbahn befindet sich insoweit nicht in anderer Rechtslage als die anderen von Norden kommenden Fahrzeuge.
Nördlich der Begrenzungslinie gilt dagegen die allgemeine Ordnung, wonach die Strassenbahn vortrittsberechtigt ist (
Art. 38 Abs. 1 SVG
) und im übrigen das von links kommende Fahrzeug dem sich von rechts nähernden den Vortritt zu lassen hat (
Art. 36 Abs. 2 Satz 1 SVG
).
3.
Kilcher verlor deshalb das ihm als Benützer der Hauptstrasse zustehende absolute Vortrittsrecht im Augenblick, als er die markierte Begrenzungslinie überfuhr, um in die nördliche Seftigenstrasse einzubiegen. Der Beschwerdeführer hat folglich
Art. 45 Abs. 2 VRV
nicht übertreten. Nördlich der erwähnten Linie war die Strassenbahn vortrittsberechtigt.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur Freisprechung des Beschwerdeführers an die Vorinstanz zurückgewiesen. | null | nan | de | 1,974 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
196e196f-6422-49bd-a42f-f5a363472810 | Urteilskopf
90 III 29
7. Arrêt du 17 avril 1964 dans la cause Banque Orca SA | Regeste
1. Art. 4 Abs. 5 lit. a der Verordnung betreffend die Eintragung der Eigentumsvorbehalte; Art. 226 a Abs. 2 Ziff. 8 und Abs. 3, 226 c Abs. 3 OR.
Der Abzahlungsvertrag ist ungültig, wenn er das Recht des Käufers, "unter den in Artikel 226 c genannten Bedingungen" auf den Abschluss zu verzichten, nicht aufführt. Das Verbot, den Verzicht an die Bezahlung eines Reugeldes zu knüpfen, ist dabei ebenfalls zu erwähnen. (Erw. 1).
2.
Art. 226 c Abs. 2 OR
.
Der Käufer darf die Sache, soweit es zur üblichen Prüfung nötig ist, benützen, ohne dadurch das Recht, auf den Vertragsabschluss zu verzichten, zu verlieren (Erw. 2). | Sachverhalt
ab Seite 30
BGE 90 III 29 S. 30
Le 23 novembre 1963, City-Garage SA, à Lausanne, a vendu une voiture automobile à G. Perdikas. Dans le contrat écrit, l'acheteur déclare avoir lu attentivement toutes les clauses, les accepter expressément et savoir qu'il a, s'il n'utilise pas la voiture et dans les limites légales (art. 226 CO), le droit de dénoncer le contrat par lettres adressées au vendeur et au cessionnaire de ses droits, la Banque Orca SA, dans les cinq jours dès la signature.
L'Office des poursuites de Lausanne-Est a refusé d'inscrire la réserve de propriété, à la requête du cessionnaire, parce que le contrat eût dû préciser qu'aucun dédit ne pouvait être réclamé à l'acheteur s'il renonçait à la conclusion de la vente qui la prévoyait.
Les autorités inférieure et supérieure de surveillance vaudoises ont rejeté la plainte et le recours formés contre cette décision, le second le 21 février 1964.
La banque recourt à la Chambre des poursuites et des faillites du Tribunal fédéral.
BGE 90 III 29 S. 31
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
De par l'art. 4 al. 5 litt. a OIPR (modifiée et complétée le 29 octobre 1962), l'inscription requise sur la base d'une vente par acomptes ne peut être opérée que si le contrat contient toutes les énonciations nécessaires à sa validité selon l'art. 226 a al. 3 CO. Le contrat est nul, notamment, lorsqu'il ne contient pas la mention du droit pour l'acheteur de renoncer à sa conclusion "aux conditions prévues par l'art. 226 c". En vertu de l'al. 3 de cette disposition, aucun dédit ne peut être réclamé à l'acheteur s'il exerce cette faculté; l'art. 226 a al. 2 ch. 8, qui impose la mention du droit de renoncer, n'indique pas cette précision.
Celle-ci est toutefois nécessaire à la validité du contrat, comme la Cour cantonale l'a justement décidé. L'art. 226 a al. 3 n'est en effet pas équivoque. Il se réfère aux "conditions" de l'art. 226 c. Cela veut dire que le droit s'exerce selon les règles contenues dans cette disposition. L'une d'elles, l'absence de dédit, lui est essentielle et lui donne son exacte portée. Son efficacité s'accroît en effet considérablement si l'acheteur ne doit pas dédommager le vendeur lorsque, usant d'une faculté spéciale contraire au principe général pacta sunt servanda, il renie sa signature et ses engagements. Tant qu'il ignore cette particularité décisive pour son choix, l'acheteur ne connaît pas son droit; il ne sait pas notamment combien la loi lui en facilite l'exercice.
On ne saurait soutenir, avec la recourante, que la "gratuité" de la renonciation soit la conséquence de l'usage de la faculté prévue par la loi. En interdisant le dédit, celle-ci règle une condition d'exercice du droit (non pas certes la manière de procéder, mais bien le contenu, l'étendue du droit).
Il s'ensuit que l'interdiction, parce qu'elle constitue un aspect essentiel de la possibilité de renoncer à la conclusion, doit être expressément mentionnée dans le contrat. La recourante l'a du reste fort bien compris, puisqu'elle
BGE 90 III 29 S. 32
procède ainsi dans d'autres cas. Elle précise elle-même que le projet du Conseil fédéral considérait comme essentielle l'indication du droit de résoudre le contrat et, s'il y a lieu, du dédit à payer: il est pour le moins aussi important de savoir que l'on ne paiera rien.
2.
Le contrat conclu ne se conforme pas à la loi sur un second point. Le droit de renoncer à sa conclusion n'y est réservé que si l'acheteur n'utilise pas l'objet vendu. Tel n'est pas le sens de la disposition impérative de l'art. 226 c al. 2 CO. L'acheteur peut en effet utiliser la chose dans la mesure nécessaire à l'examen usuel sans perdre la faculté de renoncer à la conclusion du contrat. Cette règle contribue à déterminer la portée du droit de l'acheteur. | null | nan | fr | 1,964 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
1972c9eb-da16-4e9e-b5c6-b10e48b249e6 | Urteilskopf
140 III 315
48. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit civil dans la cause A. et B. contre C. (recours en matière civile)
4A_68/2014 du 16 juin 2014 | Regeste
Verfahren des Rechtsschutzes in klaren Fällen (
Art. 257 ZPO
).
Das Verfahren in klaren Fällen nach
Art. 257 ZPO
kann nicht mit einer Abweisung des klägerischen Anspruchs mit materieller Rechtskraftwirkung abgeschlossen werden. Wenn dieses Verfahren dem Kläger nicht erlaubt, mit seinem Antrag durchzudringen, ist auf sein Gesuch nicht einzutreten (E. 5). | Sachverhalt
ab Seite 315
BGE 140 III 315 S. 315
A.
Par contrat du 5 mai 2008, A. et B. ont remis à bail à C. un appartement de trois pièces au 1
er
étage, avec cave (et une place de parc extérieure), dans l'immeuble sis route x à X. (VD), immeuble dont ils sont copropriétaires; le bail, conclu à partir du 1
er
avril 2008 pour une durée d'un an, est renouvelable d'année en année, sauf résiliation
,
et prévoit le versement d'un loyer mensuel net de 1'350 fr., plus un acompte mensuel de charges de 150 fr., soit de 1'500 fr. au total.
Depuis le mois d'août 2012 au moins, l'appartement est également occupé par l'amie de C., D.
BGE 140 III 315 S. 316
B.
B.a
Le loyer de novembre 2012 n'a pas été payé à temps par le locataire.
Par lettre du 27 novembre 2012, le locataire et son amie ont demandé aux bailleurs de leur transmettre une copie du contrat de bail, exposant que le Centre social intercommunal, qui était censé les aider en attendant la perception de leurs indemnités de chômage, avait besoin de cette pièce pour débloquer l'argent nécessaire au paiement du loyer.
Le loyer du mois de décembre 2012 n'a pas non plus été payé à temps par le locataire.
B.b
Le 3 décembre 2012, les bailleurs ont mis en demeure le locataire de s'acquitter dans les 30 jours du montant de 3'000 fr. correspondant aux loyers et charges des mois de novembre et décembre 2012; la sommation indiquait qu'à défaut de paiement dans le délai imparti, le bail serait résilié conformément à l'
art. 257d CO
.
Le 13 décembre 2012, la Direction des affaires sociales et familiales de la Commune de Y. (ci-après: le service social) a versé aux bailleurs trois fois le montant de 750 fr. pour le compte de D., soit 2'250 fr. au total, avec l'indication qu'il s'agissait du versement des loyers d'août, septembre et octobre 2012 de celle-ci. Par courrier adressé au service social le 17 décembre 2012, les bailleurs ont toutefois déclaré refuser ce paiement, au motif que D. n'était pas titulaire du bail; ils ont restitué ce montant de 2'250 fr. par virement bancaire du 15 janvier 2013.
Le 18 décembre 2012, le service social a versé aux bailleurs le montant de 1'500 fr. pour le loyer de novembre 2012 de C., puis, le même jour, le montant de 750 fr. correspondant à la part de loyer de celui-ci pour le mois de décembre 2012, soit 2'250 fr. au total.
Invoquant l'
art. 257d CO
, les bailleurs ont résilié une première fois le bail le 16 janvier 2013, pour le 31 mars 2013; ils ont exposé que sur le montant de loyers de 3'000 fr. à payer, un reliquat de 1'500 fr. n'avait pas été réglé. Les locataires ont contesté le congé, estimant avoir même payé 750 fr. en trop. Cette résiliation a été déclarée nulle par la Commission de conciliation en matière de baux à loyer compétente.
Le 28 mai 2013, les bailleurs ont à nouveau résilié le bail, pour le 31 juillet 2013, sur la base de l'
art. 257d CO
, en se prévalant du même
BGE 140 III 315 S. 317
motif, à savoir que les loyers de novembre et décembre 2012 - d'un total de 3'000 fr. - n'avaient pas été entièrement payés, que le service social n'avait payé que 2'250 fr. le 18 décembre 2012, de sorte que 750 fr. sur le loyer de décembre 2012 n'avait pas été réglé dans le délai imparti par la sommation du 3 décembre 2012.
Le 17 juin 2013, le locataire a requis de la Commission de conciliation l'annulation du congé.
B.c
Le 14 août 2013, les bailleurs ont requis du Juge de paix du district de la Riviera-Pays-d'Enhaut l'expulsion de leur locataire, invoquant la protection des cas clairs de l'
art. 257 CPC
. Vu cette requête d'expulsion, la procédure d'annulation du congé déposée par le locataire le 17 juin 2013 a été suspendue.
Par ordonnance du 10 octobre 2013, la Juge de paix a ordonné au locataire de quitter les locaux loués d'ici au jeudi 7 novembre 2013 à midi et, s'il ne devait pas le faire volontairement, a chargé l'huissier de paix de procéder, sous la responsabilité du Juge de paix, à l'exécution forcée sur requête des bailleurs.
Statuant par arrêt rendu le 10 décembre 2013, la Cour d'appel civile du Tribunal cantonal vaudois a admis l'appel du locataire et, statuant à nouveau, déclaré irrecevable la requête d'expulsion.
C.
Par arrêt du 16 juin 2014, le Tribunal fédéral a rejeté le recours en matière civile interjeté par les bailleurs.
(résumé)
Erwägungen
Extrait des considérants:
5.
Il s'impose à ce stade de l'analyse de déterminer quel doit être le sort de la requête déposée par les bailleurs.
Jusqu'ici, le Tribunal fédéral n'a pas eu à examiner si le juge qui statue sur le fond de la prétention, avec autorité de la chose jugée, peut seulement accorder la protection au demandeur, en admettant la requête de celui-ci, ou s'il peut également, au cas où la prétention se révélerait mal fondée, la rejeter.
5.1
En doctrine, la question de savoir si le juge peut rejeter la requête, avec autorité de la chose jugée, s'il l'estime mal fondée, est controversée.
Se prononcent en faveur de la possibilité de prononcer un rejet: SUTTER-SOMM/LÖTSCHER, in Kommentar zum Schweizerischen
BGE 140 III 315 S. 318
Zivilprozessordnung (ZPO), Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger (éd.), 2
e
éd. 2013, n
os
23 ss ad
art. 257 CPC
; SUTTER-SOMM, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 2
e
éd. 2012, n. 1198 ss; LEUENBERGER/UFFER-TOBLER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 2010, n. 11.182; GASSER/RICKLI, Schweizerische Zivilprozessordnung (ZPO), Kurzkommentar, 2010, n° 8 ad
art. 257 CPC
; GÖKSU, in Schweizerische Zivilprozessordnung (ZPO), Brunner/Gasser/Schwander (éd.), 2011, n° 24 ad
art. 257 CPC
; KOSLAR, in Schweizerische Zivilprozessordnung (ZPO), Baker & McKenzie (éd.), 2010, n° 18 ad
art. 257 CPC
; HOHL, Procédure civile, tome II, 2010, n. 1680.
Estiment, en revanche, que le juge ne peut que prononcer l'irrecevabilité si la requête du demandeur est clairement mal fondée: MEIER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 2010, ch. 8.1 p. 373; GÜNGERICH, in Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2012, n° 21 ad
art. 257 CPC
; TREZZINI, in Commentario al Codice di diritto processuale civile svizzero (CPC) del 19 dicembre 2008, 2011, p. 1144 ch. 4B ad
art. 257 CPC
; STAEHELIN ET AL., Zivilprozessrecht, 2
e
éd. 2013, § 21 n. 58; LEUPOLD, Der Rechtsschutz in klaren Fällen nach der neuen Schweizerischen Zivilprozessordnung, in Der Weg zum Recht, 2008, p. 65 ss, 70 et 76; BOHNET, in CPC, Code de procédure civile commenté, 2011, n° 24 ad
art. 257 CPC
; HOFMANN/LÜSCHER, Le Code de procédure civile, 2009, p. 166; HOFMANN, in Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2
e
éd. 2013, n° 26 ad
art. 257 CPC
; JENT-SØRENSEN, in ZPO, Oberhammer/Domej/Haas (éd.), 2
e
éd. 2014, n° 14 ad
art. 257 CPC
).
5.2
5.2.1
La loi s'interprète en premier lieu selon sa lettre (interprétation littérale). Si le texte n'est pas absolument clair, si plusieurs interprétations de celui-ci sont possibles, le juge recherchera la véritable portée de la norme au regard notamment de la volonté du législateur telle qu'elle ressort notamment des travaux préparatoires (interprétation historique), du but de la règle, de son esprit, ainsi que des valeurs sur lesquelles elle repose, singulièrement de l'intérêt protégé (interprétation téléologique) ou encore de sa relation avec d'autres dispositions légales (interprétation systématique) (
ATF 138 III 166
consid. 3.2;
ATF 136 III 283
consid. 2.3.1;
ATF 135 III 640
consid. 2.3.1). Lorsqu'il est appelé à interpréter une loi, le Tribunal fédéral adopte une position pragmatique en suivant ces différentes interprétations, sans les soumettre à un ordre de priorité (
ATF 137 III 344
consid. 5.1;
ATF 133 III 257
consid. 2.4;
ATF 131 III 623
consid. 2.4.4 et les références).
BGE 140 III 315 S. 319
5.2.2
Le texte de l'
art. 257 CPC
ne donne pas de réponse limpide à la question de savoir si le juge peut rendre un jugement de rejet, ayant l'autorité de la chose jugée. Selon le texte allemand de l'
art. 257 al. 3 CPC
, si la protection ne peut pas être accordée, le tribunal n'entre pas en matière sur la requête ("Kann dieser Rechtsschutz nicht gewährt werden, so tritt das Gericht auf das Gesuch nicht ein" qualifié d'équivoque par SUTTER-SOMM, op. cit., n. 1200). En revanche, les textes français et italien ne prévoient la conséquence de la non-entrée en matière que si les conditions de l'
art. 257 al. 1 CPC
ne sont pas remplies ("Le tribunal n'entre pas en matière sur la requête lorsque cette procédure ne peut pas être appliquée"; "Se non sono date le condizioni per ottenere la tutela giurisdizionale in procedura sommaria, il giudice non entra nel merito"). Il y a donc lieu de recourir aux autres modes d'interprétation de la loi, en particulier à l'interprétation historique, rien ne pouvant être déduit d'une interprétation systématique ou téléologique de cette disposition.
L'avant-projet de la commission d'experts de juin 2003 contenait deux dispositions pour régler cette procédure de "protection rapide dans les cas clairs" (art. 266 et 267 AP-CPC); l'art. 267 al. 3 AP-CPC prévoyait que "s'agissant de la force de chose jugée, une décision sur le fond a les effets d'une décision rendue en procédure ordinaire". Selon le rapport explicatif accompagnant cet avant-projet, il en résultait que "le rejet matériel de la requête est également pourvu de l'autorité de la chose jugée: il intervient lorsqu'il est manifeste que la prétention invoquée n'a pas lieu d'être (p. ex. lorsque le défendeur peut produire la quittance d'un paiement); le rejet de la requête doit toutefois être clairement distingué de la non-entrée en matière selon l'alinéa 2" (cf. Rapport accompagnant l'avant-projet de la commission d'experts, juin 2003, p. 128 ad art. 267). Le texte de l'art. 267 al. 2 AP-CPC correspond désormais, mis à part quelques nuances rédactionnelles, à l'
art. 257 al. 3 CPC
. Ces deux dispositions (art. 266 et 267 AP-CPC) ont été critiquées au cours de la procédure de consultation.
Par la suite, le Conseil fédéral a soumis au Parlement son Message du 28 juin 2006 relatif au code de procédure civile suisse (CPC), dont le texte ne prévoit plus qu'une seule disposition (art. 253) pour régler cette procédure de "protection dans les cas clairs". Le Message indique que "le rejet de la requête avec autorité matérielle de chose jugée aurait constitué une conséquence inéquitable, ce qui a
BGE 140 III 315 S. 320
été signalé à juste titre lors de la procédure de consultation" (FF 2006 6960 ch. 5.18 ad art. 253).
S'il a été déduit de cette phrase que le Conseil fédéral était d'avis qu'une requête ne pouvait pas être rejetée (STAEHELIN ET AL., op. cit., § 21 n. 58; HOFMANN, op. cit., n° 26 ad
art. 257 CPC
; LEUENBERGER/UFFER-TOBLER, op. cit., n. 11.182), il en a aussi été tiré que le Conseil fédéral ne s'est pas exprimé sur la question de la prétention mal fondée, mais uniquement sur la conséquence à attacher au fait que les conditions de la protection rapide ne sont pas données, soit l'irrecevabilité de la requête, et non le rejet de celle-ci (SUTTER-SOMM/LÖTSCHER, op. cit., n
os
27 et 31 ad
art. 257 CPC
). Cette dernière lecture du Message n'emporte toutefois pas la conviction, au vu des résultats de la procédure de consultation et de la modification de l'avant-projet qui en est résulté.
Au cours des débats parlementaires, la question d'un rejet matériel n'a pas été spécialement évoquée.
5.2.3
A considérer les travaux préparatoires et le texte allemand de l'
art. 257 al. 3 CPC
, il y a lieu d'admettre que le législateur a entendu exclure que la procédure de protection dans les cas clairs puisse aboutir à un rejet de la prétention du demandeur avec autorité de la chose jugée.
5.3
Par conséquent, bien que le cas soit clair, puisque la procédure de protection dans les cas clairs de l'
art. 257 CPC
ne permet pas aux requérants d'obtenir gain de cause, c'est à raison que la cour cantonale a prononcé l'irrecevabilité de la requête des bailleurs. | null | nan | fr | 2,014 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
19737362-0b91-48a0-9567-97a1f55367e6 | Urteilskopf
92 I 162
27. Urteil vom 1. April 1966 i.S. Lebensmittelverein Zürich und Mitbeteiligte gegen Stadt Zürich. | Regeste
Gebühren für die Untersuchung des in eine Gemeinde eingeführten Fleisches (Nachfleischschau).
1. Zulässigkeit der verwaltungsrechtlichen Klage nach
Art. 111 lit. a OG
(Erw. 1-3).
2. Begriff des Bundesrechts im Sinne dieser Bestimmung (Erw. 4).
3. Ist nach dem Bundesgesetz betreffend den Verkehr mit Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen die Lebensmittelkontrolle in der Regel unentgeltlich? Frage offen gelassen (Erw. 5).
4. Nach Art. 8 Abs. 1 dieses Gesetzes dürfen für die Nachfleischschau jedenfalls in Gemeinden, in denen sie ähnlich wie die ordentliche Fleischschau (Untersuchung der Schlachttiere) durchgeführt wird, Gebühren erhoben werden. Das Bundesrecht (Art. 100 Abs. 2 eidg. Fleischschauverordnung) beschränkt nur die Höhe dieser Gebühren (Erw. 6, 7). | Sachverhalt
ab Seite 163
BGE 92 I 162 S. 163
A.-
1) Das Bundesgesetz betreffend den Verkehr mit Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen vom 8. Dezember 1905 (LMG) bestimmt in
ART. 7:
"In jeder Gemeinde ist eine ständige Fleischschau einzurichten. Der nämliche Fleischschauer kann für mehrere benachbarte Gemeinden ernannt werden.
Die Fleischschau soll, wenn möglich, einem patentierten Tierarzte übertragen werden. Jedem Fleischschauer ist ein Stellvertreter beizugeben.
Der Fleischschau ist jedes Schlachttier unterworfen, dessen Fleisch zum Verkauf bestimmt ist oder in Wirtschaften, Kostgebereien und Pensionen verwendet werden soll.
Wenn kranke Tiere geschlachtet werden, soll in jedem Fall eine Fleischschau stattfinden.
Die Kantone sind befugt, die Fleischschau auf alles zum Genuss bestimmte Fleisch auszudehnen.
Die örtlichen Gesundheitsbehörden sorgen für eine regelmässige Aufsicht über Fleisch- und Wurstwaren, Geflügel, Fische, Wildbret u. dgl., welche eingeführt oder feilgeboten werden.
Der Bundesrat wird auf dem Verordnungswege nähere Bestimmungen über das Schlachten und die Fleischschau, sowie über die Untersuchung der Fleisch- und Wurstwaren, Geflügel, Fische, Wildbret u. dgl. aufstellen."
ART. 8:
"Für die von den Untersuchungsanstalten ausgeführten Untersuchungen und für die Fleischschau gelten die von den Kantonen oder Gemeinden aufgestellten Tarife. Die Tarife der Untersuchungsanstalten sind der Genehmigung des Bundesrates zu unterbreiten.
Die Untersuchung der von den Aufsichtsorganen amtlich übermittelten Proben geschieht unentgeltlich, unter Vorbehalt der Art. 19 und 48."
BGE 92 I 162 S. 164
2) Am 29. Januar 1909 erliess der Bundesrat in Ausführung der
Art. 7 und 54 LMG
eine Verordnung betreffend das Schlachten, die Fleischschau und den Verkehr mit Fleisch und Fleischwaren. Art. 54 Abs. 1 dieser Verordnung lautet: "Fleisch und Fleischwaren können bei ihrer Einfuhr in eine Gemeinde der obligatorischen Fleischschau unterworfen werden." Art. 10 Abs. 1 sieht vor, dass die Taxen für das Schlachten und die Fleischschau durch ein von der Gemeindebehörde zu erlassendes Reglement, das der Genehmigung der Kantonsregierung unterliegt, bestimmt werden.
Diese Verordnung ersetzte der Bundesrat durch die eidgenössische Fleischschauverordnung vom 26. August 1938. Darin wird unterschieden zwischen der "Fleischschau", welcher Schlachttiere in lebendem oder "frischgeschlachtetem" Zustande unterliegen, und der "Nachfleischschau", welcher Fleisch und Fleischwaren bei der Einfuhr in eine Gemeinde unterzogen werden. Nach Art. 93 Abs. 1 kann die Nachfleischschau obligatorisch erklärt werden. Abs. 2 daselbst bestimmt, dass die von der Gemeinde festzusetzenden und von der Kantonsregierung zu genehmigenden Gebühren für die Nachfleischschau niedriger als die für die betreffende Gemeinde geltenden ordentlichen Schlacht- und Fleischschaugebühren zusammen sein müssen.
Die geltende eidgenössische Fleischschauverordnung vom 11. Oktober 1957, durch welche die Verordnung vom 26. August 1938 aufgehoben wurde, hält die Unterscheidung zwischen "Fleischschau" und "Nachfleischschau" aufrecht. Sie ermächtigt in Art. 100 Abs. 1 die Kantone wiederum, grundsätzlich alle Sendungen von Fleisch und Fleischwaren bei der Einfuhr in eine Gemeinde der Nachfleischschau zu unterstellen. Hinsichtlich der Gebühren dafür übernimmt und ergänzt Art. 100 Abs. 2 die im früheren Art. 93 Abs. 2 getroffene Ordnung.
3) Der Regierungsrat des Kantons Zürich schrieb in § 35 der kantonalen Fleischschauverordnung vom 14. Januar 1960 die Nachfleischschau vor. Der (am 10. Februar 1934 revidierte) Art. 85 der Schlachthofordnung der Stadt Zürich vom 23. Juni 1909 enthält eine entsprechende Bestimmung. Die Gebührenordnung des Schlachthofes der Stadt Zürich sieht eine Schlachtgebühr von 7 Rp. je kg vor, in welcher die Fleischschaugebühr inbegriffen ist (Buchstabe E Ziff. 1 und 2, Buchstabe G Ziff. 1). Die Gebühren für die Nachfleischschau in den Kontrollstationen
BGE 92 I 162 S. 165
(Eilgutbahnhof, Schlachthof usw.) setzt sie für verschiedene Fleischsorten und Fleischwaren auf 6 Rp., für Dauerfleischwaren auf 4 Rp. und für Därme auf 1 Rp. je kg fest (Buchstabe G Ziff. 3). Dazu kommen Gebühren für auszustellende Zeugnisse und eine Taxe von Fr. 5.- je Gang für die Kontrolle von Einfuhrsendungen in den Geschäftsräumen des Empfängers (Buchstabe G Ziff. 5 und 6).
B.-
Am 4. Mai 1960 belastete der Vorstand des Gesundheits- und Wirtschaftsamtes der Stadt Zürich die Genossenschaft Migros Zürich, die Import- und Grosshandels AG Zürich, den Konsumverein Zürich und den Lebensmittelverein Zürich mit Nachfleischschaugebühren für den Monat Januar bzw. Februar 1960. Die Einsprachen der vier Firmen wurden vom Stadtrat abgewiesen. Im Rekursverfahren bestätigte der Statthalter des Bezirkes Zürich diesen Entscheid. Dagegen hiess der Regierungsrat des Kantons Zürich die Rekurse der vier Firmen gut; er nahm an, die Erhebung von Nachfleischschaugebühren sei im LMG nicht vorgesehen und daher unzulässig (Entscheid vom 25. Februar 1965). Hiegegen erhob die Stadt Zürich Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht, Verwaltungsbeschwerde beim Bundesrat und Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Zürich.
Das Bundesgericht trat, nachdem es einen Meinungsaustausch mit dem Bundesrat über die Kompetenzfrage durchgeführt hatte, auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht ein, weil sie nicht eine bundesrechtliche, sondern eine kommunale Abgabe betreffe; es nahm sie auch nicht als staatsrechtliche Beschwerde entgegen, schon deshalb nicht, weil die Stadt Zürich hiezu nicht legitimiert gewesen wäre (Urteil vom 7. Mai 1965). Der Bundesrat erklärte, die Weiterbehandlung der Angelegenheit nach Vorliegen eines allfälligen Entscheids des kantonalen Verwaltungsgerichts falle in seine ausschliessliche Zuständigkeit. Das Zürcher Verwaltungsgericht hiess die bei ihm eingereichte Beschwerde teilweise gut, indem es die Gebührenpflicht grundsätzlich bejahte und die Sache zur Prüfung der Höhe der Gebühren an den Regierungsrat zurückwies (Urteil vom 26. August 1965).
C.-
Mit verwaltungsrechtlicher Klage vom 27. Dezember 1965 gegen die Stadt Zürich beantragen die vier Firmen dem Bundesgericht gestützt auf Art. 1111it. a OG, es sei festzustellen, dass die Erhebung der in der Gebührenordnung des
BGE 92 I 162 S. 166
städtischen Schlachthofes für die Nachfleischschau vorgesehenen Gebühren unzulässig sei, und die Beklagte sei zu verpflichten, den Klägern die seit Januar 1960 erhobenen Gebühren nebst 3% Zins zurückzuzahlen.
Es wird geltend gemacht, das LMG sehe grundsätzlich von der Erhebung von Gebühren für die Lebensmittelkontrolle ab, mit wenigen Ausnahmen, zu denen die Nachfleischschau im Gegensatz zur gewöhnlichen Fleischschau nicht gehöre; es schliesse demnach aus, dass für die Nachfleischschau Gebühren berechnet werden. Art. 100 Abs. 2 der eidgenössischen Fleischschauverordnung widerspreche diesem Verbot und sei daher nichtig.
D.-
Die Stadt Zürich beantragt, auf die Klage nicht einzutreten, eventuell sie abzuweisen.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Nach
Art. 111 lit. a OG
beurteilt das Bundesgericht als einzige Instanz Anstände über eine durch das Bundesrecht vorgesehene Befreiung von kantonalen Abgaben oder Beschränkung kantonaler Abgaben. Ob eine Klage einen solchen Anstand betrifft, ist nach ihrem Gegenstand zu beurteilen, der durch das gestellte Rechtsbegehren und dessen Begründung bestimmt wird.
Die vorliegende Klage wird ausdrücklich auf Art. 1111it. a OG gestützt und ist auf Feststellung gerichtet, dass die Erhebung der in der Gebührenordnung des Schlachthofes der Beklagten für die Nachfleischschau festgelegten Gebühren unzulässig sei. Diese Gebühren stellen ein Entgelt für die Inanspruchnahme von Einrichtungen der Stadtgemeinde Zürich dar; sie werden von der Stadt erhoben und fliessen in ihre Kasse. Sie sind daher kantonale Abgaben im Sinne von
Art. 111 lit. a OG
; denn "kantonal" steht hier im Gegensatz zu "bundesrechtlich" und umfasst auch von Gemeinden erhobene Abgaben. Die Unzulässigkeit der in der Stadt Zürich erhobenen Nachfleischschaugebühren wird von den Klägern damit begründet, dass das LMG grundsätzlich von der Erhebung von Gebühren für die Lebensmittelkontrolle absehe - mit bestimmten Ausnahmen, zu denen die Nachfleischschau nicht gehöre - und daher die Berechnung von Gebühren für alle nicht als Ausnahme genannten Lebensmittelkontrollen verbiete. Damit machen die
BGE 92 I 162 S. 167
Kläger eine bundesrechtliche Befreiung von kantonalen Abgaben geltend. Auf die Klage ist einzutreten.
2.
Die Beklagte wendet gegen die Zulässigkeit der Klage ein, dass eine bundesrechtliche Befreiung von kantonalen Abgaben nur durch eine ausdrückliche Bestimmung vorgesehen, nicht aber aus einem "qualifizierten Schweigen" oder aus einer Lücke des Gesetzes hergeleitet werden könne. Dieser Einwand betrifft indessen nicht die Eintretensfrage, sondern die Sache selbst. Da die Kläger behaupten, das LMG verbiete - sei es auch nur implicite, durch Nichtaufführung unter den Ausnahmen - die Erhebung von Nachfleischschaugebühren, und die Beklagte ein solches Verbot bestreitet, liegt ein Anstand über eine bundesrechtlich vorgesehene Befreiung von kantonalen Abgaben vor. Ob das Bundesrecht die von den Klägern behauptete Befreiung wirklich vorsieht oder nicht, ist eine materielle Frage.
Ebenso verhält es sich mit dem weiteren Einwand der Beklagten, die Erhebung der Nachfleischschaugebühren könne nicht gegen Bundesrecht verstossen, weil sie in Art. 100 der eidgenössischen Fleischschauverordnung ausdrücklich vorgesehen sei. Die Kläger machen eben geltend, diese Vorschrift der vom Bundesrat erlassenen Verordnung widerspreche dem im LMG enthaltenen Verbot und sei deshalb nichtig. In der Tat kann die Erhebung von Gebühren für die Nachfleischschau nicht durch eine Verordnung des Bundesrates eingeführt werden, wenn sie durch ein Bundesgesetz ausgeschlossen wird. Auch hier geht es um die materielle Frage, ob sich aus dem Bundesrecht eine Befreiung von den streitigen Abgaben herleiten lässt, und nicht um eine Voraussetzung für die Zulässigkeit der Klage.
3.
Die Beklagte weist ferner darauf hin, dass im seinerzeit durchgeführten Meinungsaustausche sowohl der Bundesrat als auch das Bundesgericht nicht diese, sondern jene Behörde als zuständig erachtet hätten. Dort wurde jedoch ausschliesslich die Zuständigkeit zur Beurteilung der von der Stadt Zürich gegen den Entscheid des Regierungsrates erhobenen Beschwerden erörtert. Das Bundesgericht trat auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht ein, weil sie nicht eine bundesrechtliche Abgabe betraf, und nahm sie auch nicht als staatsrechtliche Beschwerde entgegen, weil die Stadt Zürich dazu nicht legitimiert gewesen wäre. Auch der Bundesrat prüfte die Kompetenzfrage
BGE 92 I 162 S. 168
damals nur im Hinblick auf die anhängigen Beschwerden, ohne die Möglichkeit einer verwaltungsrechtlichen Klage nach
Art. 111 lit. a OG
zu berücksichtigen. Eine solche Klage lag damals nicht vor und kam auch gar nicht in Frage, da ja der Regierungsrat die Zulässigkeit der streitigen Gebühren verneint hatte. Erst nachdem im Gegensatz zu ihm das Zürcher Verwaltungsgericht ihre Zulässigkeit bejaht hatte, stellte sich die Frage, ob das Bundesrecht eine Befreiung davon vorsehe. Diese Frage ist nach
Art. 111 lit. a OG
vom Bundesgericht als einziger Instanz zu beurteilen.
Daran ändert es nichts, dass die Stadt Zürich gegen den Entscheid des Regierungsrates auch Verwaltungsbeschwerde beim Bundesrat erhoben hat. Allerdings ist diese Beschwerde, wie es scheint, noch beim Bundesrat hängig, obwohl das kantonale Verwaltungsgericht die Sache an den Regierungsrat zur Überprüfung der Höhe der Gebühren zurückgewiesen hat. Der Bundesrat könnte nach der Auffassung des kantonalen Verwaltungsgerichts noch mit der Beurteilung dieser Frage befasst werden. Indessen ist nach
Art. 126 lit. a OG
die Beschwerde an den Bundesrat unzulässig, wenn das Bundesgericht zuständig ist. Da die Beurteilung der vorliegenden Klage in die Zuständigkeit des Bundesgerichts nach
Art. 111 lit. a OG
fällt, kann somit der Bundesrat nicht über Fragen entscheiden, über welche im Rahmen dieser Vorschrift das Gericht zu befinden hat.
4.
Das Bundesgericht hat im gegenwärtigen Verfahren einzig zu untersuchen, ob die Kläger im Sinne von
Art. 111 lit. a OG
kraft Bundesrechts ganz oder teilweise von den Gebühren, welche die Stadt Zürich von ihnen für die Nachfleischschau fordert, befreit seien. Es hat sich in diesem Verfahren mit der vom kantonalen Verwaltungsgericht geprüften Frage, ob für die Einforderung dieser Gebühren eine genügende Grundlage in der kantonalen Gesetzgebung bestehe, nicht zu befassen. Obwohl das Erfordernis einer solchen Grundlage aus dem eidgenössischen Verfassungsrecht abzuleiten ist und der Erhebung von Abgaben durch Kantone und Gemeinden eine Schranke setzt, gehört es nicht zum Bundesrecht gemäss
Art. 111 lit. a OG
. Es ist nicht der Sinn dieser Vorschrift, dass die verwaltungsrechtliche Klage in allen Fällen zulässig ist, in denen behauptet wird, dass eine kantonale oder kommunale Abgabe der gesetzlichen Grundlage entbehre.
BGE 92 I 162 S. 169
5.
Das LMG soll die Konsumenten vor Gesundheitsschädigung und vor Ausbeutung sowie die Produzenten und Händler vor unredlicher Konkurrenz bewahren (BBl 1899 I S. 615). Es will also nicht bloss einen beschränkten Personenkreis, sondern die Allgemeinheit schützen; es verfolgt allgemeine polizeiliche Zwecke. Behördliche Massnahmen, die ein solches Gesetz vorsieht, sind normalerweise gebührenfrei. Die Gebühr ist ein Entgelt für eine bestimmte, vom Pflichtigen veranlasste Amtshandlung oder für die Benützung einer öffentlichen Anstalt (
BGE 90 I 81
und 93). Für polizeiliche Massnahmen, die von Amtes wegen im Interesse des gesamten Publikums zu treffen sind, werden Gebühren im allgemeinen nicht erhoben. Dem Charakter des LMG würde es somit entsprechen, dass die Lebensmittelkontrolle im Grundsatz der Gebührenpflicht nicht unterworfen ist, soweit sie - ausschliesslich oder jedenfalls in erster Linie - dem Interesse der Allgemeinheit dient.
In der Tat bestimmt
Art. 8 Abs. 2 LMG
, dass die Untersuchung der von den Aufsichtsorganen amtlich übermittelten Proben in der Regel unentgeltlich zu besorgen ist, was damit begründet wird, dass diese Kontrolle "im Interesse des Publikums und nicht oder nur indirekt in dem des Verkäufers" ausgeübt wird (BBl 1899 I S. 620 oben). Die Untersuchung der Proben verursacht erhebliche Kosten, da sie von wissenschaftlich geschulten Fachleuten in Laboratorien, die mit teuren Einrichtungen ausgestattet sind, vorgenommen wird. Daraus, dass das Gesetz diese Kontrolle gebührenfrei erklärt, könnte geschlossen werden, dass es jedenfalls in der Regel andere Massnahmen der Lebensmittelkontrolle, die meist weniger kostspielig sein werden, erst recht von der Gebührenpflicht befreien will (vgl. BURCKHARDT, Schweiz. Bundesrecht Bd. III Nr. 1232/I und III). Wäre somit davon auszugehen, dass nach einem dem LMG zugrunde liegenden Leitgedanken die Lebensmittelkontrolle im allgemeinen unentgeltlich ist, so wäre anzunehmen, dass einzig ein Bundesgesetz Ausnahmen hievon zulassen kann.
Wie es sich damit verhält, kann indessen offen gelassen werden, wenn sich dem LMG selbst eine positive Grundlage für die Erhebung von Gebühren für die Nachfleischschau entnehmen lässt. Dann braucht auch die von den Parteien erörterte Frage, ob eine bundesrechtliche Befreiung von kantonalen
BGE 92 I 162 S. 170
Abgaben aus einem "qualifizierten Schweigen" oder aus einer Lücke des Gesetzes hergeleitet werden könnte, nicht entschieden zu werden.
Eine bundesrechtliche Ordnung, welche eine Befreiung von Gebühren für die Nachfleischschau vorsähe, könnte auf jeden Fall nur im LMG selbst enthalten sein. Die eidgenössische Fleischschauverordnung vom 11. Oktober 1957 ermächtigt ja in Art. 100 die Gemeinden ausdrücklich, Gebühren für die Nachfleischschau zu erheben. Diese Bestimmung wäre ungültig, wenn nach dem LMG die Nachfleischschau von der Gebührenpflicht ausgenommen wäre.
6.
Art. 8 Abs. 1 LMG
erklärt für die Fleischschau die von den Kantonen oder Gemeinden aufgestellten Tarife als massgebend, ermächtigt also die Kantone und Gemeinden, hiefür Gebühren zu berechnen. Der Ausdruck "Nachfleischschau" wird weder in dieser noch in anderen Bestimmungen des LMG verwendet; er findet sich auch in der bundesrätlichen Verordnung vom 29. Januar 1909 noch nicht, sondern erst in denjenigen vom 26. August 1938 und 11. Oktober 1957. Indessen ist die jetzt so bezeichnete Kontrolle von Fleisch und Fleischwaren bei der Einfuhr in eine Gemeinde doch schon im LMG vorgesehen. Es bestimmt in Art. 7 nicht nur, dass jedes Schlachttier, dessen Fleisch zum Genuss in Verkehr gebracht werden soll, der Fleischschau unterworfen ist (Abs. 3 und 4), sondern auch, dass die Kantone befugt sind, die Fleischschau auf alles zum Genuss bestimmte Fleisch auszudehnen (Abs. 5), und dass die örtlichen Gesundheitsbehörden für eine regelmässige Aufsicht über eingeführte Fleisch- und Wurstwaren usw. sorgen (Abs. 6). Das heisst offenbar, dass auch Fleisch und Fleischwaren, die in eine Gemeinde zum Genuss eingeführt werden, dort der Fleischschau unterstellt werden können, wie dies Art. 54 der bundesrätlichen Verordnung vom 29. Januar 1909 ausdrücklich bestimmte. Daraus kann geschlossen werden, dass
Art. 8 Abs. 1 LMG
die Kantone und Gemeinden auch zur Erhebung von Gebühren für die nun "Nachfleischschau" genannte Art der Fleischschau ermächtigt. Tatsächlich wurden hiefür von jeher Gebühren berechnet.
Allerdings unterscheiden sich die ordentliche Fleischschau (Untersuchung von Schlachttieren) und die Nachfleischschau in gewissen Beziehungen voneinander. Jene erfasst Schlachttiere in lebendem oder "frischgeschlachtetem" Zustande, diese
BGE 92 I 162 S. 171
eingeführtes Fleisch von Tieren, die bereits vor mehr oder weniger langer Zeit geschlachtet und am Ort der Schlachtung der ordentlichen Fleischschau unterworfen worden sind. Zudem ist die Untersuchung der Schlachttiere von Bundesrechts wegen obligatorisch in dem Sinne, dass die Tiere auf jeden Fall in "frischgeschlachtetem" Zustande untersucht werden müssen (Art. 45 eidg. Fleischschauverordnung). Der Fleischschauer vergewissert sich, dass für das Tier ein Gesundheitsschein vorliegt, und prüft den Zustand des Tieres oder des frischen Fleisches; nötigenfalls wird noch eine eingehende Untersuchung im Laboratorium durchgeführt. Dagegen lässt das Bundesrecht den Kantonen hinsichtlich der Nachfleischschau eine weitgehende Freiheit. Die eidgenössische Fleischschauverordnung stellt ihnen anheim, dieses Verfahren einzuführen oder davon abzusehen. Sie überlässt es ihnen, ob sie die Nachfleischschau für alle oder nur für bestimmte Gemeinden vorschreiben wollen. Die Kantone können nach der Verordnung bestimmen, dass in gewissen Gemeinden jede Einfuhrsendung dem Fleischschauer zur Untersuchung vorzuweisen ist; sie können auch anordnen, dass in anderen Gemeinden die Sendungen beim Fleischschauer lediglich zur stichprobeweisen Untersuchung in den Räumlichkeiten der Warenbezüger anzumelden sind (FRITSCHI/RIEDI, Kommentar zur eidg. Fleischschauverordnung, S. 158).
Indessen ist zu beachten, wie die Nachfleischschau in der Stadt Zürich durchgeführt wird. Der Regierungsrat des Kantons Zürich hat in § 35 der kantonalen Fleischschauverordnung vom 14. Januar 1960 die Nachfleischschau für alle Gemeinden obligatorisch erklärt, wobei er den Gemeinden freigestellt hat, besondere Kontrollstationen einzurichten, in denen die Einfuhrsendungen zur Untersuchung vorzuweisen sind, oder statt dessen eine regelmässige Kontrolle der Sendungen in den Betrieben der Empfänger anzuordnen. In der Stadt Zürich sind nach Art. 85 der städtischen Schlachthofordnung alle Fleisch- und Fleischwarensendungen bei ihrer Einfuhr der obligatorischen Untersuchung in Kontrollstationen (Schlachthof, Eilgutbahnhof) unterstellt; nur ausnahmweise, auf besonderen Wunsch eines Empfängers, wird die Kontrolle in seinen eigenen Geschäftsräumen vorgenommen. Die Fleischschauer - patentierte Tierärzte - kontrollieren die Fleischschauzeugnisse oder Begleitscheine, prüfen die Ware und lassen sie nötigenfalls im Laboratorium des Schlachthofes näher untersuchen.
BGE 92 I 162 S. 172
Demnach ist jedenfalls in der Stadt Zürich die Nachfleischschau ganz ähnlich wie die ordentliche Fleischschau gestaltet. In der Tat sind dort beide Kontrollarten obligatorisch, werden von beamteten Tierärzten ausgeübt und bestehen darin, dass Dokumente geprüft, der Zustand der Ware untersucht und gegebenenfalls Analysen im Laboratorium vorgenommen werden. Die Ähnlichkeiten überwiegen gegenüber den Unterschieden. Daher muss angenommen werden, dass die Nachfleischschau zum mindesten in der Form, wie sie in der Stadt Zürich durchgeführt wird, unter den Begriff der Fleischschau im Sinne des LMG fällt und deshalb nach Art. 8 Abs. 1 daselbst auch der Gebührenpflicht unterstellt werden darf.
Die Kläger verstehen unter der Nachfleischschau nur die "grobsinnliche" Untersuchung des eingeführten Fleisches, nicht auch die nähere Prüfung, der es nötigenfalls im Laboratorium unterzogen wird. Sie führen aus, für diese nähere Prüfung könne nach
Art. 8 Abs. 1 LMG
allerdings eine Gebühr erhoben werden, da sie zu den dort erwähnten "von den Untersuchungsanstalten ausgeführten Untersuchungen" gehöre; dagegen schliesse das Gesetz die Erhebung von Gebühren für die "grobsinnliche" Prüfung des eingeführten Fleisches aus. Dieser Unterscheidung kann jedoch nicht zugestimmt werden. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass die ordentliche Fleischschau (Kontrolle der Schlachttiere) nicht nur die oberflächliche Prüfung, sondern auch die gegebenenfalls vorgenommene ergänzende Untersuchung im Laboratorium umfasst. Es besteht aber kein Grund, den Begriff der Nachfleischschau enger zu fassen, wenn sie, wie in der Stadt Zürich, ähnlich wie die ordentliche Fleischschau durchgeführt wird. Jedenfalls für die so gestaltete Nachfleischschau dürfen nach
Art. 8 Abs. 1 LMG
ebenfalls Gebühren verlangt werden, und zwar auch in Fällen, in denen eine eingehende Untersuchung im Laboratorium nicht erforderlich ist und daher unterbleibt.
Die Auffassung der Kläger, dass das Bundesrecht eine Befreiung von den streitigen Gebühren vorsehe, ist somit unbegründet.
7.
Dagegen beschränkt das Bundesrecht die Erhebung von Gebühren für die Nachfleischschau insofern, als Art. 100 Abs. 2 der eidgenössischen Fleischschauverordnung von 1957 bestimmt, dass sie niedriger als die ordentlichen Schlacht- und Fleischschaugebühren zusammen sein müssen. Indessen behaupten
BGE 92 I 162 S. 173
die Kläger nicht, dass die in der Stadt Zürich für die Nachfleischschau erhobenen Gebühren dieser Vorschrift nicht entsprechen.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Klage wird abgewiesen. | public_law | nan | de | 1,966 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
197e408b-c9ab-43d4-824b-a47aec01b1b3 | Urteilskopf
120 II 87
19. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour civile du 13 janvier 1994 dans la cause époux X. contre Département de justice et police du canton de Genève (recours de droit administratif) | Regeste
Art. 78 Abs. 1 IPRG
; Anerkennung einer ausländischen gemeinschaftlichen Adoption und Eintragung in die schweizerischen Zivilstandsregister; indirekte Zuständigkeit der ausländischen Behörden.
Eine gemeinschaftliche Adoption, die durch schweizerische Ehegatten mit Wohnsitz in der Schweiz im Heimatstaat der Ehegattin - Doppelbürgerin - durchgeführt worden ist, genügt den Voraussetzungen von Art. 78 Abs. 1 in Verbindung mit
Art. 23 Abs. 3 IPRG
. Da alle andern Bedingungen erfüllt sind, steht nichts entgegen, dass sie in der Schweiz anerkannt wird. | Sachverhalt
ab Seite 87
BGE 120 II 87 S. 87
A.-
Les époux X., de nationalité suisse, sont domiciliés en Suisse, dans le canton de Genève. Dame X. dispose de la nationalité américaine.
Le 20 février 1992, la Cour supérieure l'Etat de Washington (USA) a prononcé l'adoption par les époux X. de l'enfant M., née le 24 janvier 1992.
B.-
Par décision du 12 février 1993, le Département de justice et police du canton de Genève (ci-après: le Département) a rejeté la requête des époux X. tendant à la transcription du prononcé d'adoption dans les registres suisses de l'état civil.
C.-
Agissant en temps utile par la voie du recours de droit administratif, les époux X. demandent au Tribunal fédéral d'annuler la décision du Département et d'ordonner la transcription dans les
BGE 120 II 87 S. 88
registres suisses du prononcé d'adoption rendu le 20 février 1992 par la Cour supérieure de l'Etat de Washington, avec suite de dépens.
Le Département ainsi que l'Office fédéral de la justice proposent le rejet du recours.
Erwägungen
Extrait des considérants:
2.
Il n'existe aucun traité bi- ou multilatéral liant la Suisse aux Etats-Unis d'Amérique dans le domaine de l'adoption internationale, qu'il s'agisse de l'application du droit matériel ou de la reconnaissance et l'exécution des décisions étrangères. Partant, les conditions de la reconnaissance en Suisse de la décision d'adoption rendue aux Etats-Unis sont régies par la LDIP (RS 291).
a) En vertu de l'art. 32 al. 1 et 2 LDIP, une décision ou un acte étranger concernant l'état civil peut être transcrit, moyennant une décision de l'autorité cantonale de surveillance, lorsqu'il satisfait aux conditions générales prévues aux
art. 25 à 27
LDIP. Ces dispositions prévoient en substance qu'une décision étrangère est reconnue en Suisse pour autant que les autorités judiciaires ou administratives de l'Etat dont émane la décision étaient compétentes, que la décision n'est plus susceptible de recours ordinaire et qu'elle n'est pas manifestement incompatible avec l'ordre public suisse. L'autorité suisse saisie ne saurait procéder à un examen au fond de la décision dont la transcription est demandée (cf. VOLKEN, in: HEINI/KELLER/SIEHR/VISCHER/VOLKEN, IPRG-Kommentar, Zurich 1993, n. 16 ad art. 32 LDIP).
3.
Selon la jurisprudence, la réserve de l'ordre public est une clause d'exception, dont l'application en matière de reconnaissance et d'exécution de décisions étrangères est plus restrictive que dans le domaine de l'application directe des règles de droit. La reconnaissance de la décision étrangère constitue la règle, dont il ne faut pas s'écarter sans de bonnes raisons (cf. ATF 116 II 625 consid. 4a; ATF 109 Ib 232 consid. 2a; ATF 103 Ib 74 consid. 3d et les arrêts cités).
a) Il s'ensuit qu'en l'espèce, la reconnaissance de l'adoption prononcée aux Etats-Unis ne saurait être refusée au motif qu'étant intervenue quatre semaines seulement après la naissance de l'enfant M., elle ne tiendrait compte ni du délai - impératif en droit suisse - de six semaines pour le consentement et sa révocation, au sens de l'art. 265b al. 1 CC, ni, a fortiori, du délai de deux ans de l'art. 264 CC - impératif lui aussi, cf. ATF 111 II 230 consid. 2 - relatif à la durée des soins et de l'éducation que doivent avoir fournis à l'enfant les
BGE 120 II 87 S. 89
futurs parents adoptifs avant que puisse intervenir le prononcé d'adoption.
S'agissant des autres exigences posées par le droit civil suisse, les recourants, âgés tous deux de plus de 35 ans et mariés depuis plus de cinq ans, remplissent, en soi, les conditions d'une adoption conjointe de l'art. 264a CC.
Il n'est pas contesté, en l'espèce, que l'adoption prononcée aux Etats-Unis a la portée d'une adoption plénière, en ce sens qu'il ne subsiste plus aucun lien entre l'enfant et les parents de sang, et que l'enfant obtient le même statut que s'il était issu des recourants.
Rien dans le dossier ne permet de considérer que l'adoption en question serait préjudiciable à l'intérêt de l'enfant. Par ailleurs, presque deux ans se sont écoulés depuis le prononcé d'adoption, période à partir de laquelle l'enfant M. a vécu avec les recourants. Or, c'est à raison que BUCHER, Droit international privé suisse, vol. II, p. 249 n. 751, considère que le temps représente "un élément important de l'effet atténué de l'ordre public en matière de reconnaissance des décisions étrangères". C'est également l'avis de l'Office fédéral de la Justice (cf. circulaire de l'Office aux autorités cantonales de surveillance de l'état civil, du 15 juillet 1992, REC 1993, p 33-56).
En revanche, l'ordre public suisse s'oppose à la reconnaissance de l'adoption étrangère lorsque celle-ci a été prononcée en l'absence du consentement des parents naturels de l'enfant (cf. art. 265a al. 1 CC), ce consentement découlant du droit de la personnalité (cf. ATF 113 Ia 271 consid. 6-7; BUCHER, op.cit., p. 248 n. 751).
En l'espèce, le prononcé d'adoption ne contient pas d'informations sur les parents de sang de l'enfant adoptée ni ne mentionne leur identité. Il tend ainsi à sauvegarder le secret de l'adoption (cf. art. 265a al. 2 CC). Il ressort toutefois des pièces que l'organisme privé chargé par la Superior Court, selon les lois de l'Etat de Washington, de procéder aux investigations et aux enquêtes nécessaires, avait donné son accord à l'adoption, estimant que celle-ci était dans l'intérêt de l'enfant. Un affidavit atteste que les parents naturels avaient renoncé à leurs droits parentaux et avaient consenti à l'adoption, accompagné de la décision de la Cour approuvant et entérinant ces déclarations.
Par conséquent, l'ordre public suisse ne s'oppose pas à la requête d'inscription de l'adoption dans les registres suisses de l'état civil. Pour le surplus, le caractère définitif du prononcé d'adoption n'est pas contesté, aucun élément du dossier ne permettant par ailleurs
BGE 120 II 87 S. 90
d'affirmer que des règles essentielles de procédure auraient été méconnues (cf. art. 27 al. 2 LDIP).
4.
Reste à examiner si les autorités américaines étaient compétentes pour prononcer l'adoption de l'enfant M. Sur ce point, l'art. 78 al. 1 LDIP admet la reconnaissance en Suisse d'adoptions intervenues à l'étranger "lorsqu'elles ont été prononcées dans l'Etat du domicile ou dans l'Etat national de l'adoptant ou des époux adoptants".
En l'espèce, l'adoption a été prononcée dans un Etat qui n'est ni celui de domicile des époux adoptants, ni leur Etat national, si l'on tient compte de leur nationalité suisse commune.
a) La LDIP ne traite pas expressément du cas de double nationalité d'un époux, pas plus qu'elle ne s'exprime au sujet des cas où les époux sont, en outre, de nationalités étrangères différentes et que l'adoption est prononcée dans l'Etat d'origine de l'un d'eux. L'autorité cantonale, qui s'est ralliée à l'avis de l'autorité fédérale, qu'elle avait consultée, estime que, dans cette dernière hypothèse - qui n'est pas, toutefois, celle de l'espèce, les époux ayant une nationalité suisse commune -, la compétence étrangère devrait être reconnue en Suisse, sauf si les époux sont tous deux domiciliés en Suisse. Dans ce cas, affirme-t-elle, l'adoption prononcée dans l'autre Etat d'origine de l'un des époux adoptants ne saurait être reconnue en Suisse et cela quand bien même les époux procéderaient dans cet Etat étranger à une adoption conjointe. En effet, conformément à l'art. 23 al. 2 LDIP, lorsqu'une personne a plusieurs nationalités, celle de l'Etat avec lequel elle a les relations les plus étroites est seule retenue pour déterminer le droit applicable, à moins que la loi n'en dispose autrement. En l'espèce, conclut-elle, les recourants sont l'un et l'autre de nationalité suisse; ils sont domiciliés en Suisse; enfin, l'Etat avec lequel ils entretiennent les relations les plus étroites est celui de leur domicile, la Suisse (cf. dans ce sens, la circulaire précitée de l'Office fédéral de la Justice). Appliqués au cas d'espèce, ces critères conduisent à nier la compétence indirecte des autorités américaines.
5.
Cette opinion ne saurait être suivie. Raisonner ainsi revient à délimiter la portée de l'un des deux critères prévus à l'art. 78 al. 1 LDIP, celui de la nationalité, en faisant appel à l'autre, celui du domicile, qui lui est étranger. Les considérations complémentaires exposées dans les observations du Département fédéral de justice et police au recours ne justifient pas un autre résultat. Même si la LDIP se rattache en premier lieu au critère du domicile ou de la résidence
BGE 120 II 87 S. 91
habituelle (le rattachement alternatif au domicile ou à la nationalité étant toutefois prévu aux art. 39 - changement de nom -, 42 - déclaration d'absence ou de décès -, 65 al. 1 - divorce ou séparation de corps -, 70 - constatation ou contestation de la filiation -, 73 al. 1 et art. 74 LDIP - reconnaissance et légitimation -), rien n'indique qu'à l'art. 78 LDIP, le rattachement à la nationalité n'ait qu'une portée subsidiaire par rapport au domicile (cf. KELLER/KREN KOSTKIEWICZ, in HEINI/KELLER/SIEHR/VISCHER/VOLKEN, op.cit., n. 16 ad art. 23 LDIP).
C'est en vain que le Département fédéral de justice et police se réfère, dans ses observations au recours, à la jurisprudence du Tribunal fédéral concernant la reconnaissance d'un divorce obtenu à l'étranger par l'époux suisse et étranger, seul domicilié dans l'Etat du jugement dont il était ressortissant (cf. ATF 94 I 235; ATF 89 I 303). En effet, cette jurisprudence, antérieure à la codification du droit international privé suisse, n'avait pour but que de libéraliser une pratique antérieure et d'éviter des situations boiteuses, mais ne préjuge pas d'un cas comme le présent. Il en va de même en ce qui concerne la reconnaissance d'un divorce de deux réfugiés domiciliés en Suisse, prononcé dans l'Etat d'origine des époux à la demande d'un seul d'entre eux, sans que l'autre ne participe au procès. Cet arrêt tenait compte, en particulier, du statut de réfugiés des parties (cf. ATF 105 II 1).
Le Département fédéral de justice et police reconnaît, au demeurant, que lors de l'élaboration de la LDIP, toutes les solutions envisagées pour résoudre les cas de double nationalité ont été écartées parce qu'elles présentaient l'inconvénient d'être trop rigides. Lorsqu'il s'agit de déterminer le droit applicable et les conditions de la compétence directe du juge suisse, l'art. 23 al. 2 LDIP considère comme déterminante, le cas échéant, la nationalité avec laquelle la personne a les relations les plus étroites. L'alinéa 3 de la même disposition ne prévoit pas la même solution s'agissant de la compétence indirecte, savoir la reconnaissance d'une décision étrangère en Suisse; dans ce cas, la prise en considération d'une des nationalités de l'intéressé suffit. Aussi la doctrine s'oppose-t-elle également, dans l'hypothèse envisagée, à la prise en considération de la nationalité effective, c'est-à-dire de la nationalité de l'Etat avec lequel la personne concernée a les liens les plus étroits (cf. BUCHER, op.cit., p. 69 n. 152 et p. 248 n. 750; BUCHER, FJS no 160, qui s'inspire des règles retenues en matière d'établissement de la filiation - art. 70 et 73 al. 1 LDIP - et de la solution prévue au sujet du for
BGE 120 II 87 S. 92
d'origine - art. 76 LDIP, mais qui semble n'avoir en vue que le cas où les époux n'ont pas de nationalité (étrangère?) commune; BUCHER enfin, sans restrictions et avec une critique de la circulaire du Département fédéral de justice et police, in: L'application de la LDIP à l'état civil, REC 1993, p. 342 ss, notamment p. 351-352. Voir en outre KELLER/KREN KOSTKIEWICZ, resp. SIEHR, in: HEINI/KELLER/SIEHR/VISCHER/VOLKEN, op.cit., n. 16-17 ad art. 23 LDIP, resp. n. 6 ad art. 78 LDIP; HEGNAUER, Reconnaissance et effets d'une adoption étrangère effectuée par une femme mariée suisse et étrangère, in REC 1989, p. 381. Voir également au sujet du critère de la nationalité, toutefois dans un contexte différent, les réserves exprimées par VON OVERBECK, Anerkennung einer einfachen Adoption philippinischer Kinder durch ihren schweizerischen Stiefvater: Zu
BGE 117 II 340
, in: IPRax 1993, p. 349-351, notamment n. 12).
Au vu de ce qui précède, la décision d'adoption prononcée le 20 février 1992 par la Cour supérieure de l'Etat de Washington (USA) satisfait aux conditions de l'art. 78 al. 1 LDIP, la compétence indirecte des autorités américaines devant être admise en l'espèce. Partant, il se justifie d'admettre le recours et d'ordonner la transcription de la décision précitée dans les registres suisses de l'état civil. | public_law | nan | fr | 1,994 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
197e7f88-9cda-46c6-827d-6f92aeca6bea | Urteilskopf
124 III 149
27. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 17. März 1998 i.S. A. Immobilien AG gegen Erben B. (Berufung) | Regeste
Miete. Rechtsnatur des
Art. 260a Abs. 3 OR
.
Der Mieter kann im voraus auf eine Entschädigung für erheblichen Mehrwert verzichten (E. 4 u. 5). | Sachverhalt
ab Seite 149
BGE 124 III 149 S. 149
Die Erben B. vermieteten H. auf 1. Juli 1992 ein Ladenlokal in I. Der Mietvertrag wurde auf fünf Jahre abgeschlossen mit einer Option des Mieters für weitere drei Jahre. Das Mietobjekt, in dem vorher eine Apotheke geführt worden war, umfasste einen Laden von ungefähr 100 m2 im Erdgeschoss sowie einen Keller im Untergeschoss. H. baute zu Beginn des Mietverhältnisses die Räume um. Nach kurzer Zeit musste er indes die Insolvenzerklärung abgeben, und am 30. September 1992 wurde über ihn der Konkurs eröffnet. In diesem liess sich die A. Immobilien AG die Rechtsansprüche gegenüber den Vermietern auf Ersatz des Mehrwertes aus den Umbauten abtreten.
Die A. Immobilien AG klagte im September 1995 gegen die Erben B. unter anderem auf Bezahlung von Fr. 70'000.-- nebst Zins. Sie setzte diesen eingeklagten Betrag später auf Fr. 48'000.-- herab. Das Mietgericht Zürich und am 13. Dezember 1996 ebenso das Obergericht des Kantons Zürich wiesen die Klage ab.
Die Klägerin hat gegen das Urteil des Obergerichts Berufung erhoben mit dem Antrag, es aufzuheben und die Klage im Betrag von Fr. 48'000.-- nebst Zins zu schützen. Die Beklagten schliessen auf Abweisung der Berufung.
Das Bundesgericht weist die Berufung ab.
BGE 124 III 149 S. 150
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
Gemäss
Art. 260a OR
kann der Mieter Erneuerungen und Änderungen an der Mietsache nur vornehmen, wenn der Vermieter schriftlich zugestimmt hat (Abs. 1). Hat der Vermieter zugestimmt, so kann er die Wiederherstellung des früheren Zustands nur verlangen, wenn dies schriftlich vereinbart worden ist (Abs. 2). Weist die Sache bei Beendigung des Mietverhältnisses dank der Erneuerung oder Änderung, welcher der Vermieter zugestimmt hat, einen erheblichen Mehrwert auf, so kann der Mieter dafür eine entsprechende Entschädigung verlangen; weitergehende schriftlich vereinbarte Entschädigungsansprüche bleiben vorbehalten (Abs. 3).
Im Mietvertrag wurde der Verwendungszweck des Mietobjekts als "Showroom und Verkaufsladen" bezeichnet. Die Parteien fügten dem Vertrag eine Zusatzvereinbarung bei, die sie am gleichen Tag unterzeichneten. Darin hielten sie folgendes fest:
"Der Mieter übernimmt die Räumlichkeiten in unausgebautem Zustand und ist
berechtigt, die Lokale für seine Bedürfnisse auszubauen.
Sämtliche Investitionen gehen entschädigungslos an den Vermieter. Bei
einem Auszug ist der Mieter nicht verpflichtet, den ursprünglichen Zustand
der Lokalitäten wieder herzustellen.
Der Mieter ist berechtigt, diesen Vertrag auf seine Kosten im Grundbuch
anmerken zu lassen."
Nach dem angefochtenen Urteil hat der Mieter mit dieser Zusatzvereinbarung gültig auf eine Entschädigung verzichtet. Ausserdem schliesst das Obergericht unabhängig davon einen Anspruch des Mieters aus ungerechtfertigter Bereicherung infolge der vorzeitigen Vertragsauflösung aus, weil der Mieter mit dem Konkurs Anlass zur Auflösung des Vertrags gegeben habe und überdies der Vermieter tatsächlich nicht bereichert sei.
Mit Bezug auf die Verneinung eines Bereicherungsanspruchs aus der vorzeitigen Vertragsauflösung ist der Entscheid nicht angefochten. Die Klägerin macht mit der Berufung einzig geltend,
Art. 260a Abs. 3 OR
habe zugunsten des Mieters zwingenden Charakter, weshalb der Verzicht auf Entschädigung ungültig sei.
4.
Das Gesetz muss in erster Linie aus sich selbst heraus, das heisst nach Wortlaut, Sinn und Zweck und den ihm zugrunde liegenden Wertungen ausgelegt werden. Die Auslegung ist auf die Regelungsabsicht des Gesetzgebers auszurichten, welche mit Hilfe der herkömmlichen Auslegungselemente ermittelt werden muss, wobei das Bundesgericht es ablehnt, die einzelnen Auslegungselemente
BGE 124 III 149 S. 151
einer festen hierarchischen Prioritätsordnung zu unterstellen (
BGE 123 III 24
E. 2a S. 26 mit Hinweisen).
a) Nach Auffassung der Klägerin spricht alles dafür, dass der Gesetzgeber
Art. 260a Abs. 3 OR
zugunsten des Mieters zwingenden Charakter verleihen wollte. Der letzte Satz der Bestimmung, welcher ausdrücklich nur weitergehende schriftlich vereinbarte Entschädigungsansprüche vorbehält, legt zunächst eine solche Auslegung nahe.
b)
Art. 260a OR
wurde mit der Revision des Mietrechts vom 15. Dezember 1989 eingeführt. Das alte Recht enthielt keine Bestimmung darüber, ob der Mieter für die von ihm vorgenommenen Investitionen vom Vermieter eine Entschädigung fordern konnte. Selbst bei Zustimmung des Vermieters konnte der Mieter eine Entschädigung nur dann verlangen, wenn diese verabredet war. Ausnahmsweise bejahte die Praxis einen Bereicherungsanspruch, wenn ein vereinbartes oder ein übereinstimmend vorausgesetztes Mietverhältnis von langer Dauer endgültig aufgelöst wurde (
BGE 105 II 92
E. 4 S. 97 f.).
Das neue Recht bezeichnet
Art. 260a Abs. 3 OR
nicht ausdrücklich als zwingende Bestimmung. Die geltende Vorschrift unterscheidet sich dadurch von der entsprechenden Bestimmung des Vorentwurfs der Expertenkommission, welche einen ausdrücklichen Hinweis auf die zwingende Natur vorsah (Art. 274 zu Art. 271a, Begleitbericht zum Vorentwurf S. 35; dazu GUINAND, Le sort des améliorations faites par le locataire lors de la résiliation du bail, in SJ 1982, S. 145 ff., S. 151). Dieser Vorschlag ist in der Vernehmlassung sowohl von Vermieter- wie von Mieterseite kritisiert worden, weil der vorsichtige Vermieter angesichts der Entschädigungspflicht dazu neigen werde, die Zustimmung zu Änderungen des Mieters zu verweigern. In dem vom Bundesrat schliesslich vorgeschlagenen Text (BBl 1985 I S. 1501 ff.) fehlt ein entsprechender Hinweis, auch wurde weder in der Botschaft (BBl 1985 I 1389 ff.) noch in den Beratungen der eidgenössischen Räte dazu etwas ausgeführt.
Die geltende Fassung der Bestimmung geht auf die ständerätliche Kommission zurück (AB 1988 S. 156), die mit der sprachlichen Neufassung unterstreichen wollte, dass eine Entschädigung nicht bei jedem, sondern nur bei einem erheblichen Mehrwert in Frage käme, und eine weitergehende Entschädigung deshalb eine besondere Parteiabrede voraussetze. Zu dieser Klarstellung wurde der Nachsatz betreffend den Vorbehalt weitergehender schriftlich vereinbarter Entschädigungsansprüche eingefügt (a.a.O. S. 157).
BGE 124 III 149 S. 152
Die vom Wortlaut gestützte Annahme, der Gesetzgeber habe
Art. 260a Abs. 3 OR
zugunsten des Mieters als zwingende Norm ausgestalten wollen, erscheint aufgrund dieser Einblicke in die Entstehungsgeschichte eher fraglich, indes ginge es zu weit, daraus eindeutige Schlüsse auf die Regelungsabsicht des Gesetzgebers zu ziehen. Diese ist im streitigen Punkt unklar geblieben.
c) Die Meinungen in der Lehre sind geteilt. Roncoroni (Zwingende und dispositive Bestimmungen im revidierten Mietrecht, in: mp 1990 S. 89 und 93) zählt
Art. 260a Abs. 3 OR
zu den relativ zwingenden Bestimmungen, ohne diesen Schluss näher zu begründen. Verschiedene Autoren haben sich ihm angeschlossen und ohne weitere Begründung auf ihn verwiesen (GUINAND/WESSNER, SJK 358, S. 14; WESSNER, Die allgemeinen Bestimmungen des neuen Mietrechts, in: mp 1991 S. 120; ZIHLMANN, in: Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Basel, N. 6 zu
Art. 260a OR
; vgl. auch derselbe, Das Mietrecht, Leitfaden, 2. Aufl. 1995, S. 87; LACHAT/MICHELI, Le nouveau droit du bail, 2. Aufl. 1992, S. 366 Rz. 3.4; LACHAT/STOLL, Das neue Mietrecht für die Praxis, 3. Aufl. 1992, S. 401 Rz. 3.4 [sowohl LACHAT/MICHELI wie LACHAT/STOLL machen allerdings einen Vorbehalt für den Fall, dass die vom Mieter beabsichtigten Investitionen bei der Festsetzung des Mietzinses berücksichtigt werden]. Zum Teil wird auch GUHL/MERZ/KUMMER/KOLLER, Das Schweizerische Obligationenrecht, 8. Aufl., S. 419, zu dieser Lehrmeinung gezählt).
Demgegenüber vertraten Lachat/Micheli in der ersten Auflage ihres Werks (Le nouveau droit du bail 1990, S. 366 Rz. 3.4) die Auffassung, die Bestimmung enthalte dispositives Recht, offenbar in der Meinung, dass im allgemeinen selbst bei beträchtlichen Aufwendungen diesen bei der Festsetzung des Mietzinses Rechnung getragen werde. LACHAT (Le bail à loyer 1997, S. 543 Rz. 4.8) schliesst sich in seiner neuesten Veröffentlichung wieder dieser Auffassung an und begründet diesen Schritt damit, dass der Vermieter, der die Änderungen ablehnen könne, auch die weniger weit gehende Möglichkeit haben müsse, die Zustimmung unter Bedingungen zu geben. ENGEL (Contrats de droit suisse, S. 152 f.) folgt ohne weitere Begründung der Auffassung der ersten Auflage von LACHAT/MICHELI. Nach dem SVIT-Kommentar 1991 (S. 338/339 Rz. 84) enthält
Art. 260a Abs. 3 OR
dispositives Recht; nach dieser Auffassung gehen Vereinbarungen über eine Entschädigung oder einen Verzicht auf eine solche selbstverständlich vor. HIGI (Zürcher Kommentar, N. 5 und N. 62 zu
Art. 260a OR
) schliesst sich ebenfalls
BGE 124 III 149 S. 153
dieser Lehrmeinung an, weil es im Belieben des Vermieters stehe, seine Zustimmung zu einer Änderung überhaupt zu erteilen und er daher diese auch mit Auflagen und Bedingungen verknüpfen könne. Ausserdem beruft er sich auf die Kann-Formulierung ("... so kann der Mieter ...verlangen") und meint, danach stehe es dem Mieter frei, eine Entschädigung zu beanspruchen, was zwingend bedeute, dass er darauf auch verzichten könne (a.a.O.). ZEHNDER (Die Bestimmung der Mehrwertentschädigung bei Mieterbauten (
Art. 260a Abs. 3 OR
), in: AJP 1996 S. 726 f.) lehnt mit Higi die Auffassung ab, dass die Bestimmung relativ zwingend ist. Er pflichtet dessen Begründung bei und meint, für diese Lösung spreche eine weitere Überlegung: Vielfach veranlasse gerade die verabredete Entschädigung bzw. deren Wegbedingung den Vermieter überhaupt zur Zustimmung für die Mieterbaute. Sofern die vereinbarte Entschädigung oder die vereinbarte Wegbedingung ungültig seien, so wäre nicht auszuschliessen, dass der Vermieter seine Zustimmung zum Mieterbau wegen Grundlagenirrtums anfechten und anschliessend die Wiederherstellung des früheren Zustands verlangen könnte, womit dem Mieter kaum gedient wäre; durch die verbindlich vereinbarte Mehrwertentschädigung oder deren Wegbedingung liessen sich viele Unsicherheiten beseitigen.
d) Aus der kantonalen Rechtsprechung liegen zwei veröffentlichte Entscheide vor, die ebenfalls zum Schluss gelangen, die Bestimmung sei dispositiver Natur.
Die Chambre d'appel en matière de baux et loyers du canton de Genève hat in einem Entscheid vom 18. Februar 1994 (Cahiers du bail 1994, S. 128) festgehalten,
Art. 260a Abs. 3 OR
habe entgegen Roncoroni dispositiven Charakter. Das Gericht schliesst sich dafür der ersten Auflage von LACHAT/MICHELI und dem SVIT-Kommentar an. Zur Begründung fügt es bei, diese Auffassung lasse sich namentlich mit Rücksicht darauf vertreten, dass
Art. 260a OR
durchwegs von einer Absprache zwischen den Parteien ausgehe.
Das Obergericht des Kantons Zürich hat sich in einem Entscheid vom 7. Mai 1996 (Mietrecht aktuell 1996, S. 180 ff.) auf den es im angefochtenen Urteil verweist, mit der Frage eingehend auseinandergesetzt und ist zum gleichen Ergebnis gekommen wie die Genfer Chambre de baux et loyers. Es stellt sich auf den Standpunkt, nur eine Auslegung der Bestimmung, die dem Vermieter und Mieter beim Vertragsabschluss die Möglichkeit offenlasse, verbindliche Abmachungen darüber zu treffen, unter welchen Bedingungen sich der Vermieter mit Erneuerungen oder Änderungen an der Sache einverstanden
BGE 124 III 149 S. 154
erkläre, entspreche dem Sinn und Zweck der Norm. Es bestehe kein Anlass, diesbezüglich die Vertragsfreiheit einzuschränken, denn eine Einschränkung im Sinne einer Unverbindlicherklärung eines Entschädigungsverzichts durch den Mieter würde sich häufig gerade zu dessen Ungunsten auswirken. Der Vermieter, der sich vom Mieter nicht verbindlich einen Entschädigungsverzicht zusichern lassen könne, würde entweder seine Zustimmung verweigern (
Art. 260a Abs. 1 OR
) oder die Wiederherstellung des früheren Zustandes schriftlich vereinbaren (
Art. 260a Abs. 2 OR
). Beide Lösungen brächten dem Mieter Nachteile: Im ersten Fall dürfte er den von ihm gewünschten Umbau nicht vornehmen, bei der zweiten Möglichkeit hätte er nicht nur die Kosten des Umbaus, sondern ebenfalls jene der Wiederherstellung zu tragen. Eine solche Lösung widerspräche dem Sinn und Zweck der Norm. Diesen entspreche vielmehr der dispositive Charakter der Bestimmung, welcher den Vertragspartnern die Möglichkeit einer Zustimmung zum Umbau beim gleichzeitigen Verzicht auf Entschädigung offenlasse. Der Mieter könne so beim Vertragsabschluss abwägen, ob er den Umbau für den der Vermieter eine Entschädigung ablehne, überhaupt vornehmen wolle; er könne sich insbesondere durch Abschluss eines langjährigen Mietvertrages oder etwa die Gewährung eines Kaufsrechts absichern (a.a.O. S. 183).
5.
Aus diesen Darlegungen erhellt, dass sich die von der K lägerin und von einem Teil der Lehre befürwortete Auslegung zwar an den Wortlaut der Bestimmung anlehnen kann, dass sie aber dem Sinn und Zweck der Regelung nicht gerecht wird. Dabei ist vorweg mit dem Obergericht (a.a.O. S. 183) festzuhalten, dass sich aus dem Text, "...so kann der Mieter ... verlangen", nichts zugunsten des dispositiven Normcharakters ableiten lässt, weil diese Kann-Formulierung sich nur auf den nachträglichen Verzicht des Mieters bezieht. Mit Bezug auf den Sinn und Zweck der Bestimmung ist sodann den erwähnten Erwägungen des Obergerichts des Kantons Zürich sowie den angeführten Überlegungen aus der Lehre ohne Einschränkung beizupflichten. Daraus ergibt sich, dass
Art. 260a Abs. 3 OR
als dispositive Norm zu betrachten ist, und somit der Mieter im voraus gültig auf eine Entschädigung verzichten kann.
Die Vorinstanz hat daher Bundesrecht nicht verletzt, indem sie den Verzicht des Mieters auf Entschädigung in der erwähnten Zusatzvereinbarung zum Mietvertrag als gültig betrachtet hat. Die Berufung erweist sich somit als unbegründet. | null | nan | de | 1,998 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
197ed027-4b23-4d53-a0b3-564b13650b33 | Urteilskopf
103 IV 57
14. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 29. März 1977 i.S. H. gegen Generalprokurator des Kantons Bern | Regeste
Art. 18 und 19 des Bundesbeschlusses über die offizielle Qualitätskontrolle in der schweizerischen Uhrenindustrie.
Die in Art. 18 und 19 genannten strafbaren Widerhandlungen sind keine Sonderdelikte, sondern können von jedermann begangen werden. | Erwägungen
ab Seite 57
BGE 103 IV 57 S. 57
Aus den Erwägungen:
Der Beschwerdeführer macht in erster Linie geltend, Art. 1 Abs. 3 des Bundesbeschlusses über die offizielle Qualitätskontrolle in der schweizerischen Uhrenindustrie vom 18. März 1971 (SR 934.11) umschreibe den möglichen Täterkreis der in Art. 18 unter Strafe gestellten Handlungen abschliessend. Die AG, für welche er gehandelt habe, sei als reine Lager- und Speditionsfirma sowenig wie die Firma X., die den Uhrengrosshandel im Ausland betreibe, ein Unternehmen der Uhrenindustrie im Sinne des Art. 1 Abs. 3 BB. Er könne daher weder Täter eines ausgesprochenen Sonderdeliktes wie desjenigen gemäss Art. 18 Abs. 1 Al. 3 sein, noch als Teilnehmer an einem solchen betrachtet werden.
Die Auffassung des Beschwerdeführers, bei dem in Art. 18
BGE 103 IV 57 S. 58
Abs. 1 Al. 3 umschriebenen Tatbestand handle es sich um ein Sonderdelikt, d.h. eine Widerhandlung, die bloss durch Personen mit besonderen, im Beschluss näher umschriebenen Eigenschaften begangen werden könne, hält einer näheren Prüfung nicht stand. Nach dem im Titel "Begriffsbestimmungen" eingeordneten Art. 1 Abs. 3 gilt zwar als "Unternehmung der Uhrenindustrie im Sinne dieses Beschlusses ein industrieller oder kommerzieller Betrieb, der Uhren herstellt oder ausführt oder im Inland Grosshandel mit Uhren betreibt". Dieser Titel regelt die Begriffsbestimmungen jedoch nur insoweit, als sie für die Anwendung des Beschlusses erforderlich sind (BBl 1970 II/1 S. 728). In den Strafbestimmungen (Art. 18 und 19) ist von "Unternehmung" überhaupt nicht die Rede, sondern es wird ohne Einschränkung mit Strafe bedroht, wer die dort im einzelnen umschriebenen Handlungen begeht. Die Argumentation des Beschwerdeführers entbehrt daher bereits vom Beschlusseswortlaut her betrachtet der Stichhaltigkeit. Dass sie völlig an der Sache vorbeigeht, ergibt sich mit aller Deutlichkeit aus dem von der Vorinstanz ebenfalls angewendeten Art. 21, der unter dem Marginale "Widerhandlungen in Geschäftsbetrieben durch Beauftragte und andere Personen" in Abs. 1 bestimmt, dass, wenn eine Widerhandlung beim Besorgen der Angelegenheiten einer juristischen Person, Kollektiv- oder Kommanditgesellschaft oder Einzelfirma oder sonst in Ausübung geschäftlicher oder dienstlicher Verrichtungen für einen andern begangen werde, die Strafbestimmungen auf diejenigen natürlichen Personen Anwendung finden, welche die Tat verübt haben. Hier wird also bezüglich der andern Personen nicht nur keine Beschränkung auf Unternehmungen der Uhrenindustrie vorgesehen, sondern es folgt im Gegenteil aus der Bestimmung, dass jede natürliche Person strafbar ist, sofern sie durch ihr Handeln die Tatbestandsmerkmale von Art. 18 oder 19 erfüllt. Das steht im Einklang mit der Zweckbestimmung des Bundesbeschlusses, eine wirksame Überwachung und Verhinderung der Ausfuhr von Erzeugnissen, die dem guten Ruf der schweizerischen Uhrenindustrie schaden, zu gewährleisten (vgl. BBl 1970 II/1 S. 717). Wer wie der Beschwerdeführer in Ausübung geschäftlicher Verrichtungen für einen andern handelt und dadurch einen der Straftatbestände der Art. 18 und 19 erfüllt, ist nach diesen Bestimmungen strafbar. | null | nan | de | 1,977 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
198252ba-9ac8-49f0-ab5e-62bd14daf9e2 | Urteilskopf
88 III 109
17. Entscheid vom 8. November 1962 i.S. Polimex Trust Reg. | Regeste
Das Widerspruchsverfahren (
Art. 106 ff. SchKG
) ist (unter Vorbehalt der für die Lohnpfändung geltenden Ausnahmen) auch dann durchzuführen, wenn eine gepfändete (oder arrestierte) Forderung von einem Dritten beansprucht wird (Bestätigung der Praxis).
Verwirkung dcs Widerspruchsrechts infolge arglistiger Verzögerung der Anmeldung des Drittanspruchs beim Betreibungsamte.
Längeres, eine angemessene Überlegungsfrist sehr stark überschreitendes Zuwarten mit der Anmeldung im Bewusstsein der damit verbundenen Störung des Vollstreckungsverfahrens begründet den Verdacht der Arglist. Diesen kann der Dritte nur dadurch abwenden, dass er Tatsachen nennt und glaubhaft macht, die das Zuwarten als verständlich und mit Treu und Glauben vereinbar erscheinen lassen.
Eine Beschwerde und eine Arrestaufhebungsklage, mit denen der Arrestschuldner die Aufhebung des Arrests nur unter Berufung darauf verlangt, dass er die arrestierte Forderung einem Dritten abgetreten habe, bilden für diesen (zumal nach erhaltener Rechtsbelehrung) keinen beachtlichen Grund dafür, mit der Anmeldung seines Anspruchs beim Betreibungsamt monatelang zuzuwarten. | Sachverhalt
ab Seite 110
BGE 88 III 109 S. 110
A.-
Mit Erklärung vom 6. September 1957 übernahm die Firma Schneier & Co. Nachfolger Dr. Kurt Schleuniger in Zürich die Delcrederehaftung für die Firma Polimex Trust Reg. in Vaduz, die mit dem polnischen Nationalunternehmen Rolimpex in Warschau mehrere Kaufverträge
BGE 88 III 109 S. 111
abgeschlossen hatte. Nachdem die Firma Polimex unter Berufung darauf, dass die Firma Rolimpex ihre Lieferpflichten nur teilweise erfüllt habe, den noch nicht bezahlten Teil ihrer Kaufpreisschuld mit einer Schadenersatzforderung gegen die Firma Rolimpex verrechnet hatte, belangte diese Dr. Kurt Schleuniger und die Firma Dr. Kurt Schleuniger & Co. auf Grund der Delcredereerklärung vom 6. September 1957 vor einem Schiedsgericht auf Zahlung des Kaufpreisrests.
Am 11. Oktober 1960 stellte die Firma Rolimpex eine Urkunde mit notariell beglaubigten Unterschriften aus, die gemäss amtlich beglaubigter Übersetzung aus dem Polnischen besagt, dass die Firma Rolimpex "im Ergebnis der gegenseitigen Verrechnungen" alle ihre Ansprüche gegen die Firma Schleuniger & Co. und Dr. Schleuniger an die Aktiengesellschaft "Dynamo, Dom Handlowy Import Eksport AG" in Warschau, ein anderes polnisches Nationalunternehmen, überweise. Die Firma Dynamo gab dem Prozessvertreter der Firma Rolimpex, Rechtsanwalt Dr. X in Zürich, am 19. Oktober 1960 von dieser Abtretung Kenntnis und ersuchte ihn, ihre Vertretung zu übernehmen. Den Drittschuldnern wurde die Abtretung einstweilen nicht angezeigt.
Mit Urteil vom 21. Februar 1961 verpflichtete das Schiedsgericht die Firma Schleuniger & Co. und Dr. Schleuniger als Solidarschuldner, der Firma Rolimpex Franken 162'617.90 nebst 5% Zins ab 1. Dezember 1957 sowie eine Prozessentschädigung von Fr. 6500.-- zu bezahlen. Mit Entscheid vom 4. Oktober 1961 (zugestellt 13. Oktober 1961) wies das Obergericht des Kantons Zürich eine Nichtigkeitsbeschwerde der Beklagten gegen dieses Urteil ab.
B.-
Am 20. Oktober 1961 erwirkte die Firma Polimex für eine Schadenersatzforderung von Fr. 418'558.70 nebst Zins gegen die Firma Rolimpex beim Audienzrichter des Bezirksgerichtes Zürich gestützt auf
Art. 271 Ziff. 4 SchKG
einen Arrestbefehl, der als Arrestgegenstand das Guthaben
BGE 88 III 109 S. 112
der Arrestschuldnerin gegen die Firma Schleuniger & Co. und Dr. Schleuniger im eben erwähnten Betrage (zuzüglich Fr. 3000. - Prozessentschädigung für das Kassationsverfahren) nannte. Gleichen Tags wurde dieses Guthaben durch das Betreibungsamt Zürich 6 unter Anzeige an die Drittschuldner arrestiert (Arrest Nr. 13). Mit Zahlungsbefehl Nr. 7857 vom 6. November 1957 prosequierte die Firma Polimex diesen Arrest.
C.-
Am 15. November 1961 ersuchte Dr. X den Prozessvertreter der Firma Schleuniger & Co. und des Dr. Schleuniger, Rechtsanwalt Dr. Herold in Zürich, den der Firma Rolimpex zugesprochenen Betrag zu seinen Handen an die Schweiz. Kreditanstalt zu zahlen. Am 21. November 1961 teilte er Dr. Herold u.a. mit, er habe gerüchtweise vernommen, dass die Firma Polimex gegen die Firma Rolimpex einen Arrest auf die Ansprüche gegen die Firma Schleuniger & Co. und Dr. Schleuniger zu erwirken gedenke oder allenfalls schon erwirkt habe; auf diesem Umweg wolle die Firma Polimex offenbar im Rahmen der Arrestprosequierung eine Art "Wiederaufnahme des Verfahrens" betreiben; ein solcher Versuch sei vorauszusehen gewesen. Im Anschluss hieran ersuchte er Dr. Herold, zur Kenntnis zu nehmen und seine Klientschaft sowie die Firma Polimex darüber zu orientieren, dass sämtliche Ansprüche der Firma Rolimpex gegen die Firma Schleuniger & Co. und Dr. Schleuniger seit dem 11. Oktober 1960 nicht mehr der Rolimpex zustünden, sondern durch Zession auf die Firma Dynamo übergegangen seien, was eine Arrestierung dieser Forderungen zur Sicherung angeblicher Ansprüche gegen die Firma Rolimpex ausschliesse. Er legte seinem Schreiben Photokopien der Abtretungsurkunde sowie des Schreibens der Firma Dynamo an ihn vom 19. Oktober 1960 und der ihm von dieser Firma gleichzeitig erteilten Vollmacht bei. - Mit einem vom 20. November 1961 datierten Schreiben brachte Dr. X die Abtretung an die Dynamo unter Zustellung von Photokopien der eben erwähnten Urkunden auch der Firma Polimex zur
BGE 88 III 109 S. 113
Kenntnis mit dem Bemerken, dass zufolge dieser Abtretung ein Arrest in Zürich keine Ansprüche der Firma Rolimpex beschlagen könne und sofort.aufgehoben werden müsse. Zugleich machte er die Firma Polimex für allen aus dem Arrest entstehenden Schaden haftbar.
Mit Zahlungsbefehl Nr. 8386 vom 25. November 1961 leitete die Firma Dynamo gegen die Firma Schleuniger & Co. gestützt auf das Schiedsgerichtsurteil und die Abtretung Betreibung für den der Firma Rolimpex zugesprochenen Betrag ein. Die Betriebene erhob Rechtsvorschlag.
D.-
Am 29. November 1961 ging die Arresturkunde Nr. 13 auf dem Rechtshilfeweg der Firma Rolimpex in Warschau zu. Tclegraphisch mit der Wahrung der Interessen dieser Firma in der Arrestsache beauftragt, reichte Dr. X in ihrem Namen sofort eine Arrestaufhebungsklage und eine Beschwerde ein, beides mit dem Begehren, der Arrest, der infolge der Abtretung vom 11. Oktober 1960 ins Leere gehe, sei aufzuheben.
Die Firma Schleuniger & Co., die Dr. X am 23. November 1961 mitgeteilt hatte, sie könne seine Abtretungsanzeige im Hinblick auf den ihr am 20. Oktober 1961 angezeigten Arrest nicht mehr entgegennehmen, zahlte am 5. Dezember 1961 den Betrag von Fr. 202'820.90 auf das Konto des Betreibungsamtes Zürich 6 bei der Zürcher Kantonalbank ein (statt ihn gemäss
Art. 168 OR
gerichtlich zu hinterlegen).
Der Arrestaufhebungsprozess wurde sistiert, die Beschwerde von der untern Aufsichtsbehörde am 14. Februar 1962 abgewiesen mit der Begründung, es fehle nicht an einem arrestierbaren Vermögenswert; vielmehr sei nur streitig, ob die arrestierte Forderung der Beschwerdeführerin (Firma Rolimpex) zustehe oder nicht; zur Austragung des Streites, wem diese Forderung materiellrechtlich zustehe, sehe das Gesetz das Widerspruchsverfahren bezw. den Klageweg vor (
Art. 106 ff. SchKG
); "somit wird es Sache der Beschwerdeführerin sein, zur Einleitung
BGE 88 III 109 S. 114
des Widerspruchsverfahrens erst einmal bei der zuständigen Stelle, dem Betreibungsamte, an dem arrestierten Vermögenstück formgerecht eine Eigentumsansprache zu Gunsten der ,Dynamo' anzumelden unter Darlegung der rechtlich beachtlichen Existenz der Drittansprecherin, und in erster Instanz wird das Amt darüber zu entscheiden haben, ob die Drittmannsansprache zuzulassen ist oder nicht."
Statt gemäss diesen Erwägungen die Ansprache der Firma Dynamo beim Betreibungsamt anzumelden, zog Dr. X den Entscheid vom 14. Februar 1962 an die obere kantonale Aufsichtsbehörde weiter. Erst nachdem diese mit ihrem sehr einlässlich begründeten Entscheide vom 27. März 1962 (zugestellt 4. April 1962) seinen Rekurs abgewiesen hatte, weil über die Zugehörigkeit der - einstweilen wirksam arrestierten - Forderung gegen die Firma Schleuniger & Co. und Dr. Schleuniger zum Vermögen der Arrestschuldnerin weder im Arrestaufhebungsprozess noch im Beschwerdeverfahren, sondern im Widerspruchsprozess zu entscheiden sei, schrieb Dr. X am 11. April 1962 dem Betreibungsamte, er teile ihm in aller Form sowohl namens der Firma Rolimpex als auch namens der Firma Dynamo mit, dass diese letztere, und zwar sie allein, Gläubigerin der vom Arrest Nr. 13 betroffenen Forderung sei, und ersuchte um Ansetzung der im SchKG vorgesehenen Fristen.
E.-
Hierauf erliess das Betreibungsamt am 13. April 1962 eine "nachträgliche Fristansetzung zur Klage" gemäss
Art. 109 SchKG
, womit es die Firma Polimex zur Klage auf Aberkennung der Eigentumsansprache der Firma Dynamo aufforderte.
Auf Beschwerde der Firma Polimex hin entschied die untere Aufsichtsbehörde am 8. Juni 1962, die Drittansprache der Firma Dynamo werde wegen verspäteter Anmeldung als verwirkt erklärt und die Fristansetzung vom 13. April 1962 demgemäss aufgehoben.
Die obere kantonale Aufsichtsbehörde hat dagegen mit
BGE 88 III 109 S. 115
Entscheid vom 28. September 1962 die Beschwerde der Firma Polimex abgewiesen und die Verfügung des Betreibungsamtes vom 13. April 1962 wiederhergestellt.
F.-
Mit ihrem Rekurs an das Bundesgericht beantragt die Firma Polimex, die Eigentumsansprache der Firma Dynamo sei als verwirkt zu erklären und das vom Betreibungsamt eingeleitete Widerspruchsverfahren einzustellen.
Erwägungen
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
1.
Nach den - gemäss
Art. 275 SchKG
auch für den Arrest massgebenden -
Art. 106 ff. SchKG
ist das hier geregelte Widerspruchsverfahren durchzuführen, wenn eine gepfändete (bzw. arrestierte) "Sache" vom Schuldner als Eigentum oder Pfand eines Dritten bezeichnet oder von einem Dritten als Eigentum oder Pfand beansprucht wird. Eine gewöhnliche (nicht in einem Wertpapier verkörperte) Forderung, wie sie im vorliegenden Fall in Frage steht, ist keine Sache. Seit dem Entscheid vom 19. November 1903 i.S. Caron werden jedoch die
Art. 106 ff. SchKG
analog angewendet, wenn nicht eine Sache, sondern eine Forderung oder ein anderes Recht gepfändet (oder arrestiert) ist und von einem Dritten als ihm zustehend beansprucht wird (
BGE 29 I 562
,
BGE 31 I 197
,
BGE 32 I 817
= Sep.ausg. 6 S. 286, 8 S. 56, 9 S. 399;
BGE 47 III 7
,
BGE 54 III 298
,
BGE 67 III 51
,
BGE 71 III 107
,
BGE 75 III 10
,
BGE 79 III 163
,
BGE 88 III 56
). Ob dabei die Klagefrist dem Drittansprecher oder dem Gläubiger anzusetzen sei, entscheidet sich nach der heute massgebenden Rechtsprechung darnach, ob die Berechtigung des Schuldners oder diejenige des Drittansprechers die grössere Wahrscheinlichkeit für sich habe (
BGE 67 III 51
und die eben erwähnten seitherigen Entscheide).
In BGE 86 III Erw. 3 hat das Bundesgericht im Anschluss an die Feststellung, dass das Widerspruchsverfahren nach dem Wortlaut des Gesetzes nur zur Abklärung von Rechten an Sachen diene, dass es aber seit dem Urteil vom 19. November 1904 (richtig: 1903) auch
BGE 88 III 109 S. 116
zur Austragung des Streits über das Gläubigerrecht an gepfändeten Forderungen verwendet worden sei, freilich ausgeführt:
"Die neuere Rechtsprechung ist dann aber, der rechtlichen Natur der nicht in einem Wertpapier verkörperten Forderung Rechnung tragend, zu einer andern Art der Abklärung des Gläubigerrechts übergegangen: Die Forderung ist mit Rücksicht auf die Drittansprache eines Zessionars oder sonstigen Erwerbers als bestrittene zu pfänden. Sie kann hierauf - sowohl gegenüber dem Drittschuldner, der allenfalls noch andere Einreden erhebt, wie auch gegenüber dem als Zessionar oder als Erwerber aus anderm Rechtsgrund auftretenden Vierten - entweder vor jeder Verwertungsmassnahme durch das Betreibungsamt selbst auf Grund von
Art. 100 SchKG
oder aber, kraft Überweisung nach
Art. 131 Abs. 2 SchKG
, durch einen betreibenden Gläubiger oder endlich durch einen Ersteigerer geltend gemacht werden."
Die als Belege für diese neuere Rechtsprechung angeführten Entscheide
BGE 65 III 129
,
BGE 66 III 42
und
BGE 70 III 34
betreffen jedoch mit Ausnahme des letzten, der erklärt, dass im Konkurs mit Bezug auf gewöhnliche Forderungen das Aussonderungsverfahren im Sinne von
Art. 242 Abs. 2 SchKG
nicht Platz greife (vgl. hiezu
BGE 76 III 11
,
BGE 87 III 16
), nur die Frage, wie vorzugehen sei, wenn im Falle der Pfändung künftigen Lohns über die Gültigkeit einer Lohnabtretung Streit herrscht. Nur für diesen besondern Fall hat das Bundesgericht in
BGE 65 III 129
und
BGE 66 III 42
die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens abgelehnt. Auch der Entscheid
BGE 86 III 61
betraf einen Fall der Pfändung abgetretener Lohnansprüche. Zu den nach
BGE 65 III 129
,
BGE 66 III 42
und
BGE 70 III 34
ergangenen Präjudizien, die bei Pfändung anderer Forderungen für die Abklärung des Gläubigerrechts weiterhin das Widerspruchsverfahren als anwendbar betrachten, wurde in
BGE 86 III 61
nicht Stellung genommen. Es kann also trotz der allgemeinen Fassung der in diesem Entscheid enthaltenen, oben wiedergegebenen Erwägungen nicht die Rede davon sein, dass das Bundesgericht die im Jahre 1903 begründete Rechtsprechung über die Anwendbarkeit
Art. 106 ff. SchKG
bei Streit darüber, wem eine gepfändete Forderung zustehe, preisgegeben habe, sondern es wurde
BGE 88 III 109 S. 117
davon nur für den Fall des Streits über die Gültigkeit einer der Pfändung künftigen Lohns entgegengehaltenen Lohnabtretung eine Ausnahme gemacht.
2.
Die Eröffnung des Widerspruchsverfahrens hat zur Voraussetzung, dass das Betreibungsamt vom Schuldner oder vom Dritten über dessen Anspruch unterrichtet wird (vgl.
Art. 106 Abs. 1 SchKG
). Der Dritte kann seinen Anspruch erst anmelden, wenn er von der Pfändung (oder Arrestierung) des Vermögensstücks, das er für sich beansprucht, hinlängliche Kenntnis hat. Eine von dieser Kenntnis an laufende Frist für die Anmeldung sieht das Gesetz nicht vor. Mit der Frage, bis wann die Anmeldung erfolgen könne, befasst sich einzig
Art. 107 Abs. 4 SchKG
. Darnach kann der- Dritte, "der nicht in die Lage gesetzt wurde, nach Massgabe dieser Bestimmungen vorzugehen" (s'il n'a pas été mis en mesure d'agir comme il est dit ci-dessus; che non sia stato posto in grado di agire a'termini delle precedenti disposizioni), einen Anspruch an der gepfändeten Sache oder an deren Erlös, solange dieser nicht verteilt ist, geltend machen. Unter einem Dritten, der "nicht in die Lage gesetzt wurde, nach Massgabe dieser Bestimmungen vorzugehen", kann nach dem Wortlaut in allen drei Amtssprachen und nach dem Zusammenhang nur ein Dritter verstanden werden, dem keine Frist im Sinne von
Art. 107 Abs. 1 SchKG
angesetzt wurde und der deshalb nicht die Möglichkeit hatte, Widerspruchsklage zu erheben. Aus
Art. 107 Abs. 4 SchKG
lässt sich also durch Umkehrschluss nur ableiten, (1) dass ein Dritter, dem nach
Art. 107 Abs. 1 SchKG
Frist zur Klage gesetzt worden ist, der aber diese Frist nicht benützt oder mit seiner Klage keinen Erfolg gehabt hat, den fraglichen Anspruch in der betreffenden Betreibung nicht nochmals geltend machen kann, und (2) dass ein Dritter selbst dann, wenn ihm keine Klagefrist angesetzt wurde, seinen Anspruch nach der Verteilung des Erlöses nicht mehr auf dem Wege des Widerspruchsverfahrens zur Geltung bringen kann. Dagegen folgt aus
Art. 107 Abs. 4 SchKG
(entgegen der in BGE
BGE 88 III 109 S. 118
BGE 37 I 467
= Sep. ausg. 14 S. 246 vertretenen Auffassung) jedenfalls bei wörtlicher Auslegung nicht, dass der Dritte seinen Anspruch bei Gefahr der Verwirkung des Widerspruchsrechts beim Betreibungsamt anmelden müsse, sobald er in die Lage kommt, dies zu tun, d.h. sobald er von der Pfändung erfährt. Da das Gesetz eine Vorschrift dieses Inhalts auch sonst nicht enthält, muss also einem Dritten, dem keine Klagefrist eröffnet wurde, nach dem Gesetzeswortlaut grundsätzlich bis zur Verteilung des Erlöses gestattet sein, seinen Anspruch anzumelden (vgl.
BGE 72 III 4
,
BGE 83 III 24
,
BGE 86 III 66
).
Die Rechtsprechung hat jedoch schon längst erkannt, dass dieser Grundsatz nicht uneingeschränkt gelten kann. Wie in
BGE 37 I 466
= Sep. ausg. 14 S. 245 zutreffend dargelegt, liegt der Festsetzung kurzer Verwirkungsfristen für die Bestreitung von Drittansprachen und für die Klage auf An- oder Aberkennung solcher Ansprachen (
Art. 106 Abs. 2,
Art. 107 Abs. 1 und
Art. 109 SchKG
) sowie der Bestimmung, dass die Betreibung bis zum Austrag der Sache eingestellt wird (
Art. 107 Abs. 2 SchKG
), unverkennbar das Bestreben zugrunde, Streitigkeiten über die Rechte Dritter an gepfändeten Gegenständen möglichst rasch und frühzeitig erledigen zu lassen, und können dem pfändenden Gläubiger, wenn der Dritte mit der Anmeldung seiner Ansprache bis zur Verteilung des Erlöses beliebig zuwarten darf, erhebliche Nachteile entstehen (unnötige Kosten; Beeinträchtigung der Möglichkeit, sich Nachdeckung zu verschaffen). Im Hinblick hierauf sowie in der Erwägung, es könne nicht zugelassen werden, dass der Gläubiger infolge der Nachlässigkeit oder des bösen Willens des Dritten solchen Gefahren ausgesetzt sei, und aus
Art. 107 Abs. 4 SchKG
folge e contrario, dass der Dritte seinen Anspruch anmelden müsse, sobald er von der Pfändung erfahre, ist das Bundesgericht im erwähnten Entscheid zum Schlusse gelangt, das Gesetz enthalte eine Lücke, die in dem Sinne auszufüllen sei, dass der Dritte seinen Anspruch bei Gefahr der Verwirkung binnen zehn Tagen, seitdem er von der
BGE 88 III 109 S. 119
Pfändung des streitigen Gegenstands Kenntnis erlangt hat, anzumelden habe.
Diese Schlussfolgerung ist später mit Recht als zu weitgehend befunden worden. Abgesehen davon, dass das aus
Art. 107 Abs. 4 SchKG
gewonnene Argument, wie schon gezeigt, nicht durchschlagend ist, bildet der unbenützte Ablauf einer lediglich durch die Praxis eingeführten Frist keinen genügenden Grund dafür, einem Dritten, der noch nicht durch eine gesetzlich vorgeschriebene Verfügung in das Betreibungsverfahren einbezogen worden ist, die Möglichkeit zu entziehen, in diesem Verfahren geltend zu machen, dass ihm an den gepfändeten Vermögensstücken materielle Rechte zustehen, die den durch die Pfändung begründeten Rechten der betreibenden Gläubiger vorgehen. Vielmehr kann nur eine schuldhafte Störung des Betreibungsverfahrens eine solche Verwirkung rechtfertigen. In
BGE 48 III 52
wurde daher entschieden, die Verwirkung trete nicht ein, wenn die Nichtanmeldung innert der nach
BGE 37 I 465
ff. massgebenden Frist durch die besonderen Umstände gerechtfertigt oder doch entschuldigt werde, und in
BGE 67 III 67
f. wurde darüber hinaus festgestellt, der Drittansprecher verwirke sein Widerspruchsrecht nur dann schon vor der Verteilung des Erlöses, wenn er die Anmeldung seines Anspruchs arglistig verzögere, d.h. mit seiner Säumnis darauf ausgehe, das Betreibungsverfahren zu stören; nur wer in solcher Absicht in den Gang der Betreibung eingreife, verdiene, mit der verzögerten Ansprache nicht mehr gehört zu werden. Damit hat das Bundesgericht die durch
BGE 37 I 465
ff. eingeführte Befristung des Rechts zur Anmeldung einer Drittansprache aufgegeben. In
BGE 83 III 24
/25 und
BGE 86 III 66
/67 wurde demgemäss festgestellt, die im fakultativen Formular Nr. 2 (Anzeige vom Vollzug einer Pfändung) enthaltene Aufforderung zur Anmeldung von Ansprachen an gepfändeten Gegenständen binnen zehn Tagen könne nicht als Ansetzung einer Verwirkungsfrist gelten, sondern es handle sich dabei nur um einen warnenden
BGE 88 III 109 S. 120
Hinweis darauf, dass es im eigenen Interesse des Adressaten liege, allfällige Ansprachen möglichst bald anzumelden. Hiebei werde "von zehn Tagen als der normalerweise genügenden Überlegungsfrist ausgegangen und auf die mit längerem Zuwarten verbundene Gefahr hingewiesen, ohne dass aber das Anmeldungsrecht als solches befristet wäre" (
BGE 83 III 25
).
Dass der Dritte die Anmeldung seines Anspruchs arglistig verzögert habe, ist immerhin, wie die Rechtsprechung klargestellt hat, nicht nur dann anzunehmen, wenn durch Äusserungen des Dritten unmittelbar bewiesen ist, dass er mit seinem Zuwarten darauf ausging, das Betreibungsverfahren zu stören. Es genügt vielmehr, wenn aus den Umständen auf eine solche Absicht geschlossen werden muss. Dieser Schluss kann sich namentlich dann rechtfertigen, wenn der Dritte, ohne für sein Verhalten einen beachtlichen Grund angeben zu können, mit der Anmeldung längere Zeit zugewartet hat, obwohl ihm bewusst sein musste, dass er damit den Gang des Betreibungsverfahrens hemme. Längeres, eine angemessene Überlegungsfrist sehr stark überschreitendes Zuwarten im Bewusstsein der damit verbundenen Störung des Verfahrens begründet den Verdacht der Arglist. Diesen kann der Dritte nicht dadurch abwenden, dass er die Arglist kurzerhand bestreitet oder für sein Verhalten Gründe anführt, die sich als blosse Vorwände erweisen, sondern nur dadurch, dass er Tatsachen nennt und glaubhaft macht, die das Zuwarten mit der Anmeldung als verständlich und mit Treu und Glauben vereinbar erscheinen lassen (vgl.
BGE 78 III 73
/74,
BGE 81 III 55
/56 und 108,
BGE 83 III 25
/26,
BGE 84 III 87
/88 und
BGE 86 III 67
).
3.
Im vorliegenden Fall erhielt der Anwalt der Firma Rolimpex, den auch die Firma Dynamo mit ihrer Vertretung "in Sachen Dr. K. Schleuniger & Co. sowie Dr. K. Schleuniger... betr. Forderung (Zession der ROLIMPEX, Warschau)" beauftragt hatte, gegen Ende November 1961 sichere Kenntnis davon, dass die Firma
BGE 88 III 109 S. 121
Polimex die der Firma Rolimpex durch rechtskräftiges Schiedsgerichtsurteil zugesprochene Forderung gegen die Firma Schleuniger & Co. und Dr. Schleuniger hatte arrestieren lassen. Damit erhielt er Gelegenheit und Anlass, dem Betreibungsamte mitzuteilen, dass die Arrestschuldnerin die arrestierte Forderung an die Firma Dynamo abgetreten habe und dass diese demzufolge darauf Anspruch erhebe. Er unterliess dies aber und reichte unter Berufung auf die Abtretung eine Arrestaufhebungsklage und eine Beschwerde ein. Zur Anmeldung des Anspruchs der Firma Dynamo beim Betreibungsamte schritt er erst nach dem zweitinstanzlichen Beschwerdeentscheid, mehr als vier Monate nach dem Zeitpunkte, da er vom Arrest Kenntnis erhalten- hatte.
Für dieses monatelange Zuwarten hatte er keinen beachtlichen Grund. Die Rechtsbehelfe, die er anstelle der gebotenen Vorkehr ergriff, taugten ganz offensichtlich nicht dazu, gestützt auf die behauptete Abtretung die Aufhebung des Arrestbeschlags zu erwirken. Es kann ihm also nicht zugute gehalten werden, er habe im Vertrauen darauf, dass er mit der Beschwerde oder mit der Arrestaufhebungsklage zum Ziel gelangen werde, einstweilen von der Anmeldung des Anspruchs der Firma Dynamo beim Betreibungsamt absehen dürfen. Der Erwägung der Vorinstanz, von einem Anwalt mit allgemeiner Praxis dürfe nicht ohne weiteres erwartet werden, dass er sich in diesen betreibungsrechtlichen Verfahrensfragen auskenne, kann nicht gefolgt werden. Ein Irrtum darüber, welcher Rechtsbehelf zu ergreifen sei, kann bei einem Anwalt jedenfalls dann nicht als verständlich gelten, wenn das Gesetz oder die Praxis hierüber klaren Aufschluss geben. So verhielt es sich im vorliegenden Fall angesichts der veröffentlichten ständigen, von der gebräuchlichen Fachliteratur (JAEGER N. 3 zu
Art. 106 SchKG
; FRITZSCHE, Schuldbetreibung, Konkurs und Sanierung, I, 1954, S. 204 f.; FAVRE, Schuldbetreibungs- und Konkursrecht, 1956, S. 178) zutreffend dargestellten Rechtsprechung des Bundesgerichts, wonach
BGE 88 III 109 S. 122
in solchen Fällen das Widerspruchsverfahren durchzuführen ist. Der Vertreter der Arrestschuldnerin und der Drittansprecherin behauptet denn auch selber nicht, dass ihm diese Praxis unbekannt gewesen sei oder dass er sie aus einem beachtlichen Grunde als überholt betrachtet habe. Insbesondere macht er nicht etwa geltend, er sei durch die in Erwägung 1 hievor wiedergegebenen Ausführungen im Entscheide
BGE 86 III 61
in den Irrtum versetzt worden, das Bundesgericht habe diese Praxis aufgegeben, so dass dahingestellt bleiben kann, ob ein solcher Irrtum begreiflich gewesen wäre.
Sebst wenn man ihm aber noch zubilligen wollte, er habe anfänglich in guten Treuen der Meinung sein können, die behauptete Abtretung der arrestierten Forderung lasse sich auf dem von ihm eingeschlagenen Wege zur Geltung bringen, so konnte er doch auf jeden Fall nach dem Entscheide der untern Aufsichtsbehörde in der Beschwerdesache, der ihn mit aller Deutlichkeit auf die Notwendigkeit einer Anmeldung des Drittanspruchs beim Betreibungsamte hinwies, nicht mehr im Zweifel darüber sein, was er vorzukehren habe. Sogar wenn er nach wie vor glaubte, der Arrestbeschlag müsse auf seine Beschwerde hin aufgehoben werden, und es deshalb für richtig hielt, den Entscheid der untern Aufsichtsbehörde an die zweite Instanz weiterzuziehen, musste ihm nunmehr doch mindestens soviel klar sein, dass dieses Vorgehen den gewünschten Erfolg keineswegs mit Sicherheit erwarten liess und dass es sich nach den Grundregeln einer sorgfältigen Interessenwahrung folglich aufdrängte, ohne weitern Verzug die ihm von der untern Aufsichtsbehörde nahegelegte Rechtsvorkehr zu treffen. Es bestand kein auch nur einigermassen einleuchtender Grund dafür, diese ganz einfache Massnahme nochmals nahezu zwei Monate aufzuschieben.
Der Vertreter der Arrestschuldnerin und der Drittansprecherin musste sich aber auch davon Rechenschaft geben, dass sein Zuwarten geeignet war, die Abwicklung des Betreibungsverfahrens zu verzögern. Wie die Vorinstanz
BGE 88 III 109 S. 123
zutreffend ausgeführt hat, hätten die von ihm eingereichte Beschwerde (der keine aufschiebende Wirkung erteilt wurde) und die nur mit der streitigen Abtretung begründete Arrestaufhebungsklage die Eröffnung des Widerspruchsverfahrens über die Ansprache der Firma Dynamo nicht gehindert. Es lässt sich aber auch nicht etwa sagen, die Verzögerung der Einleitung dieses Verfahrens sei im Verhältnis zur voraussichtlichen Dauer des Widerspruchsprozesses gering und deshalb unerheblich. Zwar ist möglich, dass dieser Prozess im vorliegenden Falle viel Zeit in Anspruch nähme, weil Verhältnisse und Vorgänge im Ausland zu beurteilen wären. Gerade dann, wenn mit einer langen Prozessdauer zu rechnen ist, hat aber der betreibende Gläubiger ein wesentliches Interesse daran, dass wenigstens die Einleitung des Verfahrens nicht übermässig verzögert wird.
Aus diesen Gründen muss die erst am 11. April 1962 erfolgte Anmeldung des Anspruchs der Firma Dynamo nach den in Erwägung 2 hievor dargelegten Grundsätzen als verspätet gelten. Die Verzögerung der Anmeldung lässt sich nach den Umständen nur mit dem Bestreben erklären, der Arrestgläubigerin Schwierigkeiten zu bereiten.
4.
Die Vorinstanz hat freilich gefunden, diese Anmeldung müsse unabhängig davon, aus welchen Gründen sie sich verzögert habe, auf jeden Fall deswegen berücksichtigt werden, weil die Sanktion der Verwirkung im vorliegenden Falle zu weit gehe. Dass die Firma Dynamo die arrestierte Forderung gestützt auf eine Abtretung der Firma Rolimpex für sich beanspruche, sei nämlich der Arrestgläubigerin und den Drittschuldnern durch die Schreiben des Dr. X vom 20./21. November 1961 und dem Betreibungsamte durch die ihm zur Vernehmlassung zugestellte Beschwerde vom 1. Dezember 1961 zur Kenntnis gelangt. Die Drittansprache sei also nicht verborgen gehalten, sondern nur auf unrichtigem Wege geltend gemacht worden. Den zögernden Drittansprecher mit der.Anmeldung auszuschliessen, rechtfertige sich nur, wenn
BGE 88 III 109 S. 124
das Betreibungsamt über keine mildern Mittel verfüge, um der drohenden Störung des Betreibungsverfahrens zu begegnen. Diese Bedingung sei hier nicht erfüllt. Das Betreibungsamt sei zwar nicht verpflichtet gewesen, von Amtes wegen das Widerspruchsverfahren einzuleiten. Nachdem es auf Umwegen von der behaupteten Abtretung der arrestierten Forderung erfahren habe, hätte es aber die Möglichkeit gehabt, "die angebliche Zessionarin anzufragen, ob sie ein Drittmannsrecht anmelden wolle, und ihr hiezu unter Androhung der Verwirkung des Anmelderechts eine Frist anzusetzen."
Hieran ist richtig, dass das Betreibungsamt nicht verpflichtet (ja nicht einmal befugt) war, das Widerspruchsverfahren einzuleiten, nachdem es aus der Beschwerde der Arrestschuldnerin erfahren hatte, dass diese geltend machte, die arrestierte Forderung sei an die Firma Dynamo abgetreten worden. Voraussetzung für ein Handeln des Amtes nach
Art. 106 ff. SchKG
ist eine an es selber gerichtete Erklärung. Eine solche wollten die Arrestschuldnerin und die Firma Dynamo vor dem 11. April 1962 gerade nicht abgeben, und zwar auch dann noch nicht, als sie von der untern Aufsichtsbehörde über das richtige Vorgehen belehrt worden waren.
Der Vorinstanz kann dagegen nicht beigepflichtet werden, wenn sie annimt, das Betreibungsamt hätte der Firma Dynamo eine Verwirkungsfrist für die Anmeldung ihres Anspruchs setzen können. Hiezu war das Amt, wie in Erwägung 2 hievor ausgeführt, nicht befugt. Eine Aufforderung des Amtes zur Anmeldung des Drittanspruchs hätte vielmehr nur den Sinn eines warnenden Hinweises darauf haben können, dass es im Interesse dieser Firma liege, allfällige Ansprüche möglichst bald anzumelden. In diesem Sinne ist der Vertreter der Arrestschuldnerin und der Firma Dynamo tatsächlich zur Anmeldung aufgefordert worden, zwar nicht durch das Betreibungsamt, wohl aber durch den mehrerwähnten Entscheid der untern Aufsichtsbehörde vom 14. Februar 1962, wo es hiess,
BGE 88 III 109 S. 125
die Eigentumsansprache an der arrestierten Forderung sei beim Betreibungsamt anzumelden, das erstinstanzlich über ihre Zulassung zu befinden habe. Diese Aufforderung bewog ihn jedoch wie festgestellt nicht, die fragliche Ansprache nunmehr (mindestens vorsorglich) anzumelden. Vielmehr beschränkte er sich zunächst darauf, die Beschwerde weiterzuverfolgen. Eine vom Betreibungsamt im Anschluss an die Zustellung der Beschwerde vom 1. Dezember 1961 erlassene Aufforderung hätte unzweifelhaft nicht mehr Erfolg gehabt als diejenige im Entscheid der untern Aufsichtsbehörde. Das Mittel, mit dem das Betreibungsamt nach der Auffassung der Vorinstanz der drohenden Verzögerung des Verfahrens hätte entgegentreten können und sollen, wäre folglich, soweit überhaupt zulässig, nutzlos gewesen.
Dispositiv
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
In Gutheissung des Rekurses werden der angefochtene Entscheid und die vom Betreibungsamt Zürich 6 am 13. April 1962 in der Arrestsache Nr. 13 erlassene Fristansetzung zur Klage aufgehoben. | null | nan | de | 1,962 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
1982816f-07d4-4e61-b9e5-32ae9bd8bc86 | Urteilskopf
120 V 445
63. Urteil vom 5. Dezember 1994 i.S. Einwohnergemeinde H. gegen Kantonale Pensionskasse Solothurn und Versicherungsgericht des Kantons Solothurn | Regeste
Art. 11 BVG
,
Art. 49 Abs. 2 BVG
: Anschlussvertrag. Auslegung der Kündigungsklausel eines Anschlussvertrages zwischen einer kantonalen Vorsorgeeinrichtung und einer Einwohnergemeinde, deren Wortlaut mit Bezug auf die Berechnung der Austrittsleistung unklar ist. Dabei kommt dem Umstand entscheidende Bedeutung zu, dass die Beendigung der Rechtsbeziehungen zwischen Vorsorgeeinrichtung und Arbeitgeber (durch Auflösung des Anschlussvertrages) keinen Freizügigkeitsfall im Sinne von
Art. 27 Abs. 2 BVG
und Art. 331a Abs. 1, 331b Abs. 1 OR darstellt (Erw. 5).
Art. 4 BV
: Verfassungsrechtlicher Vertrauensschutz im Verhältnis zwischen zwei juristischen Personen des öffentlichen Rechts?
- Sind die Rechtsbeziehungen zwischen zwei juristischen Personen des öffentlichen Rechts (verwaltungs- oder privat-)vertraglicher Natur, besteht für die Anrufung des öffentlichrechtlichen Vertrauensschutzes kein Raum. Denn es stehen sich zwei gleichberechtigte Rechtssubjekte gegenüber, deren Rechte und Pflichten sich in erster Linie aus Vertrag ergeben (Erw. 4b).
- In casu Anwendbarkeit des öffentlichrechtlichen Vertrauensschutzes verneint im Verhältnis zwischen einer kantonalen Vorsorgeeinrichtung und einer ihr berufsvorsorgerechtlich angeschlossenen Einwohnergemeinde (Erw. 4c und d). | Sachverhalt
ab Seite 446
BGE 120 V 445 S. 446
A.-
Die Einwohnergemeinde H. hatte mit Vertrag vom 25. April 1969 (nachfolgend: Anschlussvertrag) das vollamtliche Gemeindepersonal bei der Staatlichen Pensionskasse Solothurn (PKS) berufsvorsorgeversichert. Im Hinblick auf einen allfälligen Anschluss an die Pensionskasse für Spital-, Heim- und Pflegepersonal (SHP) erkundigte sich die Einwohnergemeinde bei der PKS über die Höhe der Austrittsleistungen im Kündigungsfalle. Mit Schreiben vom 14. Januar 1992 teilte die PKS mit, die "Rückerstattung bei Vertragsauflösung" betrage gestützt auf Art. 11 des Anschlussvertrages insgesamt Fr. 1'131'562.60. In der Folge gelangte die Einwohnergemeinde erneut an die PKS mit der Bitte, ihr "umgehendst schriftlich mitzuteilen, welche Berechnungsart angewendet wurde"; es sei ihr anhand der bekanntgegebenen Zahlen nicht klar, ob die Freizügigkeitsleistungen nach
BGE 120 V 445 S. 447
dem "Abkommen 90" gerechnet worden seien. In dem wiederum mit "Rückerstattung bei Vertragsauflösung" betitelten Antwortschreiben vom 20. März 1992 gab die PKS 'wunschgemäss (...) die Freizügigkeitsleistungen nach dem "Abkommen 90" [insgesamt Fr. 1'538'527.70] bekannt'.
Mit Schreiben vom 26. Juni 1992 kündigte die Einwohnergemeinde H. den Anschlussvertrag auf den 31. Dezember 1992; gleichzeitig ersuchte sie um Überweisung der 'Freizügigkeitsleistungen gemäss "Abkommen 90"', zuzüglich die Beiträge für das laufende Jahr 1992, an die neue Pensionskasse (SHP). Nachdem die PKS im September 1992 die Kündigung bestätigt hatte, teilte sie der Einwohnergemeinde H. mit Schreiben vom 23. Dezember 1992 mit, das Freizügigkeitsabkommen 90 sei auf Fälle wie den vorliegenden nicht anwendbar, weshalb sie die Leistungen nach Anschlussvertrag, somit lediglich im Umfange von Fr. 1'131'562.60, entrichte.
B.-
Die hiegegen eingereichte Klage der Einwohnergemeinde H. wies das Versicherungsgericht des Kantons Solothurn nach Durchführung eines zweifachen Schriftenwechsels und einer Hauptverhandlung ab (Entscheid vom 21. Dezember 1993).
C.-
Die Einwohnergemeinde H. lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und beantragen, der kantonale Gerichtsentscheid sei aufzuheben und die PKS sei zu verpflichten, Austrittsleistungen gemäss Freizügigkeitsabkommen 90 in der Höhe von Fr. 1'538'527.70, zuzüglich Verzugszins von 5% ab 1. Januar 1993 auf dem Fr. 1'159'460.45 übersteigenden Betrag, an die SHP zu überweisen.
Die PKS schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde; das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) äussert sich ebenfalls in abweisendem Sinne, verzichtet jedoch auf einen Antrag.
Erwägungen
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens bildet die Frage, welche Ansprüche der beschwerdeführenden Einwohnergemeinde gegenüber der PKS, einer registrierten öffentlichrechtlichen Vorsorgeeinrichtung im Sinne von
Art. 48 BVG
, nach Auflösung des Anschlussvertrages (vom 25. April 1969) zustehen. Es handelt sich dabei um eine vorsorgerechtliche Streitigkeit, die der Gerichtsbarkeit der in
Art. 73 BVG
erwähnten richterlichen Behörden unterliegt, welche sowohl in zeitlicher als auch in sachlicher Hinsicht zuständig sind (
BGE 120 V 18
Erw. 1a,
BGE 117 V 50
, je mit Hinweisen).
BGE 120 V 445 S. 448
2.
a) Der Umfang der Überprüfungsbefugnis des Eidg. Versicherungsgerichts in Beschwerdesachen ergibt sich aus Art. 132 in Verbindung mit
Art. 104 und 105 OG
.
aa) Nach
Art. 104 lit. a OG
kann mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde die Verletzung von Bundesrecht einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens gerügt werden. Die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig oder unvollständig ist oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen erfolgte (Art. 104 lit. b in Verbindung mit
Art. 105 Abs. 2 OG
). Im Beschwerdeverfahren um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen (einschliesslich deren Rückforderung) erstreckt sich dagegen die Überprüfungsbefugnis des Eidg. Versicherungsgerichts auch auf die Angemessenheit der angefochtenen Verfügung; das Gericht ist dabei nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden und kann über die Begehren der Parteien zu deren Gunsten oder Ungunsten hinausgehen (
Art. 132 OG
; erweiterte Kognition;
BGE 117 V 306
Erw. 1a mit Hinweisen).
bb) Unter den Begriff der Versicherungsleistungen im Sinne von
Art. 132 OG
fallen Leistungen, über deren Rechtmässigkeit bei Eintritt des Versicherungsfalles befunden wird (
BGE 116 V 333
Erw. 2a mit Hinweisen). Dazu zählen namentlich Freizügigkeitsleistungen im Rahmen der beruflichen Vorsorge (
BGE 114 V 36
Erw. 1c). Es handelt sich dabei um Ansprüche von Versicherten. Angeschlossene Arbeitgeber sind keine Versicherten und können demzufolge auch keinen Versicherungsfall im genannten Sinne auslösen. Deshalb unterliegt die Beurteilung der streitigen Höhe der von der PKS aus dem Anschlussvertrag geschuldeten Austrittsleistung der eingeschränkten Kognition nach Art. 104 lit. b in Verbindung mit
Art. 105 Abs. 2 OG
(
BGE 115 V 364
Erw. 3b).
b) Im Rahmen von
Art. 73 Abs. 4 BVG
prüft das Eidg. Versicherungsgericht die Anwendung kantonalen und kommunalen Vorsorgerechts frei (
BGE 118 V 254
Erw. 3a mit Hinweis).
3.
Mit dem angefochtenen Entscheid hat die Vorinstanz den Standpunkt der PKS geschützt, wonach bei Auflösung des Anschlussvertrages (vom 25. April 1969) das Freizügigkeitsabkommen 90 nicht anwendbar sei und die Rückerstattung sich einzig nach den Bestandteil des Anschlussvertrages bildenden PKS-Statuten bemesse. Nach Auffassung der Beschwerdeführerin ergibt sich die Anwendbarkeit des Freizügigkeitsabkommens 90 aus dem
BGE 120 V 445 S. 449
Wortlaut von Art. 11 Abs. 2 des Anschlussvertrages; das Abkommen müsse jedoch schon aus Gründen des Vertrauensschutzes angewendet werden.
4.
a) Zu prüfen ist vorab, ob die Beschwerdeführerin gestützt auf den Grundsatz von Treu und Glauben bei unrichtigen behördlichen Auskünften Anspruch auf Mitgabe von Leistungen nach Massgabe des Freizügigkeitsabkommens 90 hat. In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird dazu vorgebracht, der Geschäftsleiter-Stellvertreter der PKS habe aufgrund der schriftlichen und telefonischen Anfragen des Gemeindeverwalters gewusst oder zumindest wissen müssen, dass die Beschwerdeführerin einen Austritt aus der PKS in Betracht zog und dabei von der Auffassung ausging, im Austrittsfalle müsste gegebenenfalls auch das Freizügigkeitsabkommen 90 Anwendung finden. Es sei schlechthin unverständlich, dass im Schreiben vom 20. März 1992 nicht ein entsprechender Vorbehalt angebracht worden sei, wenn die PKS die Bestimmungen dieses Abkommens überhaupt nicht für anwendbar hielt. Um so mehr wäre ein solcher Vorbehalt angesichts des Drängens des Gemeindeverwalters angezeigt gewesen. Die vorbehaltlose Bestätigung vom 20. März 1992 habe bei der in Vorsorgefragen nicht fachkundigen Beschwerdeführerin die bestimmte Erwartung auslösen können, "dass bei der Auflösung des Anschlussvertrages und bei Anwendung von Art. 11 Abs. 2 dieses Vertrages gegebenenfalls auch das Freizügigkeitsabkommen 90 zur Anwendung gelangt, wenn der Übertritt in eine Vorsorgeeinrichtung erfolgt, die ihrerseits dem Abkommen beigetreten ist".
b) Der aus
Art. 4 BV
fliessende Grundsatz von Treu und Glauben schützt den Bürger in seinem berechtigten Vertrauen auf behördliches Verhalten und bedeutet unter anderem, dass unrichtige Auskünfte von Verwaltungsbehörden unter bestimmten Voraussetzungen eine vom materiellen Recht abweichende Behandlung des Rechtsuchenden gebieten (
BGE 119 V 307
Erw. 3a,
BGE 118 Ia 254
Erw. 4b, je mit Hinweisen; RHINOW/KRÄHENMANN, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, Ergänzungsband, Nr. 75 B/II, III). Die Rechtsfigur des öffentlichrechtlichen Vertrauensschutzes beschlägt die durch den Staat kraft seiner hoheitlichen Entscheidungskompetenz einseitig und verbindlich geregelten Rechtsbeziehungen zum Bürger. Ob dieser Grundsatz auch zwischen Behörden gilt, wird von der Lehre grundsätzlich bejaht (HÄFELIN/MÜLLER, Grundriss des Allgemeinen Verwaltungsrechts, 2. Aufl., Rz. 555). Das Bundesgericht hat diese Frage im Verhältnis zwischen
BGE 120 V 445 S. 450
Kanton und Gemeinde offengelassen (
BGE 103 Ia 197
Erw. 4b/aa mit Hinweis). Für die Anrufung des öffentlichrechtlichen Vertrauensschutzes besteht dann kein Raum, wenn die Rechtsbeziehungen zwischen zwei juristischen Personen des öffentlichen Rechts (verwaltungs- oder privat-)vertraglicher Natur sind. Denn diesfalls stehen sich zwei gleichberechtigte Rechtssubjekte gegenüber (HÄFELIN/MÜLLER, a.a.O., Rz. 850 am Ende), deren Rechte und Pflichten sich in erster Linie aus dem Vertrag ergeben.
c) Die Pflicht zur Auskunftserteilung über die Austrittsleistungen bei Auflösung des Anschlussvertrages gehört zu den vertraglichen Nebenpflichten der PKS (vgl. die gestützt auf
Art. 64 Abs. 2 BVG
vom Bundesrat erlassenen Weisungen vom 11. Mai 1988 über die Pflicht der registrierten Vorsorgeeinrichtungen zur Auskunftserteilung an ihre Versicherten; vgl. auch
Art. 13 Abs. 2 der Verordnung über die Erhaltung des Vorsorgeschutzes und die Freizügigkeit [SR 831.425]
). Eine Verletzung dieser Pflicht stellt ein vertragswidriges Verhalten (GAUCH/SCHLUEP, Schweizerisches Obligationenrecht Allgemeiner Teil, Band II, 5. Aufl., Rz. 2606 bis 2609) dar, das unter Umständen eine Schadenersatzpflicht nach sich zieht. Voraussetzung für eine Schadenersatzpflicht und im vorliegenden Fall vorab zu prüfen ist, ob den schriftlichen und mündlichen Auskünften des Geschäftsleiter-Stellvertreters der PKS, insbesondere seinem Schreiben vom 20. März 1992, die Bedeutung einer Zusicherung im Sinne eines die Vertragslage klärenden verbindlichen Leistungsversprechens zukommt. Diese Frage beurteilt sich aufgrund des Vertrauensprinzips, wonach das Verhalten einer Vertragspartei so zu gelten hat, wie es von der anderen Vertragspartei nach Treu und Glauben, in den Grenzen zumutbarer Sorgfalt, verstanden werden durfte und musste (GAUCH/SCHLUEP, a.a.O., Band I, Rz. 207 ff.; GUHL/MERZ/KUMMER, Das Schweizerische Obligationenrecht, 7. Aufl., S. 91; HÄFELIN/MÜLLER, a.a.O., Rz. 888;
BGE 118 II 132
Erw. 2b, 366 oben).
d) In tatsächlicher Hinsicht hat das kantonale Versicherungsgericht folgendes festgestellt:
"Nachdem Herr S. der PKS im Dezember 1991 telefoniert hatte, erstellte Herr F. unter dem Rubrum "Rückerstattung bei Vertragsauflösung" den Brief vom 14.1.1992, worin ganz klar festgehalten ist, dass gestützt auf den Anschlussvertrag im Falle einer Kündigung Art. 11 gelte. Auf welcher Grundlage sich die sich anschliessende Berechnung der massgebenden Rückerstattungen stützt, ist dem Schreiben allerdings nicht ausdrücklich zu entnehmen. Der Vertreter der SHP stufte diese Leistungen als zu gering ein,
BGE 120 V 445 S. 451
weil er der Meinung war, diese müssten nach dem "Abkommen 90" berechnet werden. Deshalb ersuchte Herr S. die PKS mit Brief vom 21.1.1992 um Bekanntgabe, welche Berechnungsart angewendet worden sei. Es sei nicht klar, ob die mit Schreiben vom 14.1.1992 mitgeteilten Zahlen nach dem "Abkommen 90" berechnet worden seien. Auf telefonisches Drängen von Herrn S. hin gab dann Herr F. ebenfalls unter dem Rubrum "Rückerstattung bei Vertragsauflösung" "wunschgemäss" die Freizügigkeitsleistungen nach dem "Abkommen 90" mit Brief vom 20.3.1992 bekannt."
Diese unbestritten gebliebenen Feststellungen sind für das Eidg. Versicherungsgericht verbindlich (Erw. 2a). Die daraus gezogene Schlussfolgerung der Vorinstanz, in den drei Schreiben der PKS an die Beschwerdeführerin könne keine Zusicherung von Austrittsleistungen nach Massgabe des Freizügigkeitsabkommens erblickt werden, verletzt Bundesrecht nicht. Vielmehr ist der Beschwerdeführerin vorzuhalten, sie hätte aufgrund der auch sie treffenden Sorgfaltspflicht, in Anbetracht von Abfolge und Inhalt der Korrespondenz, bei der PKS durch Rückfrage die Verhältnisse klären sollen. Ein solches Vorgehen drängte sich schon deshalb auf, weil das Schreiben vom 20. März 1992 mit keinem Wort auf die Mitteilung vom 14. Januar 1992 Bezug nahm, insbesondere die darin gemachten Angaben nicht widerrief, und die jeweiligen Rückerstattungsbeträge ganz erheblich differierten. Es widerspricht den im kaufmännischen Leben geltenden Sorgfaltspflichten und dem Grundsatz von Treu und Glauben im Geschäftsverkehr, wenn der Gemeinderat kurzerhand jene Angaben als richtig betrachtete, welche in das gewünschte Ziel einer preiswerteren Personalvorsorge passten (vgl. Gemeinderatsbeschluss vom 15. Juni 1992). Dabei verloren die Gemeindeverantwortlichen aus den Augen, dass die Ansprüche gegenüber der PKS in jenem Zeitpunkt noch gar nicht definitiv geklärt waren.
5.
Es stellt sich somit weiter die Frage, ob die Beschwerdeführerin gestützt auf Art. 11 Abs. 2 des Anschlussvertrages Anspruch auf Erbringung der Austrittsleistungen hat, berechnet nach dem Freizügigkeitsabkommen 90 - welchem die PKS wie auch die (private) SHP als neue Vorsorgeeinrichtung der Beschwerdeführerin beigetreten sind -, oder ob sich der Mitgabeanspruch auf die Leistung nach Massgabe von § 26 PKS-Statuten beschränkt.
a) Die Bestimmung von Art. 11 Abs. 2 des Anschlussvertrages hat folgenden Wortlaut:
"Bei Auflösung des Vertrages werden dem Arbeitgeber der Anteil seines Personals am Deckungskapital, abzüglich Fehlbetrag im Zeitpunkt der
BGE 120 V 445 S. 452
Auflösung sowie die Sparguthaben, mindestens aber die Summe der Rückerstattungen im Falle des freiwilligen Austrittes der einzelnen Mitglieder, ausbezahlt."
Aufgrund der Berechnungen der PKS steht fest, dass die zweite der beiden Berechnungsvarianten zum Zuge kommt. Die Austrittsleistungen entsprechen somit der Summe der Rückerstattungen im Falle des freiwilligen Austrittes der einzelnen Mitglieder. Bedeutung und Tragweite dieser Berechnungsvorschrift sind jedoch unklar und durch Auslegung zu bestimmen. Ausgehend vom Wortlaut ist nach dem Vertrauensgrundsatz (vgl. Erw. 4c in fine) der Vertragswille zu ermitteln, den die Parteien mutmasslich gehabt haben. Dabei sind alle Umstände des Vertragsschlusses, namentlich die Interessenlage der Parteien, der Vertragszweck wie auch das Verhalten der Parteien nach Vertragsschluss zu berücksichtigen. Sodann sind gemäss der Unklarheitenregel mehrdeutige Wendungen in allgemeinen, formularmässig vorgeformten Vertragsbedingungen im Zweifel zu Lasten ihres Verfassers auszulegen. Bei Verwendung juristischer Fachausdrücke schliesslich ist in der Regel zu vermuten, dass der technische Sinn gemeint ist (
BGE 119 II 372
f. Erw. 4b mit Hinweisen; GAUCH/SCHLUEP, a.a.O., N. 1222 ff.; zur Rechtsnatur des Anschlussvertrages vgl. THOMAS LÜTHY, Das Rechtsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Personalvorsorgestiftung, insbesondere der Anschlussvertrag mit einer Sammel- oder Gemeinschaftsstiftung, Zürcher Diss. 1989, S. 86 ff., S. 103).
b) aa) Das kantonale Gericht hat richtig und insoweit auch unwidersprochen festgehalten, dass unter dem freiwilligen Austritt des einzelnen Mitgliedes im Sinne von Art. 11 Abs. 2 des Anschlussvertrages der Freizügigkeitsfall gemeint ist, wie er in
Art. 27 Abs. 2 BVG
und
Art. 331a und 331b Abs. 1 OR
umschrieben wird. Danach setzt der Freizügigkeitsfall die Auflösung des Arbeitsverhältnisses (vor Eintritt eines Versicherungsfalles) und das Verlassen der Vorsorgeeinrichtung voraus. Davon geht auch § 26 PKS-Statuten aus, wonach die Austrittsentschädigung in der Weise ausgerichtet wird, dass zugunsten des austretenden Mitgliedes eine Forderung auf künftige Vorsorgeleistungen gegen die Personalvorsorgeeinrichtung eines andern Arbeitgebers (...) errichtet wird. Sodann hat die Vorinstanz richtig erkannt, dass der freiwillige Individualaustritt, auf welchen Art. 11 Abs. 2 des Anschlussvertrages im Sinne eines hypothetischen Geschehens für die Festlegung der Rückerstattung Bezug nimmt, nichts Abschliessendes darüber aussagt, welche Leistungen das Mitglied diesfalls beanspruchen könnte. An
BGE 120 V 445 S. 453
den Austritt aus der Vorsorgeeinrichtung knüpfen sich in der Tat, je nach dem Austrittsgrund, unterschiedliche Rechtsfolgen hinsichtlich Form, Höhe und Verwendungsweise der Freizügigkeitsleistung (vgl. Art. 28 f. BVG und § 26 Abs. 4 bis 6 PKS-Statuten); denn der Übertritt in eine Abkommenskasse wird leistungsmässig abweichend von den übrigen Freizügigkeitstatbeständen behandelt. Somit lässt der Wortlaut von Art. 11 Abs. 2 des Anschlussvertrages offen, ob der Tatbestand der Auflösung des Vertrages mit nachfolgendem Anschluss an eine Abkommenskasse freizügigkeitsleistungsmässig als die Summe von (hypothetischen) Einzelübertritten zu einer Abkommens- oder zu einer Nichtabkommenskasse zu behandeln ist.
bb) In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird argumentiert, Art. 11 Abs. 2 des Anschlussvertrages erkläre ausdrücklich "selber jene Regelung als anwendbar, die im Falle eines freiwilligen Austrittes eines einzelnen Kassenmitglieds, also im Freizügigkeitsfall, zur Anwendung gelangen müsste". Damit wird aber als gegeben vorausgesetzt, was gerade zu prüfen ist, ob nämlich der in dieser Klausel gewählte Anknüpfungspunkt des freiwilligen Austrittes tatsächlich mit einem Freizügigkeitsfall nach "Abkommen 90" gleichzusetzen sei. Dieselbe Überlegung gilt auch mit Bezug auf den Hinweis, gemäss dem Schreiben vom 14. Januar 1992 gehe die PKS selber von einem hypothetischen Freizügigkeitsfall aus, indem sie die Austrittsleistungen nach der zweiten Berechnungsvariante ermittelt habe. Auch hier wird übersehen, dass es nicht nur den individuellen Austritt gibt, sondern zumindest freizügigkeitsleistungsmässig unterschiedlich zu behandelnde Austritte zu Abkommens- und Nichtabkommenskassen.
cc) Die Formulierung der zweiten Berechnungsvariante in Art. 11 Abs. 2 des Anschlussvertrages war bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses am 25. April 1969 interpretationsbedürftig. Denn § 15 PKS-Statuten ermöglichte, wie in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde richtig festgehalten wird, seit je den Abschluss von den Statuten derogierenden Freizügigkeitsvereinbarungen. Von dieser Kompetenz machte die PKS offenbar bereits 1970 mit dem Beitritt zum Schuler-Abkommen Gebrauch. Daraus lässt sich jedoch nichts für die Auffassung der Beschwerdeführerin gewinnen, wonach die PKS unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben die Nichtanwendbarkeit von § 15 PKS-Statuten im Rahmen des Anschlussvertrages ausdrücklich hätte vorbehalten sollen, zumal gemäss Abs. 2 des Vertrages die Statuten nur gelten, "sofern dieser Vertrag nichts anderes bestimmt". Im übrigen ist
BGE 120 V 445 S. 454
nicht ersichtlich und wird auch nicht geltend gemacht, dass seit Vertragsschluss Umstände rechtlicher oder tatsächlicher Natur eingetreten wären, welche die fragliche Formel unter dem Blickwinkel des Vertrauensgrundsatzes in einem andern Licht erscheinen liessen. Namentlich finden sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die PKS in gleichgelagerten Fällen anders, d. h. im Sinne der Beschwerdeführerin, vorgegangen wäre.
dd) Sodann steht grundsätzlich ausser Frage, dass das Freizügigkeitsabkommen 90 auf Freizügigkeitsfälle im rechtlichen Sinne (Erw. 5b/aa am Anfang) zugeschnitten ist. Zweck der so verstandenen Freizügigkeit ist - und war schon vor Erlass der gesetzlichen Freizügigkeitsbestimmungen im OR und BVG - eindeutig, dem Arbeitnehmer den Stellenwechsel zu erleichtern (RIEMER, Das Recht der beruflichen Vorsorge in der Schweiz, S. 109 § 5 N. 4). Die in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde verfochtene Massgeblichkeit des Freizügigkeitsabkommens 90 bei Auflösung von Anschlussverträgen dagegen hat die Wirkung, dass der Wechsel von Arbeitgebern unter den Abkommenskassen erleichtert wird. Damit wird diesem Abkommen ein Zweck zugemessen, der ihm nicht zukommt, wird es doch damit zu einem Instrument, um in den Konkurrenzkampf zwischen (öffentlichen und privaten) Vorsorgeeinrichtungen gestaltend und, wie der vorliegende Fall zeigt, ausschlaggebend einzugreifen. Eine solche Bedeutung der streitigen Anschlussvertragsklausel kann die Beschwerdeführerin der PKS in guten Treuen nicht entgegenhalten.
c) Zusammenfassend ergibt sich, dass Art. 11 Abs. 2 des Anschlussvertrages keine Grundlage bietet für die Anwendung des Freizügigkeitsabkommens 90 im Rahmen der Berechnung der Austrittsleistungen, wie der kantonale Entscheid zu Recht festhält. | null | nan | de | 1,994 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
1984a2b3-e297-4c5a-8dc0-deaabcfec34e | Urteilskopf
98 II 148
22. Urteil der II. Zivilabteilung vom 13. Juli 1972 i.S. Erbengemeinschaft Saladin gegen Weiland. | Regeste
Einlieferung letztwilliger Verfügungen (
Art. 556 ZGB
). Zivilrechtsstreitigkeit (Art. 44/46 OG).
Ein behördlicher Entscheid, der die Einlieferung der letztwilligen Verfügungen anordnet, bildet eine blosse Sicherungsmassregel, die in den Bereich der nicht streitigen Gerichtsbarkeit fällt und somit nicht zu den Zivilrechtsstreitigkeiten im Sinne von
Art. 44 ff. OG
gehört. | Sachverhalt
ab Seite 148
BGE 98 II 148 S. 148
Die Eheleute Paul und Eva Weiland-Saladin leben getrennt, seit die Ehefrau im Jahre 1963 vergeblich die Scheidung der Ehe zu erreichen versucht hat. Trotz richterlichen Aufforderungen weigerte sich die Ehefrau, zu ihrem Ehegatten zurück zukehren.
Am 11. August 1969 verfügte der Vater der Frau Weiland, Hans Benno Saladin, in einem Testamentsnachtrag, dass seiner Tochter, die auf ihre gesetzlichen Pflichtteilsansprüche verzichtet habe, der Drittel seines Nachlasses, der ihr als Erbin zustehe, als Sondergut zuzuwenden sei. Am 12. August 1969 verzichtete Eva Weiland-Saladin erbvertraglich auf ihren gesetzlichen Pflichtteilsschutz an den dereinstigen Nachlässen ihrer Eltern.
Hans Benno Saladin starb am 31. Mai 1970.
Am 24. August 1971 hat Paul Weiland beim Bezirksgericht Zürich das Begehren gestellt, die Erben des Hans Saladin seien
BGE 98 II 148 S. 149
zu verpflichten, gemäss
Art. 556 ZGB
sämtliche letztwilligen Verfügungen des Verstorbenen zur amtlichen Eröffnung dem Bezirksgericht Zürich einzureichen. Das Bezirksgericht hat die Klage gutgeheissen.
Das Obergericht des Kantons Zürich, an das die Beklagten appelliert haben, hat das erstinstanzliche Urteil bestätigt. In seinen Erwägungen weist es darauf hin, dass jeder Interessierte durch privatrechtliche Klage die Erfüllung der Ablieferungspflicht nach
Art. 556 ZGB
erzwingen könne. Unter dem Güterstand der Güterverbindung sei ein Interesse des Ehegatten der Erbin an der Einreichung und Eröffnung der letztwilligen Verfügungen zu bejahen. Die beiden Rechtsgeschäfte - der Erbverzicht und die Zuwendung des Pflichtteils zu Sondergut -, die einzig den Zweck verfolgten, das Verbot des
Art. 190 Abs. 2 ZGB
zu umgehen, seien ungültig und daher ohne Einfluss auf das Interesse des Ehemannes.
Gegen dieses Urteil hat die Erbengemeinschaft Saladin Berufung an das Bundesgericht erklärt. Sie beantragt, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und die Klage sei abzuweisen.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
Die Berufung an das Bundesgericht ist, von den hier nicht zutreffenden Ausnahmen der Art. 44 lit. a-c und
Art. 45 lit. b OG
abgesehen, gemäss
Art. 44 OG
nur in Zivilrechtsstreitigkeiten zulässig. Unter Zivilrechtsstreitigkeit versteht man ein kontradiktorisches Verfahren, das auf die endgültige, dauernde Regelung zivilrechtlicher Verhältnisse durch behördlichen Entscheid abzielt (
BGE 78 II 180
/181,
BGE 81 II 251
/252,
BGE 84 II 326
,
BGE 85 II 279
,
BGE 91 II 396
,
BGE 94 II 57
).
Art. 556 ZGB
, der die unverzügliche Einlieferung der beim Tode des Erblassers vorgefundenen letztwilligen Verfügungen vorschreibt, steht im Abschnitt über die Massnahmen zur Sicherung des Erbganges. Die Einlieferung soll die ordnungsgemässe Abwicklung des Erbganges vorbereiten, insbesondere dafür sorgen, dass die letztwilligen Verfügungen des Erblassers erhalten bleiben. Ein behördlicher Entscheid, der die Einlieferung anordnet, hat daher nicht die endgültige, dauernde Regelung zivilrechtlicher Verhältnisse zum Gegenstand. Vielmehr handelt es sich dabei um eine blosse Sicherungsmassregel, die in den Bereich der nicht streitigen Gerichtsbarkeit fällt (vgl.
BGE 98 II 148 S. 150
BGE 70 II 166
). Die Anordnung der Einlieferung ist ein blosser Vorläufer der in
Art. 557 ZGB
vorgeschriebenen Testamentseröffnung, die ihrerseits ein Akt der nicht streitigen Gerichtsbarkeit ist (
BGE 75 II 194
Erw. 3 am Ende). Angelegenheiten der nicht streitigen Gerichtsbarkeit sind keine Zivilrechtsstreitigkeiten im Sinne von
Art. 44 OG
(vgl.
BGE 91 II 397
Erw. 1 mit Hinweisen und
BGE 94 II 58
). Die vorliegende Berufung ist daher nicht zulässig.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht
Auf die Berufung wird nicht eingetreten. | public_law | nan | de | 1,972 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
198542b6-bda8-473b-a394-e7f145a38ef5 | Urteilskopf
136 IV 156
23. Urteil der Strafrechtlichen Abteilung i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern gegen X. (Beschwerde in Strafsachen)
6B_750/2009 vom 13. Juli 2010 | Regeste
Art. 63b StGB
;
Art. 5 EMRK
; Anordnung einer stationären Massnahme nach vollständiger Verbüssung der Freiheitsstrafe.
Die Umwandlung einer ambulanten in eine stationäre Massnahme nach vollständiger Verbüssung der Strafe bleibt auch unter dem Geltungsbereich des neuen Massnahmenrechts in klaren Ausnahmefällen und unter strenger Berücksichtigung des Verhältnismässigkeitsgebotes zulässig (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 2-4). | Sachverhalt
ab Seite 156
BGE 136 IV 156 S. 156
A.
Das Kriminalgericht des Kantons Luzern verurteilte X. am 15. November 2007 wegen Brandstiftung mit geringem Schaden, mehrfacher Sachbeschädigung sowie Hausfriedensbruchs zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten (bei Annahme einer in schwerem Grade verminderten Schuldfähigkeit), unter Anrechnung von 43 Tagen Untersuchungshaft. Das Kriminalgericht ordnete ausserdem unter Aufschub des Vollzugs der Freiheitsstrafe eine stationäre Massnahme gemäss
Art. 59 Abs. 1 und 3 StGB
an.
B.
Gegen dieses Urteil erhob X. Appellation an das Obergericht des Kantons Luzern. Dieses bestätigte am 19. August 2008 die Schuldsprüche und die Strafsanktion, ordnete jedoch anstelle der stationären eine ambulante Massnahme nach
Art. 63 StGB
unter Aufschub des Strafvollzugs an.
Nachdem sich die Fortführung der ambulanten Massnahme als aussichtslos erwiesen hatte, hoben die Vollzugs- und Bewährungsdienste des Kantons Luzern diese am 4. Mai 2009 auf. Der Entscheid ist in Rechtskraft erwachsen.
BGE 136 IV 156 S. 157
C.
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern beantragte mit Eingabe vom 17. Juli 2009 beim Obergericht des Kantons Luzern die Prüfung einer stationären Massnahme im Sinne von Art. 59 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 StGB. Dieses lehnte das Gesuch mit Entscheid vom 18. August 2009 ab.
D.
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern führt Beschwerde in Strafsachen beim Bundesgericht. Sie beantragt, den angefochtenen Entscheid aufzuheben und die Sache zur erneuten Beurteilung an das Obergericht des Kantons Luzern zurückzuweisen.
E.
Die Vorinstanz beantragt in ihrer Vernehmlassung, die Beschwerde sei abzuweisen. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern lässt sich dazu vernehmen. In einer weiteren Stellungnahme weist die Vorinstanz auf die zwischenzeitlich verübten Straftaten von X. hin.
F.
Das Bundesgericht hat die Beschwerde in öffentlicher Sitzung beurteilt.
Erwägungen
Erwägungen:
1.
Es ist unbestritten, dass die vom Obergericht des Kantons Luzern am 19. August 2008 gegenüber der Beschwerdegegnerin ausgesprochene Freiheitsstrafe von drei Monaten vollzogen ist. Das Bundesgericht hat sich unter dem Geltungsbereich des neuen Massnahmenrechts noch nicht zur Grundsatzfrage äussern müssen, ob eine ambulante Massnahme in eine stationäre umgewandelt werden kann, wenn der Verurteilte im Zeitpunkt des Entscheids keine Reststrafe zu verbüssen hat.
2.
2.1
Die Beschwerdeführerin vertritt die Auffassung, dass die Anordnung einer indizierten stationären Massnahme nach Art. 59 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 StGB vorliegend zu prüfen sei. Nach bisherigem Recht sei gemäss bundesgerichtlicher Praxis die Umwandlung einer ambulanten in eine stationäre Massnahme in klaren Ausnahmefällen und unter strenger Berücksichtigung des Verhältnismässigkeitsprinzips möglich gewesen, wenn die neben der Massnahme ausgesprochene Strafe bereits vollständig verbüsst worden sei.
Die Vorinstanz halte im angefochtenen Entscheid zutreffend fest, dass zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit eine stationäre Massnahme gemäss Art. 59 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 StGB zweckmässig sei. Die ärztlichen Gutachten sowie die verschiedenen Rückfälle der Beschwerdegegnerin sprächen nach dem Scheitern der ambulanten
BGE 136 IV 156 S. 158
für die Notwendigkeit einer (nachträglichen) stationären Massnahme. Somit liege eine Ausnahmesituation gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung vor. Dies hätte die Vorinstanz prüfen müssen, weshalb sie
Art. 63b Abs. 5 StGB
falsch ausgelegt habe.
Hinzu komme, dass sowohl die Erst- als auch die Vorinstanz im vorliegenden Verfahren Massnahmen angeordnet hätten, obwohl weder im Zeitpunkt des erstinstanzlichen noch des obergerichtlichen Urteils eine Reststrafe bestanden habe. Es sei nicht einleuchtend, dass im Urteilszeitpunkt auch ohne bestehende Reststrafe eine Massnahme angeordnet werden könne, zu einem späteren Zeitpunkt jedoch nicht mehr.
2.2
Die Vorinstanz betont, das Gesuch der Beschwerdeführerin müsse nicht inhaltlich, sondern aus rechtlichen Gründen abgewiesen werden. Die Möglichkeit, bei gegebenen Voraussetzungen eine ambulante Massnahme im Sinne von
Art. 63b Abs. 5 StGB
in eine stationäre umzuwandeln, sei nur gegeben, wenn zum Zeitpunkt des nachträglichen Gerichtsentscheids noch eine Reststrafe bestehe, was sich aus dem Wortlaut dieser Bestimmung, den Materialien sowie der Literatur eindeutig ergebe. Abänderungsentscheide nach
Art. 63b Abs. 5 StGB
seien unter dem Aspekt von
Art. 5 EMRK
nicht ganz unproblematisch.
Art. 5 Ziff. 1 lit. a EMRK
verlange, dass eine Freiheitsentziehung zeitlich auf eine Verurteilung folge und kausal beziehungsweise final von dieser abhänge. Verlangt sei mit anderen Worten eine konkrete Anbindung des Freiheitsentzugs an die ursprüngliche richterliche Verurteilung.
2.3
Das schweizerische Massnahmenrecht ist gekennzeichnet durch das sogenannte dualistisch-vikariierende System, wonach das Gericht bei einem Massnahmebedürftigen, der schuldhaft delinquiert hat, sowohl die schuldangemessene Strafe als auch die aus Präventionsgründen sachlich gebotene sichernde Massnahme anzuordnen hat (
Art. 57 StGB
). Dies bedeutet nicht, dass mit der Verbüssung der Strafe jeder Massnahme die Grundlage entzogen wäre. Massnahmen im Sinne von
Art. 56 ff. StGB
werden ohne Rücksicht auf Art und Dauer der ausgesprochenen Strafe angeordnet. Massgebend sind der Geisteszustand des Täters und die Auswirkungen der Massnahme auf die Gefahr weiterer Straftaten. Es bestehen verschiedene Handlungsmöglichkeiten, wenn das Ziel der ambulanten Massnahme im Vollzug oder in der Freiheit nicht erreicht wird. Die Verbindung der ambulanten Massnahme mit dem Strafvollzug hindert den Richter
BGE 136 IV 156 S. 159
allerdings nicht, die Massnahme nachträglich zu ändern und dem Verurteilten die nötige Psychotherapie zu verschaffen (
BGE 128 I 184
E. 2.3.2 mit Hinweisen).
2.4
Wird die ambulante Behandlung nach geltendem Recht wegen Aussichtslosigkeit, wie vorliegend, durch das Gericht aufgehoben (
Art. 63a Abs. 1 StGB
), ist die aufgeschobene Freiheitsstrafe zu vollziehen (
Art. 63b Abs. 2 StGB
). Das Gericht entscheidet, inwieweit der mit der ambulanten Behandlung verbundene Freiheitsentzug auf die Strafe angerechnet wird (
Art. 63b Abs. 4 StGB
). Dem Gericht obliegt es dabei zu befinden, ob die Freiheitsstrafe zu verbüssen (
Art. 63b Abs. 2 StGB
) oder - anstelle des Strafvollzugs - eine stationäre therapeutische Massnahme nach den
Art. 59-61 StGB
anzuordnen ist (
Art. 63b Abs. 5 StGB
).
2.5
Der Bundesrat betont in seiner Botschaft vom 21. September 1998 zur Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches (BBl 1999 1979 ff. Ziff. 213.443), dass im neuen Recht (
Art. 63b Abs. 5 StGB
) entsprechend dem damals geltenden Recht (aArt. 43 Ziff. 3 Abs. 3 StGB) eine stationäre therapeutische Massnahme an die Stelle des Vollzugs der Freiheitsstrafe treten kann. Eine solche könne allerdings nur angeordnet werden, wenn eine vollziehbare Reststrafe vorliege. Im gleichen Sinne äussern sich mit Verweis auf die Botschaft TRECHSEL/PAUEN BORER, in: Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, 2008, N. 6 zu
Art. 63b StGB
; ferner MARIANNE HEER, Das neue Massnahmenrecht: zum ersten, zum zweiten, zum dritten..., Anwaltsrevue 8/2005 S. 307, und in: Basler Kommentar, Strafgesetzbuch, Bd. I, 2. Aufl. 2007, N. 6 zu
Art. 63b StGB
. Auch RENATE ANASTASIADIS-RITZMANN (ZStrR 126/2008 S. 270) stellt fest, dass nach dem Gesetzestext von
Art. 63b Abs. 5 StGB
eine stationäre Massnahme nicht mehr angeordnet werden könne, wenn im ursprünglichen Urteil keine Grundstrafe verhängt oder diese bereits vollständig verbüsst worden sei; ebenso ROBERT ROTH (Mesures de sûreté et nouveau droit: confirmation, évolution et paradoxes, ZStrR 126/2008 S. 247 f.), der auf diesbezügliche Entscheide aus den Kantonen Zürich und Bern verweist; a.M. hingegen MARKUS HUG (in: Kommentar StGB, Andreas Donatsch [Hrsg.], 18. Aufl. 2010, N. 8 zu
Art. 63b StGB
) mit Hinweis auf klare Ausnahmefälle nach altem Massnahmenrecht.
2.6
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts zum alten Recht war die Umwandlung einer ambulanten in eine stationäre
BGE 136 IV 156 S. 160
Massnahme auch nach vollständiger Verbüssung der Strafe gestützt auf
Art. 43 Ziff. 3 StGB
zulässig (
BGE 128 I 184
E. 2.3.2 und Urteil 6B_375/2008 vom 21. Oktober 2008 E. 4.2). Das Bundesgericht betonte, dass diese Möglichkeit nur in klaren Ausnahmefällen und unter strenger Berücksichtigung des Verhältnismässigkeitsgebotes zulässig sei. Eine Ausnahmesituation wurde etwa angenommen, wenn ein entlassener Straftäter nach dem Scheitern der Therapie die öffentliche Sicherheit in schwerer Weise gefährdete und nur eine langfristige stationäre Behandlung die Rückfallgefahr vermindern konnte (Urteil 6S.408/2005 vom 23. Januar 2006 E. 2 mit Hinweisen). Es müsste sich mithin der Schluss aufdrängen, dass der Sachrichter entweder irrte, als er von einer stationären Massnahme absah, oder dass er die akute Veränderung und Verschlimmerung der prognose- und sicherheitsrelevanten Umstände nicht voraussehen konnte oder nicht voraussah (Urteil 6S.265/2003 vom 21. November 2003 E. 4.2).
3.
3.1
Das neue Recht relativiert die bisherige bundesgerichtliche Rechtsprechung nicht. Die nach
Art. 57 Abs. 1 StGB
gleichzeitig angeordnete Strafe und stationäre Massnahme werden nacheinander vollzogen. Der Vollzug der stationären Massnahme geht dabei der Freiheitsstrafe voraus (
Art. 57 Abs. 2 StGB
). Der mit der Massnahme verbundene Freiheitsentzug ist auf die Strafe anzurechnen (
Art. 57 Abs. 3 StGB
). Er beträgt in der Regel höchstens fünf Jahre und kann um jeweils höchstens fünf Jahre verlängert werden. Die Massnahme und deren Verlängerungsmöglichkeit bestehen ungeachtet der gleichzeitig ausgesprochenen Freiheitsstrafe. Unter Umständen ist diese im Zeitpunkt des Verlängerungsentscheids der Massnahme bereits abgegolten, da der massnahmebedingte Freiheitsentzug auf die Strafe anzurechnen ist (
Art. 57 Abs. 3 StGB
). Dieser Mechanismus ist mit Blick auf die unterschiedlichen Zwecke von Strafe und Massnahme einsichtig. Strafen beziehen sich auf die Tat bzw. die in der Vergangenheit liegende Tatschuld und sind als ausgleichenden staatlichen Eingriff in die Rechtsgüter des Täters zu verstehen (FRANZ RIKLIN, Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil I, 3. Aufl. 2007, § 1 N. 10). Demgegenüber orientieren sich Massnahmen an einem künftigen Sachverhalt, nämlich der Sozialgefährlichkeit des Täters (HEER, in: Basler Kommentar, a.a.O., N. 2 vor
Art. 56 StGB
) und stellen keine Strafe dar.
Eine Massnahme ist (bei Erfüllung der übrigen Bedingungen) anzuordnen, wenn eine Strafe allein nicht geeignet ist, der Gefahr
BGE 136 IV 156 S. 161
weiterer Straftaten des Täters zu begegnen (
Art. 56 Abs. 1 lit. a StGB
). Hieraus wird ersichtlich, dass eine Massnahme etwas Zusätzliches, Ergänzendes zur Strafe darstellt und von dieser unabhängig ist. Dies gilt umso mehr, als die Schuldfähigkeit des Massnahmebedürftigen vollständig fehlen und eine Strafe diesfalls nicht ausgesprochen werden kann.
Art. 19 Abs. 3 StGB
lässt in dieser Konstellation Massnahmen explizit zu.
3.2
Wie die Vorinstanz zu Recht darlegt, ist im Rahmen der späteren Abänderung von Massnahmen ebenfalls
Art. 5 EMRK
zu beachten. Dass diese Norm generell und damit auch ihr Abs. 1 lit. a auf therapeutische Massnahmen Anwendung findet, wird in der Lehre allgemein anerkannt (HAEFLIGER/SCHÜRMANN, Die europäische Menschenrechtskonvention und die Schweiz, 2. Aufl. 1999, S. 91 ff.; WALTER GOLLWITZER, Menschenrechte im Strafverfahren EMRK und IPBPR, Kommentar, Berlin 2005, N. 42 zu
Art. 5 EMRK
).
Gemäss
Art. 5 EMRK
muss eine Sanktion auf einer gerichtlichen Verurteilung beruhen. Die spätere Anpassung der Massnahme ist nur rechtsgenügend abgestützt, wenn die ursprüngliche Verurteilung und der später angeordnete beziehungsweise abgeänderte Freiheitsentzug hinreichend miteinander zusammenhängen. Ob allerdings ein solcher Zusammenhang
per se
zu verneinen ist, wenn anlässlich des Umwandlungsentscheides keine Reststrafe besteht, lässt sich aufgrund der Praxis des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zu
Art. 5 EMRK
nicht abschliessend beurteilen. Daraus folgt aber nicht zwingend, dass der zeitlichen Komponente keinerlei Bedeutung zukommt. Massnahmen bedürfen, soweit sie das schuldangemessene Mass überschreiten, vielmehr einer besonderen Rechtfertigung durch das öffentliche Interesse (GÜNTER STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Teil 2: Strafen und Massnahmen, 2. Aufl. 2006, § 8 N. 24). Das schuldangemessene Mass der Strafe wird wiederum durch ihre Höhe ausgedrückt. Generell bleibt somit selbst die Anordnung einer therapeutischen Massnahme von der Frage der Dauer der Strafe nicht völlig unberührt. Bei geringem Verschulden und entsprechend kurzer Freiheitsstrafe ist unter Umständen aus diesem Grund trotz Therapiebedürfnis beim Betroffenen von einer Sanktion abzusehen.
Noch mehr Bedeutung kommt dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit im Rahmen des Vollzugs von therapeutischen Massnahmen, bei deren Beendigung und eben auch bei der Frage nach einer allfälligen
BGE 136 IV 156 S. 162
Abänderung zu. Je länger ein Freiheitsentzug gedauert hat, umso strengere Anforderungen sind an die Art und Wahrscheinlichkeit künftiger Straftaten zu stellen, die bei der Risikoanalyse eine Rolle spielen und damit eine Aufrechterhaltung oder Umwandlung einer Massnahme zu begründen vermögen. Mit längerer Dauer des Vollzugs, mithin mit sich vergrösserndem zeitlichem Abstand zwischen der ursprünglichen Verurteilung und dem Entscheid betreffend Anpassung der Massnahme, sind zunehmend strengere Anforderungen an den Kausalzusammenhang des
Art. 5 Abs. 1 lit. a EMRK
zu stellen. Die Tatsache, dass keine Reststrafe besteht, kann sich daher zumindest indirekt durchaus auswirken beziehungsweise den Entscheid betreffend Zulässigkeit späterer Anpassungen präjudizieren. Je länger die Verurteilung in der Hauptsache zurückliegt, umso weniger lassen sich neue Fakten während des Vollzugs als Bestandteil des ursprünglichen Sachverhalts erkennen, die eine Massnahme zu begründen vermöchten. Dies hat das Bundesgericht - wie erwähnt - schon unter altem Recht klargestellt (Urteil 6B_375/2008 vom 21. Oktober 2008 E. 4.2).
3.3
Neben dem rein formalen zeitlichen Kriterium ist die Frage nach dem hinreichenden Zusammenhang zwischen ursprünglicher Verurteilung und Anordnung im Nachverfahren materiell zu entscheiden. Der Kausalzusammenhang im Sinne von
Art. 5 Abs. 1 lit. a EMRK
umfasst nicht nur eine rein zeitliche Komponente. Vielmehr bedarf es auch einer inhaltlichen Verknüpfung zwischen Verurteilung und Freiheitsentzug (HAEFLIGER/SCHÜRMANN, a.a.O., S. 93 mit weiteren Hinweisen; FROWEIN/PEUKERT, EMRK-Kommentar, 3. Aufl. 2009, N. 48 zu
Art. 5 EMRK
; CHRISTOPH GRABENWARTER, Europäische Menschenrechtskonvention, 4. Aufl. 2009, S. 169; GOLLWITZER, a.a.O., N. 47 zu
Art. 5 EMRK
). Entscheidend ist mithin, ob die spätere Sanktion vom ursprünglichen Zweck der ersten Verurteilung inhaltlich noch getragen ist (vgl. die ähnlichen Erwägungen im Zusammenhang mit der Frage, ob nach neuem Recht eine ambulante Massnahme durch eine andere gleichartige ersetzt werden kann in
BGE 134 IV 246
E. 3.3). In der Rechtsprechung zu
Art. 5 EMRK
wird dieser Aspekt in den Vordergrund gestellt. Andere Sachverhalte, denen kein sogenannter Symptomcharakter zukommt, können grundsätzlich nicht Anlass zu neuen Vorkehren geben. Dies erhellt allerdings bereits daraus, dass für die vorausgegangene Aufhebung der Massnahme durch die zuständige Behörde ein besonderes Fehlverhalten vorausgesetzt ist (vgl. im Zusammenhang mit ambulanten
BGE 136 IV 156 S. 163
Massnahmen HEER, in: Basler Kommentar, a.a.O., N. 20 zu
Art. 63a StGB
). So liess es der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Urteil
Stattford gegen United Kingdom
vom 28. Mai 2002 nicht zu, dass die bedingte Entlassung eines wegen Mordes Verurteilten wegen einer nachfolgenden Fälschung von Reisepässen und Checks widerrufen wurde (dazu u.a. STEFAN TRECHSEL, Human Rights in Criminal Proceedings, Oxford 2005, S. 441 f.).
3.4
Im zu beurteilenden Fall unterscheidet sich die neue Delinquenz der Beschwerdegegnerin, die Anlass zum Antrag der Beschwerdeführerin auf Umwandlung der ambulanten Massnahme war, zwar von derjenigen, die dem Urteil in der Hauptsache zugrunde lag. Während die Beschwerdegegnerin ursprünglich kleinere Brände in Containern oder Telefonzellen legte, schreckte sie später die Bevölkerung durch Androhung von Amokläufen im Sinne von
Art. 258 StGB
(vgl. dazu in den Akten der Staatsanwaltschaft die Strafverfügung des Amtsstatthalteramtes Luzern vom 7. April 2009: Schuldspruch wegen mehrfacher versuchter Schreckung der Bevölkerung, begangen in Luzern, KKL Damentoilette; in Luzern WC-Anlage Bundesplatz; in Luzern Bundesplatz-Oberlöchli-Bahnhof [VBL-Linie] und in Luzern KKL Damentoilette und Mc Donalds Damentoilette, bedingte Geldstrafe von 22 Tagessätzen à Fr. 30.-). Die Delikte setzen aber einen ähnlich grossen Personenkreis einer Gefahr aus. Es ist auch offensichtlich, dass in beiden Fällen das strafbare Verhalten im besonderen psychischen Zustand der Beschwerdegegnerin begründet ist, wie er immer schon vorgelegen hat. Das Gleiche gilt ferner für das unkooperative Verhalten der Beschwerdegegnerin im Rahmen der Therapie, worauf sich die Vollzugsbehörde bei der Aufhebung der ambulanten Massnahme zu berufen scheint (Entscheid des Justiz- und Sicherheitsdepartementes des Kantons Luzern, Dienststelle Militär, Zivilschutz und Justizvollzug, Vollzugs- und Bewährungsdienste vom 4. Mai 2009).
3.5
An der bisherigen Rechtsprechung ist auch unter dem neuen Recht festzuhalten. Es ist systemwidrig, die Umwandlung einer ambulanten in eine stationäre Massnahme nach Verbüssung der Freiheitsstrafe generell auszuschliessen. Das neue Recht sieht ungeachtet der bereits abgegoltenen Freiheitsstrafe eine unbeschränkte Verlängerungsmöglichkeit der "in der Regel nicht länger als fünf Jahre" dauernden stationären oder ambulanten Massnahme um jeweils höchstens fünf Jahre vor (Art. 59 Abs. 4 bzw.
Art. 63 Abs. 4
BGE 136 IV 156 S. 164
StGB
). Auch der Gesetzestext von
Art. 63b Abs. 5 StGB
hat sich gegenüber aArt. 43 Ziff. 3 StGB inhaltlich nicht verändert.
4.
4.1
Zusammenfassend ist Folgendes festzuhalten: Scheitert eine ambulante Behandlung, ist bei Freiheitsstrafen nicht zwingend erforderlich, dass noch eine Reststrafe vorliegt, wenn eine stationäre therapeutische Massnahme angeordnet werden soll. In materieller Hinsicht bedarf es einer inhaltlichen Verknüpfung zwischen Verurteilung und Freiheitsentzug (das heisst der Anordnung einer stationären Therapie). Die Umwandlung einer ambulanten in eine stationäre Massnahme nach vollständiger Verbüssung der Strafe bleibt wie unter dem alten Recht in klaren Ausnahmefällen und unter strenger Berücksichtigung des Verhältnismässigkeitsgebotes zulässig. Ob eine solche Ausnahmesituation vorliegend zu bejahen ist, hat die Vorinstanz zu entscheiden.
4.2
Die Beschwerde ist gutzuheissen, der Entscheid des Obergerichts des Kantons Luzern vom 18. August 2009 aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 66 Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 BGG). Eine Parteientschädigung ist nicht zuzusprechen (
Art. 68 Abs. 3 BGG
). | null | nan | de | 2,010 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
19925920-4136-43da-9cf1-1dc6ef070b14 | Urteilskopf
83 IV 4
3. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 1. März 1957 i.S. Schuler gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich. | Regeste
Art. 42 Ziff. 1 StGB
. Massnahmenkonkurrenz.
Hat der Richter, der einen während der Dauer der Verwahrung rückfällig gewordenen Täter neuerdings verwahren will, diese Massnahme zusätzlich zu der bereits laufenden anzuordnen? | Sachverhalt
ab Seite 4
BGE 83 IV 4 S. 4
A.-
Am 26. Januar 1955 verurteilte das Kantonsgericht Schwyz den vielfach vorbestraften Josef Schuler wegen Betruges zu acht Monaten Gefängnis und ordnete dessen Verwahrung nach
Art. 42 StGB
an. Während des Vollzuges
BGE 83 IV 4 S. 5
dieser Massnahme entwich Schuler wiederholt aus der Anstalt, wobei er erneut straffällig wurde.
Am 31. Juli und 28. September 1956 bestrafte das Bezirksgericht Zürich Schuler wegen Betruges, Diebstahls und Verweisungsbruches mit je zwei Monaten Gefängnis. In beiden Fällen ordnete es die Verwahrung des Verurteilten an.
Schuler legte gegen diese beiden Urteile Berufung ein.
B.-
Am 13. November 1956 verfällte ihn das Obergericht des Kantons Zürich in eine durch die Untersuchungshaft erstandene Gesamtstrafe von vier Monaten Gefängnis. An die Stelle der Strafe liess es die Verwahrung treten. Die Voraussetzungen des
Art. 42 Ziff. 1 StGB
seien gegeben, weswegen die Verwahrung ungeachtet der Fortdauer der durch das Kantonsgericht Schwyz verhängten Massnahme erneut anzuordnen sei.
C. - Schuler führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichtes sei insoweit aufzuheben, als es ihn wiederum nach
Art. 42 StGB
verwahre, und es sei die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit sie an die Stelle der Freiheitsstrafe die am 26. Januar 1955 vom Kantonsgericht Schwyz verhängte Verwahrung treten lasse. Es wird geltend gemacht, das angefochtene Urteil führe zu einer Kumulation gleichartiger Massnahmen, zu deren Vollzug Behörden verschiedener Kantone zuständig seien. Angesichts dessen stelle sich die Frage, ob die zuerst angeordnete Massnahme während mindestens drei Jahren vollzogen sein müsse, um mit dem Vollzug der zweiten beginnen zu können, oder ob nicht die erstere durch die zweite abgelöst werde. Hieraus sowie aus der uneinheitlichen Behandlung des Strafvollzuges in den verschiedenen Kantonen ergäben sich erhebliche Schwierigkeiten, weswegen eine Kumulation gleichartiger Massnahmen abzulehnen sei. Werde ein Verurteilter während der Verwahrung straffällig, könne der Vollzug der im ersten Urteil angeordneten Massnahme gestützt auf
Art. 42 Ziff. 5 StGB
ohne weiteres über die Mindestdauer von drei Jahren
BGE 83 IV 4 S. 6
hinaus erstreckt werden. Eine zusätzliche Anordnung der Verwahrung erweise sich daher als überflüssig. Daran ändere der Umstand nichts, dass das erste Urteil infolge Revision dahinfallen könne. Nach
Art. 42 StGB
habe der Richter ohnehin eine Freiheitsstrafe auszusprechen, die - sollte die früher verhängte Verwahrung aufgehoben werden - vollzogen oder durch eine neue Verwahrung ersetzt werden könne.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1.
.....
2.
Art. 42 Ziff. 1 StGB
räumt dem Richter die Möglichkeit ein, eine von ihm ausgefällte Strafe durch die sichernde Massnahme der Verwahrung zu ersetzen. Dafür, dass er an die Stelle der Freiheitsstrafe eine in einem früheren Urteil und von einem andern Richter angeordnete Verwahrung treten lassen könne, wenn deren Vollzug noch andauert, ist der angeführten Bestimmung nichts zu entnehmen. Vielmehr hat der Richter, sofern er von der ihm durch das Gesetz eingeräumten Befugnis Gebrauch machen will, auch während der Dauer einer früher verhängten Verwahrung diese Massnahme in seinem Urteil neuerdings und zusätzlich zu der bereits laufenden anzuordnen. Liesse er entsprechend dem Antrag des Beschwerdeführers anstelle der neu ausgefällten Strafe lediglich die frühere Verwahrung treten, würde der Vollzug seines Urteils von demjenigen des ersteren abhängig gemacht. Das müsste zu unhaltbaren Ergebnissen führen.
a) Wie die Vorinstanz zutreffend feststellt, bliebe das zweite Urteil ohne strafrechtliche Folge, wenn das erste im Weg der Revision aufgehoben würde. In diesem Fall wäre der weiteren Verwahrung des Täters die urteilsmässige Grundlage entzogen und könnte gestützt auf das zweite Erkenntnis selbst von einem Vollzug der darin ausgesprochenen Freiheitsstrafe nicht die Rede sein. Denn damit, dass der Richter die Strafe in ihrem Vollzug nicht bloss aufschob (vgl.
Art. 43-45 StGB
), sondern durch die
BGE 83 IV 4 S. 7
sichernde Massnahme der Verwahrung ersetzte, ist gesagt, dass der Täter das Vertrauen einer dauernden Besserung nicht verdient (vgl.
BGE 73 IV 244
,
BGE 75 IV 99
,
BGE 77 IV 78
). Angesichts dessen wäre es widersinnig und mit der ratio legis unvereinbar, die Strafe vollziehen zu lassen. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers könnte die durch das Dahinfallen des ersten Urteils entstehende Lücke auch nicht durch nachträgliche Anordnung einer neuen Verwahrung geschlossen werden. Nicht nur fehlte hiezu die notwendige gesetzliche Ermächtigung, sondern stünde einem solchen Vorgehen auch die Verbindlichkeit des rechtskräftigen Urteils entgegen.
Selbst wenn übrigens der erste Entscheid bestehen bliebe und der Vollzug der darin angeordneten Verwahrung anhielte, wäre keine zureichende Gewähr geboten, dass der im letzten Urteil festgestellten Gemeingefährlichkeit des Täters und dem sich daraus ergebenden Schutzbedürfnis der Öffentlichkeit in Zukunft genügend Rechnung getragen werde. Zwar müsste beispielsweise im vorliegenden Fall die zuständige Schwyzer Behörde zur Bestimmung des frühesten Zeitpunktes, an welchem der Beschwerdeführer bedingt entlassen werden könnte, die sich auf Grund beider Urteile ergebende Strafzeit in Betracht ziehen (
Art. 42 Ziff. 5 StGB
). Da jedoch die gesamte Dauer der beiden in den Kantonen Schwyz und Zürich verwirkten Freiheitsstrafen weniger als drei Jahre ausmacht, könnte Schuler ungeachtet der während der Verwahrung begangenen Delikte bereits nach Ablauf des gesetzlichen Minimums von drei Jahren bedingt entlassen werden. Das Urteil des Obergerichtes des Kantons Zürich bliebe auch in diesem Fall ohne die gewollte Wirkung.
b) Die vom Beschwerdeführer beantragte Lösung der Frage müsste überdies zu einer durch nichts gerechtfertigten ungleichen Behandlung des während der Verwahrung rückfälligen Gewohnheitsverbrechers gegenüber dem nach
Art. 42 Ziff. 5 StGB
bedingt Entlassenen führen. Während es für jenen trotz der erneut bekundeten Gemeingefährlichkeit
BGE 83 IV 4 S. 8
bei der ursprünglichen Mindestdauer der Massnahme sein Bewenden hätte, könnte dieser bei Rückfall während der Probezeit neuerdings auf mindestens fünf Jahre verwahrt werden (
Art. 42 Ziff. 6 Abs. 1 StGB
). Daran ändert nichts, dass die Behörden des ersten Urteilskantons den während der Verwahrung begangenen strafbaren Handlungen dadurch Rechnung tragen könnten, dass sie den Vollzug der Massnahme über die gesetzliche Mindestdauer hinaus erstreckten; ob und in welchem Masse das zu geschehen hätte, wäre ausschliesslich in ihr Ermessen gestellt, während der Kanton des zuletzt erkennenden Gerichtes hiezu nichts zu sagen hätte. Die Gefahr einer verfrühten Entlassung wäre diesfalls umso grösser, als hinsichtlich der Frage, ob die Gemeingefährlichkeit des Verwahrten als behoben gelten könne, erhebliche Meinungsverschiedenheiten denkbar sind und bei der schweren Belastung, welche der Vollzug einer solchen Massnahme unter Umständen für einen Kanton zur Folge haben kann, die Möglichkeit, dass finanzielle, aber auch andere zweckfremde Rücksichten den Entscheid mitbeeinflussen könnten, nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen ist.
2a.
Ordnet der zuletzt erkennende Richter die Verwahrung des Täters als selbständige und vom früheren Urteil unabhängige Massnahme an, wird diese nach ständiger Rechtsprechung des Bundesrates als oberster Aufsichtsbehörde und Beschwerdeinstanz in Sachen des Strafvollzuges (
Art. 392 StGB
, 247 Abs. 3 BStP,
Art. 125 Abs. 1 lit. b OG
) zwar nicht mit der laufenden kumuliert, sondern geht die eine in der andern auf (vgl. die bundesrätlichen Entscheide in ZStR 60, S. 459; 62, S. 333; 63, S. 236). Indessen bestimmt in Fällen wie dem vorliegenden die zuletzt angeordnete Massnahme den Zeitpunkt der frühest möglichen bedingten Entlassung (RStrS 1952, Nr. 87). Das wirkt sich dahin aus, dass z.B. ein Verwahrter, der nach zweijährigem Massnahmenvollzug infolge Rückfalls vom Richter neuerdings nach
Art. 42 StGB
verwahrt wird, frühestens nach fünf Jahren (zwei Jahre der vollzogenen
BGE 83 IV 4 S. 9
Massnahme + die gesetzliche Mindestdauer von drei Jahren) bedingt entlassen werden kann. Insoweit ist das Ermessen der Vollzugsbehörden ausgeschlossen und die vom Gesetz gewollte minimale Sicherung des Massnahmenzweckes erreicht. Auch wird das Mitspracherecht aller Urteilskantone gewahrt und ist Rechtsungleichheiten, wie sie bei blosser Fortdauer der in einem früheren Urteil angeordneten Verwahrung zutage treten, der Weg verbaut.
Demgegenüber kommt der Hinweis des Beschwerdeführers auf die Schwierigkeiten, die sich beim Vollzug konkurrierender Verwahrungen ergeben können, nicht auf. Diese liegen in der durch das Gesetz gegebenen Aufteilung von Rechtsprechung und Strafvollzug begründet und sind übrigens nicht grösser als in allen andern Fällen, in denen Massnahmen oder Strafen zusammentreffen. Die Rüge des Beschwerdeführers, das angefochtene Urteil verstosse gegen Bundesrecht, weil es ihn erneut und zusätzlich zu der vom Kantonsgericht Schwyz am 26. Januar 1955 angeordneten Massnahme nach
Art. 42 StGB
verwahre, hält daher nicht stand. | null | nan | de | 1,957 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
1995f395-aeb6-4703-877f-3490152255c7 | Urteilskopf
91 II 94
14. Arrêt de la IIe Cour civile du 14 mai 1965 dans la cause Malan contre Cottier et Blanc. | Regeste
Vermächtnis. Gegenstand (
Art. 484 Abs. 2 und 3 ZGB
).
1. Der Gegenstand des Vermächtnisses kann in der Gewährung eines Wohnrechtes bestehen (Erw. 1).
2. Der Erblasser ist befugt, eine bestimmte Sache, die einem andern gehört, jemandem zu Eigentum zu vermachen oder eine solche Sache im Sinn eines Vermächtnisses mit einem beschränkten dinglichen Rechte zu belasten. Ein dahingehender Willemuss sichjedoch mit Sicherheit aus der letztwilligen Verfügung ergeben, so wie diese nach den gegebenen Umständen auszulegen ist; sonst wird der Schuldner des Vermächtnisses frei (Erw. 2 und 3).
3. Dass das Vermächtnis einer fremden Sache gewollt sei, hat der durch die Verfügung Begünstigte zu beweisen (Erw. 4).
4. Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts hinsichtlich der Auslegung letztwilliger Verfügungen (Erw. 3). | Sachverhalt
ab Seite 95
BGE 91 II 94 S. 95
A.-
Henri Clerc, né en 1877, et son épouse Henriette Clerc-Tissot, née en 1883, ont adopté le 29 août 1945 leur bru Rosa Clerc-Isoz, après que leur fils Roland fut décédé le 27 février 1945. Ils avaient passé une convention préalable qui supprimait la réserve de la future adoptée dans les successions des futurs adoptants (art. 268 al. 3 CC), afin de conserver la faculté de disposer librement de leurs biens. En 1951, Rosa Clerc-Isoz s'est remariée avec Henry Cottier.
Les époux Clerc-Tissot habitaient une maison sise à Lausanne, avenue Schnetzler 2, que le mari avait achetée le 2 septembre 1926; l'épouse avait remis à cette fin une somme à son conjoint, qui s'en était reconnu débiteur et avait constitué une hypothèque en garantie de la restitution des espèces.
En août 1958, Rosa Cottier-Clerc avait engagé Ernestine Malan, née en 1903, pour tenir le ménage de ses parents adoptifs, tous deux malades.
Henriette Clerc-Tissot est décédée à Lausanne le 14 mars 1961, laissant pour seul héritier son mari Henri Clerc. Elle avait rédigé un testament désignant notamment le notaire Marius Blanc, à Lausanne, comme exécuteur testamentaire. En outre, elle avait inséré dans un codicille du 16 mars 1960 la clause suivante:
"Si Ernestine est avec nous jusqu'à la fin de nos jours lui donner la jouissance du petit appartement du 4e étage cuisine et chambre, cuisine au Nord, chambre au midi et si c'est possible le petit cagnard qui touche la chambre."
L'appartement en question comprend en effet une cuisine avec WC au nord et une chambre au midi, séparées par un corridor qu'utilisent les autres locataires; il est loué.
Henri Clerc, dont la santé avait décliné dès l'année 1960, est décédé à son tour le 26 mai 1961, laissant comme seule héritière
BGE 91 II 94 S. 96
sa fille adoptive Rosa Cottier, laquelle a accepté la succession. Il a légué à Ernestine Malan une somme nette de tout droit de mutation.
Ernestine Malan a quitté son service auprès d'Henri Clerc le 19 avril 1961. Elle a réclamé à l'exécuteur testamentaire Marius Blanc la délivrance du legs qu'Henriette Clerc-Tissot avait ordonné en sa faveur. Elle s'est heurtée à un refus.
B.-
Par demande du 9 avril 1964, Ernestine Malan a fait assigner Rosa Cottier et Marius Blanc devant la Cour civile du Tribunal cantonal vaudois. Elle a conclu principalement à la constitution en sa faveur d'un droit d'habitation viager (art. 776 CC) à inscrire au registre foncier. Subsidiairement, elle a requis paiement de la valeur capitalisée du loyer de l'appartement.
Les défendeurs ont conclu à libération des fins de la demande. A titre très subsidiaire, pour le cas où la demande serait admise dans son principe, ils ont offert de mettre à la disposition d'Ernestine Malan l'appartement désigné dans le codicille, contre paiement d'une redevance correspondant à la réduction des legs ordonnés par Henriette Clerc-Tissot, calculée sur le loyer mensuel perçu du tiers locataire.
Statuant le 24 décembre 1964, la Cour civile vaudoise a rejeté la demande. Elle a considéré que la défunte avait légué à Ernestine Malan la jouissance d'un appartement qui n'était pas sa propriété; mariée sous le régime de l'unité des biens de l'ancien droit vaudois, la testatrice se croyait sans doute propriétaire de l'immeuble dans lequel elle avait investi des fonds; en outre, elle n'avait probablement pas pensé qu'elle mourrait avant son mari, mais bien plutôt que celui-ci, apparemment plus gravement malade qu'elle, décéderait le premier et lui léguerait l'immeuble par testament (ce qu'il avait fait le 31 mars 1952); il ne semblait pas, dès lors, que l'intention de la disposante fût réellement de léguer la chose d'autrui. En vertu de l'art. 484 al. 3 CC, le débiteur du legs serait ainsi libéré. Toutefois, la juridiction cantonale n'a pas exclu tout à fait l'éventualité où la testatrice aurait légué consciemment un bien qui ne lui appartenait pas. Mais alors le legs serait nul, parce qu'il était subordonné à la condition que la bénéficiaire fût encore au service de la disposante et de son époux. Or la légataire avait quitté le service d'Henri Clerc avant son décès, de sorte que la condition ne serait pas réalisée.
BGE 91 II 94 S. 97
C.-
Ernestine Malan recourt en réforme au Tribunal fédéral en reprenant les conclusions de sa demande.
Les intimés Rosa Clerc et Marius Blanc concluent au rejet du recours.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
La recourante estime que, dans son codicille du 16 mars 1960, Henriette Clerc-Tissot lui a légué un droit d'habitation (art. 776 CC). Elle réclame la délivrance du legs à Rosa Cottier, seule héritière d'Henri Clerc, qui était lui-même l'unique héritier de son épouse, et partant débiteur du legs (art. 562 CC). Elle agit aussi contre l'exécuteur testamentaire Marius Blanc, que la loi charge notamment d'acquitter les legs (art. 518 al. 2 CC).
Définissant l'objet du legs, l'art. 484 al. 2 CC précise que le disposant "pourra soit léguer un objet dépendant de la succession ou l'usufruit de tout ou partie de celle-ci, soit astreindre ses héritiers ou légataires à faire, sur la valeur des biens, des prestations en faveur d'une personne ou à la libérer d'une obligation". Si l'attribution de la propriété d'une chose est le cas le plus fréquent, et si la loi mentionne encore l'usufruit, rien n'empêche le testateur d'attribuer au légataire un autre droit réel restreint, pourvu que ce droit ait une existence autonome (ESCHER, n. 14 ad part. 484 CC). Par exemple, il est loisible au disposant d'ordonner la constitution d'une servitude en faveur du bénéficiaire (TUOR, n. 14 ad art. 484 CC). Le legs consistant dans l'attribution d'un droit d'habitation est dès lors valable.
Le disposant peut léguer non seulement la propriété ou un droit réel restreint grevant une chose dont il est lui-même propriétaire, mais aussi une chose appartenant au débiteur du legs, voire à un tiers (TUOR, loc.cit., ESCHER, n. 9 et 19 ad art. 484 CC). Toutefois, lorsque le legs a pour objet une chose déterminée qui ne se retrouve pas dans la succession, le débiteur est libéré, à moins que le contraire ne résulte de la disposition (art. 484 al. 3 CC).
2.
La faculté pour le testateur de léguer en propriété ou de grever d'un droit réel restreint une chose déterminée, appartenant à autrui, n'est pas réglée de façon uniforme par les législations des pays voisins.
Aux termes de l'art. 1021 du code civil français, "lorsque le testateur aura légué la chose d'autrui, le legs sera nul, soit que le testateur ait connu ou non qu'elle ne lui appartenait pas".
BGE 91 II 94 S. 98
Mais la jurisprudence a posé des conditions qui limitent le champ d'application de ce texte légal au point de le rendre inefficace. Il faut, d'une part, que le legs ait pour objet un corps certain qui, au moment du décès, appartienne exclusivement à autrui, sans que le testateur jouisse d'aucun droit, même conditionnel, ni d'un droit indivis sur cette chose. D'autre part, la disposition doit avoir pour objet le transfert de la propriété; si le testateur s'est borné à imposer à ses héritiers la charge d'acquérir la chose d'autrui pour la transférer au bénéficiaire, il n'y aurait pas de legs de la chose d'autrui; de même, le disposant peut imposer à son héritier, à titre de charge successorale, l'obligation de transférer la propriété d'un bien qui lui appartient (legs de la chose de l'héritier); si le débiteur trouve la charge trop onéreuse, il lui suffit de renoncer à la succession (PLANIOL/RIPERT, Traité pratique de droit civil français, 2e éd., t. V, Donations et testaments, par TRASBOT/LOUSSOUARN, nos 604/5, p. 757 ss., et t. XIV, Mise à jour, no 604, p. 10; cf. aussi Paris, 17 décembre 1963, Recueil DALLOZ, 1964, sommaires, p. 69/70).
Plus nuancé, l'art. 651 du code civil italien statue que le legs d'une chose appartenant à la personne grevée ou à un tiers est nul, à moins qu'il ne résulte du testament ou d'une autre déclaration écrite du testateur que celui-ci savait que la chose léguée n'était pas sa propriété; la personne grevée est alors obligée d'acquérir la propriété de la chose et de la transférer au légataire; elle a toutefois la faculté de lui en payer le juste prix.
L'art. 662 du code civil autrichien déclare inopérant le legs de la chose d'autrui, qui n'appartient ni au de cujus, ni à l'héritier ou au légataire chargé de la délivrer à un tiers; mais si le testateur ordonne expressément qu'une chose déterminée, propriété d'autrui, soit achetée et remise au légataire, et que le propriétaire refuse de la céder au prix d'estimation, la personne grevée paiera cette valeur au légataire.
Selon l'art. 2169 du code civil allemand, le legs d'une chose déterminée qui n'est pas comprise dans la succession au jour du décès ne produit aucun effet, à moins que le disposant n'ait voulu faire attribuer le bien au légataire même dans ce cas. La personne grevée doit alors procurer la chose léguée au bénéficiaire désigné par le défunt; le legs peut avoir pour objet non seulement la propriété d'une chose déterminée, mais aussi un droit sur une telle chose, par exemple le droit d'habiter gratuitement une maison pendant les cinq ans qui suivront le décès
BGE 91 II 94 S. 99
du disposant (Reichsgericht, IV. Senat, 22 janvier 1934, in Juristische Rundschau und Höchstrichterliche Rechtsprechung, 1934, no 815).
3.
La loi suisse (art. 484 al. 3 CC) présume la libération du débiteur, lorsque la chose déterminée qui est léguée ne se retrouve pas dans la succession. Elle réserve cependant au légataire la faculté de prouver la volonté contraire du testateur. Le texte légal semble exiger que cette intention ressorte de la disposition elle-même. La doctrine se contente toutefois d'indices, sur la base desquels la volonté du disposant sera établie à l'aide d'éléments extrinsèques (ESCHER, n. 19 ad art. 484 CC et rem. prél. 10 ss. ad art. 467 ss. CC; TUOR, n. 24 ad art. 484 CC). S'il est en effet souhaitable de respecter le plus possible la volonté exprimée par le défunt (cf. RO 89 II 191 et 368 concernant la forme des dispositions pour cause de mort), encore faut-il que les circonstances permettent au juge de rétablir cette volonté avec certitude (cf., à propos d'un legs dont l'objet était indéterminable, RO 89 II 182 et la critique de MERZ, RJB 100 (1964) p. 451).
Saisi d'un recours en réforme, le Tribunal fédéral revoit librement l'interprétation que l'autorité cantonale a donnée aux dispositions du testateur, en raisonnant selon l'expérience générale de la vie. Il est seulement lié, en vertu de l'art. 63 al. 2 OJ, aux constatations fondées sur l'appréciation des preuves et se rapportant à des faits concrets, tels que les actes et les attitudes du disposant, dont la volonté a été déduite par le juge. Ces règles valent non seulement pour le contenu de la disposition, mais aussi pour les motifs qui l'ont inspirée (RO 75 II 285 s., 79 II 39 s., 82 II 519, 88 II 71, 90 II 480).
4.
En l'espèce, le legs ordonné par Henriette Clerc-Tissot attribuait à la recourante la jouissance d'un appartement déterminé, compris dans la maison sise avenue Schnetzler no 2, à Lausanne. Or, l'immeuble en question appartenait au mari de la disposante, qui lui a survécu, et ne se trouvait donc pas dans la succession. Conformément à l'art. 484 al. 3 CC, il incombait à la légataire de prouver que la testatrice, tout en sachant que l'appartement visé n'était pas sa propriété, avait néanmoins voulu imposer à ses héritiers la charge (art. 482 CC) de lui en laisser la jouissance.
Sur le vu des faits exposés par la Cour civile vaudoise, la preuve requise n'a pas été apportée. Le texte du codicille ne
BGE 91 II 94 S. 100
révèle pas clairement la volonté de son auteur. Les circonstances ne permettent pas de conclure que la disposante ait voulu léguer la jouissance d'une chose appartenant à autrui. Certes, les juges cantonaux n'ont exprimé aucune constatation certaine quant à la volonté de la testatrice. En particulier, ils n'ont pas affirmé que celle-ci se croyait, par erreur, propriétaire de l'immeuble, dans l'achat duquel elle avait investi des fonds. Ils se sont bornés à relever que les circonstances de la cause incitaient à le penser. Ils ont ajouté que la disposante n'avait probablement pas envisagé qu'elle mourrait avant son mari, qui paraissait plus gravement malade qu'elle, mais bien plutôt qu'il décéderait le premier et lui léguerait l'immeuble par testament, ce qu'il avait fait. Ils ont conclu: "Ainsi, il ne semble pas que l'intention de la testatrice ait réellement été de léguer la chose d'autrui. Toutefois, on ne saurait totalement exclure cette éventualité, de sorte qu'il convient de la prendre également en considération."
Les hypothèses qu'envisage la juridiction cantonale pour expliquer la disposition de Henriette Clerc-Tissot en faveur de la recourante ne sont pas contraires à l'expérience générale de la vie. En revanche, la conclusion dubitative qu'en ont tirée les premiers juges méconnaît la présomption posée par l'art. 484 al. 3 CC. Du moment que la recourante n'a pas apporté la preuve positive que la testatrice a voulu lui léguer un droit d'habitation grevant l'immeuble dont elle n'était pas propriétaire, le débiteur du legs est libéré en vertu de la loi.
Le recours est dès lors mal fondé, sans qu'il soit nécessaire d'examiner si les autres motifs retenus par la Cour civile vaudoise conduiraient également à débouter la recourante.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral:
Rejette le recours. | public_law | nan | fr | 1,965 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
1999efef-1fdd-4107-99de-cd24e8c50c9b | Urteilskopf
103 IV 261
72. Urteil des Kassationshofes vom 8. November 1977 i.S. S. gegen Motorfahrzeugkontrolle des Kantons Graubünden | Regeste
1.
Art. 10 Abs. 3 VRV
. Pflicht langsam fahrender Motorfahrzeuge, ausserorts den schnelleren Motorfahrzeugen das Überholen angemessen zu erleichtern, indem sie nötigenfalls auf Ausweichplätzen halten. Fall eines mit 25 km/h die Autostrasse des San Bernardino befahrenden Kleinwagens.
2.
Art. 39 Abs. 3 VRV
. Das Verbot des Haltens in Tunneln ausser in Notfällen enthält keinen Hinweis auf das Notstandsrechts des StGB. Wann ein Notfall vorliegt, entscheidet sich nach den ganzen Umständen, wozu auch die Anlage der Strasse gehört (Vorhandensein oder Fehlen von Ausstellnischen). Abwägung zwischen dem Interesse am Ausstellen und den dadurch neu geschaffenen Gefahren. | Sachverhalt
ab Seite 261
BGE 103 IV 261 S. 261
S. fuhr am 10. April 1977, dem Ostersonntag, bei dichtem Verkehr kurz vor Mittag mit seinem Personenwagen Citroën 2 CV auf der Autostrasse des San Bernardino mit 25 km/h durch Tunnel und Galerien, ohne die vorhandenen Ausstellnischen zu benutzen, sodass sich hinter ihm eine lange Autokolonne bildete.
BGE 103 IV 261 S. 262
Die Motorfahrzeugkontrolle Graubünden auferlegte ihm wegen Übertretung von
Art. 10 Abs. 3 VRV
eine Busse von Fr. 50.--.
Den dagegen eingereichten Rekurs wies das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden am 16. September 1977 ab.
Mit Nichtigkeitsbeschwerde beantragt S. Rückweisung der Sache an das Verwaltungsgericht zu neuer Beurteilung.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Art. 10 Abs. 3 VRV
verpflichtet die Führer schwerer Motorwagen, ausserorts den schnelleren Motorfahrzeugen das Überholen zu erleichtern und hiefür nötigenfalls auf Ausweichstellen anzuhalten; die Bestimmung gilt auch für andere langsam fahrende Motorfahrzeuge.
Der Beschwerdeführer bestreitet mit Recht nicht, dass diese Bestimmung auf ihn anwendbar war, als er am 10. April 1977 zum San Bernardino fuhr. Seine Geschwindigkeit von 25 km/h wurde entgegen seinen Schutzbehauptungen von der Vorinstanz verbindlich festgestellt (
Art. 277bis Abs. 1 BStP
). Auf der sehr stark befahrenen Autostrasse des San Bernardino, heute einer der meist benutzten Nord-Süd-Übergänge, die nach Streckenführung und Ausbau häufig mit gegen 100 km/h befahren wird, bilden Fahrzeuge mit einer Geschwindigkeit von nur 25 km/h ausgesprochene Verkehrshindernisse, die zu Kolonnenbildung und oftmals gefährlichen Überholmanövern führen. Da auf solchen Autostrassen nur Fahrzeuge zugelassen sind, die mindestens 60 km/h fahren können, sind längere Fahrten mit nur 25 km/h verkehrswidrig; jedenfalls müssen aber alle Gelegenheiten benutzt werden, um schnellere Fahrzeuge vorbeizulassen. Diese Verpflichtung würde im übrigen auch auf gewöhnlichen Strassen, ausserhalb von Autobahnen und -strassen, gelten.
2.
Die Fahrbahn ist auf dem betreffenden Abschnitt rechts durch eine weisse durchgezogene Linie begrenzt. Die Ausweichnischen liegen ausserhalb derselben. Mit Recht macht der Beschwerdeführer nicht mehr geltend, er habe diese "Sicherheitslinien" nicht überfahren dürfen. Die Vorinstanz hat zutreffend auf
Art. 53 Abs. 5 SSV
verwiesen. Solche Randlinien, die sich oft auf gewöhnlichen und immer auf Autostrassen finden, dürfen überfahren werden, wenn die Umstände dies rechtfertigen.
BGE 103 IV 261 S. 263
3.
Der Beschwerdeführer beruft sich auf
Art. 39 Abs. 3 VRV
, wonach in Tunneln nur in Notfällen angehalten werden darf. Hier fehle eine Notstandssituation.
a) Die Bestimmung spricht von Notfällen, nicht von Notstand. Sie vermeidet damit den Verweis auf das Notstandsrecht des Strafgesetzbuches und der Praxis. Ob ein Notfall vorliegt, entscheidet sich nach verkehrsrechtlichen Überlegungen.
Mit der Einschränkung auf Notfälle wollte der Gesetzgeber ausschliessen, dass aus blosser Bequemlichkeit oder ohne wirklich triftige Gründe angehalten wird. Die besonderen Gefahren der Strassentunnels verlangen, dass die Fahrbahn frei von Hindernissen bleibt und die Durchfahrt gleichmässig möglich ist.
Wie dringend der Grund zum Anhalten sein muss, um als Notfall im Sinne von
Art. 39 VRV
zu erscheinen, hängt von der Gesamtheit der Umstände ab. Zu diesen Umständen gehört auch die Anlage der Strasse selbst. Wie die Vorinstanz richtig feststellt, ist grosse Zurückhaltung am Platz, wo es um das Anhalten auf der Fahrbahn geht, während das Ausstellen in besonders ausgebauten und durch Linien von der eigentlichen Fahrbahn getrennten Nischen auch bei weniger dringlicher Veranlassung erlaubt und geboten sein kann. Es ist deshalb im konkreten Fall abzuwägen, ob die Verkehrssicherheit, auf die es in erster Linie ankommt, besser gewährleistet erscheint, wenn das Fahrzeug ausgestellt wird, oder ob die dadurch neu geschaffenen Gefahren überwiegen.
b) Die Vorinstanz hat diese Güterabwägung zutreffend vorgenommen, jedenfalls aber das ihr auch insoweit zukommende Ermessen nicht überschritten und daher kein Bundesrecht verletzt.
Der Beschwerdeführer konnte bei der von ihm gefahrenen Geschwindigkeit von 25 km/h seinen Wagen in die Nische führen, ohne den nachfolgenden Verkehr durch Abbremsen oder auf andere Weise zu gefährden. Der Verkehrsfluss verbesserte sich, sobald das langsame Fahrzeug ausserhalb der Fahrbahn in der Nische stand. Es bildete dort keinerlei Hindernis.
Gemäss Art. 39 letzter Satz VRV war beim Ausstellen im Tunnel der Motor abzustellen. Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers bedeutet das Wiederanlassen des Motors
BGE 103 IV 261 S. 264
bei einem ordnungsgemäss unterhalten Personenwagen keine Belastung, geschweige denn eine Gefahr. Das vor der Wegfahrt in der Nische erforderliche Anlassen des Motors oder sogar ein kurzer Halt mit laufendem Motor vor dem Wiedereingliedern in den Verkehr erzeugt zwar eine zusätzliche Luftverunreinigung durch Abgase, die aber viel geringer ist, als wenn hinter einem langsamen Fahrzeug sich eine Kolonne sammelt und alle Motorfahrzeuge in einem kleineren Getriebegang durch den ganzen Tunnel fahren.
Richtig ist dagegen, dass das Wiedereingliedern in den Verkehr mit dem langsam anfahrenden Wagen neue Probleme schafft. Versuchte der Beschwerdeführer, in eine kleine Kolonnenlücke zu gelangen, so konnten die Nachfolgenden zu plötzlicher Herabsetzung der Geschwindigkeit gezwungen werden, und es entstand die Gefahr von Auffahrkollisionen. Daraus folgt nicht, wie der Beschwerdeführer meint, dass er seine unverhältnismässig langsame Fahrt einfach fortsetzen durfte. Vermochte er über eine nicht ganz unbedeutende Distanz die Geschwindigkeit des übrigen Verkehrs nicht annähernd mitzuhalten, sodass sich hinter seinem Fahrzeug eine Kolonne bildete, so musste er den Wagen ausstellen und solange warten, bis ihm eine genügend grosse Lücke das Wiedereingliedern ohne Verkehrsgefährdung erlaubte. Nötigenfalls hatte er etwas später einer sich erneut anstauenden Kolonne wiederum die Vorbeifahrt zu ermöglichen.
5.
Der Beschwerdeführer wendet ein, er hätte kurz nach dem Tunnel gefahrlos ausbiegen können und wollen. Im Hinblick darauf habe er die Tunnelnischen nicht benützen müssen.
Der Einwand ist neu und daher nicht zu hören (
Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP
). Von einer solchen Absicht hat der Beschwerdeführer weder dem ihn anhaltenden Polizisten etwas gesagt noch zu seiner Rechtfertigung in einer Eingabe an die Vorinstanz geschrieben. Die Vorinstanz hatte daher auch keinen Anlass zu prüfen, ob eine genügende Ausweichmöglichkeit bald nach Tunnelende bestand und ob der Verkehrssicherheit besser mit der Langsamfahrt bis zu dieser Stelle oder mit dem Ausstellen in einer Tunnelnische gedient war.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen. | null | nan | de | 1,977 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
199b794f-e7d9-4d22-9c92-33a006a4041c | Urteilskopf
83 IV 158
43. Urteil des Kassationshofes vom 20. September 1957 i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau. | Regeste
Art. 213 Abs. 1 und 2 StGB
.
Zwischen qualifizierter und einfacher Blutschande kann Fortsetzungszusammenhang bestehen. | Sachverhalt
ab Seite 159
BGE 83 IV 158 S. 159
A.-
X. vollzog vom Sommer 1948 bis Juli 1956 öfters den Beischlaf mit seiner am 3. August 1930 geborenen Tochter. Ein Teil der Handlungen, soweit sie vor dem 3. August 1950 liegen, ist somit begangen worden, als die Tochter mehr als 16-jährig, aber noch unmündig war, der andere Teil, nachdem sie das 20. Altersjahr erreicht hatte.
B.-
Das Kriminalgericht des Kantons Aargau erklärte am 19. Dezember 1956 X. der fortgesetzten einfachen und qualifizierten Blutschande gemäss
Art. 213 Abs. 1 und 2 StGB
schuldig und verurteilte ihn zu drei Jahren Zuchthaus, unter Anrechnung von drei Monaten Untersuchungshaft, und zu vier Jahren Einstellung in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit.
C.-
X. beantragt mit der Nichtigkeitsbeschwerde, er sei bloss wegen fortgesetzter einfacher Blutschande zu bestrafen. Er macht geltend, zwischen der qualifizierten und einfachen Blutschande, die verschiedene Rechtsgüter verletzten, fehle der Fortsetzungszusammenhang. Für die qualifizierte Blutschande habe die zweijährige Verjährungsfrist somit nicht erst im Sommer 1956, sondern schon am 2. August 1950 zu laufen begonnen.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
Ein fortgesetztes Delikt liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts vor, wenn gleichartige oder ähnliche Handlungen, die gegen das gleiche Rechtsgut gerichtet sind, auf ein und denselben Willensentschluss zurückgehen (
BGE 72 IV 184
,
BGE 80 IV 8
und dort aufgeführte Entscheidungen).
Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass die von 1948 bis 1956 an seiner Tochter vorgenommenen Beischlafshandlungen auf einem einheitlichen Willensentschluss beruhen und dass darin eine fortgesetzte Begehung
BGE 83 IV 158 S. 160
qualifizierter und einfacher Blutschande gemäss
Art. 213 Abs. 1 und 2 StGB
liegt. Dagegen wird der Fortsetzungszusammenhang zwischen den beiden Formen der Blutschande bestritten, mit der Begründung, dass sie nicht gegen das gleiche Rechtsgut gerichtet seien. Diese Auffassung hält nicht stand.
Das strafrechtliche Verbot geschlechtlicher Beziehungen unter nahen Blutsverwandten geht wie das zivilrechtliche Ehehindernis der Verwandtschaft (
Art. 100 ZGB
) auf die Überlegung zurück, dass die Nachkommenschaft durch geschlechtliche Beziehungen naher Verwandter gesundheitlich gefährdet werde. Eine spätere Auffassung, die den Wert eugenischer Erwägungen in Zweifel zog, rückte den Gedanken der Sittenreinheit in der Familie in den Vordergrund. Auf diesem Boden steht auch das schweizerische Strafgesetzbuch. Die Einreihung der Blutschande unter den 6. Titel über die Verbrechen und Vergehen gegen die Familie zeigt, dass
Art. 213 StGB
die Reinheit der Familie als geschütztes Rechtsgut betrachtet, wenn auch die Ausgestaltung des Tatbestandes durch seine Beschränkung auf den Beischlaf eher der früheren Zweckbestimmung entspricht (vgl. PFENNINGER, Der strafrechtliche Schutz der Ehe, in Festgabe für Prof. Egger S. 276).
Art. 213 Abs. 2 StGB
hebt den Fall des Beischlafs mit einem unmündigen, mehr als 16 Jahre alten Verwandten gerader Linie durch erhöhte Strafandrohung hervor. Schutzobjekt dieser Bestimmung ist aber das gleiche wie in Abs. 1. Der Täter wird bestraft, weil er durch den Beischlaf mit einem unmündigen Blutsverwandten gerader Linie das öffentliche Interesse an der Reinhaltung der Familie verletzt (HAFTER, Bes. Teil S. 426 und 429; PFENNINGER, SJZ 1950 S. 326; LOGOZ N. 1 zu
Art. 213 StGB
). Der Umstand, dass die Unmündigkeit des Opfers ein Strafschärfungsgrund ist, macht die Tat nicht zu einem Sittlichkeitsverbrechen im Sinne des
Art. 192 Ziff. 1 StGB
, sondern sie behält den Charakter der Blutschande und bleibt ein Delikt gegen die Familie. Dass
Art. 213 Abs. 2
BGE 83 IV 158 S. 161
StGB
in erster Linie das in Abs. 1 geschützte Rechtsgut, jedenfalls nicht vorwiegend den Schutz Unmündiger im Auge hat, ergibt sich nebst der Systematik des Gesetzes auch daraus, dass die Sondervorschrift des
Art. 213 Abs. 4 StGB
, wonach die Strafverfolgung schon nach zwei Jahren verjährt, für die einfache wie die ausgezeichnete Blutschande in gleicher Weise gilt (
BGE 72 IV 137
).
Die einzelnen Handlungen waren nicht nur gegen das gleiche Rechtsgut gerichtet, sondern sie sind auch durch Gleichartigkeit des Tathergangs und durch Begehung an ein und derselben Person gekennzeichnet. Der einheitliche Willensentschluss, auf dem sie beruhen, begründet einen genügenden innern Zusammenhang, sodass bei natürlicher Betrachtungsweise die späteren Beischlafshandlungen als Fortsetzung der früheren erscheinen.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen. | null | nan | de | 1,957 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
19a0561a-d395-4ccd-bd18-19c999a7c42e | Urteilskopf
106 IV 269
69. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 23. Oktober 1980 i.S. T. gegen Generalprokurator-Stellvertreter des Kantons Bern (Nichtigkeitsbeschwerde) | Regeste
Art. 251 Ziff. 1 Abs. 3 und Ziff. 2 StGB
.
Fall des Verkaufs von "Zeugnissen über die Anerkennung der Doktorwürde".
a) Urkunde (E. 1).
b) Unwahre Urkunde (E. 2a).
c) Gebrauch zur Täuschung (E. 2b).
d) Vorteilsabsicht (E. 3). | Sachverhalt
ab Seite 269
BGE 106 IV 269 S. 269
A.-
a) In den Jahren 1974-1977 wurde unter dem von T. erfundenen Namen der auch in Japan nicht existierenden Gesellschaft "All Japan Doctors Association" jährlich eine Reise für jeweils zehn bis zwanzig Japaner nach Europa und insbesondere Bern organisiert. Die Reiseteilnehmer besuchten in Bern während zweier Tage ein Seminar, welches speziell für sie an der Universität Bern durchgeführt wurde. Dies geschah derart, dass Dr. X., Angestellter der Universität Bern für die
BGE 106 IV 269 S. 270
Belange ausländischer Studenten, jeweils einen Vorlesungssaal im Universitätsgebäude reservieren liess. Fürsprecher S., Mitinhaber eines Anwaltsbüros in Bern, engagierte im Auftrag von T. namhafte Persönlichkeiten, wie z.B. Professoren, welche gegen Honorar den Japanern ein Referat über ein meist allgemein gehaltenes, wissenschaftliches Thema halten sollten; im Anschluss an diese Vorträge sollten jeweils Diskussionen stattfinden.
Bei der Ankunft wurden die Teilnehmer durch T. zuerst Fürsprecher S. vorgestellt; 1974 fand die Begrüssung im Hotel "Schweizerhof", in den folgenden Jahren im Anwaltsbüro von S. statt. S. begrüsste jeden Japaner einzeln, führte ein kurzes Gespräch mit ihm und stellte ihm ein paar Fragen betreffend dessen Tätigkeitsgebiet. Jeder der Teilnehmer war offensichtlich akademisch gebildet. Bei dieser Vorstellung fungierte T. als Dolmetscher. An den folgenden zwei Tagen hörten sich die Teilnehmer in einem Vorlesungssaal der Universität Bern die Referate an und nahmen an den anschliessenden Diskussionen teil; 1977 beispielsweise wurden Referate über Veterinärmedizin, Gartenbau, Erziehungswesen, Architektur, Wirtschaftswissenschaft und Management gehalten. Alle Teilnehmer hörten sich alle Referate an, gleichgültig, ob sie ihr Fachgebiet betrafen oder nicht. Zu einem Abschlussessen wurden jeweils wiederum namhafte Persönlichkeiten eingeladen, so auch der Rektor der Universität. Kurz vor der Abreise wurden die Teilnehmer einzeln in das Büro von Dr. X. geführt, welcher ihnen in Anwesenheit von T. mit Händedruck ein Couvert überreichte. Die Teilnehmer öffneten das Couvert nicht sofort - offenbar auf Weisung von T. hin, wonach dies gegen die schweizerischen Sitten verstossen würde. Im Couvert befand sich ein braunes Mäppchen mit der Aufschrift "Universität Bern" und dem Wappen des Kantons Bern, und in diesem Mäppchen
- ein Verzeichnis der Personen, die an den Seminaren teilgenommen hatten,
- eine persönliche Bestätigung für jeden Teilnehmer, dass er das Seminar mit den aufgezählten Fachgebieten besucht hatte,
beide auf Papier mit dem Briefkopf des Rektorats der Universität Bern und unterschrieben sowohl von X. wie von S.; ferner
BGE 106 IV 269 S. 271
- ein "Zeugnis über die Anerkennung der Doktorwürde", ebenfalls auf Papier des Rektorats der Universität, mit den Stempeln "Auslands-Abteilung", "Dr. X." und "Universität Bern Kanzlei" sowie einer Unterschrift von X. versehen.
Den Teilnehmern der ersten Reise nach Bern im Jahre 1974 waren noch keine solchen Zeugnisse abgegeben worden.
b) Für das Jahr 1978 war wiederum ein Seminar in Bern geplant gewesen. Am 27. April 1978 schrieb T. wie jedes Jahr Fürsprecher S. und bat ihn, die Referate für das Seminar zu organisieren. Am 26. Mai 1978 traf T. in Bern ein, um weitere Vorbereitungen zu treffen. Dabei wurde er verhaftet. In seinem Gepäck fanden sich unter anderem:
- 17 Blatt "Zeugnis über die Anerkennung der Doktorwürde", ohne eingesetzte Namen und ohne Unterzeichnung,
- 7 Blatt gleiche Zeugnisse mit eingesetzten Namen von Seminar-Teilnehmern des Jahres 1977, ohne Unterzeichnung,
- zwei Listenentwürfe für die übliche Bestätigung der am Seminar 1978 teilnehmenden Japaner und der gehaltenen Referate.
Das Seminar hätte am 12./13. Juni 1978 in Bern stattfinden sollen. Die Reise für die Teilnehmer war schon beim japanischen Reisebüro Kintetsu International gebucht worden.
B.-
Am 12. September 1978 sprach das Strafamtsgericht Bern T. schuldig der Urkundenfälschung und des Versuchs dazu, wiederholt und fortgesetzt begangen in Bern in der Zeit vom Sommer 1975 bis zum 26. Mai 1978; es verurteilte ihn zu 14 Monaten Gefängnis (abzüglich 70 Tage Untersuchungshaft), bedingt vollziehbar bei einer Probezeit von drei Jahren und zu 10 Jahren unbedingter Landesverweisung. Auf die vollumfängliche Appellation des Verurteilten und die auf die Strafzumessung beschränkte Anschlussappellation des Generalprokurator-Stellvertreters hin bestätigte die II. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Bern am 29. Mai 1979 den Schuldspruch, erhöhte aber die Strafe auf 20 Monate Zuchthaus, abzüglich 110 Tage Untersuchungshaft.
C.-
T. führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil der II. Strafkammer des Obergerichts sei vollumfänglich aufzuheben und die Sache sei zum Freispruch an die Vorinstanz zurückzuweisen.
BGE 106 IV 269 S. 272
D.-
Auf eine von T. gegen das obergerichtliche Urteil eingereichte staatsrechtliche Beschwerde ist der Kassationshof am 14. April 1980 nicht eingetreten.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Nach
Art. 110 Ziff. 5 Abs. 1 StGB
und der Rechtsprechung des Bundesgerichts (
BGE 101 IV 278
f.,
BGE 103 IV 28
) sind Urkunden unter anderem Schriften, die bestimmt und geeignet sind, eine Tatsache von rechtlicher Bedeutung zu beweisen.
Das hier in Frage stehende Schriftstück "Zeugnis über die Anerkennung der Doktorwürde" enthält folgenden Text:
"Die Prüfungskommission hat die erforderliche Untersuchung über die
akademische Würde durchgeführt, die bereits der oben genannten Person
verliehen wurde. Nach dem Ergebnis der Untersuchung erkennen wir diese
Person als Besitzer der Doktorwürde für ... an."
a) In der Beschwerde wird geltend gemacht, mit dem fraglichen Schriftstück werde nicht ein Doktortitel verliehen, sondern ein bereits vorhandener Titel anerkannt. Alle Teilnehmer der Seminare hätten bereits einen rechtmässig erteilten, vollkommen gültigen Doktortitel irgendeiner japanischen Universität besessen. Ein solcher Doktortitel werde in der Schweiz aber ohne weiteres, d.h. ohne Bestätigung einer Amtsstelle oder einer Universität, als vollwertig anerkannt. Der Anerkennung komme daher keine rechtliche Bedeutung zu. Das "Zeugnis" habe den Seminarteilnehmern nach ihrem eigenen Verständnis bloss gewissermassen als Erinnerungsurkunde gedient. Es sei nicht bestimmt und geeignet gewesen, eine Tatsache von rechtlicher Bedeutung zu beweisen.
b) Diese Einwände beruhen weitgehend auf einer Sachdarstellung, die von den für den Kassationshof verbindlichen tatsächlichen Feststellungen des Obergerichts (
Art. 277bis BStP
) in unzulässiger Weise (
Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP
) abweicht; sie sind im übrigen unbegründet.
Das Obergericht geht mit dem Beschwerdeführer davon aus, dass durch das fragliche Zeugnis nicht die Doktorwürde verliehen, sondern ein bereits vorhandener Doktortitel anerkannt wurde. Diese Anerkennung durch das "Rektorat der Universität Bern" (so der Kopf des Zeugnisses) stellt entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers eine Tatsache von rechtlicher
BGE 106 IV 269 S. 273
Bedeutung dar. Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz waren die nach Bern gekommenen Japaner im Besitz eines von der I.C.A. ("Internationale Kultur Akademie Universität") verliehenen Doktortitels; diese private Institution ist in Japan nicht anerkannt. Wie das Obergericht zutreffend ausführt, bekam dieser Titel durch die (angebliche) Anerkennung seitens einer international angesehenen, seriösen Universität einen offiziellen Anstrich im Sinne eines amtlich anerkannten wissenschaftlichen Ausweises und somit viel grösseres Gewicht. Die Anerkennung ist von rechtlicher Bedeutung; sie ermöglicht oder erleichtert den Zugang zu weiterführenden Studien, Examina und Berufen und ist auch ein Indiz für den Wert der absolvierten Studien.
Die in Frage stehenden Schriftstücke sind bestimmt und geeignet, die rechtlich bedeutsame Tatsache der Anerkennung der japanischen Doktortitel durch die Universität Bern zu beweisen. Die Beweisbestimmung geht schon aus der Bezeichnung "Zeugnis über die Anerkennung der Doktorwürde" hervor. Da das Schriftstück als von einer staatlichen Universität ausgestellt erscheint (Kopf, Stempel) und darin von einer Untersuchung durch die Prüfungskommission die Rede ist, aufgrund deren Ergebnisses die Doktorwürde anerkannt werde, ist das Zeugnis auch geeignet, die behauptete Tatsache der Anerkennung zu beweisen.
Die fraglichen Schriftstücke sind demnach Urkunden im Sinne des Strafgesetzbuches. Dass sie öffentliche Urkunden sind, wird vom Beschwerdeführer mit Recht nicht in Abrede gestellt. Kopf ("Rektorat der Universität Bern") und Stempel ("Universität Bern. Kanzlei" samt Wappen des Kantons Bern) erwecken den Eindruck, dass die Zeugnisse von einem Beamten (
Art. 110 Ziff. 4 StGB
) kraft seines Amtes und in Ausübung hoheitlicher Funktionen ausgestellt worden seien.
2.
Trotz umfangreicher Untersuchungen konnte nicht mit der erforderlichen Bestimmtheit festgestellt werden, wer die Zeugnisse über die Anerkennung der Doktorwürde hergestellt und mit Stempeln und der Unterschrift von Dr. X. versehen hatte. Die Vorinstanz ging daher davon aus, dass die Zeugnisse nicht von T., sondern von einem Dritten ausgestellt wurden; das Gericht wirft T. demzufolge vor, "eine von einem Dritten hergestellte Urkunde dieser Art zur Täuschung gebraucht" zu haben (
Art. 251 Ziff. 1 Abs. 3 StGB
). Mit Urkunden "dieser Art"
BGE 106 IV 269 S. 274
sind, wie sich aus dem Zusammenhang mit
Art. 251 Ziff. 1 Abs. 2 StGB
ergibt, die unechten wie auch die unwahren Urkunden gemeint.
a) Der Beschwerdeführer macht geltend, im Falle der von ihm behaupteten und von der Vorinstanz selbst erwogenen Sachverhaltsvariante, wonach Dr. X. die Zeugnisse selber unterschrieben habe, seien die Urkunden echt.
Die Vorinstanz hat in der Tat nicht völlig ausgeschlossen, dass Dr. X. die Zeugnisse selber unterzeichnet haben könnte. An der Unwahrheit der fraglichen Urkunden vermöchte dies indessen nichts zu ändern. Was der Beschwerdeführer dagegen einwendet, geht offensichtlich fehl. Selbst wenn man nämlich mit ihm davon ausginge, dass alle Inhaber eines ausländischen Doktortitels in der Schweiz ohne weiteres als solche anerkannt würden, sind die hier in Frage stehenden Urkunden unwahr. In den Zeugnissen wird nicht lediglich jene Tatsache bestätigt, sondern ausgeführt, dass die Prüfungskommission die erforderliche Untersuchung über die akademische Würde durchgeführt habe, die bereits der Oben genannten Person verliehen wurde, und dass nach dem Ergebnis der Untersuchung diese Person als Besitzer der Doktorwürde für... anerkannt werde. Eine solche Untersuchung durch die Prüfungskommission fand indessen nicht statt. Sollten ausländische Doktortitel in der Schweiz ohne weiteres anerkannt werden, wie der Beschwerdeführer behauptet, so wäre übrigens schon die Wendung "die erforderliche Untersuchung" unrichtig. T. hat demnach auf jeden Fall eine unwahre Urkunde gebraucht.
b) Der Beschwerdeführer bestreitet sodann, die Zeugnisse zur Täuschung gebraucht zu haben. Die japanischen Reiseteilnehmer seien sich im klaren darüber gewesen, dass ein Doktortitel nicht allein mit dem Besuch eines zweitägigen Seminars über verschiedenste, nur zum Teil wissenschaftliche Themen erworben werden konnte. Die allfällige spätere Verwendung der Zeugnisse durch die Teilnehmer gegenüber Drittpersonen könne ihm nicht angerechnet werden.
Der erste Einwand steht im Widerspruch zu den eigenen Behauptungen des Beschwerdeführers und zu den verbindlichen Feststellungen des Obergerichts. Danach wurden in Bern keine Doktortitel verliehen, sondern bereits vorhandene Titel angeblich anerkannt. Diese Anerkennung erfolgte nicht so sehr aufgrund der Teilnahme der Anwärter am zweitägigen Seminar, sondern gestützt auf die (angebliche) Untersuchung der
BGE 106 IV 269 S. 275
Prüfungskommission über die in Japan verliehene akademische Würde. Eine solche Anerkennung ist an sich durchaus denkbar; sie liegt keineswegs dermassen ausserhalb des nach der allgemeinen Erfahrung Möglichen, dass den Teilnehmern die Unrichtigkeit der Angaben des Beschwerdeführers von vornherein klar sein musste. Bei diesem Ergebnis braucht nicht untersucht zu werden, ob auch Dritte, denen gegenüber sich der Inhaber mit dem Zeugnis auswies, von T. im Sinne von
Art. 251 Ziff. 1 Abs. 3 StGB
getäuscht worden seien, wie die Vorinstanz ohne nähere Begründung ausführt.
3.
Der Beschwerdeführer macht im weiteren geltend, er habe nicht die Absicht gehabt, sich einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen; das ihm von den Seminarteilnehmern bezahlte Geld habe er für die Zahlung der Unkosten des Seminars verwendet.
Im angefochtenen Urteil wird nirgendwo ausdrücklich festgestellt, mit welcher Absicht T. gehandelt habe; das Obergericht führt aber im Rahmen der Erörterung des subjektiven Tatbestandes nach der Zitierung von
Art. 251 Ziff. 1 Abs. 1 StGB
aus, der Betrag von Fr. 2'000.--, den T. nach seinen eigenen Angaben von jedem Teilnehmer erhalten habe, stelle einen unrechtmässigen Vorteil dar. Damit bejaht das Obergericht sinngemäss auch die Absicht des Beschwerdeführers, sich einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen; die Feststellung über die Absicht von T. ist tatsächlicher Natur (
BGE 100 IV 217
E. 2,
BGE 99 IV 8
E. 3, 86 E. c) und daher für den Kassationshof im Verfahren der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde verbindlich. Dass T. aus seinen Einnahmen gewisse (in der Beschwerde nicht näher bezeichnete) Unkosten des Seminars decken musste, ändert an der Vorteilsabsicht nichts. Dieser Vorteil war unrechtmässig, da T., wie er von vornherein wusste, die von ihm vertraglich eingegangene Verpflichtung, den Reiseteilnehmern die in einem Zeugnis verbriefte rechtsgültige Anerkennung ihres japanischen Doktortitels durch die Universität Bern zu verschaffen, nicht erfüllen konnte. Bei diesem Ergebnis braucht nicht geprüft zu werden, ob T. auch den Japanern einen unrechtmässigen Vorteil im Sinne von
Art. 251 Ziff. 1 Abs. 1 StGB
verschafft habe, wie die Vorinstanz annahm. Da einzig der Verurteilte Nichtigkeitsbeschwerde erhoben hat, kann auch dahingestellt bleiben, ob neben dem Tatbestand von
Art. 251 StGB
insoweit auch jener von
Art. 252 StGB
erfüllt sei. | null | nan | de | 1,980 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
19a38cdd-ade8-4952-9e14-19488a4222bc | Urteilskopf
98 Ib 301
44. Auszug aus dem Urteil vom 27. Oktober 1972 i.S. X. gegen Schweizerischen Schulrat. | Regeste
Disziplinarmassnahmen.
- Ausmass der Einschränkung der Freiheitsrechte durch das besondere Rechtsverhältnis.
- Anforderungen an die Rechtmässigkeit von Disziplinarmassnahmen.
- Vereinbarkeit von Art. 30 Abs. 2 ETH-Reglement mit der verfassungsmässig gewährleisteten Meinungsäusserungsfreiheit. | Sachverhalt
ab Seite 302
BGE 98 Ib 301 S. 302
A.-
Art. 30 und 31 des Reglementes für die ETH Zürich vom 16. April 1924 (ETHR) lauten wie folgt:
"Art. 30 Disziplinarvergehen werden von der Hochschule geahndet. Als Disziplinarvergehen werden im besondern angesehen: Fortgesetzte Vernachlässigung der Studien; Verletzung der den Behörden und den Mitgliedern des Lehrkörpers gebührenden Achtung; Verletzung der Sittlichkeit und des Anstandes; Unehrlichkeit bei der Ausfertigung von Studienarbeiten und bei Prüfungen; Nichtbeachtung der bestehenden Vorschriften.
Art. 31
1 Bei Disziplinarvergehen werden, je nach der Natur des Falles, folgende Mittel angewendet:
a) durch die Abteilungskonferenz: Verweis durch den Vorstand;
b) durch das Rektorat: Verweis durch den Rektor;
c) durch die Konferenz der Abteilungsvorstände:
Androhung des Ausschlusses,
zeitweiliger Ausschluss,
Ausschluss.
2 Die Strafen unter lit. b) und c) können von den Abteilungskonferenzen, die Strafen unter lit. c) von diesen oder vom Rekorat beantragt werden und sind von den Antragstellern schriftlich zu zu begründen."
B.-
Der Beschwerdeführer war im Herbst 1971 Präsident des Verbandes der Studierenden an der ETHZ (VSETH). In dieser Eigenschaft versandte er im November 1971 zusammen mit dem "Roten Hochschülerbuch, Ausgabe 1972" an die neu eintretenden Studierenden ein Begrüssungsschreiben mit folgendem Wortlaut:
BGE 98 Ib 301 S. 303
"Lieber Neueintretender,
,Lieber Neumitleidender' sollten wir eigentlich schreiben. Du hast Dich ja schliesslich dazu entschlossen, an unserem Nationalen Technischen Kindergarten auf Wissenschaft gedrillt zu werden. Noch hast Du die Möglichkeit, Deinen Entschluss zu überdenken. Du kannst aber getrost dabei bleiben, wenn es nur aus dem Grunde wäre ... dass es anderswo nicht besser ist.
Schwarzmalerei? Obskure Behauptungen überhitzter Neinsager-Köpfe? Mitnichten. Bald wirst auch Du entdecken, wie mühsam es ist, in einschläfernden Vorlesungen einen oft überflüssigen Stoff in einer Form zu erhalten, die allerhöchst für einen Computer verdaubar sein dürfte. Wie frustrierend, dem Stress von Prüfungen und Klausuren ausgeliefert zu sein. Wie desillusionierend, wenn Dozenten, die Alternativ-Experimente einführen, einfach rausgeschmissen werden.
Mühsam, aber nicht entmutigend. Denn gegen die vereinte Hochschulbürokratie kann man ja Widerstand leisten. Ebenfalls vereint. Und gerade um Dir zu helfen, zusammen mit Deinen Kommilitonen diesen Widerstand aufzunehmen sind wir da. Wir: der VSETH, die Fachvereine und die Basisgruppen.
Wir bieten Dir aber noch mehr. Z.B. den beiliegenden Studentenführer, der Dir als erste Orientierung dienen soll. Oder: Am Montag, 25. Oktober nachmittags geführte Rundgänge in der Stadt in Gruppen, wo Du auch über sämtliche Probleme Auskunft bekommst, die sich Dir am Anfang des Studiums stellen. Rendez-vous um 15.00 h auf der Polyterrasse (vor dem Hauptgebäude, Seeseite). Anschliessend Würstli & Getränk im Polyfoyer, Leonhardstr. 25 a, ca. 17.15 h.
Also: auf bald!
Für den VSETH-Vorstand X."
Die adressierten Briefbogen waren dem VSETH blanko vom Rektorat der Hochschule zur Verfügung gestellt worden, ebenso die Briefumschläge mit Fenster, die die Aufschrift "Rektorat der ETH, Pauschal frankiert" trugen.
Die Konferenz der Abteilungsvorstände der ETH erblickte im Versenden dieses Schreibens ein Disziplinarvergehen im Sinne von Art. 31 ETHR und drohte dem Beschwerdeführer den Ausschluss aus der ETHZ an.
Gegen diesen Entscheid rekurrierte der Beschwerdeführer am 15. Dezember 1971 an den eidg. Schulrat. Dieser beschloss am 28. Januar 1972, den Disziplinarfall an sich zu ziehen (Art. 108 Ziff. 1 lit. u ETHR) und liess den Tatbestand durch einen Bezirksrichter untersuchen. Mit Entscheid vom 24. März 1972 drohte er alsdann dem Beschwerdeführer den Ausschluss aus der Hochschule an.
BGE 98 Ib 301 S. 304
C.-
Gegen diesen Entscheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Der Beschwerdeführer beantragt:
"1. Der Entscheid des Schweizerischen Schulrates sei aufzuheben und es sei von jeder disziplinarischen Massnahme gegen den Rekurrenten abzusehen.
2. Eventualiter sei ein blosser Verweis auszusprechen.
3. Subeventualiter sei der Fall zur Neuentscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
4. Zumindest sei Ziff. 4 der Entscheidung aufzuheben und dem Rekurrenten für das ganze Verfahren vor dem Schweizerischen Schulrat die unentgeltliche Prozessführung mit dem Unterzeichneten als unentgeltlichen Rechtsbeistand zu bewilligen.
5. Dem Rekurrenten sei eine Parteientschädigung sowohl für das Verfahren vor dem Schweizerischen Schulrat wie auch für das vorliegende Verfahren vor dem Schweizerischen Bundesgericht zuzusprechen.
6. Es sei dem Rekurrenten die unentgeltliche Prozessführung mit dem Unterzeichneten als unentgeltlichen Rechtsbeistand für das Beschwerdeverfahren vor dem Schweizerischen Bundesgericht zu bewilligen. "
Als Rechtsverletzungen rügt er die Verweigerung des rechtlichen Gehörs, die Verletzung der Ausstandspflicht sowie des Prinzips der Verhältnismässigkeit von Verwaltungsmassnahmen; er bestreitet, dass der inkriminierte Brief, sofern die Disziplinarstrafordnung verfassungsmässig angewendet werde, einen Disziplinarstraftatbestand darstelle, macht geltend, dass Art. 30 ETHR in seiner allgemeinen Fassung nicht verfassungskonform sei und beanstandet die Verweigerung der unentgeltlichen Prozessführung.
D.-
Der Schulrat beantragt die Abweisung der Beschwerde. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
Die Beschwerde richtet sich gegen einen Beschluss des Schweizerischen Schulrates, der letzten Instanz einer autonomen eidgenössischen Anstalt (
Art. 98 lit. d OG
). Dem Beschwerdeführer wird in Anwendung von Art. 30 und Art. 108 Ziff. 1 lit. u ETHR der Ausschluss aus der ETHZ angedroht. Der Beschluss stützt sich somit auf öffentliches Recht des Bundes.
Die dem Beschwerdeführer gegenüber ausgesprochene Disziplinarstrafe qualifiziert sich als Administrativmassnahme. Derartige
BGE 98 Ib 301 S. 305
Entscheide sind Verfügungen im Sinne von
Art. 97 Abs. 1 OG
und Art. 5 VwG und können - da keiner der Ausschlussgründe der Art. 99 bis 102 OG zutrifft - mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten werden.
Der Beschwerdeführer hat an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Beschlusses ein schutzwürdiges Interesse (
Art. 103 lit. a OG
); die prozessualen Erfordernisse sind erfüllt (
Art. 106 und 108 OG
); es ist mithin auf die Beschwerde einzutreten. Dabei überprüft das Bundesgericht nach Massgabe von
Art. 104 OG
den angefochtenen Beschluss nur auf die Verletzung von Bundesrecht einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens (lit. a) sowie auf eine unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhaltes (lit. b). Eine Rüge der Unangemessenheit ist nicht zu hören, da es sich nicht um eine Disziplinarstrafe gegen Bundespersonal handelt (lit. c Ziff. 2).
2.
a) Zwischen der Hochschule (öffentlichrechtliche Anstalt) und ihren Studierenden besteht ein "besonderes Rechtsverhältnis", das besondere Rechte und Pflichten begründet. Die gesetzliche Grundlage, auf der das besondere Rechtsverhältnis der Anstaltsbenutzer beruht, ist in der Regel der Erlass, durch den die betreffende Anstalt geschaffen worden ist. Wenn der Gesetzgeber nichts anderes bestimmt, ist die Anstaltsleitung oder deren Aufsichtsbehörde ermächtigt, die Rechte und Pflichten der Anstaltsbenutzer im Rahmen des Anstaltszweckes näher zu umschreiben. Dementsprechend bedürfen die durch das Benutzungsverhältnis gebotenen Beschränkungen der Freiheitsrechte nicht notwendigerweise einer besondern formellen gesetzlichen Grundlage; sie müssen sich aus der besonderen Natur des Anstaltsbenutzungsverhältnisses ableiten lassen (
BGE 97 I 52
;
BGE 68 I 81
; A. GRISEL, Droit administratif suisse, S. 166).
Wer in eine Hochschule eintritt, übernimmt demnach gewisse besondere Pflichten, die andere Bürger nicht treffen. Bei schuldhafter Verletzung dieser Pflichten kann die Hochschule ein Disziplinarverfahren durchführen. Die Disziplinarmassnahmen müssen sich in den Schranken der Verfassung halten. Sie können die Freiheit der Studierenden - und damit auch die verfassungsmässig gewährleistete Meinungsäusserungsfreiheit - zwar beschränken, jedoch nur soweit, als das besondere Rechtsverhältnis es erfordert. Die Träger der sogenannten Anstaltsgewalt verfügen zudem bei der Beschränkung der Rechte und Pflichten
BGE 98 Ib 301 S. 306
der Anstaltsbenutzer nur über einen rechtlich begrenzten Ermessensbereich; insbesondere dürfen sie Verwaltungssanktionen gegenüber den Anstaltsbenutzern nur in einem rechtsstaatlichen Verfahren und nach rechtsstaatlichen Grundsätzen verhängen. Die Betroffenen können die gesetz- oder verfassungswidrige Handhabung der Anstaltsgewalt mit verwaltungsrechtlichen Rechtsmitteln, gegebenenfalls mit staatsrechtlicher Beschwerde rügen (
BGE 97 I 51
).
b) Disziplinarmassnahmen sind administrative Sanktionen, Massnahmen des Verwaltungszwanges. Sie bezwecken die Aufrechterhaltung von Zucht und Ordnung innerhalb des Personenkreises, für den das Disziplinarrecht gilt (
BGE 97 I 835
mit Hinweisen). Für die Rechtmässigkeit einer Disziplinarmassnahme gegenüber dem Anstaltsbenutzer ist erforderlich, dass der zu Massregelnde fehlerhaft gehandelt hat; dieser muss aufgrund des ihm zur Kenntnis gebrachten Anstaltsreglementes oder aus der unmittelbar einleuchtenden Natur des Anstaltsverhältnisses erkennen können, dass sein Verhalten mit diesem besondern Rechtsverhältnis nicht vereinbar ist (
BGE 73 I 291
). Der einer besondern Disziplinargewalt Unterworfene kann nicht verlangen, dass alles, was ihm verboten ist, im einzelnen aufgezählt werde (
BGE 73 I 290
); dies wäre auch kaum möglich. Die Verhängung einer Disziplinarstrafe hat daher nur zu unterbleiben, wenn der Betroffene in guten Treuen annehmen durfte, er verstosse mit seinem Verhalten nicht gegen die Disziplinarordnung.
c) Der Umstand, dass das geltende Reglement der ETH die möglichen Verfehlungen gegen die Disziplinarordnung nicht abschliessend aufzählt, sondern sich - ähnlich wie die Satzungen anderer schweizerischer und ausländischer Hochschulen - mit Beispielen begnügt, kann somit kein Grund sein, um die gegenüber dem Beschwerdeführer ausgefällte Disziplinarmassnahme als gesetz- und verfassungswidrig erscheinen zu lassen. Das für den Beschwerdeführer geltende Disziplinarrecht lässt den Betroffenen überdies keineswegs schutzlos. Das Massnahmerecht ist grundsätzlich im Rahmen der übergeordneten allgemeinen Rechtsprinzipien, insbesondere im Einklang mit der verfassungsmässig gewährleisteten Meinungsäusserungsfreiheit (
BGE 96 I 224
, 592), verfassungskonform anzuwenden (
BGE 95 I 332
). Auch sind an den Eidg. Technischen Hochschulen bei Disziplmarverfahren seit dem 1. Oktober 1969 das
BGE 98 Ib 301 S. 307
VwG und das OG anwendbar. Dadurch ist der Rechtsschutz der Studierenden weitestgehend gewährleistet.
3.
Art. 30 Abs. 2 ETHR verlangt von den Studierenden u.a., dass sie den Behörden und den Mitgliedern des Lehrkörpers gebührende Achtung entgegenbringen. Die Verletzung dieser Pflicht wird als Disziplinarvergehen bezeichnet. Eine solche Pflicht wird den Studierenden auch in den Disziplinarordnungen anderer öffentlicher Lehranstalten überbunden. Diese Bestimmung sowie die übrigen Vorschriften des Art. 30 ETHR mögen revisionsbedürftig erscheinen (ein diesbezüglicher Entwurf liegt vor, er ist noch nicht rechtskräftig), doch ist diese Verhaltensvorschrift bei richtiger Anwendung mit der verfassungsmässig gewährleisteten Meinungsäusserungsfreiheit vereinbar.
Eine Hochschule soll ein Ort des Lernens und des Forschens sein. Die Hochschulen können ihre Aufgabe nur erfüllen, wenn eine geistige Atmosphäre herrscht, in der Studenten und Dozenten sich gegenseitig in Achtung begegnen, in Achtung vor dem Können, vor dem kritischen Sinn, vor dem Andersdenken, vor der Menschenwürde all derer, die in der Hochschule arbeiten. Wer diese geistige Atmosphäre vergiftet - als Student oder als Dozent -, schadet der Hochschule; er stört deren Ordnung.
Es kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, welches Mass und welche Ausdrucksformen studentischer Kritik im allgemeinen durch die Meinungsäusserungsfreiheit gedeckt sind und wo das Verhalten eines Studenten derart gegen das besondere Rechtsverhältnis zwischen Hochschule und Studierenden verstösst, dass sich eine disziplinarische Sanktion rechtfertigt. Der Beschwerdeführer hat den Brief an die neu eintretenden Studierenden nämlich nicht als gewöhnlicher Student, sondern in seiner Eigenschaft als Präsident des VSETH verfasst und versandt. Als solcher befand sich der Beschwerdeführer in einem - von der Stellung der übrigen Studenten zu unterscheidenden - besondern Rechtsverhältnis zur ETH; er besass erhöhte Rechte und Pflichten. Wohl ist der VSETH nach seinen Statuten ein zivilrechtlicher Verein, doch sind ihm und seinen Organen öffentlich-rechtliche Funktionen überbunden. Zu diesen Funktionen des VSETH, die im Interesse der Hochschule und damit im öffentlichen Interesse liegen, gehört u.a. auch die Zustellung eines Studentenführers an die neu eintretenden Studierenden mit einem entsprechenden Begleitbrief des Präsidenten des VSETH. Es lässt sich daher auch die Auffassung
BGE 98 Ib 301 S. 308
vertreten, dass der Versand in den amtlichen Couverts der ETH erfolgen kann. Doch musste dem Beschwerdeführer völlig klar sein, dass das Rektorat der ETH nie gestattet hätte, in einer amtlichen Sendung der Hochschule einen Brief mit dem Inhalt zu verschicken, wie ihn der Beschwerdeführer verfasst hatte. Wohlweislich hat sich der Beschwerdeführer adressierte Blankobriefbogen und Fensterbriefumschläge geben lassen und die Sendung zur Post gebracht, ohne dass das Rektorat vom Briefinhalt Kenntnis hatte. Im Zurverfügungstellen der adressierten Briefbogen und der Briefumschläge lag ein Akt des Vertrauens des Rektors gegenüber dem Beschwerdeführer - ein Vertrauen, das ihm geschenkt wurde, obwohl das Rektorat die kritische Einstellung des Beschwerdeführers gegenüber der Hochschule kannte. Dadurch, dass der Beschwerdeführer dieses Vertrauen missbrauchte, um einen Begleitbrief voll schwerer Angriffe gegen die Hochschule zu verschicken, hat er eine Handlung begangen, die sich mit seiner Stellung innerhalb der Organisation der ETH nicht verträgt und die durch kein Freiheitsrecht der Verfassung gedeckt ist. Der Schulrat durfte deshalb - ohne Verletzung von Bundesrecht - annehmen, dass in dieser Pflichtverletzung ein Disziplinarvergehen liegt.
Es braucht daher nicht geprüft zu werden, wieweit der Präsident des VSETH bei andern Gelegenheiten, wo er sich mündlich oder schriftlich äussert, mit seiner Kritik am Lehrbetrieb der Hochschule gehen darf. Der Umstand, dass sich der Beschwerdeführer als Präsident des VSETH in seinem Begrüssungsbrief abfällig über die ETH äusserte und die neu eintretenden Studenten zum Widerstand gegen die Hochschulbehörden aufforderte, war durchaus geeignet, das Einvernehmen zwischen Studenten und Dozenten zu stören. Das Verhalten des Beschwerdeführers bildete einen schweren Verstoss gegen die ihm obliegenden Pflichten der akademischen Disziplin. | public_law | nan | de | 1,972 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
19a3ac62-c96b-43a0-85eb-9fac7ede6d4b | Urteilskopf
108 V 150
33. Urteil vom 18. August 1982 i.S. LAGAP SA gegen Bundesamt für Sozialversicherung und Eidgenössisches Departement des Innern | Regeste
Art. 12 Abs. 6 KUVG
, Art. 4 Abs. 3 Vo VIII und Art. 6 Abs. 2 lit. c Vf 10: Wirtschaftlichkeit von Arzneimitteln (Nachahmerpräparat).
- Bestätigung der Verwaltungspraxis, wonach ein sog. Nachahmerpräparat nur als wirtschaftlich gilt, wenn es gegenüber dem vergleichbaren Originalpräparat um 25% billiger ist. Dieser Ansatz stellt einen empirischen Durchschnittswert dar, der strikte anzuwenden ist, solange nicht konkrete Umstände klar nachgewiesen sind, welche sachlich ein Abweichen davon aufdrängen. (Erw. 3a).
- Der Preisvorteil eines Originalpräparats ist nicht mehr gerechtfertigt, wenn ausser Zweifel steht, dass seine Entwicklungs- und Einführungskosten amortisiert sind (Erw. 3b); der ein Originalpräparat während seiner Lebensdauer begleitende fachärztliche bzw. fachwissenschaftliche Service fällt nicht unter die Entwicklungs- und Einführungskosten im Sinne von Art. 4 Abs. 3 Vo VIII und Art. 6 Abs. 2 lit. c Vf 10 (Erw. 3b); bei einem seit rund 20 Jahren auf dem Markt befindlichen Originalpräparat kann noch keine Amortisation angenommen werden, während bei einem Produkt, das seit rund 60 Jahren verkauft wird, die fraglichen Kosten mit Sicherheit als abgegolten betrachtet werden müssen (Erw. 3c).
- Hat das Originalpräparat nach Ablauf des Preisvorteils seinen Preis zu senken oder kann für das Nachahmerpräparat ein Preis verlangt werden, der dem bisherigen des Originalpräparats entspricht (Erw. 4)? | Sachverhalt
ab Seite 152
BGE 108 V 150 S. 152
A.-
Die Firma LAGAP SA ersuchte im Dezember 1978 um Aufnahme des Präparates LAGALGIN Compr. in die Spezialitätenliste. Das Präparat ist als Analgetikum und Antipyretikum indiziert und wurde im September 1969 bei der IKS registriert. Als Publikumspreise nannte die Firma Fr. 2.10 (Packung zu 10 Tabletten) und Fr. 4.05 (Packung zu 20 Tabletten), doch setzte sie den Preis für die grössere Packung im April 1979 auf Fr. 3.70 herab.
Mit Verfügung vom 22. November 1979 lehnte das Bundesamt für Sozialversicherung das Aufnahmegesuch ab, da das Nachahmerpräparat LAGALGIN im Vergleich zum Originalpräparat N. Compr. zu teuer und damit unwirtschaftlich sei.
B.-
Gegen diese Verfügung reichte die Firma Beschwerde ein mit dem Antrag, es sei ihr Präparat in die Spezialitätenliste aufzunehmen. Nach Einholen einer gutachtlichen Meinungsäusserung der Eidgenössischen Arzneimittelkommission (EAK) durch das Bundesamt für Sozialversicherung sowie Schriftenwechsel wies das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) die Beschwerde mit Entscheid vom 21. November 1980 ab.
C.-
Mit der vorliegenden Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt die Firma beantragen, es sei der vorinstanzliche Entscheid aufzuheben und LAGALGIN Compr. in die Spezialitätenliste aufzunehmen. Auf die Begründung wird, soweit erforderlich, in den Erwägungen eingegangen.
Das EDI hält daran fest, dass LAGALGIN Compr. unwirtschaftlich sei ...
Erwägungen
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
(Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, Kognition: vgl.
BGE 108 V 132
Erw. 1.)
2.
Nach
Art. 12 Abs. 6 KUVG
bezeichnet der Bundesrat nach Anhören der von ihm bestellten EAK die Arzneimittel, die nicht als Pflichtleistung gelten, deren Übernahme jedoch den Krankenkassen empfohlen wird. Die Empfehlung erfolgt in Form einer vom Bundesamt für Sozialversicherung herausgegebenen Spezialitätenliste (Art. 3 Vo VIII). Nach Art. 4 Abs. 1 Vo VIII sind für die Aufnahme eines Arzneimittels massgebend das medizinische Bedürfnis (lit. a), die Zweckmässigkeit und Zuverlässigkeit in bezug auf Wirkung und Zusammensetzung (lit. b) sowie die Wirtschaftlichkeit (lit. c). Dabei sind die im Preise eines Originalpräparates enthaltenen Kosten für Forschungsarbeiten, klinische Prüfung und Ersteinführung auf dem Inlandmarkt im Rahmen der
BGE 108 V 150 S. 153
Beurteilung der Wirtschaftlichkeit angemessen zu berücksichtigen (Abs. 3). Ferner bestimmt Abs. 6 des genannten Artikels, dass das EDI nach Anhören der EAK das Nähere über die Aufnahmebedingungen ordnet. Dies ist durch Verfügung 10 des EDI über die Krankenversicherung betreffend die Aufnahme von Arzneimitteln in die Spezialitätenliste vom 19. November 1968 geschehen.
Art. 6 Abs. 1 der Departementsverfügung umschreibt den Begriff der Wirtschaftlichkeit dahin, ein Arzneimittel gelte als wirtschaftlich, wenn es die indizierte Heilwirkung mit möglichst geringem finanziellem Aufwand gewährleiste. Nach Abs. 2 der Bestimmung fallen für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit eines Arzneimittels in Betracht:
a) dessen Wirksamkeit im Verhältnis zu andern Arzneimitteln gleicher Indikation oder ähnlicher Wirkungsweise;
b) die Kosten pro Tag oder Kur im Verhältnis zu den Kosten von Arzneimitteln gleicher Indikation oder ähnlicher Wirkungsweise;
c) die Kosten für Forschungsarbeiten, klinische Prüfung und Ersteinführung auf dem Inlandmarkt bei einem Originalpräparat;
d) die Preisgestaltung im In- und Ausland.
Das Eidg. Versicherungsgericht hat diese Bestimmungen in ständiger Rechtsprechung als gesetzeskonform betrachtet und angewendet (
BGE 105 V 189
Erw. 2 mit Hinweisen; nicht veröffentlichtes Urteil A. AG vom 21. Juni 1982).
3.
Zu prüfen ist vorliegend nur die Wirtschaftlichkeit von LAGALGIN in der Tablettenform. Unbestrittenermassen handelt es sich dabei um ein sogenanntes Nachahmerpräparat. Auch wird von der Beschwerdeführerin grundsätzlich anerkannt, dass bei Originalpräparaten die in Art. 4 Abs. 3 Vo VIII und Art. 6 Abs. 2 lit. c Verfügung 10 erwähnten Kosten abzugelten sind, weshalb zwischen Original- und Nachahmerpräparaten ein Preisunterschied bestehen muss und letztere nur dann als wirtschaftlich betrachtet werden können, wenn sie billiger sind als die vergleichbaren Originalpräparate.
Dagegen ist streitig, ob das Bundesamt für Sozialversicherung und die Vorinstanz die Wirtschaftlichkeit von LAGALGIN Compr. zu Recht verneinten, weil es in der 10er-Packung bei einem Preis von Fr. 2.10 gegenüber dem Fr. 2.25 (ebenfalls 10er-Packung; eine 20er-Packung ist nicht im Handel)
BGE 108 V 150 S. 154
bloss um 6,7% oder - wenn der seit 15. September 1980 gültige Preis von N. (Fr. 2.40) in Betracht gezogen wird - um 12,5% billiger sei.
a) Wie zuvor erwähnt, werden bei der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit von Originalpräparaten u.a. die Kosten für Forschungsarbeiten, klinische Prüfung und Ersteinführung auf dem Inlandmarkt berücksichtigt (Art. 4 Abs. 3 Vo VIII und Art. 6 Abs. 2 lit. c Verfügung 10). Aus diesem Grund verlangt das Bundesamt für Sozialversicherung - wie im vorinstanzlichen Entscheid dargelegt - seit jeher einen Preisunterschied zwischen Original- und Nachahmerpräparaten, damit die Wirtschaftlichkeit von Nachahmerpräparaten, bei welchen solche Kosten grundsätzlich nicht anfallen, bejaht werden kann. Dieser Unterschied wurde an der Sitzung des Ausschusses der EAK für Grundsatzfragen vom 9. Februar 1978 auf "in der Regel 25% mit Abweichungen in Ausnahmefällen" festgelegt. Anlässlich der Sitzung vom 22. Februar 1979 bestätigte das nämliche Gremium diesen Ansatz, beschloss darüber hinaus aber im Sinne einer Verschärfung der Verwaltungspraxis, die 25%-Regel künftig strikt anzuwenden und Ausnahmen davon bloss noch vereinzelt und beim Vorliegen ganz besonderer Umstände zuzulassen. Der Ansatz von 25% stellt dabei einen empirischen Durchschnittswert dar, da sich die tatsächlichen Entwicklungs- und Einführungskosten eines bestimmten Originalpräparates - wenn überhaupt - nur durch langwierige und kostspielige Untersuchungen ermitteln liessen, was nicht bloss unverhältnismässig, sondern auch unpraktikabel wäre. Wie das Eidg. Versicherungsgericht im bereits erwähnten Urteil A. AG vom 21. Juni 1982 entschieden hat, kann nicht beanstandet werden, dass die Verwaltung sich in der Praxis an diese Regel hält und sie strikt anwendet, solange nicht konkrete Umstände klar nachgewiesen sind, welche sachlich ein Abweichen davon aufdrängen.
b) Gegen die Anwendung der 25%-Regel wendet die Beschwerdeführerin im wesentlichen ein, bei einem seit 1921 auf dem Markt befindlichen Originalpräparat wie N. dürften keine Forschungs- und Einführungskosten mehr berücksichtigt werden, da diese längst amortisiert seien.
In diesem Zusammenhang ist von Bedeutung, dass die Entwicklung und Einführung von Originalpräparaten im allgemeinen sehr hohe Kosten verursacht und dass diesem Umstand unter dem Gesichtspunkt der Art. 4 Abs. 3 Vo VIII und Art. 6 Abs. 2 lit. c Verfügung 10 während langer Zeit Rechnung zu tragen ist.
BGE 108 V 150 S. 155
Dies kann indessen nicht ohne jede zeitliche Begrenzung geschehen. Steht ausser Zweifel, dass diese Kosten amortisiert sind, so ist die Anwendung der 25%-Regel bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung eines Nachahmerpräparates nicht mehr gerechtfertigt. Andernfalls würde dem Hersteller des Originalpräparates ein sachlich nicht mehr begründeter Preisvorteil zugestanden, worin mit Bezug auf den Hersteller des Nachahmerpräparates eine nicht zulässige rechtsungleiche Behandlung zu erblicken wäre (Urteil A. AG vom 21. Juni 1982).
Allerdings führt die Vorinstanz in ihrem Entscheid aus, anlässlich eines am 22. Februar 1979 von der EAK mit Vertretern der chemischen Industrie durchgeführten Hearings sei namentlich festgestellt worden, "dass die Forschungs- und übrigen Arbeiten mit der Herausgabe eines Originalproduktes nicht enden. Ein spezifischer fachärztlicher bzw. fachwissenschaftlicher "Service" bleibt grundsätzlich für die gesamte Lebensdauer eines Originalpräparates bestehen, und zwar über den Ablauf des Patentschutzes hinaus." Ein solcher Service fällt jedoch zweifellos nicht unter die Entwicklungs- und Einführungskosten, betrifft er doch die Zeit nach Entwicklung und Ersteinführung eines Präparates und geht mithin über die Gesichtspunkte hinaus, welche für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit von Originalpräparaten im Sinne von Art. 4 Abs. 3 Vo VIII und Art. 6 Abs. 2 lit. c Verfügung 10 zu beachten sind. Der ein Originalpräparat begleitende Service bietet deshalb nicht Anlass dazu, diesem Produkt einen zeitlich unbegrenzten Preisvorteil zuzugestehen. Im übrigen können die im Rahmen eines solchen Service anfallenden (Weiter-)Entwicklungskosten, die gegebenenfalls zu neuen Wirkstoffen bzw. Wirkstoffkombinationen und zu neuen Originalpräparaten führen, bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung dieser neuen Produkte als Forschungskosten berücksichtigt werden. Dass die Forschungs- und Entwicklungskosten eines Originalpräparateherstellers nicht einzelnen Produkten zugeordnet werden können, sondern zu den Gemeinkosten gehören, welche vom Erlös sämtlicher Präparate zu tragen sind, ist ebenfalls kein Umstand, der einen zeitlich unbegrenzten Preisvorteil eines einzelnen Originalpräparates rechtfertigt. Auch im Rahmen einer solchen Mischrechnung muss die Bevorzugung eines Originalpräparates einmal ihr Ende finden.
c) Im Urteil A. AG vom 21. Juni 1982 hat das Eidg. Versicherungsgericht entschieden, dass bei einem seit rund 20 Jahren auf dem Markt befindlichen Originalpräparat weiterhin ein Preisvorteil
BGE 108 V 150 S. 156
für Entwicklungs- und Einführungskosten anzuerkennen und die 25%-Regel auf Nachahmerpräparate anzuwenden ist. Im vorliegenden Fall verhält es sich insofern wesentlich anders, als das Originalpräparat N. nach der unbestritten gebliebenen Darstellung der Beschwerdeführerin bereits seit rund 60 Jahren verkauft wird. Nach allgemeiner Erfahrung müssen die Entwicklungs- und Einführungskosten dieses Präparates jedenfalls nach einer derart langen Zeit mit Sicherheit als abgegolten betrachtet werden, weshalb dem Originalpräparat kein Preisvorteil mehr einzuräumen ist und die 25%-Regel somit bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung des Produktes der Beschwerdeführerin nicht berücksichtigt werden darf. LAGALGIN Compr. ist daher zum Preis von Fr. 2.10 (10er-Packung) bzw. Fr. 3.70 (20er-Packung) in die Spezialitätenliste aufzunehmen.
4.
Ferner führt die Beschwerdeführerin in ihrer Verwaltungsgerichtsbeschwerde aus, dass eigentlich bei N. eine Preisanpassung nach unten zu erfolgen hätte, nachdem die Forschungskosten längst amortisiert seien. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist jedoch allein die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit von LAGALGIN Compr., weshalb das Eidg. Versicherungsgericht über die Preisgestaltung beim Präparat N. nicht zu befinden hat. Immerhin mag in diesem Zusammenhang aber grundsätzlich festgehalten werden, dass es sich angesichts der vorherigen Darlegungen mit dem Gleichbehandlungsgebot nicht vereinbaren liesse, wenn ein Originalpräparat, das den Preisvorteil nicht mehr für sich beanspruchen kann, weiterhin zum bisherigen, wesentlich höheren Preis in der Spezialitätenliste verbliebe. Anderseits wäre es im Hinblick auf das Wirtschaftlichkeitsgebot nicht gerechtfertigt, einem Nachahmerpräparat, auf welches nach den Ausführungen in Erwägung 3b hiervor die 25%-Regel nicht (mehr) anzuwenden ist, einen Preis zuzubilligen, der dem bisherigen des Originalpräparates entspricht, würde damit doch der dem Originalpräparat seinerzeit eingeräumte Preisvorteil auf das Nachahmerpräparat übertragen, obwohl bei diesem keine Kosten im Sinne von Art. 4 Abs. 3 Vo VIII und Art. 6 Abs. 2 lit. c Verfügung 10 zu berücksichtigen sind.
Dispositiv
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden der Entscheid des EDI vom 21. November 1980 und die bundesamtliche
BGE 108 V 150 S. 157
Verfügung vom 22. November 1979 aufgehoben, und es wird das Bundesamt für Sozialversicherung verpflichtet, LAGALGIN Compr. im Sinne der Erwägung 3c in die Spezialitätenliste aufzunehmen. | null | nan | de | 1,982 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
19ac3be0-297b-4bb2-a0c3-f70d70b4465a | Urteilskopf
122 III 262
47. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 5. Juni 1996 i.S. X. AG gegen B. (Berufung) | Regeste
Art. 266g Abs. 2 OR
. Vermögensrechtliche Folgen der Kündigung eines Mietverhältnisses aus wichtigen Gründen.
Grundsätze bei der Festsetzung der Entschädigungshöhe (E. 2). | Sachverhalt
ab Seite 263
BGE 122 III 262 S. 263
Die X. AG vermietete B. per 1. August 1992 eine 4 1/2-Zimmerwohnung in K. Der Mietvertrag vom 23. April 1992 wurde für die Dauer von fünf Jahren, erstmals kündbar auf den 31. Juli 1997, geschlossen. Der Mietzins betrug inklusive Nebenkosten Fr. 2'300.-- bzw. ab 1. Januar 1993 Fr. 2'405.-- pro Monat. B. benutzte die Wohnung für sich und ihre beiden Kinder, wobei ihr Freund, R., Untermieter war. In der Folge verschlechterten sich ihre Einkommensverhältnisse, weil ihr geschiedener Ehemann die Frauenalimente nicht mehr bezahlen konnte und ihr Freund auszog und damit sein Mietanteil entfiel. Mit Schreiben vom 31. März 1994 kündigte B. das Mietverhältnis vorzeitig auf den 31. Juli 1994 mit der Begründung, sie könne sich die Wohnung nicht mehr leisten. Am 14. April 1994 orientierte sie die Vermieterin in einem Gespräch über die Gründe ihrer finanziellen Schwierigkeiten. Mit Schreiben vom 25. April 1994 erklärte die X. AG, sie sei nicht bereit, B. ohne einen Mietnachfolger frühzeitig aus dem Mietvertrag zu entlassen. Daraufhin machte diese geltend, sie sei gemäss
Art. 266g OR
zur vorzeitigen Kündigung berechtigt, weil ihr die Vertragserfüllung nicht mehr zumutbar sei. Die X. AG bestritt dies und rief die Kantonale Schlichtungsbehörde für Miet- und Pachtstreitigkeiten an, welche an der Verhandlung vom 19. Juli 1994 keine Einigung erzielen konnte.
Am 10. August 1994 klagte die Vermieterin beim Kantonsgerichtspräsidenten des Kantons Obwalden gegen B. und stellte sinngemäss die Anträge, es sei die Unzulässigkeit der vorzeitigen Kündigung und das Weiterbestehen des Mietvertrages festzustellen. Eventualiter sei die X. AG für die vermögensrechtlichen Folgen der vorzeitigen Kündigung voll zu entschädigen. Dabei habe ihr B. den zu erwartenden Mietzinsausfall bis zum 31. Juli 1997 und Fr. 675.50 für ausserordentliche Umtriebe und Insertionskosten zu bezahlen.
Der Kantonsgerichtspräsident erkannte mit Urteil vom 30. September 1994 im wesentlichen, dass der zwischen den Parteien abgeschlossene Mietvertrag gemäss
Art. 266g OR
auf den 31. Juli 1994 aufgelöst worden sei und B. die X. AG für vorzeitige Vertragsauflösung mit Fr. 12'000.-- zu entschädigen habe. Er ging dabei davon aus, die Aufrechterhaltung des Mietvertrages sei für B. aus finanzieller Sicht unzumutbar; sie habe bei Vertragsabschluss
BGE 122 III 262 S. 264
weder wissen noch vorhersehen können, dass ihr geschiedener Ehemann die Frauenunterhaltsrente von monatlich Fr. 1'450.-- nicht mehr werde bezahlen können, und es treffe sie an seiner Insolvenz auch kein Verschulden.
B. rekurrierte an die Obergerichtskommission des Kantons Obwalden, welche mit Urteil vom 24. Februar 1995 den Entscheid des Kantonsgerichtspräsidenten aufhob und die Entschädigung für die vorzeitige Kündigung auf Fr. 2'500.-- reduzierte.
Die X. AG erhebt eidgenössische Berufung und beantragt im wesentlichen, das Urteil der Obergerichtskommission sei aufzuheben und B. sei zu verpflichten, die Vermieterin für die vermögensrechtlichen Folgen der vorzeitigen Vertragsauflösung mit Fr. 12'000.-- zu entschädigen.
B. schliesst auf Abweisung der Berufung und stellt ein Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege.
Das Bundesgericht weist die Berufung ab, soweit es darauf eintritt.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Es ist nicht mehr streitig, dass die Beklagte gemäss
Art. 266g Abs. 1 OR
zur vorzeitigen Kündigung berechtigt war und das Mietverhältnis daher auf den 31. Juli 1994 aufgelöst wurde. Umstritten sind hingegen die vermögensrechtlichen Folgen der ausserordentlichen Kündigung.
Die Vorinstanz ging bei der Festsetzung der Entschädigung nach
Art. 266g Abs. 2 OR
davon aus, der relevante Schaden der Klägerin betrage Fr. 19'185.50 und das Einkommen der Beklagten übersteige ihr betreibungsrechtliches Existenzminimum nur gerade um rund Fr. 180.--, wobei Steuern noch nicht berücksichtigt seien. Selbst wenn angenommen würde, die Beklagte wäre in der Lage, monatliche Zahlungen in dieser Höhe zu leisten, würde die Abzahlung einer Entschädigung von Fr. 12'000.-- rund fünf Jahre dauern. Dies mache deutlich, dass die Beklagte und ihre Kinder unweigerlich in eine Notlage gerieten, wenn sie diesen vom Kantonsgerichtspräsidenten festgesetzten Betrag auf einmal oder in Raten bezahlen müsste. Dies liesse eine weitere Herabsetzung des Ersatzes als angezeigt erscheinen, zumal keine Anhaltspunkte dafür bestünden, dass die Klägerin auch durch eine massive Herabsetzung des Schadenersatzes ihrerseits in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten würde. Da keine Rede davon sein könne, dass Herr R.
BGE 122 III 262 S. 265
in K. nur ein fiktives Domizil halte und faktisch bei der Beklagten wohne, könne diese zur Deckung der Mietkosten auch nicht auf ihn zurückgreifen. Ferner habe der Kantonsgerichtspräsident der Beklagten zu Unrecht vorgeworfen, sie habe vor der Kündigung nicht um eine Mietzinsreduktion nachgesucht, was sie sich anrechnen lassen müsse. Die Beklagte habe sich entgegen der Auffassung des Kantonsgerichtspräsidenten auch genügend um die Weitervermietung der Wohnung bemüht, indem sie gemäss einer Vereinbarung der Parteien ein Inserat im Obwaldner Amtsblatt publizierte. Die Klägerin habe von ihr keine weiteren Bemühungen gewünscht, und solche wären ohnehin völlig nutzlos gewesen, wie die erfolglosen Bemühungen der Klägerin, die Wohnung zu den bisherigen Konditionen zu vermieten, gezeigt hätten. In Würdigung all dieser Umstände rechtfertige es sich, die Schadenersatzleistung ermessensweise auf Fr. 2'500.-- herabzusetzen.
Die Klägerin rügt eine Verletzung von
Art. 266g Abs. 2 OR
und macht geltend, die Vorinstanz habe eine einseitige Interessenabwägung vorgenommen, welche einer Billigkeitsentscheidung gemäss
Art. 4 ZGB
widerspreche. So sei die Vorinstanz zu Unrecht davon ausgegangen, eine Schuld von Fr. 12'000.-- würde die Beklagte in eine Notlage im Sinne von
Art. 44 Abs. 2 OR
führen. Die Beklagte könne sich zudem gar nicht auf eine Notlage berufen, weil sie ihre finanziellen Schwierigkeiten selber verschuldet habe. Die Vorinstanz habe zudem völlig ausser acht gelassen, dass es der Beklagten ohne weiteres zumutbar wäre, im Hinblick auf die Schadenersatzleistung an die Klägerin ihren Lebensstandard zu senken. Die Vorinstanz habe weiter ungenügend berücksichtigt, dass sich die Beklagte nicht in hinreichender Weise um die Beibringung eines Ersatzmieters gekümmert habe und sich die finanziellen Verhältnisse der Beklagten künftig wieder verbessern könnten. Die Herabsetzung der vom Kantonsgerichtspräsidenten festgesetzten Entschädigung von Fr. 12'000.-- sei daher nicht gerechtfertigt gewesen.
a) aa)
Art. 266g Abs. 1 OR
sieht vor, dass die Parteien ein Mietverhältnis aus wichtigen Gründen mit der gesetzlichen Frist auf einen beliebigen Zeitpunkt kündigen können. Dieses ausserordentliche Kündigungsrecht entspricht dem allgemeinen Grundsatz, dass Dauerschuldverhältnisse aus wichtigen Gründen vorzeitig beendet werden dürfen (
BGE 92 II 299
E. 3b; HIGI, Zürcher Kommentar, N. 6 und 12 zu
Art. 266g OR
; BUCHER, Berner Kommentar, N. 200 ff. zu
Art. 27 ZGB
; BUCHER, Schweizerisches Obligationenrecht Allgemeiner Teil, 2. Auflage 1988, S. 384;
BGE 122 III 262 S. 266
KRAMER/SCHMIDLIN, Berner Kommentar, Allgemeine Einleitung in das schweizerische OR, N. 163 f.; vgl. auch IVAN CHERPILLOD, La fin des contrats de durée, S. 123 ff.; GAUCH, System der Beendigung von Dauerverträgen, S. 186 ff.). Als wichtige Gründe gelten Umstände, welche die Vertragserfüllung unzumutbar machen (
Art. 266g Abs. 1 OR
). Dabei gilt es zu beachten, dass die Unzumutbarkeit der Erfüllung eines Mietvertrages nur bejaht werden kann, wenn die angerufenen Umstände bei Vertragsschluss weder bekannt noch voraussehbar waren und nicht auf ein Verschulden der kündigenden Partei zurückzuführen sind (Botschaft zur Revision des Miet- und Pachtrechts, nachstehend: Botschaft, BBl 1985 I 1389ff., S. 1451; HIGI, Zürcher Kommentar, N. 36 ff. zu
Art. 266g OR
; SVIT-Kommentar zum Mietrecht, N. 13 f. zu
Art. 266g OR
; LACHAT/STOLL, Das neue Mietrecht für die Praxis, 3. unveränderte Auflage, S. 323 f. Rz. 5.2; ZIHLMANN, Das neue Mietrecht, 2. Auflage, S. 109; vgl. auch
BGE 33 II 574
E. 2 OR). Die vermögensrechtlichen Folgen einer zulässigen vorzeitigen Kündigung bestimmt der Richter gemäss
Art. 266g Abs. 2 OR
unter Würdigung aller Umstände, das heisst nach Recht und Billigkeit (
Art. 4 ZGB
). Die Haftung nach
Art. 266g Abs. 2 OR
weist somit wie diejenige eines Urteilsunfähigen gemäss
Art. 54 Abs. 1 OR
den Charakter einer Kausalhaftung aus Billigkeit auf (vgl.
BGE 102 II 226
E. 2b S. 230). Anders als nach der Regelung vor der Mietrechtsrevision vom 15. Dezember 1989 schuldet die aus wichtigen Gründen kündigende Partei der anderen grundsätzlich nicht mehr das volle Erfüllungsinteresse (Botschaft a.a.O., S. 1451; SVIT-Kommentar zum Mietrecht, N. 22 zu 266g OR; ZIHLMANN, a.a.O., S. 109; a.M. HIGI, Zürcher Kommentar, N. 80 zu
Art. 266g OR
). Die kündigende Partei hat gemäss
Art. 266g Abs. 2 OR
vielmehr nur dann eine Entschädigung zu leisten, wenn dies als billig erscheint. Ob und in welchem Umfang dies der Fall ist, entscheidet sich nach den Umständen des Einzelfalles, wobei der finanziellen Situation der Parteien im Zeitpunkt des Urteils vorrangige Bedeutung zukommt (vgl.
BGE 103 II 330
E. 4b/aa S. 335 f.;
BGE 102 II 226
E. 3b S. 231 mit Hinweisen; BREHM, Berner Kommentar, N 19 zu
Art. 54 OR
; SCHNYDER, in: Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, N. 6 zu
Art. 54 OR
; REY, Ausservertragliches Haftpflichtrecht, S. 163 Rz. 814; KELLER; Haftpflicht im Privatrecht, Bd. I, 5. Auflage, S. 134; OFTINGER/STARK, Schweizerisches Haftpflichtrecht, Bd. II/1, S. 148 Rz. 61 f.; HONSELL, Schweizerisches Haftpflichtrecht, S. 108; DESCHENAUX/TERCIER, La responsabilité civile, 2. Auflage, S. 138 Rz. 20 f.). So spricht der Umstand, dass die geschädigte Partei wohlhabend ist und die schädigende
BGE 122 III 262 S. 267
Partei in bescheidenen finanziellen Verhältnissen lebt, gegen eine Billigkeitshaftung (BREHM, Berner Kommentar, N. 22 zu
Art. 54 OR
). Dies gilt insbesondere dann, wenn die Gefahr besteht, dass der Schädiger durch die Ersatzpflicht in eine Notlage geraten könnte (BREHM, Berner Kommentar, N. 46 zu
Art. 54 OR
; SCHNYDER, a.a.O., N. 6 zu
Art. 54 OR
; OFTINGER/STARK, a.a.O., S. 148 Rz. 61) oder auf lange Zeit hinaus auf das Existenzminimum gesetzt wäre (
BGE 71 II 225
E. 8 S. 232; KELLER, a.a.O., S. 135). Für eine Billigkeitshaftung spricht dagegen der Umstand, dass der Schaden für den Geschädigten eine grosse Belastung darstellt (BREHM, Berner Kommentar, N. 37 zu
Art. 54 OR
; OFTINGER/STARK, a.a.O., S. 148 Rz. 61). Soweit die kausale Natur der Haftung aus Billigkeit dies zulässt, kommen bei deren Bemessung auch die Kriterien von
Art. 43 und 44 OR
zur Anwendung (BREHM, Berner Kommentar, N. 43 zu
Art. 54 OR
; SCHNYDER, a.a.O., N. 6 zu
Art. 54 OR
; vgl. ferner Botschaft, a.a.O., S. 1451; LACHAT/STOLL, a.a.O., S. 324 Rz. 5.3; ZIHLMANN, a.a.O., S. 109). Ein Selbstverschulden der geschädigten Partei kann somit zur Aufhebung oder Herabsetzung der Billigkeitshaftung führen (OFTINGER/STARK, a.a.O., S. 151 Rz. 73; vgl. ferner: SVIT-Kommentar zum Mietrecht, N. 23 zu
Art. 266g OR
; KELLER, a.a.O., S. 136). Ebenso gilt es, eine eventuelle Nichterfüllung der beiden Parteien obliegenden Pflicht zur Schadensminderung zu berücksichtigen (SVIT-Kommentar zum Mietrecht, N. 25 zu
Art. 266g OR
; LACHAT/STOLL, a.a.O., S. 324 Rz. 5.3).
bb) Die Bestimmung der vermögensrechtlichen Folgen einer vorzeitigen Kündigung beruht weitgehend auf richterlichem Ermessen. Derartige Ermessensentscheide überprüft das Bundesgericht an sich frei. Es übt dabei aber Zurückhaltung und greift nur ein, wenn die Vorinstanz grundlos von in Lehre und Rechtsprechung anerkannten Grundsätzen abgegangen ist, wenn sie Tatsachen berücksichtigt hat, die für den Entscheid im Einzelfall keine Rolle hätten spielen dürfen, oder wenn sie umgekehrt Umstände ausser Betracht gelassen hat, die hätten beachtet werden müssen. Es greift ausserdem in Ermessensentscheide ein, wenn sich diese im Ergebnis als offensichtlich unbillig, als in stossender Weise ungerecht erweisen (
BGE 119 II 157
E. 2a S 160;
BGE 118 II 50
E. 4 S. 55 f. mit Hinweisen).
b) Im vorliegenden Fall hat die Vorinstanz zu Recht angenommen, eine Entschädigung von Fr. 12'000.-- sei unbillig, weil sie die Beklagte und ihre Kinder voraussichtlich auf Jahre hinaus auf das Existenzminimum setzen würde und die Klägerin auch durch eine erhebliche Reduktion der Entschädigung nicht in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerate. Da eine
BGE 122 III 262 S. 268
Herabsetzung der Entschädigung schon aufgrund dieser Umstände als angebracht erscheint, kann offengelassen werden, ob eine Schuld von Fr. 12'000.-- die Beklagte in eine Notlage im Sinne von
Art. 44 Abs. 2 OR
führen würde. Entgegen der Auffassung der Klägerin lässt die allgemeine Möglichkeit, dass sich die finanziellen Verhältnisse der Beklagten einmal bessern werden, eine Herabsetzung nicht als unbillig erscheinen. Es ist ferner nicht ersichtlich, inwiefern die Beklagte bezüglich ihrer finanziellen Schwierigkeiten ein Verschulden treffen soll. Schliesslich kann der Beklagten unter den gegebenen Umständen nicht angelastet werden, sie habe sich ungenügend um einen Nachmieter bemüht. Die Vorinstanz ist demnach bei der Bestimmung der Entschädigung gemäss
Art. 266g Abs. 2 OR
von richtigen Grundsätzen ausgegangen. Die erhebliche Herabsetzung der Entschädigung von Fr. 12'000.-- auf Fr. 2'500.-- ist zudem im Ergebnis nicht offensichtlich unbillig. | null | nan | de | 1,996 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
19ac4f7c-7db1-45a9-b4d6-b44d071f1349 | Urteilskopf
109 III 69
20. Extrait de l'arrêt de la Chambre des poursuites et des faillites du 4 août 1983 dans la cause W. et H. (recours LP) | Regeste
Zuschlag eines im Ausland eingetragenen Luftfahrzeuges. Ausbleiben der Bezahlung des Restes des Zuschlagpreises. Widerruf des Zuschlags. Nachfrist.
1. Bei der Verwertung eines Luftfahrzeuges ist die Regel anzuwenden, wonach das Betreibungsamt den Zuschlag widerrufen und eine neue Versteigerung ansetzen muss, wenn die Bezahlung während der festgesetzten Frist ausbleibt (E. 1).
2. Der Ersteigerer darf die Bezahlung des Restes des Zuschlagpreises nicht von der Zusicherung abhängig machen, dass das ihm zugeschlagene Luftfahrzeug in den Registern des ausländischen Landes, wo es eingetragen ist, gelöscht werde. Unterscheidung zwischen dem Luftfahrzeugregister und dem Luftfahrzeugbuch (E. 2 und 3).
3. Die Gewährung einer Nachfrist zur Bezahlung des Restes des Zuschlagpreises wäre unnütz, wenn der Gegenstand des Zuschlags bereits in die Konkursmasse des Schuldners gefallen ist. Dies trifft zu, wenn über den Schuldner nach dem Entscheid des Betreibungsamtes, womit der Zuschlag widerrufen wurde, aber noch vor dem diesen Widerruf bestätigenden Beschwerdeentscheid der Aufsichtsbehörde der Konkurs eröffnet worden ist (E. 4). | Sachverhalt
ab Seite 70
BGE 109 III 69 S. 70
A.-
Dans le cadre d'une poursuite no 9'340'980, dirigée par X. contre la société italienne Y., ayant son siège dans la province de Turin, l'Office des poursuites de Genève a saisi et réalisé un aéronef Piper PA 31 Navajo I-Rore, qui a été mis aux enchères le 24 mars 1982 et adjugé pour le prix de 116'000 francs à W. et H. en copropriété, chacun pour moitié. Conformément aux conditions de vente, les adjudicataires ont versé comptant une somme de 60'000 francs, un délai de deux mois leur étant accordé pour le règlement du solde du prix d'adjudication.
Les 18/19 mai 1982, l'Office s'est adressé au Registre aéronautique italien pour demander l'exmatriculation de l'aéronef en Italie, de façon qu'il puisse être immatriculé en Suisse au bénéfice des acquéreurs. L'Office relevait, dans sa requête aux autorités italiennes, que l'acquisition de la propriété des adjudicataires sur l'aéronef serait définitive après complet paiement, entre ses mains, du prix d'adjudication. Une longue correspondance eut lieu à ce sujet, au terme de laquelle, le 20 septembre 1982, le service compétent pour l'exmatriculation en Italie déclara à l'Office que, dès qu'il recevrait confirmation que la propriété a définitivement passé aux adjudicataires, le Ministère italien procéderait le jour même à la radiation de l'aéronef dans ses registres.
Après plusieurs prolongations de délai accordées, sans résultat, aux acquéreurs pour leur permettre de régler le solde du prix d'adjudication, l'Office leur a signifié, le 5 octobre 1982, que s'ils
BGE 109 III 69 S. 71
ne s'acquittaient pas du montant restant dû dans un délai échéant le 18 octobre 1982, l'adjudication serait considérée comme caduque et une nouvelle vente serait fixée.
B.-
Le 18 octobre 1982, W. et H. ont déposé plainte à l'Autorité de surveillance contre la décision du 5 octobre 1982 de l'Office. Ils ont conclu à l'annulation de cette dernière et à ce que l'Office soit invité à n'exiger le paiement complet de la somme représentant le solde du prix d'adjudication qu'après avoir obtenu des autorités italiennes la radiation de l'immatriculation de l'aéronef dans le registre ad hoc. L'effet suspensif a été accordé à leur plainte.
La faillite de la débitrice poursuivie Y. a été prononcée le 21 octobre 1982, ce dont le syndic de la faillite a averti l'Office des poursuites par lettre du 31 mai 1983. Dans cette même lettre, il était relevé que les actes d'exécution portant sur l'avion Piper de la faillie devenaient dès lors caducs. Par lettre du 10 juin 1983, l'Office a contesté ce point de vue, en faisant valoir que le transfert de propriété sur l'avion remontait au 18 mai 1982, date à laquelle l'autorité italienne compétente avait été requise de procéder à la radiation de l'aéronef dans ses registres, voire au 24 mars 1982, date de l'adjudication, soit en tous les cas avant le jugement de faillite, de sorte que si l'adjudication était confirmée, elle serait antérieure à la faillite et par conséquent opposable aux créanciers de la faillie, vu l'
art. 199 LP
.
Par arrêt du 22 juin 1983, l'Autorité de surveillance du canton de Genève a rejeté la plainte de W. et H. Elle a considéré que la demeure des adjudicataires de payer le solde du prix de vente rendait l'enchère caduque, de sorte que la décision de l'Office du 5 octobre 1982 devait être confirmée.
C.-
En temps utile, W. et H. recourent à la Chambre des poursuites et des faillites du Tribunal fédéral en concluant principalement que les décisions précitées, tant de l'Autorité de surveillance que de l'Office des poursuites, soient annulées, en ce sens que l'Office ne peut exiger le paiement complet des sommes dues ensuite de l'adjudication qu'après avoir obtenu des autorités italiennes la radiation de l'immatriculation dans ses registres de l'aéronef en cause. Subsidiairement, les recourants concluent à l'annulation de l'adjudication du 24 mars 1982, l'acompte de 60'000 francs qu'ils ont versé leur étant restitué avec intérêt légal à compter du jour de l'adjudication.
Les recourants demandent en outre que l'effet suspensif soit
BGE 109 III 69 S. 72
octroyé à leur recours et qu'un délai supplémentaire de dix jours dès l'arrêt de la Chambre de céans leur soit imparti pour acquitter le solde du prix d'adjudication dans l'hypothèse où le recours serait rejeté.
Erwägungen
Extrait des motifs:
1.
Selon les conditions de vente du 25 janvier 1982 émises par l'Office des poursuites concernant l'enchère de l'aéronef litigieux, un délai de deux mois pouvait être accordé à l'adjudicataire pour le règlement du prix d'adjudication, moyennant le versement comptant de 60'000 francs (art. 10). A défaut d'observation de ce délai, et à moins que tous les intéressés ne donnent leur consentement à une prolongation dudit délai, l'adjudication devait aussitôt être révoquée et une nouvelle enchère ordonnée (art. 12). Ces clauses correspondent au système de la loi, qui prévoit, tant en ce qui concerne la vente aux enchères d'objets mobiliers que l'adjudication d'immeubles, qu'à défaut de paiement dans le délai imparti, l'Office doit révoquer l'adjudication et ordonner une nouvelle enchère (cf. art. 129 al. 3, 143 al. 1 LP et 63 ORI; voir également
ATF 75 III 13
). De tels principes sont également applicables en cas de réalisation d'un aéronef, que celui-ci soit inscrit au registre des aéronefs et puisse dès lors faire l'objet d'une réalisation suivant les règles de l'exécution forcée en matière d'immeubles (règles auxquelles renvoient les art. 52 et suivants de la loi du 7 octobre 1959 sur le registre des aéronefs) ou qu'il soit soumis, en l'absence d'une telle inscription, aux règles de l'exécution forcée applicables aux objets mobiliers (cf. circulaire no 35 de la Chambre de céans du 16 octobre 1961 sur l'exécution forcée portant sur des aéronefs, ch. I).
On peut tout d'abord se demander, la décision attaquée n'indiquant pas que l'aéronef litigieux fût inscrit au registre des aéronefs - ou à un registre correspondant - en Italie, si c'est à bon droit que l'Office a procédé à la réalisation en suivant les formes prévues pour l'exécution forcée des immeubles plutôt que celles applicables à la réalisation forcée d'objets mobiliers. Cette question n'a toutefois pas besoin d'être résolue ici, dans la mesure où les règles sur la demeure de l'adjudicataire et sur le devoir de l'Office de révoquer l'adjudication à défaut de paiement sont, ainsi qu'on vient de le voir, substantiellement les mêmes dans l'un et l'autre cas.
BGE 109 III 69 S. 73
On peut également se demander, au vu des conditions de vente et des dispositions légales et réglementaires précitées, si l'Office, en accordant plusieurs délais supplémentaires de paiement aux adjudicataires - la première fois par lettre du 2 juin 1982, la dernière fois dans sa décision du 5 octobre 1982 - a agi correctement. Ce point peut toutefois, lui aussi, rester indécis, du moment que les décisions de l'Office y relatives n'ont pas été attaquées en son temps par les personnes intéressées à la poursuite.
2.
Les recourants voudraient que leur obligation de payer le solde du prix d'adjudication soit différée jusqu'à ce qu'ils obtiennent la garantie formelle que l'aéronef litigieux sera bien exmatriculé des registres italiens; à défaut d'une telle garantie, prétendent-ils, ils ne sauraient être assurés de pouvoir disposer de l'aéronef qui leur a été adjugé.
S'il est exact que, conformément à l'art. 52 al. 2 lettre a de la loi sur la navigation aérienne, l'aéronef doit être exmatriculé en Italie avant de pouvoir être immatriculé en Suisse, on doit relever que l'Office s'est employé à obtenir cette radiation des registres italiens et qu'il a obtenu l'accord de principe de l'autorité compétente italienne, à la seule condition, en définitive, que l'adjudication ne puisse plus être révoquée faute de paiement du prix d'adjudication. La condition ainsi posée par l'autorité italienne correspond aux obligations de l'adjudicataire découlant de la loi suisse. Les recourants ne sauraient y échapper en faisant valoir que l'autorité italienne compétente pour accorder l'exmatriculation la refusera peut-être, malgré ses déclarations antérieures, au moment où ils auront versé à l'Office la somme qu'ils doivent. Un tel versement à l'Office ne préjuge en rien du sort des espèces versées pour le cas où l'Office serait hors d'état de leur transférer, le moment venu, le droit de disposer de l'aéronef vendu. Au moment où la décision critiquée de l'Office a été rendue et la plainte déposée, rien ne permettait d'admettre que l'aéronef réalisé ne serait pas exmatriculé en Italie et partant ne pourrait être immatriculé en Suisse, au nom des adjudicataires, sitôt le paiement de ceux-ci opéré en main de l'Office, et que ce dernier ne serait pas à même de transférer aux adjudicataires le droit de disposer de l'objet acquis. En refusant de payer le solde du prix d'adjudication dans le délai fixé, les recourants ont non seulement méconnu les obligations découlant pour eux de l'adjudication, mais encore ont empêché par leur fait l'Office de les mettre en état de disposer de l'objet qui leur avait été adjugé. Leur prétention d'obtenir une
BGE 109 III 69 S. 74
exmatriculation préalable en Italie est donc dépourvue de tout fondement, voire abusive.
3.
La circulaire no 35 sur l'exécution forcée portant sur des aéronefs, à laquelle se réfèrent les recourants à l'appui de leur point de vue, ne leur est pas d'un plus grand secours. En effet, cette dernière dispose, à son ch. II al. 4 que, s'agissant de la réalisation d'un aéronef immatriculé à l'étranger, l'Office doit exiger "une attestation certifiée conforme délivrée par l'autorité étrangère compétente". Or, il ressort de l'ensemble du texte de ladite circulaire que l'attestation mentionnée ne concerne nullement la radiation de l'immatriculation d'un aéronef dans un pays étranger ensuite de vente forcée, mais qu'elle doit servir uniquement à déterminer si l'aéronef à réaliser est ou non inscrit au registre des aéronefs dans le pays concerné; grâce à elle, l'Office sait s'il doit appliquer à l'aéronef en cause la procédure de réalisation en matière mobilière ou immobilière.
On ne saurait au reste confondre le registre des immatriculations, soit le registre matricule tel qu'il est notamment défini par les art. 52 et suivants de la loi sur la navigation aérienne du 21 décembre 1948, avec le registre des aéronefs, régi par la loi du 7 octobre 1959 citée précédemment. Le registre matricule a pour objet de déterminer les conditions d'utilisation de l'aéronef (art. 52 al. 2 lettre b, 56, 57 de la loi sur la navigation aérienne), de le soumettre à des contrôles (art. 58), de déterminer ses marques distinctives (art. 59) et de lui conférer la qualité d'aéronef suisse (art. 55). Le registre des aéronefs, quant à lui, a pour objet d'organiser la publicité des droits réels inscrits (art. 4 et 13 de la loi sur le registre des aéronefs) et comporte les annotations et mentions dont l'inscription peut être requise (art. 5 et 6); il détermine en outre les effets de l'inscription (art. 14 et suivants). Seul un avion immatriculé peut être porté au registre des aéronefs, mais tous les avions immatriculés ne sont pas obligatoirement inscrits à ce registre (cf. art. 1 de la loi sur le registre des aéronefs). L'application des règles sur la réalisation forcée des immeubles prévue par l'art. 52 de la loi sur le registre des aéronefs s'impose précisément par l'analogie existant entre le registre des aéronefs et le registre foncier, du point de vue de la publicité des droits réels. Une telle analogie n'existe nullement en ce qui concerne le registre matricule, seul en cause dans la présente affaire.
Ainsi, la circulaire invoquée ne charge nullement l'Office de se préoccuper du transfert de l'immatriculation de l'aéronef étranger
BGE 109 III 69 S. 75
en Suisse, et les recourants n'invoquent aucun autre texte qui imposerait un tel devoir à l'Office.
4.
La question se pose ensuite de savoir si la faillite de la poursuivie Y. intervenue - comme le constate la décision attaquée - le 21 octobre 1982, soit postérieurement à la décision de l'Office et au dépôt de la plainte à l'autorité de surveillance, peut avoir une influence sur l'adjudication prononcée le 24 mars 1982.
Les recourants ont acquis la propriété de l'aéronef par l'adjudication (AMONN, p. 211 no 3 et 228 in fine). Il s'agit d'une acquisition originaire de la propriété, soumise au droit public, le président des enchères conférant la propriété au dernier enchérisseur en vertu de ses fonctions officielles (
ATF 93 III 43
). Cette acquisition de la propriété ne peut être révoquée que par l'admission d'une plainte contre l'adjudication (
art. 136bis LP
, également applicable aux meubles -
ATF 106 III 23
). Lorsqu'elle s'applique, la réalisation forcée portant sur des aéronefs (art. 52 et suivants de la loi sur le registre des aéronefs) obéit au même principe (art. 60). La convention du 19 juin 1948 relative à la reconnaissance internationale des droits sur aéronefs prévoit le même principe, tout en portant le délai de plainte à six mois (art. VII al. 3; cf. également circulaire no 35 sur l'exécution forcée portant sur des aéronefs, ch. I dernier alinéa). Cette convention prévoit en outre expressément à son art. VIII que la vente forcée d'un aéronef conformément aux dispositions de l'art. VII transfère la propriété de l'aéronef libre de tous droits non repris par l'acquéreur.
Il suit de là que les recourants ont acquis la propriété de l'avion litigieux dès le 24 mars 1982, l'adjudication n'ayant comme telle fait l'objet d'aucune plainte dans les six mois qui l'ont suivie, soit jusqu'au 24 septembre 1982, antérieurement au prononcé de faillite du 21 octobre 1982 contre Y. A ce moment-là, l'avion litigieux était bien sorti du patrimoine de la société poursuivie tombée en faillite et ne pouvait dès lors rentrer dans sa masse, contrairement à ce que pensent les recourants qui se réfèrent sur ce point à la lettre du syndic de la masse en faillite du 31 mai 1983. Le prononcé de faillite en question n'a donc eu aucune incidence sur l'adjudication elle-même et les adjudicataires conservaient la possibilité de s'acquitter du solde du prix de vente, tant que la décision de révocation n'était pas devenue définitive (
ATF 109 III 40
,
ATF 75 III 13
/14).
A cet égard, l'Office a accordé aux adjudicataires un délai au
BGE 109 III 69 S. 76
18 octobre 1982 pour payer le solde du prix d'adjudication et les frais. Ce délai a été prolongé par l'Autorité de surveillance, qui a accordé l'effet suspensif à la plainte déposée le 18 octobre 1982, en ce sens que l'adjudication ne serait pas révoquée jusqu'à droit connu sur la plainte. Les recourants n'ont toutefois pas payé le solde dû jusqu'à l'expiration du délai ainsi prolongé. Dans leur plainte comme dans le présent recours, ceux-ci déclarent expressément ne pas vouloir payer avant d'avoir obtenu l'exmatriculation de l'avion en Italie. Ils n'ont pas davantage manifesté leur intention de payer lorsqu'ils ont été informés de la faillite de Y. La décision de révocation de l'enchère est ainsi entrée en force avec la communication de la décision dont est recours (
art. 36 LP
). En conséquence, les recourants ont perdu la propriété qu'ils avaient acquise par l'adjudication et l'aéronef litigieux, dont la réalisation n'était pas terminée, est tombé dans la masse de la société faillie Y.
C'est vainement, à ce propos, que les recourants reprochent à l'autorité cantonale de ne pas leur avoir accordé un délai supplémentaire pour s'acquitter du solde dû. Outre le fait qu'ils ne l'avaient pas eux-mêmes requis, l'octroi d'un tel délai n'était plus justifié. Si, dans l'arrêt 109 III 40 déjà cité, l'Autorité de surveillance a prolongé d'une dizaine de jours l'effet suspensif accordé à la plainte, c'est en considération du fait que, la décision de révocation entraînant la fixation de nouvelles enchères, l'adjudicataire eût sans cela perdu le bénéfice de ses enchères. Il n'en va toutefois pas de même dans la présente espèce; en effet, compte tenu de la faillite intervenue entre-temps, la fixation de nouvelles enchères était impossible de sorte que la possibilité de fait de payer après la révocation de l'adjudication n'existe pas.
Vu ce qui précède, la critique des recourants selon laquelle l'Office des poursuites aurait mis en vente forcée un objet sans valeur est dénuée de tout fondement. Comme on l'a vu, les adjudicataires ont acquis la propriété de l'aéronef dès le 24 mars 1982, propriété qu'ils auraient conservée s'ils avaient encore payé dans le délai prolongé par l'octroi de l'effet suspensif à leur plainte. Leur demeure, dont on n'a par ailleurs pas à rechercher si elle est fautive (
ATF 75 III 14
), est donc la seule cause de la révocation de l'adjudication. | null | nan | fr | 1,983 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
19b06f44-834b-4e70-94a1-ffbf88c1d588 | Urteilskopf
106 II 32
7. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 29. April 1980 i.S. Aequator AG gegen F.J. Köhler (Berufung) | Regeste
Unterbrechung der Verjährung während des Prozesses.
Art. 138 Abs. 1 OR
. Begriff der gerichtlichen Handlung der Parteien. | Sachverhalt
ab Seite 33
BGE 106 II 32 S. 33
Am 6. März 1974 verkaufte Küffer, Alleinvertreter der Aequator AG, dem Wirt Köhler eine Kaffeemaschine zum Preis von Fr. 19'500.--. Der mit einer SEV-Sicherheitsmarke versehene, aber nicht sicherheitsgeprüfte Apparat wurde am 3. April 1974 im Restaurant Köhlers installiert. In der Folge musste die Maschine oft repariert werden. Am 28. August 1975 ersuchte der Käufer die Aequator AG um Rücknahme der Maschine und Rückerstattung des Kaufpreises. Am 20. Januar 1976 schrieb er in gleichem Sinn dem Verkäufer Küffer, wobei er sich auf ungenügende Leistungen, zahlreiche Reparaturen und fehlende SEV-Prüfung berief.
Mit seiner im April 1976 beim Bezirksgericht Horgen erhobenen Klage beantragte Köhler, Küffer zu verpflichten, den Kaffeeautomaten zurückzunehmen und den Kaufpreis von Fr. 19'500.-- zurückzuzahlen. Der Beklagte verkündete der Aequator AG den Streit. Mit Urteil vom 17. November 1976 verpflichtete das Bezirksgericht den Beklagten, dem Kläger Zug um Zug gegen unbeschwerte Herausgabe der Kaffeemaschine Fr. 12'025.-- zu zahlen. Auf Berufung der Litisdenunziantin und Anschlussberufung des Klägers bestätigte das Obergericht des Kantons Zürich am 5. Oktober 1979 das erstinstanzliche Urteil unter Einschluss von 5% Zins seit 1. Februar 1977.
Mit ihrer Berufung beantragt die Aequator AG, das Urteil des Obergerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt die Abweisung der Berufung.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Der Kläger will den Kaufvertrag nicht gelten lassen, weil der Kaffeeautomat trotz angebrachter Kontrollmarke nicht SEV-geprüft war. Das Obergericht hält das Vorgehen der Aequator AG für widerrechtlich, schliesst daraus jedoch nicht auf Nichtigkeit des Kaufvertrags. Es betrachtet die gesetzlichen und vertraglichen Gewährleistungsansprüche als verwirkt, erklärt aber den Kaufvertrag wegen Grundlagenirrtums für unverbindlich.
Unter Berufung auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung nimmt die Vorinstanz an, der Käufer könne sich sowohl auf
BGE 106 II 32 S. 34
Gewährleistung als auch auf Grundlagenirrtum berufen. Die Aequator AG sieht darin eine Verletzung von Bundesrecht, weil diese Rechtsprechung nie unwidersprochen geblieben sei und in jüngster Zeit überwiegend als unrichtig bezeichnet werde. Das trifft zwar für CAVIN zu (Schweiz. Privatrecht, VII/1, S. 117 ff.); BÜHLER (SJZ 74/1978, S. 1 ff.), GIGER (N. 61 ff. der Vorbemerkungen zu
Art. 197-210 OR
) und BUCHER (Schweiz. OR, S. 180 ff.) schliessen sich der genannten Rechtsprechung (
BGE 98 II 20
E. 3) aber durchaus an (siehe auch: OSER/SCHÖNENBERGER, N. 5 zu
Art. 197 OR
). Es besteht kein Anlass, auf sie zurückzukommen.
3.
Die Aequator AG hält mit der Berufung vor allem an der Einrede der Verjährung fest. Wie schon in der Eingabe vom 2. Mai 1979 an das Obergericht macht sie geltend, im kantonalen Berufungsverfahren sei nach dem Scheitern der aussergerichtlichen Vergleichsverhandlungen am 20. April 1978 bis zur Urteilsfällung am 5. Oktober 1979 mehr als ein Jahr vergangen und daher die Verjährung eingetreten.
Der Kläger behauptet demgegenüber, sein Anspruch auf Rückerstattung des Kaufpreises habe vindikationsähnlichen Charakter und unterliege damit "zumindest" einer zehnjährigen Verjährung. Seine Auffassung kann er aber im vornherein nicht mit dem Hinweis auf VON TUHR/PETER (OR, Bd. I, S. 339, Fussnote 38) und ebensowenig auf die Ausführungen GIGERS zur Wandelung (N. 25 zu
Art. 208 OR
) stützen, da die Durchführung der Wandelung in
Art. 208 OR
besonders geregelt ist. Der Anspruch des Klägers beruht vielmehr auf ungerechtfertigter Bereicherung, und zwar sowohl bei Nichtigkeit des Vertrags (
BGE 102 II 409
E. 4) als auch bei Unverbindlichkeit wegen Grundlagenirrtums (
BGE 87 II 139
E. 7a). Damit gilt die einjährige Verjährungsfrist von
Art. 67 OR
.
4.
Die Frist von
Art. 67 Abs. 1 OR
war unstreitig gewahrt, als der Kläger im März 1976 die vorliegende Klage einleitete. Damit wurde die Verjährung unterbrochen und sie begann im Verlauf des Prozesses mit jeder gerichtlichen Handlung der Parteien und jeder Verfügung oder Entscheidung des Richters von neuem (
Art. 138 Abs. 1 OR
). Streitig ist, ob der Kläger auch im kantonalen Berufungsverfahren die Verjährung rechtzeitig unterbrochen hat. Die Aequator AG anerkennt als letzte Unterbrechungshandlung das Schreiben vom 20. April 1978, in dem ihr Anwalt dem Obergericht mitteilte, die aussergerichtlichen
BGE 106 II 32 S. 35
Vergleichsgespräche seien gescheitert. Der Kläger beruft sich dagegen auf einen weiteren Vergleichsversuch seines Anwalts und seine telefonische Mitteilung vom 19. Mai 1978 an den obergerichtlichen Referenten. Im einen wie im andern Fall wäre bis zur Urteilsfüllung am 5. Oktober 1979 die Verjährung eingetreten. Der Kläger macht demgegenüber geltend, sein Anwalt habe am 19. Februar, 8. März und 15. Juni 1979 telefonisch den Referenten eindringlich zur Prozesserledigung und Urteilsfällung gedrängt, worauf dieser versichert habe, die Urteilsbegründung sei in Bearbeitung.
Während der Richter die Verjährung nur durch eine Verfügung oder Entscheidung unterbrechen kann, genügt dafür "jede gerichtliche Handlung der Parteien" (
Art. 138 Abs. 1 OR
). Der Wortlaut legt eine weite Auslegung des Begriffs nahe (BGE 21 S. 250; KARL SPIRO, Die Begrenzung privater Rechte durch Verjährungs-, Verwirkungs- und Fatalfristen, Bd. I, S. 346). Für die Unterbrechung ausreichend sind jedenfalls Handlungen, die geeignet sind, den Prozess weiterzutreiben (Urteil der I. Zivilabteilung vom 8. Februar 1972 in Sem. jud. 95/1973, S. 150;
BGE 85 II 191
E. 2; vgl. dazu SPIRO, a.a.O., S. 343). Das Bundesgericht hat die unterbrechende Wirkung sowohl für eine Rechtsverzögerungsbeschwerde (BGE 21 S. 249 E. 4) wie auch für Eingaben einer Partei, mit denen die Fortsetzung oder Erledigung des Prozesses verlangt wird, bejaht (nicht veröffentlichtes Urteil der I. Zivilabteilung i.S. Waldburger gegen Hauser vom 1. Juli 1969, E. 1; vgl. auch SJZ 60/1964 S. 345 N. 236 und OSER/SCHÖNENBERGER, N. 2 zu
Art. 138 OR
). Offengelassen wurde bisher, ob telefonischen Reklamationen einer Partei die gleiche Wirkung zukommt (
BGE 75 II 231
/2). Die Frage ist in Übereinstimmung mit SPIRO (a.a.O., S. 347) zu verneinen. Zu Recht lässt dieser Autor nur Erklärungen gelten, die zu den Akten oder zu Protokoll gegeben werden; es bedarf förmlicher und für beide Parteien stets leicht und einwandfrei feststellbarer Handlungen. Nur eine schriftliche Reklamation bietet diese Klarheit, während telefonische Vorstellungen, von Beweisschwierigkeiten ganz abgesehen, meist im Unverbindlichen bleiben. Auch wenn sich die angeblichen Gespräche durch die beantragte Zeugeneinvernahme des Referenten nachweisen liessen, könnten sie nicht als Unterbrechungshandlungen anerkannt werden. Während das Gesetz sonst nur bestimmte konkrete Handlungen als solche
BGE 106 II 32 S. 36
genügen lässt (
Art. 135 und 138 OR
), würde die These des Klägers zur Berücksichtigung von Umständen führen, die dem Schuldner selbst bei gründlichem Aktenstudium nicht immer erkennbar wären. Das ist sowohl mit der gesetzlichen Regelung wie mit der Interessenlage unvereinbar, würde es den Gläubiger doch wenig Mühe kosten, durch eine förmliche Eingabe eindeutige Verhältnisse zu schaffen.
Demnach hat der Kläger die einjährige Verjährungsfrist letztmals durch die Mitteilung seines Anwalts vom 19. Mai 1978 unterbrochen, und die Verjährung war längst eingetreten, als am 5. Oktober 1979 das angefochtene Urteil erging. Daran ändert nichts, dass die Aequator AG die Verjährung schon am 2. Mai 1979, also gut zwei Wochen zu früh, geltend machte (SPIRO, a.a.O., S. 557). Zu Recht bringt der Kläger auch nicht vor, dass dieses Schreiben die Verjährung erneut unterbrochen habe. Grundsätzlich unterbrechen zwar auch Prozesshandlungen des Schuldners die Verjährung, soweit sie, wie z.B. seine Klageantwort oder Duplik, den Prozess weiterzutreiben geeignet sind (vgl. SPIRO, a.a.O., S. 342), doch kann das unmöglich auch für eine Zuschrift gelten, mit der er - wenn auch verfrüht - die Verjährungseinrede erhebt.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich (I. Zivilkammer) vom 5. Oktober 1979 aufgehoben und die Klage abgewiesen. | public_law | nan | de | 1,980 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
19b1e49e-3b5b-4b99-bb9b-9a57c9aa8220 | Urteilskopf
122 V 351
53. Urteil vom 12. September 1996 i.S. Z. gegen Schweizerische Unfallversicherungsanstalt und Kantonales Versicherungsgericht des Wallis | Regeste
Art. 36 Abs. 2, 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 und 110 UVG,
Art. 33 Abs. 2 UVV
,
Art. 128 und 97 Abs. 1 OG
,
Art. 5 Abs. 1 VwVG
: Erstmalige Anfechtung einzelner Komponenten einer Leistungskürzung im Verwaltungsgerichtsbeschwerdeverfahren. Obschon im Einsprache- und im kantonalen Beschwerdeverfahren ausschliesslich der Kürzungsmodus beanstandet wurde, ist die Frage nach der grundsätzlichen Zulässigkeit einer Kürzung nach
Art. 36 Abs. 2 UVG
und ihres allfälligen Ausmasses einer Überprüfung durch das Eidg. Versicherungsgericht im Verwaltungsgerichtsbeschwerdeverfahren zugänglich.
Art. 20 Abs. 2 und 3,
Art. 36 Abs. 2 UVG
,
Art. 33 Abs. 2 UVV
: Gesetzes- und Verfassungskonformität von
Art. 33 Abs. 2 UVV
.
Art. 33 Abs. 2 UVV
ist gesetzes- und verfassungskonform. | Sachverhalt
ab Seite 352
BGE 122 V 351 S. 352
A.-
Der 1938 geborene Z. war seit dem 14. Dezember 1989 als Elektrobus-Chauffeur in der Gemeinde X angestellt und damit bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) obligatorisch versichert. Am 3. März 1990 glitt er auf einer schneebedeckten Eisfläche in Y aus und zog sich dabei im wesentlichen Kontusionen der Hals- und der Lendenwirbelsäule sowie eine Gehirnerschütterung zu. Als Folge verblieben Rückenbeschwerden mit ins linke Bein ausstrahlenden Parästhesien.
Die SUVA anerkannte ihre Leistungspflicht für den Unfall vom 3. März 1990, kam für die Heilungskosten auf und richtete Taggelder aus. Mit Verfügung vom 28. Juli 1992 sprach sie dem Versicherten nebst einer 15%igen Integritätsentschädigung rückwirkend ab 1. Oktober 1991 eine Invalidenrente aufgrund einer 75%igen Erwerbsunfähigkeit zu. Letztere gelangte im Hinblick darauf, dass der Anspruchsberechtigte auch Bezüger einer Rente der Invalidenversicherung ist, als Komplementärrente zur Ausrichtung, welche wegen eines krankhaften Vorzustandes um 50% auf monatlich Fr. 825.-- gekürzt wurde. Als sich Z. gegen die vorgenommene
BGE 122 V 351 S. 353
Kürzungsweise zur Wehr setzte, bestätigte die Anstalt ihre Verfügung mit Einspracheentscheid vom 18. Januar 1993.
B.-
Eine wiederum gegen die Art der erfolgten Rentenkürzung gerichtete Beschwerde wies das Kantonale Versicherungsgericht des Wallis mit Entscheid vom 30. November 1994 ab.
C.-
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt Z. die vorinstanzlich bestätigte Rentenfestsetzung durch die SUVA erneut beanstanden und die Ausrichtung der maximal möglichen Komplementärrente von Fr. 1'649.50 pro Monat beantragen. Neu stellt er sich auf den Standpunkt, dass eine Rentenkürzung grundsätzlich schon deshalb nicht zulässig sei, weil der vor dem versicherten Unfallereignis vorhanden gewesene Gesundheitsschaden nie eine Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit bewirkt habe; allenfalls müsste auch das angewandte Kürzungsmass als unangemessen bezeichnet werden.
Die SUVA schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Das Bundesamt für Sozialversicherung hat sich nicht vernehmen lassen.
Erwägungen
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Streitig und zu prüfen ist einzig der dem Beschwerdeführer gegenüber der SUVA zustehende Rentenanspruch. Die mit Verfügung vom 28. Juli 1992 erfolgte Gewährung einer 15%igen Integritätsentschädigung wurde demgegenüber nie beanstandet und ist somit unangefochten in Rechtskraft erwachsen (vgl.
BGE 119 V 349
ff. Erw. 1).
2.
a) Wird der Versicherte infolge des Unfalles invalid, hat er laut
Art. 18 Abs. 1 UVG
Anspruch auf eine Invalidenrente. Bei Vollinvalidität beträgt die Invalidenrente gemäss Art. 20 Abs. 1 UVG 80% des versicherten Verdienstes; bei Teilinvalidität wird sie entsprechend gekürzt.
Art. 20 Abs. 2 UVG
sieht vor, dass dem Versicherten, der Anspruch auf eine Rente der Invaliden- oder der Alters- und Hinterlassenenversicherung hat, eine Komplementärrente gewährt wird; diese entspricht der Differenz zwischen 90% des versicherten Verdienstes und der Rente der Invaliden- oder der Alters- und Hinterlassenenversicherung, höchstens aber dem für Voll- oder Teilinvalidität vorgesehenen Betrag.
Art. 20 Abs. 3 UVG
räumt dem Bundesrat die Befugnis zum Erlass näherer Vorschriften, namentlich über die Berechnung der Komplementärrenten in Sonderfällen, ein.
BGE 122 V 351 S. 354
b) Nach
Art. 36 Abs. 2 UVG
werden die Invalidenrenten, Integritätsentschädigungen und die Hinterlassenenrenten angemessen gekürzt, wenn die Gesundheitsschädigung nur teilweise die Folge eines Unfalles ist (Satz 1); Gesundheitsschädigungen vor dem Unfall, die zu keiner Verminderung der Erwerbsfähigkeit geführt haben, werden dabei nicht berücksichtigt (Satz 2). Das Mass der Kürzung richtet sich beim Vorliegen unfallfremder Ursachen laut
Art. 47 UVV
nach deren Bedeutung für die Gesundheitsschädigung, wobei den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Berechtigten ebenfalls Rechnung getragen werden kann.
c) In den
Art. 31 ff. UVV
hat der Bundesrat gestützt auf
Art. 20 Abs. 3 UVG
nähere Vorschriften über die Berechnung der Komplementärrenten erlassen. Nach
Art. 33 Abs. 2 UVV
werden die Kürzungen nach den Art. 36 bis 39 des Gesetzes bei den Komplementärrenten vorgenommen (Satz 1); die Teuerungszulagen werden auf der gekürzten Komplementärrente berechnet (Satz 2).
3.
a) Die SUVA ging bei der Ermittlung des dem Beschwerdeführer zustehenden Rentenanspruches von einem 75%igen Invaliditätsgrad und einem versicherten Verdienst von Fr. 51'500.-- aus. Der nach
Art. 20 Abs. 2 UVG
mit 90% des versicherten Verdienstes maximal zulässige Rentenanspruch gegenüber der Invaliden- und der Unfallversicherung zusammen belief sich somit auf jährlich Fr. 46'350.-- oder monatlich Fr. 3'862.50. Unter Berücksichtigung der monatlichen Rente der Invalidenversicherung von Fr. 2'213.-- ergab sich für die Komplementärrente der Unfallversicherung demnach eine Limitierung auf maximal Fr. 1'649.50, also einen Betrag, der unter der bei einem versicherten Verdienst von Fr. 51'500.-- und einem Invaliditätsgrad von 75% allein nach Massgabe von
Art. 20 Abs. 1 UVG
berechneten Grundrente von monatlich Fr. 2'575.-- ([51'500.--:12 = 4'291.66] x 0,8 x 0,75) liegt. Die maximal in Betracht fallende Komplementärrente von Fr. 1'649.50 kürzte die SUVA im Hinblick auf den vorbestandenen Gesundheitsschaden des Versicherten um 50%, was zu einem monatlichen Rentenanspruch von Fr. 825.-- führte.
b) Der Beschwerdeführer wandte dagegen im vorinstanzlichen Verfahren ein, zunächst sei die rein unfallbedingte Erwerbsunfähigkeit zu ermitteln, welche bei einer Gesamtinvalidität von 75% und einer zu 50% auf unfallfremde Gründe zurückzuführenden Gesundheitsschädigung noch 37,5% ausmache. Die auf dieser Grundlage berechnete Invalidenrente der Unfallversicherung betrage bei einem versicherten Jahresverdienst von Fr. 51'500.-- monatlich
BGE 122 V 351 S. 355
Fr. 1'287.50 ([Fr. 51'500.--:12 = 4'291.50] x 0,8 x 0,375). Da damit die höchstmögliche Komplementärrente von Fr. 1'649.50 nicht erreicht werde, müsse dieser Betrag vollumfänglich zur Ausrichtung gelangen.
c) Im vorliegenden Verfahren schliesslich bringt der Beschwerdeführer neu vor, da die schon vor dem Unfall vom 3. März 1990 vorhanden gewesene Gesundheitsschädigung allein nie zu einer Verminderung der Erwerbsfähigkeit geführt habe, sei eine Kürzung der Rente der Unfallversicherung gestützt auf
Art. 36 Abs. 2 UVG
zum vornherein nicht zulässig; deshalb habe er Anspruch auf die maximal mögliche Komplementärrente, also auf Fr. 1'649.50 monatlich. Offenbar für den Fall, dass dieser Argumentation nicht gefolgt werden sollte, wiederholt der Beschwerdeführer seinen im vorinstanzlichen Verfahren vertretenen Standpunkt, wonach eine allfällige Kürzung nicht bei der Komplementärrente, sondern bereits bei der nach Massgabe von
Art. 20 Abs. 1 UVG
berechneten Grundrente zu erfolgen habe, indem zunächst die rein unfallbedingte Invalidität festgestellt werde; da die sich so ergebende Rente von Fr. 1'287.50 zusammen mit der Rente der Invalidenversicherung von Fr. 2'213.-- 90% des versicherten Verdienstes nicht übersteige, stehe ihm diese ohne jegliche Kürzung zu. Die Kürzungsweise der SUVA resp. die Anwendung von
Art. 33 Abs. 2 UVV
auf den
Art. 36 Abs. 2 UVG
erachtet er demgegenüber als nicht gesetzeskonform. Überdies macht er geltend, sofern die Zulässigkeit einer Kürzung bejaht werde, sei deren Ausmass zumindest nicht auf 50% zu veranschlagen, sondern im Sinne von
Art. 36 Abs. 2 UVG
angemessen zu reduzieren, was ebenfalls zur Gewährung der maximalen Komplementärrente von monatlich Fr. 1'649.50 führen müsste.
4.
a) In der dem kantonalen Gericht eingereichten Beschwerde wurde wie zuvor schon im Einspracheverfahren einzig der von der SUVA angewandte Kürzungsmodus beanstandet und damit die Regelung in
Art. 33 Abs. 2 UVV
, wonach beim Zusammentreffen von Renten der Invaliden- oder der Alters- und Hinterlassenenversicherung einerseits und der Unfallversicherung anderseits eine Leistungskürzung nach
Art. 36 Abs. 2 UVG
wegen eines vorbestandenen unfallfremden Gesundheitsschadens nicht bei der Grundrente, sondern bei der Komplementärrente vorzunehmen ist, als nicht gesetzeskonform bezeichnet. Ausdrücklich anerkannte der Beschwerdeführer im vorinstanzlichen Verfahren hingegen die grundsätzliche Zulässigkeit einer Kürzung wegen eines mitbeteiligten unfallfremden Gesundheitsschadens, den Kürzungssatz von
BGE 122 V 351 S. 356
50%, die Gesamtinvalidität von 75% sowie den versicherten Verdienst von Fr. 51'500.--. Ebenfalls unbestritten blieb die Höhe der von der Invalidenversicherung gewährten Rente von monatlich Fr. 2'213.--. Erst in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden die Zulässigkeit einer Kürzung an sich wie auch deren allfälliges Ausmass zusätzlich in Frage gestellt.
b) Unter diesen Umständen ist zunächst zu prüfen, ob die neu erhobenen Einwände des Beschwerdeführers überhaupt noch zulässig sind oder ob diese entsprechend dem in der Vernehmlassung der SUVA vertretenen Standpunkt einer Überprüfung durch das Eidg. Versicherungsgericht entzogen sind, nachdem die grundsätzliche Zulässigkeit einer Kürzung wie auch deren Ausmass weder im Einsprache- noch im kantonalen Beschwerdeverfahren beanstandet wurden und sich deshalb weder SUVA noch Vorinstanz diesbezüglich zu einer erneuten Überprüfung veranlasst sahen.
In
BGE 119 V 350
Erw. 1b hat das Eidg. Versicherungsgericht entschieden, dass eine Verfügung - soweit sie in der Einsprache unangefochten bleibt und nicht von Amtes wegen überprüft wird - in Teilrechtskraft erwächst. Jenem Entscheid lag indessen insofern ein anderer Sachverhalt als im vorliegenden Verfahren zugrunde, als die dort Anfechtungsgegenstand bildende Verfügung zwei verschiedene Rechtsverhältnisse, nämlich den Anspruch auf eine Invalidenrente einerseits und denjenigen auf eine Integritätsentschädigung anderseits, betraf (vgl. auch Erw. 1). Bezüglich der Integritätsentschädigung war jene Verfügung zufolge Nichtanfechtung im Einspracheverfahren in Rechtskraft erwachsen und dementsprechend im anschliessenden erstinstanzlichen Beschwerdeverfahren nicht mehr zu überprüfen. Im vorliegend zur Diskussion stehenden Fall bildete demgegenüber auf allen Stufen - einsprache- und beschwerdeweise - die Rentenkürzung wegen eines unfallfremden Vorzustandes Streitgegenstand. Solange aber über den Streitgegenstand und damit die Rentenkürzung an sich noch nicht rechtskräftig entschieden worden ist, verbietet sich die Annahme, Einzelkomponenten der streitigen Rentenkürzung wie etwa der Kürzungsmodus oder das Kürzungsmass seien bereits rechtskräftig erledigt worden (vgl.
BGE 110 V 52
Erw. 3d, nicht veröffentlichtes Urteil M. vom 15. Mai 1995). Entgegen der Ansicht der SUVA ist deshalb auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde auch insoweit einzutreten, als der Beschwerdeführer neu die grundsätzliche Zulässigkeit einer Rentenkürzung und deren allfälliges Ausmass in Frage stellt.
BGE 122 V 351 S. 357
c) Aus den vorhandenen Akten ergeben sich zwar einzelne Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer schon vor dem versicherten Unfallereignis vom 3. März 1990 eine Rente der Invalidenversicherung bezogen oder zumindest beantragt hat. Es lässt sich jedoch nicht mit Bestimmtheit feststellen, ob überhaupt und gegebenenfalls ab wann die Invalidenversicherung eine rentenrelevante Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit anerkannt hat. Zudem vermitteln die Unterlagen der SUVA auch keinerlei Aufschlüsse darüber, welche Leiden für eine allfällige Berentung durch die Invalidenversicherung ausschlaggebend gewesen wären. Aufgrund der Krankengeschichte könnten dafür nämlich nicht nur Rückenbeschwerden, sondern auch die Folgen eines 1989 erlittenen Myocardinfarkts und eine depressive Entwicklung in Frage kommen. Anderseits dürfte aber auch feststehen, dass der Beschwerdeführer zumindest in den letzten Monaten vor dem am 3. März 1990 erlittenen Unfall seiner Tätigkeit als Elektrobus-Chauffeur in der Gemeinde X uneingeschränkt nachgehen konnte. Für die Beantwortung der Frage nach der Zulässigkeit einer Rentenkürzung im Sinne von
Art. 36 Abs. 2 UVG
sind diesbezüglich präzise Informationen unerlässlich (vgl. dazu
BGE 121 V 326
). Im vorliegenden Verfahrensstadium erweist es sich indessen als ausgeschlossen, die Darstellung des Beschwerdeführers, wonach der unfallfremde Vorzustand, welcher die SUVA zur streitigen Rentenkürzung veranlasste, vor dem versicherten Unfallereignis nie zu einer Verminderung der Erwerbsfähigkeit geführt habe, zuverlässig zu beurteilen. Die Sache ist deshalb an die SUVA zurückzuweisen, damit diese bezüglich des von ihr geltend gemachten Vorzustandes nähere Abklärungen treffe. Aufgrund der dabei gewonnenen Erkenntnisse wird sie über eine allfällige Rentenkürzung neu verfügen, wobei sie gegebenenfalls auch über deren Ausmass neu befinden kann.
5.
Für den Fall, dass die noch erforderlichen zusätzlichen Abklärungen der SUVA die Zulässigkeit einer Rentenkürzung bestätigen sollten, bleibt im vorliegenden Verfahren noch die Frage zu prüfen, ob
Art. 33 Abs. 2 UVV
, soweit diese Bestimmung eine Leistungskürzung bei der Komplementärrente vorsieht, gesetz- und verfassungsmässig ist.
a) Zunächst ist dem kantonalen Gericht darin beizupflichten, dass der Wortlaut von
Art. 33 Abs. 2 Satz 1 UVV
nur so verstanden werden kann, dass die Kürzung wegen eines vorbestandenen Gesundheitsschadens bei der Komplementärrente und nicht bei der Grundrente zu erfolgen hat. Die Auffassung des Beschwerdeführers,
BGE 122 V 351 S. 358
wonach die Kürzung bereits bei der nach
Art. 20 Abs. 1 UVG
berechneten Grundrente vorzunehmen sei, indem diese nach Massgabe der rein unfallbedingten Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit ermittelt werden müsse, steht demgegenüber zum an sich klaren Wortlaut von
Art. 33 Abs. 2 Satz 1 UVV
in Widerspruch. Da keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Formulierung dieser Bestimmung nicht auch dem Willen des Verordnungsgebers und damit dem Rechtssinn entspricht, liesse sich eine davon abweichende Kürzungsweise nur rechtfertigen, wenn die fragliche Regelung mit übergeordnetem Bundesrecht nicht vereinbar wäre.
b) Das Eidg. Versicherungsgericht hat sich im Rahmen der ihm insofern zustehenden Überprüfungsbefugnis (vgl. dazu
BGE 122 V 93
Erw. 5a/bb mit Hinweisen) bereits mehrfach auch zur Rechtmässigkeit der gestützt auf
Art. 20 Abs. 3 UVG
ergangenen Verordnungsbestimmungen geäussert (vgl.
BGE 122 V 338
und 343,
BGE 121 V 137
,
BGE 115 V 266
, 275 und 285,
BGE 112 V 39
). Infolge der verfassungsrechtlichen Beschränkung seiner eigenen Überprüfungsbefugnis (
Art. 113 Abs. 3 und
Art. 114bis Abs. 3 BV
) hat es dabei indessen zur Frage, ob die gesetzliche Delegation den aus rechtsstaatlichen Gründen an eine Delegationsnorm zu stellenden Anforderungen zu genügen vermag, ebensowenig wie zur Angemessenheit des mit der Einführung der Komplementärrenten vorgenommenen Systemwechsels (vgl. dazu
BGE 115 V 270
f. Erw. 2a mit Hinweisen) Stellung bezogen. Angesichts der Tatsache, dass die Delegation in
Art. 20 Abs. 3 UVG
keine Richtlinien über die Art und Weise enthält, wie von der Ermächtigung Gebrauch zu machen ist, ist das Eidg. Versicherungsgericht jeweils von einem dem Bundesrat zustehenden sehr weiten Spielraum des Ermessens ausgegangen und hat insbesondere die von diesem getroffene Auswahl und Umschreibung der Sonderfälle, in welchen die Berechnung der Komplementärrenten in einer vom gesetzlichen Grundsatz abweichenden Weise erfolgen soll, nur unter dem Gesichtspunkt der Willkür geprüft. Unter Hinweis auf die bundesrätliche Freiheit, in der Verordnung auch Fälle zu berücksichtigen oder aber unbeachtet zu lassen, in welchen man mit vertretbaren Gründen geteilter Meinung sein kann, hat es dementsprechend regelmässig davon abgesehen, Zweckmässigkeits- oder Reformüberlegungen anzustellen. Obschon es zum Schluss gelangte, dass die geltende Regelung bezüglich der Festsetzung und Anpassung von Komplementärrenten nicht in allen Teilen zu befriedigen vermag, hat es ein richterliches Eingreifen wiederholt mit der Begründung abgelehnt, es sei Sache des Gesetz- resp.
BGE 122 V 351 S. 359
des Verordnungsgebers, allfällige Mängel zu beseitigen, soweit dies als erforderlich erscheine (vgl.
BGE 122 V 342
f. Erw. 5,
BGE 121 V 146
ff. Erw. 5b und c,
BGE 119 V 493
Erw. 4b in fine,
BGE 115 V 272
ff. Erw. 2b/bb und b/cc, 282 ff. Erw. 3b/bb und b/cc, je mit Hinweisen). Diese Zurückhaltung ist auch im Rahmen der Prüfung der die Gesetzmässigkeit von
Art. 33 Abs. 2 Satz 1 UVV
in Frage stellenden Argumentation des Beschwerdeführers geboten.
c) Hinzuweisen ist zunächst auf
BGE 119 V 484
, wo sich das Eidg. Versicherungsgericht bereits mit Satz 2 von
Art. 33 Abs. 2 UVV
, gemäss welchem die Teuerungszulagen auf der gekürzten Komplementärrente berechnet werden, befasst hat. Dort hat sich das Gericht mit der Frage nach der grundsätzlichen Zulässigkeit einer Kürzung der Komplementärrente im Sinne von
Art. 33 Abs. 2 Satz 1 UVV
zwar nicht näher auseinandergesetzt, ging aber doch stillschweigend davon aus, dass gegen die entsprechende Regelung nichts einzuwenden sei (
BGE 119 V 491
Erw. 3c). Im Ergebnis vermögen die Vorbringen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde daran nichts zu ändern.
aa) Richtig ist zwar der Einwand des Beschwerdeführers, dass Bezüger von Komplementärrenten, die wegen eines vorbestandenen unfallfremden Gesundheitsschadens eine Kürzung in Kauf zu nehmen haben, zum vornherein nie Rentenbetreffnisse erhalten können, welche die in
Art. 20 Abs. 2 UVG
gesetzlich als Höchstleistung vorgesehenen 90% des versicherten Verdienstes ausmachen, wenn die Kürzung erst bei der Komplementärrente vorzunehmen ist. Auch wenn dies auf den ersten Blick allenfalls als unbefriedigend erscheinen mag, lässt sich die fragliche Verordnungsbestimmung allein deshalb noch nicht als bundesrechtswidrig qualifizieren. Dass damit eine nicht zu rechtfertigende Schlechterstellung von Versicherten, deren Gesundheitsschaden nicht ausschliesslich auf ein Unfallereignis zurückzuführen ist, gegenüber rein unfallgeschädigten Versicherten resultieren würde, kann schon deshalb nicht gesagt werden, weil anderseits auch kaum verständlich wäre, weshalb trotz einer mitbeteiligten unfallfremden Ursache gleich hohe Leistungen wie im Falle einer ausschliesslichen Unfallschädigung sollten gewährt werden können. Die vom Verordnungsgeber getroffene Lösung erweist sich demnach nicht als derart stossend, dass sie als geradezu unhaltbar bezeichnet werden müsste. Auch schliesst diese Regelung entgegen dem in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde erweckten Anschein nicht etwa generell aus, dass der Bezüger einer Rente der Invaliden- oder der Alters- und Hinterlassenenversicherung,
BGE 122 V 351 S. 360
dem gleichzeitig eine Komplementärrente der Unfallversicherung zusteht, insgesamt Rentenzahlungen in Höhe der in
Art. 20 Abs. 2 UVG
vorgesehenen 90% des versicherten Verdienstes erreicht. Mit seiner Forderung nach einer bereits im Rahmen der Bestimmung der Grundrente vorzunehmenden Aufteilung in eine unfallbedingte und eine unfallfremde Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit verkennt der Beschwerdeführer, dass Rentenkürzungen nach
Art. 36 Abs. 2 UVG
zum vornherein nicht in Betracht fallen, wenn der Versicherte ausser invalidisierenden Unfallfolgen noch eine oder mehrere andere, nicht unfallbedingte Gesundheitsschädigungen aufweist. In solchen Fällen ist - wie die SUVA in ihrer Vernehmlassung richtig festhält - vorweg der allein auf das Unfallereignis zurückzuführende Invaliditätsgrad zu ermitteln. Der auf dieser Basis errechnete Rentenanspruch gegenüber der obligatorischen Unfallversicherung wird grundsätzlich ungekürzt ausgerichtet, solange er zusammen mit einem allfälligen Rentenanspruch gegenüber der Invaliden- oder der Alters- und Hinterlassenenversicherung 90% des versicherten Verdienstes nicht übersteigt. Die Kürzungsregelung von
Art. 36 Abs. 2 UVG
gelangt demgegenüber zur Anwendung, wenn - wie im Falle des Beschwerdeführers - neben Unfallfolgen auch noch unfallfremde Ursachen ein und denselben Gesundheitsschaden bewirkt haben (
BGE 121 V 333
Erw. 3c,
BGE 113 V 58
Erw. 2 mit Hinweisen). Die Bestimmung von
Art. 33 Abs. 2 Satz 1 UVV
, aufgrund welcher in solchen Fällen die gegenüber den verschiedenen Versicherungsträgern zustehenden Rentenleistungen zusammen tatsächlich nie 90% des versicherten Verdienstes ausmachen können, kann neben
Art. 20 Abs. 2 UVG
durchaus Bestand haben, nachdem sich dessen Gehalt in zahlreichen anders gelagerten Fällen ohne weiteres auszuwirken vermag.
bb) Wie schon im kantonalen Verfahren stellt der Beschwerdeführer die Gesetzmässigkeit von
Art. 33 Abs. 2 UVV
auch insoweit in Frage, als diese Bestimmung sowohl bei Leistungskürzungen nach
Art. 36 UVG
wie auch nach den Art. 37 bis 39 UVG eine Kürzung der Komplementärrente vorsieht; damit richte sich die Leistungskürzung wegen eines vorbestandenen Gesundheitsschadens nicht nach Massgabe der unfallbedingten Invalidität, sondern weise den Charakter einer Sanktion auf. Dieser Betrachtungsweise kann nicht beigepflichtet werden. Weder ist ersichtlich noch wird in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit plausiblen Gründen dargetan, inwiefern die Gleichbehandlung von Leistungskürzungen wegen vorbestandener Gesundheitsschädigungen einerseits und wegen
BGE 122 V 351 S. 361
absichtlicher oder zumindest grobfahrlässiger Unfallverursachung resp. ausserordentlichen Gefahren und Wagnissen anderseits zu bundesrechtswidrigen Ergebnissen führen sollte. Die unterschiedliche Ursache gebotener Leistungskürzungen steht der Anwendbarkeit identischer Kürzungsmechanismen in keiner Weise entgegen. Gerade das Fehlen schematischer Begrenzungen des zulässigen Kürzungsmasses - wie sie in
Art. 37 Abs. 2 und 3 UVG
vorgesehen werden - zeigt im übrigen, dass sich Kürzungen nach
Art. 36 UVG
- entgegen der Darstellung in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde - nach der Bedeutung der unfallfremden Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit richten. Weshalb die Kürzung bei einer nur minimen unfallbedingten Einwirkung auf einen Gesundheitsschaden nicht auch höher als im Falle einer selbstverschuldeten Unfallverursachung sollte ausfallen dürfen, ist nicht einzusehen.
cc) Nichts zu seinen Gunsten abzuleiten vermag der Beschwerdeführer schliesslich aus der hinsichtlich der Integritätsentschädigung massgebenden Kürzungsweise.
d) Die Vorbringen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde lassen
Art. 33 Abs. 2 UVV
somit auch insofern nicht als bundesrechtswidrig erscheinen, als darin vorgesehen wird, dass die Kürzung wegen vorbestandener Gesundheitsschäden beim Zusammentreffen von Rentenleistungen der Invaliden- oder der Alters- und Hinterlassenenversicherung einerseits und der obligatorischen Unfallversicherung anderseits bei der nach UVG geschuldeten Komplementärrente vorzunehmen ist. Auch sonst liegen keine Anhaltspunkte vor, aufgrund derer sich diese Regelung als willkürlich bezeichnen liesse oder gesagt werden könnte, der Verordnungsgeber habe sachlich nicht zu rechtfertigende Unterscheidungen getroffen. Es muss demnach - unter Mitberücksichtigung von
BGE 119 V 484
- mit der Feststellung sein Bewenden haben, dass sich
Art. 33 Abs. 2 UVV
in jeder Hinsicht als gesetzes- und verfassungskonform erweist.
6.
(Parteientschädigung) | null | nan | de | 1,996 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
19b2b285-ed85-46c5-b573-e04fd9b30a8a | Urteilskopf
109 II 40
11. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour civile du 10 janvier 1983 dans la cause B. et Cie contre Caisse de pension A. (recours en réforme) | Regeste
Art. 368 OR
, Werkmängel.
Verlangt der Besteller die Verbesserung des Werkes, leistet sie der Unternehmer indes nur mangelhaft, so hat der Besteller erneut die Wahl nach
Art. 368 OR
; er kann folglich immer noch die Wandelungsklage gemäss
Art. 368 Abs. 1 OR
anstrengen. | Sachverhalt
ab Seite 41
BGE 109 II 40 S. 41
A.-
La Caisse de pension A. a décidé d'aménager un parc à voitures automobiles dans un bâtiment administratif et commercial en construction. Elle a confié en 1972/1973 à la société en nom collectif B. et Cie la confection et la pose d'un "dispositif de gestion automatique du parking". Dès qu'il fut installé, de 1974 à 1976, ce dispositif, affecté d'incessantes pannes, ne donna pas satisfaction.
B.-
Le 29 avril 1977, la Caisse de pension a ouvert action contre B. et Cie en restitution du prix qu'elle avait payé et en dommages-intérêts, soit en paiement d'une somme ramenée en cours d'instance à 764'202 fr. 50.
Par jugement du 26 mars 1982, la Cour civile du Tribunal cantonal vaudois a condamné la défenderesse à payer à la demanderesse la somme de 764'202 fr. 50 avec intérêt à 5% dès le 24 février 1977.
C.-
La défenderesse recourt en réforme au Tribunal fédéral en concluant principalement au rejet de la demande, subsidiairement à son admission à concurrence de 50'000 francs au plus, avec intérêt à 5% dès le 24 février 1977.
Le Tribunal fédéral rejette le recours et confirme le jugement attaqué.
Erwägungen
Extrait des considérants:
6.
La défenderesse soutient que le maître de l'ouvrage choisissant entre l'action en réfection, l'action rédhibitoire et l'action quanti minoris (
art. 368 al. 2 CO
) exerce un droit formateur qui le prive de la faculté d'intenter l'une des deux autres actions prévues par la loi; ayant choisi la réfection, la demanderesse serait déchue du droit d'intenter l'action rédhibitoire; la cour cantonale aurait donc dû rejeter cette action.
a) Le maître de l'ouvrage est en principe libre d'exiger soit la réfection de l'ouvrage, soit l'annulation du contrat ou la réduction du prix; ce choix lui appartient même s'il entend réparer lui-même ou faire réparer l'ouvrage par un tiers (
ATF 107 II 439
). Le maître est lié par son choix, qui procède de l'exercice d'un droit
BGE 109 II 40 S. 42
formateur. S'il demande la réfection de l'ouvrage et obtient satisfaction, il ne saurait exercer l'action rédhibitoire ou minutoire.
S'il demande la réfection de l'ouvrage mais que l'entrepreneur répare de manière défectueuse, le maître de l'ouvrage se trouve dans une situation équivalente à celle qui était la sienne lorsque l'entrepreneur a violé son obligation une première fois en livrant un ouvrage entaché de défauts. Il n'y a pas de raison pour que le maître victime d'une nouvelle livraison défectueuse se trouve dans une situation juridique plus défavorable que celle qui était la sienne après la première livraison, et qu'il doive pâtir de la faculté qu'il a accordée à l'entrepreneur de s'exécuter tardivement. Aussi est-il généralement admis que le maître dispose alors à nouveau du choix réservé par l'
art. 368 CO
(PEDRAZZINI, Schweizerisches Privatrecht VII 1 p. 520; GAUTSCHI, n. 4e et 20b ad art. 368; GAUCH, Der Unternehmer im Werkvertrag, 2e éd., p. 142 ss, n. 546 ss).
Cette solution correspond à celle qui est reconnue dans le cadre de la règle générale de l'
art. 107 CO
et selon laquelle le créancier peut exercer le droit d'option prévu par cette disposition même après avoir imparti plus d'un délai au débiteur pour s'exécuter (
ATF 86 II 235
,
ATF 76 II 304
consid. 1 et les arrêts cités). Si le maître peut, au besoin, faire exécuter par un tiers l'obligation de réparer et en demander le coût à l'entrepreneur (
ATF 107 II 55
,
ATF 96 II 353
), il a également la faculté d'exercer en lieu et place une action rédhibitoire ou minutoire. La présente espèce démontre du reste l'intérêt légitime que le maître de l'ouvrage peut avoir à demander après coup la résolution du contrat lorsqu'il se révèle que les défauts sont beaucoup plus sérieux qu'il ne le pensait en demandant d'abord la réparation; il se justifie d'autant moins de le priver de ce droit que l'action en réfection ne peut être exercée que si "la réfection est possible sans dépenses excessives", alors que le caractère excessif de ces dépenses peut n'apparaître qu'après coup, lors de la découverte de l'importance des défauts.
Il n'est pas contestable que la défenderesse s'est montrée incapable de réparer l'ouvrage litigieux dans un délai raisonnable, les réparations faites n'ayant pas mis un terme aux défauts de structure de l'ouvrage livré. La demanderesse pouvait donc exercer alors l'action rédhibitoire en application de l'
art. 368 al. 1 CO
.
b) Contrairement à ce qu'affirme la recourante, la cour cantonale a considéré à juste titre qu'en déclarant refuser totalement l'ouvrage litigieux et en demandant le remboursement du prix payé, avec des dommages-intérêts, tant avant que pendant
BGE 109 II 40 S. 43
le procès, la demanderesse a clairement exprimé sa volonté d'exercer l'action rédhibitoire. | public_law | nan | fr | 1,983 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
19b5d52e-8659-4f5d-ba8d-3ad6dac1b046 | Urteilskopf
100 II 167
26. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 28. Mai 1974 i.S. Späti Laden-und Kioskbau AG gegen Stierli. | Regeste
Urheberrecht an Werken der Baukunst.
1. Klagerecht einer juristischen Person aus Urheberrecht (Erw. 3).
2. Voraussetzung des urheberrechtlichen Schutzes an Werken der Baukunst (Erw. 6).
3. Das Gesetz gewährt auch dem Innenarchitekten urheberrechtlichen Schutz schon dann, wenn er eine originelle Leistung erbringt, die keinen ausgeprägten Charakter aufzuweisen braucht (Erw. 7).
4. Schutzfähigkeit des vom Innenarchitekten entworfenen Projektes im kronkreten Fall bejaht (Erw. 8). | Sachverhalt
ab Seite 168
BGE 100 II 167 S. 168
A.-
Die Späti Laden- und Kioskbau AG, Tägerwilen, ist ein auf Laden- und Kioskbau spezialisiertes Unternehmen.
Stierli betreibt in Baar eine Konditorei und Bäckerei. Am 3. März 1969 erteilte er der Späti... AG einen schriftlichen "Projektierungsauftrag" bezüglich Umbau und Fassadengestaltung seines Ladens. Diese arbeitete ein Projekt mit Baubeschrieb vom 1. Mai 1969 aus. Stierli sandte später die Pläne der Späti... AG zurück, bezahlte den im Vertrag für diesen Fall genannten Spesenenteil von Fr. 900.-- und liess angeblich nichts mehr von sich hören.
B.-
Im Herbst 1970 will die Späti... AG festgestellt haben, dass der Laden durch eine andere Firma sklavisch nach ihren Plänen umgebaut worden sei, was Stierli bestritt. Die Offerte der Späti... AG belief sich auf Fr. 52 340.--, jene der Firma Buob, die den Laden umbaute und die Fassade neu gestaltete, auf Fr. 25 890.--.
Die Späti... AG forderte von Stierli Fr. 4334.--, zuzüglich Zins ab 1. Juni 1971, d.h. 10% der Offertsumme, abzüglich die bereits bezahlten Fr. 900.-- Spesenanteil. Sie klagte diesen Betrag nach erfolgloser Betreibung ein.
C.-
Das Obergericht des Kantons Thurgau, das als einzige kantonale Instanz zuständig war, verneinte nach Einholung eines Gutachens das Vorliegen eines urheberrechtlich schützbaren Werkes und wies am 6. Dezember 1973 die Klage ab.
D.-
Die Klägerin hat die Berufung erklärt. Sie beantragt, das vorinstanzliche Urteil aufzuheben und den Beklagten zur Zahlung des vom Experten im kantonalen Verfahren errechneten Schadens von Fr. 2832.-- nebst Zins zu 5% seit 1. Juni 1971 zu verpflichten.
Der Beklagte beantragt, Berufung und Klage abzuweisen.
BGE 100 II 167 S. 169
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Da es sich um einen Prozess aus Urheberrecht handelt, ist die Berufung nach
Art. 45 Abs. 1 OG
unabhängig vom Streitwert zulässig.
2.
Der Beklagte haftet grundsätzlich nach
Art. 14 und 22 URG
in Verbindung mit
Art. 44 URG
und 41 f. OR, wenn die von der Klägerin entworfenen Pläne für den Ladenumbau des Beklagten urheberrechtlich geschützt sind und wenn sie die Firma Buob in der Ausführung des Projektes mit Wissen des Beklagten wiedergegeben hat.
3.
Die Aktivlegitimation der Klägerin ist nicht bestritten. Sie ist aber als materiellrechtliche Voraussetzung des eingeklagten Anspruches mit der Vorinstanz von Amtes wegen zu prüfen (
BGE 97 II 100
mit Hinweisen,
BGE 96 II 123
E. 1).
Die Klägerin ist eine juristische Person. Die Pläne, welche die Firma Buob für den Ladenumbau des Beklagten angeblich verwendet hat, sind von den Angestellten der Klägerin im Jahre 1969 ausgearbeitet worden. Zu prüfen ist daher zunächst, ob allfällige Urheberrechte daran nur den betreffenden Angestellten zustehen oder ob sie auf die Klägerin übergegangen sind.
a) Das URG schützt grundsätzlich nur den Schöpfer des Werkes, also eine natürliche Person. Der Arbeitgeber hat nach
Art. 343 a OR
, der bis zur Revision des Gesetzes bis zum 1. Januar 1972 die Rechte an "Erfindungen des Dienstpflichtigen" (vgl. Randtitel) regelte, kein originäres Urheberrecht an den Werken der Literatur und Kunst seiner Arbeitnehmer (vgl.
BGE 74 II 113
ff.). Hingegen kann er die Rechte durch Abtretung erwerben (TROLLER, Immaterialgüterrecht II S. 815), was sich aus
Art. 9 URG
ergibt.
Die streitigen Pläne enthalten den Aufdruck, dass sie im "Eigentum" der Klägerin bleiben und weder Dritten zugänglich gemacht noch kopiert werden dürfen. Unter diesem Satz steht das Visum des Zeichners. Darin ist mit der Vorinstanz smngemäss eine Zession allfälliger Urheberrechte an die Klägerin zu verstehen.
b) Es fragt sich anderseits, ob allfällige Urheberrechte der Klägerin nur durch die Firma Buob verletzt werden konnten, indem sie den Laden des Beklagten angeblich nach den Plänen
BGE 100 II 167 S. 170
der Klägerin umbaute. Das ist zu verneinen. Die Vorinstanz stellt fest, dass das erwähnte Unternehmen nicht ohne Mitwirkung des Beklagten Einblick in die Pläne nehmen konnte. Es besteht daher im Falle einer Urheberrechtsverletzung solidarische Haftung zwischen dem Beklagten und der Firma Buob (
Art. 50 OR
).
4.
Der Beklagte ist der Meinung, das Bundesgericht dürfe nur prüfen, ob die Vorinstanz vom richtigen Begriff des urheberrechtlich schützbaren Werkes ausgegangen sei. Ob dagegen gemäss Beweisthema der Klägerin "eine Vielzahl ausgeprägt individueller, schöpferischer und nicht durch den Umbauzweck und die Gegebenheiten der Lokalität bedingter Ideen für den Ladenumbau" in den streitigen Plänen enthalten seien, betrachtet er als Tatfrage, die das Obergericht verbindlich verneint habe.
Diese Auffassung trifft nicht zu. Tatfrage ist die Feststellung, wie das Werk ausgeführt wurde und gegebenenfalls welche Unterschiede gegenüber einem anderen Werk oder gegenüber einem anderen Projekt bestehen (
BGE 56 II 418
). Vom Bundesgericht zu überprüfende Rechtsfrage ist dagegen nicht bloss, ob die Vorinstanz vom richtigen Werkbegriff ausgegangen ist, sondern ob sie im konkreten Fall das Vorliegen einer schöpferischen Leistung im Sinne des Gesetzes richtig gewürdigt hat.
5.
Die Vorinstanz führt aus, dass - ähnlich der Erfindungshöhe im Patentrecht - auch das Urheberrecht ein bestimmtes "Niveau geistiger und künstlerischer Leistung" sowie ästhetischer Gestaltung der Formen, Linien und Raumverteilung verlange. Betrachte man die Projekte der Klägerin sowie jene der Firma Buob, Rorschach, und Schweiger und Schweizer, Zug, so erfülle keines davon die gestellten Anforderungen.
Die Klägerin wirft dem Obergericht vor, es habe ihr Projekt jenem der beiden andern Konkurrenzfirmen gegenübergestellt, statt den ursprünglichen Zustand des Ladens mit dem urheberrechtlich geschützten Werk zu vergleichen. Diese Rüge verträgt sich mit dem Inhalt der angefochtenen Erwägung offensichtlich nicht. Abgesehen davon, beweist der Unterschied zwischen dem früheren und dem heutigen Stand an sich noch keine schöpferische Leistung. Eine solche muss unabhängig vom früheren Zustand, für sich allein, bestehen; denn sonst
BGE 100 II 167 S. 171
müsste jede Modernisierung eines Ladens urheberrechtlich geschützt werden.
6.
Die Klägerin rügt, die Vorinstanz habe ihr zu Unrecht eine urheberrechtlich schützbare Leistung abgesprochen und damit Bundesrecht verletzt.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes sind Werke der Baukunst unter dem Gesichtspunkt der Zweckmässigkeit und künstlerischen Gestaltung urheberrechtlich geschützt, wenn die ihnen zugrunde liegenden Pläne und deren Ausführung auf einer schöpferischen Idee beruhen (
BGE 56 II 418
;
BGE 57 I 69
,
BGE 58 II 298
/99).
Das Obergericht hält dafür, dass der urheberrechtliche Schutz für Werke der Innenarchitektur in untragbarer Weise erweitert werde, wenn man mit dem Bundesgericht auch das Kriterium der Zweckmässigkeit berücksichtige. KUMMER, Das urheberrechtlich schützbare Werk, S. 136, weise mit Recht darauf hin, dass nach Auffassung des Bundesgerichtes nur noch "unzweckmässige Grundrisse gebaut" werden dürften, da die zweckmässigen längst alle verwirklicht und monopolisiert wären.
Diese Kritik ist überspitzt. Wollte man sie befürworten, so müssten Werke der Innenarchitektur dem Schutze des Gesetzes weitgehend entzogen werden. Denkbar ist - und das räumt KUMMER selber ein (a.a.O. S. 136) - dass die Einteilung und Gestaltung eines Raumes innerhalb des Zweckmässigen unter Umständen genügend Platz für individuelles Schaffen offen lassen. Entgegen der Meinung der Vorinstanz kann daher Ladenumbauprojekten nicht generell mit dem Hinweis darauf die Originalität abgesprochen werden, dass sie sich heute sehr oft nur noch in vielen branchenüblichen Detailverbesserungen erschöpften.
7.
Die Vorinstanz erklärt, dass die auf dem Gebiete der Ladeneinrichtungen spezialisierten Firmen weitgehend normierte Bestandteile verwenden, so dass die zweckmässige und ansprechende Gestaltung eines Raumes zur Routine geworden sei. Man befinde sich hier auf dem Grenzgebiet zu den technischen Zeichnungen, die nur bei eigentlich schöpferischen Konstruktionsgedanken Urheberrechtschutz geniessen (so TROLLER, Technische Zeichnungen im Urheberrecht, in SJZ 60/1964, S. 369 ff.). Ladenausbauprojekte könnten daher heute die gesetzlich geforderte Originalität nur noch erreichen,
BGE 100 II 167 S. 172
wenn sie eine ästhetisch wirklich neuartige Lösung enthalten und die künstlerische Gestaltung des Raumes deutlich überwiegt, etwa bei Modegeschäften, Bijouterien usw. Bei Bäckerei- und Konditoreieinrichtungen werde diese Leistungshöhe selten erreicht.
Der Vorinstanz ist darin beizupflichten, dass die moderne Industrie für die Einrichtung von Bäckereien, Konditoreien und anderen Verkaufsgeschäften gleichartige, in den Massen oft übereinstimmende Bestandteile auf den Markt bringt. Das ist indessen kein Grund, die Anforderungen an den urheberrechtlichen Schutz von Werken der Innenarchitektur zu verschärfen. Der Architekt, der Pläne und Projekte für Ladeneinrichtungen entwirft, kann sich den Errungenschaften der modernen Fertigungstechnik nicht verschliessen. Er muss daher, um den Schutz des URG zu beanspruchen, nicht etwas absolut Neues ("création intégrale") schaffen, sondern er darf sich mit einer relativen und teilweisen Neuschöpfung begnügen. Diese kann darin bestehen, dass er Erkenntnisse seines Fachgebietes durch einen persönlichen Aufwand geistiger Tätigkeit auf ein konkretes Problem anwendet und eine Lösung findet, die sowohl praktischen Bedürfnissen als auch ästhetischen Anforderungen entspricht (vgl.
BGE 58 II 301
/02). Das URG verlangt auch vom Architekten nicht, dass er eine ausgeprägt originelle Leistung ("originalité marquée") erbringe, sondern lässt einen geringen Grad selbständiger Tätigkeit ("simple originalité") genügen (vgl.
BGE 58 II 302
,
BGE 59 II 405
,
BGE 77 II 380
,
BGE 88 IV 126
). Es versagt ihm den Schutz dann, wenn er durch Verbindung oder Abwandlung bekannter Formen und Linien bloss eine handwerkliche Leistung erbringt (
BGE 56 II 418
,
BGE 58 II 299
, vgl. auch TROLLER, Das Urheberrecht an Werken der Architektur, in ZBJV 81/1945, S. 376) oder wenn er nach den gegebenen Verhältnissen keinen Raum für individuelles Schaffen findet (
BGE 88 IV 126
und dort erwähnte Entscheide).
8.
Die Vorinstanz stellt auf Grund des Hauptgutachtens vom 14. Februar 1973 fest, dass der Sachverständige nicht darlege, in welchen konkreten Punkten die "Grundkonzeption" des von der Klägerin geschaffenen Projektes eine schutzfähige Leistung verwirkliche. Sie holte daher am 3. Juli 1973 ein Ergänzungsgutachten ein und erklärte gestützt darauf, dass der Sachverständige eine schutzfähige Leistung unter
BGE 100 II 167 S. 173
drei Gesichtspunkten als erfüllt betrachte (einwandfreie betriebliche und funktionelle Konzeption unter Wahrung der baulichen Gegebenheiten; gute und attraktive Formulierung der Ladeneinrichtung, die dem Kunden das Warensortiment in vorteilhafter Weise darbietet; Wirtschaftlichkeit der Anlage in der Anschaffung und im Betrieb). Die schöpferische Seite der vorgeschlagenen Lösung sei zwar nach Ansicht des Sachverständigen nicht "sensationell", genüge aber für die Gewährung urheberrechtlichen Schutzes.
Die Vorinstanz hält dafür, die im Ergänzungsbericht umschriebene Lösung der gestellten Aufgabe betreffe nur betriebliche, funktionelle und kundendienstliche Gesichtspunkte, nicht aber eine schöpferische Leistung auf dem Gebiet der angewandten Kunst, insbesondere der Innenarchitektur. Die der Klägerin gestellte Aufgabe sei so weitgehend durch den bestehenden Raum sowie durch Überlegungen betrieblicher und technischer Art bedingt, dass für eine schöpferische Leistung kein Platz mehr bleibe, sondern nur noch für eine handwerklich tüchtige und rationelle Lösung. Diese sei zwar zeichnerisch und in der Formgebung und Raumaufteilung geschickt und gefällig, gehe aber nicht über das hinaus, was heute die Fachgeschäfte von Ladeneinrichtungen anzubieten haben. Solche Firmen wären in ihrer Tätigkeit übermässig eingeschränkt, würde man die Lösung der Klägerin urheberrechtlich schützen.
Diese Würdigung trägt den Feststellungen des Gutachters nicht in allen Teilen Rechnung. So weist der Sachverständige in der Einleitung des Ergänzungsberichtes ausdrücklich darauf hin, dass er gemäss Weisung des Obergerichts seiner Auffassung über die Schutzwürdigkeit eines Werkes "die künstlerische Gestaltung und ästhetische Wirkung" zugrunde lege. Die Vorinstanz unterstellt ihm daher zu Unrecht, dass er den Begriff der schöpferischen Leistung bloss in funktionellen, betrieblichen und kundendienstlichen Belangen erblicke. Sie lässt auch die weitere Feststellung des Experten ausser acht, die besonderen baulichen Voraussetzungen bildeten zwar den "Perimeter" für die Lösung der gestellten Aufgabe. Die Erfahrung zeige aber, dass es "auf der gleichen Plangrundlage viele Lösungen" gebe. So habe der Sachbearbeiter der Klägerin innerhalb der bestehenden Möglichkeiten eine Lösung aufgezeigt, die nicht nur eine "zeichnerische routiniemässige Leistung"
BGE 100 II 167 S. 174
darstelle. Diese weitere Feststellung drängt den Schluss auf, dass die Klägerin nicht bloss eine handwerkliche, sondern eine originelle Leistung erbracht hat.
Freilich beanstandet die Vorinstanz, die Ergänzungsexpertise gebe keine konkrete Auskunft darüber, worin im einzelnen die schöpferische Leistung (Formgebung der einzelnen Ladenobjekte, spezielle Raumaufteilung) liege. Sie folgert daraus, das sei kein Mangel des Gutachtens, sondern Ausdruck dafür, dass das Projekt der Klägerin keine schutzfähigen Merkmale aufweise.
Diese Auffassung hält nicht stand. Zunächst ist festzuhalten, dass die Vorinstanz in der schriftlichen Experteninstruktion das Beweisthema der Klägerin gemäss Beweisbeschluss umschreibt und dann unter Hinweis auf Lehre und Rechtsprechung den Begriff des urheberrechtlich geschützten Werkes erläutert. Sie fordert aber den Sachverständigen nicht auf, darzulegen, worin im einzelnen eine allfällige schöpferische Leistung bestehe. Es verwundert daher nicht, dass der Experte im Hauptbericht die schöpferische Leistung bejahte, ohne Einzelheiten zu erwähnen. Im Ergänzungsauftrag vom 14. Mai 1973 und im Brief vom folgenden Tag veranlasste ihn zwar die Vorinstanz, detailliert darzulegen, worin in den Plänen der Klägerin die besondere "schöpferische Leistung und originelle künstlerische Gestaltung im einzelnen" liege. Der Experte sagte jedoch im Ergänzungsbericht nicht, wo z.B. am Ladenkorpus, an der Eingangstüre, an den Gestellen usw. oder in der Konbination der Bauteile die im Beweisthema geforderte "Vielzahl individueller Ideen" zum Ausdruck komme. Offenbar glaubte er der Aufforderung des Obergerichtes mit der Antwort zu genügen, eine "schöpferische Leistung" bestehe "in der Fähigkeit des Innenarchitekten", für die erwähnten drei "Bedingungen ein harmonisches Konzept zu finden". Erachtete die Vorinstanz diese Auskunft als nicht genügend, so hatte sie den Sachverständigen nach Einzelheiten zu fragen, statt anzunehmen, solche lägen nicht vor. Dazu kommt, dass der Sachverständige sein Gutachten gemäss Weisung der Vorinstanz auch auf einen Augenschein stützte, sich also von der harmonischen Gestaltung des Raumes selber überzeugen konnte, während das Obergericht den umgebauten Laden nicht besichtigte und - nach den Akten zu schliessen - keine photographischen Aufnahmen vom heutigen Zustand machen
BGE 100 II 167 S. 175
liess. Unter diesen Umständen ist der Ansicht des Experten, auf die der Richter bei der Bildung des Werturteils über das Bestehen einer schöpferischen Leistung ohnehin in hohem Masse angewiesen ist (vgl.
BGE 56 II 418
), der Vorzug zu geben.
9.
Hat demnach die Klägerin Anspruch auf urheberrechtlichen Schutz, so ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Vorinstanz anzuweisen, die Frage zu prüfen, ob die Firma Buob im Auftrag des Beklagten das Projekt der Klägerin sklavisch nachgeahmt hat, und gegebenenfalls den Schadenersatzanspruch zu beurteilen...
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 6. Dezember 1973 aufgehoben und die Sache an die Vorinstanz zur Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen zurückgewiesen. | public_law | nan | de | 1,974 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
19b6b6d7-8c23-45b8-b702-1afca29f8e43 | Urteilskopf
105 III 107
25. Arrêt de la Chambre des poursuites et des faillites du 11 décembre 1979 dans la cause Boucheron S.A. (recours LP) | Regeste
Parteifähigkeit des Betreibungsgläubigers; Pfändung von Vermögenswerten, die sich in den Händen Dritter befinden.
1. Einrede der fehlenden Parteifähigkeit, erhoben gegenüber einer ausländischen Gesellschaft mit der Begründung, ihr Sitz sei fiktiv. Die Betreibungsbehörden sind nicht verpflichtet, auf die Einrede einzutreten, wenn die ihr zugrundeliegenden Tatsachen nicht bewiesen oder glaubhaft gemacht werden (Erw. 2).
2. Beschwerdelegitimation des Drittinhabers, der nicht ein besseres Recht an den gepfändeten Vermögenswerten geltend macht (Erw. 1a).
3. Vermögenswerte, von denen der Gläubiger geltend macht, sie stünden nicht im Eigentum des Schuldners, sondern eines Dritten, dürfen weder gepfändet noch arrestiert werden, auch dann nicht, wenn der Gläubiger vorbringt, Schuldner und Dritter bildeten eine wirtschaftliche Einheit. Der Gläubiger, der sich auf die wirtschaftliche ldentität beruft und gedenkt, den Dritten für die Verpflichtungen des Schuldners haften zu lassen, kann dies nur in einer Betreibung gegen den Dritten tun (Erw. 3).
4. Das Betreibungsamt hat alle Vermögenswerte zu pfänden, die der Gläubiger als Eigentum des Schuldners bezeichnet; der Gläubiger ist nicht gehalten, seine Behauptung glaubhaft zu machen (Erw. 4).
5. Das Betreibungsamt darf Vermögenswerte, die offensichtlich nicht dem Schuldner gehören, nicht pfänden; Umfang der Prüfungspflicht der Betreibungsbehörden (Erw. 4 und 5). | Sachverhalt
ab Seite 108
BGE 105 III 107 S. 108
A.-
Le 27 octobre 1978, sur requête de la société panaméenne General
United Incorporated, ci-après désignée par son sigle G.U.I., le président du Tribunal de première instance de Genève a ordonné un séquestre au préjudice de Marcel Porquerel, à Genève, pour une créance de 25'000'000 fr. (ordonnance No 978 SQ 359). Le séquestre devait être opéré auprès de Boucheron S.A., à Genève, et portait sur " toutes espèces, créances, pierres précieuses, notamment diamants, bijoux de toute nature, Or, au nom de M. Marcel Porquerel ou de la société Niala Inc., Panama, dont le siège est à Panama City, République de Panama, 8 Calle Aquilino de la Guardia, Apartado 850, représentée par M. Didier Brosset, 8, rue d'Italie à Genève, laquelle appartient au débiteur ".
L'Office des poursuites de Genève a exécuté le séquestre le 30 octobre 1978. Le 8 novembre 1978, Boucheron S.A. a déposé plainte auprès de l'Autorité de surveillance des offices de poursuite pour dettes et de faillite, et a demandé l'annulation de l'exécution du séquestre No 978 SQ 359. Elle soutenait que la société créancière et requérante n'avait à Panama qu'un siège fictif. De l'avis de la plaignante, ce fait interdisait de reconnaître la personnalité morale de G.U.I., laquelle n'avait donc pas la capacité
BGE 105 III 107 S. 109
d'être sujet du droit des poursuites. L'Autorité de surveillance a rejeté la plainte le 4 juillet 1979.
G.U.I. a validé le séquestre par une réquisition de poursuite adressée à l'Office des poursuites de Genève le 21 novembre 1978 (poursuite N 8284762). Marcel Porquerel a fait opposition à la poursuite. Son opposition a été levée provisoirement par jugement du 1er février 1979.
Le 9 mars 1979, G.U.I. a requis une saisie provisoire.
Le 5 avril 1979, l'Office des poursuites a avisé Boucheron S.A. de ce qu'il saisissait entre ses mains "toutes espèces, créances, pierres précieuses, notamment diamants, bijoux de toute nature, Or, au nom de M. Marcel Porquerel ou de la société Niala Inc., Panama, laquelle appartient au débiteur, dont le siège est à Panama City, République de Panama, 8 Calle Aquilino de la Guardia, Apartado 850, représentée par M. Didier Brosset, 8, rue d'Italie, Genève".
Le 11 avril 1979, l'Office des poursuites a derechef avisé Boucheron S.A. de ce qu'il saisissait entre ses mains " toutes espèces, titres, objets, avoirs, créances, comptes courants, comptes de dépôts, comptes numéros, actions nominatives ou au porteur, dépôts numéros, coffres-forts, nantis ou gagés de quelque manière que ce soit, au nom de M. Marcel Porquerel, ou des sociétés Sulam Inc., Expinter Inc., Sejapor Inc., Tobis Inc., Occidentalia Inc., Investa lnternational Inc., West Fund Inc., Plantagenet Inc., West Meridian Fund Inc., Niala Inc., Occidentalia S.A., lesquelles appartiennent au débiteur".
B.-
Boucheron S.A. a porté plainte le 25 avril 1979 auprès de l'Autorité de surveillance des offices de poursuite pour dettes et de faillite. Elle a demandé l'annulation des avis de saisie qui lui avaient été communiqués les 5 et 11 avril 1979, et l'annulation de la poursuite No 8284762 ouverte contre Marcel Porquerel.
Le 18 juillet 1979, l'Autorité de surveillance a rejeté la plainte.
C.-
Boucheron S.A. recourt au Tribunal fédéral, reprenant les conclusions qu'elle a formulées dans l'instance de plainte.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
a) La recourante n'est partie ni à la procédure de séquestre, ni à la poursuite. Elle ne revendique pas les biens séquestrés entre ses mains, puis saisis provisoirement. Certes, l'Autorité de surveillance a rangé la recourante parmi les sociétés dont les
BGE 105 III 107 S. 110
biens avaient été saisis, mais elle a commis une inadvertance manifeste qui ne lie pas le Tribunal fédéral (
art. 81,
art. 63 al. 2 OJ
).
La jurisprudence a reconnu qualité pour porter plainte au tiers détenteur d'un bien séquestré, lorsque la mesure attaquée est propre à porter une atteinte grave à ses intérêts (
ATF 96 III 109
consid. 1,
ATF 80 III 124
ss consid. 2). La recourante soutient qu'en l'espèce le séquestre, transformé en saisie provisoire, est de nature à paralyser tout ou partie de ses relations commerciales. Cette affirmation ne paraît pas dénuée de fondement. On doit donc reconnaître à la recourante la qualité pour demander l'annulation des avis de saisie qui lui ont été communiqués les 5 et 11 avril 1979. La recourante n'est par contre nullement touchée par les autres actes de la poursuite ouverte contre Marcel Porquerel. Partant, ses conclusions tendant à l'annulation de la poursuite No 8284762 sont irrecevables.
b) Le 4 juillet 1979, l'Autorité de surveillance a rejeté la plainte que la recourante avait déposée contre l'exécution du séquestre No 978 SQ 359. Cette décision est entrée en force. Son autorité ne peut toutefois être opposée à la plainte que la recourante a déposée contre les avis de saisie des 5 et 11 avril. Les décisions des autorités de surveillance ne peuvent avoir force de chose jugée que pour la poursuite ou la procédure dans laquelle elles sont rendues. En l'espèce, la poursuite No 8284762 a été ouverte par l'office du domicile du débiteur. Elle ne tend donc pas exclusivement à la validation du séquestre No 978 SQ 359. Elle a permis au créancier de faire saisir des biens autres que ceux objets du séquestre et elle conduira éventuellement à la délivrance d'un acte de défaut de biens (
ATF 90 III 80
s.) Les deux procédures ayant des objets différents, la décision rendue sur l'exécution du séquestre No 978 SQ 359 ne peut avoir autorité dans la poursuite No 8284762.
2.
La recourante prétend que G.U.I. n'a aucun lien réel avec la République de Panama, sinon qu'elle s'y est constituée, qu'elle y est enregistrée et y a son siège social. Se référant à l'arrêt rendu le 9 mai 1950 en la cause Vernet et consorts (
ATF 76 I 158
ss consid. 3), la recourante soutient que G.U.I. ne peut être soumise au droit panaméen. Partant, la personnalité morale acquise en application des lois panaméennes ne saurait être reconnue et G.U.I. n'aurait donc pas la capacité d'être sujet du droit des poursuites.
BGE 105 III 107 S. 111
La capacité d'être partie est un élément essentiel de toute instance. Une poursuite ouverte sur requête d'une personne morale inexistante serait nulle de plein droit; la nullité devrait en être relevée d'office, même par le Tribunal fédéral (cf., pour la capacité d'ester en justice,
ATF 104 III 4
ss). Il ne s'ensuit nullement que les autorités de poursuite doivent toujours, d'office ou sur requête, examiner si les parties à une poursuite sont sujets de droit et ont la capacité d'ester en justice. Selon la jurisprudence de la Chambre de céans, une instruction et une décision sur la capacité d'ester en justice ne s'imposent que lorsqu'elle peut être sérieusement mise en doute sur le vu des pièces du dossier; la capacité de discernement doit notamment être présumée (
ATF 104 III 5
ss consid. 2,
ATF 99 III 6
consid. 3,
ATF 66 III 27
). Ce principe s'applique par analogie à l'examen de la qualité de sujet de droit du créancier ou du débiteur.
Il n'est pas contesté que la société G.U.I. s'est constituée conformément aux règles du droit panaméen, qu'elle a son siège social à Panama City et que, dans la République de Panama, elle est considérée comme un sujet de droit indépendant. Dans ces conditions, les autorités de poursuite peuvent présumer que la personnalité morale acquise en application des lois panaméennes est reconnue en droit suisse.
La recourante a contesté à G.U.I. la qualité de sujet de droit en invoquant le caractère fictif du siège social fixé à Panama City. L'argument juridique développé par la recourante, sur la valeur duquel la Chambre de céans n'a pas à se prononcer en l'espèce, repose sur deux faits qui auraient dû être prouvés ou tout au moins rendus vraisemblables: l'absence de lien effectif entre G.U.I. et la République de Panama et l'existence d'un siège réel en un autre lieu. La recourante fait valoir que, de par ses statuts, G.U.I. "peut, sur décision de la direction, établir des affaires et ouvrir des filiales et avoir ses archives et sa fortune n importe où dans le monde". Elle allègue que, dans sa requête de séquestre, G.U.I. n'a indiqué qu'un domicile élu et a omis de mentionner son siège, lequel se confond d'ailleurs avec celui d'autres sociétés panaméennes impliquées dans le présent litige. Ces éléments ne constituent nullement des indices graves et concluants à l'appui des faits que la recourante devait établir ou rendre vraisemblables. La recourante affirme certes que G.U.I. sert d'" écran ", de " boîte aux lettres " à un financier français domicilié en Suisse, mais elle n'a pas étayé son affirmation en alléguant
BGE 105 III 107 S. 112
des faits précis ni en offrant des moyens de preuve idoines. Partant, c'est à bon droit que l'Autorité de surveillance a refusé d'entrer en matière sur l'exception d'incapacité soulevée à l'encontre de G.U.I.
3.
La recourante reproche à l'Office des poursuites d'avoir saisi des biens qui, de l'aveu même de la créancière, n'appartenaient pas au débiteur Marcel Porquerel, mais à des sociétés tierces. Que Marcel Porquerel fût économiquement propriétaire des sociétés en question, à supposer que cela fût démontré, ne justifiait pas la saisie attaquée.
a) Le débiteur ne répond en principe de ses obligations que sur les biens qui lui appartiennent. L'office des poursuites ne doit donc, à peine de nullité, ni séquestrer ni saisir des biens qui, sans doute possible, n'appartiennent pas au débiteur, ou que le créancier lui-même désigne comme étant la propriété de tiers (cf., pour la saisie,
ATF 84 III 83
ss, pour le séquestre,
ATF 104 III 58
s. consid. 3,
ATF 93 III 91
s. consid. 2,
ATF 82 III 70
).
Doivent être considérés comme biens de tiers tous ceux qui appartiennent selon les règles du droit civil à une personne physique ou morale autre que le débiteur poursuivi. Or l'identité juridique est seule déterminante dans les voies d'exécution forcée (cf. arrêt non publié du 23 juin 1964 en la cause Simonsen). Les autorités de poursuite ne peuvent donc procéder contre une personne qui, quelle que soit la réalité économique alléguée, constitue un sujet de droit distinct du débiteur (cf. arrêt non publié du 31 octobre 1979 en la cause Interbras Cayman Company).
Dans des circonstances exceptionnelles, un tiers peut certes être tenu responsable des engagements contractés par le débiteur avec lequel il constitue une unité économique; il doit, dans cette mesure, accepter que le produit de la réalisation de ses biens serve à désintéresser le créancier (
ATF 102 III 165
ss). Il ne s'ensuit pas que le créancier qui invoque la réalité économique et exerce ses droits non seulement contre son débiteur mais contre un tiers, puisse faire appréhender les biens du tiers sans ouvrir une poursuite contre lui et sans lui faire notifier un commandement de payer. Selon la doctrine unanime, la procédure du commandement de payer constitue la base indispensable de toute poursuite (BRAND, FJS No 978 p. 6; FRITZSCHE, Schuldbetreibung und Konkurs, 2e éd., t. 1, p. 122); sauf disposition contraire de la loi, toute mesure d'exécution qui n'a pas été précédée d'un commandement de payer est radicalement nulle (FAVRE,
BGE 105 III 107 S. 113
Droit des poursuites, 3e éd., p. 132 s.; JAEGER/DAENIKER, Schuldbetreibungs- und Konkurs-Praxis, n. 3 ad art. 69;
ATF 38 I 327
s. consid. 2). Toute personne, y compris celle contre qui n'existe aucun for de poursuite en Suisse, a ainsi le droit de s opposer à la mainmise sur des biens qui lui appartiennent selon les règles du droit civil, à moins que le créancier n ait obtenu un titre exécutoire par la procédure du commandement de payer ou n'en soit dispensé par une disposition légale spéciale. Cette garantie constitue un droit de nature formelle. Elle prévient des actes d'exécution contre des personnes privées de la faculté de discuter préalablement, devant le juge civil, l'existence de la créance et les conditions de leur responsabilité. Elle serait privée de sa portée si le créancier poursuivant pouvait faire saisir ou séquestrer tous les biens appartenant à un tiers quelconque en affirmant simplement que ce tiers forme une unité économique avec le débiteur et répond donc de la même manière que lui, se réservant de prouver ses allégations ultérieurement, dans la procédure de revendication. Le créancier ne peut donc faire appréhender que les biens qu'il déclare appartenir juridiquement au débiteur poursuivi. Seule peut être réservée l'hypothèse exceptionnelle, non réalisée en l'espèce, dans laquelle le tiers détournerait de son but la garantie de nature procédurale que la loi lui reconnaît, et commettrait donc un abus de droit (
ATF 102 III 165
ss); tel serait le cas si l'identité économique absolue entre le débiteur et le tiers n'était d'entrée de cause ni contestable ni sérieusement contestée et que, manifestement, le débiteur se réfugiât derrière la dualité juridique pour se soustraire à l'exécution forcée.
Au demeurant, on doit s'en tenir strictement à l'identité juridique et faire abstraction de la réalité économique alléguée lorsque le tiers, en l'espèce la société Occidentalia S.A., a son domicile ou son siège en Suisse et y est sujet à la poursuite par voie de faillite.
La réalisation de ses biens au profit de l'un seul de ses créanciers, sans appel aux autres, constituerait, virtuellement tout au moins, une atteinte inadmissible au principe de l'égalité des créanciers.
b) G.U.I. a requis et obtenu la saisie provisoire des biens "au nom de M. Marcel Porquerel, ou des sociétés Sulam Inc., Expinter Inc., Sejapor Inc., Tobis Inc., Occidentalia Inc., Investa International Inc., West Fund Inc., Plantagenet Inc., West Meridian Inc., Niala Inc., Occidentalia S.A., lesquelles appartiennent au débiteur".
BGE 105 III 107 S. 114
La formule est équivoque. Sur le vu des pièces du dossier, elle peut signifier que la saisie ordonnée porte sur des biens qui appartiennent juridiquement aux sociétés désignées, mais qui sont appréhendés en raison de l'identité économique alléguée entre le débiteur et les sociétés tierces. En ce cas, la saisie serait radicalement nulle.
En revanche, la saisie peut être valable si la créancière entendait ne faire appréhender que les biens de son débiteur, mais soutenir que les biens inscrits au nom des sociétés tierces appartiennent en réalité au poursuivi.
L'équivoque n'est pas levée dans la décision attaquée. La décision doit être annulée et la cause renvoyée à l'autorité cantonale, qui précisera le sens exact de la réquisition de continuer la poursuite et des avis de saisie et qui rendra une nouvelle décision dans le sens des considérants.
4.
La recourante soutient à titre subsidiaire que l'Office ne pouvait procéder à la saisie sur la simple affirmation de la créancière selon laquelle les biens inscrits au nom des sociétés tierces appartenaient en réalité au débiteur.
Il est de jurisprudence qu'en matière de séquestre, le créancier a le droit de faire exécuter la mesure sur tous les biens qu'il déclare appartenir au débiteur et de faire trancher par le juge civil tout litige sur la propriété des biens appréhendés. L'office des poursuites ne peut refuser l'exécution d'un séquestre en préjugeant des questions de fait ou de droit relevant de la compétence exclusive du juge civil. Le séquestre n'est donc exclu que si les principes juridiques et les faits sur lesquels un tiers fonde ses prétentions sont évidents et ne souffrent aucune discussion (
ATF 104 III 55
ss,
ATF 96 III 109
s. consid. 2,
ATF 93 III 91
ss,
ATF 82 III 70
; SJ 1979, p. 705).
La recourante estime que les principes réagissant l'exécution du séquestre ne peuvent s'appliquer à la saisie. Elle soutient que l'office ne peut saisir des biens détenus par des tiers si le créancier ne rend vraisemblable qu'ils sont la propriété du débiteur.
Le législateur a admis la saisie de biens se trouvant aux mains de tiers (
art. 91 al. 1,
art. 109 LP
); la saisie peut être opérée même si le détenteur ou toute autre personne s'en prétend propriétaire (
art. 95 al. 3,
art. 109 LP
; cp. par. 809, ancien. 713, du Code de procédure civile allemand du 30 janvier 1877). Le législateur n'a, ni pour les conditions de validité ni pour la procédure de la
BGE 105 III 107 S. 115
saisie, distingué selon que les biens sont en mains du débiteur ou d'un tiers. La possession n'a d'incidence que sur la procédure de revendication et l'office n'est tenu de la déterminer qu'après la déclaration de revendication. Le système de la loi ne permet donc pas de subordonner la saisie des biens en mains de tiers à des conditions plus strictes que celles prévues pour la saisie des biens détenus par le débiteur. L'office doit saisir tous les biens que le créancier déclare appartenir au débiteur, si les droits préférables d'un tiers ne peuvent d'emblée être établis de manière indiscutable (
ATF 59 III 92
s.; cf. également
ATF 84 III 84
; JAEGER, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, n. 7 ad art. 91; PEDRAZZINI, Die Widerspruchsklage, p. 5-10; contra: RJB 41, p. 565 s.; ZR 7 No 33). On peut certes se demander si les règles de la bonne foi n'obligent pas le créancier à indiquer au moins sommairement les raisons qui l'amènent à penser que les biens détenus par un tiers appartiennent en réalité au débiteur. La question peut rester ouverte en l'espèce, car G.U.I. a fondé sa réquisition de saisie en alléguant d'entrée de cause l'existence de liens étroits entre Marcel Porquerel et les sociétés en mains de qui les biens devaient être appréhendés.
5.
La recourante soutient qu'elle était en mesure de démontrer que, sans doute possible, les biens saisis au préjudice des sociétés tierces n'appartiennent pas à Marcel Porquerel. Or l'autorité cantonale a constaté:
"... il résulte des affirmations de la société créancière et de la procédure pénale actuellement ouverte contre Sieur Porquerel et dont les parties ont demandé l'apport, que Sieur Porquerel a été indubitablement en relations d'affaires plus ou moins étroites avec les sociétés dont les biens ont été saisis; il apparaît, en outre, que ces sociétés auraient bénéficié d'apports de fonds confiés par G.U.I. à Sieur Porquerel."
La recourante prétend que cette constatation repose sur un déni de justice formel. L'autorité cantonale n'aurait, nonobstant la requête des parties, pas ordonné l'apport du dossier de la procédure pénale No 2269/77 ouverte contre Marcel Porquerel.
a) Seul constitue un déni de justice au sens des art. 17 al. 3, 18 al. 2 et 19 al. 2 LP, le déni de justice formel, soit le refus de l'office ou de l'autorité de surveillance de procéder à une opération dûment requise ou qu'ils devaient exécuter d'office. Il ne saurait être question d'un déni de justice lorsqu'une mesure ou une décision, susceptible d'être attaquée dans les dix jours, a été
BGE 105 III 107 S. 116
prise, fût-elle illégale ou irrégulière (
ATF 101 III 71
,
ATF 97 III 31
ss, 96 III 53 consid. 1).
L'Autorité de surveillance a statué le 18 juillet 1979 sur la plainte déposée par la recourante. Elle ne s'est donc pas rendue coupable de déni de justice au sens de l'
art. 19 al. 2 LP
. En fait, la recourante reproche à l'Autorité de surveillance d'avoir procédé de manière irrégulière. Ce grief est irrecevable, également au regard de l'
art. 19 al. 1 LP
, car la procédure de la plainte relève en principe du droit cantonal (
ATF 101 III 69
ss).
b) On peut se demander si la recourante n'entend pas en réalité invoquer le droit à la preuve.
L'
art. 8 CC
s'applique par analogie à la procédure de plainte et garantit aux parties le droit à l'administration de moyens de preuve propres à établir des faits pertinents et contestés (
ATF 102 III 13
). Toutefois, l'admissibilité, l'administration et l'appréciation des preuves relèvent du droit cantonal de procédure (
ATF 102 III 13
s. consid. 2a).
Si les biens frappés d'une saisie n'appartiennent de toute évidence pas au débiteur, la saisie est radicalement nulle. Celui qui a qualité pour porter plainte contre la saisie a donc droit à l'administration des moyens de preuve propres à établir que, sans doute possible, le débiteur n est pas propriétaire des biens appréhendés. Mais ce droit à la preuve est limité par la nature de l'examen qui incombe à l'office des poursuites et aux autorités de surveillance. Les litiges sur la propriété de biens saisis ressortissent au juge civil qui statue sur l'action en revendication ou en contestation de la revendication. Les autorités de poursuite ne peuvent examiner que succinctement la propriété des biens appréhendés; elles ne sont tenues d'ordonner qu'une instruction rapide, limitée aux moyens de preuve immédiatement disponibles et absolument concluants.
Il n'est en l'espèce pas nécessaire de déterminer si l'Autorité de surveillance devait prendre connaissance du dossier de la procédure pénale No 2269/77, car il ressort de la décision attaquée qu'elle l'a fait. Le moyen de preuve semble certes avoir été administré en l'absence des parties et son appréciation n'est que brièvement motivée, mais l'
art. 8 CC
ne régit ni l'administration ni l'appréciation des preuves. Au demeurant, cet article règle les conséquences du défaut de preuve; il ne saurait être viole lorsque l'appréciation des moyens de preuve administrés, fût-elle arbitraire, permet à l'autorité cantonale de constater
BGE 105 III 107 S. 117
positivement l'existence ou l'inexistence d'un fait (
ATF 102 II 279
,
ATF 98 II 79
,
ATF 98 II 330
,
ATF 95 II 233
).
6.
La recourante fait valoir qu'on ne peut, sans séquestre préalable, saisir les biens d'un débiteur domicilié à l'étranger ou d'une société qui n'a ni siège ni établissement en Suisse.
Le grief est sans pertinence, car le débiteur poursuivi, Marcel Porquerel, est domicilié en Suisse. Tous ses biens peuvent être saisis dans une poursuite en validation du séquestre ouverte au for de son domicile (
ATF 90 III 80
s.).
7.
La recourante reproche à la créancière d'avoir commis un abus de droit en requérant la saisie de biens qu'elle savait ne pas appartenir au débiteur. Ce grief repose sur un fait contesté qui n'a pas été prouvé. Il doit être rejeté.
Dispositiv
Par ces motifs, la Chambre des poursuites et des faillites:
Admet le recours dans la mesure où il est recevable, annule la décision attaquée et renvoie la cause à l'autorité cantonale pour nouvelle décision dans le sens des considérants. | null | nan | fr | 1,979 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
19b70dab-8007-4da5-b391-f7da2a63ebd9 | Urteilskopf
96 II 369
48. Urteil der II. Zivilabteilung vom 25. September 1970 i.S. X. gegen Vormundschaftsbehörde Y. | Regeste
Vormundschaftliche Massnahmen für einen Geisteskranken, dessen Krankheit schubweise verläuft. Entmündigung nach
Art. 369 ZGB
oder Errichtung einer Beiratschaft nach
Art. 395 ZGB
? Persönliche Fürsorge kann nicht nur dem Vormund (
Art. 406 ZGB
), sondern auch dem Beirat obliegen (Änderung der Rechtsprechung). Von der Entmündigung ist abzusehen, wenn die Errichtung einer Beiratschaft der in Frage stehenden Person genügenden Schutz bietet. Gründe für die Annahme, dass diese letzte Massnahme notwendig ist und ausreicht.
Gerichts- und Parteikosten des bundesgerichtlichen Verfahrens (
Art. 156 Abs. 2 und 159 OG
). | Sachverhalt
ab Seite 369
BGE 96 II 369 S. 369
Gekürzter Tatbestand:
A.-
Frau X. leidet seit mehr als 20 Jahren an einer paranoidhalluzinatorischen Schizophrenie, die schubweise verläuft. Sie war deswegen seit 1958 sechsmal in psychiatrischen Kliniken untergebracht. Die einzelnen Schübe führten verhältnismässig
BGE 96 II 369 S. 370
rasch zu einem Zustand, in welchem sich Frau X. sowohl persönlich als auch wirtschaftlich stark gefährdete. So beging sie im August 1958 einen ernsthaften Selbstmordversuch. Im September 1966 flog sie unter dem Einfluss von "Stimmen" nach New York, verlor dort ihr Gepäck mit wertvollem Schmuck und wurde dann polizeilich in die Schweiz zurückgebracht. Am 25. Oktober 1968 begab sie sich, nachdem sie von ihrem Bruder ohne Erfolg eine grössere Geldsumme verlangt hatte, auf Grund von Wahnvorstellungen in ein Luxushotel, um dort einen Freund - oder einen japanischen Prinzen - zu erwarten. Wegen dieses letzten Schubes musste sie sich gut zwei Monate lang (bis anfangs Januar 1969) in der psychiatrischen Klinik S. aufhalten, wo sie schon früher (z.B. nach ihrer Rückkehr aus New York) wiederholt geweilt hatte. Den einzelnen Schüben, die unter geeigneter Behandlung ziemlich rasch abklangen, folgten Zeiten der Remission, in welchen Frau X. für medizinische Laien unauffällig wirkte, angepasst erschien und dem Verdienst nachgehen konnte. Zur Zeit arbeitet sie in einem Büro. Seit Ende Januar 1969 steht sie beim Nervenarzte Dr. Z. in regelmässiger Behandlung. Seit Herbst 1969 wohnt sie allein in einer Vierzimmerwohnung.
B.-
Frau X. lebte früher im elterlichen Hause und wurde zu Lebzeiten der Eltern von diesen, später von ihrem Bruder betreut. Dieser verwaltete auch den grössten Teil ihres Vermögens, das sich seit 1964 (u.a. wegen der Kosten der Klinikaufenthalte) von Fr. 50'000.-- auf etwa Fr. 27'000.-- verminderte. Im Hinblick auf die Fürsorge der Angehörigen sah die Vormundschaftsbehörde bis Ende 1968 von der Anordnung vormundschaftlicher Massnahmen ab, obwohl die Ärzte des Krankenhauses S. in ihrem Gutachten vom 7. Oktober 1966 die Bestellung eines Vormundes als notwendig bezeichnet hatten. Da diese Ärzte in einem Ergänzungsbericht vom 19. Dezember 1968 unter Hinweis auf eine Lockerung der Familienbeziehungen, die Frau X. bisher einen Halt geboten hatten, von neuem vormundschaftliche Massnahmen befürworteten, leitete die Vormundschaftsbehörde gegen Frau X. am 10. Januar 1969 das Verfahren auf Entmündigung wegen Geisteskrankheit ein. Die kantonalen Gerichte schützten das Entmündigungsbegehren in Anwendung von
Art. 369 ZGB
.
D.-
Gegen das Urteil des obern kantonalen Gerichts hat die Beklagte die Berufung an das Bundesgericht erklärt. Sie verlangt
BGE 96 II 369 S. 371
damit die Aufhebung des angefochtenen Urteils und - dem Sinne nach - die Abweisung der Klage, eventuell die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zur Ergänzung des Verfahrens und zur Neubeurteilung.
Das Bundesgericht heisst die Berufung in dem Sinne teilweise gut, dass es die Vormundschaft durch eine Mitwirkungs- und Verwaltungsbeiratschaft im Sinne von
Art. 395 Abs. 1 und 2 ZGB
ersetzt.
Erwägungen
Erwägungen:
1.
Nach
Art. 369 ZGB
gehört unter Vormundschaft jede mündige Person, die infolge von Geisteskrankheit oder Geistesschwäche ihre Angelegenheiten nicht zu besorgen vermag, zu ihrem Schutze dauernd des Beistandes und der Fürsorge bedarf oder die Sicherheit anderer gefährdet.
a) Nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz, die sich auf die von der Vormundschaftsbehörde gemäss
Art. 374 Abs. 2 ZGB
eingeholten Gutachten stützen und gemäss
Art. 63 Abs. 2 OG
für das Bundesgericht verbindlich sind, leidet die Beklagte seit langem an einer paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie. Dabei handelt es sich unzweifelhaft um eine Geisteskrankheit im Sinne von
Art. 369 ZGB
. Die Tatsache, dass sich die Beklagte seit Januar 1969 in einem Zustand weitgehender Remission befindet, erlaubt es nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz nicht, die Geisteskrankheit als behoben zu betrachten. Dass der Krankheitszustand latent fortbesteht, wird dadurch bestätigt, dass Dr. Z., der sie gegenwärtig behandelt, eine periodische Kontrolle und die regelmässige Verabreichung von Medikamenten als angezeigt erachtet. Wenn Dr. Z. in seinem Privatgutachten vom 18. Mai 1969 der Entmündigung der Beklagten entgegentrat, so im wesentlichen nur deshalb, weil er verneinte, dass die bestehende Geisteskrankheit die Wirkungen habe, die
Art. 369 ZGB
als Voraussetzungen der Entmündigung wegen Geisteskrankheit oder Geistesschwäche nennt.
b) Während eines Krankheitsschubes ist die Beklagte zweifellos ausserstande, ihre Angelegenheiten zu besorgen. Sie neigt dann zu Handlungen, die ihre Person und ihr Vermögen ernstlich in Gefahr bringen, und bedarf deshalb in solchen Perioden zu ihrem Schutze des Beistandes und der Fürsorge. Zwischen den einzelnen Schüben ist sie dagegen - wie man in solchen
BGE 96 II 369 S. 372
Fällen zu sagen pflegt - sozial geheilt. Sie vermag dann ihre Angelegenheiten sehr wohl zu besorgen und zeigt keine Krankheitserscheinungen, derentwegen sie im Sinne von
Art. 369 ZGB
des Beistandes und der Fürsorge bedürfte. Die Vorinstanz nimmt das ebenfalls an, findet aber, die Beklagte bedürfe im Sinne dieser Bestimmung gleichwohl dauernd, auch in Zeiten der Remission, einer fürsorglichen Betreuung, damit bei den ersten Anzeichen eines neuen Schubes, z.B. bei einem Abbruch der ärztlichen Behandlung durch sie oder beim Auftreten von Schwierigkeiten am Arbeitsplatz oder wegen der Wohnung, eingegriffen werden könne; diese Betreuung könne ihr, nachdem sie sich von ihrer Familie gelöst habe, nur ein Vormund angedeihen lassen; die Anordnung einer Mitwirkungs- und Verwaltungsbeiratschaft genüge nicht, weil die persönliche Seite der vormundschaftlichen Fürsorge im Vordergrund stehe. Die Beklagte bestreitet dagegen ihre dauernde Schutzbedürftigkeit, weil sie heute in psychischer und sozialer Hinsicht weitgehend stabilisiert und normalisiert sei und die Gefahr einer künftigen Schädigung (durch einen neuen Schub) nicht mit Bestimmtheit festgestellt werden könne.
c) Dass die Vorinstanz ernstlich mit neuen Krankheitsschüben und mit einer daherigen Gefährdung der Beklagten rechnet, ist angesichts ihrer Feststellungen über die Natur und den bisherigen Verlauf der bestehenden Geisteskrankheit sowie über das Verhalten der Beklagten bei frühern Krankheitsanfällen nicht zu beanstanden. Der Vorinstanz ist auch darin beizustimmen, dass die ernsthafte Möglichkeit neuer Krankheitsschübe jedenfalls seit dem Wegfall der Betreuung der Beklagten durch Angehörige schon in Zeiten der Remission vormundschaftliche Massnahmen fordert, m.a.W. dass die Beklagte in einem gewissen Masse dauernd eines vormundschaftlichen Schutzes bedarf, weil ein neuer Schub bei ihr erfahrungsgemäss so unvermittelt auftreten kann, dass Schutzmassnahmen, die erst auf Grund von Anzeichen für einen solchen Schub angeordnet würden, zu spät kämen. Massnahmen zum Schutze des Vermögens genügen dabei nicht, sondern die Beklagte bedarf schon in Zeiten der Remission auch einer gewissen persönlichen Betreuung, damit ihr Zustand und ihr Verhalten verfolgt werden können und beim Auftreten von Störungen jemand da ist, der die in diesem Falle nötigen Massnahmen zum Schutz ihrer Person veranlassen kann.
BGE 96 II 369 S. 373
d) Persönliche Fürsorge zu gewähren, ist nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichts unter den vormundschaftlichen Organen einzig der Vormund berufen (
BGE 85 II 235
). Dass auch der Beirat mit solcher Fürsorge betraut werden könne, wurde vom Bundesgericht bis anhin stets verneint (
BGE 65 II 142
,
BGE 66 II 14
f.,
BGE 78 II 336
). Das wurde im wesentlichen daraus abgeleitet, dass eine Beiratschaft nach
Art. 395 ZGB
nur anzuordnen ist, wenn sich zum Schutz der in Frage stehenden Person eine Beschränkung der Handlungsfähigkeit im Sinne dieser Bestimmung als notwendig erweist, und dass die Verbeiratung die Handlungsfähigkeit des Verbeirateten nach
Art. 395 ZGB
nur in wirtschaftlicher Beziehung - hinsichtlich der in Absatz 1 aufgezählten, die Vermögenslage des Verbeirateten beeinflussenden Geschäfte und/oder hinsichtlich der Verwaltung des Vermögens - beschränkt.
In der Tat ist klar, dass die Beiratschaft in erster Linie den Schutz der wirtschaftlichen Interessen des Verbeirateten bezweckt. Das ergibt sich nicht nur aus dem Wortlaut, sondern auch aus der Entstehungsgeschichte des
Art. 395 ZGB
, der auf den bei der parlamentarischen Beratung von Nationalrat Thélin gestellten Antrag zurückgeht, die im französischen Code civil vorgesehene und von mehrern Kantonen der romanischen Schweiz übernommene, gewissen deutschschweizerischen Formen der Beistandschaft gleichende Einrichtung des "conseil juridique" in das ZGB einzuführen (vgl. hiezu Sten.Bull. 1905 S. 1251, 1259, 1262 f., 1417 ff.; 1906 S. 54 f., 56/57, 72, 74; 1907, NR, S. 284 ff.; EGGER, 2. Aufl., N. 2-4 zu
Art. 395 ZGB
). Die Einrichtung der Beiratschaft soll es ermöglichen, der schutzbedürftigen Person die Handlungsfähigkeit ausserhalb des in
Art. 395 ZGB
umschriebenen Bereiches zu belassen, wenn sich eine Beschränkung derselben nur in diesem Bereich als notwendig erweist. Die Verbeiratung schränkt also die Handlungsfähigkeit des Verbeirateten in persönlicher Beziehung nicht ein, sondern dieser kann sein persönliches Leben frei gestalten. Der Beirat ist unter Vorbehalt der Geschäfte der Vermögensverwaltung, die er im Falle der Verwaltungsbeiratschaft anstelle des Verbeirateten zu besorgen hat (
BGE 80 II 17
/18), nicht dessen gesetzlicher Vertreter und kann dem Verbeirateten keine Weisungen erteilen und auf ihn keinerlei Zwang ausüben. Er ist im Unterscheid zum Vormund (
Art. 406 ZGB
) insbesondere nicht befugt, den Schutzbefohlenen mit Zustimmung der Vormundschaftsbehörde
BGE 96 II 369 S. 374
(
Art. 421 Ziff. 13 ZGB
) nötigenfalls in eine Anstalt unterzubringen oder die Fortsetzung einer notwendigen ambulanten Behandlung anzuordnen.
Hieraus folgt aber entgegen der vom Bundesgericht bisher vertretenen Auffassung nicht, dass die Beiratschaft überhaupt keine persönliche Fürsorge gewähren könne. Solche Fürsorge ist auch gegenüber Personen möglich, die im persönlichen Bereich in ihrer Handlungsfähigkeit nicht eingeschränkt sind. Auch ein vormundschaftliches Organ, dem keine Zwangsmittel zu Gebote stehen, kann den Schutzbefohlenen wenigstens dann, wenn dieser sich nicht von vornherein ablehnend verhält, in einem gewissen Masse persönlich betreuen, indem es sich um sein Wohlergehen kümmert, ihn nötigenfalls berät oder ermahnt und auf allfällige Anzeichen einer ungünstigen Entwicklung achtet, die weitere Massnahmen nötig machen könnten. Auf die Möglichkeit einer solchen Betreuung hat schon GUHL (ZBJV 1940 S. 523) bei Besprechung des die Verbeiratung eines Trinkers aufhebenden EntscheidesBGE 65 II 141ff. hingewiesen, indem er der - von ihm als "etwas zu theoretisch" bezeichneten - Auffassung des Bundesgerichts, die Beiratschaft vermöge persönliche Fürsorge nicht zu verschaffen, mit der Bemerkung entgegentrat, nach der Lebenserfahrung könne doch auch ein Beirat, wenn er das Herz auf dem rechten Fleck habe und eine Persönlichkeit sei, auf den unter Beiratschaft stehenden Trinker einen heilsamen Einfluss ausüben. EGGER (N. 20 zu
Art. 395 ZGB
) bemerkt darüber hinaus zutreffend, eine umsichtige Wahrung der vermögensrechtlichen Interessen sei oft gar nicht möglich, ohne dass der Beirat sich auch um die persönliche Lebensführung und das persönliche Wohlergehen seines Schützlings kümmert. Damit der Beirat zum Beispiel entscheiden kann, ob er bei einer unter
Art. 395 Abs. 1 ZGB
fallenden Rechtshandlung mitwirken oder sie verhindern soll, muss er auch die Anliegen des Verbeirateten kennen, die unter Umständen für den Entscheid massgebend sein können. Aber auch die Vermögensverwaltung im Sinne von
Art. 395 Abs. 2 ZGB
kann häufig nicht losgelöst von den persönlichen Verhältnissen des Schützlings erfolgen, sondern ist wie der Entscheid über die Mitwirkung im Sinne von Art. 395 Abs. 1 auf diese Verhältnisse, die davon beeinflusst werden können, abzustimmen. Der tiefere Grund dafür, dass mit der dem Beirat obliegenden Sorge für das Vermögen auch eine gewisse Betreuung der Person des
BGE 96 II 369 S. 375
Schutzbefohlenen einhergehen muss, liegt darin, dass das Bedürfnis nach einem Schutz auf wirtschaftlichem Gebiet, das eine Beschränkung der Handlungsfähigkeit auf diesem Gebiet fordert, letztlich in der Person des Schützlings wurzelt (vgl. B. SCHNYDER, Die Stufenfolge der vormundschaftlichen Massnahmen und die Verhältnismässigkeit des Eingriffes, ZBJV 1969 S. 268 ff., 279).
e) Ist eine persönliche Fürsorge des Beirates für den Verbeirateten in vielen Fällen nicht bloss möglich und sinnvoll, sondern mit der wirtschaftlichen Fürsorge notwendig verbunden, so ist zuzulassen, dass dem Beirat auf dem Gebiete der persönlichen Fürsorge auch Aufgaben übertragen werden, die mit der Mitwirkung und mit der Vermögensverwaltung im Sinne von
Art. 395 ZGB
nicht unmittelbar zusammenhängen, sofern er diese Aufgaben erfüllen kann, obwohl ihm in diesem Bereich keine Zwangsmittel zur Verfügung stehen. Diese Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Beiratschaft, die erst in einem späten Stadium der gesetzgeberischen Arbeit in das ZGB aufgenommen und dabei mangelhaft geregelt wurde (vgl. lit. d hievor und
BGE 82 II 211
/12), wird durch den Gesetzeswortlaut nicht ausgeschlossen, sondern durch die allgemein gehaltene Funktionsbezeichnung "Beirat", "conseil légal", "assistente" gedeckt. Sie erlaubt es, in Fällen, wo die persönliche Betreuung über das mit der wirtschaftlichen Fürsorge im Sinne von
Art. 395 ZGB
notwendigerweise verbundene Mass hinausgehen muss, eine Beschränkung der Handlungsfähigkeit im persönlichen Bereiche aber nicht notwendig ist, vom schweren Eingriff der Entmündigung abzusehen und so vermehrt dem Grundsatze Rechnung zu tragen, dass die Entmündigung nur dann am Platze ist, wenn nicht leichtere Massnahmen zum Ziele führen (
BGE 69 II 19
E. 3; EGGER N. 26 zu
Art. 369 ZGB
; SCHNYDER a.a.O.; vgl. auch
BGE 96 II 78
lit. d mit Hinweisen, wonach die elterliche Gewalt nur entzogen werden darf, wenn mildere Massnahmen nicht ausreichen).
f) Die Handlungsfähigkeit der Beklagten aufwirtschaftlichem Gebiet im Sinne von
Art. 395 Abs. 1 und 2 ZGB
zu beschränken, ist notwendig, obwohl die Beklagte in Zeiten der Remission die in Frage stehenden Angelegenheiten selbst besorgen könnte. Anders lässt sich nicht verhüten, dass ihr Vermögen beim unverhofften Eintritt einer neuen Störung durch unsinnige Verfügungen, wie sie dann erfahrungsgemäss zu befürchten sind, gefährdet
BGE 96 II 369 S. 376
wird. Ihre Handlungsfähigkeit in einem weitern als dem in
Art. 395 ZGB
vorgesehenen Masse zu beschränken, ist dagegen nicht geboten. Bei einem neuen Krankheitsschub kann sich zwar wie bei frühern Schüben die Unterbringung in eine Heilanstalt, die ein Beirat nicht anordnen kann, als nötig erweisen. Auch ein Vormund würde aber diese Massnahme kaum von sich aus treffen. Abgesehen davon, dass für die Unterbringung eines Bevormundeten in eine Heilanstalt nach
Art. 421 Ziff. 13 ZGB
die Zustimmung der Vormundschaftsbehörde erforderlich ist, um die der Vormund womöglich zum voraus, bei Dringlichkeit der Massnahme sofort nach der Einweisung nachzusuchen hat (EGGER N. 18 zu
Art. 406 ZGB
), wird in solchen Fällen gewöhnlich ein Arzt beigezogen, der die Einweisung selbständig verfügen kann ... Dieser Weg steht einem Beirat so gut wie einem Vormund offen. Ein Beirat ist auch ebensogut wie ein Vormund in der Lage, auf Anzeichen einer beginnenden Störung zu achten, wenn ihm aufgetragen wird, sich nicht bloss im Zusammenhang mit der ihm nach
Art. 395 ZGB
auf wirtschaftlichem Gebiet obliegenden Tätigkeit (die sich bei der Beklagten angesichts ihres bescheidenen Vermögens voraussichtlich in einem engen Rahmen halten wird), sondern in ähnlichem Umfange wie ein Vormund um das persönliche Wohl des Schützlings zu kümmern. Der Beirat einer latent geisteskranken Person, die der ärztlichen Kontrolle und Behandlung bedarf, kann und soll sich namentlich auch mit dem behandelnden Arzte in Verbindung setzen, damit dieser ihn benachrichtige, falls die betreffende Person Anzeichen eines neuen Schubes zeigen oder die Behandlung grundlos abbrechen sollte. Alle diese Vorkehren kann der Beirat treffen, obwohl er nicht über Zwangsmittel verfügt und unter Vorbehalt von
Art. 395 Abs. 2 ZGB
nicht gesetzlicher Vertreter des Schützlings ist. Bessere Gewähr dafür, dass die Beklagte beim Eintritt eines neuen Krankheitsschubes rechtzeitig interniert und jede Fehlhandlung der Beklagten vermieden wird, kann auch die Betreuung durch einen Vormund nicht bieten; waren doch sogar die Familienangehörigen der Beklagten, die täglich um sie waren, nicht in der Lage, den Selbstmordversuch von Jahre 1958 und die im September 1966 unternommene Reise nach Amerika zu verhindern.
Für die Anordnung einer Vormundschaft besteht also bei der Beklagten kein genügender Grund. Diese Massnahme würde
BGE 96 II 369 S. 377
sie unnötig hart treffen und wäre geeignet, ihre berufliche Stellung am neuen Arbeitsplatz zu gefährden. Anstelle einer Vormundschaft ist daher eine Mitwirkungs- und Verwaltungsbeiratschaft zu errichten. Zu der eventuell beantragten Rückweisung besteht kein Anlass.
2.
Kosten und Entschädigungen sind nicht zu sprechen. Der teilweise unterlegenen Vormundschaftsbehörde könnten nach
Art. 156 Abs. 2 OG
ohnehin keine Gerichtskosten auferlegt werden. Anderseits ist davon abzusehen, der Beklagten in Anwendung von
Art. 159 OG
(der in seiner Fassung gemäss Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 nicht mehr auf
Art. 156 Abs. 2 OG
verweist) eine Parteientschädigung zuzusprechen, da sie mit ihrer Berufung nur teilweise obsiegt hat. | public_law | nan | de | 1,970 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
19b7c6f0-6d97-4177-af89-c1159f27fffc | Urteilskopf
85 III 6
2. Entscheid vom 19. Februar 1959 i.S. Mosimann. | Regeste
Rechtsverweigerung, die jederzeit der Beschwerde unterliegt (
Art. 17 Abs. 3 SchKG
), oder Verfügung, die nur binnen zehn Tagen seit der Kenntnisnahme anfechtbar ist (
Art. 17 Abs. 2 SchKG
)?
Wenn das Betreibungsamt die vom Schuldner behauptete Erhebung oder Ergänzung eines Rechtsvorschlages (im vorliegenden Fall: gemäss
Art. 265 Abs. 3 SchKG
) verneint und es daher ausdrücklich ablehnt, die behauptete Erklärung zu berücksichtigen, liegt eine Verfügung vor, die nach Ablauf von zehn Tagen seit der Kenntnisnahme nicht mehr angefochten werden kann. Genügende Kenntnisgabe dieser Stellungnahme des Amtes in den Erwägungen eines Rechtsöffnungsentscheides. | Sachverhalt
ab Seite 7
BGE 85 III 6 S. 7
A.-
Ernst Mosimann, über den in den Jahren 1951-1953 ein Konkursverfahren durchgeführt worden war, wurde mit dem Zahlungsbefehl Nr. 76262 des Betreibungsamtes Bern 1 für eine vor dem Konkurs entstandene Forderung von Fr. 10'000.-- nebst Zins betrieben. Der Zahlungsbefehl wurde am 10. Oktober 1958 der Ehefrau des Schuldners zugestellt. Diese erhob Rechtsvorschlag ohne Begründung mit den Worten "erhebe Rechtsvorschlag". Der Gläubiger, dem das Zahlungsbefehlsdoppel mit entsprechendem Vermerk übermittelt wurde, verlangte die provisorische Rechtsöffnung. Er bemerkte auf Seite 3 des Gesuches: "Wiewohl die vorliegende Forderung des Gesuchstellers gegenüber dem Gesuchsgegner aus der Zeit vor der Konkurseröffnung über den letzteren stammt und im Konkurs nicht eingegeben wurde, ist die Frage des neuen Vermögens unerheblich, da der Schuldner seinen Rechtsvorschlag nicht begründet hat (
BGE 45 III 232
ff.)." Dazu liess sich der Schuldner vernehmen wie folgt: Er habe am 13. Oktober persönlich auf dem Konkursamt vorgesprochen und erklärt, er sei als Konkursit zu keinem neuen Vermögen gekommen und erhebe in diesem Sinne Rechtsvorschlag. Der Beamte habe ihm versprochen, den Rechtsvorschlagsvermerk demgemäss zu ergänzen, und den von ihm - dem Schuldner - mitgebrachten Zahlungsbefehl zurückbehalten. Mit Rücksicht auf diese Vorbringen holte der Richter einen Bericht des Betreibungsamtes ein. Daraus ergab sich, dass sich das Schuldnerexemplar des Zahlungsbefehles tatsächlich in Händen des Betreibungsamtes befand. Dieses führte jedoch aus, die Darstellung des Schuldners könne nicht richtig sein: "Es ist einfach nicht denkbar, dass Angestellte unseres Amtes einem Schuldner versprechen würden, einen Rechtsvorschlag mit der Konkursiteneinrede zu ergänzen." Ein Schuldner werde jeweils angewiesen, die Bemerkung in bezug auf den Rechtsvorschlag schriftlich zu tun, oder aber es werde auf sein Verlangen die Rechtsvorschlagsbemerkung geschrieben und ihm zur unterschriftlichen Bestätigung vorgelegt. Da hier weder das eine noch das
BGE 85 III 6 S. 8
andere zutraf, erklärte der Richter auf Seite 2 des die provisorische Rechtsöffnung für den Kapitalbetrag von Fr. 10'000.-- erteilenden Entscheides vom 18. Dezember 1958, die nachträgliche Einrede des mangelnden neuen Vermögens könne nicht gehört werden. Die Appellation des Schuldners gegen diesen am 6. Januar 1959 zugestellten Rechtsöffnungsentscheid war erfolglos.
B.-
Am 19. Januar 1959 führte der Schuldner gegen das Betreibungsamt Bern 1 Beschwerde mit dem Antrag auf Aufhebung des Zahlungsbefehls, eventuell auf Feststellung, dass er den Rechtsvorschlag rechtzeitig ergänzt habe mit der mündlichen Erklärung, er sei zu keinem neuen Vermögen gelangt, was das Betreibungsamt zu berücksichtigen habe. Er warf dem Amte Rechtsverweigerung vor und bot Zeugenbeweis für die behauptete Ergänzung des Rechtsvorschlages an.
C.-
Die kantonale Aufsichtsbehörde ist mit Entscheid vom 2. Februar 1959 auf die Beschwerde nicht eingetreten. Sie verneinte die vom Schuldner behauptete Rechtsverweigerung und wies darauf hin, der Schuldner habe schon aus den Angaben des ihm zur Beantwortung zugestellten Rechtsöffnungsgesuches vom 8. Dezember 1958 ersehen können, dass das Betreibungsamt nur einen einfachen Rechtsvorschlag als erfolgt betrachtet und dem Gläubiger mitgeteilt hatte. Von diesem Zeitpunkt an sei die Beschwerdefrist gelaufen; der Schuldner habe sie versäumt.
D.-
Mit vorliegendem Rekurs hält der Schuldner an der Beschwerde und an der Rüge der Rechtsverweigerung fest. Er beantragt die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zur Durchführung der von ihm verlangten Beweismassnahmen und zur materiellen Entscheidung.
Erwägungen
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
Art. 17 SchKG
unterstellt die Verfügungen des Betreibungsamtes der Anfechtung durch Beschwerde binnen zehn Tagen, seitdem sie dem Betroffenen zur Kenntnis gelangt
BGE 85 III 6 S. 9
sind. Wegen Rechtsverweigerung oder Rechtsverzögerung kann nach Abs. 3 daselbst jederzeit Beschwerde geführt werden.
Als Verfügungen, die binnen zehn Tagen seit Kenntnisnahme angefochten werden müssen, sofern sie nicht in Rechtskraft treten sollen, sind nicht bloss die vom Betreibungsamt getroffenen Anordnungen und Massnahmen anzusehen, sondern es gilt als Verfügung auch die Ablehnung einer von Beteiligten verlangten oder sonstwie in Betracht kommenden Anordnung oder Massnahme, sofern die Ablehnung ausdrücklich ausgesprochen wird oder sich aus dem Vorgehen des Betreibungsamtes unzweifelhaft ergibt (vgl.
BGE 73 III 146
und 154,
BGE 75 III 81
ff.). Mit der eindeutigen Ablehnung aus bestimmten Gründen hat das Betreibungsamt eine Entscheidung getroffen, was den Vorwurf der Rechtsverweigerung ausschliesst und nur noch die Anfechtung wegen sachlicher Unrichtigkeit (Gesetzwidrigkeit oder Unangemessenheit) offen lässt, wobei sich der Betroffene an die Beschwerdefrist von zehn Tagen zu halten hat (vgl. auchBGE 79 III 166). Freilich stellt selbst eine ausdrückliche Ablehnung nicht in jedem Fall eine der Rechtskraft fähige Sachentscheidung dar. Stützt sie sich auf gar keine oder jedenfalls auf keine sachlichen Gründe, so bleibt die Rechtsverweigerung bestehen (vgl.
BGE 77 III 85
,
BGE 80 III 135
).
Im vorliegenden Falle behauptet der Schuldner, den Rechtsvorschlag drei Tage nach Zustellung des Zahlungsbefehls mündlich auf dem Betreibungsamt im Sinne der Einrede nach
Art. 265 Abs. 3 SchKG
ergänzt zu haben, die nach der Rechtsprechung ausdrücklich im Rechtsvorschlag erhoben werden muss (
BGE 45 III 232
ff.; siehe auchBGE 71 I 225), worauf im Zahlungsbefehl ausdrücklich hingewiesen wird. In den Akten des Betreibungsamtes findet sich keine Spur einer solchen Erklärung vor. Das Amt will von der behaupteten Erklärung auch nichts wissen und verneint die vom Schuldner behauptete Zusicherung eines Beamten oder Angestellten. Diese Frage ist
BGE 85 III 6 S. 10
indessen zwischen dem Schuldner und dem Betreibungsamt vor dem Rechtsöffnungsverfahren nicht erörtert worden. Im Rechtsöffnungsgesuch berief sich der Gläubiger dann freilich auf den einfachen Rechtsvorschlag, wie er in dem für ihn bestimmten Doppel des Zahlungsbefehls vermerkt worden war. Da das diese Angabe enthaltende Rechtsöffnungsgesuch dem Schuldner zur Beantwortung zugestellt wurde, nimmt die Vorinstanz an, der Schuldner habe daraus ersehen müssen, dass das Betreibungsamt die von ihm wirklich oder vermeintlich erklärte Ergänzung des Rechtsvorschlages nicht berücksichtigen wolle, und daher bereits von diesem Zeitpunkt an Grund zur Beschwerde gehabt. Eine solche Betrachtungsweise erscheint jedoch nicht hinreichend begründet, da bis dahin keine Äusserung des Betreibungsamtes zu dem vom Schuldner behaupteten Sachverhalte vorlag. Selbst wenn der Schuldner jene Angaben des Rechtsöffnungsgesuches als verlässlich betrachten durfte und nicht mit einer nachträglich erfolgten Mitteilung der in Frage stehenden Ergänzung des Rechtsvorschlages an den Gläubiger zu rechnen hatte, kam vorerst auch eine bloss versehentliche Unterlassung des Amtes in Frage. Es ist daher dem Schuldner zugute zu halten, dass er sich einstweilen damit begnügen zu dürfen glaubte, seinen Standpunkt in der Beantwortung des Rechtsöffnungsgesuches darzulegen.
Dem am 6. Januar 1959 mit der Begründung eröffneten erstinstanzlichen Rechtsöffnungsentscheid war dann aber zu entnehmen, dass das Betreibungsamt in dem vom Richter eingeholten Bericht die Sachdarstellung des Schuldners aufs entschiedenste bestritten und als mit den Gepflogenheiten des Amtes unvereinbar bezeichnet hatte. Darin lag eine eindeutige Ablehnung der vom Schuldner gewünschten Berücksichtigung der Einrede des fehlenden Vermögens, und zwar aus dem sachlichen Grunde, dass entgegen seiner Darstellung der Rechtsvorschlag nicht binnen gesetzlicher Frist in solchem Sinn ergänzt worden sei. Das war eine Verfügung, die binnen zehn Tagen, seitdem sie dem Schuldner zur Kenntnis gelangt worden war, also spätestens am
BGE 85 III 6 S. 11
16. Januar 1959 hätte durch Beschwerde angefochten werden müssen, was nicht geschehen ist.
Art. 17 Abs. 2 SchKG
lässt die Beschwerdefrist mit der Kenntnisnahme in Lauf kommen, setzt also keine förmliche Eröffnung der Verfügung an den Betroffenen durch das Betreibungsamt voraus (sofern eine solche Eröffnung nicht besonders vorgeschrieben ist, vgl.
BGE 38 I 307
= Sep.-Ausg. 15 S. 126;
BGE 65 III 70
). Allerdings ist der Rechtskraft nur eine dem Betroffenen mit hinreichender Gewissheit und Genauigkeit zur Kenntnis gelangte Verfügung fähig. Dieser Anforderung genügt aber die Wiedergabe der Stellungnahme des Betreibungsamtes in den Erwägungen des erstinstanzlichen Rechtsöffnungsentscheides vollauf. Ja, diese Art der Kenntnisgabe in einem gerichtlichen Zwischenverfahren der Schuldbetreibung kam einer Eröffnung durch das Betreibungsamt selbst gleich.
Dispositiv
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird abgewiesen. | null | nan | de | 1,959 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
19bd88a9-876a-4cf1-a8b3-0860339a3de1 | Urteilskopf
117 Ib 248
32. Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 27. September 1991 i.S. Eidgenössische Steuerverwaltung gegen X-Bank, Kantonales Steueramt Zürich und Bundessteuer-Rekurskommission des Kantons Zürich (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Art. 49 Abs. 1 lit. b und 52 Abs. 2 BdBSt, Art. 7 des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Schweiz und Frankreich vom 9. September 1966 sowie
Art. 41ter Abs. 5 lit. a BV
; Ausscheidung des auf die schweizerische Betriebsstätte einer französischen Bank entfallenden Kapitals und Ertrags.
Grundsätze und Methoden der Veranlagung für die direkte Bundessteuer bei der schweizerischen Betriebsstätte einer ausländischen Unternehmung (E. 1 und 3).
Abgrenzung von Sachverhaltsfeststellung und Rechtsfrage (E. 2).
Es verstösst nicht gegen Bundesrecht, den Kapital- und Ertragsanteil der schweizerischen Betriebsstätte, bei gleichzeitiger direkter Ermittlung der massgeblichen Beträge gestützt auf die Buchhaltung, als Quote der entsprechenden Gesamtfaktoren der ausländischen Unternehmung auszuscheiden (E. 4).
Für die Kapitalstruktur einer ausländischen Bank in der Schweiz ist das entsprechende ausländische Recht und nicht das schweizerische Bankenrecht massgeblich. Es verletzt daher Bundesrecht nicht, das unverzinsliche Eigenkapital und die darauf vergüteten Zinsen nicht gemäss den strengeren Minimalvorschriften, die für schweizerische Banken gelten, aufzurechnen (E. 5).
Der Reingewinn wurde auch nicht durch kalkulatorische Zinsen zum Nachteil des Fiskus zu niedrig ausgewiesen (E. 6). | Sachverhalt
ab Seite 250
BGE 117 Ib 248 S. 250
Die X-Bank, international tätige Bankunternehmung in Form einer Aktiengesellschaft französischen Rechts mit Sitz in Frankreich, wird für Kapital und Ertrag ihrer schweizerischen Betriebsstätten zur direkten Bundessteuer (früher: Wehrsteuer) in Zürich veranlagt, wo sie mit einer Zweigniederlassung im Handelsregister eingetragen ist.
Seit 1973 richtete sich die Veranlagung nach einem Anteil an dem nach dem schweizerischen Steuerrecht bestimmten Gesamtreingewinn und Gesamtkapital, der anhand der für die schweizerischen Betriebsstätten gesondert geführten Buchhaltung ausgeschieden wurde.
Am 1. Juli 1984 trat die Verordnung der Eidgenössischen Bankenkommission vom 22. März 1984 über die ausländischen Banken in der Schweiz (Auslandbankenverordnung, ABV; SR 952.111) in Kraft. Von diesem Zeitpunkt an galten für die schweizerischen Betriebsstätten der X-Bank nicht länger die schweizerischen Eigenmittelvorschriften, sondern nur noch die bedeutend weniger strengen Vorschriften des französischen Bankenrechts (
Art. 2 ABV
). Die Unternehmung nützte diese Rechtsänderung dazu, ihr unverzinstes Eigenkapital in den Büchern der schweizerischen Zweigniederlassung bei steigenden Gesamtaktiven unverändert beizubehalten (sogenanntes Dotationskapital), das heisst relativ zu kürzen (1983 4.0%, 1984 4.1%, 1985 3.1% und 1986 3.2% der Aktiven).
Die zuständige Einschätzungsabteilung 4 des kantonalen Steueramts Zürich erliess am 7. Januar 1985 eine Weisung, wonach im Regelfall das unverzinsliche Dotationskapital der schweizerischen Betriebsstätten ausländischer Banken weiterhin mindestens 8% ihrer Gesamtaktiven (entsprechend der durchschnittlich vorgeschriebenen Unterlegung von Aktiven der Inlandbanken) betragen müsse.
Diese Weisung wandte der Steuerkommissär auch bei der Veranlagung der X-Bank zur direkten Bundessteuer 1985/86 und
BGE 117 Ib 248 S. 251
1987/88 vom 17. Juli 1989 an; folgerichtig nahm er entsprechende Aufrechnungen des unverzinslichen Dotationskapitals bei der Veranlagung des steuerbaren Kapitals und der darauf vergüteten Zinsen (zu 4.03%) bei der Veranlagung des steuerbaren Ertrags vor.
Eine Einsprache der X-Bank in diesem Punkt blieb erfolglos.
Am 21. Dezember 1989 erhob die X-Bank gegen die Einspracheentscheide für beide Perioden Beschwerde bei der Bundessteuer-Rekurskommission des Kantons Zürich.
Diese entsprach mit Entscheid vom 4. Juli 1990 im wesentlichen den Beschwerdebegehren, wobei sie die in der Vernehmlassung des Steuerkommissärs unbedeutend abweichenden, von der Pflichtigen nicht bestrittenen Zahlen übernahm.
Gegen den Entscheid der Bundessteuer-Rekurskommission, der ihr am 18. September 1990 zugestellt wurde, erhob die Eidgenössische Steuerverwaltung am 18. Oktober 1990 Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht. Sie beantragt, den Entscheid aufzuheben und die Sache zwecks neuer Veranlagung im Sinne der Erwägungen an das kantonale Steueramt zurückzuweisen. Zur Begründung führt sie im wesentlichen aus, die X-Bank sei vom objektmässig ausgeschiedenen Ertrag und Kapital ihrer schweizerischen Betriebsstätten zu besteuern, wobei davon auszugehen sei, dass das Eigenkapital rechnerisch mindestens 8-10% der Aktiven betrage. Die Veranlagung von Kapital und Ertrag (aufgrund des entsprechenden Zinsgewinns) sei in diesem Sinne zu korrigieren.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
a) Nach Art. 3 Ziff. 3 lit. d des Bundesratsbeschlusses vom 9. Dezember 1940 über die Erhebung einer direkten Bundessteuer (BdBSt, SR 642.11) sind unter anderem steuerpflichtig ausländische juristische Personen, die in der Schweiz Betriebsstätten unterhalten. Gegenstand, Bemessung und Berechnung der Steuer richten sich nach
Art. 48 ff. BdBSt
. Gemäss
Art. 52 Abs. 1 BdBSt
werden juristische Personen des ausländischen Rechts denjenigen inländischen Steuerpflichtigen gleichgestellt, mit denen sie nach ihrer rechtlichen Natur und tatsächlichen Gestalt die meiste Ähnlichkeit haben.
Die Beschwerdegegnerin wickelt einen Teil ihres Bankgeschäfts in schweizerischen Betriebsstätten ab, weshalb sie der direkten Bundessteuer nach
Art. 48 ff. BdBSt
unterliegt. Als Aktiengesellschaft
BGE 117 Ib 248 S. 252
französischen Rechts ist sie den schweizerischen Aktiengesellschaften, mit denen sie nach ihrer rechtlichen Natur und tatsächlichen Gestalt die meiste Ähnlichkeit aufweist, gleichgestellt.
b) Die Steuerpflicht der Beschwerdegegnerin ist, wie die aller anderen in
Art. 3 Ziff. 3 BdBSt
aufgeführten ausländischen natürlichen oder juristischen Personen, die infolge sogenannter wirtschaftlicher Zugehörigkeit besteuert werden, beschränkt auf den Gewinn beziehungsweise Ertrag ihrer schweizerischen Betriebsstätten und das in diesen Betriebsstätten investierte Vermögen beziehungsweise Kapital. Das ergibt sich nicht nur aus den einschlägigen Bestimmungen der Steuergesetzgebung, sondern auch aus dem System des Gesetzes und den Grundsätzen des schweizerischen Steuerrechts, die dem Gesetz zugrunde liegen und nur die Besteuerung derjenigen Gegenstände erlauben, die der schweizerischen Gebietshoheit unterworfen sind (BLUMENSTEIN, System des Steuerrechts, 1971, S. 53, vgl. auch S. 105; RIVIER, Droit fiscal suisse, Le droit fiscal international, 1983, S. 79, Ziff. 3; HÖHN, Doppelbesteuerungsrecht, 1973, S. 26, N. 3; WIDMER, Zuteilung und Besteuerung der Unternehmensgewinne bei Betriebsstätten, in: Höhn [Hrsg.], Handbuch des internationalen Steuerrechts der Schweiz, 1984, S. 235; KÄNZIG, Wehrsteuer, 2. Aufl. 1982, N. 2 und 13 zu Art. 3).
Indessen fragt sich, wie Kapital und Ertrag der schweizerischen Betriebsstätten steuerrechtlich ausgeschieden werden sollen. Dabei ist nicht von vornherein ausgeschlossen, dass auf die Ergebnisse der Gesamtunternehmung Bezug genommen wird.
2.
a) Die Beschwerdegegnerin wendet vorweg ein, dass für ein Abweichen von den von der Vorinstanz ermittelten Gesamtfaktoren kein Raum mehr bleibe. Sie begründet dies damit, dass die Eidgenössische Steuerverwaltung die von der Rekurskommission festgestellten Gesamtfaktoren (Ertrag und Kapital) ihrer internationalen (französischen) Unternehmung bestreite. Diese Ermittlung gehöre zur Sachverhaltsfeststellung der Rekurskommission, an welche das Bundesgericht gebunden sei.
Das Bundesgericht kann die Feststellung des Sachverhaltes auf entsprechende Rüge hin oder von Amtes wegen mit freier Kognition überprüfen (Art. 104 lit. b in Verbindung mit
Art. 105 Abs. 1 OG
). Die Feststellung des Sachverhaltes bindet das Bundesgericht jedoch dann, wenn wie im vorliegenden Fall eine verwaltungsunabhängige Rekurskommission entschieden hat und diese
BGE 117 Ib 248 S. 253
den Sachverhalt nicht offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt hat (
Art. 105 Abs. 2 OG
).
b) Nach welcher Methode die Beschwerdegegnerin zu besteuern ist beziehungsweise der in der Schweiz steuerbare Anteil am Gesamtertrag und Gesamtkapital ausgeschieden werden muss, ist eine Rechtsfrage. Das Bundesgericht hat die Anwendung des öffentlichen Bundesrechts, das die Frage regelt, auf Verwaltungsgerichtsbeschwerde hin frei und ohne Bindung an die Begründung der Parteien zu prüfen (
Art. 104 lit. a und
Art. 114 Abs. 1 OG
).
Dasselbe gilt für die Frage, ob und inwiefern das öffentliche Recht des Bundes, insbesondere das Bundessteuerrecht, verlangt, dass bei der Ermittlung des für die Veranlagung massgeblichen Ertrags und Kapitals die Buchhaltungswerte rechnerisch zu korrigieren sind.
Sachverhaltsfrage ist in diesem Zusammenhang nur, welche Grössen für die rechtlich massgebenden Werte den Büchern der Beschwerdegegnerin zu entnehmen sind; nur insofern ist das Bundesgericht an Feststellungen der Vorinstanz - mit den Einschränkungen des
Art. 105 Abs. 2 OG
- gebunden. Diese Werte als solche zweifelt die Eidgenössische Steuerverwaltung indes nicht an. Sie wirft einzig die erwähnten Rechtsfragen auf und zieht aus deren abweichender Beantwortung den Schluss, dass notwendige Sachverhaltsfeststellungen weder von der Vorinstanz noch von der Veranlagungsbehörde getroffen worden seien.
3.
a) Grundsätzlich stehen für die steuerrechtliche Ausscheidung von Kapital und Ertrag schweizerischer Betriebsstätten einer ausländischen Unternehmung verschiedene Methoden zur Verfügung. Nach der sogenannten objektmässigen Besteuerung werden Kapital und Ertrag für die Zweigniederlassung unabhängig von den Gesamtfaktoren der ausländischen Unternehmung errechnet; dieser - im internationalen Doppelbesteuerungsrecht auch direkt genannten - Methode liegt letztlich die Fiktion der Selbständigkeit der (unselbständigen) Betriebsstätten zugrunde, welche demnach rechnerisch wie eine selbständige Gesellschaft behandelt werden (WIDMER, a.a.O., S. 226 ff.). Bei der quotenmässigen - beziehungsweise im internationalen Doppelbesteuerungsrecht als indirekt bezeichneten - Besteuerung hingegen werden Kapital- und Ertragsanteil der schweizerischen Niederlassung im Verhältnis zur Gesamtunternehmung veranlagt (vgl.
BGE 73 I 200
E. 3;
BGE 103 Ia 237
/8 E. 4a).
BGE 117 Ib 248 S. 254
Auch für die Berechnung der massgeblichen Zahlenwerte bei einer quotenmässigen Besteuerung lassen sich zwei grundsätzliche Vorgehensweisen unterscheiden: Bei der sogenannten direkten Methode, die nicht mit der objektmässigen Besteuerung zu verwechseln ist, wird zur Berechnung des Anteils am Ergebnis der Gesamtunternehmung unmittelbar auf die für die einzelnen Betriebsstätten gesondert geführte Buchhaltung abgestellt. Bei der indirekten Methode hingegen werden die massgeblichen Werte aufgrund von Hilfsfaktoren (wie Umsatz, lokalisierten Anlagen oder Löhnen u.a.) ermittelt (
BGE 103 Ia 238
; KÄNZIG, Wehrsteuer, 1. Aufl. 1962, N. 7 ff. zu Art. 55; WIDMER, a.a.O., S. 240, N. 82.22, in Verbindung mit S. 236, N. 72.21).
Im vorliegenden Fall veranlagten die Vorinstanzen die Beschwerdegegnerin nach einer quotenmässigen Ausscheidungsmethode, wobei die schweizerischen Anteile an Reingewinn und Kapital direkt aus der Betriebsstättenbuchhaltung entwickelt wurden.
b) Die Beschwerdeführerin trägt vor, das Dotationskapital sowie der Reinertrag der schweizerischen Niederlassung der X-Bank seien nach für inländische Banken geltendem Recht aufzurechnen. Da der von der Vorinstanz angewandten Methode ein Gesamtergebnis zugrunde liege, das nicht nach schweizerischen Vorschriften ermittelt worden sei, sei sie abzulehnen. Einzig die objektmässige Besteuerung gewährleiste überprüfbare Werte und die Einhaltung der massgeblichen schweizerischen Gesetzgebung. Die Beschwerdegegnerin sei daher objektmässig zu besteuern.
Aus den Veranlagungszahlen, die im Einsprache- und Rekursentscheid ermittelt wurden beziehungsweise welche die Beschwerdegegnerin in ihrem Eventualantrag an das Bundesgericht vorträgt, ist ersichtlich, dass es der Beschwerdeführerin in erster Linie um die Aufrechnung von Eigenkapital und Reinertrag geht. Eine objektmässige Besteuerung ohne diese Aufrechnung brächte nämlich im wesentlichen nur die Auswirkung eines leicht verschiedenen Progressionssatzes und damit bloss geringfügig veränderte Steuerbeträge mit sich. Die nicht gänzlich klare Begründung der Beschwerdeführerin lässt sich allerdings so verstehen, dass diese von einem massgeblichen Zusammenhang zwischen beantragter Methode und Aufrechnung auszugehen scheint. Danach soll die Aufrechnung jedenfalls bei einer objektmässigen Besteuerung zwingend sein, und zwar wohl deshalb, weil diesfalls die Betriebsstätten steuerrechtlich wie eine selbständige (schweizerische)
BGE 117 Ib 248 S. 255
Gesellschaft zu behandeln wären, welche die entsprechende Kapitalstruktur vorzuweisen hätte.
Ein solcher Zusammenhang erscheint zwar als unsicher, ist aber nicht von vornherein völlig auszuschliessen. Die Frage nach der Rechtmässigkeit der von der Vorinstanz benützten Quotenmethode muss daher vorweg beantwortet werden. Sollte sie sich allerdings als bundesrechtmässig erweisen, wäre nur zu prüfen, wie es sich diesfalls mit der von der Beschwerdeführerin beantragten Aufrechnung verhielte, und nicht auch, was bei einer objektmässigen Besteuerung gelten würde.
4.
a) Unterhalten ausländische juristische Personen in der Schweiz Betriebsstätten, so wird gemäss
Art. 52 Abs. 2 BdBSt
der Teil der nach den Gesamtfaktoren berechneten Steuerbeträge bezogen, der dem Verhältnis der Faktoren des inländischen Betriebs zu den Faktoren des Gesamtbetriebs entspricht.
Die in dieser Bestimmung vorgesehene quotenmässige Besteuerung einer ausländischen Unternehmung mit Zweigniederlassung in der Schweiz entspricht der Ausscheidung, die das Bundesgericht in ständiger Praxis in Anwendung von
Art. 46 Abs. 2 BV
den Kantonen für das interkantonale Verhältnis vorschreibt. Sie stimmt auch mit
Art. 55 Abs. 1 BdBSt
überein, wonach für schweizerische Kapitalgesellschaften mit ausländischen Niederlassungen ebenfalls die quotenmässige Ausscheidung gilt. Die Vorinstanz hat zutreffend erörtert, dass diese Methode mit den Vorschriften über die progressive Besteuerung des Unternehmungsertrags nach der Ertragsintensität oder Rendite (
Art. 57 Abs. 1-2 BdBSt
) harmoniert (vgl. auch ASA 21, 313).
b) Die quotenmässige Besteuerung ist im internationalen Verhältnis aus den von der Beschwerdeführerin angeführten Gründen oft mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden; dies ist vor allem deshalb der Fall, weil die Veranlagungsbehörden häufig nicht in der Lage sind, die ausländischen Bücher der Gesamtunternehmung zu prüfen und an ihrem Ergebnis die notwendigen steuerlichen Korrekturen (vollständig) vorzunehmen. In Doppelbesteuerungsabkommen herrscht daher die objektmässige Ausscheidung vor. Diese steht im OECD-Musterabkommen von 1977 im Vordergrund (Art. 7 Ziff. 2 des Abkommens; vgl. Rapport du Comité des Affaires Fiscales de l'OCDE, Modèle de convention de double imposition concernant le revenu et la fortune, Paris 1977, S. 29 und 76 f.). Auch das Bundesgericht hat sie schon als besser geeignet bezeichnet (vgl. insbesondere
BGE 73 I 200
E. 3 sowie Hinweis in
BGE 103 Ia 238
).
BGE 117 Ib 248 S. 256
Die Erfahrung, dass Schwierigkeiten bestehen können, von ausländischen juristischen Personen zuverlässige Unterlagen über die Gesamtfaktoren ihrer Unternehmung zu erhalten, und dass den schweizerischen Veranlagungsbehörden vor allem die Möglichkeit fehlt, solche Angaben über die Gesamtunternehmung nachzuprüfen, veranlasste die Eidgenössische Steuerverwaltung schon am 1. Juni 1960 zur Abfassung eines Kreisschreibens. Darin empfahl sie für alle diese Fälle, die der direkten Bundessteuer unterliegenden Faktoren (Reinertrag, Kapital) sollten ausgehend von den Büchern der schweizerischen Betriebsstätten objektmässig nach der direkten Methode im Sinne des internationalen Doppelbesteuerungsrechts ausgeschieden werden (ASA 28, 496 ff., insbesondere Ziff. 2a und f).
Das Bundesgericht hat das Vorgehen nach der Empfehlung dieses Kreisschreibens in zwei Fällen, in denen es um die Veranlagung von schweizerischen Betriebsstätten US-amerikanischer Gesellschaften ging, zwar gebilligt (ASA 43, 323 E. 1 sowie unveröffentlichtes Urteil vom 9. März 1979, erwähnt in: Die Praxis der Bundessteuern, Teil I: Die direkte Bundessteuer, Bd. 2, Art. 52 Nr. 8 [AGNER], sowie bei WIDMER, a.a.O., S. 236, N. 72.11). Indessen sind Kreisschreiben wie das im vorliegenden Fall in Frage stehende für die Steuerbehörden nicht verbindlich (
BGE 104 Ib 337
E. c mit Hinweis; vgl. auch PATRY, Le problème des directives de l'Administration fédérale des contributions, in: ASA 59, 23 ff., insbesondere S. 28); namentlich verletzen diese nicht deshalb Bundesrecht, weil sie bei der Veranlagung nach den gesetzlichen Bestimmungen zugunsten des Steuerpflichtigen von der Anwendung eines Kreisschreibens absehen.
c) Schon die Veranlagungsbehörde folgte im Falle der Beschwerdegegnerin der Empfehlung der Eidgenössischen Steuerverwaltung nicht. Sie tat dies seit mindestens 1973, ohne dass die Beschwerdeführerin sich je veranlasst sah, von ihren Befugnissen nach
Art. 94 BdBSt
Gebrauch zu machen, das heisst namentlich ihre Ermächtigung zur Eröffnung der Veranlagung zu versagen und eine objektmässige Ausscheidung zu verlangen. Die Beschwerdeführerin räumt im übrigen selber ein, dass es auch andere ausländische - insbesondere französische - Gesellschaften gibt, bei denen Ertrag und Kapital der schweizerischen Betriebsstätten quotenmässig ausgeschieden werden. Ferner vermag die Beschwerdeführerin nicht darzulegen, dass im vorliegenden Fall die für die Veranlagung erforderlichen Angaben über die ausländische
BGE 117 Ib 248 S. 257
Gesamtunternehmung nicht zu ermitteln seien, wie das zur Begründung der Notwendigkeit der objektmässigen Besteuerung grundsätzlich angeführt wird. Es ist daher nicht ersichtlich, weshalb im vorliegenden Fall die objektmässige Besteuerung die einzige rechtmässige sein soll.
d) Die Beschwerdeführerin beruft sich allerdings auch auf das Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Schweiz und Frankreich vom 9. September 1966 (DBA-F, SR 0.672.934.91). Sie befürchtet, die Ausscheidung einer Quote des Gesamtgewinns könnte in anderen Fällen zu einer höheren direkten Bundessteuer führen, als sie dem nach Art. 7 Ziff. 1-3 und 5-6 DBA-F objektmässig ausgeschiedenen Reinertrag und Kapital der schweizerischen Betriebsstätte entspricht.
Art. 7 Ziff. 2 DBA-F
bestimmt, dass der Betriebsstätte einer dem andern Vertragsstaate zugehörigen Unternehmung die Gewinne zuzurechnen sind, die sie hätten erzielen können, wenn sie eine gleiche oder ähnliche Tätigkeit unter gleichen oder ähnlichen Bedingungen als selbständige Unternehmung ausgeübt hätte und im Verkehr mit der Gesamtunternehmung völlig unabhängig gewesen wäre. Diese Bestimmung sieht demnach die objektmässige Besteuerung vor.
Art. 7 Ziff. 4 DBA-F
lässt jedoch die Ausscheidung einer der Betriebsstätte zuzurechnenden Quote der Gesamtgewinne ausdrücklich zu und schränkt nur ein, dass ihr Ergebnis mit den Grundsätzen dieses Artikels übereinstimmen muss.
Dies bedeutet namentlich, dass der steuerlichen Belastung einer Quote des Gesamtgewinns durch die Schweiz nach oben hin Grenzen gesetzt sind. Es heisst dagegen nicht, dass die quotenmässige Besteuerung von vornherein gegen das Doppelbesteuerungsabkommen mit Frankreich verstösst. Vielmehr wäre gegebenenfalls die Veranlagung auf das Mass zu reduzieren, das einer objektmässigen Ausscheidung entspricht, wenn eine quotenmässige Besteuerung zu einer höheren Steuerbelastung führen sollte. Das ergibt sich nicht nur aus dem zweiten Halbsatz von
Art. 7 Ziff. 4 DBA-F
, sondern auch aus der Natur der vom Bund geschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen. Diese sind zwar von den schweizerischen Veranlagungsbehörden unmittelbar anzuwenden, doch ergeben sich dadurch nur soweit Auswirkungen, als sie eine nach dem Landesrecht geschuldete direkte Bundessteuer ausschliessen (vgl.
BGE 110 Ib 135
E. 4;
BGE 82 I 4
E. 5a-b; HÖHN, Funktion, Begriff und Rechtsquellen des internationalen Steuerrechts, in: Höhn [Hrsg.], Handbuch des internationalen Steuerrechts der Schweiz,
BGE 117 Ib 248 S. 258
1984, S. 77 f., N. 24.2-3; BLUMENSTEIN, a.a.O., S. 101 und 105 ff.; RIVIER, a.a.O., S. 94 f.; WIDMER, a.a.O., S. 236, N. 72.13).
Die Beschwerdeführerin macht nicht geltend, dass im vorliegenden Fall das angefochtene Ausscheidungsergebnis gegen die Grundsätze von
Art. 7 DBA-F
verstosse. Dies ist auch nicht aus den Akten ersichtlich. Die angefochtene quotenmässige Besteuerung ist daher nicht abkommenswidrig, und es muss keine Korrektur nach der objektmässigen Methode vorgenommen werden.
e) Die Vorinstanz verletzte somit Bundesrecht nicht, indem sie sich an den Wortlaut von
Art. 52 Abs. 2 BdBSt
hielt und die Beschwerdegegnerin nach der quotenmässigen und nicht nach der objektmässigen Ausscheidungsmethode veranlagte.
5.
a) Die Beschwerdeführerin verlangt, dass gegenüber dem Saldo der kaufmännischen Gewinn- und Verlustrechnung und dem in der kaufmännischen Bilanz unter den Passiven ausgewiesenen Eigenkapital weitere Aufrechnungen zu machen sind. Dabei müsse von einer Eigenkapitalausstattung ausgegangen werden, welche den Vorschriften für schweizerische Banken entspreche.
b) Gemäss
Art. 2 ABV
gelten die Vorschriften des Bundesgesetzes vom 8. November 1934 über die Banken und Sparkassen (Bankengesetz, SR 952.0) über die Eigenmittel (insbesondere Art. 4 des Bankengesetzes) für die ausländischen Banken in der Schweiz nicht. Die Eigenkapitalausstattung richtet sich für diese demnach nach dem ausländischen (heimischen) Recht. Allenfalls profitieren somit ausländische Banken beziehungsweise ihre Zweigniederlassungen in der Schweiz von den weniger strengen Vorschriften des Staates, in denen die Gesamtunternehmung ihren Sitz hat. Dies ist bei der Beschwerdegegnerin der Fall, da das französische Recht hinsichtlich des Eigenkapitals weniger strenge Vorschriften aufstellt als die schweizerische Bankengesetzgebung.
c) Bei der Besteuerung sind zwar die ausländischen Gesellschaften den schweizerischen an sich gleichzustellen (
Art. 52 Abs. 1 BdBSt
). Das bedeutet auch, dass der Besteuerung von Betriebsstätten ausländischer Unternehmungen grundsätzlich die schweizerischen Rechtsnormen zugrunde zu legen sind. Gerade für die Eigenkapitalausstattung ausländischer Bankinstitute verweist jedoch die Auslandbankenverordnung wiederum auf das ausländische Recht. Die Anwendbarkeit des allenfalls weniger strengen ausländischen Rechts mag zwar unter Gesichtspunkten der Konkurrenz mit schweizerischen Banken als unbefriedigend erscheinen, ist aber die einzige logische Folgerung der
BGE 117 Ib 248 S. 259
schweizerischen Gesetzgebung. Wenn seit dem Inkrafttreten der heute gültigen Auslandbankenverordnung die für schweizerische Bankinstitute massgebliche Eigenmittelvorschrift für ausländische Unternehmungen nicht mehr gilt, haben davon auch die Steuerbehörden auszugehen.
Abgesehen davon wären auch dann, wenn eine (schweizerische) Gesellschaft die bankenrechtlichen Eigenmittelvorschriften verletzte, in erster Linie die dafür vorgesehenen Massnahmen der Bankenaufsicht zu ergreifen. Es erscheint als fraglich, ob es nach geltendem Bundessteuerrecht zulässig wäre, Eigenkapital zu besteuern, das der Bankunternehmung fehlt, beziehungsweise einen Zins auf solchem Kapital aufzurechnen.
d) Die Beschwerdeführerin erhebt ihre Forderung auch unter Hinweis auf
Art. 41ter Abs. 5 lit. a BV
, der nach ihrer Auffassung verletzt würde, wenn ausländische Banken mit einem nach schweizerischem Bankenrecht ungenügenden Eigenkapital durch Betriebsstätten im Inland schweizerische Banken konkurrenzieren könnten. Gemäss dieser Verfassungsbestimmung sind die juristischen Personen bei der vom Bund erhobenen direkten Steuer vom Reinertrag und Kapital ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform, nach Massgabe ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit möglichst gleichmässig zu belasten. Nach ihrem historischen Sinn zielt die Verfassungsbestimmung nicht auf ausländische, sondern auf nicht gewinnstrebige juristische Personen (HÖHN, in: Kommentar BV, Art. 41ter, Rz. 69 und 70). Allenfalls liesse sich daraus auch schliessen, dass ausländische Gesellschaften bei gleicher Leistungsfähigkeit in der direkten Bundessteuer nicht weniger belastet werden sollen als schweizerische.
Wie es sich damit verhält, kann jedoch offenbleiben. Der Beschluss über die direkte Bundessteuer enthält keine Bestimmung über das Verhältnis, das zwischen Eigenkapital (Grundkapital und Reserven) und Fremdkapital einer Aktiengesellschaft steuerlich bestehen müsste; insbesondere findet sich keine Norm, die im Rahmen einer verfassungsmässigen Auslegung erlauben würde, der direkten Bundessteuer ein nicht vorhandenes Eigenkapital zugrunde zu legen. Der Beschluss mag in dieser Hinsicht ein entsprechendes Verfassungsziel gegenüber ausländischen Gesellschaften nicht mit aller Konsequenz verfolgen. Er ist indes für das Bundesgericht verbindlich (
Art. 114bis Abs. 3 BV
).
e) Die Eidgenössische Steuerverwaltung bringt weiter vor, die Beschwerdegegnerin sei für die Steuerveranlagung als unterkapitalisiert
BGE 117 Ib 248 S. 260
zu betrachten. Da das Bundessteuerrecht ein minimales Eigenkapital nicht vorsieht, kann sich höchstens die Frage stellen, ob von den Aktionären (oder diesen nahestehenden Personen) gewährte, formell in der Bilanz als Fremdkapital erscheinende Darlehen bei wirtschaftlicher Betrachtung als (verdecktes) Eigenkapital zu behandeln seien. Die bundesgerichtliche Rechtsprechung nimmt dies nur an, falls die besonderen Voraussetzungen der Steuerumgehung gegeben sind (
BGE 109 Ia 100
E. b; ASA 55, 426 ff. E. 1 und 2c-d mit Hinweisen).
Wenn die Veranlagungsbehörden in diesem Zusammenhang die von der Beschwerdeführerin erwähnten normalen Verhältnisse zwischen Eigen- und Fremdkapital (allgemeine Faustregel nicht weniger als 1:6, bei bankähnlichen Finanzierungsgesellschaften nicht weniger als 1:10) beachten, kann das nur bedeuten, dass sie die Frage einer Steuerumgehung erst prüfen, wenn das normale Verhältnis nicht mehr gewahrt ist, nicht aber, dass dann eine Steuerumgehung immer anzunehmen wäre. Für eine solche muss überdies dargelegt werden, dass die Gesellschaft von ihren Aktionären oder diesen nahestehenden Dritten wirtschaftlich notwendige Mittel in Form verzinslicher Darlehen erhielt, die fernstehende Dritte ihr nicht gewährt haben würden, und dass dies nur mit der Absicht der Steuerersparnis geschehen sein kann (
BGE 109 Ia 100
E. b;
107 Ib 322
E. 4 mit Hinweisen; ASA 55, 428 E. 2d).
Die Beschwerdeführerin versucht indes gar nicht, dies zu belegen beziehungsweise die entsprechenden Ausführungen der Vorinstanz zu widerlegen. Auch aus den Akten ergeben sich hiefür keine Anhaltspunkte.
f) Schliesslich behauptet die Beschwerdeführerin, sie und die kantonalen Verwaltungen gingen bei der Veranlagung der direkten Bundessteuer für die Zweigniederlassungen ausländischer Banken im allgemeinen seit 1985 von einem Eigenkapital von mindestens 8-10% der Aktiven aus. Dies sei auch im vorliegenden Fall rechtlich geboten.
Die Befolgung einer solchen Regel ist jedoch allenfalls dann angebracht, wenn eine objektmässige Ausscheidung vorgenommen werden muss, weil es an Angaben über die Geschäftsergebnisse der Gesamtunternehmung mangelt, und die Zweigniederlassung somit wie eine selbständige Gesellschaft behandelt wird. Bei der quotenmässigen Besteuerung fehlt es jedoch an einem solchen Erfordernis. Ob und unter welchen Voraussetzungen ein entsprechendes Vorgehen bei der Veranlagung der direkten Bundessteuer in Betracht
BGE 117 Ib 248 S. 261
kommt, kann daher im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben (vgl. E. 1d). Gleichzeitig erübrigt es sich, die Einwendungen zu prüfen, die von der Beschwerdegegnerin für diesen Fall erhoben werden.
6.
a) Unabhängig von der gewählten Methode stellt sich die Frage, ob bei der Ermittlung des Gesamtreinertrags nach dem Recht der direkten Bundessteuer Darlehenszinsen, welche der Rechnung der schweizerischen Betriebsstätten belastet und dem Hauptsitz (oder anderen ausländischen Betriebsstätten) der Beschwerdegegnerin gutgeschrieben wurden, überhaupt als Aufwand anzuerkennen sind. Diese Frage stellt sich sogar erst recht, wenn eine quotenmässige Ausscheidung des Gesamtergebnisses der internationalen Unternehmung erfolgt und deren (inländische) Betriebsstätten nicht wie selbständige Unternehmungen mit eigener juristischer Persönlichkeit behandelt werden.
b) In der als Einheit betrachteten internationalen Unternehmung mag es zwar richtig sein, den einzelnen Betriebsstätten zwecks Kontrolle ihrer Wirtschaftlichkeit kalkulatorische Zinsen für beanspruchtes Kapital zu belasten. Steuerrechtlich brauchen solche kalkulatorischen Zinsen, welche die steuerpflichtige Gesellschaft sich selber vergütet, jedoch genausowenig als Aufwand anerkannt zu werden, wie sie in der Unternehmung einer natürlichen Person als Schuldzinsen nach
Art. 22 Abs. 1 lit. d BdBSt
betrachtet werden könnten, die den Reingewinn schmälern.
Es fragt sich daher, ob solche Zinsen, die den Reinertrag der Gesamtunternehmung nicht beeinflussen, nicht in Anwendung von
Art. 49 Abs. 1 lit. b BdBSt
zum Reinertrag nach der Gewinn- und Verlustrechnung der inländischen Niederlassung aufzurechnen sind. Die Frage, welche in der Beschwerde der Eidgenössischen Steuerverwaltung nicht aufgegriffen wird, kann im vorliegenden Fall offenbleiben.
c) Bei der Revision der Bücher der Jahre 1985 und 1986 der schweizerischen Zweigniederlassung der Beschwerdegegnerin wurde nämlich festgestellt, dass den zugunsten des Hauptsitzes belasteten Schuldzinsen Aktivzinsen für ebenso hohe kurzfristige Kredite an den Hauptsitz gegenüberstanden, die sogar Fr. ... mehr ausmachten. Per Saldo wurde demnach durch Zinsen, welche sich die steuerpflichtige Gesellschaft zwischen Hauptsitz und Zweigniederlassung selber vergütete und belastete, der Reinertrag der Zweigniederlassung nach dem Recht der direkten Bundessteuer nicht zum Nachteil des Fiskus zu niedrig ausgewiesen.
BGE 117 Ib 248 S. 262
7.
Der angefochtene Entscheid verstösst somit nicht gegen Bundesrecht, weshalb die Verwaltungsgerichtsbeschwerde abzuweisen ist. | public_law | nan | de | 1,991 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
19c186f5-69e4-4fd4-8146-a2de2abb6577 | Urteilskopf
138 III 714
109. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. Lda. gegen Y. Ltd (Beschwerde in Zivilsachen)
4A_50/2012 vom 16. Oktober 2012 | Regeste
Parteifähigkeit in internationalen Schiedsverfahren mit Sitz in der Schweiz; Einfluss des Konkurses auf die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung (
Art. 178 Abs. 2 IPRG
).
Bestimmung der Parteifähigkeit in einem Schiedsverfahren nach dem 12. Kapitel IPRG (E. 3.3); Parteifähigkeit einer portugiesischen Konkursmasse (E. 3.4) und deren Bindung an die Schiedsvereinbarung (E. 3.6). | Erwägungen
ab Seite 714
BGE 138 III 714 S. 714
Aus den Erwägungen:
3.
Die Beschwerdeführerin rügt, das Schiedsgericht habe seine Zuständigkeit zur Beurteilung der Streitsache zu Unrecht bejaht. Infolge des über sie eröffneten Insolvenzverfahrens in Portugal sei die Beschwerdeführerin nicht fähig, Partei eines Schiedsverfahrens zu sein. Dies ergebe sich aus Art. 87 Abs. 1 des portugiesischen Insolvenzgesetzes (p-IG). Nach Auffassung der Beschwerdeführerin hat das Schiedsgericht das portugiesische Insolvenzrecht falsch und
BGE 138 III 714 S. 715
unter Missachtung der überzeugenden Darlegungen des von der Beschwerdeführerin angerufenen Experten interpretiert und zu Unrecht den Verlust der Fähigkeit der Beschwerdeführerin verneint, Partei eines Schiedsverfahrens zu sein.
3.1
Das Schiedsgericht führte in der Begründung des angefochtenen Entscheids aus, dass seine Zuständigkeit namentlich davon abhänge, ob die Schiedsklausel gültig sei und die Parteien fähig seien, an einem Schiedsverfahren teilzunehmen. Diese Fragen stellten sich vorliegend namentlich in Bezug auf die Beschwerdeführerin, da über diese in Portugal der Konkurs verhängt worden sei.
3.1.1
In Bezug auf die Frage der Gültigkeit der Schiedsklausel verwies das Schiedsgericht auf
Art. 178 Abs. 2 IPRG
(SR 291). Danach ist die Schiedsvereinbarung gültig, wenn sie entweder dem von den Parteien gewählten, dem auf die Streitsache, insbesondere dem auf den Hauptvertrag anwendbaren oder dem schweizerischen Recht entspricht (Prinzip des
favor validitatis
). Das Schiedsgericht erwog, dass gemäss
BGE 117 II 94
die Schiedsvereinbarung nach schweizerischem Recht den Konkurs überlebt und den Konkursverwalter bindet. Damit habe die Insolvenz jedenfalls nach schweizerischem Recht keine Ungültigkeit der Schiedsklausel gegenüber der insolventen Beschwerdeführerin zur Folge. Es sei mithin von der Gültigkeit der Schiedsklausel auszugehen.
3.1.2
In Bezug auf die umstrittene Frage der Rechtsfähigkeit ermittelte das Schiedsgericht zunächst das anwendbare Recht. Es kam zum Schluss, dass die Rechts- und Parteifähigkeit einer juristischen Person vom Recht des Staates beherrscht werde, nach dessen Vorschriften die juristische Person organisiert (inkorporiert) ist. Die Rechtsfähigkeit der Beschwerdeführerin richte sich somit nach portugiesischem Recht.
Damit stellte sich für das Schiedsgericht die Frage nach dem Einfluss des portugiesischen Konkurses auf die Rechtsfähigkeit der Beschwerdeführerin.
3.1.2.1
Das Schiedsgericht führte diesbezüglich aus, dass eine portugiesische Insolvenzmasse gemäss dem Rechtsexperten der Beschwerdeführerin nicht mehr fähig sei, als Partei an einem Schiedsverfahren teilzunehmen. Nach Auffassung des Rechtsexperten der Beschwerdegegnerin führe die Konkurseröffnung nach portugiesischem Recht demgegenüber nicht zur Rechtsunfähigkeit der Insolvenzmasse.
BGE 138 III 714 S. 716
Diese könne nicht als unfähig betrachtet werden, an einem Schiedsverfahren teilzunehmen.
3.1.2.2
Gemäss den Ausführungen im angefochtenen Entscheid leitet die Beschwerdeführerin ihre Parteiunfähigkeit namentlich aus Art. 87 des portugiesischen Insolvenzgesetzes (p-IG) ab. Dieser steht unter dem Marginale "Convenções arbitrais" und lautet wie folgt:
"Fica suspensa a eficácia das convenções arbitrais em que o insolvente seja parte, respeitantes a litígios cujo resultado possa influenciar o valor da massa, sem prejuízo do disposto em tratados internacionais aplicáveis.
Os processos pendentes à data da declaração de insolvência prosseguirão porém os seus termos, sem prejuízo, se for o caso, do disposto no n.
o
3 do artigo 85.
o
e no n.
o
3 do artigo 128.
o
"
In der dem angefochtenen Entscheid zugrunde liegenden englischen Übersetzung:
"Without prejudice to provisions contained in applicable international treaties, the efficacy of arbitral agreements relating to disputes that may potentially affect the value of the insolvency estate and to which the insolvent is party shall be suspended.
Procedures that are pending at the moment of the declaration of the insolvency shall continue, without prejudice to the provisions set forth in Article 85(3) and of the Article 128(3) if applicable."
In freier Übersetzung auf Deutsch:
"Vorbehältlich der Bestimmungen von Staatsverträgen wird die Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen suspendiert, die sich auf Auseinandersetzungen beziehen, welche allenfalls den Wert der Insolvenzmasse beeinträchtigen können.
Im Zeitpunkt der lnsolvenzerklärung bereits hängige Schiedsverfahren werden fortgeführt, unter Vorbehalt der Artikel 85(3) und Artikel 128(3) [p-IG]."
Nach Auffassung der Beschwerdeführerin sei die Suspension der Schiedsvereinbarung gemäss Art. 87 Abs. 1 p-IG zu verstehen als "Nichtigkeit oder Beendigung" der Gültigkeit der Schiedsklausel. Daraus resultiere die Rechtsunfähigkeit der Insolvenzmasse. Gemäss dem Rechtsexperten der Beschwerdeführerin hätten die portugiesischen Gesetzesredaktoren den Begriff der "Unwirksamkeit" nur deshalb demjenigen der "Nichtigkeit" bzw. "Beendigung" vorgezogen, damit Schiedsvereinbarungen wieder volle Wirksamkeit zurückerlangen können, sobald die Insolvenzsituation beendet sei ("to allow the agreements to return to full effect, if the insolvency situation ceases").
BGE 138 III 714 S. 717
Gemäss dem Schiedsgericht findet diese Interpretation ausserhalb des Parteigutachtens der Beschwerdeführerin nur geringe Stütze. Die portugiesischen Gerichte hätten soweit ersichtlich denn auch noch keine Entscheide zur Auslegung von Art. 87 p-IG gefällt.
3.1.2.3
Das Schiedsgericht führte sodann aus, dass keiner der beiden Parteiexperten in der Lage gewesen sei, Rechtsprechung und Literaturmeinungen anzuführen, welche die These belegen würden, dass Art. 87 p-IG die Rechtsfähigkeit der Insolvenzmasse beeinflusse bzw. unberührt lasse.
Es treffe zwar zu, dass einige Lehrmeinungen Art. 87 Abs. 1 p-IG im Kontext der Rechtsfähigkeit erwähnten, andere Lehrmeinungen hielten jedoch dafür, dass sich Art. 87 Abs. 1 p-IG nur auf die Gültigkeit der Schiedsklausel bzw. auf deren persönlichen Geltungsbereich beziehe. Zudem würden jene Autoren, die Art. 87 Abs. 1 p-IG im Kontext der Rechtsfähigkeit erwähnen, nicht im Einzelnen ausführen, welche konkreten Auswirkungen die Insolvenz auf die Rechtsfähigkeit habe. Ein Autor erwähne beispielsweise lediglich, dass Schiedsvereinbarungen suspendiert würden. Ein anderer Autor führe aus, dass die insolvente Partei in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt werde, was indessen nicht zu einer Rechtsunfähigkeit im technischen Sinne führe. Ein weiterer Autor führe aus, dass die Insolvenzmasse nicht vollumfänglich rechtsunfähig sei.
Nach Ansicht des Schiedsgerichts lasse sich weder den Stellungnahmen der Parteiexperten noch den von den Parteien eingereichten Rechtsmaterialien eine überzeugende Antwort dazu entnehmen, ob sich Art. 87 Abs. 1 p-IG auf die Rechtsfähigkeit einer portugiesischen Insolvenzmasse bezieht bzw. gegebenenfalls der Beschwerdeführerin die Fähigkeit entzieht, Partei eines Schiedsverfahrens zu sein.
3.1.2.4
Davon ausgehend zog das Schiedsgericht in Erwägung, dass Art. 87 p-IG keinen ausdrücklichen Bezug auf die Rechtsfähigkeit bzw. den Einfluss der Insolvenz auf die Rechtsfähigkeit enthalte. Vielmehr beziehe sich Art. 87 p-IG auf die "Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen" ("efficacy of arbitral agreements"), terminologisch mithin eher auf die Gültigkeit von Schiedsvereinbarungen. Weiter ergebe sich aus Art. 87 Abs. 2 p-IG, dass eine (natürliche oder juristische) Person, über welche die Insolvenz nach Anhängigmachung eines Schiedsverfahrens eröffnet wurde, die Parteifähigkeit für das laufende Schiedsverfahren beibehalte. Aus Art. 85 Abs. 1 p-IG
BGE 138 III 714 S. 718
ergebe sich sodann, dass eine Insolvenzmasse die Parteifähigkeit in Verfahren vor staatlichen Gerichten nicht verliere. Gemäss Art. 224 und 226 p-IG könne die insolvente Gesellschaft ihre Geschäfte unter der Aufsicht des Insolvenzverwalters weiterführen und wo das Gesetz die Handlungsbefugnis der insolventen Gesellschaft beschränke, könne der Insolvenzverwalter für diese handeln (Art. 81 Abs. 4 und Abs. 5 p-IG). Aus all dem ergibt sich für das Schiedsgericht, dass eine Insolvenzmasse ihre Rechtsfähigkeit nach portugiesischem Recht beibehalte.
Schliesslich würden die Erklärungen des Parteiexperten der Beschwerdeführerin, weshalb die portugiesischen Gesetzesredaktoren in Art. 87 Abs. 1 p-IG den Begriff der "Unwirksamkeit" demjenigen der "Nichtigkeit" bzw. "Beendigung" vorgezogen hätten, nämlich "to allow the agreements to return to full effect, if the insolvency situation ceases", das Schiedsgericht in seiner Auffassung bestärken, dass Art. 87 Abs. 1 p-IG eher einen Aspekt der Gültigkeit der Schiedsklausel regle als einen Aspekt der Rechtsfähigkeit der Insolvenzmasse.
3.1.2.5
Zusammenfassend kam das Schiedsgericht zum Schluss, dass sich Art. 87 Abs. 1 p-IG auf die Gültigkeit der Schiedsklausel gegenüber einer Gemeinschuldnerin und nicht auf die Rechtsfähigkeit der Insolvenzmasse beziehe. Dies ergebe sich erstens aus dem Wortlaut der Norm, in dem von "Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen" ("efficacy of arbitral agreements") und nicht von "Rechtsfähigkeit" ("capacity") die Rede sei. Zweitens spreche auch der Vorbehalt von Staatsverträgen in Art. 87 Abs. 1 p-IG dagegen, dass sich die Norm auf die Rechtsfähigkeit beziehe. Denn es fänden sich keinerlei Hinweise darauf, dass der portugiesische Gesetzgeber die Frage der Rechtsfähigkeit portugiesischer Gesellschaften der Regelung durch Staatsverträge überlassen wollte, sei dies doch eine Materie, über welche nationale Gesetzgeber in der Regel selbst bestimmen wollten. Drittens sei für das Schiedsgericht unklar, wie ein angeblicher Verlust der Rechtsfähigkeit einer insolventen Partei von der Natur des Streites abhängig sein könne. In der portugiesischen Literatur werde nämlich vertreten, dass Rechtsfähigkeit ein absoluter Begriff sei.
Schliesslich hielt das Schiedsgericht den Einwänden der Beschwerdeführerin entgegen, dass in der gesamten portugiesischen Literatur kein einziger Autor die Meinung vertrete, dass eine portugiesische Insolvenzmasse rechtsunfähig sei.
BGE 138 III 714 S. 719
Nach Auffassung des Schiedsgerichts ist die Beschwerdeführerin somit eine nach portugiesischem Recht rechtsfähige Person, die als solche fähig ist, als Partei an einem Schiedsverfahren mit Sitz in der Schweiz teilzunehmen.
3.1.2.6
Diese Schlussfolgerungen ergänzte das Schiedsgericht mit Ausführungen zum Vivendi-Urteil des Bundesgerichts (Urteil 4A_428/2008 vom 31. März 2009 E. 3.1, in: ASA Bulletin 1/2010 S. 104 ff.), auf welches die Beschwerdeführerin ihre Argumentation, sie sei nicht parteifähig, massgeblich stützte. Das Schiedsgericht wies darauf hin, dass die im Vivendi-Fall umstrittene Norm (Art. 142 des polnischen Konkurs- und Sanierungsgesetzes) nach Auffassung polnischer Rechtsprofessoren einen Aspekt der Parteifähigkeit einer polnischen Insolvenzmasse regle. Das Schiedsgericht erwog, dass sich Art. 87 des portugiesischen Insolvenzgesetzes indessen in genau diesem Punkt grundlegend von der polnischen Norm unterscheide, da sie sich nicht auf die Rechtsfähigkeit der an einem Schiedsverfahren beteiligten Insolvenzmasse, sondern auf die Gültigkeit der Schiedsklausel beziehe. Nach Auffassung des Schiedsgerichts ist der Vivendi-Entscheid daher für das vorliegende Verfahren nicht von präjudizieller Bedeutung.
3.2
Die Fähigkeit, eine Schiedsvereinbarung abzuschliessen und in einem Schiedsverfahren als Partei aufzutreten (sog. subjektive Schiedsfähigkeit bzw. Schiedsfähigkeit
ratione personae
; arbitrabilité subjective), ist im Rahmen der Zuständigkeitsbeschwerde nach
Art. 190 Abs. 2 lit. b IPRG
zu prüfen (
BGE 117 II 94
E. 5b S. 98 mit Hinweis; Urteile 4A_428/2008 vom 31. März 2009 E. 3.1, in: ASA Bulletin 1/2010 S. 104 ff.; 4P.126/1992 vom 13. Oktober 1992 E. 4a, in: SZIER 1994 S. 131 ff.). Dabei prüft das Bundesgericht die Zuständigkeitsrüge in rechtlicher Hinsicht frei, einschliesslich materiellrechtlicher Vorfragen, die für den Entscheid über die Zuständigkeit relevant sind (grundlegend:
BGE 117 II 94
E. 5a S. 97; vgl. weiter
BGE 129 III 727
E. 5.2.2 S. 733;
BGE 128 III 50
E. 2a S. 54;
BGE 119 II 380
E. 3c S. 383; je mit Hinweisen).
Beurteilen sich solche Vorfragen nach ausländischem Recht, überprüft das Bundesgericht dessen Anwendung im Rahmen der Zuständigkeitsbeschwerde ebenfalls frei und mit voller Kognition. Dabei folgt das Bundesgericht der in der anwendbaren ausländischen Rechtsordnung klar herrschenden Auffassung und bei Kontroversen zwischen Rechtsprechung und Lehre der höchstrichterlichen Judikatur
BGE 138 III 714 S. 720
(Urteile 4A_428/2008 vom 31. März 2009 E. 3.1, in: ASA Bulletin 1/2010 S. 104 ff.; 4P.137/2002 vom 4. Juli 2003 E. 7.2.1).
3.3
3.3.1
Wie die objektive Schiedsfähigkeit (
Art. 177 Abs. 1 IPRG
) bestimmt sich die subjektive Schiedsfähigkeit in einem internationalen Schiedsverfahren mit Sitz in der Schweiz nach dem 12. Kapitel IPRG (vgl. PIERRE-YVES TSCHANZ, in: Commentaire romand, Loi sur le droit international privé, Convention de Lugano, 2011, N. 60 zu
Art. 178 IPRG
).
Art. 177 Abs. 2 IPRG
weist indessen nur für staatlich beherrschte bzw. organisierte Rechtsträger eine ausdrückliche Regelung zur subjektiven Schiedsfähigkeit auf. Namentlich zur vorliegend umstrittenen Frage der
Parteifähigkeit
nichtstaatlicher Parteien enthält das 12. Kapitel IPRG keine spezifische Bestimmung. Gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung gilt daher der allgemeine prozessuale Grundsatz, wonach die Parteifähigkeit in einem Schiedsverfahren von der materiellrechtlichen Vorfrage der Rechtsfähigkeit abhängt (Urteil 4A_428/2008 vom 31. März 2009 E. 3.2, in: ASA Bulletin 1/2010 S. 104 ff. mit Hinweisen).
3.3.2
Die Rechtsfähigkeit einer Partei in einem internationalen Schiedsverfahren mit Sitz in der Schweiz wird gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung durch das Personal- bzw. Gesellschaftsstatut, also durch das gemäss Art. 33 f. IPRG (für natürliche Personen) bzw.
Art. 154, 155 lit. c IPRG
(für Gesellschaften) anwendbare Recht bestimmt (Urteil 4A_428/2008 vom 31. März 2009 E. 3.2, in: ASA Bulletin 1/2010 S. 104 ff. mit Hinweisen).
Gegen den Rückgriff auf Normen ausserhalb des 12. Kapitels IPRG wendet ein Teil der Lehre zwar ein, dass damit die Eigenständigkeit des 12. Kapitels als "Gesetz im Gesetz" bzw. "Arbitration Act" in Frage gestellt werde (GEORG NAEGELI, Die Auswirkungen der Konkurserklärung auf ein hängiges Schiedsverfahren, Jusletter 31. August 2009 Rz. 38 f.; AEBI/FREY, Impact of Bankruptcy on International Arbitration Proceedings, ASA Bulletin 1/2010 S. 118; KAUFMANN-KOHLER/LÉVY/SACCO, The Survival of the Arbitration Agreement and Arbitration Proceedings in Cases of Cross-Border Insolvency: An Analysis from the Swiss Perspective, Les Cahiers de l'Arbitrage, The Paris Journal of International Arbitration 2/2010 S. 377; MICHAEL GÜNTER, Internationale Schiedsgerichtsbarkeit und Insolvenz, 2011, N. 370; kritisch auch FELIX DASSER, in: ZPO, Oberhammer [Hrsg.], 2010,N. 22 vor
Art. 353-399 ZPO
). Das auf die Rechtsfähigkeit
BGE 138 III 714 S. 721
anwendbare Recht sei vielmehr nach der schiedsrechtlichen Kollisionsnorm von
Art. 187 Abs. 1 IPRG
zu bestimmen (NAEGELI, a.a.O., Rz. 39; BERGER/KELLERHALS, International and domestic arbitration in Switzerland, 2. Aufl. 2010, Rz. 328). Diese Auffassung berücksichtigt jedoch nicht, dass
Art. 187 Abs. 1 IPRG
das auf die Streitsache anwendbare Recht regelt und dabei der Parteiautonomie den Vorrang gibt. Auf die (vorfrageweise) Bestimmung der Rechtsfähigkeit der Parteien ist
Art. 187 Abs. 1 IPRG
gerade nicht zugeschnitten (so zutreffend PIERRE-YVES TSCHANZ, a.a.O, N. 60 zu
Art. 178 IPRG
; POUDRET/BESSON, Comparative law of international arbitration, 2
e
éd. 2007, N. 271).
In Bezug auf die Rechtsfähigkeit der Schiedsparteien fehlt es somit an einer Kollisionsnorm im 12. Kapitel IPRG. Die Rechtsfähigkeit der Schiedsparteien ist folglich im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung mittels Rückgriffs auf die allgemeinen Normen von Art. 33 f. IPRG (für natürliche Personen) bzw.
Art. 154, 155 lit. c IPRG
(für juristische Personen) zu bestimmen.
3.3.3
Gemäss
Art. 154 Abs. 1 IPRG
unterstehen Gesellschaften dem Recht des Staates, nach dessen Vorschriften sie organisiert sind, wenn sie die darin vorgeschriebenen Publizitäts- oder Registrierungsvorschriften dieses Rechts erfüllen oder, falls solche Vorschriften nicht bestehen, wenn sie sich nach dem Recht dieses Staates organisiert haben (sog. Inkorporationstheorie;
BGE 117 II 494
E. 4b S. 497). Unter Vorbehalt der
Art. 156-161 IPRG
bestimmt das auf die Gesellschaft anwendbare Recht insbesondere die Rechtsfähigkeit (
Art. 155 lit. c IPRG
;
BGE 117 II 494
E. 4b S. 497; Urteil 4C.245/2001 vom 23. November 2001 E. 4d).
3.3.4
Unter Rechtsfähigkeit ist die Fähigkeit zu verstehen, Träger von Rechten und Pflichten zu sein (statt aller HAUSHEER/AEBI-MÜLLER, Das Personenrecht des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, 3. Aufl. 2012, N. 02.01; EUGEN BUCHER, Berner Kommentar, 1976, N. 8 zu
Art. 11 ZGB
). Ein Gebilde ist rechtsfähig, wenn ihm Rechte und Pflichten zugeordnet werden können (BUCHER, a.a.O., N. 11 zu
Art. 11 ZGB
).
Findet auf die Frage der Rechtsfähigkeit ausländisches Recht Anwendung, ist somit zu untersuchen, ob dem nach ausländischem Recht organisierten Gebilde Rechte und Pflichten zugeordnet werden können. Ein ausländisches Gebilde, das nach seinem Recht als juristische Person verfasst und damit Träger von Rechten und Pflichten ist, geniesst in der Schweiz Rechtsfähigkeit und folglich auch
BGE 138 III 714 S. 722
Parteifähigkeit (vgl. auch
BGE 135 III 614
E. 4.2 S. 617, wonach von der Rechtspersönlichkeit des ausländischen Gebildes - über die blosse Rechtsfähigkeit hinaus - grundsätzlich sogar auf die Handlungs- und damit Prozessfähigkeit geschlossen werden kann; dazu FLORENCE GUILLAUME, in: Commentaire romand, Loi sur le droit international privé, Convention de Lugano, 2011, N. 13 zu
Art. 155 IPRG
).
Die gleiche Regel muss auch in Bezug auf die Parteifähigkeit in einem Schiedsverfahren nach dem 12. Kapitel IPRG gelten. Weist das ausländische Gebilde nach dem Inkorporationsstatut Rechtspersönlichkeit auf, ist es in einem internationalen Schiedsverfahren mit Sitz in der Schweiz auch
parteifähig
. Allfällige spezifisch auf Schiedsverfahren bezogene Einschränkungen des Personal- oder Gesellschaftsstatuts, welche die Rechtspersönlichkeit des ausländischen Gebildes unberührt lassen, sind unter dem Gesichtspunkt der Fähigkeit, in einem Schiedsverfahren mit Sitz in der Schweiz als Partei aufzutreten, grundsätzlich unbeachtlich (vgl. TSCHANZ, a.a.O., N. 63 zu
Art. 178 IPRG
).
3.3.5
Die Beschwerdeführerin ist als Gesellschaft mit beschränkter Haftung portugiesischen Rechts verfasst (
Sociedade por quota limitada; Lda.
). Gemäss Art. 154 i.V.m.
Art. 155 lit. c IPRG
richtet sich - wie die Vorinstanz im Ergebnis zutreffend geschlossen hat - die Beurteilung der Rechtsfähigkeit der Beschwerdeführerin nach dem portugiesischen Recht. Dies bestreitet auch die Beschwerdeführerin nicht.
3.4
3.4.1
Die Beschwerdeführerin ist indessen der Auffassung, die Vorinstanz habe das portugiesische Recht falsch angewendet. Sie macht unter anderem geltend, das portugiesische Recht unterscheide zwischen der Rechtspersönlichkeit als der "Eignung einer Person, Adressatin von rechtlichen Bestimmungen zu sein," und der Rechtsfähigkeit als dem "konkreten Mass der Rechte und Pflichten, die jemand haben kann". Die Rechtsfähigkeit habe im portugiesischen Recht mithin einen quantitativen Aspekt. Im Unterschied zur Rechtspersönlichkeit beurteile sich die Rechtsfähigkeit von juristischen Personen "nach dem Spezialitätsprinzip". Dies bedeute, dass die Rechtsfähigkeit einer portugiesischen Gesellschaft nur innerhalb der Schranken bestehe, welche ihr durch das Gesetz, die Statuten, Reglemente und Beschlüsse der Generalversammlung gesetzt werden. Namentlich hätten juristische Personen in Portugal keine Rechtsfähigkeit für
BGE 138 III 714 S. 723
Handlungen, welche das Recht verbiete. Der Beschwerdeführerin fehle aufgrund ihrer gesellschaftsrechtlichen Stellung die Fähigkeit, Partei eines Schiedsverfahrens zu sein, weil Art. 87 p-IG ihr diese Fähigkeit entzogen habe, einer insolventen Gesellschaft sei die Teilnahme an neuen Schiedsverfahren gesetzlich verboten und dies gehöre auch nicht zu dem auf die Liquidation eingeschränkten Zweck einer insolventen Gesellschaft.
3.4.2
Diese Vorbringen verfangen nicht. Selbst wenn Art. 87 p-IG eine portugiesische Insolvenzmasse daran hinderte, in einem portugiesischen Schiedsverfahren als Partei aufzutreten, bliebe dies ohne Einfluss auf deren Parteifähigkeit in einem internationalen Schiedsverfahren mit Sitz in der Schweiz. Denn hierzu ist einzig entscheidend, dass das portugiesische Recht der Beschwerdeführerin Rechtspersönlichkeit einräumt, dieser mithin Rechte und Pflichten zugeordnet werden können (oben E. 3.3.3). Dies ist vorliegend unstreitig der Fall, was auch die Beschwerdeführerin zugibt, wenn sie ausführt: "Die Beschwerdeführerin macht gerade nicht geltend, dass insolvente Personen nicht rechtsfähig seien". In der Tat bestimmt Art. 5 des portugiesischen Gesetzbuches über Handelsgesellschaften (
Código das sociedades comerciais
), dass Handelsgesellschaften über Rechtspersönlichkeit verfügen. Die Rechtspersönlichkeit bleibt gemäss Art. 141 Abs. 1 lit. e i.V.m. Art. 146 Abs. 2 des nämlichen Gesetzbuches auch dann unberührt, wenn eine Gesellschaft infolge Konkurses liquidiert wird. Aus Art. 87 Abs. 2 p-IG, wonach Schiedsverfahren, die bei Konkurseröffnung hängig sind, weitergeführt werden können, ergibt sich schliesslich, dass die Rechtsfähigkeit einer Insolvenzmasse selbst in laufenden Schiedsverfahren nach portugiesischem Recht nicht tangiert wird.
Aus all dem folgt, dass eine portugiesische Insolvenzmasse bis zur vollständigen Liquidation weiterhin Trägerin von Rechten und Pflichten ist, also Rechtspersönlichkeit geniesst. Damit ist sie in einem Schiedsverfahren nach dem 12. Kapitel IPRG aber auch parteifähig (oben E. 3.3.3). Selbst wenn aus Art. 87 Abs. 1 p-IG eine wie auch immer geartete "Schiedsunfähigkeit" für künftige (portugiesische) Schiedsverfahren abgeleitet werden könnte, wäre diese mithin für die Parteifähigkeit nach schweizerischer
lex arbitri
unbeachtlich, solange die Insolvenzmasse über Rechtspersönlichkeit verfügt, was hier unstreitig ist. Damit erübrigt sich auch die Einholung eines weiteren Rechtsgutachtens, wie dies die Beschwerdeführerin beantragt hat.
BGE 138 III 714 S. 724
3.5
Die Beschwerdeführerin begründet ihre Rüge, die Vorinstanz habe ihr zu Unrecht die Parteifähigkeit nicht abgesprochen, sodann unter Hinweis auf das bereits erwähnte Vivendi-Urteil des Bundesgerichts (Urteil 4A_428/2008 vom 31. März 2009 E. 3.1, in: ASA Bulletin 1/2010 S. 104 ff.). Sie macht dabei namentlich geltend, das Bundesgericht habe in diesem Urteil "bestätigt, dass die Bestimmung eines Insolvenzgesetzes, welche einer Schiedsvereinbarung für den Fall der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über eine Partei der Schiedsvereinbarung die Wirkung entzieht, dazu führt, dass die betroffene Partei die Fähigkeit verliert, an einem Schiedsverfahren als Partei teilzunehmen".
3.5.1
Die im Vivendi-Fall massgebliche Bestimmung von Art. 142 des polnischen Konkurs- und Sanierungsgesetzes (pKSG) lautete wie folgt:
"Any arbitration clause concluded by the bankrupt shall lose its legal effect as of the date bankruptcy is declared and any pending arbitration proceedings shall be discontinued."
Gemäss den Ausführungen des mit dem Vivendi-Fall befassten Schiedsgerichts, das sich unter anderem auf Gutachten polnischer Rechtsprofessoren stützte, hatte die polnische Insolvenzmasse mit Konkurseröffnung die Fähigkeit verloren, in einem Schiedsverfahren als Partei teilzunehmen. Das Bundesgericht sah keine Gründe, an dieser Rechtsauffassung zu zweifeln, und schloss, dass Art. 142 pKSG einer polnischen Konkursitin die subjektive Schiedsfähigkeit entziehe (Urteil 4A_428/2008 vom 31. März 2009 E. 3.3).
3.5.2
Dieser Entscheid wurde sowohl in der schweizerischen als auch in der internationalen Literatur breit diskutiert. Bis auf eine vereinzelte Generalkritik (PIERRE A. KARRER, The Swiss Federal Supreme Court got it wrong, wrong, wrong and wrong a fourth time, ASA Bulletin 1/2010 S. 111 f.), vertreten zahlreiche Kommentatoren die Meinung, das Bundesgericht habe folgerichtig argumentiert, soweit und sofern die dem Entscheid zugrunde gelegten Prämissen zutreffen, dass Art. 142 pKSG in der Tat die Parteifähigkeit einer polnischen Gemeinschuldnerin beeinträchtige und die kollisionsrechtliche Rechtsfrage als eine solche der Rechtsfähigkeit zu qualifizieren sei (AEBI/FREY, a.a.O., S. 120, 123; LARS MARKERT, Arbitrating in the Financial Crisis: Insolvency and Public Policy versus Arbitration and Party Autonomy - Which Law Governs?, Contemporary Asia Arbitration Journal 2/2009 S. 217, 233; SPOORENBERG/FELLRATH, The Uneasy Relationship between Arbitration and Bankruptcy, ILO Newsletter 30 July
BGE 138 III 714 S. 725
2009; BERNHARD BERGER, Die Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Zivilprozessrecht im Jahre 2009, 3. Teil: Schiedsgerichtsbarkeit, ZBJV 147/2011 S. 555 ff.; wohl auch STEFAN KRÖLL, Arbitration and Insolvency - Selected Conflict of Laws Problems, in: Conflict of Laws in International Arbitration, Ferrari/Kröll [Hrsg.], München 2011, S. 232 f.).
Die Kommentatoren kritisieren indessen nahezu einhellig, dass diese beiden Prämissen nicht zuträfen. Sie sind der Auffassung, dass das Bundesgericht die Rechtsfrage unzutreffend als eine solche der subjektiven Schiedsfähigkeit qualifiziert und Art. 142 pKSG zu Unrecht als eine die Parteifähigkeit einer polnischen Gemeinschuldnerin beeinträchtigende Norm ausgelegt habe. Art. 142 pKSG regle vielmehr einen Aspekt der Gültigkeit der Schiedsklausel und sei somit nach
Art. 178 Abs. 2 IPRG
(
favor validitatis
) unbeachtlich, da jedenfalls nach schweizerischem Recht die Schiedsklausel im Falle des Konkurses einer Schiedspartei weiterhin gültig bleibe (NAEGELI, a.a.O., N. 21 ff.; KRÖLL, a.a.O., S. 251; MARKERT, a.a.O., S. 233 f.; KAUFMANN- KOHLER/LÉVY/SACCO, a.a.O., S. 378 ff.; DOMITILLE BAIZEAU, Arbitration and insolvency: Issues of Applicable Law, in: New Developments in International Commercial Arbitration 2009, Müller/Rigozzi [Hrsg.],2009, S. 114 f.; MARK ROBERTSON, Cross-Border Insolvency and International Commercial Arbitration: Characterisation and Choice of Law Issues in Light of Elektrim S.A v. Vivendi S.A and Analysis of the European Insolvency Regulation, International Arbitration Law Review 2009 S. 129; GERHARD WAGNER, Insolvenz und Schiedsverfahren, KTS-Zeitschrift für Insolvenzrecht [...] 71/2010, S. 60; CHRISTIAN LUCZAK, Beschwerde gegen Schiedsgerichtsentscheide, in: Prozessieren vor Bundesgericht, Geiser und andere [Hrsg.], 3. Aufl.2011, Rz. 6.55; kritisch auch MICHAEL MRÀZ, in: Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2010, N. 34 zu
Art. 393 ZPO
und KAUFMANN-KOHLER/RIGOZZI, Arbitrage international, 2. Aufl. 2010, Fn. 152, sowie aus rechtspolitischer Warte ansatzweise auch BERGER, a.a.O., S. 562).
3.5.3
Auf die am Vivendi-Urteil geübte Kritik braucht nicht im Einzelnen eingegangen zu werden. Denn die Beschwerdeführerin geht jedenfalls fehl, wenn sie im Vivendi-Urteil ein Präjudiz für den vorliegend zu entscheidenden Fall ausmachen will. Entgegen dem, was die Beschwerdeführerin zu suggerieren versucht, hat das Bundesgericht im Urteil 4A_428/2008 nämlich nicht in allgemeiner Weise "bestätigt", dass die Bestimmung eines ausländischen Insolvenzgesetzes,
BGE 138 III 714 S. 726
welche die Unwirksamkeit einer Schiedsvereinbarung im Insolvenzfalle vorsieht, dazu führe, dass die Gemeinschuldnerin die "Fähigkeit" verliere, "an einem Schiedsverfahren als Partei teilzunehmen". Das Vivendi-Urteil ist vielmehr im spezifischen Kontext des polnischen Rechts und der dazu entwickelten Doktrin zu sehen, wie sie in den Gutachten polnischer Rechtsprofessoren zum Ausdruck gebracht wurde. Es kann weder verallgemeinert noch können die dortigen Ausführungen zum polnischen Recht auf andere Rechtsordnungen übertragen werden. Insbesondere kann die Beschwerdeführerin aus dem Umstand, dass der polnische Art. 142 pKSG ebenso wie der hier umstrittene portugiesische Art. 87 p-IG keinen ausdrücklichen Hinweis auf die Rechts- bzw. Parteifähigkeit enthält, nicht ableiten, dass auch Art. 87 p-IG gleich wie die polnische Norm verstanden werden muss. Dies umso weniger, als eine solche Auslegung weder in der portugiesischen Rechtsprechung noch in der portugiesischen Doktrin vorherrschend ist, wie die Vorinstanz überzeugend nachgewiesen hat.
3.6
Zusammenfassend ist bundesrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Schiedsgericht zur Auffassung gelangte, dass Art. 87 Abs. 1 p-IG aufgrund des Prinzips des
favor validitatis
gemäss
Art. 178 Abs. 2 IPRG
für die vorliegende Streitsache unbeachtlich ist. Art. 87 Abs. 1 p-IG lässt die Rechtspersönlichkeit einer portugiesischen Gemeinschuldnerin unberührt und damit auch deren Parteifähigkeit in einem internationalen Schiedsverfahren mit Sitz in der Schweiz. Nach schweizerischer
lex arbitri
regelt Art. 87 Abs. 1 p-IG mithin einen Aspekt der materiellen Gültigkeit der Schiedsvereinbarung, welche sich nach
Art. 178 Abs. 2 IPRG
beurteilt. Jedenfalls nach schweizerischem Recht berührt ein Konkurs die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung nicht (
BGE 136 III 107
E. 2.5 S. 108), weshalb Art. 87 Abs. 1 p-IG der Schiedsklausel insoweit die Wirksamkeit nicht zu entziehen vermag. Dass im Übrigen die Beschwerdeführerin im Zeitpunkt des Abschlusses der Schiedsvereinbarung nicht handlungsfähig bzw. nicht berechtigt gewesen wäre, die Schiedsvereinbarung abzuschliessen, wird nicht behauptet.
4.
Die Beschwerdeführerin rügt sodann, die Vorinstanz habe Art. 87 Abs. 1 p-IG zu Unrecht nicht als
loi d'application immédiate
(Eingriffsnorm) angewendet und damit die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung gegenüber der Beschwerdeführerin zu Unrecht bejaht.
4.1
Das Bundesgericht hat die Frage, ob und inwieweit ein Schiedsgericht bei der Beurteilung der Gültigkeit der Schiedsvereinbarung
BGE 138 III 714 S. 727
drittstaatliche Eingriffsnormen zu berücksichtigen hat, bisher noch nie beurteilt. Auch der vorliegende Fall gibt keinen Anlass, diese Frage in allgemeiner Weise zu beantworten, weist doch Art. 87 Abs. 1 p-IG klarerweise nicht den Charakter einer Eingriffsnorm auf:
4.2
Als Eingriffsnorm müsste Art. 87 Abs. 1 p-IG vom portugiesischen Gesetzgeber unter anderem mit einem international zwingenden Anwendungswillen (KAUFMANN-KOHLER/RIGOZZI, a.a.O., N. 663; KAUFMANN-KOHLER/LÉVY/SACCO, a.a.O., S. 385) und einem strikt zwingenden Charakter (POUDRET/BESSON, a.a.O., N. 706) versehen worden sein. Wie das Schiedsgericht zutreffend ausführte, ist ein solcher Anwendungswille in Art. 87 Abs. 1 p-IG indessen gerade nicht zu erkennen. Hätte nämlich der portugiesische Gesetzgeber Art. 87 Abs. 1 p-IG mit international zwingendem Anwendungswillen ausstatten wollen, hätte er kaum einen ausdrücklichen Vorbehalt von internationalem Recht in den Normtext aufgenommen. Dies vermag auch die Beschwerdeführerin mit dem blossen Einwand, Völkerrecht stehe stets über Landesrecht, nicht in Frage zu stellen. Die Beschwerdegegnerin wendet sodann zutreffend ein, dass Art. 87 Abs. 1 p-IG nicht einmal eine zwingende Norm ist, können doch gemäss Art. 192 Abs. 1 p-IG die Bestimmungen des portugiesischen Insolvenzgesetzes in einem Nachlassplan, dem alle Gläubiger zugestimmt haben, abbedungen werden. Art. 87 Abs. 1 p-IG weist folglich keinen zwingenden Charakter auf, was auch die Beschwerdeführerin in ihrer Replik nicht bestreitet. Die Vorinstanz hat Art. 87 Abs. 1 p-IG zu Recht nicht als
loi d'application immédiate
qualifiziert. Die Rüge erweist sich als unbegründet. | null | nan | de | 2,012 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
19c4e085-b5ea-4722-8b34-ec0212afb702 | Urteilskopf
140 III 101
18. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit civil dans la cause A. contre Tribunal de protection de l'adulte et de l'enfant du canton de Genève (recours en matière civile)
5A_872/2013 du 17 janvier 2014 | Regeste
Art. 426 und 450e Abs. 3 ZGB
; Entscheid über die Unterbringung zur Behandlung oder Betreuung.
Elemente, über die das Gutachten der sachverständigen Person, auf das sich der Unterbringungsentscheid stützt, Auskunft geben muss (E. 6.2.2).
Massgebende Gründe tatsächlicher und rechtlicher Natur, die im Unterbringungsentscheid aufzuführen sind (E. 6.2.3). | Sachverhalt
ab Seite 101
BGE 140 III 101 S. 101
A.
A.a
A. (1975) fait l'objet d'une mesure de tutelle, respectivement de curatelle de portée générale, depuis 2009. Elle a été hospitalisée à plusieurs reprises à la Clinique psychiatrique de Belle-Idée en raison de décompensations psychotiques. Elle refuse de collaborer avec les services sociaux, les représentants légaux et le corps médical, et ne bénéficie d'aucun suivi médical approprié ni de traitement de pharmacothérapie.
Le 3 avril 2013, les curatrices de l'intéressée ont requis du Tribunal de protection de l'adulte et de l'enfant du canton de Genève (TPAE) un placement à des fins d'assistance. L'intéressée avait été hospitalisée le 22 mars 2013 sur décision de la Dresse B., en raison d'un trouble délirant persistant avec délires de persécution hypocondriaques, d'irritabilité, d'impulsivité et d'agressivité. Le 30 avril 2013, le Dr C. a ordonné sa sortie de clinique, dès lors que son délire avait diminué grâce aux médicaments, même s'il restait persistant.
A.b
Le 4 juin 2013, les curatrices de A. ont de nouveau requis qu'elle soit placée à des fins d'assistance, au motif que son état s'était
BGE 140 III 101 S. 102
progressivement péjoré depuis sa sortie de la clinique, et qu'il était urgent qu'elle soit hospitalisée afin de la protéger contre elle-même et d'éviter tout passage à l'acte hétéro-agressif. Par ordonnance du 12 août 2013, une expertise psychiatrique a été mise en oeuvre. Le rapport d'expertise a été établi le 13 septembre 2013 par la Dresse E.
B.
Par ordonnance du 27 septembre 2013, le TPAE a ordonné le placement à des fins d'assistance de A. auprès de la Clinique de Belle-Idée.
Par acte déposé le 7 octobre 2013, l'intéressée a recouru contre cette décision. Entendue lors de l'audience du 10 octobre 2013, la Dresse E. a, en substance, confirmé la teneur de son rapport du 13 septembre 2013, indiquant notamment que l'intéressée représentait un danger pour elle-même et pour autrui.
C.
La Chambre de surveillance de la Cour de justice du canton de Genève a rejeté le recours par décision du 15 octobre 2013.
D.
Le Tribunal fédéral a admis le recours formé par A. contre cette décision.
(résumé)
Erwägungen
Extrait des considérants:
6.
6.2
6.2.1
Aux termes de l'
art. 426 CC
, une personne peut être placée dans une institution appropriée lorsque, en raison de troubles psychiques, d'une déficience mentale ou d'un grave état d'abandon, l'assistance ou le traitement nécessaires ne peuvent lui être fournis d'une autre manière (al. 1). La personne concernée est libérée dès que les conditions du placement ne sont plus remplies (al. 3). La personne concernée ou l'un de ses proches peut demander sa libération en tout temps. La décision doit être prise sans délai (al. 4).
6.2.2
En cas de troubles psychiques, la décision de placement à des fins d'assistance doit être prise sur la base d'un rapport d'expertise (
art. 450e al. 3 CC
). Dans son rapport, l'expert doit se prononcer sur l'état de santé de l'intéressé. Il doit également indiquer en quoi les éventuels troubles psychiques risquent de mettre en danger la vie de la personne concernée ou son intégrité personnelle, respectivement celles d'autrui, et si cela entraîne chez elle la nécessité d'être assistée ou de prendre un traitement (
ATF 137 III 289
consid. 4.5 p. 292 s.; arrêt 5A_469/2013 du 17 juillet 2013 consid. 2.4). Dans l'affirmative,
BGE 140 III 101 S. 103
il incombe à l'expert de préciser quels seraient les risques concrets pour la vie ou la santé de cette personne, respectivement pour les tiers, si la prise en charge préconisée n'était pas mise en oeuvre (à propos de la notion de danger concret: arrêts 5A_288/2011 du 19 mai 2011 consid. 5.3; 5A_312/2007 du 10 juillet 2007 consid. 2.3; cf. également infra consid. 6.2.3). Il doit encore indiquer si, en vertu du besoin de protection de l'intéressé, un internement ou une rétention dans un établissement est indispensable, ou si l'assistance ou le traitement nécessaires pourraient lui être fournis de manière ambulatoire. Le rapport d'expertise précisera également si la personne concernée paraît, de manière crédible, prendre conscience de sa maladie et de la nécessité d'un traitement. Enfin, l'expert doit indiquer s'il existe un établissement approprié et, le cas échéant, pourquoi l'établissement proposé entre effectivement en ligne de compte (
ATF 137 III 289
consid. 4.5 p. 292 s.; à propos de la notion d'institution "appropriée":
ATF 112 II 486
consid. 4c p. 490;
ATF 114 II 213
consid. 7 p. 218 s.).
Lorsque l'expertise sur laquelle l'autorité s'est fondée pour prononcer le placement apparaît incomplète, le Tribunal fédéral renvoie le dossier pour complément d'instruction (arrêts 5A_469/2013 du 17 juillet 2013 consid. 2.3 in fine; 5A_879/2012 du 12 décembre 2012 consid. 4).
6.2.3
Les décisions qui peuvent faire l'objet d'un recours devant le Tribunal fédéral doivent contenir les motifs déterminants de fait et de droit (
art. 112 al. 1 let. b LTF
). S'agissant d'une décision de placement à des fins d'assistance, cela implique que l'arrêt entrepris expose tout d'abord sur la base de quels éléments de fait le tribunal a retenu l'existence d'un état de faiblesse ("Schwächezustand") au sens de l'
art. 426 al. 1 CC
, à savoir un trouble psychique, une déficience mentale ou un grave état d'abandon (arrêt 5A_189/2013 du 11 avril 2013 consid. 2.3).
La décision de l'autorité doit en outre indiquer, en fait, quel danger concret, dûment établi par expertise, pour la vie ou la santé de l'intéressé subsisterait, dans le cas d'espèce, si le traitement ou l'assistance n'était pas mis en oeuvre (arrêts 5A_189/2013 du 11 avril 2013 consid. 2.3; 5A_288/2011 du 19 mai 2011 consid. 5.3; 5A_312/2007 du 10 juillet 2007 consid. 2.3), l'existence d'un risque purement financier n'étant a priori pas suffisant. Le risque de danger pour les tiers peut également être pris en compte (
art. 426 al. 2 CC
). Ensuite, l'autorité doit déterminer sur la base de ces faits si, d'un point de vue
BGE 140 III 101 S. 104
juridique, une assistance ou un traitement est "nécessaire" au sens de l'
art. 426 al. 1 CC
, et pourquoi tel serait le cas.
Lorsqu'elle arrive à la conclusion que le traitement, respectivement l'assistance, est nécessaire, l'autorité doit exposer les faits sur la base desquels elle considère que le placement (ou le maintien en institution) est conforme au principe de la proportionnalité, c'est-à-dire pour quels motifs une assistance ou un traitement ambulatoire n'est pas envisageable (par exemple, parce qu'il est impossible de faire administrer le traitement par des proches de l'intéressé, ou parce que l'intéressé n'a pas conscience de sa maladie et de son besoin de traitement; arrêt 5A_189/2013 du 11 avril 2013 consid. 2.3).
Enfin, l'autorité doit expliquer pour quelles raisons elle considère l'institution proposée comme "appropriée" (geeignet; idoneo), question qui relève également du droit (arrêt 5A_189/2013 du 11 avril 2013 consid. 2.3).
6.3
En l'espèce, la liste des questions qui ont été posées à l'expert n'est pas conforme à la jurisprudence. En particulier, la question du danger concret qui existerait pour la recourante ou pour des tiers si le placement n'était pas mis en oeuvre n'a pas été posée. Ni l'arrêt entrepris, ni l'expertise psychiatrique ne se prononcent sur cette question. Ils se contentent de mentionner, de manière toute générale, que l'intéressée représente un risque pour elle-même, sans préciser de quel risque il s'agit, ce qui est insuffisant (cf. supra consid. 6.2.2 et 6.2.3). En particulier, alors qu'il est précisé dans l'arrêt entrepris que "la recourante nécessite impérativement une prise en charge psychiatrique et un traitement neuroleptique à long terme", on ne sait pas à quel danger concret pour sa vie ou pour sa santé elle serait exposée en l'absence d'un tel suivi, étant précisé que les conséquences mentionnées de son trouble, à savoir des dépenses médicales et juridiques dépassant son budget et incontrôlables, ne sont en l'occurrence pas pertinentes s'agissant d'un placement à des fins d'assistance (cf. supra consid. 6.2.3). En définitive, l'autorité cantonale ne pouvait pas confirmer la décision de placement sans requérir un complément d'expertise sur cette question.
Pour ces motifs, la décision entreprise doit être annulée et la cause renvoyée à l'autorité précédente pour complément d'instruction. Un délai de 30 jours est imparti à l'autorité précédente pour compléter les faits et rendre une nouvelle décision. Dans l'hypothèse où l'autorité n'aurait pas statué dans ce délai, la décision de placement à des fins d'assistance du 27 septembre 2013 sera caduque. | null | nan | fr | 2,014 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
19c880c1-3dfe-4a63-8277-769aaaf82784 | Urteilskopf
105 II 149
25. Urteil der I. Zivilabteilung vom 13. Februar 1979 i.S. Roth gegen H. Hächler AG, Hoch- und Tiefbau (Berufung) | Regeste
Einrede der abgeurteilten Sache.
1. Einrede der abgeurteilten Sache (E. 1).
2. Auslegung der Klagebegehren, Feststellungs- oder Leistungsklage?
Identität der Klagen? (E. 2.)
3. Rechtsmissbräuchliche Erhebung der Einrede der abgeurteilten Sache? (E. 3.)
4. Prozessuale Folgen bei Gutheissung der Einrede der abgeurteilten Sache (E. 4). | Sachverhalt
ab Seite 149
BGE 105 II 149 S. 149
A.-
In den Jahren 1970 und 1971 erstellte Theodor Roth in Wettingen unter anderem drei Einfamilienhäuser, nämlich zwei als Generalunternehmer für zwei verschiedene Auftraggeber sowie ein eigenes. Die Baumeisterarbeiten für diese Häuser und
BGE 105 II 149 S. 150
deren Zugänge übertrug er der H. Hächler AG Hoch- und Tiefbau. Auf Begehren der Bauunternehmung bewilligte der Bezirksgerichtspräsident von Baden am 17. Februar 1972 die vorläufige Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechtes auf den beiden Roths Auftraggebern gehörenden Grundstücken sowie auf einem gemeinsamen Weggrundstück, dessen Miteigentümer auch Roth und ein weiterer Anstösser waren. Gleichzeitig wurde der Bauunternehmung Frist angesetzt, um Klage im Sinne von
Art. 839 Abs. 3 ZGB
zu erheben; diese Frist lief am 4. Mai 1972 ab.
Unterm 4. Mai 1972 reichte die H. Hächler AG Hoch- und Tiefbau beim Bezirksgericht Baden ein Weisungszeugnis sowie eine gegen Roth gerichtete Klageschrift ein, mit der sie verlangte, dass der Beklagte zu verurteilen sei, der Klägerin einen Betrag von insgesamt Fr. 178'626.85 nebst 6% Verzugszins ab 28. Oktober 1971 zu bezahlen. Die Klageschrift enthielt keine Begründung. Mit Schreiben vom 9. Mai 1972 forderte der Gerichtspräsident die Klägerin auf, eine prozessordnungsgemässe Klage einzureichen, damit die Klage an die Hand genommen werden könne. In der Folge reichte die Klägerin eine neue, vom 10. Mai 1972 datierte Klageschrift ein. Mit ihrem Klageschluss verlangte sie, "es sei richterlich festzustellen, dass der Beklagte folgenden Betrag nebst 6% Zins seit dem 28. Oktober 1971 schuldet und zu bezahlen hat: ... Totaler Schuldbetrag: Fr. 178'626.85 unter Kosten- und Entschädigungsfolgen". Aus der Begründung der Klageschrift ergibt sich, dass die Klägerin den unbezahlt gebliebenen Werklohnanteil für verschiedene von ihr im Auftrage des Beklagten erbrachte Arbeiten forderte, nämlich Fr. 97'058.35 bzw. Fr. 59'205.85 für die beiden von ihm als Generalunternehmer erstellten Einfamilienhäuser, Fr. 11'973.65 für acht Unterflurgaragen, Fr. 9'121.55 für einen gemeinsamen Treppenaufgang sowie Fr. 1'267.45 für die Erstellung einer Trafo-Station. Durch Verfügung vom 19. Mai 1979 erklärte der Bezirksgerichtspräsident die Streitsache als appellabel und setzte dem Beklagten Frist für die Erstattung der Klageantwort. Im Laufe des Verfahrens zog die Klägerin Fürsprecher K. als Anwalt bei. Mit Schreiben vom 26. September 1972 teilte dieser dem Bezirksgericht Baden mit, dass er namens der Klägerin die am 10. Mai 1972 eingereichte Feststellungsklage zurückziehe; den Gegenanwalt, Fürsprecher B., habe er über diesen Schritt bereits
BGE 105 II 149 S. 151
telefonisch orientiert. In seiner Sitzung vom 2. Oktober 1972 beschloss sodann das Bezirksgericht: "Das Verfahren wird als durch Klagerückzug erledigt von der Kontrolle abgeschrieben."
B.-
Am 16. Februar 1973 reichte die H. Hächler AG Hoch- und Tiefbau beim Bezirksgericht Baden gegen Roth eine neue Klage ein, wiederum zusammen mit einem Weisungszeugnis. Dabei stellte sie den Antrag, dass der Beklagte zu verurteilen sei, der Klägerin Fr. 164'925.30 nebst 6% Verzugszins ab 28. Oktober 1971 zu bezahlen. Auch in diesem Verfahren forderte sie für die beiden von Roth als Generalunternehmer erstellten Häuser Fr. 97'058.35 bzw. Fr. 59'205.85, für den gemeinsamen Treppenaufgang Fr. 7'393.65 sowie unter dem Titel Restbetrag für Trafo-Station Fr. 1'267.45. Mit seiner Klageantwort erhob der Beklagte die Einrede der abgeurteilten Sache. Nachdem die Klägerin auf Grund einer bereinigten Abrechnung die Klage auf Fr. 153'344.70 herabgesetzt hatte, sprach ihr das Bezirksgericht mit Urteil vom 13. Dezember 1976 diesen Betrag nebst 5% Zins seit dem 26. Oktober 1972 zu. Eine Appellation des Beklagten wies das Obergericht (1. Zivilabteilung) des Kantons Aargau am 27. Januar 1978 ab.
C.-
Gegen das obergerichtliche Erkenntnis hat der Beklagte die Berufung erklärt. Er beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage in Gutheissung der Einrede der abgeurteilten Sache abzuweisen. Die Klägerin schliesst auf Abweisung der Berufung.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Zu beurteilen ist einzig, ob die Vorinstanz zu Recht die Einrede der abgeurteilten Sache verworfen hat. Dabei ist nicht streitig, dass nach dem massgebenden kantonalen Prozessrecht auch eine Abschreibung wegen Klagerückzuges zur materiellen Rechtskraft und damit zur Einrede der abgeurteilten Sache führt. Da ein bundesrechtlicher Anspruch in Frage steht (Werkvertrag), beurteilt sich im übrigen nach Bundesrecht, ob die Erledigung jenes ersten Prozesses der neuen Klage entgegensteht; mit der Berufung kann sowohl geltend gemacht werden, die Vorinstanz habe die Einrede zu Unrecht geschützt, als auch, sie habe diese zu Unrecht verworfen (
BGE 97 II 396
,
BGE 95 II 643
E. 4b mit Hinweisen). Wie es sich damit verhält, hängt
BGE 105 II 149 S. 152
davon ab, ob es sowohl heute als auch im früheren Prozess zwischen den gleichen Parteien um den in bezug auf Inhalt und geltend gemachte Tatsachen gleichen Anspruch geht (
BGE 98 II 27
E. 1,
BGE 97 II 396
mit Hinweisen).
2.
Die Vorinstanz stellt unangefochten fest, dass die frühere und die heutige Klage nicht nur die nämlichen Parteien betreffen, sondern auch hinsichtlich der eingeklagten Werklohnforderungen identisch sind. Streitig ist hingegen, ob die Identität wegen der unterschiedlichen Formulierung der Rechtsbegehren entfällt, indem es sich im früheren Prozess um eine Feststellungsklage, im späteren um eine Leistungsklage handle. Die kantonalen Gerichte befassen sich mit dieser Streitfrage, lassen sie jedoch im Ergebnis offen, weil sie die Einrede aus anderen Gründen verwerfen.
a) Ist im späteren Prozess das frühere Klagebegehren auszulegen, so kann es nicht darum gehen, den damaligen wirklichen Willen eines Klägers abzuklären; massgebend ist vielmehr eine objektive Auslegung nach allgemeinen Grundsätzen unter Berücksichtigung von Treu und Glauben (GULDENER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. Auflage, Zürich 1979, S. 262; STRÄULI/MESSMER, Kommentar zur Zürcherischen ZPO, Zürich 1976, N. 6 zu § 54; vgl. auch
BGE 82 II 178
). Was die Klägerin in diesem Zusammenhang unter Hinweis auf eine Willenstheorie vorbringt, ist daher unerheblich. Eine Anfechtung der damaligen Rückzugserklärung wegen Irrtums kann ohnehin nicht im vorliegenden Prozess erfolgen.
b) Nach der damaligen Situation lag es nahe, mit der Klage von 1972 die vorläufig eingetragenen Handwerkerpfandrechte zu prosequieren, wozu der Klägerin Frist angesetzt worden war. Gegenstand einer solchen Klage wäre nicht die Feststellung der Werklohnforderung gegenüber dem Unternehmer gewesen, sondern die endgültige Eintragung des Handwerkerpfandrechts, unter Feststellung des Werklohns allein den Pfandeigentümern gegenüber und nur als Pfandsumme; das Pfandrecht setzt nicht eine fällige Werklohnforderung, ja nicht einmal Arbeitsleistung voraus (Art. 839 Abs. 3 in Verbindung mit
Art. 961 Abs. 3 ZGB
und
Art. 22 Abs. 2 GBV
; HOMBERGER, N. 34 zu Art. 961). Die Beurteilung oder der Rückzug einer solchen Pfandrechtsklage bewirkt demgemäss auch für den späteren Prozess gegen den Werklohnschuldner keine abgeurteilte Sache.
BGE 105 II 149 S. 153
Eine Klage auf endgültige Eintragung des Handwerkerpfandrechts wurde indessen nie erhoben. Weder in der beanstandeten Klageschrift noch in der verbesserten vom 10. Mai 1972 findet sich der geringste Hinweis auf ein Pfandrecht, auf das vorangegangene Eintragungsverfahren oder auf die erfolgte Klagefristansetzung. Auch wurde der Klage nicht eine entsprechende richterliche Verfügung, sondern das Weisungszeugnis des Friedensrichters vom 19. November 1971 beigelegt, das schon vor dem Pfandrechtsverfahren eingeholt worden und von diesem unabhängig war. Dass die Klage hinsichtlich der Häuser Humbel und Nägeli allein gegen den Werklohnschuldner und nicht gegen die Grundeigentümer gerichtet war, schliesst diesen Zusammenhang ebenfalls aus. Das Bezirksgericht behandelte denn auch folgerichtig die Eingabe als ordentliche Klage im appellablen Verfahren und nicht als Klage auf Bauhandwerkerpfandrecht im beschleunigten Verfahren (§ 124 EG/ZGB).
Freilich begründet die Klägerin vor Bundesgericht die Formulierung ihrer verbesserten Klage vom 10. Mai 1972 mit der Absicht, damit das Handwerkerpfandrecht zu sichern; im kantonalen Verfahren führte sie denn auch aus, diese Klage sei "im Rahmen des damals pendenten Bauhandwerkerpfandrechts gegen Dr. Nägeli und Dr. Humbel" eingereicht, dann aber als verspätet wieder zurückgezogen worden. Angesichts der Aktenlage handelt es sich dabei nur um subjektive Gesichtspunkte, die nicht entscheidend sein können. Es kommt daher auch nicht darauf an, ob die Frist zur Prosequierung des Pfandrechts am 4. Mai 1972 ablief und versäumt wurde, wie es das angefochtene Urteil feststellt, oder ob sie bis zum 14. Mai 1972 lief und gewahrt wurde, wie die Klägerin vor Bundesgericht in Korrektur ihrer bisherigen Haltung behauptet. Die neue These stützt sich ohnehin auf kantonales Prozessrecht und ist im Berufungsverfahren nicht zu hören (
Art. 55 Abs. 1 lit. c OG
).
c) Die Vorinstanz hat daher zu Recht nur geprüft, ob die Klage vom Mai 1972 eine selbständige Feststellungsklage gewesen sei und sich als solche von der späteren Leistungsklage unterscheide, und hier setzt denn auch die Kritik der Berufung ein. Dabei anerkennt die Klägerin, dass ihre erste Klageschrift vom 4. Mai eine gewöhnliche Forderungsklage zum Gegenstand hatte. Für die Klägerin war demgegenüber - wie offenbar für die Vorinstanz - die verbesserte Klageschrift vom
BGE 105 II 149 S. 154
10. Mai eine neue Klage, während nach Meinung des Beklagten nicht von zwei verschiedenen Klagen gesprochen werden darf. Wie es sich damit verhält, braucht nicht entschieden zu werden; jedenfalls ist nicht zu beanstanden, dass das erste Schreiben für die Auslegung des zweiten mitberücksichtigt wird. Auch der verbesserten Eingabe war das gleiche Weisungszeugnis über eine reine Forderungsklage beigelegt; in ihr wurde Fälligkeit der Forderung behauptet und Verzugszins verlangt. Neu war, dass die Eingabe als Klage "betreffend Feststellung der Forderung" bezeichnet wurde und dass der Klageschluss lautete, "es sei richterlich festzustellen, dass der Beklagte der Klägerin folgenden Betrag nebst 6% Zins seit dem 28. Oktober 1971 schuldet und zu bezahlen hat: ... Fr. 178'626.85". Das angefochtene Urteil bezeichnet diese Fassung als zweideutig, nimmt aber nach den Umständen eher eine Leistungs- als eine Feststellungsklage an. In der Tat wurde mit der verbesserten Klage die Feststellung nicht nur des Bestehens einer Schuld, sondern auch der Zahlungspflicht verlangt; das kann in guten Treuen nicht anders denn als Leistungsklage verstanden werden (LEUCH, Die Zivilprozessordnung für den Kanton Bern, 3. Auflage, Bern 1956, N. 1 zu Art. 174, S. 193; STRÄULI/MESSMER, a.a.O., N. 9 zu § 59). Daran ändert auch nichts, dass der später beigezogene Anwalt der Klägerin den Rückzug der "eingereichten Feststellungsklage" erklärte und dass der Abschreibungsbeschluss des Bezirksgerichts in den Erwägungen von einer Klage auf "Feststellung eines Schuldbetrages in der Höhe von Fr. 178'626.85" sprach. Entscheidend war demgegenüber, dass die Klage vom 10. Mai 1972 tatsächlich zurückgezogen und abzuschreiben war, nicht diese beiläufigen Bezeichnungen. Anlass zur Anfechtung des entsprechenden bezirksgerichtlichen Beschlusses durch die Klägerin bestand daher nicht; weshalb es sich für den Beklagten anders verhalten hätte, ist unerfindlich, denn er wäre so wenig wie die Klägerin durch die Abschreibung beschwert gewesen.
d) Da die heute vorliegende Klage unstreitig eine Leistungsklage ist, besteht somit auch hinsichtlich des Klagebegehrens Identität mit der seinerzeitigen Klage. Es braucht deshalb nicht entschieden zu werden, ob bei Annahme einer Feststellungsklage diese Identität zu verneinen wäre, wie das Bezirksgericht ohne Begründung erklärt (vgl. dazu immerhin KUMMER, Das Klagerecht und die materielle Rechtskraft im schweizerischen Recht, S. 67 f.; LEUCH, a.a.O., S. 194).
BGE 105 II 149 S. 155
Die Einrede der abgeurteilten Sache erscheint somit an sich als begründet.
3.
Die Vorinstanz verwirft nun aber die Einrede des Beklagten, weil sie rechtsmissbräuchlich erhoben werde. Der Beklagte bestreitet zu Recht nicht, dass die Grundsätze von Treu und Glauben auch im Zivilprozess zu beachten sind und dass er sich diesbezüglich das Verhalten seines Anwalts anrechnen lassen muss.
a) Das angefochtene Urteil hält fest, dass die abgeurteilte Sache nur auf Einrede der berechtigten Partei und nicht von Amtes wegen zu beachten sei. Der Beklagte meint, die Frage des Rechtsmissbrauchs würde gegenstandslos, wenn die abgeurteilte Sache von Amtes wegen zu berücksichtigen wäre, weil dann selbst Einverständnis des Gegners unbeachtlich wäre. Das ist nach dem Zusammenhang wohl auch die Meinung der Vorinstanz. Die Rechtsprechung hat bisher die Frage nicht eindeutig geklärt, ob sich aus Bundesrecht auch ergebe, dass die materielle Rechtskraft von Amtes wegen berücksichtigt werde (offen gelassen in
BGE 95 II 643
, dagegen ohne nähere Begründung bejaht in
BGE 98 II 27
). Das braucht indessen hier nicht entschieden zu werden, weil dadurch die Geltendmachung von Rechtsmissbrauch nicht ausgeschlossen wird; entsprechendes gilt denn auch für die rechtsmissbräuchliche Anrufung eines Formmangels (vgl.
BGE 104 II 101
E. 2 mit Hinweisen).
b) Nach dem angefochtenen Urteil führten die beiden Parteivertreter unmittelbar vor dem Rückzugsschreiben von Fürsprecher K. vom 26. September 1972 ein Telefongespräch, dessen Inhalt streitig ist. Nach den Feststellungen des Obergerichts war es Fürsprecher K., der Fürsprecher B. anrief und über den bevorstehenden Klagerückzug orientierte. Mit der Berufung wird daran festgehalten, dass dem ein Anruf von Fürsprecher B. vorangegangen sei, doch ist das nicht wesentlich. Bestritten ist sodann nach dem angefochtenen Urteil, dass Fürsprecher K. bei diesem Gespräch auch die Gründe des Klagerückzugs mitgeteilt habe, nämlich das Vorliegen einer blossen Feststellungsklage, die mit dem Handwerkerpfandrechtsverfahren in keinem Zusammenhang mehr stehe; indessen sei auf diese Behauptung von Fürsprecher K. abzustellen, weil sich schon aus seinem Rückzugsschreiben ergebe, dass er jene Klage irrtümlich für eine Feststellungsklage gehalten und als solche zurückgezogen habe.
BGE 105 II 149 S. 156
Der Beklagte bestreitet nach wie vor, dass Fürsprecher K. bei jenem Gespräch eine derartige Begründung des Klagerückzugs gegeben habe. Es handle sich hier um eine blosse Vermutung der Vorinstanz, der das Bundesgericht eine eigene Vermutung entgegensetzen könne. Ohne Beweisführung sei dabei auf eine bestrittene Parteibehauptung abgestellt worden, worin eine Verletzung bundesrechtlicher Beweisvorschriften liege. Wie es sich damit verhält, kann offen bleiben.
c) Das angefochtene Urteil geht davon aus, dass die Einrede der abgeurteilten Sache entfalle, wenn die Klage mit Einwilligung des Gegners unter Vorbehalt der Wiedereinreichung zurückgezogen werde. Das ist unwidersprochen geblieben und dürfte im übrigen kantonalem Recht entsprechen, das im Berufungsverfahren nicht zu überprüfen ist. Vorliegend kommt darauf jedoch nichts an, weil feststeht, dass die Klage seinerzeit nicht unter Vorbehalt der Wiedereinreichung zurückgezogen worden ist, der Rückzug vielmehr dem Gericht gegenüber vorbehaltlos erklärt wurde. Die Klägerin hat aber auch nie behauptet, dass ihr Anwalt beim Anruf vor der Rückzugserklärung das Einverständnis des Gegenanwalts mit einem solchen Vorgehen habe einholen wollen; Zweck dieses Anrufs war vielmehr nach ihrer eigenen Darstellung ausschliesslich, weitere Bemühungen des Gegenanwalts für die von ihm zu erstattende Klageantwort und entsprechende Entschädigungsfolgen zulasten der Klägerin zu vermeiden. Nach dem angefochtenen Urteil war denn auch gar nicht die Rede von der Erhebung einer neuen Klage.
d) Gleichwohl durfte nach Meinung der Vorinstanz Fürsprecher K. auf Grund des Verhaltens von Fürsprecher B. davon ausgehen, dass dieser die Einrede der abgeurteilten Sache nicht erheben werde. Weil das Verhalten Fürsprecher B. gegen Treu und Glauben verstosse, sei die Einrede der abgeurteilten Sache missbräuchlich und unbeachtlich. Zu prüfen ist indes vorab die Frage, ob Fürsprecher B. anlässlich des Telefongesprächs mit dem Gegenanwalt stillschweigend auf die Erhebung der Einrede der abgeurteilten Sache verzichtet hat, was sich nach dem Vertrauensgrundsatz und nach
Art. 2 Abs. 1 ZGB
beurteilt; nur eventuell ist alsdann die zweite Frage zu prüfen, ob widersprüchliches Verhalten im Sinn von
Art. 2 Abs. 2 ZGB
vorliegt. Beides ist jedoch zu verneinen, wenn die Vorinstanz zu Unrecht von einem Verstoss Fürsprecher B. gegen Treu und Glauben ausgeht.
BGE 105 II 149 S. 157
e) Nach dem angefochtenen Urteil war Fürsprecher K. offensichtlich der Auffassung, der Rückung stehe, weil eine Feststellungsklage betreffend, einer späteren Leistungsklage nicht entgegen; dieser Irrtum kann nach Auffassung des Obergerichts Fürsprecher B. nicht entgangen sein, denn dieser habe als sicher annehmen müssen, dass die Klägerin auf ihre restlichen hohen Werklohnansprüche nicht verzichten wollte. Das betrifft Wissen und Willen von Fürsprecher B. und damit tatsächliche Verhältnisse. In diesem Zusammenhang rügt der Beklagte wiederum die Verletzung bundesrechtlicher Beweisvorschriften, weil die Vorinstanz, ohne Beweise zu erheben, auf bestrittene Parteibehauptungen abgestellt habe. Die Klägerin unterstützt dagegen die angefochtene Feststellung mit zusätzlichen Argumenten. Auch diese Frage kann offen bleiben, da auf die angefochtene Feststellung nichts ankommt.
f) Der Beklagte anerkennt, dass sein Anwalt die telefonischen Mitteilungen von Fürsprecher K. einfach zur Kenntnis nahm. Nach dem angefochtenen Urteil wäre aber Fürsprecher B., angesichts des Irrtums von Fürsprecher K., als Anwaltskollege verpflichtet gewesen, diesen darauf aufmerksam zu machen, dass er im Fall eines Klagerückzuges sich veranlasst sehen würde, gegen eine neue Klage die Einrede der abgeurteilten Sache zu erheben. Nach den Standesregeln und dem Standesrecht unterstehe er andern Anwälten gegenüber den Geboten der Kollegialität, der gegenseitigen Rücksichtnahme und Achtung. Das kollegiale Verhalten, auf das die Anwälte im gegenseitigen Verkehr angewiesen seien, finde allerdings seine Grenze am Interesse des eigenen Klienten. Dieses wäre aber nicht betroffen gewesen, wenn Fürsprecher B. Fürsprecher K. darauf aufmerksam gemacht hätte, dass er einer neuen Klage gegenüber die Einrede der abgeurteilten Sache erheben werde; dadurch wäre Fürsprecher K. veranlasst worden, das weitere Vorgehen nochmals genau zu überdenken.
Dieser Argumentation des Obergerichts widerspricht der Beklagte. Nicht zu folgen ist ihm darin, dass Standesnormen als Verbandsrecht überhaupt nicht zu berücksichtigen seien, geht es hier doch um Regeln der Verkehrssitte, die im Rahmen von Treu und Glauben durchaus Beachtung verdienen (MERZ, N. 100 und 141 zu
Art. 2 ZGB
). Auch die Folge, dass die Einrede des Beklagten zu schützen wäre, wenn er nicht durch einen Anwalt vertreten wäre, ist keineswegs "grotesk", sondern durchaus natürlich, da nach Treu und Glauben in rechtlichen Belangen
BGE 105 II 149 S. 158
an eine rechtskundig vertretene Partei höhere Anforderungen gestellt werden dürfen als an eine rechtsunkundige Partei.
Zu Recht rügt dagegen die Berufung, dass die Vorinstanz an Fürsprecher B. höhere Anforderungen stellt als an Fürsprecher K., indem sie ersteren für den Irrtum verantwortlich macht, der letzterem unterlaufen ist. Nach dem angefochtenen Urteil lag ja der Irrtum von Fürsprecher K. darin, dass er die erste Klage für eine Feststellungsklage hielt, die einer späteren Leistungsklage nicht hinderlich sei. Wenn dieser Irrtum nach dem angefochtenen Urteil Fürsprecher B. nicht entgangen sein kann, heisst das nicht, dass er bereits in diesem Zeitpunkt die Möglichkeit einer späteren Einrede der abgeurteilten Sache erkannte und eine entsprechende Absicht verschwieg. Selbst wenn er anlässlich jenes Telefongesprächs erkannte, dass Fürsprecher K. sich mit dem beabsichtigten Rückzug der Klage allenfalls unbeabsichtigt der Gefahr aussetzte, mit einer neuen Klage auf die Einrede der abgeurteilten Sache zu stossen, war Fürsprecher B. auch unter Berücksichtigung von Standesrecht nach Treu und Glauben nicht gehalten, seinen Gegenanwalt auf den Irrtum aufmerksam zu machen und ihm dieses Vorgehen abzuraten. Wer bei solchen Gesprächen nicht nach Irrtümern des Gegners forscht, die dieser bei gehöriger Aufmerksamkeit selber wahrnehmen könnte, handelt nicht gegen Treu und Glauben; niemand ist gehalten, im Interesse des Gegners umsichtiger zu sein, als dieser ist und sein kann (
BGE 102 II 84
). Auf diesen Grundsatz stützt sich die Berufung zu Recht. Wie dargelegt, verhält es sich ja nicht so, dass Fürsprecher K. die Frage einer neuen Klage und der Einrede der abgeurteilten Sache auch nur andeutungsweise zur Diskussion stellte und dazu eine Meinungsäusserung des Gegenanwalts herbeiführen wollte; er orientierte diesen vielmehr, nach eigener Darstellung, über den bevorstehenden Klagerückzug ausschliesslich, damit dieser nicht noch weitere Bemühungen unternehme, die sich dann in der Prozessentschädigung auswirken müssten. Diese Orientierung durfte Fürsprecher B. kommentarlos entgegennehmen, ohne dass er mit dem Verzicht auf Ratschläge an seinen Gegenanwalt gegen Treu und Glauben oder gegen Standespflichten verstossen hätte.
g) Auch das Verhalten des Beklagten bzw. seines Anwalts nach dem Klagerückzug vom 26. September 1972 widerspricht
BGE 105 II 149 S. 159
weder Treu und Glauben noch ist es rechtsmissbräuchlich. Nach Meinung der Vorinstanz hätte er nach Erhalt der Kopie des Rückzugsschreibens gegen eine allfällige Abschreibung der Klage als Feststellungsklage Verwahrung einlegen müssen, wenn er später die Einrede der abgeurteilten Sache zu erheben gedachte; dadurch hätte er das Bezirksgericht zu entsprechenden Ausführungen im Abschreibungsbeschluss veranlasst, wobei dann die Klägerin allenfalls diesen Beschluss hätte anfechten können; indem der Beklagte statt dessen nicht reagiert habe, habe er den Anschein erweckt, als stimme er der Bezeichnung der Klage als Feststellungsklage zu. Das alles ist schon deshalb unerheblich, weil die Klage damals bereits zurückgezogen war. Davon abgesehen gilt wiederum, dass Tatsache und Gegenstand des Klagerückzuges klar waren und es dafür auf die Bezeichnung nicht ankam. Die Klägerin hält sogar die Einrede des Beklagten auch deshalb für missbräuchlich, weil er selbst es seinerzeit unterlassen habe, den von ihm als fehlerhaft bezeichneten Abschreibungsbeschluss durch Beschwerde anzufechten; worin aber die Beschwerdelegitimation des Beklagten gelegen hätte, wird nicht dargetan.
4.
Nach dem Gesagten hat das Obergericht die Einrede der abgeurteilten Sache zu Unrecht verworfen. Der Klagerückzug vom 26. September 1972 steht der vorliegenden Klage entgegen. Das führt zur Gutheissung der Berufung.
Der Beklagte beantragt die Abweisung der Klage, während die Vorinstanz diesen Antrag ohne nähere Begründung in Anführungszeichen setzt. Das Bundesgericht hat bisher nicht entschieden, ob abgeurteilte Sache die Abweisung der Klage oder das Nichteintreten auf sie zur Folge hat. In
BGE 85 II 57
wurde ein auf Nichteintreten lautendes kantonales Urteil bestätigt, in
BGE 95 II 639
dagegen eine Scheidungsklage wegen abgeurteilter Sache abgewiesen. Bei richtigem Ergebnis wird das Bundesgericht die kantonale Terminologie nicht korrigieren, doch ist eine solche hier nicht vorgezeichnet. Immerhin scheint im Aargauer Zivilprozessrecht die Frage der abgeurteilten Sache als solche des Rechtsschutzinteresses und damit als Prozessvoraussetzung behandelt zu werden (EICHENBERGER, Beiträge zum Aargauischen Zivilprozessrecht, S. 146 f.). Das dürfte auch sonst die Regel sein (STRÄULI/MESSMER, a.a.O., N. 26 zu § 191; GULDENER, a.a.O., S. 221; LEUCH, a.a.O., N. 2 zu Art. 194). Im gleichen Sinn bestimmt
Art. 22 BZP
, dass die Klage unzulässig
BGE 105 II 149 S. 160
ist, wenn der Anspruch bereits rechtskräftig beurteilt ist, was gemäss
Art. 40 OG
auch im Berufungsverfahren zu berücksichtigen ist. Das hat zur Folge, dass auf die Klage nicht einzutreten ist.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts (1. Zivilabteilung) des Kantons Aargau vom 27. Januar 1978 aufgehoben und auf die Klage nicht eingetreten. | public_law | nan | de | 1,979 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
19c97b03-80d7-440e-b92b-883eb13e11b3 | Urteilskopf
81 II 197
35. Urteil der II. Zivilabteilung vom 13. Mai 1955 i. S. Garesa A.-G. gegen Grand Anstalt. | Regeste
1. Ausschluss neuer Vorbringen vor Bundesgericht (
Art. 55 Abs. 1 lit. c OG
) (Erw. 2).
2. Zulässigkeit der auf die Akten gestützten Feststellung, dass sich die streitigen Wertpapiere im Besitz der Beklagten befinden, obwohl diese auf die Klage nicht geantwortet hat (Erw. 3).
3. Rechtsnatur und Art der Übertragung von Namenaktien (Erw. 4).
4. Klage des Nichtbesitzers, der beweist, dass er die streitigen Namensaktien seinerzeit zu Eigentum erworben hat, gegen den gegenwärtigen Besitzer. Zusprechung der Klage, a) mangels Nachweises einer gültigen Indossierung auf den Besitzer oder eines gültigen Blankoindossamentes, b) wegen Tatsachen, die die Rechtmässigkeit des Besitzes verdächtig machen, c) weil der Besitzer, der die Herausgabe verweigert, weder ein eigenes Recht noch ein Drittmannsrecht an den Aktien geltend macht (Erw. 5-7). | Sachverhalt
ab Seite 198
BGE 81 II 197 S. 198
A.-
Die Baugeschäft und Chaletfabrik Davos A.-G. in Davos (hienach Chaletfabrik A.-G. genannt) hat ein Aktienkapital von Fr. 145'000.--, eingeteilt in 145 voll einbezahlte, auf den Namen lautende Aktien zu Fr. 1000.--. Die Statuten sehen vor, dass Name und Wohnort jedes Aktionärs in einem vom Verwaltungsrate geführten Aktienbuch
BGE 81 II 197 S. 199
einzutragen sind. Jeder Erwerb von Aktien ist zur Eintragung in das Aktienbuch anzumelden, unter Vorlegung der betreffenden Aktien und Nachweis des Erwerbes. Nur im Aktienbuch vorgemerkte Personen werden als Aktionäre betrachtet, und das Stimmrecht in der Generalversammlung steht nur den im Zeitpunkte der Einberufung im Aktienregister eingetragenen Aktionären zu. Beim Erwerb von Aktien durch Nicht-Aktionäre haben die Aktionäre ein Vorkaufsrecht. Nach der Anmeldung eines solchen Erwerbes sind sämtliche Aktionäre zu unterrichten, worauf sie das Vorkaufsrecht binnen 14 Tagen ausüben können (§§ 2, 3, 7 der Statuten).
B.-
Die Garesa A.-G. mit ursprünglichem Wohnsitz in Genf, nun in Zürich, behauptet, Eigentümerin der Aktien Nr. 74 bis 145 der Chaletfabrik A.-G. zu sein. Am 18. Februar 1953 hob sie beim Bezirksamt Oberlandquart ein Verfahren auf Kraftloserklärung dieser ihr angeblich abhanden gekommenen Aktien an. Auf die Bekanntmachung im bündnerischen Kantonsamtsblatt vom 6. März 1953 sandte am 4. September 1953, dem zweitletzten Tage der auf sechs Monate bemessenen Frist, die Liechtensteinische Landesbank dem Bezirksamt Oberlandquart die vermissten Aktien "im Auftrag der Grand-Anstalt, Vaduz" ein.
C.-
Hierauf teilte die Garesa A.-G. der Grand Anstalt mit, sie sei Eigentümerin der erwähnten Aktien, und bat um Auskunft, ob die Grand Anstalt ihrerseits das Eigentum beanspruche, oder wer sonst allenfalls Eigentumsrechte zu haben behaupte. Diese Anfrage wie auch eine zweite blieben unbeantwortet. Binnen der ihr vom Bezirksamt gemäss Art. 977/985 OR gesetzten Frist klagte die Garesa A.-G. gegen die Grand Anstalt beim Bezirksgericht Oberlandquart auf Feststellung ihres Eigentums an den 72 Aktien der Chaletfabrik A.-G. und auf unbeschwerte Herausgabe dieser Aktien. Die Beklagte trug im Vermittlungsverfahren auf Abweisung dieser Begehren an. Nach Zustellung der Klage ersuchte sie zweimal um Erstreckung
BGE 81 II 197 S. 200
der Beantwortungsfrist. Doch wurde ihr eine zweite Verlängerung der Frist verweigert mit Hinweis auf Art. 99 der bündnerischen ZPO. So unterblieb die Klagebeantwortung, und am weitern Verfahren vor den kantonalen Instanzen nahm die Beklagte nicht teil.
D.-
Während das Bezirksgericht aus formellen Gründen nicht auf die Klage eintrat, wies das Kantonsgericht von Graubünden sie mit Urteil vom 21. Oktober 1954 im Sinne der Erwägungen ab. Das Kantonsgericht geht von einer zugunsten der Beklagten als Besitzerin bestehenden Rechtsvermutung aus. Nun habe die Klägerin zwar den Erwerb sämtlicher (nicht nur der streitigen) Aktien der Chaletfabrik A.-G. in den Jahren 1945 bis 1947 bewiesen. Unbewiesen sei dagegen, dass sie im Zeitpunkt des angeblichen Verschwindens Devecseris - eines Mitgliedes des Verwaltungsrates der Chaletfabrik A.-G., der die streitigen Aktien nach Angabe der Klägerin etwa im Jahre 1949 veruntreut haben soll - immer noch Eigentümerin dieser Aktien war. Das hätte sie, falls es zutreffen sollte, leicht durch Edition des Aktienbuches der Chaletfabrik A.-G. nachweisen können. Die statt dessen vorgelegte Bescheinigung dieser Gesellschaft sei nicht beweiskräftig. Die Klägerin habe es auch unterlassen, die Strafuntersuchungsakten edieren zu lassen, um das Verschwinden Devecseris, die Veruntreuung der streitigen Aktien und die Anhebung einer Strafuntersuchung zu beweisen. "Hat somit die Klägerin den Beweis dafür, dass ihr Eigentumsrechte an den streitigen Aktien zustehen bzw. im Zeitpunkte von deren Verschwinden zustanden, in keiner Weise erbracht, so ist ihre Klage und damit die Appellation abzuweisen. Die Frage, inwiefern die Beklagte an den Aktien gutgläubig Eigentum erwarb bzw. erwerben konnte, braucht unter diesen Umständen gar nicht weiter geprüft zu werden."
E.-
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin (neben einer staatsrechtlichen Beschwerde, die heute abgewiesen worden ist) die vorliegende Berufung eingelegt, mit der sie
BGE 81 II 197 S. 201
an der Klage festhält. Die Beklagte hat auf Abweisung der Klage angetragen.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
(Streitwert).
2.
Da die Beklagte im kantonalen Verfahren, abgesehen von dem im Vermittlungsvorstande gestellten Antrag auf Abweisung der Klage, nichts vorgebracht hat, ist sie mit ihren Vorbringen vor Bundesgericht ausgeschlossen (
Art. 55 Abs. 1 lit. c OG
). Es hilft ihr nichts, sich im Berufungsverfahren als "ein Opfer der besonderen Vorschriften der bündner ZPO" zu bezeichnen (nämlich des Art. 99, der bestimmt, dass die Eingabefristen "auf Begehren, jedoch jeder Partei nur einmal", erstreckt werden dürfen). Es muss beim Fehlen eigener Vorbringen der Beklagten (tatsächlicher Behauptungen, Bestreitungen usw., wie auch der Geltendmachung eigener Rechte oder solcher von Drittpersonen) sein Bewenden haben.
3.
Die Klägerin hält dafür, bei dieser Sachlage habe das Kantonsgericht gar nicht Besitz der Beklagten an den streitigen Aktien annehmen dürfen; denn es sei eben seitens der Beklagten nichts, auch nicht Besitz geltend gemacht worden. Indessen stand von Bundesrechts wegen nichts entgegen, die aus den Akten hervorgehenden Tatsachen zu berücksichtigen, auch wenn sie nicht zur Stützung der Klage dienen. Und da die Klägerin selbst die streitigen Aktien vermisste und als kraftlos erklären lassen wollte, worauf sie im Auftrag der Beklagten eingereicht wurden, die sich der Klage und damit der Herausgabe widersetzt, kann der Besitz der Beklagten (als tatsächliche Verfügungsgewalt im sachenrechtlichen Sinne) nicht zweifelhaft sein.
4.
Indessen ist der Klägerin darin beizustimmen, dass Namenaktien in der Regel nicht durch blosse Übergabe der Aktientitel zu Eigentum übertragen werden können. Zwar will die Klägerin die streitigen Aktien zu Unrecht überdies als vinkuliert betrachtet wissen. Den
BGE 81 II 197 S. 202
(in A der Tatsachen erwähnten) Bestimmungen der Statuten ist weder ein Ausschluss noch eine von den gesetzlichen Regeln abweichende Form der Übertragung zu entnehmen. Ferner unterstellen die Statuten den rechtsgeschäftlichen Erwerb von Aktien nicht einer Zustimmung der Gesellschaft. Nicht einmal die Aufnahme als Mitglied bedarf solcher Zustimmung, vielmehr besagen die statutarischen Vorschriften über die Anmeldung und den Nachweis des Erwerbes nichts, was über die Regeln des
Art. 685 OR
hinausginge. Nur das den bereits eingetragenen Aktionären vorbehaltene Vorkaufsrecht steht ausserhalb der gesetzlichen Ordnung. Es unterstellt den rechtsgeschäftlichen Erwerb einer auflösenden Bedingung während einer Schwebezeit, die bis 14 Tage nach Bekanntgabe eines dem Verwaltungsrat angemeldeten Erwerbes an die eingetragenen Aktionäre dauert. Hat man es somit, (unter Vorbehalt des erwähnten Vorkaufsrechtes) nicht mit vinkulierten Namenaktien zu tun, so genügt aber dennoch zur Übertragung nicht die blosse Besitzübergabe. Namenaktien sind freilich nicht Namenpapiere im engern Sinne von Rektapapieren, aber auch nicht wie Sachen übertragbare Inhaberpapiere, sondern, wie sich aus
Art. 684 Abs. 2 OR
ergibt, gesetzliche Orderpapiere (vgl.
BGE 78 II 265
ff. und zu den Kritiken von A. WIELAND und KONRAD BLOCH in SJZ 49 S. 69 ff. und 317 ff. die Bemerkungen von GUHL in ZbJV 90 S. 306). Es bedarf daher der Übergabe der Aktie mit einem den Erwerber legitimierenden Indossament (oder einer als gleichwertig zu betrachtenden Abtretungserklärung, sei sie nun auf dem Aktientitel selbst angebracht oder davon getrennt; vgl. BÜRGI, N. 16 zu
Art. 684 OR
). Allerdings lassen sich Namenaktien (wie andere Orderpapiere) auch blanko indossieren und können alsdann, solange das Blankoindossament nicht ausgefüllt ist, wie Inhaberpapiere, also durch blosse Besitzübergabe, in Umlauf kommen und den Eigentümer wechseln (vgl. SCHUCANY, N. 2 zu
Art. 684 OR
, und GUHL, a.a.O.).
BGE 81 II 197 S. 203
5.
Nach den dargelegten Grundsätzen ist die Klägerin, wie das Kantonsgericht zutreffend entschieden hat, in den Jahren 1945-1947 Eigentümerin nicht nur der heute streitigen, sondern aller 145 Aktien der Chaletfabrik A.-G. geworden. Das folgt aus dem Kaufvertrag mit Optionsrecht vom 15. Oktober 1945 und der von den Verkäufern ausgestellten "Quittance" vom 10. Februar 1947, deren Ziffer 3 lautet:
"Les versements ayant été régulièrement effectués, et la totalité des actions transférée, Garesa SA se trouve aujourd'hui seul et unique propriétaire des actions de Baugeschäft und Chaletfabrik AG à Davos."
Das Kantonsgericht hat allerdings die Form der Übertragung auf die Klägerin nicht näher festgestellt. Es durfte aber aus der "Quittance" in Verbindung mit den Zeugenaussagen der Verkäufer folgern, dass die Aktien entweder auf die Klägerin indossiert wurden oder entsprechende Abtretungserklärungen (die Zeugen sprechen von Zessionen) oder Blankoindossamente vorlagen, seien es bereits von Vorgängern der beiden Verkäufer angebrachte oder solche der Verkäufer selbst. In einer Klausel des Kaufvertrages vom 15. Oktober 1945 war vorgesehen, dass die von der Klägerin jeweilen gegen Preiszahlung abzurufenden Aktien "mit Blankoindossament versehen" in ein Banksafe zu legen seien, über das nur beide Parteien gemeinsam sollten verfügen können. Doch ist über die Einhaltung dieser Vereinbarung und über die Art der Abwicklung der Leistungen aus dem Kaufvertrag nichts festgestellt.
Da die Klägerin alle Aktien der Chaletfabrik A.-G. von Baumann und Müller erwarb, war ein Vorkaufsrecht anderer Aktionäre nicht gegeben. Die Verkäufer konnten ein solches Recht nicht für sich in Anspruch nehmen, um den Kaufvertrag zunichte zu machen, und weitere Aktionäre waren nicht vorhanden.
6.
Dem gültig von der Klägerin erworbenen Eigentum hält das angefochtene Urteil eine seither durch Besitzerwerb
BGE 81 II 197 S. 204
entstandene Vermutung zugunsten der Beklagten entgegen. Es nimmt zwar nicht geradezu gutgläubigen Eigentumserwerb durch die Beklagte an, sondern lässt offen, wie es sich damit verhalten möge. Dagegen habe der gegenwärtige Besitz der Beklagten eine verstärkte Beweislast der Klägerin zur Folge, in dem Sinne, dass diese nicht nur den Erwerb des Eigentums, sondern auch dessen Fortdauer mindestens bis zum Verschwinden Devecseris beweisen müsse, was sie nicht getan und gar nicht ernstlich, jedenfalls nicht mit tauglichen Mitteln versucht habe. Indessen ist nicht einzusehen, was mit einem solchen Nachweis für die Klägerin gewonnen wäre, wenn dann doch, wie es das Kantonsgericht anzunehmen scheint, eine Rechtsvermutung zugunsten der Beklagten als gegenwärtiger Besitzerin der Aktien begründet ist. Entfällt dagegen eine aus dem Besitz der Beklagten abzuleitende Rechtsvermutung zu ihren Gunsten, so ist die Klägerin nach wie vor als Eigentümerin der streitigen Aktien zu betrachten. Denn in diesem Falle ist nicht einzusehen, wieso dieses Eigentum erloschen sein sollte. Insbesondere ist den dem angefochtenen Urteil zugrunde liegenden Akten nichts zu entnehmen, was auf einen Übergang des Eigentums auf eine dritte Person (oder auf den Erwerb anderer Rechte an den streitigen Aktien durch irgendjemand) schliessen liesse.
7.
Die blosse Tatsache, dass sich die Aktien nun im Besitze der Beklagten befinden (woran die Einreichung an eine Amtsstelle im Verfahren auf Kraftloserklärung nichts geändert hat), ist indessen aus folgenden Gründen nicht geeignet, das von der Klägerin nachgewiesene Eigentum zu entkräften:
a) Einmal hat man es nicht mit Inhaberpapieren, sondern mit Orderpapieren zu tun, die normalerweise nicht durch blosse Besitzübergabe zu Eigentum oder einem beschränkten dinglichen Recht übertragen werden können, sondern der Indossierung oder einer Abtretungserklärung bedürfen. Bei Wertpapieren solcher Art lässt sich daher
BGE 81 II 197 S. 205
nicht aus dem Besitz allein, sondern nur in Verbindung mit einer formell ordnungsmässigen Indossierung oder Abtretung eine Rechtsvermutung herleiten. Anders ist es, wie bereits dargetan, nur bei Blankoindossierung, die jedoch im vorliegenden Falle nicht nachgewiesen ist.
b) Sollte die Beklagte die Aktien aber auch mit formell ordnungsmässigen, von einem hiezu legitimierten Vorbesitzer ausgestellten Blankoindossamenten in Besitz genommen haben, so wäre den Zweifelsgründen Rechnung zu tragen, die diesen Besitz als verdächtig erscheinen lassen (vgl.
BGE 76 II 344
). Die Beklagte hat, als die Klägerin sich vor dem Prozess auf ihr Eigentum berief, deren Anfrage nach allfälligen von ihr an diesen Aktien beanspruchten Rechten unbeantwortet gelassen. Falls die Beklagte wirklich eigene Rechte an den Aktien zu haben glaubt, müsste sie doch wohl den Erwerbsgrund kennen und sich über die Umstände des Geschäftsabschlusses und der Übertragung zu äussern vermögen. Verweigert ein Besitzer die Aufschlüsse über seinen Erwerb, die nach der Sachlage von ihm nach Treu und Glauben verlangt werden dürfen, so macht er sich verdächtig, so dass die aus dem Besitz abzuleitende Rechtsvermutung entfällt (vgl. OSTERTAG, 2. Aufl., N. 12 zu Art. 930/31 und N. 24 zu
Art. 933 ZGB
). Insbesondere im Prozess ist der Besitzer verpflichtet, das Seinige zur Abklärung des Sachverhaltes beizutragen, zumal wenn er, wie gewöhnlich, über die Umstände seines Erwerbes besser unterrichtet ist als der klagende Nichtbesitzer (vgl.
BGE 66 II 145
). Es ist auch zu bedenken, dass eine nicht auf einem Erwerbsgeschäft beruhende Besitznahme, selbst wenn sich der Besitzer gutgläubig als Eigentümer betrachtet, gegenüber dem frühern Besitz eines Klägers nicht durchzudringen vermag, der sich seinerseits auf ein gültiges Erwerbsgeschäft stützt (
BGE 65 II 62
ff.). Dem Besitzer ist daher grundsätzlich zuzumuten, dass er sich über den Grund des Besitzes ausspreche. An solchen Angaben fehlt es hier völlig.
BGE 81 II 197 S. 206
c) Endlich lässt sich aus der Tatsache, dass sich die streitigen Aktien bei der Beklagten befinden (d.h. von einer Bank in deren Auftrag vorgelegt wurden), deshalb nichts gegen die Klägerin herleiten, weil die Beklagte sich gar nicht auf ein bestimmtes ihr oder einem Dritten (d.h. einem Zwischenbesitzer) zustehendes Recht berufen hat. Bei diesem Sachverhalte muss die Beklagte als Besitzerin ohne Recht angesehen werden. Denn nicht der Besitz eines Andern als blosse Tatsache bildet gegenüber einem frühern Besitzer, der das seinerzeit erworbene Eigentum nachweist, einen materiellrechtlichen Erlöschungsgrund. Diese Wirkung könnte vielmehr nur einem bessern Recht des Besitzers zukommen, das sich unter gewissen Voraussetzungen freilich auf eine durch den Besitz begründete Rechtsvermutung stützen liesse. Ist aber kein bestimmtes Recht des beklagten Besitzers behauptet, so kann der Klage des frühern Besitzers nicht entgegengehalten werden, dass ein solches Recht unter Umständen (immerhin unter Vorbehalt der Widerlegung durch den Kläger) zu vermuten gewesen wäre.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung der Klägerin wird gutgeheissen, das Urteil des Kantonsgerichtes von Graubünden vom 21. Oktober 1954 aufgehoben und die Klage gutgeheissen, d.h. festgestellt, dass die Klägerin Eigentümerin der 72 Namenaktien Nr. 74 - 145 der Baugeschäft und Chaletfabrik Davos A.-G. ist, und die Beklagte zu deren Herausgabe an sie verpflichtet. | public_law | nan | de | 1,955 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
19cc20b9-7d16-4729-8ed8-b2ecd0292ce5 | Urteilskopf
82 III 31
11. Entscheid vom 28. April 1956 i.S. Spannagel. | Regeste
Die Klagefristen im Widerspruchsverfahren (
Art. 107 Abs. 1, 109 SchKG
) sind gesetzliche Fristen, die das Betreibungsamt nicht verlängern kann. Eine trotzdem bewilligte Verlängerung ist unwirksam. | Sachverhalt
ab Seite 31
BGE 82 III 31 S. 31
A.-
Das Betreibungsamt setzte zwei Drittansprechern gepfändeter Gegenstände am 20. Januar 1956 Frist zur Widerspruchsklage gemäss
Art. 107 Abs. 1 SchKG
. Auf ihr Ersuchen gewährte das Amt am 24. Januar der Frau Spannagel eine Verlängerung der Klagefrist bis zum 15. Februar mit Rücksicht auf ihre Krankheit und die Abwesenheit ihres Ehemannes. Dem J. Laube, der sich an die Gläubigerin gewandt, aber nicht geklagt hatte, räumte das Betreibungsamt am 8. Februar eine neue Klagefrist bis zum 15. Februar ein.
Auf Beschwerde der Gläubigerin erklärte die untere Aufsichtsbehörde die Fristerstreckungen ungültig.
Eine Beschwerde des Schuldners hiegegen hat die obere Aufsichtsbehörde abgewiesen. Sie führt aus, die Klagefristansetzung durch das Betreibungsamt sei weder von Frau Spannagel noch von Laube mit Beschwerde angefochten worden, daher in Rechtskraft erwachsen. Als gesetzliche Frist sei sie nicht erstreckbar gewesen; die vom Betreibungsamt in Verkennung dieser gesetzlichen Ordnung gewährte Erstreckung bezw. Neuansetzung der Frist sei unbeachtlich ohne Rücksicht auf die dafür angerufenen Gründe; die Vorinstanz habe sie daher zu Recht annulliert.
B.-
Mit dem vorliegenden Rekurs beantragt der Schuldner Spannagel, "die gemachten Beschlüsse und Regelungen hinsichtlich der Kredit- und Verwaltungsbank AG" seien zu annullieren und die Vorinstanzen anzuweisen, das Verfahren
BGE 82 III 31 S. 32
dahingehend zu ergänzen, dass die bewilligten Fristverlängerungen als gültig erklärt und den Drittansprechern die Möglichkeit zur Geltendmachung ihrer Ansprüche gegeben werden.
Erwägungen
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
1.
Nachdem die Gläubigerin Kredit- und Verwaltungsbank AG die Drittansprachen der Frau Spannagel und des J. Laube gemäss
Art. 106 Abs. 3 SchKG
bestritten hatte, musste das Betreibungsamt den Drittansprechern nach Art. 107 Frist zur Widerspruchsklage ansetzen. Es handelt sich dabei um eine gesetzliche Frist, an der das Betreibungsamt nichts ändern kann (vgl. JAEGER, Art. 33 N. 2). Wenn die Drittansprecher daran etwas auszusetzen hatten, konnten sie gegen die Fristansetzung Beschwerde führen, was sie aber, ohne besondere Bewilligung aufschiebender Wirkung, auch nicht von der fristgemässen Klageerhebung entbunden hätte (
Art. 36 SchKG
). Wenn die Drittansprecher weder von der Klagefrist Gebrauch machten noch sie anfochten, sondern lediglich beim Betreibungsamt um Verlängerung bezw. Neuansetzung nachsuchten und das Amt sich darauf einliess, so ändert das nichts daran, dass es bei der ursprünglich gesetzten, von Gesetzes wegen unabänderlichen Frist blieb und die Fristverlängerung bezw. -neuansetzung unwirksam war. Auch der Umstand, dass das Betreibungsamt, indem es eine Woche vor Ablauf der gültig gesetzten Klagefrist zur vermeintlichen Verlängerung Hand bot, dazu beigetragen hat, dass die Ansprecher die rechtzeitige Klageerhebung unterliessen und deswegen allenfalls ihrer Rechte verlustig gehen werden, kann zu keiner anderen Entscheidung führen.
2.
.....
Dispositiv
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird, soweit darauf eingetreten werden kann, abgewiesen. | null | nan | de | 1,956 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
19d83d6c-0feb-40c3-8e02-6ecf57681595 | Urteilskopf
117 IV 467
82. Urteil des Kassationshofes vom 27. November 1991 i.S. Eheleute X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden (Nichtigkeitsbeschwerde) | Regeste
Art. 305 StGB
; Begünstigung.
1. Der Bürger hat keine allgemeine Pflicht, den Strafverfolgungsbehörden flüchtige Straftäter anzuzeigen oder der Polizei Auskunft über Straftäter und deren Verbleib zu geben (E. 3).
2. Ein Schuldspruch nach
Art. 305 StGB
setzt voraus, dass der Täter den Begünstigten mindestens für eine gewisse Zeit dem behördlichen Zugriff entzieht. Dazu ist in der Regel ein aktives Tun erforderlich, während bloss passives Verhalten nicht genügt. Der Tatbestand kann durch Unterlassen nur erfüllt werden, wenn der Begünstigende eine Garantenpflicht hat. Die Tatsache, dass der Betroffene von einem Flüchtigen kontaktiert oder in Anspruch genommen wird, begründet noch keine Garantenstellung (E. 3).
3. Begünstigung verneint bei einem Pfarrerehepaar, das einen Flüchtigen in die Wohnung eintreten, an einer kleinen Mahlzeit teilnehmen und während weniger Stunden dort verweilen liess (E. 4). | Sachverhalt
ab Seite 468
BGE 117 IV 467 S. 468
A.-
a) X. ist seit 1977 Pfarrer in der evangelischen Kirchgemeinde A. Seine Ehefrau unterstützt ihn in der pastoralen Arbeit und führt die Sonntagsschule. Zwischen den Ehegatten X. und der in B. wohnhaften Familie Z. bestanden freundschaftliche Beziehungen. B. Z., der am 7. Oktober 1989 verstarb, war früher Präsident der Kirchgemeinde.
b) M. Z., der Sohn des B. Z., wurde durch das Kantonsgericht von Graubünden im Januar 1981 unter anderem wegen Sprengstoffdelikten zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt. Am 17. Dezember 1981 entwich er gemeinsam mit anderen Mitgefangenen aus der Strafanstalt Regensdorf. Bei dem Ausbruch wurde ein Aufseher getötet und ein zweiter schwer verletzt.
BGE 117 IV 467 S. 469
Herr und Frau X. wussten, dass Z. wegen des Ausbruchs von der Polizei international gesucht wurde. Frau X. hatte ihn im Oktober 1989 einmal in Begleitung seiner Mutter in Italien gesehen.
c) Am Sonntag, den 3. Dezember 1989, um ca. 7.45 Uhr, wurde in A. der Grenzwächter M. von einem Unbekannten niedergeschossen und tödlich verletzt.
Ungefähr eine halbe Stunde später klingelte es an der Wohnung der Eheleute X. Frau X. öffnete und liess den Besucher eintreten, der sich als M. Z. zu erkennen gab. Kurz darauf stellte er sich auch Herrn X. vor. Obwohl die Eheleute ihn aufforderten, das Haus zu verlassen, blieb er in der Wohnung, wo er mit Herrn und Frau X. das Frühstück einnahm.
Kurz nach 9.00 Uhr verliess Herr X. die Wohnung, um den Gottesdienst abzuhalten und an einer Kirchgemeindeversammlung teilzunehmen. Frau X. begab sich um ca. 9.30 Uhr zur Katechismuslektion. Als sie gegen Mittag zurückkehrten, mussten sie feststellen, dass sich Z. noch immer in der Wohnung aufhielt.
Inzwischen hatten sie von der Tötung des Grenzwächters M. erfahren. Während des Nachmittags liess Z. die Ehegatten X. nie aus den Augen. Er bedrohte sie nicht konkret, doch fürchteten sie sich auch deshalb, weil in ihnen nach und nach der Gedanke aufkam, Z. könne der Mörder von M. sein. Überdies sah Frau X., dass Z. eine Waffe in seiner Reisetasche trug, die einem Sturmgewehr glich. Er sagte den Ehegatten auch, dass er bewaffnet sei. Herr und Frau X. vermuteten, dass Z. eine Waffe unter seinem Pullover trage. Im Laufe des Nachmittags läutete verschiedentlich das Telefon. Z. befand sich während der Telefongespräche stets in der Nähe. Als Frau X. einem beim Pfarrhaus vorbeifliegenden Helikopter ein Zeichen geben wollte, bedeutete Z., der sich hinter ihrem Rücken befand, es sei besser, sich vom Fenster wegzubegeben.
Gegen 17.00 Uhr verlangten die Ehegatten X. energisch, er solle endlich gehen. Z. stimmte dieser Aufforderung zu, verlangte aber, an einen bestimmten Ort in C. gebracht zu werden. Herr und Frau X. kamen diesem Ansinnen nach und führten ihn mit ihrem Auto an den von ihm angegebenen Ort. In der Folge verständigten sie die Polizei nicht und verschwiegen auch auf entsprechende Fragen, dass der Gesuchte sich bei ihnen aufgehalten hatte.
B.-
Am 2. Oktober 1990 verurteilte das Kreisgericht Brusio Herrn und Frau X. wegen Begünstigung zu je drei Monaten Gefängnis, bedingt aufgeschoben bei einer Probezeit von zwei Jahren. Nach Auffassung des Gerichtes machten sie sich der Begünstigung
BGE 117 IV 467 S. 470
schuldig, weil sie die Polizei nicht benachrichtigten, nachdem sie Z. in C. abgeladen hatten. Für den vorhergehenden Zeitraum bejahte das Gericht einen rechtfertigenden Notstand.
Auf Berufung der Verurteilten und Anschlussberufung der Staatsanwaltschaft bestätigte der Kantonsgerichtsausschuss von Graubünden am 5. März 1991 das angefochtene Urteil im Ergebnis. Abweichend vom Kreisgericht nahm er jedoch an, die Eheleute X. hätten sich zwischen dem Auftauchen des Z. und ihrer Rückkehr in die Pfarrwohnung der Begünstigung schuldig gemacht, da für diese Zeitspanne eine Notstandssituation zu verneinen sei. Demgegenüber sei eine solche Situation zu einem nicht genau bestimmbaren Zeitpunkt nach der Rückkehr in die Wohnung eingetreten. Ebenfalls abweichend vom Kreisgericht stellte der Kantonsgerichtsausschuss fest, nach dem Wegfall der Notstandslage habe für die Eheleute X. keine Pflicht bestanden, die Polizei zu informieren. Auch dadurch, dass sie der Polizei bei der späteren Befragung zunächst unrichtige Auskünfte gaben, hätten sie sich nicht strafbar gemacht, da Fremdbegünstigung, die notwendig mit persönlicher Selbstbegünstigung konkurriere, stets straflos sei.
C.-
Herr und Frau X. erheben eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Kantonsgerichtsausschusses von Graubünden aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Vorinstanz und Staatsanwaltschaft beantragen Abweisung der Beschwerde.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Wer jemanden der Strafverfolgung, dem Strafvollzug oder dem Vollzug einer der in den
Art. 42-44 und 100bis StGB
vorgesehenen Massnahmen entzieht, wird gemäss
Art. 305 Abs. 1 StGB
mit Gefängnis bestraft.
Im vorliegenden Verfahren ist nur zu überprüfen, ob sich die Beschwerdeführer für die Zeitspanne zwischen dem Auftauchen des Z. und ihrer Rückkehr in die Pfarrwohnung der Begünstigung schuldig gemacht haben. Wie es sich diesbezüglich mit ihrem Verhalten in der Zeit nach ihrer Rückkehr verhält, ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens.
2.
Die Vorinstanz bejahte den Vorwurf der Begünstigung, weil die Beschwerdeführer den polizeilich gesuchten Z. in ihre
BGE 117 IV 467 S. 471
Wohnung "eingelassen", "verköstigt" und (von seinem Auftauchen bis zu ihrer Rückkehr in die Wohnung) "beherbergt" hätten. Damit hätten sie ihn für eine gewisse Zeit der Strafverfolgung entzogen und ihm auch effektiv eine günstigere Stellung gegenüber den Strafverfolgungsbehörden verschafft.
Sie hätten auch vorsätzlich gehandelt. Denn als Z. im Pfarrhaus auftauchte, hätten sie gewusst, dass er nach seiner Verurteilung zu einer langjährigen Zuchthausstrafe aus dem Gefängnis ausgebrochen war und seitdem gesucht wurde. Von der Tötung des Grenzwächters M. hätten sie demgegenüber erst an der Kirchgemeindeversammlung erfahren, und erst am frühen Nachmittag hätten sie es ernsthaft für möglich halten müssen, dass Z. der Täter sei.
Sie hätten auch in Kenntnis der objektiven Merkmale des Begünstigungstatbestandes gehandelt und damit den für den Vorsatz erforderlichen Willen betätigt. Zur Entlastung vom Vorwurf des vorsätzlichen Handelns habe es nicht genügt, dass sie Z. zum Verlassen des Hauses aufgefordert hätten; dazu hätte es einer klareren Missbilligung bzw. Distanzierung bedurft; in dieser Richtung hätten sie aber keine ernsthaften Anstrengungen unternommen.
3.
Wie die Vorinstanz zu Recht annimmt, besteht keine allgemeine Pflicht des Bürgers, den Strafverfolgungsbehörden strafbare Handlungen oder flüchtige Straftäter anzuzeigen (
BGE 74 IV 166
f.; STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, BT II, 3. Aufl.,
§ 56 N 11
). Er muss auch nicht aktiv an der Fahndung mitwirken (vgl.
BGE 103 IV 248
). Das schweizerische Recht kennt im Unterschied zum deutschen keinen Straftatbestand der unterlassenen Verbrechensanzeige. Aus Anlass der Revision des Strafgesetzbuches vor zehn Jahren wurde die Schaffung eines derartigen Tatbestandes ausdrücklich abgelehnt (vgl.
BGE 113 IV 75
mit Hinweis). Ebenso besteht für den Bürger keine allgemeine Verpflichtung, der Polizei Auskunft über Straftäter und deren Verbleib zu geben (HAUSER/REHBERG, Strafrecht IV, S. 312).
Ein Schuldspruch nach
Art. 305 StGB
setzt voraus, dass der Täter den Begünstigten mindestens für eine gewisse Zeit dem behördlichen Zugriff entzieht (
BGE 114 IV 39
). Dazu ist in der Regel ein aktives Tun erforderlich, während bloss passives Verhalten nicht genügt (vgl. die Beispiele bei STRATENWERTH,
§ 56 N 10
). Der Tatbestand kann durch Unterlassen nur erfüllt werden, wenn der Begünstigende eine Garantenpflicht hat (STRATENWERTH,
BGE 117 IV 467 S. 472
§ 56 N 11
; TRECHSEL, Kurzkommentar Strafgesetzbuch,
Art. 305 N 12
). Dafür genügt nur eine qualifizierte Rechtspflicht (
BGE 113 IV 73
E. 5a). Die Tatsache, dass der Betroffene von einem Flüchtigen kontaktiert oder in Anspruch genommen wird, begründet noch keine Garantenstellung.
4.
Die Vorinstanz beschränkte sich auf die tatsächliche Feststellung, die Beschwerdeführer hätten Z. begünstigt, indem sie ihn in ihre Wohnung "eingelassen", "verköstigt" und (von seinem Auftauchen bis zu ihrer Rückkehr) "beherbergt" hätten.
Was sie unter dem sehr unbestimmten Begriff des "Verköstigens" versteht, sagt die Vorinstanz nicht ausdrücklich. Offenbar bezieht sie sich in diesem Punkt auf die in das Urteil eingefügte Anklageschrift, wonach die Beschwerdeführer mit Z. das Frühstück eingenommen haben.
a) Die Vorinstanz geht zu Recht davon aus, die Beschwerdeführer hätten zu keinem Zeitpunkt eine Garantenstellung gehabt. Folglich konnten sie den Tatbestand der Begünstigung nur erfüllen, wenn sie dem Flüchtigen aktiv halfen. Soweit das Eintretenlassen, Verköstigen und Beherbergen also bloss im Sinne eines Duldens und damit einer Unterlassung zu verstehen sein sollte, erweist sich der Schuldspruch von vornherein als bundesrechtswidrig.
b) aa) Nachdem Z. an der Wohnung der Beschwerdeführer geklingelt hatte, öffnete die Beschwerdeführerin 2 die Türe und liess ihn eintreten. Während dieser ersten Phase war der Beschwerdeführer 1 nicht anwesend. Schon deshalb kann ihm insoweit keine Begünstigung vorgeworfen werden. Aus diesem Grund ist das angefochtene Urteil in bezug auf den Beschwerdeführer 1 aufzuheben, soweit ihm das Einlassen des Z. angelastet wird.
bb) Zu prüfen ist für diese erste Phase folglich nur, ob die Beschwerdeführerin 2 den Tatbestand der Begünstigung erfüllt hat, indem sie Z. in die Wohnung "einliess". Als sie die Türe öffnete, wusste sie nicht, wer geklingelt hatte; folglich entfällt für das Öffnen der Türe ein Schuldspruch wegen Begünstigung schon mangels Vorsatz. Im übrigen ist aber nicht ersichtlich, worin durch das "Eintretenlassen" eine aktive Begünstigungshandlung liegen könnte, zumal auch die Vorinstanz nicht feststellte, die Beschwerdeführerin habe Z. beispielsweise zum Eintreten aufgefordert. Es ist deshalb davon auszugehen, dass sie sich nach dem Öffnen der Türe nur noch passiv verhielt; rein passives Verhalten erfüllt den Begünstigungstatbestand jedoch nicht. Dass sie es unterliess,
BGE 117 IV 467 S. 473
die Türe sofort wieder zuzuschlagen oder Z. unter Einsatz ihrer Körperkraft am Eintreten zu hindern, kann den Vorwurf der Begünstigung schliesslich ebenfalls nicht begründen, da ihr - wie oben dargelegt - keine Garantenstellung zukam. Auch in diesem Punkt ist der angefochtene Entscheid als bundesrechtswidrig aufzuheben.
c) Die Vorinstanz sieht eine Begünstigung weiter darin, dass die Beschwerdeführer den Z. "verköstigt" bzw. mit ihm das Frühstück eingenommen haben.
Es ist umstritten, inwieweit das blosse Verköstigen eines Flüchtigen für sich allein eine Begünstigung darstellt (kritisch dazu TRECHSEL,
Art. 305 N 6
; vgl. auch GÜNTHER JAKOBS, Strafrecht, Allgemeiner Teil, 2. Aufl., S. 217; WOLFGANG FRISCH, Zum tatbestandsmässigen Verhalten der Strafvereitelung, JuS 1983 S. 915; SCHUBARTH, Begünstigung durch Beherbergen?, Festgabe für Hans Schultz, ZStR 1977 S. 158 ff.). Die Frage muss heute jedoch nicht geprüft werden. Denn nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung muss jedenfalls nachgewiesen sein, dass der Flüchtige gerade wegen der Verköstigung dem polizeilichen Zugriff für eine gewisse Zeit entzogen worden ist (
BGE 114 IV 39
). Eine solche Feststellung trifft die Vorinstanz jedoch nicht. Vielmehr ist anzunehmen, dass sich Z., hätten ihm die Beschwerdeführer das Frühstück verweigert, die Nahrung unter Drohungen oder während ihrer Abwesenheit beschafft hätte. Unter diesen Umständen war das gemeinsame Frühstück aber nicht geeignet, den Z. für eine gewisse Zeit der Strafverfolgung zu entziehen, zumal die Beschwerdeführerin 2 nach ihrer von keiner Seite bestrittenen Angabe das Frühstück bereits "parat" hatte, "so dass er nur an den gedeckten Tisch sitzen konnte". Dass die Beschwerdeführer den Z. nicht am Essen hinderten, kann ihnen nach dem oben Gesagten nicht als Begünstigung angelastet werden. Der angefochtene Entscheid ist folglich auch in diesem Punkt als bundesrechtswidrig aufzuheben.
d) Zu prüfen bleibt schliesslich, ob die Beschwerdeführer den Z. begünstigten, indem sie ihn (von seinem Auftauchen bis zu ihrer Rückkehr in die Wohnung) "beherbergt" haben.
Das angefochtene Urteil lässt konkretere Ausführungen darüber vermissen, wie dieses "Beherbergen" im einzelnen zu verstehen ist. Ein aktives Verhalten der Beschwerdeführer ist jedenfalls nicht ersichtlich. Auszugehen ist im Gegenteil davon, dass sie den Z. aufgefordert haben, die Wohnung zu verlassen. Sie haben ihn folglich nicht "beherbergt" im eigentlichen Sinn des Wortes,
BGE 117 IV 467 S. 474
sondern es hingenommen, dass er, einmal in der Wohnung, für wenige Stunden blieb. Darin liegt kein aktives Begünstigen. Im übrigen ist nicht zu sehen, inwieweit es einer "klaren Missbilligung bzw. Distanzierung" seitens der Beschwerdeführer bedurft hätte, um dem Vorwurf der Begünstigung zu entgehen; nachdem Z. der Aufforderung, das Haus zu verlassen, nicht nachgekommen ist, ist nicht anzunehmen, dass er dies getan hätte, wenn die Beschwerdeführer ihr Missfallen deutlicher zum Ausdruck gebracht hätten. Auch in diesem Punkt ist der angefochtene Entscheid aufzuheben.
5.
Zusammenfassend ergibt sich, dass die Beschwerdeführer in der Phase, für welche sie die Vorinstanz verurteilt hat, den Tatbestand der Begünstigung nicht erfüllt haben. Die Nichtigkeitsbeschwerde ist deshalb gutzuheissen, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. | null | nan | de | 1,991 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
19d8c369-a13e-4cd6-a668-38e46ce791e7 | Urteilskopf
117 II 513
94. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 19. Dezember 1991 i.S. Verkehrsclub der Schweiz (VCS) gegen ASTAG, Schweizerischer Nutzfahrzeugverband (Berufung) | Regeste
Namensschutz (
Art. 28 und 29 ZGB
).
Verletzung der Persönlichkeit bzw. des auch einem Verein zustehenden Rechts auf den Namen durch die Verwendung eines Namens, der die Gefahr von Verwechslungen in sich birgt.
- Zeitliche Priorität für einen Namen, der vor der Gründung des entsprechenden Vereins gewählt wurde? (E. 2c).
- Anforderungen an die Unterscheidbarkeit von Vereinsnamen; Bedeutung eines Hinweises auf die Rechtsform ("Association", "Associazione") (E. 3 und 5). | Sachverhalt
ab Seite 513
BGE 117 II 513 S. 513
Der am 20. Januar 1979 unter dem Namen "ASTAG, Schweizerischer Nutzfahrzeugverband, Association suisse des transports routiers, Associazione svizzera dei trasportatori stradali" gegründete Verein bezweckt, die ideellen und wirtschaftlichen Interessen seiner Mitglieder zu wahren und zu fördern. Er setzt sich ein für
BGE 117 II 513 S. 514
die Lösung aller Probleme im Zusammenhang mit dem motorisierten Nutzfahrzeugverkehr (werk- und gewerbsmässiger Verkehr) auf der Basis der freien Marktwirtschaft (Art. 1 und 2 der Statuten).
Zweck des am 15. Mai 1979 unter dem Namen "VCS Verkehrsclub der Schweiz, AST Association Suisse des Transports, AST Associazione Svizzera del Traffico" gegründeten und im Handelsregister eingetragenen Vereins ist die Förderung eines menschen- und naturgerechten Verkehrswesens und die finanzielle Unterstützung der Schweizerischen Verkehrs-Stiftung. Der VCS Verkehrsclub der Schweiz organisiert für seine Mitglieder Dienstleistungen, die selbsttragend sein sollen (Art. 1 und 2 der Statuten).
Der ASTAG Schweizerische Nutzfahrzeugverband reichte mit Eingabe vom 13. Januar 1989 beim Appellationshof des Kantons Bern gegen den Verkehrsclub der Schweiz (VCS) Klage ein. Die in der Verhandlung vom 12. Juni 1989 teilweise modifizierten Klagebegehren lauten wie folgt:
"1. Es sei festzustellen, dass der Beklagte gegenüber dem Kläger gegen
das UWG verstossen hat.
2. Es sei dem Beklagten unter Androhung der Strafen nach
Art. 403 ZPO
und
Art. 292 StGB
im Widerhandlungsfall zu verbieten, seinen französischen
resp. italienischen Namen, "Association Suisse des Transports" resp.
"Associazione Svizzera del Traffico" sowie die entsprechende Abkürzung
"AST" zu verwenden oder verwenden zu lassen.
..."
Der Beklagte widersetzte sich der Klage.
Der Appellationshof (III. Zivilkammer) des Kantons Bern erkannte in seinem Urteil vom 19. März 1990:
"1. Es wird dem Beklagten unter Androhung der Strafen nach
Art. 403 ZPO
und
Art. 292 StGB
im Widerhandlungsfall verboten, seinen französischen
resp. italienischen Namensbestandteil "Association" resp. "Associazione"
sowie die entsprechende Abkürzung "A..." zu verwenden oder verwenden zu
lassen.
2. Der Kläger wird ermächtigt, dieses Urteil auf Kosten des Beklagten je
einmal in der auflagenstärksten Zeitung der französischen und
italienischen Schweiz auf einer Viertelseite zu publizieren.
3. Soweit weitergehend wird die Klage abgewiesen."
Der Beklagte hat Berufung an das Bundesgericht eingelegt mit dem Begehren, das Urteil des Appellationshofes aufzuheben und die Klage abzuweisen; allenfalls sei die Sache zur Neubeurteilung an die kantonale Instanz zurückzuweisen.
Der Kläger hat Anschlussberufung erhoben. Er erneuert damit im wesentlichen seine Klagebegehren.
BGE 117 II 513 S. 515
Beide Parteien - der Beklagte stillschweigend - schliessen auf Abweisung des Rechtsmittels der Gegenpartei.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
a) Wer in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt wird, kann zu seinem Schutz gegen jeden, der an der Verletzung mitwirkt, den Richter anrufen (
Art. 28 Abs. 1 ZGB
); widerrechtlich ist eine Persönlichkeitsverletzung, wenn sie nicht durch Einwilligung des Verletzten, durch ein überwiegendes privates oder öffentliches Interesse oder durch Gesetz gerechtfertigt ist (
Art. 28 Abs. 2 ZGB
). Gemäss
Art. 29 Abs. 2 ZGB
kann derjenige, der dadurch beeinträchtigt wird, dass ein anderer sich seinen Namen anmasst, auf Unterlassung dieser Anmassung sowie bei Verschulden auf Schadenersatz und, wo die Art der Beeinträchtigung es rechtfertigt, auf Leistung einer Geldsumme als Genugtuung klagen.
b) Der Appellationshof hält dafür, dass durch den Gebrauch der französischen und der italienischen Fassung des Namens des Beklagten ("Association Suisse des Transports" und "Associazione Svizzera del Traffico") sowie der entsprechenden Abkürzung ("AST") das Recht des Klägers an seinem Namen in widerrechtlicher Weise beeinträchtigt werde.
2.
Der Beklagte rügt, dass die Vorinstanz Bundesrecht, namentlich
Art. 29 ZGB
, falsch angewendet habe, indem sie - soweit die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche nicht ohnehin verwirkt seien - zu Unrecht die Gefahr einer Verwechslung der Namen der Parteien im erwähnten Sinne bejaht und ausserdem nicht berücksichtigt habe, dass seinem Kennzeichen die Alterspriorität zukomme.
a) Ob die Gefahr einer Verwechslung der Namen der Parteien bestehe, ist eine vom Bundesgericht frei überprüfbare Rechtsfrage. Sie ist nicht nur dann zu bejahen, wenn tatsächliche Verwechslungen nachgewiesen sind; es genügt, dass solche angesichts der Gestaltung der zu vergleichenden Namen mit Rücksicht auf die besonderen Umstände im Bereich der Wahrscheinlichkeit liegen (vgl.
BGE 95 II 458
E. 1;
BGE 82 II 154
mit Hinweisen).
aa) Der Appellationshof erachtet es aufgrund des durchgeführten Beweisverfahrens als erstellt, dass die Namen und Abkürzungen der Parteien - auf seiten des Beklagten diejenigen in französischer und italienischer Sprache - in der Öffentlichkeit verwechselt
BGE 117 II 513 S. 516
worden seien. Wohl hat er an anderer Stelle ausgeführt, es sei zumindest eine Gefahr der Verwechslung gegeben. Mit dieser Äusserung hat die Vorinstanz die erstgenannte Auffassung indessen nicht einschränken wollen. Im Zusammenhang mit der Frage der Urteilspublikation hat sie nämlich festgehalten, in der deutschen Schweiz hätten keine Verwechslungen stattgefunden, woraus zu schliessen ist, dass sie für den französisch- und italienischsprachigen Teil des Landes tatsächliche Verwechslungen für nachgewiesen hält.
bb) Der Beklagte räumt im übrigen selbst ein, dass es zu Verwechslungen gekommen sei. Dass es sich um Einzelfälle gehandelt habe, findet in den tatsächlichen Feststellungen des Appellationshofes keine Stütze, und der Beklagte macht nicht geltend, dass diese unter Verletzung bundesrechtlicher Beweisvorschriften zustande gekommen wären oder auf einem offensichtlichen Versehen beruhen würden (vgl.
Art. 63 Abs. 2 OG
). Die Vorbringen des Beklagten sind zudem ohnehin unbehelflich: Nachdem - was der Beklagte selbst nicht bestreitet - Verwechslungen effektiv vorgekommen sind, braucht nicht mehr abstrakt geprüft zu werden, ob die Gefahr von Verwechslungen bestehe.
b) Der Beklagte wendet sodann ein, dass der Kläger sich während beinahe zehn Jahren an seinem, des Beklagten, ausgeschriebenen französischen und italienischen Namen nicht gestossen habe. Wenn er nun Unterlassungsansprüche geltend mache, sei dies rechtsmissbräuchlich; die Ansprüche seien verwirkt. Das vom Beklagten in diesem Punkt in tatsächlicher Hinsicht Vorgebrachte ist neu und daher unbeachtlich (vgl.
Art. 55 Abs. 1 lit. c OG
). Das angefochtene Urteil enthält denn auch keine entsprechenden Feststellungen. Der rechtliche Einwand entbehrt damit der tatsächlichen Grundlage und ist demzufolge nicht näher zu prüfen.
c) Der Appellationshof führt in tatsächlicher Hinsicht aus, Namen und Abkürzungen des (am 15. Mai 1979 gegründeten) Beklagten seien bereits im Herbst 1978 gewählt und einen Tag vor der Gründung des Klägers (die auf den 20. Januar 1979 fiel) bekanntgegeben worden. Der Beklagte glaubt, aufgrund dieser Feststellungen die zeitliche Priorität für sich beanspruchen zu können, da sein Name - durch den Vorverein - schon vor seiner Gründung gebraucht worden sei.
Ein sogenannter Vorverein ist einer einfachen Gesellschaft gleichgestellt (
Art. 62 ZGB
) und hat somit keine eigene Rechtspersönlichkeit. Ob und inwiefern dem von einem Vorverein verwendeten
BGE 117 II 513 S. 517
Namen dennoch Bedeutung zukommt, insbesondere ob sich ein Verein auf die zeitliche Priorität berufen kann, wenn schon seine Gründungsgesellschaft (Vorverein) den betreffenden Namen geführt hat (dazu RIEMER, Berner Kommentar, Syst. Teil N 410), braucht hier nicht näher erörtert zu werden. Eine zeitliche Priorität fällt von vornherein nur für Namen in Betracht, die im Verkehr nach aussen gebraucht worden sind, mit andern Worten zumindest von einem bestimmten Kreis Dritter wahrgenommen werden konnten. Der Aussenstehende muss nämlich wissen, welchen Namen er nicht nachahmen darf. Hier steht aufgrund der Ausführungen im angefochtenen Urteil fest, dass die Bezeichnungen des Beklagten zwar schon einige Monate vor dessen Gründung gewählt und intern wohl auch verwendet worden waren. Die strittigen Bezeichnungen wurden aber erst am Tag vor der Gründung des Klägers der Öffentlichkeit bekanntgegeben. Bei dieser Sachlage beruft sich der Beklagte zu Unrecht auf die zeitliche Priorität seines Namens.
3.
Der Beklagte erachtet es als unzulässig, ihm die Verwendung von "Association" und "Associazione" sowie des Buchstabens "A" in der (übereinstimmenden) französischen und italienischen Abkürzung seines Namens zu verbieten; aus
Art. 60 ZGB
in Verbindung mit den
Art. 28 und 29 ZGB
ergebe sich, dass jeder Verein die gesetzliche Körperschaftsbezeichnung in seinen Namen aufnehmen dürfe; der gleiche Schluss sei - e contrario - aus dem Grundsatz der Firmenwahrheit und -klarheit zu ziehen.
a) Im Unterschied zu den juristischen Personen des Obligationenrechts, für die in erster Linie die Sondervorschriften des Firmenrechts und erst in zweiter Linie die Bestimmungen des Zivilgesetzbuches über den Namen gelten, unterstehen die Vereine grundsätzlich nur dem Namensrecht, zumal sie keine Geschäftsfirma besitzen (
BGE 102 II 165
E. 2 mit Hinweisen). Das Gesetz enthält keinerlei Vorschrift darüber, wie der Name eines Vereins zu bilden ist. Es sagt insbesondere auch nicht, ob darin die Rechtsform angegeben werden darf oder muss. Der Name kann mithin grundsätzlich frei gewählt werden, so dass dem Beklagten von daher nicht untersagt werden könnte, die Rechtsform in seinem Namen anzuführen.
b) Um niemanden in seinem durch
Art. 29 ZGB
geschützten Recht auf den Namen zu beeinträchtigen, muss indessen auch der Name eines Vereins sich von andern Namen klar unterscheiden. Wo - wie im Falle des Beklagten - die Rechtsform in den Namen
BGE 117 II 513 S. 518
aufgenommen wird, muss dieser - wie auch die entsprechende Abkürzung - in den übrigen Bestandteilen seinen Träger hinreichend individualisieren. Gerade dies traf hier jedoch nicht zu, wurden doch der französische und der italienische Name des Beklagten und die entsprechende Abkürzung nach den verbindlichen tatsächlichen Feststellungen des Appellationshofes in der Öffentlichkeit mit dem Namen des Klägers verwechselt. Auch wenn einem Verein grundsätzlich nicht verwehrt werden kann, die Rechtsform in seinen Namen aufzunehmen, sind die Vorbringen des Beklagten nach dem Gesagten unbehelflich...
5.
Der Kläger macht des weitern geltend, die Beeinträchtigung in seinem Recht auf den Namen werde durch das vom Appellationshof ausgesprochene Teilverbot nicht ausreichend behoben.
Wie in Erwägung 3 dargelegt worden ist, vermag das den Wörtern "Association" bzw. "Associazione", d.h. den Hinweisen auf die Rechtsform des Beklagten, und dem Buchstaben "A" in den Abkürzungen Beigefügte Verwechslungen nicht auszuschliessen. Ist aber die Unterscheidbarkeit der Namen der Parteien durch die jetzigen Zusätze nicht hinreichend gewährleistet, genügt es in der Tat nicht, dem Beklagten die Verwendung der Wörter "Association" und "Associazione" sowie des Buchstabens "A" in der Abkürzung zu untersagen. Vielmehr ist dem Beklagten - in entsprechender Gutheissung der Anschlussberufung - die Führung des gesamten Namens und der gesamten Abkürzung in französischer und italienischer Sprache zu verbieten. Nur damit wird auch dem Grundsatz Rechnung getragen, dass der Name frei wählbar ist und einem Verein nicht verwehrt werden kann, die Rechtsform in seinen Namen aufzunehmen. Hingegen mag hier dahingestellt bleiben, ob und inwiefern
Art. 39 HRegV
(betreffend die inhaltliche Identität der in verschiedenen Sprachen gefassten Firma) auf den Namen des Beklagten überhaupt anwendbar ist. Der Hinweis des Klägers ist von vornherein nicht schlüssig, hat doch die Verletzung seines hier in Frage stehenden Rechts mit der inhaltlichen Identität der sprachlich verschiedenen Fassungen des Namens des Beklagten direkt nichts zu tun... | public_law | nan | de | 1,991 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
19dc7a1e-6fac-4d08-885c-521a0606f517 | Urteilskopf
104 Ib 321
50. Estratto della sentenza della Ia Corte civile del 26 settembre 1978 nella causa M. e P. contro Dipartimento di giustizia del Cantone Ticino, quale autorità di vigilanza sul registro di commercio | Regeste
Demissionen von Verwaltungsräten einer Aktiengesellschaft und ihre Löschung im Handelsregister.
1. Allgemeine Grundsätze über Eintragungen in das Handelsregister (E. 2a).
2. Wirkung der Demissionen gegenüber der Gesellschaft (Innenverhältnis) und gegenüber gutgläubigen Dritten (Aussenverhältnis) (E. 2b). 3. Wirkungen im vorliegenden Fall (E. 3). 4. Verfahren gemäss
Art. 60 und
Art. 86 HRegV
(E. 4). | Erwägungen
ab Seite 321
BGE 104 Ib 321 S. 321
Dai considerandi:
2.
Nel merito, il gravame è rivolto anzitutto contro la mancata cancellazione dei dimissionari dal registro di commercio prima del 10 gennaio 1978. I ricorrenti postulano infatti che la data delle dimissioni venga rettificata e riportata all'11 novembre
BGE 104 Ib 321 S. 322
1977, subordinatamente al 2 dicembre, ed ancor più subordinatamente al 22 dicembre.
a) Lo scopo essenziale del registro di commercio è quello di far conoscere i titolari di un'impresa esercitata nella forma commerciale ed i fatti giuridici ad essa pertinenti, nell'interesse dei terzi ed in maniera più generale del pubblico; in particolare, l'iscrizione nel registro deve permettere di stabilire in modo chiaro ed univoco il sistema delle responsabilità (v.
DTF 84 I 190
/191;
80 I 274
consid. 1;
75 I 78
). Il registro di commercio tende dunque a favorire e a rassicurare i rapporti d'affari con l'esattezza e la pubblicità che contraddistinguono le diverse iscrizioni, e ciò grazie alla loro registrazione ed alla relativa pubblicazione nel FUSC che deve avvenire " senza ritardo " ed in linea di principio "per intiero " (
art. 931 cpv. 1 CO
). Ogni iscrizione porta la data del giorno in cui la notificazione è stata registrata nel giornale, è provvista di un numero progressivo che ricomincia ogni anno ed è firmata dall'ufficiale del registro (
art. 932 cpv. 1 CO
, 11 e 19 cpv. 2 ORC; HIS, ad
art. 932 CO
, n. 74 segg.). Tuttavia, essa diventa efficace nei confronti dei terzi soltanto il primo giorno feriale successivo a quello della data di pubblicazione stampata sul numero del FUSC nel quale l'iscrizione stessa è apparsa (
art. 932 cpv. 2 CO
): questo giorno è dunque determinante per i terzi di buona fede che possono così fidarsi delle iscrizioni e cancellazioni repertoriate nel FUSC (v. SCHUCANY, Kommentar zum schweiz. Aktienrecht, II ediz., ad
art. 718 CO
, n. 3). Giusta l'
art. 937 CO
, nel registro di commercio devono inoltre essere iscritte tutte le modificazioni di fatti già iscritti e queste modificazioni, con le cancellazioni, sono d'altronde assimilate esplicitamente alle nuove iscrizioni (
art. 33 ORC
; HIS, ad art. 932, n. 3, e ad art. 938 ni. 2, 4-7; GUHL/MERZ/KUMMER, Das schweizerische Obligationenrecht, VI ediz., pag. 737; PATRY, Grundlagen des Handelsrechts, in Schweizerisches Privatrecht, vol. VIII/1, pag. 135). Il cennato
art. 937 CO
si rivolge dunque alle persone già iscritte ed agli organi responsabili, imponendo loro l'obbligo di fare le necessarie notificazioni nelle forme prescritte dalla legge (
art. 934 cpv. 1 CO
, 19 cpv. 1, 21, 22 e 23 ORC; HIS, ad art. 937, ni. 21 e 22); in effetti, l'ufficiale del registro non procede d'ufficio ad alcuna iscrizione senza aver previamente invitato gli interessati ad eseguire le notificazioni obbligatorie, per regolarizzare in questo modo la propria situazione (
art. 941
BGE 104 Ib 321 S. 323
CO
; VON STEIGER, Le droit des sociétés anonymes en Suisse, IV ediz., pag. 133; PATRY, op.cit., ibidem, pagg. 136/137). Per quanto concerne le società anonime, la notificazione dei fatti da iscrivere nel registro di commercio dev'essere effettuata, per principio, dall'amministrazione (
art. 720 CO
); se quest'ultima è composta di più persone, detta notificazione deve anche esser firmata dal presidente o da chi ne fa le veci, come pure dal segretario o da un secondo membro del consiglio d'amministrazione (
art. 22 cpv. 2 ORC
).
b) Nelle società anonime, l'assemblea generale degli azionisti può revocare in qualsiasi momento gli amministratori ch'essa aveva precedentemente nominato, con la sola riserva di eventuali azioni di risarcimento spettanti alle persone revocate (
art. 705 CO
; v.
DTF 80 II 121
consid. 1). A questo diritto dell'assemblea generale corrisponde, secondo un'opinione generalmente ammessa in dottrina e condivisa dal Tribunale federale, la facoltà per l'amministratore di dimettersi dalle sue funzioni d'ogni tempo e per qualunque motivo: gli si riconosce pertanto il diritto di dimissionare, ch'egli esercita mediante manifestazione di volontà unilaterale e recettizia (v. BÜRGI, ad
art. 705 CO
, n. 7; VON STEIGER, op.cit., pag. 247; PATRY, Précis du droit suisse des sociétés, Berna 1977, vol. II, pag. 250; SCHUCANY, op.cit., ad art. 705, n. 2; GUHL/MERZ/KUMMER, op.cit., pag. 632; VON STEIGER/FREYMOND, Les inscriptions concernant les sociétés anonymes au registre du commerce, Zurigo 1938, pag. 60; GUHL, La société anonyme, SJK (FJS) n. 399, pag. 3). Le dimissioni comportano di conseguenza la fine del mandato d'amministratore con effeto ex nunc, dal momento in cui l'amministrazione della società ha preso atto delle dimissioni stesse (v. BÜRGI, ibidem, n. 8; PATRY, Précis, vol. II, pag. 250; VON STEIGER, op.cit., pag. 247; cfr. anche
art. 404 CO
). Nei confronti della società esse diventano allora immediatamente efficaci: il consenso dell'assemblea generale, quello del consiglio d'amministrazione o l'eventuale discarico sono infatti ininfluenti e non ne costituiscono una condizione di validità. Per quanto concerne i rapporti interni, è dunque determinante la ricezione delle dimissioni da parte della società, senza riguardo al fatto che tali dimissioni siano state magari rassegnate in un momento inopportuno o addirittura in dispregio di un contratto di lavoro: in questo caso rimangono infatti riservate le sole azioni di risarcimento danni ai sensi dell'
art. 705 cpv. 2 CO
BGE 104 Ib 321 S. 324
(v. VON STEIGER, op.cit., pagg. 246/247; VON STEIGER/FREYMOND, op.cit., pag. 60; BÜRGI, ad
art. 705 CO
, ni. 8-10; errato s'avvera dunque in questo contesto l'apprezzamento giuridico, non motivato, contenuto in
DTF 48 II 403
consid. 4a, che la dottrina reputa comunque superato).
Nei confronti dei terzi di buona fede, le dimissioni esplicheranno invece i loro effetti soltanto dopo l'iscrizione nel registro di commercio, e più precisamente il giorno feriale immediatamente successivo a quello della relativa pubblicazione nel FUSC (
art. 932 e 933 CO
). Viste le responsabilità di cui agli
art. 718 e 754 CO
, gli amministratori dimissionari hanno comunque un evidente interesse ad una rapida rettifica delle iscrizioni divenute inesatte, e quindi suscettibili di indurre gli interessati in errore (cfr.
art. 933 cpv. 2 CO
). In una società anonima, l'istanza di cancellazione degli amministratori revocati o dimissionari, ovvero la notificazione del (nuovo) fatto da iscrivere dev'esser fatta tempestivamente dall'amministrazione, poiché in caso d'omissione intenzionale o per negligenza, l'organo responsabile dovrà risarcire i danni derivati dall'omissione stessa (art. 705, 720, 937 e 942 CO
; 22 cpv. 2, 33 e 59 ORC
). È pacifico quindi che la notificazione delle dimissioni non può esser fatta dagli amministratori dimissionari che, rinunciando al loro mandato, hanno perso automaticamente la facoltà di rappresentare la società, firmando per essa (
art. 717-719 CO
): l'obbligo di far procedere all'iscrizione spetta per contro ai membri restanti dell'amministrazione o, in mancanza d'amministratori rimasti in carica, ad un curatore designato espressamente a tal scopo, giusta l'
art. 393 n. 4 CC
(v.
DTF 94 I 565
; cfr. inoltre, BÜRGI, ad art. 705, n. 10; VON STEIGER, op.cit., pagg. 247/248; VON STEIGER/FREYMOND, op.cit., pag. 60 in fine; JdT 1930 I pag. 360; ZBJV (RJB) 66/1930, pag. 284 segg.).
3.
a) Nel caso concreto, i ricorrenti hanno presentato le loro dimissioni alla società con lettera del 4 novembre 1977. Per quanto riguarda i rapporti interni, dette dimissioni sono divenute dunque efficaci nel momento in cui sono state ricevute e registrate dalla società stessa. L'iscrizione nel giornale e la relativa pubblicazione sul FUSC sono quindi irrilevanti in questo contesto, cosicché i ricorrenti non possono nemmeno vantare un interesse degno di protezione alla modificazione della decisione impugnata e, quindi, all'eventuale rettifica della data delle dimissioni: su questo punto, il ricorso è pertanto
BGE 104 Ib 321 S. 325
irricevibile in virtù dell'
art. 103 lett. a OG
(cfr.
DTF 103 Ib 149
consid. 4a - b;
DTF 101 Ib 109
segg.).
b) Per quanto concerne i rapporti esterni nei confronti dei terzi di buona fede, la situazione è invece diversa poiché per codeste persone l'iscrizione nel registro diventa efficace soltanto il giorno feriale successivo a quello della data di pubblicazione stampata sul numero del FUSC nel quale è apparsa (
art. 932 cpv. 2 CO
). Orbene, in concreto, i ricorrenti hanno rassegnato le loro dimissioni, presentandole regolarmente alla società il 4 novembre 1977 e, vista l'inazione dell'amministratore restante, hanno poi sollecitato l'intervento dell'ufficiale del registro, con lettera dell'11 novembre 1977. Questo scritto non costituiva però una notificazione conforme alla legge poiché emanava da persone che, per quanto concerne la società, già avevano rinunciato al mandato d'amministratore, perdendo in tal modo la facoltà di rappresentarla ai sensi degli
art. 720 CO
e 22 cpv. 2 ORC. I ricorrenti hanno allora optato per la convocazione dell'assemblea generale che, tenutasi il 23 novembre successivo, accettò le loro dimissioni. Dette dimissioni furono notificate dal presidente del consiglio d'amministrazione il 2 dicembre 1977, ma questi produsse come documento giustificativo il processo verbale assembleare non autenticato (cfr.
art. 28 cpv. 2 ORC
in comb. con gli
art. 937 CO
e 33 ORC). Il verbale venne infatti vidimato soltanto il 22 dicembre e ripresentato poi all'Ufficio del registro ad una data che non risulta dall'incarto. L'iscrizione (o meglio la cancellazione: cfr.
art. 33 cpv. 1 ORC
), portante il numero progressivo 86 (cfr.
art. 19 cpv. 2 ORC
) avvenne il 10 gennaio 1978 e la pubblicazione sul FUSC, decisiva per i terzi di buona fede giusta l'
art. 932 cpv. 2 CO
, il 25 gennaio successivo. In queste circostanze, l'eventuale rettifica della data d'iscrizione delle dimissioni all'11 novembre 1977, subordinatamente al 2 dicembre, ed ancor più subordinatamente al 22 dicembre, che avrebbe fors'anche potuto esser apportata - tenendo conto della data presumibile della notificazione - in virtù dell'
art. 8 ORC
, non potrebbe produrre effetto alcuno, poiché la predetta cancellazione è ormai già apparsa nel FUSC n. 345 del 25 gennaio 1978. Senza dover esaminare in questa sede la questione di sapere se l'ufficiale del registro avesse eventualmente potuto agire con maggiore sollecitudine (cfr. peraltro
DTF 92 I 499
), è pacifico infatti che le dimissioni non potrebbero comunque esplicare effetti retroattivi
BGE 104 Ib 321 S. 326
nei confronti dei terzi di buona fede che il FUSC è destinato a ragguagliare e che debbono poter trarre incondizionato affidamento dalle iscrizioni ivi apparse. Su questo punto, il gravame s'avvera dunque infondato.
c) La richiesta dei ricorrenti tendente ad ottenere la pubblicazione sul FUSC della data (rettificata) delle dimissioni è inesaudibile, poiché contraria al sistema legale. L'
art. 641 n. 8 CO
prescrive infatti l'iscrizione nel registro soltanto per i nomi degli amministratori e delle persone incaricate di rappresentare la società, con l'indicazione del domicilio e della cittadinanza (cfr.
art. 711 CO
), e gli
art. 40 e 78 ORC
esigono poi la menzione del nome di battesimo della persona iscritta. Ogni modificazione di questi dati personali deve quindi esser annotata nel registro in virtù dell'
art. 937 CO
, ed in particolare si dovrà menzionare qualsiasi manchevolezza nella composizione del consiglio d'amministrazione (v. VON STEIGER/FREYMOND, op.cit., pag. 60). Per contro, le date effettive riguardanti la nomina degli amministratori, le rispettive dimissioni e la comunicazione di quest'ultime all'Ufficio del registro non sono indicazioni che debbono essere registrate e pubblicate poiché, contrariamente alla data dell'iscrizione, non v'è un interesse pubblico o privato che giustifichi a priori una siffatta annotazione.
4.
I ricorrenti chiedono infine che il Tribunale federale ordini all'Ufficio del registro di Lugano di procedere nei confronti della società conformemente a quanto disposto dall'
art. 86 ORC
.
Sotto questo profilo, il ricorso è tuttavia inammissibile per carenza di un interesse personale, immediato ed attuale ai sensi dell'
art. 103 lett. a OG
. In effetti, prestando un minimo d'attenzione, i ricorrenti avrebbero potuto constatare nell'incarto stesso che l'ufficiale del registro aveva invitato la società a sostituire i dimissionari e porsi in consonanza alla legge entro un termine di 30 giorni, con lettera del 31 gennaio 1978 e sotto comminatoria di scioglimento giusta l'
art. 86 cpv. 1 ORC
. In pratica, il gravame diventa dunque su questo punto privo d'oggetto, ciò che rende superfluo qualsiasi esame inteso ad accertare se la cennata procedura potesse o dovesse esser avviata, nel concreto caso, prima del 31 gennaio 1978.
In quest'ambito, si può inoltre rilevare che l'opinione dell'autorità cantonale, secondo cui la procedura dell'
art. 86 ORC
implica la previa cancellazione degli amministratori svizzeri sul
BGE 104 Ib 321 S. 327
registro di commercio e, se del caso, il previo avvio della procedura prevista dall'
art. 60 ORC
, potrebbe minare il principio fondamentale della veridicità delle iscrizioni sancito dall'
art. 38 ORC
. Tale modo d'agire produrrebbe infatti un ingiustificato ritardo nel ripristino di una situazione legittima, lasciando sussistere una società anonima, il cui consiglio d'amministrazione più non risponde alle esigenze legali, per un periodo di tempo più o meno lungo. Le procedure previste dagli
art. 60 e 86 ORC
perseguono invece scopi diversi e possono esser avviate simultaneamente, qualora i necessari presupposti siano beninteso adempiuti (cfr.
DTF 94 I 568
consid. 5). Spetterà all'ufficiale del registro di sincronizzare i due procedimenti allo scopo di ristabilire l'ordine legale prescritto dagli
art. 711 e 937 CO
senza ulteriori indugi.
Dispositiv
Il Tribunale federale pronuncia:
In quanto ricevibile, il ricorso è respinto. | public_law | nan | it | 1,978 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
19e15966-26e2-420a-8aab-ea904eee37c2 | Urteilskopf
112 II 459
74. Urteil der I. Zivilabteilung vom 18. November 1986 i.S. I. gegen F. (Berufung) | Regeste
Art. 417 OR
. Doppelmäkelei. Angemessene Provision.
Ein durch zulässige Doppelmäkelei bedingter Mehraufwand des Mäklers rechtfertigt in der Regel keine Erhöhung der nach den ortsüblichen Ansätzen angemessenen Provision (E. 3). | Sachverhalt
ab Seite 460
BGE 112 II 459 S. 460
Dem Urteil liegt der in
BGE 111 II 366
ff. veröffentlichte Sachverhalt zugrunde. Nach dem Rückweisungsentscheid des Bundesgerichts vom 10. Dezember 1985 hiess das Obergericht des Kantons Luzern mit Urteil vom 24. April 1986 die Aberkennungsklage im Umfang von Fr. 11'357.15 gut und gewährte für den Betrag von Fr. 18'642.85 die definitive Rechtsöffnung. Gegen dieses Urteil hat der Kläger erneut Berufung eingereicht und beantragt, den Entscheid des Obergerichts aufzuheben und den Betrag von Fr. 18'642.85 gerichtlich abzuerkennen. Das Bundesgericht heisst in teilweiser Gutheissung der Berufung die Aberkennungsklage im Umfange von Fr. 14'465.-- gut und gewährt für den Betrag von Fr. 15'535.-- definitive Rechtsöffnung.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
/ 2.- (Die Anwendung der Tarifordnung des Schweizerischen Verbandes der Immobilien-Treuhänder, Sektion Zürich, Ausgabe 1983, die für den Verkauf eines Mehrfamilien- oder Geschäftshauses bei einem Verkaufspreis von 1-2 Mio. Franken eine Mäklerprovision von 2 1/2 - 3 1/2% vorsieht, ist bundesrechtlich nicht zu beanstanden.)
3.
Die weiteren Rügen des Klägers lassen sich dahin zusammenfassen, dass vorliegend ein Provisionssatz von 3% weit übersetzt sei.
Wenn das Bundesgericht im Rückweisungsentscheid die Vorinstanz anwies, sie habe auf der Grundlage der ortsüblichen Ansätze den noch angemessenen Mäklerlohn zu ermitteln, so heisst das, dass diese Ansätze bei der Entscheidung über die Angemessenheit mitzuberücksichtigen sind, also über- oder unterschritten werden könnten, sofern sich die ortsüblichen Ansätze als unangemessen erweisen sollten. Nach den verbindlichen Feststellungen des Obergerichts hatte der Beklagte keinen besonderen Aufwand. Mit der Vorinstanz lässt das den untersten Ansatz des Tarifrahmens von 2 1/2% als angemessen erscheinen. Hingegen widerspricht es dem
BGE 112 II 459 S. 461
Rückweisungsentscheid (
Art. 66 Abs. 1 OG
), diesen Ansatz wegen des Mehraufwandes aus Doppelmäkelei um ein halbes Prozent zu erhöhen, wie es die Vorinstanz tut. Im Rückweisungsentscheid wurde ausdrücklich festgehalten, es sei auch bei Doppelmäkelei von den beim Tätigwerden für nur eine Partei angemessenen Ansätzen auszugehen, beschränke sich doch die zulässige Doppelmäkelei in der Regel auf die blosse Nachweismäkelei. Selbst wenn man annehmen wollte, der durch zulässige Doppelmäkelei bedingte Mehraufwand vermöge in gewissen Fällen einen höheren Ansatz zu rechtfertigen, wäre das im vorliegenden Fall einer ausschliesslichen und zudem mit geringem Aufwand verbundenen Nachweismäkelei klar zu verneinen.
Der zulässige Gesamtbetrag der Mäklerprovision beträgt somit 2 1/2% von Fr. 1,45 Mio, wovon der Kläger 3/7 oder Fr. 15'535.-- schuldet. | public_law | nan | de | 1,986 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
19e62d2d-a404-4cf0-adee-a275cb376f9c | Urteilskopf
85 IV 24
8. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 6. März 1959 i.S. Baumann gegen Emch und Generalprokurator des Kantons Bern. | Regeste
Art. 264 StGB
, Tierquälerei.
1. Begriff der Misshandlung (Erw. 2 lit. a-c);
2. Ist die Misshandlung auch strafbar, wenn sie fahrlässig begangen wird? (Erw. 2 lit. d);
3. Fahrlässige Misshandlung eines Hundes durch einen Automobilisten, der das neben dem Fahrzeug einherspringende Tier durch einen Schwenker verscheuchen will und es dabei anfährt und verletzt (Erw. 3). | Sachverhalt
ab Seite 24
BGE 85 IV 24 S. 24
A.-
Als Eugen Baumann am 14. März 1957 um 15.30 Uhr im Begriffe war, einen Personenwagen in Biel von der Liegenschaft Murtenstrasse 4 her quer über diese Strasse zu führen, um auf der rechten Seite der Fahrbahn gegen das Stadtzentrum zu fahren, sprang auf der linken Seite des Personenwagens bellend ein achtjähriger Irish-
BGE 85 IV 24 S. 25
Setter neben diesem einher. Um den Hund zu verscheuchen, lenkte Baumann, als er sich noch auf der linken Fahrbahnhälfte befand, das Fahrzeug brüsk nach links. Dabei fuhr er den Hund an, wodurch dieser am rechten Vorderbein verletzt wurde. Die Verletzungen, starke Quetschungen der Muskulatur des Humerus und leichte Nervenquetschung, führten zu einer starken Lahmheit vorne rechts, von der das Tier nach dreitägiger klinischer Pflege und mehrwöchiger tierärztlicher Nachbehandlung anscheinend geheilt wurde.
B.-
Das Obergericht des Kantons Bern erklärte als Appellationsinstanz mit Urteil vom 25. März 1958 Baumann der fahrlässigen Tierquälerei (
Art. 264 Ziff. 2 StGB
) schuldig und verurteilte ihn unter Ansetzung einer einjährigen Probezeit zu einer bedingt löschbaren Busse von Fr. 30.-.
C.-
Der Verurteilte führt Nichtigkeitsbeschwerde mit den Anträgen, das Urteil sei aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit sie ihn freispreche.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
.....
2.
a) Der Tierquälerei im Sinne von
Art. 264 StGB
macht sich schuldig, wer ein Tier misshandelt, arg vernachlässigt oder unnötig überanstrengt. Misshandeln - was hier allein in Frage kommt - heisst, unnötigerweise Schmerzen oder Leiden zufügen (vgl. HAFTER, Bes. Teil II S. 477; LOGOZ, N. 2 lit. a zu
Art. 264 StGB
; THORMANN-OVERBECK, N. 2 zu
Art. 264 StGB
; ferner Prot.2 ExpK. 7 184). Dabei versteht sich von selbst, dass nicht jede, noch so geringfügige unrechtmässige Einwirkung auf das Tier strafbar ist; nur wenn sie eine gewisse Intensität erreicht, fällt sie unter
Art. 264 StGB
(nicht veröffentlichter Entscheid des Kassationshofes vom 8. Juni 1956 i.S. Peter; ferner HAFTER, a.a.O. S. 477; BAUR in ZStR 70 S. 135).
b) Das bedeutet entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers jedoch keineswegs, dass unter Misshandlung
BGE 85 IV 24 S. 26
im Sinne von
Art. 264 StGB
nur die fortdauernde oder sich wiederholende unnötige Verursachung erheblicher Schmerzen zu verstehen ist. Dass im deutschen Gesetzestext als Randtitel die Bezeichnung "Tierquälerei" verwendet wird, besagt nichts anderes. "Quälen" weist wie "misshandeln" allgemein auf die unnötige Verursachung von Schmerzen oder Leiden (Qualen) hin, bedeutet aber nicht notwendigerweise eine fortdauernde oder sich wiederholende Leidenszufügung. Zudem ist der Randtitel nur eine allgemeine Bezeichnung für die im Artikel selbst umschriebenen strafbaren Handlungen, vermag aber dessen Wortlaut ebensowenig einzuschränken wie eine Titelüberschrift und ändert vor allem auch an dem aus dem Wortlaut der Bestimmung sich ergebenden Sinn nichts (
BGE 74 IV 208
;
BGE 76 IV 55
Erw. 1;
BGE 78 IV 176
;
BGE 81 IV 291
Erw. 2). Sinn des
Art. 264 StGB
kann jedoch - wenn dieser seinen Zweck, das Tier gegen unnötige Leidenszufügung zu schützen, erreichen soll - nicht sein, dass erst die fortdauernde oder sich wiederholende, nicht aber schon die einmalige Verursachung erheblicher Schmerzen oder Leiden den Tatbestand der Misshandlung zu erfüllen vermöge. Vielmehr ist entsprechend der bisherigen Rechtsprechung davon auszugehen, dass auch in einer einmaligen Einwirkung eine Misshandlung liegen kann (vgl.
BGE 75 IV 172
).
c) Das Gesetz spricht - im Gegensatz zu den Vorentwürfen - auch nicht von roher Misshandlung. Die geltende Fassung geht auf einen Antrag der ständerätlichen Kommission zur Vorberatung des Gesetzesentwurfes zurück, deren Berichterstatter im Ständerat die vorgeschlagene Änderung damit begründete, es sollte die Auffassung vermieden werden, als ob nur die krasse, qualifizierte Misshandlung strafbar sei, und u.a. noch beifügte, die Beibehaltung des Wortes "roh" würde eine überflüssige Abschwächung des Gedankens des Tierschutzes bedeuten, zumal die meisten kantonalen Strafgesetzbücher gleichfalls kurzweg von Misshandlung sprächen (StenBull StR
BGE 85 IV 24 S. 27
1931 S. 560; 1935 S. 245). Der Ständerat hiess die vorgeschlagene Änderung ohne Diskussion gut, und der Nationalrat folgte ihm, nachdem die beiden Berichterstatter der Kommission darauf hingewiesen hatten, durch die abgeänderte Fassung wolle der Eindruck vermieden werden, dass nur die schwersten Fälle der Tierquälerei Strafe nach sich ziehen sollen (franz. Berichterstatter: "Tous les mauvais traitements et pas seulement les mauvais traitements exceptionnels, doivent être punis"; StenBull NatR 1934 S. 408 f.). Unter diesen Umständen kann aus dem Verlauf der parlamentarischen Beratung nicht abgeleitet werden, dass die rohe Gesinnung des Täters notwendiges Merkmal der Misshandlung im Sinne von
Art. 264 StGB
und damit der Tierquälerei sei; sie lässt, entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers, vielmehr keine Zweifel offen, dass auch die leichten Fälle erfasst werden wollten, obwohl der Berichterstatter der ständerätlichen Kommission ausdrücklich darauf hingewiesen hatte, dass sie häufiger sein werden als schwere Misshandlungen (StenBull StR 1931 S. 560; vgl. ferner Votum Hoppeler in StenBull NatR 1929 S. 583).
Der gegenteilige Schluss kann auch nicht, wie der Beschwerdeführer meint, daraus gezogen werden, dass in der 2. Expertenkommission gegenüber einem Antrag, neben der (rohen) Misshandlung einen selbständigen Tatbestand des Quälens einzuführen (worunter der Antragsteller die Schmerzzufügung aus Lust oder Freude am Schmerz des Tieres verstand), eingewendet wurde, in der Praxis könnte das Delikt zu sehr ausgedehnt, nämlich jede Kleinigkeit als Quälerei betrachtet und bestraft werden (Prot. 2. ExpK. 7 181, 186, 189). Damit wollte offensichtlich nicht gesagt werden, dass Quälerei, die aus Lust am Schmerz des Tieres geschehe, an sich straflos sein und Strafe nur nach sich ziehen solle, wenn sie ausgesprochen roher Gesinnung entspringe.
Auch wenn zur Auslegung des an sich klaren Gesetzestextes die Materialien herangezogen werden, an die der
BGE 85 IV 24 S. 28
Richter übrigens nicht gebunden ist (
BGE 69 IV 10
;
BGE 71 IV 155
;
BGE 78 IV 89
Erw. 1;
BGE 83 IV 128
und dort angeführte Entscheidungen), ist somit die Annahme ausgeschlossen,
Art. 264 StGB
sei nur auf die Taten von Rohlingen, d.h. auf ausgesprochen rohe Misshandlungen anwendbar. Strafbar ist vielmehr jede unnötige Verursachung von Schmerzen oder Leiden.
d) Unbegründet ist schliesslich auch der Einwand, die Misshandlung eines Tieres sei (im Gegensatz zur Vernachlässigung oder Überanstrengung) nur bei vorsätzlicher Begehung strafbar, da eine fahrlässige Misshandlung begrifflich nicht möglich sei. Der Einwand scheitert am oben angeführten Wesen der Misshandlung als einer unnötigen Leidenszufügung, die nicht nur vorsätzlich, d.h. wissentlich und willentlich begangen werden, sondern auch auf pflichtwidriger Unvorsichtigkeit des Täters, somit auf Fahrlässigkeit beruhen kann. Auch sachlich besteht kein Grund, von der Strafdrohung auf fahrlässige Tierquälerei die Misshandlung auszunehmen; sie ist ebenso strafwürdig wie die fahrlässig begangene Vernachlässigung oder Überanstrengung des Tieres. Dass die fahrlässige Tierquälerei im Vorentwurf nicht mit Strafe bedroht war, die dahingehende Erweiterung des Straftatbestandes vielmehr erst auf eine Empfehlung der 2. Expertenkommission zurückzuführen ist (Prot. 2. ExpK. 6 S. 46; 7 S. 182, 190), ist in diesem Zusammenhang bedeutungslos. Massgebend ist vielmehr, dass in den späteren Entwürfen diesem Antrage unwidersprochen Folge gegeben wurde und die Strafbarkeit der fahrlässig begangenen Tierquälerei auch in der parlamentarischen Beratung unangefochten geblieben ist. Freilich ist es im Zusammenhang mit der fahrlässigen Tierquälerei im Nationalrat zu einer kurzen Diskussion gekommen. Diese bezog sich aber nicht auf die Strafbarkeit als solche, sondern auf die Frage, ob auf fahrrlässiger Tierquälerei die gleiche Höchststrafe anzudrohen sei, wie sie für die vorsätzlich verübte Tierquälerei festgelegt worden war (StenBull NatR 1929 S. 582 f.). Entgegen der Auffassung
BGE 85 IV 24 S. 29
des Beschwerdeführers lässt sich somit auch aus der parlamentarischen Beratung nichts gegen die Strafbarkeit der fahrlässig begangenen Misshandlung eines Tieres ableiten. Übrigens wird sie auch in der Doktrin vorbehaltlos bejaht (vgl. THORMANN-OVERBECK, N. 16-18 zu
Art. 264 StGB
; LOGOZ, N. 6 zu
Art. 264 StGB
; HAFTER, a.a.O., S. 480).
3.
Nach dem von der Vorinstanz als erwiesen angenommenen Sachverhalt, von dem der Kassationshof auszugehen hat (
Art. 277bis Abs. 1 BStP
), sind die objektiven und subjektiven Merkmale der fahrlässigen Tierquälerei im Sinne von
Art. 264 Ziff. 2 StGB
erfüllt.
a) Indem der Beschwerdeführer sein Fahrzeug gegen den Hund lenkte, ihn anfuhr und verletzte, hat er das Tier misshandelt. Er fügte ihm auf unnötige, zwecklose und durch keinen sachlichen Grund zu rechtfertigende Weise in erheblichem Masse Verletzungen und Schmerzen zu, von denen sich das Tier, das der tierärztlichen Pflege und einer mehrwöchigen Nachbehandlung bedurfte, erst nach Wochen erholte.
b) Fahrlässigkeit wirft die Vorinstanz dem Beschwerdeführer vor, weil er aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit nicht bedacht habe, dass er durch den Linksschwenker, mit dem er den Hund vertreiben wollte, das Tier verletzen könnte. Dass der Erfolg nicht voraussehbar gewesen sei, macht der Beschwerdeführer selber nicht geltend. Er bestreitet lediglich, dass er pflichtwidrig unvorsichtig gehandelt habe; als er sich angeschickt habe, sein parkiertes Fahrzeug wieder in den Verkehr einzuschalten, habe er vor allem auf den Verkehr auf der Fahrbahn, die er habe überqueren wollen, achten müssen; daneben habe er nicht gleichzeitig sein Augenmerk auf den Hund richten können, wozu er übrigens auch gar nicht verpflichtet gewesen sei. Damit setzt er sich über die tatsächliche und daher verbindliche Feststellung der Vorinstanz hinweg, wonach er den Linksschwenker einzig deshalb ausgeführt hat, weil er den Hund vertreiben wollte. Zur Rücksichtnahme auf das
BGE 85 IV 24 S. 30
Tier war er nach Art. 25 MFG verpflichtet, der vorschreibt, dass der Führer darnach trachten müsse, Unfälle und selbst das Erschrecken eines Tieres möglichst zu vermeiden. Zur Rücksichtnahme auf den Hund war der Beschwerdeführer aber auch verpflichtet auf Grund des allgemeinen Gebotes der Rechtsordnung, dass Rechtsgüter, zu denen auch das Interesse der Allgemeinheit an der Unversehrtheit des Tieres gehört, nicht ohne Not in Gefahr gebracht werden dürfen (vgl.
BGE 64 II 260
;
BGE 77 II 150
Erw. 2). An der Strafbarkeit seines Verhaltens ändert auch nichts, dass das Tier, wie er geltend macht, vom Eigentümer vorschriftswidrig frei auf der Strasse laufen gelassen wurde. Das berechtigte ihn nicht, es mutwillig anzufahren und dadurch zu misshandeln. | null | nan | de | 1,959 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
19eecfd4-3003-43f2-ae7a-8bde87a87eb7 | Urteilskopf
120 II 105
23. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour civile du 22 février 1994 dans la cause Société immobilière X. contre sieurs S. (recours en réforme) | Regeste
Art. 271 OR
. Anfechtbarkeit einer Kündigung, die gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstösst.
Darin, dass eine Kündigung ausschliesslich mit dem Willen des Vermieters begründet wird, von einem neuen Mieter einen höheren - aber aufgrund der absoluten Berechnungsweise nicht missbräuchlichen - Mietzins zu erlangen, als ihn der bisherige Mieter bezahlt hat, liegt in der Regel kein Verstoss gegen den Grundsatz von Treu und Glauben im Sinne von
Art. 271 Abs. 1 OR
. | Sachverhalt
ab Seite 106
BGE 120 II 105 S. 106
A.-
En février et mars 1985, la Société immobilière X. a remis à bail à A. S., d'une part, à A. S. et à P. S., d'autre part, deux appartements de trois pièces et demie chacun sis dans un immeuble dont elle est propriétaire à Genève.
Le 25 janvier 1990, le gérant de la bailleresse a résilié les baux pour leur prochaine échéance contractuelle, soit le 31 décembre 1990. Les locataires ont saisi la Commission de conciliation en matière de baux et loyers d'une requête tendant à l'annulation des congés et à la prolongation des baux. Le 29 avril 1991, la Commission de conciliation a rendu deux décisions dans lesquelles elle relève, pour chacun des locataires, que "l'unique motif de résiliation du bail consistait dans la volonté de la société propriétaire de relouer plus cher l'appartement concerné à d'autres locataires".
B.-
Le 8 mai 1991, les locataires ont introduit une action visant principalement à l'annulation des congés et, subsidiairement, à la prolongation des baux pour une durée de quatre ans.
Par jugements du 12 décembre 1991, le Tribunal des baux et loyers du canton de Genève a confirmé la validité des congés et accordé aux locataires une première prolongation de bail de deux ans jusqu'au 31 décembre 1992, la possibilité leur étant laissée de présenter une deuxième requête de prolongation.
Statuant sur appels des locataires et sur appels incidents de la bailleresse, la Chambre d'appel en matière de baux et loyers du canton de Genève, par deux arrêts du 2 avril 1993, a mis à néant les jugements de première instance et annulé les congés donnés par la défenderesse aux demandeurs.
C.-
La défenderesse a interjeté deux recours en réforme en concluant à l'annulation des arrêts cantonaux et à la constatation de la validité des congés litigieux.
Après avoir joint les deux recours, le Tribunal fédéral les a admis. En conséquence, il a annulé les arrêts attaqués et renvoyé les causes à la cour cantonale pour nouveaux jugements dans le sens des considérants.
BGE 120 II 105 S. 107
Erwägungen
Extrait des considérants:
3.
La défenderesse reproche à la cour cantonale d'avoir violé l'
art. 271 al. 1 CO
en lui déniant le droit de résilier les baux des locataires actuels pour relouer les appartements litigieux à des tiers susceptibles de payer un loyer plus élevé mais qui ne soit pas abusif.
a) Aux termes de l'
art. 271 al. 1 CO
, le congé est annulable lorsqu'il contrevient aux règles de la bonne foi. Cette disposition, qui peut être invoquée tant par le bailleur que par le locataire (BARBEY, Commentaire du droit du bail, Chapitre III: Protection contre les congés concernant les baux d'habitation et de locaux commerciaux, n. 65 ad Introduction et n. 6 ad
art. 271-271a CO
; LACHAT/MICHELI, Le nouveau droit du bail, 2e éd., p. 324), a pour fondement l'
art. 34septies Cst.
qui charge la Confédération de légiférer, notamment, sur l'annulabilité des congés "abusifs". La différence de vocabulaire entre ces deux normes ne trahit aucune intention particulière du législateur, la portée d'une distinction entre l'abus de droit et l'acte contraire à la bonne foi n'ayant pas été approfondie au cours des travaux préparatoires (BARBEY, op.cit., n. 11 ad
art. 271-271a CO
). Il est généralement admis, dans la doctrine, que le législateur a entendu rattacher le critère constitutionnel d'abus à la clause générale de l'
art. 2 CC
, qui consacre à la fois l'exigence du respect de la bonne foi (al. 1) et l'interdiction de l'abus de droit (al. 2; JUNOD, Commentaire de la Constitution fédérale de la Confédération suisse, vol. II, n. 34 ad art. 34septies; BARBEY, op.cit., n. 17 ad
art. 271-271a CO
; LACHAT/MICHELI, op.cit., p. 323; ZIHLMANN, Das neue Mietrecht, p. 189; Droit suisse du bail à loyer, Commentaire de l'Union suisse des professionnels de l'immobilier (traduction française) [ci-après: Commentaire de l'USPI], n. 6 ad
art. 271 CO
; ENGEL, Contrats de droit suisse, p. 187; TERCIER, La partie spéciale du Code des obligations, n. 1252). Ce rattachement, que d'aucuns ne jugent pas satisfaisant (BARBEY, op.cit., n. 18 à 30 ad
art. 271-271a CO
, qui propose de faire appel à la notion de bonnes moeurs ou de recourir, dans certaines hypothèses, aux principes de l'
art. 336 CO
relatif à la résiliation abusive du contrat de travail [n. 40 à 51 ad
art. 271-271a CO
]; MENGE, Kündigung und Kündigungsschutz bei der Miete von Wohn- und Geschäftsraümlichkeiten, thèse Bâle 1993, p. 55, qui voit dans la bonne foi de l'
art. 271 al. 1 CO
une notion autonome), correspond à celui que le Tribunal fédéral a opéré dans les arrêts se rapportant à la disposition controversée (
ATF 120 II 32
, consid. 4; arrêt non publié du 18 mars 1992, reproduit in mietrechtspraxis [mp] 1993, p. 28 ss, consid. 2), en conformité avec sa jurisprudence
BGE 120 II 105 S. 108
antérieure (
ATF 113 II 68
consid. 3,
ATF 109 II 153
consid. 4).
Si elles établissent une relation entre l'
art. 271 al. 1 CO
et l'
art. 2 CC
, la jurisprudence et la doctrine dominante ne se préoccupent guère, en revanche, de déterminer si la protection accordée par la disposition topique du Code des obligations découle du principe de la bonne foi (
art. 2 al. 1 CC
) ou de l'interdiction de l'abus de droit (
art. 2 al. 2 CC
); elles se bornent généralement à ranger la disposition en cause dans cette dernière catégorie, sans motiver plus avant leur choix (voir les auteurs et les arrêts précités; d'un autre avis: ZELLER, Zum Begriff der Missbraüchlichkeit im Schweizerischen Privatrecht, in RDS 1990 I 261ss, 272). Il est vrai que le législateur n'a pas distingué avec suffisamment de clarté les deux principes que contient l'
art. 2 CC
(Commentaire de l'USPI, loc.cit.) et auxquels sont dévolues des fonctions différentes: une double fonction interprétative et complétive pour le principe de la bonne foi, une fonction corrective pour le principe sanctionnant l'abus de droit (sur cette question, cf. MERZ, n. 17 ss ad
art. 2 CC
, et DESCHENAUX, Le Titre préliminaire du Code civil, in Traité de droit civil suisse, t. II/1, p. 135 ss, 139 et passim). L'intérêt pratique d'une telle distinction dogmatique ne saurait toutefois être surestimé. En effet, non seulement ces deux principes font appel à des notions juridiques de caractère général (la bonne foi et l'abus), dont il est difficile de fixer les contours une fois pour toutes, mais, surtout, de chacun d'eux peuvent être déduites des limites au libre exercice du droit de résiliation (contra: BARBEY, op.cit., n. 28 ad
art. 271-271a CO
, pour qui l'
art. 2 al. 1 CC
n'est pas applicable en matière de résiliation ordinaire du bail): les cas typiques d'abus de droit - absence d'intérêt à l'exercice d'un droit, utilisation contraire à son but d'une institution juridique, disproportion grossière des intérêts en présence, exercice d'un droit sans ménagement, attitude contradictoire (cf. MERZ, op.cit., n. 340 ss ad
art. 2 CC
; DESCHENAUX, op.cit., p. 168 ss; BARBEY, op.cit., n. 24 ad
art. 271-271a CO
) - justifient assurément l'annulation d'un congé, étant précisé qu'il n'est pas nécessaire que l'attitude de l'auteur de celui-ci puisse être qualifiée d'abus de droit "manifeste", au sens de l'
art. 2 al. 2 CC
(
ATF 120 II 32
, consid. 4; BARBEY, op.cit., n. 30 ad
art. 271-271a CO
); mais la résiliation du bail peut aussi être annulée si le motif sur lequel elle repose s'avère incompatible avec les règles de la bonne foi qui régissent le rapport de confiance inhérent à la relation contractuelle existante (par exemple, un congé donné à un locataire en raison de sa couleur de peau).
BGE 120 II 105 S. 109
b) aa) Le congé donné par le bailleur en vue d'obtenir d'un nouveau locataire un loyer plus élevé, mais non abusif, ne saurait, en règle générale, constituer un abus de droit - hormis le cas d'une éventuelle attitude contradictoire de l'intéressé -, pas plus d'ailleurs, sous la même réserve, que la résiliation du bail par le locataire qui s'est vu offrir un logement meilleur marché que celui qu'il occupe. Il reste à examiner si le principe de la bonne foi impose des limites à cette manifestation de la liberté contractuelle et, singulièrement, s'il est conciliable avec un congé donné pour un motif d'ordre économique. Un tel examen suppose naturellement la constatation préalable que le nouveau droit du bail, contrairement à l'ancien (
ATF 99 II 50
consid. 1 et les références), ne se désintéresse pas des motifs de la résiliation du bail, ce que confirme l'
art. 271 al. 2 CO
qui prescrit la motivation du congé si l'autre partie le demande (cf. OR-ZIHLMANN, n. 3 et 6 ad
art. 271 CO
; contra: GUHL/MERZ/KOLLER, Das Schweizerische Obligationenrecht, 8e éd., p. 407). De fait, celui qui résilie le bail ne doit pas pouvoir échapper à semblable examen en se contentant de taire la raison qui l'a poussé à se libérer de ses engagements contractuels.
Autant que l'on puisse en juger, les auteurs qui se sont penchés sur la question inclinent plutôt à ne pas considérer, en principe, comme contraire aux règles de la bonne foi le congé donné pour un motif de nature économique, du moment que la loi ne défend à personne de rentabiliser au mieux son bien dans les limites qu'elle fixe (BARBEY, op.cit., n. 232/233 ad
art. 271-271a CO
; Commentaire de l'USPI, n. 17 ss ad
art. 271 CO
; OR-ZIHLMANN, n. 10 ad
art. 271a CO
; BROGLIN, Pratique récente en matière d'annulation du congé et de prolongation du bail, in 7e Séminaire sur le droit du bail, Neuchâtel 1992, p. 8 in fine). La même conclusion peut être tirée indirectement de l'
ATF 110 II 249
consid. 4 où le Tribunal fédéral, dans le cadre d'une procédure en prolongation de bail, n'a pas estimé arbitraire la décision de l'autorité cantonale d'accorder plus de poids à l'intérêt légitime du locataire à faire prolonger le bail qu'à celui des bailleurs à louer leur immeuble à un loyer plus élevé et pour une durée plus longue (p. 254 in fine/255). ZWICKER (Die Anfechtung der Kündigung nach dem neuen Schweizerischen Mietrecht, in L'Expert-comptable suisse, 1990, p. 267 ss, 271) apparaît plus réservé, même s'il ne professe pas formellement l'opinion inverse, puisqu'il se demande si l'on ne pourrait pas voir une fraude à la loi dans le fait pour le bailleur de résilier le bail afin de réaliser, par le biais d'un changement de locataire, un but - soit une augmentation de loyer abusive au regard de la méthode de calcul
BGE 120 II 105 S. 110
relative - qu'il ne pourrait pas atteindre sans le consentement du locataire actuel. Enfin, LACHAT/STOLL (Das neue Mietrecht für die Praxis, 3e éd., p. 343, note de pied 26), soutiennent, quant à eux, en se référant au dernier auteur cité, qu'un congé signifié dans de telles conditions peut contrevenir aux règles de la bonne foi lorsqu'il existe une disproportion manifeste entre les intérêts pécuniaires du bailleur et ceux du locataire.
bb) Sous l'angle des règles de la bonne foi, on ne saurait sanctionner par principe un congé donné pour des motifs économiques. L'ordre juridique actuel permet au bailleur d'optimaliser son rendement dans les limites fixées par la loi (
art. 269 et 269a CO
) et au locataire de satisfaire ses besoins en y consacrant le moins d'argent possible. Les travaux préparatoires ne laissent aucun doute quant à la volonté du législateur sur ce point (pour les références, cf. BARBEY, op.cit., n. 232 ad
art. 271-271a CO
) et leur importance est d'autant plus grande qu'ils se rapportent à une loi récente (
ATF 118 II 307
consid. 3a,
ATF 116 II 525
consid. 2b). Une restriction au libre exercice du droit de résiliation ne peut ainsi être déduite abstraitement de la loi; elle découlera tout au plus des rapports spécifiques unissant les parties à un contrat de bail déterminé et trouvera, le cas échéant, sa justification dans la confiance que l'un des partenaires contractuels aura pu éveiller chez l'autre, par exemple en lui indiquant de manière informelle que le bail serait de longue durée.
Cela étant, pour être admissible, une résiliation dictée par des considérations d'ordre économique ne doit pas servir de prétexte à la poursuite d'un but illicite. Il faut donc que le bailleur soit en mesure d'exiger du nouveau locataire un loyer supérieur au loyer payé jusque-là par le preneur congédié. En d'autres termes, le congé est annulable si l'application de la méthode de calcul absolue permet d'exclure l'hypothèse que le bailleur puisse majorer légalement le loyer, parce que celui-ci est déjà conforme aux prix du marché et lui procure un rendement suffisant. Dans une telle situation, ce n'est pas le principe de la bonne foi stricto sensu qui entre en ligne de compte, mais l'interdiction de l'abus de droit que méconnaît toute résiliation ne constituant qu'un prétexte. Au demeurant, ce dernier principe fera toujours office de soupape de sûreté et pourra justifier exceptionnellement, suivant les circonstances, l'annulation d'un congé donné par le bailleur afin d'obtenir un rendement plus élevé, mais non abusif, de l'objet loué. Tel pourrait être le cas, par exemple, si le bailleur ne disposant que d'une réserve de hausse insignifiante n'en faisait pas moins usage afin de se débarrasser
BGE 120 II 105 S. 111
commodément, par ce biais-là, d'un locataire qui ne lui conviendrait plus.
Pour le reste, on rappellera qu'à certaines conditions, le locataire s'opposera avec succès à une résiliation du bail, fût-elle conforme aux règles de la bonne foi, en sollicitant une prolongation de celui-ci (
art. 272 ss CO
; cf. l'
ATF 110 II 249
consid. 4 précité).
c) Appliquées au cas particulier, les considérations précédentes conduisent à constater que la cour cantonale a violé le droit fédéral en jugeant incompatible avec les règles de la bonne foi, au sens de l'
art. 271 al. 1 CO
, tout congé motivé par la simple volonté du bailleur d'augmenter le loyer de l'appartement loué. En revanche, comme il est établi que la résiliation des baux n'a nullement servi en l'occurrence à imposer aux demandeurs une adaptation des loyers des appartements qu'ils occupent, la Chambre d'appel a renoncé avec raison à faire application de l'
art. 271a al. 1 let. b CO
dans la présente espèce (OR-ZIHLMANN, n. 10 ad
art. 271a CO
; BROGLIN, ibid.; voir aussi l'
ATF 115 II 83
au sujet des dispositions similaires de l'ancien droit du bail).
Dans ces conditions, il y a lieu d'annuler les arrêts attaqués et de renvoyer la cause à la cour cantonale pour qu'elle détermine, en établissant d'office les faits pertinents (
art. 274d al. 3 CO
;
ATF 118 II 50
consid. 2a) et en utilisant les critères de calcul propres à la méthode absolue, si la défenderesse pourrait relouer plus cher les appartements pris à bail par les demandeurs. En cas de réponse affirmative, elle devra admettre la validité des congés litigieux et se prononcer sur la question de la prolongation du bail, qui formait l'objet de l'appel incident de la défenderesse. Dans l'hypothèse inverse, elle annulera les congés sur la base de l'
art. 271 al. 1 CO
. Au cas où, nonobstant l'application de la maxime d'office, un doute subsisterait quant à la possibilité de majorer les loyers en cause, la défenderesse en supporterait les conséquences. En effet, même si le fardeau de la preuve d'un congé contraire aux règles de la bonne foi incombe au demandeur à l'action en annulation, la partie qui résilie a le devoir de contribuer loyalement à la manifestation de la vérité en fournissant tous les éléments en sa possession nécessaires à la vérification du motif invoqué par elle (BARBEY, op.cit., n. 202 et 319 ad
art. 271-271a CO
). Lorsque ce motif consiste dans le désir de majorer le loyer, il est normal, et du reste conforme aux prescriptions de l'
art. 274d al. 3 CO
, que le bailleur produise toutes les pièces pertinentes et, s'il ne le fait pas, qu'il doive se laisser opposer l'absence de preuve du motif de congé allégué par lui. | public_law | nan | fr | 1,994 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
19ef9cbc-c53d-4d7f-b937-230f56ac358c | Urteilskopf
117 II 604
110. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 5. November 1991 i.S. V. SA gegen E. B.V. und vertragliches Schiedsgericht (staatsrechtliche Beschwerde) | Regeste
Art. 190 Abs. 2 lit. e IPRG
. Internationale Schiedsgerichtsbarkeit. Ordre public.
Voraussetzungen, unter denen die Beurteilung einer Schiedssache gegen die öffentliche Ordnung verstösst (E. 3). Eine schiedsgerichtliche Vertragsauslegung widerspricht mindestens solange nicht dem Ordre public, als ein Vertrag gleichen Inhalts nach innerstaatlichem Recht ebenfalls wirksam wäre. Vorbehalten bleibt die Berücksichtigung einer strengeren ausländischen, supranationalen oder universellen Wert- oder Rechtsordnung, sofern dies die Besonderheiten des Einzelfalls erfordern (E. 4). | Sachverhalt
ab Seite 605
BGE 117 II 604 S. 605
Der Zivilgerichtspräsident des Saanebezirkes in Freiburg gewährte der E. B.V. in einer gegen die V. SA eingeleiteten Betreibung die provisorische Rechtsöffnung für einen Betrag von Fr. 3'577'500.-- nebst Zins. Die von der V. SA erhobene Aberkennungsklage wurde gestützt auf eine vertraglich vereinbarte Schiedsklausel von einem Schiedsgericht mit Sitz in Basel am 18. Juli 1991 abgewiesen. Zu beurteilen war die in der Auflösungsvereinbarung zwischen den Parteien vorgesehene Entlastung der E. B.V. von einer in einem Joint-venture-Verhältnis eingegangenen Garantieverpflichtung durch eine Barleistung der V. SA. Das Schiedsgericht gelangte zum Schluss, die Forderung sei bei Einleitung der Betreibung fällig gewesen und die Parteien hätten vertraglich auf allfällige Einreden aus
Art. 82 OR
sowie auf Verrechnung verzichtet.
Die V. SA führt gegen den Entscheid des Schiedsgerichts erfolglos staatsrechtliche Beschwerde gemäss
Art. 85 lit. c OG
.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
Es liegt unstreitig ein Fall internationaler Schiedsgerichtsbarkeit im Sinne von
Art. 176 ff. IPRG
vor. Der Schiedsentscheid kann folglich allein aus den Gründen gemäss
Art. 190 Abs. 2 IPRG
angefochten werden. Die Beschwerdeführerin beruft sich einzig auf lit. e dieser Bestimmung und macht geltend, die Vertragsauslegung
BGE 117 II 604 S. 606
durch das Schiedsgericht sei mit dem Ordre public unvereinbar.
Im Vergleich zu Art. 36 lit. f des Schiedsgerichtskonkordats (SR 279), der die materielle Anfechtung von Schiedssprüchen wegen Willkür durch offensichtlich aktenwidrige Tatsachenfeststellungen oder klare Verletzung des Rechts oder der Billigkeit zulässt, schränkt die Ordnung der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit - dem Willen des Gesetzgebers entsprechend - die Anfechtungsmöglichkeiten erheblich ein. Selbst eine offensichtlich falsche Tatsachenfeststellung oder Rechtsanwendung stellt für sich allein keinen ausreichenden Grund dar, um ein Schiedsurteil aufzuheben. Die materiellrechliche Überprüfung durch das Bundesgericht ist vielmehr auf die Frage begrenzt, ob der Schiedsentscheid vor dem Ordre public standhält. Dabei verstösst die materielle Beurteilung einer Schiedssache gemäss Rechtsprechung nur dann gegen diese öffentliche Ordnung, wenn sie fundamentale Rechtsgrundsätze verletzt und daher mit der schweizerischen Rechts- und Wertordnung schlechthin unvereinbar ist. Zu diesen Grundsätzen zählen etwa die Vertragstreue, der Vertrauensgrundsatz, das Rechtsmissbrauchs- oder das Diskriminierungsverbot (
BGE 116 II 636
mit Hinweisen; WALTER/BOSCH/BRÖNNIMANN, Internationale Schiedsgerichtsbarkeit in der Schweiz, S. 225 ff.; POUDRET, Les recours au Tribunal fédéral suisse en matière d'arbitrage interne et international, Bulletin ASA 1988 S. 62).
Weil der Beschwerdegrund der Verletzung des Ordre public weniger weit geht als derjenige der Willkür, muss unter der Herrschaft des IPRG erst recht gelten, dass sich analog zur Rechtsprechung zu
Art. 4 BV
die Aufhebung eines Entscheids nur dann rechtfertigt, wenn er im Ergebnis gegen die massgebende Ordnung verstösst, ohne dass es auf die Begründung allein ankäme (
BGE 116 II 636
f.). Dabei hat nach dem das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde beherrschenden Rügeprinzip der Beschwerdeführer die Unvereinbarkeit des angefochtenen Schiedsentscheids mit dem Ordre public im einzelnen aufzuzeigen. Auf eine bloss appellatorische Kritik oder einen unzureichenden Vorwurf der Willkür ist nicht einzutreten.
Ob schliesslich für die Beurteilung des Ordre public allgemein oder allenfalls je nach Inlandbezug der Streitsache die schweizerische, eine ausländische, eine supranationale oder gar eine universale Wert- oder Rechtsordnung massgebend ist, kann offenbleiben, wenn sich erweist, dass der angefochtene Entscheid so oder anders
BGE 117 II 604 S. 607
vor den jeweils angerufenen fundamentalen Grundsätzen standhält (
BGE 116 II 637
).
4.
Die von der Beschwerdeführerin erhobene Rüge ist nach dem Gesagten allein daraufhin zu prüfen, ob das Auslegungsergebnis, d.h. der vom Schiedsgericht festgestellte Vertragsinhalt, mit der massgebenden Rechts- und Wertordnung vereinbar ist. Die deutsche Rechtsprechung hat dazu den Grundsatz entwickelt, dass ein schiedsmässig festgestellter Vertragsinhalt immer dann gegen den Ordre public verstosse, wenn ein Vertrag gleichen Inhalts unwirksam wäre (Nachweise bei SCHWAB/WALTER, Schiedsgerichtsbarkeit, 4. Auflage, S. 203 Rz. 21 und Fn. 64). Auch wenn SCHLOSSER (Das Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, 2. Auflage, S. 629 Rz. 867) gegen diese Auffassung rechtspolitische Einwände vorgebracht hat, ist sie jedenfalls in ihrer negativen Aussage nicht zu beanstanden. Danach widerspricht ein Schiedsspruch mindestens für solange nicht dem Ordre public, als ein Vertrag gleichen Inhalts nach innerstaatlichem Recht ebenfalls wirksam wäre, es sei denn, Besonderheiten des Einzelfalls erforderten zusätzlich die Berücksichtigung einer strengeren ausländischen, supranationalen oder universellen Wert- oder Rechtsordnung. In dieser Form hat die Aussage daher auch für das schweizerische Recht Geltung, wobei im vorliegenden Fall keine Umstände dargetan oder ersichtlich sind, welche verlangten, die Inhaltskontrolle nicht auf das innerstaatliche Recht zu beschränken.
Der im angefochtenen Schiedsentscheid festgestellte Vertragsinhalt missachtet die Schranken der Privatautonomie nicht. Das Gesetz (
Art. 75 OR
) überlässt es der Regelungsfreiheit der Parteien, die Fälligkeit einer vertraglichen Forderung festzulegen.
Art. 82 OR
ist ebenfalls nachgiebiges Recht, das die Parteien grundsätzlich nicht hindert, auf den Rechtsbehelf zu verzichten und die Einrede des unerfüllten Vertrags auszuschliessen (WEBER, N 17 f. zu
Art. 82 OR
; SCHRANER, N 5 zu
Art. 82 OR
). Allenfalls zu beachtende Geltungsschranken allgemeiner Geschäftsbedingungen spielen hier keine Rolle. Schliesslich kann der Schuldner gemäss ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift (
Art. 126 OR
) auch auf die Verrechnung zum voraus verzichten. Von einer Nichtigkeit des Vertrages im Sinne der
Art. 19 und 20 OR
kann daher in keinem der beanstandeten Punkte die Rede sein. Damit ist der Rüge, die Vertragsauslegung sei mit dem Ordre public unvereinbar, von vornherein der Boden entzogen. Die Beschwerde erweist
BGE 117 II 604 S. 608
sich deshalb als unbegründet, soweit sie sich nicht ohnehin in einer unzulässigen Kritik an der Ermittlung des Vertragsinhalts durch das Schiedsgericht erschöpft und nicht darlegt, inwiefern das Ergebnis der Auslegung mit der Rechtsordnung unvereinbar sein soll. | public_law | nan | de | 1,991 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
19f61b3a-e235-4358-81af-eeef9c14fdc7 | Urteilskopf
88 III 68
13. Entscheid vom 6. September 1962 i.S. Konkursmasse Parkhof AG und Mitbeteiligte. | Regeste
Konkurs.
1. Legitimation zur Beschwerde und zum Rekurs gegen Anordnungen betreffend die Verwertung von Aktiven. Stellung des Konkursverwalters, der Konkursgläubiger, der Organe und Aktionäre der im Konkurs befindlichen AG und der Personen, die dem Konkursverwalter Kaufsangebote unterbreitet oder mit ihm einen Kaufvertrag abgeschlossen haben. (Erw. 2.)
2. Freihandverkauf einer Liegenschaft. Wird ein alle Konkursforderungen und Kosten deckender Preis angeboten, so hat der Konkursverwalter nicht nur den Gläubigern, sondern gegebenenfalls auch den Aktionären der Gemeinschuldnerin eine angemessene Frist zur Stellung höherer Angebote einzuräumen. Ferner hat er die Gcmeinschuldnerin bzw. ihre Organe über seine Massnahmen zur Vorbereitung eines Freihandverkaufs zu unterrichten.
Aufhebung eines von ihm erlassenen Zirkulars, der daraufhin eingegangenen Angebote und des mit dem Meistbietenden abgeschlossenen Kaufvertrags wegen Missachtung dieser Grundsätze. (Erw. 3, 4.)
3. Einstellung des Verwertungsverfahrens im Falle, dass der Gemeinschuldner in die Lage kommt, die Konkursgläubiger ohne Verwertung seiner Aktiven vollständig zu befriedigen, und dass der dafür erforderliche Betrag gerichtlich hinterlegt wird. (Erw. 5, 6.)
4. Die Vollstreckungsorgane sind verpflichtet, dem Bundesbeschluss über die Bewilligungspflicht für den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland vom 23. März 1961 Nachachtung zu verschaffen und insbesondere auch die Umgehung der Bewilligungspflicht zu verhüten..Vorgehen im Falle, dass Zweifel über die Herkunft der Mittel bestehen, die zur Befriedigung der Gläubiger einer im Konkurs befindlichen Immobiliengesellschaft bereitgestellt wurden. (Erw. 7, 8.)
5. Weisungen für den Fall, dass das Verwertungsverfahren wiederaufgenommen werden muss. (Erw. 9.)
6. Beschränkung der Befugnisse des Konkursverwalters dadurch, dass bestimmte Geschäfte desselben der Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde unterstellt werden und dass der Grundbuchverwalter angewiesen wird, Eintragungen nur mit deren Zustimmung vorzunehmen. (Erw. 10.) | Sachverhalt
ab Seite 69
BGE 88 III 68 S. 69
BGE 88 III 68 S. 70
A.-
Mit Vertrag vom 20./21. Juni 1962 erwarb die Basler Lebens-Versicherungs-Gesellschaft (Basler-Leben) von der Schenker AG eine rechtskräftig kollozierte, grundpfandgesicherte Forderung gegen die im Konkurs befindliche Parkhof AG
Am 21. Juni 1962 teilte die Basler Unfall-Versicherungsgesellschaft (Basler-Unfall) dem ausseramtlichen Konkursverwalter mit, sie sei bereit, die Liegenschaft der Gemeinschuldnerin, Aeschengraben 21 in Basel, zu Fr. 11'254,918.13 zuzüglich Kosten und Grundpfandzinsen seit 1. April 1962 zu erwerben und eine Steuerforderung gegen die Gemeinschuldnerin
BGE 88 III 68 S. 71
im Betrage von Fr. 988'956.90 sicherzustellen. Diesem Angebot lag eine Garantie des Schweiz. Bankvereins für den Kaufpreis bei.
Mit Zirkular vom 22. Juni 1962 brachte der Konkursverwalter dieses Angebot den Gläubigern zur Kenntnis mit dem Bemerken, es decke sämtliche Passiven der Masse einschliesslich derjenigen, die Gegenstand von Kollokationsprozessen seien, sowie alle Konkurskosten; er werde es "grundsätzlich annehmen", gebe aber sämtlichen Gläubigern die Möglichkeit, es bis spätestens Freitag, 6. Juli 1962, 18 Uhr, zu überbieten; die Angebote müssten von einem Finanzausweis einer schweizerischen Grossbank begleitet sein. In einem weitern Zirkular an die Gläubiger vom 27. Juni 1962 fügte er bei, allfällige höhere Angebote müssten bis zum genannten Zeitpunkt in seinem Besitze sein.
Am 5. Juli 1962 schrieb der Gläubiger Dr. G. Bollag dem Konkursverwalter, er sei bereit, die Liegenschaft der Gemeinschuldnerin zu Fr. 11'804,918.13 nebst Kosten, Zinsen und Steuern zu kaufen. Er legte Garantieerklärungen der Schweiz. Bankgesellschaft und der Banque de crédit international in Genf vor.
Am 6. Juli 1962 um 10 Uhr 30 suchte Franz Klarer, der einzige Verwaltungsrat der Parkhof AG, bei einer Unterredung mit dem Substituten des Konkursverwalters vergeblich eine Bestätigung darüber zu erhalten, dass die Verkaufsverhandlungen eingestellt würden, wenn er gleichen Tags die Erklärung einer Grossbank beibringe, dass 12,2 Millionen Franken für die Finanzierung eines Konkurswiderrufs zur Verfügung stehen.
Am 6. Juli um 15 Uhr überbrachte Dr. Bollag der kantonalen Aufsichtsbehörde eine von ihm namens des Franz Klarer und des Bankhauses Hans Seligman-Schürch & Co. (eines Gläubigers) sowie im eigenen Namen erhobene Beschwerde mit den Anträgen:
"1. Es sei das Zirkular des ... Konkursverwalters vom 22. Juni 1962 als rechtswidrig ungültig zu erklären.
BGE 88 III 68 S. 72
2. Es sei der Konkursverwalter anzuweisen, auf das Angebot Dr. Georges Bollag bzw. Dr. X. einzutreten und den Weisungen der Aufsichtsbehörde bzw. des Bundesgerichtes gemäss den Entscheiden vom 10. Februar 1962 bzw. 28. Februar 1962 (
BGE 88 III 28
ff.) Folge zu leisten.
3. Es sei der Konkursverwalter anzuweisen, im Hinblick auf den von der konkursiten Parkhof AG angestrebten Konkurswiderruf die Verkaufsverhandlungen zu sistieren.
4. Es sei der Konkursverwalter in seinen Funktionen in dem Sinne einzuschränken, dass er über die Liegenschaft Aeschengraben 21 ... Verträge und Verfügungen nur mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde vornehmen kann. Es sei demgemäss das Grundbuchamt Basel-Stadt anzuweisen, dass Eintragungen irgendwelcher Art ins Grundbuch nur mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde ... erfolgen können."
Am 6. Juli 1962 um 15 Uhr 45 liess Klarer dem Konkursverwalter ein Schreiben überbringen, worin er bestätigte, dass er einen Konkurswiderruf durchzuführen gedenke, dessen Finanzierung gesichert sei, und den Konkursverwalter ersuchte, mit Rücksicht hierauf weitere Verkaufsverhandlungen betreffend die Liegenschaft Aeschengraben 21 zu unterlassen.
Am 6. Juli 1962 um 16 Uhr erliess die Aufsichtsbehörde eine "vorvorsorgliche Verfügung" im Sinne von Rechtsbegehren 4 der Beschwerde vom 6. Juli 1962.
Am 6. Juli um 17 Uhr 50, also zehn Minuten vor Ablauf der im Zirkular vom 22./27. Juni 1962 festgesetzten Frist, unterbreitete die Basler-Leben dem Konkursverwalter das Angebot, die Liegenschaft für Fr. 12'300,000.-- nebst Kosten, Zinsen und Steuern zu kaufen. Sie legte einen Finanzausweis des Schweiz. Bankvereins bei.
Am gleichen Tage um 19 Uhr 45 schloss der Konkursverwalter mit der Basler-Leben einen öffentlich beurkundeten Vertrag, wonach er ihr namens der Konkursmasse die Liegenschaft Aeschengraben 21 zum Preise von Fr. 12'404,449.42 zuzüglich Steuern und Kosten verkaufte. Im Hinblick auf die vorvorsorgliche Verfügung der Aufsichtsbehörde wurde im Vertrag deren Zustimmung vorbehalten.
Am 9. Juli 1962 teilte der Vorsitzende der Aufsichtsbehörde den Urhebern der Beschwerde vom 6. Juli 1962
BGE 88 III 68 S. 73
mit, welche Schritte sie zur Erlangung des nach der Beschwerdebegründung von ihnen erstrebten Konkurswiderrufs zu tun hätten. Dem Konkursverwalter stellte er eine Kopie dieses Schreibens zu.
Am 10. Juli 1962 lehnte die Aufsichtsbehörde die Genehmigung des Kaufvertrags mit der Basler-Leben ab.
Am 11. Juli 1962 erliess sie eine "Sicherstellungsverfügung", womit sie die vorvorsorgliche Verfügung vom 6. Juli 1962 bestätigte und deren Fortbestand bis zur rechtskräftigen Erledigung der Beschwerde vom 6. Juli 1962 u.a. davon abhängig machte, dass die Beschwerdeführer bis zum 13. Juli zur Deckung allfälliger Schadenersatzansprüche aus der Verfügung vom 6. Juli 1962 Fr. 500'000.-- und bis zum 17. Juli für einen Widerruf des Konkurses und eventuell für einen Kauf der Liegenschaft Aeschengraben 21 sowie zur Deckung von allfälligen Schadenersatzforderungen einen weiteren Betrag von Fr. 13'500,000. - hinterlegen.
Am 13. Juli 1962 leisteten die Beschwerdeführer die verlangten Hinterlagen in Form zweier Checks auf die Schweiz. Bankgesellschaft über zusammen Fr. 14'000,000. -.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts erledigte am 13. Juli 1962 vier Rekurse gegen die Verfügungen vom 6. und 11. Juli 1962 durch Nichteintreten. Am 16. Juli 1962 erlitten drei weitere Rekurse dasselbe Schicksal.
Am 16. Juli 1962 reichten Klarer, das Bankhaus Seligman und Dr. Bollag bei der kantonalen Aufsichtsbehörde eine neue Beschwerde ein, mit der sie in der Hauptsache verlangten, dass der Kaufvertrag mit der Basler-Leben vom 6. Juli 1962 für ungültig zu erklären und das Angebot der Basler-Leben den Beschwerdeführern Klarer und Dr. Bollag zur Überbietung zu unterbreiten sei. Dieses Beschwerdeverfahren (Nr. 12/62) ist noch hängig.
B.-
Am 27. Juli 1962 hat die kantonale Aufsichtsbehörde über die von Franz Klarer (Beschwerdeführer 1), vom Bankhaus Seligman (Beschwerdeführer 2) und von
BGE 88 III 68 S. 74
Dr. Bollag (Beschwerdeführer 3) am 6. Juli 1962 erhobene Beschwerde wie folgt entschieden:
"Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit sie sich auf das Zirkular vom 22. Juni 1962 selbst bezieht, teils wegen Verspätung (Beschwerdeführer 2 und 3), teils mangels rechtlichem Interesse (Beschwerdeführer 1).
Die Beschwerde wird, soweit sie sich auf die Verweigerung des Eintretens auf einen Konkurswiderruf und damit auch auf Unzulässigkeit des vom Konkursverwalter am 6. Juli 1962 mit der Bâloise-Leben über die Liegenschaft Aeschengraben 21 abgeschlossenen Kaufvertrags bezieht, gutgeheissen und damit auch dem Kaufvertrag Konkursmasse Parkhof AG/Bâloise-Leben die Zustimmung der Aufsichtsbehörde für den Fall der Zahlung der Konkurskosten und der vollständigen Bezahlung/Sicherstellung der Gläubiger (samt Zinsen) aus dem gemäss Sicherstellungsverfügung der Aufsichtsbehörde vom 11. Juli 1962 Ziff. 3 bei der Gerichtskasse liegenden Depot der Beschwerdeführer endgültig verweigert.
Den Beschwerdeführern wird für die Zahlung der Konkurskosten und Bezahlung/Sicherstellung der Gläubiger aus dem Sicherstellungsdepot (jeweils samt Zins gemäss ihrem Angebot) eine erstreckbare Frist von 15 Tagen ab Rechtskraft des Beschwerdeentscheides gesetzt. Bei unbenütztem Ablauf dieser Frist oder nur teilweiser Ausführung der Auszahlungen innert dieser Frist stimmt die Aufsichtsbehörde ohne weiteres dem Kaufvertrag mit der Bâloise-Leben vom 6. Juli 1962 zu - Aufhebung dieses Vertrags in der Beschwerdesache 12/62 vorbehalten.
Der Konkursverwalter ist gehalten, unverzüglich im Einvernehmen mit den Beschwerdeführern die vollständige Bezahlung der Gläubiger und/oder die Deposition für die in Kollokationsprozessen liegenden Forderungen vorzunehmen und die Konkurskosten zu begleichen, alles im Sinne der Motive und BGE 88 III S. 39 Ziff. 5.
Auf Grund seiner gutachtlichen Vollzugsmeldung nebst Auszahlungs- und Depositionsbelegen steht es den Beschwerdeführern dann offen, den Konkurswiderruf beim Dreiergericht zu beantragen. Sollte er nicht beantragt werden oder nicht durchgesetzt werden können, so ist nach Art. 268 vorzugehen.
Eine Rückzahlung der aus dem Sicherstellungsdepot bei der Gerichtskasse (gemäss Verfügung vom 11. Juli 1962) zur Bezahlung der Konkurskosten und Zahlung/Sicherstellung der Gläubiger vom Konkursverwalter auf Anweisung der Beschwerdeführer hin entnommenen Beträge an die Hinterleger hat in keinem Falle stattzufinden. Dies gilt auch für den Fall nur teilweiser Auszahlungen.
Die Sicherstellungsverfügung vom 11. Juli 1962 bleibt bis zur Rechtskraft eines Konkurswiderrufs (eventuell einer Schlusserklärung nach
Art. 268 SchKG
), daneben für einen allfälligen Liegenschaftskauf der Beschwerdeführer und für allfälligen Schadenersatz gemäss Sicherstellungsverfügung bestehen, alles im Sinne der Motive."
C.-
Diesen Entscheid haben der Konkursverwalter, Klarer, das Bankhaus Seligman, Dr. Bollag und die
BGE 88 III 68 S. 75
Basler-Leben an das Bundesgericht weitergezogen. Es beantragen:
der Konkursverwalter (Rekurs B 58):
"1. Es sei in Aufhebung des Entscheides der Aufsichtsbehörde auf die Beschwerde des Franz Klarer, des Bankhauses Hans Seligman-Schürch & Co. und des Dr. Georges Bollag wegen Verspätung in allen Beschwerdepunkten nicht einzutreten.
2. Eventuell sei die Beschwerde vollumfänglich abzuweisen.
3. Subeventuell sei der am 6. Juli 1962 zwischen der Konkursmasse Parkhof AG und der Basler Lebens-Versicherungs-Gesellschaft unter Vorbehalt der Genehmigung der Aufsichtsbehörde abgeschlossene Kaufvertrag über die Liegenschaft Aeschengraben 21, Basel, zu genehmigen";
die Beschwerdeführer Klarer, Bankhaus Seligman und Dr. Bollag (Rekurs B 65):
"1. Es sei das Zirkular des ... Konkursverwalters ... vom 22. Juni 1962 als rechtswidrig ungültig zu erklären.
2. Es sei die Bestimmung des angefochtenen Entscheides aufzuheben, wonach die Aufsichtsbehörde über das Betreibungs- und Konkursamt des Kantons Basel-Stadt dem Kaufvertrag der Konkursmasse Parkhof AG mit der Bâloise-Leben vom 6. Juli 1962 bei Nichterfüllung der den Beschwerdeführern auferlegten Auflagen ohne weiteres zustimmen wird.
3. Es sei der Konkursverwalter in seinen Funktionen in dem Sinne einzuschränken, dass er über die Liegenschaft Aeschengraben 21 ... Verträge und Verfügungen nur mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde vornehmen kann. Es sei demgemäss das Grundbuchamt Basel-Stadt anzuweisen, dass Eintragungen irgendwelcher Art ins Grundbuch nur mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde ... erfolgen können";
die Basler-Leben (Rekurs B 66):
"1. Der Basler Lebens-Versicherungs-Gesellschaft sei die Aktivlegitimation zur Beschwerdeführung zuzugestehen.
2. Eventuell sei die vorliegende Beschwerde als Vernehmlassung zur Beschwerde des Konkursverwalters vom 6. August 1962 entgegenzunehmen.
3. Der Entscheid der Aufsichtsbehörde sei, insofern er sich auf die Nichtgenehmigung des zwischen der Basler Lebens-Versicherungs-Gesellschaft und dem Konkursverwalter namens der Konkursmasse Parkhof AG am 6. Juli 1962 abgeschlossenen Kaufvertrags über die Liegenschaft Aeschengraben 21 in Basel bezieht, aufzuheben und die Aufsichtsbehörde anzuweisen, diesem Kaufvertrag die Genehmigung zu erteilen.
4. Die Aufsichtsbehörde sei demgemäss anzuweisen, dem Grundbuchamt Basel-Stadt von ihrer Genehmigung unverzüglich Mitteilung zu machen."
D.-
In den vom Instruktionsrichter eingeholten Vernehmlassungen haben beantragt:
BGE 88 III 68 S. 76
die Beschwerdeführer Klarer, Bankhaus Seligman und Dr. Bollag:
der Rekurs des Konkursverwalters sci abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei;
auf den Rekurs der Basler-Leben sei wegen fehlender Aktivlegitimation nicht einzutreten; eventuell sei er abzuweisen;
der Konkursverwalter und die Basler-Leben:
der Rekurs der Beschwerdeführer Klarer, Bankhaus Seligman und Dr. Bollag sei abzuweisen.
Nach Ablauf der Rekurs- bzw. Vernehmlassungsfrist haben die Beteiligten weitere Eingaben eingereicht.
Erwägungen
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
1.
Die nach Fristablauf eingereichten Eingaben sind unbeachtlich.
2.
Die Rekurslegitimation der Rekurrenten ist für jeden von ihnen gesondert zu prüfen, da ihre rechtliche Stellung verschieden ist.
a) Die Legitimation des Konkursverwalters, die von den Beschwerdeführern Klarer und Konsorten bestritten wird, ist zu bejahen. Es liegt auf der Hand, dass der Konkursverwalter in der vorliegenden Sache nicht im eigenen Namen, sondern für die Konkursmasse handelt.
b) Die Basler-Leben ist Gläubigerin und hat zudem auf das Zirkular vom 22. Juni 1962 hin für die Liegenschaft Aeschengraben 21 ein Angebot eingereicht und mit dem Konkursverwalter den Kaufvertrag vom 6. Juli 1962 abgeschlossen.
Als Gläubigerin wird sie durch den angefochtenen Entscheid nicht beschwert und kann deshalb nicht dagegen rekurrieren. Sie wird bei der gegebenen Sachlage unabhängig davon zu ihrem Gelde kommen, ob die Liegenschaft Aeschengraben 21 dem einen oder andern Bieter verkauft wird oder im Besitz der Gemeinschuldnerin bleibt.
Dagegen ist die Basler-Leben als Bieterin und Partei des Vertrags vom 6. Juli 1962 zum Rekurs legitimiert.
BGE 88 III 68 S. 77
Ihr Kaufsangebot und der Vertragsabschluss sind zwar erst einige Stunden nach Einreichung der Beschwerde Klarers, der Bank Seligman und Dr. Bollags erfolgt, die zum angefochtenen Entscheid geführt hat. Dieser Entscheid wirkt aber über den Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung hinaus. Er befasst sich auch mit später eingetretenen Tatsachen, namentlich mit dem Kaufsangebot der Basler-Leben und mit dem Vertrage vom 6. Juli 1962. Indem er diesem Vertrag für den Fall der Zahlung der Konkurskosten und der Bezahlung bzw. Sicherstellung der Gläubiger aus den von den Beschwerdeführern zu diesem Zweck bereitgestellten Mitteln die vorbehaltene Genehmigung endgültig verweigert, greift er in die rechtlichen Interessen der Basler-Leben -ein. Diese muss daher befugt sein, ihn weiterzuziehen.
c) Klarer ist der einzige Verwaltungsrat der Gemeinschuldnerin. Als solcher kann er Verfügungen der Konkursverwaltung über die Verwertung von Aktiven anfechten, wenn sie in die gesetzlich geschützten Rechte und Interessen der Gemeinschuldnerin eingreifen, was namentlich der Fall ist, wenn sie gegen gesetzliche Vorschriften über das Verwertungsverfahren verstossen und dadurch das Interesse der Gemeinschuldnerin an der Erzielung eines möglichst günstigen Erlöses verletzen. Willkür, Ermessensmissbrauch und Ermessensüberschreitung haben dabei wie Verstösse gegen positive Verfahrensvorschriften als Gesetzesverletzungen zu gelten (
BGE 88 II 34
f. mit Hinweisen).
Mit seinem ersten Rekursantrag verlangt Klarer die Aufhebung des Zirkulars vom 22. Juni 1962. Zur Begründung macht er geltend, dieses Zirkular sei unter Missachtung der Weisungen der kantonalen Aufsichtsbehörde und des Bundesgerichts bzw. entgegen dem Gesetz den Aktionären der Gemeinschuldnerin und dieser selber nicht zugestellt worden. Er rügt also die Verletzung von aus dem Gesetz abgeleiteten Richtlinien bzw. von Vorschriften des Gesetzes selber, die alle das Ziel verfolgen, ein möglichst günstiges Ergebnis der Verwertung zu gewährleisten. Die Gemeinschuldnerin
BGE 88 III 68 S. 78
hat ein Interesse daran, dass das Zirkular vom 22. Juni 1962 aufgehoben und der Konkursverwalter auf diese Weise gezwungen wird, das Verfahren zur Gewinnung höherer Angebote neu zu eröffnen (falls die Verwertung nicht infolge Befriedigung der Gläubiger auf anderm Wege zu unterbleiben hat); denn dieses Verfahren lässt ein um so günstigeres Ergebnis erwarten, je mehr Personen davon unterrichtet werden und Gelegenheit erhalten, daran teilzunehmen. Klarer ist somit als Vertreter der Gemeinschuldnerin materiell zur Beschwerdeführung und Rekurserhebung berechtigt. Dass er nie daran gedacht hat, die Liegenschaft selber zu kaufen, spielt keine Rolle.
Zum Rekursantrag, das Zirkular vom 22. Juni 1962 sei aufzuheben, ist Klarer auch formell legitimiert, da er dieses Begehren schon vor der kantonalen Aufsichtsbehörde gestellt hat und seine Beschwerde an diese als rechtzeitig zu erachten ist. Nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz, die gemäss
Art. 81 und 63 Abs. 2 OG
für das Bundesgericht verbindlich sind, ist nicht dargetan, dass er vom angefochtenen Zirkular mehr als zehn Tage vor dem 6. Juli 1962, d.h. vor Einreichung der Beschwerde, sichere Kenntnis erlangt hat. Von wann an er durch Dr. Bollag vertreten war, ist in diesem Zusammenhang gleichgültig. Da Dr. Bollag das - ausdrücklich an die Gläubiger gerichtete - Zirkular in seiner Eigenschaft als Gläubiger erhalten hat, war er nicht verpflichtet, es Klienten mitzuteilen, die, wie es für Klarer zutrifft, ihrerseits nicht Gläubiger waren.
Der zweite -Rekursantrag Klarers richtet sich gegen die Bestimmung des angefochtenen Entscheides (Abs. 3 Satz 2 des Dispositivs), wonach die Vorinstanz dem Kaufvertrag mit der Basler-Leben vom 6. Juli 1962 bei Nichterfüllung der den Beschwerdeführern gemachten Auflagen unter Vorbehalt der Entscheidung über die Beschwerde Nr. 12 vom 16. Juli 1962 ohne weiteres zustimmt. Die Aufhebung dieser Bestimmung zu verlangen, ist Klarer legitimiert, weil es sich bei diesem Begehren im wesentlichen nur um
BGE 88 III 68 S. 79
eine Folgerung aus dem als zulässig erwiesenen Rekursantrag 1 handelt und weil Klarer auch dieses Begehren u.a. damit begründet, dass die angefochtene Verfügung gegen Gesetzesvorschriften verstosse, welche die Erzielung eines möglichst günstigen Verwertungserlöses bezwecken.
Der dritte Rekursantrag Klarers ist gegenstandslos. Der Beschwerdeentscheid vom 27. Juli 1962 bestimmt im letzten Absatz des Dispositivs, die Sicherstellungsverfügung vom 11. Juli 1962 bleibe bis zur Beendigung des Konkursverfahrens bestehen. Diese Verfügung hat ihrerseits die "vorvorsorgliche Verfügung" vom 6. Juli bestätigt, durch welche die von Klarer gewünschte Einschränkung der Befugnisse des Konkursverwalters mit Bezug auf die Liegenschaft Aeschengraben 21 angeordnet worden ist. Die mit dem Rekursantrag 3 verlangte Massnahme ist also bereits getroffen.
d) Die Bank Seligman ist Aktionärin (vgl. den Entscheid der Vorinstanz vom 10. Februar 1962) und Gläubigerin.
Als Aktionärin ist sie aus den in
BGE 88 III 35
/36 angegebenen Gründen nicht zur Beschwerdeführung berechtigt.
Als Gläubigerin ist sie zu dem vor Bundesgericht gestellten Antrag, das Zirkular vom 22. Juni 1962 sei aufzuheben (erster Rekursantrag), schon formell nicht legitimiert, weil sie dieses - ihr sogleich zugestellte - Zirkular im kantonalen Verfahren nicht rechtzeitig angefochten hat. Der Erlass des ergänzenden Zirkulars vom 27. Juni 1962 bewirkte nicht etwa eine Verlängerung der Frist zur Beschwerde gegen das Zirkular vom 22. Juni. Die von der Zustellung des zweiten Zirkulars an laufende Beschwerdefrist von zehn Tagen, innert welcher die Beschwerde vom 6. Juli 1962 eingereicht wurde, stand den Beteiligten vielmehr nur für die Anfechtung der im zweiten Zirkular enthaltenen, die Frist für höhere Angebote betreffenden Verdeutlichung des ersten Zirkulars zur Verfügung. In diesem Punkte ficht die Bank Seligman die Anordnungen des Konkursverwalters nicht an.
BGE 88 III 68 S. 80
Dass das Zirkular vom 22. Juni schlechthin nichtig und daher unabhängig vom Zeitpunkt der Beschwerdeführung von Amtes wegen aufzuheben sei, wie im Rekurs B 65 geltend gemacht wird, kann nicht anerkannt werden. Als nichtig ist eine Verfügung nur anzusehen, wenn sie Vorschriften verletzt, die im öffentlichen Interesse oder im Interesse eines unbestimmten Kreises von dritten, am Verfahren nicht beteiligten Personen aufgestellt worden sind (
BGE 79 III 9
,
BGE 82 III 74
,
BGE 84 III 4
,
BGE 86 III 23
f.; IMBODEN in Blätter für Schuldbetreibung und Konkurs 1944 S. 135 f.). Mit solchen Vorschriften hat man es bei den Gesetzesbestimmungen, die der Konkursverwalter nach der Auffassung der Beschwerdeführer bei Erlass des angefochtenen Zirkulars verletzt hat, nicht zu tun. Der Hinweis der Beschwerdeführer auf
BGE 82 III 37
geht fehl, da dort nicht die absolute Nichtigkeit einer Verwertungshandlung, sondern der Beginn der Frist zur Beschwerde gegen die betreffende Verfügung zur Diskussion stand.
Zur Anfechtung der Entscheidung, dass der Kaufvertrag mit der Basler-Leben bei Nichterfüllung der den Beschwerdeführern gemachten Auflagen ohne weiteres genehmigt werde (zweiter Rekursantrag), ist die Bank Seligman mangels eines rechtlichen Interesses nicht befugt. Sie kann darauf zählen, vollständig befriedigt zu werden, ob der erwähnte Vertrag genehmigt werde oder nicht. Da die Vorinstanz die Genehmigung dieses Vertrags vom Scheitern des Versuchs einer Befriedigung der Gläubiger aus andern Mitteln abhängig macht, wäre die Bank Seligman an der Aufhebung des angefochtenen Entscheides auch dann nicht interessiert, wenn ihre Auffassung zuträfe, dass sie nur im Falle des Konkurswiderrufs auf volle Verzinsung ihrer Forderungen bis zum Auszahlungstag rechnen könne. Es kann daher dahingestellt bleiben, wie es sich damit verhalte.
Der dritte Rekursantrag auf Einschränkung der Befugnisse des Konkursverwalters ist gegenstandslos, wie schon
BGE 88 III 68 S. 81
im Zusammenhang mit dem Rekurs Klarers (lit. c hievor) festgestellt.
e) Dr. Bollag ist Gläubiger und zugleich Urheber des Kaufsangebots vom 5. Juli 1962.
Als Gläubiger hat er nicht mehr Rechte als die Bank Seligman.
Als Bieter kann er das Zirkular vom 22. Juni 1962, auf das sein Angebot sich stützt, nicht anfechten (was er im übrigen innert der Beschwerdefrist auch nicht getan hat), doch ist er in dieser Eigenschaft zum Rekurs gegen den Entscheid über die Genehmigung des Kaufvertrags mit der Basler-Leben befugt.
Für seinen Antrag auf Einschränkung der Befugnisse des Konkursverwalters gilt, was schon zu den damit übereinstimmenden Anträgen Klarers und der Bank Seligman gesagt wurde.
3.
In der Sache selbst ist in erster Linie der Rekurs Klarers gegen das Zirkular vom 22. Juni 1962 zu prüfen.
a) Wie Klarer mit Recht geltend macht, hat es der Konkursverwalter entgegen den unmissverständlichen Weisungen der kantonalen Aufsichtsbehörde und des Bundesgerichts (
BGE 88 III 39
Erw. 6) unterlassen, den Aktionären Gelegenheit zu geben, das Angebot der Basler-Unfall, das die Erzielung eines die Passiven übersteigenden und damit auch ihnen zugutekommenden Verwertungserlöses als möglich erscheinen liess, zu überbieten. Er hat das Zirkular vom 22. Juni 1962 nur an die Gläubiger gerichtet und darin ausdrücklich nur diesen die Möglichkeit eingeräumt, höhere Angebote zu machen. Damit hat er aus dem Gesetz abgeleitete Richtlinien zur Herbeiführung eines möglichst günstigen Verwertungsergebnisses verletzt. Der Umstand, dass er nicht alle Aktionäre dem Namen nach kannte, vermag ihn von diesem Vorwurf nicht zu entlasten. Er hat das Zirkular nicht einmal allen ihm bekannten Aktionären zugestellt. Insbesondere überging er Klarer, von dem er wissen musste, dass er als Verwaltungsrat auch Aktionär war. Im übrigen beruft er sich selber darauf,
BGE 88 III 68 S. 82
dass Dr. Bollag ihm mitgeteilt habe, er vertrete alle Aktionäre. Wenn dies zutraf, konnte er die für die Aktionäre bestimmten Mitteilungen an Dr. Bollag senden. Dies hat er nicht getan. Dr. Bollag hat das Zirkular vom 22. Juni zwar erhalten, war aber, da es sich nach seiner Überschrift und seinem Text nur an die Gläubiger richtete, nicht gehalten, es Klienten mitzuteilen, die nicht Gläubiger waren (vgl. Erw. 2 c hievor).
Im Beschwerdeverfahren, das zu den Entscheiden der kantonalen Aufsichtsbehörde vom 10. Februar und des Bundesgerichts vom 28. Februar 1962 führte, hatte der Konkursverwalter freilich geltend gemacht, die Vollmachterteilung einer angeblich durch Rechtsanwalt S. in Genf vertretenen, nicht namentlich genannten Aktionärgruppe an Dr. Bollag sei nicht zustandegekommen. In Übereinstimmung damit nahm die Vorinstanz im Entscheide vom 10. Februar 1962 an, es sei nicht dargetan, dass Dr. Bollag die Inhaber der von Rechtsanwalt S. genannten Aktien (Nrn. 15-59, 90-100) vertrete. Wenn in dieser Hinsicht nach dem 10. Februar keine Klärung eingetreten ist, konnte der Konkursverwalter in dem durch das Angebot der Basler-Unfall vom 21. Juni 1962 veranlassten Verfahren zur Gewinnung höherer Offerten Dr. Bollag nicht als Vertreter aller Aktionäre behandeln. Vielmehr blieb ihm in diesem Falle nichts anderes übrig, als die Mitteilungen, auf welche die Aktionäre Anspruch hatten, im Schweiz. Handelsamtsblatt zu veröffentlichen (vgl.
Art. 931 Abs. 2 OR
), was nicht geschehen ist. Ihm die Namen und Adressen aller Aktionäre zu liefern, konnte er Dr. Bollag und Klarer um so weniger zumuten, als es sich bei den Aktien der Parkhof AG um Inhaberaktien handelt.
b) Zu beanstanden ist ferner, dass der Konkursverwalter das Zirkular vom 22. Juni 1962 der Schuldnerin bzw. Klarer als ihrem einzigen Verwaltungsrat nicht zugestellt hat. Die von Klarer angerufenen Bestimmungen, welche die Zustellung einer Steigerungsanzeige bzw. eines Exemplars
BGE 88 III 68 S. 83
der Steigerungspublikation an den Pfändungsschuldner vorschreiben (
Art. 125 Abs. 3 und
Art. 139 SchKG
,
Art. 30 Abs. 2 VZG
), haben im Konkursrecht freilich kein Gegenstück; in
Art. 257 Abs. 3 SchKG
, Art. 71 KV und
Art. 129 VZG
ist nur von Spezialanzeigen an die Pfandgläubiger die Rede. Hieraus ist möglicherweise zu schliessen, dass der Gemeinschuldner im Falle der Verwertung durch öffentliche Versteigerung die analoge Anwendung der von Klarer angerufenen Bestimmungen nicht verlangen kann, sondern sich die Annahme gefallen lassen muss, er habe von der Steigerung durch die öffentliche Bekanntmachung Kenntnis erhalten. Kommt es jedoch nicht zu einer öffentlichen Versteigerung, sondern wird lediglich bei Durchführung eines Freihandverkaufs einem beschränkten Personenkreis Gelegenheit gegeben, Kaufsangebote einzureichen, so muss, da in diesem Fall eine öffentliche Bekanntmachung nur ausnahmsweise (nämlich im Konkurs einer Aktiengesellschaft zwecks Einladung nicht bekannter Aktionäre zur Überbietung eines die Deckung aller Passiven versprechenden Angebots, lit. a hievor) in Frage kommt, dafür gesorgt werden, dass der Gemeinschuldner auf andere Weise über die bevorstehende Verwertung unterrichtet wird, was nur durch eine Spezialanzeige geschehen kann. Der Gemeinschuldner ist im gleichen Masse wie ein Pfändungsschuldner daran interessiert und hat folglich nach dem Sinne des Gesetzes so gut wie ein solcher Anspruch darauf, zu erfahren, wann und unter welchen Modalitäten seine Aktiven verwertet werden. Mit der Unterlassung einer entsprechenden Anzeige an die Parkhof AG bzw. ihren Verwaltungsrat hat der Konkursverwalter somit ein gesetzlich geschütztes Interesse und Recht der Gemeinschuldnerin verletzt.
c) In der Beschwerde Klarers wird schliesslich mit Recht auch gerügt, der Konkursverwalter habe den Gläubigern im Zirkular vom 22. Juni 1962 für die Einreichung höherer Angebote und der Garantie einer Grossbank eine zu kurze Frist angesetzt, indem er bestimmte, dass diese Möglichkeit
BGE 88 III 68 S. 84
den Gläubigern bis zum 6. Juli 1962 um 18 Uhr offenstehe. Für Kaufinteressenten, die sich nicht schon vorher zum Kauf entschlossen und die hiefür erforderlichen Schritte unternommen hatten, war es wenn nicht unmöglich, so doch sehr schwierig, die nötigen Vorkehren innert der ihnen eingeräumten Frist von nur 12 Tagen zu treffen. Von den Empfängern des Zirkulars vom 22. Juni 1962 durfte nicht erwartet werden, dass sie den notwendigen Kapitalbetrag von 13-14 Millionen Franken schon zum voraus bereitgestellt hatten. Die ihnen vom Konkursverwalter angesetzte Frist war also offenkundig viel zu kurz bemessen. Ihre Festsetzung bedeutet einen Akt der Willkür, über den Klarer als Vertreter der Gemeinschuldnerin sich beschweren kann.
Aus allen diesen Gründen ist das Zirkular vom 22. Juni 1962 gemäss dem Antrag Klarers aufzuheben.
4.
Wird das Zirkular vom 22. Juni 1962 in Gutheissung des dahingehenden Begehrens von Klarer aufgehoben, so fallen notwendigerweise auch die gestützt darauf eingereichten Kaufsangebote und der Kaufvertrag mit der Basler-Leben vom 6. Juli 1962 dahin. Letzteres ist die Folge davon, dass nach der Rechtsprechung zu
Art. 256 SchKG
ein Freihandverkauf erst erfolgen darf, nachdem den Gläubigern (und im Konkurs einer AG bei Aussicht auf einen Überschuss über die Passiven auch den Aktionären) in gehöriger Weise Gelegenheit geboten worden ist, ihrerseits Angebote zu stellen (
BGE 63 III 87
,
BGE 82 III 62
,
BGE 88 III 39
Erw. 6). - Unrichtig ist dagegen die von den Beschwerdeführern vertretene Auffassung, dass für einen Freihandverkauf vor Erledigung aller Kollokationsprozesse im Konkurs einer AG ausserdem die Zustimmung der Aktionäre und der Gemeinschuldnerin erforderlich sei. Auf diese Zustimmung kann nur insofern etwas ankommen, als die Erklärung aller Aktionäre und der Gemeinschuldnerin, dass sie mit der Annahme eines bestimmten Kaufsangebots vorbehaltlos einverstanden seien, den Konkursverwalter davon entbindet, den Aktionären eine Frist zur Einreichung höherer
BGE 88 III 68 S. 85
Angebote einzuräumen. Eine solche Erklärung ist jedoch im vorliegenden Falle nicht abgegeben worden.
Da somit der Kaufvertrag mit der Basler-Leben vom 6. Juli 1962 auf den Rekurs Klarers hin aufgehoben werden muss, werden die Anträge der übrigen zur Rekurserhebung legitimierten Rekurrenten (des Konkursverwalters und der Basler-Leben einerseits, Dr. Bollags anderseits), mit denen die Genehmigung dieses Vertrags verlangt bzw. die für einen bestimmten Fall zugesicherte Genehmigung desselben angefochten wird, ohne weiteres gegenstandslos.
5.
Muss das Zirkular vom 22. Juni 1962 samt den daran anschliessenden Akten aus den angegebenen Gründen aufgehoben werden, so bedeutet dies nicht notwendigerweise, dass der Konkursverwalter das Verwertungsverfahren wieder aufzunehmen habe. Vielmehr ist vorerst zu prüfen, ob im Hinblick darauf, dass die Gemeinschuldnerin zwecks Erlangung eines Konkurswiderrufs die vollständige Zahlung aller ihrer Schulden angeboten hat, die von Klarer mit Beschwerdeantrag 3 verlangte und von der Vorinstanz der Sache nach verfügte Einstellung des Verwertungsverfahrens gerechtfertigt sei.
Die Vorinstanz hat so entschieden in der Erwägung, der Gemeinschuldner, der aus neuen, liquiden Mitteln die vollständige Abfindung der Gläubiger einschliesslich Zinsen bis zum Auszahlungstag anbiete, brauche nicht zu dulden, dass sein Vermögen trotzdem noch verkauft und ihm damit dessen Sachwert entzogen werde. Dies gelte selbst dann, wenn der Verkauf mehr einbrächte, als für die konkursmässige Deckung der Gläubiger nötig sei. Wenn die Ansprüche der letztern anderweitig genügend sichergestellt seien, wie es hier zutreffe, so dürfe der Gemeinschuldner nicht auf den überschiessenden Verwertungserlös seiner Aktiven (d.h. auf den Überschuss des Verwertungserlöses über die Passiven) verwiesen werden. Vielmehr habe er, da nach dem Zwangsvollstreckungsrecht allgemein nicht mehr verwertet werden dürfe, als zur Deckung der Gläubiger erforderlich sei, Anspruch auf
BGE 88 III 68 S. 86
Freigabe der zu diesem Zweck nicht mehr benötigten Aktiven.
Dieser Auffassung ist grundsätzlich beizupflichten. Die Zwangsverwertung der Aktiven eines in Konkurs geratenen Schuldners bezweckt auch dann, wenn der Konkurs wie hier auf Grund von
Art. 190 SchKG
ohne vorgängige Betreibung eröffnet worden ist, nicht die Bestrafung des Schuldners oder seine Ausschaltung aus dem Geschäftsleben, wie dies dem Konkursverwalter und gewissen Gläubigern vorzuschweben scheint, sondern ausschliesslich die Befriedigung der Gläubiger. Sie ist deshalb nur soweit durchzuführen, als das zur Erreichung dieses Zweckes erforderlich ist. Kommt der Schuldner während des Konkursverfahrens in die Lage, die Konkursgläubiger ohne Verwertung seiner Aktiven vollständig zu befriedigen, so darf das Zwangsverwertungsverfahren nicht fortgesetzt werden.
6.
Was der Konkursverwalter und die Basler-Leben gegen diesen Grundsatz und seine Anwendung im vorliegenden Fall einwenden, ist - von einem näher zu prüfenden Bedenken gegen die von den Beschwerdeführern geplante Finanzierung abgesehen - nicht stichhaltig.
a) Es trifft grundsätzlich nicht zu, dass das Vorgehen, das die Vorinstanz der Gemeinschuldnerin ermöglichen will, das Konkursverfahren verzögern müsste. Wenn die Gemeinschuldnerin die ihr von der Vorinstanz gemachten Auflagen erfüllt, erhalten die Gläubiger ihr Geld rascher, als wenn das Verwertungsverfahren weitergeführt und dabei den Beteiligten eine angemessene Frist für die Einreichung höherer Angebote angesetzt würde. Eine Verzögerung entsteht aus dem erwähnten Vorgehen auch nicht zum Nachteil der Gläubiger, deren Forderungsbetrag wegen Hängigkeit eines Kollokationsprozesses hinterlegt werden muss. (Mit Bezug auf eine Verzögerung, die aus einem besondern Grunde allenfalls doch eintreten könnte, vgl. Erw. 8 hienach).
b) Auf die im Entscheid der Schuldbetreibungs- und
BGE 88 III 68 S. 87
Konkurskammer vom 9. Mai 1962 gebilligte Bemerkung der Vorinstanz, dass kein Gläubiger sich von einem andern "auskaufen" lassen müsse, berufen sich der Konkursverwalter und die Basler-Leben zu Unrecht. Diese Bemerkung bedeutet nach dem Zusammenhang nur, dass kein Konkursgläubiger gehalten sei, seine Forderung gegen volle Befriedigung einem andern abzutreten. Dieser Grundsatz greift nicht ein, wenn wie hier der Gemeinschuldner selber den Gläubigern die vollständige Zahlung ihrer Forderungen anbietet. Von wem und unter welchen Bedingungen er das hiefür erforderliche Geld erhält, geht die Konkursgläubiger grundsätzlich nichts an.
c) Der angefochtene Entscheid steht auch nicht mitBGE 50 III 92f. im Widerspruch, wo gesagt wurde, das Konkursamt sei nicht befugt, wegen des Schwebens von Verhandlungen zwischen dem Gemeinschuldner und den Gläubigern über einen Konkurswiderruf und wegen einer in diesem Zusammenhang mit einem Gläubiger getroffenen Abmachung die Verwertung zu sistieren. In jenem Falle hatte der Gemeinschuldner bloss einen Vergleich mit einem seiner Gläubiger geschlossen und die darin vorgesehene Zahlung zudem nur zum Teil geleistet. Im Gegensatz dazu hat die Parkhof AG (bzw. Dr. Bollag für diese) den zur sofortigen und vollständigen Befriedigung aller Gläubiger nötigen Betrag gerichtlich hinterlegen lassen. Man hat es also im vorliegenden Falle mit einer ganz andern Sachlage zu tun als im FalleBGE 50 III 92f.
d) Der Konkursverwalter und die Basler-Leben weisen freilich darauf hin, dass diese Hinterlegung erst nach dem Abschluss des Kaufvertrags vom 6. Juli 1962 erfolgt sei und dass im massgebenden Zeitpunkte des Vertragsabschlusses von Seiten der Beschwerdeführer neben einem an die Bedingungen des Zirkulars vom 22. Juni geknüpften Kaufsangebot (Offerte Dr. Bollag vom 5. Juli) erst vage Ausführungen über einen Konkurswiderruf vorgelegen hätten. Da das Zirkular vom 22. Juni samt der darin enthaltenen Fristansetzung und der Vertrag vom 6. Juli aus
BGE 88 III 68 S. 88
den in Erw. 3 und 4 hievor dargelegten Gründen aufgehoben werden müssen, kann jedoch nichts darauf ankommen, ob die Erklärungen, die Klarer dem Konkursverwalter vor dem Abschluss dieses Vertrags über den geplanten Konkurswiderruf und dessen Finanzierung abgegeben hatte, bereits genügten, um die Einstellung der Verwertung zu rechtfertigen. In jedem Fall bot die am 13. Juli 1962 erfolgte Hinterlegung zweier Checks über zusammen 14 Millionen Franken die nötige Gewähr für die Befriedigung aller Konkursgläubiger, und in diesem Zeitpunkt war eben noch kein gültiger Verkauf zustandegekommen, der durch eine nachfolgende Einstellung des Verwertungsverfahrens nicht mehr hätte rückgängig gemacht werden können.
e) Ob entsprechend der Ansicht der Vorinstanz die Bezahlung oder Sicherstellung aller Konkursgläubiger genüge, um den Konkurswiderruf zu erlangen, oder ob dafür förmliche Rückzugserklärungen im Sinne von
Art. 195 SchKG
oder wenigstens vorbehaltlose Quittungen aller Gläubiger unerlässlich seien, wie der Konkursverwalter und die Basler-Leben dies behaupten, ist im vorliegenden Verfahren nicht zu prüfen. Nach dem angefochtenen Entscheid hat die Gemeinschuldnerin volle Zahlung oder Sicherstellung zu leisten und die Konkurskosten zu entrichten, bevor sie beim Konkursgericht den Widerruf beantragt (Abs. 3-5 des Dispositivs). Die Gläubiger haben also die Gewissheit, vollständig bezahlt oder sichergestellt zu werden, bevor das zuständige Gericht über das Widerrufsgesuch entscheidet. Es kann ihnen daher gleichgültig sein, ob der Konkurs widerrufen werden könne oder gemäss
Art. 268 SchKG
geschlossen werden müsse. Zu einer Rückzahlung werden sie, wie im angefochtenen Entscheid ausdrücklich festgestellt, unter keinen Umständen verpflichtet sein.
f) Beim Entscheid darüber, ob das mit der Hinterlegung von 14 Millionen Franken verbundene Zahlungsangebot der Gemeinschuldnerin die Einstellung der Verwertung
BGE 88 III 68 S. 89
ihrer Aktiven rechtfertige, kommt auch nichts darauf an, ob ein nach Bezahlung bzw. Sicherstellung der Konkursforderungen erfolgender Konkurswiderruf den Parteien der noch hängigen Kollokationsprozesse (oder wenigstens einzelnen von ihnen) zum Nachteil gereichen würde. Diese Frage kann sich nur dem Konkursgerichte stellen. Es allein wird darüber zu befinden haben, ob ein Widerruf des Konkurses vor Erledigung der Kollokationsprozesse zulässig sei und wie dabei allenfalls den Befürchtungen der prozessierenden Gläubiger (z.B. hinsichtlich einer Erhöhung des Prozesskostenrisikos) begegnet werden könnte.
g) Rechte der bisherigen Bieter werden durch die Einstellung der Verwertung nicht verletzt. Die Basler-Unfall hat auf Grund ih-res Angebots vom 21. Juni 1962 keinen Anspruch auf Überlassung der Liegenschaft Aeschengraben 21, und die Basler-Leben hat nicht mehr Rechte als sie, da ihr Angebot und der Kaufvertrag vom 6. Juli infolge Aufhebung des Zirkulars vom 22. Juni 1962 dahinfallen.
h) Unbehelflich ist auch der Einwand der Basler-Leben und des Konkursverwalters, die Gemeinschuldnerin bleibe überschuldet, auch wenn sie ihre gegenwärtigen Gläubiger aus den ihr von Dritten zur Verfügung gestellten Mitteln voll befriedige. Richtig ist zwar, dass ihre bisherigen Schulden durch neue ersetzt werden, soweit ihr die Geldgeber das für die Schuldentilgung nötige Geld darlehensweise zur Verfügung stellen. Daraus entsteht aber den bisherigen Gläubigern kein Nachteil. Davon, dass die geplante Operation im öffentlichen Interesse verhindert werden müsse, kann (unter Vorbehalt von Erw. 7 hienach) nicht die Rede sein. Angesichts des Wertes der Liegenschaft, auf den die vorliegenden Angebote schliessen lassen, ist nicht anzunehmen, dass die Parkhof AG nach Durchführung dieser Operation eine Unterbilanz aufwiese, derentwegen sie nach
Art. 725 Abs. 3 OR
den Richter benachrichtigen müsste.
i) Auch wenn es richtig wäre, dass die Gläubiger seit
BGE 88 III 68 S. 90
der Konkurseröffnung das Risiko einer Verminderung des Werts der Liegenschaft Aeschengraben 21 getragen haben, so wären sie deswegen nicht berechtigt, die Befriedigung aus andern als Massemitteln abzulehnen und darauf zu bestehen, dass die Liegenschaft zwangsweise verwertet werde und dass dabei einer von ihnen sie erwerben könne. Die Gläubiger haben einzig auf das ihnen geschuldete Geld Anspruch. Das Risiko, das sie getragen haben, war im übrigen nicht erheblich, und wenn die Liegenschaft während des Konkursverfahrens im Werte gestiegen sein sollte, so hätten sie daran so wenig ein Verdienst wie die Gemeinschuldnerin. (Die Basler-Leben ist im übrigen erst am 21. Juni 1962 Gläubigerin geworden.)
k) Die Schritte zur Erlangung eines Konkurswiderrufs in missbräuchlicher, gegen Treu und Glauben verstossender Weise verzögert zu haben, könnte der Gemeinschuldnerin bei der gegebenen Sachlage (zumal angesichts des von der Vorinstanz im wesentlichen zutreffend gewürdigten Verhaltens des Konkursverwalters...) selbst dann nicht vorgeworfen werden, wenn sie schon vor dem 6. Juli 1962 in der Lage gewesen wäre, die vollständige Befriedigung aller Konkursgläubiger ohne Verwertung der Liegenschaft in Aussicht zu stellen, so dass dahingestellt bleiben kann, wie es sich damit verhalte.
7.
Nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen ist dagegen der vom Konkursverwalter und von der Basler-Leben erhobene, von der Vorinstanz verworfene Einwand, das Vorhaben der Beschwerdeführer falle unter den Bundesbeschluss vom 23. März 1961 über die Bewilligungspflicht für den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland (AS 1961 S. 203 ff.).
Nach Art. 1 dieses Bundesbeschlusses bedarf der Erwerb von Grundstücken in der Schweiz durch Personen mit Wohnsitz oder Sitz im Ausland der Bewilligung der zuständigen Behörde. Art. 2 lit. b stellt dem Erwerb von Grundstücken gleich den Erwerb von "Anteilen am Vermögen juristischer Personen oder Personengesellschaften ohne
BGE 88 III 68 S. 91
juristische Persönlichkeit, wenn das Vermögen ganz oder überwiegend aus Grundstücken besteht." Art. 11 bestimmt, bewilligungsbedürftige Rechtsgeschäfte seien ohne rechtskräftige Bewilligung nichtig; ausserdem seien "Rechtsgeschäfte oder Nebenabreden nichtig, die der Umgehung der Bewilligungspflicht dienen"; die Nichtigkeit sei von Amtes wegen zu beachten.
Das Bundesgericht hat in seinem Kreisschreiben Nr. 36 vom 23. Januar 1962 (
BGE 88 III 1
ff.) festgestellt, die Vorschriften des Bundesbeschlusses seien auch auf den Erwerb von Grundeigentum bei Zwangsverwertung anwendbar, und u.a. angeordnet: "Der Steigerungsbeamte hat daher, wenn er weiss oder Grund zur Vermutung hat, dass es sich (beim Ersteigerer) um eine der Bewilligungspflicht unterstellte Person handle, vor dem Zuschlag eine rechtskräftige Bewilligung oder den Nachweis des schweizerischen Wohnsitzes oder Sitzes zu verlangen." Aus dieser Weisung ist nicht etwa zu schliessen, dass die Anwendung des Bundesbeschlusses im Bereiche der Zwangsvollstreckung sich auf das Zwangsverwertungsverfahren beschränke. Vielmehr haben die Vollstreckungsorgane von Amtes wegen darüber zu wachen, dass der Bundesbeschluss stets beachtet wird, wenn im Laufe eines Zwangsvollstreckungsverfahrens der Schuldner, ein Gläubiger oder ein Dritter ein bewilligungsbedürftiges Geschäft abschliesst. Im Zweifelsfalle haben sie die betreffende Person einzuladen, eine Entscheidung der zuständigen Behörde zu erwirken.
Im vorliegenden Falle besteht ein solcher Zweifel. Es sind gewisse Anzeichen dafür vorhanden, dass der bei der Gerichtskasse hinterlegte Betrag von 14 Millionen Franken ausländischer Herkunft sein könnte. Wahrscheinlich stammt dieser Betrag aus der gleichen Quelle wie die Mittel, mit denen Dr. X. vor einigen Monaten die Liegenschaft der Gemeinschuldnerin kaufen wollte. Dass Dr. X. über diese Mittel verfüge, war durch die Bescheinigungen zweier Banken, der Banque de crédit international und der Discount Bank (Overseas) Limited in Genf, belegt, deren
BGE 88 III 68 S. 92
Kundschaft sich wahrscheinlich zum grossen Teil im Ausland befindet.
Es ist freilich nicht dargetan, dass die Geldgeber im Sinne von Art. 2 lit. b des Bundesbeschlusses Anteile am Vermögen der Gemeinschuldnerin erworben haben oder zu erwerben beabsichtigen. Vermutlich haben sie ihr aber die 14 Millionen nicht gegen eine blosse Schuldanerkennung in Verbindung mit dem Versprechen hypothekarischer Sicherstellung zur Verfügung gestellt, sondern sich zum mindesten ein Kontrollrecht über ihre Geschäfte oder sogar einen Anspruch auf einen künftigen Mehrwert der Liegenschaft vorbehalten. Es ist also damit zu rechnen, dass sie Rechte erworben haben, die denjenigen aus dem Erwerb von Vermögensanteilen im Sinne von Art. 2 lit. b praktisch gleichkommen. Handelt es sich bei den Geldgebern um Personen mit Wohnsitz oder Sitz im Ausland, so ist also der Verdacht begründet, dass das Darlehen an die Gemeinschuldnerin ein der Umgehung der Bewilligungspflicht dienendes und daher gemäss Art. 11 des Bundesbeschlusses nichtiges Geschäft darstelle.
Das Darlehen von 14 Millionen und die Befriedigung der Konkursgläubiger aus diesen Mitteln sind allerdings zwei verschiedene Dinge. Wenn das Darlehen gegen den Bundesbeschluss vom 23. März 1961 verstösst, so erhebt sich jedoch die Frage, ob dies nicht erst recht auch für die Zahlung der Konkursforderungen gelte. Solange nämlich die Gemeinschuldnerin das ihr geliehene Geld noch besitzt, kann sie es (soweit es nicht gemäss Sicherstellungsverfügung zur Sicherung allfälliger Schadenersatzansprüche hinterlegt bleiben muss) den Darleihern zurückerstatten. Ist das Darlehen nichtig, so hat sie also grundsätzlich die Möglichkeit, die Darlehensschuld zu tilgen und damit den Zustand, den der Bundesbeschluss verhüten will, zu beseitigen. Dazu wird sie hingegen nicht mehr imstande sein, sobald sie das geliehene Geld zur Bezahlung der Konkursforderungen verwendet haben wird. Sie kann in diesem Falle die empfangene Summe ihren Geldgebern nicht mehr
BGE 88 III 68 S. 93
zurückzahlen. Diese bleiben, da nach Art. 11 Absatz 3 des Bundesbeschlusses die Vorschrift von
Art. 66 OR
über den Ausschluss der Rückforderung unter den Parteien eines nach Art. 11 nichtigen Geschäfts keine Anwendung findet, Gläubiger der Gemeinschuldnerin und behalten so faktisch in einem gewissen Masse die Möglichkeit, sich in ihre Angelegenheiten einzumischen. Es kann sich daher ernstlich frragen, ob im Falle, dass das Darlehen von 14 Millionen wegen Umgehung des Bundesbeschlusses nichtig ist, nicht auch die geplante Befriedigung der Gläubiger gegen diesen Erlass verstosse. Lassen sich die Zweifel über die Herkunft der fraglichen Gelder nicht beheben, so muss also dem Verwaltungsrat der Gemeinschuldnerin aufgegeben werden, die zuständige Behörde um ihre Entscheidung zu ersuchen. In diesem Umfang ist der Rekurs des Konkursverwalters und der Basler-Leben begründet.
8.
Der Konkursverwalter hat demnach in erster Linie den Verwaltungsrat der Gemeinschuldnerin (Klarer) und Dr. Bollag, der die Hinterlegung zu ihren Gunsten veranlasst hat, über die Herkunft des hinterlegten Betrags zu befragen und von ihnen Belege für ihre Angaben zu verlangen. Seine Erkundigungen haben sich nicht etwa bloss darauf zu beziehen, wer den Betrag von 14 Millionen Franken hinterlegt hat, sondern welches die wirklichen Geldgeber sind.
Stellt sich dabei zweifelsfrei heraus, dass der hinterlegte Betrag von Personen mit Wohnsitz oder Sitz in der Schweiz stammt, so hat der Konkursverwalter entsprechend den im angefochtenen Entscheid enthaltenen Weisungen aus jenem Betrag die Konkursforderungen zu bezahlen bzw. sicherzustellen und die Konkurskosten zu begleichen.
Ergibt sich dagegen, dass die 14 Millionen Franken ganz oder zum Teil von Personen mit Wohnsitz oder Sitz im Ausland herrühren, oder bleiben in dieser Hinsicht Zweifel bestehen, so hat der Konkursverwalter in analoger Anwendung von Art. 12 Abs. 2 des Bundesbeschlusses dem Verwaltungsrat der Gemeinschuldnerin eine Frist anzusetzen,
BGE 88 III 68 S. 94
innert der er um die im Bundesbeschluss vom 23. März 1961 vorgesehene Bewilligung nachzusuchen hat. Erteilt darauf die zuständige Behörde diese Bewilligung oder erachtet sie eine solche als überflüssig, so hat der Konkursverwalter im Sinne des vorstehenden Absatzes zu handeln (Begleichung der Konkursforderungen und -kosten gemäss dem angefochtenen Entscheide). Kommt die zuständige Behörde dagegen zum Schluss, es liege ein bewilligungsbedürftiges Geschäft vor und die Bewilligung sei zu verweigern, so hat der Konkursverwalter das Verwertungsverfahren wieder aufzunehmen.
Letzteres gälte auch dann, wenn die Erteilung von Auskünften oder die Lieferung von Belegen im Sinne von Absatz 1 hievor von vornherein verweigert werden sollte.
Die Verzögerung des Konkursverfahrens, die durch ein allfälliges Verfahren vor der zuständigen Behörde im Sinne des Bundesbeschlusses vom 23. März 1961 entstehen kann, muss mindestens solange in Kauf genommen werden, als offen ist, ob die Geldgeber der Gemeinschuldnerin im Ausland oder (wie die Beschwerdeführer behaupten) in der Schweiz domiziliert sind; denn jedenfalls solange, als mit dieser letztern Möglichkeit zu rechnen ist, kann den betreffenden Personen nicht entgegengehalten werden, sie hätten wie ein im Ausland wohnender Steigerungsteilnehmer (vgl.
BGE 88 III 2
/3) von Anfang an eine Bewilligung im Sinne des Bundesbeschlusses vorlegen sollen. Selbst bei ausländischem Wohnsitz wäre aber in angemessener Weise zu ihren Gunsten zu berücksichtigen, dass die Frage, ob auch die Bereitstellung der Mittel für die Befriedigung der Konkursgläubiger einer Immobiliengesellschaft nach dem Bundesbeschluss einer Bewilligung bedürfe, nicht von vornherein liquid ist.
9.
Wenn das Verwertungsverfahren wiederaufgenommen werden muss, ist folgendes zu beachten:
Die Offerte der Basler-Unfall vom 21. Juni 1962, die dem Konkursverwalter zum Zirkular vom 22. Juni Anlass
BGE 88 III 68 S. 95
gegeben hat, ist wegen Ablaufs der darin genannten Frist (23. Juli 1962) erloschen, und die auf das erwähnte Zirkular hin eingegangenen Angebote sind mit diesem aufzuheben (Erw. 4 hievor). Es ist jedoch bestimmt damit zu rechnen, dass die dahingefallenen Angebote mindestens zum Teil erneuert werden, so dass, falls die Liegenschaft Aeschengraben 21 verwertet werden muss, nach wie vor ein sofortiger (vor Erledigung der Kollokationsprozesse erfolgender) Freihandverkauf im Sinne von
BGE 88 II 36
ff. ins Auge gefasst werden kann.
Statt den Eingang neuer Angebote abzuwarten und hierauf den Gläubigern und Aktionären Gelegenheit zu geben, diese zu überbieten, hat der Konkursverwalter, falls die Liegenschaft zu verwerten ist, von sich aus sogleich allen Gläubigern und Aktionären eine Frist von mindestens einem Monat zur Einreichung von Kaufsangeboten anzusetzen und gegebenenfalls auch innert dieser Frist eingehende Angebote Dritter entgegenzunehmen. (Auch bei den Offerten des Dr. X.,
BGE 88 III 31
, und der Basler-Unfall handelte es sich um solche von Drittpersonen.) Nach Ablauf der Frist hat er die Bieter einzuberufen, um ihnen alle Angebote zur Kenntnis zu bringen und ihnen Gelegenheit zu geben, ihre Konkurrenten zu überbieten. Hierauf ist mit dem Meistbietenden der Kaufvertrag abzuschliessen, sofern er die nötige Gewähr für die Erfüllung des Vertrages bietet und, wenn er im Ausland domiziliert ist, die erforderliche Bewilligung besitzt (
BGE 88 III 2
/3). Auf diesem Wege lässt sich bei den gegebenen Umständen das Ziel, einen möglichst günstigen Preis zu erhalten, im Falle der Verwertung auf dem Wege des Freihandverkaufs am besten erreichen.
Soweit der Konkursverwalter die Namen und Adressen der Aktionäre kennt, hat er ihnen die Einladungen zur Offertstellung und zur "Steigerungsverhandlung" wie den Gläubigern schriftlich mitzuteilen. Zuhanden der übrigen Aktionäre hat er die Einladungen im Schweiz. Handelsamtsblatt zu veröffentlichen (Erw. 3a Abs. 2 hievor), sofern
BGE 88 III 68 S. 96
sich bei ihm nicht ein Vertreter meldet, der sich allenfalls durch Vorlegung der Aktien legitimieren kann.
Die Gemeinschuldnerin ist durch Zustellung von Abschriften der zu erlassenden Zirkulare an ihren Verwaltungsrat über das Vorgehen des Konkursverwalters zu unterrichten (Erw. 3b hievor).
Von den Kaufinteressenten ist nicht zu verlangen, dass sie schon mit ihrer ersten Offerte eine Bankgarantie einreichen. Es genügt, wenn eine solche im Zeitpunkte der vom Konkursverwalter einzuberufenden "Steigerungsverhandlung" vorliegt, die frühestens eine Woche nach Ablauf der Frist für die Einreichung von Angeboten stattfinden soll. - Das bei der Gerichtskasse liegende Depot von 14 Millionen muss dagegen, wenn es im Hinblick auf den Bundesbeschluss vom 21. März 1961 nicht zur Befriedigung der Gläubiger verwendet werden kann, schon zur Sicherung allfälliger Schadenersatzansprüche im Sinne des angefochtenen Entscheids ohne Unterbruch bestehen bleiben.
10.
Die Beschränkung der Befugnisse des Konkursverwalters wird von diesem zu Unrecht angefochten. Die Vorinstanz hat den Rahmen ihrer Zuständigkeit nicht überschritten, indem sie gestützt auf ihr Aufsichtsrecht (
Art. 13 SchKG
) Verträge und Verfügungen des Konkursverwalters über die streitige Liegenschaft auch für die Zeit nach der rechtskräftigen Erledigung der vorliegenden Beschwerde ihrer Genehmigung unterstellte. Die Umstände, insbesondere die Eile, mit welcher der Konkursverwalter den Vertrag mit der Basler-Leben abschloss, rechtfertigten ihr Vorgehen. Um eine Übertretung der an den Konkursverwalter gerichteten Weisungen zu verhindern, war sie auch befugt, den Grundbuchverwalter zu ersuchen, Eintragungen mit Bezug auf die Liegenschaft Aeschengraben 21 nur noch mit ihrer Zustimmung vorzunehmen. Eine solche auf Verfügungen des Konkursverwalters bezügliche Grundbuchsperre muss so gut zulässig sein wie eine teilweise Grundbuchsperre, die ein Gericht im Zusammenhang
BGE 88 III 68 S. 97
mit einem an die Prozessparteien gerichteten vorsorglichen Verfügungsverbot erlässt (
BGE 87 I 488
f.).
Dispositiv
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
1.- Die Rekurse Franz Klarers einerseits, des Konkursverwalters und der Basler-Leben anderseits werden in dem Sinne teilweise gutgeheissen, dass
a) das Zirkular des Konkursverwalters vom 22. Juni 1962, das daran anschliessende Bietverfahren und der Vertrag mit der Basler-Leben vom 6. Juli 1962 aufgehoben werden,
b) der Konkursverwalter angewiesen wird, gemäss den Erwägungen 8 und 9 hievor zu handeln.
Im übrigen werden die Rekurse Franz Klarers, des Konkursverwalters und der Basler-Leben abgewiesen, soweit sie nicht gegenstandslos sind.
2.- Die Rekurse des Bankhauses Hans Seligman-Schürch & Co. und des Dr. Bollag werden, soweit sie nicht gegenstandslos sind, durch Nichteintreten erledigt. | null | nan | de | 1,962 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
19f65849-0b39-459a-95b6-9a3e0ab87013 | Urteilskopf
83 III 120
32. Auszug aus dem Entscheid vom 26. Juni 1957 i.S. Obrist. | Regeste
Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung.
Beschwerde gegen einen Beschluss des Gläubigerausschusses, der es ablehnt, einen bestimmten Gegenstand zur Liquidationsmasse zu ziehen. | Erwägungen
ab Seite 120
BGE 83 III 120 S. 120
Die in
BGE 80 III 51
offengelassene Frage, ob ein die Admassierung ablehnender Beschluss des Gläubigerausschusses durch Beschwerde angefochten werden könne, ist von der Vorinstanz mit Recht bejaht worden. Es ist nicht einzusehen, wieso für derartige Beschlüsse des Gläubigerausschusses im Nachlassliquidationsverfahren etwas anderes gelten sollte als für entsprechende Verfügungen des Konkursamtes im Konkursverfahren, die nach der Praxis jeder Gläubiger durch Beschwerde anfechten kann (
BGE 64 III 36
). | null | nan | de | 1,957 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
19f95982-e307-47a3-8115-30836696e5a4 | Urteilskopf
92 II 280
42. Arrêt de la le Cour civile du 28 juin 1966 dans la cause Schmiedlin contre Sel-Rex SA | Regeste
Erfindungspatent, Teilnichtigkeit, Einschränkung.
1. Vom Richter ausgesprochene Teilnichtigkeit bei Klage auf gänzliche Nichtigerklärung des Patents;
Art. 27 Abs. 1 PatG
(Erw. I/2).
2. Einschränkung des Patents durch Zusammenlegung des Patentanspruchs mit einem Unteranspruch;
Art. 27 und 24 Abs. 1 lit. b PatG
(Erw. I/3).
3. Anforderungen an die Definition der Erfindung im Patentgesuch; Art. 50/51 PatG (Erw. I/4).
4. Neuheit und Erfindungshöhe einer Erfindung betreffend die Zubereitung eines galvanoplastischen Bades zur Erlangung einer aus dem Niederschlag von Gold und Silber gebildeten Plattierung (Erw. I/5).
5. Nachahmung des geschützten Verfahrens (Erw. II). | Sachverhalt
ab Seite 281
BGE 92 II 280 S. 281
A.-
Sel-Rex SA, à Genève, est titulaire du brevet suisse no 326 573, enregistré le 31 décembre 1957 selon demande du 20 février 1954 et qui a pour objet un "procédé pour l'obtention de dépôts galvaniques d'alliage or-argent". La demande de brevet contenait une revendication accompagnée de six sousrevendications et d'une description.
La revendication était ainsi rédigée:
"Procédé pour l'obtention de dépôts galvaniques d'alliage orargent dur et de surface brillante, au moyen d'un bain électrolytique contenant de l'aurocyanure de potassium, du cyanure de potassium libre et du cyanure d'argent et de potassium, caractérisé en ce que l'on opère en maintenant le bain à une température ne dépassant pas 26o."
La sous-revendication 2 avait la teneur suivante:
"Procédé selon la revendication, caractérisé en ce que le bain contient de 6 à 48 gr d'aurocyanure de potassium, de 45 à 200 gr de cyanure de potassium et de 0,08 gr à 0,4 gr de cyanure d'argent et de potassium par litre de solution."
La description renfermait des indications plus détaillées sur la composition et la température du bain, ainsi que l'exemple d'une formule utilisable pour constituer l'électrolyte dans la cellule capable de former de l'"or brillant".
BGE 92 II 280 S. 282
Sel-Rex SA a mis sur le marché une solution offerte sous le nom de "bain Sel-Rex 18 K", qui dérive de l'idée exprimée dans le brevet et qui est destinée à servir d'électrolyte pour la préparation de placages d'or de couleur jaune.
B.-
A une date qui n'a pas été précisée, mais qui doit être postérieure au dépôt du brevet, la société en commandite Philippi & Co. K.G., à Pforzheim (République fédérale d'Allemagne), a fabriqué et mis sur le marché une solution offerte sous le nom de "bain Philico 201", également destinée à servir d'électrolyte pour la préparation de placages d'or de couleur jaune. Son représentant Aimé Schmiedlin a mis en vente le "bain Philico 201" sur le marché suisse.
Confectionnés en partie au moyen de sels différents, les deux bains présentent, à dire d'expert, une différence sensible dans leur préparation; cependant, après 24 heures'ils constituent une composition à peu près identique; les différences touchant la concentration des constituants sont trop faibles pour entraîner des conséquences appréciables quant au fonctionnement du bain.
C.-
Le 11 juillet 1962, Sel-Rex SA a intenté action à Schmiedlin devant le Tribunal cantonal neuchâtelois en prenant les conclusions suivantes:
"1. Prononcer que le bain de placage Philico 201 tombe sous le coup du brevet suisse No 326 573 dont il constitue une contrefaçon ou une imitation.
2. Interdire à Aimé Schmiedlin de vendre, mettre en vente directement ou indirectement le bain de placage Philico 201 sous menace des peines de l'article 292 CP (arrêts ou amende).
3. Ordonner la publication du jugement dans dix journaux et revues au choix de la demanderesse, aux frais du défendeur, selon les modalités que le juge fixera.
4. Condamner Aimé Schmiedlin à payer à la demanderesse fr. 250 000.-- portant intérêt à 5 % dès le 9 mars 1962, à titre de dommages et intérêts."
Schmiedlin a proposé dans sa réponse le rejet de la demande et conclu reconventionnellement à ce qu'il plût au tribunal saisi:
"1. Déclarer nul et de nul effet le brevet No 326 573 dont Sel-Rex SA est titulaire.
2. Interdire à Sel-Rex SA de vendre, mettre en vente directement ou indirectement les bains de placage composés selon les données du brevet No 326 573 sous l'indication fallacieuse "Sel-Rex 18 K" et cela sous menace des peines de l'article 292 du CP.
3. Autoriser Aimé Schmiedlin à publier le jugement aux frais de
BGE 92 II 280 S. 283
Sel-Rex SA, en fixant les modalités et le moment de la publication."
Le défendeur estimait que l'invention prétendue n'était pas nouvelle et que le procédé, objet du brevet, ne constituait pas un progrès technique.
En réplique, la demanderesse a conclu au rejet des conclusions reconventionnelles de sa partie adverse et, subsidiairement, requis le tribunal de:
"1. Limiter le brevet No 326 573, soit:
a) réunir la revendication et la sous-revendication 2.
b) supprimer la sous-revendication 1.
c) faire figurer sous chiffres 1 à 4 les sous-revendications 3 à 6.
2. Constater que le bain de placage Philico 201 tombe sous le coup du brevet ainsi limité dont il constitue une contrefaçon ou une imitation."
Le défendeur a conclu au rejet de ces conclusions nouvelles. En cours de procès, Sel-Rex SA s'est désistée de la conclusion 4 de sa demande, puis des conclusions subsidiaires de sa réplique.
La juridiction cantonale a chargé M. Jean-Pierre Renaud, attaché au Laboratoire suisse de recherches horlogères, à Neuchâtel, d'une expertise, après le dépôt de laquelle elle lui a demandé un rapport complémentaire.
Estimant que, vu l'attitude prise par les parties et les déclarations de l'expert, il fallait envisager l'hypothèse d'une limitation du brevet en combinant, pour définir l'invention, la revendication principale et la sous-revendication 2, le juge instructeur a rendu le 13 décembre 1965 une ordonnance invitant les parties et le Bureau fédéral de la propriété intellectuelle à formuler, le cas échéant, leurs observations sur une rédaction éventuelle du brevet ainsi limité (art. 27 LBI). Les parties se sont déterminées sur le texte soumis à leur examen. Le Bureau fédéral de la propriété intellectuelle a fait savoir au juge instructeur qu'il n'avait aucune objection à formuler.
D. - Le 10 janvier 1966, le Tribunal cantonal neuchâtelois a rendu un jugement aux termes duquel il:
"1. Déclare la demande reconventionnelle partiellement bien fondée et limite le brevet suisse no 326 573 comme suit:
a) la revendication aura la teneur suivante: "Procédé pour l'obtention de dépôts galvaniques d'alliage or-argent, de surface brillante, au moyen d'un bain électrolytique, caractérisé en ce que le bain contient de 6 à 48 g d'aurocyanure de
BGE 92 II 280 S. 284
potassium, de 45 à 200 g de cyanure de potassium, de 0,08 g à 0,4 g de cyanure d'argent et de potassium par litre de solution, et en ce qu'on opère en maintenant le bain à une température ne dépassant pas 26o".
b) la sous-revendication 2 est supprimée; les anciennes sousrevendications 1, 3, 4, 5 et 6 porteront les numéros 1, 2, 3, 4 et 5.
2. Constate que le bain Philico 201 vendu par Aimé Schmiedlin est une imitation du brevet suisse no 326 573 ainsi limité.
3. Interdit à Aimé Schmiedlin, pendant la durée de validité du brevet suisse no 326 573, de vendre ou de mettre en vente, personnellement ou par personne interposée, le bain vendu actuellement sous le nom Philico 201, soit un bain permettant d'obtenir des dépôts galvaniques d'alliage or-argent et contenant de l'aurocyanure de potassium, un sel d'argent et une quantité de cyanure de potassium suffisante pour rendre le bain nettement alcalin (pH 12) avec une température de bain ne dépassant pas 26o et dit qu'en cas d'inexécution il sera passible d'une peine d'arrêts jusqu'à trois mois ou d'amende jusqu'à deux mille francs, les deux peines pouvant être cumulées (art. 292 CP).
4. Rejette toutes autres ou plus amples conclusions."
Se fondant sur les rapports de l'expert, l'autorité cantonale a jugé que la revendication du brevet litigieux ne définissait pas une invention; elle ne mentionnait ni expressément, ni par allusion, l'élément principal de l'idée inventive, à savoir la haute teneur en cyanure de potassium libre, qui provoque un pH nettement alcalin. En revanche, jointe à la sous-revendication 2, la revendication principale renferme, de l'avis des juges neuchâtelois, tous les éléments caractéristiques de l'invention telle qu'elle a été définie par l'expert. Aussi le brevet doit-il être maintenu dans cette limite restreinte.
La juridication cantonale a estimé que le bain Philico 201 était une imitation du brevet ainsi limité. Elle a donc interdit la vente de ce produit par le défendeur. Elle a considéré que la publication du jugement ne se justifiait pas au regard de l'art. 70 al. 1 LBI et des faits allégués et prouvés par les parties.
E.-
Schmiedlin recourt en réforme au Tribunal fédéral. Il conclut principalement au rejet de la demande et, reconventionnellement, à la nullité du brevet no 326 573 dont Sel-Rex SA est titulaire. Subsidiairement, il requiert la juridiction fédérale de prononcer que le bain Philico 201 ne constitue pas une imitation illicite du brevet no 326 573 limité.
L'intimée Sel-Rex SA conclut au rejet du recours et à la confirmation du jugement attaqué.
BGE 92 II 280 S. 285
Erwägungen
Considérant en droit:
I.
- Sur la validité du brevet no 326 573 1. - Selon l'art. 113 al. 1 de la loi fédérale sur les brevets d'invention du 25 juin 1954, qui abrogé celle du 21 juin 1907 sur le même objet, les dispositions des titres premier à troisième de la loi nouvelle sont applicables aux demandes de brevet déjà pendantes au moment de son entrée en vigueur, le 1er janvier 1956. Le brevet litigieux a été demandé le 20 février 1954 et enregistré le 31 décembre 1957. C'est donc à la lumière de la loi nouvelle qu'il faut examiner le mérite des conclusions du recourant tendant à la nullité du brevet dont l'intimée est titulaire.
2.
Le litige ne porte plus sur la validité du brevet original, mais sur celle du brevet limité par le jugement entrepris. Le recourant la conteste. Il prétend que la revendication adoptée par la juridication cantonale est nulle, à défaut de nouveauté et de niveau inventif. A son avis, l'élément essentiel de ce qui aurait pu être une invention, à savoir la présence d'un pH élevé nettement alcalin, n'a pas été formulé par l'auteur de la demande de brevet, mais par l'expert.
a) Aux termes de l'art. 27 al. 1 LBI, "lorsque seule une partie de l'invention brevetée est entachée de nullité, le juge limitera le brevet en conséquence". Sous l'empire de l'ancienne loi (cf. art. 16 LBI de 1907), une controverse s'était élevée sur le point de savoir si le juge saisi d'une action en nullité totale avait le pouvoir de prononcer d'office, en vertu du droit fédéral, la nullité partielle du brevet litigieux ou s'il devait se borner à statuer sur les conclusions expresses des parties (cf. RO 65 II ?72 ss., 69 II 200 s.). Cependant, on admettait généralement, alors déjà, que la conclusion en nullité totale renferme une conclusion en nullité partielle, à moins de circonstances particulières (MATTER, Aktuelle Fragen aus dem Gebiet des Patent- und Patentprozessrechtes, RDS 1944 p. 106 a n. 146). La loi nouvelle confie au juge le soin de rédiger, en cas de nullité partielle, la nouvelle revendication; elle l'oblige à recueillir au préalable la détermination des parties et lui laisse la faculté de solliciter l'avis du Bureau fédéral de la propriété intellectuelle (art. 27 al. 1 et 2 LBI). Il s'agit certes d'une tâche d'ordre tehnique avant tout, mais le juge a la possibilité de faire appel à des experts (Message du Conseil fédéral du 25 avril 1950, ad art. 27 du projet de loi, p. 50 ou FF 1950 I 982). Cette réglementation n'atteint son but
BGE 92 II 280 S. 286
que si l'on reconnaît au juge saisi d'une action en nullité totale le pouvoir de modifier la revendication de son propre chef en prononçant la nullité partielle du brevet (cf. dans ce sens TROLLER, Immaterialgüterrecht, I, p. 553 n. 20). Le juge peut s'en tenir au texte de la revendication nouvelle qu'il a soumis aux parties, même si celles-ci ne sont pas d'accord avec sa proposition (BLUM/PEDRAZZINI, Das schweizerische Patentrecht, vol. II, p. 231, n. 3 principio ad art. 27 LBI).
b) Le recourant estime qu'en se désistant de la conclusion subsidiaire en limitation du brevet qu'elle avait prise dans sa réplique, l'intimée a renoncé à demander la protection de l'invention prétendue qui serait définie par la réunion de la revendication et de la sous-revendication 2. La portée de ce désistement relève au premier chef de la procédure civile neuchâteloise. Le jugement attaqué l'a considéré comme la révocation d'un acquiescement conditionnel et partiel à la demande reconventionnelle en nullité totale du brevet. Ce point de procédure civile neuchâteloise échappe à la censure de la juridiction fédérale de réforme (art. 43 al. 1 et 55 al. 1 lettre c OJ). Quoi qu'il en soit, l'intimée a proposé ensuite, dans sa détermination recueillie conformément à l'art. 27 al. 2 LBI, un texte de revendication dans le sens d'une limitation du brevet. En instance fédérale, elle n'a pas recouru contre le jugement cantonal qui limite son brevet; elle en a même demandé expressément la confirmation. Dèslors, elle ne s'oppose pas à la limitation du brevet telle qu'elle résulte de la décision attaquée.
3.
a) La loi ne précise pas de quelle manière le juge doit procéder pour limiter un brevet. La nullité partielle conduit à un résultat semblable à celui de la renonciation partielle au breve que le titulaire peut déclarer de son propre chef au Bureau fédéral de la propriété intellectuelle (art. 24 LBI). On appliquera donc par analogie les règles que l'art. 24 LBI énonce à propos de la renonciation partielle (cf. dans ce sens BLUM/PEDRAZZINI, op.cit., vol. II, p. 231, n. 3 ch. 7 ad art. 27 LBI). Le juge pourra, en particulier, limiter une revendication en y réunissant une ou plusieurs sous-revendications (art. 24 al. 1 lettre b LBI). Les sous-revendications, qui exposent les formes spéciales d'exécution de l'invention (art. 55 al. 1 LBI), servent précisément à compléter la revendication, si elle se révèle entachée de nullité, de telle sorte qu'elle définisse une invention susceptible d'être protégée (cf. art. 12 al. 1 des règlements d'exécution I du 14
BGE 92 II 280 S. 287
décembre 1959 et II du 8 septembre 1959, ROLF 1959, p. 766 et 2048; Message, ad art. 63 du projet de loi, p. 72 ou FF 1950 p. 1004). En revanche, le juge ne saurait, pas plus que le titulaire du brevet en cas de renonciation partielle, substituer à la revendication frappée de nullité partielle une nouvelle revendication qui définirait une invention non mentionnée dans l'exposé d'invention visé à l'art. 63 LBI (cf. RO 92 II 56 consid. 6 lettre a in fine). La revendication modifiée, composée d'éléments tirés de la revendication et des sous-revendications originales, donne une nouvelle définition de l'invention, qui remplace celle que le requérant avait présentée dans sa demande de brevet; elle doit être considérée comme un tout; on examinera la brevetabilité de l'invention et les formes spéciales d'exécution définies dans la revendication modifiée comme si elles avaient, dès l'origine, constitué l'objet du brevet dans cette formulation (RO 86 II 106 s.).
b) En l'espèce, les juges cantonaux n'ont introduit dans la revendication modifiée aucun élément nouveau qui ne figurait pas dans le brevet original. Les seules différences consistent dans l'abandon de l'adjectif "dur" qui qualifiait les dépôts galvaniques d'alliage or-argent et de l'adjectif "libre" qui qualifiait le cyanure de potassium contenu dans le bain électrolytique.
Selon les constatations de la juridiction cantonale, la dureté du dépôt galvanique, c'est-à-dire du résultat de l'invention, n'est pas une particularité de l'invention elle-même, mais une propriété connue que l'on peut obtenir en ajoutant au bain un agent durcisseur, comme l'indiquait l'ancienne sous-revendication 4.
Quant à l'adjectif "libre", qualifiant un bain chimique, il n'a pas d'autre sens que de préciser que le sel en question (ici le cyanure de potassium) est utilisé dans sa forme pure et non pas sous la forme d'un complexe tel que, par exemple, du ferrocyanure de potassium. Du moment quela revendication modifiée, reprenant les éléments de l'ancienne sous-revendication 2, indique les composantes du bain avec les quantités précises des divers sels, l'adjectif "libre" devenait superfétatoire. En effet, l'homme du métier prenant connaissance du brevet utilisera naturellement du cyanure de potassium pur, si aucun autre complexe n'est prescrit.
Il s'ensuit que l'absence des deux qualificatifs précités dans la nouvelle revendication ne constitue pas une extension prohibée de l'invention.
BGE 92 II 280 S. 288
c) Le recourant affirme cependant que le pH élevé, nettement alcalin, dans lequel le Tribunal cantonal, se fondant sur l'opinion de l'expert, a vu l'une des caractéristiques de l'invention, n'est mentionné ni expressément, ni même par allusion dans le brevet original et encore moins dans la nouvelle revendication; il ajoute que l'intimée aurait toujours considéré ce point comme un élément accessoire de l'invention. Toutefois, le pH alcalin ne participe en rien à l'idée inventive. Il qualifie simplement la nature du bain composé des éléments prévus par l'inventeur. Il apparaît comme une conséquence naturelle de la haute teneur en cyanure de potassium. Ce sont les différents sels composant le bain breveté qui, administrés dans les proportions fixées par la revendication, provoquent automatiquement un bain avec un pH nettement alcalin. Or la composition du bain est clairement définie par la nouvelle revendication.
La teneur élevée en cyanure de potassium (libre), relevée dans les constatations de l'autorité cantonale, résulte des proportions qui entrent dans la composition du bain (45 à 200 g par litre de solution). L'inventeur l'a indiquée dans la description et dans la sous-revendication 2 originale. On ne se trouve donc pas en présence d'un élément nouveau, qui serait étranger au brevet.
Le fait que le bain breveté produit un dépôt sous la forme d'un alliage or-argent résulte du titre même du brevet. L'absence de cuivre a été relevée par l'expert à la seule fin de souligner la différence du procédé de l'intimée par rapport aux bains usuels que l'on trouvait sur le marché, lesquels contiennent du cuivre. L'absence de ce métal se déduit de la simple lecture des formules chimiques des divers sels qui composent le bain breveté. Elle est reconnaissable même par un laïque. Dès lors, le recourant se trompe lorsqu'il lui attache un rôle déterminant dans la définition de l'invention contestée.
Des deux autres propriétés du bain de l'intimée, l'une - l'électrolyse à une température ordinaire - a toujours été considérée par l'inventeur comme le facteur essentiel de son procédé et l'autre - l'utilisation de durcisseurs sous la forme de cyanure double de nickel et de potassium n'entrant pas dans l'alliage - a fait l'objet d'une sous-revendication que le recourant ne met pas en cause.
La revendication nouvelle formulée par le tribunal cantonal étant composée uniquement d'éléments tirés du brevet initial, l'invention ainsi définie est formellement brevetable.
BGE 92 II 280 S. 289
4.
Quant au fond, le recourant soutient en premier lieu que l'autorité cantonale aurait méconnu le principe jurisprudentiel en vertu duquel il appartient au déposant de définir avec précision l'invention pour laquelle il demande la protection du brevet (RO 85 II 136). Il estime qu'en l'espèce, l'invention prétendue n'a pas été décrite par le déposant, mais qu'elle devrait être déduite par un expert en galvanoplastie des indications contenues dans la description.
a) L'art. 26 al. 1 ch. 3 LBI dispose que le juge prononce la nullité du brevet, sur demande, lorsque l'invention n'est pas décrite, dans l'exposé d'invention, de manière à pouvoir être exécutée par l'homme du métier. Le législateur entend en effet mettre l'invention à la portée de l'homme du métier ayant une bonne formation professionnelle (cf. art. 50 LBI; cf. RO 86 II 139). Dans le cas particulier, il faut prendre en considération non pas l'expert en galvanoplastie, mais le spécialiste de la branche qui s'occupe de galvanoplastie en vue de placages d'or et d'argent. La juridiction cantonale a constaté, en se fondant sur ces principes et sur l'expertise, que, sur le vu de l'exposé d'invention, un homme du métier était à même de dégager le principe protégé par le brevet et de l'appliquer sans effort inventif. S'agissant de protéger un bain utilisé en galvanoplastie et défini par les divers sels qui le composent, il était inutile de décrire de façon plus détaillée un procédé classique parfaitement connu et d'application courante: le fonctionnement de l'électrolyse est exposé dans les ouvrages de technique élémentaire.
b) L'art. 26 al. 1 ch. 4 LBI permet au juge de prononcer la nullité du brevet lorsque la revendication, même interprétée à la lumière de la description, ne donne pas une définition claire de l'invention. La définition de l'invention qui, selon l'art. 51 LBI, doit figurer dans la revendication, s'entend de l'énoncé des qualités propres au procédé à breveter, c'est-à-dire les qualités qui se rapportent à la nature, à la fonction du procédé et à la chose qui doit être protégée (cf. TROLLER, op.cit., vol. II, p. 717 s.; BLUM-PEDRAZZINI, op.cit., vol. II p. 125 ss., n. 9 ad art. 26 LBI). En l'espèce, le titre même de l'exposé d'invention et la nouvelle revendication, interprétée à l'aide de la description (cf. art. 50 LBI), ne laissent subsister aucune équivoque au sujet de la nature de l'invention. Les passages isolés du rapport d'expertise que le recourant invoque dans son mémoire ne concernent pas la nouvelle revendication, qui seule doit être examinée, mais
BGE 92 II 280 S. 290
l'ancienne revendication principale. Peu importe que le déposant ait vu les caractéristiques de son idée inventive ailleurs que là où elles se trouvent effectivement. Il suffit que la revendication et la description interprétées objectivement et selon les règles de la bonne foi (RO 64 II 393, 83 II 228, 85 II 136) contiennent les éléments d'une véritable invention.
5.
Le recourant dénie au procédé qui fait l'objet du brevet litigieux le caractère d'une invention parce que le niveau inventif et la nouveauté feraient défaut. L'invention n'est pas définie par la loi. Selon la jurisprudence, l'invention implique une idée créatrice qui dépasse ce qui était à la portée d'un homme du métier ayant une bonne formation; pour juger du niveau inventif, on se fondera sur l'état de la technique, considéré dans son ensemble, tel qu'il se présentait au moment du premier dépôt de la demande de brevet (RO 85 II 138, 513, 89 II 109). En l'espèce, l'invention consiste dans la préparation d'un bain de galvanoplastie en vue d'obtenir un placage de dépôt d'or et d'argent, de couleur jaune, de surface brillante et polie. Le procédé breveté consiste lui-même dans la composition inédite d'un bain de sels minéraux servant d'électrolyte à une température donnée.
Fondés sur l'expertise, les juges cantonaux ont examiné et résolu par l'affirmative les questions de la nouveauté et du niveau inventif. Quant à la nouveauté, l'expert a reconnu que le procédé ne paraissait pas très nouveau, si l'on examinait chaque point séparément, mais admis que toutes les particularités du bain ne se trouvaient pas réalisées simultanément dans un bain de placage au moment où le procédé de Sel-Rex SA a été lancé. Sur l'état de la technique lors de l'invention, l'expert a donné pour certain qu'avant 1953, on savait déjà déposer des couches d'or jaune n'exigeant pas d'avivage intermédiaire, "mais on ne se trouvait pas dans des conditions particulièrement favorables de croissance cristalline et les bains utilisés étaient beaucoup moins stables". Au sujet du niveau de l'invention, l'expert s'est exprimé ainsi:
"A moins d'un hasard, un praticien de la branche ne trouvera pas sans de longs tâtonnements les conditions les meilleures de fonctionnement d'un bain. Les paramètres qu'il s'agit d'harmoniser sont trop nombreux. L'élaboration et la mise sur le marché d'un nouveau bain exigent des connaissances qu'on ne trouve pas, d'ordinaire, chez les chefs d'atelier du domaine galvanotechnique (Expertise I p. 15, no 4). Sel-Rex s'est écarté des chemins battus. Au moment où son bain
BGE 92 II 280 S. 291
a été mis sur le marché, la tendance était plutôt aux bains renfermant du cuivre avec une faible teneur en cyanures libres et un pH voisin de la neutralité. Le bain Sel-Rex ne contient pas de cuivre. Il est très riche en cyanure et a un pH nettement alcalin (Expertise I p. 16, no 5). L'inventeur est... sorti assez nettement des chemins battus, et cela même exige des connaissances et des mises au point qui assurent un certain niveau inventif. On est évidemment toujours dans le domaine des placages en bains de cyanures qui étaient étudiés par d'innombrables chercheurs. Il était très difficile de trouver une solution nouvelle qui ne se rapproche pas sur un point ou un autre d'un procédé déjà connu (Expertise I p. 21, no 6).
D'autres chercheurs ont mis au point un procédé donnant des dépôts brillants d'or, d'argent et de cuivre... qui correspondent aussi à des conditions de croissance cristalline particulièrement favorables, mais il s'agit cette fois d'un dépôt rose... Les tentatives faites pour obtenir un dépôt jaune dans le même genre de bain ont conduit à de grandes difficultés, car on s'écartait des conditions optimales de cristallisation. Actuellement, ces difficultés ne sont pas encore entièrement surmontées. Il n'est donc pas possible de retrouver pour tous les genres de bains des conditions favorables de croissance cristalline et c'est dans ce sens que la mise au point de Sel-Rex a un caractère original (Expertise II p. 4, no 4).
La solution proposée par Sel-Rex sortait passablement des chemins battus et différait sensiblement des nombreux types de plaqués jaunes qu'on trouvait sur le marché (Expertise II p. 6)."
L'expert rappelle expressément que le procédé litigieux forme un tout; on ne saurait en dissocier une partie et prétendre que chaque point est déjà réalisé (Expertise I p. 23, no 19).
Les constatations d'ordre technique que le Tribunal cantonal neuchâtelois a fondées sur ces déclarations de l'expert ne sont pas critiquées comme telles par le recourant. Il n'y a aucune raison de douter de leur exactitude. Ces constatations établissent de façon indiscutable que le procédé décrit dans la revendication modifiée par la Cour cantonale présente le caractère d'une in vention au sens de la jurisprudence.
La conclusion principale du recours, qui tend à la nullité du brevet, est dès lors mal fondée.
II.
- Sur la question de l'imitation
L'art. 66 al. 1 lettre a LBI déclare passible de poursuites civiles, notamment, celui qui utilise illicitement l'invention brevetée; l'imitation est considérée comme une utilisation. La loi garantit de la sorte l'invention brevetée non seulement contre les contrefaçons, mais aussi contre les imitations. La disposition citée protège l'inventeur dans toute la mesure où il a enrichi
BGE 92 II 280 S. 292
la technique et elle empêche les tiers d'utiliser l'invention sous une forme modifiée (cf. RO 64 II 392). Le juge ne doit pas s'en tenir aux termes mêmes de la revendication et se borner à examiner si la prétendue imitation contient chacun des éléments de la revendication: cela reviendrait à limiter son examen à la contrefaçon. Au contraire, il dégagera de la revendication les caractères essentiels de l'invention et recherchera s'ils ont été utilisés par celui à qui le demandeur impute une imitation (arrêt non publié du 18 mars 1958 en la cause Le Coultre & Cie SA et consort c. Ditisheim & Cie, consid. IV).
Le recourant prétend que le bain "Sel-Rex 18 K" de l'intimée et son propre bain "Philico 201" sont tous deux caractérisés par une teneur assez forte (15-25%) en argent; il en déduit que l'un et l'autre se distinguent nettement de la solution chimique faisant l'objet du brevet litigieux. Son argumentation est erronée. Il n'importe pas de savoir si le bain mis sur le marché par le recourant est une imitation du bain "Sel-Rex 18 K", mais de juger si le bain "Philico 201" est une imitation du bain protégé par le brevet modifié no 326 573.
Adoptant les conclusions de l'expertise technique - admises par les parties -, la juridiction neuchâteloise a constaté en fait que le bain "Philico 201" appliquait intégralement le principe général à la base du brevet. Les seules modifications apportées par la maison Philippi & Co. K.G. sont des mesures d'application. La possibilité d'augmenter la teneur en argent était déjà indiquée dans la description de l'invention, avec les effets techniques qu'elle comporte. Du reste, selon le jugement attaqué, étayé sur l'expertise, la portée de l'invention ne réside pas essentiellement dans la faible teneur du bain en cyanure d'argent, mais surtout dans la haute teneur en cyanure de potassium excédentaire. C'est précisément ce sel qui a pour effet de provoquer une solution nettement alcaline.
L'appréciation des faits d'ordre technique donnée par l'autorité cantonale repose sur une notion juridique exacte de l'imitation et sur les conclusions de l'expert, que le recourant ne prétend pas inexactes et que la juridiction de réforme n'a aucun motif de mettre en doute. Il s'ensuit que le Tribunal cantonal neuchâtelois a conclu à bon droit que le bain "Philico 201" était une imitation du bain décrit dans la revendication modifiée du brevet dont l'intimée est titulaire et qu'il a ordonné avec raison
BGE 92 II 280 S. 293
au recourant de mettre fin à l'utilisation illicite du procédé breveté (cf. art. 72 LBI).
La conclusion subsidiaire du recours est dès lors elle aussi mal fondée.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral:
Rejette le recours et confirme le jugement rendu le 10 janvier 1966 par le Tribunal cantonal neuchâtelois. | public_law | nan | fr | 1,966 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
19fbf8ab-af0d-4b0f-a55f-feac32ea2d0b | Urteilskopf
112 III 65
16. Auszug aus dem Entscheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 9. September 1986 i.S. X. (Rekurs) | Regeste
Art. 11 SchKG
; Ersteigerung von Schuldbriefen durch einen Mitarbeiter des Betreibungsamtes.
Dass das betreffende Pfandverwertungsverfahren abgeschlossen ist, steht der Feststellung der Nichtigkeit des Steigerungszuschlages nicht entgegen. | Sachverhalt
ab Seite 65
BGE 112 III 65 S. 65
In der von der Bank A. gegen B. eingeleiteten Faustpfandbetreibung schritt das Betreibungsamt am 29. August 1985 zur Versteigerung dreier Schuldbriefe. Zwei davon wurden X. zugeschlagen. Nachdem sich B. später zahlungsunfähig erklärt hatte, wurde über ihn am 23. September 1985 der Konkurs eröffnet. Den dritten der erwähnten Schuldbriefe übergab das Betreibungsamt hierauf dem Konkursamt. Am 25. September 1985 stellte das Betreibungsamt der Bank A. einen Pfandausfallschein aus.
Mit Schreiben vom 28. Mai 1986 orientierte das Betreibungsamt die kantonale Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen über die Faustpfandverwertung vom 29. August 1985. Dabei vertrat es die Ansicht, dass die beiden Beamten, welche die Steigerung durchgeführt hätten, den Zuschlag der beiden Schuldbriefe an X. hätten verweigern müssen, da sie gewusst hätten, dass dieser für das Betreibungsamt gearbeitet habe. Nachdem sie X. Gelegenheit eingeräumt hatte, sich zur betreibungsamtlichen Eingabe vernehmen zu lassen, und dieser sich gegen eine Aufhebung
BGE 112 III 65 S. 66
des Zuschlags ausgesprochen hatte, entschied die kantonale Aufsichtsbehörde am 7. August 1986, dass der Zuschlag der beiden Schuldbriefe als verbotene Rechtshandlung im Sinne von
Art. 11 SchKG
aufgehoben werde.
Hiergegen hat X. an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts rekurriert.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Gemäss
Art. 11 SchKG
ist den Beamten und Angestellten des Betreibungs- und Konkursamtes untersagt, für ihre Rechnung bezüglich einer vom Amte einzutreibenden Forderung oder eines von ihm zu verwertenden Gegenstandes mit irgend jemand Rechtsgeschäfte abzuschliessen; Rechtshandlungen, die dieser Vorschrift zuwiderlaufen, sind ungültig.
Dass er im Zeitpunkt des strittigen Steigerungszuschlages noch für das Betreibungsamt tätig gewesen sei, stellt der Rekurrent nicht in Abrede, und die Ansicht, von
Art. 11 SchKG
nicht erfasst gewesen zu sein, hat er nunmehr fallenlassen. Nach wie vor wendet er jedoch ein, dass die vollstreckungsrechtliche Aufsichtsbehörde ein in Missachtung von
Art. 11 SchKG
zustande gekommenes Rechtsgeschäft nur so lange aufheben könne, als die Betreibung noch hängig sei. Die hier in Frage stehende Faustpfandbetreibung sei aber abgeschlossen, zumal die Versteigerung durchgeführt und der Zuschlagspreis bezahlt worden sei und ferner das Betreibungsamt auch die Kosten der Verwertung und Verteilung abgerechnet und der Gläubigerin den Erlös ausbezahlt habe. Die am 23. September 1985 angeordnete Eröffnung des Konkurses über den Schuldner habe die Faustpfandbetreibung nicht mehr im Sinne von
Art. 206 SchKG
aufheben können, und dass das Betreibungsamt noch am 25. September 1985, d.h. nach der Konkurseröffnung, einen Pfandausfallschein ausgestellt habe, sei ohne Belang, da das Betreibungsamt von jener noch nichts gewusst habe und im übrigen Pfandausfallscheine auch noch nach Eröffnung eines Konkurses ausgestellt werden könnten.
3.
Ein nichtiger Akt, wie ihn der gegen
Art. 11 SchKG
verstossende Steigerungszuschlag auch nach Auffassung des Rekurrenten darstellt, kann zu keinem Zeitpunkt Wirkungen entfalten; der ihm anhaftende Mangel kann durch nachträglich eintretende Umstände nicht geheilt werden. Daran ändert die Tatsache nichts, dass die für die Aufhebung bzw. Nichtigerklärung
BGE 112 III 65 S. 67
allein zuständige vollstreckungsrechtliche Aufsichtsbehörde (dazu
BGE 106 III 83
E. 4;
BGE 44 I 60
;
BGE 41 III 44
; AMONN, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 3. A., § 26 Rz. 21; GILLIÉRON, Poursuite pour dettes, faillite et concordat, S. 209) unter den vorliegend gegebenen Verhältnissen nicht in der Lage ist, das Betreibungsamt in Anwendung von
Art. 21 SchKG
anzuweisen, die Steigerung zu wiederholen. Dass das Pfandverwertungsverfahren abgeschlossen ist, hat andererseits auch nicht etwa zur Folge, dass die Nichtigkeit des Zuschlags überhaupt nicht mehr festgestellt werden könnte. Der angefochtene Entscheid steht ferner auch nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung, wonach wegen eines fehlerhaften Verfahrens, für das der Ersteigerer nicht verantwortlich ist, der Zuschlag nach Ablauf eines Jahres grundsätzlich nicht mehr angefochten und aufgehoben werden kann (vgl.
BGE 106 III 23
E. 2a mit Hinweisen): Die Nichtigerklärung bzw. Aufhebung des strittigen Zuschlags durch die Vorinstanz datiert vom 7. August 1986 (Zustellung des Entscheids am 19. August 1986), während die Steigerung am 29. August 1985 durchgeführt worden war. Auf die Frage der Verantwortlichkeit des Rekurrenten braucht demnach gar nicht erst eingegangen zu werden. Ebensowenig ist im vorliegenden Verfahren alsdann darüber zu befinden, ob und allenfalls unter welchen Bedingungen der Rekurrent die aufgrund eines nichtigen Zuschlags in seinen Besitz gelangten Schuldbriefe rechtsgültig habe auf einen Dritten übertragen können.
... | null | nan | de | 1,986 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
1a01ce4c-0404-4075-99ed-d1684312abd9 | Urteilskopf
90 II 417
47. Extrait de l'arrêt de la Ie Cour civile du 15 décembre 1964 dans la cause Etats de Fribourg et de Vaud contre Fibres de verre SA et Höganäsmetoder A.B. | Regeste
Haftpflicht für Gewässerverschmutzung,
Art. 41 ff. OR
.
Rechtsnatur der Befugnisse des Staates in Bezug auf die Fischerei (Erw. II 2).
Ausmass des Schadenersatzes, den die für die Verschmutzung verantwortlichen Unternehmen dem Staat schulden.
Beläuft sich der Ersatzanspruch auf den Wert der eingegangenen Fische oder nur auf den Preis der Tiere, die ohne die Verschmutzung normalerweise gefangen worden wären, oder auch noch auf die Kosten der Wiederbevölkerung des Gewässers? (Erw. II 3-5). | Sachverhalt
ab Seite 417
BGE 90 II 417 S. 417
Résumé des faits:
A.-
La maison Höganäsmetoder A.B., à Höganäs (Suède), fabrique de la bakélite selon un procédé qu'elle a fait breveter dans plusieurs pays, notamment en Suisse. Utilisant cette marchandise comme agglomérant, la maison Fibres de verre SA, à Lucens, a obtenu de Höganäsmetoder A.B. une licence d'exploitation de son brevet. En 1960,
BGE 90 II 417 S. 418
sous le contrôle de représentants de la société suédoise, la maison suisse a installé dans son usine de Lucens une cuve destinée à la fabrication du produit breveté.
Le 2 juin 1960, le contenu de cette cuve, soit un mélange de phénol et de formaline additionné d'eau, s'est déversé accidentellement dans le canal d'égouts de l'usine, puis s'est répandu dans la Broye, qui coule à quelque trois cents mètres. Sous l'effet de ces deux substances, tous les poissons de la rivière ont péri sur un tronçon de plus de vingt-trois kilomètres, qui s'étend de Lucens jusqu'au pont de la route reliant St-Aubin à Domdidier et qui fait partie du domaine public des cantons de Fribourg et de Vaud. Selon les estimations des services cantonaux de la pêche, 74 200 kg. de poissons morts ont été recueillis.
Après la pollution, les cantons de Fribourg et de Vaud ont immergé des poissons pour remplacer ceux qui avaient été détruits. Le service fribourgeois de la pêche a mis à l'eau: en 1960, 75 kg. de truites pour 750 fr. ainsi que des truitelles et des ombrettes pour 24 113 fr.; à partir de mars 1961, des estivaux pour 3683 fr. 50. De son côté, l'administration vaudoise a fait jeter dans la Broye: en 1960, 500 kg. de truites pour 5160 fr. et des truitelles pour 7125 fr. 76; depuis septembre 1961, des truitelles pour 13 453 fr. 41.
Le 17 juin 1960, les deux cantons ont chargé l'inspecteur fédéral de la pêche de déterminer le montant des dommagesintérêts auxquels ils avaient droit. Dans son rapport, cet expert est arrivé à la conclusion que les Etats de Fribourg et de Vaud pouvaient prétendre une indemnité de 142 000 fr., savoir 40 000 fr. pour la perte de rendement, 88 000 fr. pour les frais de réempoissonnement extraordinaire et 14 000 fr. à titre de dépenses diverses.
B.-
Tous les pourparlers transactionnels ayant échoué, les cantons et les sociétés ont décidé par convention du 25 août 1961 de faire fixer par le Tribunal fédéral, en instance unique, les dommages-intérêts dus par les secondes aux premiers. Ce document précise que les cantons agissent comme créanciers solidaires, la répartition entre eux de
BGE 90 II 417 S. 419
l'indemnité litigieuse n'étant pas controversée, et que, de leur côté, les sociétés se reconnaissent solidairement responsables de la pollution de la Broye, mais réservent le règlement ultérieur de leurs rapports internes.
Par demande déposée le 15 novembre 1961, les cantons ont réclamé aux sociétés principalement 208 200 fr., soit la contre-valeur de tous les poissons détruits, y compris les poissons blancs, et les frais occasionnés par l'empoisonnement de la rivière; subsidiairement, ils ont conclu à l'allocation de 142 000 fr., c'est-à-dire le montant arrêté par l'inspecteur fédéral de la pêche.
Dans leur réponse, les défenderesses ont accepté de verser 38 067 fr. 45, représentant la contre-valeur des salmonidés, des brochets, des carpes, des perches et des tanches ainsi que différents frais. En cours d'instance, elles ont payé cette somme, majorée des intérêts. Elles ont contesté devoir en revanche quelque indemnité pour les poissons blancs.
C.-
Les deux parties ayant sollicité une expertise, le juge délégué l'a confiée à un collège de trois experts dont le rapport contient notamment les appréciations suivantes:
Après avoir constaté que la Broye a été polluée sur une distance de 24 km. 410 et une surface de 36 ha. 60, les experts fondent leurs calculs sur la quantité des poissons recueillis. Tout en admettant que certains poissons ont échappé au ramassage, ils sont d'avis qu'il s'agit pour la majeure partie de la première classe d'âge. Ils estiment que la faune détruite comprend 3,3% de truites et d'ombres, 0,9% d'autres poissons de qualité et 95,8% de poissons blancs.
Faute d'être propriétaires des poissons vivant dans les eaux publiques, les cantons ne sauraient prétendre la contrevaleur de tous ceux qui ont péri. En revanche, ils peuvent faire valoir trois éléments de dommage: 1o les frais extraordinaires exigés par le repeuplement de la rivière; 2o la diminution du rendement de la pêche; 3o les autres frais résultant de la pollution. Ils n'ont cependant droit à des dommages-intérêts pour perte de rendement que dans la mesure où ils appliquent le système des permis de pêche;
BGE 90 II 417 S. 420
s'ils procédaient par affermage, l'indemnité devrait être versée au fermier.
Dans le cas particulier, les frais de repeuplement nécessaires pour rétablir l'état antérieur s'élèvent à 37 306 fr. pour les salmonidés, à 1932 fr. pour les brochets ainsi qu'à 1610 fr. pour les tanches et les carpes, soit au total à 40 848 fr. Les autres poissons devant se remplacer naturellement par suite de migrations, l'Etat n'a pas lieu de pourvoir à leur repeuplement. Sans doute les poissons blancs mangent-ils le frai des salmonidés et, partant, la destruction des premiers crée-t-elle des conditions de développement plus favorables pour les seconds. Toutefois, cette circonstance ne saurait entraîner une réduction du montant de 40 848 fr., qui a été fixé eu égard à la disparition momentanée des poissons blancs. Au surplus, si les cantons ont immergé en l'espèce des poissons immédiatement pêchables, cette mesure inopportune au point de vue piscicole s'explique tout de même pour des motifs fiscaux et politiques.
Quant à la perte de rendement, elle est égale à la valeur des prises qui n'ont pu avoir lieu en raison de la pollution, depuis cette dernière jusqu'au rétablissement de l'état antérieur. Elle atteint 23 076 fr. pour les salmonidés, 2270 fr. pour les brochets, 908 fr. pour les tanches et les carpes, 941 fr. pour les perches et 56 216 fr. pour les poissons blancs, soit 83 411 fr.
Comptant en outre 14 317 fr. à titre de frais divers, les experts évaluent le dommage total à 138 576 fr.
D.-
Le Tribunal fédéral a admis partiellement l'action. Il a estimé que les cantons avaient droit à une indemnité globale de 63 075 fr. 45, plus intérêt, pour le repeuplement de la rivière, le ramassage des poissons morts et les frais d'intervention avant l'ouverture du procès. Déduction faite du montant de 38 067 fr. 45 déjà versé en cours de procédure, il a condamné les défenderesses solidairement à payer aux demandeurs, créanciers solidaires, un capital de 25 008 fr.
BGE 90 II 417 S. 421
Erwägungen
Extrait des considérants:
I.
Questions de recevabilité
.....
II.
Etendue de la réparation
1.
(responsabilité solidaire des défenderesses).
2.
L'étendue de la réparation dépend de la nature des pouvoirs de l'Etat en matière de pêche.
Suivant l'art. 1er de la loi fédérale sur la pêche du 21 décembre 1888, la concession ou la reconnaissance du droit de pêche rentre dans les attributions des cantons. Les demandeurs ont usé de la compétence qui leur est réservée. La loi fribourgeoise sur la pêche du 3 mai 1916 dispose que "la pêche est un droit régalien appartenant au canton" (art. 1er al. 1), et la loi du 17 mai 1961, qui a abrogé la précédente et ne s'applique pas en l'espèce parce qu'elle est postérieure à l'empoisonnement de la Broye, caractérise aussi comme un droit régalien celui de pêcher dans les eaux publiques (art. 3 al. 1). Pour sa part, la loi vaudoise sur la pêche du 3 septembre 1957 prévoit que "le droit de pêche appartient à l'Etat", c'est-à-dire qu'il fait l'objet d'une régale (art. 1er al. 1; cf. RO 39 II 458). Ainsi, dans l'un et l'autre canton, l'Etat a la régale de la pêche. Point n'est besoin de définir ici la notion de régale et de décider notamment si sa nature relève du droit privé ou public. Il suffit de constater en passant que, si le Tribunal fédéral a adopté autrefois la première conception en s'inspirant de GIERKE et de MAYER (RO 44 I 168; cf. EUGEN HUBER, System und Geschichte des schweizerischen Privatrechtes, III, p. 625 ss.), il semble s'être rapproché plus récemment de la seconde (RO 47 I 226, 63 II 48 s.; cf. CHRISTEN, Kantonale Regalien und Bundespolizeirecht, p. 14 ss.; LEUTHARD, Die Fischereirechte im Freiamt und in Mellingen, p. 128 ss.; PETER, Die Fischereiberechtigung nach schweizerischem Recht, p. 7). Quoi qu'il en soit, la régale de la pêche implique le pouvoir de régler l'exercice de la pêche, mais ne procure pas à l'Etat un droit de propriété sur les poissons qui se trouvent
BGE 90 II 417 S. 422
dans les lacs et les cours d'eau. De l'avis de la doctrine unanime, le poisson est une "res nullius". Il ne devient un objet de propriété qu'une fois soumis à la maîtrise effective d'un possesseur, par exemple après avoir été enfermé dans un vase clos ou une pièce d'eau sans issue (cf. BLANC, Le régime de la chasse dans le canton de Fribourg, p. 97; GMÜR, Die Abgrenzung des Fischereiregals von den privaten Fischenzen im Kanton Bern, p. 1 s.; HAAB, Das Sachenrecht, 2e éd., Einleitung, note 32; KAEGI, Das schweizerische Jagdrecht, p. 51; LEEMANN, Sachenrecht, 2e éd., notes 3 et 4 ad art. 718 CC; LEUTHARD, op.cit., p. 129; PETER, op.cit., p. 15; VEGEZZI, I diritti di pesca, p. 30). Tout au plus faut-il réserver le cas des cantons dont la législation, à la différence des droits fribourgeois et vaudois, disposerait que les choses sans maître, notamment les poissons, appartiennent à l'Etat (MEIER-HAYOZ, note 53 ad art. 664 CC).
La régale de la pêche peut s'exercer de diverses manières. Les services cantonaux ont d'abord la faculté de pêcher eux-mêmes ou de faire pêcher pour leur compte. Il leur est loisible aussi d'affermer le droit de pêche à certains particuliers, cet affermage étant en réalité une concession, et non un acte de droit privé (RO 63 II 48 s.). Ils peuvent enfin accorder le droit de pêcher aux titulaires d'un permis de pêche, soit d'une autorisation de police. Les demandeurs appliquent ce dernier système, du moins en ce qui concerne le tronçon de rivière qui a été pollué le 2 juin 1960. S'il est vrai qu'en vertu de l'art. 4 de la loi fribourgeoise du 3 mai 1916, "le droit de pêche est exercé: a) par les locataires de cours d'eau; b) par les porteurs de permis à la ligne", l'inspecteur de la pêche du canton de Fribourg a déclaré à l'audience du 30 janvier 1963 que le secteur empoisonné n'avait jamais été affermé. Quant à la loi vaudoise du 3 septembre 1957, elle ne prévoit en principe, à son art. 3 al. 1, que l'institution du permis. Loin d'affermer le droit de pêche dans les eaux publiques, le canton de Vaud loue même des eaux privées pour permettre aux particuliers d'y pêcher. Sans doute le Conseil d'Etat peut-il, conformément
BGE 90 II 417 S. 423
à l'art. 3 al. 2, autoriser la pêche sans permis dans certains cours d'eau ou tels lacs, mais les pêcheurs de la Broye ne bénéficient pas de cette faveur.
Dans les limites de l'autorisation qui leur est conférée, les titulaires de permis ont le droit de pêcher, qu'une partie de la doctrine qualifie de droit public subjectif (PETER, op.cit., p. 121 ss.; VEGEZZI, op.cit., p. 94 ss.). En revanche, ils ne sont pas propriétaires du poisson avant de s'en être emparés et ne sauraient exiger que l'Etat veille à la conservation de la faune piscicole, qu'il remplace dans chaque lac et rivière les poissons qui disparaissent. Comme l'a déclaré justement le Conseil d'Etat vaudois, le 19 août 1960, en réponse à une question d'un député, "En délivrant un permis de pêche, l'Etat donne à son détenteur le droit de pêcher sans pour autant lui garantir un produit de la pêche ou une indemnité en cas de manque à pêcher". Tout au plus peut-on se demander si, en cas de destruction inopinée du poisson, les porteurs de permis ont droit au remboursement de tout ou partie des taxes qu'ils ont acquittées. Il s'agirait là d'une action en enrichissement illégitime, en principe admissible tant en droit public qu'en droit privé (RO 78 I 88). Il n'y a cependant pas lieu de résoudre ici cette question, les demandeurs ne soutenant pas que les bénéficiaires de permis aient exigé la restitution de taxes. Au surplus, il n'est pas allégué ni établi que le nombre des requêtes de permis ait diminué en raison de la pollution de la Broye. Si deux témoins l'affirment, deux autres le contestent ou le mettent en doute.
C'est au regard de ces considérations générales qu'il faut maintenant statuer sur les diverses prétentions des demandeurs.
3.
La première réclamation à examiner, qui tend au paiement de la contre-valeur des poissons détruits, n'est pas justifiée. Certes, les défenderesses ont versé 21 750 fr. avec intérêt à 5% dès le 1er février 1961 pour la perte des salmonidés, brochets, carpes, perches et tanches. Mais le Tribunal fédéral, déterminant librement les bases de la réparation
BGE 90 II 417 S. 424
(cf. RO 90 II 40), n'est pas lié par les motifs juridiques qui ont incité les sociétés à payer cette somme.
Le présent litige est une contestation de droit civil au sens des art. 41 et 42 OJ, qui relève du droit privé (MEIER-HAYOZ, note 96 ad art. 664 CC; cf. GIACOMETTI, Allgemeine Lehren des rechtsstaatlichen Verwaltungsrechts, I, p. 571). Pour se prononcer sur la réclamation des demandeurs, il convient donc de se fonder sur la notion de dommage telle qu'elle est entendue en droit privé. Il est d'ailleurs douteux que le mot dommage ait une autre acception en droit public qu'en droit privé, maintes lois de droit public sur la responsabilité de l'Etat et de ses agents renvoyant aux règles du code des obligations sur la fixation du dommage (cf. par exemple la loi du 14 mars 1958 sur la responsabilité de la Confédération, des membres de ses autorités et de ses fonctionnaires, art. 9 al. 1). Quoi qu'il en soit, d'après la conception privatiste applicable ici, un dommage consiste dans la diminution d'un patrimoine, c'est-à-dire dans la différence entre le patrimoine actuel du lésé et celui qu'il aurait sans l'événement préjudiciable (RO 64 II 138, 87 II 291). Quand le lésé est frustré d'un profit qui doit être considéré comme usuel ou qu'il eût vraisemblablement réalisé suivant le cours ordinaire des choses, le dommage réside dans un manque à gagner (RO 82 II 401).
En l'espèce, abstraction faite des frais qu'ils ont assumés, les demandeurs n'ont pas subi un dommage tel qu'il vient d'être défini, pas même sous la forme d'un manque à gagner. D'une part, ils n'étaient pas propriétaires des poissons détruits, ni n'exerçaient sur eux un droit assimilable à celui de propriété puisqu'ils avaient renoncé à les pêcher en faveur des bénéficiaires de permis. Dès lors, ils ne peuvent invoquer la lésion d'un droit de propriété ni, en particulier, se prévaloir de la jurisprudence qui reconnaît au propriétaire d'une chose endommagée une prétention à une indemnité, même s'il conserve cet objet au lieu de le vendre avec perte (RO 64 II 138). D'autre part, il n'est pas question d'un manque à gagner. Non seulement les demandeurs
BGE 90 II 417 S. 425
n'ont pas soutenu ni prouvé qu'à la suite de la pollution de la Broye, ils auraient encaissé moins de taxes de permis qu'auparavant, mais encore, faute d'avoir jamais pêché ni fait pêcher pour leur compte, ils n'eussent tiré directement aucun profit des poissons détruits si leur existence s'était prolongée normalement. Sans doute n'est-il pas absolument exclu qu'en période de disette extraordinaire, l'Etat se livre lui-même à la pêche pour en distribuer le produit, mais cette hypothèse ne se serait certainement pas réalisée pendant la durée de vie probable des poissons qui ont péri. Peu importe que la faune piscicole soit une richesse latente, comme l'affirment les demandeurs. Pour qu'une atteinte à cette richesse crée un dommage proprement dit, il faut qu'elle se traduise par une diminution du patrimoine. Or, à défaut de violation d'un droit de propriété et en l'absence d'un manque à gagner, le patrimoine des demandeurs ne s'est pas réduit à concurrence de la contre-valeur des poissons détruits.
Selon MEIER-HAYOZ (note 96 ad art. 664 CC), l'Etat peut, en vertu de sa souveraineté sur les choses sans maître et le domaine public, non seulement repousser les atteintes portées à ces biens, mais aussi faire valoir un droit à des dommages-intérêts au cas où ils sont détériorés. Toutefois, si cet auteur par le d'une prétention à une indemnité, il ne précise pas les éléments du préjudice à réparer. Son opinion ne contredit donc pas les considérants précédents.
Dans un arrêt du 29 janvier 1914, le Tribunal fédéral a certes condamné une entreprise d'électricité dont les installations nuisaient au développement des poissons dans le Klöntalersee, à payer au canton de Glaris une indemnité annuelle destinée à assurer le maintien de la faune piscicole (arrêt Canton de Glaris c. Kraftwerke Beznau-Löntsch AG, cité dans la Zentralblatt für Staats- und Gemeindeverwaltung 15 p. 37). Cependant, l'Etat se fondait dans ce litige sur les conditions d'une autorisation qu'il avait accordée aussi bien que sur la régale de la pêche. Il se trouvait donc dans une situation plus favorable que les demandeurs
BGE 90 II 417 S. 426
actuels, de sorte que cet arrêt ne saurait être déterminant en l'espèce.
4.
Les cantons réclamant à tort la contre-valeur des poissons détruits, il convient de se demander s'ils ont droit néanmoins au prix des bêtes qui, sans l'empoisonnement de la rivière, y eussent été normalement pêchées. L'inspecteur fédéral de la pêche et les experts désignés par le juge répondent affirmativement à cette question. Leur manière de voir se heurte pourtant aux objections qui ont été exposées. En premier lieu, les demandeurs n'étaient pas plus propriétaires des poissons dont les pêcheurs se seraient vraisemblablement emparés que des autres bêtes qui ont péri. Secondement, comme ils ne pêchent pas eux-mêmes ni ne font pêcher pour leur compte, ils n'auraient pas tiré parti du produit ordinaire de la pêche. Ils ne peuvent pas dès lors exiger la contre-valeur d'une fraction quelconque de la faune disparue.
Assurément, si les demandeurs avaient affermé, soit concédé le droit de pêche sur le tronçon empoisonné, les concessionnaires auraient pu réclamer avec succès, à titre de dommages-intérêts, le prix du poisson que la pollution les eût empêchés de capturer. Toutefois, leur action n'eût été accueillie que dans la mesure où ils auraient pêché ou fait pêcher pour eux, c'est-à-dire où ils eussent été lésés. En revanche, faute de dommage, une telle prétention des cantons concédants aurait été rejetée. Or, en l'espèce, où ils se sont bornés à délivrer des permis de pêche, les demandeurs ne sauraient avoir plus de droits qu'un concédant.
Bien que les experts officiels fassent état de principes auxquels ils attribuent une autorité internationale, il ne s'ensuit pas que leur opinion doive être retenue ici. On ignore si elle se fonde sur l'avis d'hommes de science ou celui de juristes, sur des arrangements amiables ou des décisions judiciaires, sur la liquidation de prétentions émises par des personnes privées ou sur la solution de procès intentés par des collectivités publiques. Il est significatif que, dans un exposé de jurisprudence allemande au sujet des atteintes
BGE 90 II 417 S. 427
au droit de pêche, tous les jugements cités se rapportent à des réclamations de particuliers ou d'associations privées (Recht der Landwirtschaft, vol. 7 p. 289 ss., vol. 8 p. 38 ss., 124 ss. et 320 ss.). Il est exclu de s'en inspirer en l'occurrence, où la demande émane de deux cantons détenteurs de la régale de la pêche.
Enfin, peu importe qu'aux termes de l'art. 30 al. 2 de la loi fribourgeoise du 17 mai 1961, "l'Etat se constitue partie civile en vue d'obtenir les indemnités qui lui sont dues pour les frais de réempoissonnement, de perte de rendement piscicole, d'estimation et de taxation". Entrée en vigueur après la pollution de la Broye, cette disposition ne s'applique pas en l'espèce. Au surplus, si elle permet à l'Etat d'actionner en dommages-intérêts pour perte de rendement, c'est en qualité de partie civile. Elle ne saurait donc lui conférer une prétention que le droit civil fédéral ne reconnaît pas.
5.
Subsidiairement, les demandeurs réclament 142 000 fr., soit le montant que l'inspecteur fédéral de la pêche estime leur être dû et qui comprend, selon ses calculs, 88 000 fr. de frais de repeuplement. Il faut par conséquent examiner si les cantons ont droit au remboursement de ces frais.
A la suite de l'empoisonnement de la Broye, les deux cantons y ont immergé des alevins (truitelles, ombrettes et estivaux): celui de Fribourg pour 24 113 fr. en 1960 et 3683 fr. 50 en 1961; celui de Vaud pour 7125 fr. 76 en 1960 et 13 453 fr. 41 en 1961; l'un et l'autre pour 48 375 fr. 67 au total. Il s'agit là d'une diminution de patrimoine, dont l'importance n'est en elle-même pas contestée. Elle ne peut cependant être mise à la charge des défenderesses que si elle se trouve dans un rapport de causalité adéquate avec leur comportement, c'est-à-dire si elle a eu lieu pour la sauvegarde d'intérêts justifiés. Or, en principe, cette condition est réalisée. Sans doute les demandeurs ne pouvaientils être contraints par les titulaires de permis à repeupler la rivière. Il n'en est pas moins vrai que, ce faisant, ils ont agi à des fins légitimes. D'un côté, ils encourageaient les
BGE 90 II 417 S. 428
pêcheurs à renouveler leurs permis et visaient un but fiscal. D'un autre côté, tout en cherchant à reconstituer une richesse naturelle que les législations fédérale et cantonale sur la pêche veillent à conserver, ils assuraient aux pêcheurs, soit à une partie non négligeable de la population, la possibilité de compléter leurs ressources ou du moins de se livrer à un passe-temps; ainsi, ils se sont inspirés également de considérations d'intérêt public. Dès lors, en principe, ils réclament avec raison le remboursement du prix des alevins mis à l'eau. Toutefois, leur prétention n'est admissible que dans la mesure où elle porte sur des frais nécessaires au rétablissement de l'état antérieur et excédant le coût des mesures ordinaires de repeuplement. Par conséquent, les experts évaluant ces frais à 40 848 fr., c'est à concurrence de ce montant que les demandeurs doivent être dédommagés... Les cantons ont au surplus répandu dans la Broye 575 kg. de truites de mesure immédiatement pêchables, qu'ils ont payées 5910 fr. Inopportune au point de vue piscicole, cette opération se justifiait pourtant pour les mêmes motifs que l'immersion des alevins. Bien qu'ils ne fussent pas obligés de céder aux réclamations des pêcheurs, les cantons ne pouvaient faire moins que de jeter à la rivière une quantité de truites qui représente à peine la moitié des salmonidés ordinairement pêchés en une année. Dans ces conditions, le prix des truites doit être entièrement remboursé ... | public_law | nan | fr | 1,964 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
1a03682f-9bdb-406a-bff8-7aeddccbb4c8 | Urteilskopf
107 Ib 1
1. Sentenza della II Corte civile del 10 giugno 1981 nella causa B. c. Consiglio di Stato del Cantone Ticino (ricorso di diritto amministrativo) | Regeste
Art. 10 BüG
; Verlust des Schweizer Bürgerrechts durch das im Ausland geborene Kind eines ebenfalls im Ausland geborenen Schweizer Bürgers.
Begriff der Meldung im Sinne von
Art. 10 Abs. 1 BüG
.
Die Verbindung mit der Schweiz muss sich auf eine Willensäusserung des Kindes oder seiner gesetzlichen Vertreter stützen können. Fehlen dieser Voraussetzung im vorliegenden Fall. | Sachverhalt
ab Seite 1
BGE 107 Ib 1 S. 1
A.B. nacque il 18 aprile 1916 in Italia da B.B., attinente di C. (Cantone Ticino), nato in Italia, e da A.A., di origine italiana, divenuta svizzera per matrimonio.
I coniugi B. avevano avuto altri tre figli: E. e F., nati entrambi in Italia, e G. nato a L. (Cantone Ticino).
B.B. figura iscritto nel registro delle famiglie di C. assieme ai tre figli E., G. e F. Non vi figura invece iscritta la figlia A., la cui nascita non fu mai notificata al comune di origine del padre.
Con sentenza 8 febbraio 1924 del Pretore ticinese competente fu pronunciato il divorzio dei coniugi B. A. fu affidata alla madre. Il 10 maggio 1924 il Tribunale di appello confermò il giudizio del Pretore. Il dispositivo della sentenza fu comunicato d'ufficio agli Uffici di stato civile di O. (Italia), C. e L. (Cantone Ticino).
BGE 107 Ib 1 S. 2
L'8 ottobre 1976 A.B. notificò la propria nascita al comune di C. ai fini dell'iscrizione nel registro delle famiglie. Successivamente, il 21 dicembre 1977, il competente Consolato generale di Svizzera in Italia annotò sull'atto di famiglia presentatogli che A.B. non era cittadina svizzera, la perdita della cittadinanza essendo intervenuta a mente dell'
art. 10 LCit
.
Dopo che la Direzione cantonale dello stato civile aveva confermato il punto di vista del Consolato generale, il Consiglio di Stato del cantone Ticino, con decisione 30 settembre 1980, dichiarò la perenzione della cittadinanza svizzera nei confronti di A.B.
Quest'ultima ha interposto ricorso di diritto amministrativo al Tribunale federale, chiedendo l'annullamento della decisione del Consiglio di Stato e l'accertamento della propria cittadinanza svizzera e ticinese, con attinenza nel comune di C.
Il Tribunale federale ha respinto il gravame.
Erwägungen
Considerando in diritto:
1.
L'
art. 10 LCit
. ha il seguente tenore:
"1. Il figlio nato all'estero da padre svizzero parimente nato all'estero perde la cittadinanza svizzera a ventidue anni compiuti se possiede ancora un'altra cittadinanza, a meno che, fino a questa età, non sia stato notificato a un'autorità svizzera in patria o all'estero, non si sia annunciato egli stesso o non abbia dichiarato per iscritto di voler conservare la cittadinanza svizzera.
2. ...
3. In particolare, è considerata come notificazione nel senso del capoverso 1 ogni comunicazione dei genitori, dei parenti o dei conoscenti intesa a far iscrivere il figlio nei registri del Comune di origine, a immatricolarlo o fargli rilasciare i documenti di legittimazione.
4. Chi, contro la sua volontà, non ha potuto annunciarsi o sottoscrivere una dichiarazione, in tempo utile, conformemente al capoverso 1, può farlo ancora validamente entro il termine di un anno a contare dal giorno in cui l'impedimento è cessato."
L'art. 57 cpv. 3 delle disposizioni finali e transitorie della LCit. prevede che, quando le condizioni di applicazione dell'art. 10 siano adempiute, le persone che hanno più di ventidue anni alla data dell'entrata in vigore della legge oppure avranno ventidue anni l'anno successivo a quello dell'entrata in vigore perdono la cittadinanza svizzera qualora non provvedano entro il termine di un anno a fare la notificazione o la dichiarazione previste in detto articolo.
BGE 107 Ib 1 S. 3
Infine, giusta l'
art. 21 LCit
., chi abbia omesso, per motivi scusabili, di notificarsi o di fare la dichiarazione scritta conformemente all'art. 10 e ha di conseguenza perduto la cittadinanza svizzera per perenzione, può essere reintegrato. La domanda deve essere presentata entro il termine di dieci anni a contare dalla perenzione.
2.
La LCit. è entrata in vigore il 1o gennaio 1953. La ricorrente aveva da tempo compiuto i ventidue anni, per cui la perenzione della cittadinanza è intervenuta se nessuna notifica è stata effettuata prima del 31 dicembre 1953 (
art. 57 cpv. 3 LCit
.).
D'altra parte, il termine decennale dell'
art. 21 LCit
. è trascorso infruttuosamente il 31 dicembre 1963. La ricorrente ammette di non poter beneficiare di tale disposizione.
Infine, non si può seriamente sostenere che la ricorrente sia stata impedita contro la propria volontà di annunciarsi tempestivamente ad un'autorità svizzera. Il Tribunale federale ha già dichiarato che l'ignoranza delle norme della LCit. non costituisce un impedimento ai sensi dell'art. 10 cpv. 4 della legge (
DTF 91 I 382
). Resta da decidere se una notificazione sia avvenuta giusta il cpv. 1 dell'
art. 10 LCit
.
3.
La ricorrente sostiene che la comunicazione del dispositivo della sentenza di divorzio dei genitori agli Uffici di stato civile di C. e di L. costituirebbe una valida notificazione a mente dell'
art. 10 cpv. 1 LCit
.
È esatto che la legge non enumera tutte le circostanze suscettibili di essere considerate come valida notificazione. Lo si deduce già dalla locuzione "In particolare" che introduce il cpv. 3 dell'
art. 10 LCit
. Ma occorre pur sempre che ne risulti un vincolo, benché minimo, ed un attaccamento alla Svizzera, come è segnatamente il caso quando la famiglia notifichi la nascita del figlio ad una rappresentanza svizzera all'estero o ad un'autorità in patria, oppure quando il figlio si immatricoli presso un consolato svizzero, chieda dei documenti o manifesti in altro modo la propria intenzione di rimanere svizzero (Messaggio del Consiglio federale del 9 agosto 1951, FF 1951 pag. 893 segg., in particolare pagg. 919-920).
Nello stesso senso si sono espressi i relatori delle commissioni durante la discussione della legge in Parlamento (Boll. sten. CN 1951 pagg. 801-802 e CS. 1952 95-96). Il vincolo con la patria e l'attaccamento a quest'ultima devono potersi fondare su una manifestazione di volontà dell'interessato o dei suoi rappresentanti legali. Ora, gli unici segni
BGE 107 Ib 1 S. 4
di attaccamento invocati dalla ricorrente consistono nel fatto che essa fu menzionata, ai fini del proprio affidamento, negli atti della causa di divorzio dei genitori promossa davanti al Pretore, e che la pronuncia del divorzio fu notificata d'ufficio dall'autorità giudiziaria agli uffici di stato civile di C., luogo d'origine del padre, e di L. Ma la semplice menzione nella causa di divorzio dei genitori di un figlio minorenne, ai fini dell'attribuzione della potestà parentale e della regolamentazione dell'obbligo di mantenimento, anche se avvenuta davanti a un tribunale svizzero, non ha nessun rapporto con la cittadinanza, non implica minimamente la manifestazione di un vincolo di attaccamento alla Svizzera e la volontà di far valere la cittadinanza svizzera, né può considerarsi una valida notificazione ai sensi dell'
art. 10 cpv. 1 LCit
. Quanto alla comunicazione d'ufficio della sentenza di divorzio, essa riguarda unicamente l'iscrizione della modifica dello stato civile dei genitori sul figlio aperto al padre nel registro delle famiglie del comune di attinenza. Non se ne può dedurre una richiesta di iscrizione della figlia nel registro in questione o una qualsiasi rivendicazione a suo favore della cittadinanza svizzera. Persino la notifica della nascita alle autorità locali estere e l'informazione d'ufficio da parte di queste ultime delle autorità di stato civile svizzere è ritenuta insufficiente, nel messaggio del Consiglio federale (loc.cit. pag. 920), ai fini della conservazione della cittadinanza svizzera.
Per il resto, è incontestato che la ricorrente è sempre vissuta in Italia, ove è sempre stata considerata cittadina italiana, e non è mai stata in possesso di un documento di identità svizzero. Figlia nata all'estero da padre svizzero pure nato all'estero, la ricorrente, che è in possesso di una cittadinanza estera, ha quindi perso la cittadinanza svizzera, in assenza di una valida notificazione ai sensi dell'
art. 10 cpv. 1 e 3 LCit
. | public_law | nan | it | 1,981 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
1a04dcc5-3289-4b3e-a151-43abff35644b | Urteilskopf
82 III 40
15. Entscheid vom 19. Januar 1956 i. S. Hog. | Regeste
Ausländerarrest (
Art. 271 Abs. 1 Ziff. 4 SchKG
).
Gültige Arrestprosequierung a) durch Klageanhebung am Arrestort binnen gesetzlicher Frist, b) nach Rückweisung dieser Klage wegen örtlicher Unzuständigkeit des Gerichtes, weil der aufrechtstehende Schuldner schon vor der Klageanhebung seinen Wohnsitz in die Schweiz, und zwar in einen andern Kanton, verlegt hatte: durch neue Klage am Wohnorte des Schuldners währendder gegen den Rückweisungsentscheid laufenden Appellationsfrist.
-
Art. 59 BV
,
Art. 278 Abs. 2 SchKG
. | Sachverhalt
ab Seite 41
BGE 82 III 40 S. 41
A.-
Gegen die damals in Villingen (Deutschland) wohnende Rekurrentin liess Charles Glanzmann am 21./22. April 1955 in Nidau Gegenstände im Schätzungswert von Fr. 650.-- für eine Forderung von Fr. 7000.-- aus Verlöbnisbruch mit Arrest belegen. Zu dessen Prosequierung hob er in Nidau Betreibung an, und da die Schuldnerin am 10. Mai Recht vorschlug, stellte er am 14. Mai beim Gerichtspräsidenten von Nidau das Gesuch um Ladung zum Aussöhnungsversuch. Dieser fand am 9. Juni statt und verlief fruchtlos, worauf Glanzmann gleichen Tages die Klage beim Amtsgericht von Nidau einreichte. Indessen hatte die Schuldnerin sich am 18. Mai wieder in der Schweiz niedergelassen und in Corcelles, Kanton Neuenburg, Wohnsitz genommen. Mit Hinweis hierauf erhob sie gegen die in Nidau erhobene Klage die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit, mit dem Erfolge, dass das Amtsgericht von Nidau die Klage mit Urteil vom 28. Oktober 1955 ohne Prüfung der Begründetheit zurückwies. Glanzmann appellierte nicht, sondern reichte noch am selben Tage beim Kantonsgericht Neuenburg Klage ein.
BGE 82 III 40 S. 42
B.-
Am 15. November 1955 teilte das Betreibungsamt Nidau den Parteien mit, es betrachte den in Nidau erwirkten Arrest als dahingefallen, weil er nicht binnen gesetzlicher Frist durch Klage beim zuständigen Gericht prosequiert worden sei. Auf Beschwerde des Gläubigers hob die kantonale Aufsichtsbehörde die angefochtene Verfügung mit Entscheid vom 16. Dezember 1955 auf, im wesentlichen aus folgenden Gründen: Abweichend von der frühern Rechtsprechung, wonach nur eine beim zuständigen Gericht erhobene Klage als zur Arrestprosequierung geeignet betrachtet wurde (
BGE 44 III 179
,
BGE 49 III 64
), lässt die neuere Rechtsprechung als Prosequierungsakt auch eine mangelhafte oder unzuständigen Orts eingereichte Klage gelten, sofern der Mangel entweder noch während der Prosequierungsfrist behoben wird oder die Klage infolge Benutzung einer vom kantonalen Prozessrecht vorgesehenen Nachfrist hängig bleibt (
BGE 75 III 73
). Diese Voraussetzung trifft nun nach Art. 163 der bernischen ZPO zu, wie im Anschluss an das zuletzt erwähnte Bundesgerichtsurteil entschieden wurde (Zeitschrift des bernischen Juristenvereins 86 S. 467). Darauf kann sich der Gläubiger im vorliegenden Falle freilich nicht berufen, da die Klage gar nicht bei einem andern bernischen Richter. sondern in einem andern Kanton anzubringen war. Allein das neuenburgische Recht enthält in
Art. 168 ZPO
eine entsprechende Vorschrift, wonach die Rechtshängigkeit fortbesteht, wenn die neue Klage beim zuständigen Richter binnen zehn Tagen seit der Rückweisung eingereicht wird. Man kann die eine wie die andere dieser Vorschriften sehr wohl dahin auslegen, dass die Rechtshängigkeit unter derselben Voraussetzung als fortbestehend gilt, wenn sie zunächst in einem andern Kanton begründet wurde. "Jedenfalls wäre es überaus stossend, wenn die sowohl im bernischen wie im neuenburgischen Prozessrecht vorgesehene Nachfrist zwar wirksam würde, wenn die Klage innerhalb des gleichen Kantons zurückgewiesen und innert der Nachfrist neu angebracht wird, nicht aber, wenn die
BGE 82 III 40 S. 43
Klage im einen Kanton zurückgewiesen und innert der Nachfrist im andern neu angebracht wird." Übrigens war die Klage, als sie in Neuenburg neu angebracht wurde, bei den bernischen Gerichten auf alle Fälle noch hängig, da das Rückweisungsurteil des Amtsgerichtes von Nidau der Appellation unterlag. Und endlich steht nichts im Wege, eine freilich auf zehn Tage zu verkürzende Nachfrist analog
Art. 139 OR
von Bundesrechts wegen für die Arrestprosequierung nach
Art. 278 SchKG
gelten zu lassen.
C.-
Diesen Entscheid zieht die Schuldnerin an das Bundesgericht weiter mit dem Antrag, der am 22. April 1955 in Nidau gelegte Arrest sei als dahingefallen zu erklären, und die Arrestgegenstände seien freizugeben.
Die Rekurrentin hält die beim örtlich unzuständigen Gericht in Nidau eingereichte Klage für unbeachtlich. Es falle einzig die in Neuenburg erfolgte Klageanhebung in Betracht, die wegen Fristversäumung den Arrest nicht wirksam zu prosequieren vermocht habe. Die Wirkungen von Art. 163 der bernischen ZPO liessen sich nicht auf das neuenburgische Prozessrecht erstrecken. Und da die Rechtskraft des in Nidau gefällten Urteils mangels Appellation auf den Tag der Urteilsfällung zurückzubeziehen sei, habe bei Einleitung des Verfahrens m Neuenburg keine Rechtshängigkeit mehr bestanden. "Die Überbrückung dieser interkantonalen Schwierigkeiten durch Anwendung von
Art. 139 OR
" gehe nicht an. Diese Bestimmung diene andern Zwecken und lasse sich nicht durch Verkürzung der Frist auf zehn Tage in das System der Arrestprosequierung einfügen.
Erwägungen
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
1.
Dass der am 21./22. April 1955 in Nidau gestützt auf
Art. 271 Ziff. 4 SchKG
erwirkte Arrest nun wegen Hinfalles des Arrestgrundes durch die am 18. Mai 1955 erfolgte Wohnsitznahme in der Schweiz ohne weiteres
BGE 82 III 40 S. 44
dahingefallen sei, hat die Schuldnerin nicht geltend gemacht. Dies würde denn auch der herrschenden Ansicht widersprechen, die es nicht einmal zulässt, dass ein im Lauf eines Arrestaufhebungsprozesses eingetretener Hinfall des Arrestgrundes berücksichtigt wird (vgl.
BGE 54 III 143
). Auf keinen Fall wären die Betreibungsbehörden befugt, einen Arrest aus diesem Gesichtspunkte nachträglich aufzuheben. Denn über die mit dem Arrestgrunde zusammenhängenden Fragen hat ausschliesslich zunächst die Arrestbehörde und sodann der Richter im Arrestaufhebungsprozesse zu befinden.
2.
Zu entscheiden ist somit einzig, ob der in Nidau gelegte Arrest durch die beim dortigen Gericht eingereichte Klage wirksam gemäss
Art. 278 Abs. 2 SchKG
prosequiert wurde. Nach der frühern Rechtsprechung wäre dies zu verneinen, da die Schuldnerin zwar erst nach Einleitung des Aussöhnungsverfahrens, aber noch vor Einreichung der Klage beim Amtsgericht und damit vor Begründung der Rechtshängigkeit nach Art. 160 der bernischen ZPO, im Kanton Neuenburg Wohnsitz genommen hatte und infolgedessen als "aufrechtstehende Schuldnerin" der Garantie des Wohnsitzgerichtsstandes nach
Art. 59 BV
teilhaftig geworden war (
BGE 40 I 499
). Nach der neuern Rechtsprechung ist dagegen auch eine unzuständigen Orts eingereichte Klage zur Arrestprosequierung geeignet, sofern sie alsdann noch während fortbestehender Rechtshängigkeit beim zuständigen Richter angebracht wird (
BGE 75 III 73
). Und das Fortbestehen der Rechtshängigkeit nach dem Rückweisungsentscheid kann sich aus einer im kantonalen Prozessrecht vorgesehenen Nachfrist ergeben. Davon geht der angefochtene Entscheid zutreffend aus. Er lässt dem Gläubiger die Wirkungen der Nachfrist zugute kommen, wie sie übereinstimmend im bernischen und im neuenburgischen Prozessrechte vorgesehen ist. Dieser Betrachtungsweise hält die Rekurrentin entgegen, es gehe nicht an, die beiden Prozessordnungen in solcher Weise miteinander zu verbinden. Die vorliegenden
BGE 82 III 40 S. 45
Akten erlauben nicht, über diese Frage zu entscheiden. Ob sich Art. 168 der neuenburgischen ZPO auch auf den Fall einer zunächst bei einem unzuständigen Richter eines andern Kantons angebrachten Klage beziehen lässt, ist seinem Wortlaut nicht zu entnehmen. Darüber spricht sich auch die vom Gläubiger vorgelegte Bescheinigung des greffier du Tribunal cantonal vom 25. November 1955 nicht aus. Wie dem aber auch sein möge, ist dem angefochtenen Entscheide darin beizustimmen, dass es einer solchen Nachfrist gar nicht bedurfte, um die in Nidau angebrachte Klage nach dem Rückweisungsentscheide des Amtsgerichts noch hängig bleiben zu lassen. Sie blieb während der Appellationsfrist ohnehin hängig, bis zum allfälligen Verzicht auf Appellation, wie er eben erst in der Einreichung einer neuen Klage in Neuenburg enthalten war. Somit bestand die Rechtshängigkeit ohne Unterbrechung fort, gleichwie wenn die neue Klage schon vor dem Urteil des Amtsgerichts Nidau über die Zuständigkeitseinrede vorsorglich in Neuenburg angebracht worden wäre. Die Rückdatierung der Rechtskraft auf den Tag der Urteilsfällung nach Art. 334 der bernischen ZPO vermag, wie der angefochtene Entscheid richtig bemerkt, nichts daran zu ändern, dass die Streitsache im Zeitpunkt der Klageanhebung in Neuenburg noch bei den bernischen Gerichten hängig gewesen war. In der Tat kann einer solchen Fiktion des Datums der Rechtskraft nicht die Bedeutung zukommen, Rechtsakte einer Partei ungültig zu machen, die sie während der Appellationsfrist wegen der damals andauernden Rechtshängigkeit gültig hatte vornehmen können.
Der Rekurs erweist sich somit als unbegründet, ohne dass zur Frage der Anwendbarkeit von
Art. 139 OR
, die in
BGE 75 III 73
verneint wurde, Stellung zu nehmen wäre.
Dispositiv
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird abgewiesen. | null | nan | de | 1,956 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
1a05e9d0-c17d-4463-a8b5-277010884693 | Urteilskopf
105 Ia 237
46. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit public du 4 mai 1979 en la cause Section de La Neuveville-Plateau de Diesse d'Unité jurassienne et Alain Gagnebin contre Conseil-exécutif du canton de Berne (droit public) | Regeste
Fehler bei der Drucklegung von Stimmzetteln; Annullierung des ganzen Urnengangs.
- Das Bundesgericht prüft die Anwendung kantonaler Bestimmungen über die Gültigkeit abgegebener Stimmen frei (E. 2).
- Auslegung von Art. 11 Abs. 4 des bernischen Gesetzes über die Volksabstimmungen und Wahlen: Die offiziell eingereichte Wahlliste darf nicht durch ein Vervielfältigungsverfahren geändert werden. Verstösst die Ungültigerklärung lediglich der fehlerhaften Wahlzettel, wie sie vom kantonalen Recht vorgesehen ist, gegen den Grundsatz der wenn der Fehler unbedeutend ist und die Ungültigerklärung eine erhebliche Beeinträchtigung der Ermittlung des Volkswillens bewirkt? (Frage offen gelassen.) Eine Wiederholung des Urnengangs verstiesse jedenfalls nicht gegen Bundesrecht, wenn ein Formfehler, der die Ungültigerklärung von Wahlzetteln zur Folge hat, einen bedeutenden Teil des Wahlkörpers daran hinderte sich zu äussern, ohne dass ihn ein Verschulden träfe (E. 3). | Sachverhalt
ab Seite 238
BGE 105 Ia 237 S. 238
En vue de l'élection de l'assemblée des délégués de la Collectivité de droit public du Jura bernois du 17 décembre 1978, les conseils municipaux des communes du district de La Neuveville ont déposé une liste de quatre candidats: 1. Marty, 2. Guillaume, 3. Racine, 4. Schertenleib. Toutefois, par suite d'une erreur de l'imprimeur qui a classé les candidats dans l ordre alphabétique des communes, la liste imprimée que les conseils municipaux ont mis à disposition des électeurs indiquait les candidats dans l'ordre suivant: 1. Guillaume, 2. Racine, 3. Marty, 4. Schertenleib.
Le 22 décembre 1978, la section de La Neuveville-Plateau de Diesse d'Unité jurassienne, association selon les art. 60 ss. CC, et Alain Gagnebin, citoyen actif domicilié à La Neuveville, ont présenté une réclamation au préfet du district, en demandant que soient déclarées nulles toutes les listes du groupe des conseils municipaux, utilisées par les électeurs, "éventuellement" que les élections soient annulées.
Le 8 janvier 1979, le préfet a admis la réclamation, annule l'élection et ordonné une nouvelle élection. Après enquête, il a constaté que l'erreur provenait d'un malentendu entre le responsable de la liste et l'imprimeur; il n'y avait eu ni tentative de fraude électorale, ni manoeuvre malveillante, les électeurs ayant utilisé ces listes en toute bonne foi. Dans de telles conditions, une annulation des seules listes défectueuses aurait pour effet de déformer la volonté du corps électoral.
Par arrêté du 31 janvier 1979, le Conseil-exécutif du canton de Berne a rejeté un recours dirigé contre la décision du préfet.
BGE 105 Ia 237 S. 239
Il a notamment considéré, que la conclusion "éventuelle" adressée au préfet était subsidiaire et que c'était à juste titre, conformément à la jurisprudence fédérale (
ATF 102 Ia 268
), que le préfet avait annulé l'élection.
La section de La Neuveville-Plateau de Diesse d'Unité jurassienne et Alain Gagnebin ont formé un recours de droit public contre cet arrêté. Se fondant sur les
art. 85 lettre a OJ
et 4 Cst., ils ont demandé de déclarer nuls tous les bulletins de vote du groupe des conseils municipaux.
Erwägungen
Considérant en droit:
2.
Saisi d'un recours fondé sur l'
art. 85 lettre a OJ
, le Tribunal fédéral examine librement le droit constitutionnel, ainsi que le droit cantonal précisant l'étendue et le contenu du droit de vote ou étant avec lui dans un rapport étroit (
ATF 103 Ia 155
,
ATF 101 Ia 232
et arrêts cités).
Dans l'arrêt Bouille contre Conseil d'Etat du canton de Berne, du 15 septembre 1954 (ZBl 1954, p. 452) et dans l'arrêt Zwissig et consorts contre Conseil d'Etat du canton du Valais, du 15 mars 1961 (publié en extrait aux
ATF 87 I 1
), où des bulletins de vote imprimés avaient interverti des candidats par rapport à la liste officiellement déposée, le Tribunal fédéral avait considéré que la contestation - relative à la validité ou la nullité de ces bulletins - ne concernait pas le contenu et l'étendue du droit de vote, si bien qu'elle ne devait être examinée que sous l'angle de l'arbitraire. En revanche, dans l'arrêt Vonarburg contre Conseil d'Etat du canton de Fribourg, du 30 novembre 1977 (publié partiellement aux
ATF 103 Ia 564
), où il était aussi question de la nullité de certains bulletins électoraux sur la base du droit cantonal, le Tribunal fédéral a examiné librement l'application de ce dernier.
En l'occurrence, la contestation a pour objet l'annulation de toute l'élection dans le district; ayant trait à la validité des suffrages exprimés, les dispositions invoquées du droit cantonal précisent l'étendue et le contenu du droit de vote exprimé par ces suffrages, ou sont à tout le moins en rapport étroit avec lui. Le Tribunal fédéral doit donc examiner librement aussi l'application du droit cantonal.
3.
Les recourants se prévalent d'une violation de l'art. 11 al. 4 de la loi bernoise concernant les votations et élections
BGE 105 Ia 237 S. 240
populaires (LVE) et des instructions de la Chancellerie d'Etat. A leur avis, la seule sanction légale possible était l'annulation des bulletins viciés et non celle de toute l'élection. Au demeurant, la solution choisie par le Conseil-exécutif créerait l'insécurité juridique et l'arbitraire, car on ne saurait pas dans quels cas devrait intervenir l'une ou l'autre sanction. La bonne foi de l'électeur ne serait pas un critère déterminant, car d'autres bulletins seraient aussi annulés pour vice de forme, que l'électeur ait été ou non de bonne foi. Un certain formalisme serait nécessaire au bon déroulement des élections.
a) L'art. 11 al. 4 LVE dispose qu'il est interdit de modifier une liste par un moyen de reproduction mécanique. Les bulletins modifiés de cette façon n'entrent pas en ligne de compte.
Le texte allemand de cette disposition est le suivant:
"Jede Veränderung eines Wahlvorschlages durch ein Vervielfältigungsverfahren ist unzulässig; solche Wahlzettel werden nicht in Berücksichtigung gezogen."
En outre, en novembre 1978, la Chancellerie d'Etat du canton de Berne a édicté, en vue de l'élection de l'assemblée des délégués du Jura bernois, un guide à l'intention des bureaux de vote concernant le mode de procéder au dépouillement. On peut y lire notamment:
"Sont nuls:
(...)
3.3. Les bulletins non officiels imprimés ou établis selon un moyen de reproduction mécanique et non conformes à l'une des listes officielles quant à l'ordre des candidats, ou présentant des suppressions, modifications ou adjonctions qui ne sont pas manuscrites;
3.4. Les bulletins officiels présentant, quant à l'ordre des candidats, des modifications non manuscrites de la proposition officielle."
(...)
b) En matière de votations et d'élections, des règles de forme simples et strictes sont sans doute nécessaires pour que la volonté populaire puisse s'exprimer clairement et que le contrôle puisse en être exercé aisément. Sous cette réserve, le formalisme exagéré y est aussi prohibé et le droit fédéral s'oppose à une sanction disproportionnée à l'intérêt à protéger (
ATF 103 Ia 283
, à propos des exigences de forme quant à l'identité des signataires d'un référendum ou d'une initiative).
S'il semble résulter du texte français de l'art. 11 al. 4 LVE que la "liste" ne devant pas être modifiée par un moyen de
BGE 105 Ia 237 S. 241
reproduction mécanique serait un document écrit, soit un bulletin de vote, il ressort au contraire du texte allemand que c'est le "Wahlvorschlag", soit la liste déposée officiellement, qui doit être recopiée fidèlement dans les bulletins établis par "Vervielfältigungsverfahren", soit par un procédé permettant de reproduire plusieurs exemplaires semblables. C'est apparemment dans ce dernier sens que la loi a toujours été appliquée, si l'on en juge d'après l'arrêt Bouille, déjà cité, et les instructions de la Chancellerie. L'ordre de la procédure électorale et les nécessités du contrôle justifient aussi en soi une telle exigence.
c) En revanche, on peut se demander si la sanction - la nullité - que la loi attache à toute inobservation de la règle, quelles qu'en soient les conditions, est proportionnée à l'intérêt à sauvegarder. Dans l'arrêt Bouille (ZBl 1954, p. 452), le Tribunal fédéral a considéré qu'il n'était pas arbitraire de la part du Grand Conseil bernois d'appliquer la loi et de prononcer la nullité de bulletins de vote imprimés par les partis, comportant dans l'ordre des candidats des modifications par rapport aux listes déposées officiellement (cf. dans le même sens Grand Conseil de Saint-Gall, le 15 mai 1951, ZBl 1952, p. 140). Dans l'arrêt Zwissig, déjà cité (
ATF 87 I 1
), le Tribunal fédéral a considéré que, face à une loi cantonale qui prévoyait expressément la nullité des "bulletins de vote imprimés, non conformes à l'une des listes officiellement publiées", il n'était à tout le moins pas arbitraire de ne pas prononcer la nullité de bulletins imprimés comportant l'interversion de l'ordre de deux candidats, par suite d'une inadvertance. Le Tribunal fédéral a considéré que conformité n'était pas égal à identité et que l'interversion de deux noms était une "simple erreur matérielle sans importance", à moins que cette différence ait été volontaire et destinée à exercer un contrôle du vote, auquel cas elle pourrait entraîner la nullité du bulletin. La question se pose de savoir si, dans le cadre d'un examen libre de la loi, cette solution ne devrait pas aussi être retenue. En effet, l'intérêt à protéger est celui du peuple à obtenir une représentation conforme au désir exprimé lors de l'élection et l'intérêt général commande également une telle solution; des nullités pour vice de forme, affectant des bulletins de vote, sans que les électeurs qui les utilisent aient pu s'en rendre compte, empêchent ceux-ci d'exercer utilement leur droit de vote; vraisemblablement destinées à pénaliser les partis responsables, elles atteignent tout
BGE 105 Ia 237 S. 242
autant le citoyen dans son droit de suffrage; la disproportion frappe d'autant plus que l'informalité est mineure et que le nombre des bulletins viciés est grand. C'est ainsi, en l'occurrence, qu'il apparaîtrait peu satisfaisant qu'on puisse annuler plus du tiers des suffrages exprimés de bonne foi dans la circonscription électorale, du seul chef d'une inadvertance mineure commise par l'imprimeur, qui a échappé aux auteurs de la liste, à l'autorité et aux autres partis.
On peut certes envisager d'autres sanctions propres à faire respecter la règle. Il n'est toutefois pas nécessaire de trancher la question. En effet, à supposer que l'informalité commise ne soit pas propre à entraîner la nullité des bulletins contestés, les recourants ne seraient pas lésés, car l'annulation de toute l'élection était conforme à leur seconde conclusion (considérée comme subsidiaire) adressée au préfet.
d) Dans l'hypothèse inverse, la nullité frappant certains bulletins n'aurait pas empêche l'autorité compétente d'annuler et de faire répéter toute l'élection. En effet, sanction prévue par le droit fédéral et prévalant au besoin sur celles du droit cantonal (art. 2 Disp. trans. Cst.), l'annulation complète permet de faire respecter le droit de vote garanti par la Constitution fédérale et tendant à réaliser qu'un vote soit le reflet fidèle et sûr de la libre volonté des citoyens (
ATF 103 Ia 281
consid. 1a et arrêts cités). A tout le moins lorsque des nullités de droit cantonal empêchent une partie importante de la population d'exprimer valablement sa volonté sans faute de sa part, comme en l'espèce, l'annulation de toute l'élection se justifie (PICENONI, Die Kassation von Volkswahlen und Volksabstimmungen in Bund, Kantonen und Gemeinden, thèse Zurich 1945, p. 56). La solution, du reste, n'est pas différente lorsque d'autres vices affectent des votes individuels dans une mesure non négligeable (
ATF 97 I 659
). Dans l'arrêt Vonarburg (
ATF 103 Ia 564
), la nullité de certaines listes a été prononcée, en vertu du droit cantonal, car les électeurs en cause n'apparaissaient pas de bonne foi et leur nombre était relativement restreint.
Dans ces conditions, c'est à juste titre que l'autorité cantonale a ordonné que l'élection soit renouvelée.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral:
Rejette le recours. | public_law | nan | fr | 1,979 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
1a0a778a-132d-41ef-9114-cd11f70259bc | Urteilskopf
107 Ia 168
33. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 1. September 1981 i.S. L. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn und Obergericht (Strafkammer) des Kantons Solothurn (staatsrechtliche Beschwerde) | Regeste
Art. 151 Abs. 2/35 Abs. 1 OG. Verspätete Leistung des Kostenvorschusses durch Erfüllungsgehilfen. Wiederherstellung gegen die Folgen der Versäumnis.
Art. 35 OG
lässt die Wiederherstellung nur zu, wenn weder der Partei noch ihrem Vertreter für die Versäumnis ein Vorwurf gemacht werden kann. Bedient sich die Partei oder ihr Vertreter zur Erfüllung der Kostenvorschusspflicht eines Erfüllungsgehilfen, so muss sie bzw. ihr Anwalt sich das Verhalten der Hilfsperson wie ein eigenes anrechnen lassen (
Art. 101 OR
). Hilfsperson ist dabei nicht nur, wer der Autorität der Partei oder ihres Vertreters untersteht, sondern jeder Erfüllungsgehilfe, auch wenn zu ihm kein ständiges Rechtsverhältnis besteht (E. 2a u. c). | Sachverhalt
ab Seite 168
BGE 107 Ia 168 S. 168
A.-
Mit Verfügung vom 22. Juni 1981 wurde L., die am 15. Juni 1981 gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Solothurn
BGE 107 Ia 168 S. 169
vom 15. Januar 1981 staatsrechtliche Beschwerde eingereicht hatte, vom Bundesgericht aufgefordert, bis zum 6. Juli 1981 einen Kostenvorschuss von Fr. 900.-- zu leisten. Da Frau L. nicht in der Lage gewesen wäre, diesen Betrag zu bezahlen, und sich ihre Haftpflichtversicherung, die Schweizerische National-Versicherung, bereit erklärt hatte, ihr insoweit beizustehen, setzte sich der Verteidiger telefonisch mit einem Vertreter der Versicherung in Verbindung und ersuchte ihn, den Betrag von Fr. 900.-- an die Bundesgerichtskasse zu überweisen, wobei es ihn darauf aufmerksam gemacht haben soll, dass der Betrag bis spätestens 6. Juli 1981 einbezahlt werden müsse. Am 24. Juni 1981 übermittelte der Anwalt der Versicherung die bundesgerichtliche Verfügung vom 22. Juni 1981 samt dem Einzahlungsschein der Bundesgerichtskasse und einem beigehefteten roten Avis. Am 9. Juli 1981 erhielt indes der Verteidiger der Frau L. mit der Post von der Schweizerischen National-Versicherung den Betrag von Fr. 900.-- mit dem Vermerk "Honorar Schadenfall vom 2.10.1979 13.79 L.C.B.". Die Versicherung hatte irrtümlich angenommen, der Anwalt werde den Betrag selber an die Bundesgerichtskasse einzahlen. Die Fr. 900.-- wurden gleichentags vom Verteidiger dem Bundesgericht überwiesen.
B.-
Mit Eingabe vom 22. Juli 1981 ersucht Frau L. um Wiederherstellung der Frist gemäss
Art. 35 OG
.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
2.
Nach
Art. 35 Abs. 1 OG
kann die Wiederherstellung gegen die Folgen der Versäumnis einer Frist nur dann erteilt werden, wenn der Gesuchsteller oder sein Vertreter durch ein unverschuldetes Hindernis abgehalten worden ist, innert Frist zu handeln.
a) Damit lässt das Gesetz die Wiederherstellung nur zu, wenn weder der Partei noch ihrem Vertreter ein Vorwurf gemacht werden kann. Bedient sich die Partei oder ihr Vertreter zur Erfüllung der Kostenvorschusspflicht eines Erfüllungsgehilfen, so ist ihr bzw. dem Anwalt das Verhalten der Hilfsperson wie ein eigenes zuzurechnen (
Art. 101 OR
); denn wer den Vorteil hat, Pflichten durch eine Hilfsperson erfüllen zu lassen, der soll auch die Nachteile daraus tragen (
BGE 96 I 164
,
BGE 94 I 251
,
BGE 90 II 21
,
BGE 87 IV 150
,
BGE 85 II 47
,
BGE 78 IV 133
). Hilfsperson ist dabei nicht nur, wer der Autorität der Partei oder ihres Vertreters untersteht (z.B. Angestellte des Anwalts), sondern jeder Erfüllungsgehilfe; ein ständiges
BGE 107 Ia 168 S. 170
Rechtsverhältnis zur Hilfsperson ist nicht nötig (BECKER, Kommentar, N. 9 ad
Art. 101 OR
; OSER/SCHÖNENBERGER, Kommentar, N. 5 zu
Art. 101 OR
).
b) Im vorliegenden Fall hatte der Verteidiger die Schweizerische National-Versicherung ersucht, den von seiner Klientin zu leistenden Kostenvorschuss direkt und innert Frist an die Bundesgerichtskasse zu zahlen. Die Weisung wurde der Versicherung telefonisch erteilt, von der Versicherung aber offensichtlich missverstanden mit der Folge, dass sie den Betrag von Fr. 900.-- am 9. Juli 1981 dem Anwalt überwies in der Annahme, dieser werde die Zahlung an das Bundesgericht leisten. Diese Tatsache macht deutlich, dass der Anwalt seiner Sorgfaltspflicht nicht genügt hat. Angesichts der Wichtigkeit der Rechtshandlung hätte er der Versicherung den Inhalt des Telefongesprächs schriftlich bestätigen und dabei unmissverständlich festhalten müssen, dass die Zahlung von ihr selber direkt an die Bundesgerichtskasse zu leisten sei. Der Umstand, dass der Anwalt der Versicherung die Verfügung des Bundesgerichts samt Einzahlungsschein zustellte, reichte offensichtlich nicht aus, um ein Missverständnis zu vermeiden; denn dass er bei dieser Gelegenheit schriftlich festgehalten hätte, der Vorschuss sei abmachungsgemäss unmittelbar von ihr an die Bundesgerichtskasse zu bezahlen, behauptet er selber nicht.
Wollte er aber von einer schriftlichen Bestätigung der telefonischen Abmachung absehen, so hätte er zumindest kurze Zeit vor Ablauf der Frist sich nochmals bei der Versicherung erkundigen müssen, ob sie den Kostenvorschuss gezahlt habe. Dazu bestand umsomehr Anlass, als Versicherungen - anders als Banken (s.
BGE 104 II 63
,
BGE 96 I 472
) - in solchen Angelegenheiten üblicherweise nicht als Erfüllungsgehilfen eingesetzt werden, weshalb nicht mit einer entsprechenden Erfahrung von ihrer Seite gerechnet werden konnte. Im vorliegenden Fall hat der Verteidiger auch eine solche Vorsichtsmassnahme unterlassen. Die Säumnis ist folglich auf sein eigenes Verschulden zurückzuführen.
c) Selbst wenn man aber annehmen wollte, er habe seiner persönlichen Sorgfaltspflicht genügt, d.h. dem Erfüllungsgehilfen eine unmissverständliche Weisung gegeben, wäre das Ergebnis kein anderes. Gemäss
Art. 101 OR
, welche Bestimmung nicht nur im rechtsgeschäftlichen Verkehr, sondern auch im Verkehr zwischen Privaten und Amtsstellen (z.B. Gerichten) anzuwenden ist (s.
BGE 94 I 251
in fine), müsste sich der Anwalt das diesfalls in der Missachtung einer klaren Anordnung bestehende Verhalten
BGE 107 Ia 168 S. 171
der Hilfsperson wie sein eigenes anrechnen lassen. Als eigenes Handeln des Verteidigers aber wäre ein solches ohne Zweifel schuldhaft (s. KELLER, Haftpflicht im Privatrecht, 3. Aufl. S. 316).
3.
Das Wiederherstellungsgesuch muss nach dem Gesagten abgewiesen werden. Entsprechend ist auf die staatsrechtliche Beschwerde mangels rechtzeitiger Leistung des Kostenvorschusses androhungsgemäss nicht einzutreten. | public_law | nan | de | 1,981 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
1a0b298e-545c-41b8-b6e2-2eb6a1d1d935 | Urteilskopf
111 Ib 9
3. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit public du 20 février 1985 dans la cause Konikoff contre Genève, Conseil d'Etat (recours de droit public) | Regeste
Art. 33 RPG
; Rechtsschutz.
Genfer Verfahren zur Änderung von Nutzungsplänen (E. 2b). Die Rechtsschutzbestimmungen des Bundes (
Art. 33 RPG
) sind für die Kantone verbindlich und gelten für alle Nutzungspläne, sowohl für die Rahmennutzungspläne (Zonenpläne) wie für die Sondernutzungspläne (Baulinienpläne, Überbauungspläne, Quartierpläne u.a.m.); im konkreten Fall somit auch für den örtlich begrenzten Nutzungsplan i.S. von Art. 3 des Genfer Raumplanungsgesetzes (E. 3). | Sachverhalt
ab Seite 10
BGE 111 Ib 9 S. 10
Daniel Konikoff est propriétaire, à Genève, de plusieurs parcelles formant un ensemble de 5030 m2 au nord de la route de Chêne, entre les chemins des Tulipiers et de Grange-Canal. En 1979, il soumit au Département des travaux publics du canton de Genève un projet de plan d'aménagement du quartier des Tulipiers (plan No 27454-202). La procédure d'adoption de ce plan fut toutefois interrompue en 1981, sur décision du Conseil d'Etat genevois, qui invita le Département à procéder d'abord à l'élaboration d'un plan directeur pour l'ensemble du quartier. Ce plan directeur fut mis à l'enquête publique du 17 juin au 18 juillet 1983, simultanément à un plan d'aménagement No 27634-202, dont le périmètre était le même que celui du projet Konikoff abandonné à la suite de la décision du Conseil d'Etat.
Par lettre du 15 juillet 1983 adressée au Département, Konikoff a fait opposition au plan d'aménagement No 27634-202, lui reprochant notamment d'être trop imprécis, de ne pas faire cas de la répartition des parcelles dans le secteur et de ne pas se préoccuper des nuisances résultant de l'ombre portée de certains bâtiments.
Préavisé favorablement par la Commission d'architecture cantonale et par le Conseil municipal de la ville de Genève, le plan fut approuvé le 12 mars 1984 par le Conseil d'Etat, qui l'a déclaré plan d'aménagement au sens de l'art. 3 de la loi générale sur les zones de développement du 29 juin 1957 (LZD).
BGE 111 Ib 9 S. 11
Konikoff a formé un recours de droit public pour violation des
art. 4, 22ter Cst.
et 2 disp. trans. Cst. Le Tribunal fédéral a admis le recours, en considérant notamment que si le recourant avait certes pu faire opposition au plan d'aménagement litigieux au cours de l'enquête publique, son opposition n'avait cependant pas donné lieu à un examen et à une décision par une "autorité de recours" au sens de l'
art. 33 LAT
et de la jurisprudence.
Erwägungen
Extrait des considérants:
2.
b) Le règlement transitoire genevois d'application de la loi fédérale sur l'aménagement du territoire, du 2 avril 1980, établit, à son chapitre 1er, la procédure à suivre pour modifier les plans d'affectation que l'art. 1er al. 1 définit comme étant ceux fixant les périmètres des zones de construction annexés à la loi sur les constructions et les installations diverses du 25 mars 1961 (LCI). Ces modifications sont de la compétence du Grand Conseil, qui les adopte à l'issue d'une procédure de préconsultation conforme à l'art. 12 LCI, puis d'une procédure d'opposition (art. 1er al. 2). L'avant-projet de loi élaboré par le Département cantonal des travaux publics est soumis à une enquête publique de 30 jours; simultanément, il est remis à la commune concernée pour être porté à l'ordre du jour du Conseil municipal. Pendant la durée de l'enquête, chacun peut prendre connaissance de l'avant-projet et adresser ses observations au Département. Ce dernier transmet les observations reçues à la commune qui doit communiquer son préavis dans un délai de 60 jours, son silence valant approbation sans réserve (art. 2). A l'issue de la procédure de préconsultation, le projet de loi est publié pendant 30 jours, délai au cours duquel toute personne touchée dans ses droits par le changement d'affectation peut déclarer son opposition au Conseil d'Etat (art. 3). Cette autorité transmet les oppositions au Grand Conseil qui statue à leur sujet en votant sur le projet (art. 4).
Le Tribunal fédéral a été appelé à se prononcer sur la constitutionnalité de ces dispositions et, en particulier, sur leur conformité avec l'
art. 33 al. 2 et 3 LAT
. Il a considéré que la procédure d'opposition instituée par les art. 3 et 4 du règlement était conforme au droit fédéral, l'opposition devant être assimilée à un recours au sens de l'
art. 33 al. 2 LAT
(
ATF 108 Ib 482
ss consid. 3).
BGE 111 Ib 9 S. 12
Le recourant ne remet pas en discussion cette jurisprudence. Il soutient cependant que la définition donnée par l'art. 1er du règlement à la notion de "plans d'affectation" est trop étroite, ce qui a pour conséquence de limiter excessivement la protection juridique prévue à l'
art. 33 al. 2 et 3 LAT
.
3.
Se déterminant sur la portée de la protection juridique instituée par l'
art. 33 LAT
, le Conseil d'Etat soutient en substance que cette disposition ne s'appliquerait qu'aux plans d'affectation généraux décrits aux
art. 15, 16 et 17 LAT
, à l'exclusion des plans d'affectation spéciaux qu'il est loisible aux cantons de prévoir sur la base de l'
art. 18 LAT
. L'autorité cantonale se réfère à cet égard au passage suivant du Message du Conseil fédéral du 27 février 1978 relatif à la LAT: "... la loi se borne à définir les principaux genres de zones d'affectation, c'est-à-dire les zones à bâtir, les zones agricoles et les zones protégées. Il y a encore, selon le droit cantonal en vigueur, d'autres genres de plans d'affectation, notamment dans le domaine de l'équipement, de l'urbanisation et de l'aménagement des sites ... La loi ne s'occupe pas de ces genres de plans d'affectation ..." (FF 1978 p. 1025, ad art. 15.) Pris non pas isolément mais, comme il doit l'être en réalité, dans son contexte général et à la lumière de l'ensemble des dispositions légales en cause, ce passage ne saurait manifestement avoir la signification que voudrait lui donner le Conseil d'Etat.
Les règles fédérales adoptées en matière de plans d'affectation doivent s'appliquer à des situations locales bien déterminées. C'est pourquoi elles ne peuvent énoncer que des principes et ne définissent en somme que les modes essentiels d'utilisation du sol. Sur le fond, la loi fédérale ne traite donc logiquement que des plans d'affectation généraux, soit "en premier lieu" des plans qui régissent les zones à bâtir (
art. 15 LAT
), les zones agricoles (
art. 16 LAT
) et les zones à protéger (
art. 17 LAT
). Dans un tel système, les cantons ont naturellement la possibilité, et même le devoir, de développer et de détailler, voire de compléter, la réglementation fédérale. Il ne leur est cependant pas possible, ce faisant, de s'écarter des buts et des principes de l'aménagement du territoire, tels qu'ils sont exposés aux
art. 1 et 3 LAT
. De même, certaines règles du droit fédéral s'imposent à eux, telles celles qui traitent des effets juridiques (
art. 21-24 LAT
) et de la protection juridique (
art. 33 LAT
), règles valables pour tous les plans d'affectation, qu'ils soient généraux (plans de zone) ou spéciaux (plans d'alignement, de lotissement, de quartier, etc.). Cela découle d'une simple lecture
BGE 111 Ib 9 S. 13
comparative des art. 21 al. 1, 33 et 14, les termes "en premier lieu" utilisés à l'al. 2 de cette dernière disposition marquant de toute évidence soit une priorité, soit le caractère non exhaustif de l'énumération qui y est contenue (cf. DFJP/OFAT, Etude relative à la loi fédérale sur l'aménagement du territoire, p. 186 ss, spéc. 189/190, 192/193 et 225).
Selon la jurisprudence, d'ailleurs, les plans d'affectation visés par la loi fédérale à l'
art. 14 LAT
ne sont pas seulement ceux qui fixent le régime d'utilisation du sol dans les différentes zones (zones à bâtir, zones agricoles, zones à protéger); ils comprennent aussi les plans de quartier et les plans d'alignement, qui précisent dans quel endroit de certaines parcelles il est possible de bâtir. Or, les restrictions que de tels plans apportent au droit de propriété exigent que les propriétaires intéressés bénéficient des garanties de procédure que l'
art. 33 LAT
accorde à tous ceux qui sont touchés par un plan d'affectation ou une décision fondés sur la LAT et sur les dispositions cantonales et fédérales d'exécution (
ATF 109 Ib 122
/123 consid. 5a; arrêt non publié Kotecki du 7 juin 1982 consid. 2; cf. également A. KUTTLER, Fragen des Rechtsschutzes gemäss dem Bundesgesetz über die Raumplanung, in ZBl 83/1982, p. 330 s.). | public_law | nan | fr | 1,985 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
1a0b5b80-cb00-40de-984a-0db53b9f8d09 | Urteilskopf
123 II 175
22. Extrait de l'arrêt de la Ie Cour de droit public du 28 avril 1997 dans la cause X. contre Office fédéral de la police (recours de droit administratif) | Regeste
Überstellung an das internationale Strafgericht für Ruanda (ISGR).
Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen einen Überstellungsentscheid (E. 1); anwendbare Vorschriften (E. 2).
Dem Überstellungsentscheid kommt auch die Bedeutung zu, dass eine von den Militärgerichtsbehörden - unter dem Vorbehalt der Überstellung - entschiedene Verfahrensabtretung wirksam wird (E. 3).
Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Überstellung sind vorliegend erfüllt (E. 4), und der Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör wurde gewahrt (E. 6).
Es gilt die Vermutung, dass das Verfahren vor einem internationalen Strafgericht von der Art des ISGR den Anforderungen an einen fairen Prozess genügt: Es ist nicht angezeigt, an die Überstellung Bedingungen zu knüpfen, beim ISGR über die Modalitäten der amtlichen Verteidigung der Angeschuldigten Erkundigungen einzuholen (E. 7a und b) oder die Möglichkeiten der Verbüssung einer allfälligen vom ISGR verhängten Freiheitsstrafe in der Schweiz zu erörtern (E. 7c).
Abweisung des Gesuchs um Freilassung, soweit darauf eingetreten werden konnte (E. 8). | Sachverhalt
ab Seite 176
BGE 123 II 175 S. 176
X. a été arrêté en Suisse le 11 février 1995. Une enquête pénale a été ouverte contre lui pour violation des lois de la guerre, et confiée à un juge d'instruction militaire. Il lui était en substance reproché d'avoir, lors de la guerre ethnique qui s'est déroulée au Rwanda d'avril à juillet 1994, favorisé, commandité et organisé des massacres de civils dans la région de Bisesero, préfecture de Kibuye.
Le 12 mars 1996, la Chambre de première instance du Tribunal pénal international pour le Rwanda, à Arusha (Tanzanie; ci-après: le TPIR) a officiellement demandé le dessaisissement en sa faveur de toutes les procédures engagées contre X.
Par décision du 8 juillet 1996, le Tribunal militaire de cassation a donné suite à cette demande. Il s'est estimé compétent pour statuer en vertu de l'art. 9 de l'arrêté fédéral urgent relatif à la coopération avec les tribunaux internationaux chargés de poursuivre les violations graves du droit international humanitaire, du 21 décembre 1995. Les parties avaient eu un accès suffisant au dossier. La demande de dessaisissement portait manifestement sur les mêmes faits que ceux pour lesquels le prévenu était poursuivi en Suisse, et le TPIR était, à teneur de son Statut, compétent pour en connaître à raison de la matière, de la personne, du lieu et du temps. Le dessaisissement
BGE 123 II 175 S. 177
n'ayant de sens que si le TPIR se chargeait effectivement de la cause, il était soumis à la condition suspensive qu'une décision de transfèrement du prévenu soit entrée en force; l'instruction pénale reprendrait en Suisse si une demande de transfèrement n'était pas présentée dans les six mois dès la communication de cette décision au TPIR.
Le 26 août 1996, le Greffier du TPIR a présenté à la Suisse une demande de transfèrement, à l'appui de laquelle il produisait les documents suivants:
- un acte d'accusation du 11 juillet 1996 du Procureur auprès du TPIR. X. s'y voit reprocher d'avoir, entre avril et juin 1994, amené des personnes armées dans la région de Bisesero, et de leur avoir ordonné d'attaquer des civils qui étaient venus y chercher refuge; X. aurait personnellement pris part à certaines attaques. Les chefs d'accusation sont: (1) crimes de génocide, pour meurtres ou atteintes graves à l'intégrité physique ou mentale de membres d'une population dans l'intention de détruire, en tout ou partie, un groupe ethnique ou racial comme tel; (2) entente en vue de commettre le génocide; (3,4,5) crimes contre l'humanité, pour avoir assassiné et exterminé, dans le cadre d'une attaque généralisée et systématique, et commis d'autres actes inhumains contre une population civile en raison de son appartenance politique, ethnique ou raciale; (6) violation de l'art. 3 commun aux Conventions de Genève et du Protocole additionnel II, pour avoir commis ou donné l'ordre à d'autres personnes de perpétrer des actes de violence portant gravement atteinte à la vie, à la santé et au bien-être physique ou mental de personnes;
- une décision de confirmation de l'acte d'accusation rendue le 15 juillet 1996 par la Chambre de première instance du TPIR;
- un "mandat d'arrêt portant ordonnance de remise" rendu le même jour. Le TPIR y demande la remise de X., afin qu'il réponde des crimes mentionnés dans l'acte d'accusation; l'accusé devait être informé de ses droits de procédure, et prendre connaissance de l'acte d'accusation.
Entendu le 31 octobre et le 14 novembre 1996 par le Juge d'instruction du canton de Neuchâtel, X. a refusé de répondre sans l'assistance d'un avocat. Le 20 novembre 1996, l'Office fédéral de la police (ci-après: l'OFP) a désigné Me Y., avocate à Genève, comme défenseur d'office de X.
Dans son mémoire du 5 décembre 1996, X. s'est opposé à son transfèrement. Il se plaignait en premier lieu d'une violation de son droit d'être entendu et de ses droits de défense dans le cadre de la procédure de transfèrement. Il faisait ensuite valoir que l'acte
BGE 123 II 175 S. 178
d'accusation du TPIR était lacunaire, faute de détailler les infractions qui lui sont reprochées; l'instruction serait insuffisante et il convenait d'ordonner des audiences de confrontation avec les témoins à charge se trouvant en Europe, et d'obtenir le dossier d'enquête du TPIR. Il soutenait enfin que la procédure devant le TPIR ne respectait pas les droits de la défense; en particulier, la rémunération de l'avocat d'office n'était pas assurée.
Par décision du 30 décembre 1996, l'OFP a prononcé le transfèrement de X. au TPIR pour les faits mentionnés dans la demande du 26 août 1996. Ces faits étaient aussi punissables en droit suisse, et ils relevaient de la compétence du TPIR. Le droit d'être entendu avait été respecté puisque X. avait eu la possibilité de s'exprimer devant le Juge d'instruction neuchâtelois, et que son avocate avait pu présenter ses observations. Les griefs relatifs au respect des droits de la défense devant le TPIR n'avaient pas à être examinés dans le cadre de la présente procédure.
Agissant par la voie du recours de droit administratif, X. prend les conclusions suivantes: annuler la décision de transfert, inviter l'OFP à obtenir du TPIR toute précision chiffrée sur les montants alloués à la défense et les facilités accordées à cette dernière, et interpeller ou inviter l'OFP à interpeller le Conseil fédéral sur l'engagement de la Suisse d'admettre X. à subir une éventuelle peine privative de liberté sur son territoire.
Le 28 février 1997, X. a formé une demande de mise en liberté provisoire. Il y fait valoir principalement que la procédure d'instruction est close et que, sur le vu des garanties à obtenir de la part du TPIR, la procédure de transfèrement risque de perdurer. Il conteste l'existence d'un risque de fuite. Sa détention serait d'ailleurs illégale puisque l'OFP n'a pas émis de mandat d'arrêt aux fins de transfèrement.
Erwägungen
Extrait des considérants:
1.
a) Selon l'art. 13 al. 2 de l'arrêté fédéral urgent du 21 décembre 1995 relatif à la coopération avec les tribunaux internationaux chargés de poursuivre les violations graves du droit international humanitaire (RS 351.20, ci-après: l'arrêté), le recours de droit administratif est ouvert contre une décision de transfèrement rendue en première instance fédérale par l'OFP (art. 4 al. 2 et 13 al. 1 de l'arrêté). Le recourant, qui fait l'objet de la mesure, a qualité pour recourir au sens de l'
art. 103 let. a OJ
.
BGE 123 II 175 S. 179
b) Saisi d'un recours de droit administratif contre une décision de transfèrement, le Tribunal fédéral dispose d'un large pouvoir d'examen et de décision. Il peut revoir d'office les constatations de fait (
art. 104 let. b et 105 al. 1 OJ
), et n'est lié ni par les moyens, ni par les conclusions des parties (art. 6 al. 4 de l'arrêté, cf. la disposition analogue de l'
art. 25 al. 6 EIMP
). Il examine librement si les conditions pour donner suite à la demande sont réunies, et dans quelle mesure la collaboration internationale peut être accordée. Il peut porter son examen sur des points autres que ceux soulevés dans le recours, sans toutefois être tenu, comme le serait une autorité de surveillance, de vérifier d'office la conformité de la décision attaquée avec l'ensemble de la réglementation applicable (cf.
ATF 119 Ib 56
consid. 1d p. 59). Il peut sanctionner l'excès ou l'abus du pouvoir d'appréciation (
art. 104 let. a OJ
), mais ne contrôle pas l'opportunité des décisions, car ni l'arrêté, ni l'EIMP ne prévoient un tel grief (
art. 104 let
. c ch. 3 OJ).
2.
a) Dans sa Résolution 827 (1993), le Conseil de sécurité des Nations Unies a décidé la création d'un Tribunal international "ad hoc" chargé de juger les crimes de guerre commis en ex-Yougoslavie; il a adopté en même temps le Statut de cette juridiction, élaboré par le Secrétaire général des Nations Unies. Selon ce texte, obligation est faite à "tous les Etats" de collaborer de manière effective avec ce tribunal, en adaptant si nécessaire leur législation interne.
Dans sa Résolution 955 du 8 novembre 1994, le Conseil de sécurité a décidé la création d'un Tribunal spécial chargé de juger les personnes présumées responsables d'actes de génocide ou d'autres violations graves du droit international humanitaire commis au Rwanda et, dans les Etats voisins, par les citoyens rwandais, entre le 1er janvier et le 31 décembre 1994, et adopté le Statut du Tribunal pénal international pour le Rwanda (TPIR). Cette Résolution comporte les mêmes obligations pour les Etats que la Résolution 827 (1993). Selon l'art. 8 par. 2 de son Statut, le Tribunal international a la "primauté" sur les juridictions nationales en cas de compétences concurrentes, et peut demander en tout temps le dessaisissement en sa faveur (cf. également l'art. 9 al. 2 de l'arrêté).
b) Le 2 février 1994, puis le 20 mars 1995, le Conseil fédéral a décidé d'appliquer de manière autonome ces deux résolutions, en considérant que ces textes s'inscrivent dans le cadre du chapitre VII de la Charte des Nations Unies (maintien de la paix), qu'ils visent l'application effective du droit international humanitaire, plus particulièrement des Conventions de Genève, et que la Suisse a pris part
BGE 123 II 175 S. 180
activement à la préparation des Statuts, dont la nature et, dans une large mesure, le contenu sont identiques. Parmi les obligations imposées aux Etats figurent la collaboration à la recherche de personnes, l'arrestation et la remise de prévenus ou d'accusés, ainsi que d'autres actes d'entraide (art. 28 du Statut TPIR). Une loi interne apparaissait nécessaire afin d'assurer une collaboration efficace avec les deux tribunaux internationaux (FF 1995 IV p. 1066 ss, 1071).
c) Le 21 décembre 1995, l'Assemblée fédérale a adopté l'arrêté fédéral urgent relatif à la coopération avec les tribunaux internationaux chargés de poursuivre les violations graves du droit international humanitaire. Répondant aux problèmes spécifiques posés par ce type spécial de collaboration, et destinées à simplifier les procédures en évitant les retards causés par la mise en oeuvre des règles sur la protection juridique, les dispositions de l'arrêté sont pour partie entièrement nouvelles, et pour partie inspirées de la loi fédérale sur l'entraide internationale en matière pénale (EIMP, RS 351.1), avec les adaptations nécessaires. Sauf dispositions contraires, les règles de l'EIMP et de son ordonnance d'application sont applicables par analogie à la coopération avec ces tribunaux internationaux (art. 2 de l'arrêté).
L'arrêté régit la collaboration avec les Tribunaux internationaux pour l'ex-Yougoslavie et le Rwanda, et le Conseil fédéral peut en étendre le champ d'application à la collaboration avec d'autres tribunaux du même genre institués par le Conseil de sécurité (art. 1). Il pose en son art. 9 les conditions du dessaisissement de la juridiction suisse en faveur des tribunaux internationaux. Le chapitre 2 est consacré aux conditions (art. 10) et à la procédure (art. 11 à 15) de transfèrement des personnes. Le chapitre 3 traite des autres actes d'entraide. Le chapitre 4 régit l'exécution en Suisse des peines privatives de liberté prononcées par les tribunaux internationaux, en en fixant les conditions (art. 29) et la procédure (art. 30 à 33).
3.
Dans sa décision du 8 juillet 1996, le Tribunal militaire de cassation a prononcé le dessaisissement de l'autorité pénale suisse en faveur du TPIR. Il s'est estimé compétent pour statuer, en vertu de l'art. 9 al. 2 de l'arrêté fédéral. Selon cette disposition, le dessaisissement est prononcé si la demande porte sur les mêmes faits que ceux qui font l'objet de la procédure pénale ouverte en Suisse (let. a) et si l'infraction relève de la compétence du tribunal international (let. b). Le Tribunal militaire de cassation a estimé que ces conditions étaient réunies. La demande du TPIR portait manifestement sur les mêmes faits - indépendamment de leur qualification juridique -
BGE 123 II 175 S. 181
que ceux pour lesquels le prévenu était poursuivi en Suisse. Le TPIR était, à teneur de ses statuts, compétent pour en connaître à raison de la matière, de la personne, du lieu et du temps. Le dessaisissement n'ayant de sens que si le Tribunal international se chargeait effectivement de la cause, il était soumis à la condition suspensive qu'une décision de transfèrement du prévenu soit entrée en force. Au terme d'un échange de vue avec le Tribunal fédéral, il apparaissait que le recours de droit administratif n'était pas ouvert contre cette décision.
Le dessaisissement conditionnel prononcé par le Tribunal militaire de cassation est ainsi entré en force, et la demande formée le 26 août 1996 par le TPIR a pour but non seulement d'obtenir le transfèrement de X., mais également de rendre effectif le dessaisissement de la Suisse.
4.
Selon l'art. 10 de l'arrêté, toute personne peut être transférée au tribunal international concerné aux fins de poursuite pénale s'il ressort de la demande et des pièces jointes que l'infraction (a) relève de la compétence de ce tribunal et (b) est punissable en Suisse. L'OFP statue sur le transfèrement dès réception de la demande. Les restrictions prévues aux art. 35 al. 1 et 36 à 40 EIMP ne sont pas applicables. Il en va de même des dispositions relatives au principe de la spécialité (
art. 38 et 39 EIMP
), "en raison de la confiance qui doit dominer dans les relations avec les tribunaux". Afin d'assurer une collaboration efficace avec les tribunaux internationaux, la Suisse a décidé de réduire autant que possible les motifs susceptibles de faire obstacle à la remise. L'expression "transfèrement" a donc été choisie à dessein par le législateur pour faire comprendre qu'il ne s'agit pas d'une extradition "classique", au sens de l'EIMP, eu égard à la nature de l'autorité requérante et à ses conditions d'octroi (FF 1995 IV p. 1078).
a) Sans paraître en faire un grief distinct, le recourant estime (partie en fait du recours) que l'acte d'accusation du TPIR serait insuffisant, faute de détailler les faits qui lui sont reprochés. Aucune instruction sérieuse n'aurait encore été menée par le TPIR. Durant l'enquête en Suisse, il n'aurait pas bénéficié d'une défense effec-tive de la part de son avocat; en particulier, aucune confrontation n'aurait été mise sur pied avec les témoins à charge. Les témoins entendus au Rwanda ne seraient pas crédibles.
Ces arguments ne sont guère pertinents. En effet, saisie d'une demande de transfèrement, l'autorité suisse requise n'a pas à vérifier le bien-fondé de l'accusation portée contre l'intéressé. L'autorité requérante n'a pas à prouver les faits qu'elle allègue, ni même à les
BGE 123 II 175 S. 182
rendre vraisemblables. Seule sera rejetée une demande manifestement inexacte ou lacunaire, faisant apparaître la démarche de l'autorité requérante comme un abus évident (cf., en matière d'extradition,
ATF 122 II 373
consid. 1c et les arrêts cités). L'audition des témoins entendus dans la procédure pénale menée à l'étranger est exclue, de même que toute autre mesure probatoire se rapportant à la matérialité des charges, sous réserve toutefois de la vérification de l'alibi dans les cas prévus à l'
art. 53 EIMP
(même arrêt). Ces principes, développés en matière d'extradition, valent d'autant plus dans le cadre de la procédure de transfèrement: cette dernière procédure a été voulue plus simple et plus rapide par le législateur, de sorte que tant la vérification de l'alibi que l'exception tirée du caractère prétendument politique de l'infraction ont été exclues (art. 13 al. 1 de l'arrêté).
Il n'y a donc pas lieu de procéder aux auditions requises par le recourant, ni d'ordonner l'apport de tout le dossier de la procédure pénale menée devant le TPIR.
b) Le recourant ne conteste pas, avec raison, que les deux conditions posées par l'art. 10 de l'arrêté sont réalisées en l'espèce. Les agissements qui lui sont reprochés à teneur de l'acte d'accusation du 11 juillet 1996 sont qualifiés de génocide et d'entente en vue de commettre le génocide, de crime contre l'humanité et de violation grave de l'art. 3 commun aux Conventions de Genève et au Protocole additionnel II; ils tombent dans la compétence du TPIR en vertu des art. 2, 3 et 4 du Statut. S'agissant d'actes commis durant l'année 1994 sur le territoire du Rwanda, la compétence ratione loci et temporis du TPIR n'est pas douteuse (art. 7 du Statut). Par ailleurs, comme l'a déjà relevé le Tribunal militaire de cassation, les civils qui, à l'occasion d'un conflit armé, commettent une violation du droit des gens, se rendent coupables de violation des lois de la guerre au sens de l'
art. 109 CPM
(RS 321.0). Les faits reprochés à X. seraient donc aussi punissables en droit suisse.
6.
Le recourant fait aussi état, dans la partie "en fait" de son recours, de violations de ses droits de défense dans le cadre de la procédure de transfèrement. Même s'il ne semble pas en faire un grief formel, il convient d'examiner cette question.
a) Dans son mandat d'arrêt portant ordonnance de remise, du 15 juillet 1996, le Tribunal international requiert l'autorité suisse de faire connaître à l'accusé l'ensemble de ses droits énoncés à l'art. 20 du Statut. Sous le titre "Les droits de l'accusé", cette disposition a la teneur suivante:
BGE 123 II 175 S. 183
1. Tous sont égaux devant le TPIR.
2. Toute personne contre laquelle des accusations sont portées a droit à ce que sa cause soit entendue équitablement et publiquement, sous réserve des dispositions de l'art. 21 des statuts [protection des victimes et témoins].
3. Toute personne accusée est présumée innocente jusqu'à ce que sa culpabilité ait été établie conformément aux dispositions du présent statut.
4. Toute personne contre laquelle une accusation est portée en vertu du présent statut a droit, en pleine égalité, au moins aux garanties suivantes:
a) A être informée, dans le plus court délai, dans une langue qu'elle comprend et de façon détaillée, de la nature et des motifs de l'accusation portée contre elle;
b) A disposer du temps et des facilités nécessaires à la préparation de sa défense et à communiquer avec le conseil de son choix;
c) A être jugée sans retard excessif;
d) A être présente au procès et à se défendre elle-même ou à avoir l'assistance d'un défenseur de son choix; si elle n'a pas de défenseur, à être informée de son droit d'en avoir un, et, chaque fois que l'intérêt de la justice l'exige, à se voir attribuer d'office un défenseur, sans frais, si elle n'a pas les moyens de le rémunérer;
e) A interroger ou faire interroger les témoins à charge et à obtenir la comparution et l'interrogatoire des témoins à décharge dans les mêmes conditions que les témoins à charge;
f) A se faire assister gratuitement d'un interprète si elle ne comprend pas ou ne parle pas la langue employée à l'audience;
g) A ne pas être forcée de témoigner contre elle-même ou de s'avouer coupable.
Selon la demande, le recourant devait aussi être informé de son droit de garder le silence, être averti que toute déclaration faite par lui serait enregistrée et pourrait être retenue contre lui, et prendre connaissance de l'acte d'accusation et de la décision de confirmation.
b) Le recourant relève avoir été entendu par le Juge d'instruction de Neuchâtel sans la présence de son avocate; on ne lui aurait pas donné connaissance des droits et documents mentionnés ci-dessus. Le même magistrat l'aurait menacé d'un transfert de force et aurait refusé de lui nommer un avocat d'office, sans transmettre la requête à l'autorité compétente. Il en résulterait une violation des art. 6 par. 1 et 3 de la Convention européenne de sauvegarde des droits de l'homme et des libertés fondamentales (CEDH, RS 0.101), 4 Cst. et 52 EIMP.
c) Le droit d'être entendu, garanti par l'
art. 4 al. 1 Cst.
, permet à tout justiciable de prendre connaissance du dossier de la cause, de
BGE 123 II 175 S. 184
proposer tout moyen de preuve utile, de s'exprimer avant toute décision susceptible d'influer sur sa situation juridique et d'obtenir une décision motivée (
ATF 122 II 109
consid. 2a et les arrêts cités). Dans le cadre d'une procédure de transfèrement, ces prérogatives sont, par renvoi de l'art. 2 de l'arrêté, mises en oeuvre par les dispositions pertinentes de l'EIMP et de son ordonnance d'exécution (OEIMP, RS 351.11). Selon l'
art. 52 EIMP
, la demande et les pièces à l'appui sont présentées à la personne poursuivie et à son mandataire. En notifiant le mandat d'arrêt aux fins d'extradition, l'autorité cantonale vérifie l'identité de la personne; elle l'informe des conditions de l'extradition et de la remise sans formalité, ainsi que de ses droits de recourir, d'obtenir l'assistance judiciaire et de se faire assister par un mandataire (al. 1 ). La personne poursuivie est brièvement entendue sur sa situation personnelle, en particulier sur sa nationalité et ses rapports avec l'Etat requérant, ainsi que sur ses objections éventuelles au mandat d'arrêt ou à l'extradition. Son mandataire peut participer à cette audition. L'
art. 21 al. 1 EIMP
donne au prévenu le droit de se faire assister par un mandataire, et la possibilité de s'en faire désigner un s'il ne peut y pourvoir et que la défense de ses intérêts l'exige.
d) Lors de son audition par le Juge d'instruction de Neuchâtel, le 31 octobre 1996, le recourant a confirmé son identité. Il a exprimé son voeu d'être assisté de Me Y., cette dernière n'acceptant d'assister à l'audition qu'à condition d'être nommée d'office. Lors de l'audition du 14 novembre 1996 (à laquelle l'avocate du recourant avait été convoquée, mais refusa de s'y rendre en l'absence d'une nomination d'office), le magistrat avait l'intention de donner lecture des documents annexés à la demande, d'informer le recourant de la possibilité d'un transfèrement sans formalité (
art. 54 EIMP
par analogie), et de l'interroger sur ses motifs d'opposition. Le recourant a déclaré ne pas vouloir répondre hors de la présence d'un avocat d'office. L'absence d'avocat lors de ces deux auditions ne constitue toutefois pas une violation du droit d'être entendu. En effet, ce qui est déterminant pour le respect de ce droit, c'est que le recourant ait pu effectivement bénéficier de l'assistance d'un avocat, prendre connaissance du dossier de la procédure et faire valoir ses moyens d'opposition avant le prononcé de la décision rendue à son encontre. Nommée d'office par l'OFP le 20 novembre 1996, l'avocate du recourant a pris connaissance de l'ensemble du dossier; le recourant a pu apprendre par son entremise - s'il l'ignorait auparavant - l'ensemble des faits qui lui sont reprochés, et prendre
BGE 123 II 175 S. 185
connaissance de ses droits devant le TPIR. La procédure a par conséquent respecté son droit d'être entendu.
e) Le recourant invoque en vain l'
art. 6 CEDH
. Il perd en effet de vue que, selon une jurisprudence constante, cette disposition est inapplicable en tant que telle à une procédure administrative d'entraide internationale, qu'il s'agisse d'extradition (voir à ce propos la jurisprudence de Strasbourg citée par FROWEIN/PEUKERT, EMRK-Kommentar 2ème éd., Kehl, 1996, p. 190 note 199), d'entraide judiciaire (cf.
ATF 120 Ib 112
consid. 4 p. 119 et
ATF 115 Ib 517
consid. 10a p. 551), ou, comme ici, du transfèrement à une juridiction internationale. En effet, un tel transfèrement ne constitue pas, en lui-même, une décision portant sur le bien-fondé d'une accusation en matière pénale au sens de l'
art. 6 par. 1 CEDH
. Par ailleurs, le recourant omet d'indiquer dans quelle mesure cette disposition lui conférerait des droits allant au-delà des garanties offertes par l'
art. 4 Cst.
et par le droit fédéral applicable. On cherche également en vain en quoi la procédure suivie jusqu'ici pourrait, comme il semble le soutenir, constituer un traitement inhumain ou dégradant au sens de l'
art. 3 CEDH
.
7.
Pour l'essentiel, le recourant soutient que la procédure menée devant le TPIR ne satisferait pas aux exigences d'un procès équitable. Depuis sa création, cette juridiction connaîtrait des problèmes de gestion et de financement, et ne fonctionnerait pas de manière satisfaisante. Les importantes dépenses nécessaires à la défense du recourant ne seraient pas remboursées. Les précisions demandées au TPIR sur ce point n'auraient pas été obtenues, et on pourrait redouter une violation des
art. 6 par. 1 CEDH
(égalité des armes) et 6 par. 3 let. c et d CEDH (droits de la défense). L'autorité requérante devrait être invitée à préciser quels montants seront alloués au défenseur d'office afin de couvrir en tout cas ses frais.
a) Lorsqu'elle accorde l'extradition ou l'entraide judiciaire, la Suisse doit s'assurer que les procédures pour les besoins desquelles elle offre sa collaboration garantissent aux personnes poursuivies un standard minimum correspondant à celui offert par le droit des Etats démocratiques, défini en particulier par la Convention européenne des droits de l'homme ou le Pacte international du 16 décembre 1966 relatif aux droits civils et politiques (Pacte ONU II, RS 0.103.2). Cette obligation est consacrée à l'
art. 2 let. a EIMP
, dans sa nouvelle teneur en vigueur dès le 1er février 1997, qui déclare irrecevables les demandes de coopération lorsque la procédure à l'étranger n'est pas conforme aux garanties de procédure fixées par ces instruments
BGE 123 II 175 S. 186
internationaux. La Suisse contreviendrait en effet à ses propres engagements en accordant délibérément l'entraide ou l'extradition d'une personne à un Etat dans lequel il existe des motifs sérieux de penser qu'un risque de traitement contraire à la CEDH ou au Pacte ONU II menace l'intéressé (
ATF 121 II 296
consid. 3b et les arrêts cités). En matière d'extradition, l'
art. 37 al. 2 et 3 EIMP
- dans sa nouvelle teneur - permet en particulier de rejeter une demande qui se fonderait sur une sanction prononcée par défaut à l'issue d'une procédure ne satisfaisant pas aux droits minimaux de la défense, ou lorsque la personne poursuivie risque d'être soumise à un traitement portant atteinte à son intégrité corporelle. Des garanties peuvent être exigées à ce sujet de la part de l'Etat requérant.
b) Développés dans le cadre de l'entraide internationale avec des Etats tiers, ces principes ne sauraient être transposés sans autre au cas spécial de l'entraide à accorder à des tribunaux pénaux internationaux dont la Suisse a, expressément et sans réserve, reconnu la juridiction. En effet, en décidant d'appliquer à titre autonome les Résolutions 827(1993) et 955(1994), le Conseil fédéral, puis le législateur suisse, sont partis de la considération que ces tribunaux internationaux, émanations de la communauté des Etats, offraient des garanties suffisantes quant à un déroulement correct des procédures (FF 1995 IV p. 1072). Le législateur a ainsi délibérément exclu l'application des règles de l'EIMP relatives à la procédure menée à l'étranger (en particulier l'
art. 2 EIMP
, art. 3 al. 2 de l'arrêté; FF 1995 IV p. 1075), et aux conditions dont peut être assortie la décision de transfèrement (
art. 37 EIMP
, art. 10 al. 3 de l'arrêté). Contrairement à ce que soutient le recourant, on ne saurait voir à cet égard une lacune de la loi, susceptible d'être comblée par le juge (
art. 1er al. 2 CC
). Il n'y a donc pas lieu d'examiner, comme le voudrait le recourant, si la procédure devant le TPIR est conforme aux standards minimaux posés par la CEDH et le Pacte ONU II, cette conformité devant être présumée. De toute façon, un tel examen ne permettrait pas de refuser la collaboration requise, comme cela est démontré ci-dessous.
aa) La présomption dont bénéficie la juridiction requérante, en raison de sa nature même, se trouve renforcée par la teneur de son Statut. En effet, son art. 20, cité plus haut, accorde aux prévenus l'ensemble des droits de procédure reconnus par la CEDH et le Pacte ONU II. Le règlement de procédure et de preuve du TPIR, adopté le 5 juillet 1996, prévoit en outre, en son art. 44, la commission d'un conseil d'office pour un accusé indigent. Les critères de
BGE 123 II 175 S. 187
l'indigence, la liste des avocats susceptibles d'être nommés et le tarif des honoraires sont déterminés par le greffier du tribunal. Faisant usage de cette compétence, le greffier du TPIR a établi une directive, approuvée le 9 janvier 1996 par le tribunal, relative à la commission d'office, qui fixe les conditions et la procédure de nomination des avocats d'office, ainsi que leur rémunération.
L'avocate du recourant a d'ailleurs été elle-même nommée d'office par le TPIR, le 12 décembre 1996, pour la défense du recourant devant cette juridiction. A cette occasion, le greffier lui a remis les trois actes déjà annexés à la demande de transfèrement, le Statut du Tribunal et un règlement provisoire sur la détention préventive.
bb) Dans sa Résolution 50/213 C du 7 juin 1996, l'Assemblée générale des Nations Unies a prié le Bureau des services de contrôle interne d'effectuer une inspection auprès du TPIR; celle-ci a eu lieu du 30 septembre au mois de novembre 1996. Le rapport de ce Bureau, soumis le 6 février 1997 à l'Assemblée générale, fait état d'une gestion déficiente du TPIR, de nombreux dysfonctionnements et de différents internes entre ses organes (Président du tribunal, Greffe, Bureau du Procureur), qui ont conduit au remplacement d'un certain nombre de fonctionnaires. La juridiction n'aurait pas atteint ses objectifs et n'y parviendrait pas sans l'appui nécessaire. Certains changements seraient en cours, mais de nombreux autres apparaîtraient nécessaires. Le Bureau formulait de nombreuses recommandations, portant en particulier sur le rôle du Greffe et son organisation. Un nouvel examen, limité, devait avoir lieu au cours du deuxième trimestre de 1997. Dans sa note du 6 février 1997, accompagnant ce rapport, le Secrétaire général fait siennes ces conclusions. Il s'est engagé à combler les lacunes relevées et à prendre toutes les mesures nécessaires pour rationaliser et renforcer l'appui que le Secrétariat apporte au Tribunal. A titre de "suivi immédiat" des recommandations évoquées ci-dessus, une assistance supplémentaire est actuellement fournie sur place au Tribunal, et des modalités d'appui plus systématiques sont mises au point pour répondre à ses besoins.
cc) Il convient de relever que les critiques relatives à l'efficacité du Tribunal, dont il est fait état ci-dessus (sur cette question, voir également ALAIN RIBAUX, Folie meurtrière au pays des mille collines, Carnet de notes d'un enquêteur suisse au Rwanda, Recueil de jurisprudence neuchâteloise 1996, p. 11-30, spéc. p. 26-29), ne visent que ses problèmes de gestion et d'organisation; aucune crainte n'est en revanche expressément émise quant au respect des droits des prévenus. Par ailleurs, les dysfonctionnements évoqués ont été pris au
BGE 123 II 175 S. 188
sérieux par les instances internationales compétentes, et des mesures concrètes ont été adoptées pour y remédier efficacement; le contrôle sévère auquel est soumis le TPIR constitue la meilleure garantie que cette juridiction disposera des moyens suffisants pour fonctionner de manière satisfaisante, et que le droit du recourant à un procès équitable y sera garanti.
Les allégations du recourant portant sur la mauvaise organisation et le manque de moyens du TPIR n'empêchent donc pas de présumer que la procédure pénale satisfera dans son ensemble, conformément à son Statut, aux exigences minimales posées par les instruments relatifs aux droits de l'homme. Dans le cadre d'une mesure d'entraide accordée sur la base de la confiance légitimement inspirée par la juridiction requérante, il n'y a pas lieu de poser des conditions au transfèrement, ni d'interpeller cette juridiction sur les modalités de la défense d'office des prévenus.
c) Le recourant voudrait aussi que le Conseil fédéral soit interpellé et s'engage à admettre l'exécution en Suisse d'une éventuelle peine privative de liberté prononcée contre lui, et à manifester cette volonté auprès du TPIR. Selon l'art. 103 du règlement TPIR, "la peine de prison est exécutée au Rwanda ou dans un Etat désigné par le Tribunal sur une liste d'Etats ayant indiqué leur volonté d'accueillir les personnes condamnées pour l'exécution de leur peine... [al. 1]. Le transfert du condamné vers cet Etat est effectué aussitôt que possible après expiration du délai d'appel." [al. 2]. Invoquant son statut de demandeur d'asile en Suisse, le recourant redoute une incarcération au Rwanda, compte tenu des conditions de détention déplorables qui y règnent et des autres violations des droits de l'homme commises actuellement dans cet Etat.
Cette requête n'a pas non plus sa place dans le cadre de la présente procédure. En effet, la remise du recourant au TPIR n'est en rien comparable à une extradition pure et simple au Rwanda; le recourant sera, avant le procès, détenu en Tanzanie. Par ailleurs, rien n'indique qu'en cas de condamnation, la peine sera exécutée au Rwanda s'il existe des motifs de croire que le recourant y serait exposé, notamment, à des traitements contraires à l'
art. 3 CEDH
ou 7 du Pacte ONU II. L'art. 26 du Statut et l'art. 104 du Règlement prévoient que toutes les peines de détention sont exécutées sous le contrôle du Tribunal ou d'un organe désigné par lui, ce qui est de nature à dissiper les craintes du recourant.
L'art. 29 al. 1 de l'arrêté permet l'exécution en Suisse des décisions exécutoires d'un tribunal international, si le condamné
BGE 123 II 175 S. 189
réside habituellement en Suisse et si la condamnation a trait à des infractions punissables en Suisse. Cela suppose toutefois une demande de la part du TPIR. En dehors des cas où le condamné est un ressortissant suisse (art. 10 al. 2 et 29 al. 2 de l'arrêté), il n'existe aucun droit à l'exécution en Suisse de la peine prononcée par le Tribunal international, et l'arrêté n'autorise pas la formulation par le Tribunal fédéral, dans le cadre de la présente procédure, d'une réserve ou condition relative au lieu et aux conditions d'emprisonnement.
8.
Par acte du 28 février 1997 adressé au Tribunal fédéral, le recourant a sollicité sa mise en liberté provisoire. Dans une première partie, il fait état d'informations "sur la situation du TPIR", obtenues postérieurement au dépôt du recours. En tant qu'elles sont invoquées à l'appui du recours de droit administratif, après l'échéance du délai de recours, ces informations nouvelles doivent être écartées du dossier; leur contenu ne changerait de toute façon rien à l'issue de la procédure de transfèrement, et ne permettraient pas de revenir sur les considérations qui précèdent.
a) S'agissant de la détention aux fins de transfèrement, le recourant reproche à l'OFP de ne pas avoir émis de mandat d'arrêt à réception de la demande du TPIR. Le titre de détention serait actuellement fondé sur la procédure nationale. Le recourant conteste l'existence des charges retenues contre lui; il met en doute la crédibilité des témoignages le mettant en cause. Compte tenu des mesures d'instruction selon lui nécessaires, la procédure pourrait encore durer, ce qui justifierait son élargissement. Le recourant conteste l'existence d'un risque de fuite.
Invité à se déterminer sur la demande de mise en liberté, l'OFP conclut à son irrecevabilité. Le recourant serait actuellement en détention préventive, récemment prolongée jusqu'au 24 mars 1997 par le Président du Tribunal de division I, et une telle demande devrait être adressée à la justice militaire. Vu l'existence de ce titre de détention, le prononcé d'un mandat d'arrêt aux fins de transfèrement ne se justifierait pas.
b) Selon l'art. 12 de l'arrêté, l'OFP, saisi d'une demande de transfèrement, décerne un mandat d'arrêt à cette fin. L'
art. 47 al. 1 EIMP
n'est pas applicable, ce qui signifie que l'arrestation doit être prononcée même s'il apparaît que la personne poursuivie ne se soustraira pas au transfèrement, ou qu'elle peut fournir un alibi sans délai. La détention en vue d'un transfèrement à une juridiction internationale est ainsi soumise au respect de conditions purement formelles
BGE 123 II 175 S. 190
(voir, en ce qui concerne l'
art. 5 par. 1 let
. f CEDH, relatif à l'extradition et applicable ici par analogie, FROWEIN/PEUKERT, op.cit., p. 117 ss, nos 97 ss, spécialement 98 ad note 208).
aa) Saisie d'un recours de droit administratif formé contre une décision accordant l'extradition, la cour de céans est en principe également compétente pour connaître des griefs relatifs à la détention (
ATF 117 IV 359
consid. 1a p. 360-361); il en va de même, par analogie, s'agissant de griefs relatifs à la détention, venant se greffer sur une procédure de transfèrement à une juridiction internationale.
En l'espèce, la détention a été ordonnée, puis régulièrement prolongée, par les autorités militaires, formellement compétentes jusqu'au prononcé du présent arrêt, en application des
art. 56, 59 al. 2 et 167 let
. c de la loi fédérale sur la procédure pénale militaire (PPM; RS 322.1). Jusqu'à ce moment, le titre juridique de la détention du recourant résidait dans l'application de l'
art. 56 PPM
(détention préventive), mesure de sûreté qui eût permis à la justice militaire suisse de reprendre son cours en cas d'absence de transfèrement du recourant au TPIR. A défaut d'un mandat d'arrêt décerné par l'OFP aux fins du transfèrement (sur ce point, voir ci-dessous bb), il incombait en principe au recourant de continuer de faire contrôler la légalité de sa détention (en application des dispositions précitées, et, plus généralement, des
art. 5 par. 1 let
. c et 5 par. 3 CEDH, en liaison avec l'
art. 5 par. 4 CEDH
) par les juridictions militaires. Formée devant le Tribunal fédéral, la demande de mise en liberté provisoire du 28 février 1997 apparaît donc, en principe, irrecevable. Il incombe néanmoins au Tribunal fédéral d'émettre, en l'espèce, les considérations suivantes sur le fond de cette demande de libération. En effet, dans sa décision de prolongation de la détention du 24 février 1997, le Président I du Tribunal militaire de division I a estimé qu'en raison du recours pendant devant le Tribunal fédéral contre la décision de l'OFP du 30 décembre 1996, il ne lui était toujours pas possible, "dans ces conditions", d'envisager une libération conditionnelle.
bb) A vrai dire, même si le mandat d'arrêt aux fins de transfèrement ne déploie pas d'effet - "n'est pas exécutoire", selon l'art. 49 al. 2 nouvelle teneur EIMP - tant que la personne poursuivie est détenue pour une autre cause (besoins d'une instruction ou exécution d'un jugement), il eût été opportun que, comme le prévoit l'art. 12 de l'arrêté, l'OFP décernât un mandat d'arrêt dès réception de la demande du TPIR ou, à tout le moins, simultanément à sa décision de transfèrement (art. 14 al. 1 de l'arrêté). Cette manière de
BGE 123 II 175 S. 191
procéder est celle envisagée par le législateur: selon le message relatif à l'arrêté, l'OFP "devra décerner lui-même un mandat d'arrêt, même si les tribunaux en ont déjà décerné un" (FF 1995 IV p. 1079). Dans le cas d'espèce, la procédure pénale nationale était certes toujours formellement ouverte, puisque la décision de dessaisissement était subordonnée à la présentation d'une demande de transfèrement et au prononcé d'une décision définitive et exécutoire à ce sujet (cf. ci-dessus consid. aa). Toutefois, dès le dépôt par le TPIR de la demande de transfèrement, l'OFP aurait dû délivrer un mandat d'arrêt spécifique, que le recourant aurait pu directement soumettre, dans les dix jours dès sa notification, à la Chambre d'accusation du Tribunal fédéral (
art. 48 al. 2 EIMP
; cf.
ATF 119 Ib 74
).
cc) En ce qui concerne la justification matérielle de la détention, l'essentiel est de constater qu'en définitive, le recourant a bénéficié devant les juridictions militaires suisses, jusqu'au prononcé de l'arrêt de ce jour, des garanties de l'
art. 5 par. 4 CEDH
(en liaison avec les
art. 5 par. 1 let
. c et 5 par. 3 CEDH), en application des
art. 56, 59 al. 2 et 167 let
. c PPM.
Pour sa part, le Tribunal fédéral constate, en application directe de l'
art. 5 par. 4 CEDH
et de l'
art. 9 par. 4 Pacte ONU II
(en liaison avec l'
art 5 par. 1 let
. f CEDH applicable par analogie), que les motifs invoqués par le recourant à l'appui de sa demande de mise en liberté doivent être écartés. En effet, vu la gravité des infractions sur lesquelles le TPIR doit se prononcer, le législateur a supprimé la possibilité, fondée sur l'
art. 47 al. 1 let. a et b EIMP
, de renoncer à la détention de la personne à transférer (FF 1995 IV p. 1079). L'incarcération est par conséquent la règle et l'intéressé n'est admis à arguer ni de l'inexistence des charges, ni de l'absence du risque de fuite. De toute façon, compte tenu de la gravité des soupçons qui pèsent sur le recourant et du risque manifeste qu'il se soustraie à la justice internationale en cas de libération, une prolongation de sa détention est indispensable jusqu'au moment de son transfèrement effectif au TPIR.
Le présent arrêt, qui a pour effet de dessaisir définitivement les autorités suisses, n'a donc pas comme conséquence la mise en liberté du recourant; il vaut, dès son prononcé, titre juridique de détention du recourant, jusqu'au moment de sa remise effective au TPIR.
9.
Sur le vu de ce qui précède, le recours de droit administratif doit être rejeté. Le transfèrement du recourant est accordé au TPIR, sans conditions. Dans la mesure où elle est recevable, la demande de mise en liberté doit aussi être écartée. | public_law | nan | fr | 1,997 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
1a1056dc-76e4-4fbf-8498-4e604ca38ed0 | Urteilskopf
122 II 140
19. Extrait de l'arrêt de la Ie Cour de droit public du 16 avril 1996 dans la cause Office fédéral de la police contre société S. et Chambre d'accusation du canton de Genève (recours de droit administratif) | Regeste
Rechtshilfe; Verhältnis zwischen dem internationalen Recht und dem innerstaatlichen Recht; Tragweite des Briefwechsels von 1989 zwischen Indien und der Schweiz;
Art. 2 lit. a IRSG
.
Der Briefwechsel vom 20. Februar 1989 zwischen Indien und der Schweiz ist ein internationales Übereinkommen, welches gegenüber dem innerstaatlichen Recht Vorrang geniesst. Bedeutung des Prinzips des Vorrangs des internationalen Rechts im Bereich der Rechtshilfe (E. 2).
Art. 2 lit. a IRSG
umfasst sinngemäss auch die Verfahrensgarantien, welche aus dem internationalen Pakt vom 16. Dezember 1966 über bürgerliche und politische Rechte fliessen (E. 5b). Der Wortlaut des Rechtshilfeübereinkommens zwischen Indien und der Schweiz erlaubt die Vermutung, dass der ersuchende Staat diese Garantien respektiert (E. 5c). | Erwägungen
ab Seite 141
BGE 122 II 140 S. 141
Extrait des considérants:
2.
Pour la Chambre d'accusation, en l'absence d'une convention liant la Suisse et l'Inde, la loi fédérale sur l'entraide internationale en matière pénale (EIMP, RS 351.1) et son ordonnance d'exécution (OEIMP, RS 351.11) seraient "seules applicables", ce que rappellerait l'échange de lettres du 20 février 1989 entre l'Inde et la Suisse concernant l'entraide judiciaire en matière pénale (RS 0.351.942.3).
La cour cantonale part d'une prémisse erronée. En matière d'entraide judiciaire, l'échange de lettres précité du 20 février 1989, entré en vigueur le même jour, constitue la base juridique principale. Il s'agit bien d'un traité international, puisque l'art. 2 lettre a de la Convention de Vienne du 23 mai 1969 sur le droit des traités (RS 0.111), entrée en vigueur pour la Suisse le 6 juin 1990, qualifie comme tel "un accord international conclu par écrit entre Etats et régi par le droit international (...), quelle que soit sa dénomination particulière". Or, au terme de cet échange de lettres, les deux Etats ont expressément rappelé qu'il constituait un "accord entre les gouvernements". Il convient donc de se reporter en premier lieu aux termes de cet échange de lettres, qui définit de manière autonome le cadre de l'entraide judiciaire, même s'il rappelle en même temps que l'octroi de cette dernière doit se faire sur la base de la réciprocité et conformément à la loi nationale des parties. Dans ce domaine aussi, ce n'est que si le traité, dûment interprété selon les règles du droit international général (art. 31 à 33 de la Convention de Vienne), ne règle pas un point particulier, même implicitement, que le
BGE 122 II 140 S. 142
recours subsidiaire à des concepts du droit interne est légitime, pour autant toutefois que l'octroi de l'entraide n'en soit pas rendu plus difficile (voir l'
art. 1 al. 1 EIMP
; cf.
ATF 117 V 268
consid. 3b). Il convient toutefois de rappeler que dans le domaine de l'entraide internationale, l'existence d'un traité ne prive pas la Suisse de la faculté d'accorder l'entraide en vertu de règles éventuellement plus larges de son droit interne. En effet, les traités d'entraide sont destinés à favoriser la coopération internationale; ils ne s'opposent donc pas à un octroi plus large de cette entraide en vertu du droit suisse (
ATF 120 Ib 189
consid. 2b et les arrêts cités). Le texte de l'échange de lettres entre la Suisse et l'Inde le confirme, qui prévoit que les deux gouvernements conviennent que les autorités compétentes des deux pays s'accordent réciproquement, "conformément à leur loi nationale, l'entraide en matière pénale la plus large possible". Il n'y a pas là un renversement du principe de la primauté du droit international sur le droit interne, rappelé dans ce domaine par la loi (
art. 1 al. 1 EIMP
; JAAC 53/1989 no 54, ch. 17.1, let. a, p. 431 et 474), et reçu par la jurisprudence (
ATF 119 V 171
), mais bien plutôt la consécration, par la règle internationale, que dans le domaine de l'entraide internationale, c'est la règle la plus favorable à l'entraide ("Günstigkeitsprinzip", principe de faveur) - que cette règle soit nationale ou internationale - qui prévaut (voir, mutatis mutandis, dans le domaine des droits de l'homme, l'
art. 60 CEDH
et l'art. 5 ch. 2 du Pacte international relatif aux droits civils et politiques, qui accordent la priorité à la règle, internationale ou interne, qui confère la protection la plus large en matière de droits fondamentaux).
5.
a) L'
art. 2 lettre a EIMP
a pour but d'éviter que la Suisse ne prête son concours, par le biais de l'entraide judiciaire - ou de l'extradition -, à des procédures pénales qui ne garantiraient pas à la personne poursuivie un standard minimal de protection correspondant à celui offert par le droit des Etats démocratiques, défini en particulier par la Convention européenne des droits de l'homme, ou qui se heurteraient à des normes généralement reconnues comme appartenant à l'ordre public international (
ATF 113 Ib 257
consid. 6a, avec la doctrine et les arrêts cités).
b) L'Inde et la Suisse sont convenues de s'accorder l'entraide la plus large possible, sur la base de la réciprocité et conformément à leur loi nationale. Cette référence à la loi nationale se rapporte tant à la procédure d'entraide à suivre devant les autorités de l'Etat requis qu'à la procédure pénale à observer pour le jugement de la cause pénale dans l'Etat
BGE 122 II 140 S. 143
requérant. En s'engageant à accorder l'entraide la plus large possible, la Suisse a implicitement admis que la procédure pénale de l'Inde est satisfaisante.
S'agissant du standard de protection exigé, en faveur de la personne poursuivie, d'un Etat qui n'est pas partie à la Convention européenne des droits de l'homme mais qui a adhéré au Pacte international du 16 décembre 1966 sur les droits civils et politiques (Pacte ONU II), en vigueur pour l'Inde depuis le 10 juillet 1979 et pour la Suisse depuis le 18 septembre 1992 (RO 1993 p. 750), il y a lieu de considérer que dans son libellé actuel déjà, l'
art. 2 let. a EIMP
vise implicitement aussi ce dernier instrument; un projet de révision législative tendant à le mentionner expressément est d'ailleurs actuellement en cours (voir le message du Conseil fédéral du 29 mars 1995, FF 1995 III 1 ss, p. 16). Le Pacte international constitue en effet, sur le plan universel, le pendant de la Convention européenne au niveau régional. L'
art. 14 Pacte ONU II
, qui n'a fait l'objet d'aucune réserve ou déclaration de la part de l'Inde, présente une importance particulière dans la présente affaire, parce qu'il ne se borne pas à énumérer les garanties du procès équitable contenues à l'
art. 6 CEDH
(équité, légalité, célérité et publicité du procès), mais contient aussi certaines clauses qui vont au delà de cette disposition, telle que la garantie d'un double degré de juridiction en matière pénale (
art. 14 par. 5 Pacte ONU II
, correspondant à l'art. 2 du Protocole no 7 à la convention européenne, RS 0.101.07; sur la portée de cette garantie du Pacte international, voir MANFRED NOWAK, CCPR-Kommentar, Kehl am Rhein 1989, p. 244-286).
c) L'existence d'un accord dans le domaine de l'entraide judiciaire ne dispense toutefois pas l'autorité suisse requise d'examiner si la procédure étrangère satisfait aux exigences minimales de la Convention européenne ou du Pacte international. En effet, les Etats parties à ces instruments iraient manifestement à l'encontre des buts de ceux-ci s'ils s'engageaient à accorder l'entraide judiciaire pour les besoins d'une procédure pénale lorsqu'il existe des motifs sérieux de penser que les personnes poursuivies ne bénéficieront pas de garanties de procédure adéquates (cf.
ATF 121 II 296
concernant l'extradition). Néanmoins, l'échange de lettres entre l'Inde et la Suisse, valant accord, permet de présumer que l'Etat cocontractant respectera ses engagements internationaux et, en particulier, les conditions qui pourront être fixées par la Suisse à l'octroi de l'entraide. | public_law | nan | fr | 1,996 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
1a11fe2b-54bb-4c49-b853-d142deddfdd3 | Urteilskopf
138 V 481
57. Estratto della sentenza della II Corte di diritto sociale nella causa F. contro Cassa di compensazione del Cantone Ticino (ricorso in materia di diritto pubblico)
9C_214/2012 del 22 ottobre 2012 | Regeste
Art. 10 Abs. 2 lit. a und
Art. 21 Abs. 1 ELG
; Begrenzung der anrechenbaren Ausgaben bei Aufenthalt in einem (ausserkantonalen) Pflegeheim.
Der vom Wohnsitzkanton (hier: Tessin) vorgesehene Höchstbetrag für Tagestaxen ist auf die Festsetzung der anerkannten Ausgaben einer Versicherten anwendbar, die sich in einem spezialisierten Pflegeheim in einem andern Kanton (hier: Zürich) aufhält, welcher einen höheren anrechenbaren Betrag kennt (E. 5.6).
Mit
Art. 10 Abs. 2 lit. a ELG
vereinbar ist, wenn ein Kanton die zu berücksichtigenden Aufenthaltskosten in einer Weise begrenzt, dass im Regelfall nur die Sozialhilfeabhängigkeit von Pensionären verhindert wird, die in einer von ihm selber anerkannten Einrichtung betreut werden (E. 5.7). | Sachverhalt
ab Seite 482
BGE 138 V 481 S. 482
A.
F., nata nel 1928 e affetta da morbo di Alzheimer, il 31 dicembre 2010 è stata trasferita - a causa del peggioramento della situazione di salute sua e del marito (malato di cancro e poi deceduto il 24 gennaio 2011) - dal suo domicilio in Ticino in una struttura specializzata del Canton Zurigo, dove vivono le sue tre figlie. Nel febbraio 2011 l'interessata ha presentato una domanda di prestazioni complementari che la Cassa di compensazione del Cantone Ticino, pur dichiarando di comprendere le ragioni alla base del suo collocamento fuori Cantone, ha però respinto per l'accertata eccedenza dei redditi determinanti (quantificati in fr. 47'218.-) rispetto alle spese riconosciute (quantificate in fr. 34'311.-). Rilevata la competenza del Cantone di domicilio (il Ticino) a esaminare la richiesta, l'amministrazione ha in particolare computato quale tassa giornaliera di cura l'importo massimo (fr. 75.-) previsto dalla legislazione ticinese (decisione 21 luglio 2011 e decisione su opposizione 15 settembre 2011).
B.
Contestando i parametri applicati dalla Cassa cantonale di compensazione e ricordando che il ricovero fuori Cantone era stato dettato da motivi di ordine valetudinario (per la necessità di un suo trasferimento in ambiente germanofono dopo che la malattia le aveva segnatamente fatto dimenticare l'italiano) oltre che personale (per la vicinanza delle figlie), l'assicurata - rappresentata dalla figlia H., sua curatrice - si è aggravata al Tribunale delle assicurazioni del Cantone Ticino al quale ha chiesto di considerare per il calcolo delle prestazioni complementari l'aliquota giornaliera massima riconosciuta nel Canton Zurigo (fr. 250.-). Per pronuncia del 7 febbraio 2012 la Corte cantonale ha respinto il ricorso. Confermata la competenza del Cantone Ticino quale luogo di domicilio, l'autorità giudiziaria di primo grado ha rilevato di doversi attenere agli importi fissati dalla legislazione ticinese e di non potere riconoscere la tariffa giornaliera massima prevista dal Canton Zurigo.
C.
F., ora patrocinata dall'avv. Bruno Pellegrini, ha interposto ricorso in materia di diritto pubblico al Tribunale federale al quale domanda di annullare il giudizio cantonale e di attribuirle, previo adeguamento delle spese riconosciute (da elevare a fr. 98'186.- in virtù dell'auspicata applicazione della tassa giornaliera massima
BGE 138 V 481 S. 483
stabilita dal Cantone di residenza), una prestazione complementare annua di fr. 50'968.-. Dei motivi si dirà, per quanto occorra, nei considerandi.
Chiamati a esprimersi, la Cassa opponente propone la reiezione del gravame, mentre l'Ufficio federale delle assicurazioni sociali (UFAS) ha espresso alcune considerazioni di carattere generale riguardanti la regolamentazione in esame.
Il Tribunale federale ha respinto il ricorso nella misura della sua ammissibilità.
Erwägungen
Dai considerandi:
2.
2.1
Pacifica è la competenza della II Corte di diritto sociale del Tribunale federale a statuire sulla vertenza, ritenuto che la stessa è connessa alla trattazione di un caso concreto di prestazione (cfr.
DTF 138 V 377
consid. 2.2 pag. 379). Ugualmente pacifica è la competenza del Cantone Ticino, quale cantone di domicilio, per la determinazione e l'eventuale versamento della prestazione complementare (
art. 21 cpv. 1 LPC
[RS 831.30]). Giustamente la Corte cantonale ha ricordato che in virtù di tale norma il soggiorno in un istituto, in un ospedale o in un altro stabilimento e il collocamento in una famiglia, a fini assistenziali, di una persona maggiorenne o interdetta disposto dall'autorità o deciso in ambito tutorio, non fondano una nuova competenza. Così stabilendo, il legislatore federale ha armonizzato per le persone che vivono in un istituto o in un ospedale gli ordinamenti in materia di prestazioni complementari e di assistenza sociale, dove la legge federale del 24 giugno 1977 sulla competenza ad assistere le persone nel bisogno (LAS [RS 851.1]) già prevede(va) al suo art. 5 una norma del tutto analoga. Similmente, l'
art. 9 cpv. 3 LAS
stabilisce che l'entrata in un ospizio, in un ospedale o in un altro istituto e, se si tratta di un maggiorenne o di un interdetto, il collocamento in una famiglia deciso da un'autorità o da un organo tutelare non pongono termine al domicilio assistenziale. Questa regolamentazione si propone di salvaguardare gli interessi finanziari dei cantoni di destinazione disincentivando il collocamento fuori cantone di persone bisognose di assistenza (
DTF 138 V 23
consid. 3.1.3 pag. 26; sentenza 8C_79/2010 del 24 settembre 2010 consid. 7.2, non pubblicato in
DTF 136 V 346
).
2.2
Una modifica della competenza territoriale sarebbe ipotizzabile in presenza di un trasferimento del domicilio derivato ai sensi
BGE 138 V 481 S. 484
dell'
art. 25 cpv. 1 o 2 CC
(
DTF 138 V 23
). Sennonché nella fattispecie tale eventualità dev'essere scartata a priori perché l'istituzione di una curatela (ancorché combinata) in favore della ricorrente non ha certamente creato alcun domicilio derivato nella sede delle autorità zurighesi (
art. 25 cpv. 2 CC
; cfr. anche DANIEL STAEHELIN, in Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, vol. I, 4
a
ed. 2010, n. 11 all'
art. 25 CC
con riferimenti).
3.
3.1
La LPC sostiene il regime dell'assicurazione vecchiaia e invalidità nella sua funzione di garante del fabbisogno vitale, e più precisamente del minimo esistenziale secondo il diritto delle assicurazioni sociali (cfr.
art. 112a Cost.
; HARDY LANDOLT, Die EL als Pflegeversicherung, RSAS 2011 pag. 184 segg., 190). Quest'ultimo è superiore al minimo vitale risultante dall'aiuto d'urgenza che concretizza l'
art. 12 Cost.
(cfr.
DTF 136 I 254
consid. 4.2 pag. 258 seg.), come pure al minimo del diritto esecutivo (
DTF 137 II 328
consid. 5.2 pag. 335; cfr. JOSEF HOPPLER-WYSS, Recht im Alter, 2011, pag. 185). Le prestazioni complementari all'AVS creano una protezione dalla povertà dovuta all'età o al decesso del sostegno di famiglia. Esse fanno parte della sicurezza sociale e non dell'assistenza, si basano al tempo stesso sulla LPC e sulle leggi cantonali le quali stabiliscono determinati elementi particolari, designano gli organi esecutivi e possono accordare prestazioni oltre i limiti della LPC (
art. 2 cpv. 2 LPC
;
DTF 138 II 191
consid. 5.3 pag. 205).
3.2
Il 6 ottobre 2006 le Camere federali hanno adottato una modifica della LPC che si inserisce nel solco della nuova perequazione finanziaria e della ripartizione dei compiti tra Confederazione e Cantoni (NPC), entrata in vigore il 1° gennaio 2008. Secondo l'
art. 2 cpv. 1 LPC
, la Confederazione e i Cantoni accordano alle persone che adempiono le condizioni di cui agli articoli 4-6 prestazioni complementari per coprire il fabbisogno esistenziale. Le prestazioni complementari comprendono in primo luogo la prestazione complementare annua (
art. 3 cpv. 1 lett. a LPC
). Il suo importo è pari alla quota delle spese riconosciute che eccede i redditi computabili (
art. 9 cpv. 1 LPC
). Le prestazioni complementari garantiscono dunque ai beneficiari di una rendita AVS o AI il minimo vitale, senza le quali essi si vedrebbero costretti a rivolgersi all'assistenza sociale (cfr.
DTF 127 V 368
consid. 5a pag. 369;
DTF 122 V 19
consid. 5a pag. 24 con riferimenti). Ciò non significa tuttavia che gli interessati abbiano diritto a farsi riconoscere tutte le spese effettive (SVR 2012 EL n. 15 pag. 48, 9C_787/2011 consid. 4.2).
BGE 138 V 481 S. 485
3.3
Per le persone che vivono durevolmente o per un lungo periodo in un istituto o in un ospedale, è segnatamente presa in considerazione quale spesa riconosciuta per il calcolo delle prestazioni complementari la tassa di soggiorno (
art. 10 cpv. 2 lett. a LPC
). I Cantoni possono tuttavia limitare le spese prese in considerazione a tale scopo, devono però provvedere affinché di norma il soggiorno in un istituto riconosciuto non causi una dipendenza dall'assistenza sociale (
art. 10 cpv. 2 lett. a LPC
nella versione applicabile dal 1° gennaio 2011; sulla regolamentazione precedente che autorizzava ugualmente, benché senza quest'ultima restrizione, i cantoni a limitare tali spese cfr. sentenza 9C_100/2009 del 28 agosto 2009 consid. 6.1, non pubblicato in
DTF 135 V 309
, ma in SVR 2009 EL n. 7 pag. 25). Per il resto, la definizione della tassa di soggiorno computabile attiene, entro i limiti poc'anzi esposti, al diritto cantonale (cfr.
DTF 138 V 67
consid. 2.1 pag. 69 riguardo all'analoga riserva operata dall'
art. 10 cpv. 2 lett. b LPC
in favore del diritto cantonale per la determinazione di un importo forfettario per le spese personali).
3.4
Giusta l'art. 4 della legge ticinese di applicazione della legge federale del 6 ottobre 2006 concernente le prestazioni complementari all'assicurazione federale per la vecchiaia, i superstiti e l'invalidità del 23 ottobre 2007 (LaLPC/TI [RL 6.4.5.3]), il Consiglio di Stato disciplina le competenze che la legislazione federale sulle prestazioni complementari conferisce ai Cantoni. Facendo uso di tale delega, il governo ticinese ha emanato il decreto esecutivo del 9 novembre 2010 concernente la LPC (Bollettino ufficiale n. 64/2010 del 17 dicembre 2010 delle leggi e degli atti esecutivi del Cantone Ticino), valido per il 2011, che al suo art. 2 stabilisce in fr. 75.- la retta giornaliera massima computabile per il calcolo della prestazione complementare degli assicurati che sono ospiti permanenti o per periodi di lunga durata in case per anziani o case di cura. Sebbene il decreto esecutivo sia stato approvato ai sensi dell'
art. 29 cpv. 1 LPC
dal Dipartimento federale dell'interno (DFI), ciò non vincola di norma il Tribunale federale e non osta quindi a un suo esame approfondito in sede giudiziaria (
DTF 109 Ia 116
consid. 6a pag. 127; SVR 2009 EL n. 7 pag. 25, 9C_100/2009 consid. 6.2).
4.
4.1
La LPC prevede che gli aventi diritto che vivono a domicilio ricevono delle prestazioni complementari se gli importi destinati a coprire il fabbisogno vitale ai sensi dell'
art. 10 cpv. 1 lett. a LPC
, la pigione annua fino al massimo previsto dall'
art. 10 cpv. 1 lett. b LPC
BGE 138 V 481 S. 486
e le spese riconosciute ai sensi dell'
art. 10 cpv. 3 LPC
eccedono i loro redditi computabili secondo la LPC (v.
art. 9 cpv. 1 LPC
). Questo minimo vitale, regolamentato dalla Confederazione (RUDOLF TUOR, Vermeidung von Altersarmut mit Ergänzungsleistungen, RSAS 2012 pag. 3 segg., 12), è finanziato per 5/8 da quest'ultima e per 3/8 dai cantoni (
art. 13 cpv. 1 LPC
;
DTF 138 II 191
consid. 5.4.1 pag. 206). Per contro, per le persone che vivono in un istituto la Confederazione limita la sua presa a carico ai 5/8 delle prestazioni complementari calcolate in funzione del minimo vitale ritenuto per le persone che vivono a casa. Poiché le spese in relazione diretta con il soggiorno in un istituto non sono, conformemente all'
art. 13 cpv. 2 LPC
, prese in considerazione, i cantoni devono assumersene la responsabilità (cfr. Messaggio NPC del 14 novembre 2001, FF 2002 2065, 2201 segg. n. 6.1.5.3.3; Messaggio NPC del 7 settembre 2005, FF 2005 5349, 5544 n. 2.9.8.2.2;
DTF 138 II 191
consid. 5.4.1 pag. 206 con riferimenti). Mentre sotto il precedente sistema l'importo da versare a titolo di prestazione complementare annua era limitato, con l'abolizione del tetto massimo da parte della nuova LPC i cantoni devono dunque coprire il saldo delle spese direttamente connesse al soggiorno in un istituto o in un ospedale eccedente il minimo vitale delle persone che vivono a casa (
DTF 138 II 191
consid. 5.4.1 pag. 206 seg. con riferimenti; cfr. pure FF 2002 2203 n. 6.1.5.3.3.2).
4.2
Da questa nuova ripartizione del finanziamento delle prestazioni complementari discende che ogni persona residente in un istituto può, se è sprovvista dei mezzi sufficienti e se soddisfa le altre condizioni, percepire a titolo di prestazione complementare l'equivalente del minimo vitale calcolato per una persona che vive a casa. Questi costi vanno a carico dei cantoni per 3/8 e della Confederazione per 5/8. Per contro, i cantoni devono assumersi interamente le spese socio-alberghiere in istituto che eccedono il minimo vitale calcolato per una persona che vive a casa (per quanto concerne invece il finanziamento delle spese di cura cfr. la ripartizione prevista dall'art. 25a [cpv. 5] LAMal in relazione con l'art. 7a dell'ordinanza del DFI del 29 settembre 1995 sulle prestazioni dell'assicurazione obbligatoria delle cure medico-sanitarie [ordinanza sulle prestazioni, OPre; RS 832.112.31]). In tale contesto i cantoni sono tuttavia autorizzati a limitare le spese di soggiorno da prendere in considerazione (
art. 10 cpv. 2 lett. a LPC
; cfr. ANDREAS DUMMERMUTH, Ergänzungsleistungen zu AHV/IV: Entwicklungen und Tendenzen, RSAS 2011 pag. 114 segg., 130). Questa possibilità per i cantoni di
BGE 138 V 481 S. 487
limitare la loro presa a carico delle spese di soggiorno presso un istituto deriva dal fatto che essi sono competenti sia per l'organizzazione materiale e giuridica sia per il finanziamento delle spese di soggiorno in istituto che eccedono la presa a carico minimale (TUOR, op. cit., pag. 12). Si è voluto in questo modo dotare i cantoni di uno strumento adeguato per prevenire possibili abusi (FF 1985 I 85 n. 21.1) da parte degli istituti che non possono applicare tasse sproporzionate, come pure da parte dei pensionati che non possono vedersi riconosciute le spese per prestazioni che trascendono il quadro di quanto necessario alla copertura del fabbisogno esistenziale e che sconfinano nel lusso (RALPH JÖHL, Ergänzungsleistungen zur AHV/IV, in Soziale Sicherheit, SBVR vol. XIV, 2
a
ed. 2007, pag. 1715 n. 117; CARIGIET/KOCH, Ergänzungsleistungen zur AHV/IV, 2
a
ed. 2009, pag. 192). Inoltre - come già ricordato in una precedente sentenza P 25/04 del 21 settembre 2004 avente ugualmente per oggetto il tema del computo della tassa di soggiorno in caso di collocamento (temporaneo) extracantonale (di un giovane invalido) e in cui il Tribunale federale delle assicurazioni aveva parimenti applicato la tariffa prevista dal cantone di domicilio - questa possibilità permette pure di tenere conto del fatto che la LPC deve solo garantire un soggiorno semplice e adeguato, ma non anche il miglior soggiorno possibile (sentenza citata consid. 4.3-4.5; cfr. pure SVR 1995 EL n. 18 pag. 49, P 39/94 consid. 4a con riferimento). Mentre la prestazione complementare assunta in ragione di 5/8 dalla Confederazione e di 3/8 dai cantoni si calcola uniformemente per le persone che vivono a casa, i cantoni continuano così a influire sull'ammontare delle prestazioni complementari per le persone che vivono in istituto, nel senso che possono stabilire le tasse giornaliere dell'istituto che vanno tenute in considerazione e l'importo delle spese personali (FF 2005 5549 ad
art. 10 LPC
;
DTF 138 II 191
consid. 5.4.2 pag. 207).
4.3
Per quanto precede, non può dunque escludersi a priori che a seconda dell'importo forfettario fissato dai cantoni un pensionato riceva delle prestazioni complementari insufficienti per fare fronte al proprio soggiorno in istituto (CLAUDIO ZOGG, Wer zahlt die Pflege? Die neue Pflegefinanzierung, in Sozialalmanach: Das vierte Lebensalter, 2011, pag. 87 segg., 97). Per ridurre questo rischio, il legislatore federale ha stabilito che, nel fissare la tassa computabile, i cantoni devono provvedere, come detto, affinché di norma il soggiorno in un istituto riconosciuto non causi una dipendenza dall'assistenza sociale (
art. 10 cpv. 2 lett. a LPC
). La LPC non prescrive però il
BGE 138 V 481 S. 488
modo in cui i cantoni debbano impedire il verificarsi di una situazione di dipendenza. Essi dispongono di un margine d'apprezzamento nella materia, potendo ad esempio imporre degli obblighi tariffari, concedere sussidi oppure concludere dei contratti di prestazione con gli istituti (
DTF 138 II 191
consid. 5.5.1 pag. 208 con riferimento).
4.4
All'interesse dei pensionati di non cadere in assistenza si contrappone quello dei cantoni di versare prestazioni per fabbisogni riconosciuti senza dovere prendere in considerazione delle spese esorbitanti di istituti non riconosciuti (intervento della deputata Meyer [BU 2007 CN 1116]). La LPC non può in particolare garantire un soggiorno in un istituto medico-sociale di standing elevato o addirittura lussuoso (intervento della deputata Humbel Näf [BU 2007 CN 1118]). Una parte della dottrina ricorda che la funzione originale della LPC consiste nel garantire il minimo esistenziale alle persone indigenti e non nel finanziare spese di alloggio più estese (
DTF 138 II 191
consid. 5.5.2 pag. 208 con riferimento a DUMMERMUTH, op. cit., pag. 134). Al fine di evitare che un pensionato debba, al di fuori di casi particolari, ricorrere all'aiuto sociale per coprire il suo soggiorno in istituto e al tempo stesso permettere ai cantoni di rifiutare il sovvenzionamento delle spese di soggiorno a tariffe sproporzionate, l'Assemblea federale ha introdotto la nozione di "istituto riconosciuto" all'art. 10 cpv. 2 lett. a in fine LPC. L'obbligo per i cantoni di vigilare affinché il soggiorno in istituto non causi una dipendenza dall'assistenza sociale vale pertanto unicamente in presenza di un istituto "riconosciuto". Ciò significa che tanto le tariffe dell'istituto quanto la sua qualità sono controllate e che gli istituti sono tenuti a rendere conto a questo proposito (intervento delle deputate Meyer, Maury Pasquier et Humbel Näf [BU 2007 CN 1116 segg.]). È considerato istituto qualsiasi struttura riconosciuta tale da un Cantone o che dispone di un'autorizzazione d'esercizio cantonale (
art. 25a OPC-AVS/AI
; RS 831.301). Nel fornire una definizione del termine "istituto" secondo la LPC, il legislatore rinvia pertanto al suo riconoscimento da parte dei cantoni (cfr. DUMMERMUTH, op. cit., pag. 128). Alla loro cifra 3151.03 le Direttive dell'UFAS sulle prestazioni complementari all'AVS e all'AI [DPC]
http://www.bsv.admin.ch/vollzug/documents/index/category:59
vincolano la nozione di riconoscimento all'iscrizione di un istituto nell'elenco cantonale allestito secondo l'
art. 39 LAMal
). Le deputate Humbel Näf e Forster-Vannini si sono ugualmente espresse a favore di un legame tra gli
art. 10 cpv. 2 lett. a LPC
e 39 cpv. 1 (lett. e) e cpv. 3 LAMal per il motivo che gli
BGE 138 V 481 S. 489
istituti che figurano sull'elenco di un cantone devono rendergli conto delle spese e della qualità delle prestazioni e perché i cantoni possono influenzare direttamente l'importo dei loro costi (BU 2007 CN 1118; BU 2007 CS 768). Il rinvio operato dall'art. 10 cpv. 2 lett. a in fine LPC al riconoscimento LAMal deriva pertanto dalla volontà del legislatore di permettere ai cantoni di controllare e influenzare i costi socio-alberghieri in istituto la cui copertura incombe loro per intero al di là dell'importo minimo fissato per una persona che vive a casa (
DTF 138 II 191
consid. 5.5.3 pag. 209).
4.5
In effetti, giusta l'
art. 39 cpv. 3 LAMal
, le condizioni di autorizzazione stabilite al suo cpv. 1, si applicano per analogia alle case per partorienti, nonché agli stabilimenti, agli istituti o ai rispettivi reparti che dispensano cure, assistenza medica e misure di riabilitazione per pazienti lungodegenti (case di cura). Anche il Cantone Ticino pertanto può, nel rispetto delle condizioni poste all'
art. 39 cpv. 1 LAMal
, includere un istituto nella sua pianificazione sanitaria cantonale e ammetterlo a esercitare a carico dell'assicurazione obbligatoria delle cure medico-sanitarie secondo la chiave di ripartizione dei costi di cura definita all'
art. 25a LAMal
. Per quanto concerne i costi socio-alberghieri, i cantoni possono inoltre definire liberamente gli istituti che possono beneficiare dei sussidi secondo i propri criteri, in ossequio però ai principi di qualità ed economicità dettati dalla LAMal e dall'ordinanza del 27 giugno 1995 sull'assicurazione malattie (OAMal [RS 832.102];
DTF 138 II 191
consid. 4.1-4.2.4 pag. 196 segg.).
4.6
I cantoni dispongono di un ampio margine d'apprezzamento per la messa in atto della pianificazione sanitaria e l'allestimento dell'elenco LAMal applicabile al loro territorio. L'
art. 10 cpv. 2 lett. a LPC
non rimette in discussione il principio stesso di questa libertà organizzativa dei cantoni in materia di pianificazione sanitaria. Rinviando alle nozioni di riconoscimento e pianificazione menzionate all'
art. 39 LAMal
, la LPC impone tuttavia il rispetto di alcuni principi per quanto concerne l'estensione e il versamento delle prestazioni complementari a favore delle persone che vivono in istituto. In primo luogo, il cantone deve provvedere affinché ogni persona che ricade sotto la sua giurisdizione e che risponde alle condizioni legali per risiedere in un istituto possa effettivamente disporre di un posto. In secondo luogo, gli assicurati non possono in linea di massima essere privati della possibilità di scegliere tra gli istituti figuranti sull'elenco cantonale. Terzo, il pensionato indigente di un
BGE 138 V 481 S. 490
istituto le cui tariffe di soggiorno trascendono l'importo massimo stabilito dal cantone deve potervi ugualmente alloggiare, a condizione però che l'istituto in questione accetti di accogliere la persona alla tariffa stabilita dal cantone. Se il sistema messo in atto dal cantone rispetta le cautele indicate e non costringe i pazienti a sollecitare l'assistenza sociale, la LPC non si oppone di principio a che esso limiti la presa a carico dei costi di soggiorno effettivi, eccedenti le prestazioni minime LPC, a una categoria di istituti che figura sul-l'elenco LAMal e che soggiace a un controllo finanziario e, se del caso, a un riconoscimento statale particolare. L'
art. 10 cpv. 2 lett. a LPC
obbliga in effetti i cantoni a prevenire un ricorso dei pensionati all'assistenza sociale soltanto in relazione a un soggiorno in un istituto riconosciuto
dal
cantone. Tanto l'
art. 10 cpv. 2 LPC
quanto l'
art. 39 LAMal
, cui il primo rinvia, concedono un'ampia latitudine di giudizio ai cantoni e non si oppongono di massima a che il diritto cantonale elabori le proprie soluzioni per, al tempo stesso, controllare la spesa sociale e fare beneficiare l'insieme dei pensionati indigenti di un istituto delle prestazioni complementari evitando loro, salvo casi particolari, di dovere ricorrere all'assistenza sociale (
DTF 138 II 191
consid. 5.5.4, 5.7.1 e 5.7.2 pag. 209 segg.).
5.
5.1
Orbene, dalla pronuncia impugnata non risulta in alcun modo - né la ricorrente lo pretende - che l'istituto X. in cui soggiorna F. figuri sull'elenco elaborato dal Cantone Ticino ai sensi dell'
art. 39 LAMal
. L'insorgente nemmeno sostiene che la pianificazione sanitaria ticinese contravviene alle suesposte cautele imposte dalla LPC per le persone che vivono in istituto (v. supra, consid. 4.6) e la priverebbe della possibilità di un collocamento adeguato in una struttura cantonale in cui le cure necessarie potrebbero essere dispensate da personale dotato pure (cosa non rara in Ticino) di buone conoscenze della lingua tedesca.
5.2
Tenuto conto della responsabilità finanziaria (ma non solo) incombente ai cantoni nella materia in esame, la ricorrente non può validamente eccepire - anche per la dubbia ricevibilità della nuova affermazione (
art. 99 cpv. 1 LTF
) - che la decisione delle autorità ticinesi di stabilire la tassa massima computabile in funzione dei parametri fissati per gli istituti situati sul territorio cantonale si basi su motivi privi di giustificazione oggettiva.
5.3
Come già accennato al consid. 1.2 (non pubblicato), inoltre, il rimprovero mosso alla legislazione ticinese di rendere possibile
BGE 138 V 481 S. 491
l'applicazione di forfait assai bassi (per un confronto cantonale v. Bollettino UFAS AVS/PC n. 286 del 21 giugno 2011, consultabile al seguente indirizzo:
http://www.bsv.admin.ch/vollzug/documents/index/page:1/lang:fre/category:62
) agli istituti posti sul suo territorio solo perché sovvenzionerebbe in maniera inammissibile direttamente gli istituti (sussidiamento oggettivo) anziché le persone (sussidiamento soggettivo) si appalesa inammissibilmente nuovo, oltre che infondato. Ci si limita ad osservare al riguardo, come ricorda del resto pure l'UFAS nel suo preavviso, che al capitolo relativo alle spese per il soggiorno in case di cura e per le cure a carico dei cantoni il Messaggio del Consiglio federale del 14 novembre 2001 concernente la NPC riserva espressamente ai cantoni la possibilità di scegliere tra l'aiuto al soggetto (individuale, vale a dire riferito alla persona) oppure all'oggetto (sussidiamento di istituzioni), precisando che se essi sovvenzionano l'istituto quale oggetto possono stabilire tasse d'istituto più basse nel computo delle prestazioni complementari, mentre se non lo fanno devono erogare prestazioni complementari più elevate agli aventi diritto (FF 2002 2203 n. 6.1.5.3.3.2; cfr. pure
DTF 135 V 309
consid. 7.4.1 pag. 315 e il relativo commento di HARDY LANDOLT, Pflegerecht 2012 pag. 178).
5.4
La ricorrente osserva poi che la tassa giornaliera dovrebbe coprire tutte le spese occasionate regolarmente da un soggiorno in istituto e lamenta il fatto che con il riconoscimento di un importo massimo di soli fr. 75.- come fa il Cantone Ticino per il suo ricovero nella casa di cura zurighese, il suo reddito minimo - garantito costituzionalmente (
art. 112a Cost.
) - verrebbe polverizzato poiché la costringerebbe ad assumersi la differenza (fr. 175.- al giorno, ossia fr. 63'875.- all'anno), in contrasto con il senso e lo scopo del diritto federale che intendono invece evitare una dipendenza dall'assistenza sociale.
È vero che di principio la tassa giornaliera deve di massima comprendere tutte le spese che sorgono durante un soggiorno in istituto (SVR 2012 EL n. 15 pag. 48, 9C_787/2011 consid. 3.1; JÖHL, op. cit., pag. 1708 n. 106; DPC cifra 3320.01). Tuttavia, per quanto detto in precedenza (v. supra, consid. 4.4 e 4.6), l'
art. 10 cpv. 2 lett. a LPC
obbliga i cantoni a prevenire un ricorso dei pensionati all'assistenza sociale soltanto in relazione a un soggiorno in un istituto
riconosciuto dal
cantone, sottintendendo quello di competenza. Questa tutela non si estende per contro anche ai soggiorni in istituti non
BGE 138 V 481 S. 492
figuranti nell'elenco allestito dal cantone di competenza, come si avvera nella fattispecie per la casa di cura X. che non risulta fare parte dell'elenco elaborato dal Cantone Ticino. Per il resto, nulla permette di concludere (né la ricorrente lo afferma del resto) che l'importo massimo stabilito dal Cantone Ticino per il calcolo delle prestazioni complementari di un pensionato soggiornante presso un istituto
da lui
riconosciuto causerebbe di norma una dipendenza dall'assistenza sociale. Il decreto esecutivo cantonale promulgato in virtù della delega di cui all'
art. 10 cpv. 2 lett. a LPC
non viola di conseguenza il diritto federale perché - contrariamente a quanto lascia intendere la ricorrente - non ne elude le prescrizioni, non ne contraddice il senso o lo spirito, né tanto meno sconfina su una materia che il legislatore federale ha inteso regolamentare in maniera esaustiva (v.
art. 49 cpv. 1 Cost.
;
DTF 135 I 106
consid. 2.1 pag. 108).
5.5
A prescindere dalla considerazione (di per sé sufficiente) che precede, si osserva inoltre che il disposto in esame obbliga comunque i cantoni a provvedere "solo" affinché
di norma
il soggiorno non causi una dipendenza dall'assistenza sociale. Ora, con questa aggiunta il legislatore ha principalmente voluto eccettuare dalla tutela normativa i soggiorni lussuosi o (eccessivamente) confortevoli, i cui costi - per quanto esposto in precedenza (v. supra, consid. 4.2) - non possono essere finanziati dalla LPC, ma anche le situazioni di rinuncia a proventi o beni che ai fini del calcolo della prestazione complementare vengono comunque computati - ancorché non più disponibili - come reddito determinante (art. 11 cpv. 1 lett. g LPC; ZOGG, op. cit., pag. 97 seg.). Ma non solo. Interessante - e ricollegabile a quanto esposto al consid. 4.2 - per il presente contesto è anche l'argomentazione utilizzata dal deputato Hassler nel suo intervento parlamentare del 21 giugno 2007 in occasione della discussione sull'articolo di legge in esame, dopo che la commissione del Consiglio nazionale e la maggioranza di tale Camera avevano inizialmente proposto di obbligare i cantoni a fissare le spese di soggiorno in modo tale da prevenire
in ogni caso
(senza eccezioni dunque) il ricorso dei pensionati all'assistenza sociale. Quale relatore di minoranza, il consigliere nazionale Hassler, pur dando atto che di regola i costi di un soggiorno in istituto devono essere finanziati senza ricorrere all'assistenza sociale, aveva infatti sottolineato che in singoli casi si giustificano delle
eccezioni
, segnatamente nell'ipotesi di un collocamento
fuori cantone
il cui finanziamento compete al cantone di domicilio del pensionato. Orbene, ha osservato il
BGE 138 V 481 S. 493
deputato, se (per questi soggiorni) non si potesse fare capo all'assistenza sociale, i cantoni dovrebbero fissare dei limiti di spesa straordinariamente elevati per coprirne i costi (BU 2007 CN 1115). Ciò che ha contribuito a fare cambiare opinione alla maggioranza della Camera e ad aderire alla formulazione meno vincolante (quella attuale) del disposto, proposta dal Consiglio degli Stati. Anche da questo intervento emerge chiara la volontà del legislatore di escludere i soggiorni in istituti (non riconosciuti) fuori cantone dalla protezione dell'art. 10 cpv. 2 lett. a seconda frase LPC (sulla rilevanza dei lavori preparatori soprattutto nel caso di disposizioni recenti, se la volontà storica dell'autore della norma ha trovato, come nella fattispecie, espressione nel testo oggetto d'interpretazione cfr.
DTF 137 V 273
consid. 4.2 pag. 277 con riferimenti).
5.6
L'insorgente non può quindi rimproverare alle istanze precedenti un'applicazione dell'ordinamento in materia contraria al diritto federale per avere computato al ricovero nella casa di cura X. la tariffa massima secondo il diritto ticinese anziché secondo il diritto (zurighese) del cantone di residenza. In considerazione di quanto esposto in precedenza in relazione al finanziamento, l'organizzazione e il riconoscimento degli istituti, appare infatti evidente che le disposizioni del cantone (di domicilio) competente per la determinazione e il versamento della prestazione complementare devono ugualmente applicarsi per stabilire la tassa di soggiorno computabile nell'ipotesi di un collocamento fuori cantone, come sottolinea del resto chiaramente pure l'UFAS nelle sue DPC (cifra 3320.02). D'altronde non passa inosservata la posizione incoerente della ricorrente la quale da un lato chiede di computare la tassa giornaliera di soggiorno massima riconosciuta dal Cantone Zurigo di fr. 250.-, ma dall'altro considera nel proprio calcolo di prestazione complementare l'importo per spese personali (
art. 10 cpv. 2 lett. b LPC
) stabilito dal Cantone Ticino (fr. 2'280.- annui, contro un massimo di fr. 6'360.- riconosciuto dal Cantone Zurigo). Come osserva a ragione l'UFAS nel suo preavviso, applicare al calcolo della prestazione complementare della ricorrente, per quel che riguarda la tassa giornaliera determinante, l'importo previsto dalla regolamentazione del Cantone di residenza implicherebbe, all'interno della stessa logica, d'applicarle ugualmente l'importo per le spese personali o ancora l'importo forfettario annuo per l'assicurazione obbligatoria delle cure medico-sanitarie contemplati dal Cantone di residenza.
BGE 138 V 481 S. 494
5.7
Contrariamente a quanto eccepito nel ricorso, l'
art. 10 cpv. 2 lett. a LPC
non osta pertanto a che un cantone limiti la tassa di soggiorno computabile in modo tale da preservare di norma dal ricorso all'assistenza sociale solo quei pensionati che vengono assistiti in una struttura da lui stesso riconosciuta. Né l'insorgente può eccepire una violazione del suo fabbisogno minimo garantito per il motivo che esso non sarebbe incondizionatamente tutelato, ovvero a prescindere dal luogo di ubicazione della casa di cura (in Svizzera) e dal cantone di competenza. La ricorrente dimentica che la soluzione esaminata è stata voluta dal legislatore federale, alle cui decisioni il Tribunale federale è vincolato (
art. 190 Cost.
), ed è peraltro confermata dal sistema di competenza prescritto dall'
art. 21 cpv. 1 LPC
sulla falsariga della LAS che si propone di disincentivare i collocamenti fuori cantone (v. supra, consid. 2.1), siano essi anche motivati - come nella fattispecie - da ragioni umanamente comprensibilissime e degne di ogni rispetto.
5.8
Inconferente appare inoltre pure il richiamo ricorsuale alla regolamentazione valida per le spese di cura ambulatoriale in caso di malattia (
art. 41 cpv. 1 LAMal
) nel tentativo di infirmare l'applicabilità delle tariffe del cantone di domicilio. Come ricordato dall'UFAS nel suo preavviso, le spese di soggiorno in un istituto medicalizzato non comprendono solo le spese di cura - che sono finanziate secondo il sistema tripartito stabilito dall'art. 25a (cpv. 5) LAMal -, bensì includono anche quelle di pensione e di assistenza per le quali il cantone competente - in virtù della sua responsabilità finanziaria - dispone di un ampio margine di manovra, potendo appunto in particolare stabilire dei limiti alla tassa giornaliera, determinare l'importo per spese personali e decidere il metodo di finanziamento (oggettivo o soggettivo).
5.9
Nessuna inammissibile disparità di trattamento (
art. 8 Cost.
) può infine ravvisarsi nella circostanza che una persona trovantesi nella stessa situazione economica e nella medesima struttura della ricorrente potrebbe, contrariamente a lei, beneficiare di una prestazione complementare (più elevata) per il solo fatto di ricadere sotto la competenza di un altro Cantone, in particolare di quello di ubicazione dell'istituto. Sostenendo il contrario, l'insorgente dimentica che la competenza cantonale è determinata dal luogo di domicilio dell'assicurato e che la diversità di questo aspetto - viste segnatamente le suesposte implicazioni finanziarie ed organizzative - costituisce (non solo nel presente ambito del resto) un elemento di fatto
BGE 138 V 481 S. 495
sufficiente a giustificare un diverso trattamento delle fattispecie da giudicare che non sono dunque paragonabili.
5.10
La decisione delle istanze precedenti di considerare nel calcolo della prestazione complementare la tassa di soggiorno massima computabile secondo il diritto ticinese malgrado il collocamento nel Cantone Zurigo non è pertanto censurabile e va confermata anche perché, giova ricordarlo, tiene conto del fatto che la LPC deve solo garantire un soggiorno semplice e adeguato, ma non anche il miglior soggiorno possibile (sentenza citata P 25/04 consid. 4.3-4.5, nonché SVR 1995 EL n. 18 pag. 49, P 39/94 consid. 4a con riferimento). Non essendo per il resto contestati gli altri elementi di calcolo della prestazione complementare, il ricorso dev'essere respinto. | null | nan | it | 2,012 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
1a124688-60b9-4cdb-a515-44872bbf378a | Urteilskopf
119 Ib 311
34. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 11. Oktober 1993 i.S. X. gegen Kantonales Steueramt Zürich und Bundessteuer-Rekurskommission des Kantons Zürich (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Art. 129 Abs. 1 BdBSt
;
Art. 4 BV
;
Art. 6 EMRK
; Hinterziehung der direkten Bundessteuer: Anwendbarkeit der EMRK; Grundsatz ne bis in idem; Verjährung der Strafverfolgung; angemessene Verfahrensdauer; öffentliche Verhandlung; persönliche Anhörung.
1. Das Verfahren wegen Hinterziehung der direkten Bundessteuer (
Art. 129 Abs. 1 BdBSt
) fällt unter
Art. 6 EMRK
(E. 2).
2. Grundsatz ne bis in idem:
- wenn bereits ein Verfahren wegen Steuerbetrug (
Art. 130bis BdBSt
) durchgeführt (und eingestellt) worden ist (E. 3b und c);
- wenn der Steuerpflichtige bereits wegen Hinterziehung der kantonalen Steuern bestraft worden ist (E. 3d).
3. Enthält
Art. 134 BdBSt
hinsichtlich der Verjährung der Strafverfolgung für Hinterziehung eine Lücke (E. 4a)? Grundsätze, die beim Fehlen einer ausdrücklichen Regelung heranzuziehen sind (E. 4b, c).
4. Angemessene Verfahrensdauer:
- Beginn der Frist (E. 5a).
- Angemessene Dauer (E. 5b-d).
5. Öffentliche Verhandlung im Verfahren vor der Rekurskommission. Verzicht des Steuerpflichtigen auf öffentliche Verhandlung? (E. 6b-e).
6. Persönliche (mündliche) Anhörung:
- im Verfahren vor der Rekurskommission (E. 7b);
- nicht im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde, die erstinstanzlich Steuerbussen auszufällen hat (E. 7c). | Sachverhalt
ab Seite 313
BGE 119 Ib 311 S. 313
X. war zusammen mit seinem Bruder Teilhaber an der Kommanditgesellschaft X. & Co. Er wurde am 11. Juni 1982 für die direkte Bundessteuer 1981/82 entsprechend seiner Steuererklärung eingeschätzt.
Am 14./15. Januar 1986 wurden die Geschäftsbücher der Kommanditgesellschaft einer steueramtlichen Revision unterzogen. Dabei ergab sich, dass die Mietzinse für die vom Steuerpflichtigen bewohnte Wohnung den Erfolgsrechnungen 1975-1981 belastet worden waren.
Am 7. März 1986 leitete deshalb die Kantonale Steuerverwaltung Zürich gegen den Steuerpflichtigen ein Nachsteuerverfahren betreffend die kantonalen Steuern ein, und am 11. Dezember 1987 eröffnete auch die Abteilung Direkte Bundessteuer des Kantonalen Steueramtes Zürich für die direkte Bundessteuer 1981/82 ein Verfahren wegen Steuerhinterziehung (Art. 129 Abs. 1, 132 des Bundesratsbeschlusses über die Erhebung einer direkten Bundessteuer vom 9. Dezember 1940; BdBSt; SR 642.11). Am 25. April 1988 gab die Abteilung Direkte Bundessteuer dem Steuerpflichtigen Gelegenheit, um sich zum Vorwurf zu äussern, dass er in der Bemessungsperiode Mietzinse im Betrag von durchschnittlich Fr. 22'021.-- der Gesellschaft belastet und auf diese Weise Fr. 5'808.-- an direkten Bundessteuern hinterzogen habe. Mit Verfügung vom 6. Juli 1988 auferlegte sie ihm wegen Hinterziehung der direkten Bundessteuer 1981/82 eine Nachsteuer in der erwähnten Höhe und eine Busse von Fr. 8'712.--.
Der Steuerpflichtige führte Beschwerde bei der Bundessteuer-Rekurskommission des Kantons Zürich. Mit Entscheid vom 11. März 1992 bestätigte die Beschwerdeinstanz den Nachsteuerbetrag, doch setzte sie die Busse auf Fr. 4'000.-- herab.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt der Steuerpflichtige, der Entscheid der Bundessteuer-Rekurskommission und die Nachsteuer- und Bussenverfügung der Abteilung Direkte Bundessteuer des Kantonalen Steueramtes Zürich seien aufzuheben; eventuell sei die Sache an die kantonalen Behörden zurückzuweisen oder es sei von einer Strafe Umgang zu nehmen.
Die kantonalen Instanzen und die Eidg. Steuerverwaltung beantragen Abweisung der Beschwerde (soweit auf die Beschwerde einzutreten sei).
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut und weist die Sache zu neuem Entscheid an die Bundessteuer-Rekurskommission zurück.
BGE 119 Ib 311 S. 314
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Der Beschwerdeführer beruft sich in verschiedener Hinsicht auf die Verfahrensgarantien des
Art. 6 EMRK
. Diese Garantien sind nur wirksam, soweit ein Gericht "über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen oder über die Stichhaltigkeit der (...) erhobenen strafrechtlichen Anklage zu entscheiden hat" (
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
). Ob
Art. 6 EMRK
auf Steuerhinterziehungsverfahren wie das vorliegende Anwendung findet, ist im folgenden zu prüfen.
a) Das Bundesgericht hat sich bis heute nicht klar zur Anwendbarkeit des
Art. 6 EMRK
auf Steuerhinterziehungsverfahren ausgesprochen. Die Rechtsprechung der kantonalen Gerichte (vgl. dazu die Nachweise bei KÄLIN/SIDLER, Verschuldensgrundsatz und Öffentlichkeitsprinzip: Die Strafsteuer im Lichte von Verfassung und EMRK, ASA 60 S. 169 ff.) ist in dieser Frage ebenfalls nicht einheitlich.
Das Bundesgericht hat zwar mehrmals festgestellt, die Hinterziehungsbusse sei eine echte Strafe, weshalb bei der Beurteilung der Schuld oder Nichtschuld oder bei der Bemessung der Busse strafrechtliche Grundsätze zu beachten seien (
BGE 114 Ib 30
ff.; Urteil vom 7. Dezember 1984, StE 1985, B 101.21, Nr. 2 E. 3a). Es liess jedoch in
BGE 114 Ib 32
E. 8b wie auch in einem weiteren Urteil vom 19. Dezember 1990 (ASA 60 S. 662 E. 3b) die Frage offen, ob
Art. 6 EMRK
auf Steuerstrafverfahren bzw. Hinterziehungsverfahren Anwendung findet. Im Entscheid
BGE 116 IV 266
führte das Bundesgericht aus, die Rechtsnatur der Hinterziehungsbusse sei umstritten, doch werde in neuerer Zeit ihr Strafcharakter zunehmend und zu Recht bejaht. Ob es sich beim Hinterziehungsverfahren um eine Strafsache im Sinne von
Art. 6 EMRK
handelt, musste freilich damals nicht beurteilt werden, weil ein Verfahren wegen Steuerbetrugs und nicht wegen Steuerhinterziehung zur Diskussion stand. Auch in
BGE 117 Ib 369
ff. nahm das Bundesgericht zur Anwendbarkeit von
Art. 6 EMRK
auf das Hinterziehungsverfahren bei der direkten Bundessteuer nicht klar Stellung, obschon es die Steuerbusse als echte Strafe bezeichnete (E. 4d) und prüfte, ob die Haftung der Erben für die vom Erblasser begangene Steuerhinterziehung (
Art. 130 Abs. 1 BdBSt
) vor der Konvention standhält (E. 5).
Einzig in einem nicht publizierten Entscheid (Urteil vom 5. Juli 1990 i.S. J.) bejahte das Bundesgericht die Anwendbarkeit von
Art. 6 EMRK
auf ein kantonales Steuerhinterziehungsverfahren und hob den angefochtenen Entscheid wegen Verletzung der Europäischen
BGE 119 Ib 311 S. 315
Menschenrechtskonvention auf. Im Entscheid vom 19. Dezember 1990 (ASA 60 S. 662 E. 3) liess das Bundesgericht die Frage der Anwendbarkeit der Konvention auf solche Verfahren hingegen wieder offen.
b) Die Lehre ist in dieser Frage ebenfalls gespalten. In der Steuerrechtsdoktrin herrscht die Ansicht vor, die Hinterziehungsbusse bzw. die Strafsteuer (nach kantonalem Steuerstrafrecht) sei keine reine Strafe, sondern eine verwaltungsrechtliche Sanktion eigener Art. Begründet wird diese Auffassung vor allem damit, dass der Strafsteuer auch Schadenersatzfunktion zukomme, indem sie u.a. als Ausgleich für Steuerausfälle diene, die durch die für eine beschränkte Zahl von Jahren erhobene Nachsteuer nicht gedeckt würden (OSKAR BOSSHARDT, Die neue zürcherische Einkommens- und Vermögenssteuer, S. 212 f.; ERNST BLUMENSTEIN, Das System des Steuerrechts, 3. Aufl. 1971, S. 331; REIMANN/ZUPPINGER/SCHÄRRER, Kommentar zum Zürcher Steuergesetz, Band IV, N 14 zu den Vorbemerkungen zu §§ 185-193, N. 6 zu § 188; ZUPPINGER/BÖCKLI/LOCHER/REICH, Steuerharmonisierung, S. 285; weitere Literaturhinweise bei FELIX RICHNER, Wandel und Tendenzen im Zürcher Steuerhinterziehungsrecht, ASA 61 S. 559 FN 9, und URS R. BEHNISCH, Das Steuerstrafrecht im Recht der direkten Bundessteuer, S. 16 FN 147; vgl. auch BLUMENSTEIN/LOCHER, System des Steuerrechts, 4. Auflage 1992, S. 292 f., wonach die heute noch vorherrschende Ansicht in der Schweiz dahingehe, dass der Hinterziehungsbusse auch Schadenersatzfunktion zukomme).
In der neueren Lehre wird demgegenüber - vor allem unter straf- und verfassungsrechtlichem Einfluss - zunehmend die Meinung vertreten, bei der wegen Steuerhinterziehung ausgesprochenen Busse oder Strafsteuer handle es sich um eine echte und reine Strafe, auf die
Art. 6 EMRK
Anwendung finde (ANDREAS DONATSCH, Zum Verhältnis zwischen Steuerhinterziehung und Steuerbetrug nach dem Steuerharmonisierungs- und dem Bundessteuergesetz, ASA 60 S. 294; KÄLIN/SIDLER, a.a.O., ASA 60 S. 171; KÄLIN/SIDLER, Die Anwendbarkeit von
Art. 6 EMRK
auf kantonale Steuerhinterziehungsverfahren, ASA 57 S. 547; KÄNZIG/BEHNISCH, Die direkte Bundessteuer, 2. Auflage 1992, N. 10, 11 f. zu
Art. 129 BdBSt
; MARTIN ZWEIFEL, Das rechtliche Gehör im Steuerhinterziehungsverfahren, ASA 60 S. 451, 453; MARTIN ZWEIFEL, Die rechtsstaatliche Ausgestaltung des Steuerhinterziehungsverfahrens vor Verwaltungsbehörden, Steuerrecht im Rechtsstaat, Festschrift für Francis Cagianut, S. 224; vgl. neustens RICHNER, a.a.O., S. 562 f. und 564, mit weiteren Hinweisen
BGE 119 Ib 311 S. 316
in FN 30; gegen die Auffassung von der Schadenersatzfunktion der Steuerstrafe bereits WALTER ROBERT PFUND, Das Steuerstrafrecht, Basel 1954, S. 22 ff., und PETER BÖCKLI, Harmonisierung des Steuerstrafrechts, ASA 51 S. 103, 107).
c) Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte musste bisher nicht entscheiden, ob ein Strafsteuerverfahren den Garantien des
Art. 6 EMRK
unterliegt. Demgegenüber erklärte die Europäische Kommission für Menschenrechte im Fall von Sydow gegen Schweden die Beschwerde als zulässig und bekundete damit, dass sie die Anwendbarkeit der Konvention auf Hinterziehungsverfahren (hier Strafzuschlag auf der Einkommenssteuer) nicht zum vornherein ausschliesst (Beschwerde Nr. 11464/85, EuGRZ 1988 S. 329). Ebenso bezeichnete die Kommission im Fall Bendenoun gegen Frankreich einen dem Beschwerdeführer wegen Steuerhinterziehung auferlegten Strafzuschlag zur Einkommenssteuer im Lichte der vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte angewandten Kriterien als Strafe im Sinne von
Art. 6 EMRK
(Beschwerde Nr. 12547/86, Bericht vom 10. Dezember 1992).
d) Bei der Beurteilung der Frage, ob es im vorliegenden Hinterziehungsverfahren um die Stichhaltigkeit einer gegen den Beschwerdeführer erhobenen Anklage im Sinne von
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
geht, sind die vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entwickelten Kriterien heranzuziehen. Danach kommt es zunächst darauf an, ob die Norm über die Zuwiderhandlung nach dem Rechtssystem des betreffenden Staates dem Strafrecht angehört. Diesem Gesichtspunkt kommt allerdings nur eine relative Bedeutung zu. Von grösserer Tragweite ist die Natur der vorgeworfenen Handlung sowie die Art und Schwere der angedrohten Sanktion (Urteil Engel vom 8. Juni 1976, Publications de la Cour européenne des Droits de l'Homme, Série A, Vol. 22, Ziff. 82, deutsche Übersetzung in EuGRZ 1976 S. 232 f.; Urteil Öztürk vom 21. Februar 1984, Série A, Vol. 73, Ziff. 52 = EuGRZ 1985 S. 67; Urteil Campbell und Fell vom 28. Juni 1984, Série A, Vol. 80, Ziff. 71 = EuGRZ 1985 S. 538; Urteil Demicoli vom 27. August 1991, Série A, Vol. 210, Ziff. 32 f. = EuGRZ 1991 S. 476 f.; Urteil Weber vom 22. Mai 1990, Série A, Vol. 177, Ziff. 31 f. = EuGRZ 1990 S. 265 f.; vgl. auch
BGE 117 Ia 188
).
e) Art. 129 (wie übrigens auch Art. 131 Abs. 2) BdBSt richtet sich gegen die Hinterziehung der direkten Bundessteuer und setzt den Steuerpflichtigen einer Sanktion aus, einer Geldbusse, die präventiv und repressiv wirken soll. Eine solche Sanktion fällt - auch wenn
BGE 119 Ib 311 S. 317
sie nicht in einer Freiheitsstrafe besteht - nach der Praxis des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte unter das Strafrecht (Fall Öztürk, a.a.O., Ziff. 53). Die steuerrechtlichen Bestimmungen über die Hinterziehung haben zudem allgemeinen Charakter und richten sich an alle Bürger in ihrer Eigenschaft als Steuerpflichtige. Geschütztes Rechtsgut ist der Fiskalanspruch des Staates. Eine solche Rechtsnorm unterscheidet sich von Strafnormen, welche die Vermögensansprüche Privater schützen, nicht grundsätzlich.
Die strafrechtliche Natur der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Übertretung ergibt sich auch aus Art und Schwere der angedrohten Sanktion. Die Busse beträgt beim Hinterziehungsversuch bis zu Fr. 20'000.-- (
Art. 131 Abs. 2 BdBSt
); beim vollendeten Delikt kann sie sich bis auf das Vierfache des entzogenen Steuerbetrages belaufen (
Art. 129 Abs. 1 BdBSt
). Die Schwere dieser Sanktionen zeigt, dass sie sich für den Betroffenen in gleicher Weise auswirken können wie eine strafrechtliche Verurteilung.
Dass die Widerhandlung von den Verwaltungsbehörden verfolgt und geahndet wird, kann nicht entscheidend sein. Bei der Beurteilung der Frage, ob es sich um eine "strafrechtliche Anklage" im Sinne von
Art. 6 EMRK
handelt, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte nicht eine formelle, sondern eine materielle Betrachtungsweise zugrunde zu legen. Danach gilt als Anklage jede amtliche, von der zuständigen Behörde ausgehende Bekanntgabe des Vorwurfs, eine Straftat begangen zu haben (vgl. das erwähnte Urteil Öztürk, Ziff. 55, mit Hinweisen). Das gilt nach der Praxis des Gerichtshofes auch bei eigentlichen Verwaltungsstrafverfahren (z.B. Urteil Deweer vom 27. Februar 1980, Série A, Vol. 35, Ziff. 41 ff. = EuGRZ 1980 S. 671 f.). Einen solchen Vorwurf erheben die Steuerbehörden jeweils, wenn sie ein Steuerhinterziehungsverfahren einleiten. Bei der Steuerbusse wegen Steuerhinterziehung im Recht der direkten Bundessteuer handelt es sich demnach um eine Strafe im Sinne von
Art. 6 EMRK
.
f) Die bisherige Rechtsprechung ist somit dahingehend zu verdeutlichen, dass
Art. 6 EMRK
auf Verfahren, in denen über eine Hinterziehungsbusse nach
Art. 129 BdBSt
zu entscheiden ist, Anwendung findet. Die Garantien des
Art. 6 EMRK
sind im vorliegenden Verfahren deshalb zu beachten. Das muss auch gelten, soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 4 des Protokolls Nr. 7 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (SR 0.101.07; im folgenden: Protokoll Nr. 7 zur EMRK), der
BGE 119 Ib 311 S. 318
ebenfalls Garantien zugunsten des Beschuldigten im Strafverfahren enthält, geltend macht.
3.
Der Beschwerdeführer beruft sich auf den Grundsatz ne bis in idem. Er macht geltend, die Bezirksanwaltschaft Pfäffikon habe bereits wegen Steuerbetrugs gegen ihn ermittelt und das Verfahren eingestellt; überdies sei er wegen Hinterziehung der kantonalen Steuern bestraft worden. Einer Bestrafung wegen Steuerhinterziehung gemäss
Art. 129 Abs. 1 BdBSt
stehe deshalb das Prinzip ne bis in idem entgegen.
a) Nach ständiger Rechtsprechung folgt das Prinzip ne bis in idem aus dem eidgenössischen Strafrecht. Es hat überdies verfassungsrechtlichen Rang und leitet sich aus
Art. 4 BV
ab (
BGE 118 IV 271
E. 2;
BGE 116 IV 264
f.). Das Prinzip ne bis in idem findet neuerdings seine Grundlage auch im Protokoll Nr. 7 zur EMRK, das für die Schweiz am 1. November 1988 in Kraft getreten ist, sowie in dem für die Schweiz seit 18. September 1992 in Kraft stehenden Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom 16. Dezember 1966 (UNO-Pakt II; SR 0.103.2; AS 1993 750). Danach darf niemand "wegen einer strafbaren Handlung, wegen der er bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht eines Staates rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren desselben Staates erneut vor Gericht gestellt oder bestraft werden" (Art. 4 Ziff. 1 Protokoll Nr. 7 zur EMRK; fast gleichlautend
Art. 14 Abs. 7 UNO-Pakt II
). Einer zweiten Verfolgung der gleichen Tat steht somit prozessual die materielle Rechtskraft entgegen (
BGE 118 IV 271
;
BGE 116 IV 264
f.).
b) Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, dem Verfahren wegen Steuerhinterziehung stehe die rechtskräftig abgeschlossene Untersuchung wegen Steuerbetrugs entgegen, ist das aus eidgenössischem Strafrecht hergeleitete Prinzip ne bis in idem nicht verletzt. Der Beschluss über die direkte Bundessteuer sieht ausdrücklich zwei verschiedene Verfahren vor und weist die Verfolgung der Steuerhinterziehung den Steuerbehörden und die Ahndung des Steuerbetruges den strafrichterlichen Behörden zu (
Art. 132, 133bis BdBSt
). Art. 130bis Abs. 1 zweiter Satzteil BdBSt bestimmt für den Steuerbetrug zudem ausdrücklich: "die Bestrafung wegen Steuerhinterziehung bleibt vorbehalten". Durch diese Regelung wird die Tragweite des bundesrechtlichen Grundsatzes für die direkte Bundessteuer konkretisiert (
BGE 116 IV 268
). Die Frage, welche Tragweite dem aus eidgenössischem Strafrecht abgeleiteten Prinzip ne bis in idem zukommt, stellt sich deshalb nicht.
BGE 119 Ib 311 S. 319
Soweit es um den aus
Art. 4 BV
hergeleiteten Grundsatz ne bis in idem geht, ist das Bundesgericht gemäss
Art. 114bis Abs. 3 BV
an die Bundesgesetzgebung, zu welcher auch der Bundesratsbeschluss über die direkte Bundessteuer gehört (
BGE 117 Ib 369
E. 1a), gebunden. Es könnte daher nur feststellen, dass die Regelung im Widerspruch zur Verfassung steht. Den angefochtenen Entscheid selbst könnte es jedoch nicht aufheben (
BGE 116 IV 268
).
Fragen kann sich somit nur, ob allenfalls der Grundsatz, wie er in Art. 4 des Protokolls Nr. 7 zur EMRK und in
Art. 14 UNO-Pakt II
enthalten ist, verletzt ist.
c) Die Anwendung des Prinzips ne bis in idem setzt voraus, dass sich das Verfahren gegen die gleiche Person richtet. Erforderlich ist ferner, dass die ihr vorgeworfene Tat bzw. strafbare Handlung bereits Gegenstand des ersten Verfahrens gebildet hat. Die bundesgerichtliche Rechtsprechung leitet - in Übereinstimmung mit einem Teil der Lehre - aus dem Grundsatz ne bis in idem überdies ab, dass dem Richter im ersten Verfahren die Möglichkeit zugestanden haben muss, den Sachverhalt unter allen tatbestandsmässigen Punkten zu würdigen (Urteile vom 14. Juni 1990, ASA 59 S. 645, und vom 19. Dezember 1990, ASA 60 S. 669; ROBERT HAUSER, Kurzlehrbuch des Strafprozessrechts, 2. Auflage 1984, S. 243; RICHNER, a.a.O. [vorn E. 2b], S. 600 f., mit weiteren Hinweisen).
Die zuletzt genannte Voraussetzung trifft hier aufgrund der beschränkten Beurteilungskompetenz der verschiedenen Behörden nicht zu. Die Steuerbehörden, welche die Strafe für die Steuerhinterziehung festzusetzen haben, sind sachlich nicht zuständig, über den Steuerbetrug zu befinden, und die strafrichterlichen Behörden, welche den Steuerbetrug verfolgen, sind zur Bestrafung wegen Steuerhinterziehung nicht befugt. Insoweit ist die Beurteilungskompetenz der zuerst entscheidenden Behörde immer beschränkt. Nur beide Behörden zusammen können den Sachverhalt in seiner Gesamtheit und unter allen rechtlichen Gesichtspunkten beurteilen. Aus
Art. 4 BV
folgt nicht, dass eine einzige Behörde sowohl über die Steuerhinterziehung als auch über den Steuerbetrug zu entscheiden hat (vgl. die erwähnten Urteile in ASA 59 S. 645 und ASA 60 S. 669). Ebensowenig lässt sich aus Art. 4 des Protokolls Nr. 7 zur EMRK oder aus Art. 14 des UNO-Paktes II ableiten, dass über die beiden Tatbestände in einem einzigen Verfahren zu befinden ist.
In
BGE 116 IV 267
f. hat der Kassationshof des Bundesgerichts allerdings festgestellt, dass der Steuerbetrugstatbestand des
BGE 119 Ib 311 S. 320
Art. 130bis BdBSt
wie ein qualifizierter Tatbestand auf dem Grundtatbestand der Hinterziehung aufbaue und beide Strafbestimmungen das gleiche Rechtsgut schützen. Ob daraus abzuleiten ist, der Steuerbetrug konsumiere die Steuerhinterziehung, so dass eine Bestrafung des Steuerbetrugs auch den weniger weit gehenden kriminellen Unwert der Steuerhinterziehung abdeckt und einer Bestrafung der Steuerhinterziehung die Bestrafung wegen Steuerbetrugs entgegensteht (so MARTIN ZWEIFEL, Aktuelle Probleme des Steuerstrafrechts, ZStrR 111/1993 S. 18, 20), braucht hier nicht entschieden zu werden. Es genügt die Feststellung, dass das Verfahren wegen Steuerbetrugs gegen den Beschwerdeführer eingestellt worden ist. Dadurch, dass nicht eine einzige Behörde sowohl über die Steuerhinterziehung als auch über den Steuerbetrug entschieden hat, ist der Grundsatz ne bis in idem nicht verletzt.
d) Zu prüfen bleibt, ob das Prinzip ne bis in idem einer Bestrafung wegen Hinterziehung der direkten Bundessteuer deshalb entgegensteht, weil der Beschwerdeführer bereits wegen Hinterziehung der kantonalen Steuern bestraft worden ist, wie er geltend macht.
Die Frage ist zu verneinen. Für die kantonalen Steuern und für die direkte Bundessteuer ist zwar nur eine Steuererklärung auszufüllen. In Frage stehen jedoch zwei Steuern, zu deren Erhebung verschiedene Gemeinwesen - Bund und Kanton - befugt sind. Es handelt sich um verschiedene Steuerhoheiten, die ihre jeweiligen Steueransprüche je mit einem Steuerstrafrecht zu schützen haben (RICHNER, a.a.O., S. 605 f.). Insofern geht es um den Schutz verschiedener Rechtsgüter und besteht zwischen den bundesrechtlichen Tatbeständen einerseits und den kantonalen Tatbeständen anderseits echte Konkurrenz. Dass dem Bürger kein Anspruch auf eine einmalige Besteuerung und damit auch kein Anspruch auf eine einmalige Bestrafung zusteht, ergibt sich bereits aus der föderalistischen Struktur des Staatswesens, wie es in
Art. 3 BV
verankert ist. Von einer Doppelbestrafung aufgrund des gleichen Delikts kann aus diesem Grunde nicht die Rede sein.
4.
Der Beschwerdeführer macht geltend, die ihm vorgeworfene Hinterziehung der direkten Bundessteuer 1981/82 sei heute verjährt. Nach seiner Ansicht ist, da der Beschluss über die direkte Bundessteuer keine Vorschrift über die Verjährung der Strafverfolgung bei der Steuerhinterziehung enthält, die Lücke nach den allgemeinen Bestimmungen des Schweizerischen Strafgesetzbuches zu schliessen (
Art. 333 Abs. 1 StGB
).
BGE 119 Ib 311 S. 321
a) Gemäss
Art. 134 BdBSt
erlischt das Recht, das Hinterziehungsverfahren einzuleiten, fünf Jahre nach Ablauf der in Frage kommenden Veranlagungsperiode. Eine Vorschrift, wonach das einmal eingeleitete Verfahren wegen Hinterziehung der direkten Bundessteuer innert einer bestimmten Frist abzuschliessen wäre, besteht hingegen nicht. Befristet wird ausdrücklich nur die Einleitung des Verfahrens. Die frühere Praxis leitete daraus in Übereinstimmung mit der Doktrin ab, dass für das Hinterziehungsverfahren keine Frist für die absolute Verjährung gelte (Urteil vom 8. Mai 1953, ASA 22 S. 170; I. BLUMENSTEIN, Die allgemeine eidgenössische Wehrsteuer, Bern 1943, S. 292; KÄNZIG, Wehrsteuerkommentar, 1. Aufl. 1962, Bemerkungen zu
Art. 134 BdBSt
; s. auch das Urteil vom 3. Juli 1980, ASA 54 S. 670 E. 3b).
Ob an dieser Rechtsprechung festgehalten werden kann, erscheint fraglich. Das Institut der Verjährung ist im öffentlichen Recht als allgemeiner Rechtsgrundsatz auch dann anerkannt, wenn eine ausdrückliche Bestimmung darüber fehlt. Das gilt in erster Linie für die Verjährung öffentlichrechtlicher Geldforderungen (
BGE 112 Ia 262
E. 5;
BGE 101 Ia 21
f. E. 4a), sodann aber auch für die Verjährung von Ansprüchen ohne vermögensrechtlichen Einschlag (
BGE 117 IV 241
f.; weitere Hinweise bei RHINOW/KRÄHENMANN, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, Ergänzungsband, S. 96). Auch Strafansprüche des Staates müssen irgendeinmal verjähren. Das gilt für das Verwaltungsstrafrecht und das Abgaberecht ebenso. Das Bundesgesetz vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht (VStrR; SR 313.0) wie auch die neuen Bundesgesetze über die direkte Bundessteuer (DBG; SR 642.11; AS 1991 1184) und über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (StHG; SR 642.14; AS 1991 1256), beide vom 14. Dezember 1990, setzen Fristen, bei deren Ablauf die Strafverfolgung wegen Hinterziehung der Abgabe relativ und absolut verjährt (
Art. 11 Abs. 2 VStrR
;
Art. 184 DBG
;
Art. 58 StHG
). Dass das Hinterziehungsverfahren, wenn es nach
Art. 134 BdBSt
einmal eingeleitet worden ist, keiner Verjährung mehr unterliegen soll, wurde denn auch verschiedentlich kritisiert (so bereits von BÖCKLI, a.a.O. [vorn E. 2b], S. 138; ferner KÄNZIG/BEHNISCH, a.a.O., N. 6 zu
Art. 134 BdBSt
; RICHNER, a.a.O., S. 606/607).
Die Frage, ob der Beschluss über die direkte Bundessteuer in dieser Hinsicht eine Lücke aufweist, wie vereinzelt angenommen wird (KÄNZIG/BEHNISCH, a.a.O., mit Berufung auf MARKUS BINDER, Die Verjährung im schweizerischen Steuerrecht, Diss. Zürich 1985,
BGE 119 Ib 311 S. 322
S. 18 ff./36 ff.) und wie auch der Beschwerdeführer geltend macht, kann indessen offenbleiben, wie sich aus den folgenden Erwägungen ergibt.
b) Falls der Beschluss über die direkte Bundessteuer eine Lücke enthält, weil der Gesetzgeber es unterlassen hat, die Frage der Verjährung bei der Strafverfolgung wegen Hinterziehung explizit zu regeln, so wäre die Lücke vom Richter in der Art des Gesetzgebers nach allgemeinen Rechtsprinzipien zu füllen. Dabei ist in erster Linie auf die Ordnung, die andere Erlasse für verwandte Fälle aufgestellt haben, zurückzugreifen (
BGE 112 Ia 263
E. 5, mit Hinweisen).
Die Verjährungsvorschriften des Schweizerischen Strafgesetzbuches sind indes - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - auf die Verfolgung der Steuerhinterziehung nach
Art. 129 BdBSt
nicht anwendbar. Bei der Steuerhinterziehung handelt es sich um eine Übertretung im Sinne des Strafgesetzbuches (
Art. 101 StGB
). Gemäss
Art. 109 StGB
verjährt die Verfolgung einer solchen in einem Jahr. Die Frist kann durch Untersuchungshandlungen zwar unterbrochen werden, doch beträgt die absolute Verjährungsfrist in diesem Falle höchstens zwei Jahre (Art. 72 Ziff. 2 Abs. 2 in Verbindung mit
Art. 102 StGB
). Demgegenüber befristet
Art. 134 BdBSt
die Einleitung des Hinterziehungsverfahrens auf fünf Jahre.
Art. 134 BdBSt
ist deshalb als spezielle Vorschrift zu betrachten, welche es nicht erlaubt, die allgemeinen Bestimmungen des Strafgesetzbuches über die Verjährung für das Hinterziehungsverfahren heranzuziehen (
Art. 333 Abs. 1 StGB
).
Das gleiche muss auch für die Regelung im Verwaltungsstrafrecht des Bundes gelten. Die Frist von fünf Jahren für die relative Verjährung der Strafverfolgung bei Hinterziehung von Abgaben (
Art. 11 Abs. 2 VStrR
) ist nicht länger als die Einleitungsfrist des
Art. 134 BdBSt
, was als Hinweis gelten muss, dass die Verjährungsbestimmung des Verwaltungsstrafrechts auf das Recht der direkten Bundessteuer nicht hilfsweise (analog) angewendet werden kann (im gleichen Sinn KÄNZIG/BEHNISCH, a.a.O., N. 6 zu Art. 134).
c) In Betracht fällt sodann die Regelung im neuen Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer. Danach verjährt die Strafverfolgung für die vollendete Steuerhinterziehung zehn Jahre nach Ablauf der Steuerperiode, für die der Steuerpflichtige nicht oder unvollständig veranlagt wurde (
Art. 184 Abs. 1 lit. b DBG
). Die Verjährung wird durch jede Strafverfolgungshandlung unterbrochen, doch kann sie nicht um mehr als die Hälfte ihrer ursprünglichen Dauer hinausgeschoben werden (
Art. 184 Abs. 2 DBG
). Eine Steuerhinterziehung
BGE 119 Ib 311 S. 323
verjährt somit nach dem Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer in 15 Jahren nach Ablauf der betreffenden Steuerperiode.
Diese Ordnung stimmt mit derjenigen im Bundesgesetz über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (
Art. 58 Abs. 2 und 3 StHG
) überein und entspricht von den in Betracht fallenden Lösungen der Konzeption der direkten Bundessteuer auch am besten. Es ist anzunehmen, dass sich der Gesetzgeber für eine ähnliche Lösung ausgesprochen hätte, wenn er die Strafverfolgungsverjährung im geltenden Bundesratsbeschluss hätte regeln wollen. Sofern der Erlass diesbezüglich eine Lücke enthält, wäre deshalb auf die Lösung abzustellen, die der Gesetzgeber im Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer vorgesehen hat (ebenso KÄNZIG/BEHNISCH, a.a.O., N. 9 zu
Art. 134 BdBSt
).
d) Die hier in Frage stehende Steuerhinterziehung betrifft die Veranlagungs- und Steuerperiode 1981/82. Das Nach- und Strafsteuerverfahren wurde von der Abteilung Direkte Bundessteuer des Kantonalen Steueramtes am 11. Dezember 1987 - innerhalb der Frist des
Art. 134 BdBSt
- eingeleitet und die Verjährungsfrist seither wiederholt unterbrochen. Die absolute Verjährung von 15 Jahren würde Ende 1997 eintreten. Die Rüge, wonach die Steuerhinterziehung heute als verjährt zu betrachten sei, erweist sich daher als unbegründet.
5.
Der Beschwerdeführer macht unter Berufung auf
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
auch geltend, das gegen ihn geführte Strafverfahren habe zu lange gedauert. Die Hinterziehung betrifft die Veranlagungsperiode der Jahre 1981/82. Dass Strafuntersuchungen und Strafverfahren ohne unnötige Verzögerungen zu Ende geführt werden, gehört zu den Rechten des Beschuldigten; das in diesem Zusammenhang zu beachtende Beschleunigungsgebot ist vom Bundesgericht bereits aus
Art. 4 BV
abgeleitet worden (
BGE 113 Ia 420
). In gleicher Weise garantiert
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
, dass über die Sache innert einer angemessenen Frist entschieden werden muss. Auch wenn die Hinterziehung nicht verjährt ist, ist der Einwand, das Verfahren habe zu lange gedauert, doch zu prüfen. Denn die Vorschriften über die Verjährung, die ausschliesslich auf eine bestimmte Dauer seit der Tat abstellen, sind auf das Beschleunigungsgebot, wie es sich aus
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
ergibt, nicht zugeschnitten (
BGE 117 IV 127
).
a) Die Frist, deren Angemessenheit zu beachten ist, beginnt bei Strafverfahren im Zeitpunkt der "Anklage". Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte stellt hierfür auf die offizielle amtliche
BGE 119 Ib 311 S. 324
Mitteilung der zuständigen Behörde an den Beschuldigten, dass ihm vorgeworfen werde, eine Straftat begangen zu haben, ab. In der Regel ist das die Mitteilung, dass ein Ermittlungsverfahren, eine Voruntersuchung, eingeleitet werde (Urteil Eckle vom 15. Juli 1982, Série A, Vol. 51, Ziff. 73 = EuGRZ 1983 S. 379; Urteil Corigliano vom 10. Dezember 1982, Série A, Vol. 57, Ziff. 34/35; vgl. MIEHSLER/VOGLER, in: Internationaler Kommentar zur Europäischen Menschenrechtskonvention, N. 313 zu
Art. 6 EMRK
; VELU/ERGEC, La Convention européenne des droits de l'homme, Bruxelles 1990, S. 440 N. 517). Diese Grundsätze sind auf Steuerstrafverfahren entsprechend anwendbar. So betrachtete die Europäische Menschenrechtskommission im Falle Huber die sich auf die steuerrechtlichen Verpflichtungen des Beschwerdeführers erstreckenden Ermittlungen der Steuerbehörden, in deren Verlauf sich erst der Verdacht einer Straftat ergab, nicht als fristauslösend (Bericht vom 8. Februar 1973, Décisions et rapports [DR] 2, 40 Ziff. 71/72). Hingegen nahm sie in einem andern Fall, in dem die Steuerbehörden von Anfang an Ermittlungen wegen des Verdachts möglicher Straftaten geführt und den Steuerpflichtigen darauf hingewiesen hatten, den Fristbeginn mit den ersten Ermittlungshandlungen der Steuerbehörden an (unveröffentlichter Entscheid, zitiert nach MIEHSLER/VOGLER, a.a.O., N. 313 zu
Art. 6 EMRK
).
Massgebender Zeitpunkt ist somit auch in Steuerstrafverfahren die Aufnahme der ersten eigentlichen, auf die Steuerstraftat gerichteten Ermittlungen der Steuerbehörden oder die Mitteilung, dass ein entsprechendes Ermittlungsverfahren eingeleitet werde. Das ist hier nicht bereits die Prüfung der Geschäftsunterlagen der Kommanditgesellschaft im Rahmen der allgemeinen steueramtlichen Revision vom 14./15. Januar 1986, weil sich dort der Verdacht einer Steuerstraftat erst ergab. Massgeblich ist vielmehr die Mitteilung der Steuerbehörde an den Beschwerdeführer, dass gegen ihn ein Verfahren wegen Steuerhinterziehung eingeleitet werde, weil der Beschwerdeführer sich in jenem Zeitpunkt mit dem Vorwurf konfrontiert sah, eine Steuerhinterziehung begangen zu haben. Fragen kann sich nur, ob auf die Verfügung der Abteilung Direkte Bundessteuer des Kantonalen Steueramtes Zürich vom 11. Dezember 1987, mit der das Hinterziehungsverfahren für die direkte Bundessteuer eingeleitet wurde, oder bereits auf die Mitteilung des Kantonalen Steueramtes an den Beschwerdeführer vom 7. März 1986, dass das Hinterziehungsverfahren betreffend die kantonalen Steuern eröffnet werde, abzustellen ist.
BGE 119 Ib 311 S. 325
Die Frage, welcher Zeitpunkt in Betracht kommt, kann indessen offenbleiben. An der Beurteilung ändert nichts, auch wenn angenommen wird, die massgebende Verfahrenseinleitung falle mit der zeitlich ersten Verfügung vom 7. März 1986 betreffend die kantonalen Steuern zusammen.
b) Die Angemessenheit der Verfahrensdauer ist in jedem Fall nach den besonderen Umständen der Sache unter Berücksichtigung der Kriterien zu beurteilen, die sich aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ergeben. Bestimmte Zeitgrenzen, die, wenn sie überschritten sind, ohne weiteres eine Verletzung von
Art. 6 EMRK
bewirken, sind vom Gerichtshof nicht festgelegt worden, obschon eine besonders lange Frist ein Anhaltspunkt für eine verzögerliche Behandlung durch die Behörden bilden kann. Unter diesem Gesichtspunkt sind der Umfang und die Schwierigkeit des Falles zu gewichten. Sodann ist in Betracht zu ziehen, ob die Behörden und Gerichte oder der Beschwerdeführer durch ihr Verhalten zur Verfahrensverzögerung beigetragen haben (BGE 119 Ia Nr. 26 E. 4b, mit Hinweisen zur Strassburger Rechtsprechung; ferner Urteile des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte i.S. H. vom 8. Juli 1987, Série A, Vol. 120, Ziff. 71 ff.; Guincho vom 10. Juli 1984, Série A, Vol. 81, Ziff. 31 ff. = EuGRZ 1985 S. 639 ff.; Zimmermann und Steiner vom 13. Juli 1983, Série A, Vol. 66, Ziff. 24 ff.). Als weiteres Kriterium ist die Bedeutung der Angelegenheit für den Betroffenen zu werten (Urteil des Gerichtshofes i.S. X. vom 31. März 1992, Série A, Vol. 234-C, Ziff. 46 f., und Bock vom 29. März 1989, Série A, Vol. 150, Ziff. 48).
Strafsteuerverfahren sind - wie Wirtschaftsstrafverfahren (Urteil des Gerichtshofes i.S. W. vom 26. Januar 1993, Série A, Vol. 254, Ziff. 41 f. ferner Urteil Eckle, a.a.O., Ziff. 37, 89; VELU/ERGEC, a.a.O., S. 444 N. 523) - vielfach kompliziert und aufwendig. Das Recht des Beschuldigten, dass der Fall mit der erforderlichen Sorgfalt umfassend abgeklärt wird, und sein Anspruch, dass das Hinterziehungsverfahren zügig vorangetrieben wird, stehen deshalb in einem gewissen Widerspruch. Das kann jedoch, wie die Strassburger Organe wiederholt erkannt haben, nicht zur Folge haben, dass deswegen der Fall nicht mit der erforderlichen Sorgfalt untersucht und beurteilt wird (Urteile des Gerichtshofes i.S. W., a.a.O., Ziff. 42, und i.S. Wemhoff vom 27. Juni 1968, Série A, Vol. 7, S. 26, Ziff. 17).
Im Recht der direkten Bundessteuer sind zudem die Zwangsmassnahmen der Steuerbehörden (unter Vorbehalt der Fälle gemäss
BGE 119 Ib 311 S. 326
Art. 133bis Abs. 3 und
Art. 139 Abs. 2 BdBSt
, wo das Bundesgesetz über das Verwaltungsstrafrecht zur Anwendung gelangt) beschränkt. Sie greifen schon aus diesem Grund nicht wesentlich in die Rechtsstellung des Steuerpflichtigen ein. Was Art und Schwere der in Frage stehenden Sanktionen anbelangt, so kann das Steuerhinterziehungsverfahren ebenfalls nicht mit einem eigentlichen Strafverfahren in Beziehung gesetzt werden. Es geht um reine Geldstrafen, die zwar in der Höhe beträchtlich sein können, die sich aber hinsichtlich ihrer Auswirkungen von vornherein nicht mit einer Freiheitsstrafe vergleichen lassen. Für den Steuerpflichtigen geht es im wesentlichen darum zu wissen, ob er nach Abschluss des Verfahrens eine bestimmte Geldsumme zu bezahlen hat.
Die Frage, welches die angemessene Verfahrensdauer ist, muss daher insbesondere auch unter Berücksichtigung der Anzahl Fälle, die von den Steuerbehörden zu bearbeiten sind, sowie der Schwierigkeiten, welchen die Steuerbehörden in solchen Fällen begegnen, gesehen werden. Unter diesen Gesichtspunkten ist im vorliegenden Verfahren die Angemessenheit der Verfahrensdauer zu prüfen.
c) Am 7. März 1986 wurde das Verfahren wegen Hinterziehung der kantonalen Steuern eingeleitet. Rund 21 Monate später, am 11. Dezember 1987, eröffnete auch die Abteilung Direkte Bundessteuer des Kantonalen Steueramtes das Hinterziehungsverfahren für die direkte Bundessteuer. Weitere sieben Monate vergingen, bis die Abteilung Direkte Bundessteuer am 6. Juli 1988 die Nach- und Strafsteuerverfügung erliess. Im Zeitpunkt der Nach- und Strafsteuerverfügung der Abteilung Direkte Bundessteuer dauerte das Verfahren somit rund 28 Monate (sofern die Angemessenheit der Verfahrensdauer bereits ab Einleitung des Hinterziehungsverfahrens für die kantonalen Steuern zu beurteilen ist, vgl. vorn E. 5a). Diese Verfahrensdauer bis zur erstinstanzlichen Verfügung in einem einfachen Hinterziehungsverfahren, wie es hier vorliegt, erscheint als reichlich lang, auch wenn das Kantonale Steueramt am 16. September 1986 noch eine Befragung des Beschwerdeführers durchgeführt und die Abteilung Direkte Bundessteuer dem Anwalt des Beschwerdeführers die Nachsteuer- und Bussenverfügung vorerst provisorisch zur Stellungnahme zugestellt hat. In materieller Hinsicht wirft der vorliegende Fall keine besonderen Probleme auf. Der Beschwerdeführer hat, was unbestritten ist, Privataufwendungen der Gesellschaft (Mietzinse) nicht als Einkommen deklariert. Der objektive Tatbestand der Steuerhinterziehung ist klarerweise erfüllt, was damals schon ersichtlich war. Keine Probleme warf auch die Berechnung
BGE 119 Ib 311 S. 327
der sich aus dieser Nichtdeklaration ergebenden Nachsteuer auf. Fragen konnte sich nur, ob der Beschwerdeführer vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat. Mit besonderen Schwierigkeiten lässt sich die lange Dauer des Verfahrens vor der Abteilung Direkte Bundessteuer somit nicht erklären.
Im vorliegenden Fall ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer seinerseits keine besonderen Anstrengungen unternahm, damit das Verfahren beförderlich zu Ende geführt werden konnte. Im Gegenteil stellte er noch am 9. Mai 1988 - kurz vor Erlass der Nach- und Strafsteuerverfügung - ein Gesuch um Sistierung des Verfahrens, wie sich aus dem angefochtenen Entscheid ergibt. Für den Beschwerdeführer stand lediglich eine Geldstrafe, die angesichts des hinterzogenen Steuerbetrages (Fr. 5'800.--) nicht an seine berufliche oder wirtschaftliche Existenz rührt, in Aussicht. Unter diesen besonderen Umständen erscheint die Dauer des erstinstanzlichen Verfahrens noch als erträglich.
d) Was das Verfahren vor der Vorinstanz (Bundessteuer-Rekurskommission) betrifft, so dauerte es vom Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung bis zum Erlass des Urteils zwar auch 3 Jahre und 7 Monate (4. August 1988 bis 11. März 1992). Es blieb aber vom 2. November 1988 bis 5. Oktober 1990 und wiederum vom 22. Oktober 1990 bis 24. Oktober 1991 sistiert. Aus den Akten ist ersichtlich, dass der Anwalt des Beschwerdeführers darum ersuchte, das Verfahren bis zum Entscheid des Bundesgerichts über die staatsrechtliche Beschwerde betreffend die kantonalen Steuern auszusetzen. Nachdem das Bundesgericht die Beschwerde gutgeheissen hatte, teilte der Anwalt den Behörden mit, dass das Verwaltungsgericht über die Hinterziehung der kantonalen Steuern neu entscheiden müsse; unter diesen Umständen dürfe er davon ausgehen, dass das Hinterziehungsverfahren (betreffend die direkte Bundessteuer) "einstweilen sistiert bleibt". Diesen Anträgen wurde entsprochen. Damit hat hauptsächlich der Beschwerdeführer durch sein Verhalten die lange Dauer des Verfahrens vor der Bundessteuer-Rekurskommission verursacht. Eine überlange Verfahrensdauer kann der Vorinstanz nicht vorgeworfen werden.
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
ist - ebenso wie
Art. 4 BV
- nicht verletzt.
6.
Der Beschwerdeführer beanstandet auch, dass im Verfahren vor der Bundessteuer-Rekurskommission keine öffentliche Hauptverhandlung stattgefunden habe.
a)
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
enthält den Grundsatz der Öffentlichkeit des Verfahrens. Zum Öffentlichkeitsprinzip hat die Schweiz zwar
BGE 119 Ib 311 S. 328
einen Vorbehalt abgegeben, soweit ein solches Verfahren nach den kantonalen Gesetzen vor einer Verwaltungsbehörde stattfindet (AS 1974 2173). Der Vorbehalt geht davon aus, dass er auch dann zur Anwendung gelange, wenn als Gerichte konstituierte Verwaltungsbehörden über zivilrechtliche Ansprüche oder über die Stichhaltigkeit einer Anklage befinden (vgl. dazu WILDHABER, in: Internationaler Kommentar zur Europäischen Menschenrechtskonvention, N. 605, 609 f., 631 f. zu
Art. 6 EMRK
; ferner
BGE 115 V 253
E. 4b). Im Urteil Weber (a.a.O. [vorn E. 2d], Ziff. 38) erklärte jedoch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte den Vorbehalt für ungültig, weil die Schweiz keine "kurze Inhaltsangabe des betreffenden Gesetzes" beigefügt habe. Ob der Mangel geheilt werden kann, ist umstritten (KÄLIN/SIDLER, Verschuldensgrundsatz und Öffentlichkeitsprinzip: Die Strafsteuer im Lichte von Verfassung und EMRK, ASA 60 S. 176, mit Hinweisen; s. auch
BGE 118 Ia 480
E. 6 und 7 zur Ungültigkeit der "auslegenden Erklärung" der Schweiz zum Recht auf Zugang zu den Gerichten, AS 1974 2173). Hier genügt indessen die Feststellung, dass im Zeitpunkt des Entscheids der Steuerrekurskommission kein gültiger Vorbehalt der Schweiz vorlag.
b) Nach der Rechtsprechung gewährleistet das Prinzip der Öffentlichkeit der Verhandlung dem Angeschuldigten und allen übrigen am Prozess Beteiligten eine korrekte und gesetzmässige Behandlung. Die Verhandlungen sind in einem doppelten Sinn öffentlich: Gegenüber der Allgemeinheit, die, von gewissen Ausnahmen abgesehen (zum Ausschluss der Öffentlichkeit, vgl.
BGE 119 Ia 104
E. 4a), den Prozess unmittelbar verfolgen kann, und gegenüber den Parteien, die an allen Prozesshandlungen des Gerichtes teilnehmen können. Damit ist auch im Gerichtswesen für Transparenz gesorgt, was zu den Grundlagen eines demokratischen Staates gehört. Der Grundsatz der Öffentlichkeit in
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
erscheint somit nicht nur als Grundrecht des Einzelnen, sondern ebensosehr als Voraussetzung für das Vertrauen in das Funktionieren der Justiz (
BGE 119 Ia 104
E. 4a; vgl. aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, Urteil vom 8. Dezember 1983 im Fall Axen, Série A, Vol. 72, Ziff. 25 = EuGRZ 1985 S. 228, sowie das die Schweiz betreffende Urteil vom 22. Februar 1984 im Fall Sutter, Série A, Vol. 74, Ziff. 26 = EuGRZ 1985 S. 231 f.; s. auch ARTHUR HAEFLIGER, Die Europäische Menschenrechtskonvention und die Schweiz, S. 153).
Ein aus
Art. 6 EMRK
fliessender Anspruch des Rechtsunterworfenen auf Ausschluss der Öffentlichkeit besteht daher grundsätzlich
BGE 119 Ib 311 S. 329
nicht. Ein solcher Anspruch kann sich allenfalls aus
Art. 8 EMRK
(Schutz des Privat- und Familienlebens; vgl. FROWEIN/PEUKERT, EMRK-Kommentar, N. 87 zu Art. 6; MIEHSLER/VOGLER, a.a.O., N. 338 zu
Art. 6 EMRK
; HAEFLIGER, a.a.O., S. 155 f.; VELU/ERGEC, a.a.O., S. 437 N. 511; Entscheid der Europäischen Menschenrechtskommission vom 4. Juli 1978, DR 14, 231 ff.) oder aus dem ungeschriebenen verfassungsmässigen Recht auf persönliche Freiheit (
BGE 119 Ia 105
E. 4b) ergeben. Das bedeutet jedoch nicht, dass eine Person auf die Öffentlichkeit der Verhandlung nicht verzichten kann. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ging nie so weit und auch der Wortlaut oder Sinn und Zweck des
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
schliessen einen solchen freiwilligen, ausdrücklichen oder stillschweigenden Verzicht nicht aus (Urteil Håkansson und Sturesson vom 21. Februar 1990, Série A, Vol. 171-A, Ziff. 66 = EuGRZ 1992 S. 10). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes muss auch eine öffentliche Anhörung nicht stattfinden, wenn der Angeschuldigte darauf verzichtet und der Vertragsstaat auf einer solchen nicht besteht (Fall Le Compte, Van Leuven und De Meyere, Urteil vom 23. Juni 1981, Série A, Vol. 43, Ziff. 59 = EuGRZ 1981 S. 554; Fall Albert und Le Compte, Urteil vom 10. Februar 1983, Série A, Nr. 58, Ziff. 35 = EuGRZ 1983 S. 194; vgl. auch Urteil Weber, a.a.O., Ziff. 39).
c) Die Vorinstanz hat aufgrund der Akten entschieden, also keine öffentliche Hauptverhandlung durchgeführt. Sie konnte sich hierzu auf § 93 Abs. 2 des Steuergesetzes des Kantons Zürich vom 8. Juli 1951 (Fassung vom 6. Juni 1982) stützen, wonach "ein weiterer Schriftenwechsel oder eine mündliche Verhandlung" nur "ausnahmsweise" angeordnet wird. Diese Bestimmung findet auf das Verfahren vor der Bundessteuer-Rekurskommission entsprechend Anwendung (gemäss § 8 der Verordnung vom 18. August 1982 über die Durchführung der direkten Bundessteuer, Zürcher Gesetzessammlung 634.1).
§ 93 Abs. 2 des Zürcher Steuergesetzes ist keine Ausnahmebestimmung. Das Verfahren vor den kantonalen Rekurskommissionen in Steuersachen ist in den meisten Fällen - auch in den anderen Kantonen - schriftlich. Soweit ausnahmsweise eine mündliche Verhandlung stattfindet, ist sie nach der Praxis der kantonalen Rekurskommissionen zudem nur parteiöffentlich und nicht publikumsöffentlich. Der Ausschluss der Publikumsöffentlichkeit in Steuersachen ergibt sich nach schweizerischer Auffassung aus dem Schutz der Privatsphäre und dem daraus fliessenden Steuergeheimnis,
BGE 119 Ib 311 S. 330
wie es auch in
Art. 71 BdBSt
gesetzlich verankert ist. Ein nur parteiöffentliches Verfahren ist deshalb angezeigt, weil im Steuerprozess, und damit auch im Hinterziehungsverfahren, die wirtschaftlichen und geschäftlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen behandelt werden, die in seinem Interesse geheim zu halten sind (vgl. BLUMENSTEIN/LOCHER, a.a.O. [vorn E. 2b], S. 384; PETER ALTENBURGER, Schutz geheimhaltungsbedürftiger Informationen in Steuersachen: Landesbericht Schweiz, in: Cahiers de droit fiscal international, Band 76b/1991 S. 610; KÄNZIG/BEHNISCH, a.a.O., N. 29 zu
Art. 132 BdBSt
).
Der Verzicht des Steuerpflichtigen auf eine publikumsöffentliche Verhandlung ist im Recht der direkten Bundessteuer demnach zulässig und muss aufgrund des gesetzlich verankerten Steuergeheimnisses von den Behörden respektiert werden. Die Vertraulichkeit des Verfahrens ergibt sich zudem aus Gesetz und Praxis. Der Verzicht auf ein öffentliches Verfahren ist bei Steuerübertretungen daher häufig zu vermuten. Das gilt besonders dann, wenn die Partei durch einen Anwalt vertreten ist und keinen Antrag auf Öffentlichkeit des Verfahrens gestellt hat.
d) Diese Auffassung steht mit der Konvention und der Rechtsprechung des Gerichtshofes nicht im Widerspruch.
Ein aus
Art. 6 EMRK
abzuleitender Anspruch des Rechtsunterworfenen auf Ausschluss der Öffentlichkeit besteht zwar nicht. Wenn sich jedoch ein Verfahren im Einverständnis mit dem Betroffenen im geheimen abspielt und der Vertragsstaat auf einer öffentlichen Verhandlung nicht besteht, so verletzt das nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes die Konvention nicht, wie bereits dargelegt worden ist (Urteil Le Compte, Van Leuven und De Meyere, a.a.O., Ziff. 59, und Albert und Le Compte, a.a.O., Ziff. 35). Ein solcher Verzicht kann zudem ausdrücklich oder stillschweigend erfolgen (Urteil Håkansson und Sturesson, a.a.O., Ziff. 66; ferner Urteil des Gerichtshofes i.S. Schuler-Zgraggen vom 24. Juni 1993, Série A, Vol. 263, Ziff. 58). Er ist nach einigen vom Gerichtshof behandelten Fällen zudem häufig zu vermuten, wenn sich die Vertraulichkeit des Verfahrens aus dem Gesetz oder der Praxis des Vertragsstaates ergibt und der Rechtsunterworfene in Kenntnis dieser Regelung keine öffentliche Anhörung verlangt (Urteil Håkansson und Sturesson, a.a.O., Ziff. 67 und dort zitierte Urteile). Diese Vertraulichkeit des Verfahrens folgt hier aus dem in
Art. 71 BdBSt
gesetzlich niedergelegten Steuergeheimnis und der entsprechenden Praxis.
BGE 119 Ib 311 S. 331
e) Allerdings muss sich der Verzicht des Steuerpflichtigen aus den gesamten Umständen klar ergeben (Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Urteil Albert und Le Compte, a.a.O., Ziff. 35 und Håkansson und Sturesson, a.a.O., Ziff. 66). Im vorliegenden Fall wies der Anwalt in der Beschwerdeeingabe an die Vorinstanz wohl auf die Rechte des Beschwerdeführers gemäss
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
hin und rügte, dass der Beschwerdeführer durch die Steuerverwaltung nicht persönlich angehört worden sei. Einen ausdrücklichen Antrag, wonach das Verfahren publikumsöffentlich durchzuführen sei, stellte der Anwalt freilich nicht. Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer ein vertrauliches Verfahren wünschte. Die Konvention ist daher nicht verletzt, wenn sich das Verfahren im geheimen abspielte.
7.
Der Beschwerdeführer rügt schliesslich, dass er im ganzen Verfahren nie persönlich angehört worden sei.
a) Die Vorinstanz hat mit dem Beschwerdeführer keine persönliche Befragung durchgeführt. Der Öffentlichkeitsgrundsatz, wie er aus
Art. 6 EMRK
fliesst, besagt zwar nicht, welche Prozesshandlungen an der Hauptverhandlung vorgenommen werden müssen und in welcher Form dies zu geschehen habe. Er enthält insbesondere keine Aussagen darüber, welche Beweismittel abgenommen werden müssen. Dies betrifft vielmehr die Prinzipien der Unmittelbarkeit und der Mündlichkeit, die zwar mit dem Grundsatz der Öffentlichkeit in einem gewissen Zusammenhang stehen, dabei aber Prinzipien mit durchaus je eigenständigem Gehalt darstellen (
BGE 113 Ia 417
f. mit Hinweisen). Was das persönliche Erscheinen des Angeklagten betrifft, so garantiert
Art. 6 EMRK
- im Gegensatz zu
Art. 14 Abs. 3 lit. d UNO-Pakt II
- nicht ausdrücklich seinen Anspruch, bei der Verhandlung persönlich anwesend zu sein. Das Recht des Angeklagten auf persönliche Teilnahme an der Hauptverhandlung ist indessen anerkannt (VELU/ERGEC, a.a.O., S. 422 N. 483; FROWEIN/ PEUKERT, a.a.O., N. 66 zu Art. 6; MIEHSLER/VOGLER, a.a.O., N. 362 zu
Art. 6 EMRK
; aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes, Urteil Colozza vom 12. Februar 1985, Série A, Vol. 89, Ziff. 27 = EuGRZ 1985 S. 634). In gleicher Weise garantiert
Art. 4 BV
dem Angeklagten einen unbedingten Anspruch, vor Erlass eines Entscheides, der ihn belastet oder belasten könnte, angehört zu werden, bei der Beweisabnahme anwesend zu sein und Beweisanträge stellen zu können (
BGE 109 Ia 177
f.).
Ob und unter welchen Umständen der Steuerpflichtige auf eine persönliche Anhörung verzichten kann (vgl. das Urteil Colozza,
BGE 119 Ib 311 S. 332
a.a.O., Ziff. 28), braucht im übrigen nicht entschieden zu werden. In seiner Beschwerde an die Vorinstanz hat der Beschwerdeführer ausdrücklich gerügt, dass er im gesamten Verfahren noch nie angehört worden sei. Bei dieser Sachlage darf nicht angenommen werden, er habe durch die Vorinstanz nicht persönlich (mündlich) angehört werden wollen.
b) Im vorliegenden Fall ist umstritten, ob der Beschwerdeführer die Steuerhinterziehung im Sinne von
Art. 129 Abs. 1 BdBSt
vorsätzlich oder fahrlässig begangen hat. Vorsatz liegt vor, wenn der Steuerpflichtige die in
Art. 129 Abs. 1 lit. b BdBSt
bezeichneten unrichtigen Angaben mit Wissen und Willen macht. Die Abklärung dieser im subjektiven Bereich liegenden Tatsachen erfordert eine sorgfältige Abklärung der Verhältnisse im Einzelfall (Urteil vom 31. Mai 1985, ASA 55 S. 567).
Die Vorinstanz führt aus, dass der Beschwerdeführer von den Mietzinsaufwendungen der Gesellschaft gewusst habe. Diese Feststellung lässt sich ernsthaft nicht bestreiten. Weiter macht sie geltend, der Beschwerdeführer habe sich bewusst sein müssen, dass er diese Privataufwendungen in seiner Steuererklärung als Einkommen hätte angeben müssen. Unter diesen Umständen sei die Annahme begründet, dass der Beschwerdeführer mit Willen gehandelt, d.h. eine Täuschung der Steuerbehörden beabsichtigt, eine zu niedrige Veranlagung bezweckt habe. Der Vorsatz sei damit bewiesen.
Weshalb der Beschwerdeführer es unterliess, die Privataufwendungen der Gesellschaft in seiner Steuererklärung als Einkommen zu deklarieren - ob wissentlich oder aus Unvorsichtigkeit (Fahrlässigkeit) -, hat die Vorinstanz indessen nicht untersucht. Ohne eine persönliche Befragung des Beschwerdeführers - allein aufgrund der Akten - lässt sich diese Frage nicht beantworten. Auch unter diesem Gesichtswinkel drängte sich eine persönliche Befragung des Beschwerdeführers auf. Das Verfahren vor der Vorinstanz, die den Beschwerdeführer nicht persönlich angehört hat, verletzt daher
Art. 6 EMRK
und
Art. 4 BV
.
c) Dass die Abteilung Direkte Bundessteuer, die erstinstanzlich Steuerbussen auszufällen hat (
Art. 132 BdBSt
), den Beschwerdeführer nicht persönlich angehört und kein öffentliches Verfahren durchgeführt hat, verletzt im übrigen
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
nicht. Denn ihr Entscheid kann gemäss
Art. 132 Abs. 3 BdBSt
mit Beschwerde bei der kantonalen Rekurskommission angefochten werden. Es handelt sich um ein vollkommenes Rechtsmittel, mit dem alle Mängel der erstinstanzlichen Verfügung sowohl in rechtlicher als auch in
BGE 119 Ib 311 S. 333
tatsächlicher Hinsicht gerügt werden können.
Art. 6 EMRK
gewährt kein Recht auf einen Instanzenzug oder - wo ein solcher besteht - auf Gerichtsbarkeit in allen Instanzen (MIEHSLER/VOGLER, a.a.O., N. 272 zu
Art. 6 EMRK
; Urteil des Gerichtshofes i.S. Kremzow vom 21. September 1993, Série A, Vol. 268-B, Ziff. 58). Insofern unterscheidet sich das Hinterziehungsverfahren vor der Abteilung Direkte Bundessteuer nicht wesentlich von einem Strafmandatsverfahren (vgl. hierzu
BGE 114 Ia 150
;
BGE 112 Ia 302
f. E. 5d).
Das Bundesgericht besitzt demgegenüber nur beschränkte Überprüfungsbefugnis, was die Feststellung des Sachverhalts betrifft (
Art. 105 Abs. 2 OG
). Als einzige Rechtsmittelinstanz verfügt demnach die kantonale Rekurskommission über eine umfassende Kognition. Das Verfahren vor der Rekurskommission muss folglich den Garantien von
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
genügen.
d) Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass der angefochtene Entscheid aufzuheben und die Sache zur Durchführung einer Befragung des Beschwerdeführers und zu neuem Entscheid an die Vorinstanz zurückzuweisen ist. Nachdem der Beschwerdeführer ausdrücklich den Antrag auf Öffentlichkeit des Verfahrens gestellt hat, muss diese Befragung öffentlich durchgeführt werden. | public_law | nan | de | 1,993 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
1a12edfc-da19-485f-bae3-1785cc5b47df | Urteilskopf
108 II 487
91. Urteil der I. Zivilabteilung vom 14. Dezember 1982 i.S. M. M. Paiste & Sohn GmbH & Co. KG gegen Bundesamt für geistiges Eigentum (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Eintragung einer international registrierten Marke im schweizerischen Register;
Art. 14 Abs. 1 Ziff. 2 MSchG
und
Art. 6quinquies lit. B Ziff. 2 PVÜ
.
Die für elektronische Geräte und Musikinstrumente bestimmte internationale Wortmarke "Vantage" wird von den massgeblichen schweizerischen Käuferkreisen als Beschaffenheitsangabe für die so bezeichneten Waren verstanden und ist daher im schweizerischen Register nicht einzutragen. | Erwägungen
ab Seite 487
BGE 108 II 487 S. 487
Erwägungen:
1.
Die M. M. Paiste & Sohn GmbH & Co. KG in Schacht-Audorf (BRD) ist Inhaberin der im internationalen Register unter Nr. 454 681 eingetragenen Wortmarke "Vantage", die für elektronische Geräte und Musikinstrumente (Warenklassen 9, 11 und 15) bestimmt ist.
BGE 108 II 487 S. 488
Mit Verfügung vom 26. August 1982 verweigerte das Bundesamt für geistiges Eigentum dieser Marke endgültig den Schutz in der Schweiz. Es fand, "Vantage" sei ein Deskriptivzeichen und deshalb nicht schutzfähig.
Diesen Entscheid ficht die M. M. Paiste & Sohn GmbH & Co. KG mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde an. Obschon ihre Beschwerdeschrift entgegen
Art. 108 Abs. 2 OG
keinen förmlichen Antrag enthält, schadet ihr das nicht, da der Begründung entnommen werden kann, dass sie die Aufhebung der angefochtenen Verfügung und die Eintragung ihres Zeichens in das schweizerische Register erreichen will. Das Amt beantragt, die Beschwerde abzuweisen.
2.
Zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweiz gelten seit 1970 das Madrider Abkommen über die internationale Registrierung von Marken (MMA) sowie die Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutze des gewerblichen Eigentums (PVÜ) in den am 14. Juli 1967 in Stockholm revidierten Fassungen (SR 0.232.112.3; SR 0.232.04). Nach
Art. 5 Abs. 1 MMA
ist ein Verbandsland berechtigt, einer international registrierten Marke den Schutz zu verweigern, sofern nach den in der PVÜ genannten Bedingungen ihre Eintragung in das nationale Register abgelehnt werden darf. Das trifft gemäss
Art. 6quinquies lit. B Ziff. 2 PVÜ
insbesondere zu, wenn die Marke jeder Unterscheidungskraft entbehrt oder ausschliesslich aus Zeichen oder Angaben zusammengesetzt ist, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art oder Beschaffenheit von Erzeugnissen dienen können.
Dieser zwischenstaatlichen Regelung entspricht gemäss ständiger Rechtsprechung die Vorschrift von
Art. 14 Abs. 1 Ziff. 2 MSchG
, wonach die Eintragung einer Marke zu verweigern ist, wenn diese als wesentlichen Bestandteil ein als Gemeingut anzusehendes Zeichen enthält (
BGE 104 Ib 66
).
3.
Als Gemeingut im Sinne von
Art. 14 Abs. 1 Ziff. 2 MSchG
gelten insbesondere offene oder leicht erkennbare Hinweise auf Eigenschaften, die Beschaffenheit oder den Zweck der Erzeugnisse, für welche die Marke bestimmt ist. Dass eine Marke aus Wörtern einer Sprache besteht, die in der Schweiz weder Amts- noch Nationalsprache ist, schliesst ihre Würdigung als Gemeingut nicht aus (
BGE 104 Ib 66
mit Hinweisen).
Das Amt vertritt die Auffassung, das Zeichen "Vantage" enthalte einen direkten Hinweis auf die Qualität der so bezeichneten Produkte, weil das englische Hauptwort "vantage" den Sinn von
BGE 108 II 487 S. 489
"Vorteil", "Überlegenheit" oder "günstiger Gelegenheit" habe. Die Beschwerdeführerin wendet demgegenüber ein, "vantage" sei in der englischen Umgangssprache nicht mehr gebräuchlich und werde lediglich in der Tennisfachsprache mit der Bedeutung "starke Ausgangsposition" oder "Punktegewinne" gebraucht; die Verwendung eines umgangssprachlich nicht gebräuchlichen Fachwortes als Marke verleihe dieser Unterscheidungskraft und mache sie damit schutzfähig.
Das Amt weist zu Recht darauf hin, dass das Substantiv "vantage" in den Wortverbindungen "point of vantage" und "vantage-ground" in der englischen Umgangssprache auch heute noch gebraucht wird. Ebenfalls beizustimmen ist seiner Feststellung, dass jemand mit durchschnittlichen Englisch- und Französischkenntnissen "vantage" ohne weiteres mit den gleichbedeutenden englischen und französischen Hauptwörtern "advantage" und "avantage" in Verbindung bringt. Fragen kann sich allenfalls, ob diese Kenntnisse bei den im vorliegenden Fall massgeblichen Käuferkreisen, vorwiegend Musikern, vorhanden sind. Das Bundesgericht hatte im Zusammenhang mit Markenrechtsverfahren schon verschiedentlich über den Bekanntheitsgrad von Ausdrücken der englischen Sprache zu befinden. Dabei ist es davon ausgegangen, dass insbesondere folgende Wörter weiten Kreisen der schweizerischen Bevölkerung bekannt seien: more, top, set, ever, fresh, tender, advance, fit, soft, line, mix, master, hot und pot (
BGE 103 II 343
,
BGE 97 I 83
,
BGE 91 I 359
; PMMBl 1981 I S. 73, 1979 I S. 30 und 33, 1978 I S. 34 und 65, 1974 I S. 66). Zu diesem durchschnittlich vorhandenen Grundwortschatz gehört auch der Ausdruck "advantage", der wie erwähnt ohne weiteres mit dem sinngleichen "vantage" assoziiert wird. Nicht zu beanstanden ist schliesslich die Auffassung des Amtes, dass die Marke "Vantage" als Beschaffenheits- und Qualitätsangabe für die damit versehenen Waren verstanden wird; denn sie verspricht Erzeugnisse, die verglichen mit solchen anderer Hersteller vorteilhafter und günstiger sein sollen. Aus allen diesen Gründen ist markenrechtlich unerheblich, dass der Ausdruck "vantage" in der englischen Umgangssprache nicht verwendet wird. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde erweist sich somit als unbegründet. | public_law | nan | de | 1,982 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
1a154afd-bdc8-42b4-865b-6803b3c5066b | Urteilskopf
86 II 383
57. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour civile du 13 décembre 1960 dans la cause Editions Münzhuber contre Fleischli. | Regeste
Zulässigkeit der Berufung des Beklagten gegen ein auf Abweisung der Klage im Sinne der Erwägungen lautendes Urteil. | Erwägungen
ab Seite 383
BGE 86 II 383 S. 383
Le recours en réforme n'est recevable que dans la mesure où le recourant est lésé non seulement par les motifs du jugement déféré, mais par son dispositif. Un recours n'est cependant pas dirigé contre les motifs chaque fois que le dispositif renvoie aux motifs qui le complètent. Le bien-fondé ou le mal-fondé d'une demande dans le sens des considérants est un expédient rédactionnel dont le but est de remplacer un dispositif long et lourd. Les motifs deviennent ainsi, dans la mesure où ils sont invoqués, partie intégrante du dispositif. Le moyen dirigé contre le sens du dispositif tel qu'il ressort des motifs est, en réalité, dirigé contre le dispositif. Il faut donc examiner, dans chaque cas particulier, si le défendeur, quand la demande a été rejetée (ou le demandeur, quand elle a été admise) dans le sens des motifs, est réellement lésé par le dispositif complété ou si le jugement, dans son résultat, accueille ses conclusions, quels qu'en soient par ailleurs les motifs (RO 56 II 137; BIRCHMEIER, p. 74/75).
En l'espèce, le résultat du jugement attaqué s'analyse comme suit. La juridiction cantonale admet d'abord que l'objet revendiqué appartient en propriété commune à Hermann Münzhuber et à l'intimé, lesquels forment une société simple. Au vu des consentements réitérés de son
BGE 86 II 383 S. 384
associé, Fleischli a qualité pour en disposer et, dès lors, exercer la revendication contre le possesseur, soit le recourant en sa qualité de dépositaire des machines et de propriétaire des locaux où elles furent installées. Celui-ci, cependant, est possesseur de bonne foi. Il peut en principe exciper d'un droit de rétention, quand bien même les machines n'appartiennent pas exclusivement au débiteur. Il possède contre son frère une créance reconnue et non compensable de 15 000 fr. environ en restitution de sommes soustraites sans droit (art. 125 ch. 1 CO); Hermann Münzhuber, d'ailleurs, ne peut lui opposer aucune prétention établie. Résultant d'actes illicites, le droit du défendeur est exigible. Il existe enfin un rapport naturel de connexité entre la créance et l'objet retenu. Il s'ensuit que le droit de rétention existe (art. 895 al. 1 et 3 CC); l'art. 895 al. 2 CC est toutefois inapplieable, Hermann Münzhuber étant l'employé de son frère et non un commerçant indépendant; le droit de gage, en outre, ne garantit qu'une partie de la créance, celle qui est en connexité avec la vente des machines, c'est-à-dire la restitution de la somme utilisée sans droit pour en payer le prix (9100 fr.).
La négation de la connexité commerciale et la limitation de la garantie dans la mesure où il y a connexité dite civile représentent pour le recourant une lésion par rapport au rejet pur et simple de la demande et à l'admission complète de ses propres conclusions. Il suffirait à l'intimé ou à Hermann Münzhuber de verser 9100 fr. ou d'offrir une garantie suffisante, pour que le droit de gage s'éteigne et que le recourant doive restituer les machines (RO 78 II 143 consid. 3; OFTINGER, ad art. 898 CC, note 8). Or celuici prétend un droit plus étendu. Il est donc incontestablement lésé par le rejet de la demande dans le sens des motifs.
Le recours est dès lors recevable. | public_law | nan | fr | 1,960 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
1a15ff7f-e858-4cce-9327-242ccc295728 | Urteilskopf
112 III 67
17. Estratto della sentenza 23 giugno 1986 della II Corte civile nella causa A e B contro Camera di esecuzione e fallimenti del Tribunale di appello del Cantone Ticino quale autorità di vigilanza e società per azioni Z (ricorso di diritto pubblico) | Regeste
Den Vollstreckungsorganen auferlegte Ordnungsstrafen (
Art. 14 Abs. 2 SchKG
).
1. Zulässigkeit der staatsrechtlichen Beschwerde.
a) Fälle, in welchen gegen eine Disziplinarverfügung ausnahmsweise der Rekurs an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts gegeben ist (
Art. 19 Abs. 1 SchKG
; E. 2a).
b) Beschwerdelegitimation der Vollstreckungsorgane, die ihres Amtes enthoben worden sind (
Art. 88 OG
; E. 2b).
2. Voraussetzungen, unter welchen eine Ordnungsstrafe auferlegt werden kann.
a) Voraussetzungen der Amtsenthebung (E. 7a).
b) Prüfungsbefugnis der Aufsichtsbehörde, welche im Rahmen ihres Ermessens nicht nur die Schwere des Verschuldens beurteilen muss, sondern auch dem Schaden insgesamt und dabei den Umständen Rechnung zu tragen hat, welche das Vorgehen der Vollstreckungsorgane rechtfertigen mögen (E. 7b). | Sachverhalt
ab Seite 68
BGE 112 III 67 S. 68
A.-
Nell'ambito del fallimento decretato a carico della società anonima X la prima adunanza dei creditori ha eletto un'amministrazione speciale e una delegazione di creditori. Ha incaricato l'amministrazione speciale, inoltre, di vendere a trattative private o di locare i beni della fallita. Gli amministratori avendo preferito un'alienazione in blocco degli attivi, due ditte hanno manifestato interesse all'acquisto: la società anonima Y e la società per azioni Z. Quest'ultima ha rivendicato "il patrimonio tecnologico" della fallita per un valore di Fr. 641'639.20 fondando la pretesa sull'asserita violazione di un contratto di licenza e sulla dotazione del cosiddetto know how. Il 27 settembre 1985 la stessa ha offerto Fr. 4'620'500.-- per l'acquisto della massa fallimentare. Il 4 ottobre
BGE 112 III 67 S. 69
gli amministratori hanno scritto alla società per azioni Z che la società anonima Y intendeva proporre una cifra superiore e che un rilancio sarebbe stato possibile entro breve termine a condizione di garantire l'entità della somma offerta. La società anonima Y ha fornito il 9 ottobre 1985 una garanzia bancaria di 6 milioni. La società per azioni Z ha consegnato il 29 ottobre lo scritto di una banca in cui si dichiarava che erano in corso le pratiche valutarie tendenti a ottenere dal Ministero italiano per il commercio degli affari esteri il permesso di prestare una garanzia di 5 milioni. La società per azioni ha postulato in seguito l'attribuzione a lei medesima della massa fallimentare in base alla precedente offerta del 27 settembre e, in subordine, un incanto scritto al miglior offerente con la società anonima Y. Avendo la delegazione dei creditori accolto la richiesta subordinata, il 30 ottobre 1985 l'amministrazione ha trasmesso alle due società un capitolato in cui erano elencate le condizioni per partecipare all'incanto.
B.-
Il 31 ottobre 1985 la società per azioni Z ha esperito reclamo all'autorità di vigilanza chiedendo l'attribuzione della massa fallimentare secondo l'offerta del 27 settembre e l'annullamento dell'asta con la società anonima Y; in via subordinata ha concluso per la modifica delle condizioni d'incanto, ossia per lo stralcio del patrimonio tecnologico della fallita dalla licitazione. Con decreto del 31 ottobre 1985 il Presidente della corte ha accordato al reclamo effetto sospensivo. Nelle osservazioni al reclamo gli amministratori hanno rilevato, tra l'altro, che il 6 novembre precedente gli attivi della fallita erano stati venduti alla società anonima Y per complessivi Fr. 5'950'000.--, in ossequio alla volontà espressa dalla delegazione dei creditori; la tecnologia rivendicata, esclusa dal contratto, sarebbe stata ceduta all'acquirente per Fr. 50'000.-- qualora la pretesa della società per azioni Z fosse venuta a cadere. Il 22 novembre 1985 l'autorità di vigilanza ha invitato gli amministratori a pronunciarsi sulla vendita stipulata il 6 novembre nonostante l'effetto sospensivo conferito al reclamo. Costoro hanno risposto che, non vincolando l'offerta della società anonima Y debitamente corredata di una garanzia bancaria, si sarebbe rischiato di ledere gli interessi dei creditori e che in ogni modo l'alienazione era condizionata al rigetto del gravame; finché la premesse dell'accordo non si fossero verificate la società anonima Y rimaneva al beneficio di una semplice locazione. La
BGE 112 III 67 S. 70
corte cantonale ha statuito il 6 dicembre 1985 ed evaso il reclamo nel senso dei considerandi. Ha impartito anzitutto alla società per azioni Z un lasso di dieci giorni per produrre all'amministrazione i documenti atti a individuare l'oggetto rivendicato e a consentire la fissazione del termine giusta gli
art. 242 cpv. 2 LEF
e 46 RUF; nel merito ha respinto la richiesta di aggiudicazione, ha reputato sufficiente l'esclusione dell'oggetto rivendicato così com'era descritto nel capitolato d'incanto, ma ha destituito d'ufficio gli amministratori del fallimento, che a suo dire avevano agito in modo sconcertante, leggero e sospetto di parzialità. Tale provvedimento sarebbe stato pubblicato a norma dell'
art. 35 cpv. 1 LEF
con l'avvertenza che il compito di amministrare provvisoriamente la massa sarebbe stato trasferito all'Ufficio esecuzione e fallimenti, il quale avrebbe convocato un'altra adunanza di creditori per la nomina di una nuova amministrazione.
C.-
Gli amministratori A e B hanno inoltrato al Tribunale federale un ricorso di diritto pubblico per violazione dell'
art. 4 Cost.
in cui propongono che, attribuito al rimedio effetto sospensivo, sia annullata la loro revoca e la pubblicazione stabilita dall'autorità cantonale. Il Presidente della II Corte civile ha accordato al gravame effetto sospensivo. La società per azioni Z ha postulato il rigetto del ricorso nella misura in cui questo fosse riuscito ammissibile. La Camera di esecuzione e fallimenti del Tribunale di appello non si è espressa sulle censure.
Erwägungen
Dai considerandi:
2.
La proponibilità del ricorso di diritto pubblico è - secondo la resistente - dubbia, dovendosi poter esperire ricorso alla Camera delle esecuzioni e dei fallimenti del Tribunale federale giusta l'
art. 19 cpv. 1 LEF
; agli amministratori mancherebbe in ogni modo la legittimazione per presentare un ricorso di diritto pubblico. Gli interessati affermano che, nell'ipotesi in cui la corte federale dovesse cambiare prassi, il loro gravame può essere trattato come ricorso nel senso dell'
art. 19 cpv. 1 LEF
poiché è stato introdotto entro dieci giorni e adempie i requisiti formali di tale rimedio; quanto alla legittimazione, essa non fa dubbio.
a) Per giurisprudenza costante la Camera delle esecuzioni e dei fallimenti del Tribunale federale vaglia la decisione disciplinare emanata da un'autorità di vigilanza solo ove quest'ultima non
BGE 112 III 67 S. 71
fosse abilitata a punire il funzionario o la sanzione non sia prevista dall'
art. 14 cpv. 2 LEF
(
DTF 94 III 60
consid. 3,
DTF 99 III 63
consid. 3 in fine). La Camera non può esaminare se il provvedimento sia fuori luogo, eccessivo o infondato. Il problema di sapere se esistano le premesse per una condanna e quale misura debba essere presa in concreto implica costatazioni di fatto non sindacabili dalla Camera (art. 81 con rinvio agli art. 43 cpv. 3 e 63 cpv. 2 OG), come pure criteri di apprezzamento - se non di adeguatezza - in stretto rapporto con l'organizzazione degli Uffici, che è competenza dei Cantoni (
art. 2 cpv. 3 LEF
). L'
art. 19 cpv. 1 LEF
, in altri termini, limita il potere cognitivo della Camera all'osservanza del diritto, esclusi i giudizi di mero apprezzamento (
DTF 105 III 76
consid. 3,
DTF 103 III 26
consid. 4,
DTF 101 III 77
consid. 2 e 3,
DTF 100 III 17
consid. 1). Tale interpretazione, condivisa dalla dottrina (GILLIÉRON, Poursuite pour dettes, faillite et concordat, Losanna 1985, pag. 50 § 3; FRITZSCHE/WALDER, Schuldbetreibung und Konkurs nach schweizerischem Recht, vol. I, Zurigo 1984, pag. 52 n. 3; AMONN, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, III edizione, pag. 46 n. 3), non è criticata dai ricorrenti né dalla controparte. Non vi è quindi ragione di scostarsene. Certo, la Camera scorge nell'abuso di apprezzamento commesso da un'adunanza di creditori e, qualora si tratti della prima adunanza, persino nella mancata adeguatezza dell'atto impugnato una violazione di legge. In DTF
DTF 109 III 87
, per vero, è stata riformata la decisione con cui una successiva adunanza di creditori aveva eletto una nuova amministrazione in un momento del tutto inopportuno e contrario all'imperativo di una rapida liquidazione fallimentare. Nulla di simile si verifica nel caso attuale, ove i ricorrenti non sono stati deposti da un'adunanza di creditori bensì dall'autorità cantonale nel quadro di poteri disciplinari che la Camera non può rivedere (DTF
DTF 94 III 61
). Un ricorso secondo l'
art. 19 cpv. 1 LEF
sarebbe perciò inammissibile, donde la ricevibilità del ricorso di diritto pubblico sotto il profilo dell'
art. 84 cpv. 2 OG
.
b) L'amministrazione speciale del fallimento (
art. 237 cpv. 2 LEF
) svolge un incarico pubblico in materia esecutiva alla stessa stregua dell'Ufficio dei fallimenti (
DTF 104 III 3
). La sua condizione giuridica è analoga a quella del commissario nella procedura di concordato (
DTF 94 III 58
infra,
DTF 92 III 45
consid. 2; cfr. anche
DTF 103 Ia 79
consid. 4b). Essa soggiace disciplinarmente all'autorità di vigilanza sebbene l'
art. 241 LEF
non rimandi
BGE 112 III 67 S. 72
in modo esplicito all'
art. 14 cpv. 2 LEF
, ciò che configura una lacuna (
DTF 39 I 501
consid. 5,
DTF 38 I 197
; v. pure
DTF 94 III 59
). La sentenza impugnata toglie appunto agli amministratori la predetta funzione ufficiale. Ora, l'
art. 88 OG
consente di ricorrere "ai privati e agli enti collettivi che si trovano lesi nei loro diritti da decreti o decisioni che li riguardano personalmente o che rivestono carattere obbligatorio generale", ma non al cittadino che si reputa pregiudicato nei diritti o nei doveri connessi al suo ufficio di funzionario o di membro di un'autorità, quanto meno nella misura in cui la decisione litigiosa non interessi la sua sfera privata ma unicamente la sua qualità di organo di diritto pubblico (
DTF 107 Ia 268
, 184 consid. 2). Un provedimento disciplinare colpisce il destinatario nella sua sfera privata, non solo nella sua funzione (loc.cit.). Ne deriva l'ammissibilità del rimedio.
Diverso sarebbe ove la corte cantonale, pronunciandosi non come autorità disciplinare, ma come autorità chiamata all'esame di una decisione concernente la nomina di un'amministrazione speciale da parte di un'adunanza di creditori, si convincesse che tale scelta fosse improvvida per l'incompetenza e la parzialità degli eletti. Ci si troverebbe allora in una situazione paragonabile a quella in cui l'autorità dei concordati designasse un commissario e l'autorità superiore annullasse la nomina per la carente obiettività della persona prescelta (Rep. 1985, nota a pag. 38). Dato che nessuno ha diritto di essere nominato amministratore speciale o commissario, l'eventualità di essere allontanati prima di entrare in carica non costituirebbe ancora una lesione di interessi giuridicamente protetti. Da ciò si distingue, come detto, il caso di un amministratore speciale o di un commissario sollevato dall'incarico nell'esercizio delle sue funzioni, il quale - leso personalmente - risponde senza dubbio ai presupposti dell'
art. 88 OG
.
7.
Da ultimo i ricorrenti lamentano l'arbitrio della sanzione impugnata, avendo essi posto ogni cura nel non ledere gli interessi della Z S.p.A. Rammentano che la misura disciplinare a loro carico è la più grave contemplata dall'
art. 14 cpv. 2 LEF
e definiscono insostenibile punire con un provvedimento del genere organi della massa che sfuggono a qualsiasi critica.
Si è illustrato che, in effetti, l'agire "leggero e sospetto di parzialità" intravisto dalla corte nell'operato degli amministratori non convince. Rimane da appurare se la destituzione sia, oltre che dubbia e opinabile, in aperto contrasto con uno stato di fatto,
BGE 112 III 67 S. 73
destituita di fondamento serio e oggettivo o in urto manifesto con il senso di giustizia ed equità (cfr.
DTF 111 Ia 178
consid. 3b, 89 consid. 2b, 19 consid. 2,
DTF 110 II 255
,
DTF 109 Ia 109
consid. 2c, 22 consid. 2,
DTF 108 III 42
,
DTF 108 Ia 120
consid. 2c), se - in particolare - la natura o la durata della sanzione travisi lo scopo e la portata dell'
art. 14 cpv. 2 LEF
implicando risultati che il legislatore non può aver voluto (
DTF 110 III 43
consid. 2a).
a) L'
art. 14 cpv. 2 LEF
istituisce quattro misure disciplinari: la riprensione, l'ammenda fino a duecento franchi, la sospensione dall'ufficio per una durata non maggiore di sei mesi e la destituzione. Esso lascia all'autorità di vigilanza ampio potere di apprezzamento, sicché il Tribunale federale, adito con ricorso di diritto pubblico, interviene unicamente se l'autorità ha ecceduto o abusato nell'esercizio di tale prerogativa, ovvero se l'atto impugnato comporti una valutazione indifendibile delle emergenze concrete, sia inconciliabile con le regole del diritto e dell'equità, trascuri elementi di fatto idonei a influire sulla decisione o tenga conto di circostanze irrilevanti (
DTF 109 Ia 109
consid. 2c). La dottrina non precisa quali requisiti permettano di far capo all'
art. 14 cpv. 2 LEF
, limitandosi a dire in modo generale che questa norma reprime l'inosservanza dei doveri di servizio (GILLIÉRON, loc.cit.; FRITZSCHE/WALDER, loc.cit.; AMONN, loc. cit.; FAVRE, Droit des poursuites, III edizione, pag. 40; JAEGER, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, Losanna 1920, note 9 e 10 ad art. 14; BLUMENSTEIN, Handbuch des Schweizerischen Schuldbetreibungsrechtes, Berna 1911, pag. 54). Tutt'al più JOOS (Handbuch für die Betreibungsbeamten der Schweiz, Wädenswil 1964) soggiunge che un ritardo nella notifica di precetti esecutivi può dar adito a sanzioni disciplinari (pag. 27, 76 e 86). In BlSchKG 14/1950 è pubblicata a pag. 6 una sentenza (richiamata in: BRÜGGER, Die schweizerische Gerichtspraxis im Schuldbetreibungs- und Konkursrecht 1946-1984, Adligenswil 1984, n. 4 ad art. 14) in cui l'autorità di vigilanza zurighese ha confermato la riprensione inflitta a un ufficiale che aveva avvisato un terzo debitore (
art. 99 LEF
) prima di eseguire il pignoramento. Nel volume 31/1967 della stessa rivista, a pag. 69, si menziona il caso di un ufficiale che aveva indugiato nella continuazione di una procedura esecutiva perché il debitore potesse pagare il dovuto, quantunque in ritardo; contro di lui l'autorità svittese ha rinunciato a misure disciplinari.
BGE 112 III 67 S. 74
A prescindere dalla scarsa giurisprudenza, è fuori dubbio che la destituzione costituisce il provvedimento disciplinare più grave nei confronti di un organo esecutivo e che l'autorità di vigilanza deve ricorrere a tale misura solo nell'ipotesi di violazioni flagranti, atte a dimostrare l'impossibilità di mantenere in carica un soggetto incapace di assolvere la propria mansione tutelando in uguale misura gli interessi del debitore e dei creditori. Uno sbaglio occasionale non basta a giustificare d'acchito la massima sanzione. D'altro lato l'inettitudine e la parzialità non devono esaurirsi in meri sospetti, bensì manifestarsi concretamente attraverso un pregiudizio o una minaccia grave agli interessi delle parti. L'
art. 14 cpv. 2 LEF
prevedendo una graduazione delle pene, è ovvio che il provvedimento più grave debba colpire le mancanze irreparabili agli obblighi di servizio, quelle che comprovino la totale imperizia o inabilità del responsabile a rispettare il procedimento esecutivo. Ogni diversa interpretazione dell'
art. 14 cpv. 2 LEF
contravverrebbe in modo palese agli intendimenti del legislatore.
b) Nel caso specifico i fatti accertati dall'autorità di vigilanza non consentono di individuare estremi del genere. La corte stessa neppure pretende che le asserite mancanze siano tanto gravi da compromettere irrimediabilmente i legittimi interessi dei creditori a una realizzazione vantaggiosa della massa fallimentare. Che tale requisito non sia indispensabile per pronunciare la destituzione è, come detto, tesi senza fondamento. Né i giudici hanno considerato la necessità di agire in maniera rapida da parte dell'amministrazione, viste le caratteristiche ch'essi medesimi avevano riconosciuto nella sentenza del 27 settembre 1985 ai beni in oggetto. Ora, non è lecito imporre misure disciplinari trascurando circostanze suscettibili di scusare l'operato del funzionario o dell'organo esecutivo; la corte ha disconosciuto con ciò un importante fattore di valutazione. Non solo: essa ha negletto anche l'apprezzamento del danno causato alla procedura di liquidazione dalla presunta inosservanza dei doveri di servizio. È, nella specie, simile danno risulta inconsistente poiché la vendita del 6 novembre 1985 non ha sottratto alla società per azioni Z la facoltà di chiedere l'aggiudicazione degli attivi per l'ammontare dell'offerta inoltrata il 27 settembre 1985, né il diritto di rivendicare la tecnologia, né la possibilità di impugnare la vendita a mente dell'
art. 136bis LEF
. Quanto al pregiudizio che potrebbe aver subito la massa, non se ne ravvisa alcuno già per il fatto che
BGE 112 III 67 S. 75
non esisteva un'offerta più conveniente e meglio garantita di quella formulata dalla Y S.A.
Premesso che l'autorità di vigilanza non si è fondata su parametri effettivi nell'esercizio del potere di apprezzamento conferitole dall'
art. 14 cpv. 2 LEF
, gioverà aggiungere - ad abbondanza - che il giudizio in esame appare viziato financo nei punti di questione. Non si trattava, per vero, di assodare se nella specie l'amministrazione designata dalla prima adunanza dei creditori fosse in grado di adempiere l'incarico, come i giudici sembrano aver ammesso riferendosi a
DTF 103 Ia 79
e Rep. 1985 pag. 38 (nota); si trattava di sapere se gli amministratori in carica, la cui attività era stata fino ad allora irreprensibile, meritassero la destituzione in via disciplinare. Questo fallace punto di vista suffraga il convincimento che la corte ha apprezzato il caso ispirandosi a criteri destituiti di pertinenza. | null | nan | it | 1,986 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
1a170666-ebd1-41ea-816e-81ef6906b3bc | Urteilskopf
81 IV 47
9. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 11. Januar 1955 i.S. Zaugg gegen Polizeiinspektorat des Kantons Basel Stadt. | Regeste
1. Art. 26 Abs. 3 MFG.
a) Diese Bestimmung verbietet das Überholen auch an Einmündungen.
b) Wann ist das Verbot übertreten, wann die Übertretung nur versucht?
2.
Art. 48 Abs. 1 MFV
. Wer hat für den nötigen Abstand der Fahrzeuge einer Kolonne zu sorgen?
3. Art. 25 Abs. 1 MFG. Wer ohne Not durch heftiges Bremsen unversehens anhält oder plötzlich die Fahrt verzögert, obschon er weiss oder wissen muss, dass er dadurch andere gefährdet, übertritt diese Bestimmung. | Sachverhalt
ab Seite 48
BGE 81 IV 47 S. 48
A.-
Hans Zaugg fuhr am 17. April 1954 um 15 Uhr in Basel mit einem Motorrad durch die Gellertstrasse Richtung St. Albantor. Bei der Einmündung des St. Albanrings in die Gellertstrasse versuchte er vergeblich, vor den in gleicher Richtung fahrenden Personenwagen des Dr. Monsch zu kommen. Später gelang ihm dieses Unternehmen. Vor der Einmündung der Gellertstrasse in die Zürcherstrasse stoppte er das Motorrad plötzlich ab, um den hinter ihm fahrenden Dr. Monsch zu ärgern, weil dieser ihn angeblich am Überholen gehindert hatte. Dr. Monsch konnte einen Zusammenstoss nur dadurch verhindern, dass auch er blitzschnell anhielt.
B.-
In teilweiser Bestätigung eines Urteils des Polizeigerichtspräsidenten erklärte das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt Zaugg am 22. Juli 1954 des vorschriftswidrigen Motorfahrens schuldig und verurteilte ihn in Anwendung von Art. 25 Abs. 1, 26 Abs. 3, 27 Abs. 1 MFG zu drei Tagen Haft.
C.-
Zaugg führt Nichtigkeitsbeschwerde mit den Anträgen, das Urteil sei aufzuheben und er sei freizusprechen.
D.-
Das Polizeiinspektorat von Basel-Stadt und der Statthalter des Appellationsgerichts beantragen, die Beschwerde sei abzuweisen.
BGE 81 IV 47 S. 49
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
2.
Auf die Behauptung des Beschwerdeführers, er habe Dr. Monsch nicht bei der Einmündung des St. Albanrings in die Gellertstrasse, sondern etwa hundert Meter vor der Einmündung erfolglos zu überholen versucht, ist nicht einzutreten. Die Feststellung des Appellationsgerichtes, wonach dieser Versuch auf der Höhe der erwähnten Einmündung gemacht wurde, ist tatsächlicher Natur und bindet daher den Kassationshof; sie kann mit der Nichtigkeitsbeschwerde nicht angefochten werden, auch nicht mit der Behauptung, sie finde im Sitzungsprotokoll keine Stütze (Art. 277 bis Abs. 1, 273 Abs. 1 lit. b BStP).
Wird von dieser Feststellung ausgegangen, so ist der Beschwerdeführer zu Recht der Übertretung des Art. 26 Abs. 3 MFG schuldig erklärt worden:
a) Unter Strassenkreuzungen, an denen nach dieser Bestimmung nicht überholt werden darf, sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtes auch Stellen zu verstehen, an denen eine Strasse in eine andere einmündet (
BGE 64 II 317
,
BGE 75 IV 29
, 128,
BGE 79 IV 70
). Das gilt nicht nur dann, wenn die Seitenstrasse von rechts, sondern auch, wenn sie von links auf die andere trifft. Das Verbot will einer Anhäufung von Gefahren an Kreuzungen (Einmündungen) vorbeugen, denen die Aufmerksamkeit des einen oder anderen Strassenbenützers, sei es des überholten oder des überholenden, sei es eines von der Seite her eintreffenden, nicht gewachsen sein könnte. Dieser Grund trifft bei Einmündungen von links in gleicher Weise zu wie bei Einmündungen von rechts. Dass bei ersteren das überholende und das überholte Fahrzeug gegenüber einem allenfalls einmündenden den Vortritt haben, ändert nichts. Umsogrösser ist hier die Gefahr, wenn das zu überholende abbiegen will, da es in diesem Falle, im Gegensatze zum Falle der Abzweigung nach rechts, die Fahrbahn des überholenden zu schneiden hat. Das grundlegende erste
BGE 81 IV 47 S. 50
und zwei weitere der erwähnten vier Präjudizien betreffen denn auch verbotenes Überholen an Einmündungen von links. Auch der Einwand hält nicht stand, dass
Art. 1 StGB
dieser Rechtsprechung im Wege stehe. Diese Bestimmung verbietet nicht, das Strafgesetz ausdehnend auszulegen, d.h. ihm einen auf den ersten Blick durch den Buchstaben scheinbar nicht gedeckten Sinn zu entnehmen (
BGE 71 IV 148
,
BGE 72 IV 103
); der Grundsatz "keine Strafe ohne Gesetz" steht lediglich dem Analogieschlusse im Wege. Einen solchen trifft das Bundesgericht nicht, wenn es unter einer Strassenkreuzung im Sinne des Art. 26 Abs. 3 MFG auch die bloss rudimentäre Kreuzung versteht, wie sie in der Form einer sogenannten Einmündung vorliegt.
b) Dem Schuldspruch steht auch nicht im Wege, dass der Beschwerdeführer das Überholen an der Einmündung des St. Albanrings nicht beendet hat. Seine Auffassung, die Tat sei damit nur bis zum Versuch im Sinne des Strafgesetzbuches (Art. 21 ff.) gediehen und als Versuch einer blossen Übertretung nicht strafbar (
Art. 104 Abs. 1 StGB
), hält nicht stand. Art. 26 Abs. 3 MFG verbietet das Überholen an Strassenkreuzungen nicht um des Enderfolges willen, d.h. weil die Bestimmung verhindern möchte, dass das hintere Fahrzeug schliesslich vorne sei, sondern wegen der im ganzen Unternehmen liegenden abstrakten oder konkreten Gefahren. Der vollendeten Übertretung macht sich daher auch schuldig, wer an einer Strassenkreuzung (Einmündung) nur einen Teil des ganzen Manövers ausführt, d.h. wer an solcher Stelle in der Absicht, einem anderen vorzufahren, die neben diesem verlaufende Fahrbahn in Anspruch zu nehmen beginnt; denn schon dadurch schafft er von den mit dem Überholen verbundenen Gefahren, insbesondere die Möglichkeit eines Zusammenstosses mit einem von links oder rechts einbiegenden Fahrzeug. Ein strafloser blosser Versuch liegt nur dann vor, wenn der Täter zwar den entscheidenden Schritt einleitet, um an einer Strassenkreuzung in der Absicht des Überholens die rechte Seite der Fahrbahn zu verlassen,
BGE 81 IV 47 S. 51
diesen Schritt aber nicht vollendet, z.B. weil ihn ein Fahrgast, ins Steuer greifend, daran verhindert.
3.
a)
Art. 48 Abs. 1 MFV
bestimmt: "Hintereinander fahrende Motorfahrzeuge dürfen nur so nahe aufschliessen, dass sich beim plötzlichen Anhalten des vordern Fahrzeugs kein Zusammenstoss ereignen kann". Obschon dieser Wortlaut und auch die romanischen Texte ("Les véhicules automobiles circulant à la file laisseront entre eux ..." "Quando più autoveicoli circolano in colonna devono mantenere tra loro ...") sich nicht nur an den Führer des oder der hinteren, sondern an den Führer beider bezw. aller Fahrzeuge der Kolonne wenden, geht der Sinn der Bestimmung dahin, dass allein der Führer des hinteren Fahrzeuges für den nötigen Abstand vom vorderen zu sorgen hat. Das ergibt sich nicht nur aus der Natur der Sache, da jeder Führer entsprechend der Haltung, die er auf seinem Sitze normalerweise einnimmt, in erster Linie nach vorn und nach der Seite zu beobachten hat und oft auch gar nicht ohne Gefährdung des Verkehrs in der Lage wäre, durch Beschleunigung der Fahrt den Abstand vom hinteren Fahrzeug genügend zu vergrössern, sondern auch daraus, dass der deutsche Text von "aufschliessen" spricht. Wenn der Abstand zu gering ist, übertritt daher nur der Führer des hinteren Fahrzeuges, nicht auch der des vorderen die erwähnte Bestimmung. Etwas anderes gilt auch dann nicht, wenn ein anfänglich angemessener Abstand dadurch zu gering wird, dass der Führer des vorderen Fahrzeuges die Geschwindigkeit herabsetzt. Der Führer des hinteren hat in diesem Falle seinerseits zu verzögern und für die Wiederherstellung eines angemessenen Abstandes zu sorgen. Damit er sich dieser Pflicht rechtzeitig bewusst werde, müssen Motorwagen mit einem orangefarbigen Stopplicht ausgerüstet sein (
Art. 13 Abs. 1 lit. d MFV
).
b) Das bedeutet indessen nicht, der Führer des vorderen Fahrzeuges dürfe sich über die Gefahr hinwegsetzen, der er die Benützer des hinteren durch plötzliches Anhalten
BGE 81 IV 47 S. 52
oder Verzögern der Fahrt aussetzen kann. Das widerspräche dem Sinne des Art. 25 Abs. 1 MFG. Dass diese Bestimmung dem Führer im besonderen gebietet, überall da, wo das Fahrzeug Anlass zu Verkehrsstörung, Belästigung des Publikums oder Unfällen bieten könnte, "den Lauf zu mässigen oder nötigenfalls anzuhalten", heisst nicht, dass eine Pflicht zur Schonung der anderen Strassenbenützer nur bestehe, wenn das geeignete Mittel dazu in der Mässigung des Laufes oder im Anhalten liegt. Die Bestimmung verlangt allgemein, dass der Führer das "Fahrzeug ständig beherrsche und die Geschwindigkeit den gegebenen Strassen- und Verkehrsverhältnissen anpasse", d.h. die Maschine so führe, dass sie anderen nicht zum Verhängnis werden könne. Wer ohne Not durch heftiges Bremsen unversehens anhält oder plötzlich die Fahrt verzögert, obschon er weiss oder wissen muss, dass er dadurch andere gefährdet, verletzt diese Pflicht. Wenn seine Aufmerksamkeit nicht durch Beobachtung nach vorn und nach der Seite voll beansprucht wird und er nicht wegen einer drohenden Gefahr zu raschem Handeln genötigt ist, kann ihm zugemutet werden, nicht plötzlich stark zu verlangsamen oder anzuhalten, ohne sich im Rückblickspiegel oder sonstwie überzeugt zu haben, dass er damit keinen hinter ihm Fahrenden gefährde. Denn es kommt immer wieder vor, dass der Führer des hinteren Fahrzeuges seiner Verpflichtung aus
Art. 48 Abs. 1 MFV
nicht voll gerecht wird. Solchem Versagen - das hiermit in keiner Weise entschuldigt werden soll - hat der Führer des vorderen Fahrzeuges im Rahmen des Zumutbaren Rechnung zu tragen, sei es durch Beobachtung nach hinten, sei es, indem er die Geschwindigkeit nur allmählich herabsetzt, damit der Führer des hinteren, durch das Stopplicht oder sonstwie gewarnt, die nötige Zeit habe, seinerseits langsamer zu fahren. Die I. Zivilabteilung hat freilich am 30. März 1954 i.S. Mayer gegen Paley entschieden, der ordnungsgemäss rechts fahrende Führer habe sich nicht darum zu kümmern, was hinter seinem Wagen vor sich
BGE 81 IV 47 S. 53
gehe, ja er dürfe ohne Warnung der Führer nachfolgender Fahrzeuge nach Belieben die Geschwindigkeit herabsetzen und sogar plötzlich anhalten. In einem Meinungsaustausch mit dem Kassationshof hat sie jedoch am 22. Dezember 1954 erklärt, dass sie an dieser Auffassung nicht festhalte, sondern ihrerseits Art. 25 Abs. 1 MFG im Sinne obiger Erwägungen auslege.
c) Nach der verbindlichen Feststellung der Vorinstanz hat der Beschwerdeführer vor der Einmündung in die Zürcherstrasse plötzlich abgestoppt, um den hinter ihm fahrenden Dr. Monsch, der ihn angeblich vorher am Vorfahren gehindert hatte, zu ärgern. Er hat somit ohne Not gehandelt. Seine Einwendung, bei der Einfahrt in eine andere Strasse müsse oft plötzlich angehalten werden, um anderen den Vortritt zu lassen, ist gegenstandslos, behauptet er ja selber nicht, dass ihm ein Vortrittsberechtigter Anlass zu plötzlichem Anhalten gegeben habe. Festgestellt und nicht bestritten ist auch, dass die Tat des Beschwerdeführers für Dr. Monsch gefährlich geworden ist und dieser einen Zusammenstoss nur dadurch hat vermeiden können, dass er seinerseits blitzschnell angehalten hat. Der Beschwerdeführer ist daher zu Recht wegen Übertretung des Art. 25 Abs. 1 MFG bestraft worden.
...
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen. | null | nan | de | 1,955 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
1a232fe6-c2a7-45d8-86ce-46e2a6f9bb08 | Urteilskopf
139 III 201
28. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Bank Y. (Beschwerde in Zivilsachen)
4A_575/2012 vom 26. Februar 2013 | Regeste
Art. 3 KKG
; Kredit zur Finanzierung des Studiums; Zurechnung zur beruflichen Tätigkeit.
Wer einen Kredit zur Finanzierung des Studiums aufnimmt, tut dies zu einem Zweck, der seiner beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann. Das KKG ist folglich nicht anwendbar (E. 2). | Sachverhalt
ab Seite 202
BGE 139 III 201 S. 202
A.
X. (Darlehensnehmer, Beschwerdeführer) schloss zur Finanzierung seines Studiums im September bzw. Oktober 2003 mit der Bank Y. (Darlehensgeberin, Beschwerdegegnerin) einen Basisvertrag und einen "Bildung plus-Kreditvertrag" über eine Summe von Fr. 20'000.- ab. Der Kredit sollte gemäss Vereinbarung ausschliesslich der Finanzierung der mehrjährigen Hochschulausbildung dienen. Der Zins von 3,25 bzw. 3 % wurde gemäss Vertrag bis zum Ende der Ausbildung kapitalisiert. Im November 2004 wurde der Kredit auf Fr. 35'000.- und im Januar 2007 auf Fr. 37'000.- erhöht. Die Darlehensgeberin nahm unbestrittenermassen nie eine Kreditfähigkeitsprüfung nach den Regeln von
Art. 28 des Bundesgesetzes vom 23. März 2001 über den Konsumkredit (KKG; SR 221.214.1)
vor, verlangte aber vor der ersten Anhebung der Kreditlimite im Jahr 2004 ein detailliertes Budget.
Nach dem vertraglich vorgesehenen Ausbildungsende teilte der Darlehensnehmer der Darlehensgeberin mit, er sei übermässig überschuldet und studiere noch. Da der Abschluss einer Abzahlungsvereinbarung scheiterte, kündigte die Darlehensgeberin mit Schreiben vom 7. August 2009 den "Bildung plus-Kreditvertrag" und verlangte die Rückzahlung von Fr. 37'939.78 bis zum 31. August 2009. Diese blieb aus, worauf die Darlehensgeberin die Betreibung einleitete. Gegen den Zahlungsbefehl erhob der Darlehensnehmer Rechtsvorschlag.
B.
Mit Klage vom 5. Oktober 2010 beim Gerichtskreis VIII Bern-Laupen (neu: Regionalgericht Bern-Mittelland) beantragte die Darlehensgeberin, der Darlehensnehmer sei zur Zahlung eines Betrags von Fr. 37'939.80 zu verurteilen und der Rechtsvorschlag in der gegen ihn eingeleiteten Betreibung sei zu beseitigen. Der Darlehensnehmer beantragte widerklageweise, die Darlehensgeberin sei zur Rückzahlung der durch ihn bereits geleisteten Zinszahlungen zu verurteilen. Mit Entscheid vom 26. Oktober 2011 hiess der Gerichtspräsident des Regionalgerichts Bern-Mittelland die Klage teilweise gut, verurteilte den Darlehensnehmer zur Zahlung von Fr. 37'000.- und beseitigte den Rechtsvorschlag in diesem Umfang. Die Widerklage wurde abgewiesen.
Die dagegen vom Darlehensnehmer erhobene Berufung wies das Obergericht das Kantons Bern mit Entscheid vom 3. September 2012 ab.
C.
Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 28. September 2012 beantragt der Darlehensnehmer dem Bundesgericht, es sei der Entscheid
BGE 139 III 201 S. 203
des Obergerichts aufzuheben, die Klage abzuweisen und die Darlehensgeberin zur Zahlung von Fr. 4'686.85 zu verurteilen. Eventuell sei die Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
(Zusammenfassung)
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Zwischen den Parteien ist streitig, ob das KKG auf den von ihnen abgeschlossenen Vertrag anwendbar sei. Die Vorinstanz ist mit der Beschwerdegegnerin der Auffassung, der Beschwerdeführer sei nicht als Konsument im Sinne von
Art. 3 KKG
zu qualifizieren, womit das KKG keine Anwendung finde. Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz habe diese Bestimmung falsch ausgelegt. Bei richtiger Auslegung sei das KKG anwendbar, womit die Beschwerdegegnerin wegen unterlassener Prüfung seiner Kreditfähigkeit die gewährte Kreditsumme samt Zinsen und Kosten verloren habe.
2.1
Ein Konsumkreditvertrag nach KKG liegt vor, wenn eine kreditgebende Person einem Konsumenten einen Kredit in Form eines Zahlungsaufschubs, eines Darlehens oder einer ähnlichen Finanzierungshilfe gewährt oder zu gewähren verspricht (
Art. 1 Abs. 1 KKG
). Nach
Art. 3 KKG
gilt als Konsument jede natürliche Person, die einen Konsumkreditvertrag zu einem Zweck abschliesst, der nicht ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden kann. Vor Abschluss eines Konsumkreditvertrags muss die Kreditgeberin die Kreditfähigkeit des Konsumenten prüfen (
Art. 28 Abs. 1 KKG
). Dabei muss von einer Amortisation des Konsumkredits innerhalb von 36 Monaten ausgegangen werden, selbst wenn vertraglich eine längere Laufzeit vereinbart worden ist (
Art. 28 Abs. 4 KKG
). Verstösst die Kreditgeberin in schwerwiegender Weise gegen diese Prüfungspflicht, so verliert sie die von ihr gewährte Kreditsumme samt Zinsen und Kosten (
Art. 32 Abs. 1 Satz 1 KKG
).
2.2
Die Vorinstanz hat ausgeführt, der Wortlaut von
Art. 3 KKG
sei nicht klar. Den Materialien lasse sich hierzu nichts entnehmen. Das historische Element helfe daher nur insofern weiter, als bei der teleologischen Auslegung die Wertungen und Zielsetzungen des historischen Gesetzgebers zu berücksichtigen seien. Bereits mit dem aKKG habe der Gesetzgeber zur Hauptsache die Privathaushalte vor Überschuldung schützen wollen. Unter diesem Aspekt erscheine eine Ausnahme von der Unterstellung unter das KKG für Kredite im
BGE 139 III 201 S. 204
Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit grundsätzlich dann gerechtfertigt, wenn diese auf die Erzielung eines Einkommens gerichtet sei, aus welchem der Kredit zurückbezahlt werden könne. Bei einem Ausbildungskredit handle es sich weiter nicht um einen klassischen Konsumkredit, der nach dem Motto "heute kaufen, morgen bezahlen" aufgenommen werde. Ausschlaggebend erscheine aber letztlich, dass eine Unterstellung unter das KKG die Gewährung von Ausbildungsdarlehen an Studenten regelmässig verunmöglichen würde, da eine Amortisation dieser Kredite innert 36 Monaten (
Art. 28 Abs. 4 KKG
) angesichts der durchschnittlichen Dauer eines Studiums in den wenigsten Fällen möglich wäre. Es könne nicht die Absicht des Gesetzgebers gewesen sein, solche bildungspolitisch sehr sinnvollen und wünschenswerten Finanzierungsmöglichkeiten zu verunmöglichen. Eine Abwägung der (Überschuldungs-)Risiken mit dem (Bildungs-)Nutzen solcher Darlehen ergebe daher, dass Ausbildungskredite dem KKG nicht unterstünden.
2.3
Der Beschwerdeführer bringt vor, nach dem Wortlaut von
Art. 3 KKG
sei die Konsumenteneigenschaft zu bejahen, wenn nicht eine bereits bestehende berufliche oder gewerbliche Tätigkeit vorliege. Das KKG sei nicht bzw. nicht in erster Linie bildungspolitischen Zielen verpflichtet, sondern diene dem Schutz des Konsumenten vor Überschuldung. Sofern eine solche drohe, was die Vorinstanz bezüglich Ausbildungskrediten selbst bejaht habe, sei das KKG nach der Absicht des Gesetzgebers anzuwenden. Eine Abschwächung des Geltungsbereichs des KKG sei nur sehr zurückhaltend anzunehmen. Würde man Ausbildungskredite als bildungspolitisch sinnvolle und wünschenswerte Finanzierungsmöglichkeiten vom Geltungsbereich des KKG ausnehmen wollen, so müsste eine entsprechende ausdrückliche Ausnahme ins Gesetz aufgenommen werden.
2.4
Das Bundesgericht hat die Frage noch nicht entschieden. Auch in der Rechtsprechung des EuGH zur Richtlinie über Verbraucherkredite bzw. Verbraucherkreditverträge, der das aKKG vom 8. Oktober 1993 angeglichen worden war und die denselben Wortlaut zur Definition des Verbrauchers verwendet wie
Art. 3 KKG
, findet sich dazu kein Urteil (Richtlinie 87/102/EWG des Rates vom 22. Dezember 1986 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Verbraucherkredit, ABl. L 42 vom 12. Februar 1987 S. 48 ff.; ersetzt durch Richtlinie 2008/48/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über
BGE 139 III 201 S. 205
Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates, ABl. L 133 vom 22. Mai 2008 S. 66 ff.).
In der Lehre ist die Frage umstritten (für Anwendung des KKG: BERND STAUDER, Der vertragliche Konsumentenschutz, Konsumkreditrecht, in: Konsumentenschutz im Privatrecht, SPR Bd. X, 2008, S. 233 Fn. 53; XAVIER FAVRE-BULLE, Les opérations de crédit à l'épreuve de la nouvelle législation, in: Journée 2003 de droit bancaire et financier, 2004, S. 138; wohl auch EMCH/RENZ/ARPAGAUS, Das Schweizerische Bankgeschäft, 7. Aufl. 2011, N. 957; dagegen: ROLAND HASELBACH, Überziehungskredit auf laufendem Konto gemäss neuem Konsumkreditgesetz, in: Das neue Konsumkreditgesetz, Hess/Simmen [Hrsg.], 2002, S. 122; bei engem Zusammenhang der Ausbildungs- und Weiterbildungskredite mit der geplanten Berufskarriere HANS GIGER, Berner Kommentar, Der Konsumkredit, 2007, N. 534 S. 455 und ROBERT SIMMEN, Barkredit und Teilzahlungsverträge unter dem neuen Konsumkreditgesetz, in: Das neue Konsumkreditgesetz, Hess/Simmen [Hrsg.], 2002, S. 42; im Ergebnis auch MARLIS KOLLER-TUMLER, Konsumkreditverträge nach revidiertem KKG - eine Einführung [nachfolgend: Konsumkreditverträge], in: Jahrbuch des Schweizerischen Konsumentenrechts [JKR] 2002 S. 26).
2.5
2.5.1
Das Gesetz muss in erster Linie aus sich selbst heraus, das heisst nach dem Wortlaut, Sinn und Zweck und den ihm zu Grunde liegenden Wertungen auf der Basis einer teleologischen Verständnismethode ausgelegt werden. Die Gesetzesauslegung hat sich vom Gedanken leiten zu lassen, dass nicht schon der Wortlaut die Norm darstellt, sondern erst das an Sachverhalten verstandene und konkretisierte Gesetz. Gefordert ist die sachlich richtige Entscheidung im normativen Gefüge, ausgerichtet auf ein befriedigendes Ergebnis der ratio legis. Dabei befolgt das Bundesgericht einen pragmatischen Methodenpluralismus und lehnt es namentlich ab, die einzelnen Auslegungselemente einer hierarchischen Prioritätsordnung zu unterstellen. Die Gesetzesmaterialien können beigezogen werden, wenn sie auf die streitige Frage eine klare Antwort geben (
BGE 137 V 434
E. 3.2;
BGE 137 IV 249
E. 3.2;
BGE 136 III 23
E. 6.6.2.1;
BGE 135 III 112
E. 3.3.2).
2.5.2
Nach
Art. 3 KKG
gilt als Konsument wie bereits ausgeführt (E. 2.1) jede natürliche Person, die einen Konsumkreditvertrag zu einem Zweck abschliesst, der nicht ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden kann (dans un but pouvant être considéré comme étranger à son activité commerciale ou
BGE 139 III 201 S. 206
professionnelle; per uno scopo che può considerarsi estraneo alla sua attività commerciale o professionale). Diesem Wortlaut lässt sich nicht klar entnehmen, ob als Konsument auch gilt, wer einen Kredit zur Finanzierung seines Studiums aufnimmt. Voraussetzung für die Verneinung dieser Frage wäre, dass die Absolvierung eines Studiums der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit des Studenten zugerechnet werden kann. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers schliesst der Wortlaut dies jedenfalls nicht dadurch aus, dass er eine bereits bestehende solche Tätigkeit voraussetzen würde (so auch GIGER, a.a.O., N. 534 S. 455; MARLIS KOLLER-TUMLER, in: Basler Kommentar, Abzahlungsrecht und Konsumkreditrecht, Sonderedition aus dem Kommentar zum Obligationenrecht [nachfolgend: Basler Kommentar], Bd. I, 1996, N. 2 zu
Art. 3 KKG
; SIMMEN, a.a.O., S. 42; HASELBACH, a.a.O., S. 122). Die herrschende Lehre rechnet denn auch Existenzgründungsdarlehen (bereits) der beruflichen bzw. gewerblichen Tätigkeit zu (STAUDER, a.a.O., S. 233 Fn. 53; GIGER, a.a.O., N. 534 S. 455; KOLLER-TUMLER, Basler Kommentar, a.a.O., N. 2 zu
Art. 3 KKG
;
dies.
, Konsumkredite - eine kleine Tour d'Horizon mit Blick auch auf die EU, in: Kreditrecht, Schweizerische Bankrechtstagung 2010, S. 29 Fn. 27; SIMMEN, a.a.O., S. 42; HASELBACH, a.a.O., S. 122).
2.5.3
Der Gesetzgeber wollte im Bereich des Konsumkredits namentlich jene Konsumenten schützen, die nicht in der Lage sind, ihre wirtschaftliche Situation richtig einzuschätzen, bzw. die nicht der Versuchung widerstehen können, einen für sie ruinösen Konsumkredit zu beanspruchen (so Botschaft vom 14. Dezember 1999 betreffend die Änderung des Bundesgesetzes über den Konsumkredit, BBl 1998 3165 Ziff. 131). In den parlamentarischen Beratungen zum KKG wurde ausgeführt, nach den Werbebotschaften in den Tageszeitungen würden sich Konsumwünsche rasch, einfach und diskret erfüllen lassen (Votum Goll, AB 1999 N 1878). Die Folgekosten des kreditfinanzierten Konsums zahle die öffentliche Hand. Gleichzeitig würden Banken und Kreditinstitute mittels Wucherzinsen horrende Gewinne einstreichen.
2.5.4
Der Abschluss eines Kreditvertrags zur Finanzierung des Studiums unterscheidet sich in verschiedener Hinsicht von der umschriebenen Konstellation. Wie die Vorinstanz richtig ausgeführt hat, handelt es sich dabei nicht um klassische Konsumkredite nach dem Motto "heute kaufen, morgen bezahlen". Die Entscheidung für ein (kreditfinanziertes) Studium wird kaum je überstürzt erfolgen, geht
BGE 139 III 201 S. 207
es dabei doch einerseits um die Planung einer über mehrere Jahre dauernden Ausbildung und andererseits um die künftige berufliche Ausrichtung. Zudem zeigt sich gerade beim von der Beschwerdegegnerin angebotenen "Bildung plus-Kreditvertrag", dass es für Ausbildungskredite spezifische Angebote mit vorteilhaften Konditionen wie tiefem Zins und Kapitalisierung der Zinsen bis zum Ende des Studiums gibt. Mit der Unterstellung solcher Kredite unter das KKG werden diese faktisch beinahe verunmöglicht (so auch KOLLER-TUMLER, Konsumkreditverträge, a.a.O., S. 26). Denn ein Konsument muss nach
Art. 28 Abs. 4 KKG
in der Lage sein, den Konsumkredit innerhalb von 36 Monaten zu amortisieren, ansonsten die Kreditfähigkeit zu verneinen ist und der Kredit folglich nicht gewährt werden darf. Mit der Vorinstanz ist davon auszugehen, dass die Amortisation eines Kredits zur Finanzierung des Studiums angesichts der durchschnittlichen Studiendauer in den wenigsten Fällen möglich wäre. Die Kredite zur Finanzierung eines Studiums weisen somit in verschiedener Hinsicht Besonderheiten auf gegenüber denjenigen Krediten, auf die das KKG gemäss den Materialien zugeschnitten wurde.
2.5.5
Auf der anderen Seite bestehen Gemeinsamkeiten zu den Existenzgründungsdarlehen. In beiden Fällen dient der Kredit einer Investition mit dem Zweck der Ermöglichung der (späteren) beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit. Die Investition schlägt sich nach absolviertem Studium denn auch in einem (höheren) Einkommen nieder. Anders etwa als der Besuch eines Sprachkurses im Hinblick auf einen Ferienaufenthalt ist der in der Lehre teilweise geforderte enge Zusammenhang des Kredits mit der geplanten Berufskarriere (vgl. oben E. 2.4) bei einem Studium in der Regel zu bejahen. Angesichts der Dauer und Kosten eines Studiums wird dieses kaum lediglich zum Zweck der Allgemeinbildung absolviert werden. Vielmehr wird damit (wie bei einem Existenzgründungsdarlehen) der Grundstein für eine bestimmte berufliche Laufbahn gelegt. Der mit dem Abschluss eines Kreditvertrags zur Finanzierung des Studiums verfolgte Zweck ist daher eher der beruflichen Tätigkeit zuzurechnen.
2.5.6
Aus diesen Erwägungen ergibt sich insgesamt, dass das KKG nicht auf das dem Beschwerdeführer gewährte Darlehen zur Finanzierung seines Studiums anwendbar ist. Die Beschwerde erweist sich damit als unbegründet. | null | nan | de | 2,013 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
1a29388e-5987-45ba-bb0f-4659b5fbb362 | Urteilskopf
136 III 113
17. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen Erben B. (Beschwerde in Zivilsachen)
5A_342/2009 vom 4. Dezember 2009 | Regeste
Art. 367 und 426 ZGB
; Haftung des Beirates.
Wer im Rahmen einer kombinierten Beiratschaft die verbeiratete Person innert weniger Jahre das ganze Vermögen verbrauchen lässt, ohne zu intervenieren, verletzt seine Pflicht zur sorgfältigen Vermögensverwaltung und handelt damit widerrechtlich. Keine Möglichkeit einer Vorteilsanrechnung bei fehlendem Konnex mit dem widerrechtlich entstandenen Schaden (E. 3). | Sachverhalt
ab Seite 113
BGE 136 III 113 S. 113
A.
Die 1937 geborene B. arbeitete nach der Schule an wechselnden Orten als Hilfskraft. Später wurde sie Mutter von zwei ausserehelichen Kindern, die zur Adoption freigegeben wurden. Im Jahr 1965 heiratete sie den Landwirt I., wenige Wochen vor der Geburt des
BGE 136 III 113 S. 114
gemeinsamen Sohnes J., der 1975 fremdplatziert werden musste. Der Ehemann starb 1971 und hinterliess ein ansehnliches Vermögen, insbesondere mehrere Grundstücke in der Gemeinde Y. Die im Jahr 1974 mit K., einem Knecht im Landwirtschaftsbetrieb von I., eingegangene Ehe wurde 1977 wieder geschieden. Ein Jahr später heiratete B. erneut. Das Ehepaar lebte bis Mai 1998 im Engadin, anschliessend im Kanton Tessin.
Im Zusammenhang mit kleineren Vermögensdelikten wurde B. 1961 erstmals begutachtet. Die Diagnose der Ärzte lautete auf eine haltlose und willensschwache, infantile und primitiv intelligente Person. 1975 erfolgten Klinikeinweisungen wegen Suizid- und Verwahrlosungsgefahr, wobei die Gutachter eine hysterische Psychopathie mit Verwahrlosungstendenzen feststellten; ausserdem bestehe erheblicher Verdacht auf eine Polytoxikomanie, vor allem mit Schmerz- und Schlaftabletten. Im Rahmen einer weiteren Strafuntersuchung ergab ein neues Gutachten, dass B. als haltlose, hysterische Psychopathin einzustufen sei, welche ausgesprochen triebhaft handle sowie geltungssüchtig und lügenhaft sei. Wegen zunehmender sozialer und körperlicher Verwahrlosung wurde 1987 ein weiterer Anstaltsaufenthalt notwendig. Die begutachtenden Ärzte diagnostizierten eine hysterische Psychopathie mit Geltungssucht, Haltlosigkeit und Triebhaftigkeit sowie eine durch Medikamentenmissbrauch bedingte Polytoxikomanie. Die Patientin sei zwar durchaus in der Lage, die Angelegenheiten des täglichen Lebens zu überblicken; für weiterreichende Entscheidungen fehle ihr aber die geordnete Denk- und Handlungsweise. Bestätigt wurden diese Untersuchungsergebnisse durch ein Gutachten im Tessin aus dem Jahr 2004.
B.
Im Jahr 1973 entzog die Vormundschaftsbehörde B. gestützt auf
Art. 386 Abs. 2 ZGB
die Handlungsfähigkeit. 1975 wurde die Massnahme bestätigt und L. als Vertreter eingesetzt. Im Jahr 1978 ersetzte die Vormundschaftsbehörde die Massnahme durch eine Verwaltungsbeiratschaft im Sinn von
Art. 395 Abs. 2 ZGB
mit L. als Beirat. Ab 1984 wurde die Beiratschaft durch die Vormundschaftsbehörde geführt. 1985 wurde B. gestützt auf
Art. 372 ZGB
entmündigt und M. als Amtsvormund eingesetzt. Mangels liquider Mittel wurde 1986 im Einverständnis mit der Vormundschaftsbehörde und dem Bezirksgerichtsausschuss ein Grundstück verkauft. Der nach der Schuldtilgung verbleibende Betrag wurde mündelsicher angelegt.
BGE 136 III 113 S. 115
Ab Januar 1995 wurde A. zunehmend für B. und ihren Ehemann tätig, dies gestützt auf deren umfassend gehaltene Vollmachten. Im Februar 1996 liess B. durch A. bei der Vormundschaftsbehörde die Aufhebung der Vormundschaft beantragen. Nach Verhandlungen wandelte die Vormundschaftsbehörde die Vormundschaft mit Beschluss vom 2. Oktober 1996 in eine kombinierte Mitwirkungs- und Verwaltungsbeiratschaft um, unter Einsetzung von A. zum Beirat mit Wirkung ab 1. Dezember 1996. Dieser machte sowohl gegenüber der Vormundschaftsbehörde als auch gegenüber B. und deren Ehemann geltend, dass sämtliche Bemühungen nach dem Anwaltstarif zu entschädigen seien.
C.
Als Anwalt und Beirat von B. wollte A. im Rahmen eines Überbauungsprojektes erreichen, dass die Parzellen Nr. 1 und 2 in eine Bauzone überführt würden, um sie und die beiden ebenfalls B. gehörenden Grundstücke Nr. 3 und 4 zur Realisierung einer Überbauung veräussern zu können. Mit den Projektierungsarbeiten wurde die N. AG betraut, an welcher A. finanziell beteiligt und deren Verwaltungsratspräsident er war.
Wegen der Gefahr von Interessenkollisionen stellte die Vormundschaftsbehörde B. mit Beschluss vom 29. Oktober 2001 für alle Geschäfte im Zusammenhang mit den Parzellen Nr. 1 und 2 einen Beistand ad hoc zur Seite. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der durch einen Büropartner von A. vertretenen B. wies der Bezirksgerichtsausschuss Maloja mit Urteil vom 27. März 2002 ab. Im gleichen Entscheid wurde A. seines Amtes als Beirat enthoben.
Während des Rechtsmittelverfahrens bezüglich Amtsenthebung veräusserte B. am 14. Juni 2002 unter Mitwirkung von A. ihre beiden Parzellen Nr. 3 und 4 an die Kollektivgesellschaft O. Die Vormundschaftsbehörde und der Bezirksgerichtsausschuss stimmten diesem Geschäft zu. In Bezug auf die Parzellen Nr. 1 und 2 kam es unter Mitwirkung von A. gleichentags zur Unterzeichnung eines Vorvertrages auf Abschluss von Kaufverträgen mit Begründung von limitierten Kaufrechten. Dieses Geschäft wurde durch die vormundschaftlichen Organe nicht bestätigt. Deshalb wurde der Vorvertrag am 24. Januar 2003, nunmehr unter Mitwirkung des Beistandes ad hoc, durch einen neuen ersetzt, wiederum auf Abschluss eines Kaufvertrages mit Einräumung von Kaufrechten und Vorkaufsrechten. Die Vormundschaftsbehörde und der Bezirksgerichtsausschuss genehmigten dieses Geschäft am 9. April 2003 bzw. 6. Mai 2003.
BGE 136 III 113 S. 116
Die Teilrevision der Ortsplanung wurde an den Gemeindeversammlungen vom 18. Dezember 2000 und vom 9. Dezember 2002 gutgeheissen. In der Folge kam es zusätzlich zum bereits erwähnten Vorvertrag zum Abschluss verschiedener, für die Einleitung des regierungsrätlichen Genehmigungsverfahrens notwendiger Vereinbarungen, teils zwischen den betroffenen Grundeigentümern selbst, teils zwischen einzelnen von ihnen und der Gemeinde Y. Am 5. Juni 2003 wurden die durch die Teilrevision der Ortsplanung geänderten Pläne an die Kantonsregierung weitergeleitet, welche sie mit Beschluss vom 14. Januar 2004 genehmigte. Damit wurde der Weg frei für die Veräusserung von zu Bauland gewordenem Grundbesitz von B.
D.
In der Zeit, in welcher A. als Beirat von B. tätig war, verringerte sich deren Wertschriftenvermögen von ursprünglich Fr. 650'000.- Ende November 1996 auf Franken Null Ende Oktober 2001. Nach der endgültigen Abweisung der gegen die Amtsenthebung eingelegten Rechtsmittel Ende Dezember 2002 widerrief B. die ihm erteilten Vollmachten. An seiner Stelle ernannte sie am 16. Januar 2003 P. zu ihrem Vertreter. Zu diesem Zeitpunkt verfügten B. und ihr Ehemann lediglich noch über ein monatliches Renteneinkommen von Fr. 5'500.- bis Fr. 6'000.-. Bei Bewertung der Parzellen Nr. 1 und 2 zu Nichtbaulandpreisen bestanden per 31. Dezember 2002 Schulden in der Höhe von Fr. 357'490.05.
E.
Am 17. März 2004 klagte B. gegen A. aus vormundschaftlicher Verantwortlichkeit auf Zahlung von Fr. 500'000.- nebst Zins zu 5 % seit 17. März 2004. Sie vertrat die Meinung, dass das Wertschriftenvermögen im Zeitpunkt der Beendigung der Beiratschaft noch in diesem Betrag hätte vorhanden sein sollen; dass das ganze Vermögen verbraucht worden sei, müsse ihrem ehemaligen Beirat angelastet werden. Nach ihrem Tod am 11. Juli 2004 traten die Erben in den Prozess ein.
Mit Urteilen vom 28. August 2007 und 22. September 2008 verurteilten sowohl das Bezirksgericht Surselva als auch das Kantonsgericht von Graubünden A. zur Zahlung von Fr. 500'000.- nebst Zins an die in den Prozess eingetretenen Erben von B.
F.
Gegen das Urteil des Kantonsgerichts hat A. am 15. Mai 2009 eine Beschwerde in Zivilsachen erhoben, im Wesentlichen mit den Begehren um dessen Aufhebung und Klageabweisung, eventualiter um Festlegung des Schadens nach Ermessen des Bundesgerichts.
BGE 136 III 113 S. 117
In ihrer Vernehmlassung vom 17. August 2009 haben die Beschwerdegegner auf Beschwerdeabweisung geschlossen. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
(Zusammenfassung)
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
Die Haftung des Beirates richtet sich nach den Bestimmungen über diejenige des Vormundes (Art. 367 Abs. 3 i.V.m.
Art. 426 ZGB
;
BGE 85 II 464
E. 1 S. 467) und kennt die üblichen Haftungsvoraussetzungen, nämlich Schaden, adäquater Kausalzusammenhang, Widerrechtlichkeit sowie Verschulden (
Art. 426 ZGB
; HANS AEPLI, Die Verantwortlichkeit der vormundschaftlichen Organe [...], 1979, S. 22).
3.1
Als der Beschwerdeführer am 1. Dezember 1996 das Amt als Beirat antrat, verfügte B. über ein Wertschriftenvermögen von Fr. 650'000.- (Festgeldanlage von Fr. 100'000.- und Kassenobligationen von Fr. 550'000.-). Bereits Ende 2001 war dieses Kapital vollständig aufgebraucht. Das Kantonsgericht stellte fest, dass das Vermögen anfänglich einen jährlichen Ertrag von Fr. 35'000.- abwarf. Sodann verfügte das Ehepaar über ein Renteneinkommen von Fr. 65'000.- pro Jahr. Das Kantonsgericht erwog, dass der Beirat vor diesem Hintergrund einen jährlichen Vermögensverzehr von Fr. 25'000.- hätte zulassen dürfen, um eine den Umständen entsprechende Lebensführung zu ermöglichen, jedoch ein darüber hinausgehender Vermögensverzehr mit Hinblick auf die Altersvorsorge bzw. Pflegebedürftigkeit von B. nicht statthaft war. Im Übrigen befand es, der Beirat habe nicht auf die Umzonung der Grundstücke und einen damit verbundenen Vermögenszuwachs spekulieren dürfen, und für die Schadensberechnung könne auch nicht einfach die damalige mit der heutigen Vermögenslage verglichen werden, weil zwischen dem Verzehr des Anlagevermögens und dem Wertzuwachs der Grundstücke infolge Umzonung zu Bauland kein Konnex bestehe. Ausgehend von diesen Erwägungen bestimmte es den Schaden auf Fr. 500'000.- (Fr. 650'000.- abzüglich den als zulässig erachteten Vermögensverzehr von Fr. 25'000.- pro Jahr bis zur rechtskräftigen Amtsenthebung).
3.1.1
Der Beschwerdeführer macht in erster Linie geltend, im Zeitpunkt der Amtsenthebung sei das Vermögen von B. erheblich grösser gewesen als bei der Amtsübernahme; er habe es folglich vermehrt und könne nicht haftbar sein.
BGE 136 III 113 S. 118
Das in diesem Zusammenhang gemachte Vorbringen der Surrogation scheitert bereits daran, dass die Grundstücke nicht aus dem Wertschriftenvermögen erworben wurden, sondern diese B. ab initio bzw. parallel zu den Wertschriften gehörten.
Desgleichen geht das Argument der Vorteilsanrechnung an der Sache vorbei, besteht doch zwischen der Vermögenszunahme infolge Überführung der Grundstücke in die Bauzone und der Vermögensabnahme durch Verbrauch des Wertschriftenkapitals kein innerer Zusammenhang, d.h. es fehlt an der für die Vorteilsanrechnung notwendigen Konnexität: Unabhängig vom Wert der Grundstücke wäre das heutige Gesamtvermögen ohne Verzehr dieses Kapitals um Fr. 500'000.- grösser, und massgeblich ist entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht die Differenz zwischen dem Vermögensstand bei Amtsantritt und Amtsenthebung, sondern die Differenz zwischen dem Vermögensstand mit und ohne den als unzulässig erachteten Kapitalverzehr.
3.1.2
Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, ein Teil des verbrauchten Kapitals sei in die Baulandentwicklung geflossen und habe insofern zu einer Vermögenssteigerung beigetragen, handelt es sich um eine neue und damit unzulässige Behauptung, zumal nicht erst der angefochtene Entscheid dazu Anlass gegeben hat (
Art. 99 Abs. 1 BGG
; vgl. auch nicht publ. E. 2.2). Massgeblich ist für das bundesgerichtliche Verfahren somit die kantonale Sachverhaltsfeststellung, dass das gesamte Wertschriftenvermögen - wie vom Beschwerdeführer denn auch ursprünglich vorgebracht - für einen gehobenen Lebensstandard von B. und ihrem Ehemann verbraucht worden und kein Konnex zwischen Kapitalverzehr und Wertsteigerung der Grundstücke gegeben sei (
Art. 105 Abs. 1 BGG
).
3.1.3
Wenn der Beschwerdeführer schliesslich geltend macht, das Kantonsgericht habe
Art. 43 OR
verletzt, weil es bei der Schadensfestsetzung die Verschuldensfrage nicht geprüft habe, so ist auf die nachfolgende E. 3.4 zu verweisen, wonach das Verschulden des Beschwerdeführers schwer wiegt.
Im Übrigen gebieten auch Recht und Billigkeit nicht, einen geringeren Schaden anzunehmen: Es trifft zwar zu, dass den Erben von B. nunmehr ein ansehnliches Vermögen zugefallen ist; dieses ist aber ausschliesslich auf die Umzonung zurückzuführen, die nach dem Gesagten in keinem Zusammenhang mit dem Kapitalverzehr steht. B. selbst hat denn auch bis zu ihrem Tod nie von diesem
BGE 136 III 113 S. 119
Vermögenszuwachs profitiert, sondern vielmehr den vollumfänglichen Kapitalverzehr zu tragen gehabt. Im Übrigen ist der Beschwerdeführer, was im Zusammenhang mit der von ihm angerufenen Billigkeitsmaxime ebenfalls zu berücksichtigen wäre, nicht etwa in einem altruistischen Sinn für B. tätig geworden; vielmehr hat er das Mandat geradezu an sich gezogen, um im Zusammenhang mit seinen über die von ihm präsidierte N. AG abgewickelten Überbauungsplänen eigennützige Ziele verfolgen zu können, und er hat der Vormundschaftsbehörde gegenüber auch dezidiert geltend gemacht, dass alle beiratschaftlichen Leistungen zum Anwaltstarif abzugelten seien. Vor diesem Hintergrund kann von einer "aufopfernden Tätigkeit", wie der Beschwerdeführer dies geltend macht, keine Rede sein, und lässt sich dem Kantonsgericht auch keine Verletzung von
Art. 43 OR
vorwerfen, wenn es nicht von schadensausschliessenden oder jedenfalls schadensmildernden Umständen ausgegangen ist.
3.2
Der vorstehend beschriebene Schaden ist ein reiner Vermögensschaden. Somit ist kein absolutes Rechtsgut verletzt und die Widerrechtlichkeit nur gegeben, wenn der Beschwerdeführer mit seinem Verhalten gegen den Schutzzweck bestimmter Normen verstossen bzw. die aus einer Garantenstellung fliessenden Handlungspflichten verletzt hat (
BGE 115 II 15
E. 3c S. 20).
3.2.1
B. stand unter einer sog. kombinierten Beiratschaft, bei welcher dem Beirat sowohl die Mitwirkung zu bestimmten Geschäften im Sinn von
Art. 395 Abs. 1 ZGB
als auch die Verwaltung des Mündelvermögens gemäss
Art. 395 Abs. 2 ZGB
obliegt. Die Verwaltungsbeiratschaft hat eine Beschränkung der Handlungsfähigkeit der verbeirateten Person zur Folge. Nicht anders als bei einer bevormundeten Person ist dem Verbeirateten der Bereich der Vermögensverwaltung gänzlich entzogen (LANGENEGGER, in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, Bd. I, 3. Aufl 2006, N. 14 und 17 zu
Art. 395 ZGB
; BRIGITTE BACHMANN, Die Beiratschaft [
Art. 395 ZGB
] de lege lata und de lege ferenda, 1990, S. 120). Diesbezüglich hat der Beirat gemäss Art. 395 Abs. 2 i.V.m.
Art. 413 Abs. 1 ZGB
die Pflicht zur sorgfältigen Verwaltung des Mündelvermögens. Im Vordergrund steht dabei die Erhaltung oder sogar die Mehrung der Substanz (ALBERT GULER, in: Basler Kommentar, a.a.O., N. 3 zu
Art. 413 ZGB
; CHRISTOPH CAVIEZEL, Die Vermögensverwaltung durch den Vormund, 1988, S. 202). Geschütztes Rechtsgut ist hier mithin das Vermögen (
BGE 115 II 15
E. 4a S. 20). Dessen Erhalt oder gar Äufnung ist freilich kein Selbstzweck; vielmehr ist das Gesamtinteresse des Verbeirateten
BGE 136 III 113 S. 120
bestmöglichst zu wahren und das Vermögen den konkreten Verhältnissen angepasst zu verwalten (CAVIEZEL, a.a.O., S. 216). Das bedeutet, dass der Beirat die Ausgaben für den Verbeirateten so planen muss, dass nach vorsichtiger Schätzung dessen Lebensführung gegen das Lebensende hin keine Beeinträchtigung zu erleiden braucht (CAVIEZEL, a.a.O., S. 222). Zu diesem Zweck ist das Vermögen, soweit es nicht für notwendige oder weitere den konkreten Vermögensverhältnissen angepasste Ausgaben verwendet wird, mündelsicher anzulegen; der Beirat hat sich dabei jeglicher spekulativer Anlagen oder Geschäfte zu enthalten (
BGE 52 II 319
E. 2 S. 321; GULER, a.a.O., N. 5 zu
Art. 413 ZGB
).
3.2.2
An der soeben dargestellten Rechtslage scheitert die Behauptung des Beschwerdeführers, das Mündelwohl habe es geboten, für B. ein grösstmögliches Mass an Wohlergehen und somit eine gehobene Lebensführung zu ermöglichen. Gerade die Unfähigkeit, vernünftig, d.h. den konkreten Verhältnissen angepasst mit Geld umzugehen, wozu insbesondere auch die Absicherung der im Alter üblicherweise anfallenden Kosten gehört, ist der massgebende Anlass für die Errichtung einer Verwaltungsbeiratschaft. Aus diesem Grund sind insbesondere auch die Literaturhinweise auf die Vermögensverwaltung bei Unmündigen, welche der Beschwerdeführer auf den vorliegenden Fall übertragen haben möchte, nicht einschlägig: Bei Kindern und jungen Erwachsenen steht die (unter Umständen kostenintensive) Ausbildung und nicht die Absicherung von Pflegekosten im Alter im Vordergrund.
3.2.3
Im genannten Zusammenhang macht der Beschwerdeführer im Übrigen geltend, als Beirat habe ihm ein grosses Ermessen zugestanden. In dieses dürfe nicht eingegriffen werden und nur ein eigentlicher Ermessensmissbrauch würde Widerrechtlichkeit begründen.
Mit dieser Argumentation überspielt der Beschwerdeführer den Kernvorwurf des Kantonsgerichts, er habe überhaupt keine Vorkehrungen getroffen. Hat sich aber der Beirat gar nicht erst um die Vermögensverwaltung gekümmert und insbesondere auch keine bewussten Entscheide getroffen, wie viel an Vermögen pro Jahr oder welche Beträge für einzelne Ereignisse zu verbrauchen sei, sondern hat er den innert wenigen Jahren erfolgten vollständigen Kapitalverzehr tatenlos gewähren lassen, so hat er seine Amtspflichten nicht im Ansatz wahrgenommen (so bereits das im vorliegenden Fall ergangene Urteil 5P.320/2002 vom 16. Oktober 2002 E. 2.3; vgl. sodann das bei
BGE 136 III 113 S. 121
CAVIEZEL, a.a.O., S. 247, zitierte Urteil) und hat auch gar nicht erst eine Ermessensbetätigung stattgefunden.
3.2.4
Daran ändert auch der Hinweis auf die infolge Einzonung bei den Grundstücken eingetretene Wertvermehrung nichts. Nach dem Gesagten stellen spekulative Geschäfte - mit der Umzonung konnte nach den Feststellungen des Kantonsgerichts nicht gerechnet werden - eine Amtspflichtverletzung dar (vgl. E. 3.2.1). Das Kapitalvermögen war bei der ersten Gemeindeabstimmung weitestgehend und noch vor der zweiten Abstimmung vollständig aufgezehrt. Im Übrigen hat das Kantonsgericht für das Bundesgericht verbindlich festgehalten, dass die Überbaubarkeit selbst in diesem Zeitpunkt keineswegs sicher war, weil zwischen den Eigentümern im Zusammenhang mit Freihaltezonen komplizierte Verträge abzuschliessen waren, die angesichts der unterschiedlichen Interessen der einzelnen Eigentümer jederzeit hätten scheitern können und erst im Frühling 2003 erfolgreich zustande kamen. Das Kantonsgericht zog daraus den zutreffenden Schluss, dass die zulässige Lebenshaltung von B. erst ab diesem Zeitpunkt bzw. ab der Genehmigung der Umzonung durch den Regierungsrat den neuen Verhältnissen hätte angepasst werden dürfen.
Entgegen der sinngemässen Darstellung des Beschwerdeführers fällt die Amtspflichtverletzung auch nicht im Nachhinein dadurch weg, dass die Spekulation am Ende aufgegangen ist. Die Handlungen bzw. Unterlassungen bleiben rechtswidrig. Einzig könnte es diesfalls an einem Schaden im Sinn einer Vermögensdifferenz fehlen, soweit zwischen Entreicherung und Bereicherung ein ursächlicher Zusammenhang bestünde, wie es sich gegebenenfalls in dem vom Beschwerdeführer erwähnten Beispiel der (nicht mündelsicheren) Anlage des Vermögens in Aktien verhalten kann. Vorliegend bestand indes zwischen dem Kapitalverzehr und dem Vermögenszuwachs auf den Grundstücken, wie bereits mehrfach festgehalten, kein Konnex.
3.2.5
Ebenso wenig verfängt die im gleichen Zusammenhang gemachte Aussage des Beschwerdeführers, seine Amtspflicht habe sich einzig darauf beschränkt, dass B. nicht armengenössig werde, wofür aber angesichts des Renteneinkommens keine Gefahr bestanden habe:
Würde diese Argumentation zutreffen, dürfte bei Personen mit gesichertem Renteneinkommen unabhängig von einem konkreten
BGE 136 III 113 S. 122
Schwächezustand und Schutzbedürfnis von vornherein nie eine vormundschaftliche Massnahme verhängt werden. Ausschlaggebend ist aber ohnehin, dass die Berechtigung der vorliegend verfügten kombinierten Beiratschaft, gegen die sich der Beschwerdeführer mit seinen Ausführungen materiell wendet, gar nicht Thema des Haftungsprozesses ist: Die Massnahme, gegen welche die üblichen Rechtsmittel offen standen, ist rechtskräftig angeordnet worden und der Beschwerdeführer hat das vormundschaftliche Amt angenommen; damit ist er in alle damit verbundenen Rechte und Pflichten eingetreten. Die wesentlichste Pflicht im Rahmen der Verwaltungsbeiratschaft ist nach dem Gesagten aber gerade die Vermögensfürsorge, und der Beirat kann sich dieser Kernpflicht selbstredend nicht entziehen, indem er dem vollständigen Kapitalverzehr tatenlos zusieht mit dem Hinweis, der Verbeiratete verfüge ja noch über eine existenzsichernde Rente.
3.2.6
Soweit der Beschwerdeführer schliesslich sinngemäss vorbringt, B. habe eine luxuriöse Lebensführung gewünscht, ist ihm entgegenzuhalten, dass dem Verbeirateten bei der Verwaltungsbeiratschaft die Handlungsfähigkeit mit Bezug auf die Vermögenssubstanz ex lege entzogen ist (E. 3.2.1), weshalb die Einwilligung des Verletzten als Rechtfertigungsgrund entfällt. Aus dem gleichen Grund kann es auch nicht als treuwidrig angesehen werden, wenn B. nach Verbrauch des Vermögens ihren Beirat eingeklagt hat mit der Begründung, dieser hätte den Vermögensverzehr nicht zulassen dürfen.
3.3
Mit seinem Gewährenlassen hat der Beschwerdeführer die ihm nach der Amtsübernahme obliegende Pflicht zur sorgfältigen Vermögensverwaltung (Art. 395 Abs. 2 i.V.m.
Art. 413 Abs. 1 ZGB
) sowie die damit verbundenen Garantenstellung (
BGE 115 II 15
E. 3c S. 20) verletzt und damit den eingetretenen Vermögensschaden adäquat kausal verursacht.
3.4
Bereits im Urteil 5P.320/2002 E. 2.3, hat das Bundesgericht festgestellt, dass der Beschwerdeführer seine Amtspflicht schlichtweg nicht wahrgenommen hat. Ihm lag einzig an der Einzonung der Grundstücke mit Blick auf die geplante Überbauung, woran er ein persönliches finanzielles Interesse hatte. Hingegen liess er B. und deren Ehemann mit Bezug auf das Wertschriftenvermögen unbekümmert um seine Amtspflichten freie Hand, obwohl er von der Vormundschaftsbehörde mit der Vorgeschichte vertraut und
BGE 136 III 113 S. 123
ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht wurde, dass die Schwierigkeiten vor allem darin lägen, die Ausgaben von B. in einem vertretbaren Verhältnis zu ihren Einkünften zu halten, und er mit Schreiben der Vormundschaftsbehörde vom 23. Oktober 1998 wegen Zulassen eines übermässigen Vermögensverzehrs zu einer verantwortungsvollen Vermögensverwaltung angehalten wurde. Der Beschwerdeführer nahm folglich in Kauf, dass das Vermögen zufolge seiner Untätigkeit in kurzer Zeit aufgebraucht und für bevorstehende Alterslasten kein Kapital mehr vorhanden sein würde; insofern hat er seine Amtspflichten geradezu eventualvorsätzlich vernachlässigt. Jedenfalls aber hat er durch sein tatenloses Zusehen die elementarsten bzw. ureigensten sich aus dem Amt der kombinierten Beiratschaft ergebenen Schutz- und Fürsorgepflichten in grobfahrlässiger Weise nicht wahrgenommen. Das Verschulden wiegt insgesamt schwer. | null | nan | de | 2,009 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
1a2aae02-94f8-4b8b-91de-47d3d8d0ab2c | Urteilskopf
114 III 5
2. Auszug aus dem Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 20. April 1988 i.S. Personalfürsorgestiftung G. | Regeste
Art. 17 SchKG
: Beschwerdeergänzung.
Reicht ein nicht zur Vertretung befugtes Organ Beschwerde ein und wird diese nach Ablauf der Beschwerdefrist genehmigt, so können mit der Genehmigung der Beschwerde keine neuen Beschwerdepunkte erhoben werden. | Erwägungen
ab Seite 5
BGE 114 III 5 S. 5
Aus den Erwägungen:
3.
Auf die neue Rüge ist die kantonale Aufsichtsbehörde zu Recht nicht eingetreten. Das Bundesrecht kennt keine Bestimmung, wonach die Beschwerdefrist gemäss
Art. 17 SchKG
zur Ergänzung der Begründung aus zureichenden Gründen erstreckt werden könnte. Eine nach Fristablauf eingereichte Beschwerdeergänzung fällt daher ausser Betracht (FRITZSCHE/WALDER, Schuldbetreibung und Konkurs nach schweizerischem Recht, N 34 zu § 8; JAEGER, Schuldbetreibung und Konkurs, N 9 zu
Art. 17 SchKG
;
BGE 114 III 5 S. 6
SORG, Das Beschwerdeverfahren in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen im Kanton Zürich, Diss. Zürich 1954, S. 82; ZR 81/1982 Nr. 57).
Wohl hat die untere kantonale Aufsichtsbehörde der Stiftung nach dem Rückweisungsentscheid der kantonalen Aufsichtsbehörde - zu Unrecht - Frist zur Vernehmlassung angesetzt. Bei
Art. 17 SchKG
handelt es sich indes um eine gesetzliche Frist, die grundsätzlich nicht erstreckt werden kann (AMONN, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 4. Aufl., N 17 f. zu § 11; FRITZSCHE/WALDER, a.a.O., N 109 zu § 13). Die Stiftung behauptet zu Recht nicht, es liege hier eine der Ausnahmen vor, die vom Gesetz vorgesehen sind (
Art. 66 Abs. 2-5 SchKG
, vgl. dazu
BGE 111 III 8
;
BGE 106 III 4
; sowie
Art. 33 SchKG
, vgl. dazu
BGE 101 III 16
f.). Ebensowenig ist ein Fall des Vertrauensschutzes gegeben. Der Beistand als rechtmässiger Vertreter der Stiftung hat nicht etwa die Beschwerdefrist wegen einer falschen Fristansetzung verpasst; die fragliche Frist war vielmehr bereits abgelaufen, als die untere kantonale Aufsichtsbehörde die Stiftung zur Vernehmlassung einlud. Zu berücksichtigen ist in dieser Hinsicht auch, dass der Beistand der Stiftung über das Zwangsvollstreckungsverfahren bestens informiert war, nachdem er die Stiftung in diesem Verfahren vertreten hat. Unter diesen Umständen konnte die Genehmigung der Prozesshandlungen von R. G. durch die Stiftung nur bewirken, dass die bereits eingereichte Beschwerde überprüft werden musste. Hingegen bestand kein Recht zur Ergänzung jener Beschwerde. | null | nan | de | 1,988 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
1a2c9eb3-9577-47e5-b78d-29fbf972e167 | Urteilskopf
138 III 570
85. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit civil dans la cause dame X. contre dame Y. (recours en matière civile)
5A_423/2011 du 15 mai 2012 | Regeste
Art. 1 Abs. 2 Ziff. 1 und Art. 21 aLugÜ (= Art. 1 Ziff. 2 lit. a und Art. 27 revLugÜ), Art. 8 des Übereinkommens vom 3. Januar 1933 zwischen der Schweiz und Italien über die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen und
Art. 9 IPRG
; internationale Rechtshängigkeit auf dem Gebiet des Erbrechts.
Anwendbares Konventionsrecht (E. 2).
Verhältnis zwischen Forumswahl und Rechtshängigkeit (E. 3).
Bedingungen der Rechtshängigkeit im Sinn von Art. 8 des italienisch-schweizerischen Übereinkommens, interpretiert vor dem Hintergrund der Rechtsprechung bezüglich des Lugano-Übereinkommens (E. 4).
Konsequenz der Zulassung der Rechtshängigkeit gemäss Art. 8 des italienisch-schweizerischen Übereinkommens (E. 6). | Sachverhalt
ab Seite 571
BGE 138 III 570 S. 571
A.
X., ressortissant italien domicilié en Italie, est décédé le 24 janvier 2003 à Turin (Italie); il a laissé pour seules héritières son épouse, dame X., et sa fille, dame Y.
B.
Des différends étant apparus quant au règlement de la succession, des négociations ont été menées afin de trouver un arrangement. Le 18 février 2004, les prénommées ont conclu un accord transactionnel "pour mettre définitivement un terme à ce litige", lequel prévoit en substance le transfert à dame Y., en pleine propriété, de divers actifs (art. I et II) et la "conclusion d'un pacte successoral" avant le 6 mars 2004 (art. IV), les parties reconnaissant "n'avoir plus aucun droit, directement ou indirectement, dans la succession de [X.], et n'avoir aucune prétention à élever pour quelque motif que ce soit l'une envers l'autre ni à l'égard de quiconque, directement ou de toute autre manière" (art. VIII); cette convention "est exclusivement soumise au droit suisse" et prévoit, en cas de litige au sujet de sa conclusion, de sa validité, de son exécution ou de son interprétation, "la compétence exclusive du Tribunal de première instance de la République et Canton de Genève" (art. XIV). Cette transaction a été exécutée.
Convaincue que des avoirs ou des libéralités lui avaient été dissimulés lors de la conclusion de l'accord précité, dame Y. a saisi, le 28 mai 2007, le Tribunal de Turin (Italie) d'une demande dirigée à l'encontre de A., B. et C. - tous proches collaborateurs de feu X., chargés de la gestion de ses affaires - ainsi que de dame X.; en bref, elle a conclu:
BGE 138 III 570 S. 572
-
à titre préliminaire
, à ce qu'il soit ordonné à A., B. et C. de rendre compte de leur gestion des biens ayant appartenu au de cujus;
-
à titre préjudiciel
, à la constatation de la nullité, de l'annulabilité ou de l'inefficacité des accords passés entre les héritières après l'ouverture de la succession;
-
à titre principal
, à la constatation de sa qualité d'héritière à l'égard de tous les biens concernés par la reddition de comptes;
-
à titre principal éventuel
, à la condamnation des gérants à réparer le préjudice éventuellement causé dans le cadre de leur gestion;
-
à titre principal
, à la dissolution de la communauté héréditaire moyennant attribution de la propriété individuelle, avec obligation de restituer à la succession, des biens qui font partie de la masse successorale, après estimation de la valeur vénale des biens à partager;
-
à titre subsidiaire
, en cas d'impossibilité de partager certains biens, à l'estimation, à la vente, ainsi qu'au partage de leur produit entre les héritières.
Dame X. a excipé de l'incompétence des tribunaux italiens. Par arrêt du 7 octobre 2008, la Cour de cassation italienne a rejeté cette exception; elle a considéré que les conclusions principales tendaient à la pétition d'hérédité et à la dissolution de la communauté héréditaire, de sorte que les juridictions italiennes étaient compétentes en vertu de l'art. 50 de la loi italienne sur le droit international privé; le chef de conclusions relatif à la validité de l'accord du 18 février 2004 ne modifie pas la nature du litige, qui demeure successoral et, partant, est soustrait au champ d'application de la Convention de Lugano.
Statuant sur le fond le 17 mars 2010, le Tribunal de Turin a débouté la demanderesse de toutes ses conclusions. Cette décision fait l'objet d'un recours devant la Cour d'appel de Turin.
C.
Le 4 juin 2009, dame X. a déposé devant le Tribunal de première instance de Genève une action à l'encontre de dame Y. tendant à la constatation que "l'accord du 18 février 2004 est valide et lie les parties"; la défenderesse a conclu à ce que l'action en constatation de droit soit déclarée irrecevable, subsidiairement à ce qu'il soit sursis à statuer.
Statuant "sur fin de non-recevoir de litispendance" le 26 octobre 2010, le Tribunal a déclaré l'action irrecevable. La Cour de justice du canton de Genève a confirmé cette décision le 20 mai 2011. (...)
BGE 138 III 570 S. 573
Le Tribunal fédéral a rejeté le recours en matière civile formé par dame X.
(extrait)
Erwägungen
Extrait des considérants:
2.
Bien que les parties soient toutes deux domiciliées en Suisse, la Cour de justice a considéré à juste titre que la présente cause revêt un caractère international (
art. 1 al. 1 let. a LDIP
; RS 291); cette opinion - qui n'est d'ailleurs pas contestée par la recourante (
art. 42 al. 2 LTF
) - doit être approuvée; s'agissant, en l'occurrence, de procédures introduites dans deux Etats différents, la litispendance est par définition internationale (cf. SCHNEIDER, L'exception de litispendance en droit international privé, in Mélanges offerts à la SSJ, 1976, p. 295). Au préalable, il convient de rechercher si un traité international s'applique (
art. 1 al. 2 LDIP
;
ATF 115 III 148
consid. 3).
2.1
La Cour de justice a retenu que "tant la procédure genevoise que la procédure italienne étaient de nature successorale", en sorte que la Convention de Lugano (dans sa version de 1988) - à laquelle l'Italie et la Suisse sont parties - n'était pas applicable (art. 1 al. 2 ch. 1 aCL; RO 1991 2436 [=
art. 1 par. 2 let. a CL
révisée; RS 0.275.12]; sur ce motif d'exclusion:
ATF 135 III 185
consid. 3.4; arrêt 4A_249/2009 du 29 juillet 2009 consid. 2). Une telle argumentation laisse entendre que l'intervention de l'art. 21 aCL (=
art. 27 CL
révisée) suppose que les
deux actions
tombent dans le champ d'application matériel du traité (dans ce sens: GEIMER/SCHÜTZE, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 3
e
éd. 2010, n° 57 ad art. 1 et n° 11 ad art. 27 EuGVVO; KREN KOSTKIEWICZ, Rechtshängigkeit und Konnexität, in La Convention de Lugano, Passé, présent et devenir, Publication ISDC n° 59, 2007, p. 111; MABILLARD, in Basler Kommentar, Lugano-Übereinkommen, 2011, n° 15 ad
art. 27 CL
); l'action introduite à Turin étant indiscutablement successorale, la Convention de Lugano serait inapplicable pour ce motif déjà, sans qu'il faille s'interroger sur la nature de celle qui a été intentée à Genève.
Il n'y a pas lieu de se prononcer définitivement sur le bien-fondé de cet avis, puisque l'action (en constatation) ouverte à Genève présente de toute manière aussi un caractère successoral. Il est exact que l'accord du 18 février 2004 est une "transaction" ayant expressément pour but de "mettre définitivement un terme [au] litige" entre les parties. Bien que la question apparaisse controversée, il faut reconnaître une nature successorale au sens de l'art. 1 al. 2 ch. 1 aCL aux litiges
BGE 138 III 570 S. 574
relatifs à la validité et aux effets des conventions entre héritiers (sic: DONZALLAZ, La Convention de Lugano, vol. I, 1992, p. 371 n° 945; MANKOWSKI, in Europäisches Zivilprozess- und Kollisionsrecht, vol. I, 2011, n° 16 ad art. 1 Brüssel I-VO; contra: arrêt de la Cour d'appel de Rome du 30 avril 1995, in Rivista di diritto internazionale privato e processuale [ci-après: RDIPP] 1996 p. 750); bien qu'elle n'ait pas eu à trancher ce point, la Cour de céans partage cette position (cf.
ATF 137 III 369
consid. 4.3 et les citations). En outre, les clauses de cet accord ont, pour l'essentiel, un contenu indubitablement successoral (cf. supra, let. B); par ailleurs, en droit suisse - applicable à l'accord litigieux -, la transaction extrajudiciaire n'a en principe pas d'effet novatoire et, partant, n'a pas pour effet de remplacer la cause originaire (successorale) par une nouvelle, qui serait ici obligationnelle (sur le sujet: GAUCH, Der aussergerichtliche Vergleich, in Innominatverträge, Festgabe [...] Schluep, 1988, p. 15 et les références).
2.2
Les juridictions cantonales ont examiné le mérite de l'exception de litispendance au regard de l'art. 8 de la Convention du 3 janvier 1933 entre la Suisse et l'Italie sur la reconnaissance et l'exécution de décisions judiciaires (RS 0.276.194.541), aux termes duquel les autorités judiciaires de l'un des deux Etats (i.c. suisses) doivent, si l'une des parties le demande, se dessaisir des contestations portées devant elles lorsque ces contestations sont déjà pendantes devant une juridiction de l'autre Etat (i.c. italienne), pourvu que celle-ci soit compétente selon les règles de la Convention. Ce traité tombe sous le coup de la réserve de l'
art. 1 al. 2 LDIP
, de sorte que la norme conventionnelle précitée l'emporte sur l'
art. 9 LDIP
(arrêt de la I
re
Chambre civile du Tribunal d'appel du canton du Tessin du 29 septembre 2008 consid. 5, in RtiD 2009 I 745/746; BUCHER, in Commentaire romand, Loi sur le droit international privé, Convention de Lugano, 2011, n° 5 ad
art. 9 LDIP
).
D'après le Message du 6 février 1933 concernant la convention conclue avec l'Italie sur la reconnaissance et l'exécution de décisions judiciaires, cette convention n'est pas un "traité réglementant la compétence judiciaire", mais "uniquement une convention d'exécution"; elle "s'occupe de la compétence judiciaire en tant seulement que cette compétence constitue une condition de la reconnaissance ou de l'exécution de la décision dans un autre Etat" (FF 1933 I 242; DUTOIT/KNOEPFLER/LALIVE/MERCIER, Répertoire de droit international privé suisse, vol. II, 1983, p. 213 n° 1, avec les références;
ATF 113 II 100
consid. 2).
BGE 138 III 570 S. 575
Cependant, deux dispositions "outrepassent ces limites": "l'une - pertinente en l'espèce -, qui vise l'exception de litispendance, est contenue à l'article 8, l'autre, qui traite des mesures provisoires ou conservatoires, à l'article 10" (FF 1933 I 242). Enfin, bien que cette condition ne ressorte pas de son texte, l'art. 8 du traité exige une identité d'objet entre les deux actions (FF 1933 I 250 ["l'exception de litispendance peut être soulevée si la même contestation est portée devant les juridictions de l'autre Etat"]; idem:
ATF 65 II 177
p. 179;
ATF 109 II 180
consid. 3 ["contestations identiques"]).
3.
3.1
La recourante se plaint d'abord d'une violation de l'
art. 5 al. 1 LDIP
, en vertu duquel, en matière patrimoniale, les parties peuvent convenir du tribunal appelé à trancher un différend né ou à naître à l'occasion d'un rapport de droit déterminé, cette élection de for étant, sauf stipulation contraire, exclusive. En substance, elle fait valoir que la décision entreprise revient à priver de toute portée la clause de prorogation de for incluse dans l'accord du 18 février 2004; si l'intimée voulait remettre en cause cet accord transactionnel, il lui appartenait d'agir devant les tribunaux genevois, qui étaient désormais le "for naturel" du litige; le mécanisme de la litispendance ne saurait avoir pour effet de soustraire la cause à l'autorité qui doit exclusivement en connaître à teneur de la convention d'élection de for.
La juridiction précédente a constaté que le premier juge n'a pas nié qu'il était compétent en vertu de la clause de prorogation de for et ne s'est pas déclaré incompétent (à raison du lieu) pour connaître du litige; il a du reste implicitement admis sa compétence avant d'examiner le moyen tiré de la litispendance; en outre, sa compétence n'a pas été contestée par la partie adverse. Il s'ensuit que le grief pris de la violation de l'
art. 5 al. 1 LDIP
est "sans objet".
3.2
L'autorité précédente est partie de la prémisse que le "mécanisme [de la litispendance] n'a de sens que si le tribunal second saisi était compétent s'il avait été saisi seul ou en premier lieu" (BUCHER, op. cit., n° 20 ad
art. 9 LDIP
). Selon la jurisprudence constante, la Convention italo-suisse ne touche en rien au pouvoir d'un Etat de déterminer, en conformité de son droit de procédure international, dans quels cas et à quelles conditions ses propres juridictions sont compétentes pour connaître de la cause dont elles sont saisies, sans préjudice du sort qui serait réservé à leurs décisions au stade de sa reconnaissance
BGE 138 III 570 S. 576
dans l'autre Etat (
ATF 84 II 57
consid. 2b/bb;
ATF 88 II 6
consid. 3;
ATF 96 I 594
let. b;
ATF 113 II 100
consid. 2). La validité de la clause d'élection de for stipulée en l'espèce par les parties ne relève donc pas du traité, mais du seul droit interne, en l'occurrence de l'
art. 5 al. 1 LDIP
(DUTOIT ET AL., op. cit., p. 229 n° 50). Or, sous cet angle - comme l'a souligné à juste titre la cour cantonale -, la compétence du Tribunal de première instance de Genève ne pose aucun problème et n'a d'ailleurs, semble-t-il, jamais été contestée. L'admissibilité d'une clause d'élection de for en matière de litiges du droit des successions est en outre très largement admise (parmi plusieurs: FF 1983 I 291 in fine n° 213.5; BUCHER, op. cit., n° 7 ad
art. 5 LDIP
; DUTOIT, Commentaire de la loi fédérale du 18 décembre 1987, 4
e
éd. 2005, n° 4 ad
art. 5 LDIP
; plus réservé: HEINI, in Zürcher Kommentar zum IPRG, 2
e
éd. 2004, n° 9 ad
art. 86 LDIP
).
Comme le souligne avec raison la recourante, l'autorité précédente ne s'est, en revanche, pas prononcée sur le point de savoir si l'existence de la clause d'élection de for faisait obstacle à la litispendance; c'est la compétence du
premier juge
saisi qui est alors en question. Conformément au principe énoncé plus haut, les autorités italiennes ont fondé leur compétence sur l'art. 50 de la loi de DIP du 31 mai 1995; que les tribunaux italiens aient ignoré cette clause ou ne lui aient pas attribué d'effet est sans importance, car l'institution de la litispendance a pour but principal d'éviter les jugements contradictoires, non de sanctionner la violation d'une règle de compétence découlant de l'absence de prise en considération d'une clause d'élection de for (cf. REYMOND, L'exception de litispendance, 1991, p. 185 let. A). Sous réserve des conditions de l'art. 8 de la Convention italo-suisse (infra, consid. 4.2), c'est donc au stade de la reconnaissance du jugement italien consécutif à l'action de l'intimée que les tribunaux suisses devront, le cas échéant, s'interroger sur les conséquences de la méconnaissance de ladite clause (cf. sur le sujet: VON OVERBECK, Les élections de for selon la loi fédérale sur le droit international privé du 18 décembre 1987, in Festschrift für Max Keller [...], 1989, p. 624 ss et les citations; ACOCELLA, Internationale Zuständigkeit sowie Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen in Zivilsachen im schweizerisch-italienischen Rechtsverkehr, 1989, p. 249 et 301; cf. pour le cas où un tribunal étatique étranger a statué malgré l'existence d'une convention d'arbitrage:
ATF 127 III 186
consid. 2); il n'y a dès lors pas lieu d'en débattre ici.
BGE 138 III 570 S. 577
4.
4.1
La recourante reproche en outre à la Cour de justice d'avoir violé l'art. 8 de la Convention italo-suisse à un triple titre: premièrement, à la date du dépôt de l'action à Genève, l'intimée n'avait pas encore pris de "conclusion ferme" devant les juridictions italiennes pour leur faire trancher la question de la validité de l'accord du 18 février 2004 (infra, consid. 4.2); deuxièmement, du point de vue des autorités helvétiques, les juridictions italiennes sont en toute hypothèse incompétentes pour connaître de cette question, vu l'existence d'une clause d'élection de for en faveur des tribunaux genevois (infra, consid. 4.3); troisièmement, un éventuel jugement rendu en Italie sur ce point ne pourrait pas être reconnu en Suisse (infra, consid. 4.4).
L'autorité précédente a rappelé que le but de la litispendance est de prévenir des jugements contradictoires; aussi ne faut-il pas s'attacher à l'aspect formel des procédures, mais déterminer le "centre de gravité des litiges". Il y a dès lors identité de l'objet du litige lorsque les parties soumettent au juge la même prétention en se fondant sur les mêmes causes juridiques et les mêmes faits, étant précisé que cette condition doit s'analyser dans un sens matériel, et non d'après la teneur formelle des conclusions. En l'espèce, la décision du premier juge, qui a admis que cette condition était remplie, échappe à toute critique. L'intimée a introduit en Italie une demande qui tend à titre principal à une pétition d'hérédité ainsi qu'au partage; or, "cette action revient sans conteste à remettre en question la validité de l'accord du 18 février 2004", lors même que l'intéressée n'a pas formulé de chef de conclusions principal sur ce point en première instance en Italie. Les deux procès "gravitent ainsi bien autour de la même problématique, à savoir la validité de l'accord du 18 février 2004", celui-ci comportant une renonciation des parties à toute autre prétention dans la succession du de cujus.
4.2
4.2.1
Comme l'a jugé l'autorité cantonale, la condition de l'identité des parties (ou subjective) est réalisée en l'espèce, ce que la recourante ne conteste pas (
art. 42 al. 2 LTF
). Il suffit que le procès ouvert en Suisse mette aux prises les mêmes parties que celles qui s'opposent dans la procédure italienne, même si cette dernière comporte encore d'autres défendeurs (
ATF 105 II 229
consid. 1b; REYMOND, op. cit., p. 251 ss et les références). La position procédurale différente des parties dans les deux procédures est sans incidence (
ATF 128 III 284
consid. 3a et les nombreuses citations).
BGE 138 III 570 S. 578
4.2.2
Sans le dire expressément, l'autorité précédente s'est fondée sur la jurisprudence que la Cour de justice des Communautés européennes (CJCE; actuellement Cour de justice de l'Union européenne) a rendue sur l'art. 21 de la Convention de Bruxelles de 1968 (= art. 21 aCL); dans son arrêt du 8 décembre 1987
Gubisch Maschinenfabrik AG contre Palumbo
144/86, Rec. 1987 p. 4861, cette autorité a considéré, en bref, que la notion d'identité d'objet ne devait pas être "restreinte à l'identité formelle des deux demandes", mais qu'il fallait mettre l'accent sur la question juridique qui se trouve au centre des deux procès; elle a ainsi admis l'identité entre une action en exécution d'un contrat de vente, ouverte d'abord en Allemagne, et une action en déclaration de nullité, en annulation et en résolution dudit contrat, car la "force obligatoire du contrat [est] au centre des deux litiges". Ce principe a été confirmé dans plusieurs arrêts ultérieurs (cf. arrêts
Tatry
du 6 décembre 1994, C-406/92, Rec. 1994 I 5439;
Gantner
du 8 mai 2003, C-111/01, Rec. 2003 I 4207;
Maersk
du 14 octobre 2004, C-39/02, Rec. 2004 I 9657). Le Tribunal fédéral s'y est rallié pour interpréter, non seulement l'art. 21 aCL (
ATF 123 III 414
consid. 5;
ATF 125 III 346
consid. 4b;
ATF 136 III 523
consid. 6.1), mais aussi l'
art. 9 LDIP
(arrêt 5C.289/2006 du 7 juin 2007 consid. 3.2) et l'
art. 35 LFors
(RO 2000 2355;
ATF 128 III 284
consid. 3b).
Cette conception unitaire de l'identité d'objet doit être approuvée. Elle est d'abord justifiée par le but commun que poursuivent les normes consacrées à la litispendance - qu'elle soit interne ou internationale -, à savoir d'éviter des jugements contradictoires lorsque des demandes identiques sont déposées à plusieurs endroits (notamment:
ATF 128 III 284
consid. 3b/bb et les références). Elle apparaît en outre conforme à la jurisprudence récente selon laquelle la "notion d'identité d'objet doit être comprise de la même manière en droit interne et en droit international privé" (arrêt 5C.289/2006 précité; dans ce sens: BUCHER, op. cit., n° 10 ad
art. 9 LDIP
;
le même
, L'examen de la compétence internationale par le juge suisse, SJ 2007 II p. 168). Il s'ensuit que l'art. 8 de la Convention italo-suisse doit être interprété à la lumière des principes qui précèdent. A cet égard, on peut relever que la Cour de cassation italienne, dans une décision du 17 mai 2002, a considéré que la notion d'"identità di oggetto" au sens de la Convention du 6 avril 1962 entre l'Italie et la Belgique devait être "interpretata in base all'orientamento seguito nella interpretazione dell'art. 21 della convenzione di Bruxelles del 1968" (RDIPP 2002 p. 1061 ss, 1066/
BGE 138 III 570 S. 579
1067 consid. 2); cela étant, on peut penser qu'elle interpréterait de la même manière l'art. 8 de la Convention avec la Suisse.
4.2.3
Il ressort de l'arrêt entrepris que la Cour de cassation italienne a retenu que l'intimée avait introduit une "action en pétition d'hérédité et en dissolution de la communauté héréditaire", la question de la validité de l'accord du 18 février 2004 ne se posant qu'à titre
préjudiciel
. Cette dernière question se pose en revanche à titre
principal
dans le procès ouvert à Genève, dès lors que la demande tend à la constatation que l'accord précité est "valide et lie les parties"; partant, il ne peut s'agir que d'une identité
partielle
. Cependant, cette circonstance n'exclut pas le jeu de la litispendance; si les conclusions de la seconde instance sont englobées dans celles de la première (ce qui est le cas ici), le second juge doit - selon le régime applicable à l'exception (cf. infra, consid. 6) - se dessaisir de la cause ou la suspendre dans son entier (REYMOND, op. cit., p. 201 let. A, avec les citations; idem, pour la CL ou le Règlement européen n° 44/2001: KROPHOLLER/VON HEIN, Europäisches Zivilprozessrecht, 9
e
éd. 2011, n° 9 ad art. 27 EuGVO). Pour autant que les autres conditions soient remplies, la litispendance intervient sans égard au fait que les conclusions ont été formulées "dans l'un des procès à titre principal et dans l'autre à titre préjudiciel" (BUCHER, op. cit., n° 12 ad
art. 9 LDIP
;
le même
, op. cit., SJ 2007 II p. 169), ou "à titre principal, alternatif ou subsidiaire" (REYMOND, op. cit., p. 227 et les citations). Ces points étant précisés, l'arrêt attaqué ne prête pas le flanc à la critique.
En appliquant la notion (large) de litispendance consacrée par la Cour de justice des Communautés européennes, force est d'admettre que la question de la validité de l'accord du 18 février 2004 est au centre des deux procédures: si elle constitue l'unique aspect du procès genevois, elle est soumise préjudiciellement aux juges italiens; comme on l'a vu, le fait que l'intimée a formé à titre
préjudiciel
en première instance, puis à titre
principal
en instance d'appel, le chef de conclusions tendant à remettre en cause l'accord précité est dénué de pertinence. En outre, on ne saurait nier le risque de jugements inconciliables: en effet, si le Tribunal italien devait accueillir les conclusions en pétition d'hérédité et en partage, sa décision concernerait des biens successoraux auxquels l'intimée est censée avoir renoncé (cf. art. VIII de l'accord), alors que, si le juge genevois devait admettre, de son côté, la validité de l'accord, sa décision serait sur ce point incompatible avec celle de son collègue italien, en tant qu'elle confirmerait la
BGE 138 III 570 S. 580
renonciation (transactionnelle) de l'intimée à l'égard des biens visés par l'action en pétition d'hérédité et en partage.
4.3
Aux termes de l'art. 8 de la Convention italo-suisse, l'exception de litispendance implique que le tribunal italien (saisi en premier lieu) soit compétent "selon les règles de la présente convention".
La compétence du tribunal italien doit s'apprécier, non par rapport au chef de conclusions ayant pour objet la question - préjudicielle - de la validité de l'accord du 18 février 2004, mais par rapport aux conclusions en pétition d'hérédité et en partage formulées à titre principal. Sous cet angle, cette compétence est donnée au regard de l'art. 2 al. 1 ch. 6 de la Convention italo-suisse, qui reconnaît la compétence internationale des juridictions de l'Etat où la décision a été prise "lorsqu'il s'agit d'une contestation successorale entre les héritiers d'un ressortissant du pays où la décision a été rendue" (cf. par exemple: arrêt de la I
re
Chambre civile du Tribunal d'appel du canton du Tessin précité consid. 7a, in RtiD 2009 I 747;
ATF 62 II 20
consid. 1, a contrario); dans le cas présent, le procès ouvert en Italie concerne la succession d'un ressortissant italien, domicilié en Italie au moment du décès. Comme l'avait déjà observé le Conseil fédéral (FF 1933 I 244), la compétence des autorités italiennes pourrait s'appuyer sur l'art. 17 al. 3 de Convention d'établissement et consulaire entre la Suisse et l'Italie du 22 juillet 1868; en dépit de sa formulation, il est admis - à l'instar de l'art. 5 de la Convention franco-suisse de 1869 (
ATF 119 II 77
consid. 2c et les citations) - que cette disposition s'applique aux contestations relatives à la succession d'un Italien, que son dernier domicile ait été en Suisse ou en Italie (DUTOIT ET AL., op. cit., vol. III, 1986, p. 125 ss et les citations; sur l'évolution de la jurisprudence: CHENEVARD, Le régime civil des successions dans les rapports italo-suisses, 1985, p. 47 ss).
La réponse serait plus délicate si la compétence du juge italien devait être examinée par rapport à la question (préjudicielle) de la validité de l'accord du 18 février 2004. En admettant la nature successorale du contentieux (cf. supra, consid. 2.1), l'art. 2 al. 1 ch. 6 de la Convention serait également applicable dans ce cas. Certes, l'art. 2 al. 2 du traité déclare que les dispositions contenues aux ch. 1 à 4 ne s'appliquent pas aux contestations pour lesquelles le droit de l'Etat requis "reconnaît comme exclusivement compétentes ses propres juridictions". Dans son avis de droit du 4 décembre 2009 (n° 09-132cc), l'Institut suisse de droit comparé (ISDC) a toutefois démontré que,
BGE 138 III 570 S. 581
en matière successorale, la compétence exclusive que pourraient revendiquer les tribunaux suisses sur la base de la clause d'élection de for ne pourrait pas faire obstacle à la litispendance, "étant donné que la nature exclusive d'une telle compétence ne peut, d'après la teneur de la disposition légale, jouer que dans les cas énumérés aux chiffres 1 à 4, mais non dans le cas du chiffre 6" (p. 21 ch. 50; cf. sur les avis de droit de l'ISDC:
ATF 137 III 517
consid. 3.3 et les citations). La question de savoir si l'existence d'une clause d'élection de for pourrait contrecarrer, en vertu de l'art. 8 de la Convention, la reconnaissance du jugement italien est examinée plus loin (cf. infra, consid. 4.4).
4.4
L'autorité précédente a retenu que "la Convention de 1933 n'exige pas que la décision étrangère soit susceptible de reconnaissance".
Contrairement à l'
art. 9 al. 1 LDIP
, la Convention italo-suisse n'exige pas de "pronostic de reconnaissance" du jugement italien à intervenir (WITTIBSCHLAGER, Rechtshängigkeit in internationalen Verhältnissen, 1992, p. 45; de l'opinion contraire: arrêt de la I
re
Chambre civile du Tribunal d'appel du canton du Tessin précité, in RtiD 2009 I 746 consid. 6, qui se réfère à ACOCELLA, op. cit., p. 135); l'Institut suisse de droit comparé l'a explicitement rappelé dans son avis de droit. A ce stade, les tribunaux genevois n'avaient donc pas à se demander - fût-ce sur la base d'un examen sommaire - si le jugement italien serait ou non susceptible de reconnaissance en Suisse (notamment en raison de la non-application de la clause d'élection de for; supra, consid. 3.2).
(...)
6.
6.1
A titre subsidiaire, la recourante sollicite le renvoi de la cause à la juridiction précédente "afin qu'elle suspende la cause jusqu'à droit jugé définitif en Italie" sur la procédure opposant les parties; en bref, elle reproche à l'autorité cantonale d'avoir confirmé la décision du premier juge de déclarer irrecevable l'action en constatation de droit au lieu de suspendre le procès ouvert en Suisse.
6.2
Aux termes de l'art. 8 de la Convention italo-suisse, l'admission de l'exception de litispendance conduit au
dessaisissement
du juge saisi en second lieu. Cette solution s'écarte de celle de l'
art. 9 al. 1 LDIP
, qui prévoit - dans un premier temps (
art. 9 al. 3 LDIP
) - la
suspension
de la procédure introduite devant le tribunal suisse (cf. sur les diverses solutions possibles: SCHNEIDER, op. cit., p. 313/314).
BGE 138 III 570 S. 582
Certes, il est parfois soutenu que, nonobstant le texte du traité, le juge suisse ne serait pas tenu d'écarter la demande, mais pourrait ordonner la suspension de la procédure, si cette mesure lui semble plus opportune (arrêt de la I
re
Chambre civile du Tribunal d'appel du canton du Tessin précité consid. 6, in RtiD 2009 I 746/747, qui se réfère à ACOCELLA, op. cit., p. 142 ss). Il n'y a toutefois aucun motif de déroger à la lettre claire de la convention (cf. SCHNEIDER, op. cit., p. 314; WITTIBSCHLAGER, op. cit., p. 45/46; WALDER, Einführung in das Internationale Zivilprozessrecht der Schweiz, 1989, § 4 p. 108 n° 46); dans un arrêt du 28 mai 1998, la Cour de cassation italienne a aussi relevé que, contrairement à l'art. 21 aCL (=
art. 27 CL
révisée), "il giudice successivamente adito deve [...] spogliarsi della causa e nonsemplicemente sospendere il proprio giudizio" (RDIPP 1999 p. 296 ss, 301 consid. 1.2). Au demeurant, d'autres conventions bilatérales conclues par la Confédération adoptent un régime identique (SCHNEIDER, loc. cit.): l'art. 7 de la Convention du 15 janvier 1936 avec la Suède (FF 1936 I 697 ss, 702 ch. IV; WITTIBSCHLAGER, op. cit., p. 48), l'art. 10 de la Convention du 29 avril 1959 avec la Belgique (FF 1959 II 301 ss, 312 [s'abstenir de statuer]; WITTIBSCHLAGER, op. cit., p. 49), l'art. 8 de la Convention du 16 décembre 1960 avec l'Autriche (FF 1961 I 1585 ss, 1591: "refuser d'office [d']instruire [unlitige]"; WITTIBSCHLAGER, op. cit., p. 46) et l'art. 9 al. 1 de la Convention du 25 avril 1968 avec la Principauté du Liechtenstein (FF 1968 II 713 ss, 722: "refuser d'office [d']instruire[un litige]"; WITTIBSCHLAGER, op. cit., p. 47). | null | nan | fr | 2,012 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
1a313124-7642-4903-8723-0ca26d5ff5a9 | Urteilskopf
116 Ib 126
16. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 12. Juni 1990 i.S. X. und X. AG gegen Eidgenössische Steuerverwaltung (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Warenumsatzsteuer.
Das Anfertigen von Fotokopien auf sog. Selbstbedienungs-Kopiergeräten in Fotokopieranstalten durch die Kunden gilt als Warenlieferung des Aufstellers der Automaten (
Art. 15 Abs. 2 WUStB
) und begründet, wenn die übrigen Voraussetzungen erfüllt sind, die Warenumsatzsteuerpflicht. | Sachverhalt
ab Seite 126
BGE 116 Ib 126 S. 126
X., Inhaberin der Einzelfirma X. in ..., und die X. AG in ... sind als Grossistinnen im Sinne des Bundesratsbeschlusses über die Warenumsatzsteuer (WUStB) eingetragen. Beide Firmen bezwecken die Herstellung von Fotokopien und Drucksachen. Sie haben in ihren Räumlichkeiten Fotokopiergeräte aufgestellt, die von den Kunden selbst bedient werden.
Die Eidgenössische Steuerverwaltung, Hauptabteilung Warenumsatzsteuer, betrachtet die Einnahmen aus dem Betrieb dieser Geräte - in Änderung ihrer bisherigen Praxis - als steuerbaren Umsatz im Sinne des Warenumsatzsteuerbeschlusses und fordert gegenüber X. für solche Umsätze Warenumsatzsteuern im Betrag
BGE 116 Ib 126 S. 127
von Fr. ... (1. Quartal 1982 bis 4. Quartal 1983) und gegenüber der X. AG von Fr. ... (1. Quartal 1981 bis 2. Quartal 1984) nach.
Mit Einspracheentscheid vom 20. Oktober 1989 stellte die Eidgenössische Steuerverwaltung fest: "Das 'schnelle' Anfertigen von Fotokopien auf sog. Selbstbedienungs-Kopiergeräten durch Dritte gilt als grundsätzlich steuerbarer Umsatz des Aufstellers solcher Apparate." Zugleich bestätigte sie die Steuerforderungen.
X. und die X. AG führen Verwaltungsgerichtsbeschwerde, mit welcher sie beantragen, der Einspracheentscheid sei aufzuheben und es sei festzustellen, dass das "schnelle" Anfertigen von Fotokopien durch Dritte nicht als steuerbarer Umsatz des Aufstellers solcher Apparate gelte. Die Eidgenössische Steuerverwaltung sei ferner zu verpflichten, der X. AG die vom 1. Januar 1982 bis 30. Juni 1984 zu Unrecht bezahlten Steuern zurückzuerstatten.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab aus folgenden
Erwägungen
Erwägungen:
1.
a) Gemäss
Art. 8 Abs. 1 lit. a WUStB
ist steuerpflichtig, wer als Grossist im Inland Waren liefert. Als Grossistinnen gelten aufgrund des Umsatzes auch die Beschwerdeführerinnen nach
Art. 9 Abs. 1 lit. b WUStB
. Der Begriff der Lieferung wird in
Art. 15 WUStB
näher umschrieben. Nach dessen Abs. 2 gilt als Warenlieferung "auch die Ablieferung der aufgrund eines Werkvertrages oder Auftrages hergestellten Ware". Unter den Begriff der Ware fällt gemäss
Art. 17 WUStB
(soweit hier bedeutsam) alles, was Gegenstand eines Fahrniskaufes (
Art. 187 OR
) sein kann. Herstellung ist jede Verarbeitung, Bearbeitung, Zusammensetzung, Instandstellung, Veredelung oder sonstige Umgestaltung (
Art. 10 Abs. 2 Satz 2 WUStB
).
b) Fotokopien können Gegenstand eines Fahrniskaufes sein und werden tatsächlich oft im Rahmen solcher Verträge gehandelt. Sie sind mithin umsatzsteuerrechtlich als Ware zu behandeln (
Art. 17 WUStB
). Sie werden im Sinne von
Art. 10 Abs. 2 WUStB
hergestellt, auch wenn die Herstellung vorwiegend maschinell erfolgt. Das ist im vorliegenden Fall auch nicht bestritten.
Die Beschwerdeführerinnen machen aber geltend, dass die Fotokopien nicht durch sie - aufgrund eines Werkvertrages - hergestellt würden, sondern durch den Kunden, dem sie hierzu die Fotokopiergeräte mietweise zur Verfügung stellten. Trifft dieser Einwand zu, so müssten die in Frage stehenden Umsätze steuerfrei
BGE 116 Ib 126 S. 128
bleiben. Denn die blosse Vermietung eines Gerätes (oder einer Maschine) erfüllt den Tatbestand der Lieferung gemäss
Art. 15 WUStB
nicht (ASA 56, 266 E. 4).
2.
Die Frage, ob Herstellung aufgrund eines Werkvertrages vorliegt oder bloss Vermietung einer Maschine, hat das Bundesgericht früher vor allem danach entschieden, wie intensiv der Einsatz des Personals des Unternehmers bei der Herstellung der Ware ist.
So hat das Bundesgericht in bezug auf das gewerbsmässige Reinigen von Wäsche zunächst gefunden, dass es sich dabei um eine Instandstellung von Waren im Sinne von
Art. 10 Abs. 2 WUStB
handle (
BGE 68 I 103
E. 2, 3). Ausgehend von dieser Rechtsprechung hat das Bundesgericht im Urteil vom 5. November 1965 (ASA 34, 298) eine Warenlieferung auch angenommen, wenn in sog. Selbstbedienungs-Waschsalons Kleidungsstücke chemisch gereinigt werden. Denn die Reinigung solcher Kleidungsstücke erfolge aufgrund eines Werkvertrages.
Dass man es mit einem solchen zu tun habe und nicht bloss mit einer Vermietung von Waschautomaten, gehe daraus hervor, dass die Waschanstalt eine umfassende Bedienungsanleitung an ihren Waschautomaten angeschlagen habe und Aufsichtspersonal stelle, dessen Mitwirkung unerlässlich sei. Dieses habe bei erstmaligen Kunden im Zweifel behilflich zu sein, darüber zu wachen, dass nur den Vorschriften entsprechend gewaschen werde, und in Stosszeiten sogar das Reinigungsgut herauszunehmen und neues einzufüllen. Das Bedienungspersonal habe ferner für die richtige Handhabung der chemischen Substanzen zu sorgen und darauf zu achten, dass die Kunden nicht mit diesen in Berührung kämen. Der Benützer könne demgegenüber einzig bewirken, dass die Maschine durch Geldeinwurf für ihn tätig werde. Der Beitrag der Waschanstalt am Reinigungsvorgang bestehe demnach nicht nur darin, dem Kunden einen Automaten zum Gebrauch zu überlassen. Vielmehr erfolge die Reinigung durch Mitarbeit von Unternehmungspersonal und unter Einsatz von Maschinen und eines von der Unternehmung beschafften Reinigungsmittels (ASA 34, 300 E. 3).
Ähnlich hat auch die Eidgenössische Steuerverwaltung in ihrer früheren Verwaltungspraxis für die Unterscheidung vor allem auf die Intensität des Personaleinsatzes abgestellt (vgl. etwa ASA 18, 450 E. 3b-d).
3.
Auf den Personaleinsatz bzw. auf den damit verbundenen Arbeitseinsatz kann es aber heute, angesichts der zunehmenden Automatisierung, nicht mehr so entscheidend ankommen. Für die
BGE 116 Ib 126 S. 129
Arbeitsobligation beim Werkvertrag ist es nicht wesentlich, ob der Unternehmer Arbeitskraft und Hilfsgeräte oder nur Hilfsgeräte einsetzt. Auch der WUStB unterscheidet für die Steuerpflicht nicht zwischen der automatischen und der mit Arbeitseinsatz von Personal verbundenen Herstellung (
Art. 10 Abs. 2 WUStB
), und erst recht ist diese Unterscheidung für den Begriff der Lieferung (
Art. 15 Abs. 1 und 2 WUStB
) bedeutungslos (s. auch METZGER, Handbuch der Warenumsatzsteuer, N 320). Auch ausschliesslich maschinell hergestellte Waren können deshalb Gegenstand eines Werkvertrages und mithin einer Warenlieferung (
Art. 15 Abs. 2 WUStB
) sein. Entscheidend ist in diesem Sinne, ob die erbrachte Leistung, der Arbeitserfolg, dem Kunden zuzurechnen ist - dann liegt allenfalls Vermietung von Maschinen vor - oder ob die Unternehmung selbst für den Arbeitserfolg, das Werk, einzustehen hat.
4.
a) Die Beschwerdeführerinnen haben in ihren Lokalen Fotokopiergeräte aufgestellt, welche vom Kunden bedient werden. Der Gebrauch dieser Geräte erfolgt in der Weise, dass der Kunde sein Original an die bezeichnete Stelle des Gerätes bringt, die Anzahl der Kopien, das Format, die Belichtung usw. wählt und durch Knopfdruck gleichzeitig den Herstellungsvorgang auslöst. Wenn die Herstellung der Kopie nicht oder nicht in brauchbarer Art erfolgt (weil z.B. eine Kopie beim Auswurf zerrissen wird), kann sich der Kunde an das Personal wenden und wird verbesserte Leistung erhalten. Er kann den Kopiervorgang ohne zusätzliches Entgelt auch vom anwesenden Personal einleiten lassen, wenn er sich mit den Automaten nicht auskennt. Daraus erhellt, dass die Beschwerdeführerinnen für das Gelingen der Kopien (richtige Bedienung des Fotokopiergerätes durch den Kunden vorausgesetzt) einzustehen haben. Die Lieferung erfolgt, wenn der Kunde die anhand des Zählers ermittelte Anzahl der Kopien an der Kasse bezahlt hat und diese in seine Verfügungsmacht (
Art. 15 Abs. 1 WUStB
) übergehen. Die Herstellung und Lieferung der Kopien durch die Beschwerdeführerinnen und nicht die Überlassung des Kopiergerätes zum Gebrauch steht damit im Vordergrund.
b) Die Beschwerdeführerinnen wenden ein, der Preis, der dem Kunden nach Anzahl der Fotokopien berechnet werde, könnte ebensogut nach der Dauer der Benützung des Gerätes bemessen werden. Das mag zutreffen, weist für sich allein jedoch nicht auf eine Vermietung von Maschinen hin. Dass keine Miete vorliegt, geht daraus hervor, dass das Entgelt für die Kopien nach der
BGE 116 Ib 126 S. 130
Stückzahl berechnet wird, dass die Geräte unter der Aufsicht des Unternehmungspersonals verbleiben, dass das Personal nötigenfalls dem Kunden bei der Bedienung des Gerätes behilflich ist und die Unternehmung nicht nur für das Funktionieren der Geräte einsteht, sondern darüber hinaus auch dafür, dass die Herstellung der Kopien durch die Geräte in brauchbarer Art erfolgt. Daran ändert nichts, dass die Beschwerdeführerinnen ihrerseits nicht Eigentümerinnen der Fotokopiergeräte sind, sondern sie aufgrund von Rahmenmietverträgen von Dritten (Rank Xerox, Ozalid AG usw.) zur Verfügung gestellt erhalten. Denn die Herstellung durch den Unternehmer im Rahmen eines Werkvertrages kann sowohl mit eigenen als auch mit gemieteten (oder geleasten) Geräten erfolgen.
c) Die Beschwerdeführerinnen legen allerdings Gewicht darauf, dass das Unternehmungspersonal für das einwandfreie Funktionieren der Apparate zu sorgen und namentlich Papier und Toner nachzufüllen habe. Dabei geht es jedoch entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerinnen nicht um ihre Pflicht als Vermieterinnen, die Mietsache in einem zum vertragsgemässen Gebrauch geeigneten Zustand zu erhalten (
Art. 254 Abs. 1 OR
), zumal warenumsatzsteuerrechtlich selbst bei Annahme einer Apparatenmiete mindestens hinsichtlich des Papiers eine Lieferung der Beschwerdeführerinnen in Betracht zu ziehen wäre (
Art. 15 Abs. 1 WUStB
). Vielmehr erfolgt der Arbeitseinsatz des Unternehmungspersonals im Rahmen der werkvertraglichen Arbeitsobligation des Unternehmers.
Auch die weiteren Einwendungen der Beschwerdeführerinnen vermögen offensichtlich zu keinem anderen Ergebnis zu führen.
d) Übrigens hat das Bundesgericht bereits im Urteil vom 19. Oktober 1984 (
BGE 110 Ib 229
), wenn auch nur beiläufig und ohne nähere Begründung, die Herstellung von Fotokopien sogar auf Fotokopiergeräten, die zur freien Benützung offen aufgestellt sind und vom Kunden durch Münzeinwurf bedient werden können, als Warenlieferung bezeichnet (S. 231 E. 3a). Im Lichte dieser Rechtsprechung ist eine Warenlieferung erst recht anzunehmen, wenn Unternehmungspersonal die Benützung der Kopiergeräte überwacht und den Kunden bei der Anfertigung einzelner Kopien behilflich ist. Die Herstellung von Fotokopien in den Geschäftsräumen der Beschwerdeführerinnen durch Kunden ist somit als Warenlieferung nach
Art. 15 Abs. 2 WUStB
zu behandeln. Das dafür vereinnahmte Entgelt unterliegt der Warenumsatzsteuer. | public_law | nan | de | 1,990 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
1a34d9ee-46fb-46db-a173-f07dcd3bbb91 | Urteilskopf
136 V 45
6. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. B. gegen IV-Stelle Bern (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
9C_365/2009 vom 6. Januar 2010 | Regeste
Art. 17 ATSG
;
Art. 88
bis
Abs. 2 lit. a IVV
; Wirkungszeitpunkt der reformatio in peius im Verfahren der erstmaligen Festsetzung einer Rente der Invalidenversicherung.
Art. 88
bis
Abs. 2 lit. a IVV
ist auf die im Verfahren der erstmaligen, rückwirkenden Zusprechung einer abgestuften und/oder befristeten Rente der Invalidenversicherung vorgenommene reformatio in peius nicht analog anwendbar (E. 6.2). | Sachverhalt
ab Seite 45
BGE 136 V 45 S. 45
A.
Die 1967 geborene B. meldete sich am 1. Oktober 2003 wegen Rücken- und Fussbeschwerden zum Bezug von Leistungen bei der Invalidenversicherung an. Die IV-Stelle Bern anerkannte zunächst einen Anspruch auf Berufsberatung und auf Abklärung der
BGE 136 V 45 S. 46
beruflichen Eingliederungsmöglichkeiten (Verfügung vom 16. Juli 2004). Hienach sprach sie der Gesuchstellerin mit Verfügung vom 19. Juni 2007 ab 1. April 2004 bis 31. Januar 2007 eine ganze und ab 1. Februar 2007 unbefristet eine halbe Rente der Invalidenversicherung zu. Sie stützte sich dabei unter anderem auf das polydisziplinäre Gutachten der Medizinischen Begutachtungsstelle X. vom 5. Februar 2007.
B.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Entscheid vom 24. März 2009 in der Weise ab, als es nach Androhung einer refomatio in peius die Rentenverfügung vom 19. Juni 2007 zu Ungunsten der Versicherten abänderte und einen Anspruch auf eine ganze Rente verneinte sowie denjenigen auf eine halbe Invalidenrente erst ab 1. Juni 2005 bejahte.
C.
B. lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und beantragen, es sei ihr, unter Aufhebung des angefochtenen Entscheids, ab 1. April 2004 eine ganze Invalidenrente zuzusprechen, allenfalls sei die Sache zu weiterer Prüfung an die Verwaltung zurückzuweisen. Eventuell sei die IV-Stelle zu verhalten, vor Erlass eines Rentenbescheids berufliche Eingliederungsmassnahmen zu prüfen, subeventualiter sei ihr ab 1. April 2004 eine ganze und ab 1. Februar 2007 eine halbe Invalidenrente auszuzahlen.
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Beschwerde, und das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) enthält sich der Stellungnahme.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
5.
5.3
Einen Leistungsanspruch ab 1. April 2004 verneinte das vorinstanzliche Gericht zu Recht und der Invaliditätsgrad von 58 % berechtigt lediglich zu einer halben Rente (
Art. 28 Abs. 1 IVG
in der bis zum 31. Dezember 2007 gültigen Fassung). Die im kantonalen Verwaltungsgerichtsverfahren vorgenommene Schlechterstellung (reformatio in peius) ist so gesehen begründet. Die Versicherte rügt hingegen, eine reformatio in peius könne in analoger Anwendung von
Art. 88
bis
Abs. 2 lit. a IVV
(SR 831.201) frühestens auf den Zeitpunkt der Fällung des angefochtenen Entscheids vom 24. März 2009 erfolgen, weshalb die von der Vorinstanz ab 1. Juni 2005 zugesprochene halbe Invalidenrente verbunden mit der Aufhebung der
BGE 136 V 45 S. 47
ganzen Rente ab 1. April 2004 unzulässig sei. Sie beruft sich dabei auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung (SZS 2009 S. 133, 9C_58/2008 E. 7.1).
6.
6.1
Nach der Rechtsprechung ist bei einer revisionsweisen Herabsetzung einer Rente im Falle einer reformatio in peius durch die Beschwerdeinstanz
Art. 88
bis
Abs. 2 IVV
analog anwendbar (
BGE 107 V 17
E. 3b S. 23; AHI 2000 S. 303, I 225/99 E. 3; Urteil I 27/07 vom 24. Januar 2008 E. 8). Demzufolge darf die Herabsetzung oder Aufhebung einer Rente bei Versicherten, welche die Leistung weder unrechtmässig erwirkt noch die Meldepflicht verletzt haben, nur für die Zukunft erfolgen (
Art. 88
bis
Abs. 2 lit. a IVV
). Bei gerichtlicher Rentenherabsetzung oder -aufhebung wird die Änderung auf den ersten Tag des zweiten Monats wirksam, der der Zustellung des Urteils folgt (BGE, a.a.O.; erwähntes Urteil 9C_58/2008 vom 29. Oktober 2008).
6.2
Zwar ist die rechtskräftig zugesprochene Invalidenrente einer revisionsweisen Abänderung zugänglich (
Art. 17 Abs. 1 ATSG
[SR 830.1]), hingegen sieht
Art. 88
bis
Abs. 2 lit. a IVV
verfahrensrechtlich die Herabsetzung oder Aufhebung der Rente nur pro futuro vor. Die ratio legis der Bestimmung liegt darin, dass die versicherte Person nicht wegen einer rückwirkenden Reduktion oder Einstellung einer Invalidenrente Geldleistungen zurückzahlen soll, welche sie aufgrund eines rechtskräftigen Rentenentscheids gutgläubig bezogen hat. Zudem will ihr die Bestimmung Zeit zur Anpassung an die neuen finanziellen Verhältnisse geben (Urteil 8C_763/2008 vom 19. Juni 2009 E. 5, nicht publ. in:
BGE 135 V 306
;
BGE 133 V 67
E. 4.3.5 S. 70; ZAK 1982 S. 336). Eine rückwirkende Herabsetzung oder Aufhebung der Rente mittels Revision lässt hingegen
Art. 88
bis
Abs. 2 lit. b IVV
ausnahmsweise zu, wenn die unrichtige Ausrichtung einer Leistung darauf zurückzuführen ist, dass der Bezüger sie unrechtmässig erwirkt hat oder der ihm gemäss
Art. 77 IVV
zumutbaren Meldepflicht nicht nachgekommen ist.
Art. 88
bis
IVV
gilt im Zusammenhang mit der Revision einer Rente. Anders ist die Rechtslage bei der ursprünglichen Rentenfestsetzung: Erst mit in Rechtskraft erwachsenem Entscheid entsteht ein rechtlich durchsetzbarer Anspruch auf Leistungen der Invalidenversicherung. Sofern die versicherte Person den Rechtsweg gegen eine Rentenverfügung beschreitet, muss sie mit Blick auf
Art. 61 lit. d ATSG
, wonach im kantonalen Verfahren eine reformatio in peius zulässig ist, mit einer Schlechterstellung rechnen, welche den Streitgegenstand auch in zeitlicher Hinsicht
BGE 136 V 45 S. 48
umfasst (
BGE 125 V 413
E. 2d S. 417; statt vieler Urteile: 9C_371/2009 vom 21. August 2009; 9C_29/2007 vom 4. Februar 2008 E. 2.2; Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts I 350/05 vom 29. September 2005). Wegen einer in peius abgeänderten Verfügung nachträglich zu Unrecht bezogene Rentenleistungen unterliegen der Rückerstattungspflicht, welcher namentlich die Gutgläubigkeit des Rentenbezügers nicht entgegensteht (
Art. 25 ATSG
und
Art. 4 ATSV
[SR 830.11]; Urteil 9C_805/2008 vom 13. März 2009 E. 2.4). Zudem ist im Verfahren der erstmaligen Rentenfestsetzung ein bestehender Rentenanspruch definitionsgemäss nicht berührt, sodass für eine Bestimmung wie
Art. 88
bis
Abs. 2 IVV
- und sei dies nur in analoger Anwendung - kein Raum besteht. Die Versicherte befindet sich vertrauensschutzrechtlich nicht in der gleichen Position wie im Revisionsverfahren, wo eine bereits rechtskräftig zugesprochene Invalidenrente überprüft wird. Gemäss der ratio legis ist die analoge Anwendung von
Art. 88
bis
Abs. 2 lit. a IVV
auf die reformatio in peius im erstinstanzlichen Beschwerdeverfahren betreffend die Revision der Invalidenrente nach
Art. 17 ATSG
zu beschränken.
6.3
Die hier im Rahmen der erstmaligen Rentenfestsetzung rückwirkend erfolgte Schlechterstellung der Beschwerdeführerin ist daher rechtens. | null | nan | de | 2,010 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
1a3e1a95-ff32-4c65-9956-22cd45d48da4 | Urteilskopf
86 III 84
22. Entscheid vom 7. November 1960 i.S. Rickenbach. | Regeste
Rechtsvorschlag.
Art. 74 und 75 SchKG
.
Ein unbegrenzt lautender Rechtsvorschlag ist auf die ganze Betreibungssumme zu beziehen, auch wenn ihm eine Begründung beigefügt ist, die nur einen unbestimmten Teil der Forderung betrifft. | Sachverhalt
ab Seite 84
BGE 86 III 84 S. 84
A.-
Der Rekurrent erhob in der gegen ihn von der Cellere & Co. A.-G. angehobenen Betreibung Nr. 160 des Betreibungsamtes Neuheim Rechtsvorschlag, "weil ein
BGE 86 III 84 S. 85
Teil der Arbeiten die Fa. Mito betrifft It. Schreiben". Das Betreibungsamt nahm diesen Rechtsvorschlag entgegen und teilte ihn der Gläubigerin auf ihrem Zahlungsbefehlsdoppel mit.
B.-
Auf Beschwerde der Gläubigerin befand die kantonale Aufsichtsbehörde mit Entscheid vom 17. Oktober 1960 den Rechtsvorschlag wegen nicht ziffermässig genauer Teilbestreitung der Forderung als ungültig und wies das Betreibungsamt an, der Gläubigerin ein Zahlungsbefehlsdoppel mit dem Vermerk zuzustellen, es sei kein Rechtsvorschlag erhoben worden.
C.-
Mit vorliegendem Rekurs beantragt der Schuldner, der von ihm erhobene Rechtsvorschlag sei als erfolgt zu betrachten.
Erwägungen
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
Durch Rechtsvorschlag kann die ganze Forderung oder auch nur ein Teilbetrag bestritten werden. "Bestreitet der Betriebene die Forderung nur teilweise, so hat er den bestrittenen Betrag genau anzugeben, widrigenfalls der Rechtsvorschlag als nicht erfolgt betrachtet wird" (
Art. 74 Abs. 2 SchKG
). Auf Grund dieser Vorschrift sieht die Vorinstanz den vom Rekurrenten erhobenen Rechtsvorschlag als ungültig an. Indessen ist der Rechtsvorschlag, wenn man zunächst von der ihm beigegebenen Begründung absieht, ohne Einschränkung, somit für den ganzen Forderungsbetrag, erhoben worden ("Schuldner erhebt Rechtsvorschlag"). Eines Zusatzes zur Begründung hätte es gar nicht bedurft, und es ist eine solche Begründung nicht als abschliessend zu betrachten; sie schliesst die Erhebung weiterer Einreden bei der gerichtlichen Auseinandersetzung nicht aus (
Art. 75 SchKG
). Das gilt insbesondere auch dann, wenn sich die Begründung nur mit einem Teil der in Betreibung stehenden Forderung befasst. Aus diesem Umstande darfnicht leichthin gefolgert werden, der Schuldner wolle den an und für sich ohne Begrenzung
BGE 86 III 84 S. 86
auf einen Teilbetrag erhobenen Rechtsvorschlag nur eben für den Teil der Forderung verstanden wissen, zu dem er in einem begründenden Zusatze Stellung nimmt. Der Schuldner kann sehr wohl auch gegenüber dem übrigen Teil der Forderungen Einreden erheben wollen, ohne sich schon jetzt darüber auszusprechen. Übrigens steht ihm frei, vorerst einmal, auch wenn er über den einzunehmenden Rechtsstandpunkt noch nicht im klaren ist, gegen das Ganze Recht vorzuschlagen, sei es ohne jegliche Begründung beizufügen, sei es mit einer bloss einen Teil der Forderung betreffenden Begründung und mit Vorbehalt der spätern Stellungnahme in jeder andern Beziehung. Dieser Vorbehalt braucht nicht ausdrücklich formuliert zu werden. Er versteht sich nach
Art. 75 SchKG
von selbst, sofern die Art der Begründung ihn nicht einwandfrei ausschliesst. Wie in dem in
BGE 63 III 67
ff. beurteilten Falle, worauf sich der Rekurrent mit Recht beruft, zerfällt die vorliegende Rechtsvorschlagserklärung deutlich in zwei Teile: den eigentlichen, vorbehaltlos auf das Ganze gerichteten Rechtsvorschlag und den zur Begründung angebrachten Zusatz. Der Umstand, dass dieser nur auf einen Teil der Arbeiten Bezug nimmt, rechtfertigt es nach dem Gesagten nicht, nun auch den Rechtsvorschlag als solchen, entgegen seinem Wortlaut, bloss auf einen nicht ziffermässig umgrenzten Teil der Arbeiten zu beziehen und wegen dieser Unbestimmtheit der Begründung dann überhaupt als ungültig zu betrachten. Dies um so weniger, als der Hinweis auf einen Teil der "Arbeiten" nicht eindeutig nur einen Teil der Betreibungssumme betrifft.
Dispositiv
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird gutgeheissen, der angefochtene Entscheid aufgehoben und die von der Gläubigerin wegen der Entgegennahme des Rechtsvorschlages durch das Betreibungsamt geführte Beschwerde abgewiesen. | null | nan | de | 1,960 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
1a494369-a9b1-4068-b85e-ce1a68bb6cfb | Urteilskopf
140 IV 11
2. Auszug aus dem Urteil der Strafrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft und Mitb. (Beschwerde in Strafsachen)
6B_750/2012 vom 12. November 2013 | Regeste
Art. 146 StGB
,
Art. 31 Abs. 1 ATSG
; Verletzung der Meldepflicht.
Betrug durch Unterlassen setzt eine qualifizierte Rechtspflicht des Täters zum Handeln voraus (E. 2.3.2). Gesetzliche und vertragliche Pflichten des Bezügers von Versicherungsleistungen, rentenrelevante Veränderungen in den persönlichen Verhältnissen zu melden, begründen keine Garantenpflicht (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 2.4). | Sachverhalt
ab Seite 12
BGE 140 IV 11 S. 12
A.
X. erlitt am 3. Juni 1996 einen Verkehrsunfall. Vom 28. November 1996 bis 23. Januar 1997 war er in der Rehaklinik in Rheinfelden hospitalisiert. Verschiedene Ärzte attestierten ihm gestützt auf seine Angaben (intensive Kopf-, Nacken- und Rückenschmerzen, Schwindelbeschwerden sowie Übelkeit und Depressivität etc.) eine eingeschränkte Arbeitsfähigkeit. X. bezog in der Folge von der SUVA, der IV sowie der A. Lebensversicherungs-Gesellschaft AG (nachfolgend A. Versicherung) Versicherungsleistungen bis zur jeweiligen Anzeigeerstattung durch die Versicherer. Er machte zudem mit Eingabe vom 7. April 2005 Haftpflichtansprüche gegenüber der B. Versicherungs-Gesellschaft AG (nachfolgend B. Versicherung) als Motorfahrzeughaftpflichtversicherung der Unfallgegnerin geltend, doch kam es insoweit nicht zu einer Auszahlung.
X. nahm im Jahr 2005 an verschiedenen Autorennen des Pirelli Porsche Cup Suisse in Deutschland, Frankreich und Italien teil. Das erste Rennen fand am 8. April 2005 statt. Vom 30. Juni 2006 bis zum 28. Juli 2006 wurden seine Garage polizeilich observiert und er bei der Ausführung diverser Arbeitstätigkeiten gefilmt.
Die Anklage wirft X. vor, er habe Ärzte und Inspektoren der Versicherer ab 1997 systematisch mit unwahren Angaben über seinen Gesundheitszustand getäuscht bzw. zu täuschen versucht, um Versicherungsleistungen zu erlangen, auf die er keinen Anspruch hatte. Eventualiter habe er die nach dem Unfall eingetretene Verbesserung seines Gesundheitszustands nicht gemeldet, so dass ihm Leistungen ausgerichtet wurden, die ihm nicht bzw. nicht in der ausbezahlten Höhe zustanden. Überdies soll X. zwischen dem 10. August und 2. Oktober 2006 ein Fahrzeug im Wissen um dessen behördliche Beschlagnahme verkauft und am 19. Januar 2008 Verkehrsregeln mehrfach verletzt haben.
B.
Das Strafgericht des Kantons Basel-Landschaft sprach X. am 3. September 2010 vom Vorwurf des gewerbsmässigen Betrugs für die Zeit vom 24. Januar 1997 bis 7. April 2005 frei (Dispositiv-Ziffer 1b). Es bestünden keine rechtsgenügenden Indizien für die Annahme derart unrichtiger Angaben, dass davon ausgegangen werden müsste, der Anspruch des Beschwerdeführers auf die ihm zugesprochenen Versicherungsleistungen habe nicht bestanden. Hingegen verurteilte es ihn wegen gewerbsmässigen Betrugs für die Zeit vom 8. April 2005 bis 31. März 2008 (worin der versuchte Betrug zum Nachteil der B. Versicherung aufgehe) sowie wegen Bruchs amtlicher
BGE 140 IV 11 S. 13
Beschlagnahme und mehrfacher einfacher Verletzung von Verkehrsregeln zu einer bedingt vollziehbaren Freiheitsstrafe von 18 Monaten sowie zu einer Busse von Fr. 700.- (Dispositiv-Ziffer 1a). Es verpflichtete X. zur Zahlung von Fr. 18'956.45 (Observations- und Anwaltskosten) an die B. Versicherung. Deren Mehrforderung verwies es ebenso wie die Schadenersatzforderung der A. Versicherung auf den Zivilweg (Dispositiv-Ziffer 3a und 3b). Auf die Schadenersatzforderungen der SUVA (betr. Forderung der SUVA und der IV) trat es nicht ein und verwies diese in das verwaltungsrechtliche Verfahren (Dispositiv-Ziffer 3c).
X. und die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Landschaft erhoben Berufung bzw. Anschlussberufung.
Das Kantonsgericht Basel-Landschaft wies die Rechtsmittel des Beschuldigten und der Staatsanwaltschaft am 25. Juni 2012 ab. Es bestätigte das strafgerichtliche Urteil im Schuld-, Straf- und Zivilpunkt. Die Dispositiv-Ziffer 1b des strafgerichtlichen Urteils fasste es insofern neu, als es X. für die Zeit vor dem 8. April 2005 vom Vorwurf des gewerbsmässigen Betrugs freisprach.
C.
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt X., der Entscheid des Kantonsgerichts sei aufzuheben und er sei - mit Ausnahme der Verurteilung wegen mehrfacher einfacher Verletzung der Verkehrsregeln - von Schuld und Strafe freizusprechen. Eventualiter sei die Sache an die Vorinstanz zur neuen Beurteilung zurückzuweisen. Der Zivilanspruch der B. Versicherung sei vollumfänglich auf den Zivilweg zu verweisen.
D.
Das Kantonsgericht Basel-Landschaft beantragt unter Hinweis auf die Erwägungen im angefochtenen Entscheid die Abweisung der Beschwerde. Die Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft verzichtet ebenso wie die SUVA und die A. Versicherung auf eine Stellungnahme zur Beschwerde.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
2.1
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von
Art. 146 StGB
. Die Versicherer hätten die notwendigen Fakten gekannt, um das Ausmass seiner Arbeits- und Erwerbsfähigkeit einzuschätzen. Sie hätten gewusst, dass er im Umfang seiner Restarbeitsfähigkeit
BGE 140 IV 11 S. 14
arbeite. Er habe nichts verheimlicht. Seine Tätigkeit in der Garage sei jederzeit öffentlich einsehbar gewesen. Das gelte auch für den Versuch, an den fraglichen Autorennen teilzunehmen. Er habe mithin weder getäuscht, schon gar nicht arglistig, noch hätten sich die Versicherer geirrt. Soweit die Vorinstanz von einer Täuschung durch Unterlassen ausgehe und eine Garantenstellung wegen Verletzung der Meldepflicht u.a. gemäss Art. 31 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG; SR 830.1) annehme, dehne sie die Strafbarkeit des Betrugstatbestands widerrechtlich aus.
(...)
2.3
2.3.1
Den Tatbestand des Betrugs im Sinne von
Art. 146 Abs. 1 StGB
erfüllt, wer in der Absicht, sich oder einen andern unrechtmässig zu bereichern, jemanden durch Vorspiegelung oder Unterdrückung von Tatsachen arglistig irreführt und so den Irrenden zu einem Verhalten bestimmt, wodurch dieser sich selbst oder einen andern am Vermögen schädigt.
2.3.2
Als Täuschung gilt jedes Verhalten, das darauf gerichtet ist, bei einem andern eine von der Wirklichkeit abweichende Vorstellung über objektiv feststehende, vergangene oder gegenwärtige Tatsachen hervorzurufen. Die Täuschung im Sinne von
Art. 146 Abs. 1 StGB
kann durch konkludentes Verhalten erfolgen (
BGE 127 IV 163
E. 2b). Betrug durch Unterlassen ist nur unter den Voraussetzungen eines unechten Unterlassungsdelikts strafbar und mithin nur durch denjenigen Täter möglich, den gegenüber dem Geschädigten eine qualifizierte Rechtspflicht zum Handeln im Sinne einer Garantenpflicht trifft (
Art. 11 StGB
; GUNTHER ARZT, in: Basler Kommentar, Strafrecht, Bd. II, 3. Aufl. 2013, N. 53 zu
Art. 146 StGB
; TRECHSEL/CRAMERI, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, 2. Aufl. 2013, N. 4 zu
Art. 146 StGB
; BERNARD CORBOZ, Les infractions en droit suisse, 3. Aufl. 2010, S. 324 Rz. 10 mit Hinweisen; ANDREAS DONATSCH, Delikte gegen den Einzelnen, 10. Aufl. 2013, § 18 S. 230; MARKUS BOOG, Versicherungsbetrug: strafrechtliche Aspekte, in: Schaden, Haftung, Versicherung, 1999, S. 1081 f. Rz. 22.22).
(...)
2.4
2.4.1
Das Verhalten des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit der SUVA, der IV und der A. Versicherung erschöpft sich in der
BGE 140 IV 11 S. 15
Missachtung von gesetzlichen und vertraglichen Meldepflichten. Er hätte die Versicherer über seinen verbesserten Gesundheitszustand u.a. gestützt auf
Art. 31 Abs. 1 ATSG
orientieren müssen, unterliess jedoch eine entsprechende Meldung und bezog die ihm ursprünglich zu Recht zugesprochenen Versicherungsleistungen stillschweigend weiter. Der Beschwerdeführer täuschte nicht durch unwahre Angaben oder ein anderes aktives Verhalten. Eine Täuschungshandlung ist insbesondere nicht schon darin zu sehen, dass er die Versicherungsleistungen entgegengenommen hat. Der Beschwerdeführer brachte, indem er die Versicherungsleistungen weiterhin stillschweigend bezog, auch nicht zum Ausdruck, die (gesundheitlichen) Verhältnisse bestünden unverändert fort. Der Entgegennahme der Versicherungsleistungen kommt mithin auch konkludent kein positiver Erklärungswert zu. Etwas anderes könnte nur gelten, wenn zum Leistungsbezug bzw. -empfang weitere Handlungen hinzuträten, welchen objektiv die Erklärung beizumessen wäre, es habe sich nichts an den Anspruchsvoraussetzungen geändert. Solches (wie beispielsweise ein qualifiziertes Schweigen des Beschwerdeführers auf ausdrückliches Nachfragen der Versicherer) ist hier weder ersichtlich noch festgestellt. Dem Beschwerdeführer ist damit im Ergebnis ausschliesslich vorzuwerfen, dass er die Versicherer (SUVA, IV, A. Versicherung) nicht über seinen verbesserten Gesundheitszustand aufklärte, obschon er dies aufgrund der ihm obliegenden gesetzlichen und vertraglichen Meldepflichten hätte tun müssen. Damit kommt hier nur Betrug durch Unterlassen in Betracht, was eine Garantenpflicht voraussetzt. Es geht um die Frage, ob dem Beschwerdeführer als Bezüger von (periodischen) Versicherungsleistungen aufgrund seiner Pflicht, Änderungen in den persönlichen, gesundheitlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen zu melden, eine Garantenstellung zum Schutz des Vermögens der Versicherer zukommt.
2.4.2
Dass aus Gesetz und Vertrag eine Garantenstellung abgeleitet werden kann, ist unbestritten (vorstehend E. 2.3.2). Allerdings vermag nicht jede gesetzliche oder vertragliche Handlungspflicht eine Garantenstellung zu begründen (vgl.
BGE 123 IV 70
E. 2;
BGE 120 IV 98
E. 2c S. 106; GÜNTER STRATENWERTH, Allgemeiner Teil I: Die Straftat, 4. Aufl. 2011, § 14 Rz. 12 ff.). Ein Betrug durch Unterlassen setzt eine gesteigerte Verantwortlichkeit bzw. eine inhaltlich besonders qualifizierte Rechtspflicht zum Tätigwerden voraus (
derselbe
, a.a.O., § 14 Rz. 14 und 15) und zugleich, dass das Unterlassen dem Tun gleichwertig ist (
Art. 11 Abs. 3 StGB
).
BGE 140 IV 11 S. 16
2.4.3
Das Bundesgericht verneinte bislang eine Garantenstellung aufgrund von Meldepflichten. In
BGE 131 IV 83
entschied es, dass die Pflicht gemäss
Art. 24 ELV
(SR 831.301), wesentliche Änderungen der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu melden, keine Garantenpflicht zu begründen vermag (a.a.O., E. 2.1.3 S. 88 und E. 2.4.6 S. 95). Es bestätigte damit seine bereits in einem nicht publizierten Entscheid vom 28. September 2000 vertretene Auffassung, dass aus einer allgemeinen gesetzlichen Pflicht, rentenrelevante Veränderungen zu melden, keine Garantenstellung abgeleitet werden kann (Urteil 6S.288/2000 E. 4b/bb insbesondere mit Hinweis auf THOMAS HOMBERGER, Die Strafbestimmungen im Sozialversicherungsrecht, 1993, S. 61, S. 63 Fn. 269). Die bundesgerichtliche Rechtsprechung ist im Schrifttum auf Zustimmung, jedoch auch auf Kritik gestossen (zustimmend SALOME KRIEGER AEBLI, Sozialhilfe zu Unrecht bezogen, aber dennoch nicht betrogen, forumpoenale 2010 S. 169 ff., 170; wohl eher zustimmend ARZT, a.a.O., N. 54 zu
Art. 146 StGB
sowie KURT SEELMANN, in: Basler Kommentar, Strafrecht, Bd. I, 3. Aufl. 2013, N. 45 zu
Art. 11 StGB
; ablehnend hingegen MARKUS HUG, Strafrechtliche Verfolgung bei Versicherungsmissbrauch - insbesondere zum Tatbestand des Betrugs nach
Art. 146 StGB
, in: Versicherungsmissbrauch - Ursachen/Wirkungen/Massnahmen, 2010, S. 169 ff.; BEATRICE KÄSER, Sozialleistungsbetrug, 2012, S. 102 ff.). An dieser bundesgerichtlichen Rechtsprechung, die im Übrigen durch den Entscheid 6S.364/2005 vom 9. März 2006 nicht in Frage gestellt wird (so aber HUG, a.a.O., S. 183 f.), ist festzuhalten.
2.4.4
Die Pflicht des Leistungsbezügers, dem Versicherer jede wesentliche Änderung in den für eine Leistung massgebenden Verhältnissen zu melden, ist gesetzlich (etwa bei Sozialversicherungen vgl.
Art. 31 Abs. 1 ATSG
) beziehungsweise vertraglich (etwa bei Privatversicherungen vgl. AVB) stipuliert. Es handelt sich in beiden Fällen um eine Konkretisierung des Grundsatzes von Treu und Glauben (vgl. GABRIELA RIEMER-KAFKA, Verweigerte Mitwirkung bei der Sachverhaltsabklärung, in: Leistungsverweigerungen im Sozialversicherungsrecht, 2011, S. 35 ff., 43 f. mit Hinweisen und 64; vgl. MICHAEL PFEIFER, Der Untersuchungsgrundsatz und die Offizialmaxime im Verwaltungsverfahren, 1980, S. 127; s. auch JÜRG NEF, in: Kommentar zum schweizerischen Privatrecht, Bundesgesetz über den Versicherungsvertrag (VVG), 2001, N. 1 zu
Art. 40 VVG
). Der Leistungsbezüger hat zur Ermittlung des leistungsrelevanten
BGE 140 IV 11 S. 17
Sachverhalts beizutragen. Denn er weiss am besten, wie es um ihn steht. Durch die Erfüllung der Meldepflicht wird dem Versicherer die Feststellung des massgeblichen Sachverhalts erleichtert (vgl. THOMAS LOCHER, Grundriss des Sozialversicherungsrechts, 3. Aufl. 2003, § 67 Rz. 10; NEF, a.a.O.). Eine Verletzung der Meldepflicht kann dazu führen, dass Versicherungsleistungen zu Unrecht weiterhin ausgerichtet und bezogen werden. Die Meldepflicht dient in diesen Fällen den Interessen des Versicherers. Sie soll diesen vor ungerechtfertigen Zahlungen und damit vor Schaden bewahren.
2.4.5
Auch wenn die Sachverhaltsabklärung im Verfahren vor den Versicherern zentral und die Meldepflicht des Versicherten als Mitwirkungspflicht zur Ermittlung des leistungsrelevanten Sachverhalts wichtig ist (vgl. RIEMER-KAFKA, a.a.O., S. 38; s. auch UELI KIESER, ATSG-Kommentar, 2. Aufl. 2009, N. 2 zu
Art. 31 ATSG
), begründet sie keine besondere Rechtsstellung des Leistungsbezügers, aufgrund welcher er verpflichtet wäre, die Gefährdung oder Verletzung des strafrechtlich geschützten Rechtsguts des Vermögens des öffentlichen oder privaten Versicherers zu verhindern. Für sein Vermögen hat der Versicherer grundsätzlich selber zu sorgen. Die Verantwortung hierfür geht alleine aufgrund der Meldepflicht nicht auf den Leistungsbezüger über. Dieser hat nur dafür zu "sorgen" bzw. ist nur dafür verantwortlich, dass er selbst den Versicherer nicht am Vermögen schädigt, weshalb er leistungsrelevante Verbesserungen in seinen Verhältnissen melden muss. Eine gesteigerte Rechtspflicht zum Schutz des Vermögens des Versicherers trifft ihn deswegen aber nicht. Die Pflicht, leistungsrelevante Änderungen in den Verhältnissen zu melden, ist Ausdruck des Grundsatzes von Treu und Glauben (RIEMER-KAFKA, a.a.O., S. 43). Pflichten, die sich aus diesem Gebot ergeben, genügen nicht, um eine Garantenstellung zu begründen (KÄSER, a.a.O., S. 103 mit Hinweisen auf Lehre und Rechtsprechung; s. auch BOOG, a.a.O., S. 1082 Rz. 22.22).
2.4.6
Die Missachtung der gesetzlichen oder vertraglichen Melde- oder Auskunftspflicht kann vielfältige Folgen haben (vgl. RIEMER-KAFKA, a.a.O., S. 78; s. auch NEF, a.a.O., N. 1 ff. zu
Art. 40 VVG
). Dazu gehören etwa neben Leistungskürzungen und/oder Leistungsrückforderungen auch strafrechtliche Sanktionen, soweit es um eine Verletzung der Meldepflicht gemäss
Art. 31 Abs. 1 ATSG
geht (RIEMER-KAFKA, a.a.O., S. 105 ff.). Wer die ihm nach
Art. 31 Abs. 1 ATSG
obliegende Meldepflicht verletzt, wird, sofern nicht ein mit
BGE 140 IV 11 S. 18
höherer Strafe bedrohtes Verbrechen oder Vergehen vorliegt, mit Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen bestraft (vgl. etwa
Art. 87 Abs. 5 AHVG
,
Art. 70 IVG
unter Verweisung u.a. auf
Art. 87 AHVG
, ebenso
Art. 31 Abs. 1 lit. d ELG
[SR 831.30],
Art. 25 EOG
[SR 834.1],
Art. 23 FamZG
[SR 836.2]).
Mit den Strafbestimmungen in den Sozialversicherungsgesetzen wollte der Gesetzgeber namentlich mit Blick auf die begrenzten finanziellen Mittel des öffentlichen Haushalts, den zielgerichteten und effizienten Einsatz dieser Mittel sowie die allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsrechts sicherstellen, dass Sozialversicherungsleistungen nur an Personen ausbezahlt werden, welche die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllen. Schutzzweck der Normen sind die rechtmässige, möglichst effiziente und rechtsgleiche Durchführung der Sozialversicherung sowie Treu und Glauben im Verkehr zwischen Behörden und Leistungen beanspruchenden Personen (
BGE 131 IV 83
E. 2.1.1;
BGE 138 V 74
E. 5.1).
Auch in Anbetracht dieser spezialgesetzlichen Straftatbestände ist bei systematischer Auslegung des Gesetzes auszuschliessen, dass die blosse Verletzung der Meldepflicht eo ipso Betrug sein kann. Zwar wird in den Strafbestimmungen das Vorliegen von mit höheren Strafen bedrohten Verbrechen oder Vergehen vorbehalten. Solche schwerer wiegende Straftatbestände können aber nur erfüllt sein, wenn über die Verletzung der Meldepflicht hinaus weitere Umstände hinzukommen. Die genannten Strafbestimmungen in den Spezialgesetzen hätten keinen Sinn bzw. wären überflüssig, wenn man aus der Meldepflicht eine Garantenpflicht ableiten und die blosse Verletzung der Meldepflicht als Betrug qualifizieren wollte.
Die Versicherer haben es in der Hand, den Leistungsbezüger durch gelegentliche Nachfragen zu Angaben betreffend seine persönlichen, gesundheitlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse zu veranlassen. Äussert sich der Leistungsbezüger auf Nachfragen nicht wahrheitsgemäss und legt er seine verbesserten Verhältnisse nicht offen, geht es nicht mehr um die Frage eines Betrugs durch Unterlassen. Der Leistungsbezüger täuscht diesfalls aktiv (vgl. Urteil 6S.288/2000 vom 28. September 2000 E. 4b/cc; s. auch
BGE 127 IV 163
, Regeste und Sachverhalt C).
2.4.7
Dem Beschwerdeführer kommt aufgrund der ihm obliegenden gesetzlichen und vertraglichen Meldepflichten keine Garantenstellung zu. Nicht ersichtlich ist, inwiefern er aus andern Gründen
BGE 140 IV 11 S. 19
Garant zum Schutz des Vermögens der Versicherer sein könnte. Der Schuldspruch wegen gewerbsmässigen Betrugs zum Nachteil der SUVA, der IV und der A. Versicherung ist bundesrechtswidrig. | null | nan | de | 2,013 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
1a494e0c-906b-4aab-af93-55601fa0b316 | Urteilskopf
110 II 474
89. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 29. Oktober 1984 i.S. X. gegen Y. (Berufung) | Regeste
Platzmiete für Spielautomaten.
Zur Rechtsnatur von Verträgen über das Aufstellen von Automaten auf fremdem Boden. Die Kündigung von Aufstellplätzen richtet sich nach
Art. 267 Abs. 2 Ziff. 2 OR
(E. 3a).
Pflicht des Platzinhabers, Automaten bis zum Ablauf des Vertragsverhältnisses gehörig zu verwahren (E. 3b). | Sachverhalt
ab Seite 474
BGE 110 II 474 S. 474
A.-
X. betrieb in seinem Spielsalon zwei Spielautomaten des Y. im Werte von Fr. 4'750.-- und Fr. 4'500.--. Im Februar 1980 brach er die Geschäftsbeziehungen mit ihm ab, weil er mit den Apparaten nicht zufrieden sei. Am 19. Mai 1980 forderte er Y. auf, die Automaten bis zum 1. Juni 1980 abzuholen; nachher müsse er jede Verantwortung dafür ablehnen. Er will sie sodann mindestens bis 10. Juni 1980 im Eingang des Salons bereitgestellt haben. Als zwei Monteure des Y. sie am 25. Juni 1980 abholen wollten, waren sie verschwunden.
Im Januar 1983 klagte Y. gegen X. auf Wertersatz nebst Zins.
Das Bezirksgericht Diessenhofen und auf Appellation hin am 12. April 1984 auch das Obergericht des Kantons Thurgau hiessen die Klage im wesentlichen gut.
B.-
Der Beklagte hat gegen das Urteil des Obergerichts Berufung eingereicht, die vom Bundesgericht abgewiesen wird.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
Die beiden Automaten waren nach dem angefochtenen Urteil Eigentum des Klägers. Das Obergericht fand, dass der
BGE 110 II 474 S. 475
Kläger sich gegen eine Beteiligung von 50% an den Einnahmen lediglich verpflichtet habe, die Automaten im Spielsalon des Beklagten aufzustellen. Es sei daher von einer sogenannten Platzmiete auszugehen, auf deren Kündigung
Art. 267 Abs. 2 Ziff. 2 OR
analog anwendbar sei. Der Beklagte ist dagegen der Meinung, im Vordergrund stehe nicht die Miete eines Raumes, sondern der Automaten, weshalb er sich auf die dreitägige Kündigungsfrist für gemietete bewegliche Sachen gemäss
Art. 267 Abs. 2 Ziff. 3 OR
berufen könne.
a) Vertragsverhältnisse über das Aufstellen von Automaten werden im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Fragen kann sich daher bloss, welchem gesetzlichen Vertragstypus sie am nächsten verwandt sind. In der Lehre (W. R. SCHLUEP, Der Automatenaufstellungsvertrag, in Schweizerisches Privatrecht Bd. VII/2 S. 870 ff.) werden zwei Grundformen unterschieden. Nach der einen verpflichtet sich der Platzinhaber bloss, dem Automateninhaber gegen ein Entgelt einen Standplatz zu überlassen. Diesfalls liegt eine gewöhnliche Raum- oder Platzmiete vor. Nach der anderen gehen die Verpflichtungen des Platzinhabers darüber hinaus; er hat insbesondere selber für den ordnungsgemässen Betrieb des Automaten zu sorgen, während die Gegenpartei bloss dessen ständige Funktionstüchtigkeit zu gewährleisten hat. Jede Partei hat ein eigenes Interesse an der Überlassung des Raumes und des Automaten und schuldet der anderen ein Entgelt, weshalb das Vertragsverhältnis auch als Miete gegen Miete bezeichnet wird.
In der Praxis erübrigen sich meistens abschliessende Ausführungen zur Rechtsnatur solcher Verträge, weil die Streitigkeiten sich auf Einzelfragen beschränken. Es fällt indes auf, dass die Gerichte in der Regel von einem Mietgeschäft ausgehen und eine Beurteilung nach Normen einer anderen Vertragsart nur ins Auge fassen, wenn die Parteien sich gegenseitig zu Leistungen verpflichten, die über eine Miete hinausgehen (
BGE 99 IV 204
E. 2b; Obergericht Zürich, SJZ 74/1978 S. 175 und 75/1979 S. 26 ff.; Bezirksgericht Zürich, SJZ 72/1976 S. 328 ff.; Kantonsgericht St. Gallen, SJZ 62/1966 S. 61 und 69/1973 S. 226; Appellationsgericht Basel-Stadt, BJM 1978 S. 194 ff.). Auch im vorliegenden Fall besteht kein Anlass zu weiteren Ausführungen grundsätzlicher Art, weil nach dem, was in tatsächlicher Hinsicht feststeht, das Rechtsverhältnis vorwiegend mietrechtlichen Charakter hat und es sich daher rechtfertigt, seine Auflösung nach den Kündigungsmöglichkeiten einer Miete zu beurteilen. Der Beklagte selber hielt übrigens
BGE 110 II 474 S. 476
die Regeln über die Kündigung eines Mietverhältnisses schon im kantonalen Verfahren für analog anwendbar, und er hält daran noch vor Bundesgericht fest.
Entgegen seiner Auffassung ist aber nicht auf
Art. 267 Abs. 2 Ziff. 3 OR
, sondern auf Ziff. 2 dieser Kündigungsvorschriften abzustellen. Nach dem angefochtenen Urteil verpflichtete sich der Kläger, die beiden Automaten im Spielsalon des Beklagten aufzustellen, der dafür seinerseits gegen die Hälfte der Einnahmen zwei Standplätze einzuräumen und für den ordnungsgemässen Betrieb der Apparate zu sorgen hatte. Es ging somit nicht bloss um die Gebrauchsüberlassung von beweglichen Sachen, sondern auch von Aufstellplätzen, also um wechselseitige Sachleistungen, von denen nur die erste die Anwendung von
Art. 267 Abs. 2 Ziff. 3 OR
zu rechtfertigen vermöchte. Die Kündigung von Aufstellplätzen für Spielautomaten richtet sich vielmehr nach Ziff. 2 dieser Vorschriften, was auch in der Lehre als richtig erachtet wird (SCHMID, N. 37 zu
Art. 267 OR
).
b) Das Obergericht hält eine gültige Kündigung des Mietverhältnisses erst auf den 30. Juni 1980 für erwiesen, weil das Schreiben des Beklagten vom 19. Mai 1980 wegen Nichteinhaltung der zweiwöchentlichen Kündigungsfrist auf Ende dieses Monats nicht mehr wirksam werden konnte. Ist aber davon auszugehen, dass das Vertragsverhältnis erst am 30. Juni 1980 endete, so hatte der Beklagte die beiden Automaten bis dahin gehörig zu verwahren, damit sie nicht abhanden kommen konnten (vgl.
BGE 99 II 46
ff.). Dass er dieser Pflicht nachgekommen wäre, macht er selbst nicht geltend. Er glaubt vielmehr, sich zu seiner Entlastung auf
Art. 938 Abs. 2 ZGB
berufen zu können, jedoch zu Unrecht. Besteht zwischen dem Eigentümer und dem Besitzer einer beweglichen Sache wie hier ein Vertragsverhältnis, so richtet sich die Ersatzpflicht nicht nach den sachenrechtlichen Bestimmungen über den Besitz, sondern nach dem Vertragsverhältnis (STARK, N. 18 vor Art. 938 ff. und N. 5 zu
Art. 938 ZGB
). | public_law | nan | de | 1,984 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
1a4dec4e-011d-48b7-b88c-045520cd5909 | Urteilskopf
101 Ib 441
72. Sentenza del 21 febbraio 1975 nella causa società X. c. Commissione cantonale di ricorso del Cantone Ticino per l'applicazione del DF 23 marzo 1961/21 marzo 1973 | Regeste
Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland; Anmeldung beim Grundbuch- oder Handelsregisteramt; Verfahren; BB vom 23. März 1961/21. März 1973, VwVG.
1. Art. 21 BB: Unterscheidung zwischen den in Abs. 1 und 3 geregelten Fällen; Folgen (Erw. 1).
2. Art. 21 Abs. 1 und 2 BB,
Art. 5 VwVG
: Die Abweisung der Anmeldung durch den Grundbuchverwalter oder den Handelsregisterführer ist eine Verfügung im Sinne des
Art. 5 VwVG
. Sie unterliegt der Beschwerde an die Rekursinstanz für die Anwendung des BB, nicht an die Aufsichtsbehörde für das Grundbuch oder das Handelsregister (Erw. 1a).
3. Art. 21 Abs. 3 BB,
Art. 5 VwVG
: Die Anordnung, mit welcher der Grundbuchverwalter oder der Handelsregisterführer den Anmeldenden an die Bewilligungsbehörde erster Instanz verweist, ist nicht anfechtbar, da sie keine Verfügung im Sinne des
Art. 5 VwVG
darstellt. Anfechtbar ist der Entscheid dieser Instanz, an die sich der Anmeldende infolge der Verweisung gewandt hat (Erw. 1b).
4. Art. 11 und 21 Abs. 3 BB,
Art. 5 Abs. 1 lit. b und
Art. 25 VwVG
: Der an die Bewilligungsbehörde verwiesene Anmeldende kann von ihr vorab die Feststellung verlangen, dass keine Bewilligungspflicht besteht (Erw. 3). | Sachverhalt
ab Seite 442
BGE 101 Ib 441 S. 442
Nell'aprile 1974 la società X., con sede in Svizzera, chiedeva all'Ufficio dei registri del distretto di Lugano l'annotazione a registro fondiario di un diritto di compera a suo favore di due mappali ubicati in quel distretto. Il prezzo d'acquisto era fissato a fr. 2'100'000.--.
Richiamandosi all'
art. 21 cpv. 3 del
decreto federale sull'acquisto di fondi da parte di persone all'estero, del 23 marzo 1961/21 marzo 1973 (DF), l'ufficiale del registro fondiario rinviava la richiedente avanti l'Autorità di prima istanza, non essendovi, a suo avviso, certezza quanto all'obbligo dell'autorizzazione.
La società X. contestava la legittimità di tale rinvio, ma l'ufficiale del registro fondiario confermava la propria decisione. L'Autorità di prima istanza assegnava alla società un
BGE 101 Ib 441 S. 443
termine di 10 giorni per fornire determinate informazioni che permettessero di stabilire se il negozio giuridico litigioso fosse soggetto all'obbligo dell'autorizzazione.
Il 22 maggio 1974 la società X. chiedeva all'Autorità di prima istanza di emanare una decisione di principio sulla legittimità del rinvio. Proponeva inoltre la sospensione del termine assegnato per presentare le informazioni richieste.
Con decisione 4 giugno 1974 l'Autorità di prima istanza negava la propria competenza a sindacare il rinvio disposto dall'ufficiale del registro fondiario e confermava l'obbligo della società X. d'assoggettarsi alla procedura d'accertamento, concedendo tuttavia una proroga di 10 giorni del termine utile per fornire i ragguagli sollecitati.
La società X. impugnava tale decisione avanti la Commissione cantonale di ricorso per l'applicazione del DF (CCR). In via provvisionale, chiedeva che al gravame fosse accordato l'effetto sospensivo per quanto concerneva il termine di 10 giorni assegnatole dall'Autorità di prima istanza per produrre le informazioni richieste; nel merito, proponeva la restituzione degli atti all'ufficiale del registro fondiario perché procedesse all'annotazione del diritto di compera.
Con decisione 5 settembre 1974 la CCR respingeva il gravame, rilevando che la decisione di rinvio emanata dall'ufficiale del registro fondiario era definitiva e, come tale, non impugnabile. Non essendo competente ad esaminarne il merito, la CCR reputava essere altresì incompetente ad accordare al gravame l'effetto sospensivo.
Con ricorso di diritto amministrativo la società X. è insorta contro la decisione della CCR, chiedendone l'annullamento. In via principale essa propone la restituzione degli atti all'ufficiale del registro fondiario per l'annotazione del diritto di compera; in via subordinata, il rinvio della causa alla CCR, perché si pronunci sul gravame proposto dinnanzi ad essa.
Erwägungen
Considerando in diritto:
1.
a) Giusta l'art. 2 lett. b DF, l'acquisto di diritti di compera, di prelazione o di ricupera su un fondo è parificato all'acquisto di fondi in proprietà. È pacifico quindi che tale decreto si applica anche alla notificazione per l'annotazione nel registro fondiario di un diritto di compera.
A norma dell'art. 21 cpv. 1 DF, l'ufficiale del registro fondiario è tenuto a respingere la notificazione se vi è certezza
BGE 101 Ib 441 S. 444
quanto all'obbligo dell'autorizzazione e quest'ultima non è stata concessa. La decisione dell'ufficiale del registro fondiario può essere impugnata avanti l'autorità cantonale di ricorso per l'applicazione del DF; tale ricorso sostituisce quello normalmente esperibile avanti l'autorità di vigilanza in materia di registro fondiario (vedasi art. 21 cpv. 2 DF). È da rilevare che il testo italiano di questa disposizione è peraltro errato: dicesi colà che "se gli ufficiali del registro fondiario e del registro di commercio respingono la notificazione, per ambedue i registri il ricorso secondo l'art. 12 è sostituito a quello dell'autorità di vigilanza". In realtà doveva dirsi, in aderenze al chiaro senso voluto dal legislatore, quale emerge inequivocabilmente dal testo tedesco e francese: "...il ricorso secondo l'art. 12 è sostituito a quello all'autorità di vigilanza" o, meglio dal punto di vista redazionale: "... il ricorso secondo l'art. 12 sostituisce quello all'autorità di vigilanza". Usando erroneamente il genitivo anziché il dativo con riferimento all'autorità di vigilanza, il testo italiano può indurre il lettore superficiale a incresciosi malintesi, tenuto conto del fatto che esiste altresì un'autorità cantonale di sorveglianza legittimata a ricorrere.
Se non vi è certezza quanto all'obbligo dell'autorizzazione, l'ufficiale del registro fondiario rinvia il richiedente davanti all'Autorità di prima istanza e gli assegna un termine di 30 giorni per chiedere l'autorizzazione, avvertendolo che, trascorso infruttuosamente questo termine, la notificazione sarà respinta (art. 21 cpv. 3 DF). Una siffatta procedura è applicabile ove l'ufficiale del registro fondiario nutra dubbi sull'obbligo dell'autorizzazione (cfr. FF 1972 II 1053), come pure ove siano adempiuti i presupposti dell'art. 21 cpv. 2 dell'ordinanza del Consiglio federale sull'acquisto di fondi da parte di persone all'estero, del 21 dicembre 1973 (OCF).
Da questa normativa risulta che la decisione dell'ufficiale del registro fondiario può essere impugnata presso l'autorità cantonale di ricorso soltanto se tale ufficiale abbia respinto la notificazione. In questo caso egli sostituisce l'autorità cantonale di prima istanza (cfr. art. 11 DF), mentre la CCR sostituisce l'autorità di vigilanza in materia di registro fondiario.
La reiezione della notificazione costituisce in questo contesto una vera e propria decisione, poiché regola in modo vincolante un determinato rapporto giuridico ai sensi dell'
art. 5 PA
.
BGE 101 Ib 441 S. 445
b) Diversa è la situazione allorquando l'ufficiale del registro fondiario dubiti se l'autorizzazione sia necessaria. In tal caso, egli non respinge la notificazione, ma, procedendo in vista della risoluzione di una questione pregiudiziale, rinvia il richiedente all'Autorità di prima istanza perché questa accerti in modo vincolante se esista un obbligo autorizzativo. All'uopo l'ufficiale del registro fondiario assegna al richiedente un termine di 30 giorni per chiedere all'Autorità di prima istanza l'autorizzazione o, eventualmente, una decisione che accerti l'inesistenza dell'obbligo autorizzativo. La notificazione rimane nel frattempo pendente presso l'Ufficio dei registri; ciò risulta già dal fatto che essa è respinta qualora l'interessato non chieda nel termine assegnatogli l'autorizzazione all'Autorità di prima istanza (cfr. art. 21 cpv. 3 DF).
L'Autorità di prima istanza non può tuttavia pronunciarsi sulla legittimità del rinvio o sulla fondatezza dei dubbi dell'ufficiale del registro fondiario. D'altronde, ove si fosse voluto conferire agli interessati la possibilità di impugnare il rinvio all'Autorità di prima istanza disposto dall'ufficiale del registro fondiario, il ricorso si sarebbe dovuto verosimilmente proporre non all'Autorità di prima istanza, bensì - come nel caso della reiezione della notificazione - all'autorità cantonale di ricorso. L'Autorità di prima istanza è esclusivamente competente ad accordare o negare le autorizzazioni e ad accertare l'inesistenza dell'obbligo autorizzativo (cfr. art. 11 DF). Il provvedimento con cui l'ufficiale del registro fondiario rinvia il richiedente avanti l'Autorità di prima istanza non è una decisione ai sensi dell'
art. 5 PA
, poiché non regola in modo vincolante un determinato rapporto giuridico. Esso è un atto che dà luogo all'apertura di un procedimento destinato a concludersi con una decisione ai sensi dell'
art. 5 PA
(v. F. GYGI, Verwaltungsrechtspflege und Verwaltungsverfahren im Bund, 2a ed., pag. 98; DTFA 1968, pag. 224, consid. 3).
2.
Da quanto sopra risulta che la questione della legittimità dell'operato dell'ufficiale del registro fondiario non deve essere esaminata in questa sede. Nella fattispecie tale operato è stato d'altronde conforme alle prescrizioni determinanti della legislazione federale in materia d'acquisto di fondi da parte di persone all'estero. Il provvedimento dell'ufficiale del registro fondiario si è fondato sull'art. 21 cpv. 1 lett. b OCF. A mente di tale disposizione, l'ufficiale del registro fondiario deve rinviare il richiedente davanti all'Autorità di prima istanza se
BGE 101 Ib 441 S. 446
l'acquirente che non produce l'autorizzazione definitiva è una persona giuridica o una società di persone senza personalità giuridica e con capacità patrimoniale, che ha sede in Svizzera e un cui scopo principale, secondo gli statuti o il contratto di società, è l'acquisto, l'alienazione, l'interposizione o altre operazioni inerenti a diritti su fondi.
La società X. è una società immobiliare con sede a Zugo e con un capitale sociale di fr. 50'000.-- (diviso in 100 azioni al portatore di fr. 500.-- cadauna), liberato a concorrenza di fr. 20'000.--. Con la sua richiesta dell'aprile 1974, essa voleva far annotare a registro fondiario un diritto di compera del valore di fr. 2'100'000.--, di cui fr. 300'000.-- già versati alla stipulazione del rogito. V'era pertanto un'evidente sproporzione tra i mezzi propri della società e quelli necessari all'acquisto dei due mappali. In queste concrete circostanze, la provenienza dei fondi necessari all'acquisto del diritto di compera doveva assolutamente essere acclarata (cfr. Zeitschrift für Beurkundungs-und Grundbuchrecht, vol. 55, pag. 48 segg.).
3.
L'ufficiale del registro fondiario non s'è tuttavia limitato a rinviare la ricorrente davanti all'Autorità di prima istanza, ma, contemporaneamente, le ha assegnato un termine di 30 giorni per chiedere l'autorizzazione d'acquistare il diritto di compera sui due mappali. L'ufficiale s'è fondato in proposito sull'art. 21 cpv. 3 DF, che prevede la reiezione definitiva della notificazione ove il richiedente non presenti la sua domanda nel termine prescritto dalla legge.
Nel caso concreto la società X. non ha presentato alcuna domanda d'autorizzazione e, in tal modo, non si è conformata all'intimazione dell'ufficiale del registro fondiario. Giova tuttavia ricordare che, dal profilo giuridico, la presentazione di tale domanda non poteva comunque essere da lei pretesa senz'altro, dato che essa aveva sempre contestato l'esistenza dell'obbligo autorizzativo. Sarebbe bastato che la ricorrente chiedesse all'Autorità di prima istanza d'accertare l'inesistenza di tale obbligo (cfr. art. 25 in relazione con l'
art. 5 lett. b PA
).
Il fatto che la ricorrente non abbia chiesto l'autorizzazione, o l'accertamento dell'inesistenza del suo obbligo, non significa tuttavia nella fattispecie che la sua notificazione debba essere considerata come respinta. L'Autorità di prima istanza le ha infatti assegnato un termine per fornire le informazioni richieste, come se fosse pendente una domanda d'autorizzazione.
BGE 101 Ib 441 S. 447
Poiché nelle circostanze concrete non poteva pretendersi dalla ricorrente una domanda d'autorizzazione, ma l'Autorità di prima istanza ha agito come se ne fosse stata presentata una, deve escludersi una perenzione della notificazione; eventuali omissioni di carattere procedurale in cui fosse incorsa la società X. sono da ritenersi sanate.
4.
a) L'invito rivolto il 17 maggio 1974 alla ricorrente di fornire determinate informazioni costituisce un provvedimento in materia di prove adottato nell'ambito della procedura autorizzativa. In linea di principio, questi provvedimenti non sono impugnabili a titolo indipendente. Potrebbero esserlo soltanto ove il diritto processuale cantonale prevedesse esplicitamente tale possibilità. Per quanto concerne la procedura avanti l'Autorità di prima istanza, il diritto federale non prescrive nulla di simile, pur essendovi ragioni per ammettere l'impugnabilità a titolo indipendente dei provvedimenti con cui è imposto un obbligo d'informazione (cfr.
DTF 99 Ib 404
in relazione con
DTF 99 Ib 394
; F. GYGI, op.cit., pag. 29).
b) Nel caso concreto, la ricorrente stessa non ha comunque considerato come una decisione impugnabile a titolo indipendente il provvedimento con cui le era stato assegnato un termine per produrre la documentazione richiesta. Essa si era rivolta all'Autorità di prima istanza perché si pronunciasse sulla pretesa illegitimità dell'operato dell'ufficiale del registro fondiario e aveva nel contempo chiesto la sospensione del termine assegnatole. L'Autorità di prima istanza negava la propria competenza a sindacare la legittimità di tale operato e accordava alla ricorrente una proroga di 10 giorni del termine in questione. La società X. impugnava detta decisione avanti la CCR, proponendo nel merito che la notificazione fosse restituita all'ufficiale del registro perché procedesse all'annotazione del diritto di compera. In via provvisionale instava perché al gravame fosse accordato l'effetto sospensivo per quanto concerneva la fissazione del termine per la presentazione dei documenti e delle informazioni richieste dall'Autorità di prima istanza. Dalla motivazione risulta tuttavia che la ricorrente intendeva chiedere in realtà non il menzionato effetto sospensivo, bensì la sospensione del provvedimento con cui era assegnato il termine.
Nella sua decisione del 5 settembre 1974, la CCR s'è attenuta a quanto formulato nelle conclusioni e non a quanto
BGE 101 Ib 441 S. 448
risultava dalla motivazione. Nel confermare l'incompetenza dell'Autorità di prima istanza e quella propria a decidere sulla legittimità del rinvio della ricorrente dinnanzi all'Autorità di prima istanza, disposto dall'ufficiale del registro fondiario, la CCR s'è dichiarata altresì incompetente a decidere sulla domanda d'effetto sospensivo presentata dalla stessa ricorrente. Nel gravame proposto al Tribunale federale, la ricorrente ha chiesto in via subordinata che gli atti siano rinviati all'autorità cantonale di ricorso perché si pronunci sulla domanda di effetto sospensivo.
Alla luce delle considerazioni di cui sopra appare che la CCR non ha violato il diritto federale allorché ha considerato come tale la domanda di effetto sospensivo presentata dalla ricorrente, non conferendo al gravame detto effetto. La ricorrente non ha d'altronde dimostrato in alcuna guisa per quale ragione la decisione della CCR debba essere ritenuta su questo punto contraria al diritto federale.
Dall'esame degli atti emerge invero che alla confusa situazione processuale ha contribuito la stessa ricorrente con le sue conclusioni e motivazioni poco chiare e contraddittorie. Anche la sua domanda subordinata deve pertanto essere respinta.
5.
La reiezione del gravame non nuoce alla ricorrente. L'Autorità di prima istanza del distretto di Lugano dovrà infatti ora decidere circa l'obbligo dell'autorizzazione e, ove l'esistenza di tale obbligo fosse accertata, pronunciarsi sul rilascio dell'autorizzazione. Essa dovrà accordare alla ricorrente ancora un'occasione per produrre i mezzi di prova richiesti o per opporsi a tale richiesta (cfr.
art. 13 cpv. 2 PA
).
La conclusione formulata in via subordinata dalla ricorrente e tendente al rinvio degli atti alla CCR perché decida sulla domanda d'effetto sospensivo, non è d'altra parte più sorretta da alcun interesse legittimo apprezzabile, dato che per tutta la durata della procedura dinnanzi al Tribunale federale la società X. è stata dispensata dall'obbligo di produrre la documentazione richiesta.
Dispositiv
Il Tribunale federale pronuncia:
Il ricorso è respinto. | public_law | nan | it | 1,975 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
1a4e1f1d-b01b-474a-af91-bca3e8828ced | Urteilskopf
115 IV 59
12. Extrait de l'arrêt de la Cour de cassation du 9 mars 1989 dans la cause S. c. Ministère public du canton de Vaud (recours en nullité) | Regeste
1.
Art. 19 Ziff. 1 Abs. 6 BetmG
und
Art. 25 StGB
; Verhältnis zwischen Vorbereitungshandlungen und Gehilfenschaft.
Die Bestimmung von
Art. 19 Ziff. 1 Abs. 6 BetmG
erlaubt die Bestrafung von Vorbereitungshandlungen, welche der Täter zwecks Begehung eines Deliktes gemäss
Art. 19 Ziff. 1 Abs. 1-5 BetmG
ausführt, soweit dieses tatbestandsmässig nicht erfüllt ist; sie zielt nicht darauf, jede untergeordnete Hilfeleistung von Dritten, welche die Begehung eines solchen Delikts fördert, als Haupttat zu erfassen (E. 3).
2.
Art. 19 Ziff. 2 BetmG
; schwerer Fall.
Zur Beurteilung eines schweren Falles im Sinne von
Art. 19 Ziff. 2 BetmG
ist auch die Betäubungsmittelmenge zu berücksichtigen, bezüglich welcher der Täter nur als Gehilfe tätig war. Der Tatbestand der Gehilfenschaft kann sich nur als Milderungsgrund im Rahmen der Strafzumessung auswirken (E. 4). | Sachverhalt
ab Seite 60
BGE 115 IV 59 S. 60
S. a fumé du haschich trois fois par semaine en moyenne, de janvier 1987 à janvier 1988; il a également consommé, occasionnellement, de faibles doses d'héroïne. Il a testé la pureté de 5 g d'héroïne que les dénommés D. et P. lui avaient soumis en automne 1987 et il a montré au premier la manière de préparer des paquets pour la revente. D. a revendu la totalité de la drogue pour 3'000 francs. Le 11 janvier 1988, S. a loué une voiture pour accompagner P., qui ne savait pas conduire, à Lausanne où il avait l'intention d'écouler 15 g de cocaïne.
Le 19 mai 1988, le Tribunal correctionnel du district de Lausanne a condamné S., pour infraction grave et contravention continuée à la LStup., à un an et cinq jours d'emprisonnement sous déduction de six jours de détention préventive. Le condamné ayant recouru auprès de la Cour de cassation pénale du Tribunal cantonal vaudois, il a été débouté le 29 juillet 1988 (date de la séance du Tribunal). Il a adressé dans les délais au Tribunal fédéral un mémoire unique constituant à la fois la motivation d'un pourvoi en nullité déclaré en temps utile et un recours de droit public qui a été rejeté ce jour dans la mesure où il était recevable. Dans son pourvoi en nullité, le recourant conclut à la réduction de la peine et à l'octroi du sursis. Le Ministère public se réfère aux considérants de l'arrêt attaqué.
Erwägungen
Extrait des considérants:
3.
L'autorité cantonale a constaté que le recourant ne contestait pas avoir agi en qualité d'auteur en ce qui concerne le trafic portant sur 15 g de cocaïne. Il s'ensuit qu'il n'existe pas de décision prise en dernière instance cantonale sur ce point et que le recourant serait irrecevable, au regard de l'
art. 268 PPF
, à y revenir en instance fédérale seulement. Il n'est d'ailleurs pas sûr que telle ait été son intention. En revanche, il soutient que dans le cas des 5 g d'héroïne vendus par D., c'est à tort qu'il a été reconnu coupable en qualité d'auteur. Il fait valoir qu'en testant une faible dose de drogue et en ne préparant qu'un seul paquet de celle-ci à des fins de démostration, il n'a pas fait preuve de la volonté de
BGE 115 IV 59 S. 61
des fins de démonstration, il n'a pas fait preuve de la volonté de participer à l'infraction à titre principal. L'autorité cantonale a estimé quant à elle que le recourant avait pris des mesures préparatoires au sens de l'
art. 19 ch. 1 al. 6 LStup
, que partant il avait commis une des infractions sui generis énumérées à l'
art. 19 LStup
et ne pouvait se prévaloir d'un rôle secondaire au regard de la jurisprudence (
ATF 113 IV 90
). Il n'y a rien à reprendre à ce raisonnement dans son principe, mais il convient tout de même d'examiner quelle est la portée exacte de l'
art. 9 ch. 1 al. 6 LStup
et de décider si réellement le recourant s'en est rendu coupable. En effet, par définition, tout acte de complicité, c'est-à-dire d'aide consciente à l'une des infractions définies à l'art. 9 ch. 1 al. 1 à 5 LStup peut être qualifié, du point de vue de la langue, de mesure "prise à cette fin". Or il ressort de la jurisprudence pertinemment citée par les autorités cantonales et qui ne saurait être remise en cause (cf.
ATF 113 IV 90
), que la LStup laisse une place à la complicité, notamment lorsque l'assistance porte sur l'acte d'un autre, présente un caractère accessoire et ne constitue pas en elle-même une infraction définie comme telle expressément par la loi. Si l'on devait comprendre l'
art. 19 ch. 1 al. 6 LStup
comme l'ont fait les autorités, il n'y aurait plus de place pour la complicité, tout au moins lorsqu'elle favorise l'une des infractions énumérées à l'art. 19 ch. 1 al. 1 à 5 LStup. Cela ne serait dans bien des hypothèses, notamment lorsque l'assistance est extrêmement limitée, pas acceptable au regard des principes généraux du droit pénal. Il convient donc de définir l'
art. 19 ch. 1 al. 6 LStup
comme une disposition permettant la répression des actes préparatoires commis par l'auteur aux fins de commettre l'une des infractions prévues à l'art. 19 ch. 1 al. 1 à 5 LStup, pour autant que celle-ci ne soit pas punissable. Dans le cas particulier, les autorités cantonales ont admis à juste titre que le recourant n'avait pas commis l'une de ces infractions. Il reste alors à déterminer s'il a accompli des actes préparatoires en vue d'en commettre une lui-même en qualité d'auteur. Il saute aux yeux qu'il n'en est rien, dès lors qu'il n'était pas prévu qu'il tirerait un profit quelconque de la vente de drogue que préparaient ses coaccusés et qu'il n'est d'ailleurs pas retenu à sa charge qu'il en aurait retiré un (le plaisir tiré de l'injection d'une faible dose d'héroïne ne pouvant être qualifié comme tel). En réalité, le recourant dans cette affaire a agi en qualité de complice de l'infraction commise par ses deux coaccusés. Le pourvoi doit en conséquence être admis sur ce point.
BGE 115 IV 59 S. 62
4.
Selon la jurisprudence (
ATF 105 IV 73
), le cas est grave au sens de l'
art. 19 ch. 2 LStup
, lorsque l'auteur, au cours de l'ensemble des infractions qui lui sont reprochées, a mis en danger la santé de nombreuses personnes notamment par un trafic portant sur une quantité de 18 g de cocaïne. Les 15 g de cette drogue que le dénommé P. a tenté de vendre avec le concours du recourant ne suffisent donc pas à justifier une sanction aggravée pour ce dernier. La question se pose dès lors de savoir si les quantités de drogue à prendre en compte pour décider de l'application de l'
art. 19 ch. 2 LStup
comprennent ou non celles qui ont été l'objet d'un acte de complicité. Mais la réponse ne peut faire de doute: de même que l'on peut être complice d'un brigandage aggravé sans être responsable de la circonstance aggravante, pour autant qu'on l'ait connue, de même on peut être complice d'un cas grave d'infraction à la LStup. En conséquence, pour décider si l'on est en présence de cette dernière éventualité, il convient de prendre d'abord en compte la quantité totale de stupéfiants visée par les opérations dans lesquelles l'accusé est impliqué seul ou avec d'autres, pour qualifier l'infraction puis, mais ensuite seulement, au moment de fixer la peine, le juge déterminera si l'accusé a agi à titre principal ou secondaire et si, dans cette hypothèse, la peine peut être atténuée en application de l'
art. 25 CP
. Il s'ensuit que le recourant, ayant agi en qualité de complice dans un cas de trafic portant sur 5 g d'héroïne et admettant avoir été coauteur d'un trafic portant sur 15 g de cocaïne, doit être puni conformément à l'
art. 19 ch. 2 LStup
(cf.
ATF 109 IV 143
), mais, comme il n'a pas commis les deux infractions retenues à sa charge en qualité d'auteur principal ainsi que les autorités cantonales l'ont admis, la cause doit être renvoyée à celles-ci pour qu'elles fixent à nouveau la peine. | null | nan | fr | 1,989 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
1a4faf64-038a-4ef4-a085-c10d8e044222 | Urteilskopf
135 III 238
35. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit civil dans la cause X. contre A. (recours en matière civile)
5A_270/2008 du 20 novembre 2008 | Regeste
Anfechtbare Entscheide (
Art. 90 ff. BGG
); Rechtsnatur des Entscheids, der vorsorgliche Massnahmen zugunsten eines mündigen Kindes gestützt auf
Art. 281 ZGB
anordnet.
Der Entscheid, der vorsorgliche Massnahmen zugunsten eines mündigen Kindes gestützt auf
Art. 281 ZGB
anordnet, ist ein Zwischenentscheid im Sinne von
Art. 93 BGG
(E. 2). | Sachverhalt
ab Seite 239
BGE 135 III 238 S. 239
A., né le 24 septembre 1985, est le fils cadet de X. et de dame Y. dont le divorce a été prononcé par jugement du 5 mars 1990. X. a cessé de contribuer à l'entretien de son fils depuis le mois d'avril 2007. Après avoir obtenu sa maturité fédérale le 9 mars 2007 et effectué son école de recrues du 2 juillet au 14 septembre 2007, A. a entrepris des études de médecine. Il habite chez sa mère.
Le 19 octobre 2007, A. a intenté devant le Président du Tribunal d'arrondissement de l'Est vaudois une action alimentaire au sens des
art. 279 ss CC
à l'encontre de son père, concluant au fond et à titre provisionnel au versement d'une contribution d'entretien de 3'000 fr. par mois.
Statuant le 16 avril 2008 par voie de mesures provisionnelles, le Président du tribunal a admis la requête à hauteur de 1'700 fr. par mois, dès et y compris le 1
er
octobre 2007.
X. a interjeté contre cette ordonnance de mesures provisionnelles un recours en nullité au Tribunal cantonal du canton de Vaud et un recours en matière civile au Tribunal fédéral. Le recours cantonal a été rejeté et le recours fédéral déclaré irrecevable.
Erwägungen
Extrait des considérants:
2.
Les mesures provisoires prises, en faveur d'un enfant majeur, sur la base de l'
art. 281 CC
se distinguent des mesures de réglementation que sont les mesures provisoires ordonnées pour la durée de la procédure de divorce (
art. 137 al. 2 CC
). Alors que celles-ci sont définitivement acquises (
ATF 130 I 347
consid. 3.2;
ATF 128 III 121
consid. 3c/bb p. 123) et que la décision qui les ordonne constitue, dès lors qu'elle met fin à l'instance sous l'angle procédural et a un objet différent de celui de la procédure (de divorce) au fond, une décision finale au sens de l'
art. 90 LTF
(
ATF 134 III 426
consid. 2.2 et les arrêts cités), les mesures provisoires ordonnées en faveur d'un enfant majeur en vertu de l'
art. 281 CC
sont des mesures d'exécution anticipée de ce qui est demandé au fond (
ATF 117 II 127
consid. 3c; arrêt 5P.409/1996 du 20 décembre 1996 consid. 4b),
BGE 135 III 238 S. 240
ce qui implique le remboursement des contributions d'entretien versées à titre provisoire en cas de rejet de l'action au fond (HEGNAUER, Commentaire bernois, 4
e
éd. 1997, n° 44 s. ad
art. 281-284 CC
; FABIENNE HOHL, Procédure civile, t. II, n. 2852), et la décision qui les ordonne constitue, dès lors qu'elle est prise pendant la procédure principale et pour la durée de celle-ci, une décision incidente au sens de l'
art. 93 LTF
. | null | nan | fr | 2,008 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
Subsets and Splits
No community queries yet
The top public SQL queries from the community will appear here once available.