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---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
1754abb4-8810-4aae-b1db-1eea11f0ef7a | Urteilskopf
96 V 79
20. Auszug aus dem Urteil vom 2. Juni 1970 i.S. Blender gegen Ausgleichskasse des Kantons Luzern und Versicherungsgericht des Kantons Luzern | Regeste
Art. 21bis Abs. 1 IVG
, Art. 15 Abs. 1 und 16bis Abs. 2 IVV.
Zum Recht des Invaliden, seinen Arbeitsplatz frei zu wählen und zu wechseln. | Erwägungen
ab Seite 79
BGE 96 V 79 S. 79
Aus den Erwägungen:
1.
Hat der Versicherte ein Hilfsmittel, auf das er Anspruch besitzt, auf eigene Kosten angeschafft, so kann ihm die Versicherung Amortisationsbeiträge gewähren (
Art. 21bis Abs. 1 IVG
und
Art. 16bis Abs. 2 IVV
). Gemäss
Art. 15 Abs. 1 IVV
werden Motorfahrzeuge dann abgegeben, wenn der Versicherte voraussichtlich dauernd eine existenzsichernde Erwerbstätigkeit ausübt und zur Überwindung des Arbeitsweges wegen Invalidität auf ein persönliches Motorfahrzeug angewiesen ist.
2.
Es ist mit Recht unbestritten, dass die Beschwerdeführerin an ihrem heutigen Arbeitsplatz voraussichtlich dauernd ein existenzsicherndes Erwerbseinkommen erzielt.
Invalidenversicherungs-Kommission und Vorinstanz vertreten jedoch die Auffassung, dass die Beschwerdeführerin die zweite Voraussetzung des Art. 15 Abs. 1VV nicht erfülle, weil der Wechsel des Arbeitsplatzes nicht invaliditätsbedingt gewesen sei und ohne diese Vorkehr die Anschaffung eines persönlichen Motorfahrzeuges sich erübrigt hätte. Dieser Meinung kann nicht gefolgt werden:
BGE 96 V 79 S. 80
Wie das Bundesamt zutreffend ausführt, hätte die Stellungnahme des Versicherungsgerichts eine rechtsungleiche Behandlung der Versicherten zur Folge. Je nach dem, ob ein Versicherter zu Beginn seiner Invalidität einen längeren oder kürzeren Arbeitsweg zu überwinden hätte, würde ihm - bei sonst gleichen invaliditätsbedingten Voraussetzungen - ein Motorfahrzeug als Hilfsmittel zugesprochen oder nicht. Von solchen Zufälligkeiten darf die Anspruchsberechtigung nicht abhängig gemacht werden.
Die Auffassung von Invalidenversicherungs-Kommission und Vorinstanz würde ferner dazu führen, dass vielen invaliden Versicherten zugemutet würde, immer am gleichen Arbeitsplatz tätig zu sein. Die Rechtsprechung hat aber wiederholt erkannt, dass das geltende Recht den Invaliden nicht verpflichtet, die eigene Wohnung in die Nähe seines Arbeitsplatzes zu verlegen, sondern ihm nur zumutet, in der Ortschaft, wo er erwerbstätig ist, oder in deren Umgebung zu wohnen (EVGE 1963 S. 67). Demnach kann er sich einen geeigneten Arbeitsplatz innerhalb seines Wohnortes oder dessen Umgebung frei wählen. Folgerichtig muss ihm auch gestattet sein, in diesem örtlichen Rahmen seine Arbeitsstelle zu wechseln, gleichgültig, ob aus invaliditätsbedingten oder anderen Gründen. Entscheidend für die Abgabe eines Motorfahrzeuges ist lediglich, dass die Invalidität des Versicherten beim Antritt einer von seiner Wohnung entfernteren Stelle die Benützung dieses Hilfsmittels im Sinn der gesetzlichen Vorschriften als gerechtfertigt erscheinen lässt. Andernfalls würde das Erfordernis einer qualifizierten Invalidität aufgestellt in dem Sinn, dass die an sich vorhandene Invalidität als Leistungsvoraussetzung nicht genüge. Damit aber wäre die freie Arbeitsplatzwahl innerhalb des zumutbaren Wohngebietes in vielen Fällen wieder in Frage gestellt. Vorbehalten bleiben Fälle missbräuchlicher Beanspruchung der Invalidenversicherung. | null | nan | de | 1,970 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
175a51c0-36aa-4023-9bdc-df946df62705 | Urteilskopf
84 II 579
78. Urteil der I. Zivilabteilung vom 9. Dezember 1958 i.S. AG vormals Meyer-Waespi & Cie. gegen Oscar Weber AG | Regeste
Art. 1 Abs. 1 und Abs. 2 lit. d, Art. 6 U WG, unlauterer Wettbewerb.
1. Verwechselbarkeit von Herrenunterhosen mit gekreuzten Bändern (Erw. 1).
2. Wann verstösst die Nachmachung einer Massnahme, die einen technischen Zweck verfolgt, sich aber auch im Aussehen der Ware auswirkt und daher Verwechslungen möglich macht, gegen Treu und Glauben? (Erw. 2, 3).
3. Voraussetzungen der Veröffentlichung des Urteils (Erw. 4). | Sachverhalt
ab Seite 579
BGE 84 II 579 S. 579
A.-
Die Aktiengesellschaft vormals Meyer-Waespi & Cie. stellt seit langem Herren-Unterhosen her, die auf der Vorderseite zwei fingerbreite und in Form eines X verlaufende Bänder aufweisen. Zwischen den unteren Schenkeln dieses X liegt, durch das Gewebe verdeckt, der knopflose Schlitz, zu dem von rechts unter dem Band und dem Gewebe hindurch eine knopflose Öffnung führt. Die Aktiengesellschaft vormals Meyer-Waespi & Cie. bringt diese Hose wie die andere von ihr hergestellte Unterwäsche
BGE 84 II 579 S. 580
unter der Marke Cosy in den Handel. Diese befindet sich in blauer Schrift auf einem Bändchen, das im Innern der Hose angenäht ist. Die Hose liegt in einer Zellophan-Verpackung, auf die ein ringsherum verlaufendes 6,3 cm breites grün-rot-grünes Band aufgedruckt ist. Die beiden grünen Streifen des Bandes kreuzen sich in der Mitte der Verpackung. Über dieser Stelle stehen in grosser Schrift die Marken Cosy und IXO.
Die Firma Oscar Weber AG verkauft seit einiger Zeit in ihren Warenhäusern Unterhosen gleicher Art. Sie unterscheiden sich von denen der Aktiengesellschaft vormals Meyer-Waespi & Cie. nur dadurch, dass die gekreuzten Bänder etwas schmäler und leicht geschweift sind. Sie tragen keine Marke.
B.-
Am 19. Juni 1957 reichte die Aktiengesellschaft vormals Meyer-Waespi & Cie. gegen die Oscar Weber AG beim Handelsgericht des Kantons Zürich Klage ein. Sie beantragte:
1. Es sei festzustellen, dass die Beklagte unlauteren Wettbewerb begangen habe, indem sie Herrenwäsche mit Verschluss aus gekreuzten Bändern in der Form des Buchstabens X angepriesen, in Verkehr gesetzt, feilgeboten und verkauft habe, die nicht aus dem Betriebe der Klägerin stammte;
2. der Beklagten sei unter Androhung der Ungehorsamsstrafe nach
Art. 292 StGB
zu verbieten, solche nicht aus dem Betriebe der Klägerin stammende Herrenwäsche in Verkehr zu setzen, feilzubieten und zu verkaufen;
3. der Urteilsspruch sei auf Kosten der Beklagten in vier besonders genannten Zeitungen zu veröffentlichen.
Das Handelsgericht wies am 23. Januar 1958 die Klage entsprechend dem Antrage der Beklagten ab. Es kam zum Schlusse, die Beklagte habe nicht gegen
Art. 1 Abs. 2 lit. d UWG
verstossen, weil die von ihr in den Handel gebrachten Unterhosen mit denen der Klägerin nicht verwechselt werden könnten und übrigens die Anordnung der Bänder in X-Form technisch bedingt sei.
BGE 84 II 579 S. 581
C.-
Die Klägerin führte gegen dieses Urteil kantonale Nichtigkeitsbeschwerde. Sie wurde vom Kassationsgericht des Kantons Zürich am 7. Juli 1958 abgewiesen.
D.-
Die Klägerin hat gegen das Urteil des Handelsgerichts rechtzeitig die Berufung erklärt. Sie beantragt, es sei aufzuheben und die Klage sei gutzuheissen, eventuell die Sache zu neuer Beurteilung an das Handelsgericht zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung abzuweisen. Sie erklärt sich immerhin bereit, die von ihr feilgebotenen Unterhosen mit x-förmigen Bändern inskünftig mit einer eigenen Marke zu versehen, die sich auch in der Farbe von der Marke der Klägerin unterscheiden wird.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Das Verhalten im wirtschaftlichen Wettbewerb ist unlauter, wenn es gegen Treu und Glauben verstösst (
Art. 1 Abs. 1 UWG
). Die Klägerin sieht den Verstoss darin, dass die Beklagte Unterhosen mit Verschluss aus gekreuzten Bändern anbiete, die im Sinne des
Art. 1 Abs. 2 lit. d UWG
dazu führen könnten, dass ihre Ware mit jener der Klägerin verwechselt werde. Das Handelsgericht und die Beklagte verneinen die Gefahr der Verwechslung. Zu Unrecht. Der Durchschnittskäufer ist ein oberflächlicher Beobachter. Der Gesamteindruck, den er erhält und auf den es ankommt (
BGE 83 II 157
), erschöpft sich darin, dass beide Unterhosen auf der Vorderseite Bänder in der Form eines X aufweisen, dessen rechter unterer Schenkel den knopflosen Schlitz abschliesst. Der Käufer beachtet nicht oder behält nicht in Erinnerung, dass die Bänder auf der einen Hose etwas breiter sind als auf der anderen und dass sie bei der einen gerade, bei der anderen leicht geschweift verlaufen. Dass die eine die Marke Cosy trägt und dass diese auf der anderen fehlt, entgeht ihm bei flüchtiger Betrachtung, und wenn er den Unterschied bemerkt, verwischt dieser ihm den Eindruck nicht, auch die Hose ohne Marke stamme aus der Fabrik der Klägerin,
BGE 84 II 579 S. 582
die bisher für Ware mit "IXO-Verschluss" ausgiebig Reklame gemacht hat. Zwar werden die Hosen der Klägerin für Fr. 6.20, jene der Beklagten für Fr. 2.75 verkauft. Der Preis liegt aber ausserhalb der Ware. Er wird nicht immer mit ihr selber wahrgenommen wie z.B. deren Form und Farbe. Der Käufer erfährt ihn oft erst, wenn er sich zum Kaufe schon entschlossen hat. Auch kann er den Preisunterschied übersehen, weil ihm nicht beide Hosen gleichzeitig vorgelegt werden. Oder er denkt sich, die Marke Cosy rechtfertige den höheren Preis, weil die Hose, die sie trägt, besser sei als jene ohne Marke und weil die eine verpackt ist, die andere nicht. Gewiss kann die Verpackung auf andere Herkunft schliessen lassen, aber zwingend ist dieser Schluss für den Durchschnittskäufer nicht, da er sich die Verpackung auch durch die vermeintlich bessere Qualität erklären kann. Zudem schenkt er der Verpackung nicht immer Beachtung oder sieht sie erst, wenn er schon gekauft hat, da ihm die Ware der Klägerin regelmässig offen vorgelegt und erst nach Abschluss des Kaufes in Verpackung übergeben wird.
2.
Nicht jede Massnahme, die zur Verwechslung von Waren verschiedener Herkunft führen kann, verstösst gegen Treu und Glauben. Ist sie nötig, um die Ware herzustellen oder für ihren Zweck geeignet zu machen, so kann sie nicht deshalb, weil sie sich auch im Aussehen der Ware oder in ihrer Verpackung auswirkt und Verwechslungen möglich macht, schlechthin verboten sein. Dadurch wäre die Allgemeinheit in unerträglichem Masse gehindert, sich technische Fortschritte zunutze zu machen. Das widerspräche dem Sinn und Geiste des Bundesgesetzes über die Erfindungspatente, das den Schutz der technischen Lösungen auf patentierbare und wirklich patentierte Erfindungen beschränkt und ihm zeitliche Grenzen setzt in der Meinung, dass die vollständige Beschränkung der Freiheit in der Nachmachung technischer Massnahmen nicht von Gutem wäre (
BGE 73 II 196
,
BGE 79 II 319
f.,
BGE 83 II 158
).
BGE 84 II 579 S. 583
Es gibt Massnahmen, die einen technischen Zweck verfolgen und zugleich der Ausstattung der Ware dienen. Ob auch sie nachgemacht werden dürfen, wenn sich der technische Zweck anders nicht erreichen lässt, hängt von den auf dem Spiele stehenden Interessen ab. Zu prüfen ist in jedem Falle, ob das Interesse der Allgemeinheit an der möglichst zweckmässigen Herstellung oder technischen Gestaltung der Ware höher zu bewerten ist als das Interesse des Mitbewerbers, die gleiche Massnahme zugleich zur Kennzeichnung seiner Ware zu verwenden. Die Antwort hängt in der Regel davon ab, welcher der beiden Gesichtspunkte, unter denen die Massnahme getroffen wurde, überwiegt. Wenn sie vorwiegend der Ausstattung der Ware dient, widerspricht es in der Regel Treu und Glauben, sie nachzumachen. Überwiegt dagegen der technische Gesichtspunkt und ist eine zumutbare andere Lösung nicht möglich, so darf die Massnahme nachgemacht werden. Wer eine überwiegend technisch notwendige Vorkehr zugleich als Kennzeichen seiner Ware benützt, nimmt die Gefahr der Verwechslung in Kauf, die entsteht, wenn ein Mitbewerber um der technischen Wirkung willen die gleiche Massnahme trifft. Immerhin kann er erwarten, dass der Mitbewerber in zumutbarem Rahmen die Ware so ausstatte, dass sie sich trotz der gleichen überwiegend technischen Merkmale von der anderen genügend unterscheidet (
BGE 79 II 320
,
BGE 83 II 158
). Eine dahin gehende Pflicht lässt sich zwar nicht aus
Art. 1 Abs. 2 lit. d UWG
ableiten, da diese Bestimmung kein Gebot zu einem Tun, sondern nur ein Verbot enthält. Aber die Aufzählung in
Art. 1 Abs. 2 UWG
ist nicht abschliessend. Nach
Art. 1 Abs. 1 UWG
ist jedes gegen Treu und Glauben verstossende Verhalten im wirtschaftlichen Wettbewerb unlauter, unter Umständen also auch ein Unterlassen.
Wenn die ausschliesslich oder überwiegend aus technischen Gründen getroffene Massnahme durch eine ungefähr gleichwertige ersetzt werden kann und dem Mitbewerber die Ersatzlösung zugemutet werden darf, hat der
BGE 84 II 579 S. 584
Mitbewerber seine Ware schon dadurch genügend unterscheidbar zu machen, dass er sie nach der möglichen und zumutbaren Ersatzlösung herstellt oder gestaltet. Es ist also dem Handelsgericht nicht beizupflichten, wenn es unter Berufung auf Stellen des Schrifttums die Auffassung vertritt, das technische Element könne eine Ware nie kennzeichnen, dürfe also immer nachgemacht werden. Die Vorinstanz führt aus, die vom Bundesgericht vertretene Auffassung würde zur Feststellung zwingen, welche von verschiedenen Gestaltungen die beste und vorteilhafteste sei, und diese Feststellung hange von zufälligen Umständen und Verschiedenheiten in den Anschauungen ab und sei selbst für den Fachmann sehr schwierig. Diese Überlegung hält nicht stand. Der Mitbewerber ist nicht verpflichtet, nach der besten und vorteilhaftesten Lösung zu forschen. Ehe er die eine nachmacht, braucht er sich nur zu überlegen, ob es eine mindestens gleichwertige andere gebe. Liegt eine gleichwertige Ersatzlösung nahe, so ist er verpflichtet, sie anzuwenden. Ist eine solche dagegen nur schwer zu finden, so kann ihm nicht zugemutet werden, von der des Konkurrenten abzuweichen. Das trifft auch dann zu, wenn die Ersatzlösungen schon von anderen Mitbewerbern angewendet werden. Daher geht das Handelsgericht fehl, wenn es befürchtet, auf Grund der Rechtsprechung des Bundesgerichts könnten verschiedene technische Massnahmen so monopolisiert werden, dass weitere Mitbewerber Mühe hätten, überhaupt noch eine abweichende Gestaltung zu finden. Der Hinweis auf das Patentrecht hilft nicht. Dieses will nicht Gewähr leisten, dass alle technischen Massnahmen, die nicht Patentschutz geniessen, nachgemacht werden dürfen, sondern nur bestimmen, wo die Freiheit der Nachmachung jedenfalls aufhört. Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass dieser Freiheit aus Gesichtspunkten, die im Patentrecht nicht zur Geltung kommen, weitere Schranken gesetzt sind. Eine solche Grenze zieht
Art. 1 UWG
, indem er im wirtschaftlichen Wettbewerb die Grundsätze von Treu und Glauben angewendet wissen will. Treu und Glauben aber verlangen, dass
BGE 84 II 579 S. 585
der Mitbewerber eine Massnahme, mag sie auch ausschliesslich oder überwiegend technisch bedingt sein, nicht nachmache, wenn er dadurch die Gefahr der Verwechslung mit der Ware anderer Herkunft schaffen würde und ihm zugemutet werden kann, eine technisch gleichwertige andere Lösung zu wählen, bei der diese Gefahr vermindert oder ausgeschlossen ist.
3.
a) Das Handelsgericht glaubt, die Klägerin habe den rein technischen Zweck der Anordnung der Bänder zugegeben und gar nicht auf Schutz einer "Ausstattung" geklagt, denn sie erblicke im Rechtsbegehren den unlauteren Wettbewerb im Handel mit Wäsche, die einen "Verschluss" aus gekreuzten Bändern aufweist. So darf indessen das Rechtsbegehren nicht ausgelegt werden. Die Klägerin spricht nicht von einem "Verschluss", sondern von einem "Verschluss aus gekreuzten Bändern", wendet sich also nicht gegen die Nachmachung eines knopflosen Schlitzes, sondern gegen die Anbringung gekreuzter Bänder im Zusammenhang mit diesem Schlitz. Welche Aufgabe diese Bänder haben, sagt sie damit nicht. Insbesondere räumt sie nicht ein, die Bänder dienten nur dazu, die Hose zweckmässig zu verschliessen.
Das Handelsgericht stellt sodann fest, die Klägerin habe zugegeben, dass ein Teilstück des Bandes den Rand des Schlitzes versteife und insofern von einer technischen Wirkung gesprochen werden könne. Es sieht diese Wirkung darin, dass die Nähte gegen Reibung an den Oberkleidern und damit gegen Bruch geschützt werden. Darauf kommt jedoch nichts an. Die Klägerin sieht ja den Verstoss gegen Treu und Glauben nicht darin, dass auch die von der Beklagten verkauften Hosen einen versteiften Schlitzrand haben, sondern darin, dass auch auf dieser Ware gekreuzte Bänder angebracht sind. Jene Gleichheit bedingt diese nicht; die Beklagte brauchte nicht um der Versteifung des Schlitzes willen auch die Kreuzung der Bänder nachzumachen.
Die Klägerin hat indes in der Klage ausgeführt, das Einnähen von Bändern sei das einfachste Mittel, um die
BGE 84 II 579 S. 586
Nähte, welche die einzelnen Teile verbinden, unelastisch zu machen und so zu erreichen, dass der Zug, der beim Gebrauch der Hose auf das Gewebe ausgeübt wird, sich allseitig auswirke. Die Klägerin hat also selber im Einnähen von Bändern die einfachste technische Vorkehr gesehen, um zu verhindern, dass das Gewebe durch den Gebrauch verzogen werde. Sie hat damals nur bestritten, dass die Bänder gekreuzt werden müssten, um diesen Zweck zu erreichen. In der Replik hat sie sich dann freilich auf den Standpunkt gestellt, nur die Nähte seien für die Form und Schmiegsamkeit der Hosen von Bedeutung, während die gekreuzten Bänder ausschliesslich der Zier und der Zeichnung der Ware dienten. Angesichts der früheren Stellungnahme überzeugt das aber nicht. In der Berufung weicht die Klägerin denn auch wieder davon ab, indem sie nun von einer "technisch mitbedingten Ausstattung" und von einem Falle spricht, in dem ein Ausstattungselement auch noch gewisse technische Nebenwirkung habe, wobei aber der Kennzeichnungscharakter bei dieser Ausstattung im Vergleich zur technischen Wirkung im Vordergrund stehe. Damit misst sie der Anordnung der Bänder in X-Form wenigstens technische Nebenwirkung bei. Sie muss sich aber entgegenhalten lassen, dass sie in langjähriger und breiter Reklame die praktischen Vorteile des "X-Verschlusses" eindrücklich hervorgehoben, auf den guten Sitz der Hose hingewiesen und diese als "ingeniös konstruiert" ausgegeben hat. Diese Kundgebung ist dahin auszulegen, dass sie der Anordnung der Bänder in X-Form selber eine wesentliche technische Bedeutung beigelegt hat. Diese besteht augenscheinlich darin, dass die Bänder für guten Sitz der Hose sorgen, indem sie das Verziehen des Gewebes verhindern. Das ist nicht eine nur nebensächliche Wirkung, die vor der Bedeutung der Bänder als Element der Ausstattung zurückträte. Der technische Zweck des Schutzes der Hose gegen Verziehung überwiegt. Sollte die Klägerin mit den x-förmig angebrachten Bändern zugleich auf Kennzeichnung ihrer Ware ausgegangen sein, wie ihre
BGE 84 II 579 S. 587
gleichzeitig verwendete Marke "IXO" vermuten lässt, so wäre das ein blosser Nebenzweck. Es bedarf keines Gutachtens, um die auch dem Nichtfachmanne einleuchtende technische Hauptaufgabe der Bänder zu erkennen. Die Klägerin steht übrigens selber auf dem Boden, das Bundesgericht dürfe die Tragweite der technischen Wirkung selber beurteilen.
b) Es frägt sich daher, ob die Beklagte die Bänder ohne technischen Nachteil anders als in der Form eines X anbringen lassen könnte und ob ihr die Abweichung zuzumuten sei. Das trifft nicht zu. Die Klägerin hat sich zwar bemüht, nachträglich ihre eigene Lösung herabzusetzen, um andere als mindestens gleichwertig hinzustellen. In der Klage hat sie erklärt, die kreuzweise Anordnung der Bänder habe den technischen Nachteil, dass die Voraussetzungen für die Gestaltung des Schlitzes unnatürlich seien. Wenn die Klägerin darin einen Nachteil sieht, leuchtet jedoch um so mehr ein, dass sie ihn durch besondere Vorteile der X-Form aufgewogen sieht. Bloss um der nebensächlichen Ausstattung ihrer Ware willen kann sie die angeblich unnatürliche Anordnung des Schlitzes nicht in Kauf genommen haben. Zudem erkennt auch der Laie, dass die X-Form der Bänder das Verziehen des Gewebes besser verhindert als die anderen vorkommenden oder vorgeschlagenen Anordnungen. Der Beklagten kann daher nicht zugemutet werden, die Bänder in einer technisch ungünstigeren Form anbringen zu lassen. Es steht ihr um so mehr frei, die gleiche Lösung zu wählen wie die Klägerin, als der technische Zweck der x-förmig angebrachten Bänder den nebensächlichen Zweck der Ausstattung der Ware bedeutend überwiegt.
c) Es ist aber möglich, dass die Anordnung der Bänder in X-Form im Handel als Kennzeichen der von der Klägerin stammenden Ware aufgefasst wird, zumal die Klägerin für Unterhosen mit X-Verschluss umfangreich Reklame gemacht hat und diese Ware, auf die Form der Bänder anspielend, unter der Marke IXO anbietet. Auch
BGE 84 II 579 S. 588
steht fest, dass die Klägerin solche Ware schon seit etwa 15 Jahren vertreibt, während die Beklagte den Handel mit Unterhosen dieser Art erst vor wenigen Jahren aufgenommen hat. Treu und Glauben verlangten bei dieser Sachlage, dass die Beklagte ihre Ware in angemessener Weise kennzeichne, um Verwechslungen vorzubeugen. Sie hat sich heute denn auch einverstanden erklärt, das inskünftig durch Anbringen einer eigenen Marke zu tun, die sich auch in der Farbe von der Marke Cosy der Klägerin unterscheiden werde. Indem sie diese oder eine gleichwertige Massnahme nicht schon bisher traf, beging sie unlauteren Wettbewerb. Das Feststellungsbegehren der Klägerin ist in diesem beschränkten Umfange gutzuheissen (
Art. 2 Abs. 1 lit. a UWG
). Mit der gleichen Einschränkung ist auch das Begehren auf Unterlassung weiteren unlauteren Wettbewerbes begründet (
Art. 2 Abs. 1 lit. b UWG
).
4.
Der Richter kann die obsiegende Partei auf ihr Begehren ermächtigen, das Urteil auf Kosten der unterlegenen Partei zu veröffentlichen. Er bestimmt Art und Umfang der Veröffentlichung (
Art. 6 UWG
).
Dass die Klägerin weder Schadenersatz noch Genugtuung verlangt, steht der Veröffentlichung nicht im Wege. Die Bekanntgabe, dass und inwiefern eine Partei im wirtschaftlichen Wettbewerb gegen Treu und Glauben verstossen hat, ist nicht nur bestimmt, Schaden wiedergutzumachen oder dem Verletzten Genugtuung zu verschaffen, sondern kann auch am Platze sein, um die Störung zu beheben und weiteren nachteiligen Auswirkungen vorzubeugen (
BGE 79 II 329
). Unter diesem Gesichtspunkte wird sie von der Klägerin begehrt.
Die Veröffentlichung ist auch nicht deshalb unzulässig, weil die Klägerin zum grösseren Teil unterliegt.
Art. 6 UWG
gilt auch zugunsten des nur teilweise Obsiegenden, wenn der Vorwurf, welcher der Gegenpartei zu machen ist, die Bekanntgabe des Urteils rechtfertigt. Das trifft hier grundsätzlich zu. Ob die Klägerin vom Rechte der Veröffentlichung Gebrauch machen oder, weil sie nur teilweise
BGE 84 II 579 S. 589
obsiegt, die Sache auf sich beruhen lassen will, wird sie selber zu entscheiden haben.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Der Klägerin wird Kenntnis gegeben, dass die Beklagte bereit ist, ihre Unterwäsche zur besseren Unterscheidbarkeit von derjenigen der Klägerin mit einer eigenen, andersfarbigen Marke zu versehen.
2. In teilweiser Gutheissung der Berufung wird das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 23. Januar 1958 aufgehoben, und es wird erkannt:
a) Es wird festgestellt, dass die Beklagte unlauteren Wettbewerb begangen hat dadurch, dass sie (nicht aus dem Betrieb der Klägerin stammende) Herrenwäsche mit einem sogenannten Verschluss aus gekreuzten Bändern in Form des Buchstabens X angepriesen, in Verkehr gesetzt, feilgeboten und verkauft hat, ohne diese Unterwäsche zur besseren Unterscheidbarkeit gegenüber derjenigen der Klägerin mit einer eigenen und andersfarbigen Marke zu versehen.
b) Solange die Beklagte solche (nicht aus dem Betrieb der Klägerin stammende, mit einem sogenannten X-Verschluss versehene) Herrenwäsche nicht mit einer derartigen Marke versieht, ist es der Beklagten gerichtlich verboten, derartige Wäsche anzupreisen, in Verkehr zu setzen, feilzubieten und zu verkaufen, unter Androhung der Ungehorsamsstrafe nach
Art. 292 StGB
für den Fall der Zuwiderhandlung.
c) Die Klägerin ist berechtigt, auf Kosten der Beklagten das Urteilsdispositiv im Umfange einer Viertelsseite im Schweizerischen Handelsamtsblatt, in der Neuen Zürcher Zeitung, im Tagesanzeiger für Stadt und Kanton Zürich und in der Textilrevue je einmal zu veröffentlichen.
d) Soweit die Klagebegehren 1-3 auf anderes oder weiter gehen, sind sie abgewiesen. | public_law | nan | de | 1,958 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
175c5de8-1247-4c78-b2c9-6005fff4484a | Urteilskopf
108 II 221
47. Arrêt de la Ire Cour civile du 21 septembre 1982 dans la cause Allan Eli Karz contre Office fédéral de la propriété intellectuelle (recours de droit administratif) | Regeste
Art. 2 lit. b PatG
.
Ein Untersuchungsverfahren, das eine Diagnose am menschlichen Körper ermöglicht, gilt als "Verfahren der Diagnostik" im Sinne von
Art. 2 lit. b PatG
und ist daher von der Patentierung ausgeschlossen. Ein Verfahren, mit welchem Angaben über den Zustand eines Herzpatienten auf Distanz vermittelt werden können, ist deshalb nicht patentierbar. | Sachverhalt
ab Seite 221
BGE 108 II 221 S. 221
A.-
Le 29 août 1978, Allan Eli Karz a déposé une demande de brevet intitulée "Procédé et installation de surveillance de cardiaque". Selon les revendications 1 et 2, l'un des objets de l'invention est un procédé de surveillance en continu de signaux
BGE 108 II 221 S. 222
électrocardiographiques de personnes cardiaques. Le but visé est la détection rapide des arythmies du coeur chez les personnes qui ont déjà été victimes d'attaques coronaires, afin de pouvoir entreprendre un traitement immédiat et diminuer ainsi le taux de mortalité due aux infarctus du myocarde.
Pour mettre en oeuvre ce procédé, un émetteur conçu pour être porté en permanence par le patient transmet des signaux à un poste de surveillance qui les analyse et en informe le médecin. Dans le mode d'exécution du procédé, il est prévu de transmettre non seulement des signaux d'électrocardiogramme, mais également des informations sur d'autres paramètres physiologiques, tels que la pression du sang, la vitesse du pouls ou le rythme respiratoire. Il s'agit de fournir à distance au médecin traitant des signaux le renseignant utilement sur l'état du patient.
B.-
Par décision du 12 mars 1982, l'Office fédéral de la propriété intellectuelle (OFPI) a partiellement rejeté la demande de brevet, en ce sens que les revendications 1 et 2 sont supprimées. Il a considéré en substance que ces dernières tombaient sous le coup de l'art. 2 lettre b de la loi fédérale sur les brevets d'invention (LBI).
C.-
Agissant par la voie du recours de droit administratif, Allan Eli Karz requiert le Tribunal fédéral de déclarer brevetable l'objet des revendications 1 et 2, soit dans la forme actuelle soit dans une forme modifiée énoncée dans le recours, et d'annuler la décision de l'OFPI du 12 mars 1982.
L'OFPI propose le rejet du recours.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
a) Selon l'art. 52 § 4 de la Convention sur le brevet européen (CBE), ne sont pas considérées comme des inventions susceptibles d'application industrielle (et donc ne permettent pas la délivrance d'un brevet européen) notamment les méthodes de diagnostic appliquées au corps humain. Tandis que cette disposition était reprise telle quelle dans le projet du Conseil fédéral visant à introduire dans la loi un nouvel article traitant des cas spéciaux (art. 1er a du projet), le législateur a pour sa part modifié le projet et adopté le texte actuel de l'
art. 2 lettre b LBI
, en biffant la référence à l'application industrielle. L'absence de cet élément dans la loi révisée ne joue toutefois pas de rôle, dès lors que tant la Convention que la loi suisse fondent sur des motifs
BGE 108 II 221 S. 223
d'ordre socio-éthiques la règle par laquelle les méthodes de diagnostic sont exclues des inventions brevetables (cf. à cet égard notamment FF 1976 II p. 29 et p. 67/68; Bull.stén. CN 1976, p. 1311;
ATF 72 I 369
; TROLLER, Immaterialgüterrecht, I, p. 172/173; DOMINIQUE BURNIER, La notion de l'invention en droit européen des brevets, thèse Genève 1981, p. 136/137 et auteurs cités). Ainsi, quelle qu'en soit l'utilisation prévue, une invention portant sur une méthode de diagnostic appliquée au corps humain n'est de toute manière pas brevetable, au regard de l'un comme de l'autre textes précités. Il s'agit dès lors uniquement ici de déterminer si l'on se trouve en présence d'une telle méthode.
b) On peut admettre, comme le propose le recourant en se référant à l'Encyclopédie Universalis, vol. 18, p. 539, que le diagnostic est la partie de l'acte médical qui vise à déterminer la nature de la maladie ou de l'atteinte observée, et qu'il est moins une phase de l'examen médical et paramédical qu'une conclusion décisoire de celui-ci. Les connaissances permettant de poser un diagnostic peuvent du reste aussi être enregistrées dans des appareils (p.ex. des ordinateurs) aptes à faciliter un diagnostic sur la base des constatations fournies au sujet de la personne examinée. Toutefois, ce qui importe en l'espèce, ce n'est pas le sens à donner au mot "diagnostic", mais bien celui que recouvrent les termes "méthode de diagnostic" ("Verfahren der Diagnostik"). Doit-on considérer, comme semble le soutenir le recourant, que la méthode de diagnostic ne recouvre que le pur acte de déduction qu'est le diagnostic stricto sensu, à l'exclusion de toute application à la phase de l'examen et de la collecte de renseignements? Ou bien doit-on entendre, par cette notion, une méthode qui englobe également de telles opérations préalables?
Ainsi que le relève à juste titre l'Office fédéral dans ses observations, si l'on restreint la notion de "méthode de diagnostic" à la seule opération de déduction, on vide de son sens et de sa raison d'être socio-éthique la disposition de l'
art. 2 lettre b LBI
. En effet, hormis les cas où le diagnostic est donné par un procédé susceptible d'application industrielle, la méthode de "diagnostic" au sens étroit ne constitue qu'une directive qui s'adresse à l'esprit humain et non pas une règle technique de mise en oeuvre de forces naturelles; elle ne peut, comme telle, faire l'objet d'un brevet (
art. 1er LBI
), et il n'eût dès lors pas été nécessaire de l'exclure par une disposition expresse. Au contraire, si la loi parle des méthodes de diagnostic appliquées au corps
BGE 108 II 221 S. 224
humain, c'est par opposition à celles qui sont appliquées hors du corps, par exemple aux liquides issus de l'être humain. Or, seules peuvent être appliquées au corps humain les méthodes d'investigation permettant d'aboutir au diagnostic, à l'exclusion de la pure opération de déduction qu'est le diagnostic.
C'est à tort, à cet égard, que le recourant cherche à dissocier l'investigation du diagnostic. Tout diagnostic postule en effet la constatation de certains symptômes concrets qui, le plus souvent, ne peut s'effectuer que par investigation. Il ne serait guère sensé d'exclure du brevet la méthode de diagnostic proprement dite, tout en autorisant d'y inclure la méthode d'investigation pour autant que celle-ci soit rendue nécessaire. Il s'ensuit que la "méthode de diagnostic" dont parle la loi doit être comprise comme recouvrant non pas seulement le diagnostic en tant que résultat, mais également la méthode d'investigation permettant d'arriver à ce résultat.
Par ailleurs, c'est en vain que le recourant fait valoir que le procédé revendiqué servirait aussi à la recherche, puisqu'un tel but nécessite également un diagnostic. Il soutient, sans davantage de succès, qu'une nouvelle investigation, postérieure à un diagnostic, ne serait plus un diagnostic. La détermination et l'examen de l'évolution d'une maladie font en effet partie des méthodes de diagnostic au même titre que la détermination et l'examen d'une première atteinte.
c) Dès lors, le procédé de surveillance, d'enregistrement et de transmission contenu dans les revendications litigieuses 1 et 2 constitue bien une méthode de diagnostic, puisqu'il sert à l'établissement d'un diagnostic et n'a pour but que ce diagnostic et les conséquences qui en seront tirées par le praticien. La décision attaquée est donc bien fondée et ne viole en rien le droit fédéral.
2.
Le recourant propose encore une nouvelle rédaction de ses revendications 1 et 2, le procédé dont il est l'auteur pouvant également, selon lui, être utilisé pour d'autres signaux que les signaux électrocardiographiques. Une telle offre de modification est irrecevable dans la présente procédure (
ATF 98 Ib 398
consid. 1 et renvois). En particulier, la possibilité donnée au juge civil de limiter le brevet en cas de nullité partielle (
art. 27 LBI
) ne vaut pas en matière de procédure de recours de droit administratif. Au demeurant, même si elle était recevable, la nouvelle variante proposée par le recourant ne représenterait pas une limitation, mais au contraire une extension de ses revendications, puisque,
BGE 108 II 221 S. 225
selon ce qui y est prévu, le procédé revendiqué engloberait d'autres signaux que les seuls signaux électrocardiographiques. Indépendamment de cela, il s'agirait également là d'une méthode de diagnostic, au sens où cette notion a été définie ci-dessus, ce qui exclurait de toute façon sa brevetabilité.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral:
Rejette le recours. | public_law | nan | fr | 1,982 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
1760b667-dd23-4a79-b493-191ca2b4ffe8 | Urteilskopf
112 Ia 344
54. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour civile du 24 septembre 1986 dans la cause D. contre A., B. et C. (recours de droit public) | Regeste
Art. 40 Abs. 4, Konkordat über die Schiedsgerichtsbarkeit, Ablehnung von Schiedsrichtern bei Aufhebung eines Teilschiedsspruchs.
Schiedsrichter können wegen ihrer Teilnahme am früheren Verfahren nur abgelehnt werden, wenn ein Schiedsspruch aufgehoben wird, der materiell über den geltend gemachten Anspruch entschieden und das Schiedsverfahren beendet hat. | Sachverhalt
ab Seite 345
BGE 112 Ia 344 S. 345
Dans le cadre d'une procédure arbitrale confiée à un tribunal arbitral composé de trois membres, la société D., demanderesse, s'est opposée à la participation à la procédure de l'organisation B., aux côtés des défenderesses A. et C. Le 8 juin 1982, une décision signée par le président du tribunal arbitral, pour ce tribunal, a prononcé que l'organisation B. n'était plus considérée comme partie au procès. Le 12 octobre 1984, la Cour de justice du canton de Genève a annulé cette sentence et renvoyé la cause au tribunal arbitral pour qu'il statue à nouveau, en considérant qu'il s'agissait d'une sentence partielle, non motivée ni signée par les trois arbitres.
Se fondant sur l'art. 40 al. 4 du Concordat intercantonal sur l'arbitrage (CIA), les défenderesses A., B. et C. ont demandé aux arbitres de se démettre, vu qu'ils avaient participé à la procédure ayant abouti à la décision du 8 juin 1982, annulée par la Cour de justice. D. s'étant opposée à cette demande, elles ont saisi l'autorité judiciaire de trois requêtes de récusation d'arbitres.
Statuant le 6 février 1986 à la suite d'un arrêt du Tribunal fédéral du 10 septembre 1985 (
ATF 111 Ia 255
), la Cour de justice du canton de Genève a admis ces requêtes et prononcé la récusation des arbitres nommés le 29 octobre 1980.
D. forme un recours de droit public contre cet arrêt. Invoquant la violation des art. 40 al. 4 et 32 CIA, elle conclut à l'annulation de l'arrêt attaqué et à ce qu'il soit constaté que les arbitres sont toujours valablement constitués.
Le Tribunal fédéral admet le recours et annule l'arrêt attaqué.
Erwägungen
Extrait des considérants:
3.
L'autorité cantonale a examiné si le motif de récusation fondé sur la participation des arbitres à la procédure antérieure,
BGE 112 Ia 344 S. 346
selon l'art. 40 al. 4 CIA, pouvait être retenu. Après une analyse historique et systématique de cette disposition, elle aboutit à la conclusion que celle-ci ne doit pas être réservée aux conséquences de la nullité de la sentence finale, mais qu'elle s'applique aussi en cas de nullité d'une sentence partielle, par quoi il faut entendre celle qui liquide un point de fait ou de droit et en tire les conclusions quant à la prétention litigieuse, à l'exclusion de l'ordonnance de procédure relative au déroulement du procès arbitral. Admettant ce motif de récusation, la Cour de justice s'est dispensée d'examiner si les autres causes de récusation invoquées par les intimées, sur la base de l'art. 18 CIA, étaient réalisées.
a) L'art. 40 al. 4 CIA dispose que "lorsque la sentence est annulée, les arbitres statuent à nouveau, à moins qu'ils ne soient récusés pour le motif qu'ils ont participé à la procédure antérieure, ou pour un autre motif".
L'examen des travaux préparatoires de cette disposition, selon l'exposé qu'en fait l'arrêt attaqué, révèle que le premier avant-projet de concordat, de novembre 1960, prévoyait que l'annulation de la sentence rendait le contrat d'arbitrage caduc et mettait les frais de la procédure à la charge des arbitres. Le 30 septembre 1965, la commission romande chargée de préparer un projet de concordat décidait de maintenir le principe de la caducité de la convention d'arbitrage si les arbitres étaient désignés nommément; sinon les parties étaient renvoyées à en désigner de nouveaux, tout arbitre ayant participé à la procédure qui a abouti à la sentence annulée étant récusable de ce chef s'il était appelé ultérieurement à connaître à nouveau de la contestation. Lors d'une séance du 3 mai 1967 de la commission ad hoc de la Conférence des directeurs cantonaux, le président s'est demandé si cet alinéa n'allait pas très loin dans le sens d'une restriction de l'autonomie des parties et s'il était nécessaire de prévoir la possibilité de récuser un tel arbitre; le juge André Panchaud lui a répondu que cette disposition avait été prévue parce que d'ordinaire la confiance fait alors défaut. En février 1969, l'Association suisse des banquiers, le Vorort et la Commission suisse d'arbitrage, dans leur mémoire sur le projet, évoquant le cas d'annulation partielle où il suffit de rectifier la sentence, ont suggéré de biffer cette disposition et proposé que la convention d'arbitrage fût examinée de cas en cas pour savoir si elle est devenue caduque ou non. Examinant ce mémoire et d'autres documents, la commission ad hoc, le 5 mars 1969, a admis la
BGE 112 Ia 344 S. 347
proposition suivante d'André Panchaud: "il est possible de désigner à nouveau chaque arbitre; chaque arbitre est récusable, et non pas récusé d'office). Cependant la rédaction pourrait en être améliorée et l'on pourrait dire: 'Lorsque la sentence est annulée, les arbitres statuent à nouveau, à moins qu'ils ne soient récusés pour le motif qu'ils ont participé à la procédure antérieure ou pour un autre motif'." C'est ainsi qu'est né le texte de l'art. 40 al. 4 CIA.
Cette évolution fait clairement ressortir, comme le relève la cour cantonale, que le législateur, qui était parti de l'idée que l'annulation de la sentence entraînait l'invalidité de la clause arbitrale, a fini par admettre que cette annulation demeurait sans effet sur ladite clause, sous réserve cependant de la faculté des parties de récuser les arbitres pour le seul motif qu'ils avaient participé à la sentence annulée, ou pour tout autre motif. Mais les auteurs du concordat n'ont manifestement eu en vue, lorsqu'ils ont introduit l'art. 40 al. 4 CIA, que la sentence qui met fin au litige. En effet, tout le processus d'élaboration de cette disposition montre qu'on est parti de l'idée initiale de la caducité du contrat d'arbitrage à la suite de l'annulation de la sentence; or cette idée de caducité du contrat d'arbitrage n'est compatible qu'avec une sentence rendue par les arbitres après achèvement de l'entier de leur mission; elle est étrangère à la notion de sentence partielle, qui suppose par définition que le travail des arbitres n'est pas terminé.
b) L'opinion de la doctrine rejoint l'interprétation historique. En effet, les auteurs ne parlent pas de la sentence partielle et, implicitement ou expressément, ils considèrent que l'art. 40 al. 4 CIA ne s'applique qu'à l'annulation d'une sentence qui a mis fin au litige et à la procédure arbitrale. Ainsi JOLIDON (Commentaire du concordat suisse sur l'arbitrage, p. 538) parle de la récusation après (re)constitution du tribunal arbitral, ce qui suppose une dissolution qui n'existe pas en cas de sentence partielle. CAPREZ (Le concordat sur l'arbitrage, in RSJ 72/1976, p. 236) évoque la possibilité pour les parties de passer un nouveau compromis, ce qui n'est pas non plus compatible avec la sentence partielle. WALDER-BOHNER (Das schweizerische Konkordat über die Schiedsgerichtsbarkeit, p. 30) suppose que la disposition s'inspire des lois de certains cantons où, après cassation d'un jugement rendu par un tribunal étatique, la cause est renvoyée à un autre tribunal, solution qui ne semble pas être appliquée en cas de sentence partielle. RÜEDE/HADENFELDT (Schweizerisches Schiedsgerichtsrecht, p. 359) indiquent expressément que la sentence
BGE 112 Ia 344 S. 348
annulée visée à l'art. 40 al. 4 CIA est celle qui a mis fin à la procédure arbitrale.
c) Cette interprétation, selon laquelle le motif spécifique de récusation prévu par l'art. 40 al. 4 CIA ne s'applique qu'en cas d'annulation d'une sentence finale statuant sur le fond du litige et mettant fin à la procédure arbitrale, est également conforme au texte de la disposition et à la systématique du concordat. En liant la récusation au fait d'avoir participé à la "procédure antérieure", et non pas au fait d'avoir rendu la sentence annulée, la disposition en cause paraît bien se référer à une procédure arbitrale qui a pris fin, qui a cessé d'exister. Elle règle la situation en permettant aux arbitres de statuer à nouveau, ce qui ne serait pas nécessaire dans le cas d'une sentence partielle qui n'a pas mis fin à la procédure arbitrale et, partant, à la vocation des arbitres.
Le professeur François Perret s'exprime dans ce sens dans une consultation donnée à la recourante le 19 décembre 1984. Il relève qu'un système légal mettant fin à la mission des arbitres après la notification de la sentence finale, même si celle-ci est annulée par l'autorité judiciaire, aurait été concevable. Mais ce n'est pas la solution du concordat, puisque l'art. 40 al. 4 prévoit le renvoi de la cause aux arbitres pour nouvelle décision. Le professeur Perret admet néanmoins, avec JOLIDON (op.cit., ad art. 4 p. 144), que le mandat donné aux arbitres prend fin avec la sentence notifiée, ce qui implique que si la cause leur est renvoyée après l'annulation de la sentence, toute nouvelle activité nécessite de leur part l'acceptation d'une mission complémentaire; de leur côté, les parties peuvent s'opposer à ce que les mêmes arbitres statuent à nouveau après avoir rendu une sentence définitive impliquant leur désaisissement. Le professeur Perret conclut que "l'art. 40 al. 4 CIA ne peut donc viser qu'une sentence finale sur le fond car seule une décision de cette nature peut mettre fin 'à la procédure antérieure'".
d) Pour juger que l'art. 40 al. 4 CIA s'applique aussi en cas de nullité d'une sentence partielle, la cour cantonale se fonde sur un avis exprimé par ANDRÉ PANCHAUD (La sentence arbitrale partielle, in Essais in Memoriam Eugenio Minoli, Turin 1974, p. 385 ss), selon lequel on peut se demander si une sentence partielle qui donne tort sur un point à l'un des plaideurs ne va pas être ressentie par lui comme une atteinte à son légitime espoir quant au succès de sa cause et, par là, comme une perte de confiance dans les arbitres pour la sentence finale à venir. La cour
BGE 112 Ia 344 S. 349
cantonale considère que PANCHAUD reprend ainsi l'argument qu'il avait évoqué dans les travaux préparatoires du concordat, à savoir que la récusation a été prévue "parce que d'ordinaire la confiance fait alors défaut". Elle en conclut que PANCHAUD était d'avis que l'art. 40 al. 4 CIA s'applique aussi en cas de nullité d'une sentence partielle, et déclare suivre cet avis.
Contrairement à ce que pense la cour cantonale, le point de vue qu'elle adopte sur ce point ne correspond pas à un avis réellement exprimé par PANCHAUD. Dans son article sur la sentence arbitrale partielle, cet auteur parle de perte de confiance liée au seul prononcé de la sentence, et non pas à l'annulation de cette sentence, ce qui est très différent de la situation visée par l'art. 40 al. 4 CIA. Il ne fait aucune allusion à cette disposition. Or toute la fin de son article où figure la remarque invoquée par la cour cantonale est consacrée aux inconvénients de la sentence partielle: allongement de la procédure, prises de position pouvant difficilement être revues, perte éventuelle de confiance pour l'avenir. Il n'est pas question dans ces observations de ce qui constituerait un obstacle beaucoup plus sérieux, à savoir la récusation possible des arbitres après chaque sentence partielle. On peut ainsi en conclure, à l'inverse de ce qu'a fait la cour cantonale, que PANCHAUD n'a jamais lié l'art. 40 al. 4 CIA à la sentence partielle. Au demeurant, l'argument tiré de la perte de confiance liée au seul prononcé de la sentence ne saurait être déterminant car les parties sont nécessairement conscientes du fait que le juge confronté à deux thèses opposées devra bien trancher en défaveur de l'une d'elles.
e) La sentence du 8 juin 1982, annulée le 12 octobre 1984, qui avait prononcé que B. n'était plus considérée comme partie au procès, n'a nullement mis fin à la procédure arbitrale. Elle se rapproche plutôt des décisions de procédure pour lesquelles la cour cantonale exclut l'application de l'art. 40 al. 4 CIA. L'annulation de cette sentence ne permet ni à B., ni à d'autres parties de récuser les arbitres pour le seul motif qu'ils ont participé à la sentence annulée. L'arrêt attaqué doit ainsi être annulé.
On relèvera encore que cette interprétation de l'art. 40 al. 4 CIA s'impose non seulement du point de vue historique et systématique, mais qu'elle est aussi conforme au bon sens et à l'un des buts essentiels de l'arbitrage, qui est de permettre un règlement rapide des litiges (
ATF 110 Ia 130
consid. 5d,
ATF 109 Ia 83
consid. 2a,
ATF 108 Ia 201
). Comme l'illustre la présente affaire, l'exploitation
BGE 112 Ia 344 S. 350
systématique des moyens offerts par le concordat permet déjà suffisamment aux parties de retarder, à l'encontre de ce but, le déroulement normal de la procédure arbitrale pour qu'il soit inopportun d'introduire des obstacles supplémentaires, par une interprétation extensive de la loi. | public_law | nan | fr | 1,986 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
176167e9-a933-4d49-8d7a-751a36e9cf92 | Urteilskopf
94 II 65
11. Arrêt de la IIe Cour civile du 11 juillet 1968 dans la cause Cardo contre Cardo. | Regeste
Art. 7 h NAG
. Scheidung ausländischer Ehegatten von verschiedener Staatsangehörigkeit.
1. Die Scheidung kann vom schweizerischen Richter am Wohnsitze des klagenden Ehegatten ausgesprochen werden, wenn dieser nachweist, dass nach Gesetz oder Gerichtsgebrauch seiner Heimat der geltend gemachte Scheidungsgrund zugelassen und der schweizerische Gerichtsstand anerkannt ist; entgegen einer frühern Rechtsprechung (
BGE 59 II 113
) braucht dieser Nachweis für das Heimatrecht des andern, im Scheidungsprozess beklagten Ehegatten nicht geleistet zu werden (Erw. 3 und 4).
2. Besitzt der klagende Ehegatte zwei ausländische Staatsangehörigkeiten, so genügt es, dass er den durch
Art. 7 h NAG
geforderten Nachweis für eines seiner beiden Heimatrechte leistet, und zwar für dasjenige, das den Anschauungen des schweizerischen Rechts am nächsten steht (Erw. 5).
3. Scheidung durch den schweizerischen Richter des Wohnsitzes, ausgesprochen auf Verlangen einer mit einem Italiener verheirateten Französin (Erw. 1, 2, 6 und 7). | Sachverhalt
ab Seite 66
BGE 94 II 65 S. 66
A.-
Mirco Cardo, né à Novare le 21 janvier 1944, de nationalité italienne, et Liliane Touzé, née à Bernay (Eure) le 25 novembre 1941, de nationalité française, ont contracté mariage devant l'officier de l'état civil d'Aubonne le 13 mars 1965. Un enfant, Marc Edouard, est né de leur union le 10 mai 1965 à Aubonne.
Les époux, qui s'étaient rencontrés environ 15 mois plus tôt, se sont mariés surtout en raison de la prochaine naissance de l'enfant. Dès le début du mariage, ils ont vécu en mésintelligence. Ils se disputaient fréquemment. Le mari injuriait grossièrement sa femme et l'a même frappée. Elle est, pour sa part, assez prompte et nerveuse.
Mirco Cardo, qui sortait généralement sans sa femme et fréquentait les bals, a noué une liaison adultère avec une vendeuse de Morges, qu'il connaissait déjà avant son mariage. Cette liaison dure toujours.
B.-
Par exploit du 13 janvier 1966, dame Cardo a ouvert une action en divorce. Elle s'est engagée ensuite comme serveuse dans un café à Peney près de Genève. Là, elle a fait la connaissance d'un tiers qui est devenu son amant et avec lequel elle vit à Satigny. Bonne mère, elle avait d'abord repris son fils auprès d'elle, puis elle l'a placé dans une pension.
La demanderesse a conclu à l'attribution de la puissance paternelle sur l'enfant Marc à la mère et au paiement par le défendeur d'une pension alimentaire pour ledit enfant, échelonnée de 180 à 250 fr. par mois selon son âge, et pour elle-même d'une pension mensuelle de 150 fr. en vertu des art. 151 et 152 CC.
Le défendeur a conclu à libération des fins de la demande et, reconventionnellement, à la séparation de corps pour une durée indéterminée, ainsi qu'à l'attribution de la puissance paternelle sur son fils.
Les parties ont liquidé à l'amiable leur régime matrimonial. Par jugement du 13 mars 1967, le Tribunal civil du district d'Aubonne a admis l'action de la demanderesse et prononcé le
BGE 94 II 65 S. 67
divorce. Il a attribué à la mère la puissance paternelle sur l'enfant Marc Edouard et dit que le père contribuerait à son entretien par le versement d'une pension mensuelle de 120 fr. jusqu'à ce que le bénéficiaire ait atteint l'âge de 6 ans révolus, 150 fr. de 6 à 12 ans révolus et 180 fr. de 12 à 20 ans révolus, allocations familiales non comprises. Le tribunal a déclaré que le défendeur pourrait voir librement son fils et, à défaut d'entente entre les parents, alternativement le premier et le troisième dimanche, le second et le quatrième samedi de chaque mois, de neuf à dix-huit heures.
Ce jugement est motivé, en bref, comme il suit:
Les deux conjoints sont domiciliés en Suisse et le défendeur est entré en matière, sans réserves, sur le fond, de telle sorte que le tribunal saisi est compétent pour connaître de l'action de la demanderesse.
Le mari a commis adultère et, à de nombreuses reprises, il a injurié sa femme et l'a frappée. Il s'est de plus montré incapable d'entretenir sa famille. Certes l'épouse a elle aussi commis adultère, mais après l'ouverture d'action et la cessation de la vie commune. Sa liaison la prive de la qualité d'épouse innocente, et partant du droit à une indemnité ou à une pension alimentaire; elle n'a toutefois pas joué un rôle causal dans la désunion des parties. Les disputes fréquentes qui ont éclaté entre les époux constituent des causes indéterminées de divorce au sens de l'art. 142 CC. Bien que la demanderesse ait souvent manifesté une nervosité excessive, la désunion est principalement imputable au défendeur. Il en résulte que le divorce doit être prononcé, conformément à la demande de l'épouse, en vertu des art. 137 et 142 CC.
C.-
Saisie par le mari, qui invoquait une violation de l'art.
7 h LRDC, la Chambre des recours du Tribunal cantonal vaudois, par arrêt du 30 juin 1967, a réformé le jugement de première instance et prononcé la séparation de corps pour une durée indéterminée.
Elle a réglé les effets accessoires de la séparation de corps de la même façon que le tribunal de district l'avait fait pour le divorce.
La juridiction cantonale a relevé dans ses considérants que la loi nationale du défendeur ne connaissait pas le divorce, et partant qu'un tribunal suisse ne pouvait pas dissoudre le lien du mariage contracté par un ressortissant italien avec une personne d'une autre nationalité étrangère.
BGE 94 II 65 S. 68
D.-
Dame Cardo recourt en réforme au Tribunal fédéral et reprend ses conclusions en divorce.
L'intimé Mirco Cardo conclut au rejet du recours.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
Selon la jurisprudence du Tribunal fédéral, la convention entre la Suisse et la France sur la compétence judiciaire et l'exécution des jugements en matière civile du 15 juin 1869 n'est pas applicable aux actions en divorce ou en séparation de corps (RO 79 II 8, consid. 1). La compétence des tribunaux suisses pour connaître de l'action en divorce que la recourante, se prévalant de sa nationalité française, intente à son mari, qui est italien, doit donc être examinée selon les règles du droit suisse (ibidem).
2.
Le divorce des étrangers en Suisse est régi par l'art. 7 h LRDC, aux termes duquel:
"Un époux étranger qui habite la Suisse a le droit d'intenter son action en divorce devant le juge de son domicile, s'il établit que les lois ou la jurisprudence de son pays d'origine admettent la cause de divorce invoquée et reconnaissent la juridiction suisse.
La cause de divorce qui date d'une époque où les conjoints étaient régis par une loi différente de leur loi actuelle ne peut être invoquée que si elle est consacrée aussi par la législation sous l'empire de laquelle cette cause s'est produite.
Lorsque ces conditions sont remplies, le divorce d'époux étrangers est d'ailleurs prononcé selon la loi suisse."
a) La recourante était domiciliée en Suisse tant au moment de l'introduction de l'action que lors du jugement, de telle sorte que les tribunaux suisses sont compétents pour connaître de sa demande en divorce au regard de l'art. 7 h LRDC (cf. BECK, Kommentar zum schweiz. ZGB, Schlusstitel, Berne 1932, n. 29, 30 et 40 ad art. 7 h LRDC; SCHNITZER, Handbuch des internationalen Privatrechts, 4e éd., Bâle 1957, tome I, p. 379). Peu importe à cet égard que le domicile de l'époux demandeur soit déterminé uniquement par le droit suisse ou que le droit étranger entre également en ligne de compte parce qu'il en ferait une condition de la reconnaissance de la juridiction suisse (cf. RO 83 II 496, consid. 2). En effet, lorsqu'elle a déposé l'exploit de citation en conciliation qui, selon la procédure civile vaudoise, constitue l'ouverture de l'action en divorce, dame Cardo avait son domicile à Aubonne, où se trouvait celui de son mari, tant en vertu du droit suisse (art. 25 al. 1 CC) que du droit
BGE 94 II 65 S. 69
français (art. 108 al. 1 CCF) ou du droit italien (art. 45 al. 1 CCI). Au surplus, elle résidait alors en fait dans cette ville. Elle n'a pris que plus tard, après l'ouverture du procès, une demeure séparée dans le canton de Genève.
En droit suisse interne, le juge compétent pour connaître d'une action en divorce est celui du domicile de la partie demanderesse au moment de l'ouverture d'action (art. 144 CC; RO 90 II 213). Les tribunaux vaudois étaient dès lors compétents pour statuer sur la demande.
b) Malgré son mariage avec un Italien, la recourante a conservé sa nationalité française, conformément aux règles du droit français, car elle ne l'a pas répudiée par une déclaration expresse (cf. art. 94 de l'ordonnance du 19 octobre 1945 portant code de la nationalité française; DALLOZ, Nouveau Répertoire de Droit, 2e éd., Paris 1964, tome III, nos 67 ss., p. 383; BATTIFOL, Droit international privé, 4e éd., 1967, p. 136, no 125). Mais en vertu du droit italien, elle a acquis la nationalité italienne par le seul fait de son mariage avec un ressortissant de ce pays (art. 10 al. 1 et 2 de la loi du 13 juin 1912 "sulla cittadinanza italiana"; QUADRI, Novissimo Digesto Italiano, tome III, 1957, au mot "cittadinanza", n. 7 E, p. 328). Elle se réclame toutefois uniquement de sa nationalité française pour saisir le juge suisse de son domicile d'une demande en divorce contre son mari, ressortissant italien.
3.
Dans son arrêt Schmidlin du 29 juin 1933 (RO 59 II 113), le Tribunal fédéral a jugé que lorsque les deux époux sont de nationalités différentes, sans qu'aucun d'eux soit ressortissant suisse, celui qui forme une demande en divorce devant le juge suisse de son domicile doit établir non seulement que la loi ou la jurisprudence de son propre pays d'origine, mais aussi celles du pays d'origine de son conjoint, admettent la cause de divorce invoquée et reconnaissent la juridiction suisse. Il a relevé dans ses considérants que l'art. 7 h LRDC ne par le assurément que du pays d'origine de la partie demanderesse. Mais cela s'explique par le fait que le législateur a envisagé le cas, de loin le plus fréquent, où les deux époux sont ressortissants du même pays. La raison de cette disposition légale est d'éviter la naissance de conflits avec le pays d'origine de conjoints étrangers au sujet de leur état civil. Le but visé par le législateur ne peut être atteint que si la preuve requise par l'art. 7 h LRDC est fournie également pour le pays d'origine du défendeur. La situation
BGE 94 II 65 S. 70
est différente lorsque l'époux demandeur est ressortissant suisse; en pareil cas, l'action en divorce ne tend pas à la dissolution d'un mariage d'époux étrangers et l'art. 7 h LRDC ne trouve pas application.
La doctrine s'est en général prononcée dans le même sens, mais certains auteurs observent que l'interprétation quelque peu extensive ainsi donnée au texte légal rend plus difficile le divorce des étrangers en Suisse (STAUFFER, Das internationale Privatrecht der Schweiz aufGrund des Bundesgesetzes betreffend die zivilrechtlichen Verhältnisse der Niedergelassenen und Aufenthalter vom 25. Juni 1891/10. Dezember 1907, Aarau 1925, n. 6 ad art. 7 h LDRC; Die Scheidung von Ausländern in der Schweiz, RJB 59, 1923, p. 16; Aus der neuesten Praxis auf dem Gebiet des internationalen Ehescheidungs- und Ehenichtigkeitsrechtes, RSJ 23, 1926/1927, p. 161 s., notamment 162 ch. 2 litt. b in fine; BECK, op.cit., n. 2, 3, 32 et 45 ad art. 7 h LRDC; LACHENAL, FJS no 886, p. 4 ch. V, litt. c; SCHNITZER, op.cit., p. 373 ss., 378 ss., qui préconise de lege ferenda l'application de la loi du domicile, sur le modèle de la jurisprudence française). En revanche, KNAPP (RDS 1949 p. 127 s. et Mélanges François Guisan, Lausanne 1950, p. 216) s'est élevé contre la différence faite par la jurisprudence du Tribunal fédéral, selon que l'époux demandeur est suisse ou étranger; il estime que ce dualisme de solutions repose sur un motif politique plutôt que juridique, qu'il n'approuve pas, et tient pour suffisant que les exigences de l'art. 7 h LRDC soient remplies par la loi nationale de la partie demanderesse. Dénonçant lui aussi une contradiction dans la jurisprudence, VISCHER ("Mariage mixte" und Ehescheidung im internationalen Privatrecht der Schweiz, dans Jus et Lex, Festgabe Gutzwiller, Bâle 1959, p. 413 ss., notamment p. 425 s.) propose une révision législative qui tendrait à appliquer, lorsque les lois nationales des conjoints divergent quant à la reconnaissance de l'institution du divorce, la loi commune du lieu où se trouve le centre de la vie conjugale (das Recht des Zentrums der ehelichen Existenz). LALIVE rejette en principe la solution de l'arrêt Schmidlin, à savoir l'application cumulative des deux lois nationales des époux, et propose lui aussi que le législateur abandonne le critère de l'origine au profit de celui du domicile (Regards sur le droit international privé suisse, dans Recueil de travaux publié à l'occasion de l'Exposition nationale suisse Lausanne 1964, p. 187 et 195).
BGE 94 II 65 S. 71
4.
Si le juge ne peut pas se fonder sur des considérations relatives au droit désirable, il doit néanmoins s'efforcer d'appliquer la loi d'une manière aussi conforme que possible à la situation et à la mentalité actuelles. A cet effet, il sera souvent conduit à abandonner une interprétation traditionnelle, qui se justifiait sans doute lorsque la loi a été élaborée, mais qui n'est plus soutenable en raison du changement des circonstances ou même de l'évolution des idées (cf. STAUFFER, Einige Gedanken zu
Art. 1 ZGB
, RJB 87, 1951, p. 1 ss., notamment 8 s.; MEIER-HAYOZ, Kommentar, Einleitung, Berne 1962, n. 154 ss. ad art. 1er CC; TUOR/SCHNYDER, ZGB, 8e éd., Zurich 1968, p. 31; DESCHENAUX, Schweizerisches Privatrecht, tome II, Bâle 1967, p. 85 s.). Valables en droit civil, ces considérations le sont plus encore en droit international privé, qui est essentiellement de source jurisprudentielle, même s'il existe en la matière une loi générale (cf. FLATTET, RDS 1967 II 711).
La lettre de l'art. 7 h LRDC n'impose nullement l'interprétation extensive de l'arrêt Schmidlin; si elle exige du demandeur la preuve que les lois ou la jurisprudence de son pays d'origine admettent la cause de divorce invoquée et reconnaissent la juridiction suisse, elle ne fait nulle mention de la loi nationale de l'époux défendeur. En obligeant le demandeur à faire la preuve requise également au regard du droit du pays d'origine de son conjoint, la jurisprudence a donc posé une exigence supplémentaire, qui a pour effet de rendre plus difficile - et parfois impossible - le divorce des étrangers en Suisse. Or l'application cumulative delois nationales de chacun des deux époux ne peut se défendre que si l'on pose ouvertement le principe que le divorce doit rester un mode exceptionnel de dissolution du mariage (BATTIFOL, op.cit., p. 489 s., n. 61). Une pareille affirmation est inconciliable avec la réalité, tant en Suisse que dans la plupart des pays voisins: si les lois protègent la famille et demeurent fondées sur la règle de l'indissolubilité du mariage, elles n'en connaissent pas moins l'institution du divorce et les justiciables, qu'ils soient ressortissants du pays ou étrangers, recourent largement à la faculté de faire dissoudre leur mariage par un divorce prononcé pour les causes légales. Il convient dès lors de modifier la jurisprudence de l'arrêt Schmidlin et de s'en tenir désormais à une interprétation stricte de l'art. 7 h LRDC, en ce sens que l'époux demandeur à l'action en divorce ne devra fournir les
BGE 94 II 65 S. 72
preuves requises que pour sa propre loi nationale, sans égard à à celle de son conjoint.
5.
Lorsque, comme en l'espèce, l'épouse a acquis la nationalité de son mari par l'effet que la loi nationale de celui-ci attribue au mariage, et qu'elle a conservé sa nationalité en vertu du droit de son pays d'origine, elle devient double nationale. Certains auteurs estiment que l'époux qui possède deux nationalités étrangères doit faire la preuve requise par l'art. 7 h LRDC pour chacun des deux pays dont il est ressortissant (STAUFFER, RJB 59, 1923, p. 16; n. 3 ad art. 5 et n. 7 ad art 7 h LRDC; NIEDERER, Einführung in die allgemeinen Lehren des internationalen Privatrechts, 3e éd., Zurich 1961, p. 159; S. SCHMIDHEINY, Die privatrechtlichen Folgen der selbständigen Staatsangehörigkeit der Ehefrau, thèse Zurich 1958, p. 40). Mais cette solution, sous le couvert d'une application cumulative des deux lois nationales, équivaut pratiquement à retenir la loi la plus restrictive (cf. KNAPP, RDS 1949 p. 127 s.). Et si l'une des deux lois qui entrent en ligne de compte ignore l'institution du divorce, la prétendue application cumulative aboutit à prohiber la dissolution du lien du mariage, quand bien même le jugement de divorce rendu en Suisse serait reconnu par le droit de l'un des pays d'origine du demandeur (cf. BECK, rem. prél. 61 ad art. 59 Tit. fin. CC et n. 35 ad art. 7 h LRDC). Aussi bien, d'autres auteurs ont proposé, à l'instar de la jurisprudence française (cf. BATTIFOL, op.cit., no 81, p. 85), de retenir uniquement celle des deux nationalités en présence à laquelle l'intéressé se rattache le plus en fait (SCHNITZER, op.cit., tome I, p. 163; KEGEL, Internationales Privatrecht, 2e éd., 1964, p. 156; F.-H. HOOL, Les effets de la double nationalité en droit suisse, thèse Neuchâtel 1949, p. 90, qui propose cette solution de lege ferenda). Toutefois, la détermination de la nationalité de fait sera souvent difficile et créerait le risque d'une insécurité juridique.
Au demeurant, il est douteux qu'une pareille solution soit compatible avec le droit international privé suisse en vigueur. Il résulte en effet de l'art. 5 LRDC, appliqué par analogie aux étrangers en Suisse en vertu de l'art. 32 LRDC, que l'étranger qui possède plusieurs nationalités sera considéré comme ressortissant du pays d'origine dans lequel il a eu son dernier domicile ou, s'il n'a jamais été domicilié dans aucun de ses pays d'origine, du pays dont il a acquis en dernier lieu la nationalité
BGE 94 II 65 S. 73
(HOOL, loc.cit.). C'est aussi la solution que propose BECK (n. 35 ad art. 7 h LRDC), lequel toutefois ne se réfère pas à l'art. 5 LRDC, mais à la volonté du législateur. S'exprimant à propos de la femme qui devient double nationale par suite de son mariage avec un étranger, RAAPE (Internationales Privatrecht, 5e éd., 1961, p. 57 et Staudingers Kommentar zum BGB, tome IV, Einführungsgesetz, 2. Teil, Internationales Privatrecht, 9e éd., 1931, p. 789, n. B III 2 b) accorde la préférence à la loi du pays dont la nationalité a été acquise en dernier lieu, sans égard au domicile, parce qu'elle est en même temps la loi nationale du mari et qu'une concordance du statut personnel des deux époux est souhaitable (cf. aussi ERMAN, Handkommentar zum BGB, 4e éd., 1967, vol. II, p. 1819; SOERGEL, BGB, 8e éd., 1955, vol. IV, p. 286).
L'application des art. 5 et 32 LRDC conduirait en l'espèce à tenir la loi italienne, qui est celle de la dernière nationalité acquise par la recourante, pour la loi d'origine de la partie demanderesse au sens de l'art. 7 h LRDC. Toutefois, si le juge suisse ne veut pas rendre le divorce des étrangers doubles nationaux plus difficile, voire impossible lorsque l'une des lois nationales en présence ne connaît pas cette institution, il se contentera nécessairement, avec BECK (n. 35 ad art. 7 h LRDC) et LACHENAL (FJS no 886, p. 4, ch. V c 1), de la preuve que les conditions requises par l'art. 7 h LRDC sont réalisées dans une seule des lois nationales en présence. On peut en effet considérer qu'il suffit, au regard de cette disposition légale, que le jugement de divorce rendu en Suisse soit reconnu par l'un des pays d'origine du demandeur (voir ci-dessus consid. 4), où celui-ci pourra se faire délivrer des actes d'état civil correspondant à sa condition d'époux divorcé. Et du moment que sa propre loi connaît le divorce, le juge suisse n'a aucune raison de donner la préférence à la loi étrangère qui ignore cette institution. Il convient dès lors de choisir celle des deux législations d'origine de l'époux demandeur qui se rapproche le plus de nos conceptions. En l'espèce, c'est la loi française, qui connaît l'institution du divorce et subordonne la dissolution du lien conjugal à la constatation par le juge de la réalisation de certaines causes de divorce fixées par la loi, causes qui correspondent dans l'ensemble à celles du droit suisse.
Au demeurant, il serait vain de refuser à la recourante un divorce qu'elle obtiendrait vraisemblablement devant les tribunaux
BGE 94 II 65 S. 74
français, sans même prendre domicile dans son pays d'origine, en se prévalant de l'art. 14 CCF, applicable aux actions en divorce ou en séparation de corps formées par une Française contre son mari étranger (cf. Revue critique de droit international privé 1959, p. 495 et 1964, p. 739; BATTIFOL, op.cit., no 673, p. 756, n. 13 ter) et de la jurisprudence bien établie qui admet le divorce prononcé à la demande d'un époux français contre son conjoint italien (cf. BATTIFOL, loc.cit., p. 489). Le conflit avec la loi nationale de l'intimé se produirait ainsi de toute manière.
6.
La jurisprudence française admet la compétence des tribunaux suisses pour prononcer le divorce d'époux français domiciliés en Suisse, lorsque le défendeur ne décline pas cette compétence (RO 79 II 7 ss.). Et dans un arrêt Rivière du 17 avril 1953, la Cour de cassation française a posé une nouvelle règle de conflit qui soumet le divorce d'époux de nationalités différentes à la loi de leur domicile commun (Revue critique de droit international privé, 1953, p. 412; BATTIFOL, op.cit., no 443 p. 490). Le juge suisse saisi d'une demande en divorce d'époux étrangers domiciliés en Suisse, dont l'un seulement a la nationalité française, trouve ainsi que les tribunaux français jugeraient le mérite de cette même demande à la lumière du droit suisse, directement applicable en vertu de la règle suisse de conflit, et il n'a plus à rechercher, en raison de ce renvoi, la conformité de la loi nationale et de la loi suisse, à l'égard du conjoint français; il devra cependant tenir compte de l'ordre public français, qui pourrait faire obstacle à la reconnaissance du jugement (cf. BECK, n. 57 ad art. 7 h LRDC et FLATTET, Du divorce, en Suisse, d'époux dont l'un seulement a la nationalité française, Recueil de Travaux de la Faculté de droit de l'Université de Lausanne, 1958, p. 105 s., 115).
Les faits constatés par les juridictions cantonales, notamment les sévices que l'intimé a commis sur la personne de sa femme et les injures graves qu'il a proférées à son endroit, constituent des causes de divorce tant en droit suisse (art. 138 et subsidiairement art. 142 CC) qu'en droit français (art. 232 CCF). De même, l'adultère du mari est une cause de divorce dont la femme peut se prévaloir en vertu de la législation suisse (art. 137 CC), comme de la législation française (art. 230 CCF).
La recourante a ainsi établi que les lois ou la jurisprudence de son pays d'origine, la France, admettent la cause de divorce
BGE 94 II 65 S. 75
qu'elle a invoquée à l'appui de sa demande et reconnaissent la compétence des tribunaux suisses. Le divorce doit dès lors être prononcé, nonobstant le fait que ce jugement ne sera sans doute pas reconnu en Italie.
7.
L'arrêt attaqué a réglé les effets accessoires de la séparation de corps dans le sens des conclusions prises par la recourante. Il s'agit de l'attribution de la puissance paternelle sur l'enfant issu de mariage et de ses relations avec l'autre conjoint, d'une part, et de la liquidation du régime matrimonial, d'autre part. Ces questions doivent être réglées, que le juge prononce le divorce ou la séparation de corps, et elles peuvent l'être, en droit suisse, de la même façon dans les deux cas (cf. art. 155 et 156 CC). Aussi le recours est-il sans objet quant à ces conclusions.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral:
Admet le recours et réforme l'arrêt attaqué en ce sens que l'action de la demanderesse est admise et le mariage dissous par le divorce. | public_law | nan | fr | 1,968 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
1762ba4f-a8e0-48d4-b72c-eece478e3f86 | Urteilskopf
104 Ia 9
4. Urteil vom 1. März 1978 i.S. Herzog gegen Ortsgemeinde Fruthwilen und Regierungsrat des Kantons Thurgau | Regeste
Art. 4 BV
; Parteientschädigung im Verwaltungsbeschwerdeverfahren.
1. Im Beschwerdeverfahren vor kantonalen Verwaltungsbehörden besteht ein Anspruch auf Parteientschädigung nur soweit, als das kantonale Recht dies vorsieht; unmittelbar aus
Art. 4 BV
lässt sich kein solcher Anspruch herleiten (E. 1).
2. Auslegung von § 5 Abs. 2 des thurgauischen Gesetzes über die Administrativstreitigkeiten vom 14. März 1866, wonach der obsiegenden Partei eine "angemessene Kostenentschädigung" zugesprochen werden "kann" (E. 2). | Sachverhalt
ab Seite 10
BGE 104 Ia 9 S. 10
August Herzog reichte durch einen Anwalt gegen eine Gemeindeabstimmung der Ortsgemeinde Fruthwilen Beschwerde ein, die der Bezirksrat Steckborn abwies. Gegen diesen Entscheid liess Herzog durch seinen Anwalt Beschwerde beim Regierungsrat des Kantons Thurgau einreichen, wobei er Gutheissung "unter Kosten- und Entschädigungsfolge für beide Instanzen" verlangte. Der Regierungsrat hiess die Beschwerde gut. Er sah davon ab, Verfahrenskosten zu erheben. Das Entschädigungsbegehren wies er mit der Begründung ab, gemäss konstanter Praxis werde auch im Fall der Gutheissung einer Beschwerde nur bei Vorliegen ausserordentlicher Umstände von der in § 5 Abs. 2 des Gesetzes über die Administrativstreitigkeiten vorgesehenen Möglichkeit, eine Parteientschädigung zuzusprechen, Gebrauch gemacht; ein solcher Fall liege hier nicht vor.
August Herzog führt gegen den Entscheid des Regierungsrates, soweit damit die Zusprechung einer Parteientschädigung verweigert wird, wegen Verletzung von
Art. 4 BV
staatsrechtliche Beschwerde. Das Bundesgericht weist diese ab aus folgenden
Erwägungen
Erwägungen:
1.
Der Beschwerdeführer erklärt, grundsätzlich ergebe sich ein Anspruch auf Ausrichtung einer Parteientschädigung schon direkt aus
Art. 4 BV
, und zwar auch im Verwaltungsverfahren
BGE 104 Ia 9 S. 11
und ohne entsprechende kantonale Bestimmung. Die Behauptung trifft in dieser allgemeinen Form keineswegs zu. Es ist an sich denkbar, dass das Bundesgericht im Einzelfall den eine Parteientschädigung ablehnenden Entscheid einer kantonalen Verwaltungsbehörde selbst dann wegen Verletzung des
Art. 4 BV
aufheben könnte, wenn keine kantonale Vorschrift die Ausrichtung einer Parteientschädigung vorsieht, nämlich dann, wenn die Ablehnung des Entschädigungsbegehrens in stossender Weise dem Gerechtigkeitsempfinden zuwiderliefe. Hingegen hat das Bundesgericht nie aus
Art. 4 BV
den allgemeinen Satz abgeleitet, im Rechtsmittelverfahren vor der Verwaltungsbehörde müsse der obsiegenden Partei, wenn sie durch einen Anwalt vertreten gewesen sei, eine Parteientschädigung zugesprochen werden.
Nach Art. 64 Abs. 1 des Bundesgesetzes über das Verwaltungsverfahren (VwVG), auf den sich der Beschwerdeführer unter Hinweis auf ein Urteil des Bundesgerichts (
BGE 98 Ia 506
) beruft, kann die Beschwerdeinstanz der ganz oder teilweise obsiegenden Partei von Amtes wegen oder auf Begehren eine Entschädigung für ihr erwachsene notwendige und verhältnismässig hohe Kosten zusprechen. Der Bundesgesetzgeber sieht demnach nicht vor, dass im Verwaltungsbeschwerdeverfahren der obsiegenden Partei, die durch einen Anwalt vertreten war, stets eine Parteientschädigung zugesprochen werden müsste. Zunächst liegt es in der Natur der sogenannten Kann-Vorschrift, dass der Behörde beim Entscheid, ob eine Parteientschädigung zuzusprechen sei oder nicht, ein erheblicher Spielraum des Ermessens zusteht. Zudem brauchen nicht immer "verhältnismässig hohe" Kosten zu entstehen, wenn ein Anwalt tätig wird. Da der Bundesgesetzgeber in einem Erlass aus neuerer Zeit - das VwVG wurde 1968 geschaffen - nicht vorschreibt, im Verwaltungsbeschwerdeverfahren müsse der obsiegenden Partei bei Beizug eines Anwalts eine Entschädigung zugesprochen werden, scheint die These des Beschwerdeführers, ein solcher Anspruch lasse sich direkt aus
Art. 4 BV
herleiten, bereits erschüttert.
Es ist freilich einzuräumen, dass sich in der neuern kantonalen Gesetzgebung über die Verwaltungsrechtspflege eine gewisse Tendenz abzeichnet, wonach auch im Verfahren vor den Verwaltungsbehörden der obsiegenden, durch einen Anwalt
BGE 104 Ia 9 S. 12
vertretenen Partei im allgemeinen eine Entschädigung zukommen soll. Doch enthalten auch neuere Gesetze ganz wesentliche Vorbehalte. So bestimmt das Luzerner Gesetz über die Organisation des Verwaltungsgerichts und die Verwaltungsrechtspflege vom 3. Juli 1972 in § 201 Abs. 2 für Fälle, in denen nicht Parteien mit gegensätzlichen Interessen beteiligt sind: "Wenn der Vorinstanz grobe Verfahrensfehler oder offenbare Rechtsverletzungen zur Last fallen, wird der obsiegenden Partei zu Lasten des Gemeinwesens, dem die Vorinstanz angehört, eine angemessene Vergütung für ihre Vertretungskosten zugesprochen". Nach dem Wortlaut der Vorschrift ist somit eine Parteientschädigung nicht zuzusprechen, wenn der Vorinstanz nicht einer der genannten groben Fehler zur Last fällt. Nach Art. 41 des Beschlusses des Walliser Staatsrates vom 11. Oktober 1966 über das Verwaltungsverfahren vor dem Staatsrat und seinen Departementen kann dem obsiegenden Beteiligten, "wo besondere Verhältnisse es rechtfertigen", eine angemessene Entschädigung zugesprochen werden. Nach Art. 98 des St. Galler Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege vom 16. Mai 1965 besteht "in Klagefällen, in Beschwerdeverfahren vor Verwaltungsgericht und wenn das Bundesrecht es vorschreibt", Anspruch auf Ersatz der ausseramtlichen Kosten; in den übrigen Fällen - also auch und vorab im Verwaltungsbeschwerdeverfahren - werden in der Regel keine ausseramtlichen Kosten zugesprochen. Nach § 17 des Zürcher Gesetzes über den Rechtsschutz in Verwaltungssachen (Verwaltungsrechtspflegegesetz) vom 24. Mai 1959 werden im Verfahren vor den Verwaltungsbehörden keine Parteientschädigungen zugesprochen. Im Rekursverfahren (und im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht) kann indessen die unterliegende Partei oder Amtsstelle zu einer angemessenen Entschädigung für die Umtriebe des Gegners verpflichtet werden, wenn ihre Rechtsbegehren oder die angefochtene Verfügung offensichtlich unbegründet waren. Nach § 36 Abs. 2 des aargauischen Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege vom 9. Juli 1968 ist dem Obsiegenden im Verwaltungsbeschwerdeverfahren eine angemessene Entschädigung für Anwaltskosten zuzusprechen, sofern der Beizug eines Anwalts nicht offensichtlich unbegründet war. Am weitesten scheint Art. 19 der Verordnung des Urner Landrats über die Gebühren und Entschädigungen in der Verwaltung vom 12. Dezember 1973
BGE 104 Ia 9 S. 13
zu gehen, der lautet: "Dem teilweise oder ganz obsiegenden Beschwerdeführer, dem im Verwaltungsverfahren Anwaltskosten entstanden sind, ist eine Parteientschädigung zuzuerkennen" (vgl. dazu
BGE 104 Ia 6
).
Diese durchaus unvollständige Übersicht zeigt, dass sich bis jetzt in der Schweiz kein allgemein anerkannter Rechtsgrundsatz herausgebildet hat, wonach im Verwaltungsbeschwerdeverfahren der obsiegenden, durch einen Anwalt vertretenen Partei eine Parteientschädigung zugesprochen werden muss. Es wäre nicht angängig, einen derartigen Anspruch unmittelbar aus
Art. 4 BV
herzuleiten. Die Kantone können im Rahmen der ihnen zustehenden gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit die Lösung wählen, die sie für richtig und angemessen halten. Das thurgauische Recht sieht die Möglichkeit, im Verwaltungsbeschwerdeverfahren eine Parteientschädigung zuzusprechen, vor, und das Bundesgericht hat nur zu prüfen, ob der Regierungsrat die betreffende kantonalrechtliche Vorschrift willkürlich angewendet hat.
2.
Nach § 5 Abs. 2 des thurgauischen Gesetzes über die Administrativstreitigkeiten vom 14. März 1866 "kann" der obsiegenden Partei eine "angemessene Kostenentschädigung" zugesprochen werden. Da es sich bei diesem Gesetz nicht um einen modernen, sondern um einen aus dem letzten Jahrhundert stammenden Erlass handelt, ist es nicht unhaltbar, wenn die thurgauischen Behörden die Kann-Vorschrift des
§ 5 Abs. 2 eng
auslegen, nämlich in dem Sinne, dass eine Parteientschädigung nur zuzusprechen ist, wenn ausserordentliche Umstände vorliegen. Diese Auslegung entspricht unbestrittenermassen einer langjährigen gefestigten Praxis. Der Wortlaut der Vorschrift schliesst eine solche zurückhaltende Auslegung nicht aus, und es ist auch nicht nachgewiesen, dass die Praxis der thurgauischen Behörden klarerweise dem Willen des historischen Gesetzgebers widerspricht. Die Annahme, nach dem Sinn von § 5 Abs. 2 sei eine Parteientschädigung nur ausnahmsweise zuzusprechen, erscheint vertretbar.
Es bleibt einzig zu prüfen, ob der Regierungsrat im konkreten Fall das Vorliegen ausserordentlicher Umstände, welche die Zusprechung einer Parteientschädigung aufdrängen, ohne Willkür verneinen durfte. Die Arbeit, die der Anwalt vor den beiden kantonalen Instanzen zu leisten hatte, ist zwar nicht gering einzuschätzen. Es lässt sich aber nicht sagen, die Beschwerdesache
BGE 104 Ia 9 S. 14
sei überdurchschnittlich kompliziert oder umfangreich gewesen oder sie habe einen aussergewöhnlichen Zeit- und Arbeitsaufwand erfordert. Der Regierungsrat verfiel daher nicht in Willkür, wenn er die Zusprechung einer Parteientschädigung ablehnte. | public_law | nan | de | 1,978 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
176cce33-6e72-44df-9270-659573bc73ca | Urteilskopf
89 I 233
38. Urteil vom 10. Juli 1963 i.S. Zürrer gegen Glaus und Regierungsrat des Kantons St. Gallen. | Regeste
Art. 88 OG
,
Art. 4 BV
.
1. Der Private, dem eine Aufgabe der öffentlichen Verwaltung zur entgeltlichen Besorgung übertragen worden ist, kann sich gegen den Entzug dieser Funktion mit der staatsrechtlichen Beschwerde wegen Verletzung des
Art. 4 BV
zur Wehr setzen (Erw. 2).
2. Rechtliches Gehör im Verwaltungsverfahren: Der Dritte, dessen rechtlich geschützte Interessen durch die im Verfahren zu treffende Verfügung unmittelbar berührt werden, hat Anspruch darauf, im Verfahren gehört zu werden (Erw. 3).
3. Willkürliche Umteilung von Tierbeständen, die einem Tierarzt im Tuberkulose- und Bangbekämpfungsverfahren zur Kontrolle zugewiesen worden sind? (Erw. 4). | Sachverhalt
ab Seite 234
BGE 89 I 233 S. 234
A.-
Zur Durchführung der Massnahmen, die im Bundesgesetz über die Bekämpfung der Rindertuberkulose vom 29. März 1950 und im Bundesratsbeschluss über die Bekämpfung des Rinderabortus Bang vom 9. November 1956 vorgesehen sind, hat der Regierungsrat des Kantons St. Gallen die frei praktizierenden Tierärzte herangezogen und sie als Kontrolltierärzte eingesetzt (Art. 3 Abs. 1 der kantonalen Verordnung über die Bekämpfung der Rindertuberkulose vom 22. Januar 1952 und Art. 19 der kantonalen Verordnung über die Bekämpfung des Rinderabortus Bang vom 6. Januar 1959, welch letztere Bestimmung inzwischen durch Art. 7 der entsprechenden Verordnung vom 5. März 1962 ersetzt worden ist). Das kantonale Volkswirtschaftsdepartement weist zu diesem Behufe im Einvernehmen mit der kantonalen Veterinärkommission den praktizierenden Tierärzten Viehbestände aus ihrer Gegend zur kontrolltierärztlichen Betreuung zu. Das Kantonsgebiet ist dergestalt in einzelne (verhältnismässig geschlossene) Kontrollkreise aufgeteilt, deren Grenzen sich im Laufe der Jahre verschieben können. Im Herbst 1959 hat die Veterinärkommission die Verwaltungsübung, die sich bis dahin mit Bezug auf die Zuteilungen entwickelt hatte, in den "Richtlinien für die Zuteilung von Kontrollbeständen im Tuberkulose- und Bangbekämpfungsverfahren" zusammengefasst. Die Richtlinien teilen die Kontrollkreise nach der Zahl der Tiere, die einem Tierarzt zur Kontrolle zugewiesen werden, in drei Klassen oder "Zonen" ein, von denen die erste Zone 1000-3000 Tiere, die zweite Zone 2000-4000 Tiere und die dritte Zone 3000-5000 Tiere umfasst. Nach den Richtlinien hat "ein Tierarzt, der eine bestehende Praxis übernimmt, mindestens
BGE 89 I 233 S. 235
auf das Zonen-Minimum seines Vorgängers Anrecht und zwar sofort, während ein Tierarzt, der eine neue Praxis eröffnet, anfänglich nur ein Anrecht auf das Minimum der untersten Zone hat, also auf 1000 Tiere, und das erst, nachdem er bewiesen hat, dass er ortsansässig bleibt, also in der Regel nach minimal zweijähriger Praxisausübung."
B.-
Am 1. April 1959 eröffnete Dr. med. vet. Anton Glaus, Sohn des Kreistierarztes Dr. med. vet. A. Glaus in Tübach, eine eigene tierärztliche Praxis in St. Gallen-Ost. Am 1. Juli 1959 ging die Praxis des zum Kantonstierarzt gewählten Dr. Krapf in St. Gallen-Zentrum auf Grund eines Kaufvertrages an Dr. med. vet. Oskar Zürrer über. Dr. Krapf hatte im Tuberkulose- und Bangbekämpfungsverfahren 4359 Tiere in St. Gallen und Umgebung betreut. Nach Verwaltungsübung ging die Betreuung dieser Tiere vorläufig auf Dr. Zürrer über. Am 28. Dezember 1959 ordnete das kantonale Volkswirtschaftsdepartement jedoch an, dass Dr. Zürrer 248 Tiere aus den Gemeindegebieten St. Gallen-West und Gaiserwald (Abtwil) an Tierarzt Dr. Künzle in Gossau abzugeben habe. Am 18. Januar 1960 verfügte das Departement sodann, dass Dr. Zürrer aus dem Gemeindegebiet St. Gallen-Ost und allenfalls Kronbühl rund 600 Tiere und aus dem Gemeindegebiet Eggersriet rund 75 Tiere an Dr. Glaus abzutreten habe. Das Departement bot Dr. Glaus aus den Beständen von Dr. Zürrer und zweier weiterer Kontrolltierärzte ausserdem etwa 350 Tiere aus dem Gemeindegebiet Eggersriet an; Dr. Glaus lehnte dieses Angebot jedoch ab, weil die fraglichen Bestände von Heiden aus besser betreut werden könnten, weshalb ein in St. Gallen wohnhafter Tierarzt in Eggersriet keine Privatkunden finden werde.
Am 19. Dezember 1960 verfügte das Departement, dass Dr. Glaus die von Dr. Zürrer bereits übernommenen rund 700 Tiere zugeteilt erhalte und dass er sich bis zum 31. Dezember 1960 zu entscheiden habe, ob er rund 75 Tiere aus sieben Beständen von Dr. Zürrer in Eggersriet übernehmen wolle oder nicht; sollte Dr. Glaus auf der
BGE 89 I 233 S. 236
ursprünglich vorgesehenen Mindestzahl von 1000 Tieren beharren, so sei er durch interne Regelung aus dem Kontrollbestand seines Vaters schadlos zu halten. Dr. Glaus zog diese Verfügung an den Regierungsrat weiter mit dem Antrag, es seien ihm insgesamt 1400 Tiere zur Kontrolle zuzuweisen, nämlich alle Tierbestände in St. Gallen-Ost und jene Tierbestände in Wittenbach, die früher Dr. Krapf zugeteilt waren.
C.-
Der Regierungsrat hat den Rekurs am 29. Dezember 1962 dahin teilweise gutgeheissen, dass er Dr. Glaus insgesamt annähernd 1200 Tiere zur Kontrolle zugewiesen hat, und zwar durch eine Neuzuteilung von je 300 Tieren aus der Praxis von Dr. Glaus Vater in Tübach, der 3100 Tiere zu kontrollieren hatte, und aus der Praxis von Dr. Zürrer in St. Gallen-Ost, der 3780 Tiere betreute.
Zur Begründung wird ausgeführt, der Kanton St. Gallen setze die frei praktizierenden Tierärzte als Kontrolltierärzte ein. Er übertrage damit den Tierärzten Aufgaben der öffentlichen Verwaltung. Der einzelne Tierarzt habe aber keinen Rechtsanspruch auf Übernahme einer derartigen Funktion. Nach dem in den "Richtlinien" der kantonalen Veterinärkommission umschriebenen Kontingentssystem sei grundzätzlich jeder Tierarzt berufen, als Kontrolltierarzt zu wirken. Bei der Zuteilung der Kontingente seien die Tierärzte rechtsgleich zu behandeln; Unterschiede seien nur aus tierseuchenpolizeilichen Gründen statthaft. Das jetzige System biete Gewähr dafür, dass die einzelnen Bestände in der Regel vom selben Kontrolltierarzt überwacht würden, auch erleichtere es die Bildung annähernd geschlossener Kontrollgebiete. Andererseits hafte dem System der Nachteil an, dass es schematisch von der bisherigen Zuteilung ausgehe und dadurch namentlich die jüngeren Tierärzte hintansetze; unbefriedigend sei vor allem, dass es den Tierarzt, der eine bestehende Praxis übernehme, vor demjenigen, der eine neue Praxis gründe, bevorzuge. Das Kontingentssystem sei insofern nicht wettbewerbsneutral, als es die Inhaber bestehender Praxen
BGE 89 I 233 S. 237
gegenüber neuer Konkurrenz schütze und durch seine Besitzstandsgarantie für bestehende Praxen die Voraussetzungen für einen allfälligen Kontingentshandel schaffe. Ein weiterer Nachteil des Systems liege darin, dass es dem Tierbesitzer verunmögliche, seinen Vertrauenstierarzt als Kontrolltierarzt beizuziehen. Dessen ungeachtet habe die Anwendung der "Richtlinien" den früheren Auseinandersetzungen ein Ende gesetzt und zu einer Befriedung geführt; die vorliegende Rekursangelegenheit sei denn auch derzeit der einzige noch unbereinigte Fall im ganzen Kantonsgebiet. Ein Systemwechsel hätte unvermeidlicherweise neue Reibungen und Auseinandersetzungen zur Folge; zudem sei zu berücksichtigen, dass die Tuberkulosebekämpfung im wesentlichen abgeschlossen sei und nur noch beschränkte Vorkehrungen zur Verhinderung von Neuansteckungen zu treffen seien. Es bestehe daher ein öffentliches Interesse daran, das bisherige Zuteilungssystem beizubehalten und daran nicht mehr zu ändern, als unbedingt erforderlich sei.
Nach den "Richtlinien", von denen grundsätzlich auszugehen sei, werde einem Tierarzt, der eine neue Praxis eröffne, anfänglich nur ein Kontrollbestand zugeteilt, der dem Minimum der untersten "Zone" (1000 Tiere) entspreche, und zwar erst nach mindestens ein- bis zweijähriger Tätigkeit. Zu Gunsten von Dr. Glaus jun. sei insofern eine Ausnahme gemacht worden, als ihm schon vor Ablauf eines Jahres seit der Praxiseröffnung einige hundert Tiere zugewiesen worden seien. Da nunmehr seit der Praxiseröffnung mehr als 3 3/4 Jahre verflossen seien, sei ein weiteres Entgegenkommen angebracht. Wohl habe Dr. Glaus seinerzeit die Übernahme der Kontrolle von 350 Tieren in Eggersriet abgelehnt. Werde der Grund dieser Stellungnahme (die geographische Lage der Gemeinde) gewürdigt und in Betracht gezogen, dass eine Annahme des betreffenden Angebotes heute wegen anderweitiger Zuteilung nicht mehr möglich sei, so solle dem Rekurrenten aus seiner früheren Ablehnung kein Nachteil erwachsen.
BGE 89 I 233 S. 238
D.-
Dr. Zürrer führt gegen den Beschluss vom 29. Dezember 1962 staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung des
Art. 4 BV
mit dem Antrag, der Entscheid sei aufzuheben.
E.-
Dr. Glaus schliesst, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten, allenfalls sei sie abzuweisen. Der Regierungsrat des Kantons St. Gallen beantragt Abweisung der Beschwerde.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Nach Art. 2 der Vollziehungsverordnung zum Bundesgesetz über die Bekämpfung der Rindertuberkulose vom 22. Dezember 1950 ist der Vollzug der Massnahmen, die das Gesetz als "Verfahren" bezeichnet (d.h. die Untersuchung der Bestände, die Ausmerzung oder Absonderung tuberkulöser Tiere sowie der Schutz und die Erhaltung tuberkulosefreier Bestände) Sache der Kantone. Der Vollzug des Bundesratsbeschlusses über die Bekämpfung des Rinderabortus Bang obliegt gemäss dessen Art. 9 gleichfalls den Kantonen. Die vorliegende Streitsache betrifft die Auslegung und Anwendung des zum Vollzuge der genannten Erlasse aufgestellten kantonalen Rechts. Eine Beschwerde an den Bundesrat im Sinne von
Art. 125 Abs. 1 lit. b OG
fällt demzufolge ausser Betracht. Die staatsrechtliche Beschwerde an das Bundesgericht erweist sich damit grundsätzlich als zulässig.
2.
Die Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde richtet sich nicht danach, ob der Beschwerdeführer im kantonalen Verfahren Parteistellung hatte, sondern ausschliesslich nach dem OG (
BGE 86 I 102
Erw. 3 mit Verweisungen).
Art. 88 OG
gewährt das Recht der Beschwerdeführung Bürgern (Privaten) und Korporationen bezüglich solcher Rechtsverletzungen, die sie durch allgemein verbindliche Erlasse oder sie persönlich treffende Verfügungen erlitten haben. Dem Bürger und der Korporation steht die staatsrechtliche Beschwerde somit lediglich zur Wahrung ihrer eigenen Belange zu und zwar nur, wenn ein rechtlich
BGE 89 I 233 S. 239
erhebliches Interesse verletzt worden ist, das ihnen auf dem Gebiet zukommt, welches die von ihnen angerufrufene Verfassungsbestimmung beschlägt (
BGE 86 I 102
Erw. 3); zur Wahrung allgemeiner öffentlicher Interessen wie auch zur Verfolgung bloss tatsächlicher Interessen ist die staatsrechtliche Beschwerde hingegen nicht gegeben (
BGE 86 I 284
mit Verweisungen,
BGE 88 I 179
).
Der Beschwerdegegner macht geltend, dem Beschwerdeführer fehle die Legitimation zur Beschwerde, weil ihm kein Rechtsanspruch auf Übernahme der amtlichen Funktion eines Kontrolltierarztes zustehe, so dass ihm aus dem angefochtenen Entscheid kein Rechtsnachteil erwachse. Dieser Betrachtungsweise kann nicht gefolgt werden. Richtig ist zwar, dass ein im Kanton St. Gallen niedergelassener praktizierender Tierarzt keinen Anspruch darauf hat, als Kontrolltierarzt bezeichnet zu werden. Wird er aber als solcher eingesetzt, so werden damit zwischen dem Kanton und ihm Rechtsbeziehungen geschaffen, die beiderseitige Rechte und Verpflichtungen in sich schliessen. Diese Rechtsbeziehungen sind sowohl im tierseuchenpolizeilichen Interesse als auch im Interesse des einzelnen Kontrolltierarztes auf eine gewisse Dauer angelegt; der Regierungsrat spricht im angefochtenen Beschluss sogar von einer Besitzstandsgarantie zu Gunsten der Kontrolltierärzte. Ob diese Wendung nicht zu weit gehe, kann offen bleiben; entscheidend ist, dass dem bestallten Tierarzt jedenfalls ein Rechtsanspruch darauf zuzubilligen ist, dass der Kanton die durch die Ernennung zum Kontrolltierarzt begründeten Rechtsbeziehungen nicht in gesetzwidriger Weise oder unter Missbrauch des behördlichen Ermessens einseitig auflöse. Kommt es, wie hier behauptet wird, zu einem solchen Eingriff, so stehen deshalb nicht nur tatsächliche, sondern auch rechtlich erhebliche Interessen des Kontrolltierarztes auf dem Spiel. Der Beschwerdeführer ist mithin zur Beschwerde wegen Verletzung des
Art. 4 BV
legitimiert.
3.
Der Beschwerdeführer rügt in erster Linie eine
BGE 89 I 233 S. 240
Verweigerung des rechtlichen Gehörs, die er darin erblickt, dass der Regierungsrat ihm die Rekursschrift des Beschwerdegegners nicht zur Vernehmlassung zugestellt habe.
Art. 188 des st. gallischen Organisationsgesetzes (OrgG) vom 29. Dezember 1947 schreibt in seinem ersten Satze vor: "Sind der Behörde am Verfahren nicht beteiligte Personen bekannt, deren rechtlich geschützte Interessen durch die zu treffende Verfügung unmittelbar berührt werden, so hat sie ihnen von Amtes wegen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben". Diese Bestimmung gilt nach Art. 185 OrgG vorbehältlich abweichender Vorschriften anderer Gesetze (die hier fehlen) für alle Verfahren vor den Verwaltungsbehörden des Kantons, also auch für das in Art. 202 OrgG vorgesehene Rekursverfahren vor dem Regierungsrat als der obersten Verwaltungsbehörde des Kantons (Art. 60 KV). Im vorliegenden Fall hatte der Beschwerdegegner im Rekursverfahren eine Zuteilung von Kontrollbeständen zu Lasten des Beschwerdeführers verlangt. Die Behörde konnte es sich daher nicht verhehlen, dass der Beschwerdeführer durch die zu treffende Verfügung unmittelbar in seinen rechtlich geschützten Interessen berührt werde. Sie war darum nach Art. 188 OrgG (wie auch unmittelbar auf Grund von
Art. 4 BV
) gehalten, ihn im Rekursverfahren anzuhören.
Der Regierungsrat bestreitet das nicht; er macht indessen geltend, der Beschwerdeführer habe Gelegenheit erhalten, seinen Standpunkt in dieser Sache bekannt zu geben, indem er auf den 9. Mai 1962 zu einer Besprechung in das Finanzdepartement eingeladen worden sei, das gemäss Art. 32 Abs. 4 des Geschäftsreglementes des Regierungsrates und der Staatskanzlei vom 7. Dezember 1951 den Rekurs zu prüfen und darüber Antrag zu stellen gehabt habe; spätestens anlässlich dieser Besprechung habe der zuständige Sachbearbeiter Dr. Brühwiler den Beschwerdeführer über den wesentlichen Inhalt der Rekurseingabe aufgeklärt. Auf eine Anfrage des Instruktionsrichters hin
BGE 89 I 233 S. 241
bestätigte Dr. Brühwiler, dass der Beschwerdeführer vom Rekursantrag Kenntnis gehabt habe und dass er anlässlich der erwähnten Besprechung seinen Standpunkt dargelegt habe; auch habe er wiederholt mit ihm, Dr. Brühwiler, telephonisch über die Rekursangelegenheit gesprochen. Auf Grund dieser Darstellungen ist anzunehmen, dass der Beschwerdeführer Gelegenheit erhalten hatte, zum Rekursantrag Stellung zu nehmen. Erweckt auch die formlose Art der Anhörung Bedenken, so liegt darin doch weder eine offensichtliche Gesetzesverletzung noch eine Missachtung des
Art. 4 BV
, da weder das Organisationsgesetz noch die Verfassung festlegen, in welcher Weise einem Drittbeteiligten das rechtliche Gehör zu gewähren ist.
4.
Der Beschwerdeführer wirft dem Regierungsrat in materieller Beziehung Willkür vor. Soweit diese Rüge in einer den Anforderungen des
Art. 90 Abs. 1 lit. b OG
genügenden Weise begründet worden ist, bringt der Beschwerdeführer sinngemäss vor, der Regierungsrat habe sich in völlig unhaltbarer Art über den Umstand hinweggesetzt, dass der Beschwerdegegner seinerzeit das Angebot auf Übernahme der Betreuung von 350 Tieren in Eggersriet abgelehnt habe; der Genannte habe demnach keinen Anspruch auf das ihm bezeigte Entgegenkommen gehabt.
Dieser Einwand geht fehl. Nach den Erwägungen des angefochtenen Entscheides lehnte der Beschwerdegegner das betreffende Angebot "im Hinblick auf die geographische Lage" der Gemeinde Eggersriet ab. Der Regierungsrat war sich dabei offensichtlich über den Sinn dieses Hinweises im Klaren: Der Beschwerdegegner befürchtete, dass die Viehbesitzer von Eggersriet nicht den im verhältnismässig weit entfernten St. Gallen praktizierenden Kontrolltierarzt als privaten Tierarzt zuziehen würden, sondern dass sie sich weiterhin an die Tierärzte des benachbarten Heiden halten würden. Dieses Motiv lässt indessen die Ablehnung des erwähnten Angebotes nicht notwendigerweise als ungerechtfertigt erscheinen. Wohl hatte der Beschwerdegegner in erster Linie sein privates Interesse im Auge. Das
BGE 89 I 233 S. 242
liegt aber im Wesen der Sache. Wenn der Kanton St. Gallen die Kontrolltätigkeit gegen ein billiges Entgelt den privaten Tierärzten überträgt, so sucht er damit deren privates Interesse an der Ausdehung oder Sicherung ihres Kundenkreises in den Dienst der öffentlichen Aufgabe der Krankheitsbekämpfung zu stellen. Wenn der Beschwerdeführer sich gegen eine Schmälerung seines Kontrollbestandes wehrt, so lässt er sich denn auch seinerseits vor allem von seinem privaten Interesse leiten. Aus dem Verhalten des Beschwerdegegners lässt sich daher nichts gegen eine weitere Zuteilung ableiten. Wenn der Beschwerdegegner, der seine Praxis einige Monate vorher eröffnet hat, auch nach der Neuzuteilung lediglich 1200 Tiere zu kontrollieren hat, während der Kontrollbestand des Beschwerdeführers immer noch 3480 Tiere umfasst, dann ist es jedenfalls nicht an diesem, sich über eine ihm widerfahrene Unbilligkeit zu beklagen. Dass der eine seine Praxis neu eröffnet, der andere dagegen eine solche übernommen hat, stellt, wie der Regierungsrat mit Recht betont, ein fragwürdiges Kriterium für die Verschiedenheit der Zuteilungen dar. Der Regierungsrat handelte durchaus im Rahmen seines pflichtgemässen Ermessens, wenn er diese Ungleichheit, die durch die für ihn nicht verbindlichen "Richtlinien" der kantonalen Veterinärkommission bedingt ist, mit der vorgenommenen Neuzuteilung etwas zu vermindern suchte.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. | public_law | nan | de | 1,963 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
176f87e3-40cc-4988-9bd5-721d86e912bf | Urteilskopf
136 III 353
53. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A.X. gegen B.X. (subsidiäre Verfassungsbeschwerde)
5D_171/2009 vom 1. Juni 2010 | Regeste
Wegzug ins Ausland; Entscheidungskompetenzen des alleinigen Obhutsinhabers.
Inhalt des elterlichen Sorgerechts (E. 3.1). Inhalt des Obhutsrechts. Dieses umfasst insbesondere das Aufenthaltsbestimmungsrecht, weshalb in der Regel der alleinige Inhaber mit dem Kind ohne Zustimmung des anderen Elternteils ins Ausland ziehen darf. Der neuen Situation ist mit einer darauf zugeschnittenen Regelung des Besuchsrechts Rechnung zu tragen (E. 3.2). Bei ernsthafter Gefährdung des Kindeswohls kann die Vormundschaftsbehörde den Wegzug untersagen (E. 3.3). Der alleinige Obhutsinhaber macht sich durch den Wegzug nicht strafbar (E. 3.4). Der nicht obhutsberechtigte Elternteil kann kein Rückführungsbegehren gemäss HKÜ stellen (E. 3.5). | Sachverhalt
ab Seite 354
BGE 136 III 353 S. 354
A.
Mit Eheschutzurteil vom November 2008 genehmigte das Bezirksgericht Bremgarten die zwischen den Parteien abgeschlossene Trennungsvereinbarung, wonach die beiden Kinder (Jahrgänge 2003 und 2006) unter die Obhut der Mutter zu stellen sind. Ferner wurden in der Vereinbarung das Besuchsrecht und die Unterhaltspflicht geregelt.
B.
Mit Abänderungsklage vom Februar 2009 verlangte die Ehefrau, die Kinder seien unter ihre alleinige elterliche Sorge zu stellen und es sei ihr zu erlauben, für sich und die beiden Söhne den Wohnsitz nach Tschechien zu verlegen, für den Konfliktfall sei dem Ehemann ein (in Tschechien auszuübendes) Besuchsrecht an jedem zweiten Wochenende sowie ein Ferienrecht von drei Wochen zu gewähren. Der Ehemann beantragte Abweisung; eventualiter seien die beiden Söhne unter seine Obhut zu stellen.
Mit Urteil vom Mai 2009 stellte das Bezirksgericht Bremgarten die beiden Kinder unter die alleinige Obhut und elterliche Sorge der Mutter und erklärte den Vater für berechtigt, die Kinder jedes zweite Wochenende zu besuchen und jährlich mit ihnen drei Wochen Ferien zu verbringen.
In zweiter Instanz verlangte der Ehemann die Abweisung der Abänderungsklage. Eventualiter sei ihm die elterliche Sorge über die beiden Kinder zu belassen und für den Fall des Wegzuges der Ehefrau nach Tschechien seien die Kinder unter seine Obhut zu stellen. Subeventualiter verlangte er die Berechtigung, bei einem Wegzug nach Tschechien die Kinder jedes zweite Wochenende von Donnerstag- bis Sonntagabend (alternierend an den Wohnorten der Eltern) und während vier Wochen pro Jahr sowie an bestimmten Feiertagen zu sich zu nehmen.
Das Obergericht des Kantons Aargau hiess die Beschwerde dahingehend gut, dass es die Kinder unter die Obhut der Mutter und (erst) ab dem Wegzug nach Tschechien unter ihre alleinige elterliche Sorge stellte. Bezüglich des Besuchsrechts legte es mit Blick auf den
BGE 136 III 353 S. 355
Wegzug nach Tschechien fest, dass der Vater berechtigt sei, die Kinder alle 14 Tage von Freitag- bis Sonntagabend zu besuchen, jährlich mit ihnen drei Wochen Ferien zu verbringen und sie alternierend über Ostern und Pfingsten sowie Weihnachten und Neujahr auf Besuch zu nehmen.
C.
Vor Bundesgericht verlangt der Ehemann, dass ihm die elterliche Sorge über die beiden Kinder zu belassen sei, dass die Frage der Obhutszuteilung zur Ergänzung des Sachverhalts und neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen sei, dass ihm ein Ferienrecht von vier Wochen zu erteilen sei und dass das Wochenendbesuchsrecht alternierend an den Wohnorten der Eltern stattzufinden habe. Die Ehefrau verlangt die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei.
(Zusammenfassung)
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
Das Obergericht hat befunden, das der Mutter über die beiden Söhne zustehende Obhutsrecht sei für einen so weitreichenden Schritt wie den Wegzug ins Ausland nicht ausreichend. Weil sich der Vater hiergegen zur Wehr setze, müsse ihm ab dem Zeitpunkt des Wegzuges vollumfänglich die elterliche Sorge entzogen werden. Dies sei auch deshalb erforderlich, weil sich die Mutter sonst nach
Art. 220 StGB
strafbar machen würde und der Vater ein Rückführungsgesuch nach dem Haager Übereinkommen vom 25. Oktober 1980 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführungen (HKÜ; SR 0.211.230.02) stellen könnte.
Der Vater hält diesen Rechtsstandpunkt wie insbesondere auch dessen Begründung für willkürlich bzw. in willkürlicher Weise gegen
Art. 297 Abs. 2 ZGB
verstossend. Die Mutter dürfe bereits gestützt auf das ihr zustehende Obhutsrecht wegziehen, weshalb sie sich damit auch nicht strafbar mache und ihm ein Rückführungsbegehren verwehrt sei. Mithin wäre der Entzug der elterlichen Sorge nur möglich, wenn die Parteien nicht mehr zusammenwirken könnten, wofür keine Anhaltspunkte bestünden. Als solcher komme insbesondere nicht in Betracht, dass er mit dem Wegzug nach Tschechien nicht einverstanden sei; soweit sich dieser als zulässig erweisen sollte und nicht wie beantragt die Obhut auf ihn übertragen werde, würde er selbstverständlich den betreffenden Gerichtsentscheid und damit den Wegzug akzeptieren.
BGE 136 III 353 S. 356
Nach dem Gesagten ist zunächst der Inhalt der elterlichen Sorge (dazu E. 3.1) und des Obhutsrechts (dazu E. 3.2) zu erörtern, ferner auch die Frage des Kindeswohls bei einem Wegzug (dazu E. 3.3). Zu prüfen sind sodann die strafrechtlichen Aspekte (dazu E. 3.4) und bei Wegzug ins Ausland die Vereinbarkeit mit dem HKÜ (dazu E. 3.5).
3.1
Die elterliche Sorge ist nach heute überwiegender Ansicht ein Pflichtrecht, das die Gesamtheit der elterlichen Verantwortlichkeit und Befugnisse gegenüber dem Kind umfasst, insbesondere mit Bezug auf die Erziehung, die gesetzliche Vertretung und die Vermögensverwaltung (statt vieler: HEGNAUER, Grundriss des Kindesrechts, 5. Aufl. 1999, Rz. 25.02). Während der Ehe üben die Eltern die elterliche Sorge gemeinsam aus (
Art. 297 Abs. 1 ZGB
). Wird der gemeinsame Haushalt aufgehoben oder die Ehe getrennt, so kann das Gericht die elterliche Sorge einem Ehegatten allein zuteilen (
Art. 297 Abs. 2 ZGB
). In der Regel wird im Rahmen des Eheschutzverfahrens oder von vorsorglichen Massnahmen während des Scheidungsverfahrens jedoch nur das Obhutsrecht übertragen (Urteile 5A_752/2009 vom 11. Februar 2010 E. 2.1 und 5A_183/2010 vom 19. April 2010 E. 3.3.1; je mit Hinweisen). Bereits in der Botschaft zum revidierten Scheidungsrecht wurde es als wünschbar bezeichnet, sich auf diesen geringeren Eingriff in die Eltern-Kind-Beziehung zu beschränken, sofern das Kindeswohl nicht etwas anderes erfordere (Botschaft vom 11. Juli 1979 über die Änderung des ZGB [...], BBl 1979 II 1278 Ziff. 219.223.2).
3.2
Das Obhutsrecht ist ein Teil der elterlichen Sorge. Sein Kern ist die Befugnis, den Aufenthaltsort des Kindes sowie die Art und Weise seiner Unterbringung zu bestimmen (
BGE 128 III 9
E. 4a); was den unselbständigen Wohnsitz des Kindes anbelangt, bestimmt
Art. 25 Abs. 2 ZGB
, dass dieses bei getrennten Eltern den Wohnsitz des Elternteils hat, unter dessen Obhut es steht. Des Weiteren ist der Träger des Obhutsrechtes verantwortlich für die tägliche Betreuung, Pflege und Erziehung des Kindes; teilweise wird dabei auch von faktischer Obhut (garde de fait) gesprochen (vgl. etwa STETTLER, Das Kindesrecht, SPR Bd. III/2, 1992, S. 233; BRÄM, in: Zürcher Kommentar, 3. Aufl. 1998, N. 81B zu
Art. 176 ZGB
). In der Rechtsprechung wird allgemein nicht zwischen Obhutsrecht und faktischer Obhut unterschieden, sondern generell von Obhut gesprochen, mit welcher das gesamte Rechtsbündel (Aufenthaltsbestimmung, tägliche Betreuung, Pflege und Erziehung) gemeint ist.
BGE 136 III 353 S. 357
Wird die Obhut auf einen Elternteil übertragen, verbleibt dem Inhaber der elterlichen "Restsorge" im Wesentlichen (zum Besuchsrecht vgl. E. 3.4) ein Mitentscheidungsrecht bei zentralen Fragen der Lebensplanung des Kindes. Dabei ist zu denken - stets im Sinn von Grundsatzentscheidungen - an die Namensgebung (vgl.
Art. 301 Abs. 4 ZGB
), an die allgemeine und berufliche Ausbildung (vgl.
Art. 302 ZGB
), an die Wahl der religiösen Erziehung (vgl.
Art. 303 ZGB
), an medizinische Eingriffe und andere einschneidende bzw. das Leben des Kindes prägende Weichenstellungen wie beispielsweise die Ausübung von Hochleistungssport.
Was die Ausbildung des Kindes anbelangt, ist die Einschulung am neuen Ort als solche durch das Aufenthaltsbestimmungsrecht als wesentlichster Teilgehalt des Obhutsrechts abgedeckt, ergibt sich doch die Tatsache eines Schulwechsels direkt und zwangsläufig aus der Verlegung des Wohnortes und der betreffenden örtlichen Schulpflicht. Dies gilt jedenfalls, soweit die Schulsituation vergleichbar ist; einzig bei Entscheidungen, die über den eigentlichen Ortswechsel hinausgehen wie etwa bei einem Wechsel von der öffentlichen Schule zu Privatunterricht, in ein Internat, zu einer streng religiösen Schule und dergleichen mehr, wäre das Sorgerecht des anderen Elternteils betroffen.
Der Wegzug in ein anderes Land, aber auch ein solcher innerhalb der Schweiz kann schliesslich dazu führen, dass bei eingeschulten Kindern die (Haupt-)Unterrichtssprache wechselt. Obwohl dies indirekt durchaus auch eine Weichenstellung für das spätere Leben des Kindes sein kann, hat der Mitinhaber der elterlichen Sorge dies insoweit hinzunehmen, als die Einschulung am neuen Ort eine unmittelbare Folge des Aufenthaltsbestimmungsrechts des obhutsberechtigten Elternteils ist und die Unterrichtssprache am neuen Ort der Disposition der Eltern in der Regel entzogen ist. Der Inhaber der elterlichen "Restsorge" hat ein Mitbestimmungsrecht insoweit, als Fragen der Sprachwahl elternseitig beeinflussbar sind (etwa bei einer zweisprachigen Schule an der Sprachgrenze, bei der Wahl eines Internates mit einer bestimmten Unterrichtssprache, bei der Fremdsprachenwahl in der Schule, aber insbesondere auch bei der Sprachregelung im häuslichen Umfeld).
3.3
Aus dem Gesagten ergibt sich, dass der Inhaber der alleinigen Obhut - unter Vorbehalt des Rechtsmissbrauches (z.B. Wegzug ohne plausible Gründe bzw. ausschliesslich zur Vereitelung von
BGE 136 III 353 S. 358
Kontakten zwischen Kind und anderem Elternteil) - mit den Kindern wegziehen darf, namentlich auch ins Ausland, ohne dass es hierfür einer gerichtlichen Bewilligung bedürfte. Die Ausübung der elterlichen Sorge wie auch des Obhutsrechtes als dessen Teilgehalt muss jedoch stets auf das Wohl des Kindes gerichtet sein (vgl.
Art. 301 Abs. 1 ZGB
). Ist dessen Wohl gefährdet und sorgen die Eltern nicht von sich aus für Abhilfe oder sind sie dazu ausserstande, so trifft die Vormundschaftsbehörde - bzw. der Eheschutz- oder Massnahmerichter (vgl.
Art. 315a Abs. 1 ZGB
) - die geeigneten Massnahmen zum Schutz des Kindes (
Art. 307 Abs. 1 ZGB
). Dazu gehören als mildeste Massnahme in der Stufenfolge der Kindesschutzmassnahmen insbesondere Weisungen nach
Art. 307 Abs. 3 ZGB
, die sämtliche Bereiche elterlichen Handelns erfassen können und die Maximen der Subsidiarität, Komplementarität und Proportionalität erfüllen müssen. Weil für Kinderbelange die Offizialmaxime gilt, kann die Vormundschaftsbehörde oder das mit den Kinderbelangen befasste Gericht von Amtes wegen Massnahmen im Sinn von
Art. 307 ff. ZGB
treffen; in der Regel geschieht dies aber auf Antrag eines Elternteils.
Was nun den Wegzug anbelangt, kann dem obhutsberechtigten Ehegatten mit einer auf
Art. 307 Abs. 3 ZGB
gestützten Weisung untersagt werden, das Kind ausser Landes zu bringen, soweit dessen Wohl dadurch ernsthaft gefährdet würde. Dabei ist zunächst klarzustellen, dass anfängliche Integrations- und/oder sprachliche Schwierigkeiten in aller Regel keine ernsthafte Gefährdung des Kindeswohls begründen. Diese sind in mehr oder weniger grossem Umfang einem jeden Wechsel des Wohnortes inhärent, und zwar nicht nur bei einem Wegzug ins Ausland, sondern auch bei einem Wechsel in einen anderen Landesteil, und sie würden in weitgehend gleicher Weise auch dann auftreten, wenn nicht nur der Obhutsberechtigte, sondern einvernehmlich die ganze Familie wegzöge. Vor diesem Hintergrund wird eine ernsthafte Gefährdung des Kindeswohls bei kleineren Kindern nur ganz selten gegeben sein, aber auch bei etwas älteren Kindern ist insbesondere der blosse Tatbestand der Einschulung am neuen Ort für sich genommen kein Hinderungsgrund, würde dies doch letztlich bedeuten, dass Familien mit eingeschulten Kindern nicht mehr ihren Wohnort verändern dürften bzw. diesfalls die Vormundschaftsbehörde jeweils von Amtes wegen intervenieren müsste; eine Wohnsitzfixierung bei eingeschulten Kindern widerspräche indes der sozialen Wirklichkeit.
BGE 136 III 353 S. 359
Sinngemäss gilt das Gesagte auch für das Besuchsrecht. Wohl trifft es zu, dass die Besuchsrechtsausübung bei grösserer Distanz zunehmend erschwert wird, zwar nicht rechtlich, wohl aber faktisch. Dies ist indes für sich allein kein Grund, dem getrennten und allein obhutsberechtigten Ehegatten den Wegzug ins Ausland zu verbieten, jedenfalls wenn mit dem anderen Elternteil weiterhin ein persönlicher Verkehr möglich bleibt und der Wegzug auf sachlichen Gründen beruht; es würde nicht angehen, demjenigen Elternteil, der die ganzen Erziehungslasten trägt, selbst für den Normalfall eine faktische Residenzpflicht in der Nähe des bloss besuchsberechtigten Elternteils aufzuerlegen und ihm damit gegebenenfalls auch einen Umzug innerhalb der Schweiz zu verwehren (in diesem Sinn bereits
BGE 101 II 200
). Vielmehr ist der grösseren Distanz mit einer angepassten Regelung des persönlichen Umgangs Rechnung zu tragen, indem etwa weniger, aber (soweit möglich, namentlich bei eingeschulten Kindern) längere Wochenenden oder als Kompensation für die selteneren Besuchswochenenden ein ausgedehntes Ferienrecht gewährt wird (vgl.
BGE 95 II 385
E. 3 S. 388).
Eine auf
Art. 307 ZGB
gestützte Weisung, mit welcher dem allein obhutsberechtigten Ehegatten untersagt wird, mit dem Kind ins Ausland oder in einen anderen Landesteil zu ziehen, ist demnach nur gerechtfertigt, wenn das Wohl des Kindes dadurch gefährdet wäre. Zu denken ist etwa an den Fall, dass das Kind an einer Krankheit leidet und ihm im geplanten Zuzugsstaat die nötige medizinische Versorgung nicht gewährt werden kann, dass es in der Schweiz fest verwurzelt ist und zum Zuzugsstaat kaum eine Beziehung hat oder dass es relativ nahe an der Mündigkeit steht und bei deren Erreichen voraussichtlich wieder in die Schweiz zurückkehren würde. Insbesondere bei älteren Kindern wird sodann deren Meinungsäusserung im Rahmen der Anhörung eine gewichtige Rolle spielen. Im Übrigen ist nicht zu verkennen, dass bei der erwähnten Gefährdung des Kindeswohls ohnehin häufig eher eine Obhutszuteilung an den anderen Elternteil im Vordergrund steht und sich damit die Frage einer Weisung gemäss
Art. 307 ZGB
gar nicht erst stellt.
3.4
Gemäss
Art. 220 StGB
wird auf Antrag mit Gefängnis oder mit Busse bestraft, wer eine unmündige Person dem Inhaber der elterlichen oder der vormundschaftlichen Gewalt entzieht oder sich weigert, sie ihm zurückzugeben.
In einer mit
BGE 91 IV 136
eingeleiteten Praxisänderung hat das Bundesgericht befunden, dass auch der Inhaber der elterlichen
BGE 136 III 353 S. 360
Sorge als Täter in Frage kommen könne. Dieser und die sich anschliessenden Entscheide betrafen durchwegs die Konstellation, dass entweder beide Elternteile die volle elterliche Sorge besassen (
BGE 95 IV 67
;
BGE 98 IV 35
;
BGE 118 IV 61
) oder aber der nicht obhutsberechtigte Mitinhaber der elterlichen Sorge die Kinder dem allein Obhutsberechtigten entzogen bzw. nicht zurückgebracht hatte (vgl.
BGE 91 IV 136
, 228;
BGE 104 IV 90
;
BGE 110 IV 35
;
BGE 125 IV 14
;
BGE 128 IV 154
). Das Bundesgericht hat in diesem Zusammenhang betont, dass mit der Übertragung der alleinigen Obhut auf den einen Elternteil dem anderen das Recht zur Bestimmung über den Aufenthalt, die Pflege und Erziehung der Kinder entzogen sei (insbesondere
BGE 91 IV 136
S. 137,
BGE 91 IV 228
E. 1 S. 230 f.;
BGE 110 IV 35
E. 1 S. 37). Auch in der Literatur wird durchwegs betont, dass das Aufenthaltsbestimmungsrecht das geschützte Rechtsgut von
Art. 220 StGB
sei (vgl. etwa SCHUBARTH, in: Kommentar zum schweizerischen Strafrecht, Bd. IV, 1997, N. 8 zu
Art. 220 StGB
; HURTADO POZO, Droit pénal, Partie spéciale, 2009, Rz. 3539).
Davon zu unterscheiden ist die in der Literatur umstrittene Frage, ob umgekehrt auch der alleinige Obhutsinhaber dem Mitinhaber der elterlichen Sorge das Kind im Sinn von
Art. 220 StGB
entziehen kann, namentlich durch Vereitelung des Besuchsrechts. Die Anwendbarkeit von
Art. 220 StGB
bei dieser Konstellation wird von einem Teil der Lehre abgelehnt mit der Begründung, das Besuchsrecht sei nicht Teil der elterlichen Sorge (namentlich SCHUBARTH, a.a.O., N. 38 zu
Art. 220 StGB
; HÜPPI, Straf- und zivilrechtliche Aspekte der Kindesentziehung gemäss
Art. 220 StGB
mit Schwergewicht auf den Kindesentführungen durch einen Elternteil, 1988, S. 118; ECKERT, in: Basler Kommentar, Strafrecht, Bd. II, 2. Aufl. 2007, N. 14 zu
Art. 220 StGB
). Die Grundlage des Besuchsrechts ist nicht restlos geklärt; in der Lehre wird es teilweise als ein verbleibender Rest der entzogenen elterlichen Sorge angesehen, teilweise aber auch auf die leibliche Abstammung zurückgeführt (vgl. STETTLER, a.a.O., S. 235 m.w.H.), während es nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung als direkt aus dem Persönlichkeitsrecht fliessend charakterisiert wird (
BGE 98 IV 35
E. 2 S. 37;
BGE 111 II 405
E. 3 S. 407;
BGE 119 II 201
E. 3 S. 204;
BGE 122 III 404
E. 3a S. 406;
BGE 123 III 445
E. 3b S. 451). Jedenfalls kann das Besuchsrecht nicht im eigentlichen Sinn ein Teilgehalt der elterlichen Sorge sein; andernfalls könnte weder demjenigen Elternteil, dem sie vollständig entzogen worden ist - was nach wie vor der Regelfall bei der Scheidung ist
BGE 136 III 353 S. 361
(vgl.
Art. 133 Abs. 1 ZGB
), aber auch bei Massnahmen gemäss
Art. 311 ZGB
zutrifft -, ein Besuchsrecht zukommen, noch dürfte es bei ausserordentlichen Umständen gestützt auf
Art. 274a ZGB
Drittpersonen eingeräumt werden. Unabhängig von der rechtlichen Einordnung des Besuchsrechts hält die strafrechtliche Abteilung des Bundesgerichts entgegen der vorstehend zitierten Lehrmeinung dafür, dass die Verletzung einer Besuchsrechtsregelung strafbar sei, wobei nicht das Besuchsrecht als solches von
Art. 220 StGB
geschützt werde (
BGE 98 IV 35
E. 2 S. 37), wohl aber die gerichtlich festgesetzte Besuchsrechtsregelung (
BGE 98 IV 35
E. 3 S. 39; vgl. auch
BGE 128 IV 154
E. 3.2 S. 160).
Die in den zwei vorangehenden Absätzen dargestellte Rechtsprechung, wonach einerseits strafbar ist, wer die Kinder dem Inhaber der Obhut entzieht, und andererseits, wer eine Besuchsrechtsregelung vereitelt, soll in der neuen Fassung von
Art. 220 StGB
, die im Zusammenhang mit der geplanten Revision des ZGB betreffend die gemeinsame elterliche Sorge vorgeschlagen wird, klarer zum Ausdruck kommen. Gemäss Vorentwurf vom Januar 2009 soll
Art. 220 StGB
zukünftig lauten: "Wer eine minderjährige Person dem Inhaber des Obhutsrechts entzieht oder sich weigert, sie ihm zurückzugeben, wer sich weigert, eine minderjährige Person dem Inhaber eines Besuchsrechts zu übergeben, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft."
Wie es sich mit der im Vernehmlassungsverfahren zur geplanten Gesetzesrevision stark kritisierten Pönalisierung der Vereitelung des Besuchsrechts im Einzelnen verhält bzw. verhalten wird, ist vorliegend nicht von Belang. Entscheidend ist vielmehr, dass die Veränderung des Aufenthaltsortes bzw. des Wohnsitzes des Kindes durch das Obhutsrecht abgedeckt ist (E. 3.2) und dass grundsätzlich nicht strafrechtlich verpönt sein kann, was zivilrechtlich erlaubt ist (HÜPPI, a.a.O., S. 108 oben). Jedenfalls wenn der Wegzug aus sachlichen bzw. nachvollziehbaren Gründen und nicht einzig in der Absicht erfolgt, die Kontakte zwischen dem Kind und dem anderen Elternteil zu unterbinden, kann sich eine Strafbarkeit insbesondere auch nicht aus dem Umstand ergeben, dass der Wegzug - nicht nur ins Ausland, sondern gegebenenfalls auch innerhalb der Schweiz - rein faktisch eine Erschwerung der Besuchsrechtsausübung bedeuten kann; der räumlichen Distanz ist wie gesagt durch eine angepasste Regelung des Besuchs- und Ferienrechts Rechnung zu tragen (dazu E. 3.3). Erst wenn diese Besuchsrechtsregelung vom Inhaber des
BGE 136 III 353 S. 362
Obhutsrechts unterlaufen wird, stellt sich die Frage der Strafbarkeit nach
Art. 220 StGB
.
3.5
Die vom HKÜ geschützte Sorgerechtsposition (
rights of custody
gemäss englischem,
droit de garde
gemäss französischem Konventionstext) sind in einem weiten Sinn zu verstehen. Besonderes Gewicht liegt auf dem in Art. 5 HKÜ namentlich genannten Aufenthaltsbestimmungsrecht, aber geschützt sind auch weitere Personensorgebefugnisse wie namentlich die Pflege und Erziehung (vgl. RASELLI/HAUSAMMANN/MÖCKLI/URWYLER, in: Ausländerrecht, 2. Aufl. 2009, Rz. 16.155 m.w.H.). Soweit das im HKÜ geschützte Sorgerecht gesetzlich begründet ist, bemessen sich dessen Bestand und Inhalt gemäss Art. 3 lit. a HKÜ nach dem internationalen Privatrecht am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Kindes (vgl. auch Art. 16 Abs. 4 des Haager Kinderschutzübereinkommens vom 19. Oktober 1996[HKsÜ; SR 0.211.231.011]). Das schweizerische IPRG (SR 291) unterstellt in Art. 82 Abs. 1 die Beziehungen zwischen Eltern undKind dem Recht am gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes; mithin kommen im vorliegend interessierenden Fall die Normen des ZGB zum Tragen. Dies wiederum bedeutet, dass der Begriff des Sorgerechts im Sinn des HKÜ mit dem Obhutsrecht nach schweizerischem Recht übereinstimmt, welches nebst dem Aufenthaltsbestimmungsrecht die tägliche Pflege und Erziehung umfasst (dazu eingehend BUCHER, in: AJP 2008 S. 480 f.). Das bedeutet, dass die dem Inhaber der elterlichen "Restsorge" zustehende Rechtsposition nicht im Sinn von Art. 3 lit. a HKÜ verletzt ist, wenn der alleinige Obhutsinhaber die Kinder aus der Schweiz in einen anderen HKÜ-Vertragsstaat verbringt. Einzig bei der in E. 3.3 erwähnten Weisung gemäss
Art. 307 ZGB
(sog.
non-removal clause
) wäre das Verbringen des Kindes widerrechtlich im Sinn von Art. 3 lit. a HKÜ, sind doch solche Anordnungen des Herkunftsstaates durch das HKÜ geschützt und vom Zufluchtsstaat im Rahmen des Rückführungsverfahrens zu respektieren (vgl. PIRRUNG, in: Staudingers Kommentar zum BGB, Berlin 2009, Vorbem. zu Art. 19 EGBGB, D 30; RASELLI/HAUSAMMANN/MÖCKLI/URWYLER, a.a.O., Rz. 16.155; je m.w.H.).
3.6
Zusammenfassend ergibt sich, dass der alleinige Inhaber der Obhut unter Vorbehalt des Rechtsmissbrauchsverbotes befugt ist, mit den Kindern ins Ausland zu ziehen, ohne dass er hierfür einer gerichtlichen oder behördlichen Bewilligung bedürfte und ohne dass er sich dabei nach schweizerischem Recht strafbar machen würde oder der Inhaber der elterlichen "Restsorge", soweit dem alleinigen
BGE 136 III 353 S. 363
Obhutsinhaber der Wegzug nicht gerichtlich oder durch die Vormundschaftsbehörde untersagt worden ist, ein Rückführungsgesuch gemäss HKÜ stellen könnte.
3.7
Vorliegend hat das Obergericht dem Vater die elterliche Sorge ausschliesslich mit der Begründung entzogen, die Mutter mache sich ansonsten strafbar und der Vater könne ein Rückführungsgesuch stellen. Die Möglichkeit bzw. Notwendigkeit des Entzuges der elterlichen Sorge bei Unfähigkeit der Eltern, zum Wohl des Kindes zusammenzuwirken, hat es zwar im Sinn allgemeiner Ausführungen erwähnt, aber ausdrücklich offengelassen, ob es sich vorliegend auch tatsächlich so verhalte bzw. die Befürchtung der Mutter, der Vater würde ihre Entscheidungen dauernd mit seinem Veto blockieren, zutrifft.
Das Obergericht hat dem Vater die elterliche Sorge ab Wegzug folglich nicht mit zwei unabhängigen Alternativbegründungen, sondern allein mit einer nach den vorstehenden Erwägungen nicht zu haltenden Begründung und damit in willkürlicher Weise entzogen. Ob der Entzug der elterlichen Sorge auch im Ergebnis willkürlich wäre oder die mit Bezug auf das Zusammenwirken der Eltern erhobenen Rügen des Beschwerdeführers begründet sind (die Parteien äussern sich insbesondere auch im Rahmen der Replik und Duplik zur Frage des Zusammenwirkens, wobei ihre Ausführungen fast ausschliesslich Noven betreffen), lässt sich mangels betreffender Sachverhaltsfeststellungen nicht prüfen. In diesem Punkt ist der angefochtene Entscheid aufzuheben und zur Sachverhaltserstellung und neuen Entscheidung an das Obergericht zurückzuweisen. In diesem Zusammenhang sei bemerkt, dass mit Blick auf die per September 2010 geplante Einschulung von D. in Tschechien durch die Rückweisung an das Obergericht keine Gefahr im Verzug liegt, kann doch die Mutter gestützt auf das ihr zustehende Obhutsrecht den Wohnsitz in der Zwischenzeit bereits verlegen und D. auch in der Schule anmelden (vgl. E. 3.2). Im Übrigen stünde der diesbezüglichen Rückweisung eine allenfalls vom kantonalen Prozessrecht vorgesehene Konzentrationsmaxime nicht entgegen, weil für Kinderbelange von Bundesrechts wegen die Offizialmaxime gilt.
4.
Mit Bezug auf den persönlichen Verkehr hat das Obergericht ein Besuchsrecht an jedem zweiten Wochenende von Freitag- bis Sonntagabend sowie ein Ferienrecht von drei Wochen als eine der Distanz und den Verhältnissen angepasste Minimalregelung für den
BGE 136 III 353 S. 364
Konfliktfall angesehen. Von einer Ausdehnung des Besuchsrechts bereits auf den Donnerstag hat es abgesehen, weil D. am Freitag den obligatorischen Vorschulkindergarten besuchen müsse, und die Verpflichtung der Mutter, die beiden Söhne für jeden zweiten Besuch in die Schweiz zu bringen, hat es als mit dem Kindesalter unvereinbar abgelehnt. Schliesslich hat es das Begehren um Ausdehnung des Ferienrechts auf vier Wochen abgewiesen mit der Begründung, üblicherweise betrage das Ferienrecht zwei Wochen, weshalb die vorliegend gewährten drei Wochen genügten.
Mit der Behauptung, die monatliche Reise in die Schweiz bedeute für die Kinder "fun" und "action" und bei Müdigkeit würden sie einfach schlafen, ist keine Willkür mit Bezug auf die obergerichtliche Erwägung darzutun, die stetige Reiserei gereiche den beiden 3- und 6-jährigen Kindern nicht zum Wohl, liegt doch Willkür nicht bereits vor, wenn eine andere Möglichkeit auch vertretbar wäre, sondern erst, wenn der angefochtene Entscheid schlichtweg unhaltbar ist (vgl.
BGE 129 I 8
E. 2.1 S. 9). Keine Willkür darzutun ist ferner mit der Behauptung, die Reisezeit betrage nur fünf und nicht wie vom Obergericht angenommen sechs Stunden, ist doch Kern der obergerichtlichen Erwägung, dass ein permanentes Hin und Her für die Kinder zu vermeiden sei.
Zutreffend ist hingegen das Vorbringen des Vaters, das Obergericht sei mit Bezug auf den Umfang des Ferienrechts überhaupt nicht auf den Einzelfall eingegangen, sondern habe einfach auf das Übliche verwiesen, obwohl mit dem vorliegend geplanten Wegzug gerade keine gewöhnliche Konstellation gegeben sei. Angesichts der faktischen Erschwerung der Besuchsrechtsausübung durch den Wegzug nach Tschechien, unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Kinder ein enges Verhältnis zum Grossvater in der Schweiz haben und dieses nur noch im Rahmen des Ferienrechts sowie der Feiertage-Wochenenden wird gepflegt werden können, aber insbesondere auch mit Blick auf die nicht unbegründete Befürchtung des Vaters, dass die Deutschkenntnisse der Kinder in Tschechien schrittweise abnehmen werden, was die Kommunikation erschwere, hätte es sachliche Gründe für ein noch ausgedehnteres Ferienrecht gegeben. Zur Aufhebung eines Entscheides genügt es indes nicht, wenn er sich nur in der Begründung als willkürlich erweist; vielmehr ist erforderlich, dass er auch im Ergebnis unhaltbar ist (
BGE 132 III 209
E. 2.1 S. 211;
BGE 133 I 149
E. 3.1 S. 153). Dies lässt sich vorliegend insofern nicht sagen, als der Vater ein 14-tägliches Besuchsrecht hat und
BGE 136 III 353 S. 365
dieses aufgrund seiner Arbeitszeiten und der Flugmöglichkeiten auch tatsächlich regelmässig wird ausüben können, so dass kontinuierlich ein Kontakt bestehen bleibt, mithin ein Unterschied zur Konstellation besteht, wo ein Elternteil fast nur im Rahmen des Ferienrechts persönlichen Umgang mit dem Kind pflegen kann. | null | nan | de | 2,010 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
17700e99-9cd0-46db-9091-c155add517ea | Urteilskopf
111 Ib 116
26. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 30. Januar 1985 i.S. Bundesamt für Landwirtschaft gegen Thermalbad Zurzach AG, Regierungsrat und Verwaltungsgericht des Kantons Aargau (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Art. 4 BV
, Verfahrensregeln bei der Abstimmung des Gerichts.
Art. 85 LwG
, Zweckentfremdung meliorierter landwirtschaftlicher Grundstücke.
Verletzung des allgemeinen Grundsatzes, wonach der Entscheid des Gerichts eine Mehrheitsbegründung zu enthalten hat (E. 2).
Verweigerung der Bewilligung, mit öffentlichen Mitteln verbesserte Grundstücke - und zwar eine bedeutende Fläche ausgezeichneten Kulturlandes - nicht mehr landwirtschaftlich, sondern im Hinblick auf die Förderung des Fremdenverkehrs in der betreffenden Region als Golfgelände zu nutzen. Fehlen eines wichtigen Grundes im Sinne von
Art. 85 Abs. 3 LwG
, da das Interesse an der Erhaltung dieses Areals für die Landwirtschaft dem Interesse an der Anlage eines Golfplatzes vorgeht (E. 3). Ablehnung der Bewilligung auch unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes (E. 4). | Sachverhalt
ab Seite 117
BGE 111 Ib 116 S. 117
Die Motor Columbus AG erwarb im Jahre 1962 in der Gemeinde Rietheim rund 40 ha Land im Hinblick auf den Bau eines Kraftwerks. Das Land befand sich im Perimeter der Güterregulierung, welche die Grundeigentümer von Rietheim im Dezember 1960 beschlossen hatten. Noch während die Güterregulierung im Gang war, verkaufte die Motor Columbus AG am 29. Oktober 1976 ihre Parzellen im Umfang von total 399'478 m2 an die Thermalbad Zurzach AG. Diese erwarb das Land in der Absicht, darauf einen Golfplatz anzulegen. Bei der Neuzuteilung im Jahre 1978 wurden der Thermalbad Zurzach AG sechs zusammenhängende landwirtschaftliche Grundstücke mit einer Gesamtfläche von 345'985 m2 zugewiesen. Am 27. April 1981 stellte sie beim Finanzdepartement des Kantons Aargau das Gesuch, es sei ihr zu gestatten, diese Parzellen ihrem Zweck zu entfremden und als Golfgelände zu nutzen. Das Finanzdepartement (Abteilung Landwirtschaft) wies das Gesuch ab. Eine Beschwerde an den Regierungsrat blieb ohne Erfolg. Die Thermalbad Zurzach AG zog den Entscheid des Regierungsrates an das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau weiter. Das Verwaltungsgericht hiess am 4. Mai 1984 die Beschwerde gut, hob die Entscheide der Vorinstanzen auf und wies die Sache an das Finanzdepartement zurück, damit es der Thermalbad Zurzach AG für die regulierten landwirtschaftlichen Grundstücke eine Ausnahme vom Zweckentfremdungsverbot im Sinne von Art. 85 Abs. 3 des Bundesgesetzes über die Förderung der Landwirtschaft und die Erhaltung des Bauernstandes vom 3. Oktober 1951 (LwG), nötigenfalls mit sachbezogenen Bedingungen und Auflagen, bewillige.
Gegen diesen Entscheid hat das Bundesamt für Landwirtschaft beim Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben.
BGE 111 Ib 116 S. 118
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Das Verwaltungsgericht hielt als Ergebnis seiner Erwägungen fest, eine Mehrheit des Gerichts sei der Meinung, dass keine Gründe des Vertrauensschutzes zur Gutheissung der Beschwerde vorlägen. Ebenso vertrete eine - personell anders zusammengesetzte - Mehrheit die Ansicht, dass keine wichtigen Gründe eine Bewilligung der Zweckentfremdung rechtfertigten. Dennoch gelangte das Gericht mit folgender Begründung zur Gutheissung der Beschwerde: "Da beide Punkte - Vertrauensschutz und wichtige Gründe - je für sich allein für die Gutheissung der Beschwerde genügen, ergibt die Schlussabstimmung, dass eine Mehrheit des Gerichts die Beschwerde aus dem einen oder anderen bzw. beiden Gründen gutheisst. Dass dies mit abweichender Begründung geschieht, ändert am Ergebnis nichts."
Das Bundesamt für Landwirtschaft rügt, diese Schlussfolgerung sei unhaltbar, denn es gehe nicht an, die beiden Minderheiten sozusagen zu einer Mehrheit zusammenzuzählen. Es macht damit dem Sinne nach geltend, das Verwaltungsgericht habe das kantonale Verfahrensrecht in unhaltbarer Weise angewendet und dadurch
Art. 4 BV
verletzt. Dieser Einwand ist zulässig, kann doch mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde auch eine Verletzung von Bundesverfassungsrecht gerügt werden, sofern die Rüge eine Angelegenheit betrifft, die in die sachliche Zuständigkeit des Bundesgerichts als Verwaltungsrechtspflegeinstanz fällt (
BGE 108 Ib 74
E. 1a mit Hinweisen).
Nach allgemeinen Regeln, die sowohl in einem kantonalen als auch in einem eidgenössischen Gerichtsverfahren gelten, wird zum Entscheid des Gerichts derjenige Antrag erhoben, auf den das absolute Mehr der Stimmen entfällt. Ist der Entscheid zu begründen, so muss auch über die Begründung abgestimmt werden, wenn darüber Meinungsverschiedenheiten bestehen (GULDENER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. Auflage, 1979, S. 244 N. 26); denn für die Begründung gilt dasselbe wie für den Entscheid: auch ihr muss die Mehrheit des Gerichts zustimmen. Diese Regel hat das Verwaltungsgericht im vorliegenden Fall nicht beachtet. Die Beratung des Gerichts hatte ergeben, dass Meinungsverschiedenheiten über die Begründung des Antrags auf Gutheissung der Beschwerde bestanden und sich nur je eine Minderheit mit der einen oder anderen Begründung einverstanden erklärte. Gleichwohl wurde am Schluss nur über die beiden Anträge (Gutheissung
BGE 111 Ib 116 S. 119
oder Abweisung der Beschwerde) abgestimmt, wobei sich eine Mehrheit für Gutheissung ergab, und das Gericht führte in den Erwägungen des Entscheids die beiden Minderheitsbegründungen an. Ein solches Vorgehen ist unhaltbar; es verstösst gegen den allgemeinen Grundsatz, wonach der Entscheid eine Mehrheitsbegründung zu enthalten hat. Das Verwaltungsgericht hätte zunächst im Sinne einer Eventualabstimmung über die Begründung für den Fall einer Gutheissung der Beschwerde abstimmen und hernach den Antrag auf Gutheissung mit der betreffenden Mehrheitsbegründung dem Antrag auf Abweisung gegenüberstellen sollen (vgl. GULDENER, a.a.O., S. 244 f.). Nach dem Gesagten hat das Verwaltungsgericht einen allgemeinen Verfahrensgrundsatz offensichtlich verletzt und damit gegen
Art. 4 BV
verstossen. Die Beschwerde ist schon aus diesem Grund gutzuheissen. Der erwähnte Verfahrensmangel hat die Aufhebung des angefochtenen Entscheids zur Folge, unbekümmert darum, ob dieser im Ergebnis richtig ist oder nicht. Indessen rechtfertigt es sich hier, den Entscheid auch in materieller Hinsicht zu prüfen.
3.
Art. 85 LwG
lautet:
"Ohne Bewilligung der zuständigen kantonalen Behörde darf ein mit öffentlichen Mitteln verbessertes Grundstück oder ein erstelltes Siedlungswerk innert 20 Jahren seit der Entrichtung der Beiträge dem Zweck, für den sie geleistet wurden, nicht entfremdet werden. Der Eigentümer, der diese Vorschrift verletzt, hat die vom Bund geleisteten Beiträge zurückzuerstatten und allen durch die Zweckentfremdung verursachten Schaden zu ersetzen. Eine Zweckentfremdung darf nur aus wichtigen Gründen bewilligt werden.
Bewilligt die Behörde die Zweckentfremdung, so kann sie die Rückerstattung der Beiträge ganz oder zum Teil erlassen."
a) Die Beschwerdegegnerin und das Verwaltungsgericht weisen in den Beschwerdeantworten darauf hin,
Art. 85 LwG
sehe für den Fall der Verletzung des Zweckentfremdungsverbots keine weitergehenden Sanktionen als die Rückerstattung der Bundesbeiträge und Leistung von Schadenersatz vor. Das Verwaltungsgericht meint, man könnte sich daher fragen, ob die Beschwerdegegnerin nicht Anspruch auf Entlassung ihrer Grundstücke aus dem Zweckentfremdungsverbot hätte, falls sie freiwillig bereit wäre, die Subventionen zurückzuerstatten und allfälligen Schadenersatz zu leisten. Eine solche Argumentation vermag in Anbetracht von
Art. 85 Abs. 3 LwG
nicht zu überzeugen. Diese Vorschrift legt klar und eindeutig fest, dass eine Zweckentfremdung nur aus wichtigen
BGE 111 Ib 116 S. 120
Gründen bewilligt werden darf. Damit wird die Möglichkeit ausgeschlossen, dass gegen Rückzahlung der Bundesbeiträge und Leistung von Schadenersatz - ohne Rücksicht auf die Bedeutung des Grundes - die Entlassung des Grundstücks aus dem Zweckentfremdungsverbot verlangt werden kann. Dies liefe denn auch dem Sinn des Verbots zuwider, soll doch damit erreicht werden, dass die mit öffentlichen Mitteln verbesserten Grundstücke möglichst lange der landwirtschaftlichen Nutzung erhalten bleiben und im Hinblick darauf eben nur aus gewichtigen Gründen einer anderen Nutzung zugeführt werden dürfen.
b) Die Beschwerdegegnerin wendet in ihrer Vernehmlassung vom 14. August 1984 sodann ein, die Bundesbeiträge für die Güterzusammenlegung Rietheim seien am 25. November 1967 zugesichert und seither laufend bezahlt worden. Gemäss
Art. 85 Abs. 1 LwG
bedeute dies, dass die Dauer des Zweckentfremdungsverbotes in drei bis vier Jahren ablaufe. Zwar vertrete das Bundesamt gestützt auf
Art. 53 Abs. 6 der Verordnung des Bundesrates über die Unterstützung von Bodenverbesserungen und landwirtschaftlichen Hochbauten vom 14. Juni 1971 (SR 913.1, im folgenden abgekürzt: BoV)
die Ansicht, das Verbot gelte noch bis zum Ablauf von 20 Jahren seit der Schlusszahlung des Bundesbeitrages und somit, weil diese bis heute noch nicht erfolgt sei, mindestens bis zum Jahre 2004. Die Vorschrift von Art. 53 Abs. 6 BoV gehe jedoch weit über Art. 85 des Landwirtschaftsgesetzes hinaus und sei rechtswidrig, könnten doch aufgrund jener Bestimmung der Zeitpunkt der Schlusszahlung und damit die Dauer des Zweckentfremdungsverbots praktisch völlig frei manipuliert werden. Obgleich unbestritten ist, dass im vorliegenden Fall die Sperrfrist von 20 Jahren noch nicht abgelaufen ist, erscheint es aus prozessökonomischen Gründen als angebracht, zum Einwand der Beschwerdegegnerin Stellung zu nehmen.
Art. 85 Abs. 1 LwG
bestimmt, dass ein mit öffentlichen Mitteln verbessertes Grundstück innert 20 Jahren seit der Entrichtung der Beiträge dem Zweck, für den sie geleistet wurden, nicht entfremdet werden darf. Gemäss Art. 53 Abs. 5 und 6 BoV besteht das Verbot der Zweckentfremdung von der Zusicherung des Bundesbeitrages nach Art. 16 BoV an, und es gilt bis zum Ablauf von 20 Jahren seit der Schlusszahlung des Bundesbeitrages; die zuständige kantonale Behörde hat das Datum der Schlusszahlung als Zusatz zur Anmerkung im Grundbuch eintragen zu lassen. Mit diesen Bestimmungen wird das Zweckentfremdungsverbot nach zwei Seiten hin
BGE 111 Ib 116 S. 121
begrenzt; einerseits entfaltet es seine Wirkung von der Zusicherung des Bundesbeitrages an, anderseits erlöscht es 20 Jahre nach Leistung der Schlusszahlung des Bundesbeitrages. Die Vorschriften von Art. 53 Abs. 5 und 6 BoV verstossen nicht gegen
Art. 85 LwG
. Sie stellen lediglich den Sinn dieser Gesetzesbestimmung klar und präzisieren insbesondere die zeitliche Geltung des Zweckentfremdungsverbotes. Die vom Bundesrat getroffene Regelung steht mit dem Landwirtschaftsgesetz im Einklang. Die Beitragsleistung des Bundes erfolgt etappenweise, meist über den Zeitraum mehrerer Jahre. Der Zweck, welchem die Bundesbeiträge gewidmet sind, bedarf von allem Anfang an der Sicherung. Anderseits soll er nach Abschluss der Güterzusammenlegung möglichst lange erhalten bleiben. Es entspricht somit, wie teleologische Auslegung ergibt, dem Sinn des Gesetzes, die 20jährige Frist erst nach Abschluss der Güterzusammenlegung laufen zu lassen, und wenn der Bundesrat das Datum der Schlusszahlung des Bundesbeitrages als massgeblichen Zeitpunkt für den Beginn des Fristenlaufes gewählt hat, so liegt das durchaus im Rahmen von
Art. 85 LwG
. Wohl mag es Fälle geben, in denen die Schlusszahlung ohne sachlich gerechtfertigten Grund hinausgezögert wird in der Absicht, die Dauer des Zweckentfremdungsverbots zu verlängern. Ein solches Verhalten würde aber gegen Treu und Glauben verstossen und müsste wohl dazu führen, in diesem Fall für den Beginn der 20jährigen Frist auf den Zeitpunkt abzustellen, bis zu welchem von den zuständigen Behörden ordentlicherweise die Schlusszahlung hätte erwartet werden dürfen. Der betroffene Eigentümer kann sich gegen eine ungerechtfertigte Verzögerung dadurch zur Wehr setzen, dass er ein Gesuch um Bewilligung der Zweckentfremdung stellt, auch wenn die Schlusszahlung noch nicht erfolgt ist. Abgesehen von diesen Fällen des treuwidrigen Verhaltens bleibt es indessen dabei, dass die 20jährige Frist von
Art. 85 Abs. 1 LwG
erst vom Datum der Schlusszahlung des Bundesbeitrages an zu laufen beginnt.
c) Das Bundesamt für Landwirtschaft macht geltend, die in
Art. 85 Abs. 3 LwG
genannte Voraussetzung für die Bewilligung einer Zweckentfremdung sei im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Die gegenteilige Ansicht sei unrichtig und verletze somit Bundesrecht.
Gemäss
Art. 85 Abs. 3 LwG
darf eine Zweckentfremdung nur aus wichtigen Gründen bewilligt werden. Bei der Frage, ob solche Gründe vorliegen, geht es um eine Abwägung von Interessen, und zwar sind das Interesse an der möglichst langdauernden Erhaltung der landwirtschaftlichen Nutzung des verbesserten Bodens
BGE 111 Ib 116 S. 122
einerseits und das private oder öffentliche Interesse, den mit Unterstützung des Bundes meliorierten Boden nicht mehr landwirtschaftlich zu nutzen, anderseits, einander gegenüberzustellen und sodann zu gewichten (vgl. PFENNINGER, Sicherung und Revision der Güterzusammenlegung, ZBl 72/1971 S. 322). Die von der Vorinstanz vorgenommene Interessenabwägung überprüft das Bundesgericht grundsätzlich frei. Es übt jedoch Zurückhaltung, soweit sie von der Würdigung örtlicher Verhältnisse abhängt (
BGE 109 Ib 93
f. mit Hinweisen).
aa) Als Gründe für die Bewilligung der Zweckentfremdung werden im zu beurteilenden Fall vor allem öffentliche Interessen geltend gemacht, nämlich die wirtschaftliche Entwicklung des Kurorts und der Region Zurzach. Die Beschwerdegegnerin weist darauf hin, diese Region sei in wirtschaftlicher Hinsicht wegen ihrer Randlage an der Kantons- und Landesgrenze benachteiligt und habe zudem in den letzten Jahren erhebliche Rückschläge in der Industrie erlitten. Die einzige Möglichkeit, den Verlust an industriellen und gewerblichen Arbeitsplätzen wettzumachen, liege im Ausbau des Kurorts. Damit Zurzach als Badekurort konkurrenzfähig bleibe, müsse das Angebot an die Kurgäste auch in sportlicher Hinsicht erweitert werden. Die grossen Badekurorte des Auslandes verfügten über Golfplätze. Das Golfspiel sei der ideale Sport für den erholungsbedürftigen Kurgast. Eine Golfanlage bringe sowohl zehn direkte als auch weitere indirekte Arbeitsplätze, zudem wirke sie als Werbeeffekt für den Kurort. Nach den Richtlinien für die Kurortentwicklung von Zurzach werde daher die Anlage eines Golfplatzes als notwendig und vordringlich erachtet. Die Beschwerdegegnerin bringt damit gewichtige Argumente vor. Es besteht ein bedeutendes öffentliches Interesse, die Entwicklungsmöglichkeiten einer wirtschaftlich benachteiligten Region zu fördern.
bb) Diesem Interesse steht dasjenige der Landwirtschaft gegenüber. Wie in der Botschaft des Bundesrates zum Landwirtschaftsgesetz ausgeführt wird, gehören die Meliorationsarbeiten zu den grundlegenden Massnahmen zur Erhaltung und Förderung der Landwirtschaft (BBl 1951 I S. 234). Mit dem Zweckentfremdungsverbot von
Art. 85 LwG
soll eine "möglichst langdauernde Wirkung der Subventionen" erreicht werden (BBl 1951 I S. 238), d.h. die Massnahme soll Gewähr dafür bieten, dass der mit öffentlichen Mitteln verbesserte Boden möglichst lange der landwirtschaftlichen Nutzung erhalten bleibt. Hinsichtlich der hier in
BGE 111 Ib 116 S. 123
Frage stehenden meliorierten Grundstücke ist das öffentliche Interesse, dass diese weiterhin dem Zweckentfremdungsverbot unterstellt bleiben, besonders gross, denn es handelt sich um ausgezeichnetes Kulturland, das mit Erfolg als Ackerland bewirtschaftet wird, und zudem um eine ausserordentlich grosse Fläche von rund 35 ha. Es liegt im Interesse sowohl der schweizerischen Landwirtschaft als auch der Landesversorgung, dass solche grosse Flächen erstklassigen Kulturlandes so lange als möglich landwirtschaftlich genutzt werden können. Angesichts der Tatsache, dass immer mehr wertvolles Kulturland der landwirtschaftlichen Nutzung verlorengeht, ist der Erhaltung von landwirtschaftlich genutztem Boden in besonderem Mass Sorge zu tragen.
cc) Wägt man die beiden Interessen gegeneinander ab, so ist das Interesse, welches für eine Bewilligung der Zweckentfremdung spricht, verglichen mit demjenigen, das die Aufrechterhaltung des Zweckentfremdungsverbots verlangt, als weniger gewichtig einzustufen. Zwar trifft es durchaus zu, dass die Nutzung des Landes für einen Golfplatz eine massvollere Zweckentfremdung darstellt, als sie sonst noch denkbar wäre, wie z.B. bei Überbauung. Dies ist jedoch ohne Belang, da
Art. 85 LwG
jede Art von Zweckentfremdung verbieten will. Ebensowenig ist von Bedeutung, dass ein Golfplatz in Notzeiten allenfalls wieder der landwirtschaftlichen Nutzung zugeführt werden könnte. Es ist davon auszugehen, dass eine solche erneute landwirtschaftliche Nutzung wegen der Umgestaltung des Geländes, wie sie eine Golfanlage mit sich bringt, stark beeinträchtigt würde. Entgegen der Argumentation der Beschwerdegegnerin sind somit die langfristige Sicherung der Ertragsfähigkeit, die Sicherung der Landesversorgung und die Erhaltung von Kulturland bei einer Verwendung des Landes als Golfplatz keineswegs gewährleistet. Unbehelflich ist ferner der Einwand der Thermalbad Zurzach AG, sie sei nicht gehalten, das Land als Ackerland zu nutzen, und auch die bescheidenste landwirtschaftliche Nutzung sei zulässig. Das Landwirtschaftsgesetz und die Bodenverbesserungs-Verordnung sehen eine Unterhalts- und Bewirtschaftungspflicht vor (
Art. 84 und 89 LwG
, Art. 59 ff. BoV). Art. 59 BoV verlangt ausdrücklich, dass der verbesserte Boden "richtig bewirtschaftet" wird. Was sodann die Gesichtspunkte der Raumplanung betrifft, so können diese bei der Interessenabwägung nicht entscheidend ins Gewicht fallen, weil sowohl das Interesse für die Zweckerhaltung des landwirtschaftlich genutzten Bodens als auch dasjenige
BGE 111 Ib 116 S. 124
für die Anlage eines Golfplatzes mit den in Art. 3 des Bundesgesetzes über die Raumplanung umschriebenen Planungsgrundsätzen übereinstimmt. Im weitern ist die Beschwerdegegnerin zu Unrecht der Ansicht, aus Art. 53 Abs. 3 BoV lasse sich ableiten, dass die Bedürfnisse der Fremdenverkehrsentwicklung notwendigerweise als wichtiger Grund für die Zweckentfremdung hingenommen werden müssten. Wohl kommt dem Fremdenverkehr in der schweizerischen Volkswirtschaft eine hervorragende Bedeutung zu und sind daher dessen Anliegen besonders zu beachten. Ob diese einen wichtigen Grund im Sinne von
Art. 85 Abs. 3 LwG
darstellen, ist jedoch nicht generell, sondern im konkreten Fall aufgrund der verschiedenen Umstände zu prüfen. Im zu beurteilenden Fall sind, wie erwähnt, die wirtschaftlichen Interessen des Kurortes und der Region Zurzach ohne Zweifel als bedeutend anzuerkennen. Indessen ist bei der Gewichtung dieser Interessen nicht zu übersehen, dass sich - worauf alle kantonalen Instanzen hingewiesen haben - die wirtschaftliche Bedeutung eines Golfplatzes nur schwer vorausbestimmen lässt und keineswegs sicher ist, dass eine solche Anlage dem Kurort und der Region einen nennenswerten Aufschwung bringen würde. Wird dieser Umstand in Rechnung gestellt und auf der anderen Seite berücksichtigt, dass es sich bei den mit öffentlichen Mitteln verbesserten Grundstücken der Beschwerdegegnerin um qualitativ hochwertiges Ackerland grossen Ausmasses handelt, so muss dem Interesse, dass dieses Areal der landwirtschaftlichen Nutzung weiterhin erhalten bleibt, der Vorrang eingeräumt werden. Demnach ergibt sich, dass keine wichtigen Gründe für die Bewilligung einer Zweckentfremdung im Sinne von
Art. 85 Abs. 3 LwG
vorliegen.
4.
Das Bundesamt macht geltend, eine Bewilligung der Zweckentfremdung könne der Beschwerdegegnerin auch nicht aus Gründen des Vertrauensschutzes erteilt werden, da sie sich auf keine konkrete Zusicherung einer solchen Bewilligung berufen könne.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts verleiht der aus
Art. 4 BV
abgeleitete Grundsatz von Treu und Glauben dem Bürger einen Anspruch auf Schutz des berechtigten Vertrauens in behördliche Zusicherungen und sonstiges, bestimmte Erwartungen begründendes Verhalten der Behörden. Eine (selbst unrichtige) Auskunft oder Zusicherung, welche eine Behörde dem Bürger erteilt und auf die er sich verlassen hat, ist unter gewissen Umständen bindend. Voraussetzung dafür ist, dass sich die Angaben der
BGE 111 Ib 116 S. 125
Behörde auf eine konkrete, den betreffenden Bürger berührende Angelegenheit beziehen, dass die Amtsstelle, welche die Auskunft gegeben hat, hiefür zuständig war, dass der Bürger die Unrichtigkeit des Bescheids nicht ohne weiteres hat erkennen können, dass er im Vertrauen auf die Auskunft nicht wieder rückgängig zu machende Dispositionen getroffen hat und dass die Rechtslage zur Zeit der Verwirklichung des Tatbestandes noch die gleiche ist wie im Zeitpunkt der Auskunfterteilung (
BGE 101 Ia 99
E. 3 mit Hinweisen).
Die Beschwerdegegnerin hatte die hier in Frage stehenden Grundstücke am 29. Oktober 1976 während der Dauer des Güterregulierungsverfahrens von der Motor Columbus AG gekauft. Sie kann sich nicht darauf berufen, dass ihr vor dem Kauf des Landes eine konkrete Zusicherung hinsichtlich einer Zweckentfremdungsbewilligung durch die hiefür zuständige Behörde, das Finanzdepartement, Abteilung Landwirtschaft, erteilt worden wäre. Zwar ist unbestritten, dass die verschiedenen Behörden dem beabsichtigten Kraftwerkbau der Motor Columbus AG grundsätzlich positiv gegenüberstanden und das Vorhaben teilweise durch ihre Entscheide unterstützten. Weder war der Motor Columbus AG jedoch eine formelle Zusicherung erteilt worden, noch wurde im Laufe des Güterzusammenlegungsverfahrens Land für diese Zwecke formell ausgeschieden. Anderseits ist zwar davon auszugehen, dass den kommunalen und kantonalen Behörden, insbesondere auch der Landwirtschaftsabteilung des Finanzdepartements, welche den Kaufvertrag zwischen der Motor Columbus AG und der Beschwerdegegnerin zu genehmigen hatte, bekannt war, dass diese das Land für einen Golfplatz verwenden wollte. Irgendwelche vertrauenbildende Handlungen oder Äusserungen der Bewilligungsbehörde gegenüber der Beschwerdegegnerin vor Kaufsabschluss lagen aber keine vor. Auch aus dem Verhalten der übrigen Behörden konnte die Beschwerdegegnerin nicht auf eine zukünftige Genehmigung des Zweckentfremdungsgesuches schliessen. Sie hat offensichtlich aufgrund des Umstandes, dass die Behörden dem Kraftwerkprojekt der Motor Columbus AG positiv gegenüberstanden, gehofft, sie könnte eine Bewilligung für den Golfplatz erhalten. Dies genügt jedoch nicht. Wenn sich die Beschwerdegegnerin darauf hätte verlassen wollen, dass sie das Land, welches sie für einen Golfplatz kaufte, auch tatsächlich für einen solchen verwenden konnte, hätte sie sich bei der zuständigen Behörde um eine entsprechende Zusicherung bemühen oder die formelle
BGE 111 Ib 116 S. 126
Ausscheidung der Parzellen verlangen müssen. Aus der Tatsache, dass das Finanzdepartement die Beschwerdegegnerin erst unmittelbar nach der Handänderung auf das Zweckentfremdungsverbot aufmerksam machte, kann die Thermalbad Zurzach AG nichts zu ihren Gunsten ableiten. Sie hat zudem nach eigener Darstellung schon immer gewusst, dass sie einer Bewilligung für die Zweckentfremdung bedurfte, um das Land als Golfgelände nutzen zu können. Es ergibt sich ferner weder aus dem Zuteilungsverfahren bei der Güterregulierung noch aus andern Handlungen der verschiedenen Behörden, dass der Beschwerdegegnerin die Bewilligung zur Nutzung des Landes für einen Golfplatz hätte erteilt werden sollen. Auch der Umstand, dass die Thermalbad Zurzach AG ihre Zuteilungswünsche aufgrund von Golfplatzplänen abgegeben hat und ihnen entsprochen wurde, ist nicht entscheidend. Es verhielt sich so, dass die Zuteilung in erster Linie nach den Bedürfnissen der Landwirtschaft erfolgte, aber auch die Anlage eines Golfplatzes nicht von vornherein verunmöglicht werden sollte. Es liegen demnach im zu beurteilenden Fall auch keine Gründe des Vertrauensschutzes vor, die eine Bewilligung der Zweckentfremdung zu rechtfertigen vermöchten. Der Entscheid des Verwaltungsgerichts erweist sich somit auch materiell als unrichtig und verletzt Bundesrecht. Nach dem Gesagten ist die Beschwerde gutzuheissen, der angefochtene Entscheid aufzuheben und das Gesuch der Beschwerdegegnerin um Bewilligung der Zweckentfremdung des meliorierten Areals abzuweisen. | public_law | nan | de | 1,985 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
1770b8f2-1052-4c21-8b46-0052afb7feea | Urteilskopf
105 II 92
17. Urteil der I. Zivilabteilung vom 6. März 1979 i.S. R. gegen M. (Berufung) | Regeste
Art. 62 Abs. 2 und 67 OR
,
Art. 672 ZGB
; Verjährung.
1. Anspruch des Mieters für bauliche Aufwendungen, die ohne Abrede über die Kostentragung, aber in Erwartung eines längerfristigen Mietverhältnisses gemacht worden sind (E. 1 und 2).
2. Wird das Mietverhältnis entgegen einer solchen Erwartung vorzeitig aufgelöst, so beginnt die Verjährungsfrist für den Ersatzanspruch am Tage der Auflösung zu laufen (E. 3).
3. Dieser Zeitpunkt ist gemäss
Art. 64 OR
auch massgebend für den Umfang des Bereicherungsanspruches (E. 4). | Sachverhalt
ab Seite 92
BGE 105 II 92 S. 92
A.-
Frau R. hatte seit 1960 auf dem Bauernhof des M. ein Islandpony eingestellt, wofür sie gemäss mündlicher Vereinbarung Fr. 100.-
BGE 105 II 92 S. 93
Miete im Monat bezahlte. Im Laufe der Zeit brachte sie dort sechs weitere Pferde unter. Als die vorhandenen Stallungen nicht mehr ausreichten, liess sie mit Zustimmung des Vermieters zwischen 1966 und 1971 andere Räume auf ihre Kosten umbauen und einrichten. Der Mietzins wurde in der gleichen Zeit bis auf Fr. 310.- im Monat erhöht.
In den folgenden Jahren schwand das gute Einvernehmen zwischen den Parteien, weshalb das Mietverhältnis Ende März 1974 aufgelöst wurde. Die Mieterin beanspruchte aus diesem Anlass Ersatz für bauliche Aufwendungen im Betrage von Fr. 14'894.95. Da der Vermieter eine Schuldpflicht bestritt, liess die Mieterin ihn am 3. März 1975 für diesen Betrag nebst 5% Zins seit 31. Dezember 1974 betreiben und, auf Rechtsvorschlag hin, am 8. Dezember 1975 gerichtlich belangen.
B.-
Das Kantonsgericht Schaffhausen wies die Klage am 26. Oktober 1976 wegen Verjährung ab. Es fand, die Ersatzforderung lasse sich nicht auf den Mietvertrag stützen; sie sei daher nach
Art. 672 ZGB
in Verbindung mit
Art. 67 OR
zu beurteilen, was eine einjährige Verjährungsfrist ergebe. Diese sei aber längst abgelaufen, da die Bereicherung des Beklagten schon mit dem Einbau des Materials eingetreten sei.
Die Klägerin appellierte an das Obergericht des Kantons Schaffhausen, das am 28. Oktober 1977 im gleichen Sinn entschied.
C.-
Die Klägerin hat gegen dieses Urteil Berufung eingelegt mit den Anträgen, es aufzuheben, ihr Klagebegehren gutzuheissen oder die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Sie bestreitet, dass ihre Ersatzforderung verjährt sei.
Der Beklagte beantragt, die Berufung abzuweisen und das angefochtene Urteil zu bestätigen.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Nach dem angefochtenen Urteil hat zwischen den Parteien ein mündlich geschlossener Mietvertrag bestanden, was von beiden Seiten anerkannt wird. Fest steht ferner, dass die Klägerin während der Mietdauer für den Umbau und die Einrichtung von Stallungen erhebliche Aufwendungen gemacht hat und der Beklagte damit einverstanden gewesen ist. Die Parteien einigten sich jeweils nicht nur über die Ausdehnung
BGE 105 II 92 S. 94
des Mietverhältnisses auf neue Räume und über die Mietzinserhöhung, die sich daraus ergab, sondern auch über die vorgesehenen baulichen Änderungen und die ungefähre Bauzeit. Dagegen sprachen sie nie davon, wer die Kosten für die Änderung zu tragen habe.
Diese Feststellungen der Vorinstanz betreffen tatsächliche Verhältnisse und binden deshalb das Bundesgericht, wenn sie nicht offensichtlich auf Versehen beruhen oder in Missachtung bundesrechtlicher Beweisvorschriften zustande gekommen sind (Art. 43 Abs. 3 und 63 Abs. 2 OG). Beides wirft die Klägerin dem Obergericht vor, ohne aber anzugeben, welche Aktenstelle die Vorinstanz übersehen habe oder welche Feststellung sich mit
Art. 8 ZGB
nicht vertrage. Sie behauptet auch nicht, mit dem Beklagten über die Kosten der Umbauarbeiten etwas vereinbart zu haben. Was sie vorbringt, richtet sich vielmehr gegen die rechtliche Würdigung des Sachverhaltes durch die Vorinstanz, betrifft also die Rechtsanwendung, welche das Bundesgericht frei überprüfen kann.
2.
Die Klägerin stützte ihre Ersatzforderung zunächst auf
Art. 672 ZGB
, liess diese Begründung aber nach dem erstinstanzlichen Urteil fallen und behauptete dann, eine Forderung aus dem Mietvertrag bzw. nach dessen Wegfall einen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung zu haben. Das Obergericht lehnte einen vertraglichen Haftungsgrund ab, weil es an jeder Absprache über die Kostentragung fehle; es beurteilte den Anspruch nach
Art. 672 ZGB
und schloss sich damit der Auffassung des Kantonsgerichtes an. Die Klägerin hält dagegen auch vor Bundesgericht daran fest, dass ihre Forderung mit dem Mietvertrag zusammenhange, weshalb
Art. 672 ZGB
entfalle, aber die Regeln über die ungerechtfertigte Bereicherung anzuwenden seien.
Die Klägerin will damit nicht etwa sagen, es sei mit dem Beklagten auch nur stillschweigend vereinbart worden, dass und unter welchen Voraussetzungen er sich an den Kosten für die Umbauten und andere wertvermehrende Aufwendungen beteiligen werde. Zur Zeit der Umbauarbeiten dachte sie offensichtlich selbst nicht an einen Rückgriff auf den Beklagten, wohl aber an eine lange Mietdauer, welche ihr eine angemessene Amortisation ihrer Investitionen erlaubt hätte. Sie schliesst aus dem behaupteten Zusammenhang mit dem Mietvertrag zu Recht nicht auf eine zehnjährige Verjährungsfrist
BGE 105 II 92 S. 95
(
Art. 127 OR
), sondern anerkennt auch vor Bundesgericht, dass ihr Anspruch der einjährigen Verjährung nach
Art. 67 OR
unterliegt. Es ist deshalb wenn nicht unerheblich, so doch von untergeordneter Bedeutung, ob ein Bereicherungsanspruch gemäss
Art. 62 Abs. 2 OR
oder ein Entschädigungsanspruch nach
Art. 672 ZGB
gegeben ist (
BGE 81 II 435
E. 3; MEIER-HAYOZ, N. 7 zu
Art. 672 ZGB
).
3.
Streitig ist dagegen der Beginn der Verjährungsfrist. Nach Meinung der Klägerin begann die Frist erst Ende März 1974 zu laufen, als das Mietverhältnis aufgelöst wurde, während nach dem angefochtenen Urteil dies bereits seit Abschluss der Einbauten und Zustellung der Handwerkerrechnungen, spätestens aber seit Oktober 1971 anzunehmen ist. Das Obergericht führt dazu insbesondere aus, ein Bereicherungsanspruch werde schon im Zeitpunkt der grundlosen Zuwendung fällig, im Bereich von
Art. 672 ZGB
daher mit dem Einbau. Dass die Klägerin die umgebauten Räume weiterhin benutzte, habe sie nicht gehindert, ihre Ansprüche aus den Aufwendungen gleichzeitig geltend zu machen. Es liege deshalb auch kein Fall gemäss
Art. 134 OR
und kein Grund vor, der erst mit der Vertragsauflösung weggefallen sei; denn der Mietvertrag sei nur das Motiv, nicht aber die rechtsgeschäftliche Grundlage der Einbauten gewesen. Die nach
Art. 67 OR
erforderliche Kenntnis habe die Klägerin spätestens erhalten, als ihr die letzte Handwerkerrechnung zuging.
a) Es wird in der Regel zutreffen, dass eine Ersatzforderung nach
Art. 672 ZGB
mit dem vollzogenen Einbau fällig wird und zu verjähren beginnt. Das ist namentlich dann anzunehmen, wenn vertragliche Beziehungen fehlen (
BGE 99 II 135
,
BGE 95 II 225
,
BGE 82 II 288
). Hier bestand zwischen den Parteien jedoch ein Mietverhältnis, was die Vorinstanzen unzureichend berücksichtigten. Die Klägerin liess die Räume als Mieterin umbauen und einrichten, und der Beklagte stimmte als Vermieter zu. Dazu kommt, dass nach der Feststellung des Obergerichts beide Parteien von der Vorstellung ausgingen, die Klägerin tätige die Investitionen im Hinblick auf ein längerfristiges Mietverhältnis, was der Beklagte noch in der Berufungsantwort anerkennt. Das aber kann nur heissen, dass die Klägerin beim Umbau nicht an eine Kostenbeteiligung des Beklagten dachte, sondern mit der Möglichkeit einer angemessenen Amortisation ihrer Aufwendungen durch Eigengebrauch rechnete. Bei dieser
BGE 105 II 92 S. 96
Sachlage ist nicht zu verstehen, wie sie schon damals gemäss
Art. 672 ZGB
hätte Ersatz beanspruchen können.
Die Klägerin begründet ihren Anspruch denn auch damit, dass ihre damalige Erwartung sich infolge der vorzeitigen Auflösung des Mietverhältnisses nicht erfüllt habe. Sie behauptet also nicht eine Zuwendung im Sinne von
Art. 62 Abs. 2 OR
, der von Anfang an ein gültiger Grund fehlte und die einen sofort fälligen Bereicherungsanspruch ausgelöst hätte. Es liegt auch nicht der Fall eines nachträglich weggefallenen, sondern jener eines nicht verwirklichten Grundes vor. Dass die Parteien für den Fall einer vorzeitigen Auflösung des Mietverhältnisses nichts über die Umbaukosten vereinbarten, machte den bestehenden Mietvertrag nicht zu einem unbeachtlichen Motiv, wie die Vorinstanz annimmt. Als Zuwendungsgrund im Sinne von
Art. 62 Abs. 2 OR
kommt auch ein Umstand in Betracht, der an sich nicht rechtsgeschäftliche Bedeutung hat; das leuchtet namentlich ein, wenn eine Zuwendung in Erwartung einer zwar verabredeten, aber nicht verbindlichen Gegenleistung gemacht wird (von TUHR/PETER, OR S. 488 und Anm. 96; BECKER, N. 9 und 15 zu
Art. 62 OR
). Das muss vorliegend auch für die Erwartung eines langfristigen Mietverhältnisses gelten, zumal sie nicht nur einseitiger Hoffnung der Klägerin, sondern übereinstimmender Vorstellung beider Parteien entsprach, aber eben nicht in der verbindlichen Form einer vertraglichen Mindestmietdauer festgehalten wurde.
Damit stimmt überein, dass Rechtsprechung und Lehre den Anspruch des Mieters auf Ersatz für bauliche Aufwendungen nicht aus
Art. 672 ZGB
, sondern aus
Art. 62 OR
abzuleiten pflegen (
BGE 104 II 203
,
BGE 54 II 427
; SCHMID N. 17 zu Art. 263 und N. 16 zu
Art. 271 OR
; vgl. dagegen LIVER, in Schweiz. Privatrecht, Bd. V/1 S. 171 und 175). Im vorliegenden Fall wäre übrigens das Ergebnis selbst dann kein anderes, wenn mit der Vorinstanz auf
Art. 672 ZGB
abzustellen wäre. Die Verjährung konnte nach
Art. 67 OR
erst beginnen, als die Klägerin nicht nur die Umbaukosten kannte, sondern zudem wusste, dass der Zuwendungsgrund sich nicht verwirklichte (
BGE 82 II 428
,
BGE 63 II 258
; VON TUHR/PETER, OR S. 518). Bei dieser Betrachtungsweise erübrigt sich die Konstruktion einer Hinderung gemäss oder analog
Art. 134 OR
.
b) Der Anspruch der Klägerin wurde demnach nicht mit dem Abschluss der Umbauarbeiten, sondern erst mit der Auflösung
BGE 105 II 92 S. 97
des Mietverhältnisses Ende März 1974 fällig. Daran ändert nichts, dass nach dem Briefwechsel vom Dezember 1973 und Januar 1974 mit einer Aufgabe der Räume durch die Mieterin auf Ende März zu rechnen war; angesichts der Meinungsverschiedenheit, ob und von wem überhaupt gekündigt wurde, war damit weder die Fälligkeit noch eine hinreichende Kenntnis des Bereicherungsanspruchs gegeben. Mit der Betreibung vom 3. März 1975 wurde sodann die Verjährung unterbrochen (
Art. 135 Ziff. 2 OR
), und in der Folge ist sie wegen rechtzeitiger Einreichung der Klage unstreitig nicht mehr eingetreten.
Das Urteil des Obergerichts, das die Verjährung zu Unrecht bejaht hat, ist deshalb aufzuheben und die Sache zur materiellen Beurteilung der eingeklagten Ersatzforderung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
4.
Das Obergericht hält die Abweisung der Klage freilich auch abgesehen von der Verjährungsfrage nicht für unbillig, weil die Klägerin ihre Investitionen durch eine klare und vollständige Vereinbarung hätte absichern oder eine Mindestdauer des Mietvertrages hätte ausbedingen können. Weder das eine noch das andere schliesst indes den Bereicherungsanspruch aus, der sich aus
Art. 62 ff. OR
ergibt und gerade bei fehlender oder lückenhafter Vertragsgrundlage das Missverhältnis zwischen den gegenseitigen Leistungen ausgleichen soll. Der materiellen Beurteilung steht auch sonst nichts im Wege.
a) Nach dem angefochtenen Urteil bestreitet der Beklagte eine Ersatzpflicht gemäss
Art. 672 Abs. 1 ZGB
nicht. Ob diese Annahme zutrifft oder angesichts von Äusserungen in der Klageantwort auf einem Versehen beruht, kann offen bleiben. Der Mieter kann sich für seine Investitionen nicht ohne weiteres auf
Art. 672 ZGB
berufen; er hat mangels besonderer Abrede selbst dann keinen Anspruch auf Ersatz, wenn der Vermieter die Einbauten bewilligt hat. Dagegen ist ein Bereicherungsanspruch zu bejahen, wenn ein vereinbartes oder ein übereinstimmend vorausgesetztes Mietverhältnis von langer Dauer vorzeitig aufgelöst wird (
BGE 104 II 203
,
BGE 54 II 426
; BECKER, N. 9 zu
Art. 62 OR
; SCHMID, N. 16/17 zu Art. 263 und N. 15/16 zu
Art. 271 OR
). Ein solcher Sachverhalt liegt hier vor. Das Obergericht stellt verbindlich fest, dass beide Parteien nach gemeinsamer Vorstellung mit einem langfristigen Mietverhältnis gerechnet haben. Dass das Mietverhältnis insgesamt 14 Jahre gedauert hat, ist unerheblich; denn für die Amortisation
BGE 105 II 92 S. 98
der Investitionen zählt nur die nach deren Vornahme verbleibende Vertragsdauer. Da die Klägerin den eingeklagten Betrag ungefähr hälftig 1966/69 und 1971 für Umbauten aufgewendet hat, ergibt sich bis Ende März 1974 eine restliche Mietdauer zwischen drei und acht Jahren. Angesichts eines Kostenaufwandes von rund Fr. 15'000.- ist aber nicht anzunehmen, dass diese Dauer der gemeinsamen Vorstellung über die Amortisation der Investitionen entsprochen habe.
b) SCHMID (N. 16 zu
Art. 271 OR
) gesteht dem Mieter einen Bereicherungsanspruch nur zu, wenn er die vorzeitige Auflösung des Vertrages nicht selbst zu verantworten hat. Nach
BGE 54 II 427
entfällt der Anspruch aber nicht schon deswegen, weil der Mieter das Rechtsverhältnis vertragsgemäss gekündigt hat. Gemäss
BGE 104 II 203
geht der Mieter dagegen leer aus, wenn er einen auf zehn Jahre fest vereinbarten Vertrag schon im ersten Jahr bricht. Unter dem hier massgebenden Gesichtspunkt kann indes nichts darauf ankommen, ob der Mieter durch die vorzeitige Auflösung zugleich gegen eine vertragliche Kündigungsbeschränkung verstösst; entscheidend ist vielmehr, ob er begründete Veranlassung hatte, das Mietverhältnis aufzulösen. Ist das nicht der Fall, so handelt ein Mieter in der Tat gegen Treu und Glauben, wenn er sich zur Begründung des Bereicherungsanspruchs auf die vorzeitige Vertragsauflösung beruft, die er ausschliesslich selber zu vertreten hat; aus diesem Grund ist ihm in
BGE 104 II 203
/4 der Anspruch denn auch verweigert worden.
Nach dem angefochtenen Urteil steht nicht fest, ob und von welcher Seite das Mietverhältnis gekündigt worden ist; das Obergericht nimmt vielmehr an, das gute Einvernehmen zwischen den Parteien habe sich im Laufe der Jahre getrübt, weshalb von einer Auflösung durch Übereinkunft auszugehen sei. Die Parteien haben sich im Berufungsverfahren mit dieser Annahme abgefunden. Es besteht deshalb kein Anlass, das Obergericht diesbezüglich zu näheren Abklärungen anzuhalten. Die Klägerin machte schon im kantonalen Verfahren vor allem den Sohn des Beklagten für die wachsenden Spannungen verantwortlich, während der Beklagte von "vielen Faktoren" sprach, auf die man nicht näher einzugehen brauche; jedenfalls seien die Reibereien nicht allein auf seinen Sohn zurückzuführen. Selbst aus dieser Darstellung des Beklagten folgt nicht, dass die Klägerin zur vorzeitigen Auflösung des Mietverhältnisses
BGE 105 II 92 S. 99
schuldhaft beigetragen habe; es widerspricht deshalb auch nicht Treu und Glauben, dass sie sich in der Begründung ihres Anspruches auf diese Auflösung beruft.
c) Nicht geklärt ist dagegen, ob und in welchem Ausmass der Beklagte bei Vertragsauflösung infolge der Investitionen noch im Sinne von
Art. 64 OR
bereichert war. Das Obergericht liess ausdrücklich offen, welche Wertvermehrung sich aus den Einbauten ergab und um wieviel sich diese bis Ende März 1974 entwerteten. Vollen Ersatz ihrer Aufwendungen kann die Klägerin entgegen der Auffassung, die ihrem Klagebegehren zugrunde liegt, im vornherein nicht beanspruchen (
BGE 104 II 204
Nr. 33). Mit Wertvermehrung meint das Obergericht zudem eine solche im Sinne von
Art. 672 Abs. 3 ZGB
, die aber durchaus der Bereicherung gemäss
Art. 64 OR
entspricht. Nach
Art. 672 Abs. 2 ZGB
kann der Richter freilich auch auf vollen Schadenersatz erkennen, doch dürfte bei Gutgläubigkeit beider Parteien nur die Wertvermehrung auszugleichen sein (
BGE 99 II 145
,
BGE 82 II 290
; MEIER-HAYOZ, N. 15 und 20 zu
Art. 672 ZGB
).
Art. 64 OR
unterscheidet sich von
Art. 672 ZGB
aber dadurch, dass er auf den Zeitpunkt nicht des Einbaus, sondern des Vertragsablaufs abstellt; auch daraus erhellt, dass die
Art. 62 ff. OR
eine bessere Lösung ergeben als
Art. 672 ZGB
und daher vorzuziehen sind, wenn Mieter und Vermieter sich wie hier über den Ersatz wertvermehrender Aufwendungen streiten.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird teilweise gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts des Kantons Schaffhausen vom 28. Oktober 1977 aufgehoben und die Sache zur Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen. | public_law | nan | de | 1,979 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
1771404a-8d05-4b14-ab3a-fd6c03c259d6 | Urteilskopf
123 II 231
27. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit public du 29 mai 1997 dans la cause WWF contre Grand Conseil de la République et canton de Genève (recours de droit administratif) | Regeste
Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde; Verpflichtung der Kantone, richterliche Behörden zu schaffen, welche als letzte kantonale Instanz entscheiden;
Art. 97 ff. OG
,
Art. 98a Abs. 1 OG
.
Anfechtung eines Nutzungsplanes mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde; Zusammenfassung der Rechtsprechung (E. 2).
Nur letztinstanzliche kantonale Entscheide können mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten werden (E. 4).
Unmittelbare Anwendung von
Art. 98a Abs. 1 OG
seit dem 15. Februar 1997; diese Regel kann die Zuständigkeit einer kantonalen richterlichen Behörde begründen, selbst wenn keine entsprechenden kantonalen Normen bestehen (E. 7).
Folgen mangelnder Klarheit der Bestimmungen zum kantonalen Instanzenzug und des Fehlens einer Rechtsmittelbelehrung; Grundsatz von Treu und Glauben; im vorliegenden Fall Überweisung der Sache vom Bundesgericht an eine kantonale richterliche Behörde (E. 8). | Sachverhalt
ab Seite 232
BGE 123 II 231 S. 232
Le Département des travaux publics et de l'énergie de la République et canton de Genève a élaboré un projet de loi modifiant les limites de zones sur le territoire de la commune de Laconnex (création d'une zone sportive, d'une zone agricole et d'une zone des bois et forêts). Ce projet (plan et réglementation) a été mis à l'enquête publique et le World Wide Fund For Nature - WWF Suisse, représenté par le WWF-Section de Genève (ci-après: le WWF), a formé opposition en critiquant la création de la zone sportive, qualifiée de grave atteinte à la zone agricole.
La commission d'aménagement du Grand Conseil a proposé d'écarter cette opposition. Dans sa séance du 24 janvier 1997, le
BGE 123 II 231 S. 233
Grand Conseil a adopté la loi précitée (no 7499) en rejetant l'opposition du WWF; il a attribué le degré de sensibilité au bruit III à la zone sportive. Cette loi a été publiée une première fois dans la Feuille d'Avis Officielle du canton de Genève le 31 janvier 1997, avec l'avis relatif au référendum. Le délai référendaire n'ayant pas été utilisé, la loi a été publiée à nouveau dans la Feuille d'Avis Officielle du 21 mars 1997, avec l'arrêté de promulgation du Conseil d'Etat, du 17 mars 1997.
Le WWF a formé le 5 mai 1997 un recours de droit public et de droit administratif, en demandant principalement au Tribunal fédéral d'annuler la loi no 7499. Il s'est plaint d'une violation de diverses prescriptions fédérales (de la loi fédérale sur les forêts, de la loi fédérale sur la protection de la nature et du paysage, de la loi fédérale sur la protection de l'environnement et de la loi fédérale sur l'aménagement du territoire). Il a aussi fait valoir que la réglementation du droit cantonal, attribuant au Grand Conseil la compétence de statuer sur les "recours" (au sens de l'art. 33 al. 2 de la loi fédérale sur l'aménagement du territoire [LAT, RS 700]) contre les plans d'affectation, n'était pas conforme aux
art. 6 CEDH
et 98a al. 1 OJ.
Le Tribunal fédéral a déclaré le recours irrecevable et a transmis l'affaire au Tribunal administratif de la République et canton de Genève.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
Le Tribunal fédéral examine d'office et librement la recevabilité des recours qui lui sont soumis (
ATF 122 I 351
consid. 1;
ATF 121 II 39
consid. 2 et les arrêts cités).
En raison de la nature subsidiaire du recours de droit public (
art. 84 al. 2 OJ
), il convient d'examiner en premier lieu la recevabilité du recours de droit administratif.
2.
Selon l'
art. 97 OJ
en relation avec l'
art. 5 PA
, la voie du recours de droit administratif est ouverte contre les décisions fondées sur le droit public fédéral - ou qui auraient dû l'être -, à condition qu'elles émanent des autorités énumérées à l'
art. 98 OJ
et pour autant qu'aucune des exceptions prévues aux art. 99 à 102 OJ ou dans la législation spéciale ne soit réalisée. Le recours de droit administratif est également recevable contre des décisions fondées sur le droit cantonal et sur le droit fédéral, dans la mesure où la violation de dispositions de droit fédéral directement applicables est en jeu (
art. 97 al. 1, 98 let
. g et 104 let. a OJ;
ATF 122 II 241
consid.
BGE 123 II 231 S. 234
2a;
ATF 121 II 39
consid. 2a, 72 consid. 1b, 161 consid. 2a et les arrêts cités). Nonobstant la règle spéciale de l'
art. 34 al. 3 LAT
, une décision, prise en dernière instance cantonale, relative à l'approbation d'un plan d'affectation, peut aussi faire l'objet d'un recours de droit administratif lorsque l'application du droit fédéral de la protection de l'environnement (ou d'autres prescriptions fédérales spéciales) est en jeu, notamment quand le plan se rapporte à un projet concret (cf.
ATF 121 II 72
consid. 1b et les arrêts cités). L'attribution des degrés de sensibilité au bruit dans un plan d'affectation peut en particulier être contestée par la voie du recours de droit administratif (
ATF 120 Ib 287
).
Par ailleurs, une décision de refus d'entrer en matière peut, même quand elle est fondée sur le droit cantonal de procédure, faire l'objet d'un recours de droit administratif au Tribunal fédéral dans les cas où l'autorité, si elle avait statué sur le fond, aurait dû appliquer le droit administratif fédéral (
ATF 121 II 190
consid. 3a et les arrêts cités).
3.
Lorsque la voie du recours de droit administratif est ouverte contre une décision relative à un plan d'affectation, le WWF peut avoir qualité pour recourir et pour se plaindre d'une violation des prescriptions fédérales sur la protection de la nature, du paysage et de l'environnement (
art. 103 let
. c OJ en relation avec des dispositions de lois spéciales; cf. notamment
ATF 123 II 5
;
ATF 122 II 234
;
ATF 121 II 190
).
4.
Conformément à l'
art. 102 let
. d OJ, le recours de droit administratif "n'est pas recevable lorsque est ouverte la voie de tout autre recours ou opposition préalable". Il peut alors s'agir d'une voie de recours cantonale; l'
art. 98 let
. g OJ dispose du reste que le recours de droit administratif est ouvert contre "les décisions des autorités cantonales statuant en dernière instance". Un recours dirigé contre la décision d'une autre autorité cantonale est donc irrecevable (cf.
ATF 121 II 72
consid. 1e-f).
5.
a) Aux termes de l'art. 16 al. 6 de la loi cantonale genevoise d'application de la loi fédérale sur l'aménagement du territoire (LALAT), le Grand Conseil statue sur les oppositions aux projets de lois modifiant le plan d'affectation cantonal. La création et la modification de "zones ordinaires" (art. 18 ss LALAT) sont en effet, en droit genevois, soumises à une procédure de type législatif (art. 15 ss LALAT; cf.
ATF 113 Ia 266
). Cette loi ne prévoit pas de voie de recours devant le Tribunal administratif cantonal (ni devant une autre autorité judiciaire).
b) Les attributions du Tribunal administratif sont énumérées à l'art. 8 de
BGE 123 II 231 S. 235
la loi cantonale sur le Tribunal administratif et le Tribunal des conflits (LTA). Les décisions du Grand Conseil en matière de plans d'affectation ne sont pas mentionnées dans la liste de l'art. 8 al. 1 LTA.
Le Conseil d'Etat a toutefois adopté le 3 mars 1997 un règlement transitoire d'application de la loi sur le Tribunal administratif et le Tribunal des conflits (ci-après: le règlement transitoire), dont la teneur est la suivante:
Article 1
Si aucun recours devant une autre autorité judiciaire cantonale n'est prévu, le Tribunal administratif connaît des recours contre les décisions sur des objets non énumérés à l'article 8, alinéas 1 et 2, de la loi dans les cas où la décision cantonale de dernière instance peut directement faire l'objet d'un recours de droit administratif devant le Tribunal fédéral.
Art. 2
Le présent règlement entre en vigueur avec effet au 15 février 1997.
Le règlement transitoire a été publié dans la Feuille d'Avis Officielle du 12 mars 1997.
c) Selon son préambule, le règlement transitoire est fondé notamment sur l'
art. 98a OJ
. L'alinéa 1 de cette disposition prévoit que les cantons instituent des autorités judiciaires statuant en dernière instance cantonale, dans la mesure où leurs décisions peuvent directement faire l'objet d'un recours de droit administratif au Tribunal fédéral.
L'
art. 98a OJ
a été introduit par la novelle du 4 octobre 1991, entrée en vigueur le 15 février 1992. Les dispositions finales de cette modification légale prescrivent aux cantons d'édicter, dans les cinq ans à compter de l'entrée en vigueur - soit jusqu'au 15 février 1997 -, les règles d'exécution relatives à la compétence, à l'organisation et à la procédure des dernières instances cantonales au sens de l'art. 98a (ch. 1 al. 1 des dispositions finales); jusqu'à l'adoption de leur législation d'exécution, les cantons peuvent au besoin édicter des dispositions provisoirement par voie d'actes législatifs non sujets au référendum (ch. 1 al. 2 des dispositions finales).
6.
La loi no 7499 modifiant le plan d'affectation sur le territoire de la commune de Laconnex et écartant l'opposition de l'organisation recourante, a été publiée le 21 mars 1997, soit après l'entrée en vigueur et la publication du règlement transitoire du 3 mars 1997.
BGE 123 II 231 S. 236
La voie du recours au Tribunal administratif cantonal n'est en principe pas ouverte contre les décisions du Grand Conseil; le règlement transitoire ne paraît cependant pas l'exclure dans les domaines auxquels il s'applique, notamment dans celui des plans d'affectation. Si l'on admet que le règlement transitoire a donné aux intéressés une possibilité de recours auprès d'une autorité judiciaire cantonale, et que le délai de recours a commencé à courir avec la publication de l'arrêté de promulgation - c'est la solution qui prévaut pour l'application de l'
art. 89 OJ
(
ATF 119 Ia 321
consid. 3) et qui paraît résulter de l'art. 14 al. 1 de la loi cantonale sur la forme, la publication et la promulgation des actes officiels -, le recours de droit administratif au Tribunal fédéral, dirigé contre la décision du Grand Conseil, est irrecevable à défaut d'épuisement des instances cantonales (cf. supra, consid. 4). Il n'y a cependant pas lieu de se prononcer ici sur la portée exacte du règlement transitoire (cf. infra, consid. 7).
7.
Au cas où les autorités cantonales interpréteraient le règlement transitoire en ce sens qu'il ne viserait que les décisions prises par des organes administratifs cantonaux - à l'exclusion du Grand Conseil -, la compétence du Tribunal administratif pourrait alors être fondée sur l'
art. 98a OJ
. Depuis le 15 février 1997 - à l'échéance du délai de cinq ans fixé aux cantons pour adapter leurs dispositions de procédure -, cette règle est directement applicable et elle peut fonder la compétence d'une autorité judiciaire cantonale nonobstant l'absence de normes cantonales (cf. ANDREAS KLEY-STRULLER, Anforderungen des Bundesrechts an die Verwaltungsrechtspflege der Kantone bei der Anwendung von Bundesverwaltungsrecht, AJP/PJA 1995 p. 154; YVO HANGARTNER, Remarques ad
ATF 118 Ia 331
et 353, AJP/PJA 1993 p. 81).
L'application directe de l'
art. 98a al. 1 OJ
présente certaines analogies avec la mise en oeuvre du droit au contrôle judiciaire de certaines décisions garanti par l'
art. 6 par. 1 CEDH
. Dans le champ d'application de cette dernière disposition, la jurisprudence considère que même à défaut de dispositions expresses du droit cantonal, une voie de recours devant une autorité judiciaire cantonale doit être ouverte sur la base d'une interprétation conforme à la Convention européenne des droits de l'homme des normes de procédure en vigueur; si cela n'est pas possible, il convient alors d'adopter un règlement transitoire, voire de désigner de cas en cas l'autorité judiciaire compétente (
ATF 121 II 219
consid. 2c;
ATF 120 Ia 209
consid. 6d;
ATF 118 Ia 331
consid. 3b). C'est pourquoi il appartient en principe
BGE 123 II 231 S. 237
- sous réserve d'exceptions éventuelles liées à l'organisation des pouvoirs dans certains cantons - à celui qui se prévaut de l'
art. 6 par. 1 CEDH
de demander aux autorités cantonales, avant de saisir le Tribunal fédéral, d'assurer le contrôle judiciaire prévu par cette disposition (
ATF 120 Ia 19
consid. 2c/bb). Cela étant, lorsque le Tribunal fédéral, se fondant directement sur l'
art. 6 par. 1 CEDH
, considère qu'une voie de recours cantonale doit être ouverte, il ne pose pas lui-même les règles d'organisation et de procédure applicables au niveau cantonal.
Les principes qui viennent d'être évoqués valent aussi dans l'application de l'
art. 98a al. 1 OJ
, qui exige désormais des cantons qu'ils garantissent effectivement la protection juridique prévue par cette disposition.
L'application directe de l'
art. 98a al. 1 OJ
à partir du 15 février 1997 permet ainsi à l'administré d'exiger que le Tribunal administratif cantonal ou une autre autorité judiciaire, le cas échéant, se prononce sur un recours qu'il a déposé après cette date contre une décision le concernant ne pouvant plus faire l'objet d'un recours devant un organe de l'administration ou le parlement, lorsque la voie du recours de droit administratif au Tribunal fédéral est ensuite ouverte. Si le justiciable n'utilise pas cette possibilité de recours cantonal, son recours de droit administratif au Tribunal fédéral dirigé contre la décision du parlement ou d'un organe de l'administration est irrecevable à défaut d'épuisement des instances (cf. supra, consid. 4).
En l'occurrence, l'
art. 98a al. 1 OJ
était déjà directement applicable à la date de la publication de l'arrêté de promulgation de la loi no 7499. Le recours de droit administratif est donc irrecevable car l'organisation recourante n'a pas utilisé la voie de recours cantonale ouverte en vertu de l'
art. 98a al. 1 OJ
.
8.
a) En communiquant la décision sur le plan et les oppositions par publication de la loi no 7499 dans la feuille officielle, le Grand Conseil et le Conseil d'Etat n'ont pas indiqué l'existence d'une voie de recours au Tribunal administratif (voire à un autre tribunal cantonal) sur la base du règlement transitoire ou, directement, de l'
art. 98a OJ
; ils n'ont du reste pas non plus indiqué la voie du recours de droit administratif au Tribunal fédéral.
L'indication des voies de recours est une exigence du droit fédéral de procédure administrative en ce qui concerne les décisions prises en dernière instance cantonale (
art. 35 PA
en relation avec l'
art. 1er al. 3 PA
). Elle ne s'applique pas directement aux décisions du Grand Conseil, précisément parce qu'elles ne sont pas rendues
BGE 123 II 231 S. 238
en dernière instance cantonale lorsque la voie du recours de droit administratif est en principe ouverte (cf. supra, consid. 6 et 7). Il ne s'agit par ailleurs pas d'une exigence du droit constitutionnel fédéral qui s'appliquerait de manière générale à toutes les décisions cantonales (
ATF 98 Ib 333
consid. 2b; cf. JEAN-FRANÇOIS EGLI, La protection de la bonne foi dans le procès, in: Juridiction constitutionnelle et juridiction administrative, Zurich 1992, p. 231; RENÉ A. RHINOW/BEAT KRÄHENMANN, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, Ergänzungsband, Bâle 1990, n. 86.B.I).
En droit cantonal, l'art. 46 al. 1 de la loi genevoise sur la procédure administrative (LPA) dispose que les décisions prises par les autorités administratives et les juridictions administratives (cf. art. 1er al. 2 et 4 al. 1 LPA) doivent indiquer les voies ordinaires et délais de recours. Il n'est pas exclu que cette disposition s'applique aussi aux décisions du Grand Conseil, en particulier lorsque celui-ci se prononce en tant qu'autorité cantonale de recours au sens de l'
art. 33 al. 2 LAT
; cette question peut néanmoins demeurer indécise. Il n'y a dès lors pas lieu de déterminer si la communication de la loi no 7499 était entachée d'une irrégularité au regard de la loi cantonale de procédure.
b) C'est un principe général du droit - exprimé notamment aux
art. 107 al. 3 OJ
et 38 PA - que lorsqu'il existe une obligation de mentionner les voies de recours, son omission ne doit pas porter préjudice au justiciable; de même, le justiciable ne doit pas pâtir d'une indication inexacte ou incomplète sur ce point. Ce principe général découle des règles de la bonne foi, qui imposent aussi des devoirs à l'autorité dans la conduite d'une procédure (
ATF 119 IV 330
consid. 1c;
ATF 117 Ia 297
consid. 2, 421 consid. 2c et les arrêts cités; EGLI, op.cit., p. 228 ss, 231; RHINOW/KRÄHENMANN, op.cit., n. 86.B.II). Le justiciable ne doit en outre pas pâtir d'une réglementation légale peu claire ou contradictoire des voies de droit; il est alors dans une situation comparable à celle du justiciable à qui l'autorité donne, dans sa décision, des indications erronées à ce sujet (
ATF 117 Ia 119
consid. 3 p. 124).
La solution permettant d'éviter au recourant de subir un préjudice peut varier: le délai de recours peut être considéré comme observé ou il peut être restitué, le cas échéant; une transmission de l'affaire à l'autorité compétente peut aussi être ordonnée (
ATF 117 Ia 297
consid. 2). Selon la jurisprudence, une telle transmission s'impose dans certaines circonstances en vertu de l'
art. 4 Cst.
(
ATF 117 Ia 119
consid. 3c). Il a parfois même été question d'un principe général,
BGE 123 II 231 S. 239
applicable sauf disposition contraire, selon lequel un recours adressé en temps utile à une autorité incompétente devrait être transmis à l'autorité compétente (
ATF 119 IV 330
consid. 1c); c'est là le sens de l'
art. 8 al. 1 PA
, que doivent respecter les autorités administratives fédérales énumérées à l'
art. 1er al. 2 PA
- le Tribunal fédéral n'en fait pas partie, sauf dans l'hypothèse de l'
art. 1er al. 2 let. b PA
, qui n'entre pas en considération ici - et que le Tribunal fédéral des assurances a qualifié d'expression d'un tel principe général (arrêt du 25 février 1991 reproduit in Droit du travail et assurance-chômage [DTA/ARV] 1991 no 16 p. 119 consid. 2a). Il n'est en effet pas exclu de considérer que ce serait un préjudice imposé au justiciable que de l'obliger à présenter une requête de restitution de délai alors que la faute - dans l'indication des voies de recours ou dans la rédaction et l'organisation des règles de procédure - incombe à l'Etat (cf. EGLI, op.cit., p. 232). Cela étant, il n'y a pas lieu, dans la présente cause, de se prononcer plus en détail sur une éventuelle obligation générale de transmission et sur les exceptions admissibles car, dans les circonstances particulières de l'espèce, une transmission de l'affaire à l'autorité cantonale se justifie.
En effet, la question de la voie de recours cantonale contre une décision du Grand Conseil en matière de plans d'affectation est, en l'état, réglée de manière particulièrement peu claire dans le canton de Genève. Les décisions du parlement ne peuvent normalement pas faire l'objet d'un recours auprès d'un tribunal cantonal: c'est pourquoi l'application à cet égard du règlement transitoire, voire de l'
art. 98a al. 1 OJ
directement (norme qui se borne toutefois à garantir l'accès à une autorité judiciaire cantonale, sans régler les autres questions d'organisation et de procédure), pose divers problèmes. Les autorités cantonales n'ont pas résolu ces questions dans le délai de cinq ans prévu pour la mise en oeuvre des exigences de l'
art. 98a OJ
(cf. supra, consid. 5c) et il n'est pas absolument certain que le Tribunal administratif soit l'autorité compétente. On ne saurait donc, dans ces circonstances, se contenter de laisser à l'organisation recourante le soin d'examiner les différentes interprétations possibles des règles pouvant fonder la compétence d'une autorité judiciaire cantonale, et de présenter ensuite une demande de restitution de délai de recours à un tribunal qui pourrait en définitive se déclarer incompétent. C'est pourquoi le principe de la bonne foi, qui veut que le justiciable ne subisse aucun préjudice à cause de cette réglementation transitoire particulière des voies de droit, confère en l'occurrence au Tribunal fédéral la compétence de transmettre l'affaire à
BGE 123 II 231 S. 240
une autorité judiciaire cantonale - quand bien même il déclare le recours de droit administratif irrecevable - et lui impose aussi de procéder à cette transmission.
c) La présente affaire doit être transmise au Tribunal administratif, dont la compétence est la plus probable (c'est l'autorité judiciaire désignée par le règlement transitoire). Le Tribunal administratif devra néanmoins examiner préalablement sa compétence et, le cas échéant, se prononcer sur les autres conditions de recevabilité du recours transmis par le Tribunal fédéral, traité comme un recours cantonal.
d) L'arrêt du Tribunal fédéral, qui prononce l'irrecevabilité du recours de droit administratif en raison d'une incompétence fonctionnelle (sur cette notion, cf. FRITZ GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2e éd. Berne 1983, p. 115 ss; RENÉ RHINOW/HEINRICH KOLLER/CHRISTINA KISS, Öffentliches Prozessrecht und Justizverfassungsrecht des Bundes, Bâle 1996, p. 185), n'empêche pas l'autorité judiciaire cantonale de se prononcer le cas échéant sur les moyens de fond de l'organisation recourante. L'autorité de la chose jugée se limite à l'objet du présent jugement, à savoir la question de la recevabilité, à ce stade, du recours de droit administratif au regard des
art. 98 let
. g et 102 let. d OJ. En d'autres termes, comme l'affaire est transmise au Tribunal administratif cantonal, le présent arrêt d'irrecevabilité n'a pas pour conséquence de rendre directement exécutoire la décision attaquée prise par le Grand Conseil.
9.
Il résulte des considérants précédents que le recours de droit public serait lui aussi irrecevable en raison du défaut d'épuisement des instances cantonales (
art. 86 al. 1 OJ
). Il n'y a dès lors pas lieu d'examiner plus avant les autres conditions de recevabilité d'un tel recours.
10.
Il s'ensuit que le recours de droit administratif et de droit public est déclaré irrecevable, l'affaire étant transmise au Tribunal administratif cantonal. Il n'y a pas lieu de percevoir un émolument judiciaire (
art. 156 OJ
). | public_law | nan | fr | 1,997 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
1773e868-6034-4182-b0d1-6e6730a2c699 | Urteilskopf
140 IV 102
14. Auszug aus dem Urteil der Strafrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Uri (Beschwerde in Strafsachen)
6B_697/2013 vom 28. April 2014 | Regeste
Rassendiskriminierung; öffentliche Verbreitung von rassendiskriminierenden Ideologien (
Art. 261
bis
Abs. 2 StGB
).
Der sog. "Hitlergruss" in der Öffentlichkeit erfüllt den Tatbestand, wenn er sich nicht in einem eigenen Bekenntnis zur dadurch symbolisierten nationalsozialistischen Ideologie erschöpft, sondern nach den Umständen darauf gerichtet ist, unbeteiligte Dritte werbend für diese Ideologie zu gewinnen. Tatbestandsmässigkeit im konkreten Fall verneint (E. 2). | Sachverhalt
ab Seite 103
BGE 140 IV 102 S. 103
A.
X. nahm am 8. August 2010 an einer Veranstaltung der Z. Partei auf dem Rütli teil. Beim gemeinsamen Aufsagen des Rütlischwurs aus Friedrich Schillers "Wilhelm Tell" streckte er während ca. 20 Sekunden seinen rechten Arm mit flacher Hand auf Augenhöhe schräg nach oben zum sog. "Hitlergruss". Ausser den rund 150 Veranstaltungsteilnehmern und den Polizeibeamten waren zur fraglichen Zeit auch einige unbeteiligte Dritte als Wanderer und Spaziergänger auf der Rütliwiese zugegen, welche die Veranstaltung wahrnehmen konnten.
B.
Das Obergericht des Kantons Uri sprach X. mit Urteil vom 28. Mai 2013 in Bestätigung des Entscheids des Landgerichtsvizepräsidiums Uri vom 26. Juni 2012 der Rassendiskriminierung im Sinne von
Art. 261
bis
Abs. 2 StGB
schuldig und bestrafte ihn mit einer Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu Fr. 50.-, bedingt vollziehbar bei einer Probezeit von drei Jahren, und mit einer Busse von 300 Franken respektive, im Falle der schuldhaften Nichtbezahlung der Busse, mit einer Ersatzfreiheitsstrafe von 3 Tagen.
C.
X. erhebt Beschwerde in Strafsachen mit den Anträgen, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und er sei vom Vorwurf der Rassendiskriminierung freizusprechen. Eventualiter sei die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Zudem ersucht er um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege.
D.
Die Staatsanwaltschaft und das Obergericht des Kantons Uri haben auf Vernehmlassung verzichtet.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Gemäss
Art. 261
bis
StGB
("Rassendiskriminierung") wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe unter anderen bestraft, wer (Abs. 1) öffentlich gegen eine Person oder eine Gruppe von
BGE 140 IV 102 S. 104
Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie oder Religion zu Hass oder Diskriminierung aufruft, wer (Abs. 2) öffentlich Ideologien verbreitet, die auf die systematische Herabsetzung oder Verleumdung der Angehörigen einer Rasse, Ethnie oder Religion gerichtet sind, wer (Abs. 3) mit dem gleichen Ziel Propagandaaktionen organisiert, fördert oder daran teilnimmt.
2.1
2.1.1
Der Beschwerdeführer macht geltend, die inkriminierte Gebärde sei nicht nur in der Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland, sondern auch zu früheren Zeiten in anderen Gesellschaften zum Gruss verwendet worden, etwa als Römergruss und als olympischer Gruss. Die fragliche Gebärde sei auch vielfach von Anhängern von rechten und rechtsextremen Parteien und Gruppierungen praktiziert worden als Gegensatz zum kommunistischen Gruss durch den gestreckten Arm mit geballter Faust.
2.1.2
Es trifft zu, dass die fragliche Gebärde auch zu anderen Zeiten und in anderen Zusammenhängen verwendet wurde. Sie wird aber heutzutage und hierzulande vom unbefangenen durchschnittlichen Betrachter als sog. "Hitlergruss" verstanden, der in der Zeit des Nationalsozialismus namentlich in Deutschland praktiziert wurde.
2.2
2.2.1
Der sog. "Hitlergruss" ist ein Kennzeichen des Nationalsozialismus, dessen Gedankengut im Sinne von
Art. 261
bis
Abs. 2 StGB
eine Ideologie darstellt, die auf die Herabsetzung oder Verleumdung der Angehörigen einer Rasse, Ethnie oder Religion gerichtet ist. Wer heutzutage hierzulande den Arm zum sog. "Hitlergruss" hebt, bringt dadurch - soweit die Gebärde nicht als simple Provokation oder als ein Akt im Rahmen der Kunst erkennbar ist - nach dem Eindruck des unbefangenen durchschnittlichen Betrachters zum Ausdruck, dass er sich zum nationalsozialistischen Gedankengut zumindest in Teilen bekennt.
2.2.2
Den Tatbestand von
Art. 261
bis
Abs. 2 StGB
erfüllt nicht schon, wer sich öffentlich zu einer rassendiskriminierenden Ideologie bekennt.
Art. 261
bis
Abs. 2 StGB
setzt voraus, dass der Täter die rassendiskriminierende Ideologie "verbreitet". Mit der Tathandlung des "Verbreitens" ist ein "Werben", ein "Propagieren" gemeint, wie sich deutlicher aus dem französischen und dem italienischen Gesetzeswortlaut ("celui qui ... aura propagé une idéologie ..."; "chiunque
BGE 140 IV 102 S. 105
propaga ... un'ideologia ...") ergibt (siehe NIGGLI, Rassendiskriminierung, Ein Kommentar zu
Art. 261
bis
StGB
und
Art. 171c MStG
, 2. Aufl. 2007, N. 1111; SCHLEIMINGER METTLER, in: Basler Kommentar, Strafrecht, Bd. II, 3. Aufl. 2013, N. 38 zu
Art. 261
bis
StGB
; TRECHSEL/VEST, in: Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, 2. Aufl. 2013, N. 21 zu
Art. 261
bis
StGB
; SCHUBARTH/VEST, in: Delikte gegen den öffentlichen Frieden [
Art. 258-263 StGB
], 2007,N. 58 zu
Art. 261
bis
StGB
). Die Absätze 1 bis 3 von
Art. 261
bis
StGB
erfassen die rassendiskriminierende Propaganda in einem weiteren Sinne. Durch die Propaganda sollen andere Menschen für die geäusserten Gedanken gewonnen oder in ihrer Überzeugung gefestigt und bestärkt werden (Botschaft des Bundesrates vom 2. März 1992 über den Beitritt der Schweiz zum Internationalen Übereinkommen von 1965 zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung und über die entsprechende Strafrechtsrevision, BBl 1992 III 269 ff., 312 f. Ziff. 636.1). Propaganda kann objektiv in irgendwelchen für andere Personen wahrnehmbaren Handlungen liegen, z.B. im Halten von Vorträgen, Ausleihen und Verteilen von Schriften, Ausstellen von Bildern, Tragen von Abzeichen, sogar in blossen Gebärden. Subjektiv erfordert die Propaganda nicht nur das Bewusstsein, dass eine bestimmte Handlung von anderen Personen wahrgenommen werde, sondern auch die Absicht, durch sie nicht nur Gedanken zu äussern, sondern dafür zu werben, d.h. so auf andere Personen einzuwirken, dass sie für die geäusserten Gedanken gewonnen oder, falls sie ihnen bereits zugetan sind, in ihrer Überzeugung bestärkt werden (
BGE 68 IV 145
E. 2 zu Art. 1 und 2 des Bundesratsbeschlusses vom 6. August 1940 über Massnahmen gegen die kommunistische und anarchistische Tätigkeit; siehe auch TRECHSEL/VEST, a.a.O., N. 2 zu
Art. 275
bis
StGB
; LANDSHUT, in: Basler Kommentar, Strafrecht, Bd. II, 3. Aufl. 2013, N. 2 zu
Art. 275
bis
StGB
).
2.2.3
Gemäss den Ausführungen in der Botschaft des Bundesrates vom 2. März 1992 kann unter Propaganda auch eine "averbale Kommunikation (z.B. Hitlergruss)" fallen (Botschaft, a.a.O., S. 312). Die Lehre nimmt an, dass der sog. "Hitlergruss" selbst bereits ein werbendes Verbreiten darstellen kann. Dies allerdings nur, wenn die so gegrüsste Person diese Ideologie nicht teilt. Werde die Geste dagegen unter Gleichgesinnten verwendet, so dürfte darin jedenfalls kein "Verbreiten" im Sinne von
Art. 261
bis
Abs. 2 StGB
zu erkennen sein, auch dann nicht, wenn es in der Öffentlichkeit geschieht. Der sog. "Hitlergruss" sei also nur dann als "Verbreiten" zu
BGE 140 IV 102 S. 106
qualifizieren, wenn er sich nach aussen, an eine unbeteiligte Öffentlichkeit richtet (NIGGLI, a.a.O., N. 1196; SCHLEIMINGER METTLER, a.a.O., N. 39 zu
Art. 261
bis
StGB
).
2.2.4
Der Bundesrat schlug in teilweiser Erfüllung der Motion 04. 3224 der Rechtskommission des Nationalrats vom 29. April 2004 mit Bericht und Vorentwurf vom Juni 2009 über die Ergänzung des Schweizerischen Strafgesetzbuches betreffend rassistische Symbole einen neuen Artikel 261
ter
StGB betreffend Verwendung rassistischer Symbole vor. Der Bericht weist darauf hin, dass Rechtsextreme, die sich beispielsweise darauf beschränken, untereinander den sog. "Hitlergruss" auszuführen, nach geltendem Recht straflos bleiben, da diesfalls die Tathandlung des "Verbreitens" im Sinne von
Art. 261
bis
Abs. 2 StGB
mit seinem werbenden Element nicht erfüllt ist (Bericht vom Juni 2009, S. 17). Gemäss Art. 261
ter
VE-StGB sollte mit Busse bestraft werden, wer rassistische Symbole, insbesondere Symbole des Nationalsozialismus, oder Abwandlungen davon, wie Fahnen, Abzeichen, Embleme, Parolen oder Grussformen, oder Gegenstände, die solche Symbole oder Abwandlungen davon darstellen oder enthalten, wie Schriften, Ton- oder Bildaufnahmen oder Abbildungen, öffentlich verwendet oder verbreitet. Aufgrund der Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens empfahl der Bundesrat mit Bericht vom 30. Juni 2010 dem Parlament, auf ein Verbot der öffentlichen Verwendung extremistischer, gewaltverherrlichender und rassistischer Symbole sowie auf eine Ergänzung des StGB und des MStG mit einer Strafnorm betreffend rassistische Symbole zu verzichten, und er beantragte, die Motion 04.3224 abzuschreiben (Bericht des Bundesrates vom 30. Juni 2010 zur Abschreibung der Motion 04.3224 der Rechtskommission des Nationalrats vom 29. April 2004, BBl 2010 4851 ff.). Die eidgenössischen Räte nahmen den Vorschlag an (AB 2011 N 832, AB 2011 S 851 f.). Der Bundesrat weist in seinem Bericht darauf hin, dass damit die Verwendung oder Verbreitung rassistischer Symbole nicht straflos sei. Sie sei vielmehr nach
Art. 261
bis
StGB
strafbar, wenn diese Symbole eine rassendiskriminierende Ideologie kennzeichnen und dafür in der Öffentlichkeit geworben wird. Durch das Zeigen des sog. "Hitlergrusses" werde nach geltendem Recht nur dann geworben, wenn sich der Beschuldigte mit dem Gruss an die Öffentlichkeit richtet mit dem Willen, diese werbend zu beeinflussen (Bericht des Bundesrates vom 30. Juni 2010, BBl 2010 4851 ff., 4861, 4862). In den Verhandlungen des Ständerats hielt Bundesrätin Sommaruga fest,
BGE 140 IV 102 S. 107
dass mit der Abschreibung der Motion keineswegs darauf verzichtet werde, den Gebrauch von Symbolen rassistischer Ideologien in der Öffentlichkeit zu bestrafen. Die Verwendung solcher Symbole in der Öffentlichkeit sei nach geltendem Recht,
Art. 261
bis
StGB
, strafbar, wenn dadurch für die damit gekennzeichnete Ideologie in der Öffentlichkeit geworben wird. Eine öffentliche Werbung liege dann vor, wenn sich jemand beispielsweise mit dem sog. "Hitlergruss" an die Öffentlichkeit richtet mit dem Willen, diese werbend zu beeinflussen (Votum Bundesrätin Sommaruga, AB 2011 S 852).
2.2.5
Daraus ergibt sich Folgendes. Wird der sog. "Hitlergruss" nicht in der Öffentlichkeit, sondern im privaten Rahmen verwendet, ist
Art. 261
bis
StGB
nicht anwendbar, weil das Merkmal der Öffentlichkeit fehlt. Die Verwendung des fraglichen Grusses in der Öffentlichkeit unter Gesinnungsgenossen fällt nicht unter die Strafnorm, da das Erfordernis der werbenden Beeinflussung und damit das Merkmal des "Verbreitens" nicht gegeben ist. Der sog. "Hitlergruss" in der Öffentlichkeit erfüllt den Tatbestand von
Art. 261
bis
Abs. 2 StGB
nicht schon, wenn er (auch) an unbeteiligte Dritte gerichtet wird, sondern nur unter der weiteren Voraussetzung, dass dadurch Dritte für die damit gekennzeichnete rassendiskriminierende Ideologie werbend beeinflusst werden sollen. Das zur Erfüllung des Merkmals des "Verbreitens" erforderliche Element der werbenden Einflussnahme ist nicht schon ohne weiteres gegeben, wenn und weil sich die Gebärde an unbeteiligte Dritte richtet. Auch in diesem Fall kann sich der Gruss in einem eigenen Bekenntnis zur damit gekennzeichneten rassendiskriminierenden Ideologie erschöpfen. Denn auch das eigene Bekenntnis in der Öffentlichkeit zeichnet sich dadurch aus, dass es auf eine Kenntnisnahme durch Dritte gerichtet ist. Ob die Verwendung des sog. "Hitlergrusses" in der Öffentlichkeit gegenüber Dritten objektiv und subjektiv lediglich eine Bekundung eines eigenen Bekenntnisses oder ein tatbestandsmässiges Propagieren und damit Verbreiten der durch das Symbol gekennzeichneten rassendiskriminierenden Ideologie ist, hängt von den konkreten Umständen des einzelnen Falles ab.
2.3
Der Beschwerdeführer hob anlässlich einer Veranstaltung der Z. Partei beim gemeinsamen Aufsagen des Rütlischwurs aus Friedrich Schillers "Wilhelm Tell" den rechten Arm während rund 20 Sekunden zum sog. "Hitlergruss". Die Veranstaltung wurde von Spaziergängern wahrgenommen.
BGE 140 IV 102 S. 108
Unter den gegebenen Umständen war die Gebärde des Beschwerdeführers bei objektiver Betrachtung nicht dazu bestimmt, über das dadurch allenfalls bekundete eigene Bekenntnis zur nationalsozialistischen Ideologie hinaus werbend unbeteiligte Dritte für diese Ideologie zu gewinnen. Der Tatbestand von
Art. 261
bis
Abs. 2 StGB
ist nicht erfüllt.
2.4
Die öffentliche Verwendung des sog. "Hitlergrusses" kann unter Umständen, je nach den örtlichen Gegebenheiten und/oder dem Adressatenkreis, den Tatbestand von Art. 261
bis
Abs. 4 erste Hälfte StGB erfüllen, wonach unter anderen bestraft wird, wer öffentlich durch Gebärden eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Religion in einer gegen die Menschenwürde verstossenden Weise herabsetzt. Solche Umstände liegen hier nicht vor. | null | nan | de | 2,014 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
1776ae08-a54a-4eba-99bb-b20cf481ed38 | Urteilskopf
139 V 50
8. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. Bundesamt für Sozialversicherungen gegen SUVA (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
9C_298/2012 vom 17. Dezember 2012 | Regeste
Art. 5 Abs. 2 AHVG
; Art. 6 Abs. 2 lit. b und Art. 7 lit. p AHVV;
Art. 29 Abs. 3bis MVG
; massgebender Lohn bei Taggeldern der Militärversicherung.
Die AHV/IV/EO/ALV-Arbeitnehmerbeiträge, welche die SUVA, Abteilung Militärversicherung, als Arbeitgeberin auf den von ihr direkt an die Versicherten ausgerichteten Militärversicherungstaggeldern übernommen hat, stellen massgebenden Lohn dar. Für die Beitragsbemessung sind die ausgerichteten Taggelder deshalb durch Aufrechnung der übernommenen AHV/IV/EO/ALV-Arbeitnehmerbeiträge in Bruttowerte umzurechnen (E. 4.9). | Sachverhalt
ab Seite 51
BGE 139 V 50 S. 51
A.
Bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Abteilung Militärversicherung, wurde am 20. August 2008 durch die Revisionsstelle der Ausgleichskassen eine Arbeitgeberkontrolle für die Periode vom 1. Januar 2004 bis 31. Dezember 2007 durchgeführt. Dabei stellte sich heraus, dass bei den direkt an die Versicherten ausbezahlten Taggeldleistungen die Nettovergütungen abgerechnet worden waren.
Die Eidgenössische Ausgleichskasse (EAK) verfügte am 4. Juni 2009, die ab 1. Januar 2008 direkt an die Versicherten ausbezahlten Militärversicherungstaggelder seien "netto für brutto aufzurechnen". Es seien die paritätischen AHV/IV/EO/ALV-Beiträge zu erheben und abzurechnen. Auf eine rückwirkende Korrektur ab 1. Januar 2006 werde verzichtet. Einspracheweise machte die SUVA geltend, hierfür fehle es an einer gesetzlichen Grundlage. In einer weiteren Eingabe vom 4. September 2009 gab die SUVA ein Rechtsgutachten zu den Akten. Mit Entscheid vom 31. März 2010 wies die EAK die Einsprache ab.
B.
Die von der SUVA, Abteilung Militärversicherung, hiegegen erhobene Beschwerde hiess das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Entscheid vom 28. Februar 2012 gut und hob den Einspracheentscheid auf. (...)
C.
Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag auf Aufhebung des kantonalen Entscheides.
Während die SUVA, Abteilung Militärversicherung, auf Abweisung der Beschwerde schliesst, beantragt die EAK deren Gutheissung.
(Auszug)
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
2.1
Gemäss
Art. 5 Abs. 1 AHVG
werden vom Einkommen aus unselbstständiger Erwerbstätigkeit, dem massgebenden Lohn, AHV-Beiträge erhoben. Hinzu kommen die Beiträge an die Invalidenversicherung (
Art. 3 Abs. 1 IVG
), die Erwerbsersatzordnung (
Art. 27 EOG
; SR 834.1) und die Arbeitslosenversicherung (
Art. 3 Abs. 1 AVIG
; SR 837.0).
Als massgebender Lohn gemäss
Art. 5 Abs. 2 AHVG
gilt jedes Entgelt für in unselbstständiger Stellung auf bestimmte oder unbestimmte Zeit geleistete Arbeit (Satz 1). Er umfasst auch Teuerungs- und
BGE 139 V 50 S. 52
andere Lohnzulagen, Provisionen, Gratifikationen, Naturalleistungen, Ferien- und Feiertagsentschädigungen und ähnliche Bezüge, ferner Trinkgelder, soweit diese einen wesentlichen Bestandteil des Arbeitsentgeltes darstellen (Satz 2). Mit anderen Worten gehören zum massgebenden Lohn begrifflich sämtliche Bezüge der Arbeitnehmerin und des Arbeitnehmers, die wirtschaftlich mit dem Arbeitsverhältnis zusammenhängen, gleichgültig, ob dieses Verhältnis fortbesteht oder gelöst worden ist und ob die Leistungen geschuldet werden oder freiwillig erfolgen. Als beitragspflichtiges Einkommen aus unselbstständiger Erwerbstätigkeit gilt somit nicht nur unmittelbares Entgelt für geleistete Arbeit, sondern grundsätzlich jede Entschädigung oder Zuwendung, die sonst wie aus dem Arbeitsverhältnis bezogen wird, soweit sie nicht kraft ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift von der Beitragspflicht ausgenommen ist (
BGE 133 V 556
E. 4 S. 558,
BGE 133 V 153
E. 3.1 S. 156 f.;
BGE 131 V 444
E. 1.1 S. 446; vgl. auch UELI KIESER, Alters- und Hinterlassenenversicherung, in: Soziale Sicherheit, SBVR Bd. XIV, 2. Aufl. 2007, S. 1249 f. Rz. 136;
derselbe
, Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Sozialversicherungsrecht, Alters- und Hinterlassenenversicherung, 2. Aufl. 2005 [nachfolgend: AHVG], N. 92 zu
Art. 5 AHVG
; SCARTAZZINI/HÜRZELER, Bundessozialversicherungsrecht, 4. Aufl. 2012, S. 162 f. Rz. 141).
2.2
Nach
Art. 5 Abs. 4 AHVG
kann der Bundesrat Sozialleistungen sowie anlässlich besonderer Ereignisse erfolgende Zuwendungen eines Arbeitgebers an seine Arbeitnehmer vom Einbezug in den massgebenden Lohn ausnehmen. Davon hat er in
Art. 6 ff. AHVV
(SR 831.101) Gebrauch gemacht. Gemäss
Art. 6 Abs. 2 lit. b AHVV
gehören Versicherungsleistungen bei Unfall, Krankheit oder Invalidität - ausgenommen die hier interessierenden Taggelder nach Art. 29 des Bundesgesetzes vom 19. Juni 1992 über die Militärversicherung (MVG; SR 833.1) sowie die Taggelder nach
Art. 25 IVG
- nicht zum Erwerbseinkommen. Mit anderen Worten gehören Taggelder der Militärversicherung sowie der Invalidenversicherung zum massgebenden Lohn (
BGE 123 V 223
; vgl. auch Wegleitung des BSV über den massgebenden Lohn [WML] in der AHV, IV und EO [Stand am 1. Januar 2010] Rz. 2071, 2075 f.
http://www.bsv.admin.ch/vollzug/documents/index/category:22/lang:deu
).
2.3
Die zum massgebenden Lohn gehörenden Bestandteile werden in
Art. 7 AHVV
beispielhaft näher aufgeführt (
BGE 133 V 346
E. 4 S. 347). Gemäss Art. 7 lit. p AHVV gehören Leistungen des Arbeitgebers, die in der Übernahme des Arbeitnehmerbeitrages für die Alters-,
BGE 139 V 50 S. 53
Hinterlassenen- und Invalidenversicherung, die Erwerbsersatzordnung und die Arbeitslosenversicherung sowie der Steuern bestehen, zum massgebenden Lohn; ausgenommen ist die Übernahme der Arbeitnehmerbeiträge auf Naturalleistungen und Globallöhnen (vgl. auch Rz. 2080 f. WML).
2.4
Anspruch auf ein Taggeld der Militärversicherung hat der Versicherte, welcher infolge einer Gesundheitsschädigung arbeitsunfähig ist (
Art. 28 Abs. 1 MVG
). Gemäss
Art. 29 Abs. 3 MVG
werden vom Taggeld (der Militärversicherung) Beiträge an die Alters- und Hinterlassenenversicherung (lit. a), an die Invalidenversicherung (lit. b), an die Erwerbsersatzordnung (lit. c) und gegebenenfalls an die Arbeitslosenversicherung (lit. d) bezahlt. Die Beiträge werden in vollem Umfang von der Militärversicherung getragen (
Art. 29 Abs. 3
bis
MVG
; vgl. zum Ganzen: JÜRG MAESCHI, Kommentar zum Militärversicherungsgesetz, 2000, N. 1 ff. zu
Art. 28 und 29 MVG
; vgl. auch FRANZ SCHLAURI, Die Militärversicherung, in: Soziale Sicherheit, SBVR Bd. XIV, 2. Aufl. 2007, S. 1098 ff.; HANS-JAKOB MOSIMANN, Taggelder wegen Arbeitsunfähigkeit in der IV, der Unfallversicherung und der Militärversicherung, in: Arbeitsunfähigkeit und Taggeld, Schaffhauser/Kieser [Hrsg.], 2010, S. 43 ff.).
3.
Streitig und zu prüfen ist, ob die von der SUVA an die Versicherten direkt ausgerichteten Militärversicherungstaggelder für die Erhebung der AHV/IV/EO/ALV-Beiträge in Bruttowerte umzurechnen sind. Anders als die SUVA und die Vorinstanz bejahen die EAK und das BSV die Frage.
4.
4.1
Nach dem in allen drei Amtssprachen übereinstimmenden Wortlaut der Bestimmung des Art. 7 lit. p AHVV gehören zum massgebenden Lohn "Leistungen des Arbeitgebers, die in der Übernahme des Arbeitnehmerbeitrages [...] bestehen" (französisch: "les prestations de l'employeur consistant à prendre en charge la cotisation due par le salarié", italienisch: "le prestazioni del datore di lavoro risultanti dall'assunzione del pagamento del contributo dovuto dal salariato"). Dabei bedeutet "übernehmen" gemäss dem im Duden (Deutsches Universalwörterbuch, 6. Aufl. 2007, S. 1732) wiedergegebenen allgemeinen (und auch von der Vorinstanz zitierten) Sprachverständnis "etwas, was jemandem angetragen, übertragen wird, annehmen und sich bereit erklären, die damit verbundenen Aufgaben zu erfüllen".
4.2
Entgegen dem angefochtenen Entscheid ergibt sich nicht etwa bereits aus dem Wortlaut der Verordnungsbestimmung des Art. 7 lit. p
BGE 139 V 50 S. 54
AHVV, dass die Arbeitnehmerbeiträge nicht in deren Anwendungsbereich fallen. Die von der Vorinstanz hiefür angeführte Begründung, es liege keine Übernahme vor, weil der Arbeitnehmer die Beiträge gestützt auf
Art. 29 Abs. 3
bis
MVG
gar nicht schulde, greift, wie das BSV zu Recht geltend macht, zu kurz, weil sie das Beitragssystem der AHV - insbesondere den Paritätsgrundsatz - ausser Acht lässt:
4.2.1
Im Beitragssystem der AHV (und der mit ihr verbundenen Versicherungszweige) ist der versicherte Erwerbstätige grundsätzlich beitragspflichtig für den Arbeitnehmeranteil (
Art. 3 Abs. 1 und
Art. 5 Abs. 1 AHVG
). Der Arbeitgeber hat die Beiträge vom Einkommen aus unselbstständiger Erwerbstätigkeit bei jeder Lohnzahlung in Abzug zu bringen und zusammen mit dem Arbeitgeberbeitrag (in gleicher Höhe:
Art. 5 Abs. 1,
Art. 13 AHVG
;
Art. 3 Abs. 1 IVG
;
Art. 27 EOG
;
Art. 3 Abs. 3 AVIG
) periodisch zu entrichten (
Art. 14 Abs. 1 AHVG
; vgl. auch
Art. 3 Abs. 2 IVG
;
Art. 27 Abs. 3 EOG
;
Art. 5 Abs. 1 AVIG
). Es gilt das Prinzip der Beitragserhebung an der Quelle (Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts H 8/94 vom 10. Februar 1995 E. 3b, in: AHI 1995 S. 147). In diesem Sinne ist zur Entrichtung der paritätischen Beiträge von vornherein einzig der Arbeitgeber verpflichtet (vgl. auch KIESER, AHVG, N. 1 zu
Art. 14 AHVG
). Der Arbeitgeber ist sowohl zahlender Selbstschuldner als auch gesetzlicher Erfüllungsvertreter des Arbeitnehmers für dessen Schuld (
BGE 138 V 463
E. 4 S. 467).
4.2.2
Eine Abweichung von diesem System, in welchem der Arbeitnehmer zu dulden hat, dass ihm die Hälfte der geschuldeten Beiträge vom Lohn abgezogen wird, gilt, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine Nettolohnvereinbarung getroffen haben, in welchem Falle der Arbeitgeber sämtliche Beiträge zu seinen Lasten übernimmt (Urteile des Eidg. Versicherungsgerichts H 115/04 vom 29. Dezember 2004 E. 4; H 190/87 vom 5. Mai 1988, in: ZAK 1989 S. 151; vgl. auch REHBINDER/STÖCKLI, Berner Kommentar, 3. Aufl. 2010, N. 14 zu
Art. 322 OR
; STAEHELIN/VISCHER, Zürcher Kommentar, 3. Aufl. 1996, N. 24 zu
Art. 322 OR
; BRUNNER/BÜHLER/WAEBER/BRUCHEZ, Kommentar zum Arbeitsvertragsrecht, 3. Aufl. 2005, N. 7 zu
Art. 322 OR
; SUBILIA/DUC, Droit du travail - Eléments de droit suisse, 2010, N. 10 f. zu
Art. 322 OR
; RÉMY WYLER, Droit du travail, 2. Aufl. 2008, S. 177 ff.).
4.3
Mit der Einführung des Art. 7 lit. p AHVV sollte - wie sich den damaligen Erläuterungen des Verordnungsgebers zu den ab 1979 geltenden neuen Vorschriften auf dem Gebiet der Beiträge (ZAK 1978 S. 378 ff.) entnehmen lässt - dem Umstand Rechnung getragen
BGE 139 V 50 S. 55
werden, dass es vermehrt vorkam, dass der Arbeitgeber gewisse Leistungen, die der Arbeitnehmer schuldete, wie beispielsweise die bundesrechtlich geschuldeten Arbeitnehmerbeiträge für die AHV/IV/EO/ALV, selber trug. Es wurde deshalb vorgesehen, dass unter anderem die vom Arbeitgeber übernommenen Arbeitnehmeranteile an AHV/IV/EO/ALV-Beiträgen fortan dem massgebenden Lohn zugerechnet werden (ZAK 1978 S. 378 f.).
4.4
Für die Taggelder der Militärversicherung gilt seit deren Einführung auf den 1. Januar 1994 grundsätzlich die paritätische Beitragspflicht (
Art. 29 Abs. 3 MVG
in der damals geltenden Fassung, AS 1993 3043 ff.). Übereinstimmend mit der seit 1. Januar 2006 in Kraft stehenden Bestimmung des
Art. 29 Abs. 3 MVG
war in
Art. 29 Abs. 3 Satz 1 MVG
in der bis Ende 2005 gültig gewesenen Fassung vorgesehen, dass vom Taggeld Beiträge an die Alters- und Hinterlassenenversicherung, die mit ihr verbundenen Versicherungszweige (die heute geltende Fassung nennt explizit die Invalidenversicherung und die Erwerbsersatzordnung) und gegebenenfalls die Arbeitslosenversicherung bezahlt werden. Abweichend von der heutigen Bestimmung des
Art. 29 Abs. 3
bis
MVG
war in
Art. 29 Abs. 3 Satz 2 MVG
in der bis Ende 2005 gültig gewesenen Fassung ausdrücklich vorgesehen, dass diese Beiträge je zur Hälfte vom Versicherten und von der Militärversicherung getragen werden (vgl. dazu MAESCHI, a.a.O., N. 8 ff. zu
Art. 29 MVG
; vgl. auch SCHLAURI, a.a.O., S. 1100 Rz. 117).
Auch dieser Hintergrund legt die Vermutung nahe, dass die auf den 1. Januar 2006 erfolgte Gesetzesänderung, gemäss welcher die Beiträge statt wie bisher je hälftig vom Versicherten und von der Militärversicherung nun
in vollem Umfang
von der Militärversicherung getragen werden (
Art. 29 Abs. 3
bis
MVG
), so zu verstehen ist, dass nun auch der Arbeitnehmerbeitrag zulasten der Militärversicherung geht.
4.5
Bestätigt wird diese Auslegung durch die Materialien zu den auf den 1. Januar 2006 revidierten Bestimmungen des MVG (Botschaft vom 22. Dezember 2004 zum Entlastungsprogramm 2004 für den Bundeshaushalt, BBl 2005 S. 759 ff.). Darin wird ausgeführt, der Leistungsansatz für künftige Leistungen werde von 95 auf 80 % herabgesetzt und entspreche damit dem Leistungsansatz in der obligatorischen Unfallversicherung (Taggeld und Invalidenrente) und in der Invalidenversicherung (Taggeld). Damit die Versicherten eine mit der obligatorischen Unfallversicherung vergleichbare Entschädigung ausbezahlt erhielten, übernehme die Militärversicherung künftig auch
BGE 139 V 50 S. 56
die Beiträge der Arbeitnehmer (BBl 2005 S. 807 Ziff. 2.1.7 und S. 860 Ziff. 2.4.1.5 zu
Art. 29 Abs. 3
bis
MVG
; AGNES LEU, Unterstellung und Beiträge der Bezüger und Bezügerinnen von Taggeldern, in: Arbeitsunfähigkeit und Taggeld, Schaffhauser/Kieser [Hrsg.], 2010, S. 145 ff., 183 f.). Die Reduktion des Leistungsansatzes von 95 auf 80 % entspreche einer Leistungskürzung von rund 16 %, werde aber mit der Übernahme des Arbeitnehmeranteils durch die Militärversicherung etwas reduziert (vgl. auch BBl 2005 S. 807 Ziff. 2.1.7). Mit anderen Worten bezieht sich die Passage der bundesrätlichen Botschaft, wonach eine mit der UV vergleichbare Entschädigung ausbezahlt werden solle (BBl 2005 S. 807 Ziff. 2.1.7), auf den massgebenden Satz des versicherten Verdienstes (Senkung von 95 % auf 80 %), welche Frage losgelöst von der hier interessierenden Beitragspflicht (von welcher Taggelder der Unfallversicherung gestützt auf
Art. 6 Abs. 2 lit. b AHVV
befreit sind) zu beantworten war.
Die Behauptung der SUVA, der Verordnungsgeber habe mit der neu eingeführten Bestimmung vom allgemeinen Prinzip der Beitragsparität abweichen wollen, findet mithin auch in den Materialien, in welchen unmissverständlich von (ohnehin zulasten des Arbeitgebers gehendem) Arbeitgeberbeitrag und vom Arbeitgeber übernommenem Arbeitnehmerbeitrag die Rede ist, keine Stütze. Im Übrigen trifft es zwar zu, dass in der Militärversicherung verschiedene Besonderheiten bei der Beitragsbemessung gelten (vgl. dazu den Überblick bei LEU, a.a.O., S. 185 f.); allein daraus lässt sich indessen für die hier zu beantwortende Frage nichts ableiten.
4.6
Dass sich die "Beiträge in vollem Umfang" aus Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeitrag zusammensetzen, ergibt sich auch aus einer weiteren Bestimmung: Art. 19 Abs. 1 der Verordnung vom 10. November 1993 über die Militärversicherung (MVV; SR 833.11) sieht vor, dass die Militärversicherung im Falle, dass das Taggeld dem Arbeitgeber zu Gunsten der versicherten Person ausbezahlt wird (
Art. 29 Abs. 2 MVG
), zusammen mit dem Taggeld die darauf entfallenden
Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge
an die AHV, IV, EO und ALV entrichtet und der Arbeitgeber mit seiner Ausgleichskasse abrechnet.
Art. 19 Abs. 2 MVV
statuiert für den Fall der ausnahmsweisen direkten Ausrichtung an die versicherte Person, dass die Militärversicherung die
Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge
der EAK entrichtet und mit ihr darüber abrechnet. Mit anderen Worten gilt die Militärversicherung in dieser Konstellation als Arbeitgeberin für die ausgerichteten Taggelder (vgl. auch Wegleitung des BSV über den Bezug der Beiträge [WBB] in der AHV, IV und EO [Stand
BGE 139 V 50 S. 57
am 1. Januar 2010] Rz. 1016 in Verbindung mit
Art. 6 Abs. 2 lit. b AHVV
http://www.bsv.admin.ch/vollzug/documents/index/category:22/lang:deu
).
4.7
Das gewonnene Auslegungsergebnis steht auch mit dem Grundsatz in Einklang, wonach die Beitragserhebung nach Massgabe der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu erfolgen hat (
BGE 125 V 383
E. 2 S. 384 f.; Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts H 32/99 vom 5. Juni 2001 E. 7a, in: StR 56/2001 S. 612; KÄSER, Unterstellung und Beitragswesen in der obligatorischen AHV, 2. Aufl. 1996, S. 65 f. Rz. 3.2). Denn die Übernahme des Arbeitnehmerbeitrages durch die Militärversicherung führt beim Arbeitnehmer zu einer Verbesserung seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, indem er ein Taggeld ausbezahlt erhält, welches frei von Abzügen ist (sog. Nettoeinkommen, BBl 2005 S. 860 zu
Art. 29 Abs. 3
bis
MVG
). Es verhält sich nicht anders, als wenn eine Arbeitgeberin im Rahmen einer Nettolohnvereinbarung die Arbeitnehmerbeiträge ihrer Mitarbeiter übernimmt (vgl. E. 4.2.2 hiervor). Diesfalls gelten die Arbeitnehmerbeiträge als von den Arbeitnehmern bezahlt (WBB Rz. 2022) und hat beitragsrechtlich eine Aufrechnung in ein Bruttoeinkommen zu erfolgen (vgl. die vom BSV herausgegebenen Tabellen für die Umrechnung von Nettolöhnen in Bruttolöhne). Davon ist ein beitragsfreies Einkommen, auf welchem von vornherein keine Beitragspflicht besteht - wie beispielsweise die bereits erwähnten Taggelder der Unfallversicherung gemäss
Art. 6 Abs. 2 lit. b AHVV
- zu unterscheiden.
4.8
Bei dieser Sachlage vermag auch zu keinem anderen Ergebnis zu führen, dass - was die Vorinstanz für entscheidend hält - es sich bei der Bestimmung des
Art. 29 Abs. 3
bis
MVG
um eine im Verhältnis zu Art. 7 lit. p AHVV höherrangige, zeitlich jüngere und speziellere Norm handelt. Denn nach dem Gesagten fehlen jegliche Anhaltspunkte dafür, dass mit der Bestimmung des
Art. 29 Abs. 3
bis
MVG
eine Abweichung vom in der AHV geltenden Grundsatz der Beitragsparität beabsichtigt war.
4.9
Zusammenfassend ergibt sich, dass gestützt auf Art. 7 lit. p AHVV die AHV/IV/EO/ALV-Arbeitnehmerbeiträge, welche die SUVA, Abteilung Militärversicherung, als Arbeitgeberin auf den von ihr direkt an die Versicherten ausgerichteten Militärversicherungstaggeldern übernommen hat, massgebenden Lohn darstellen. Für die Beitragsbemessung sind die ausgerichteten Taggelder deshalb durch Aufrechnung der übernommenen AHV/IV/EO/ALV-Arbeitnehmerbeiträge in Bruttowerte umzurechnen. | null | nan | de | 2,012 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
1777179e-0b23-4a81-995d-bb8a2b5ae7ee | Urteilskopf
133 III 675
93. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit civil dans la cause X. Assurances contre A. (recours en matière civile)
4A_206/2007 du 29 octobre 2007 | Regeste
Art. 135 Ziff. 2 und
Art. 138 Abs. 1 OR
, Unterbrechung der Verjährung;
Art. 33 VVG
, Auslegung allgemeiner Versicherungsbedingungen nach dem Vertrauensprinzip.
Soweit die Verjährung erst nach Klageanhebung zu laufen beginnt, wird sie durch jede folgende Prozesshandlung gemäss
Art. 138 Abs. 1 OR
unterbrochen (E. 2).
Grundsätze der Auslegung allgemeiner Versicherungsbedingungen nach der Vertrauenstheorie sowie
Art. 33 VVG
; vorliegend Auslegung der allgemeinen Versicherungsbedingungen einer Insassen-Versicherung, die Unfälle deckt, die sich ereignen, während sich die versicherte Person im deklarierten Fahrzeug befindet, darin ein- oder daraus aussteigt (E. 3). | Sachverhalt
ab Seite 676
BGE 133 III 675 S. 676
A.
Le 4 septembre 1997, A. a conclu auprès de X. Assurances un contrat pour l'assurance de voitures automobiles comprenant notamment une assurance accidents des occupants.
Le 7 décembre 1999, A. a été happée par le véhicule d'un conducteur ivre alors qu'elle se trouvait près de sa voiture. Malgré plusieurs interventions chirurgicales, elle demeure entravée dans ses activités quotidiennes.
B.
X. Assurances ayant décliné toute demande de prestations en arguant que l'accident n'avait pas eu lieu à la suite de l'utilisation du véhicule au sens des conditions générales d'assurance (CGA) applicables, A. a ouvert action en paiement le 22 août 2001 devant le Tribunal civil de l'arrondissement de la Gruyère. A côté de conclusions chiffrées tendant au paiement de diverses sommes au titre d'indemnités journalières et d'hospitalisation calculées jusqu'au 31 août 2001, elle a conclu à ce que X. Assurances fût condamnée à lui
BGE 133 III 675 S. 677
reconnaître devoir ses prétentions en indemnités journalières et d'hospitalisation dès le 1
er
septembre 2001, ses prétentions tendant au versement de la somme d'assurance pour le cas d'invalidité ainsi que toutes autres prétentions découlant du contrat d'assurance. La défenderesse a conclu au rejet intégral de la demande.
En cours d'instance, une expertise médicale visant à déterminer le taux d'incapacité de travail de la demanderesse a été mise en oeuvre. L'expertise ayant été administrée et une requête de contre-expertise ayant été rejetée, la demanderesse a déposé le 14 septembre 2005 un mémoire complémentaire, dans lequel elle a pris des conclusions chiffrées. Lors des débats, la défenderesse a conclu au rejet de ces conclusions et a soulevé l'exception de prescription.
Par jugement du 23 février 2006, le Tribunal a condamné la défenderesse à payer à la demanderesse les sommes de 1'350 fr. et 930 fr. à titre d'indemnités d'hospitalisation, de 22'800 fr. à titre d'indemnités journalières et de 195'000 fr. à titre d'indemnité d'invalidité, avec intérêts. Ce jugement a été confirmé par arrêt rendu le 22 mars 2007 par la I
re
Cour d'appel civil du Tribunal cantonal de l'Etat de Fribourg.
Le Tribunal fédéral a rejeté le recours en matière civile interjeté par X. Assurances contre l'arrêt du Tribunal cantonal.
Erwägungen
Extrait des considérants:
2.
2.1
S'agissant de l'exception de prescription soulevée par la défenderesse, l'autorité précédente a retenu que, l'accident ayant eu lieu le 7 décembre 1999, la prescription de deux ans (
art. 46 LCA
[RS 221.229.1]) avait été interrompue à temps par le dépôt de la demande en justice du 22 août 2001 (
art. 135 ch. 2 CO
) pour la totalité des prétentions de la demanderesse, et qu'elle avait ensuite été régulièrement interrompue par des actes judiciaires des parties et des ordonnances ou décisions du juge (
art. 138 al. 1 CO
), les 7 mai 2002 (ordonnance de restriction des débats), 8 novembre 2002 (jugement incident), 29 avril 2004 (ordonnance d'expertise), 4 avril 2005 (décision sur requête de contre-expertise) et 23 février 2006 (jugement au fond).
2.2
La défenderesse reproche à la cour cantonale d'avoir violé les dispositions en matière de prescription (
art. 46 LCA
) et d'interruption de la prescription (
art. 135 CO
). Rappelant que les diverses
BGE 133 III 675 S. 678
prétentions découlant d'un rapport de droit se prescrivent en principe séparément, elle expose qu'il convient d'examiner séparément le cas de l'indemnité d'invalidité d'une part et celui des indemnités journalières et d'hospitalisation d'autre part.
2.2.1
En ce qui concerne le premier cas, la défenderesse soutient que lors du dépôt de la demande du 22 août 2001, la prescription relative à l'indemnité d'invalidité n'avait pas commencé à courir et n'a donc pas pu être interrompue. En effet, selon la jurisprudence, le délai de prescription de deux ans de l'
art. 46 al. 1 LCA
court, en matière d'invalidité, du jour où l'invalidité est objectivement acquise (
ATF 118 II 447
consid. 3). Or en l'espèce, selon la défenderesse, l'invalidité de la demanderesse aurait été acquise au plus tôt durant l'année 2002 et au plus tard lorsque le conseil de la demanderesse avait requis par courrier du 3 mars 2003 la mise en oeuvre d'une expertise afin de déterminer le taux d'incapacité de travail de sa cliente et produit le 14 avril 2003 une série de pièces en indiquant que sa cliente endurerait vraisemblablement une incapacité permanente. Or ce n'est que par son mémoire complémentaire du 14 septembre 2005 que la demanderesse a chiffré sa prétention relative à l'indemnité d'invalidité en prenant des conclusions à hauteur de 195'000 fr.
2.2.2
La défenderesse soutient que la prescription relative à l'indemnité d'hospitalisation aurait commencé à courir dès la fin de la période d'hospitalisation, soit dès le 17 octobre 2002. Quant à la prescription pour les indemnités journalières par 3'920 fr. (22'800 fr. - 18'880 fr.) relative à la période du 1
er
septembre 2001 au 31 décembre 2001, elle aurait commencé à courir dès la fin du droit aux indemnités journalières, soit dès le 31 décembre 2001. Or ce n'est que par son mémoire complémentaire du 14 septembre 2005 que le mandataire de la demanderesse a d'une part chiffré sa prétention relative à l'indemnité d'hospitalisation pour la dernière période d'hospitalisation du 17 septembre au 17 octobre 2002 en prenant des conclusions à hauteur de 930 fr., et d'autre part augmenté sa conclusion relative à l'indemnité journalière pour tenir compte de la période du 1
er
septembre 2001 au 31 décembre 2001.
2.3
2.3.1
Aux termes de l'
art. 46 al. 1 LCA
, les créances qui dérivent du contrat d'assurance se prescrivent par deux ans à dater du fait d'où naît l'obligation. Comme toute prescription, celle de l'
art. 46 LCA
peut être interrompue lorsque le débiteur reconnaît la dette (
art. 135
BGE 133 III 675 S. 679
ch. 1 CO
) ou lorsque le créancier fait valoir ses droits par l'une des voies énumérées par l'
art. 135 ch. 2 CO
(cf.
ATF 118 II 447
consid. 4c p. 458). La prescription est notamment interrompue, avec pour effet qu'un nouveau délai commence à courir dès l'interruption (
art. 137 al. 1 CO
), lorsque le créancier fait valoir ses droits par une action devant un tribunal. Conformément à l'
art. 138 al. 1 CO
, elle est ensuite interrompue et recommence à courir, durant l'instance, à compter de chaque acte judiciaire des parties et de chaque ordonnance ou décision du juge (PASCAL PICHONNAZ, Commentaire romand, Code des obligations I, 2003, n. 8 ad
art. 138 CO
).
Selon la jurisprudence, il faut considérer comme acte judiciaire d'une partie, au sens de l'
art. 138 al. 1 CO
, tout acte de procédure relatif au droit invoqué en justice et susceptible de faire progresser l'instance; l'acte devra être de nature formelle, de sorte que les deux parties puissent toujours le constater aisément et sans conteste (
ATF 130 III 202
consid. 3.2 et les arrêts cités). La loi sanctionne ainsi l'inaction du créancier (
ATF 130 III 202
consid. 3.2 et la jurisprudence citée). En revanche, aussi longtemps que le créancier fait connaître au débiteur son désir d'être satisfait, il ne se justifie pas de faire perdre au créancier son droit de créance (ROBERT K. DÄPPEN, Basler Kommentar, Obligationenrecht I, 4
e
éd. 2007, n. 1 ad
art. 135 CO
; PICHONNAZ, op. cit., n. 1 ad
art. 135 CO
).
2.3.2
Lorsque le créancier fait valoir ses droits par des poursuites ou par une action devant un tribunal (
art. 135 ch. 2 CO
), jurisprudence et doctrine s'accordent pour admettre que la prescription n'est interrompue que jusqu'à concurrence de la somme indiquée (
ATF 119 II 339
consid. 1c et les références citées; PICHONNAZ, op. cit., n. 27 ad
art. 135 CO
). S'il entend sauvegarder ses droits, le créancier qui ne connaît pas encore le montant exact de sa créance doit donc soit interrompre la prescription pour le montant le plus élevé pouvant entrer en ligne de compte, soit accomplir un acte interruptif ne nécessitant pas l'indication d'un montant déterminé, tel que l'action en paiement non chiffrée (
art. 42 al. 2 CO
) ou l'action en constatation du fondement juridique de la prétention litigieuse (
ATF 119 II 339
consid. 1c/aa et les références citées; PICHONNAZ, op. cit., n. 27 ad
art. 135 CO
; DÄPPEN, op. cit., n. 20 ad
art. 135 CO
).
Il convient enfin de rappeler que les diverses prétentions découlant d'un rapport de droit, notamment d'un contrat d'assurance, se prescrivent en principe séparément, hormis lorsque les divers chefs de
BGE 133 III 675 S. 680
réclamation, bien que distincts, ont un rapport étroit entre eux (
ATF 100 II 42
consid. 2a;
ATF 89 II 256
consid. 3 in limine; cf.
ATF 119 II 339
consid 1c/aa; PICHONNAZ, op. cit., n. 28 ad
art. 135 CO
et les références citées).
2.4
En l'espèce, il est constant que par acte d'ouverture d'action du 22 août 2001, la demanderesse a fait valoir ses prétentions chiffrées relatives au paiement des indemnités journalières et d'hospitalisation jusqu'au 31 août 2001, ainsi que des prétentions, non encore chiffrées, relatives d'une part aux indemnités journalières et d'hospitalisation dès le 1
er
septembre 2001, et d'autre part au versement de la somme d'assurance pour le cas d'invalidité. Dans cette instance qui portait ainsi sur l'ensemble des prétentions élevées par la demanderesse ensuite de l'accident du 7 décembre 1999, la prescription a été interrompue, par des actes judiciaires des parties et des ordonnances ou décisions du juge, les 7 mai 2002, 8 novembre 2002, 29 avril 2004, 4 avril 2005 et 23 février 2006 (cf. consid. 2.1 supra). Force est dès lors de constater que la durée de deux ans (
art. 46 al. 1 LCA
) ne s'est jamais écoulée entre deux actes interruptifs de prescription. Les diverses prétentions de la demanderesse ne sont donc pas prescrites, quand bien même on devrait retenir que pour certaines de ces prétentions, la prescription n'a commencé à courir pour la première fois que postérieurement à l'ouverture d'action.
3.
3.1
Selon l'art. 302.1 CGA, sont couverts les accidents frappant les personnes assurées (à savoir, selon l'art. 301.1 CGA, les occupants) à la suite de l'utilisation du véhicule déclaré: - pendant qu'elles se trouvent dans le véhicule, y montent ou en descendent, - pendant qu'elles portent secours à d'autres occupants à la suite d'un accident ou d'une panne du véhicule déclaré, ainsi qu'en manipulant celui-ci en cours de route, - pendant qu'elles portent secours, en cours de route, à d'autres usagers de la route qui sont victimes d'un accident de la circulation ou d'une panne. Selon les constatations de fait de l'arrêt attaqué, la demanderesse a été happée alors qu'elle venait de descendre de son véhicule et de fermer la portière avant et s'apprêtait à ouvrir la portière arrière ou le coffre de son véhicule pour y prendre son sac afin de se rendre à la boulangerie. La question litigieuse en droit est donc celle de savoir si l'accident a frappé la demanderesse à la suite de l'utilisation du véhicule déclaré pendant qu'elle se trouvait dans le véhicule, y montait ou en descendait.
BGE 133 III 675 S. 681
3.2
La défenderesse reproche aux juges cantonaux d'avoir méconnu les principes applicables en matière d'interprétation des contrats en considérant que les conditions d'application de l'assurance occupants étaient remplies. Elle soutient que sous réserve des cas énoncés aux trois alinéas de l'art. 301.1 CGA, qui seraient exhaustifs et devraient être appréciés en tenant compte du sens littéral du terme "occupant", il n'y a utilisation du véhicule que lorsque l'accident survient pendant que l'assuré (soit l'occupant) se trouve dans le véhicule. Or la demanderesse n'était pas dans le véhicule et n'était pas non plus en train d'y monter ou d'en descendre lorsque l'accident est survenu, l'action consistant à descendre du véhicule ayant pris fin lorsqu'elle avait fermé la portière avant. Selon la défenderesse, le fait que la demanderesse ait eu l'intention de prendre son sac sur le siège arrière ou dans le coffre ne suffirait pas pour retenir qu'elle avait l'intention de monter (à nouveau) dans son véhicule et encore moins qu'elle y montait effectivement lors de l'accident. Dès lors, en retenant que l'accident était survenu lors de l'utilisation du véhicule déclaré, l'autorité précédente aurait violé le droit fédéral.
3.3
Les conditions générales, lorsqu'elles ont été incorporées au contrat, en font partie intégrante; elles doivent être interprétées selon les mêmes principes que les autres dispositions contractuelles (
ATF 122 III 118
consid. 2a;
ATF 117 II 609
consid. 6c).
En présence d'un litige sur l'interprétation d'une disposition contractuelle, le juge doit tout d'abord s'efforcer de déterminer la commune et réelle intention des parties, sans s'arrêter aux expressions ou dénominations inexactes dont elles ont pu se servir, soit par erreur, soit pour déguiser la nature véritable de la convention (
art. 18 al. 1 CO
); s'il y parvient, il s'agit d'une constatation de fait qui lie en principe le Tribunal fédéral conformément à l'art. 105 de la loi du 17 juin 2005 sur le Tribunal fédéral (LTF; RS 173.110; cf.
ATF 131 III 606
consid. 4.1;
ATF 129 III 118
consid. 2.5 et les arrêts cités).
Si la volonté réelle des parties ne peut pas être établie ou si leurs volontés intimes divergent, le juge doit interpréter les déclarations faites et les comportements selon la théorie de la confiance; il doit donc rechercher comment une déclaration ou une attitude pouvait être comprise de bonne foi en fonction de l'ensemble des circonstances; le principe de la confiance permet ainsi d'imputer à une partie le sens objectif de sa déclaration ou de son comportement, même s'il ne correspond pas à sa volonté intime (
ATF 130 III 417
consid. 3.2;
BGE 133 III 675 S. 682
ATF 129 III 118
consid. 2.5). L'application du principe de la confiance est une question de droit que le Tribunal fédéral peut examiner librement (
art. 106 al. 1 LTF
); pour trancher cette question, il faut cependant se fonder sur le contenu de la manifestation de volonté et sur les circonstances, dont la constatation relève du fait (
ATF 131 III 586
consid. 4.2.3.1;
ATF 130 III 417
consid. 3.2;
ATF 129 III 118
consid. 2.5).
Lorsque l'assureur, au moment de conclure, présente des conditions générales, il manifeste la volonté de s'engager selon les termes de ces conditions. Lorsqu'une volonté réelle concordante n'a pas été constatée, il faut donc se demander comment le destinataire de cette manifestation de volonté pouvait la comprendre de bonne foi. Cela conduit à une interprétation objective des termes contenus dans les conditions générales, même si celle-ci ne correspond pas à la volonté intime de l'assureur. Dans le domaine particulier du contrat d'assurance, l'
art. 33 LCA
précise d'ailleurs que l'assureur répond de tous les événements qui présentent le caractère du risque contre les conséquences duquel l'assurance a été conclue, à moins que le contrat n'exclue certains événements d'une manière précise, non équivoque. Il en résulte que le preneur d'assurance est couvert contre le risque tel qu'il pouvait le comprendre de bonne foi à la lecture des conditions générales; si l'assureur entendait apporter des restrictions ou des exceptions, il lui incombait de le dire clairement. Conformément au principe de la confiance, c'est à l'assureur qu'il incombe de délimiter la portée de l'engagement qu'il entend prendre et le preneur n'a pas à supposer des restrictions qui ne lui ont pas été clairement présentées.
3.4
En l'espèce, il ressort d'abord de l'art. 302.1 CGA que pour être couvert, l'accident doit survenir à la suite de l'"utilisation" du véhicule déclaré. Les CGA font usage de ce terme général, plutôt que de celui, plus spécifique, d'"emploi" de l'
art. 58 LCR
. La différence n'est pas négligeable: alors qu'un "emploi" implique la manifestation d'un danger dû à la réalisation du risque spécifique résultant de l'utilisation des organes proprement mécaniques du véhicule (cf.
ATF 97 II 161
consid. 3a;
ATF 107 II 269
consid. 1a), le terme "utilisation" a une portée plus générale et s'étend aussi à l'utilisation du véhicule alors qu'il est (encore ou déjà) stationné, c'est-à-dire non en emploi (ROLAND BREHM, L'assurance privée contre les accidents, 2001, n. 723 p. 324).
Dans le cas présent, il ne saurait être contesté que l'accident est survenu à la suite de l'utilisation du véhicule déclaré, puisque la
BGE 133 III 675 S. 683
demanderesse a été happée alors qu'elle venait de descendre de son véhicule et de fermer la portière avant et s'apprêtait à ouvrir la portière arrière ou le coffre de son véhicule pour y prendre son sac. La défenderesse soutient toutefois que la demanderesse n'était pas "occupante" du véhicule, dès lors qu'elle ne s'y trouvait pas et qu'elle n'était pas en train d'y monter ou d'en descendre.
Par "occupant", il faut comprendre le conducteur et les passagers du véhicule (BREHM, op. cit., n. 719 p. 322). Il ressort de l'art. 302.1 CGA que les occupants ne sont pas seulement couverts lorsqu'ils se trouvent dans le véhicule, mais aussi lorsqu'ils y montent ou en descendent, ou lorsqu'ils portent secours, à la suite d'un accident de la circulation ou d'une panne, à d'autres occupants du véhicule ou à d'autres usagers de la route. Dans ces cas, conducteur et passagers sont couverts par l'assurance lors même qu'ils ne se trouvent momentanément pas (encore) ou plus dans le véhicule. Dans ces conditions, c'est en vain que la défenderesse tente de se raccrocher à une acception purement littérale et étriquée du terme "occupant".
En couvrant les accidents survenus lorsqu'un "occupant" ne se trouve pas encore ou plus dans le véhicule, mais y monte ou en descend, l'art. 302.1 CGA ne couvre pas seulement les assurés lorsque ceux-ci sont techniquement en train de monter dans le véhicule ou d'en descendre, mais aussi lorsqu'ils s'apprêtent à (re)devenir des "occupants" du véhicule en (ré)intégrant celui-ci (BREHM, op. cit., n. 724 p. 324 et la jurisprudence citée), ou lorsque, ayant terminé l'action proprement dite consistant à descendre du véhicule, ils s'apprêtent à quitter celui-ci.
C'est ainsi en vain que la défenderesse cherche à exploiter le fait qu'en l'espèce, la demanderesse avait terminé l'action proprement dite consistant à descendre du véhicule et ne s'apprêtait pas, techniquement parlant, à y remonter, mais seulement à ouvrir la portière arrière ou le coffre de son véhicule pour y prendre son sac. L'interprétation restrictive de l'art. 302.1 al. 1 CGA proposée par la défenderesse, consistant à exclure la couverture d'assurance dès que la personne assurée, étant techniquement descendue du véhicule, a refermé la portière, voire s'apprête seulement à la refermer, de même que lorsque la personne assurée s'apprête à ouvrir la portière pour monter dans le véhicule, voire l'a déjà ouverte mais n'a pas encore entrepris l'action d'y monter en posant un pied sur le véhicule, conduirait à une solution clairement inappropriée et ne peut raisonnablement correspondre à la volonté présumée des parties.
BGE 133 III 675 S. 684
3.5
Il résulte de ce qui précède que la cour cantonale n'a pas violé le droit fédéral en considérant que les conditions d'application de l'assurance occupants se trouvaient remplies en l'espèce. | null | nan | fr | 2,007 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
177d5155-fa19-438a-9860-51ab85bf8913 | Urteilskopf
109 Ia 244
45. Extrait de l'arrêt de la Cour de cassation du 7 septembre 1983 dans la cause X. contre Ministère public du canton de Vaud (recours de droit public) | Regeste
Art. 4 BV
,
Art. 6 und 8 EMRK
. Voraussetzungen, unter denen ein rechtswidrig erlangtes Beweismittel aus den Strafakten zu entfernen ist.
Es ginge zu weit, die Berücksichtigung von Indizien, die sich auf die unbefugte Aufnahme eines Telefongesprächs stützen, schlechterdings zu verbieten. Der Richter hat bei seinem Entscheid einerseits das Interesse des Staates an der Abklärung eines Verdachts und anderseits die persönlichen Rechte des Angeklagten gegeneinander abzuwägen.
Bei sehr schweren Straftaten überwiegt das öffentliche Interesse an der Wahrheitsfindung das Interesse des Angeklagten an der Geheimhaltung eines nicht die Intimsphäre betreffenden Telefongesprächs. | Sachverhalt
ab Seite 245
BGE 109 Ia 244 S. 245
Reconnu coupable de tentative d'instigation à assassinat, X. a été condamné à une peine de 10 ans de réclusion.
En substance, le Tribunal a retenu que X., alors en instance de divorce, avait tenté de faire assassiner son épouse par l'intermédiaire d'un homme de main, dénommé Z., à qui il avait promis une rétribution de 40'000 $.
Au cours de l'instruction et des débats figurait au dossier l'enregistrement d'une conversation téléphonique entre X. et Z. Soulevant un incident d'audience, X. a demandé que cet enregistrement, opéré par Z. à son insu, soit retiré du dossier. Le Tribunal criminel a rejeté ces conclusions.
La Cour de cassation pénale du Tribunal cantonal vaudois a rejeté le recours formé par X. contre le jugement du Tribunal criminel.
X. forme un recours de droit public contre l'arrêt de la Cour de cassation cantonale et contre le jugement du Tribunal criminel. Il conclut à l'annulation de ces deux décisions.
Le recours a été rejeté.
Erwägungen
Extrait des considérants:
2.
Le recourant soutient en substance que l'enregistrement de sa conversation téléphonique opéré à son insu par Z. est illégal;
BGE 109 Ia 244 S. 246
il s'ensuivrait, selon lui, que le Tribunal criminel aurait dû l'écarter du dossier. En ne le faisant pas, cette autorité aurait violé notamment l'art. 36 al. 4 Cst. garantissant l'inviolabilité du secret des communications, et l'art. 11a de la loi vaudoise d'application du Code pénal du 27 février 1980 (LVCP), ainsi que les art. 6 al. 2 et 8 CEDH.
a) On peut admettre que les éléments constitutifs de l'infraction prévue à l'art. 179ter CP sont réunis en ce qui concerne l'enregistrement litigieux. On remarquera cependant que Z. a procédé à cette prise de son en vue de prouver la véracité de ses dires, alors qu'une enquête pénale dirigée contre lui pour tentative d'assassinat était pendante. Si plainte avait été déposée du chef de l'art. 179ter, il n'est pas certain que le jugement aurait abouti au prononcé d'une peine. Mais cette question peut demeurer indécise. En effet, les dispositions du Code pénal et de la LVCP relatives aux écoutes téléphoniques ont trait à la définition des écoutes licites et illicites ainsi qu'à la sanction de ces dernières. Elles ne contiennent aucune règle au sujet de leur validité comme preuve dans un procès.
b) Il est vrai que le droit suisse autorise cette atteinte aux droits de la personnalité et au secret des communications que constituent les écoutes téléphoniques seulement lorsque cette mesure a été ordonnée par l'autorité compétente, approuvée par un juge. En conclure que tout indice provenant d'une écoute non autorisée ne peut en aucun cas être utilisé comme moyen de preuve serait se montrer trop absolu et conduirait souvent à des résultats absurdes (voir HANS WALDER, Rechtswidrig erlangte Beweismittel im Strafprozessrecht, in RPS 1966 p. 36 ss et KLAUS ROGALL, Gegenwärtiger Stand und Entwicklungstendenzen der Lehre von den strafprozessualen Beweisverboten, in Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft 1979, p. 1 ss, notamment p. 15; voir aussi KARL HEINZ GÖSSEL, Kritische Bemerkungen zum gegenwärtigen Stand der Lehre von den Beweisverboten im Strafverfahren, in Neue juristische Wochenschrift 1981 p. 649). Il convient dans un tel cas de mettre en balance, d'une part, l'intérêt de l'Etat à ce que le soupçon concret soit confirmé ou infirmé et, d'autre part, l'intérêt légitime de la personne concernée à la sauvegarde de ses droits personnels; pour ce faire, toutes les circonstances essentielles doivent être prises en considération.
En République fédérale allemande, la Cour constitutionnelle est arrivée à la même solution. Dans un cas où une personne était
BGE 109 Ia 244 S. 247
soupçonnée d'avoir commis une soustraction fiscale, une escroquerie et un faux dans les titres, cette autorité a refusé toute valeur probante à un enregistrement fait à titre privé; elle a considéré cependant que la solution aurait été différente dans l'hypothèse où des intérêts supérieurs de la communauté auraient impérativement exigé que l'on renonce à garantir la protection de l'intérêt personnel de la personne concernée; ainsi, il ne serait généralement pas contraire au droit constitutionnel, en cas de nécessité, de permettre à l'autorité d'utiliser un enregistrement opéré par un tiers et propre à identifier un criminel ou à innocenter une personne accusée à tort, cela en présence d'infractions graves telles que les crimes contre la vie humaine et l'intégrité corporelle, les atteintes graves à l'ordre constitutionnel et aux libertés démocratiques et à des biens juridiques de même importance (Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, 34 - 1973 - p. 238 ss, notamment 249).
Sont à comparer ici, d'une part, l'intérêt à confirmer ou infirmer les soupçons concrets d'instigation à assassinat pesant sur X. et, d'autre part, l'intérêt qu'avait ce dernier à ce que sa conversation avec Z. demeurât secrète. Force est de constater que l'intérêt public à ce que la vérité soit établie au sujet d'un délit impliquant le meurtre d'une personne l'emporte face à l'intérêt de X. au secret d'une conversation téléphonique qui ne porte nullement atteinte à sa sphère intime mais se rapporte exclusivement à l'exécution d'une mission confiée à Z. La protection du domaine secret d'une personne ne saurait impliquer qu'un tel enregistrement soit écarté du dossier pénal alors qu'existent de forts soupçons ayant pour objet un délit très grave (voir ROGALL, op.cit., 1979, p. 29 ss).
En outre, il n'est pas sans intérêt de souligner que le droit suisse autorise l'écoute téléphonique d'un individu soupçonné d'être mêlé à un crime. Il la soumet certes à l'autorisation d'un juge, mais l'enregistrement d'une conversation n'est pas en soi un mode de preuve auquel l'Etat aurait renoncé par principe et pour sauvegarder un intérêt supérieur de l'individu. Ce mode de preuve n'est pas à comparer avec le sérum de vérité, la contrainte ou la torture, moyens absolument prohibés par l'ordre public. Dès lors, rien n'aurait empêché juridiquement que le même enregistrement, opéré en Suisse sur la ligne de la cabine téléphonique de l'hôpital où séjournait X., soit réalisé conformément au droit et soit versé au dossier. Il suit de là qu'une atteinte aux droits personnels dont le droit suisse admet qu'elle ne viole pas la constitution - lorsque
BGE 109 Ia 244 S. 248
certaines conditions sont réunies - peut être qualifiée de légère lorsqu'elle aurait pu être ordonnée conformément à l'art. 179octies al. 2 CP (voir ATF 96 I 440).
c) En l'espèce, compte tenu du fait que X. était fortement soupçonné d'avoir participé à un crime devant entraîner la mort d'une personne, que le juge eût pu ordonner à bon droit l'enregistrement de sa conversation du 26 juin 1981 avec Z., que c'est ce dernier qui y a procédé alors qu'une enquête était dirigée contre lui pour tentative de meurtre ou assassinat et que cette conversation ne portait pas sur des faits de caractère intime, le Tribunal criminel du district de ... pouvait refuser d'écarter la bande magnétique du dossier et l'apprécier comme preuve sans violer le droit constitutionnel suisse. En procédant de la sorte, cette autorité n'a pas non plus violé les art. 6 et 8 CEDH. | public_law | nan | fr | 1,983 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
1786ca54-2644-4340-b189-6c381f526640 | Urteilskopf
121 I 218
30. Arrêt de la IIe Cour de droit public du 29 juin 1995 en la cause Association de l'Hôpital d'arrondissement de Sierre contre Tribunal cantonal du Valais et Association de l'Hôpital régional de Sion-Hérens-Conthey (recours de droit public) | Regeste
Art. 88 OG
: Beschwerdelegitimation einer privatrechtlichen Vereinigung bei einer spitalplanerischen Massnahme.
Beschwerdebefugnis öffentlichrechtlicher Körperschaften bzw. privatrechtlich organisierter Vereinigungen (E. 2).
Als privatrechtliche Vereinigung, die unter staatlicher Aufsicht eine öffentliche Aufgabe wahrnimmt, kann sich die Beschwerdeführerin nicht mit staatsrechtlicher Beschwerde gegen eine spitalplanerische Massnahme zur Wehr setzen, durch die ihr eine öffentliche Aufgabe bzw. die sich daraus ergebende Subventionsberechtigung entzogen wird (E. 3); sie ist auch nicht befugt, eine Verletzung des rechtlichen Gehörs geltend zu machen (E. 4). | Sachverhalt
ab Seite 219
BGE 121 I 218 S. 219
Dans le cadre de la participation financière du canton du Valais aux frais d'investissement et d'exploitation des établissements sanitaires publics, le Conseil d'Etat a décidé, le 24 novembre 1993, que seuls seraient retenus les frais d'investissement et d'exploitation conformes à la répartition suivante: (1) attribution à l'hôpital d'arrondissement de Sierre de l'otoneurologie en complément à l'ORL de base qui peut être pratiquée dans les établissements de Sierre et de Sion; (2) attribution de l'ophtalmologie à l'hôpital régional de Sion-Hérens-Conthey. Il était mentionné que cette décision pouvait faire l'objet d'un recours auprès du Tribunal cantonal, Cour de droit public, dans un délai de trente jours dès la notification, voie de droit qui a été utilisée par l'Association de l'hôpital d'arrondissement de Sierre.
Par arrêt du 28 avril 1994, le Tribunal cantonal (Cour de droit public) a déclaré le recours de l'Association de l'hôpital d'arrondissement de Sierre irrecevable, pour le motif que la décision attaquée n'avait pas pour effet direct d'attribuer l'exclusivité de la pratique ophtalmologique à l'hôpital de Sion, mais se bornait à subordonner le subventionnement cantonal au respect des principes de planification hospitalière qu'elle mentionnait.
L'Association de l'hôpital d'arrondissement de Sierre a formé un recours de droit public pour violation de l'
art 4 Cst.
Le Tribunal fédéral a déclaré le recours irrecevable.
Erwägungen
Extrait des considérants:
2.
a) Le recours de droit public est conçu pour la protection des droits constitutionnels des citoyens (
art. 84 al. 1 lettre a OJ
). Il doit permettre à ceux qui en sont titulaires de se défendre contre toute atteinte à leurs droits de la part de la puissance publique. De tels droits ne sont reconnus en principe qu'aux citoyens, à l'exclusion des collectivités publiques qui, en tant que détentrices de la puissance publique, ne sont pas titulaires des droits constitutionnels et ne peuvent donc pas attaquer, par la voie du recours de droit public, une décision qui les traite en tant qu'autorités. Cette règle s'applique aux cantons, aux communes et à leurs autorités, qui agissent en tant que titulaires de la puissance publique (
ATF 120 Ia 95
consid. 1a p. 96;
ATF 119 Ia 214
consid. 1a p. 216;
ATF 109 Ia 173
consid. 1 p. 174).
BGE 121 I 218 S. 220
La jurisprudence admet toutefois qu'il y a lieu de faire une exception pour les communes et autres corporations de droit public, lorsque la collectivité n'intervient pas en tant que détentrice de la puissance publique, mais qu'elle agit sur le plan du droit privé ou qu'elle est atteinte dans sa sphère privée de façon identique ou analogue à un particulier, notamment en sa qualité de propriétaire de biens frappés d'impôts ou de taxes ou d'un patrimoine financier ou administratif. Une seconde exception est admise en faveur des communes et autres corporations publiques lorsque, par la voie du recours de droit public, elles se plaignent d'une violation de leur autonomie, d'une atteinte à leur existence ou à l'intégrité de leur territoire garanties par le droit cantonal (
ATF 120 Ia 95
consid. 1a p. 96;
ATF 119 Ia 214
consid. Ia p. 216;
ATF 112 Ia 356
consid. 5a p. 363). Les collectivités concernées ne peuvent invoquer le grief de l'arbitraire que pour autant que leur autonomie soit en cause (
ATF 116 Ia 52
consid. 2 p. 54).
b) Pas plus que les corporations de droit public, les corporations organisées conformément au droit privé, qui sont chargées de tâches publiques par le droit cantonal et apparaissent comme détentrices de la puissance publique vis-à-vis des particuliers soumis à leur pouvoir, n'ont qualité pour déposer un recours de droit public pour violation des droits constitutionnels du citoyen contre des décisions d'une autorité administrative ou judiciaire à laquelle elles sont subordonnées dans le domaine en cause (
ATF 112 Ia 356
consid. 5a p. 364; arrêt du 10 mai 1994 en la cause Institut Ingenbohl c. Conseil d'Etat du canton des Grisons, publié in ZBl 95/1994 p. 531 ss). Dotées de compétences relevant de la puissance publique, les corporations de droit privé sont mises sur le même pied que les organes de l'Etat; en conséquence, les actes de souveraineté qu'elles accomplissent peuvent également être l'objet d'un recours de droit public (ATF
ATF 108 Ia 266
; ZBl 1994, 531 ss).
La situation est différente, lorsqu'une corporation de droit privé chargée de tâches publiques entend se plaindre, par la voie du recours de droit public, du fait que de nouvelles tâches publiques lui sont transférées (
ATF 112 Ia 356
consid. 5a p. 364). Dans ce cas, la corporation de droit privé n'est pas touchée en tant que détentrice de la puissance publique faisant partie de l'organisation étatique, mais elle est atteinte dans sa sphère privée, au même titre qu'un particulier; c'est pourquoi, elle doit pouvoir se défendre au moyen du recours de droit public en invoquant la garantie des droits individuels dont elle dispose. Il s'ensuit
BGE 121 I 218 S. 221
que, dans le cadre de l'exécution du mandat qui lui a été confié, la corporation de droit privé peut se prévaloir des garanties constitutionnelles individuelles lors de conflits "internes" avec l'Etat au sujet de son financement, lorsqu'en relation avec les tâches qui lui sont transférées, elle poursuit également un but lucratif, respectivement une activité économique, ou du moins qu'elle supporte un risque financier qui lui est propre. Il pourrait à la rigueur en aller différemment si, malgré la délégation de tâches, le risque financier demeurait en réalité entièrement à la charge de la collectivité par le jeu de subventions ou de garanties couvrant le déficit et que l'organisme privé (par exemple une association ou une fondation servant d'instrument pour réaliser une certaine autonomie administrative) ne s'interpose que formellement, sans que les membres individuels qui le composent n'aient un intérêt personnel quelconque à faire valoir (ZBl 95/1994 p. 532/533).
La corporation de droit privé chargée d'une tâche publique se trouve, en tant que sujet de droit privé, dans une situation fondamentalement différente de celle d'une corporation de droit public. Comme on l'a vu, celle-ci est par principe exclue du recours de droit public dans la mesure où elle n'agit pas comme un particulier ou qu'elle ne fait pas valoir la garantie de son autonomie ou de son existence. En revanche, les corporations de droit privé ont accès de manière générale au recours de droit public, dans la mesure où elles n'agissent pas en tant qu'organes chargés de tâches publiques et qu'elles ne veulent pas simplement défendre les compétences ou les fonctions publiques qui leur ont été transférées. A cet égard, la jurisprudence concernant les litiges entre collectivités publiques (par exemple, entre canton et commune) au sujet de subventions ou de la péréquation financière n'est pas applicable (ZBl 95/1994 p. 533).
3.
a) La recourante est une association de droit privé au sens des
art. 60 ss CC
. Elle présente la caractéristique que ses membres sont exclusivement les communes de l'arrondissement. Toutefois, ces dernières n'agissent pas en tant que telles, de sorte que la recourante apparaît comme une corporation de droit privé non seulement formellement, mais aussi matériellement. Au demeurant, l'autonomie de ses membres n'entre pas en considération dans un domaine tel que la planification hospitalière qui a pour but de coordonner les besoins des différentes régions et communes et doit nécessairement être opérée par un organe de rang supérieur sur le plan cantonal (
ATF 119 Ia 214
consid. 3b p. 219;
ATF 114 Ia 83
consid. 3b p. 84) soit, en l'espèce, le Conseil d'Etat (voir art. 1er à 3 et 61 al. 1 lettre a
BGE 121 I 218 S. 222
de la loi valaisanne du 18 novembre 1961 sur la santé publique; en abrégé: LSP).
b) Peuvent être reconnus en tant qu'établissements sanitaires publics, les établissements dépendant de corporations de droit public qui respectent la planification sanitaire et hospitalière arrêtée par le Conseil d'Etat (
art. 61 al. 2 lettre a LSP
et art. 18 du décret valaisan du 15 novembre 1989 sur le subventionnement des hôpitaux; en abrégé: DSH).
La recourante apparaît comme un établissement sanitaire public, reconnu par l'Etat (art. 3 DSH). A ce titre, elle participe aux structures mises en place par le Conseil d'Etat en vue d'assurer à la population l'accès à des soins de qualité à un coût acceptable pour la collectivité (art. 2 lettre a DSH). En exploitant l'hôpital de Sierre, elle remplit sans aucun doute une tâche publique au sens de la jurisprudence, même si ses actes ne sont pas revêtus de l'autorité publique.
c) Il reste à examiner si en contestant une mesure de planification hospitalière qui a pour résultat de la priver de toute participation financière cantonale en matière d'ophtalmologie, la recourante se trouve dans la situation d'une corporation chargée de tâches publiques, analogues à celles d'une corporation publique subordonnée à l'Etat - en conséquence dépourvue de la qualité pour agir contre ce dernier - ou si elle poursuit un but lucratif dont elle supporte le risque et agit ainsi comme un citoyen titulaire des garanties constitutionnelles.
Le canton et les communes concernés prennent en charge (le canton à raison de 80%, les communes à raison de 20%) intégralement les frais retenus de construction, d'équipement et de transformation des hôpitaux (art. 6 DSH et
art. 62 LSP
). Ils subventionnent à raison de 40% (canton: 33%, commune: 7%) les frais d'exploitation retenus de ces établissements (art. 7 DSH et 63 LSP). Par "frais retenus", le législateur valaisan entend les frais en rapport avec la planification sanitaire et hospitalière et la mission des hôpitaux, telles qu'elles sont définies par le Conseil d'Etat, ainsi que les frais retenus par le Département de la santé publique, dans les budgets d'exploitation et d'investissement des établissements subventionnés (art. 4 DSH).
Il ressort de cette réglementation que la recourante supporte un risque financier propre pour les tâches publiques qu'elle accomplit. Ce risque n'est toutefois pas déterminant en l'espèce, car l'objet du litige ne porte pas sur des tâches ou des charges nouvelles qui seraient imposées à la recourante, mais sur une mesure de planification hospitalière qui retire à
BGE 121 I 218 S. 223
la recourante la compétence d'exercer une activité publique, du moins en tant que cet exercice donne droit à des subventions. S'agissant d'une telle mesure, la recourante ne se trouve pas dans la situation d'une personne privée qui défend sa situation économique contre l'emprise de la collectivité publique, mais bien dans celle d'une corporation qui participe aux tâches de l'Etat en étant soumise à sa surveillance. Or, le recours de droit public n'est pas donné à la corporation de droit privé chargée de tâches publiques pour protéger les compétences ou les fonctions qui lui ont été transférées contre un éventuel retrait, total ou partiel, de ces tâches. Au demeurant, comme le relève l'autorité intimée, la mesure litigieuse n'interdit pas directement à la recourante la pratique de l'ophtalmologie, mais subordonne le subventionnement cantonal futur de l'établissement au respect des principes de planification (art. 16 let. a DSH).
En conséquence, la recourante n'a pas qualité pour déposer un recours de droit public au fond.
4.
a) Même s'il n'a pas qualité pour agir au fond, un recourant peut se plaindre de la violation d'une garantie de procédure qui équivaut à un déni de justice formel. Dans un tel cas, l'intérêt juridiquement protégé exigé par l'
art. 88 OJ
découle non pas du droit au fond, mais du droit de participer à la procédure. Lorsque le recourant avait qualité de partie en procédure cantonale, il peut se plaindre de la violation des droits de partie que lui reconnaît la procédure cantonale ou qui découlent directement des dispositions constitutionnelles telles que l'
art. 4 Cst.
(
ATF 119 Ia 424
consid. 3c p. 428;
ATF 114 Ia 307
consid. 3c p. 312).
Cette jurisprudence n'est applicable aux corporations de droit public chargées de tâches publiques que si elles invoquent des griefs en étroite relation avec une violation de la garantie de leur autonomie ou de leur existence (
ATF 120 Ia 95
consid. 2 p. 100 et les arrêts cités). Le droit d'être entendu garanti par l'
art. 4 Cst.
doit en effet protéger le citoyen contre les actes de puissance publique - dans le cas particulier, portant sur la conduite du procès - et non une autorité agissant dans le cadre de ses compétences de droit public contre d'éventuelles erreurs commises dans la procédure devant une autorité supérieure. Une corporation de droit privé qui agit sur le plan du droit public ne peut pas non plus se plaindre d'une violation du droit d'être entendu dans une procédure cantonale où elle n'est pas intervenue comme simple autorité de première instance, mais comme partie (
ATF 112 Ia 356
consid. 6b p. 368).
BGE 121 I 218 S. 224
b) En l'espèce, l'arrêt attaqué est une décision d'irrecevabilité. Les diverses critiques que la recourante adresse à cette décision quant à l'indication erronée des voies de droit et à la violation de règles de procédure cantonale concernent son droit d'être entendue. Comme elle n'a pas ici qualité pour recourir au fond, ses griefs de nature formelle ne sont donc pas davantage recevables. | public_law | nan | fr | 1,995 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
178782b6-9d01-4f9a-986e-b0c6612f95d1 | Urteilskopf
100 Ib 271
44. Extrait de l'arrêt de la Cour de cassation du 17 octobre 1974, dans la cause X contre Département de la justice, de la police et des affaires militaires du canton de Vaud | Regeste
Art. 42, 374 und 397bis Abs. 1 lit. g StGB:
Solange der Bundesrat von den in
Art. 397bis StGB
gewährten Befugnissen keinen Gebrauch gemacht hat, entscheidet das kantonaleRecht darüber, ob und unter welchen Voraussetzungen die Verwahrung oder die Strafe an kranken, gebrechlichen oder betagten Personen vollzogen werden soll (Erw. 1 lit. a).
Art. 40, 45 Ziff. 5 und 397bis Abs. 1 lit. g StGB:
Diese Bestimmungen regeln nicht den gleichen Gegenstand: Die ersten beiden beschränken ausschliesslich die kantonalen Befugnisse in bezug auf die Unterbrechung des Strafvollzuges und die Anrechnung einer Behandlung oder eines Aufenthaltes in einer Heil- oder Pflegeanstalt auf die Strafe. Die letztere hingegen betrifft die Art und Weise des Vollzuges bei gewissen Kategorien von Gefangenen (Erw. 1 lit. b). | Sachverhalt
ab Seite 272
BGE 100 Ib 271 S. 272
Le 10 juillet 1974, X. a demandé que soit interrompue l'exécution de mesures de sûreté prises contre lui en vertu de l'art. 42 CP, car il se disait gravement malade. Le Département de la justice, de la police et des affaires militaires du canton de Vaud a rejeté cette requête pour le motif que, selon un rapport du médecin officiel de l'établissement de détention, l'intéressé était apte à subir une incarcération, moyennant quelques allégements, tels que l'exemption des gros travaux.
X. forme devant le Tribunal fédéral un recours de droit administratif dans lequel il reprend ses conclusions tendant à l'interruption de la mesure de sûreté prise à son égard. Il demande l'assistance judiciaire.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
a) L'exécution des mesures d'internement prises à l'encontre des délinquants d'habitude (art. 42 CP) est assurée par les cantons (art. 374 CP). Le droit fédéral ne prévoit pas qu'une telle mesure doit être suspendue, voire interrompue en raison de l'âge ou de la maladie de l'interné. Certes, l'art. 397bis al. 1 lit. g CP autorise le Conseil fédéral à édicter
BGE 100 Ib 271 S. 273
- après consultation des cantons d'ailleurs - des dispositions concernant l'exécution des peines et des mesures infligées aux malades, infirmes et personnes âgées, mais le Conseil fédéral n'a pas fait usage de cette compétence. Il a seulement, à l'art. 6 al. 1 de l'Ordonnance 1 du 13 novembre 1973 relative au Code pénal suisse, chargé les cantons d'arrêter les dispositions nécessaires dans ce domaine. Savoir si et à quelles conditions l'exécution d'un internement ou d'une incarcération décidée à l'égard d'une personne malade, infirme ou âgée doit être ordonnée est ainsi une question relevant en principe du droit cantonal et ne saurait dans cette mesure donner matière à un recours de droit administratif au Tribunal fédéral (art. 104 OJ).
b) Il faut relever que ce domaine n'est pas éloigné de celui qui fait l'objet de l'art. 40 CP (et de l'art. 45 ch. 5 CP): si durant l'exécution de la peine ou de la mesure, le détenu malade, infirme ou âgé doit être transféré dans un hôpital ou hospice, l'autorité cantonale devra décider si l'exécution de la détention doit être interrompue ou poursuivie dans l'établissement médical, ou encore s'il y a lieu d'imputer la durée du traitement ou du séjour hospitalier de celle de la peine ou de la mesure. Or, appelé à statuer en cette matière, alors qu'il était encore autorité de dernière instance, le Conseil fédéral a rendu plusieurs décisions dans lesquelles il a statué sur le fond, tout en relevant que le recours de droit administratif n'est ouvert que pour violation du droit fédéral (cf. JAAC 1956 Nos 70 et 71; art. 127 al. 1a OJ actuellement 104 lit. a et b OJ). On ne saurait toutefois en conclure que l'art. 397bis al. 1 lit. g crée en faveur du détenu un droit subjectif dont la violation ouvrirait la voie au recours de droit administratif. En effet, sans compter que le Conseil fédéral ne s'est pas prononcé expressément sur la recevabilité des recours qui lui étaient soumis, l'art. 40 CP (et l'art. 45 ch. 5 CP) ainsi que l'art. 397bis CP n'ont pas le même objet; le premier restreint exclusivement la compétence des cantons en matière d'interruption de la détention et d'imputation sur celle-ci des périodes de traitement ou de séjour hospitalier, alors que le second concerne les modalités de l'incarcération de certaines catégories de détenus. Par ailleurs, s'agissant de l'art. 397bis proprement dit, non seulement il est postérieur aux décisions précitées, mais encore il ne saurait créer un droit subjectif au
BGE 100 Ib 271 S. 274
profit de quiconque, puisque le législateur a expressément relevé que le Conseil fédéral n avait aucune obligation de promulguer des ordonnances dans le domaine où sa compétence était réservée, précisément parce que ces problèmes étaient liés à la réalisation d'établissements spéciaux pour lesquels un délai de dix ans a été consenti aux cantons (cf. Bull. stén. CN 1969, p. 185). Or, on l'a vu, le Conseil fédéral n'a pas fait usage de la faculté qui lui était donnée.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral:
Déclare le recours irrecevable. | public_law | nan | fr | 1,974 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
1788b354-74a9-47b8-952b-66d4e033d966 | Urteilskopf
106 IV 314
79. Urteil des Kassationshofes vom 6. November 1980 i.S. Z. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern (Nichtigkeitsbeschwerde) | Regeste
1. Art. 6 des Bundesratsbeschlusses über besondere Massnahmen zur Bekämpfung der Tollwut (SR 916.421.91).
Begriff des jagenden Hundes (E. 1).
2. Art. 44.2 Ziff. 4 der Tierseuchenverordnung (SR 916.401).
Wann ist der Abschuss eines im Tollwutsperrgebiet streunenden Hundes im Lichte dieser Bestimmung rechtmässig (E. 2)?
3.
Art. 20 StGB
. Rechtsirrtum (E. 3). | Sachverhalt
ab Seite 314
BGE 106 IV 314 S. 314
A.-
Z. ist Pächter des Jagdreviers R. und Obmann der dortigen Jagdgesellschaft. Am Samstag, den 17. März 1979, schoss er im Jadgrevier R. drei Hunde ab. Die drei Tiere, ein Sennenhund, ein Schäfer und ein Bernhardiner, hatten sich - der Sennenhund etwas abseits von den beiden andern - in nicht genau bestimmter Entfernung von den Bauernhöfen ihrer Eigentümer in einer Wiese getummelt. Z. wies die Kadaver der drei Hunde gleichentags dem Polizeiposten Hochdorf vor und stellte Strafanzeige gegen die unbekannten Hundehalter wegen
BGE 106 IV 314 S. 315
Jagenlassens von Hunden während der geschlossenen Jagdzeit. Die Eigentümer, die in der Folge ermittelt werden konnten, stellten gegen Z. Strafantrag wegen Sachbeschädigung.
B.-
Das Amtsgericht Hochdorf sprach Z. am 30. April 1980 in Bestätigung der Verfügungen des Amtsstatthalters von Hochdorf vom 16. August 1979/25. Januar 1980 der wiederholten Sachbeschädigung (
Art. 145 Abs. 1 StGB
) schuldig und bestrafte ihn mit einer Busse von Fr. 200.--, bedingt vorzeitig löschbar bei einer Probezeit von einem Jahr. Eine von Z. gegen dieses Urteil eingereichte kantonale Kassationsbeschwerde wies die II. Kammer des Obergerichts des Kantons Luzern am 27. Juni 1980 ab.
C.-
Z. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und die Sache zur Freisprechung an das Obergericht zurückzuweisen.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Der Beschwerdeführer macht geltend, er sei gemäss Art. 6 (i.V.m. Art. 9) des Bundesratsbeschlusses über besondere Massnahmen zur Bekämpfung der Tollwut vom 28. Februar 1968 (SR 916.421.91) zum Abschuss der drei Hunde berechtigt und verpflichtet gewesen, da es sich dabei um jagende Hunde im Sinne dieser Bestimmung gehandelt habe. Die Vorinstanz habe den bundesrechtlichen Begriff des "Jagens" falsch ausgelegt. Entgegen ihrer Auffassung sei mit "Jagen" nicht nur die unmittelbare Verfolgung von Jagdwild gemeint, sondern ein Hund sei, wie auch aus
BGE 102 IV 140
hervorgehe, schon dann als "jagend" anzusehen, wenn er in einer Gegend, wo Wild zu erwarten ist, umherstreunt; denn es sei jederzeit mit der Möglichkeit zu rechnen, dass der jedem Hund innewohnende Jagdtrieb beim unbeaufsichtigten Umherstreunen in einem Jagdgebiet ausbreche. Die bundesrechtlichen Begriffe "Jagen" und "Streunen" seien somit, obschon sie verschiedene Tätigkeiten eines Hundes bezeichnen, in rechtlicher Hinsicht identisch.
Diese Einwände gehen offensichtlich fehl. Der Kassationshof hat in
BGE 102 IV 138
ff. (insbesondere S. 140) unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien, die Literatur und einen älteren Bundesgerichtsentscheid erkannt, dass unter Jagen (durch einen Hund) jede Verfolgung von Jagdwild durch irgendeinen
BGE 106 IV 314 S. 316
Hund zu verstehen ist. Einerseits ist der Begriff also weder auf bestimmte Hunderassen noch auf abgerichtete oder von Jägern begleitete Hunde beschränkt, anderseits ist aber in jedem Fall irgendwelche Art von Jagdwildverfolgung vorausgesetzt. Dieses Erfordernis ist im vorliegenden Fall nach den verbindlichen tatsächlichen Feststellungen des Obergerichts nicht erfüllt. Keiner der drei Hunde hatte ein Jagdwild verfolgt oder einer Fährte nachgespürt; es war überhaupt kein Wild sichtbar. Dass die Hunde beim allfälligen Auftauchen eines Wildes vom Jagdtrieb erfüllt oder aus Spiellust dieses möglicherweise verfolgt hätten, reicht entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung offensichtlich nicht aus, um sie als jagend im Sinne des Gesetzes anzusehen; ein Hund jagt nicht schon dann, wenn die Möglichkeit besteht, dass er unter gewissen Voraussetzungen jagen könnte. Dass nicht jeder in einem Jagdgebiet umherstreunende Hund als jagend qualifiziert werden kann, geht übrigens aus dem Gesetz selber hervor. In Art. 6 des Bundesratsbeschlusses über besondere Massnahmen zur Bekämpfung der Tollwut vom 28. Februar 1968 in der Fassung vom 24. September 1973, der die Kantonsregierungen zur Regelung der Abschussberechtigung ermächtigt, ist einerseits von "streunenden", anderseits von widerrechtlich "jagenden" Hunden die Rede; da somit gemäss Art. 6 des Bundesratsbeschlusses die Kantone Abschussrecht und Abschusspflicht hinsichtlich streunenden Hunden anders als hinsichtlich widerrechtlich jagenden Hunden regeln können, kann von der in der Nichtigkeitsbeschwerde behaupteten rechtlichen Identität der Begriffe "Streunen" und "Jagen" nicht die Rede sein.
2.
Der Beschwerdeführer macht im weiteren geltend, er sei auch dann zum Abschuss der drei Hunde berechtigt und verpflichtet gewesen, wenn man mit der Vorinstanz annehme, dass es sich bei den von ihm erschossenen Tieren nicht um jagende, sondern um streunende Hunde gehandelt habe.
Nach Art. 44.2 Ziff. 4 der Tierseuchenverordnung vom 15. Dezember 1967 (TSV; SR 916.401) in der Fassung vom 15. März 1978 haben die Polizeiorgane und die von den Kantonen hiefür bezeichneten Personen in Tollwutsperrgebieten streunende Hunde, die nicht eingefangen werden können, abzuschiessen. Es ist unbestritten, dass Z. zu dem nach der kantonalen Gesetzgebung zum Abschuss zuständigen Personenkreis gehört. Streitig ist hingegen, wann streunende Hunde im Sinne
BGE 106 IV 314 S. 317
von Art. 44.2 Ziff. 4 TSV "nicht eingefangen werden können" und ihr Abschuss somit rechtmässig ist. Der Beschwerdeführer wirft der Vorinstanz vor, Bedeutung und Tragweite dieser Voraussetzung verkannt und daher mit seiner Verurteilung wegen Sachbeschädigung Bundesrecht verletzt zu haben. Die Rüge ist unbegründet.
a) Aus Art. 44.2 Ziff. 4 TSV geht hervor, dass in Tollwutsperrgebieten streunende Hunde nicht ohne weiteres getötet werden dürfen; nur jene streunenden Hunde sind abzuschiessen, "die nicht eingefangen werden können". Damit bringt das Gesetz klar zum Ausdruck, dass das Einfangen dem Abschuss vorzuziehen ist. Wie das Obergericht zutreffend ausgeführt hat, soll der unnötige Abschuss von Hunden vermieden werden. Es soll nach Möglichkeit versucht werden, einen im Sperrgebiet streunenden Hund einzufangen. Erst wenn die darauf abzielenden zumutbaren Bemühungen gescheitert sind, ist das Tier abzuschiessen. Immerhin kann es Situationen geben, in welchen die Unmöglichkeit, einen streunenden Hund einzufangen, bei vernünftiger Beurteilung der Lage von vornherein erkennbar ist, so etwa, wenn sich der Hund in einem unwegsamen Gelände oder jenseits eines praktisch unüberwindbaren Hindernisses (Fluss, Autobahn, etc.) aufhält. In solchen Fällen ist der Abschuss ohne vorangehenden Einfangversuch zulässig und geboten. Die Voraussicht bzw. Erwartung gewisser Schwierigkeiten beim Einfangversuch hingegen erlauben für sich allein den sofortigen Abschuss nicht; dass das Einfangen eines Hundes kein leichtes Spiel ist, liegt in der Natur der Sache und war auch dem Gesetzgeber bekannt.
Die Auslegung von Art. 44.2 Ziff. 4 TSV durch das Obergericht stimmt mit den obigen Erwägungen überein. Entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers wird im angefochtenen Urteil nirgendwo ausgeführt, es bestehe immer die Pflicht, den Versuch zu unternehmen, einen Hund einzufangen, bevor dieser abgeschossen werde. Die Vorinstanz führt auf S. 12 oben ihres Urteils wörtlich aus: "Es wurde also selbst von einem anwesenden Jäger das Einfangen des Hundes nicht zum vornherein als unmöglich verworfen." Damit bringt das Obergericht zum Ausdruck, dass in jenen Fällen, in welchen das Einfangen von vornherein als offensichtlich unmöglich erkannt wird, keine Pflicht zu darauf abzielenden Versuchen besteht, sondern der sofortige Abschuss zulässig und geboten ist.
BGE 106 IV 314 S. 318
b) Z. hat unbestrittenermassen nicht versucht, die Hunde einzufangen. Indem die Vorinstanz ihm diese Unterlassung zum Vorwurf machte, ging sie davon aus, dass ein solcher Versuch nicht von vornherein zum Scheitern verurteilt war, die Unmöglichkeit, die Hunde einzufangen, mithin nicht von Anfang an feststand. Diese Annahme ist tatsächlicher Natur und daher für den Kassationshof im Verfahren der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde verbindlich (
Art. 277bis BStP
). Was Z. dagegen vorbringt, ist unzulässig und im übrigen unbegründet. Ob auf die Einholung der vom Beschwerdeführer vor Amtsgericht beantragten kynologischen Expertise verzichtet werden durfte, ist eine Frage der Beweiswürdigung, die nicht mit der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde wegen Verletzung von
Art. 249 BStP
, sondern mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Verletzung von
Art. 4 BV
aufzuwerfen ist (
BGE 103 IV 301
,
BGE 91 I 120
/121). Abgesehen davon durfte von der Einholung dieser Expertise, mit welcher der Beschwerdeführer beweisen wollte, dass auf eine Distanz von 50-100 m überhaupt nur Rüden mit Hilfe einer "heissen" Hündin eingefangen werden könnten, schon deshalb abgesehen werden, weil eine solche Behauptung auch für den Laien erkennbar offensichtlich abwegig ist. Fehl geht im weiteren der Vorwurf, das Obergericht habe den Grundsatz der Unschuldsvermutung, der in
Art. 18 StGB
und
Art. 6 Ziff. 2 EMRK
enthalten sei, missachtet. Die Vorinstanz hat Z. entgegen seiner Behauptung nicht deshalb verurteilt, weil er den "Unschuldsbeweis", mit andern Worten den Beweis der offensichtlichen Unmöglichkeit, die Hunde einzufangen, nicht erbracht habe, sondern weil sie aufgrund der gesamten Umstände zum Schluss kam, die Erfolglosigkeit eines Einfangversuchs habe nicht von Anfang an festgestanden. Ein Jagdkamerad hatte denn auch dem Beschwerdeführer vorgeschlagen zu versuchen, den Hund des Landwirts L. einzufangen, bei Z. aber kein Gehör gefunden.
Darf somit ein in einem Tollwutsperrgebiet streunender Hund nach Art. 44.2 Ziff. 4 TSV nur dann ohne vorangehenden Einfangversuch abgeschossen werden, wenn die Erfolglosigkeit eines solchen Versuchs angesichts der Umstände von vornherein feststeht, und war diese Voraussetzung nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz im konkreten Fall nicht erfüllt, so war der sofortige Abschuss der drei Hunde rechtswidrig.
BGE 106 IV 314 S. 319
3.
Der Beschwerdeführer beruft sich im weiteren auf Rechtsirrtum (
Art. 20 StGB
). Er macht geltend, die Rechtslage sei unklar, was sich schon daraus ergebe, dass über die Tollwutbekämpfung von verschiedenen kompetenten Behörden verschiedene Erlasse herausgegeben werden, statt die Materie einheitlich zu regeln. Selbst das luzernische Volkswirtschaftsdepartement irre sich über die jeweilige Rechtslage; so sei in der vom Departement am 3. Januar 1973 herausgegebenen, im Jahre 1976 neu gedruckten Gesetzessammlung "Jagdrecht" noch die ursprüngliche Fassung des Bundesratsbeschlusses über besondere Massnahmen zur Bekämpfung der Tollwut vom 28. Februar 1968 enthalten, die am 24. September 1973 erfolgte Revision von Art. 6 dieses Bundesratsbeschlusses mithin nicht berücksichtigt. Die interessierten Kreise würden durch die zuständige Behörde, welche die Sammlung "Jagdrecht", Neudruck 1976, nach wie vor verteile, somit falsch orientiert. Auch er, der Beschwerdeführer, sei aufgrund der alten Fassung von Art. 6 des Bundesratsbeschlusses davon ausgegangen, zum Abschuss berechtigt und verpflichtet zu sein.
Die Ausführungen betreffend die Sammlung "Jagdrecht", auf die der Beschwerdeführer sich verlassen haben will, sind neu und daher unzulässig (
Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP
). Sie reichen im übrigen wie die andern Einwände nicht aus, um das Vorliegen "zureichender Gründe" im Sinne von
Art. 20 StGB
zu begründen. In der ursprünglichen Fassung von Art. 6 des erwähnten Bundesratsbeschlusses ist das Recht gewisser Personen zum Abschuss jagender Hunde geregelt. Von streunenden Hunden ist überhaupt nicht die Rede. Dem Erlass sind auch keinerlei Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass auch streunende Hunde unter den Begriff "jagende" Hunde fielen. Der Beschwerdeführer behauptet zudem selber nicht, er habe angenommen, die Sammlung "Jagdrecht" enthalte sämtliche Erlasse, die den Abschuss von Tieren in Tollwutgebieten regeln. Dem Art. 44.2 Ziff. 4 der eidgenössischen Tierseuchenverordnung, die in der Sammlung "Jagdrecht" nicht enthalten ist, hätte Z. entnehmen können, das streunende Hunde nur dann abzuschiessen sind, wenn sie nicht eingefangen werden können. Der Beschwerdeführer musste als Pächter eines Jagdreviers, Obmann einer Jagdgesellschaft und Jurist die jeweils gültigen einschlägigen kantonalen und eidgenössischen Erlasse, wie sie in den amtlichen Gesetzessammlungen enthalten sind, kennen
BGE 106 IV 314 S. 320
und sich bei auftauchenden Zweifeln sorgfältig informieren. Dies hat er nicht getan. Es kann daher keine Rede davon sein, er habe zureichende Gründe zur Annahme gehabt, er tue überhaupt nichts Unrechtes. Daran ändert nichts, dass Z. die Kadaver der drei Hunde zur Polizei brachte und die Hundehalter anzeigte; dieses Verhalten lässt verschiedene Deutungen zu und bildet jedenfalls keinen Beweis für Rechtsirrtum.
4.
Völlig abwegig ist schliesslich die erneute Berufung des Beschwerdeführers auf Notstand. Keiner der drei friedlich in der Wiese sich tummelnden Hofhunde zeigte die geringsten Anzeichen von Tollwut oder Jagdfieber. Z. hat keinerlei Versuche unternommen, die Tiere einzufangen. Von einer unmittelbaren, nicht anders abwendbaren Gefahr kann nicht die Rede sein. Die Ausführungen des Beschwerdeführers zu diesem Punkt machen deutlich, dass es ihm nicht zuletzt auch darum ging, den Hundebesitzern einen Denkzettel zu geben und sie zu einer nicht zumutbaren, einschränkenden Hundehaltung zu zwingen.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. | null | nan | de | 1,980 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
17912c65-a039-4fd8-9369-a4cc437e1a36 | Urteilskopf
98 IV 255
52. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 5. Oktober 1972 i.S. A. und B. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich. | Regeste
Art. 198 StGB
. Kuppelei.
1. In einem Massagesalon vorgenommene Sexual- oder Feinmassage fällt unter den Begriff der Unzucht (Erw. 1).
2. Vorsätzliches Vorschubleisten zu fremder Unzucht aus Gewinnsucht (Erw. 2-4).
3. Mittäterschaft des Vermieters der Räume und Einrichtungen des Massagesalons (Erw. 5). | Sachverhalt
ab Seite 256
BGE 98 IV 255 S. 256
A.-
Die Beschwerdeführerin A. eröffnete am 2. November 1970 in Zürich den Massagesalon X.-AG. Sie war einzige Verwaltungsrätin der Firma und Geschäftsführerin des Betriebes. Der Beschwerdeführer B. hatte den Massagesalon organisiert und finanziert und unter der Firma Z.-AG die Räumlichkeiten und die Einrichtung des Salons zur Verfügung gestellt, wofür die X.-AG einen jährlichen Mietzins von Fr. 48'000.-- entrichten musste. Ausserdem wirkte B. als kaufmännischer Berater im Betrieb mit und besorgte die Werbeinserate.
Den Salon besuchten täglich rund 40 Männer, die für eine halbstündige Massage Fr. 45.- zu bezahlen hatten. Die im Betrieb beschäftigten jungen Masseusen führten auf Wunsch der Mehrheit der Kunden auch sog. Sexual- oder Feinmassagen aus. Eine dieser Masseusen war noch nicht 19 Jahre alt.
B.-
Das Obergericht des Kantons Zürich erklärte am 14. April 1972 die Beschwerdeführer der fortgesetzten Kuppelei im Sinne von
Art. 198 Abs. 1 und 2 StGB
schuldig und verurteilte B. zu 8 Monaten Gefängnis mit bedingtem Strafvollzug und zu Fr. 4'000.-- Busse sowie A. zu 4 Monaten Gefängnis mit bedingtem Strafvollzug und Fr. 2'000.-- Busse.
C.-
Beide Verurteilten führen Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das obergerichtliche Urteil sei aufzuheben und die Sache zur Freisprechung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1.
Wegen Kuppelei wird nach
Art. 198 StGB
bestraft, wer aus Gewinnsucht der Unzucht anderer Vorschub leistet. Unter Unzucht im Sinne dieser Bestimmung ist grundsätzlich jede Art von Unzucht zu verstehen, ob sie als solche strafbar sei oder nicht. Ausgenommen wurden lediglich Handlungen, welche die Grenze des geschlechtlichen Anstandes bloss leicht überschreiten (
BGE 71 IV 95
,
BGE 76 IV 238
). Ob dieser Rahmen des Erlaubten als Folge der auf dem Sexualgebiet gewandelten Anschauungen gegebenenfalls noch weiter zu ziehen wäre, ist nicht zu entscheiden.
BGE 98 IV 255 S. 257
Jedenfalls kann der Auffassung der Beschwerdeführer, dass auch die Vornahme einer sog. Feinmassage nach der heute vorherrschenden Sexualmoral nicht mehr jenseits der Grenze des geschlechtlichen Anstandes liege, nicht zugestimmt werden. Wo das Strafgesetzbuch wie in Art. 198 von Unzucht schlechthin spricht, meint es hauptsächlich den Vollzug des ausserehelichen Beischlafes und jeder anderen Ersatzhandlung, die auf die Herbeiführung des Orgasmus des Partners abzielt. Darunter fällt zweifelsfrei auch die sog. Feinmassage, das Reiben des Geschlechtsgliedes bis zum Samenerguss. Daran hat auch die neuere Rechtsprechung zu
Art. 204 StGB
nichts geändert, aus der die Beschwerdeführer völlig zu Unrecht abzuleiten versuchen, dass Darstellungen des Geschlechtsverkehrs und anderer sexueller Handlungen überhaupt nicht mehr als unzüchtig verfolgt und deshalb vom Unzuchtsbegriff nicht mehr erfasst würden. Zudem übersieht die Beschwerde, dass zwischen
Art. 204 und 198 StGB
insofern ein Unterschied besteht, als die Kuppelei sowohl wegen des gewinnsüchtigen Beweggrundes des Täters als auch wegen des hohen Grades der Gefährdung der öffentlichen Sittlichkeit als besonders strafwürdig erscheint, während die blosse Darstellung geschlechtlicher Vorgänge weniger in die Intimsphäre des einzelnen eingreift und auch nicht notwendig eine Förderung fremder Unzucht zur Folge hat, wie es bei der Kuppelei der Fall ist.
Es ist daher die Rechtsprechung (
BGE 71 IV 94
) zu bestätigen, wonach die sog. Feinmassage, die im Massagesalon der Beschwerdeführer an Kunden ausgeführt wurde, als Unzucht zu gelten hat. Dass die Masseusen die Feinmassage nur auf Wunsch der Kunden vornahmen, ist unerheblich;
Art. 198 StGB
bestraft das Vorschubleisten fremder Unzucht nicht nur im Interesse der verkuppelten Person, sondern vor allem zum Schutze der allgemeinen Sittlichkeit.
2.
Die Beschwerdeführer haben der Unzucht offensichtlich auch Vorschub geleistet. Der Beschwerdeführer organisierte und finanzierte den Massagesalon, stellte dem Betrieb Räumlichkeiten, Geräte und Apparate zur Verfügung und arbeitete nachher mit der Beschwerdeführerin eng zusammen. Während diese dem Betrieb vorstand, die Masseusen zum Teil anlernte, Kunden empfing und sie den Masseusen zuwies, war der Beschwerdeführer ihr kaufmännischer Berater, vermittelte Masseusen und warb durch Inserate für den Salon. Durch diese
BGE 98 IV 255 S. 258
Handlungen haben beide Beschwerdeführer die mit ihrem Wissen vorgenommene Feinmassage begünstigt und fortlaufend gefördert.
3.
Gewinnsucht setzt allgemein ein besonders ausgeprägtes, über die einfache Gewinnabsicht hinausgehendes Streben nach Gewinn voraus. Beim Tatbestand der Kuppelei liegt dieses Gewinnstreben darin, dass der Täter aus der von ihm begünstigten Unzucht geldwerte Vorteile ziehen will, die er ohne Unzuchtsbetrieb nicht oder nicht in der verlangten Höhe erlangen könnte (
BGE 89 IV 17
).
Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanzen haben beide Beschwerdeführer von Anfang an planmässig und intensiv darnach gestrebt, aus dem Betrieb des Massagesalons, in welchem sie nur junge, gut aussehende Masseusen beschäftigten und ausschliesslich männliche Kunden bedienten, durch Ausführung von Feinmassage höchstmögliche Gewinne zu erzielen. Dass sich ihr Gewinnstreben nicht auf die Erlangung berufsüblicher Einnahmen beschränkte, geht daraus hervor, dass sie für eine halbstündige Massage, das Trinkgeld an die Masseuse nicht inbegriffen, den Betrag von Fr. 45.- und damit mehr als den doppelten Preis forderten, der zur gleichen Zeit in seriösen Massageinstituten verlangt wurde. Dieser überhöhte Tarif kann nicht allein mit der luxuriösen Ausstattung des Massagesalons begründet werden. Wird berücksichtigt, dass die von den Beschwerdeführern angestellten Masseusen keine Berufserfahrung besassen, ja zum Teil überhaupt erst in ihrem Betrieb angelernt worden und demzufolge beruflich ungenügend ausgebildet waren, so erweist sich der angewendete Tarif trotz dem gebotenen Luxus als weit übersetzt. In Wirklichkeit handelte es sich um einen für die Vornahme von Feinmassage geforderten Mehrpreis, den die Kunden, wie die Beschwerdeführer wussten, zur Befriedigung ihres Geschlechtstriebes gerne zu zahlen bereit waren. Damit ist erstellt, dass die Beschwerdeführer nach verpöntem Gewinn trachteten und aus Gewinnsucht der Unzucht Vorschub leisteten.
Diese Feststellung trifft entgegen seiner Bestreitung auch auf den Beschwerdeführer zu, der die Errichtung des Massagesalons organisiert und finanziert hatte, nach der Betriebseröffnung mit der Beschwerdeführerin in der Geschäftsführung zusammenarbeitete und am Geschäftsgang unmittelbar interessiert war. Insbesondere schliesst der Umstand, dass die Einnahmen aus
BGE 98 IV 255 S. 259
dem Salon der X.-AG allein der Beschwerdeführerin zustanden, die Gewinnsucht des Beschwerdeführers nicht aus. Die Vorinstanz stellt denn auch verbindlich fest, dass der Mietzins von Fr. 4'000.--, der für die Räumlichkeiten und das Inventar des Salons dem Beschwerdeführer als Inhaber der Z.-AG monatlich entrichtet werden musste, aussergewöhnlich hoch war. Das kann nur heissen, dass der Beschwerdeführer den übersetzten Mietzins einzig mit Rücksicht auf die ausserordentlich hohen Einnahmen des Salons verlangte, die ihrerseits nur dank der Feinmassage möglich waren.
4.
Den Vorsatz bestreiten die Beschwerdeführer mit der Begründung, sie hätten nicht gewusst, dass Feinmassage unter den Begriff der Unzucht falle und verboten sei. Dieser Einwand scheitert an der gegenteiligen Feststellung der Vorinstanz, die tatsächlicher Art ist und daher mit der Nichtigkeitsbeschwerde nicht angefochten werden kann (
Art. 273 Abs. 1 lit. b und
Art. 277 bis Abs. 1 BStP
;
BGE 98 IV 66
).
Die ebenfalls verbindliche Feststellung des Obergerichts, dass die Beschwerdeführer die Grenzen des Erlaubten genau gekannt haben und sich der Sittenwidrigkeit der vorgenommenen Feinmassage und der Strafbarkeit ihrer gewinnsüchtigen Begünstigung bewusst waren, schliesst auch die Anwendung der Bestimmung über Rechtsirrtum aus (
Art. 20 StGB
;
BGE 74 IV 205
).
5.
Mittäterschaft liegt vor, wenn jemand bei der Entschliessung, Planung oder Ausführung eines Delikts vorsätzlich und in massgeblicher Weise mit einem andern Täter zusammenwirkt (SCHWANDER, Schweiz. Strafgesetzbuch, S. 126 Nr. 255;
BGE 85 IV 133
und dort erwähnte frühere Entscheidungen,
BGE 96 IV 169
E. 7).
Der Beschwerdeführer war der Initiant und Gründer des Salons und hat ihn geplant, organisiert und finanziert. Sein Einwand, dass er am Betrieb nicht beteiligt gewesen sei und die Verantwortung für diesen voll und ganz bei der Beschwerdeführerin gelegen habe, mag zivilrechtlich gesehen stimmen, geht jedoch an den tatsächlichen Gegebenheiten, auf die das Strafrecht abstellt, vorbei. Durch die Errichtung und Finanzierung des Salons hat der Beschwerdeführer nicht bloss die Eröffnung des Massagebetriebes ermöglicht, sondern auch nachher wesentlich zu seinem Fortbestand beigetragen. Darüber hinaus lag eine erfolgreiche Geschäftstätigkeit, ohne die er den hohen Mietzins nicht hätte verlangen können, in seinem eigenen Interesse,
BGE 98 IV 255 S. 260
und er hat dieses denn auch, wie verbindlich feststeht, dadurch wahrgenommen, dass er an der Betriebsführung selber aktiv mitwirkte, indem er die Beschwerdeführerin in Fragen der Geschäftsführung beriet und gewisse Aufgaben (Anstellung von Masseusen, Aufgabe von Werbeinseraten) selbständig erledigte. Aus dieser intensiven Tätigkeit des Beschwerdeführers erhellt, dass er an der Organisation und Führung des Massagesalons, in welchem mit seinem Wissen und Willen Dritten Gelegenheit zur Unzucht geboten wurde, in massgebender Weise beteiligt war. Er wurde daher zu Recht als Mittäter der Beschwerdeführerin zur Verantwortung gezogen.
6.
(Strafzumessung.)
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen. | null | nan | de | 1,972 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
179248e6-6d20-4bce-a874-cf74d7701c51 | Urteilskopf
81 III 61
18. Auszug aus dem Entscheid vom 4. Mai 1955 i. S. Eheleute Brechbühl. | Regeste
Doppelaufruf des zu verwertenden Grundstücks: Unter welchen Voraussetzungen ist er in den Steigerungsbedingungen vorzusehen, und in welchen Fällen hat der zweite Aufruf alsdann stattzufinden?
Art. 812 Abs. 2 ZGB
, 142 /156 SchKG, 56 /102 und 104 VZG. | Sachverhalt
ab Seite 61
BGE 81 III 61 S. 61
Aus dem Tatbestand:
A.-
Der am 9. November 1953 verstorbene Fritz Pfäffii hatte seinem Mieter Hans Schleith durch Vertrag vom 20. Juni 1953 ein Kaufsrecht in bezug auf seine Liegenschaften in Murten eingeräumt. Der Preis wurde auf Fr. 20'995.-- festgesetzt, zahlbar durch Übernahme der Hypothekarschulden von Fr. 16'000.-- Kapital und Barleistung des Restbetrages an die Berechtigten. Das Kaufsrecht darf nach den vertraglichen Bestimmungen
BGE 81 III 61 S. 62
erst nach dem Tode des Eigentümers ausgeübt werden. Es ist seit dem 10. Juli 1953 im Grundbuch vorgemerkt.
B.-
In der Grundpfandbetreibung gegen die Verlassenschaft Pfäffii kam es am 7. März 1955 zur Steigerung. In den vom 14. Februar an aufgelegten Steigerungsbedingungen war bemerkt: "Es erfolgen zwei Ausrufe: 1/Ausruf: mit Kaufrecht zu Gunsten des Hans Schleith...; 2/Ausruf: ohne das Kaufrecht." An der Steigerung bot nun beim ersten Ausruf (mit dem Kaufsrecht) Hans Schleith Fr. 20'995.--, während sich keine andern Bieter meldeten. Hierauf nahm das Betreibungsamt einen zweiten Aufruf (ohne das Kaufsrecht) vor, wobei die Eheleute Brechbühl den Zuschlag zum Höchstangebot von Fr. 23'500.-- erhielten.
C.-
Auf Beschwerde des Hans Schleith hob die kantonale Aufsichtsbehörde mit Entscheid vom 8. April 1955 den Zuschlag samt den ihm vorausgegangenen Verwertungsmassnahmen auf.
D.-
Mit vorliegendem Rekurs beantragen die Eheleute Brechbühl die Aufhebung des kantonalen Entscheides, die Abweisung der von Schleith geführten Beschwerde und die Bestätigung des an sie erfolgten Zuschlages zum Preise von Fr. 23'500.-- ohne Belastung mit dem Kaufsrecht.
Erwägungen
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
1.
Ein doppelter Aufruf ist in dem (nach
Art. 156 SchKG
auch im Grundpfandverwertungsverfahren anwendbaren)
Art. 142 SchKG
für den Fall vorgesehen, dass eine Liegenschaft ohne Zustimmung des vorgehenden Grundpfandgläubigers mit einer Dienstbarkeit oder Grundlast belastet ist. Damit wird der Vorschrift von
Art. 812 Abs. 2 ZGB
Rechnung getragen, der bestimmt, dass das Grundpfandrecht einer später ohne Zustimmung der Pfandgläubiger auf das Grundstück gelegten Dienstbarkeit oder Grundlast vorgehe, und dass die spätere Belastung zu
BGE 81 III 61 S. 63
löschen sei, "sobald bei der Pfandverwertung ihr Bestand den vorgehenden Pfandgläubiger schädigt." Nach
Art. 104 VZG
sind - zweifellos dem Sinn der erwähnten Gesetzesvorschriften entsprechend - die im Grundbuch vorgemerkten persönlichen Rechte ebenfalls der für Dienstbarkeiten und Grundlasten geltenden Regelung unterworfen. Im übrigen wird die Anordnung eines Doppelaufrufs von einem Begehren von Pfandgläubigern abhängig gemacht, wofür ihnen bei Zustellung des Lastenverzeichnisses Frist anzusetzen ist. Für die Durchführung der Verwertung nach dem Prinzip des Doppelaufrufs enthält
Art. 56 VZG
nähere Anweisungen, die nach
Art. 102 VZG
auch bei der Grundpfandverwertung gelten. Danach bleibt der Meistbieter im ersten Aufruf (mit der Last) bei seinem Angebot behaftet bis nach Schluss eines allfälligen zweiten Aufrufs ohne die Last. Namentlich aber soll ein zweiter Aufruf gar nicht stattfinden, wenn der erste bereits ein zur Befriedigung des Gläubigers ausreichendes Angebot zeitigt oder der durch die Last Begünstigte einen Fehlbetrag sofort bezahlt. Denn unter solchen Umständen wirkt sich eben die Last (oder Vormerkung) nicht zum Nachteil der vorgehenden Grundpfandgläubiger aus, was allein (nach der grundlegenden Bestimmung von
Art. 812 Abs. 2 ZGB
) ihre Löschung rechtfertigen würde.
Der angefochtene Entscheid tut zutreffend dar, dass bei der Vorbereitung und Durchführung der Steigerung in verschiedener Hinsicht gegen diese Vorschriften verstossen wurde. Einmal liegt nichts dafür vor, dass ein Grundpfandgläubiger den doppelten Aufruf der Liegenschaften verlangt hätte. Indessen darf auch nicht angenommen werden, die Grundpfandgläubiger seien damit einverstanden gewesen, dass die Liegenschaften mit dem Kaufsrecht versteigert würden. Vielmehr war die Vormerkung dieses Rechtes gar nicht (unter der Rubrik "Andere Lasten") im Lastenverzeichnis aufgeführt, weshalb die in dessen gedrucktem Text enthaltene Fristansetzung sich nicht auf das streitige Kaufsrecht beziehen
BGE 81 III 61 S. 64
liess. Diese Lücke des Lastenverzeichnisses dürfte darauf zurückzuführen sein, dass der vom Betreibungsamt eingeholte Grundbuchauszug die Vormerkung unerwähnt gelassen hatte. Vor allem aber wurde, obwohl sich beim ersten Aufruf (mit dem Kaufsrecht) ein die Grundpfandforderungen völlig deckendes Angebot ergeben hatte, ein zweiter Aufruf (ohne das Kaufsrecht) vorgenommen, also grundlos und entgegen der ausdrücklichen Vorschrift von
Art. 56 lit. a VZG
. Das Betreibungsamt hat dies denn auch in seinem Bericht zur Beschwerde des Hans Schleith zugegeben und die Gutheissung der Beschwerde beantragt. Bei dieser Sachlage war der regelwidrige Zuschlag samt dem in verschiedener Hinsicht fehlerhaften vorausgegangenen Verfahren in der Tat aufzuheben.
2.
Um den zweiten Aufruf, bei dem sie den Zuschlag erhielten, dennoch zu rechtfertigen, bringen die Rekurrenten vor, das Betreibungsamt habe dieses Verfahren bereits in den Steigerungsbedingungen vorgesehen, somit hätten diese und nicht erst der Zuschlag angefochten werden müssen; die erst gegen den Zuschlag geführte Beschwerde sei verspätet. Allein die Anzeige eines doppelten Aufrufes laut den Steigerungsbedingungen durfte dahin verstanden werden, es handle sich um einen bedingten Doppelaufruf gemäss den dafür geltenden Vorschriften. Niemand brauchte anzunehmen, das Betreibungsamt werde auch bei genügendem Ergebnis des ersten Aufrufes, mit der Last, zu einem - in diesem Falle des zureichenden Grundes entbehrenden - zweiten Aufrufe schreiten. Erst als dann an der Steigerung in solch regelwidriger Weise verfahren wurde, ergab sich ein Anlass zur Beschwerde, und Schleith hat diese binnen zehn Tagen nach der Steigerung eingereicht.
Dispositiv
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird abgewiesen. | null | nan | de | 1,955 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
1792b304-d604-467e-ad05-5ac12998d003 | Urteilskopf
125 V 201
31. Auszug aus dem Urteil vom 30. April 1999 i.S. K. gegen IV-Stelle des Kantons Graubünden und Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden | Regeste
Art. 152, 159 und 160 OG
: Parteientschädigung und Mehrwertsteuer.
Bei Einreichung einer masslich begründeten Kostennote mit separat ausgewiesener Mehrwertsteuer wird die Parteientschädigung um diesen Mehrwertsteuerbetrag erhöht; wird hingegen eine Entschädigung pauschal zugesprochen, ist die Mehrwertsteuer in diesem Pauschalbetrag enthalten und nicht noch zusätzlich zu vergüten. | Erwägungen
ab Seite 202
BGE 125 V 201 S. 202
Aus den Erwägungen:
4.
a) Da es im vorliegenden Verfahren um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen geht, sind gemäss
Art. 134 OG
keine Gerichtskosten zu erheben. Die unentgeltliche Verbeiständung kann hingegen gewährt werden (Art. 152 in Verbindung mit
Art. 135 OG
), da die Bedürftigkeit aktenkundig ist, die Beschwerde nicht als aussichtslos zu bezeichnen und die Vertretung geboten war (
BGE 124 V 309
Erw. 6; ARV 1998 Nr. 32 S. 178 Erw. 5a mit Hinweisen).
b) Mit Kostennote vom 14. August 1998 macht der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin ein Honorar von Fr. 2'800.-- zuzüglich Fr. 15.-- Auslagen und Fr. 183.-- Mehrwertsteuer geltend, was angemessen ist. Dabei rechtfertigt es sich, dass bei Einreichung einer - wie hier - masslich begründeten Kostennote mit separat ausgewiesener Mehrwertsteuer die Parteientschädigung um diesen Mehrwertsteuerbetrag erhöht wird. Denn die Mehrwertsteuer steigert die Aufwendungen des Anwalts und führt, wenn sie im Rahmen der prozessualen Kostenliquidation nicht überwälzt werden kann, grundsätzlich zu einer entsprechenden Minderung seines Einkommens. Mangels vernünftiger Gründe, den Entschädigungsberechtigten diese indirekte Steuer tragen zu lassen, stellt die strikte Anwendung eines Tarifs ohne Berücksichtigung der Mehrwertsteuer eine willkürliche Reduktion der Entschädigung dar (vgl.
BGE 122 I 4
Erw. 3c). Anders verhält es sich dagegen, wenn eine Entschädigung in einem Gesamtbetrag zugesprochen wird (vgl. Art. 1 des Tarifs über die Entschädigungen an die Gegenpartei für das Verfahren vor dem Eidg. Versicherungsgericht in Verbindung mit Art. 8 Abs. 1 desjenigen für das Verfahren vor dem Bundesgericht). In diesem Fall ist die Mehrwertsteuer im Betrag praxisgemäss pauschal enthalten und nicht noch zusätzlich zu vergüten (nicht publizierte Erw. 9 des Urteils
BGE 124 V 118
; RKUV 1996 Nr. U 259 S. 262 Erw. 5c in fine; ferner Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts vom 28. Februar 1996 in SJ 1996 S. 275). Soweit der in SVR 1996 IV Nr. 87 S. 262 publizierten Erwägung 4 des Urteils
BGE 122 V 77
etwas anderes entnommen werden kann, ist daran nicht festzuhalten.
c) Nach dem Gesagten ist dem als unentgeltlich bestellten Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin eine Entschädigung von Fr. 2'998.-- (Fr. 2'800.-- Honorar zuzüglich Fr. 15.-- Auslagen und Fr. 183.-- Mehrwertsteuer) zuzuerkennen.
BGE 125 V 201 S. 203
Es wird ausdrücklich auf
Art. 152 Abs. 3 OG
aufmerksam gemacht, wonach die begünstigte Partei der Gerichtskasse Ersatz zu leisten haben wird, wenn sie später dazu im Stande ist. | null | nan | de | 1,999 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
179ca380-46dd-40ef-9180-5c4812d586e9 | Urteilskopf
119 II 66
15. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 12. März 1993 i.S. P. Bank gegen Mihajlo M. (Berufung) | Regeste
Art. 4 und 5 Abs. 1 IPRG
; internationales Privatrecht; Arrestprosequierungsklage; örtliche Zuständigkeit, wenn streitig ist, ob eine Gerichtsstandsvereinbarung gilt.
1. Die Vermutung von
Art. 5 Abs. 1 IPRG
ist nur dann anwendbar, wenn unstreitig ist oder ohne weiteres festgestellt werden kann, dass Streitgegenstand ein Rechtsverhältnis bildet, hinsichtlich dessen eine Gerichtsstandsvereinbarung geschlossen worden ist. Ist diese Frage dagegen umstritten, so gilt der allgemeine Prozessgrundsatz, dass bei der Beurteilung der Zuständigkeit im Rahmen eines selbständigen Zwischenentscheides auf den vom Kläger eingeklagten Anspruch und dessen Begründung abgestellt werden muss und die darauf bezüglichen Einwände der Gegenpartei nicht zu prüfen sind (E. 2a).
2. Beim Entscheid über die Zuständigkeitsfrage ist das streitige Rechtsverhältnis nicht nach der lex causae zu qualifizieren (E. 2b). | Sachverhalt
ab Seite 67
BGE 119 II 66 S. 67
Mihajlo M. macht gegenüber der P. Bank, die ihren Sitz im kroatischen Zagreb hat, Forderungen von Fr. 156'922.25 und Fr. 160'000.-- je nebst Zins geltend. Am 17. September 1991 liess er für diese Forderungen Vermögenswerte der P. Bank bei einer schweizerischen Bank in Zürich verarrestieren. Den Arrest prosequierte M. mit zwei Betreibungsbegehren vom 19. September 1991, zwei Zahlungsbefehlen vom 30. September 1991 und - auf die Rechtsvorschläge der P. Bank hin - mit Klage vom 7. November 1991 beim Handelsgericht des Kantons Zürich als Arrestort. Die Beklagte erhob die Einrede mangelnder örtlicher Zuständigkeit mit der Begründung, zwischen den Prozessparteien gälten Gerichtsstandsklauseln, mit welchen die Zuständigkeit der Gerichte in Kroatien vereinbart worden sei.
Mit selbständigem Zwischenentscheid (Beschluss) vom 9. Oktober 1992 wies das Handelsgericht die Unzuständigkeitseinrede der Beklagten ab. Das Gericht ging davon aus, das streitige Rechtsverhältnis werde von den Gerichtsstandsklauseln, auf die sich die Beklagte berufe, nicht erfasst.
Die Beklagte hat gegen den Beschluss des Handelsgerichts Berufung eingereicht, die vom Bundesgericht abgewiesen wird.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
a) Gemäss
Art. 4 IPRG
kann die Klage auf Prosequierung des Arrestes am schweizerischen Arrestort erhoben werden, sofern das IPRG keinen anderen Gerichtsstand in der Schweiz vorsieht. Der Gerichtsstand am Arrestort ist jedoch nicht zwingend. Deshalb bleibt es den Parteien vorbehalten, eine Gerichtsstandsvereinbarung im Sinne von
Art. 5 IPRG
zu treffen. Geht aus dieser Vereinbarung nichts anderes hervor, so ist das vereinbarte Gericht ausschliesslich zuständig (Art. 5 Abs. 1 in fine IPRG). Diese gesetzliche Vermutung hat zur Folge, dass der den Arrest in der Schweiz prosequierende Kläger die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts nachzuweisen hat, falls die Gegenpartei eine abweichende Gerichtsstandsvereinbarung behauptet (
BGE 118 II 190
E. 3a).
Die Vermutung von
Art. 5 Abs. 1 IPRG
kommt indessen nur dann zum Tragen, wenn unstreitig ist oder ohne weiteres festgestellt werden kann, dass Streitgegenstand ein Rechtsverhältnis bildet, hinsichtlich dessen eine Gerichtsstandsvereinbarung geschlossen worden ist. Ist diese Frage dagegen im Prozess umstritten, wie das hier
BGE 119 II 66 S. 68
der Fall ist, so gilt der allgemeine prozessrechtliche Grundsatz, wonach bei der Beurteilung der Zuständigkeitsfrage - jedenfalls im Rahmen eines selbständigen Zuständigkeitsentscheides - auf den vom Kläger eingeklagten Anspruch und dessen Begründung abgestellt werden muss und die darauf bezüglichen Einwände der Gegenpartei nicht zu prüfen sind (GULDENER, Schweiz. Zivilprozessrecht, 3. Aufl., S. 106; STRÄULI/MESSMER, Kommentar zur Zürcherischen Zivilprozessordnung, 2. Aufl., N. 4 zu
§ 17 ZPO
;
BGE 91 I 121
Nr. 19,
BGE 66 II 183
f.; vgl. auch
BGE 115 II 239
).
Von diesem Grundsatz ist nach dem angefochtenen Urteil allerdings dann abzuweichen, wenn von vornherein feststeht, dass "materiellrechtliche Bestimmungen zur Anwendung kommen werden, welche die Zuständigkeit eines anderen Gerichtes begründen". Diese Einschränkung ist indessen vom Wortlaut her zu weit gefasst. Sie stimmt nur insoweit mit dem Bundesrecht überein, als sie nicht jener widerspricht, die sich im erörterten Sinne aus
Art. 5 Abs. 1 IPRG
ergibt. Wörtlich verstanden läuft sie nämlich dem Sinn und Zweck zuwider, welcher dem erwähnten prozessrechtlichen Prinzip zugrunde liegt. Danach kann die Zuständigkeit des Gerichtes nicht von der Prüfung der Begründetheit des eingeklagten Anspruches abhängig gemacht werden, denn die Zuständigkeit bildet eine Prozessvoraussetzung, über deren Vorhandensein beim Beginn des Prozesses zu entscheiden ist und nicht erst nach Feststellung des der Klage zugrunde liegenden Sachverhalts (GULDENER, a.a.O., S. 106). Im übrigen lässt sich eine solche Einschränkung auch nicht dem vom Handelsgericht zitierten
BGE 91 I 121
Nr. 19 entnehmen. Dort war ein Fall zu beurteilen, in dem sich die materielle Unbegründetheit eines geltend gemachten Klageanspruchs ohne weiteres aus den Akten ergab und der massgebende Sachverhalt zwischen den Parteien nicht streitig war (vgl. S. 122 unten). Unter solchen Umständen rechtfertigt es sich aber bereits aus prozessökonomischen Gründen, bei der Beurteilung der Zuständigkeit auf die materielle Rechtslage abzustellen. Dass es sich im vorliegenden Fall gleich verhält, wird aber mit der Berufung zu Recht nicht behauptet.
b) Wie sich aus der übrigen Begründung des angefochtenen Urteils ergibt, hat sich das Handelsgericht denn auch gar nicht an den zu weit gefassten Wortlaut des Vorbehaltes gehalten. Es ist vielmehr in Übereinstimmung mit den vorangehenden Erwägungen davon ausgegangen, bei der Beurteilung der Zuständigkeitsfrage sei auf die Behauptungen des Klägers abzustellen, während über die den Sachverhalt betreffenden Einwände der Beklagten und die Frage des
BGE 119 II 66 S. 69
anwendbaren materiellen Rechts sowie die materielle Rechtslage im gegenwärtigen Verfahrensstadium nicht zu entscheiden sei. Insoweit erweisen sich die mit der Berufung erhobenen Rügen der Verletzung von
Art. 8 ZGB
,
Art. 4, 5 und 16 IPRG
als unbegründet.
Nicht zu verkennen ist allerdings, dass auch die Beurteilung der Zuständigkeitsfrage eine - zumindest provisorische - Qualifikation des streitigen Rechtsverhältnisses voraussetzt. Die Vorinstanz hat, ohne dies ausdrücklich festzuhalten oder zu begründen, insoweit auf das schweizerische Recht abgestellt. Nach Auffassung der Beklagten hätte statt dessen auf das kroatische Recht abgestellt werden müssen, da dieses nach
Art. 117 IPRG
zur Anwendung komme. Ein solcher Vorgriff auf das anwendbare materielle Recht, die lex causae, ist jedoch im Rahmen eines Zwischenentscheides über die Zuständigkeit ebensowenig praktikabel, zweckmässig oder widerspruchsfrei wie beim Entscheid darüber, welche kollisionsrechtliche Regel für die Bestimmung des anwendbaren materiellen Rechts massgebend ist. In dieser Hinsicht ist aber nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts auf die lex fori abzustellen (
BGE 115 II 69
E. 1,
BGE 111 II 278
E. 1c mit Hinweisen; vgl. dazu auch VISCHER, SPR, Bd. I, S. 525 f.: dass die dort als dritte Möglichkeit erwähnte autonome Auslegung der kollisionsrechtlichen Begriffe im vorliegenden Fall zu einem anderen Ergebnis geführt hätte, ist im übrigen nicht ersichtlich und wird mit der Berufung auch nicht behauptet). Das Abstellen der Vorinstanz auf die lex fori, auf das schweizerische Recht ist deshalb nicht zu beanstanden. Die in diesem Zusammenhang mit der Berufung vorgebrachten Rügen der Verletzung von
Art. 5 und 16 IPRG
sowie
Art. 8 ZGB
erweisen sich damit ebenfalls als unbegründet. | public_law | nan | de | 1,993 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
179cc376-455f-44f2-adfa-371452699800 | Urteilskopf
138 III 737
111. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abtei- lung i.S. X. gegen Y. (Beschwerde in Zivilsachen)
5A_702/2012 vom 19. November 2012 | Regeste
Art. 256 ZGB
und
Art. 70 ZPO
; Vaterschaftsanfechtung; notwendige Streitgenossenschaft.
Das materielle Recht bestimmt, in welchen Fällen mehrere Personen einen Prozess gemeinsam führen und ein Rechtsmittel gemeinsam ergreifen müssen. Ficht der Ehemann die Vermutung seiner Vaterschaft an, besteht zwischen Mutter und Kind eine notwendige (passive) Streitgenossenschaft, doch kann gegen das Urteil von der Mutter oder vom Kind allein ein Rechtsmittel ergriffen werden (E. 2-4). | Sachverhalt
ab Seite 737
BGE 138 III 737 S. 737
X. und Y. heirateten am 28. September 2000. Am 24. Oktober 2006 wurde die Tochter Z. geboren. Gegen Mutter und Kind erhob Y. eine Klage auf Anfechtung seiner Vaterschaft. Das Kind erhielt für die Führung des Prozesses einen Beistand und schloss auf Abweisung wegen Verwirkung der Klagefrist. X. verlangte ebenfalls die
BGE 138 III 737 S. 738
Abweisung der Klage. Gemäss dem gerichtlich eingeholten DNA-Gutachten kann Y. als Vater des Kindes Z. mit Sicherheit ausgeschlossen werden. Das Bezirksgericht stellte fest, dass Y. nicht der Vater von Z. ist. X. legte eine Berufung gegen Y. und Z. ein und begehrte, die Anfechtungsklage abzuweisen. Das Obergericht trat auf die Berufung nicht ein mit der Begründung, Mutter und Kind seien im Anfechtungsprozess notwendige Streitgenossen, weshalb die Mutter allein keine Berufung erheben könne. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde von X. (Beschwerdeführerin) gut und weist die Sache an das Obergericht zur Beurteilung der Berufung der Beschwerdeführerin zurück.
(Zusammenfassung)
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Der Anfechtungsprozess ist am 3. Januar 2011 eingeleitet worden. Das kantonale Verfahren hat deshalb insgesamt der am 1. Januar 2011 in Kraft getretenen Schweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO; SR 272) unterstanden. Die "Notwendige Streitgenossenschaft" (Marginalie) wird in
Art. 70 ZPO
geregelt. Sind danach mehrere Personen an einem Rechtsverhältnis beteiligt, über das nur mit Wirkung für alle entschieden werden kann, so müssen sie gemeinsam klagen oder beklagt werden (Abs. 1). Rechtzeitige Prozesshandlungen eines Streitgenossen wirken auch für säumige Streitgenossen; ausgenommen ist das Ergreifen von Rechtsmitteln (Abs. 2). Laut Botschaft bestimmt das materielle Recht, in welchen Fällen eine gemeinsame Prozessführung notwendig ist. Wird die Klage in Fällen notwendiger Streitgenossenschaft nicht von allen Berechtigten erhoben oder nicht gegen alle Verpflichteten gerichtet, so fehlt die Aktiv- bzw. Passivlegitimation und die Klage wird als unbegründet abgewiesen. Für das Ergreifen von Rechtsmitteln gilt wie bei der Klageeinreichung, dass die gesamte Streitgenossenschaft handeln muss (vgl. Botschaft vom 28. Juni 2006 zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], BBl 2006 7221, 7280 Ziff. 5.53 zu Art. 68 des Entwurfs). Die Botschaft ist dem Vorentwurf der Expertenkommission gefolgt (vgl. Schweizerische Zivilprozessordnung ZPO, Vorentwurf der Expertenkommission, Juni 2003, Art. 62 S. 14, und Bericht zum Vorentwurf der Expertenkommission, Juni 2003, S. 37), obgleich im Vernehmlassungsverfahren unter anderem das gemeinsame Ergreifen von Rechtsmitteln durch notwendige Streitgenossen bei kurzen Fristen als problematisch bezeichnet wurde (vgl. Zusammenstellung der Vernehmlassungen, Vorentwurf für ein Bundesgesetz über die Schweizerische
BGE 138 III 737 S. 739
Zivilprozessordnung [ZPO], 2004, S. 199 ff.). Die Eidgenössischen Räte haben dem bundesrätlichen Entwurf diskussionslos zugestimmt (AB 2007 S 508 und AB 2008 N 649).
3.
Die materiell-rechtliche Ausgangslage zeigt sich wie folgt:
3.1
Die Beschwerdeparteien haben am 28. September 2000 geheiratet. Während der Ehe ist am 24. Oktober 2006 die Tochter Z. geboren. Das Kindesverhältnis zum Vater besteht hier kraft seiner Ehe mit der Mutter (vgl.
Art. 252 Abs. 2 ZGB
). Der Ehemann gilt als Vater, wenn ein Kind während der Ehe geboren ist (vgl.
Art. 255 Abs. 1 ZGB
). Die Vermutung der Vaterschaft kann gemäss
Art. 256 ZGB
vom Ehemann (Abs. 1 Ziff. 1) und vom Kind, wenn während seiner Unmündigkeit der gemeinsame Haushalt der Ehegatten aufgehört hat (Abs. 1 Ziff. 2), beim Gericht angefochten werden, wobei sich die Klage des Ehemannes gegen das Kind und die Mutter und die Klage des Kindes gegen den Ehemann und die Mutter richtet (Abs. 2). Dass sich die Anfechtungsklage des Ehemannes gegen das Kind und die Mutter richtet, war bereits in aArt. 253 Abs. 2 ZGB von 1907/12 vorgesehen (AS 24 233, 298 und BS 2 3, 47). Diesbezüglich hat die ZGB-Revision von 1976/78 nichts geändert (vgl. Botschaft an die Bundesversammlung vom 5. Juni 1974 über die Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches [Kindesverhältnis], BBl 1974 II 1, 29 f. Ziff. 312.21).
3.2
Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu aArt. 253 Abs. 2 ZGB besteht zwischen Mutter und Kind im Anfechtungsprozess eine notwendige (passive) Streitgenossenschaft, doch hindert dieser Umstand nicht daran, dass ein im Verfahren gegen Mutter und Kind ergangener Entscheid von der Mutter oder vom Kind allein weitergezogen werden kann. Begründet wurde die Rechtsprechung zunächst mit den Bestimmungen über den Bundeszivilprozess und den im Anfechtungsverfahren geltenden Prozessmaximen. In den Vordergrund rückte später die Begründung, es liesse sich nicht rechtfertigen, dass in der vorliegenden Prozesssituation dem Kinde, zufolge der entgegengesetzten Stellungnahme seiner mitbeklagten Mutter zur Klage, die Anrufung der obersten Instanz verunmöglicht sein sollte. Auf die Berufung des Kindes ist daher einzutreten, ohne dass die Mutter im Berufungsverfahren als dessen Streitgenossin oder gar als Berufungsbeklagte zu behandeln wäre. Davon, dass es zufolge des Ausscheidens der Mutter aus dem Verfahren zu sich widersprechenden Urteilen käme, wenn in Gutheissung der Berufung des Kindes allein die Klage gegen dieses abgewiesen würde, kann selbstverständlich
BGE 138 III 737 S. 740
keine Rede sein. Der eheliche oder uneheliche Status einer Person ist ein einheitliches Rechtsverhältnis; das letztinstanzliche rechtsgestaltende Urteil darüber wirkt gegenüber allen am Rechtsverhältnis, nicht nur den am Prozesse in seiner letzten Phase, Beteiligten in gleicher Weise, also gegenüber Ehemann, Mutter und Kind gleich (vgl.
BGE 82 II 1
S. 3 f.;
BGE 87 II 281
E. 1 S. 284;
BGE 95 II 291
E. 1 S. 294). Dass Mutter und Kind als notwendige Streitgenossen nicht gemeinsam, sondern je für sich allein ein Rechtsmittel gegen das die Anfechtungsklage gutheissende Urteil einlegen können, wurde in der späteren Rechtsprechung als eine Ausnahme von allgemeinen Grundsätzen für den Sonderfall von Statusklagen bezeichnet (vgl.
BGE 130 III 550
E. 2.1.2 S. 552 f.) und auch nach Inkrafttreten von
Art. 256 Abs. 2 ZGB
diskussionslos anerkannt (vgl. Urteil 5A_240/2011 vom 6. Juli 2011 E. 3).
3.3
Die Rechtsprechung wird in den Kommentierungen des Kindesrechts unwidersprochen wiedergegeben (vgl. HEGNAUER, Berner Kommentar, 3. Aufl. 1964, N. 15 und 38 zu aArt. 253 ZGB, und 4. Aufl. 1984, N. 83 und 86 zu
Art. 256 ZGB
; GUILLOD, in: Commentaire romand, Code civil, Bd. I, 2010, N. 12, und SCHWENZER, in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, Bd. I, 4. Aufl. 2010, N. 9 zu
Art. 256 ZGB
). Vereinzelt wird klargestellt, dass am eingeklagten Rechtsverhältnis an sich nur der Vater und das Kind beteiligt sind. Von Gesetzes wegen aber muss die Mutter neben dem Kind eingeklagt werden, hat doch die Beseitigung des Kindesverhältnisses für sie schwerwiegende moralische und materielle Auswirkungen (vgl. STETTLER, Das Kindesrecht, SPR Bd. III/2, 1992, § 11/I/B S. 173). Folgerichtig wird aus prozessualer Sicht darauf hingewiesen, dass auf der Beklagtenseite eine sog. uneigentliche notwendige Streitgenossenschaft vorliegt, die keine gemeinsame Prozessführung voraussetzt, zumal das Urteil zur Vaterschaft rechtsgestaltend wirkt und jedermann bindet (vgl. HABSCHEID, Schweizerisches Zivilprozess- und Gerichtsorganisationsrecht, 2. Aufl. 1990, N. 287 S. 156, mit Hinweis auf
BGE 82 II 3
in Anm. 19; vgl. zum Begriff:
BGE 136 III 534
E. 2.1 S. 535).
4.
Seine abweichende Meinung begründet das Obergericht mit dem Inkrafttreten der Schweizerischen Zivilprozessordnung und mit Hinweis auf eine Lehrmeinung zu
Art. 70 ZPO
.
4.1
Nach der zitierten Lehrmeinung bleibt für die Praxis, wonach Rechtsmittel betreffend Gestaltungsklagen, namentlich in Bezug auf die Anfechtung der Vaterschaft, von jedem Streitgenossen allein mit Wirkung für alle erhoben werden könnten, gemäss
Art. 70 Abs. 2
BGE 138 III 737 S. 741
ZPO
kein Raum mehr (vgl. ANNE-CATHERINE HAHN, in: Schweizerische Zivilprozessordnung, Baker & McKenzie [Hrsg.], 2010, N. 15 zu
Art. 70 ZPO
). Davon gibt es wiederum abweichende Meinungen, die von der gemeinsamen Einlegung eines Rechtsmittels durch die notwendigen Streitgenossen Ausnahmen zur Verwirklichung des materiellen Rechts und zwecks Abwendung drohender Nachteile (z.B. Interessenkollisionen) zulassen wollen (vgl. RUGGLE, in: Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2010, N. 44 zu
Art. 70 ZPO
) oder eine Weitergeltung der bundesgerichtlichen Rechtsprechung im vorliegenden Bereich anerkennen (vgl. DOMEJ, in: ZPO, Oberhammer [Hrsg.], 2010, N. 24 zu
Art. 70 ZPO
, S. 303). Entscheidend ist, dass nicht das Prozessrecht, sondern das materielle Recht bestimmt, in welchen Fällen mehrere Personen zur gemeinsamen Prozessführung verpflichtet sind (vgl. E. 2 hiervor). In Auslegung von aArt. 253 Abs. 2 ZGB und dem hier inhaltlich gleichlautenden
Art. 256 Abs. 2 ZGB
ist das Bundesgericht zum Ergebnis gelangt, dass wegen der Gefahr einer Kollision der Interessen von Mutter und Kind und mit Rücksicht auf die Gestaltungswirkung des eine Anfechtungsklage gutheissenden Urteils Mutter oder Kind allein ein Rechtsmittel einlegen dürfen (E. 3 hiervor). Daran ist festzuhalten und hat das Inkrafttreten der Schweizerischen Zivilprozessordnung nichts geändert. Fallbezogen kommt hinzu, dass die Beschwerdeführerin ihre kantonale Berufung ausdrücklich auch gegen die Tochter gerichtet hat und in ihrer heutigen Beschwerde die Tochter als Verfahrensbeteiligte aufführt, womit in formeller Hinsicht der Einbezug des Kindes in das Rechtsmittelverfahren gewährleistet ist.
4.2
Das Bundesgericht hat auch nach Inkrafttreten des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG; SR 173.110) keinen begründeten Anlass gesehen, von seiner bisherigen Rechtsprechung abzuweichen (vgl. Urteil 5A_240/2011 vom 6. Juli 2011 E. 3). Die obergerichtliche Auslegung, die Mutter des Kindes sei zur Berufung gegen das eine Anfechtungsklage gutheissende Urteil allein nicht berechtigt, führt dazu, dass sich am Verfahren vor Obergericht als Partei nicht mehr beteiligen kann, wer zur Beschwerde an das Bundesgericht berechtigt ist. Die Ablehnung der Berufungsberechtigung in Anwendung von
Art. 70 Abs. 2 ZPO
verletzt somit
Art. 111 Abs. 1 BGG
, wonach die kantonalen Behörden die Rechtsmittelbefugnis nicht enger fassen dürfen, als dies für die Beschwerde an das Bundesgericht vorgesehen ist (vgl. Urteil 4A_33/2007 vom 27. September 2007 E. 2; für den öffentlich-rechtlichen
BGE 138 III 737 S. 742
Bereich:
BGE 138 II 162
E. 2.1.1 S. 164;
BGE 137 II 30
E. 2.2.1 S. 32 f.). Die angefochtene Auslegung lässt sich auch unter dem Blickwinkel der Einheit der Verfahrensordnung nicht halten.
4.3
Aus den dargelegten Gründen muss die Beschwerde gutgeheissen und der angefochtene Beschluss, auf die Berufung nicht einzutreten, aufgehoben werden. Auf die in der Eventualbegründung erhobenen Rügen gegen die Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege im kantonalen Berufungsverfahren ist damit nicht mehr einzugehen. | null | nan | de | 2,012 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
179d2569-e541-4c46-b3c2-98a6f01b44c5 | Urteilskopf
103 IV 256
71. Urteil des Kassationshofes vom 7. November 1977 i.S. Zimmermann gegen Generalprokurator des Kantons Bern | Regeste
Art. 35 Abs. 2 und 3 SVG
. Überholen.
Voraussetzungen, unter denen im allgemeinen ein Überholungsmanöver eingeleitet werden darf (E. 3a). Der Umstand, dass der zu Überholende ohne Zeichengabe langsam in der Mitte der rechten Fahrbahn fährt, ist kein konkretes Anzeichen dafür, dass er nach links ausschwenken werde (E. 3c). | Sachverhalt
ab Seite 256
BGE 103 IV 256 S. 256
A.-
Am 3. September 1975, um 13.55 Uhr, fuhr Robert Gefter in Biel am Steuer seines Personenwagens vom Unteren Quai Süd nach links in die Karl-Neuhausstrasse über die Schüssbrücke. Gleichzeitig näherte sich von der Bahnhofstrasse her mit 40-50 km/Std. auf der Karl-Neuhausstrasse Frank Zimmermann mit seinem Wagen der genannten Brücke. Kaum hatte Gefter das Einbiegmanöver mit einer Geschwindigkeit von 10-15 km/Std. beendet, setzte Zimmermann zum Überholen an. Als er im Begriffe war, dieses Manöver auszuführen, streifte er seitlich den Wagen Gefters, der beabsichtigte, nach der Brücke nach links in den Unteren Quai Nord abzubiegen, und zu diesem Zwecke nach links hielt.
B.-
Der Gerichtspräsident II von Biel verfällte Zimmermann am 10. März 1977 wegen Widerhandlung gegen
Art. 35 Abs. 5 SVG
in eine Busse von Fr. 80.--.
Das Obergericht des Kantons Bern sprach Zimmermann am 5. Juli 1977 von der Anschuldigung einer Übertretung des
BGE 103 IV 256 S. 257
Art. 35 Abs. 5 SVG
frei, legte ihm dagegen einen Verstoss gegen
Art. 35 Abs. 1 SVG
zur Last und büsste ihn deshalb mit Fr. 80.--.
C.-
Zimmermann führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, er sei von Schuld und Strafe freizusprechen.
Der Generalprokurator-Stellvertreter des Kantons Bern erklärt in seiner Vernehmlassung, er widersetze sich dem Antrag des Beschwerdeführers nicht.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Die Beschwerde ist insoweit unzulässig, als vom Bundesgericht verlangt wird, dass es selber den Beschwerdeführer freispreche. Gemäss
Art. 277ter Abs. 1 BStP
kommt im Fall der Gutheissung der Nichtigkeitsbeschwerde nur eine Rückweisung der Sache an die Vorinstanz in Betracht. Das Begehren ist deshalb in diesem Sinne entgegenzunehmen.
2.
Nicht zu hören ist der Beschwerdeführer mit der Rüge der Aktenwidrigkeit. Einwände solcher Art können mit der Nichtigkeitsbeschwerde nicht erhoben werden (
BGE 97 IV 179
,
BGE 86 IV 49
mit Verweisungen).
3.
Das Obergericht wirft dem Beschwerdeführer vor, er habe beim Überholen nicht die nach
Art. 35 Abs. 3 SVG
gebotene Rücksicht auf den zu Überholenden walten lassen. Zwar sei Gefter nach dem Einbiegen in die Karl-Neuhausstrasse in der rechten Fahrbahnhälfte nicht nach links eingeschwenkt, aber auch nicht besonders rechts gefahren. Auch habe er den linken Blinker noch nicht gestellt oder dieser sei für den Beschwerdeführer nicht erkennbar gewesen. Dennoch habe der Beschwerdeführer den Verhältnissen nicht genügend Rechnung getragen. Er habe sich auf einer verhältnismässig stark befahrenen Innerortsstrasse und im Bereich einer Strassenkreuzung befunden, wo nach allgemeiner Erfahrung mit Linksabbiegern zu rechnen sei. Die ausgesprochen langsame Fahrweise Gefters habe zudem darauf schliessen lassen, dass er noch unentschlossen und nicht in der Lage gewesen sei, die Richtung seiner Weiterfahrt eindeutig anzuzeigen. Bei dieser unklaren Verkehrslage sei der Beschwerdeführer verpflichtet gewesen, mit dem Überholen zuzuwarten, bis es möglich gewesen wäre, eine allfällige Richtungsänderung des Vorausfahrenden festzustellen. Dass der Beschwerdeführer dies nicht
BGE 103 IV 256 S. 258
getan habe, sei ihm als Verstoss gegen die Sorgfaltspflichten anzurechnen.
a) Das in
Art. 35 Abs. 3 SVG
enthaltene Gebot der Rücksichtnahme auf den zu überholenden Strassenbenützer erschöpft sich zur Hauptsache in der Pflicht, beim Überholen gegenüber dem zu Überholenden einen angemessenen seitlichen Abstand zu wahren und nicht zu kurz vor ihm wieder nach rechts einzubiegen (
BGE 93 IV 65
). Im vorliegenden Fall steht jedoch die Frage im Vordergrund, ob der Beschwerdeführer im Augenblick, als er sich zum Überholen entschloss, das Manöver einleiten durfte. Diese Frage entscheidet sich nicht nach Absatz 3, sondern nach Absatz 2 des
Art. 35 SVG
. Danach muss der Überholende die Gewissheit haben, dass der zum Überholen notwendige Raum bis zum Abschluss des Manövers freibleiben wird. Wo kein Gegenverkehr herrscht oder bei Gegenverkehr ein gleichzeitiges Überholen und Kreuzen gefahrlos möglich ist und weder Markierungen noch Signale einem Überholen entgegenstehen (
BGE 101 IV 74
), ist das Erfordernis des freien Raumes grundsätzlich solange gegeben, als nicht der Vorausfahrende seine Absicht anzeigt, seinerseits nach links auszuschwenken, um selber zu überholen oder zum Linksabbiegen gegen die Strassenmitte hin einzuspuren. Denn nach der durch
Art. 39 Abs. 1 SVG
und
Art. 28 Abs. 2 VRV
geschaffenen Ordnung dürfen andere Verkehrsteilnehmer ohne gegenteilige Anhaltspunkte darauf vertrauen, dass der Fahrzeugführer, der kein Zeichen gibt, seine Fahrrichtung nicht ändert oder dass er, wenn er ein Zeichen gibt, die angekündigte Richtungsänderung tatsächlich vornehmen wird (
BGE 92 IV 30
).
b) Die Vorinstanz hat angenommen, Gefter habe im Augenblick, als sich der Beschwerdeführer zum Überholen entschloss, den Blinker noch nicht gestellt gehabt oder dieser sei für den Beschwerdeführer wegen der Schrägstellung des von links eingebogenen Fahrzeuges noch nicht erkennbar gewesen. Wäre indessen davon auszugehen, der linke Blinker habe vom Beschwerdeführer im kritischen Zeitpunkt noch gar nicht gesehen werden können, dann hätte die Gewissheit gefehlt, dass die Überholstrecke bis zum Abschluss des Manövers freibleiben werde. Es ist deshalb der für den Beschwerdeführer günstigere der beiden möglichen Sachverhalte zugrundezulegen, wonach der linke Blinker im kritischen Zeitpunkt
BGE 103 IV 256 S. 259
überhaupt noch nicht gestellt war. Der Beschwerdeführer durfte somit zum Überholen ansetzen, sofern nicht konkrete Anzeichen dafür bestanden, dass Gefter nach links einspuren könnte.
c) Die Vorinstanz hat das Vorliegen solcher Anzeichen zu Unrecht bejaht. Der Umstand, dass sich der Beschwerdeführer auf einer verhältnismässig stark befahrenen Innerortsstrecke bewegte, ist belanglos, weil nicht festgestellt ist, dass im Zeitpunkt des Überholmanövers irgendwelcher Gegenverkehr herrschte, dessentwegen der Beschwerdeführer von einem Überholen hätte absehen müssen. Auch wegen des Umstandes, dass jenseits der Brücke eine Strasse nach links abzweigte, musste der Beschwerdeführer keineswegs mit der nahen Möglichkeit rechnen, dass der vorausfahrende Personenwagen ohne rechtzeitige Zeichengabe oder gleichzeitig mit der Betätigung des Blinkers nach links halten werde. Auf Strassenverzweigungen darf übrigens nach
Art. 35 Abs. 4 SVG
überholt werden, sofern sie übersichtlich sind und das Vortrittsrecht anderer nicht beeinträchtigt wird. Dafür, dass die Sicht auf die fragliche Verzweigung verdeckt gewesen wäre, enthält das angefochtene Urteil keinerlei Hinweis, und eine Beeinträchtigung des Vortritts anderer fiel mangels Gegenverkehr und ohne Zeichengabe des zu Überholenden ebenfalls ausser Betracht (vgl.
BGE 99 IV 22
oben). Ebensowenig lagen zureichende Anhaltspunkte für ein bevorstehendes Fehlverhalten darin, dass Gefter langsam fuhr und weder besonders links noch besonders rechts hielt. Abgesehen davon, dass sich der Fahrzeugführer nicht auf jede nur denkbare Gefahr, die das Verhalten eines andern Strassenbenützers hervorrufen könnte, einzustellen hat (
BGE 97 IV 244
E. 1), genügt auch nicht die blosse Möglichkeit einer verkehrswidrigen Fahrweise zur Annahme eines konkreten Anzeichens im Sinne von
Art. 26 Abs. 2 SVG
. Vielmehr muss es sich um zuverlässige Anhaltspunkte (signes certains:
BGE 96 IV 132
), um besondere Umstände (
BGE 99 IV 21
/22) handeln. Die von der Vorinstanz angeführten Umstände waren nicht solcher Art. Die langsame Fahrweise war schon dadurch bedingt, dass Gefter von links in die Karl-Neuhausstrasse einbog und dabei zur allfälligen Gewährung des Rechtsvortritts die Geschwindigkeit herabzusetzen hatte. Die Tatsache, dass er nach dem Einbiegen nicht ganz rechts hielt, hätte für den nachfolgenden
BGE 103 IV 256 S. 260
Beschwerdeführer dann Anlass zu besonderer Zurückhaltung sein müssen, wenn Gefter in so weitem Abstand zum rechten Strassenrand gefahren wäre, dass die Möglichkeit eines Linksabbiegens nahegelegen hätte.
So verhielt es sich aber nicht, ist doch Gefter nach den Feststellungen der Vorinstanz, so wie sie zu verstehen sind, ungefähr in der Mitte der rechten Fahrbahnhälfte gefahren. Durch diese Fahrweise war die Gefahr eines Linksabbiegens nicht schon so unmittelbar in die Nähe gerückt, dass der Beschwerdeführer mit ihr hätte rechnen müssen (
BGE 97 IV 244
).
Der Beschwerdeführer hat daher weder Absatz 3 noch Absatz 2 des
Art. 35 SVG
verletzt.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird gutgeheissen, soweit auf sie einzutreten ist. Das Urteil der II. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Bern vom 5. Juli 1977 wird aufgehoben und die Sache zur Freisprechung des Beschwerdeführers an die Vorinstanz zurückgewiesen. | null | nan | de | 1,977 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
17a9e185-925c-4cda-a37d-60df1e7e60c4 | Urteilskopf
114 V 281
52. Urteil vom 29. November 1988 i.S. O. gegen Artisana Kranken- und Unfallversicherung und Versicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft | Regeste
Art. 12bis Abs. 1 KUVG
.
Bestand und Höhe des Krankengeldanspruchs im Rahmen der Schadenminderungspflicht. | Sachverhalt
ab Seite 281
BGE 114 V 281 S. 281
A.-
Antonio O. ist bei der Kranken- und Unfallkasse Artisana für ein tägliches Krankengeld von Fr. 75.-- versichert. Er leidet an fortgeschrittenen degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule bei Kleinwuchs und Kyphose, an einer Schultergelenksarthrose mit Periarthritis humero-scapularis beidseits und an multiplen funktionellen gastroenterologischen Beschwerden. Ab Februar 1983 war er deswegen in seinem Beruf als Bauarbeiter vollständig arbeitsunfähig und bezog ab diesem Zeitpunkt
BGE 114 V 281 S. 282
Krankengeld. Anfangs August 1983 teilte ihm die Kasse mit, die vertrauensärztliche Abklärung habe ergeben, dass er für eine körperlich leichte Tätigkeit vollständig arbeitsfähig sei. Das Krankengeld werde daher noch für eine Übergangszeit von vier Monaten gewährt und ab 2. Dezember 1983 eingestellt. Am 30. Januar 1984 erging die entsprechende Kassenverfügung, welche mit Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Basel-Landschaft vom 15. August 1984 für den Zeitraum vom 2. August 1983 bis 5. Juli 1984 geschützt wurde.
Mit Krankmeldung vom 6. Juli 1984 erhob Antonio O. erneut Anspruch auf Auszahlung von Krankengeld. Die Kasse lehnte das Begehren mit Verfügung vom 19. November 1984 ab.
B.-
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft mit Entscheid vom 8. Januar 1986 ab, wobei die Begründung im wesentlichen dahin lautete, dass Antonio O. zwar den Beruf eines Bauhandlangers aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben könne, doch für eine körperlich leichte Berufstätigkeit vollständig arbeitsfähig sei; ein Krankengeldanspruch sei deshalb nicht ausgewiesen.
C.-
Antonio O. lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Antrag, die Kasse sei zu verpflichten, ihm für die Zeit ab 6. Juli 1984 Krankengeld auszurichten.
Die Kasse und das Bundesamt für Sozialversicherung schliessen auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
Erwägungen
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
a) In der Krankengeldversicherung haben die Kassen bei vollständiger Arbeitsunfähigkeit ein tägliches Krankengeld von mindestens zwei Franken zu gewähren (
Art. 12bis Abs. 1 KUVG
). Das Krankengeld ist für eine oder mehrere Krankheiten während wenigstens 720 Tagen innerhalb von 900 aufeinanderfolgenden Tagen zu gewähren (
Art. 12bis Abs. 3 KUVG
).
b) Das Gesetz verpflichtet die Krankenkassen lediglich, bei vollständiger, nicht auch bei bloss teilweiser Arbeitsunfähigkeit ein Krankengeld zu gewähren. Der Versicherte kann daher aus
Art. 12bis Abs. 1 KUVG
keinen Anspruch auf Ausrichtung eines Krankengeldes bei teilweiser Arbeitsunfähigkeit ableiten (
BGE 101 V 144
,
BGE 97 V 129
; RSKV 1983 Nr. 533 S. 113). Die Kassen können jedoch in ihren Statuten vorsehen, dass ein Anspruch auf Krankengeld auch bei teilweiser Arbeitsunfähigkeit besteht.
BGE 114 V 281 S. 283
Gemäss Ziffer 4.9.1 des Reglements der Krankenkasse Artisana über die Kollektiv-Krankentaggeldversicherung wird das Taggeld bei einer Arbeitsunfähigkeit von mindestens 50% entsprechend dem Grad der ausgewiesenen Arbeitsunfähigkeit ausgerichtet.
c) Als arbeitsunfähig im Sinne von
Art. 12bis Abs. 1 KUVG
gilt eine Person, die infolge eines Gesundheitsschadens ihre bisherige Tätigkeit nicht mehr, nur noch beschränkt oder nur unter der Gefahr, ihren Gesundheitszustand zu verschlimmern, ausüben kann (
BGE 111 V 239
Erw. 1b; RSKV 1983 Nr. 553 S. 241 Erw. 1; MAURER, Schweizerisches Sozialversicherungsrecht, Bd. I, S. 286 ff.). Der Grad der Arbeitsunfähigkeit wird laut Rechtsprechung nach dem Masse bestimmt, in welchem der Versicherte aus gesundheitlichen Gründen an seinem angestammten Arbeitsplatz zumutbarerweise nicht mehr nutzbringend tätig sein kann. Nicht massgebend ist dagegen die bloss medizinisch-theoretische Schätzung der Arbeitsunfähigkeit (
BGE 111 V 239
Erw. 1b; RSKV 1983 Nr. 553 S. 241 Erw. 1, 1982 Nr. 482 S. 74, 1980 Nr. 426 S. 232).
d) Nach der Rechtsprechung ist der Grad der Arbeitsunfähigkeit unter Berücksichtigung des bisherigen Berufs festzusetzen, solange vom Versicherten vernünftigerweise nicht verlangt werden kann, seine restliche Arbeitsfähigkeit in einem andern Berufszweig zu verwerten. Der Versicherte, welcher seine restliche Arbeitsfähigkeit nicht verwertet, obgleich er hiezu unter Berücksichtigung der Arbeitsmarktlage und gegebenenfalls einer bestimmten Anpassungszeit in der Lage wäre, ist nach der beruflichen Tätigkeit zu beurteilen, die er bei gutem Willen ausüben könnte; das Fehlen des guten Willens ist nur dort entschuldbar, wo es auf einer Krankheit beruht (
BGE 111 V 239
Erw. 2a, 101 V 145 Erw. 2b; EVGE 1969 S. 128 Erw. 2c; RKUV 1987 Nr. K 720 S. 106 Erw. 2).
2.
a) Es steht fest, dass dem Beschwerdeführer die bisherige Arbeit als Bauhandlanger aus gesundheitlichen Gründen (Rücken- und Bauchleiden) für dauernd nicht mehr zugemutet werden kann. Ebenso darf aufgrund des Gutachtens Dr. med. F., Spezialarzt FMH für innere Medizin, vom 19. August 1983 als gesichert betrachtet werden, dass dem Beschwerdeführer ab 27. April 1983 in somatischer Hinsicht eine körperlich leichtere Arbeit noch in wesentlichem Umfange möglich ist. Für den psychischen Bereich diagnostizierte der Psychiater Dr. med. W. in seinem Gutachten vom 6. März 1984 eine depressiv-hypochondrische Entwicklung auf der Grundlage einer vorbestehenden Psychoneurose und bescheinigte im weiteren, dass dem Beschwerdeführer beim vorliegenden
BGE 114 V 281 S. 284
psychiatrischen Befund eine körperlich nicht belastende Arbeit zugemutet werden könne.
b) Die in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhobenen Einwendungen sind unbehelflich. Dr. W. hat das Bestehen der Arbeitsfähigkeit nicht primär unter therapeutischen Gesichtspunkten (Lösung der neurotischen Fixierung durch Leistungsverweigerung) bejaht. Dass der Beschwerdeführer im Rahmen der Behandlung im Bädersanatorium B. (Sommer 1984) seine hypochondrischen Tendenzen stärker als früher zum Ausdruck brachte, rechtfertigt nicht den Schluss, das psychische Leiden habe sich seit der Begutachtung durch Dr. W. wesentlich verschlechtert. Ferner hat der Rheumatologe Dr. med. T. in seinem Bericht vom 20. Oktober 1984 (somatisch bedingte) vollständige Arbeitsunfähigkeit nur mit Bezug auf den angestammten Beruf als Maurer attestiert. Die Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers für eine körperlich leichte Beschäftigung hat auch er - zumindest implizite - bejaht. Wohl hat er ernsthaft bezweifelt, ob der Beschwerdeführer je wieder ins Erwerbsleben zurückkehren würde. Mögen derartige Zweifel durchaus berechtigt erscheinen, so bleibt es doch bei der hier entscheidenden Tatsache, dass vom Beschwerdeführer aufgrund des vorliegenden psychiatrischen Gutachtens ohne Überforderung verlangt werden kann, den inneren Widerstand gegen die Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit zu überwinden.
Der medizinische Sachverhalt ist mit den vorliegenden Akten hinreichend geklärt, so dass von der vom Beschwerdeführer verlangten weiteren psychiatrischen Begutachtung abzusehen ist. Ebensowenig ist die beantragte Parteiverhandlung notwendig, damit das Gericht einen unmittelbaren Eindruck von der schwächlichen körperlichen Konstitution des Beschwerdeführers gewinnen könne.
c) Aus dem Gesagten folgt, dass der Beschwerdeführer für körperlich leichte Tätigkeit arbeitsfähig und ihm eine entsprechende berufliche Neueingliederung in gesundheitlicher Hinsicht möglich und zumutbar ist. Die Vorinstanz ist ohne nähere Begründung davon ausgegangen, dass diese Tatsache einen Krankengeldanspruch des Beschwerdeführers ohne weiteres ausschliesse. Die Kasse hat im wesentlichen darauf abgestellt, dass der Beschwerdeführer im Bereiche einer ihm zumutbaren neuen Berufstätigkeit vollständig arbeitsfähig sei, weshalb die reglementarische Anspruchsvoraussetzung vollständiger oder mindestens hälftiger Arbeitsunfähigkeit fehle. Der Einfluss eines im Rahmen zumutbarer Selbsteingliederung vorgenommenen Berufswechsels auf den
BGE 114 V 281 S. 285
Krankengeldanspruch bedarf grundsätzlicher Erörterung. Die Rechtsprechung des Eidg. Versicherungsgerichts hat dazu bisher noch keine Stellung genommen. Sie hielt lediglich fest, dass der Versicherte zur Verwertung der Restarbeitsfähigkeit nötigenfalls den Beruf zu wechseln habe und dass diesfalls der Krankengeldanspruch im Lichte der zumutbaren neuen beruflichen Verhältnisse zu beurteilen sei (siehe Erw. 1c hievor).
3.
a) Die Rechtsprechung leitet die Pflicht des Versicherten zur beruflichen Neueingliederung vom Gebot der Schadenminderung ab (
BGE 111 V 239
Erw. 2a); der Versicherte soll alles ihm Zumutbare unternehmen, um die erwerblichen Folgen seines Gesundheitsschadens bestmöglich zu mildern; denn die Krankenkasse soll nicht Schäden ausgleichen müssen, welche der Versicherte durch zumutbare geeignete Vorkehren vermeiden oder beheben könnte. Für die Beantwortung der oben gestellten Rechtsfrage ist daher vom Tatbestandselement des Schadens auszugehen.
b) Übersteigt das versicherte Krankengeld erwerbstätiger Kassenmitglieder das gesetzliche oder statutarische Minimum, so bezweckt die Krankengeldversicherung in der Regel, dem Versicherten ganz oder teilweise Ersatz für den Erwerbsausfall zu bieten, der infolge krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit im zuletzt ausgeübten Beruf entsteht; der Versicherte will für solche Einbussen ganz oder teilweise gedeckt sein, und dafür bietet die Kasse gegen angemessene Prämie Versicherungsschutz (
BGE 105 V 195
Erw. 1; RKUV 1986 Nr. K 688 S. 367 Erw. 2b; MAURER, Schweizerisches Sozialversicherungsrecht, Bd. II, S. 330; GREBER, Droit suisse de la sécurité sociale, S. 409; BONER/HOLZHERR, Die Krankenversicherung, Bern 1969, S. 52). Schaden bedeutet hier somit krankheitsbedingten Erwerbsausfall.
c) Ein Versicherter kann zu einer Schadenminderung grundsätzlich nur so weit verhalten werden, als sie sich in der Weise auf die Leistungen auswirken kann, dass dadurch ein laufender Anspruch ganz oder teilweise untergeht bzw. ein möglicher Anspruch entweder nicht entsteht oder herabgesetzt wird. Eine (mögliche) Verminderung des krankheitsbedingten Erwerbsausfalls durch berufliche Selbsteingliederung muss demnach geeignet sein, Bestand oder Umfang eines laufenden oder möglichen Krankengeldanspruchs zu beeinflussen. Im Falle des Beschwerdeführers ist daher zu prüfen, ob durch zumutbare Verwertung der Restarbeitsfähigkeit der massgebende Schaden so weit vermindert werden könnte, dass ein Krankengeldanspruch für die Zeit ab 6. Juli 1984 entfällt.
BGE 114 V 281 S. 286
In der Krankengeldversicherung wird der Leistungsanspruch durch das im Gesetz oder in den Statuten verlangte Mass an Arbeitsunfähigkeit des Versicherten im zuletzt ausgeübten Beruf ausgelöst und begründet. Arbeitsunfähigkeit bedeutet hier Einbusse an funktionellem Leistungsvermögen (siehe Erw. 1c hievor; vgl. auch
BGE 105 V 159
Erw. 2; RÜEDI, Die Bemessung der Arbeits- und Erwerbsunfähigkeit in der Sozialversicherung, in ZAK 1980 S. 158 Ziff. 9). Entsprechend enthält das KUVG keinen Hinweis, dass bei erwerbstätigen Versicherten ein bestimmter krankheitsbedingter Erwerbsausfall Anspruchsvoraussetzung sei (zu beachten ist jedoch die Überversicherungsordnung; RSKV 1982 Nr. 511 S. 256 Erw. 2a). Dennoch kann kein Zweifel daran sein, dass die nach
Art. 12bis Abs. 1 KUVG
anspruchsbegründende vollständige Arbeitsunfähigkeit erwerbstätiger Versicherter gleichbedeutend ist mit vollständigem krankheitsbedingtem Erwerbsausfall im bisher ausgeübten Beruf. In Analogie dazu ist weiter festzustellen, dass hälftige Arbeitsunfähigkeit, die im vorliegenden Fall reglementarisch Anspruch auf ein entsprechend reduziertes Krankengeld gibt, auf der Schadenseite in der Regel mit einer Verdiensteinbusse von 50% gleichzusetzen ist. Der Versicherte, der das Risiko des krankheitsbedingten Verdienstausfalls versichern will, geht ohne Zweifel von diesen Gleichungen aus, welche von den Kassen ebenfalls als selbstverständliche Gegebenheit angenommen werden. Die Deckung eines solchen Schadens in den Grenzen des versicherten Krankengeldes und der maximalen gesetzlichen oder statutarischen Bezugsberechtigungsdauer bildet daher die Leistungszusage, welche die Kasse einem Bewerber mit der Aufnahme in die Krankengeldversicherung abgibt und welche die Grundlage für die Bemessung und Erhebung der Prämien darstellt. Die Krankengeldversicherung erfüllt demzufolge ihre Schadenausgleichsfunktion nur dann, wenn aus ihr das versicherte Krankengeld in den genannten Grenzen und unter Vorbehalt des Überentschädigungsverbots so lange erbracht wird, als der oben umschriebene krankheitsbedingte Erwerbsausfall ausgewiesen ist. Ist unter dem Titel der Schadenminderungspflicht ein Berufswechsel geboten, so muss daher für den Krankengeldanspruch die Höhe des Restschadens massgebend sein. Dieser ist zu definieren als die Differenz zwischen dem, was der Versicherte ohne Krankheit in seinem bisherigen Beruf verdienen könnte, und dem Einkommen, das er zumutbarerweise im neuen Beruf erzielt oder erzielen könnte. Verbleibt ein krankheitsbedingter Erwerbsausfall bzw. Restschaden, der im
BGE 114 V 281 S. 287
bisherigen Beruf des Versicherten vollständiger oder mindestens hälftiger Arbeitsunfähigkeit entspräche, so ist die Kasse dafür grundsätzlich weiterhin entschädigungspflichtig.
d) Das bedeutet in der praktischen Anwendung, dass jede wirtschaftlich verwertbare Restarbeitsfähigkeit (
BGE 101 V 145
Erw. 2b; RSKV 1982 Nr. 483 S. 81 Erw. 1, 1979 Nr. 386 S. 251, 1978 Nr. 333 S. 174 Erw. 2c und Nr. 342 S. 226 Erw. 1) und damit jeder zumutbare Berufswechsel, der einkommensmässig bedeutsam ist, regelmässig einen Anspruch auf das volle versicherte Krankengeld ausschliesst. Gewährt indes eine Kasse statutarisch bei mindestens hälftiger Arbeitsunfähigkeit ein entsprechend herabgesetztes Krankengeld, so hat sie diese Leistung auszurichten, wenn der Versicherte mit der neuen Tätigkeit nicht mehr als die Hälfte des Verdienstes erzielt, der ohne gesundheitliche Beeinträchtigung im angestammten Berufe möglich wäre. Übersteigt jedoch der neue Verdienst die Hälfte des im bisherigen Beruf entgehenden Verdienstes, so entfällt ein Krankengeldanspruch. Kommt der Versicherte seiner Schadenminderungspflicht nicht nach, so hat er sich anrechnen zu lassen, was er zumutbarerweise verdienen könnte.
4.
a) Diese Lösung beruht auf dem Grundsatz der Gegenseitigkeit (
Art. 3 Abs. 3 KUVG
), welcher besagt, dass zwischen Beiträgen einerseits und den Versicherungsleistungen anderseits ein Gleichgewicht bestehen muss und dass allen Kassenmitgliedern unter den gleichen Voraussetzungen die gleichen Vorteile zu gewähren sind (
BGE 113 V 298
Erw. 2 mit Hinweisen). Der Standpunkt der Kasse, wonach der Krankengeldanspruch vom Grad der Arbeitsfähigkeit bzw. der funktionellen Leistungseinbusse im neuen Beruf abhängig gemacht wird, ist mit diesem Grundsatz nicht vereinbar. Es wäre bei statutarisch möglichem Teilkrankengeld offensichtlich unhaltbar, wenn ein Versicherter, der zwar in einer neuen beruflichen Tätigkeit trotz seines Gesundheitsschadens voll arbeitsfähig ist, jeglichen Leistungsanspruch verlöre, obwohl der verbleibende krankheitsbedingte Erwerbsausfall mindestens oder mehr als die Hälfte des früheren Verdienstes ausmachen würde und die Kasse zur Deckung eines solchen Schadens während der maximalen gesetzlichen oder statutarischen Bezugsberechtigungsperiode Prämien entgegengenommen hatte (siehe dazu auch DUC, Statut des invalides dans l'assurance-maladie d'une indemnité journalière, SZS 1987, S. 183). Ebenso fragwürdig wäre, wenn gleichzeitig ein anderer Versicherter mit dem gleichen
BGE 114 V 281 S. 288
krankheitsbedingten Erwerbsausfall, der jedoch nicht zu einem Berufswechsel verhalten werden könnte, einen statutarischen Krankengeldanspruch hätte. Das würde nicht nur eine stossende Diskriminierung des zur Schadenminderung verpflichteten Kassenmitglieds darstellen, sondern für die berufliche Eingliederung geradezu bestrafen.
b) Diese Konzeption weist Bezüge zur Invaliditätsbemessung gemäss
Art. 28 Abs. 2 IVG
auf. In diesem Zusammenhang hat das Eidg. Versicherungsgericht wiederholt erklärt, dass Arbeitsunfähigkeit im Sinne des KUVG nicht der rentenrechtlichen Invalidität nach
Art. 28 Abs. 2 IVG
entspreche, welche durch einen Vergleich zwischen dem Valideneinkommen einerseits und dem Invalideneinkommen anderseits bemessen wird (RKUV 1986 Nr. K 696 S. 427 Erw. 2b; RSKV 1979 Nr. 364 S. 83 und 1977 Nr. 301 S. 188; siehe auch
BGE 104 V 136
Erw. 2). Diese Rechtsprechung wird indes durch die oben gewählte Lösung nicht durchbrochen. Die hiebei vorzunehmenden Einkommensvergleiche bedeuten nicht, dass nunmehr die Erwerbsunfähigkeit der leistungsbegründende Faktor ist und der Anspruch nicht mehr von der Arbeitsunfähigkeit im angestammten Beruf abhängt. Wenn und solange ausgewiesen ist, dass ein Versicherter in seinem bisherigen Beruf in rechtserheblichem Masse arbeitsunfähig ist, was mit dem Eintritt einer rentenbegründenden Invalidität nicht wegfällt, besteht in den Grenzen der maximalen gesetzlichen oder statutarischen Bezugsberechtigungsdauer prinzipiell ein Krankengeldanspruch. Dieser kann allerdings aufgrund einer zumutbaren Schadenminderungspflicht nach dem oben Gesagten ganz oder teilweise untergehen. Der Miteinbezug erwerblicher Faktoren führt demzufolge nicht zur Begründung, sondern bloss zur Aufhebung von Krankengeldansprüchen. Im übrigen ist daran zu erinnern, dass der Eintritt einer rentenbegründenden Invalidität die Pflicht der Kassen zur Zahlung von Krankengeld praxisgemäss nicht beendet, sondern eine Kumulation beider Leistungen möglich ist (EVGE 1966 S. 193, 1968 S. 17, 1969 S. 127; RSKV 1978 Nr. 323 S. 106 Erw. 4). Die gegenteilige These (DUC, a.a.O., S. 179 ff.) hat das Eidg. Versicherungsgericht in EVGE 1966 S. 193 mit noch heute gültiger Begründung widerlegt, weshalb darauf nicht zurückzukommen ist.
5.
a) Der Beschwerdeführer wäre nach dem oben Gesagten trotz seiner gesundheitlichen Behinderung in der Lage, ganztags eine körperlich leichte Berufstätigkeit auszuüben. Damit liesse sich ohne weiteres ein Lohn erzielen, der einen Anspruch auf Gewährung
BGE 114 V 281 S. 289
des vollen versicherten Krankengeldes ausschliesst (siehe Erw. 3d hievor). Dagegen ist unwahrscheinlich, dass er ein Salär verdienen könnte, das mehr als die Hälfte dessen ausmacht, was er als Gesunder in seinem früheren Bauarbeiterberuf erzielen könnte. Aufgrund seiner geringen beruflichen Qualifikation und der intellektuellen Fähigkeiten kommen für ihn nur einfachste Hilfsarbeiten in Frage, die wenig Anforderungen an Geschicklichkeit und geistiges Leistungsvermögen sowie an Konzentrationsfähigkeit, Arbeitstempo und Sprachkenntnisse stellen. Die Entlöhnung des ausgeprägt schmächtigen und kleinwüchsigen Beschwerdeführers wird deshalb auch bei Ganztagesarbeit deutlich unter derjenigen eines ganzarbeitsfähigen Bauhandlangers liegen. Dazu kommt, dass sich die depressiv-hypochondrische Fehlentwicklung und die inadäquate Verarbeitung des orthopädischen und rheumatischen Leidens ohne Zweifel auch in einer körperlich leichten Tätigkeit leistungsvermindernd auswirken dürfte, was die Lohnaussichten ebenfalls schmälert. Aufgrund dieses Sachverhalts bezieht er denn auch seit 1. Februar 1984 eine halbe Invalidenrente auf der Grundlage einer Invalidität von 50%, was vom Versicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft mit Entscheid vom 10. September 1986 und vom Eidg. Versicherungsgericht mit Urteil vom heutigen Tag geschützt wurde. Erreicht der zumutbare Invalidenlohn des Beschwerdeführers nach dem Gesagten die Hälfte des krankheitsbedingten Erwerbsausfalls nicht, so hat er ab 6. Juli 1984 unter Vorbehalt des Überentschädigungsverbots Anspruch auf die Ausrichtung des halben versicherten Krankengeldes (siehe Erw. 3c hievor).
b) Zwar dürfte es für den Beschwerdeführer aufgrund der oben geschilderten geringen beruflichen und persönlichen Fähigkeiten nicht leicht sein, eine passende Stelle zu finden. Daraus kann hier indes kein Anspruch auf das ganze versicherte Krankengeld abgeleitet werden. Diesen Faktoren ist bei der Ermittlung des dem Beschwerdeführer zumutbaren Verdienstes Rechnung getragen worden, weshalb sie im Anschluss daran nicht noch einmal veranschlagt werden können, um das Bestehen eines Anspruchs auf das volle versicherte Krankengeld zu begründen (vgl. dazu
BGE 107 V 21
Erw. 2c). Grundsätzlich haben nicht die Krankenkassen das Risiko der schwierigen Vermittelbarkeit zu tragen. Dazu besteht jedoch die wichtige Ausnahme, dass sie dem zur Schadenminderung durch Berufswechsel verpflichteten Versicherten praxisgemäss eine gewisse Übergangsfrist zur Stellensuche und zur Anpassung
BGE 114 V 281 S. 290
an die veränderten Verhältnisse einzuräumen haben. In den bisher beurteilten Fällen hat das Eidg. Versicherungsgericht eine Frist von drei bis fünf Monaten als angemessen betrachtet (
BGE 111 V 239
Erw. 2a mit Hinweisen; RKUV 1987 Nr. K 720 S. 108). Ob ein solcher Zeitraum auch Fällen schwieriger Vermittelbarkeit gerecht zu werden vermöchte, kann hier offenbleiben, weil dem Beschwerdeführer für die Stellensuche nahezu ein ganzes Jahr (August 1983 bis Juli 1984) zur Verfügung stand, was bei gutem Willen sicher ausreichend war.
c) Die Sache geht an die Kasse zurück, damit sie die dem Beschwerdeführer für die Zeit ab 6. Juli 1984 zustehenden Krankengelder unter Berücksichtigung einer allfälligen Überversicherung festlege und ausrichte. | null | nan | de | 1,988 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
17acf5ed-0811-4c1e-ad91-985c88a6288a | Urteilskopf
99 Ia 705
81. Arrêt du 28 novembre 1973 dans la cause Granges et Valloton contre Commission de recours en matière fiscale du canton du Valais. | Regeste
Kantonales Steuerrecht. Grundstückgewinnsteuer.
Art. 4 BV
.
Wenn Miteigentümer (hier in Ausübung ihres Vorkaufsrechtes) den Anteil eines andern Miteigentümers erwerben und dann einen Teil davon an Dritte veräussern, darf dieser zweite Vorgang ohne Willkür in Anrechnung des mittleren Selbstkostenpreises des abgetretenen Teiles besteuert werden. | Sachverhalt
ab Seite 705
BGE 99 Ia 705 S. 705
A.-
Joseph Granges, André Valloton et Etienne Arlettaz ont acquis le 8 avril 1961 pour le prix global de 95 000 fr. deux parcelles aux Mayens-de-Riddes, chacun d'eux en devenant copropriétaire à raison d'un tiers.
Le 14 mars 1969, Arlettaz avisait Granges et Valloton qu'il avait vendu sa part des immeubles, soit le tiers en copropriété, à des tiers, Remondeulaz, Carron et Varone, pour le prix de 55 fr. le m2, soit, la superficie totale des deux parcelles étant de 3099,33 m2, pour la somme totale de 170 463 fr. 15.
Exerçant leur droit légal de préemption, Joseph Granges et André Valloton ont, par acte du 31 mars 1969, acquis aux mêmes conditions la part d'Arlettaz à parts égales entre eux, soit à raison d'une moitié pour chacun.
BGE 99 Ia 705 S. 706
Par acte du 13 juin 1969, ils ont vendu à Evariste Granges une part de copropriété de 9/120, à Laurent Valloton une part de 9/120 également et à Paul-Louis Rouiller une part de 4/120 des mêmes parcelles. Le prix de vente de chaque part a été fixé proportionnellement au prix payé à Arlettaz selon l'acte du 31 mars 1969, plus les frais d'acte. Le coût total de cette opération s'étant élevé à 174 213 fr., pour la copropriété du tiers, le prix a été fixé à 39 198 fr. pour Evariste Granges (9/120), à 39 198 fr. également pour Laurent Valloton (9/120) et à 17 421 fr. pour Rouiller (4/120), ce qui représente un total de 95 817 fr., soit 22/40 du prix payé à Arlettaz plus les frais d'acte, les parts de copropriété des acquéreurs représentant au total 22/120 de l'ensemble.
B.-
Le 27 novembre 1969, le Service cantonal des contributions du canton du Valais a notifié à "Joseph Granges et consorts" un bordereau d'impôt sur les gains immobiliers, fixant l'impôt dû à 10 211 fr. Ce bordereau est basé sur un prix d'achat reconstitué de 42 863 fr. plus des frais d'acte en 857 fr., soit sur un prix total de 43 720 fr., ce qui, par rapport au prix de vente de 95 817 fr., laisse un gain imposable de 52 097 fr. Le taux de l'impôt est fixé à 28%, mais une réduction de 30% pour durée de possession de 5-6 ans est apportée au montant ainsi obtenu.
C.-
Joseph Granges et André Valloton ont formé contre ce bordereau une réclamation, qui a été rejetée par l'administration le 14 août 1970. Ils ont soumis le litige à la Commission cantonale de recours en matière fiscale, qui, par décision du 15 décembre 1972, a écarté le recours.
D.-
Agissant par le moyen du recours de droit public, Joseph Granges et André Valloton concluent à l'annulation de cette décision.
E.-
La Commission cantonale de recours et le Service cantonal des contributions concluent au rejet du recours.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
La loi valaisanne des finances du 6 février 1960 (ci-après: la loi des finances) réglemente dans ses
art. 145 à 149
la perception de l'impôt sur les gains immobiliers. Selon l'art. 145, cet impôt a pour objet le bénéfice net provenant de l'aliénation d'immeubles ou d'une partie de ceux-ci. Selon l'art. 147, "le gain immobilier est constitué par la différence entre le produit de l'aliénation et le prix d'acquisition augmenté des impenses qui
BGE 99 Ia 705 S. 707
n'ont pas déjà été portées en déduction des revenus annuels de l'immeuble". L'art. 148 fixe le taux de l'impôt (ce taux étant de 28% pour les gains de 50 001 à 60 000 fr.) et la réduction apportée à ces taux selon la durée de possession de l'immeuble (le taux étant réduit de 30% pour une durée de 5 à 6 ans).
L'impôt sur les gains immobiliers fait d'autre part l'objet des
art. 29 à 32
du règlement d'application de la loi des finances, du 14 octobre 1960 (ci-après: le règlement d'application). Selon l'art. 29 de ce règlement, le bénéfice global par aliénation constitue l'objet de l'impôt, quels que soient la forme sous laquelle s'exerçait la possession du ou des immeubles aliénés et le nombre de bénéficiaires. S'il y en a plusieurs, ceux-ci sont solidairement responsables entre eux du paiement de l'impôt. Selon l'art. 31, lorsque la durée de possession de parcelles cédées au cours d'une même aliénation varie d'une parcelle à l'autre, l'on détermine le nombre moyen d'années de possession de toutes les parcelles en tenant compte pour chacune d'elles de sa valeur et du nombre d'années de possession. Ces prescriptions valent aussi pour la copropriété.
2.
C'est en application de ces dispositions légales que l'administration fiscale a procédé à l'imposition du bénéfice. Les recourants ne prétendent pas que ces dispositions soient en ellesmêmes contraires à la constitution, mais ils affirment que l'application que la Commission cantonale de recours a faite de ces dispositions est arbitraire, car ils n'auraient pas réalisé de bénéfice.
a) La Commission cantonale de recours se fonde sur le fait que les recourants ont procédé à deux opérations successives. Tout d'abord, ils ont acquis le tiers en copropriété, puis ils ont vendu des parts de copropriété, à raison de 22/120, aux trois acquéreurs. Il s'agit de deux transferts de propriété indépendants l'un de l'autre. La Commission relève dans sa réponse au recours que les recourants n'ont pas revendu au même prix le tiers acheté ni une partie de ce tiers. Cette partie n'a pas été détachée de l'ancienne, puisque les acheteurs sont devenus pour leur part copropriétaires de l'ensemble avec J. Granges et A. Valloton. Il est, d'après la Commission, faux de prétendre que la vente a été faite au "prix coûtant". Le prix a été fixé sur la base du prix du jour, c'est-à-dire en tenant compte du prix qui était payé au moment de cette transaction. Mais pour déterminer le prix de revient, il faut tenir compte des deux achats, c'est-à-dire du prix
BGE 99 Ia 705 S. 708
de revient de l'ensemble, dont une partie avait été achetée par les vendeurs en 1961 et l'autre en 1969. D'après elle, il ne s'agit pas d'un bénéfice fictif, mais bien d'un bénéfice correspondant actuellement à la réalité. Le problème pourra peut-être se poser autrement lors d'une éventuelle vente de la totalité, mais ce problème n'est pas en question actuellement.
b) Les recourants, quant à eux, soutiennent que la décision attaquée est arbitraire, parce qu'elle impose un gain fictif, qui est inexistant au point de vue économique. Ils n'ont rien gagné dans l'opération et se verraient imposer sur un prétendu bénéfice, alors qu'ils ne se sont nullement enrichis. Ils ont retransféré des parts de propriété au prix auquel ils les avaient payées et l'opération faite par eux est une "opération blanche". La décision a ainsi interprété d'une manière insoutenable l'art. 145 de la loi des finances.
c) En achetant la copropriété du tiers qui appartenait auparavant à Arlettaz, les recourants sont devenus seuls propriétaires des parcelles en copropriété, pour la moitié chacun. Conformément à l'art. 646 CC, la chose n'a pas été matériellement divisée; chacun des copropriétaires en a la propriété pour sa quote-part, qui est une quote-part purement idéale; il s'agit d'un condominium pro indiviso, qui ne se traduit pas par une division en nature (cf. MEIER-HAYOZ, Sachenrecht, n. 2 ss. ad art. 646). Ainsi, la quote-part d'Arlettaz s'est fondue dans l'ensemble et n'existe plus comme telle. Lorsque les deux copropriétaires ont procédé à la vente de quotes-parts représentant 22/120 du tout, ils n'ont pas mis juridiquement en vente une partie de la quote-part d'Arlettaz, mais des quotes-parts de l'ensemble.
L'art. 31 du règlement d'application précise d'une part que, lorsque la durée de possession de parcelles cédées au cours d'une même aliénation varie d'une parcelle à l'autre, le nombre moyen d'années de possession est déterminé en tenant compte de la valeur et du nombre d'années de possession de chacune d'elles, et il spécifie d'autre part que le même principe s'applique à la copropriété. C'est sur la base de cette disposition réglementaire, dont la constitutionnalité ni la légalité ne sont discutées, que l'administration fiscale, puis la Commission cantonale de recours ont fixé le montant de l'impôt. Certes, les recourants n'ont pas encaissé une somme supérieure à celle qu'ils ont déboursée, mais le fait qu'ils ont payé 170 000 fr. environ pour une quote-part du tiers, alors qu'en 1961 le prix total des deux
BGE 99 Ia 705 S. 709
parcelles n'était que de 95 000 fr., permet de présumer que leur terrain a subi une importante plus-value. En tenant compte du prix moyen d'acquisition de leurs parts, ils ont vendu les quotesparts de 22/120 à un prix supérieur à ce prix moyen. Si, par la suite, les copropriétaires décident de vendre leurs parcelles dans leur intégralité, l'impôt éventuel sur les gains immobiliers sera calculé compte tenu de l'aliénation effectuée en 1972 et de l'impôt déjà payé à ce titre.
Du point de vue juridique, l'argumentation de la Commission de recours apparaît ainsi inattaquable.
3.
a) Les recourants soutiennent cependant que, du point de vue économique, ils n'ont réalisé aucun bénéfice. Arlettaz les a informés de la vente qu'il avait faite de sa part. Ne désirant pas se trouver en copropriété avec des tiers qui n'avaient pas leur agrément, ils ont exercé leur droit légal de préemption et ont été dès lors obligés d'acheter la part d'Arlettaz au prix que lui-même avait fixé dans l'acte de vente passé avec ces tiers,de 55 fr. le m2, alors que l'acquisition primitive, en 1961, avait été faite au prix de 10 fr. environ le m2. Ils ont vendu ensuite des quotes-parts correspondant à un peu plus de la moitié de la part d'Arlettaz à un prix proportionnel à celui qu'ils avaient eux-mêmes payé en exerçant leur droit de préemption. Ils n'ont dès lors rien gagné dans l'opération et il serait arbitraire de les imposer sur un bénéfice qui n'est que fictif.
b) Ainsi que le relève le Service cantonal des contributions, l'impôt sur les gains immobiliers est un impôt de caractère réel (Objektsteuer) qui frappe une transaction. La personne du ou des bénéficiaires et les motifs pour lesquels l'opération a été effectuée ne jouent en principe pas de rôle pour l'assujettissement à un tel impôt (cf. BLUMENSTEIN, System des Steuerrechts, 2e éd., p. 100; H. GUHL, Die Spezialbesteuerung der Grundstückgewinne in der Schweiz, thèse Zurich 1953, p. 68 et 270/271; STOFFEL, Die Liegenschaftsgewinnsteuer im Kanton Wallis, thèse Fribourg 1971, p. 31). Le fisc n'a normalement pas à se préoccuper des circonstances spéciales du cas lorsque les conditions légales du prélèvement de l'impôt se trouvent remplies. Les exceptions à l'assujettissement ne résultent que de dispositions spéciales de la loi, ce qui n'est pas le cas en l'espèce (cf. ROCHAT, L'imposition de la plus-value immobilière en Suisse, thèse Lausanne 1953, p. 64).
c) La jurisprudence a admis d'une manière constante que la
BGE 99 Ia 705 S. 710
forme juridique des relations d'où provient la matière imposable n'est pas nécessairement décisive du point de vue fiscal et que, sous certaines conditions, l'autorité peut se fonder au contraire sur la réalité économique (RO 96 I 118, 93 I 691). C'est notamment le cas lorsque la forme juridique adoptée ne répond pas aux circonstances de fait et que l'essence d'un rapport juridique diffère de la forme extérieure qui a été adoptée (RO 46 I 184), de telle sorte qu'il ne se justifierait pas pour le fisc de se référer uniquement à cette forme extérieure. C'est là une faculté qui a été reconnue au fisc dans des cas où l'imposition selon la forme juridique extérieure permettrait au contribuable de ne pas payer le montant de l'impôt qu'il eût été appelé à payer s'il avait choisi une forme juridique plus conforme à la réalité économique (cf. arrêt S.I. Les Alpes du 21 juin 1972).
A l'inverse, l'opinion dominante admet que lorsque le contenu économique d'un acte ne correspond pas à sa forme extérieure, le contribuable ne doit pas se voir appliquer la loi fiscale sur la base de cette forme extérieure, s'il a été obligé de choisir cette forme juridique pour des raisons spéciales, indépendantes de ses intérêts fiscaux (BLUMENSTEIN, op.cit., p. 22; Gegenseitige Beziehungen zwischen Zivilrecht und Steuerrecht, ZSR 1933, p. 253 a; Die Auslegung der Steuergesetze in der schweizerischen Rechtsprechung, Archives, t. 8 p. 191; PLATTNER, Grundsätzliche Gesichtpunkte für die Fortentwicklung des Steuerrechts, ZSR 1945, p. 116 a; GIACOMETTI, Allgemeine Lehren, p. 129; STORCK, Auslegungsprobleme im Steuerrecht, p. 53; HOFSTETTER, Die wirtschaftliche Betrachtungsweise bei den eidgenössischen Stempelabgaben, thèse Zurich 1952, p. 57; MEIER-HAYOZ, Einleitung, n. 55 ad art. 1er, Sachenrecht, n. 6 c ad art. 656; contra: STUDER, Grundsätzliche Aspekte der sog. wirtschaftlichen Betrachtungsweise, Archives, t. 29, p. 44).
Le Tribunal fédéral, de son côté, a statué qu'"un droit du contribuable d'invoquer la réalité économique ne pourrait se concevoir que dans l'hypothèse où le fisc, après avoir fait abstraction de l'existence juridique d'une personne morale et refusé de considérer celle-ci comme un sujet fiscal distinct, ne tirerait pas, dans le cadre de la même imposition, les conséquences logiques de cette attitude" (arrêt du 28 juin 1946, Archives, t. 15, p. 234), hypothèse qui n'est pas réalisée en l'espèce. Mais il admet aussi qu'il peut y avoir des cas exceptionnels où l'application du seul critère de la forme juridique sans égard à la réalité
BGE 99 Ia 705 S. 711
économique entraîne un résultat absolument insoutenable. C'est ainsi que le Tribunal fédéral a statué que le fisc ne pouvait sans arbitraire se baser sur le texte des statuts d'une société coopérative pour déterminer le montant des frais de production, alors que le texte de ces statuts n'avait pas été choisi librement par la société, mais résultait d'obligations de droit public (RO 45 I 23 ss.; cf. aussi RO 53 I 193/4).
d) Il n'est pas nécessaire en l'espèce de décider si une pratique s'écartant de l'opinion dominante exposée cl-dessus serait arbitraire, car on ne saurait affirmer que les recourants ont été contraints de procéder comme ils l'ont fait. Sans doute ont-ils été placés par le comportement d'Arlettaz devant une alternative: exercer leur droit de préemption légal ou y renoncer et se trouver en copropriété avec des tiers n'ayant pas leur agrément. Mais ils en avaient assumé le risque en acquérant les parcelles en copropriété. Ils ne sauraient prétendre avoir les avantages de ce régime, et en particulier le droit de préemption légal, sans les inconvénients. Et s'il eût sans doute été avantageux pour eux de procéder en un seul temps, Evariste Granges, Laurent Valloton et Paul-Louis Rouiller acquérant leur part directement d'Arlettaz, ils n'avaient aucun droit d'exiger de ce dernier qu'il agît ainsi. C'est donc en raison des particularités de la situation juridique dans laquelle ils s'étaient eux-mêmes placés, et non pas pour des motifs étrangers à leur volonté, qu'ils ont dû procéder comme ils l'ont fait.
Au reste, si, en elle-même, la double opération à laquelle les recourants ont procédé ne les a pas enrichis, elle a révélé une plus-value qu'ils ne songent pas à contester. Or il n'est pas arbitraire en soi de frapper d'un impôt une plus-value immobilière (RO 89 I 364). Sans doute la loi cantonale ne prévoit-elle pas l'impôt sur la plus-value comme tel. Mais le cas des recourants n'est pas le seul où un impôt ayant ce caractère est dû de par la loi. Ainsi, l'échange est considéré comme aliénation (art. 145 al. 2 de la loi des finances) et chacun des copermutants est imposé séparément pour le gain réalisé sur la parcelle qu'il a échangée avec l'autre, le prix de vente ou produit de l'aliénation étant déterminé par estimation (art. 30 du règlement d'application). En cas d'échange de parcelles de valeurs égales, les copermutants sont ainsi imposés, quand bien même ils ne réalisent pas un bénéfice (cf. STOFFEL, op.cit., p. 56 ss.). De même, le transfert de la fortune privée dans la fortune commerciale est imposé
BGE 99 Ia 705 S. 712
(art. 145 al. 2 de la loi), bien qu'il ne constitue pas une aliénation et ne procure pas de bénéfice. Enfin, si les recourants avaient commencé par céder une partie de leur propre part aux nouveaux copropriétaires et n'avaient acquis qu'ensuite la part d'Arlettaz, ils se trouveraient dans la même situation économique qu'aujourd'hui et n'auraient aucun motif de contester l'imposition du bénéfice réalisé sur la première opération.
L'imposition d'une plus-value n'étant pas en soi contraire à la constitution fédérale et n'étant pas non plus insoutenable au regard du système de la loi cantonale, le recours doit être rejeté.
e) On peut relever enfin que le mode de procéder proposé par les recourants entraînerait des difficultés d'application considérables. En cas de nouvelles cessions de parts de copropriété, il faudrait chaque fois déterminer la provenance de la part cédée, et on ne voit pas sur quelle base on le ferait. Le mode de procéder du fisc cantonal, juridiquement inattaquable, est aussi, du point de vue économique, le plus logique et le plus propre à assurer l'égalité de traitement entre contribuables.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral:
Rejette le recours. | public_law | nan | fr | 1,973 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
17af2b39-5f7a-453d-b07e-ec1bee86ffc5 | Urteilskopf
141 III 539
70. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. und Lloyd's Underwriters, London (subscribing to Policy No. x) gegen B. Ltd. und vice versa (Beschwerde in Zivilsachen)
4A_116/2015 / 4A_118/2015 vom 9. November 2015 | Regeste
Art. 53 Abs. 1 und
Art. 71 Abs. 1 VVG
; Ersatzpflicht bei Doppelversicherung.
Berechnung der Ersatzpflicht bei Doppelversicherung; Grundsätze (E. 5). | Sachverhalt
ab Seite 539
A.
Die E. AG bzw. deren Rechtsvorgängerin schloss am 28. Juni 1999 mit der G. einen "Construction Contract" über den Bau eines Kraftwerks ab. Darin verpflichtete sich die E. AG bzw. deren Rechtsvorgängerin u.a. zur Lieferung und Montage von vier grossen Einheiten von Kombi-Turbogeneratoren. Bei einem Testlauf im Anschluss an Garantiearbeiten wurde am 23. März 2003 eine Gasturbine der Einheit 3 durch einen in der Maschine liegen gebliebenen Gegenstand beschädigt. Der E. AG entstand dadurch ein Schaden von USD 6'968'095.-.
Die Arbeiten am Kraftwerk bildeten Gegenstand mehrerer Versicherungen. Relevant sind folgende Versicherungspolicen: Einerseits die A.H.-Police der A. (Klägerin 1) und die Lloyd's H.-Police der Lloyd's Underwriters, London (subscribing to Policy No. x; Kläger 2), zusammen als H.-Policen bezeichnet, andererseits die B.-Police der B. Ltd. (Beklagte).
Die A. und die Lloyd's Underwriters, London, leisteten der E. AG zusammen insgesamt USD 4'968'095.-. Die B. Ltd. leistete keine
BGE 141 III 539 S. 540
Zahlung. Mit Abtretungsvertrag vom 21. Dezember 2005 trat die E. AG sämtliche Rechte, Forderungen, Vorteile und Ansprüche, welche ihrgegen die B. Ltd. zustanden, an die A. und die Lloyd's Underwriters, London, ab.
B.
Am 23. März 2012 reichten die A. und die Lloyd's Underwriters, London, beim Handelsgericht des Kantons Zürich Klage ein. Sie beantragten, die B. Ltd. sei zu verpflichten, der Klägerin 1 Fr. 3'216'715.63 nebst Zins und den Klägern 2 Fr. 1'072'238.20 nebst Zins zu zahlen. Die Beklagte erhob Widerklage und beantragte, die Kläger seien solidarisch zur Zahlung von USD 174'045.40 nebst Zins zu verpflichten.
Mit Urteil vom 12. Januar 2015 trat das Handelsgericht des Kantons Zürich auf die Klage der Lloyd's Underwriters, London, nicht ein (Dispositiv-Ziff. 1 Beschluss). Die Klage der A. hiess es teilweise gut und verpflichtete die B. Ltd. zur Zahlung von Fr. 2'103'300.- nebst Zins (Dispositiv-Ziff. 1 Urteil). Im darüber hinausgehenden Umfang wies das Handelsgericht die Klage ab. Die Widerklage der B. Ltd. wies es vollumfänglich ab (Dispositiv-Ziff. 2 Urteil). Das Handelsgericht kam zum Schluss, es liege eine Doppelversicherung nach Art. 53 des Bundesgesetzes vom 2. April 1908 über den Versicherungsvertrag (VVG; SR 221.229.1) vor. Die Ersatzpflicht der Versicherer richte sich folglich nach
Art. 71 Abs. 1 VVG
. Diese Bestimmung sei aber auf Sach- und nicht auf Vermögensversicherungen zugeschnitten. Da sowohl die H.-Policen als auch die B.-Police als Vermögensversicherungen zu qualifizieren seien, richte sich die Ersatzpflicht entgegen dem Wortlaut von
Art. 71 Abs. 1 VVG
nicht nach dem Verhältnis der einzelnen Versicherungssummen zum Gesamtbetrag der Versicherungssummen. Vielmehr hafte jede Versicherung im Umfang, in dem ihre Leistung - die sie ohne weitere Versicherer zu erbringen hätte - zur Gesamtsumme der Leistungen sämtlicher Vermögensversicherer stehe.
C.
Dieses Urteil fechten beide Parteien mit Beschwerde in Zivilsachen beim Bundesgericht an.
Die Kläger A. und Lloyd's Underwriters, London (Verfahren 4A_116/2015) beantragen, das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Zürich sei insoweit aufzuheben, als damit auf die Klage der Lloyd's Underwriters, London, nicht eingetreten und die Klage der A. (lediglich) teilweise gutgeheissen worden sei. Die Sache sei zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
BGE 141 III 539 S. 541
Die Beklagte B. Ltd. (Verfahren 4A_118/2015) beantragt, Dispositiv-Ziff. 1 des Urteils des Handelsgerichts des Kantons Zürich sei insoweit aufzuheben, als damit die Klage der A. teilweise gutgeheissen worden sei. Die Klage sei vollumfänglich abzuweisen, eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Das Bundesgericht vereinigt die beiden Verfahren und weist die Beschwerde der Kläger ab. Die Beschwerde der Beklagten heisst es teilweise gut und hebt Dispositiv-Ziffern 1, 4, 6 und 7 des Urteils des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 12. Januar 2015 auf. Das Bundesgericht weist die Sache zur Ergänzung des Sachverhalts und neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurück.
(Zusammenfassung)
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
5.
Die Beklagte rügt, die Vorinstanz habe zu Unrecht einen Anspruch der Klägerin 1 bejaht. Erstens sei die Vorinstanz bei der anteilsmässigen Aufteilung der Ersatzpflicht fälschlicherweise von Vermögens- statt von Sachversicherungen ausgegangen und habe gestützt auf diese Qualifikation die Leistungspflicht nach
Art. 71 Abs. 1 VVG
falsch berechnet. Zweitens liege entgegen der Ansicht der Vorinstanz keine gültige Abtretung durch die E. AG an die Kläger vor.
5.1
Wird dasselbe Interesse gegen dieselbe Gefahr und für dieselbe Zeit bei mehr als einem Versicherer dergestalt versichert, dass die Versicherungssummen zusammen den Versicherungswert übersteigen, liegt nach
Art. 53 Abs. 1 VVG
eine Doppelversicherung vor. Bei einer solchen Doppelversicherung haftet jeder Versicherer für den Schaden in dem Verhältnis, in dem seine Versicherungssumme zum Gesamtbetrag der Versicherungssummen steht (
Art. 71 Abs. 1 VVG
).
5.2
Versicherungsnehmerin der A.H.-Police ist G. Versichert sind nebst G. weitere beteiligte Unternehmer; insbesondere ist in der Police auch die Rechtsvorgängerin der E. AG aufgeführt. Gegenstand der Versicherung ist ein Bauprojekt auf dem Grundstück der G., namentlich der Bau eines Kraftwerks und angegliederter Nebenbetriebe. Die Klägerin 1 hat ihre Versicherungsleistung gestützt auf Sektion 1 der A.H.-Police erbracht. Gemäss der Sektion 1 versichert die Klägerin 1 die Versicherten gegen alle Gefahren von Verlust und Beschädigung des versicherten Besitzes, unter Vorbehalt definierter Haftungsausschlüsse. Versichert sind die Arbeiten am Kraftwerk
BGE 141 III 539 S. 542
sowie alle Materialien oder Sachen der Versicherten, die zum Bau notwendig sind. Sektion 1 der A.H.-Police weist nach Ansicht der Vorinstanz alle Merkmale einer Bauwesenversicherung auf. Die Versicherungssumme für die Sektionen 1 bis 3 beträgt 479 Mio USD. Die Lloyd's H.-Police entspricht hinsichtlich der Vertragsbedingungen der A.H.-Police.
Die Rechtsvorgängerin der E. AG war auch durch die B.-Police versichert. Es handelt sich dabei um eine Rahmenversicherung für Schäden an bestimmten Maschinen. Versichert sind namentlich die Gasturbinen der Einheiten 3 und 4. Dabei sind nicht die Arbeiten zur ursprünglichen Erstellung der Maschine versichert, sondern die Garantiearbeiten an einem bestimmten Maschinenteil. Die Versicherungssumme beträgt pro Gasturbine 6 Mio. Fr. Die B.-Police weist nach Ansicht der Vorinstanz alle Merkmale einer Montageversicherung auf.
5.3
Die Vorinstanz kam zum Schluss, es liege eine Doppelversicherung vor, womit sich die Leistungspflicht der Parteien nach
Art. 71 Abs. 1 VVG
bestimme. Diese Bestimmung sei jedoch auf Sachversicherungen zugeschnitten. Bei Vermögensversicherungen fehle es nach in der Lehre vertretener Ansicht an einem Konnex zwischen der Versicherungssumme und dem Versicherungswert, weshalb die Höhe der Versicherungssumme oft von Zufälligkeiten abhänge. Bei der Ermittlung der Entschädigung könne daher nicht auf die Versicherungssumme abgestellt werden. Vielmehr sei die Höhe der Entschädigung massgeblich, die jeder Versicherer zu erbringen hätte, wenn neben ihm kein weiterer Versicherer leistungspflichtig wäre. Der einzelne Versicherer habe in dem Umfang zu leisten, in dem seine Leistung zur Gesamtsumme der Leistungen sämtlicher Vermögensversicherer stehe.
Ob eine Sach- oder eine Vermögensversicherung vorliege, richte sich nach dem Gegenstand der Versicherung. Gegenstand der Schadensversicherung könne nach
Art. 48 VVG
jedes wirtschaftliche Interesse sein, das jemand am Ausbleiben eines befürchteten Ereignisses habe. In der Lehre sei umstritten, wie dieses Interesse zu definieren sei. Die Gegenstandslehre oder sachenrechtliche Lehre knüpfe am sachenrechtlichen Eigentum am zu versichernden Gegenstand an. Die Interessenlehre verstehe als vertragsrelevantes Interesse demgegenüber die Beziehung einer Person zu einem Objekt, kraft welcher die Person durch Tatsachen, welche dieses Objekt betreffen würden,
BGE 141 III 539 S. 543
einen Schaden erleiden könne. Der überwiegenden schweizerischen Lehre folgend sei auf die sachenrechtliche Lehre abzustellen.
In der entscheidenden Sektion 1 der A.H.-Police werde die E. AG insbesondere vor Schäden geschützt, die durch Beschädigung des Kraftwerks entstünden. Im Falle einer solchen Beschädigung werde die E. AG aber nicht unmittelbar durch die Beschädigung des Kraftwerks geschädigt. Dieser Schaden treffe vielmehr G. als Eigentümerin der Anlage. Geschützt werde die E. AG vielmehr davor, dass sich die Beschädigung der Maschine auf ihr Vermögen auswirke, indem sie ihren vertraglichen Verpflichtungen aus dem Werkvertrag nicht nachkommen könne und gezwungen sei, Mittel in die Reparatur der Maschine zu investieren. In Bezug auf E. AG sei daher das Vermögen Gegenstand von Sektion 1 der A.H.-Police. Bei den H.-Policen der Kläger handle es sich mithin um Vermögensversicherungen. Auch die B.-Police sei aus den gleichen Gründen als Vermögensversicherung zu qualifizieren. Die Beklagte hafte daher nicht im Verhältnis, in dem ihre Versicherungssumme zum Gesamtbetrag der Versicherungssummen stehe (Wortlaut von
Art. 71 Abs. 1 VVG
), sondern im Umfang, in dem ihre Leistung - die sie ohne weitere Versicherer zu erbringen hätte - zur Gesamtsumme der Leistungen sämtlicher Vermögensversicherer stehe.
5.4
Dagegen bringt die Beklagte vor, sowohl die H.-Policen als auch die B.-Police seien als Sachversicherungen zu qualifizieren. Die Vorinstanz selbst habe die H.-Policen als Bauwesenversicherungen qualifiziert und die Bauwesenversicherung als Sachversicherung bezeichnet. Entgegen der Ansicht der Vorinstanz sei für die Abgrenzung von Sach- und Vermögensversicherungen nicht auf die sachenrechtliche Lehre, sondern auf die Interessenlehre abzustellen. Selbst wenn von Vermögensversicherungen ausgegangen werde, habe die Vorinstanz die Aufteilung der Ersatzpflicht nach
Art. 71 VVG
nicht bundesrechtskonform vorgenommen. Die Lehrmeinung, wonach anstatt auf die Versicherungssumme auf die Leistungssumme abzustellen sei, entspreche nicht geltender Praxis und widerspreche dem klaren Gesetzeswortlaut. Entscheidend für die Ersatzpflicht der Beklagten sei somit das Verhältnis ihrer Versicherungssumme zum Gesamtbetrag der Versicherungssummen.
5.5
In der Lehre wird vorgebracht, die Regelung der Aufteilung der Leistungspflicht nach
Art. 71 Abs. 1 VVG
sei auf die Sachversicherung zugeschnitten (STEPHAN FUHRER, Schweizerisches Privatversicherungsrecht, 2011, N. 12.16; ALFRED MAURER, Schweizerisches
BGE 141 III 539 S. 544
Privatversicherungsrecht, 3. Aufl. 1995, S. 408). Bei Vermögensversicherungen führe die Anwendung dieser Bestimmung zu willkürlichen Ergebnissen (FUHRER, a.a.O., N. 12.16). Denn in der Vermögensversicherung - namentlich der Haftpflichtversicherung - fehle eine Beziehung zwischen der vereinbarten Versicherungssumme und einem die Schadenhöhe begrenzenden Sachwert (oder: Versicherungswert); würden keine Sachen versichert, fehle ein Sachwert (CHRISTIAN BOLL, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über den Versicherungsvertrag [VVG], 2001, N. 10 zu
Art. 71 VVG
; MAURER, a.a.O., S. 408). Die Höhe der Versicherungssumme hänge deshalb in der Vermögensversicherung oft von Zufälligkeiten ab (BOLL, a.a.O., N. 10 zu
Art. 71 VVG
; MAURER, a.a.O., S. 408). Zudem sei eine Aufteilung im Verhältnis der Versicherungssummen bei betraglich unbegrenzter Deckung unmöglich (BOLL, a.a.O., N. 10 zu
Art. 71 VVG
; ROLAND BREHM, Le contrat d'assurance RC, 1997, N. 459; FUHRER, a.a.O., N. 12.16; vgl. auch HANS FISCHER, Die mehrfache Versicherung in der Schadenversicherung nach Schweizerischem Privatversicherungsrecht, 1963, S. 124).
Art. 71 Abs. 1 VVG
sei daher entgegen seinem Wortlaut so auszulegen, dass auf die Höhe der Entschädigung abzustellen sei, die jeder Versicherer zu erbringen hätte, wenn neben ihm kein weiterer Versicherer leistungspflichtig wäre; der einzelne Versicherer leiste in dem Umfang, in dem seine Leistung zur Gesamtsumme der Leistungen sämtlicher Vermögensversicherer stehe (BOLL, a.a.O., N. 10 zu
Art. 71 VVG
; BREHM, a.a.O., N. 463 ff.; FUHRER, a.a.O., N. 12.16; MAURER, a.a.O., S. 408). Nach der Botschaft vom 2. Februar 1904 zu dem Entwurfe eines Bundesgesetzes über den Versicherungsvertrag (BBl 1904 I 308 Ziff. 3b zu Art. 46, 47, 59 Abs. 1, 60, 61 und 62 Entwurf) setzt bereits der Begriff der Doppelversicherung voraus, dass der Versicherungswert feststellbar ist.
5.6
Die Beklagte bringt richtig vor, dass die Vorinstanz die Sektion 1 der H.-Policen als Bauwesenversicherung qualifiziert und in ihren allgemeinen Erwägungen ausgeführt hat, eine Bauwesenversicherung sei eine Sachversicherung. Es kann indessen offenbleiben, nach welchen Grundsätzen die Abgrenzung zwischen Sach- und Vermögensversicherungen zu erfolgen hat (sachenrechtliche Lehre/Gegenstandslehre oder Interessenlehre) und ob tatsächlich bloss deshalb eine Sachversicherung verneint werden muss, weil die Beklagte nicht sachenrechtlich als Eigentümerin betroffen ist, obwohl sie die Gefahr einer Beschädigung und damit das wirtschaftliche Risiko
BGE 141 III 539 S. 545
trägt. Denn entscheidend ist vorliegend, dass in Bezug auf die Eigentümerin G. auch nach Ansicht der Vorinstanz eine Sachversicherung vorliegt und der Gegenstand der Versicherung in Bezug auf die G. und die Rechtsvorgängerin der E. AG identisch definiert ist. Daraus ergibt sich notwendigerweise, dass bei den H.-Policen eine Beziehung zwischen der vereinbarten Versicherungssumme und einem die Schadenhöhe begrenzenden Sachwert vorliegt. Auch bei der B.-Police liegt eine Beziehung zwischen der vereinbarten Versicherungssumme und einem Sachwert vor: Bei dieser Versicherung handelt es sich um eine Rahmenversicherung für Schäden an bestimmten Maschinen. Versichert sind namentlich die Gasturbinen der Einheiten 3 und 4. Die Versicherungssummen sind in der B.-Police denn auch
pro Gasturbine
festgelegt worden. Auch daraus darf geschlossen werden, dass die Versicherungssumme im Zusammenhang steht mit dem Wert der Turbinen. Nun wird gerade das Fehlen einer solchen Beziehung als Argument dafür vorgebracht, dass vom Wortlaut von
Art. 71 Abs. 1 VVG
abzuweichen und auf die Höhe der Entschädigung abzustellen sei, die jeder Versicherer zu erbringen hätte, wenn neben ihm kein weiterer Versicherer leistungspflichtig wäre. Liegt eine solche Beziehung - wie hier - aber vor, besteht kein Raum, vom klaren Wortlaut von
Art. 71 Abs. 1 VVG
abzuweichen. Entgegen der Ansicht der Vorinstanz und der Klägerin 1 ist für die Berechnung der Ersatzpflicht der Beklagten nach
Art. 71 Abs. 1 VVG
auf das Verhältnis abzustellen, in dem die Versicherungssumme der Beklagten zum Gesamtbetrag der Versicherungssummen steht.
5.7
Für die Berechnung der Leistungspflicht der Beklagten setzt diese die Versicherungssumme der H.-Policen von insgesamt 479 Mio. USD in ein Verhältnis mit der Versicherungssumme der B.-Police von 6 Mio. Fr. pro Gasturbine. Nach Ansicht der Beklagten beträgt ihre so berechnete anteilsmässige Leistungspflicht null (Fr. 86'470.- abzüglich Selbstbehalt von Fr. 500'000.-). Die Klägerin 1 macht demgegenüber geltend, es könne keinesfalls auf das Verhältnis der (gesamten) Versicherungssummen abgestellt werden; während die B.-Police nur Versicherungsschutz für Schäden im Zusammenhang mit den zwei Gasturbinen der Unit 4 inkl. den zwei Generatoren biete, sei der in den H.-Policen vorgesehene Versicherungsschutz viel umfassender und die Versicherungssumme daher viel höher. Bringe man in einem solchen Fall sklavisch die Versicherungssummen miteinander in Relation, führe dies zu einem völlig verfälschten und unrealistischen Resultat. Darauf hätten die Kläger bereits in
BGE 141 III 539 S. 546
ihrer Eingabe vom 20. November 2013 an die Vorinstanz hingewiesen.
5.7.1
Art. 71 Abs. 1 VVG
regelt die Ersatzpflicht bei Doppelversicherung. Eine Doppelversicherung liegt nach
Art. 53 Abs. 1 VVG
(nur) vor, wenn dasselbe Interesse gegen dieselbe Gefahr und für dieselbe Zeit bei mehr als einem Versicherer dergestalt versichert wird, dass die Versicherungssummen zusammen den Versicherungswert übersteigen. Eine Doppelversicherung setzt mithin voraus, dass sich die Verträge auf dieselbe Sache oder dasselbe Vermögen beziehen (BOLL, a.a.O., N. 6 zu
Art. 53 VVG
). Da
Art. 71 Abs. 1 VVG
die Aufteilung der Ersatzpflicht nur insoweit regelt, als eine Doppelversicherung vorliegt, ist mithin für die Aufteilung von derjenigen Versicherungssumme auszugehen, welche für das betreffende Risiko vereinbart ist (FISCHER, a.a.O., S. 122). Dies kann anspruchsvoll sein, wenn ein Versicherungsvertrag mehrere Gegenstände unter einer einheitlichen Versicherungssumme versichert hat und davon im Versicherungsfall nur ein Teil vernichtet oder beschädigt wurde, welcher in einem anderen Versicherungsvertrag mit eigener Versicherungssumme versichert ist (FISCHER, a.a.O., S. 122; JAEGER/ROELLI, Kommentar zum Schweizerischen Bundesgesetz über den Versicherungsvertrag, Bd. II, 1932, N. 12 zu
Art. 71 VVG
). Deshalb muss in einem solchen Fall eine Ausscheidung vorgenommen werden, um den vernichteten oder beschädigten Teilwerten eine möglichst genau entsprechende Teilversicherungssumme zuzuordnen (FISCHER, a.a.O., S. 122). Dabei ist auf das Verhältnis vom Ersatzwert des betroffenen Gegenstandes zum Ersatzwert aller versicherten Gegenstände abzustellen (JAEGER/ROELLI, a.a.O., N. 12 zu
Art. 71 VVG
). Mit der so ermittelten Teilversicherungssumme ist in der Folge nach
Art. 71 Abs. 1 VVG
das Verhältnis zu berechnen, in dem jeder Versicherer für den Schaden haftet. Jeder Versicherer hat den jeweiligen Betrag grundsätzlich voll zu leisten; ein allfällig vereinbarter Selbstbehalt ist davon nicht zusätzlich abzuziehen. Denn der Versicherungsnehmer hat bei Vorliegen einer Doppelversicherung Anspruch auf den Ersatz des gesamten Schadens; allfällige Selbstbehalte aus einem Vertrag sind durch Leistungen aus dem andern auszugleichen (FUHRER, a.a.O., N. 12.15). Dies gilt unter zwei Vorbehalten: Erstens deckt eine Schadensversicherung (nur) den entstandenen Schaden. Der Versicherte soll aus dem Schadenereignis keinen wirtschaftlichen Vorteil ziehen können (vgl. nur BOLL, a.a.O., N. 2 Vorbemerkungen zu
Art. 48 VVG
). Hat ein Versicherer dem
BGE 141 III 539 S. 547
Versicherten bereits einen höheren Betrag geleistet, als er nach der Berechnung gemäss
Art. 71 Abs. 1 VVG
schulden würde, so ist der zweite Versicherer nur noch zum Ersatz des verbliebenen Schadens verpflichtet. Zweitens ist ein Versicherer nicht zu einer höheren Leistung als jener verpflichtet, die er als einziger Versicherer zu erbringen hätte. Die Ersatzpflicht wird mithin beschränkt durch die Versicherungssumme (oder den Schaden, falls dieser tiefer ausfällt) abzüglich des vereinbarten Selbstbehalts.
5.7.2
Vorliegend wurde eine Gasturbine der Einheit 3 beschädigt. In der B.-Police beträgt die Versicherungssumme pro Gasturbine 6 Mio. Fr. Aus den vorinstanzlichen Feststellungen geht nicht hervor, ob auch in den H.-Policen die Versicherungssumme für die Sektionen 1 bis 3 von insgesamt 479 Mio. USD detaillierter aufgegliedert ist. Sollte sich die Abtretung der Ansprüche von der E. AG an die Kläger als gültig erweisen (dazu sogleich E. 5.8), so wäre die Sache daher an die Vorinstanz zur Ergänzung des Sachverhalts und neuer Entscheidung zurückzuweisen.
5.8
Die Beklagte ist der Ansicht, es liege keine gültige Abtretung der eingeklagten Ansprüche von der E. AG an die Kläger vor. Erstens habe die E. AG bei richtiger Berechnung der Leistungspflicht nach
Art. 71 VVG
keine Forderung gegen die Beklagte, weshalb sie nach dem Grundsatz "nemo plus iuris ad alium transferre potest quam ipse habet" den Klägern keine Rechte habe übertragen können. Zweitens wäre die Abtretung aufgrund der Umgehung der disziplinierenden Wirkung der Selbstbehalte ohnehin unzulässig. Die angeblich abgetretene Forderung belaufe sich auf den verbleibenden Schaden der E. AG aufgrund der in den H.-Policen vorgesehenen Selbstbehalte. Selbstbehalte seien eine gewollte und von vornherein vereinbarte Unterversicherung. Sowohl in der B.-Police als auch in den H.-Policen sei ausdrücklich statuiert, dass der Selbstbehalt vom Versicherten selbst zu tragen sei. Die B.-Police sei keine Versicherung für ungedeckten Selbstbehalt. Es wäre daher mehr als stossend, wenn die Versicherte dennoch den ungedeckten Selbstbehalt aus den H.-Policen von der Beklagten einfordern könnte.
Ob
Art. 71 VVG
die Forderung der E. AG gegen die Beklagte beeinflusst oder ob diese Bestimmung - wie die Klägerin 1 in ihrer Vernehmlassung vorbringt - lediglich das Rechtsverhältnis zwischen den Versicherern beschlägt, kann offenbleiben. Denn der Beklagten ist jedenfalls nicht zu folgen, wenn sie für die Berechnung auf die
BGE 141 III 539 S. 548
volle Versicherungssumme der H.-Policen von insgesamt 479 Mio. USD abstellen will (vgl. soeben E. 5.7). Sollte die Aufteilung der Ersatzpflicht auch nach korrekter Berechnung ergeben, dass die Beklagte gemäss
Art. 71 Abs. 1 VVG
nichts schuldet, wäre die Klage ohnehin abzuweisen. Eine Umgehung der disziplinierenden Wirkung der Selbstbehalte liegt entgegen der Ansicht der Beklagten nicht vor. Wie soeben ausgeführt wurde (E. 5.7.1), hat der Versicherungsnehmer bei Vorliegen einer Doppelversicherung Anspruch auf den Ersatz des gesamten Schadens und sind allfällige Selbstbehalte aus einem Vertrag durch Leistungen aus dem andern auszugleichen. Nach den Feststellungen der Vorinstanz besteht keine Vereinbarung, wonach sich die E. AG verpflichtet hätte, den Selbstbehalt nicht bei einer anderen Versicherung geltend zu machen. Gegen diese Feststellung bringt die Beklagte nichts vor. Sie bestreitet zu Recht auch nicht, dass die E. AG ihren Schaden durch die Kläger nicht vollständig ersetzt erhalten hat. Damit bestand noch eine (Rest-)Forderung, welche die E. AG an die Kläger abtreten konnte. Die Vorinstanz hat denn auch ausgeführt, der noch offene Schaden betrage Fr. 2'804'400.- und die Abtretung sei (nur) in diesem Umfang möglich gewesen. Die Rüge der Beklagten, wonach die Abtretung unzulässig gewesen sei, erweist sich damit als unbegründet.
5.9
Nach dem Gesagten ist die Sache an die Vorinstanz zur Ergänzung des Sachverhalts und neuer Entscheidung zurückzuweisen. Die Vorinstanz wird die (Teil-)Versicherungssumme der H.-Policen zu ermitteln haben, welche mit der Versicherungssumme der B.-Police von 6 Mio. Fr. für die beschädigte Gasturbine der Einheit 3 in ein Verhältnis gesetzt werden kann, um nach
Art. 71 Abs. 1 VVG
die Ersatzpflicht der Beklagten zu bestimmen (vgl. oben E. 5.7.1). | null | nan | de | 2,015 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
17b112c7-7ecc-42df-b807-18cc22844a45 | Urteilskopf
107 Ib 208
38. Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 5. Juni 1981 i.S. H. gegen Wehrsteuerrekurskommission des Kantons Zürich (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Art. 21 Abs. 1 lit. c WStB; steuerrechtliche Behandlung von Marchzinsen.
Der Erwerber von Obligationen ist für den gesamten Zinsertrag der Obligationen ohne Abzug steuerpflichtig, auch wenn er bei deren Erwerb dem Veräusserer Marchzinsen für aufgelaufene Zinsen vergütet. | Sachverhalt
ab Seite 209
BGE 107 Ib 208 S. 209
Beim Erwerb von Obligationen bezahlte H. im Jahre 1976 insgesamt Fr. 9'112.-- Marchzinsen. In der Steuererklärung für die 19. Periode 1977/78 der Wehrsteuer zog er den Betrag von Fr. 4'556.-- im Zweijahresdurchschnitt von seinen Zinseinnahmen ab. Die Veranlagungsbehörde liess den Abzug indessen nicht zu. Die Einsprache von H. blieb erfolglos, und die Wehrsteuerrekurskommission des Kantons Zürich wies die dagegen erhobene Beschwerde ab. H. reichte vergeblich Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht ein.
Erwägungen
Erwägungen:
1.
In der Regel werden beim Verkauf von Obligationen neben dem Kaufpreis zusätzlich sog. Marchzinsen in Rechnung gestellt; damit vergütet der Käufer, der den vollen Betrag des nächst fälligen Zinscoupons einziehen wird, dem Veräusserer einen Teil des Zinses für die Zeit, während der der Veräusserer noch im Besitze des Titels war. Der Marchzins ist keine Zinsleistung des Titelschuldners, sondern die Vergütung des neuen an den bisherigen Gläubiger für den bis zum Handwechsel aufgelaufenen, aber noch nicht fällig gewordenen Zinsanspruch (vgl. R. PFUND, Die Eidgenössische Verrechnungssteuer, I. Teil, S. 78 N. 2.26 zu Art. 4 Abs. 1 lit. a).
2.
In bezug auf die steuerrechtliche Behandlung von Marchzinsen bestehen in der Praxis Unsicherheiten, und Praxis und Doktrin kommen zu unterschiedlichen Lösungen. Der Beschwerdeführer macht mit einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise geltend, es komme ihm tatsächlich nicht der ganze Zinsbetrag aus den Obligationen zu. Sein Einkommen reduziere sich vielmehr um den Betrag, den er dem Veräusserer der Obligationen in Form von Marchzinsen entrichte. Steuerpflichtig sei er aus diesem Grunde nur für den Restbetrag. Der Beschwerdeführer vermag seine Ansicht auf einen Entscheid der Oberrekurskommission des Kantons Zürich vom 11. Dezember 1958 (RB 1958 Nr. 6 S. 13) und auf die Meinung von A. REIMANN/F. ZUPPINGER/E. SCHÄRRER (Kommentar
BGE 107 Ib 208 S. 210
zum Zürcher Steuergesetz, Band II, S. 203 N. 32) zu stützen, wonach beim Erwerb von Anleihensobligationen bezahlte Marchzinsen den nominellen Vermögensertrag dieser Obligationen mindern. Ob sich der Beschwerdeführer tatsächlich auf H. MASSHARDT (Wehrsteuerkommentar, Ausgabe 1980, S. 102 f. N. 66 f.) berufen kann, erscheint angesichts der etwas unklaren Formulierung fraglich. In einem neueren Urteil vom 19. November 1979 nimmt das Verwaltungsgericht des Kantons Bern zum "spiegelbildlichen" Problem, wie Marchzinsen aus der Sicht des Obligationenveräusserers zu behandeln sind, eingehend Stellung (BVR 1981 S. 53 ff.): Durch die Marchzinsvergütung gelte der Erwerber die bis zum Verkaufstag aufgelaufenen, aber noch nicht fälligen Zinsen ab. Mithin leiste der Erwerber bloss Vorschuss für die Zinszahlung an den Veräusserer. Der Veräusserer erhalte mit den Marchzinsen die Gegenleistung für den Einsatz seines Kapitals. Unerheblich sei, dass der Marchzins vom Obligationenkäufer und nicht vom Obligationenschuldner bezahlt wird. Somit unterlägen die Marchzinsen beim Veräusserer der ordentlichen Einkommenssteuer. Sind die Marchzinsen beim Veräusserer als Einkommen zu zählen, so wäre daraus zu schliessen, dass der Erwerber der Obligationen die bezahlten Marchzinsen zum Abzug bringen kann.
Die zürcherischen und eidgenössischen Behörden vertreten die entgegengesetzte Ansicht und wollen die vom Erwerber bezahlten Marchzinsen nicht zum Abzug zulassen. Ihre Argumentation geht weniger von wirtschaftlichen Überlegungen als vielmehr vom Wortlaut des Wehrsteuerbeschlusses aus. Nach Art. 21 Abs. 1 WStB fällt das gesamte Einkommen der Steuerpflichtigen aus Erwerbstätigkeit, Vermögensertrag oder andern Einnahmequellen in die Steuerberechnung. Darunter fällt nach lit. c jedes Einkommen aus beweglichem Vermögen wie Zinsen, Renten und Gewinnanteile aus Guthaben und Beteiligungen aller Art; insbesondere sind alle durch Zahlung, Überweisung, Gutschrift, Verrechnung oder auf andere Weise bewirkten Leistungen des Schuldners an den Gläubiger dazuzuzählen, die rechtlich nicht zur Tilgung der Kapitalschuld führen. Demnach unterliegt grundsätzlich der ganze vom Titelschuldner an den Titelgläubiger ausbezahlte Zinsbetrag der Besteuerung im Sinne von Art. 21 Abs. 1 WStB. Der Wertschriftenertrag wird nach der Praxis bei demjenigen als Einkommen erfasst, der ihn vom Schuldner erhält, also im Zeitpunkt der Leistung Gläubiger ist (
BGE 90 I 261
Erw. 3, ASA 31 S. 171 f.). Die Zurechnung erfolgt in dem Zeitpunkt, in dem dem Gläubiger die Zinsen ausbezahlt, überwiesen, gutgeschrieben, mit Gegenforderungen
BGE 107 Ib 208 S. 211
verrechnet oder sonstwie in seine Verfügungsgewalt gelangen. Die Regelung von Art. 21 Abs. 1 lit. c WStB nimmt nicht Rücksicht auf den Preis, den der Titelinhaber für den Erwerb des Titels ausgelegt hat. Dies gilt nach der Praxis sowohl für Aktien, in deren Übernahmepreis sich die aufgelaufenen Dividenden direkt niederschlagen, als auch für Obligationen, bei deren Erwerb dem Veräusserer ein separat ausgewiesener Marchzins entrichtet wird (
BGE 90 I 261
Erw. 3,
BGE 86 I 45
Erw. 2, ASA 38 S. 170 ff.). Es ist ohne Bedeutung, was der Gläubiger für die Obligation bezahlt hat (E. KÄNZIG, Die Eidgenössische Wehrsteuer, Ergänzungsband, 2. Auflage 1972, S. 56 N. 60 zu Art. 21 Abs. 1 lit. c WStB); die steuerliche Zurechnung erfolgt beim Obligationär mit dem vollen Zins, auch wenn das Wertpapier erst kurz vor dem Ertragszufluss inklusive Coupon erworben worden ist (E. KÄNZIG, Die Eidgenössische Wehrsteuer, 1. Auflage 1962, S. 137 N. 61 zu Art. 21 Abs. 1 lit. c WStB). Bei dieser Betrachtungsweise stellen die Marchzinsen für den Erwerber des Titels einen Teil des Kaufpreises und für den Veräusserer einen Kapitalgewinn dar (E. GRÜNIGER/W. STUDER, Kommentar zum Basler Steuergesetz, Auflage 1970, S. 182).
Die vom Beschwerdeführer gegen diese Ansicht erhobenen Einwände vermögen nicht durchzudringen; vielmehr ist der Meinung der Steuerbehörden, die Marchzinsen beim Käufer nicht zum Abzug zuzulassen, der Vorzug zu geben. Der Beschwerdeführer macht geltend, die Besteuerung des ganzen ungekürzten Jahreszinses stelle insofern eine unzulässige "Doppelbesteuerung" dar, als der gleiche Marchzins bei Käufer und Verkäufer der Einkommenssteuer unterworfen werde. Dies ist indessen meist nicht der Fall, weil der bezahlte Marchzins als Bestandteil des Kaufpreises beim Verkäufer zu Vermögenssubstanz wird; er bildet kein steuerpflichtiges Kapitalertragseinkommen, sondern wird gegebenenfalls Bestandteil eines Kapitalgewinnes, der jedenfalls von der Wehrsteuer bei nicht buchführungspflichtigen Steuerpflichtigen überhaupt nicht und bei buchführungspflichtigen nur soweit erfasst wird, als es sich bei den veräusserten Wertpapieren um Geschäftsvermögen handelt.
Unbehelflich ist auch der Hinweis, die von der Vorinstanz vertretene Auffassung sei völlig wirklichkeitsfremd und führe zu stossenden Ungerechtigkeiten. Wird bei der Berechnung der Marchzinsen die voraussichtliche Besteuerung des ganzen, erst später fällig werdenden Zinsbetrages nicht mitberücksichtigt, so ist es durchaus denkbar, dass der Obligationenerwerber, der dies nicht bedenkt,
BGE 107 Ib 208 S. 212
unter diesem Gesichtspunkt dem Veräusserer einen zu hohen Preis zahlt. Das Bundesgericht hat indessen mit aller Deutlichkeit darauf hingewiesen, dass es Sache des Titelerwerbers sei, der voraussehbaren steuerlichen Belastung des Ertrages bei der Annahme des Kaufpreises - zuzüglich Marchzinsen - Rechnung zu tragen (
BGE 90 I 261
f.; KÄNZIG, Ergänzungsband, a.a.O., S. 56 N. 60 zu Art. 21 Abs. 1 lit. c WStB). Darauf werden auch in Zukunft die Erwerber von Obligationen zu achten haben.
Der Beschwerdeführer macht schliesslich geltend, die Besteuerung des ganzen Zinsbetrages ohne Abzug der Marchzinsen entbehre einer genügenden rechtlichen Grundlage. Aus dem Wortlaut von Art. 21 Abs. 1 lit. c WStB ergibt sich indessen, dass grundsätzlich der ganze vom Obligationenschuldner dem Obligationengläubiger ausbezahlte Zinsertrag der Besteuerung unterliegt, soweit keine Tilgung der Kapitalschuld erfolgt (
BGE 90 I 261
Erw. 3,
BGE 86 I 45
Erw. 2, ASA 38 172; vgl. auch einen Entscheid der Steuerrekurskommission des Kantons Luzern vom 7. Februar 1958, in: ZBl 59/1958 S. 532 f.).
Diese Lösung bringt zudem, insbesondere für den Fall mehrerer Handänderungen, den Vorteil einer einfachen Steuererhebung mit sich. Sie ermöglicht auch eine gleiche Behandlung von Obligationenerwerbern und Aktienkäufern; da sich bei den Aktien die aufgelaufenen Dividenden unmittelbar im Kurs niederschlagen, wäre hier der Abzug eines entsprechenden Betrages in der Praxis kaum durchführbar.
Schliesslich spricht auch die Ordnung der Verrechnungssteuer für diese Lösung. Danach kann derjenige, der das Nutzungsrecht an einem Wertpapier besitzt, die Rückerstattung der darauf erhobenen Verrechnungssteuer beanspruchen. Damit herrscht Identität zwischen dem Wehrsteuerpflichtigen, der den Wertschriftenertrag zu versteuern hat, und demjenigen, dem der Anspruch auf Rückerstattung der diesbezüglichen Verrechnungssteuer zusteht, was unter Praktikabilitätsüberlegungen wünschbar erscheint (vgl. den zitierten Entscheid der luzernischen Steuerrekurskommission, in: ZBl 59/1958 S. 532).
Aus diesen Gründen ist der ganze Zinsertrag ohne Abzug der beim Erwerb der Obligationen bezahlten Marchzinsen dem steuerbaren Einkommen zuzurechnen. Die Vorinstanz hat daher mit ihrem Entscheid, die Marchzinsen nicht zum Abzug zuzulassen, kein Bundesrecht verletzt. Die Beschwerde ist demnach kostenfällig abzuweisen. | public_law | nan | de | 1,981 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
17b7fc1b-2c1e-4cec-b164-1a73734e886c | Urteilskopf
138 IV 47
6. Auszug aus dem Urteil der Strafrechtlichen Abteilung i.S. Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich gegen A. und B. (Beschwerde in Strafsachen)
6B_453/2011 vom 20. Dezember 2011 | Regeste
Verwertbarkeit von Beweisen aus einem Steuerveranlagungs- oder Steuerhinterziehungsverfahren im Strafverfahren wegen Steuerbetrugs (
Art. 186 Abs. 1 DBG
;
Art. 59 Abs. 1 StHG
).
Verwertbarkeit von Aussagen eines Steuervertreters, welche dem Vertretenen anzurechnen sind (E. 2.1 und 2.4).
Aussagen des Steuerpflichtigen und von diesem im Nachsteuerverfahren eingereichte Belege sind unter dem Gesichtspunkt des Grundsatzes "nemo tenetur se ipsum accusare" nicht generell unverwertbar, sondern nur, wenn er gemahnt und ihm eine Ermessensveranlagung oder eine Verurteilung wegen Verletzung von Verfahrenspflichten angedroht wurde (E. 2.6).
Kam die kantonale Steuerverwaltung ihren Aufklärungspflichten gemäss
Art. 153 Abs. 1
bis
und
Art. 183 Abs. 1 Satz 2 DBG
nach, sind die Beweismittel aus dem Nachsteuer- und Hinterziehungsverfahren grundsätzlich auch im Steuerbetrugsverfahren verwertbar (E. 2.8). | Sachverhalt
ab Seite 48
BGE 138 IV 47 S. 48
A.
A. und B. waren (Minderheits- bzw. Haupt-)Aktionäre der C. AG, einem unabhängigen Internet Service Provider. Die Anklageschrift vom 3. Juni 2010 wirft ihnen vor, in ihrer Funktion als Mitglieder des Verwaltungsrats der C. AG in den Steuerperioden vom 1. Januar 2002 bis 31. Dezember 2005 u.a. die nachfolgenden hauptsächlich privaten Aufwände als geschäftlich verbucht und so bewirkt zu haben, dass die entsprechenden Erfolgsrechnungen und Bilanzen für die Jahre 2002 bis 2005 um die genannten Positionen und Beträge verfälscht bzw. unrichtig erstellt und die Steuerbehörden des Bundes sowie der Stadt und des Kantons Zürich infolge der eingereichten unwahren Buchhaltungen getäuscht wurden:
- 30. Geburtstag (A.), Steuerperiode 2002,
Totalbetrag Fr. 24'137.-
- Personal Wellness D., Steuerperioden 2003/2004,
Totalbetrag Fr. 13'267.-
- E. Laufbahnberatung, Steuerperiode 2004,
Totalbetrag Fr. 2'675.-
- F. (Paarberatung), Steuerperiode 2004,
Totalbetrag Fr. 4'160.-
- Zürcher Hochschule, Steuerperiode 2005,
Totalbetrag Fr. 7'900.-
Die C. AG wurde im Juni 2008 durch das kantonale Steueramt Zürich einer Buchprüfung unterzogen. Die in der Anklageschrift beanstandeten Positionen betreffend die Geschäftsjahre 2004 und 2005 wurden ihr im offenen Verfahren aufgerechnet. Die geldwerten Leistungen für die Steuerperioden 2002 und 2003 konnten nicht im Nachsteuer- und Bussenverfahren geltend gemacht werden, da die Gesellschaft in diesen Steuerperioden Verluste schrieb. Im November 2008 wurde jedoch gegen A. und B. ein Nachsteuer- und Bussenverfahren eröffnet. Die Verfahren wurden mit der Nachsteuer- und Bussenverfügung vom 20. Januar 2009 (A.) bzw. 11. Februar 2009 (B.) abgeschlossen. A. und B. erhoben dagegen keine Einsprache.
BGE 138 IV 47 S. 49
B.
Das Bezirksgericht Zürich verurteilte A. und B. am 14. September 2010 wegen mehrfachen Steuerbetrugs (Art. 186 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer [DBG; SR 642.11] und § 261 Abs. 1 des Steuergesetzes des Kantons Zürich vom 8. Juni 1997 [StG/ZH]) und mehrfacher Urkundenfälschung (
Art. 251 Ziff. 1 Abs. 2 StGB
) zu einer bedingten Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu Fr. 150.- (A.) bzw. von 60 Tagessätzen zu Fr. 700.- (B.).
C.
A. und B. legten gegen dieses Urteil Berufung ein. Das Obergericht des Kantons Zürich sprach sie am 11. Mai 2011 von sämtlichen Anklagevorwürfen frei.
Das Obergericht geht davon aus, das Fest anlässlich des 30. Geburtstags von A. (Kosten Fr. 24'137.-) sei eine Werbeveranstaltung gewesen. Auch der Nachdiplomkurs über Organisationsentwicklung an der Zürcher Hochschule habe rein beruflichen Charakter gehabt, obwohl sich der dritte Teil des Kurses (Kosten Fr. 7'900.-) mit dem Austritt von A. aus der C. AG gekreuzt habe. Bei den Wellnesskosten von Fr. 13'267.- sowie den Kosten der E. Laufbahnberatung von Fr. 2'675.- und der Paarberatung von Fr. 4'160.- habe es sich hingegen klar um Privataufwand der Aktionäre gehandelt, welcher nicht unbesehen in die Geschäftsbuchhaltung hätte einfliessen dürfen.
D.
Die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich führt Beschwerde in Strafsachen mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts vom 11. Mai 2011 aufzuheben und die Sache zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
E.
Das Obergericht verzichtet auf eine Stellungnahme. A. (Beschwerdegegnerin 1) und B. (Beschwerdegegner 2) beantragen die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
2.1
Die C. AG und der Beschwerdegegner 2 liessen sich im Verfahren vor dem kantonalen Steueramt von G. vertreten. Dieser gab gegenüber dem kantonalen Steueramt an, die Mehrheit der Gäste hätten aus dem geschäftlichen Umfeld gestammt. Es habe sich beim Fest anlässlich des 30. Geburtstags der Beschwerdegegnerin 1 "sicherlich zur Hälfte um ein Firmenfest" gehandelt. Diese Aussagen wurden im Protokoll der Buchprüfung vom 12. Juni 2008 und in der Nachsteuer- und Bussenverfügung gegen den Beschwerdegegner 2
BGE 138 IV 47 S. 50
vom 11. Februar 2009 wiedergegeben, welche mit der Strafanzeige des kantonalen Steueramtes Eingang in das Steuerbetrugsverfahren fanden. Der Beschwerdegegner 2 bestreitet nicht, sich gegenüber dem kantonalen Steueramt in diesem Sinne geäussert zu haben.
Kommt die Vorinstanz nach erneuter Beweiswürdigung zum Schluss, der angeklagte Sachverhalt könne einzig gestützt auf die im Steuerbetrugsverfahren erhobenen Beweise nicht als bewiesen gelten, stellt sich die Frage der Verwertbarkeit der Äusserungen des Beschwerdegegners 2 bzw. von dessen Vertreter im Nachsteuer- und Hinterziehungsverfahren. Nach Auffassung der Vorinstanz und der Beschwerdegegner sind diese im Steuerbetrugsverfahren nicht verwertbar. Die Beschwerdeführerin argumentiert demgegenüber, der angeklagte Sachverhalt müsse als bewiesen gelten, da G. den Vorwurf gegenüber dem kantonalen Steueramt anerkannt habe.
2.2
Am 1. Januar 2011 trat die Schweizerische Strafprozessordnung (StPO; SR 312.0) in Kraft. Der Entscheid des Bezirksgerichts erging am 14. September 2010. Das kantonale Verfahren einschliesslich die Berufung an das Obergericht und die dagegen vor Bundesgericht erhobenen Rügen richten sich gemäss
Art. 453 Abs. 1 und
Art. 454 Abs. 2 StPO
somit weiterhin nach der Strafprozessordnung des Kantons Zürich vom 4. Mai 1919 (StPO/ZH).
2.3
Das schweizerische Strafverfahrensrecht kennt den Grundsatz der freien Beweiswürdigung.
Art. 249 BStP
, welcher vor Inkrafttreten der StPO auch für die kantonalen Strafverfolgungsbehörden verbindlich war, bestimmt, dass die Behörde die Beweise frei würdigen soll und nicht an gesetzliche Beweisregeln gebunden ist. Die Bestimmung verbietet dem Richter, bei der Erhebung von Beweisen und der Würdigung erhobener Beweise gesetzlichen Regeln - z.B. Verwertungsverboten - zu folgen, die die eigene Prüfung und Bewertung der Überzeugungskraft von Beweismitteln ausschliessen. Eine Verletzung von
Art. 249 BStP
liegt vor, wenn bestimmten Beweismitteln von vornherein in allgemeiner Weise die Beweiseignung abgesprochen wird (
BGE 133 I 33
E. 2.1;
BGE 127 IV 46
E. 1c). Dieser Grundsatz ist neuerdings in
Art. 139 Abs. 1 StPO
verankert (vgl. BBl 2006 1182).
2.4
Die Äusserungen G.s erfolgten als Vertreter und gemäss dem Protokoll vom 12. Juni 2008 überdies in Anwesenheit des Beschwerdegegners 2. Sie sind diesem anzurechnen. Nachdem unbestritten ist, dass sich G. namens des Beschwerdegegners 2 im erwähnten
BGE 138 IV 47 S. 51
Sinne äusserte, ist nicht ersichtlich, weshalb dessen Einvernahme durch die Strafverfolgungsbehörden, welche von den Beschwerdegegnern soweit ersichtlich nicht beantragt wurde, unverzichtbar sein soll. Dass der Steuervertreter nicht einvernommen wurde, führt entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht zu einem Verwertungsverbot. Zu prüfen ist jedoch, ob andere Gründe einer Verwertung der Aussagen im Steuerbetrugsverfahren entgegenstehen.
2.5
Die Aussagen G.s bzw. des Beschwerdegegners 2 wurden den Beschwerdegegnern im Steuerbetrugsverfahren vorgehalten, und sie konnten dazu Stellung nehmen. Ihr Anspruch auf rechtliches Gehör (
Art. 29 Abs. 2 BV
) wurde damit gewahrt. Die Parteien können im Strafverfahren einer (Zeugen-)Einvernahme durch die Staatsanwaltschaft in der Regel beiwohnen (
§ 14 StPO
/ZH;
Art. 147 Abs. 1 StPO
). Dies bedeutet nicht, dass sämtliche Informationen, welche nicht direkt von den Strafverfolgungsbehörden und damit in Anwesenheit der Beschuldigten erlangt wurden, unverwertbar sind. Unbegründet ist der Einwand der Beschwerdegegner, die Aussagen seien nicht verwertbar, weil ihre Teilnahmerechte nicht gewahrt worden seien.
2.6
2.6.1
Die steuerpflichtige Person ist im verwaltungsrechtlichen Steuerveranlagungsverfahren zur Mitwirkung verpflichtet (vgl.
Art. 126 DBG
[SR 642.11]; Art. 42 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden [StHG; SR 642.14]). Kommt sie trotz Mahnung ihrer Mitwirkungspflicht nicht nach, macht sie sich unter Umständen wegen Verletzung von Verfahrenspflichten strafbar (vgl.
Art. 174 DBG
;
Art. 55 StHG
). Im Steuerstrafverfahren sind demgegenüber die strafprozessualen Verfahrensgarantien zu beachten. Nach dem im Strafprozessrecht allgemein anerkannten sowie in
Art. 14 Ziff. 3 lit. g Uno-Pakt II
(SR 0.103.2) und
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
verankerten Grundsatz "nemo tenetur se ipsum accusare" ist im Strafverfahren niemand gehalten, zu seiner Belastung beizutragen. Der Beschuldigte ist nicht zur Aussage verpflichtet. Namentlich darf er nicht mit Druckmitteln zur Aussage gezwungen werden und darf sein Schweigen nicht als Indiz für seine Schuld gewertet werden (
BGE 131 IV 36
E. 3.1;
BGE 130 I 126
E. 2.1; je mit Hinweisen).
Aus dem Recht des Angeklagten, nicht zu seiner eigenen Verurteilung beitragen zu müssen, ergibt sich insbesondere, dass die
BGE 138 IV 47 S. 52
Behörden ihre Anklage führen müssen, ohne auf Beweismittel zurückzugreifen, die durch Zwang oder Druck in Missachtung des Willens des Angeklagten erlangt worden sind. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) verstösst es gegen
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
, den Steuerpflichtigen im Hinterziehungsverfahren mit Busse zu zwingen, Belege über hinterzogene Beträge vorzulegen bzw. solche im Nachsteuerverfahren zwangsweise erhobenen Beweise im Hinterziehungsverfahren zu verwerten (Urteil des EGMR
J.B. gegen Schweiz
vom 3. Mai 2001 Nr. 31827/96,
Recueil CourEDH 2001-III S. 455
, auch in: VPB 2001 Nr. 128; vgl. dazu auch
BGE 131 IV 36
E. 3.1 mit Hinweisen). Kein Verwertungsverbot besteht demgegenüber bezüglich Beweismitteln, die zwar mittels Zwangsmassnahme beschafft wurden, jedoch unabhängig vom Willen des Beschuldigten existieren (vgl. Urteil des EGMR
Saunders gegen Grossbritannien
vom 17. Dezember 1996 Nr. 19187/91,
Recueil CourEDH 1996-VI S. 2044
).
2.6.2
Die Frage der Verwertbarkeit von Beweisen aus dem Steuerveranlagungsverfahren stellt sich insbesondere im Steuerhinterziehungsverfahren, das strafrechtlicher Natur ist, in der Schweiz jedoch von der Steuerveranlagungsbehörde geführt wird. Die Vorschriften über das Veranlagungsverfahren gelangen sinngemäss zur Anwendung (vgl.
Art. 182 DBG
,
Art. 57
bis
StHG
sowie
§
§ 243 ff. StG
/ZH). Um den Verfahrensgarantien von
Art. 6 EMRK
gerecht zu werden, statuieren die auf den 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Bestimmungen von
Art. 183 Abs. 1
bis
DBG
und Art. 57a Abs. 2 i.V.m.
Art. 72g StHG
, dass Beweismittel aus einem Nachsteuerverfahren in einem Strafverfahren wegen Steuerhinterziehung nur verwendet werden dürfen, wenn sie weder unter Androhung einer Veranlagung nach pflichtgemässem Ermessen (
Art. 130 Abs. 2 DBG
;
Art. 46 Abs. 3 StHG
) mit Umkehr der Beweislast nach
Art. 132 Abs. 3 DBG
bzw.
Art. 48 Abs. 2 StHG
noch unter Androhung einer Busse wegen Verletzung von Verfahrenspflichten beschafft wurden (dazu auch Urteil 2C_175/2010 vom 21. Juli 2010 E. 2.4). Die Bestimmungen betreffen zwar ausdrücklich nur das Steuerhinterziehungsverfahren. Die dort verankerten Grundsätze sind jedoch Ausfluss von
Art. 6 EMRK
(vgl. BBl 2006 4025 f.; Urteil 2C_632/2009 vom 21. Juni 2010 E. 2.5). Das Verwertungsverbot gilt daher auch im Verfahren wegen Steuerbetrugs. Informationen aus dem Nachsteuerverfahren dürfen nicht Eingang in das Steuerbetrugsverfahren finden, wenn sie gemäss
Art. 183 Abs. 1
bis
DBG
und Art. 57a Abs. 2
BGE 138 IV 47 S. 53
i.V.m.
Art. 72g StHG
im Steuerhinterziehungsverfahren nicht verwertbar sind. Aussagen des Steuerpflichtigen und von diesem eingereichte Belege sind indessen nicht generell unverwertbar, sondern nur, wenn er gemahnt und ihm eine Ermessensveranlagung oder eine Verurteilung wegen Verletzung von Verfahrenspflichten angedroht wurde (vgl. Urteil 2C_632/2009 vom 21. Juni 2010 E. 2.5).
Dass dies vorliegend der Fall gewesen wäre, ist nicht ersichtlich und wird von den Beschwerdegegnern auch nicht behauptet. Der "nemo tenetur"-Grundsatz steht einer Verwertung im Steuerbetrugsverfahren nicht entgegen.
2.7
2.7.1
Die Beschwerdegegner beanstanden, die Äusserungen G.s seien im Rahmen von eigentlichen "Vergleichsverhandlungen" erfolgt, als es darum gegangen sei, eine einvernehmliche Lösung zu finden. Sie würden kein Eingeständnis ihrerseits darstellen, sondern seien vielmehr so zu verstehen, dass sie im Rahmen einer einvernehmlichen Lösung zur Beilegung des Konflikts bereit gewesen seien, im Sinne eines Entgegenkommens einen Privatanteil von 50 % zu akzeptieren. Daraus auf ein Geständnis zu schliessen, sei unzulässig und würde gegen Treu und Glauben verstossen.
2.7.2
Anhaltspunkte, dass die Aussagen im Rahmen eines Verständigungsverfahrens ergingen, welches auf einem gegenseitigen Entgegenkommen basierte, und von den Steuerbehörden deshalb vertraulich zu behandeln gewesen wären, liegen nicht vor. Die Vorinstanz verwirft diesen Einwand unter Hinweis auf die Ausführungen des Bezirksgerichts zu Recht. Letzteres wies namentlich darauf hin, dass kein Verhalten der Steuerbehörde auszumachen sei, das berechtigterweise ein schutzwürdiges Vertrauen der Beschwerdegegner hätte begründen können, die Steuerhinterziehung werde keine Auswirkungen auf ein mögliches Steuerbetrugsverfahren haben.
2.7.3
Zutreffend ist, dass der Beschwerdegegner 2 mit seiner Aussage zu verstehen gab, bei den 50 % handle es sich um eine Mindestangabe. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin kann einzig gestützt darauf nicht ohne Weiteres von einem privaten Anteil von 50 % ausgegangen werden, da der Beschwerdegegner 2 zum Ausdruck brachte, der geschäftliche Anteil könnte auch grösser gewesen sein. Dem ist allerdings nicht bei der Frage der Verwertbarkeit der Aussagen, sondern bei deren Würdigung Rechnung zu tragen.
BGE 138 IV 47 S. 54
2.8
2.8.1
Der Beschwerdegegner 2 machte im kantonalen Verfahren geltend, seine Aussagen seien nicht verwertbar, da er anlässlich der Buchprüfung nicht auf sein Aussageverweigerungsrecht hingewiesen worden sei. Der Einwand wird im bundesgerichtlichen Verfahren nicht explizit vorgebracht. Die Beschwerdegegner verweisen diesbezüglich auf ihre kantonalen Eingaben, was nach der Rechtsprechung nicht zulässig ist (
BGE 133 II 396
E. 3.2;
BGE 131 III 384
E. 2.3 mit Hinweis). Aus prozessökonomischen Gründen wird darauf dennoch eingegangen.
2.8.2
Gemäss § 11 Abs. 1 und § 149b Abs. 2 i.V.m.
§ 149a Ziff. 2 StPO
/ZH haben die Strafverfolgungsbehörden die einer Straftat beschuldigte oder dringend verdächtigte Person auf ihr Aussageverweigerungsrecht hinzuweisen. Eine ähnliche Belehrungspflicht ist auch in
Art. 158 Abs. 1 lit. b StPO
verankert. Danach haben Polizei oder Staatsanwaltschaft die beschuldigte Person zu Beginn der ersten Einvernahme in einer ihr verständlichen Sprache darauf hinzuweisen, dass sie die Aussage und die Mitwirkung verweigern kann. Einvernahmen ohne diesen Hinweis sind nicht verwertbar (
Art. 158 Abs. 2 StPO
; vgl. zur Aufklärungspflicht gegenüber inhaftierten Personen auch
Art. 31 Abs. 2 BV
sowie
BGE 130 I 126
E. 2.3-2.5).
Eine Verpflichtung der kantonalen Steuerverwaltung, die betroffene Person auf ihr Aussage- und Mitwirkungsverweigerungsrecht hinzuweisen, ergibt sich für das Steuerhinterziehungsverfahren seit dem 1. Januar 2008 aus
Art. 183 Abs. 1 Satz 2 DBG
und
Art. 57a Abs. 1 Satz 2 StHG
. Die Aufklärungspflicht gilt nur im Steuerhinterziehungsverfahren, nicht jedoch im Nachsteuerverfahren. Die Einleitung des Steuerhinterziehungsverfahrens erfolgt oftmals zusammen mit dem Nachsteuerverfahren. Ist dies nicht der Fall, verpflichten
Art. 153 Abs. 1
bis
DBG
und
Art. 53 Abs. 4 StHG
die Steuerverwaltung, die steuerpflichtige Person im Nachsteuerverfahren auf die Möglichkeit der späteren Einleitung eines Strafverfahrens wegen Steuerhinterziehung aufmerksam zu machen. Damit verbunden ist die Verpflichtung, die steuerpflichtige Person über ihre Rechte nach
Art. 183 Abs. 1 Satz 2 DBG
und
Art. 57a Abs. 1 Satz 2 StHG
aufzuklären, wonach sie im Hinterziehungsverfahren keine Aussagen machen muss, mit denen sie sich selber belasten würde (BBl 2006 4030). Die Verletzung dieser Bestimmungen führt dazu, dass die vom Steuerpflichtigen im Nachsteuerverfahren getätigten Aussagen im Strafverfahren wegen Steuerhinterziehung nicht
BGE 138 IV 47 S. 55
verwertet werden dürfen (RICHNER/FREI/KAUFMANN/MEUTER, Kommentar zum DBG, 2. Aufl. 2009, N. 10 zu Art. 153 und N. 13 zu
Art. 183 DBG
). Die Kantone verfügten über eine Frist von zwei Jahren, um ihre Gesetzgebung an die geänderten
Art. 53 Abs. 4 und
Art. 57a StHG
anzupassen (
Art. 72g Abs. 1 StHG
). Die kantonalen Ausführungsbestimmungen von
§ 162 Abs. 1 Satz 2 und
§ 244 Abs. 1 Satz 2 StG
/ ZH traten erst auf den 1. Juli 2010 in Kraft.
Art. 153 Abs. 1
bis
und
Art. 183 Abs. 1 Satz 2 DBG
waren hingegen bereits seit dem 1. Januar 2008 direkt anwendbar. Kam die kantonale Steuerverwaltung ihren Aufklärungspflichten gemäss
Art. 153 Abs. 1
bis
und
Art. 183 Abs. 1 Satz 2 DBG
nach, sind die Beweismittel aus dem Nachsteuer- und Hinterziehungsverfahren grundsätzlich auch im Steuerbetrugsverfahren verwertbar. Der kantonalen Steuerverwaltung muss es in diesem Umfang möglich sein, gewisse Elemente aus dem Steuerhinterziehungsverfahren mit der Strafanzeige (vgl.
Art. 188 Abs. 1 DBG
) in ein Steuerbetrugsverfahren einzubringen. Entscheidend ist, dass das Verfahren insgesamt mit dem Fairnessgebot (
Art. 29 Abs. 1 BV
;
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
;
Art. 3 StPO
) vereinbar ist.
2.8.3
Die Aussagen des Beschwerdegegners 2 bzw. von dessen Vertreter erfolgten anlässlich der Buchprüfung im Juni 2008, welche sich auf die noch offenen Steuerveranlagungen der Geschäftsjahre 2004 und 2005 bezog. Damals war scheinbar weder gegen die Beschwerdegegner noch gegen die C. AG ein formelles Nachsteuer- oder Hinterziehungsverfahren hängig. Fraglich ist, ob es insoweit nicht um Informationen geht, welche der Beschwerdegegner 2 der Steuerbehörde auf Nachfrage zusätzlich und in Ergänzung zu den bereits in den Steuererklärungen enthaltenen Angaben unterbreitete, dies zu einem Zeitpunkt, als er noch keiner Straftat beschuldigt wurde. Wie es sich damit in tatsächlicher Hinsicht verhält und ob unter diesen Umständen gestützt auf das anwendbare Strafprozessrecht von einem Beweisverwertungsverbot ausgegangen werden muss, wurde von der Vorinstanz nicht geprüft. Unklar ist zudem, ob der Beschwerdegegner 2 die Aussagen im späteren Nachsteuer- und Hinterziehungsverfahren bestätigte, nachdem er auf sein Aussageverweigerungsrecht hingewiesen worden war. Die Vorinstanz wird sich gegebenenfalls mit diesen Fragen befassen müssen. Fest steht, dass die Aussagen im Hinterziehungsverfahren gegen den Beschwerdegegner 2 verwertet wurden, was unbeanstandet blieb. Daraus kann nicht ohne Weiteres geschlossen werden, dies müsse auch im Steuerbetrugsverfahren gelten. | null | nan | de | 2,011 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
17ba35aa-9617-4ead-b899-b081b0ab7dde | Urteilskopf
93 IV 104
26. Arrêt de la Cour de cassation pénale, du 14 novembre 1967 en la cause Pierrette Lannaud contre Ministère public du canton de Berne. | Regeste
1.
Art. 36 Abs. 2 SVG
.
Die Regel, dass auf Strassenverzweigungen das von rechts kommende Fahrzeug gegenüber einem von links nahenden den Vortritt hat, ist nur anwendbar, wenn ihre Fahrbahnen nach den örtlichen Verhältnissen auch bei korrektem Fahren notwendig zusammentreffen (Erw. 1).
2.
Art. 32 Abs. 1 SVG
.
Fahrlässigkeit eines Fahrers, der beim Abbiegen nach rechts einen von dort her kommenden Fahrer zu spät erblickt und nicht mehr durchlassen kann, weil dieser wegen eines am Strassenrand aufgestellten Fahrzeuges nach links hält (Erw. 2). | Sachverhalt
ab Seite 105
BGE 93 IV 104 S. 105
A.-
Le 26 décembre 1966, vers 11 h 15, à Lamboing, Pierrette Lannaud-Dampierre, qui conduisait une voiture automobile légère, voulut tourner à droite, venant d'une rue secondaire, pour prendre la route cantonale de Lamboing à Bienne. Au même moment, Hans Mürset, venant de droite et pilotant aussi une voiture automobile légère, approchait de l'intersection; il se dirigeait vers Diesse sur la route cantonale.
Sur l'aire de l'intersection, deux véhicules étaient stationnés. Le premier, une voiture automobile légère, appartenant à Geiser, se trouvait dans la partie évasée de la rue secondaire, peu avant son embouchure dans la route cantonale. Le second se trouvait en face de ladite embouchure, sur la route cantonale; il s'agissait d'un tracteur agricole avec remorque, propriété de Müller; son avant était tourné vers Diesse.
Avant d'arriver à la hauteur de ce véhicule, Mürset donna un signal acoustique et actionna son signofile à gauche, puis il s'écarta vers la gauche pour dépasser à l'allure d'un homme au pas. Pierrette Lannaud, de son côté, obliqua à gauche pour dépasser la voiture de Geiser et s'engager sur la route cantonale. Lorsqu'elle vit approcher la voiture de Mürset, elle freina violemment, mais ne put éviter la collision. Au moment du choc, son véhicule empiétait de 1 m 30 sur la route cantonale.
B.-
Le 29 décembre 1966, le président du Tribunal de La Neuveville, statuant par mandat de répression, condamna Pierrette Lannaud pour violation de la priorité de droite (art. 36 al. 2 LCR et 14 OCR) à une amende de 40 fr.
Statuant sur opposition de l'inculpée, le 21 avril 1967, le président du Tribunal de La Neuveville prononça à nouveau une condamnation à 40 fr. d'amende pour violation de la priorité de droite (art. 36 al. 2 LCR) et vitesse non adaptée aux conditions de la route et de la circulation (art. 32 al. 1 LCR).
Pierrette Lannaud ayant interjeté appel, la première chambre pénale de la Cour suprême du canton de Berne a confirmé le jugement de première instance.
C.-
La condamnée s'est pourvue en nullité. Elle conclut à libération.
D.-
Le Procureur général suppléant du canton de Berne conclut au rejet du pourvoi.
BGE 93 IV 104 S. 106
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
La Cour suprême du canton de Berne a confirmé la condamnation prononcée contre Pierrette Lannaud par le motif que le bénéficiaire de la priorité conserve son droit sur toute l'aire de la croisée ou de l'embouchure (RO 80 IV 199;
91 IV 93
et les arrêts cités) et qu'il importe peu, par conséquent, que Mürset ait obliqué plus ou moins vers sa gauche. Ce principe est incontestable. Mais, pour qu'il s'appliquât, il eût fallu que, par rapport à la recourante, Mürset eût bénéficié du droit de priorité. Or tel n'est précisément pas le cas.
Selon l'art. 36 al. 2 LCR, aux intersections,le véhicule qui vient de droite bénéficie de la priorité. Toutefois, comme on l'admettait déjà sous l'empire de l'art. 27 al. 1 LA, cette règle suppose que, par suite de la configuration des lieux et les véhicules circulant d'une façon correcte, leurs trajectoires se rencontrent nécessairement (RO 60 I 410, consid. 2
;
61 I 211
, consid. 2
;
65 I 343
). En revanche, lorsque la rencontre des trajectoires est due, non à des particularités des lieux, mais bien à d'autres causes, par exemple à une violation des règles de la circulation, le principe rappelé plus haut ne s'applique pas.
Dans la présente espèce, par conséquent, la question de la priorité ne se serait posée entre Mürset et Pierrette Lannaud que si la seconde avait tourné à gauche pour prendre la direction de Diesse (elle ne pouvait poursuivre sa course en droite ligne, car, de l'autre côté de la route cantonale, aucune artère ne correspondait à celle dont elle débouchait). Dans ce cas, en effet, la trajectoire de sa voiture aurait nécessairement rejoint celle du véhicule de Mürset.
Mais elle s'est dirigée vers la droite, non vers la gauche. La configuration des lieux n'était pas telle que les trajectoires des deux véhicules dussent se rejoindre dans ce cas. La chaussée de la route cantonale avait 5 m 20 de large; le croisement de deux voitures y était donc possible et ne présentait aucune difficulté. S'il y a eu néanmoins collision, la configuration des lieux n'y a point joué de rôle; l'accident a son origine dans la présence de deux véhicules arrêtés, comme on l'a dit, l'un dans l'évasement du chemin secondaire, au débouché sur la route cantonale, l'autre en face dudit débouché. Ces véhicules obligèrent aussi bien Pierrette Lannaud que Mürset à s'écarter sur la gauche et c'est cet écart qui provoqua la rencontre de leurs trajectoires, au milieu de l'embranchement.
BGE 93 IV 104 S. 107
C'est donc à tort que l'autorité cantonale a condamné la recourante pour infraction à l'art. 36 al. 2 LCR et à l'art. 14 al. 1 OCR. Il s'agissait non pas d'une question de priorité, mais du croisement de deux véhicules qui contournaient chacun un obstacle placé sur leur droite. On appliquera, dans ce cas, les mêmes règles que si les deux conducteurs avaient dû se croiser hors d'une embouchure, sur un trajet rectiligne, alors que d'un côté ou des deux côtés de la chaussée la présence d'un obstacle nécessitait un déplacement vers la gauche.
2.
La recourante n'aurait pas dû passer à la gauche de la voiture de Geiser et s'engager sur la route cantonale au moment où la voiture de Mürset survenait sur cette route et obliquait à gauche pour éviter le tracteur et la remorque de Müller. Agissant comme elle l'a fait, elle a rendu presque inévitable la collision qui, aussi bien, s'est produite. Elle aurait pu reconnaître le danger assez tôt pour prévenir l'accident. Car, ayant dépassé la voiture de Geiser, elle avait aussitôt, sur la route cantonale, une vue assez étendue pour voir Mürset obliquer vers la gauche. Elle aurait dû, dans ces circonstances, lui laisser assez de place pour passer entre sa voiture et les véhicules de Müller.
On pourrait se demander si, par l'inobservation de cette règle de prudence, la recourante a contrevenu à l'art. 35 al. 2 ou, comme l'admet la Cour suprême du canton de Berne, à l'art. 32 al. 1 LCR. Cette dernière solution s'impose. Sans doute rien n'interdisait-il à Pierrette Lannaud de contourner la voiture de Geiser, mais, sa vue étant restreinte à droite par cette voiture, elle aurait dû ralentir assez pour s'arrêter à temps si un obstacle se présentait, sur la route cantonale, au moment où sa vue devenait libre.
3.
...
Dispositiv
Par ces motifs, la Cour de cassation pénale:
Admet le pourvoi, annule la décision attaquée et renvoie la cause à l'autorité cantonale pour nouvelle décision. | null | nan | fr | 1,967 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
17bb3fd3-b46c-450c-9c90-fb064e90dd35 | Urteilskopf
111 II 72
17. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 8. Mai 1985 i.S. A. gegen X. und Z. (Berufung) | Regeste
Art. 394 und 398 OR
. Haftung des Architekten und des Bauingenieurs.
1. Art. 43 Abs. 4 und 63 Abs. 2 OG. Annahmen des kantonalen Richters über die Voraussehbarkeit oder Erkennbarkeit eines schädigenden Ereignisses; Tat- und Rechtsfragen (E. 3a).
2. Pflicht des Architekten, den Bauherrn auf die Notwendigkeit einer Haftpflichtversicherung hinzuweisen, wenn der Bau mit besonderen Risiken verbunden ist, die er als Fachmann besser überblicken kann als der Bauherr. Beweislast bei Verletzung der Pflicht (E. 3d). | Sachverhalt
ab Seite 73
BGE 111 II 72 S. 73
A.-
Im Jahre 1977 liess A. unter der Leitung des Architekten X. in Schönried auf einer Parzelle, die in einem mässig ansteigenden Hang liegt, ein viergeschossiges Haus erstellen. Die Ingenieurarbeiten samt den Fundationen übertrug er der Firma Z.
Die Baugrube mit einem Volumen vom 3800 m3 wurde im Juli/August ausgehoben; sie war an der Krone 30 und an der Sohle 10 m breit und wies bergseits eine 14 m hohe Böschung mit einer Neigung bis zu 60o auf. An dem etwa 18 m weiter oben gelegenen Ferienhaus des B. traten daraufhin Schäden auf, die mit dem Aushub der Baugrube zusammenhingen. A. wurde deswegen gestützt auf
Art. 679 ZGB
von B. belangt und unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Fr. 304'000.-- Schadenersatz nebst Zins verurteilt. Im Mai 1981 klagte er seinerseits gegen den Architekten X. und die Ingenieurfirma Z. auf Fr. 468'518.-- Schadenersatz nebst Zins. Die Beklagten widersetzten sich seinen Begehren und erhoben Widerklage auf Zahlung von Resthonoraren.
Der Appellationshof des Kantons Bern zog zwei Experten bei. Mit Urteil vom 16. Juli 1984 wies er sodann die Klage ab und hiess die Widerklagen gut.
B.-
Der Kläger hat gegen dieses Urteil Berufung eingelegt, die das Bundesgericht dahin gutheisst, dass es die Sache zur neuen Entscheidung im Sinne der Erwägungen an den Appellationshof zurückweist.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
(3.- Ausführungen darüber, dass bei der Beurteilung einer allfälligen Ersatzpflicht von der Sorgfalt eines gewissenhaften Architekten und Bauingenieurs auszugehen ist und dass das schädigenden Ereignis für die Beklagten nach der Annahme des Appellationshofes nicht, nach der Auffassung des Klägers dagegen voraussehbar gewesen ist.)
BGE 111 II 72 S. 74
a) Was eine Partei, die bei Erfüllung des Vertrages die Gegenpartei oder einen Dritten schädigt, bei Vertragsschluss über die Gefahr der Schädigung weiss, ist eine Tatfrage. Feststellungen des kantonalen Richters über solches Wissen sind daher gemäss
Art. 63 Abs. 2 OG
für das Bundesgericht verbindlich, gleichviel ob sie sich auf einen direkten Beweis oder bloss auf Indizien stützen (
BGE 107 II 229
E. 4 und
BGE 99 II 262
E. 9b mit Hinweisen). Tatsächlicher Natur ist auch die Frage, was eine Partei nach den gegebenen Umständen bis zum Eintritt des schädigenden Ereignisses wissen oder objektiv erkennen konnte. Feststellungen darüber beruhen auf Beweiswürdigung, die vom Bundesgericht auf Berufung hin nur überprüft werden darf, wenn eine Ausnahme gemäss
Art. 63 Abs. 2 OG
vorliegt. Dies gilt selbst dann, wenn der Richter zur Beantwortung schwieriger Tatfragen Sachverständige beizieht, weil er sich überfordert sieht; auch dann geht es um Beweisführung, die der Feststellung des Sachverhaltes dient (KUMMER, N. 98 und 99 zu
Art. 8 ZGB
; WEISS, Die Berufung an das Bundesgericht in Zivilsachen, S. 170/71, 232 und 247/48).
Anders verhält es sich dagegen, wenn die Voraussehbarkeit oder Erkennbarkeit der Gefahr vom kantonalen Richter nicht zum Gegenstand der Beweisführung oder Beweislast gemacht, sondern ausschliesslich gestützt auf die allgemeine Lebenserfahrung beurteilt wird. Erfahrungssätze haben diesfalls die Funktion von Normen und werden daher im Berufungsverfahren den Rechtssätzen in dem Sinne gleichgestellt, dass ihre Anwendung vom Bundesgericht frei überprüft wird (
BGE 107 II 274
/75 und 69 II 425 mit Hinweisen). Um eigentliche Rechtsanwendung sodann geht es bei den Fragen, ob eine Partei bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit die Gefahr rechtzeitig hätte erkennen müssen, was sie daraufhin hätte tun sollen, um einer Schädigung vorzubeugen, welcher Massstab dabei an die von ihr zu erwartende Sorgfalt anzulegen ist und wie es sich allenfalls mit dem Entlastungsbeweis gemäss
Art. 97 Abs. 1 OR
verhält. Das eine wie das andere betrifft das Verschulden, das als gesetzliche Voraussetzung der Ersatzpflicht vom Bundesgericht selbständig zu prüfen ist.
d) Der Kläger hält daran fest, dass der beklagte Architekt auch wegen Verletzung seiner allgemeinen Beratungspflicht, die sich aus Art. 2 der SIA-Honorarordnung 102 ergebe und den Versicherungsschutz einschliesse, für den Schaden einzustehen habe. Der Beklagte 1 sei verpflichtet gewesen, ihn spätestens 10 Monate vor Baubeginn, als er sich zusammen mit der beklagten Ingenieurfirma
BGE 111 II 72 S. 75
für das abenteuerliche Vorgehen entschlossen habe, klar auf die unkalkulierbaren Gefahren und die Notwendigkeit einer Bauherrenhaftpflichtversicherung hinzuweisen.
Eine solche Pflicht des Architekten ist entgegen der Auffassung des Appellationshofes jedenfalls dann zu bejahen, wenn ein Bau wie hier mit besonderen Risiken verbunden ist, die der Fachmann aufgrund seines Wissens und seiner Erfahrung besser überblicken kann als der Bauherr. Sie wird in der seit 1. Januar 1977 geltenden SIA-Norm 118 für Bauarbeiten dem Unternehmer denn auch ausdrücklich auferlegt, wenn sich für den Bauherrn Dritten gegenüber besondere Haftungsrisiken ergeben, die er nicht selber erkennen kann (Art. 26 Abs. 2). Ihr Einschluss in die allgemeine Beratungspflicht des Architekten leuchtet hier um so mehr ein, als der Beklagte 1 im Rahmen eines Gesamtauftrages auch die Hauptverantwortung für die Baugrube übernommen hat.
Nach dem angefochtenen Urteil hat zwischen dem Kläger und einem Mitarbeiter des Architekten ein Gespräch über eine Haftpflichtversicherung stattgefunden. Ob dem Kläger dabei vom Abschluss einer solchen Versicherung direkt abgeraten worden sei, hat der Appellationshof offengelassen, steht der Annahme einer Pflichtverletzung jedoch nicht entgegen. Der Beklagte 1 muss sich auch in diesem Zusammenhang sagen lassen, dass er die besonderen Risiken des aussergewöhnlichen Aushubes verkannt hat, sie bei gehöriger Aufmerksamkeit und Überlegung aber rechtzeitig hätte erkennen müssen. Es wäre alsdann seine Pflicht gewesen, den Kläger über die Notwendigkeit einer Haftpflichtversicherung aufzuklären und ihm den Abschluss einer solchen zu empfehlen, auch wenn letztlich der Bauherr zu entscheiden hatte, ob er eine solche Versicherung abschliessen wolle oder nicht. Dass der Beklagte 1 eine Aufklärung offenbar nicht für nötig hielt, befreit ihn nicht; da er die Risiken sorgfaltswidrig falsch eingeschätzt hat, muss er sich die Unterlassung so oder anders anrechnen lassen. Daran ändert auch die Meinung der gerichtlichen Experten nichts, die im Ergänzungsgutachten erklärten, der Architekt habe seine Beratungspflicht nicht verletzt; dies gilt um so mehr, als sie im Hauptgutachten einräumten, den Bauherrn in Versicherungsfragen zu beraten, gehöre zu den Aufgaben des Architekten, der die Risiken des Bauvorhabens als Fachmann einzuschätzen habe. Eine Rechtsfrage abschliessend zu beurteilen, ist zudem nicht Sache gerichtlicher Experten.
Bei der Verletzung der Beratungspflicht geht es ebenfalls um einen vertraglichen Haftungsgrund. Dem Beklagten 1 stand daher
BGE 111 II 72 S. 76
auch in diesem Punkt gemäss
Art. 97 Abs. 1 OR
der Entlastungsbeweis zu, den er nach dem Gesagten aber nicht erbracht hat. Der Kläger dagegen hatte darzutun, dass die unterbliebene Aufklärung über die Notwendigkeit, eine Haftpflichtversicherung abzuschliessen, als widerrechtlich anzusehen ist, was offensichtlich zutrifft (
BGE 82 II 28
mit Hinweisen). Nach der allgemeinen Vorschrift des
Art. 8 ZGB
hatte er ferner zu beweisen, dass er durch die pflichtwidrige Unterlassung des Beklagten 1 geschädigt worden ist und zwischen der Unterlassung und dem Schaden ein Kausalzusammenhang besteht. Das hängt vor allem davon ab, was der Kläger getan hätte und überhaupt tun konnte, wäre er pflichtgemäss aufgeklärt worden, ob er diesfalls bereit und namentlich angesichts der geschuldeten Versicherungsprämie auch willens gewesen wäre, eine Haftpflichtversicherung abzuschliessen. Selbst wenn der Schaden infolge Verletzung einer Aufklärungspflicht sich nicht konkret berechnen lässt oder gemäss
Art. 42 Abs. 2 OR
geschätzt werden muss, enthebt dies den Geschädigten nicht der Pflicht, dem Richter die Tatsachen für die Entstehung und die Höhe der behaupteten Vermögensverminderung anzugeben und dafür Beweise anzubieten (
BGE 105 II 89
E. 3 mit Hinweisen). Das angefochtene Urteil schweigt sich über die Folgen der unterbliebenen Aufklärung aus. Der Appellationshof wird daher - prozesskonforme Behauptungen und Beweisanträge vorbehalten - diese Folgen näher abklären und den Sachverhalt allenfalls ergänzen müssen. | public_law | nan | de | 1,985 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
17c20649-65ab-46e5-a9c6-10e62ff15a7d | Urteilskopf
93 I 181
21. Urteil vom 28. April 1967 i.S. Gubler gegen Wehrsteuer Rekurskommission des Kantons Zürich. | Regeste
Wehrsteuer:
1. Die Höhe der dem Beschwerdeführer auferlegten Kosten des Verfahrens vor der kantonalen Rekurskommission kann nicht mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten werden (Erw. 1).
2. Einkommen aus Erwerbstätigkeit: Fall eines Kunstmalers, der noch Bilder verkauft, nachdem er längst wegen Erkrankung zu malen aufgehört hat (Erw. 2,3). | Sachverhalt
ab Seite 181
BGE 93 I 181 S. 181
A.-
Der Beschwerdeführer Max Gubler, Kunstmaler, hält sich seit dem Jahre 1958 als Patient in einer Klinik auf. Seither hat er nicht mehr gemalt. Indessen sind zahlreiche Bilder, die er vor der Erkrankung geschaffen hatte und die in seinem
BGE 93 I 181 S. 182
Besitz geblieben waren, später für seine Rechnung verkauft worden.
B.-
Bei der Einschätzung des Beschwerdeführers für die Wehrsteuer der 13. Periode rechnete die Veranlagungsbehörde die Reinerlöse aus den in die Berechnungsjahre 1963 und 1964 fallenden Bilderverkäufen als Einkommen aus Erwerbstätigkeit gemäss Art. 21 Abs. 1 lit. a WStB an.
Der Steuerpflichtige verlangte, dass diese Erlöse nicht in die Steuerberechnung einzubeziehen seien. Die Veranlagung wurde jedoch bestätigt, zuletzt durch Entscheid der kantonalen Rekurskommission vom 28. September 1966. Die Kosten des Rekursverfahrens mit Einschluss einer Staatsgebühr wurden dem Beschwerdeführer auferlegt.
C.-
Gegen den Entscheid der Rekurskommission erhebt Max Gubler Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Er beantragt, das steuerbare Einkommen sei herabzusetzen; eventuell sei die ihm von der Rekurskommission auferlegte Staatsgebühr zu ermässigen.
Es wird geltend gemacht, der Beschwerdeführer habe seine Erwerbstätigkeit im Jahre 1958 aufgegeben, so dass er nicht mehr für ein Erwerbseinkommen besteuert werden könne. Die gegenteilige Entscheidung der Rekurskommission sei mit Art. 42 und 96 WStB nicht vereinbar. Die Reinerlöse aus den nach der Berufsaufgabe noch vorgenommenen Bilderverkäufen bildeten Kapitalgewinne, die der Beschwerdeführer mangels Buchführungspflicht nicht zu versteuern habe (Art. 21 Abs. 1 lit. d WStB).
D.-
Die kantonalen Behörden und die eidgenössische Steuerverwaltung beantragen die Abweisung der Beschwerde.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Nach Art. 111 Abs. 3 WStB wird die Höhe der von der unterliegenden Partei zu bezahlenden amtlichen Kosten des Verfahrens vor der kantonalen Rekurskommission durch das kantonale Recht bestimmt. Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann jedoch nur die Verletzung des Bundesrechts, nicht auch des kantonalen Rechts, geltend gemacht werden (
Art. 104 Abs. 1 OG
). Auf das Eventualbegehren des Beschwerdeführers, die von der Rekurskommission festgesetzte Staatsgebühr sei herabzusetzen, kann daher nicht eingetreten werden.
BGE 93 I 181 S. 183
2.
Art. 21 Abs. 1 WStB unterwirft der Wehrsteuer - von hier nicht in Betracht fallenden Ausnahmen abgesehen - das gesamte Einkommen des Steuerpflichtigen, insbesondere nach lit. a jedes Einkommen aus einer Tätigkeit, z.B. aus der Ausübung eines freien Berufes, und nach lit. d die Kapitalgewinne, die im Betriebe eines zur Führung kaufmännischer Bücher verpflichteten Unternehmens bei der Veräusserung von Vermögensstücken erzielt worden sind.
Falls die Reinerlöse aus den in den Jahren 1963 und 1964 vorgenommenen Verkäufen von Bildern des Beschwerdeführers als Kapitalgewinne zu betrachten wären, so wären sie, wie sich aus Art. 21 Abs. 1 lit. d WStB ergibt, von der Wehrsteuer befreit, da der Beschwerdeführer nicht zur Führung kaufmännischer Bücher verpflichtet ist. Sie stellen jedoch nicht Kapitalgewinne dar, sondern Einkommen aus einer Tätigkeit und sind daher nach Art. 21 Abs. 1 lit. a WStB zu versteuern.
In der Tat übt der Beschwerdeführer den freien Beruf eines Kunstmalers aus. Einkünfte aus freien Berufen werden in Art. 21 Abs. 1 lit. a WStB ausdrücklich als Beispiel des Einkommens aus einer Tätigkeit angeführt. Die Tätigkeit des Kunstmalers besteht darin, dass er Kunstwerke schafft und verkauft.
Er erzielt ein Einkommen aus dieser Berufstätigkeit in dem Zeitpunkte, in dem er den Preis für die verkauften Bilder in Rechnung stellt oder empfängt (vgl.
BGE 92 I 291
). Erst dann wird er der Steuer für Einkommen im Sinne von Art. 21 Abs. 1 lit. a WStB unterworfen. Unerheblich ist, ob er die von ihm geschaffenen Werke selbst verkauft oder, wie es der Beschwerdeführer offenbar seit seiner Hospitalisierung getan hat, für seine Rechnung durch einen Dritten verkaufen lässt.
Auch die Zeit, die zwischen der Ausführung des Kunstwerkes und seinem Verkauf verstreicht, spielt keine Rolle. Wäre die Steuer nur geschuldet, wenn diese Zwischenzeit eine bestimmte Dauer nicht überschritte, so hätte der Künstler es in der Hand, seine Berufseinkünfte, so beträchtlich sie auch wären, der Besteuerung zu entziehen. Der Wehrsteuerbeschluss lässt eine solche zeitliche Beschränkung der Besteuerung nicht zu. Er erfasst jedes Einkommen aus einer Tätigkeit in dem Zeitpunkte, in dem der Steuerpflichtige das Entgelt für die von ihm erbrachte Leistung in Rechnung stellt oder empfängt, gleichgültig, wie lange diese Leistung zurückliegt.
BGE 93 I 181 S. 184
Freilich mag es gelegentlich vorkommen, dass ein Kunstmaler ein Werk in der Absicht schafft, es in seinem Eigentum zu behalten, und es nach einigen Jahren gleichwohl verkauft. Man kann sich fragen, ob er in diesem Falle einen Kapitalgewinn aus der Veräusserung eines Vermögensstückes im Sinne von Art. 21 Abs. 1 lit. d WStB erziele. Wie es sich damit verhalte, kann indessen hier offen gelassen werden; denn der Beschwerdeführer behauptet nicht, dass die in den Jahren 1963 und 1964 verkauften Bilder ursprünglich dazu bestimmt gewesen seien, sein Eigentum zu bleiben, und dies ist auch nicht wahrscheinlich, da er - nach seiner eigenen Darstellung - zur Zeit seiner Erkrankung noch arm und deshalb auf den Verkauf seiner Bilder angewiesen war. Die Reinerlöse aus den in jenen Jahren vorgenommenen Verkäufen sind samt und sonders als Einkommen aus einer Tätigkeit zu betrachten und unterliegen daher der Wehrsteuer.
Ob auf den Zeitpunkt der Rechnungsstellung oder der Bezahlung abzustellen sei, kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben. Mangels entegegenstehender Umstände ist anzunehmen, dass hier diese beiden Zeitpunkte zusammenfallen oder zum mindesten in die Berechnungsperiode 1963/64 fallen.
3.
Der Beschwerdeführer beruft sich zu Unrecht auf Art. 42 und 96 WStB. Die beiden Bestimmungen betreffen den Fall, wo sich das Einkommen aus bestimmten Gründen, insbesondere wegen Aufgabe der Erwerbstätigkeit, im Laufe der Berechnungsperiode (Art. 42) oder der Veranlagungsperiode (Art. 96) dauernd verändert hat; trifft dies zu, so ist für die Zeit nach der Veränderung auf die neuen Einkommensverhältnisse abzustellen. Hier ist offensichtlich weder die eine noch die andere Bestimmung anwendbar. Der Beschwerdeführer hat seine Erwerbstätigkeit nicht aufgegeben; wenn er auch seit dem Jahre 1958 keine neuen Werke mehr geschaffen hat, so werden doch seine Bilder weiterhin verkauft. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass sein Einkommen sich in den massgebenden Zeiträumen dauernd verändert habe. Im Gegenteil ist nach den gegebenen Umständen anzunehmen, dass der Verkauf seiner Bilder bis zur Erschöpfung der verfügbaren Bestände fortgesetzt werden wird.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. | public_law | nan | de | 1,967 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
17c9d557-a470-4cc7-9f5a-74605dce661f | Urteilskopf
94 I 224
34. Extrait de l'arrêt du 18 juin 1968 dans la cause X. contre Conseil d'Etat du canton du Valais. | Regeste
Art. 4 und 31 BV
. Apothekergewerbe.
Die Kantone können die Ausübung wissenschaftlicher Berufsarten ausser vom Ausweis der fachlichen Befähigung von weiteren polizeilichen Anforderungen abhängig machen (Bestätigung der Rechtsprechung) (Erw. 2).
Handelt eine kantonale Behörde willkürlich, wenn sie sich darauf beschränkt, in ihrer Entscheidung die tatsächlichen Feststellungen, die in von ihr eingeholten Amtsberichten enthalten sind, kurz zusammenzufassen? Frage für den vorliegenden Fall verneint (Erw. 3).
Es kann ohne Willkür angenommen werden, dass ein Apotheker, der sich aus seiner Apotheke sehr häufig entfernt, ohne sich durch einen diplomierten Kollegen vertreten zu lassen, seine beruflichen Pflichten schwer vernachlässigt (Erw. 4). | Sachverhalt
ab Seite 225
BGE 94 I 224 S. 225
Résumé des faits
A.-
Titulaire du diplôme fédéral de pharmacien, X. a dirigé une pharmacie à Fribourg; depuis 1957, il est établi comme pharmacien dans une localité valaisanne. Dès 1959, il fit l'objet de plaintes. On lui reprochait d'être constamment absent de son officine. Le Service de la santé publique lui fit savoir, par lettre du 11 septembre 1959, qu'il ne pouvait pas tolérer cette situation. A la fin de 1961 ou au début de 1962, le même service effectua un contrôle sans trouver X., qui fut invité, par lettre du 29 janvier 1962, à prendre les mesures nécessaires pour mettre fin à ses trop fréquentes absences et au désordre général qui régnait dans ses locaux. Lors d'une nouvelle inspection, au printemps 1962, on constata qu'il y avait toujours du désordre et que le contrôle des stupéfiants était insuffisant. Par lettre
BGE 94 I 224 S. 226
du 25 avril, X. fut invité une fois encore à y mettre bon ordre. Au printemps 1964, un médecin genevois en séjour dans la localité se plaignit au médecin cantonal de la façon dont la pharmacie X. était tenue.
A la suite de nouvelles plaintes, le chef du Département de la santé publique enjoignit à X., par lettre du 23 décembre 1966, de s'assurer immédiatement la collaboration d'un pharmacien diplômé. Envisageant la possibilité d'un retrait de l'autorisation de pratiquer, il requit, à fin décembre 1966, le Conseil de santé et la Chambre des professions médicales de formuler leur préavis, au sens de l'art. 23 de la loi sur la santé publique, du 18 novembre 1961 (LSP).
Le 11 mars 1967, le Conseil de santé proposa que l'autorisation délivrée à X. lui fût retirée "jusqu'à sa réhabilitation sociale". Le 17 juillet 1967, la Chambre des professions médicales - qui avait donné à X. l'occasion de déposer un mémoire et d'offrir des preuves - prononça contre lui une réprimande sévère et proposa au Conseil d'Etat de lui retirer l'autorisation de pratiquer jusqu'au 30 mai 1969. Elle admit que X. s'était fort peu soucié de la direction effective de son exploitation, qu'il négligeait de la tenir en ordre et qu'il s'adonnait à l'alcool, toutes choses qui portaient atteinte à sa dignité professionnelle.
Se fondant sur ces deux préavis, le Conseil d'Etat du canton du Valais, par décision du 20 octobre 1967, retira à X. l'autorisation d'exploiter une pharmacie sur le territoire du canton, du 30 novembre 1967 au 30 mai 1969.
B.-
X. a déposé contre cette décision un recours de droit public. Invoquant les art. 4, 31 et 33 Cst, il conclut à son annulation.
Le Tribunal fédéral a rejeté le recours.
Erwägungen
Extrait des motifs:
2.
De jurisprudence constante, les professions libérales - au nombre desquelles figure celle de pharmacien - jouissent de la protection de l'art. 31 Cst. (RO 93 I 521, 91 I 460, 83 I 253, 79 I 121). Les restrictions que le droit cantonal peut apporter à la liberté constitutionnelle se limitent aux mesures de police justifiées par l'intérêt public. Il est ainsi admis que les cantons peuvent faire dépendre l'octroi de l'autorisation de pratiquer non seulement de la preuve des capacités professionnelles du requérant (art. 33 Cst.), mais encore d'autres qualités personnelles.
BGE 94 I 224 S. 227
Ils peuvent notamment exiger que le requérant jouisse d'une bonne réputation, qu'il ait l'exercice des droits civiques, qu'il soit un homme honorable et digne de confiance (RO 83 I 254). Ces restrictions doivent toutefois se limiter à ce qui est nécessaire pour garantir l'ordre, la santé et la moralité publics, ainsi que le maintien de relations de confiance avec le public (même arrêt). Des motifs de politique économique ne suffisent pas à les justifier (RO 91 I 308; 462 et les arrêts cités). Dans le cas particulier du pharmacien, les conditions posées par le droit cantonal ne doivent pas excéder ce qu'exigent la protection du public à l'égard de personnes incapables ou négligeant leurs devoirs professionnels et le maintien de la confiance que le public témoigne généralement aux membres de la profession.
Comme le relève avec raison le recourant, le Tribunal fédéral examine librement si la décision attaquée méconnaît la garantie constitutionnelle de la liberté du commerce et de l'industrie, mais ne revoit que sous l'angle restreint de l'arbitraire les constatations de fait de l'autorité cantonale et l'interprétation qu'elle donne du droit cantonal (RO 79 I 122 et les arrêts cités).
3.
La décision attaquée se réfère aux résultats de l'enquête ordonnée par le chef du Département de justice, police et santé publique, à un rapport de police du 16 janvier 1967, ainsi qu'aux préavis du Conseil de santé et de la Chambre des professions médicales. Selon le Conseil d'Etat, il résulte notamment de ces enquête, rapport et préavis que le recourant était fréquemment absent de sa pharmacie et qu'il a commis des négligences graves et répétées dans son exploitation. Encore que les faits considérés comme établis ne soient pas indiqués dans le détail, ces constatations succinctes apparaissent fondées. Dès 1959 en effet, des plaintes se sont fait entendre au sujet des absences trop fréquentes du recourant. Plusieurs témoins entendus dans l'enquête de la Chambre des professions médicales ont confirmé que X. n'a pas modifié son comportement par la suite. Le même grief a été évoqué à plusieurs reprises dans les séances de la Société valaisanne de pharmacie, où l'on a ajouté que le comportement de X. portait atteinte à la considération de la profession. Dans son préavis, établi après une enquête approfondie, la Chambre des professions médicales constate que X. s'est voué beaucoup plus à des occupations accessoires, notamment au commerce de terrains, qu'à sa pharmacie, sans veiller à ce que celle-ci soit tenue en son absence par un confrère
BGE 94 I 224 S. 228
diplômé, jusqu'au moment où le chef du Département de la santé publique lui a enjoint de le faire; elle constate encore qu'un désordre inadmissible régnait dans l'officine, que le contrôle des stupéfiants n'était pas tenu avec exactitude et que les livraisons étaient souvent effectuées avec retard. Enfin, l'ensemble des preuves recueillies permet de conclure à l'intempérance du recourant.
Les objections présentées par celui-ci à l'encontre des constatations de fait du Conseil d'Etat ne suffisent pas à les faire paraître insoutenables. Si certains faits relevés dans l'enquête du Service de la santé publique sont dénaturés, voire totalement inexacts, ils sont pour la plupart sans intérêt pour la cause. Ainsi en va-t-il des relations entre les époux X. et des indications personnelles relatives aux employés de la pharmacie. Si c'est bien à tort que l'on a tout d'abord attribué des conséquences graves à une confusion de médicaments faite par dame X., la Chambre des professions médicales a rendu sa réelle importance à cette affaire. Rien n'indique que le Conseil d'Etat aurait négligé de tenir compte de la rectification, que le préavis met particulièrement en évidence. Au reste, les conséquences de la confusion ne sont pas déterminantes. En revanche, le recourant est malvenu à contester qu'il ait reçu des avertissements sérieux. Le Service de la santé publique lui a écrit les 11 septembre 1959, 29 janvier 1962 et 25 avril 1962 des lettres lui enjoignant de réformer son comportement. De plus, le 21 septembre 1959, la Société valaisanne de pharmacie lui a signalé qu'à dire de tiers, il n'exploitait pas personnellement son officine et qu'aucun pharmacien diplômé ne s'y trouvait; elle l'a engagé à faire en sorte que ces reproches ne puissent plus lui être adressés.
Le recourant relève une contradiction entre la décision attaquée et le préavis de la Chambre des professions médicales. Alors que le Conseil d'Etat lui reproche des "négligences graves", la chambre constate au contraire "qu'il n'est pas établi qu'il ait commis des négligences graves dans l'exercice de sa profession". Ces citations sont exactes. Mais la chambre ajoute que pratiquement X. n'exerce plus ou presque plus sa profession. La contradiction provient essentiellement d'une conception différente de la notion de "négligences graves". La chambre considère comme telles les fautes grossières commises dans l'exercice même du travail professionnel, tandis que
BGE 94 I 224 S. 229
le Conseil d'Etat entend par là l'infidélité habituelle aux devoirs d'état. Il s'agit donc moins d'une divergence dans les constatations de fait que d'une interprétation juridique différente de faits identiques, soit d'une question de droit, qu'il y aura lieu d'examiner encore.
L'autorité cantonale jouit d'une large indépendance dans l'appréciation des preuves. La chambre de céans n'intervient que si les constatations de fait sont évidemment fausses ou arbitraires ou reposent sur une inadvertance manifeste (RO 83 I 9). Vu l'instruction complète et le préavis détaillé de la Chambre des professions médicales, vu aussi les enquêtes du Service de la santé publique et de la police, le Conseil d'Etat n'était pas tenu de reproduire en détail le résultat de l'administration des preuves. Ses constatations de fait succinctes n'apparaissent pas manifestement insoutenables au sens de la jurisprudence, malgré les objections du recourant. Il est notamment sans conséquence que X., dont le comportement habituel est inadmissible, se soit occasionnellement montré bon pharmacien. Sur ce point, le recours est mal fondé.
4.
En droit, le Conseil d'Etat fonde sa décision sur les art. 22 et 23 LSP. Aux termes de la première de ces dispositions, l'autorisation de pratiquer peut être refusée:
"a) à toute personne condamnée pour des contraventions graves ou répétées aux lois et règlements sur l'exercice des professions médicales, ainsi qu'à celles qui sont convaincues d'indignité d'ordre professionnel ou personnel;
b) à celles qui ne jouiraient pas de la plénitude de leurs droits civils;
c) à celles qui présenteraient des tares physiques ou psychiques incompatibles avec l'exercice de leur profession."
Quant à l'art. 23, il dispose:
"L'autorisation de pratiquer peut être retirée par le Conseil d'Etat en tout temps, à titre temporaire ou définitif, pour l'un des motifs mentionnés à l'art. 22 ci-dessus. Elle peut aussi être retirée dans les cas où l'intéressé a fait preuve d'incapacité ou de négligence grave dans l'exercice de sa profession;..."
X.
conteste qu'aucune des conditions légales du retrait soit remplie.
Selon l'art. 47 LSP, le pharmacien est tenu d'assurer personnellement la surveillance de l'exploitation. Il n'est pas douteux
BGE 94 I 224 S. 230
qu'avant l'entrée en vigueur de la loi (1er janvier 1963) le pharmacien avait déjà le devoir de diriger et de surveiller lui-même l'exploitation de son officine, quand bien même l'ancien règlement du 26 août 1942 sur la profession des pharmaciens, des droguistes etc. prévoyait seulement, en son art. 4, que "l'autorisation de diriger et d'exploiter une pharmacie est personnelle". La responsabilité qui incombe au pharmacien n'autorise pas d'autre interprétation. S'il est moins souvent qu'autrefois appelé à préparer lui-même des remèdes, en raison de la multiplication des spécialités élaborées par l'industrie, le pharmacien conserve un rôle de premier plan dans la sauvegarde de la santé publique. Il lui incombe de conseiller ses clients dans le choix des nombreux produits qui s'obtiennent sans ordonnance médicale. Il a même le devoir, contre son propre intérêt matériel, d'empêcher l'abus des médicaments. De toute évidence, il n'a pas le droit de se décharger habituellement de ces soins sur des employés qui ne sont pas eux-mêmes pharmaciens. Sans doute n'est-il pas absolument indispensable qu'il se trouve sans interruption aucune dans son officine durant toute la durée d'ouverture de celle-ci. Mais le pharmacien qui s'absente très souvent et abandonne la direction de sa pharmacie à des personnes non diplômées manque à ses devoirs. Le Conseil d'Etat n'a donc pas interprété arbitrairement l'art. 23 LSP en admettant que par son comportement le recourant avait fait preuve de négligence grave dans l'exercice de sa profession. Il y a au contraire de bonnes raisons d'adresser ce reproche non seulement au pharmacien qui n'apporte pas tout le soin voulu à son travail, mais aussi à celui qui n'exerce pas régulièrement dans son exploitation l'activité dirigeante qui lui est prescrite dans l'intérêt de la santé publique. L'avis divergent exprimé par la Chambre des professions médicales repose sur une conception différente de la négligence, qui ne mérite pas d'être préférée à celle du Conseil d'Etat. Au reste, dans le préavis qu'elle a déposé à propos de la requête de reconsidération de X., la chambre s'est ralliée à l'opinion du gouvernement.
Dès lors que le Conseil d'Etat pouvait sans arbitraire interpréter le comportement du recourant comme une négligence grave dans l'exercice de sa profession, le moyen pris de la violation du droit cantonal est mal fondé. Il n'est donc pas nécessaire de rechercher si X. a été convaincu d'indignité d'ordre professionnel... | public_law | nan | fr | 1,968 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
17ca1952-e1e8-4074-941e-982cc0da93ad | Urteilskopf
92 II 342
51. Arrêt de la IIe Cour civile du 9 décembre 1966 dans la cause La Bâloise, Compagnie d'assurance sur la vie SA contre SA des Minoteries de Plainpalais. | Regeste
Versicherung auf fremdes Leben. Anzeigepflicht beim Vertragsabschluss. Verletzung dieser Pflicht.
Art. 4, 6 und 74 Abs. 3 VVG
.
1. Form der Vereinbarung, wonach die Verletzung der Anzeigepflicht durch die Person, auf deren Leben die Versicherung abgeschlossen wurde, dem Versicherungsnehmer entgegengehalten werden kann und dem Versicherer den Rücktritt vom Vertrag erlaubt (Erw. 1a). Auslegung der Bestimmungen des Versicherungsantrages nach den Regeln von Treu und Glauben und nach dem sog. Vertrauensprinzip (Erw. 1 b und c).
2. Tragweite der Verletzung der Anzeigepflicht, welche die zu versichernde Person bei der Beantwortung der schriftlichen Fragen begangen hat, die nicht im Versicherungsantrag selbst, sondern in dem davon getrennten gedruckten Formular für den Bericht über die ärztliche Untersuchung stehen (Erw. 2).
3. Fall der Verletzung der Anzeigepflicht durch die zu versichernde Person mit Bezug auf ihren Gesundheitszustand (Erw. 3).
4. Im Sinne von
Art. 4 VVG
sind alle Tatsachen erheblich, die geeignet sind, die Beurteilung der Gefahr durch den Versicherer zu beeinflussen. Es kommt nicht darauf an, ob diese Tatsachen mit dem Schaden, z.B. mit dem Tode des Versicherten, in ursächlichem Zusammenhang stehen (Erw. 4).
Dem Anspruchsberechtigten bleibt der Nachweis offen, dass der Versicherer, wenn ihm die von der zu versichernden Person verschwiegenen oder ungenau oder unvollständig angezeigten Tatsachen bekannt gewesen wären, den Vertrag gleichwohl zu den vereinbarten Bedingungen abgeschlossen hätte. Wann ist dieser Beweis geleistet? (Erw. 5).
5. Wirkungen der Auflösung des Vertrages durch den Versicherer, wenn die Versicherung keinen Rückkaufswert hat (Erw. 6). | Sachverhalt
ab Seite 343
BGE 92 II 342 S. 343
Résumé des faits:
A.-
La société anonyme des Minoteries de Plainpalais (ci-après: les Minoteries de Plainpalais), à Genève, a conclu avec la Compagnie d'assurance sur la vie La Bâloise SA (ci-après: La Bâloise), selon police du 29 décembre 1958, un contrat d'assurance temporaire en cas de décès au capital
BGE 92 II 342 S. 344
initial de 45 000 fr. sur la tête de X. La durée de l'assurance était de quinze ans. Fixée à 45 000 fr. en cas de décès de X. entre le 15 décembre 1958 et le 15 décembre 1959, la somme assurée se réduisait de 3000 fr. chaque année et n'était plus que de 3000 fr. si la mort survenait du 15 décembre 1972 au 15 décembre 1973. L'assurance était destinée à garantir un prêt de 45 000 fr. que les Minoteries de Plainpalais avaient consenti à une société anonyme dont X. était l'administrateur et pour laquelle il s'était porté personnellement garant.
La proposition d'assurance du 8 décembre 1958 a été signée par les Minoteries de Plainpalais comme proposant et par X. comme personne à assurer. Elle contient des questions écrites numérotées et groupées par matières. Les questions 13 à 22 se rapportent à l'état de santé de la personne à assurer. La proposition mentionne qu'il est indispensable d'y répondre si aucun examen médical n'est prévu.
En l'espèce, un examen médical a été effectué le 10 décembre 1958 par le médecin délégué de La Bâloise, qui a rempli les rubriques d'une formule ad hoc. X. a apposé sa signature au pied du rapport d'examen médical, certifiant ainsi, selon une mention imprimée, qu'il avait répondu sincèrement aux questions et n'avait rien dissimulé au médecin.
Le 30 janvier 1959, X. a été opéré d'une appendicite chronique par le Dr K. A cette occasion, le chirurgien a constaté un petit diverticule de Meckel (malformation intestinale ayant le caractère d'un reliquat embryonnaire et constituée par un petit sac abouché sur l'intestin grêle) et l'a enlevé. Le 3 février 1959, X. a subi une seconde intervention pour une occlusion intestinale. Il est décédé le 9 février 1959.
Par lettre recommandée du 11 mars 1959, La Bâloise a signifié aux Minoteries de Plainpalais la résolution du contrat, en vertu de l'art. 6 LCA. Elle affirmait que X. avait répondu inexactement à certaines questions lors de l'examen médical, taisant qu'il avait été examiné et traité en automne 1958 et qu'à ce moment on avait supposé une appendicite chronique. La police n'ayant pas de valeur de rachat, la compagnie d'assurance a refusé toute prestation.
B.-
Les Minoteries de Plainpalais ont actionné La Bâloise devant le Tribunal de première instance de Genève, par exploit du 5 octobre 1959, en paiement de la somme assurée, savoir 45 000 fr. Elles prétendaient que X. avait été de bonne foi en
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n'annonçant pas au médecin examinateur certains malaises épigastriques passés, auxquels il n'avait attaché que peu d'importance; au surplus, disaient-elles, les faits tus étaient sans influence sur l'estimation du risque; enfin, il n'y avait pas de rapport de causalité entre les troubles incriminés et le décès, lequel était dû à des complications postopératoires.
La Bâloise a conclu au rejet de la demande, se prévalant des réticences commises par X. lors de l'examen médical.
L'instruction de la cause a établi qu'à partir de 1952, X. avait consulté plusieurs médecins pour des troubles gastriques et des douleurs intestinales, ainsi que de la constipation. En novembre 1958, il avait subi un examen radiologique (transit baryté) sur le conseil du Dr K. Celui-ci avait communiqué le résultat au patient le 14 novembre, le rassurant sur son état, mais relevant que la suspicion d'appendicite chronique était confirmée et que, si les douleurs devenaient plus fortes, il faudrait enlever l'appendice; l'intervention n'était toutefois pas urgente. X. a consulté à nouveau le Dr K. le 28 janvier 1959, sans se plaindre de nouvelles douleurs, mais en lui disant qu'il avait le temps de se soumettre à l'opération de l'appendicite. L'intervention a été pratiquée le 30 janvier. Elle a permis de constater une appendicite neurogène. Le 2 février, X. a présenté des signes d'occlusion intestinale. Il a été opéré le lendemain. Il a été atteint d'une intoxication grave le 8 février, dont il est décédé le 9 février. L'occlusion intestinale provenait d'une torsion du mésentère et elle avait été à l'origine de l'intoxication.
Le Tribunal de première instance a ordonné une expertise médicale. Dans leur rapport, les trois experts médecins expliquent notamment que l'appendicite chronique ne présente ni le danger imminent ni l'impérieuse nécessité opératoire de l'appendicite aiguë; à leur avis, le risque est faible qu'elle se transforme en une appendicite aiguë; ils indiquent d'autre part qu'il est habituel de rassurer le patient qui est atteint d'une appendicite chronique; ils n'ont jamais vu, disent-ils, qu'une appendicite chronique ait motivé le refus d'une proposition d'assurance sur la vie ni même l'exigence d'une surprime; selon les experts, il est très probable que l'ablation du diverticule de Meckel (qu'on enlève, suivant la pratique courante, quand on en constate l'existence lors d'une appendicectomie) est responsable de l'occlusion intestinale qui a entraîné la mort.
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Par jugement du 20 janvier 1965, le Tribunal de première instance a accueilli l'action des Minoteries de Plainpalais et condamné La Bâloise à leur payer la somme de 45 000 fr. avec intérêt. Il a admis que, dans les réponses données, à l'occasion de l'examen médical, au questionnaire écrit de La Bâloise, X. avait commis des réticences; il a jugé que ces réticences n'étaient cependant pas opposables à la demanderesse, pour le motif que ni la police ni les conditions générales d'assurance ne contenaient de convention, au sens de l'art. 74 al. 3 LCA, prévoyant le droit de La Bâloise de se départir du contrat pour cause de réticence du tiers sur la tête duquel l'assurance était faite.
C.-
Saisie d'un appel de La Bâloise, la Première Chambre de la Cour de justice du canton de Genève, par arrêt du 20 mai 1966, a confirmé le jugement de première instance. Elle a considéré que la réticence de X. aurait été opposable aux Minoteries de Plainpalais si elle avait affecté les réponses données sur la proposition d'assurance elle-même, mais demeurait sans effet à leur égard, du moment qu'elle se rapportait à des questions figurant dans le rapport d'examen médical.
D.-
La Bâloise recourt en réforme au Tribunal fédéral. Elle reprend ses conclusions libératoires.
Les Minoteries de Plainpalais concluent au rejet du recours.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
a) L'art. 4 LCA oblige le proposant à déclarer par écrit à l'assureur, en réponse aux questions écrites de celui-ci, tous les faits qu'il connaît ou doit connaître lors de la conclusion du contrat et qui sont de nature à influer sur la décision de l'assureur de conclure le contrat ou de le conclure aux conditions proposées. Selon l'art. 6 LCA, si la personne tenue de faire une pareille déclaration a passé sous silence ou déclaré inexactement un fait important visé par l'art. 4, cette réticence autorise l'assureur à se départir du contrat dans les quatre semaines à partir du moment où il en a eu connaissance. Cette disposition ne peut pas être modifiée par convention au détriment du preneur d'assurance ou de l'ayant droit (art. 98 LCA).
L'assurance au décès d'autrui n'est valable que si la personne sur la tête de qui l'assurance est conclue a donné son consentement par écrit avant la conclusion du contrat (art. 74 al. 1 LCA). Les parties sont libres de convenir que la disposition de
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l'art. 6 LCA s'appliquera également lorsque la réticence a été commise non par le preneur d'assurance, mais par celui sur la tête de qui l'assurance au décès est faite (art. 74 al. 3 LCA). La loi ne prescrit aucune forme spéciale pour cette convention facultative. Elle n'exige pas une référence expresse à l'art. 6 LCA - qui aurait le mérite de dissiper toute équivoque - ni même le rappel du droit, que la réticence confère à l'assureur, de se départir du contrat. Il suffit que la formule de proposition d'assurance ou le questionnaire écrit de l'assureur, ou encore les conditions générales d'assurance renferment une clause disposant que le preneur répond de l'exactitude des déclarations faites par l'assuré (ROELLI-JAEGER, n. 31 ad. art. 74 LCA). En apposant sa signature au pied de la proposition, le preneur accepte cette clause et la convention visée à l'art. 74 al. 3 LCA est ainsi conclue.
b) En l'espèce, ni la police ni les conditions générales ne contiennent de disposition prévoyant que les réticences de la personne sur la tête de laquelle l'assurance au décès est faite sont opposables au preneur et que l'assureur peut se départir du contrat pour de telles réticences. La proposition d'assurance, en revanche, porte en tête la mention, qualifiée d'importante: "Il doit être donné une réponse véridique et complète à chacune des questions suivantes, sans employer des traits ou autres signes à la place de mots. Le proposant est responsable des réponses fausses ou incomplètes, même si un représentant de La Bâloise ou une autre personne inscrit les réponses des signataires ...". Au pied du questionnaire auquel la personne à assurer doit répondre figure la mention: "La personne à assurer déclare avoir répondu d'une façon véridique et complète aux questions ci-devant. En cas de fausses déclarations les obligations de La Bâloise se bornent au paiement de la valeur de rachat". Les Minoteries de Plainpalais ont accepté ces clauses en apposant leur signature sur le document, en leur qualité de proposant. La recourante affirme qu'en souscrivant ces clauses, les parties sont convenues, au sens de l'art. 74 al. 3 LCA, que l'art. 6 LCA s'appliquerait aussi si X., sur la tête de qui l'assurance était conclue, avait commis une réticence. L'intimée le conteste.
c) L'interprétation objective des déclarations de volonté faites par les parties lors de la conclusion d'une convention régie par le droit fédéral - comme le contrat d'assurance - est
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une question de droit que le Tribunal fédéral revoit librement, en vertu de l'art. 43 OJ (cf. RO 87 II 94 et les arrêts cités: RO 83 II 403, 77 III 3, 77 II 173, 69 II 319 ss.).
La jurisprudence interprète les déclarations de volonté à l'aide du principe dit de la confiance. Elle s'efforce de rétablir le sens que, selon les règles de la bonne foi, chacune des parties contractantes pouvait raisonnablement prêter aux déclarations de l'autre (RO 87 II 95, 82 II 453, 81 II 363, 80 II 31 s., 69 II 322). Elle a déduit du principe dit de la confiance qu'en matière de contrats conclus sur la base d'une formule préparée d'avance par l'un des contractants, les clauses peu claires doivent être interprétées contre la partie qui les a rédigées. Cette régle s'applique en particulier au contrat d'assurance: lorsqu'une disposition conventionnelle rédigée par l'assureur ne dit pas clairement ce qu'elle vise et que l'on peut de bonne foi la comprendre de différentes façons, elle doit être interprétée en faveur du bénéficiaire et au détriment de l'assureur (RO 87 II 95 s., 85 II 350, 82 II 452, 81 II 159, 50 II 543, 48 II 246, 45 II 456, 40 II 552 s.).
La première phrase de la clause imprimée en tête de la formule préparée par la recourante oblige le preneur ou la personne à assurer à répondre d'une manière véridique et complète aux questions écrites de l'assureur. Elle ne précise pas les conséquences d'une réponse inexacte. La seconde phrase déclare le proposant responsable des réponses fausses ou incomplètes, même si un représentant de La Bâloise ou une autre personne inscrit les réponses des signataires au questionnaire. Cette mention devait être comprise raisonnablement par l'intimée en ce sens que les réponses transcrites par un tiers sur la formule imprimée font pleinement foi à l'égard des signataires, lesquels ne sauraient prétendre que leurs déclarations n'ont pas été reproduites exactement.
Dans la clause figurant au pied du questionnaire, la première phrase signifie qu'en signant la proposition d'assurance, la personne à assurer certifie qu'elle a répondu de façon véridique et complète aux questions qui précèdent. La seconde phrase énonce la sanction contractuelle en cas de fausses déclarations de la personne à assurer. Les obligations de La Bâloise se bornent alors au paiement de la valeur de rachat. Acceptée par l'intimée qui a signé la proposition, cette clause signifie - sans le dire expressément - que les réticences de la personne à
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assurer permettent à l'assureur de se départir du contrat en vertu de l'art. 6 LCA. Les obligations de l'assureur se limitent alors au paiement de la valeur de rachat, selon la prescription de l'art. 25 al. 4 LCA, qui se réfère à l'art. 90 al. 2 LCA. Il est vrai que la clause en question ne dit rien des effets de la réticence de la personne à assurer lorsque l'assurance n'a pas de valeur de rachat. Mais il s'agit des conséquences de la résolution du contrat par l'assureur, non du droit de se départir du contrat. S'il n'y a pas de valeur de rachat, on s'en tient à la règle posée à l'art. 6 LCA, selon laquelle l'assureur qui a résolu le contrat dans les quatre semaines à partir du moment où il a eu connaissance de la réticence n'est pas lié par ce contrat. Il ne doit alors aucune prestation.
Interprétée objectivement, selon les règles de la bonne foi, la clause relative aux conséquences de fausses déclarations de la personne à assurer ne peut signifier qu'une chose: une pareille réticence est opposable au preneur d'assurance et permet à l'assureur de se départir du contrat en vertu de l'art. 6 LCA. Dépourvue d'ambiguïté, elle ne saurait être interprétée contre la partie qui l'a rédigée. Elle constitue dès lors la convention prévue à l'art. 74 al. 3 LCA.
2.
La Cour de justice limite cependant le droit de l'assureur de résoudre le contrat aux seules réticences que la personne à assurer aurait commises en répondant aux questions énoncées dans la proposition d'assurance elle-même. Les juges cantonaux en excluent les réponses données lors de l'examen médical, transcrites sur un document distinct par le médecin délégué de l'assureur. Mais leur opinion repose sur une interprétation purement grammaticale des textes, qui ne saurait être admise. Les termes "questions suivantes" et "questions ci-devant" qui figurent dans la proposition se rapportent certes, en premier lieu, aux questions écrites énoncées dans ce document. Lorsque l'assurance est conclue sans examen médical, toutes les réponses de la personne à assurer sont en effet transcrites dans la proposition elle-même. En revanche, lorsqu'un examen médical est prévu, la personne à assurer ne répond pas aux questions 13 à 22 de la proposition, qui sont remplacées par les questions posées dans le rapport du médecin examinateur, lequel inscrit les réponses au moment où il examine la personne à assurer. Dans l'un et l'autre cas, les questions concernent les déclarations que la personne à assurer doit faire sur des points relatifs à son état
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de santé. L'examen médical est prévu pour les assurances sur la vie d'une certaine importance; il en est fait abstraction lorsque les prestations de l'assureur sont relativement modiques (cf. KOENIG, Schweizerisches Privatversicherungsrecht, 2e éd., p. 62 et 335). Dès lors, si les réticences de la personne à assurer sur des questions concernant son état de santé sont opposables au preneur lorsqu'elles sont commises dans les réponses transcrites sur une proposition d'assurance sans examen médical, elles doivent l'être à plus forte raison lorsque l'examen médical est requis par l'assureur et que les réponses inexactes de la personne à assurer sont faites au médecin délégué qui procède à cet examen. Peu importe à cet égard que l'examen médical soit postérieur à la signature de la proposition d'assurance (en l'espèce, celle-ci a eu lieu le 8 décembre 1958, celui-là le 10 décembre). C'est précisément parce qu'un examen médical ultérieur est prévu que la personne à assurer est dispensée de répondre aux questions de la proposition relatives à son état de santé.
Dans une cause où le proposant était lui-même assuré, le Tribunal fédéral a jugé que son obligation de déclarer d'une façon véridique les faits importants qui lui étaient ou devaient lui être connus lors de la conclusion du contrat n'était pas limitée aux questions posées dans la formule de proposition; la loi exige seulement que les questions soient posées par écrit et n'empêche pas de les grouper en deux catégories, les unes touchant l'assurance et figurant dans la proposition elle-même, les autres, de nature médicale par exemple, dans un questionnaire distinct (RO 47 II 481). La même solution doit être adoptée lorsque, comme en l'espèce, le proposant et celui sur la tête de qui l'assurance est conclue sont deux personnes différentes et qu'il incombe à la seconde de faire des déclarations exactes et complètes en réponse aux questions écrites de l'assureur.
3.
(Résumé). Il résulte des faits constatés par la juridiction cantonale que X. a commis des réticences en répondant aux questions écrites de la formule d'examen médical concernant son état de santé, ses maladies antérieures, les traitements qu'il avait suivis et les médecins qu'il avait consultés.
Invité à dire s'il se considérait comme étant en parfaite santé, X. a répondu par l'affirmative. Il avait certes recueilli des déclarations rassurantes de la part des médecins qui l'avaient soigné ou examiné dans les mois ou les semaines qui précédaient
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la signature de la proposition d'assurance et l'examen médical. Il n'en avait pas moins consulté, en novembre 1958, le Dr K. pour des douleurs intestinales et de la constipation; un transit baryté avait alors confirmé l'existence d'une appendicite chronique dont l'opération, à la vérité non pressante, avait été envisagée. S'il avait répondu d'une façon exacte et complète aux autres questions, sa réponse affirmative sur ce point pourrait être regardée comme véridique en ce sens qu'il se considérait comme étant en parfaite santé sous réserve des autres renseignements fournis (cf. RO 75 II 162, consid. 1). Mais il a précisément tu ou déclaré inexactement des faits importants touchant son état de santé, qu'il était obligé de déclarer.
Au médecin délégué de La Bâloise qui lui demandait s'il souffrait ou avait souffert, notamment, de crampes d'estomac ou des intestins, de troubles digestifs habituels ou fréquents, d'appendicite ou d'autres maladies du tube digestif, X. a répondu purement et simplement par la négative. Il avait cependant consulté, en 1952, 1955 et 1958 les Dr D., H., R. et K. pour des douleurs épigastriques, des troubles digestifs avec douleurs de tout le cadre colique et de l'estomac, de la constipation accompagnée de douleurs de l'abdomen dans la région du côlon; en outre, le Dr K. avait diagnostiqué d'une manière certaine, sur la base d'une radiographie, une appendicite chronique, un mois environ avant la signature de la proposition d'assurance et l'examen médical. Assurément, des consultations médicales provoquées par des troubles isolés de la santé, comme cela peut arriver occasionnellement à chacun, ne constituent pas des faits importants même si leurs dénominations médicales figurent dans le questionnaire de l'assureur (cf. RO 75 II 163, 72 II 130). Toutefois, X. ne pouvait pas taire, en décembre 1958, les troubles gastriques et intestinaux dont il avait souffert à plusieurs reprises au cours des années précédentes et qu'il ressentait encore quelques semaines avant l'examen médical. Surtout, il ne pouvait passer sous silence l'appendicite chronique diagnostiquée à mi-novembre 1958 et dont l'opération éventuelle avait été évoquée, sans qu'elle fût certes pressante ni ne s'imposât impérieusement.
Comme dernier médecin qui l'avait conseillé ou soigné, X. a indiqué le Dr R. qu'il avait consulté plusieurs mois auparavant et il a tu qu'il avait été examiné quelques semaines plus tôt par
BGE 92 II 342 S. 352
le Dr K., lequel avait diagnostiqué l'appendicite chronique déjà mentionnée.
4.
Selon la jurisprudence (RO 47 II 482), l'importance des faits qui doivent être déclarés ne dépend pas de leur rapport de cause à effet avec le dommage, en l'espèce le décès de X. L'art. 4 al. 2 LCA qualifie d'importants "tous les faits de nature à influer sur la détermination de l'assureur de conclure le contrat ou de le conclure aux conditions convenues". En d'autres termes, est importante toute circonstance propre à influer sur l'appréciation du risque et à le faire apparaître plus grand aux yeux de l'assureur, sans qu'il importe que le fait tu ou faussement déclaré ait par la suite joué un rôle effectif dans la survenance du dommage (arrêt cité). On peut dès lors se dispenser d'examiner s'il y a en l'espèce un rapport de causalité entre les faits importants tus par X. et son décès. La juridiction cantonale relève d'ailleurs que l'assuré est mort des complications qui se sont produites à la suite de l'opération de l'appendicite dont le Dr K. lui avait parlé; selon l'avis des experts dont l'arrêt déféré fait état, il est très probable que l'ablation du diverticule de Meckel (qu'il est usuel d'enlever lorsque l'on en constate l'existence au cours d'une intervention) est responsable de l'occlusion qui a entraîné la mort.
5.
La réticence de la personne sur la tête de qui l'assurance a été conclue autorisait la recourante à résoudre le contrat, à moins qu'il ne soit établi qu'elle aurait néanmoins conclu la convention aux conditions prévues, même si elle avait connu les faits tus par X. (RO 75 II 163 et 165). La juridiction cantonale estime que si l'assuré avait répondu comme il aurait dû le faire à toutes les questions posées lors de l'examen médical, la Bâloise n'aurait pas refusé de conclure l'assurance en cause. Elle déclare préférer aux indications données par plusieurs assureurs intéressés à la solution du litige, l'appréciation des experts judiciaires qui n'ont jamais vu, en matière d'assurancevie, d'exemple où une appendicite chronique aurait provoqué un refus de l'assureur ou même une élévation des primes. L'opinion exprimée par les experts est cependant toute générale. On ne saurait en déduire avec certitude qu'en l'espèce, La Bâloise aurait réellement conclu le contrat si elle avait connu les faits tus par X. La Cour de justice n'a pas constaté en fait une pareille volonté de la recourante. Elle a fait un raisonnement fondé sur l'expérience générale, en vue de dégager la volonté
BGE 92 II 342 S. 353
hypothétique des parties au contrat. Saisi d'un recours en réforme, le Tribunal fédéral peut revoir les déductions que les juges cantonaux ont tirées de l'expérience générale. Or l'avis des experts, tel qu'il est rapporté dans l'arrêt attaqué, ne permet pas de tenir pour établi que le contrat aurait été conclu aux conditions prévues, si l'assureur avait connu les faits que la personne à assurer a passés sous silence. La Bâloise était donc en droit de se départir du contrat, en raison des réticences commises par X.
6.
Il n'est pas contesté que la recourante a respecté le délai de quatre semaines fixé à l'art. 6 LCA pour se départir du contrat. En vertu de l'art. 25 al. 4 LCA, l'assureur qui résilie un contrat d'assurance sur la vie susceptible de rachat selon l'art. 90 al. 2 LCA doit la prestation minimum prescrite pour le rachat. L'obligation du rachat instituée par cette dernière disposition ne vise toutefois que les assurances sur la vie pour lesquelles il est certain que l'événement assuré se réalisera. Ce n'est pas le cas de l'assurance temporaire en cas de décès, dans laquelle il est incertain que la personne sur la tête de qui l'assurance est faite décédera avant le terme convenu (cf. ROELLI/JAEGER, n. 43 ad art. 90 LCA; KOENIG, op.cit., p. 354). Le contrat conclu en l'espèce prévoyait le paiement d'une somme initiale de 45 000 fr., décroissant de 3000 fr. chaque année, si X. décédait entre le 15 décembre 1958 et le 15 décembre 1973. Une pareille assurance n'a pas de valeur de rachat, comme le rappelle la lettre de la recourante à l'intimée du 11 mars 1959. La Bâloise ne doit dès lors aucune prestation aux Minoteries de Plainpalais et la demande est mal fondée.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral:
Admet le recours et réforme l'arrêt rendu le 20 mai 1966 par la Première Chambre de la Cour de justice du canton de Genève en ce sens que la demande de l'intimée est rejetée. | public_law | nan | fr | 1,966 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
17cd2a28-9dd2-4cc8-ba10-f6a3283eb4c2 | Urteilskopf
108 V 13
5. Urteil vom 4. März 1982 i.S. Primus gegen Schweizerische Ausgleichskasse und Eidgenössische Rekurskommission der AHV/IV für die im Ausland wohnenden Personen | Regeste
Verzugszinsen.
Im Bereich der Sozialversicherung werden grundsätzlich keine Verzugszinsen geschuldet, sofern sie nicht gesetzlich vorgesehen sind; Ausnahmen von diesem Grundsatz (Bestätigung der Rechtsprechung). | Sachverhalt
ab Seite 13
BGE 108 V 13 S. 13
A.-
Der 1916 geborene italienische Staatsangehörige Italino Primus meldete sich 1972 zum Bezug einer Rente der schweizerischen Invalidenversicherung an. Am 23. Januar 1974 lehnte die Schweizerische Ausgleichskasse dieses Begehren verfügungsweise ab.
BGE 108 V 13 S. 14
Italino Primus beschwerte sich hiegegen am 22. Februar 1974 bei der Eidgenössischen Rekurskommission der AHV/IV für die im Ausland wohnenden Personen und reichte, als deren Entscheid auf sich warten liess, am 4. April 1977 beim Eidg. Versicherungsgericht Rechtsverzögerungsbeschwerde ein. Diese wurde teilweise gutgeheissen, indem das Eidg. Versicherungsgericht die Rekurskommission anwies, die bei ihr anhängige Beschwerde im Sinne der Erwägungen an die Hand zu nehmen und so rasch als möglich zum Entscheid zu führen (Urteil vom 19. Dezember 1977).
Mit Entscheid vom 21. Februar 1978 hiess die Rekurskommission die Beschwerde vom 22. Februar 1974 in dem Sinne gut, dass sie Italino Primus ab 1. Juli 1973 eine ganze einfache Invalidenrente zusprach. Daraufhin wandte sich der Anwalt des Versicherten am 2. März 1978 an die Schweizerische Ausgleichskasse mit dem Begehren, es sei für die lange Wartezeit ein Zins zu 5% seit mittlerem Verfall zusätzlich zu den Rentenzahlungen auszurichten. Gestützt auf Art. 8 lit. c in Verbindung mit Art. 7 lit. a des schweizerisch-italienischen Abkommens über Soziale Sicherheit verfügte die Schweizerische Ausgleichskasse am 14. Juni 1978 anstelle derRente eine Abfindung von Fr. 11'241.--. Mit separater Verfügung vom 30. Juni 1978 lehnte die Kasse das Begehren um Ausrichtung von Verzugszinsen ab.
B.-
Die gegen die Verfügung vom 30. Juni 1978 erhobene Beschwerde wies die Eidgenössische Rekurskommission der AHV/IV für die im Ausland wohnenden Personen mit Entscheid vom 13. September 1979 ab.
C.-
Mit der vorliegenden Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt Italino Primus beantragen, es sei der vorinstanzliche Entscheid aufzuheben und es sei die Schweizerische Ausgleichskasse anzuweisen, ihm "als Zins den Betrag von Fr. 2'810.25 nebst Zins darauf zu 5% ab 1. Juli 1978 zu bezahlen". Auf die Begründung wird, soweit erforderlich, in den Erwägungen eingegangen. Die Schweizerische Ausgleichskasse und das Bundesamt für Sozialversicherung schliessen auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
Erwägungen
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Das vorliegende Verfahren betrifft Verzugszinsen auf einer Sozialversicherungsleistung. Es handelt sich mithin um einen Streit um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen,
BGE 108 V 13 S. 15
weshalb dem Eidg. Versicherungsgericht die umfassende Überprüfungsbefugnis gemäss
Art. 132 OG
zusteht (
BGE 101 V 117
Erw. 2).
2.
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts gilt für öffentlichrechtliche Geldforderungen der allgemeine ungeschriebene Rechtsgrundsatz, dass der Schuldner Verzugszinsen zu entrichten hat, wenn er sich mit seiner Leistung im Verzug befindet (
BGE 101 Ib 258
Erw. 4b,
BGE 95 I 263
mit Hinweisen; Urteile vom 30. Mai 1980 in Praxis 70/1981 Nr. 86 und vom 11. November 1977 in ZBl 79/1978 S. 550 ff.). Wiederholt hat das Bundesgericht jedoch auf die Möglichkeit von Ausnahmen hingewiesen (
BGE 95 I 263
, zitiertes Urteil vom 30. Mai 1980). Eine solche besteht namentlich auf dem Gebiet der Sozialversicherung. Das Eidg. Versicherungsgericht hat seit jeher festgehalten, dass es im Sozialversicherungsrecht keine Verzugszinsen gibt, sofern solche nicht gesetzlich vorgesehen sind (
BGE 103 V 156
Erw. 7b,
BGE 101 V 117
Erw. 3; EVGE 1968 S. 21 Erw. 2 und S. 172 Erw. 4, 1967 S. 64 Erw. 4, 1960 S. 94, 1952 S. 88; RSKV 1979 S. 12, 1973 S. 77 und 123; unveröffentlichtes Urteil Wipf vom 17. Januar 1978). Die Doktrin hat dieser Rechtsprechung teils ausdrücklich, teils stillschweigend zugestimmt (MAURER, Schweizerisches Sozialversicherungsrecht, Band I S. 306 Fussnote 688; derselbe, Rechtsfortbildung durch die sozialgerichtliche Rechtsprechung in der Schweiz, SZS 16/1972 S. 190; KNAPP, Précis de droit administratif, Nr. 431 S. 96; GRISEL, Droit administratif suisse, S. 325; IMBODEN, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, 4. Aufl., Band I Nr. 123 I S. 31; anderer Meinung dagegen IMBODEN/RHINOW, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, 5. Aufl., Band I Nr. 31 II S. 188 f., sowie Luzius MÜLLER, Die Rückerstattung rechtswidriger Leistungen als Grundsatz des öffentlichen Rechts, Basler Studien zur Rechtswissenschaft, Heft 117, S. 105).
In
BGE 101 V 117
Erw. 3 hat das Eidg. Versicherungsgericht seine Rechtsprechung einlässlich dargelegt und festgehalten, dass der Hauptgrund für die Verneinung einer Verzugszinspflicht sich aus der Rolle ergibt, welche der Verwaltung zukommt. Sie tritt als Inhaberin der öffentlichen Gewalt auf und ist verpflichtet, die Leistungsbegehren der Versicherten zu prüfen, was manchmal längere Zeit in Anspruch nimmt, und das Recht in objektiver Weise darauf anzuwenden. Wollte man ihr durchwegs Verzugszinsen auferlegen, so käme dies einer Bestrafung für die sorgfältige Erfüllung ihrer Aufgaben gleich. Nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung
BGE 108 V 13 S. 16
muss anderseits auch der Versicherte von der Bezahlung von Verzugszinsen befreit sein, wenn er glaubt, sein Recht verteidigt zu haben.
b) Allerdings hat das Eidg. Versicherungsgericht schon im Jahre 1967 die Möglichkeit von Ausnahmen bei besonderen Umständen ("circonstances particulières") vorbehalten, diese aber nicht näher umschrieben (EVGE 1967 S. 64 Erw. 4 in fine; vgl. auch
BGE 103 V 156
Erw. 7b, EVGE 1968 S. 21 Erw. 2, S. 173, RSKV 1973 S. 123). In
BGE 101 V 118
hat es entschieden, dass die ausnahmsweise Auferlegung von Verzugszinsen bei widerrechtlichen oder auch nur trölerischen Machenschaften von Verwaltungsorganen ("manoeuvres illicites ou purement dilatoires") gerechtfertigt ist (vgl. auch RSKV 1979 S. 12).
Diese Voraussetzungen sah das Eidg. Versicherungsgericht bislang nur in besonders krassen Einzelfällen als erfüllt an. So wurden im Bereiche der Krankenversicherung solche Umstände darin erblickt, dass eine Versicherte ihre Beitragsschuld bestritten hatte, ohne irgendeinen Entschuldigungsgrund dafür anzugeben; auch hatte sie keinen Vergleich mit der Krankenkasse angestrebt und sich auch nicht die Mühe genommen, sich sobald als möglich von Verpflichtungen zu befreien, die sie nicht mehr tragen wollte oder konnte; durch ihr Verhalten hatte sie der Kasse erhebliche Umtriebe verursacht. Das Gericht stellte fest, gegenüber denjenigen Versicherten, die ihrer Beitragspflicht regelmässig nachkommen, wäre es unbillig, wenn die Kasse die ganze Belastung durch diesen Streitfall zu übernehmen hätte, und bestätigte die von der Vorinstanz angeordnete Auferlegung von Verzugszinsen (EVGE 1968 S. 21 Erw. 2). In einem andern Fall nahm das Eidg. Versicherungsgericht eine Ausnahme vom Grundsatz der Nichtverzinsbarkeit deshalb an, weil eine Ausgleichskasse sich in willkürlicher Weise wiederholt und während einer langen Dauer geweigert hatte, einen von der zuständigen Invalidenversicherungs-Kommission gefassten Beschluss durch Verfügung zu eröffnen und der Versicherten eine Invalidenrente zuzusprechen (
BGE 101 V 119
Erw. 4). Keine besonderen Umstände im Sinne einer Ausnahme vom allgemeinen Grundsatz lagen hingegen vor, als Krankenkassen auf den von einem Arzt eingereichten Rechnungen Abzüge vornahmen, welche sich als unrechtmässig erwiesen (
BGE 103 V 156
Erw. 7b), als sie Krankengelder bzw. eine Invaliditätsentschädigung zu Unrecht vorenthielten (EVGE 1968 S. 167 ff., 1967 S. 57 ff.; RSKV 1979 S. 3 ff., 1973 S. 68 ff.) und als sich die Auszahlung von Arbeitslosenentschädigungen
BGE 108 V 13 S. 17
zufolge der Erhebung einer Verwaltungsgerichtsbeschwerde durch die Arbeitslosenkasse verzögerte (unveröffentlichtes Urteil Wipf vom 17. Januar 1978).
3.
a) Der Beschwerdeführer wendet sich in seiner Verwaltungsgerichtsbeschwerde zunächst grundsätzlich gegen die erwähnte Rechtsprechung. Dazu bringt er im wesentlichen vor, es bestehe kein sachlicher Grund dafür, die Verzugszinsfrage im Sozialversicherungsrecht anders zu entscheiden als in den übrigen Gebieten des öffentlichen Rechts. Der Empfänger von Sozialversicherungsleistungen sei in besonderem Masse darauf angewiesen, dass die ihm zustehenden Leistungen möglichst rasch ausbezahlt werden. Wer sie mit Verspätung erhalte, sei schlechtergestellt als derjenige, dem sie unverzüglich zugehen. Darin liege eine Rechtsungleichheit, die es - gestützt auf
Art. 4 BV
- durch Zahlung von Verzugszinsen auszugleichen gelte. Dass die Versicherung für die einlässliche Prüfung der Leistungspflicht Zeit benötige, sei kein Argument für die Ablehnung von Verzugszinsen. Die Sozialversicherung geniesse im Falle der nicht rechtzeitigen Auszahlung Vorteile zu Lasten der Versicherten, indem sie - bei Überschüssen - die Gelder zinsbringend anlegen bzw. - bei Überschuldung - Zinsen sparen könne. Ferner hebt der Beschwerdeführer hervor, dass mit der 9. AHV-Revision im Beitragsbereich die Verzugszinspflicht eingeführt worden sei, weshalb es nicht mehr als recht und billig sei, sie nun auch für den Leistungsbereich vorzusehen.
b) Praxisänderungen lassen sich im allgemeinen nur rechtfertigen, wenn die neue Lösung besserer Erkenntnis der ratio legis, veränderten äusseren Verhältnissen oder gewandelten Rechtsanschauungen entspricht (
BGE 107 V 82
Erw. 5a mit Hinweisen). Wie das Gesamtgericht, dem die Rechtsfrage der Verzugszinspflicht wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung unterbreitet wurde, entschieden hat, sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt. Die Rechtsprechung des Eidg. Versicherungsgerichts geht dem Grundsatz nach davon aus, dass Verzugszinsen nicht geschuldet sind, sofern sie das Gesetz nicht vorsieht, und nimmt mithin ein qualifiziertes Schweigen des Gesetzes an (MAURER, Sozialversicherungsrecht, S. 232 und 306 Fussnote 688). An diesem Rechtszustand änderte sich bis zum Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Kassenverfügung (30. Juni 1978) nichts. Dass auf den 1. Januar 1979 mit der 9. AHV-Revision im Bereich der Beitragserhebung die Verzugszinspflicht eingeführt wurde, spricht entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht gegen, sondern vielmehr für die bisherige
BGE 108 V 13 S. 18
Rechtsprechung. In seiner Botschaft über die 9. AHV-Revision vom 7. Juli 1976 (BBl 1976 III 28) führte der Bundesrat nach der Darlegung der für Verzugs- und Vergütungszinsen im Beitragssektor sprechenden Gründe folgendes aus:
"Dagegen dürfte es sich erübrigen, eine Regelung zu treffen für Vergütungszinsen, die nach der Praxis des EVG zu bezahlen sind, wenn Versicherungsleistungen in schwer schuldhafter Weise mit erheblicher Verspätung ausgerichtet werden; die hiefür von der Rechtsprechung aufgestellten Voraussetzungen werden bei der AHV/IV nach bisheriger Erfahrung nur selten erfüllt sein. Solche Tatbestände können daher vorderhand in den Verwaltungsweisungen geordnet werden."
In den Beratungen der Kommissionen der eidgenössischen Räte und auch im Plenum selber stand eine allfällige Ausdehnung der Verzugszinspflicht auf den Leistungsbereich in keinem Zeitpunkt zur Diskussion (vgl. Protokolle der nationalrätlichen Kommission vom 14. Februar 1977, S. 28 ff., und der ständerätlichen Kommission vom 31. März 1977, S. 36; Amtl. Bull. 1977 N 307, S. 256). Es ist daher nach wie vor davon auszugehen, dass die grundsätzliche Verneinung von Verzugszinsen auf Leistungen der Sozialversicherung auf einem qualifizierten Schweigen des Gesetzes beruht. Angesichts dieser klaren Situation kann auch nicht gesagt werden, die generelle Einführung von Verzugszinsen im Sozialversicherungsrecht entspreche gewandelten Rechtsanschauungen. Demnach ist daran festzuhalten, dass das Sozialversicherungsrecht grundsätzlich keine Verzugszinsen kennt, sofern solche nicht gesetzlich vorgesehen sind.
c) Der Hinweis des Beschwerdeführers auf das Gleichbehandlungsgebot vermag hieran nichts zu ändern. Wird um die Ausrichtung einer Rente der Invalidenversicherung nachgesucht, so hat die Verwaltung bezüglich der Leistungspflicht verschiedene Abklärungen (etwa über die Versicherteneigenschaft, die gesundheitlichen und erwerblichen Verhältnisse, die Eingliederungsmöglichkeiten, die Faktoren der Rentenberechnung) vorzunehmen, deren Dauer in starkem Masse von den Gegebenheiten im konkreten Einzelfall abhängt. Erfahrungsgemäss hat dies (sowie der Umstand, dass die Leistungen der Invalidenversicherung für die zwölf der Anmeldung vorangehenden Monate ausgerichtet werden können; vgl.
Art. 48 Abs. 2 IVG
) zur Folge, dass es, wenn - möglicherweise erst nach Durchlaufen des Beschwerdeweges - die Leistungspflicht bejaht wird, praktisch in allen Fällen zu einer rückwirkenden Zusprechung von Renten (und auch von Hilflosenentschädigungen und Taggeldern)
BGE 108 V 13 S. 19
kommt. Insofern liegen die Verhältnisse bei der überwiegenden Zahl der Gesuchsteller grundsätzlich gleich, weshalb nicht von einer rechtsungleichen Behandlung der einen Versicherten im Vergleich zu andern gesprochen und daraus die Notwendigkeit eines Zinsausgleichs abgeleitet werden kann.
Auch die übrigen Vorbringen des Beschwerdeführers sind nicht stichhaltig. Zwar mag es zutreffen, dass sich im Falle der Nichtverzinsbarkeit im Leistungsbereich für die Sozialversicherung gewisse Zinsvorteile ergeben können. Indessen gilt es zu bedenken, dass eine generelle Bejahung der Verzugszinspflicht angesichts der grossen Zahl von Leistungsbegehren, welche die Verwaltung zu bearbeiten hat, zu einer erheblichen Vermehrung des administrativen Aufwandes und zu einer Verminderung der Leistungsfähigkeit der Sozialversicherung führen würde, was letztlich dem Interesse der Allgemeinheit der Versicherten zuwiderliefe. Dem könnte zwar entgegengehalten werden, die Frage nach dem Verhältnis zwischen Aufwand und Nutzen stelle sich auch bezüglich der Verzugszinspflicht im Beitragssektor. Zu beachten ist aber, dass hier Verzugszinsen nicht bei jeder verspäteten Beitragszahlung, sondern in der Regel erst dann geschuldet sind, wenn die Beiträge nicht innert vier Monaten nach Beginn des Zinslaufs bezahlt werden (
Art. 41bis Abs. 1 und 2 AHVV
), und dass auf Beiträgen von weniger als Fr. 3'000.-- generell keine Verzugszinsen zu entrichten sind (
Art. 41bis Abs. 4 AHVV
). Daraus folgt, dass sich die Verzugszinsfrage bloss bei einem Teil der verspäteten Beitragszahlungen stellt, wogegen sie im Falle der generellen Bejahung der Verzugszinspflicht im Leistungsbereich nach dem zuvor Gesagten praktisch bei jeder Gewährung von Geldleistungen zu prüfen wäre.
4.
a) Sodann macht der Beschwerdeführer geltend, in seinem Falle müsse die Verpflichtung zur Entrichtung von Verzugszinsen schon im Hinblick auf die Ausnahmepraxis des Eidg. Versicherungsgerichts bejaht werden; denn es sei zu einer krassen widerrechtlichen Rechtsverzögerung gekommen. Ob dabei ein Verschulden mitgespielt habe, sei unerheblich, sehe doch Art. 3 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Verantwortlichkeit des Bundes sowie seiner Behördemitglieder und Beamten vom 14. März 1958 (VG) eine vom Verschulden unabhängige Haftung vor.
b) Gemäss Beschluss des Gesamtgerichts ist daran festzuhalten, dass die ausnahmsweise Bejahung der Verzugszinspflicht nur bei besonderen Umständen in Betracht kommen kann. Solche sind nur gegeben bei widerrechtlichen oder trölerischen Machenschaften;
BGE 108 V 13 S. 20
dabei bedarf es neben der Rechtswidrigkeit auch eines schuldhaften Verhaltens der Verwaltung (oder einer Rekursbehörde). Ferner hat es das Gesamtgericht abgelehnt, die Verzugszinspflicht generell für bestimmte Gruppen von Fällen (etwa gerichtlich festgestellte Rechtsverzögerungen) zu bejahen. Wegleitend dafür ist die Überlegung, dass die Auferlegung von Verzugszinsen im Sozialversicherungsrecht nach wie vor nur ausnahmsweise und in Einzelfällen gerechtfertigt ist, bei denen das Rechtsempfinden in besonderer Weise tangiert ist.
c) Im Urteil vom 19. Dezember 1977 betreffend die Rechtsverzögerungsbeschwerde des Beschwerdeführers (vgl. den Parallelfall in
BGE 103 V 190
ff.) hat das Eidg. Versicherungsgericht ausgeführt, dass eine unrechtmässige Rechtsverzögerung dann vorliegt, wenn die Umstände, welche zur unangemessenen Verlängerung des Verfahrens führten, objektiv nicht gerechtfertigt sind; unerheblich ist dabei, auf welche Gründe - beispielsweise auf ein Fehlverhalten der Behörden oder auf andere Umstände - die Rechtsverzögerung zurückzuführen ist (
BGE 103 V 194
Erw. 3c). Das Gericht sah in jenem Verfahren die vom Beschwerdeführer erhobene Rüge als berechtigt an und stellte eine objektiv nicht gerechtfertigte Verzögerung fest. Die Frage eines subjektiven Verschuldens war dabei nicht zu prüfen. Angesichts des in Erw. 4b hievor Gesagten kann der Beschwerdeführer aus dem erwähnten Urteil für die hier streitige Frage der Verzugszinspflicht nichts zu seinen Gunsten ableiten. Im übrigen bringt er in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nichts vor, was auf ein Verschulden bei der von der Rekurskommission begangenen Rechtsverzögerung in dem am 21. Februar 1978 erledigten Verfahren schliessen bzw. die im vorinstanzlichen Entscheid zur Verneinung eines Verschuldens angeführten Überlegungen als fragwürdig erscheinen liesse.
Somit sind die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise Auferlegung von Verzugszinsen nicht erfüllt. Soweit der Beschwerdeführer sein Begehren, die Schweizerische Ausgleichskasse habe ihm den Betrag von Fr. 2'810.25 samt Zins ab 1. Juli 1978 zu bezahlen, auf
Art. 3 Abs. 1 VG
abstützt, ist auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde schon deshalb nicht einzutreten, weil Staatshaftungsforderungen nicht in die sachliche Zuständigkeit des Eidg. Versicherungsgerichts fallen (
Art. 10 Abs. 1 VG
) und im übrigen ohnehin nicht mittels Beschwerde, sondern auf dem Klageweg zu verfolgen sind (
Art. 10 Abs. 2 VG
,
Art. 116 lit. c OG
,
Art. 5 Abs. 3 VwVG
).
BGE 108 V 13 S. 21
Dispositiv
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. | null | nan | de | 1,982 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
17d1c849-4e6d-4e43-a14f-8811c99ca531 | Urteilskopf
97 I 616
86. Extrait de l'arrêt du 24 septembre 1971 dans la cause Cherix contre Tribunal d'accusation du canton de Vaud. | Regeste
Art. 4 BV
.
Anspruch des Angeschuldigten auf rechtliches Gehör in einem Strafverfahren, wenn dieses wegen Unzurechnungsfähigkeit eingestellt und in Verbindung damit die Verwahrung des Angeschuldigten in einer Heil- oder Pflegeanstalt angeordnet wird. | Sachverhalt
ab Seite 617
BGE 97 I 616 S. 617
Hélène Cherix a fait l'objet d'une enquête pénale pour exercice illégal de la médecine et lésions corporelles graves par négligence (art. 125 al. 2 CP). Le Tribunal d'accusation du Tribunal cantonal vaudois a mis fin à la procédure engagée, considérant que l'inculpée était irresponsable et a ordonné son internement dans un hôpital ou un hospice, parce qu'elle compromettait la sécurité ou l'ordre publics (art. 14 CP).
Hélène Cherix a formé, contre cet arrêt, un recours de droit public pour violation du droit d'être entendu (art. 4 Cst.).
Erwägungen
Considérant en droit:
1, 2 et 3. - ...
4.
Au fond, la recourante allègue la violation du droit d'être entendu, parce que, dit-elle, l'autorité cantonale a ordonné son internement sans lui avoir donné l'occasion de s'exprimer à ce sujet.
Selon la jurisprudence constante du Tribunal fédéral en matière civile et pénale, les parties ont un droit tout à fait général et inconditionnel à être entendues (RO 92 I 187 et les arrêts cités). Le même principe doit s'appliquer aux procédures pénales qui se terminent par des ordonnances de non-lieu, dans la mesure où elles portent préjudice à l'inculpé. Tel est le cas dans la présente espèce, car l'autorité cantonale n'a pas uniquement mis fin à la procédure à cause de l'irresponsabilité de l'inculpée, elle a aussi ordonné l'internement de celle-ci conformément aux art. 14 CP et 288 PP vaud., ce que le droit fédéral lui donnait le pouvoir de faire (RO 72 IV 1). Elle aurait dès lors dû donner à la recourante l'occasion de se prononcer sur la mesure envisagée. Car, de même que la personne menacée d'un internement administratif doit être entendue sur les motifs de la décision à prendre (RO 83 I 241), de même il faut entendre l'inculpé avant le prononcé d'un non-lieu accompagné d'un renvoi dans un hôpital ou un hospice et lui permettre de faire ses objections à une telle mesure. Il est vrai que l'art. 288 PP vaud. ne contient aucune disposition dans ce sens. Mais, pour l'inculpé, le droit d'être entendu découle directement de l'art. 4 Cst. lorsque, comme en l'espèce, la protection accordée par le droit cantonal est insuffisante (RO 92 I 186).
BGE 97 I 616 S. 618
Le juge informateur avait sans doute communiqué à la recourante "l'ordonnance à suivre" prononcée par lui, le 1er mars 1971, et lui avait fixé un délai pour y répondre par un mémoire; sans doute aussi s'était-il, dans cette ordonnance, référé à une expertise psychiatrique ordonnée dans une procédure précédente et avait-il cité l'art. 10 CP (art. 277 et 278 PP vaud.). Etant donné, cependant, que ladite expertise constatait que la recourante, bien qu'irresponsable, ne compromettait ni l'ordre, ni la sécurité publics et que le juge informateur n'avait pas proposé l'internement, la recourante n'avait aucune raison de se prononcer à ce sujet. Aussi bien est-ce seulement dans le préavis du Ministère public sur la décision à prendre que l'on trouve contredite pour la première fois l'opinion exprimée par le psychiatre sur le caractère dangereux de la recourante. C'est le même préavis qui, pour la première fois, propose l'internement et le motive. Le Tribunal d'accusation n'en a pas donné connaissance à la recourante et ne l'a pas mise à même de se défendre sur ce point. Il a, de ce fait, violé le droit d'être entendu.
Le Ministère public objecte en vain que la recourante a eu l'occasion de s'expliquer sur ses actes devant la police et le juge informateur. Selon les procès-verbaux d'interrogatoire, Hélène Cherix a été interrogée en détail sur son activité de guérisseuse, en particulier sur l'affaire Benoît. Mais, dans ces procès-verbaux, on ne trouve pas le plus petit indice que la recourante, qui ne connaît pas le droit, ait été rendue attentive au fait qu'elle était dangereuse pour l'ordre et la sécurité publics et que, dès lors, elle devait compter qu'une mesure d'internement pourrait être prise contre elle en vertu de l'art. 14 CP. Or, il va de soi que, dans un Etat fondé sur le droit, l'inculpé a le droit d'être entendu et de présenter ses objections, au sujet non seulement des actes punissables qui lui sont imputés, mais aussi des sanctions qu'envisagent les autorités pénales (peines et mesures). L'autorité cantonale l'a méconnu et a ainsi violé l'art. 4 Cst. | public_law | nan | fr | 1,971 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
17d259c1-d5ec-4706-b4d1-16301598a5e4 | Urteilskopf
93 IV 43
13. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 17. März 1967 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich gegen Zauser. | Regeste
Art. 92 Abs. 2 SVG
ist auch bei fahrlässiger Begehung anwendbar. | Sachverhalt
ab Seite 43
BGE 93 IV 43 S. 43
A.-
Alfons Zauser fuhr am 31. Dezember 1965 um 20.40 Uhr in angetrunkenem Zustand (Blutalkoholgehalt ca. 1,4 g ‰) mit seinem Personenwagen Opel-Rekord durch die Gotthardstrasse
BGE 93 IV 43 S. 44
in Thalwil. Vor der Einmündung der Schwandelstrasse stiess er mit dem auf dem Fussgängerstreifen die Strasse überquerenden Heinrich Hiestand zusammen. Er hielt sein Fahrzeug an und stieg kurz aus, fuhr aber dann weiter, ohne sich um den schwerverletzten Fussgänger zu kümmern. Dieser starb am 16. Februar 1966 an den Folgen des Unfalles.
B.-
Am 25. März 1966 sprach das Bezirksgericht Horgen Alfons Zauser der fahrlässigen Tötung (
Art. 117 StGB
), des Fahrens in angetrunkenem Zustand (
Art. 91 Abs. 1 SVG
) sowie des pflichtwidrigen Verhaltens bei Unfall im Sinne von
Art. 92 Abs. 2 SVG
schuldig und verurteilte ihn zu 15 Monaten Gefängnis abzüglich 35 Tage Untersuchungshaft; ferner ordnete es die Veröffentlichung des Urteils an.
Auf Berufung Zausers erklärte ihn das Obergericht des Kantons Zürich am 13. September 1966, ausser der fahrlässigen Tötung und des Fahrens in angetrunkenem Zustand, lediglich des pflichtwidrigen Verhaltens im Sinne von
Art. 92 Abs. 1 SVG
schuldig. Es setzte die Gefängnisstrafe auf 10 Monate herab, unter Anrechnung von 50 Tagen Sicherheitshaft, und gewährte den bedingten Strafvollzug bei einer Probezeit von 4 Jahren.
C.-
Gegen dieses Urteil führt die Staatsanwaltschaft Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, Zauser sei wegen pflichtwidrigen Verhaltens bei Unfall im Sinne von Art. 92 Abs. 2 statt Abs. 1 SVG zu bestrafen.
D.-
Zauser beantragt Abweisung der Beschwerde.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
Zauser bestreitet mit Recht nicht, dass der Tatbestand des
Art. 92 Abs. 2 SVG
objektiv gegeben ist. Dadurch, dass er als Fahrzeugführer bei einem Verkehrsunfall einen Menschen verletzt hat und, ohne sich um ihn zu kümmern, nach Hause gefahren ist, hat er in der Tat alle objektiven Voraussetzungen für die Anwendung dieser Bestimmung erfüllt.
Die Vorinstanz glaubt aber,
Art. 92 Abs. 2 SVG
darum nicht anwenden zu dürfen, weil diese Bestimmung stets ein vorsätzliches Handeln verlange. Diese subjektive Voraussetzung treffe "trotz vieler den Angeklagten stark belastenden Indizien" nicht zu. Weder sei rechtsgenügend nachgewiesen, dass Zauser den Fussgänger vor oder während des Zusammenstosses bemerkt habe, noch stehe ausser Zweifel, dass er den Verletzten
BGE 93 IV 43 S. 45
nachher auf der Strasse habe liegen sehen; es müsse auch verneint werden, dass Zauser überhaupt mit der Verletzung eines Fussgängers gerechnet habe. An diese Feststellungen, die tatsächlicher Natur sind, ist der Kassationshof von Gesetzes wegen gebunden (
Art. 277 bis Abs. 1 BStP
). Sie schliessen die Annahme vorsätzlicher oder eventualvorsätzlicher Begehung aus. Es ist daher gemäss dem Antrag der Beschwerdeführerin zu prüfen, ob pflichtwidriges Verhalten bei Unfall im Sinn von
Art. 92 Abs 2 SVG
auch fahrlässig verübt werden könne.
2.
Nach der allgemeinen Regel des
Art. 100 Ziff. 1 Abs. 1 SVG
, die für alle im Strassenverkehrsgesetz umschriebenen Straftatbestände, auch die Vergehen, Geltung hat, ist neben der vorsätzlichen stets auch die fahrlässige Begehung strafbar, sofern das Gesetz es nicht ausdrücklich anders bestimmt. Es ist daher zu untersuchen, ob
Art. 92 Abs. 2 SVG
die Strafbarkeit der Unfallflucht ausdrücklich auf die vorsätzliche Verübungsform beschränkt.
a) Wo das SVG eine Strafbestimmung nur auf die vorsätzlich begangene Tat angewendet wissen will, gebraucht es regelmässig die eindeutige Wendung "wer vorsätzlich..." (vgl. Art. 91 Abs. 3, 93 Ziff. 1 Abs. 1, 97 Ziff. 1 Abs. 4 und 7, 98 Abs. 1 SVG). Davon ist bei
Art. 92 SVG
weder in Abs. 1 noch Abs. 2 die Rede.
b) Auch der übrige Wortlaut von
Art. 92 Abs. 2 SVG
weist nicht auf ein ausschliessliches Vorsatzdelikt hin. Während etwa der Tatbestand des Führens eines Motorfahrzeugs trotz Verweigerung oder Entzug des Führer- oder Lernfahrausweises gemäss
Art. 95 Ziff. 2 SVG
notwendig die Kenntnis der Verweigerung oder des Entzugs voraussetzt, gilt das Gleiche nicht für die Verletzung oder Tötung eines Menschen.
c) Der in Abs. 2 des
Art. 92 SVG
verwendete Ausdruck "ergreift ein Fahrzeugführer... die Flucht" vermag ebenfalls nicht den Schluss zu rechtfertigen, dass (wie KARMANN, SJZ 1960 S. 236 und BADERTSCHER/SCHLEGEL, Kommentar zu
Art. 92 Abs. 2 SVG
S. 260 annehmen) der Tatbestand des
Art. 92 Abs. 2 SVG
ein Vorsatzdelikt und diese Bestimmung daher auf den fahrlässig handelnden Täter nicht anwendbar sei.
Art. L. 2 des französischen Code de la Route charakterisiert die Führerflucht als Vorsatzdelikt, indem er bestimmt: "Tout conducteur d'un véhicule qui, sachant que ce véhicule vient de causer ou d'occasionner un accident, ne se sera pas arrêté...".
BGE 93 IV 43 S. 46
Ebenso stellt § 142 des deutschen StGB ausdrücklich nur die vorsätzlich begangene Flucht nach Verkehrsunfall unter Strafe. Gerade dieser ausdrückliche Hinweis auf den Vorsatz zeigt, dass die Unfallflucht auch fahrlässig ergriffen werden kann. Nach SCHOENKE/SCHROEDER, Kommentar zu § 142 N. 18, liegt Flucht vor, wenn jemand die Unfallstätte in einer Entfernung verlässt, in der er nicht ohne weiteres erreichbar oder als Beteiligter feststellbar ist. Ähnliches gilt für
Art. 92 Abs. 2 SVG
. Wie Abs. 1 verweist auch Abs. 2 dieser Bestimmung auf die durch das Gesetz bei Unfall gebotenen Pflichten, wonach der an einem Unfall beteiligte Motorfahrzeugführer gemäss
Art. 51 Abs. 1 SVG
u.a. sofort anhalten muss. Die Flucht ergreift somit ganz einfach jeder Motorfahrzeugführer, der nach einem Unfall nicht anhält, d.h. nicht auf der Unfallstelle bleibt, sondern seine Fahrt fortsetzt. Das ist auch die Meinung von SCHULTZ, Die Strafbestimmungen des SVG, S. 218.
d) Endlich spricht auch nicht etwa der Sinn des
Art. 92 Abs. 2 SVG
dafür, dass nur die vorsätzliche Begehung mit Strafe bedroht sein soll (vgl.
Art. 333 Abs. 3 StGB
). Die Bestimmung will die Opfer eines Verkehrsunfalls vor gesundheitlicher und wirtschaftlicher Gefährdung bewahren und die Aufklärung der Unfallursachen ermöglichen (SCHULTZ, Strafbestimmungen des SVG, S. 219). Dieser Zweck kann aber nicht mit der Ahndung bloss der vorsätzlichen Unfallflucht erreicht werden. Häufig könnte der Unfallflüchtige sonst mit Erfolg geltendmachen, er habe weder um die Verletzung oder Tötung eines Menschen gewusst, noch habe sich ihm diese Möglichkeit zwingend aufgedrängt. Soll
Art. 92 Abs. 2 SVG
sein Ziel erreichen, so muss darum auch die fahrlässige Begehung unter Strafe gestellt sein.
3.
Nun nimmt das Obergericht als erstellt an, dass Zauser im Moment der Kollision mit dem Fussgänger einen "Klapf" gehört und sich nach seinen eigenen Angaben gesagt hat, dass "etwas nicht stimme". Nachdem keine seiner angeblichen Vermutungen über die Herkunft dieses Knalls bestätigt wurde, habe Zauser sich nicht mit der von ihm vorgenommenen oberflächlichen Nachschau begnügen dürfen; vielmehr hätte er zumindest um das Fahrzeug herumgehen müssen. Dass er den Verletzten nicht gesehen und daher seinen gesetzlichen Pflichten nicht habe nachkommen können, sei demnach einzig der gröblichen Missachtung seiner sich auf Grund des vernommenen
BGE 93 IV 43 S. 47
ungewöhnlichen Knalls ergebenden Pflicht zur sorgfältigen Abklärung der Ursache desselben zuzuschreiben.
Damit stellt die Vorinstanz selbst fest, dass Fahrlässigkeit auch hinsichtlich Abs. 2 von
Art. 92 SVG
gegeben ist. Nach dem Gesagten ist ihr Urteil in diesem Punkt daher aufzuheben und die Sache zur Bestrafung Zausers wegen fahrlässiger Verletzung von
Art. 92 Abs. 2 SVG
, unter Neufestsetzung der Strafe, zurückzuweisen.
4.
...
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 13. September 1966 aufgehoben und die Sache zur Verurteilung gemäss
Art. 92 Abs. 2 SVG
und zur Neufestsetzung der Strafe an die Vorinstanz zurückgewiesen. | null | nan | de | 1,967 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
17d67e7d-c73b-4584-b72e-145cd23f063d | Urteilskopf
118 V 65
9. Arrêt du 29 avril 1992 dans la cause S. S.A. contre Caisse de compensation du canton de Fribourg et Commission cantonale fribourgeoise de recours en matière d'assurances sociales. | Regeste
Art. 14 Abs. 3 AHVG
,
Art. 38 AHVV
: Veranlagungsverfügung.
Eine Veranlagungsverfügung mit schätzungsweiser Ermittlung der beitragspflichtigen Löhne ist zulässig, wenn es für die Ausgleichskasse praktisch unmöglich ist, die beitragspflichtigen Lohnsummen mit der vom Gesetz verlangten Genauigkeit in Erfahrung zu bringen, weil es der Arbeitgeber trotz Mahnung unterlässt, innert nützlicher Frist die für die Festsetzung der paritätischen Beiträge erforderlichen Angaben zu machen (Erw. 3).
Art. 1 Abs. 1 lit. c,
Art. 12 Abs. 1 AHVG
,
Art. 1 IVG
: Gleichbehandlungsklausel zwischen Schweizern und Ausländern sowie obligatorische Versicherung.
AHV/IV-Statut von ausländischen Hochseetauchern, die in Küstennähe auf Rechnung einer französischen Erdölfirma arbeiten, welche ihre Dienste an eine ihr gehörende Gesellschaft schweizerischen Rechts verleiht (Erw. 4 bis Erw. 6). | Sachverhalt
ab Seite 66
BGE 118 V 65 S. 66
A.-
a) La société anonyme S. S.A., dont le siège est à Fribourg et qui a été inscrite au registre du commerce le 10 avril 1981, a pour but la gestion et la mise à disposition de personnel dans tous les domaines d'activités notamment en matière de travaux de génie civil, de navigation, de transport maritime et d'offshore pétrolier.
S. S.A. fait partie du groupe C. qui a à sa tête une société de droit français, la C. S.A., dont le siège est à Marseille, laquelle détient 100% du capital-actions de la société C. S. S.A., également domiciliée à Marseille et qui elle-même possède 97% des actions de S. S.A.
Le 4 décembre 1981, S. S.A. et C. S. S.A. ont conclu une "convention de mise à disposition de personnel", par laquelle la première société s'engage à mettre à la disposition de la seconde, qualifiée de "société de prestations de services mondialement connue pour ses activités dans la recherche pétrolière offshore", le personnel spécialisé dont elle dispose et que C. S. S.A. serait amenée à lui demander.
Aux termes de cette convention, S. S.A. est l'employeur exclusif du personnel mis à disposition et assume les obligations qui découlent de ce statut. Elle s'engage à assumer les obligations qui lui incombent en sa qualité d'employeur et notamment les obligations dérivant de l'
art. 328 CO
, en cas de maladie ou d'accidents professionnels pouvant survenir aux membres de son personnel. "A cet effet, S. (S.A.) a souscrit une couverture d'assurance au bénéfice de son personnel dont les garanties sont comparables à celles des régimes sociaux européens et dont le détail figure dans le Statut S. annexé à la présente Convention." Cette convention a été complétée par un accord intervenu le 4 juin 1985 au sujet de la prise en charge par C. S. S.A. des salaires bruts versés aux membres du personnel opérationnel, des frais d'administration du bureau de Fribourg, y compris les salaires et les charges patronales concernant le personnel qui y travaille, ainsi que des impôts dus en Suisse par S. S.A.
BGE 118 V 65 S. 67
Par ailleurs, le "personnel opérationnel expatrié" employé par S. S.A. est soumis à un "Statut" extrêmement détaillé qui précise les modalités de mise à disposition des "groupes industriels utilisateurs" du personnel concerné. Celui-ci est spécialisé dans l'"offshore pétrolier" et comprend notamment des scaphandriers de différentes catégories.
b) S. S.A. est affiliée depuis le 1er février 1981 à la Caisse de compensation du canton de Fribourg (ci-après: la caisse). Dans le questionnaire d'affiliation qu'elle a rempli le 4 mai 1981, elle indiquait qu'elle occupait du personnel en Suisse et à l'étranger, au total 120 à 350 personnes, en précisant: "Actuellement 1 personne, fin décembre 1981 env. 300."
Toutefois, ce n'est qu'au mois de mai 1986, à l'occasion d'un contrôle des salaires versés par S. S.A., que la caisse s'est préoccupée du statut des travailleurs occupés à l'étranger pour le compte de la société. Il s'en est suivi une procédure d'enquête à l'issue de laquelle la caisse a informé la société, par lettre du 14 juillet 1986, qu'elle avait acquis la conviction que des travailleurs de nationalité française, occupés à l'étranger par C. S. S.A. mais salariés de S. S.A., étaient assujettis aux assurances sociales suisses, de sorte que des cotisations paritaires devaient être prélevées sur leurs salaires, ce qui ferait l'objet de décisions ultérieures. Le mandataire de la société ayant demandé un entretien à ce sujet à l'Office fédéral des assurances sociales (ci-après: l'OFAS), celui-ci a confirmé, dans une lettre du 10 septembre 1986, le point de vue déjà exprimé par la caisse dans la lettre précitée.
Le 18 décembre 1986, la caisse a notifié à la société une décision par laquelle, afin d'éviter la survenance de la prescription, elle fixait provisoirement et d'office à 15 millions de francs la somme des salaires payés en 1981 par S. S.A. et faisant l'objet d'une taxation complémentaire. Le montant des cotisations AVS/AI/APG/AC ainsi déterminé s'élevait à 1'575'000 francs, somme à laquelle s'ajoutaient 45'000 francs de frais de gestion, 456'000 francs de contributions au régime cantonal des allocations familiales et 477'900 francs d'intérêts moratoires, soit au total 2'553'900 francs. Tout en indiquant les voie et délai de recours contre ladite décision, l'auteur de cette dernière précisait ce qui suit: "Vous n'êtes donc pas tenus au paiement des cotisations complémentaires fixées par la présente décision. En revanche, nous vous prions de nous envoyer votre prise de position, dans les meilleurs délais, conformément à ce qui a été convenu lors de l'entrevue avec M. A."
BGE 118 V 65 S. 68
S. S.A. a formé le 19 janvier 1987, devant la Commission cantonale fribourgeoise de recours en matière d'assurances sociales, un recours contre la décision précitée. En raison des pourparlers menés par les parties, la procédure a été suspendue jusqu'à la fin du mois de mars 1990.
Entre-temps, toujours pour éviter la survenance de la prescription, la caisse a rendu trois nouvelles décisions relatives aux cotisations AVS/AI/APG (mais pas AC), aux frais de gestion, aux contributions aux allocations familiales cantonales et aux intérêts moratoires, à savoir:
- le 11 décembre 1987, pour l'année 1982 (2'326'163 fr. 65);
- le 16 décembre 1988, pour l'année 1983 (2'294'663 fr. 65);
- le 13 décembre 1989, pour l'année 1984 (2'294'663 fr. 65).
S. S.A. a recouru successivement contre ces trois décisions, devant la commission cantonale de recours, dans les mêmes termes que ceux de son recours du 19 janvier 1987.
Par jugement du 9 novembre 1990, ladite commission, après avoir joint les quatre causes, a admis partiellement les recours dans le sens des considérants, c'est-à-dire en invitant la caisse intimée à déterminer définitivement le montant des cotisations paritaires dues par la société pour les années 1981 à 1984, à l'exclusion toutefois des cotisations APG et AC.
Le recours de droit administratif interjeté contre ce jugement par S. S.A. a été déclaré irrecevable en raison de sa tardiveté, par arrêt du 17 avril 1991. Le Tribunal fédéral en a fait de même, par arrêt du 5 juin 1991, pour un recours de droit public également formé par la société contre le jugement cantonal.
c) Le 6 décembre 1990, la caisse a rendu une nouvelle décision qui concernait cette fois les cotisations dues pour l'année 1985. Motivé de manière analogue aux décisions précédentes, l'acte administratif en cause prenait en compte, à titre provisoire, une masse salariale estimée à 20 millions de francs, de sorte que les cotisations AVS/AI s'élevaient à 1'880'000 francs, les frais de gestion à 51'700 francs, les intérêts moratoires à 569'851 fr. 50 et les contributions aux allocations familiales à 558'000 francs, soit au total 3'059'551 fr. 50.
B.-
Le recours formé le 7 janvier 1991 par S. S.A. contre cette décision a été rejeté le 24 avril 1991 par la juridiction cantonale, dont le prononcé renvoie à plusieurs reprises aux considérants du jugement rendu le 9 novembre 1990 entre les mêmes parties.
C.-
S. S.A. interjette recours de droit administratif et conclut principalement à l'annulation du jugement attaqué et des cinq décisions
BGE 118 V 65 S. 69
rendues par la caisse, subsidiairement au renvoi de la cause à la juridiction cantonale "pour nouvel examen et instruction approfondie".
La société a également formé devant le Tribunal fédéral un recours de droit public contre le jugement cantonal. Par ordonnance du 2 juillet 1991, le Président de la IIe Cour de droit public a notamment suspendu la procédure jusqu'à droit connu sur le recours formé devant la Cour de céans.
La caisse intimée déclare se rallier aux conclusions de l'autorité de première instance, tandis que l'OFAS propose de rejeter le recours, dans la mesure où il est recevable.
La recourante ayant sollicité le droit de produire un mémoire complémentaire et demandé l'audition d'un témoin, sa requête a été rejetée par le juge délégué qui l'a toutefois informée qu'il tiendrait compte du mémoire de recours qu'elle avait produit dans la cause précédente - liquidée le 17 avril 1991 par arrêt d'irrecevabilité, sans examen au fond - étant donné que le jugement attaqué renvoie aux considérants du prononcé précédemment rendu, le 9 novembre 1990, entre les mêmes parties.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
a) Dans la mesure où la recourante conclut à l'annulation des décisions rendues par l'intimée les 18 décembre 1986, 11 décembre 1987, 16 décembre 1988 et 13 décembre 1989, son recours est irrecevable. En effet, le seul objet de la contestation, dans le présent procès, est la décision du 6 décembre 1990 contre laquelle était dirigé le recours sur lequel la juridiction cantonale s'est prononcée dans le jugement attaqué. Quant au jugement cantonal rendu le 9 novembre 1990 entre les mêmes parties, il est en force, à la suite des arrêts d'irrecevabilité rendus le 17 avril 1991 par la Cour de céans et le 5 juin 1991 par le Tribunal fédéral.
b) Par ailleurs, le recours de droit administratif est irrecevable en tant que ses conclusions se rapportent également, de manière implicite, aux contributions réclamées à la recourante au titre du régime des allocations familiales de droit cantonal (
ATF 101 V 3
consid. 1b).
2.
a) Comme aucune prestation d'assurance n'est litigieuse, le Tribunal fédéral des assurances doit se borner à examiner si le jugement de première instance viole le droit fédéral, y compris par l'excès
BGE 118 V 65 S. 70
ou par l'abus du pouvoir d'appréciation, ou si les faits pertinents ont été constatés d'une manière manifestement inexacte ou incomplète, ou s'ils ont été établis au mépris de règles essentielles de procédure (art. 132 en corrélation avec les
art. 104 let. a et b et 105 al. 2 OJ
).
Il faut en outre tenir compte de l'
art. 114 al. 1 OJ
, selon lequel le Tribunal fédéral des assurances n'est pas lié par les conclusions des parties en matière de contributions publiques, lorsque le litige porte sur la violation du droit fédéral ou sur la constatation inexacte ou incomplète des faits.
b) Par ailleurs, le Tribunal fédéral des assurances n'étant pas lié par les motifs que les parties invoquent (art. 114 al. 1 en corrélation avec l'
art. 132 OJ
), il examine d'office si le jugement attaqué viole des normes de droit public fédéral ou si la juridiction de première instance a commis un excès ou un abus de son pouvoir d'appréciation (
art. 104 let. a OJ
). Il peut ainsi admettre ou rejeter un recours sans égard aux griefs soulevés par le recourant ou aux raisons retenues par le premier juge (
ATF 116 V 257
consid. 1 et les références).
3.
a) Comme les quatre décisions précédentes, la décision litigieuse du 6 décembre 1990 a été rendue par la caisse intimée dans le seul but d'éviter la prescription (recte: la péremption; cf.
ATF 115 V 186
consid. 2b) quinquennale (
art. 16 al. 1 LAVS
) des cotisations paritaires dues par la recourante pour l'année 1985. Faute de connaître l'identité des assurés occupés par la recourante, ainsi que le montant de leurs salaires, la caisse a procédé à une taxation d'office et fixé de manière forfaitaire à 20 millions de francs la somme des salaires soumis à cotisations en 1985, tout en précisant qu'elle renonçait, "dans l'immédiat", à encaisser les cotisations y relatives.
Or, comme le relève la recourante, il importe, lorsqu'on fixe les cotisations AVS/AI, de connaître avec précision l'identité des assurés qui "bénéficieront ... des bienfaits de l'AVS", puisque c'est pour leur compte que l'employeur est astreint à payer les cotisations paritaires dont la moitié, représentant la cotisation de l'assuré, doit, en principe, être retenue lors de chaque paie (
art. 14 al. 1 LAVS
). Car si elle ne connaît pas l'identité des assurés, la caisse de compensation ne peut évidemment créditer leur compte individuel. C'est pourquoi, lorsque la caisse rend, en application de l'
art. 39 RAVS
, une décision en paiement de cotisations arriérées, celle-ci doit indiquer, au moins dans une pièce annexée, toutes les données nécessaires à la comptabilisation des cotisations dans les différents comptes individuels, telles que les noms des assurés, le montant des salaires déterminants et des cotisations correspondantes, ainsi que l'année pour
BGE 118 V 65 S. 71
laquelle ces dernières sont facturées (
ATF 110 V 234
consid. 4a; RCC 1992 p. 314). Cependant, pour que la caisse puisse satisfaire à cette condition, il faut que l'employeur lui fournisse, ou fournisse à l'organe de révision compétent, les renseignements nécessaires, comme il en a l'obligation (
art. 51 al. 3 LAVS
; 35 al. 1 et 209 al. 1 RAVS).
b) En l'occurrence, il est manifeste que la décision administrative litigieuse ne satisfait pas à ces exigences dès lors qu'il n'en ressort qu'une estimation et qu'aucune donnée sur les assurés concernés n'y figure (cf.
art. 140 al. 1 RAVS
).
Toutefois, la jurisprudence a admis que, dans certaines circonstances, la communication sous forme d'estimation des salaires soumis à cotisations et la simple mention d'une somme forfaitaire peut suffire à la validité d'une décision. Un tel procédé n'est toutefois admissible que lorsque la caisse de compensation se trouve pratiquement dans l'impossibilité de connaître avec la précision requise par la loi le montant des salaires soumis à cotisations, en raison de la carence de l'employeur qui omet, malgré sommation (cf.
art. 37 RAVS
), de fournir en temps utile les données nécessaires à la fixation des cotisations paritaires. En d'autres termes, il faut que la caisse se soit trouvée contrainte, en raison de la carence de l'employeur, de prendre des mesures en vue d'éviter la péremption des cotisations dues (ATFA 1961 p. 149 consid. 1; RCC 1983 p. 311 consid. 3b; arrêt non publié H. du 25 novembre 1982; KÄSER, Unterstellung und Beitragswesen in der obligatorischen AHV, Berne 1989, p. 251, n. 14.67). La caisse se voit dès lors dans l'obligation d'établir une taxation d'office, au sens des
art. 14 al. 3 LAVS
et 38 RAVS. La décision rendue sur cette base est une décision de taxation et non pas une décision de cotisations (RCC 1991 p. 37 consid. 3b). Elle est propre à empêcher la péremption des cotisations au sens de l'
art. 16 al. 1 LAVS
(ATFA 1963 p. 186).
c) En l'espèce, la recourante avait indiqué déjà au mois de mai 1981, dans le questionnaire d'affiliation remis à la caisse intimée, qu'elle occupait du personnel tant en Suisse qu'à l'étranger et qu'à la fin du mois de décembre 1981, l'effectif atteindrait environ 300 personnes. Ce n'est qu'au mois de mai 1986, à l'occasion d'un contrôle des salaires versés par S. S.A., que la caisse s'est préoccupée du statut des travailleurs occupés à l'étranger pour le compte de la société. A l'issue d'une procédure d'enquête, la caisse a informé la société, par lettre du 14 juillet 1986 - dont la teneur a été confirmée par l'OFAS le 10 septembre 1986 -, qu'elle avait acquis la
BGE 118 V 65 S. 72
conviction que des travailleurs de nationalité française, occupés à l'étranger par C. S. S.A. mais salariés de S. S.A., étaient assujettis aux assurances sociales suisses, de sorte que des cotisations paritaires devaient être prélevées sur leurs salaires. Le 30 avril 1987, la caisse a sommé S. S.A. de mettre à sa disposition, dans un délai échéant le 15 mai suivant, les documents comptables propres à établir le montant des salaires versés aux travailleurs occupés à l'étranger. La société n'a toutefois pas donné suite à cette injonction. Par lettre du 14 novembre 1989, la caisse a énuméré de manière détaillée les pièces comptables dont elle avait besoin pour fixer les cotisations paritaires. La recourante n'a pas non plus donné suite à cette demande, préférant manifestement attendre le résultat des procédures judiciaires où elle a entrepris de contester le principe même de l'assujettissement à l'AVS des salariés occupés à l'étranger.
Cela étant, on doit admettre que la caisse s'est trouvée dans l'obligation d'établir une taxation d'office en raison de la carence de l'employeur qui a omis de fournir en temps utile les données nécessaires à la fixation des cotisations paritaires. La décision rendue sur cette base le 6 décembre 1990 n'est dès lors pas critiquable quant à son contenu.
d) Pour autant, et si la recourante devait être déboutée sur le fond, cela ne signifierait nullement que l'autorité judiciaire ratifie purement et simplement, quant à son montant, la taxation d'office décidée par l'intimée. En effet, une fois tranchée la question de principe, il appartiendra à la caisse, s'il y a lieu, de procéder à l'instruction proprement dite, sur la base des renseignements recueillis auprès de l'employeur (cf. ATFA 1961 p. 149 consid. 2).
4.
a) Sont obligatoirement assurés conformément à la loi fédérale sur l'assurance-vieillesse et survivants les ressortissants suisses qui travaillent à l'étranger, pour le compte d'un employeur en Suisse, et qui sont rémunérés par cet employeur (
art. 1er al. 1 let
. c LAVS).
Un ressortissant suisse à l'étranger travaille pour le compte d'un employeur en Suisse s'il est lié à une personne ou à une entreprise sise en Suisse par un rapport de subordination et de dépendance sur le plan économique ou de l'organisation du travail. Il en va toujours ainsi lorsqu'il existe un contrat de travail typique au sens du droit des obligations. Cependant, étant donné que dans l'AVS sont déterminants non pas les rapports de droit civil mais les circonstances économiques, il peut suffire - pour admettre que le ressortissant suisse à l'étranger travaille pour un employeur en Suisse - d'une convention proche d'un contrat de travail proprement dit. Quand l'intéressé
BGE 118 V 65 S. 73
travaille à l'étranger pour une agence ou une succursale qui dépend d'une entreprise suisse, il est réputé travailler pour un employeur en Suisse; tel n'est pas le cas, en revanche, s'il est au service d'une succursale ou d'une société affiliée autonome à l'égard de l'entreprise suisse. En outre, un ressortissant suisse à l'étranger est réputé rémunéré par un employeur en Suisse lorsque le revenu de son travail est pris en charge et comptabilisé comme tel par ce dernier. A cet égard, il importe peu que l'employeur verse le salaire lui-même ou qu'il le fasse verser par l'intermédiaire d'un tiers (RCC 1987 p. 312 consid. 2a).
b) Selon la jurisprudence, la même règle s'applique aux étrangers qui travaillent à l'étranger, pour le compte d'un employeur en Suisse, et qui sont rémunérés par cet employeur, à la double condition que, d'une part, il s'agisse de ressortissants d'un pays ayant conclu avec la Suisse une convention de sécurité sociale comportant une clause d'égalité de traitement entre les nationaux des deux Etats et que, d'autre part, le lieu de travail se situe dans un pays qui n'a pas conclu une telle convention avec la Suisse. Cette règle s'applique notamment aux ressortissants français (
ATF 112 V 337
, 343 consid. 7b).
Certes, cette extension du domaine d'application de l'
art. 1er al. 1 let
. c LAVS à certains ressortissants étrangers a donné lieu à diverses critiques (TRUTMANN, Annuaire suisse de droit international, XLIV/1988, pp. 255 ss; KÄSER, op.cit., p. 27). La première des deux auteurs cités paraît surtout craindre qu'il en résulte une inutile et coûteuse double charge pour les travailleurs concernés. C'est oublier toutefois qu'en vertu des
art. 1er al. 2 let. b LAVS
et 1er LAI, les personnes affiliées à une institution officielle étrangère d'assurance-vieillesse, survivants et invalidité peuvent être exemptées de l'AVS/AI si leur assujettissement à ces assurances sociales suisses constitue pour elles un cumul de charges trop lourdes (
ATF 117 V 3
consid. 4a). Par ailleurs, on peut constater, à la lecture de l'arrêt critiqué, qu'à tout le moins dans le cas de l'Allemagne et de la France, ce sont les représentants de ces deux pays qui ont manifesté le souhait, lors des négociations qui ont précédé la conclusion des traités, que leurs propres ressortissants bénéficient également de la règle figurant à l'
art. 1er al. 1 let
. c LAVS (
ATF 112 V 342
consid. 7a et 344 consid. 7b). Cela permet d'affirmer qu'il s'agit en réalité d'une mesure de protection sociale en faveur des travailleurs étrangers employés par une entreprise suisse et non pas d'une extension abusive du champ d'application de la loi suisse en territoire étranger.
BGE 118 V 65 S. 74
5.
La recourante soutient qu'elle ne saurait, malgré les apparences, être considérée comme l'employeur suisse du personnel étranger qu'elle met à disposition de C. S. S.A. en territoire étranger, au sens de l'
art. 1er al. 1 let
. c LAVS et de la jurisprudence précitée. Cependant, aucun des arguments qu'elle développe dans son recours - ou qu'elle a fait valoir dans le recours de droit administratif dirigé contre le jugement de la juridiction cantonale du 9 novembre 1990 - n'emporte la conviction.
Aux termes de l'
art. 12 al. 1 LAVS
est considéré comme employeur quiconque verse à des personnes obligatoirement assurées une rémunération au sens de l'
art. 5 al. 2 LAVS
. Si l'assuré est en même temps et pour la même activité en rapport de dépendance et de subordination à l'égard de plusieurs personnes, l'obligation de faire des décomptes et de payer les cotisations incombe à l'employeur qui a le contact le plus immédiat et le plus étroit avec l'assuré (RCC 1990 p. 142 consid. 1b). Par ailleurs, il n'est pas indifférent que le 4 mai 1981, lorsqu'elle a rempli le questionnaire d'affiliation à la caisse intimée, la recourante ait expressément indiqué qu'elle occupait du personnel en Suisse et à l'étranger. En effet, ce faisant, elle s'engageait à établir des décomptes et à payer des cotisations pour ce personnel aussi, dans la mesure où il était assujetti à l'AVS/AI. Or, selon la jurisprudence, lorsque le salaire est versé par plusieurs personnes et qu'il est difficile de déterminer clairement qui est parmi ces personnes le véritable employeur tenu de payer les salaires, parce que l'assuré est en même temps et pour la même activité en rapport de dépendance et de subordination à l'égard de ces deux personnes, c'est la personne qui a pris l'engagement, à l'égard de la caisse de compensation, de faire les décomptes et de payer les cotisations qui sera dans tous les cas considérée comme employeur (RCC 1990 p. 145 consid. 5d). Il est dès lors sans importance de savoir qui de la recourante ou de C. S. S.A. supporte réellement la charge économique des salaires payés au personnel engagé par S. S.A. et mis à la disposition de la société précitée. Seule la recourante doit, en vertu des engagements qu'elle a pris en 1981, fournir les décomptes et payer les cotisations paritaires en qualité d'employeur.
C'est également en vain que, soulignant ses liens étroits avec le groupe C. et plus particulièrement C. S. S.A., la recourante invoque de manière implicite le principe dit de la transparence ("Durchgriff") qui permet, en cas d'abus de droit, de rechercher directement le propriétaire économique de la personne morale apparemment partie à un contrat (
ATF 113 II 36
consid. 2c). Ainsi que le Tribunal fédéral des
BGE 118 V 65 S. 75
assurances l'a déjà jugé à propos d'affaires similaires, il n'y a pas lieu de s'écarter, en l'occurrence, des principes généraux du droit des sociétés qui reconnaissent - sous réserve de l'abus de droit - la dualité juridique existant entre la société anonyme et ses actionnaires ou, le cas échéant, son actionnaire unique (RCC 1989 p. 630 consid. 2c).
Ce premier moyen du recours doit ainsi être écarté.
6.
La recourante conteste ensuite la décision litigieuse sous un autre angle. Selon elle, les plongeurs de nationalité française qu'elle emploie travaillent sur des sites en mer du Nord qui se trouvent en Grande-Bretagne (Ecosse, Angleterre) et en Norvège, c'est-à-dire dans des pays liés à la Suisse par des conventions de sécurité sociale, ce qui, d'après la jurisprudence exposée au consid. 4b, exclurait l'application de l'
art. 1er al. 1 let
. c LAVS. En outre, il arrive que les plongeurs travaillent dans des eaux internationales, ce qui ne permet pas, selon la recourante, de définir leur lieu de travail.
Cette argumentation est mal fondée. En effet, ainsi qu'on l'a déjà relevé (cf. consid. 3b), la décision litigieuse est une décision de taxation et non pas une décision de cotisations. Par conséquent, il incombe maintenant à la recourante - à l'égard de laquelle l'administration de l'AVS a fait preuve, jusqu'à présent, de beaucoup de patience - de remettre à la caisse intimée, à bref délai, l'ensemble des documents comptables qui lui ont déjà été réclamés à plusieurs reprises, en dernier lieu dans la lettre de la caisse du 14 novembre 1989, ce qui permettra, en particulier, de connaître l'identité, la nationalité et le lieu de travail des personnes employées par la recourante à l'étranger et rétribuées par elle.
Ce n'est qu'ensuite qu'il appartiendra à la caisse intimée de se prononcer sur les objections de la recourante, en particulier celles qui se fondent sur le lieu de travail des membres de son personnel. Elle le fera à la lumière des principes établis par la jurisprudence précitée et des instructions de l'autorité fédérale de surveillance et rendra à ce sujet une ou plusieurs décisions de cotisations, elles-mêmes sujettes à recours.
L'OFAS relève dans son préavis qu'une partie du personnel occupé par la recourante est constitué de scaphandriers qui travaillent en mer du Nord sur différents sites, ce qui risque d'entraîner des difficultés de délimitation du lieu de travail de ce personnel. Seule, en effet, la convention de sécurité sociale conclue le 21 février 1979 avec le Royaume de Norvège prévoit expressément que ce traité s'applique également à la partie du plateau continental placée sous souveraineté norvégienne (art. 2).
BGE 118 V 65 S. 76
Il est toutefois inutile de se perdre en conjectures à ce propos, puisque la notion même de plateau continental implique la souveraineté d'un Etat côtier sur les sites marins qui en font partie (cf. notamment la convention de Genève sur le plateau continental du 29 avril 1958, en vigueur pour la Suisse depuis le 17 juin 1966 [RS 0.747.305.13 ou ROLF 1966 p. 1031], et les art. 76 ss de la convention de Montego Bay sur le droit de la mer du 10 décembre 1982 [cf. IANNUCCI, Le plateau continental et la troisième conférence des Nations Unies sur le droit de la mer, thèse Neuchâtel 1989, p. 318; ainsi que les articles de MONNIER, CAFLISCH, REVERDIN ET TYTGAT, in Annuaire suisse de droit international, XXXIX/1983, pp. 9 ss]).
Quoi qu'il en soit, ce n'est qu'au moment où l'administration disposera des données que la recourante a l'obligation de lui fournir qu'il sera possible de trancher ce point de droit.
En l'état, ce second moyen de la recourante est également mal fondé.
7.
La recourante soutient encore que lors des pourparlers avec les représentants des autorités, fiscales en particulier, qui ont précédé sa création et son implantation à Fribourg, ses mandataires auraient obtenu des renseignements de nature à la persuader que le personnel qu'elle occuperait à l'étranger ne serait pas assujetti aux assurances sociales, raison pour laquelle elle a souscrit une couverture d'assurance au bénéfice de son personnel donnant des garanties comparables à celles des "régimes sociaux européens". Aussi invoque-t-elle une violation de son droit à la protection de la bonne foi.
Le droit à la protection de la bonne foi permet au citoyen d'exiger que l'autorité respecte ses promesses et qu'elle évite de se contredire. Ainsi, un renseignement ou une décision erronés peuvent obliger l'administration à consentir à un administré un avantage contraire à la loi, si les conditions cumulatives suivantes sont réunies:
1. il faut que l'autorité soit intervenue dans une situation concrète à l'égard de personnes déterminées;
2. qu'elle ait agi ou soit censée avoir agi dans les limites de sa compétence;
3. que l'administré n'ait pu se rendre compte immédiatement de l'inexactitude du renseignement obtenu;
4. qu'il se soit fondé sur celui-ci pour prendre des dispositions qu'il ne saurait modifier sans subir un préjudice;
5. que la loi n'ait pas changé depuis le moment où le renseignement a été donné (
ATF 116 Ib 187
consid. 3c,
ATF 116 V 298
consid. 3a et les références).
BGE 118 V 65 S. 77
Ces conditions ne sont manifestement pas réalisées dans le cas d'espèce. En premier lieu, la recourante omet de désigner avec exactitude l'autorité compétente qui aurait donné des renseignements propres à lier cette dernière sous l'angle de la protection de la bonne foi. Ensuite, elle n'indique pas en quoi exactement consistaient lesdits renseignements. Par ailleurs, la recourante fait elle-même valoir qu'au moment de sa création, elle s'était entourée des conseils d'avocats suisses qui s'étaient renseignés "auprès des autorités responsables de l'AVS". Or, pas plus les uns que les autres ne pouvaient ignorer que l'
art. 1er al. 1 let
. c LAVS s'applique également, en vertu de conventions bilatérales, à certains ressortissants étrangers - dont les Français - occupés dans un Etat tiers pour le compte d'un employeur en Suisse. Cette question avait p.ex. été l'objet en 1981, l'année même de la création de S. S.A., d'instructions de l'OFAS publiées dans le Bulletin de l'AVS No 104 et dans la RCC 1981 pp. 226 ss. En outre, depuis 1982, la brochure reproduisant la législation en matière d'AVS, régulièrement rééditée par l'OFAS et connue de tous les praticiens, contient une note explicite à ce sujet, après le texte de l'
art. 1er LAVS
.
Dès lors, même si, par hypothèse, un fonctionnaire de l'administration de l'AVS avait prétendu que la règle en question ne s'appliquait en aucun cas aux plongeurs et autres spécialistes liés à la recourante par un contrat de travail, rétribués par elle et occupés sur un site marin, les juristes qualifiés auxquels les fondateurs de S. S.A. s'étaient adressés n'auraient pu manquer de reconnaître immédiatement l'inexactitude du renseignement ainsi obtenu.
Plus discutable paraît en revanche l'attitude de la caisse intimée qui semble avoir attendu cinq ans avant de se préoccuper du statut du personnel étranger de la recourante et de lui réclamer le paiement de cotisations arriérées, au risque de provoquer un important surcroît de travail à cette dernière pour reconstituer avec la précision requise les données qu'elle devra fournir à l'administration pour les années 1981 et suivantes. Cet élément n'est cependant pas décisif au stade actuel de la procédure mais il pourrait p.ex. intervenir dans l'appréciation des conditions permettant la remise de cotisations arriérées (
art. 40 RAVS
;
ATF 113 V 248
).
Le moyen tiré de la protection de la bonne foi doit également être rejeté.
8.
Le recours de droit administratif se révèle ainsi mal fondé en toutes ses conclusions, dans la mesure où il est recevable. Cela ne signifie cependant pas que la décision de taxation d'office du
BGE 118 V 65 S. 78
6 décembre 1990 devienne exécutoire. Comme on l'a déjà relevé, cette taxation ne saurait, en l'état, être confirmée quant à son montant puisque, pour le moment, on ne connaît ni l'identité des assurés, ni le montant des salaires soumis à cotisations (cf. consid. 3d). Aussi, le recours sera-t-il rejeté "au sens des considérants".
9.
(Frais de justice). | null | nan | fr | 1,992 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
17db8583-0ec8-4d09-bfa1-ed8e00b6a670 | Urteilskopf
123 III 280
45. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour civile du 11 juin 1997 dans la cause masse en faillite de I. S.A. et consorts contre dame B. et consort (recours en réforme) | Regeste
Haftungsprivileg des Arbeitgebers (
Art. 44 Abs. 2 UVG
).
Der Einsatzbetrieb kann sich nicht auf diese Bestimmung berufen, wenn ein Temporärarbeitnehmer Opfer eines Arbeitsunfalls wird. | Sachverhalt
ab Seite 281
BGE 123 III 280 S. 281
A.-
L. S.A. est une entreprise spécialisée dans la mise à disposition de personnel dans l'industrie, la métallurgie et le bâtiment. Le 9 janvier 1987, elle a chargé A., conseiller en personnel, d'amener ses employés B. et K. sur le chantier d'un hôtel, à Genève, dans lequel l'entreprise I. S.A. effectuait des travaux de construction de parois. B. et K. avaient pour tâche de charger des plaques de plâtre sur un monte-charge dit "bâti". L'installation avait été conçue notamment par D., directeur de I. S.A., et par M., technicien de I. S.A. et responsable du chantier. Il appartenait à C., employé de I. S.A., de transmettre les consignes de sécurité aux ouvriers.
A un moment donné, lors du premier chargement, B. a décidé de se placer entre le "bâti" et les plaques à charger, ce qui lui permettait de tirer celles-ci plus facilement avant de les redresser et de les placer sur le monte-charge avec l'aide de K. Alors qu'il procédait ainsi pour la quinzième plaque, les quatorze plaques déjà chargées se sont renversées sur lui. B. a succombé à ses blessures.
B.-
Par demande du 31 décembre 1991, l'épouse de B. et son fils mineur ont ouvert action contre I. S.A., D., M., C., L. S.A., A. et K. Ils réclamaient aux défendeurs, pris solidairement, le remboursement des frais liés au décès ainsi que l'indemnisation de la perte de soutien et du tort moral.
Par jugement du 4 novembre 1993, le Tribunal de première instance du canton de Genève a libéré K. des fins de l'action; il a jugé en revanche que la responsabilité des autres défendeurs était engagée et les a condamnés à payer aux demandeurs la moitié des montants réclamés, compte tenu d'une faute concomitante de B. estimée à 50%.
Tant les demandeurs que les défendeurs I. S.A., D., M., C., L. S.A. et A. ont interjeté appel. La faillite de I. S.A. a été prononcée alors que la cause était pendante devant la juridiction d'appel. Statuant le 31 mai 1996, la Cour de justice a annulé le jugement de première instance. A l'instar du tribunal, elle a estimé que la responsabilité des défendeurs était engagée. En revanche, elle a jugé que l'agence intérimaire, contrairement à l'entreprise locataire de services, pouvait se prévaloir du privilège de responsabilité de l'
art. 44 al. 2 LAA
(RS 832.20); elle a nié également toute faute concomitante de la part de B. En conséquence, elle a condamné solidairement I. S.A. en faillite, D., M. et C. à payer, intérêts en sus, 267'636 fr.60 - correspondant aux frais funéraires, à la perte de soutien et au tort moral - à la demanderesse et 20'000 fr. - correspondant au tort moral - au demandeur. Par ailleurs, elle a condamné L. S.A. et A., solidairement
BGE 123 III 280 S. 282
entre eux et solidairement avec les autres défendeurs, à payer, intérêts en sus, 45'985 fr.40 - correspondant aux frais funéraires et au tort moral - à la demanderesse et 20'000 fr. - correspondant au tort moral - au demandeur.
C.-
La masse en faillite de I. S.A., D., M. et C. ont déposé un recours en réforme. Le Tribunal fédéral a rejeté le moyen principal des recourants, tiré de la violation de l'
art. 44 al. 2 LAA
. Au surplus, le recours a été admis très partiellement pour des motifs qui ne sont pas publiés.
Erwägungen
Extrait des considérants:
2.
La cour cantonale a mis L. S.A. et son employé A. au bénéfice du privilège de responsabilité de l'employeur institué par l'
art. 44 al. 2 LAA
. Seuls les frais funéraires et les indemnités en réparation du tort moral ont été mis à leur charge, solidairement avec les recourants. La Cour de justice a refusé en revanche d'appliquer l'
art. 44 al. 2 LAA
à la recourante et, partant, à ses anciens collaborateurs D., M. et C. A son avis, rien ne s'oppose à ce que l'entreprise locataire de services et ses employés soient condamnés à indemniser la perte de soutien subie par l'intimée.
b) Aux termes de l'
art. 44 al. 1 LAA
, la personne assurée à titre obligatoire et ses survivants ne peuvent faire valoir de prétentions civiles contre le conjoint de l'assuré, ses parents en ligne ascendante ou descendante ou les personnes vivant en communauté domestique avec lui que s'ils ont provoqué l'accident intentionnellement ou par une négligence grave. L'alinéa 2 de cette disposition limite dans la même mesure les prétentions civiles existant en raison d'un accident professionnel contre l'employeur, les membres de sa famille et les travailleurs de son entreprise.
En l'espèce, B. était lié par un contrat de travail à L. S.A. et cette entreprise a loué les services de son employé à I. S.A. La question est donc de savoir si la recourante doit être considérée ou non comme l'employeur de B. au sens de l'
art. 44 al. 2 LAA
. En cas de réponse positive, les recourants ne pourraient être condamnés à réparer la perte de soutien de l'intimée, sauf faute intentionnelle ou négligence grave de la part d'un organe de la recourante.
aa) L'
art. 44 al. 2 LAA
correspond pour l'essentiel à l'
art. 129 al. 2 LAMA
, en vigueur jusqu'au 31 décembre 1983. Dans le nouveau droit, le législateur a simplement supprimé la condition selon laquelle l'employeur devait avoir payé les primes lui incombant pour
BGE 123 III 280 S. 283
bénéficier du privilège de responsabilité (cf. Message à l'appui d'un projet de loi fédérale sur l'assurance-accidents, in FF 1976 III, p. 203; Avis du Conseil fédéral à propos de l'initiative parlementaire tendant à la suppression de l'
art. 44 al. 2 LAA
, in FF 1985 II, p. 288; sur le sens de cette modification, voir consid. 2b/bb ci-dessous).
Le Tribunal fédéral a eu l'occasion de se prononcer à plusieurs reprises sur la portée de l'
art. 129 al. 2 LAMA
. Dans l'affaire Daziani, les CFF avaient confié à une entreprise privée des travaux de réfection sur une voie de chemin de fer. A la suite d'une défaillance du service de sécurité assuré par les CFF, un train renversa deux ouvriers de l'entreprise privée. Dans ce cas, les CFF furent mis au bénéfice du privilège de l'
art. 129 al. 2 LAMA
de sorte qu'ils n'eurent pas à réparer le préjudice économique subi par les lésés. Le Tribunal fédéral estima en effet qu'il n'y avait pas lieu de créer une inégalité de traitement entre les employés des CFF et les travailleurs d'autres entreprises occupés sur les voies (
ATF 88 II 516
consid. 3a p. 525-526). Quelques années plus tard, dans une affaire Baumann similaire au cas Daziani, le Tribunal fédéral modifia sa jurisprudence et refusa aux CFF le bénéfice du privilège de responsabilité. Partant du texte de l'
art. 129 al. 2 LAMA
, il jugea alors que les CFF ne pouvaient être qualifiés d'employeur de l'ouvrier de l'entreprise de construction; il releva également que les primes d'assurance n'avaient pas été prises en charge par les CFF, avant de souligner le caractère exceptionnel de l'
art. 129 al. 2 LAMA
, dont le champ d'application n'avait pas à être étendu sans motif impérieux (
ATF 96 II 218
consid. 5 p. 228 ss). Dans un arrêt précédent, le Tribunal fédéral avait déjà accordé une importance prépondérante au fait que l'entreprise se prévalant du privilège de responsabilité était liée au lésé par un contrat de travail et avait payé les primes de l'assurance-accidents (
ATF 95 II 623
consid. 3 p. 627). La jurisprudence consacrée dans l'arrêt Baumann a été confirmée par la suite (
ATF 97 II 123
consid. 5 p. 130).
Dans un avis de droit commandé par la CNA en 1977, Merz attribua une portée générale à l'arrêt Baumann, en particulier en matière de location de services. A son sens, le texte de l'
art. 129 al. 2 LAMA
était clair: seul pouvait invoquer le privilège de responsabilité l'employeur qui avait porté le travailleur accidenté sur sa liste de salariés et s'était donc acquitté de la prime d'assurance; or, tel n'était pas le cas de l'entreprise qui avait loué du personnel, sauf convention contraire conforme à l'
art. 333 CO
(cité par ROLF ESCHMANN, UVG 44 - Zur Anerkennung des Haftungsprivilegs bei
BGE 123 III 280 S. 284
Ausleihverhältnissen, in RSA/SVZ 1996, p. 236-237; ERWIN MURER, Mehrseitige Arbeitsverhältnisse und Art. 44 Abs. 2 UVG, in RSAS/SZS 1992, p. 10; PETER STEIN, Die Haftungsbeschränkung gemäss Art. 44/2 UVG und Art. 48ter AHVG, in Mélanges Assista 1989, p. 409; LUC THÉVENOZ, Le travail intérimaire, thèse Genève 1987, p. 304 ss; JEAN-MARIE BOLLER, La limitation de la responsabilité civile des proches et de l'employeur à l'égard du travailleur (
Art. 44 LAA
), thèse Fribourg 1984, p. 125-126).
Les opinions divergent sur le cercle des entreprises bénéficiant du privilège de responsabilité de l'employeur sous l'empire de la LAA. A l'instar de MERZ, THOMAS KOLLER est d'avis que l'entreprise locataire de services ne saurait être l'employeur visé par l'
art. 44 al. 2 LAA
(Die Haftung des Arbeitgebers und das Sozialversicherungsrecht, in PJA/AJP 1997, p. 439). Selon cet auteur, même si le travailleur intérimaire se trouve de fait dans un rapport de subordination vis-à-vis de l'entreprise qui loue ses services, il n'en demeure pas moins qu'un lien contractuel formel fait défaut; or, la sécurité du droit et la réglementation claire régissant les rapports formels entre les parties selon la loi fédérale du 6 octobre 1989 sur le service de l'emploi et la location de services (LSE; RS 823.11) commandent de ne pas considérer comme employeur au sens de l'
art. 44 al. 2 LAA
celui qui ne dispose formellement d'aucun lien juridique avec le travailleur accidenté (ibid.). Dans le même sens, GHÉLEW/RAMELET/RITTER relèvent que la limitation de la responsabilité ne concerne que l'employeur direct du lésé, c'est-à-dire celui dont il dépend en vertu d'un contrat de travail (Commentaire de la loi sur l'assurance-accidents (LAA), p. 172). Pour sa part, MURER nuance cette opinion. Il est d'avis qu'en principe, seul l'employeur (formellement) débiteur des primes selon les
art. 91 ss LAA
peut se prévaloir de l'
art. 44 al. 2 LAA
, mais que, dans des cas particuliers, le privilège de responsabilité peut être étendu à l'employeur "de fait" dans le cadre de l'
art. 2 al. 2 CC
(op.cit., p. 9 ss); cette dernière hypothèse se rencontrerait notamment si l'employeur "de fait" peut prouver qu'il a, en fin de compte, payé lui-même les primes afférentes au travailleur accidenté et que celui-ci a exercé une activité à son service pendant au moins un mois (op.cit., p. 17 et 19).
Un autre courant doctrinal se montre moins restrictif dans l'application de l'
art. 44 al. 2 LAA
. Pour ALFRED KELLER, le travailleur, en cas de location de personnel, se soumet au pouvoir d'instruction de l'entreprise à laquelle ses services sont cédés; celle-ci doit par conséquent être considérée comme son employeur et bénéficier du
BGE 123 III 280 S. 285
privilège de responsabilité en cas d'accident (Haftpflicht im Privatrecht, tome I, 5e éd., p. 456). Selon THÉVENOZ, la LAA connaît sa propre définition du terme "employeur", qui recouvre non seulement celui qui est désigné comme tel dans le contrat de travail, mais également celui qui ordonne et surveille l'exécution de la tâche du travailleur lésé. Invoquant la suppression, à l'
art. 44 al. 2 LAA
, de la condition du paiement effectif des primes posée par la LAMA, cet auteur refuse d'attacher une importance décisive à l'identité formelle du débiteur des primes. A son sens, l'"utilisateur" peut donc se prévaloir de l'
art. 44 al. 2 LAA
à l'encontre du travailleur intérimaire (op.cit., p. 300 ss). BOLLER aboutit à la même conclusion. Il est d'avis qu'il se crée, entre l'entreprise "utilisatrice" et le travailleur temporaire, une véritable relation de travail, qui est pratiquement analogue à celle résultant d'une communauté de travail et qui justifie d'accorder à l'entreprise "utilisatrice" la protection de l'
art. 44 al. 2 LAA
(op.cit., p. 124-125). Quant à ESCHMANN, il semble se rallier à cette position, sans toutefois l'expliquer (op.cit., p. 239).
Sur le vu de ces différentes opinions, il est manifeste que l'
art. 44 al. 2 LAA
ne fournit pas une réponse immédiate à la question de savoir si l'entreprise locataire de services bénéficie ou non du privilège de l'employeur. Il convient dès lors d'interpréter cette disposition.
bb) La loi s'interprète en premier lieu d'après sa lettre (interprétation littérale). Si le texte légal n'est pas absolument clair, si plusieurs interprétations de celui-ci sont possibles, le juge recherchera la véritable portée de la norme, en la dégageant de sa relation avec d'autres dispositions légales, de son contexte (interprétation systématique), du but poursuivi, singulièrement de l'intérêt protégé, (interprétation téléologique) ainsi que de la volonté du législateur telle qu'elle ressort notamment des travaux préparatoires (interprétation historique) (
ATF 122 III 324
consid. 7a, 469 consid. 5a p. 474;
ATF 121 III 408
consid. 4b;
ATF 121 V 58
consid. 3b p. 60;
120 II 112
consid. 3b;
ATF 119 Ia 241
consid. 7a p. 248, II 353 consid. 5 p. 355;
118 Ib 448
consid. 3c p. 452;
ATF 117 Ia 328
consid. 3a p. 331).
La LAA ne définit pas la notion d'employeur utilisée notamment à son art. 44 al. 2. En droit privé, l'employeur est celui qui est lié au travailleur par un contrat de travail (cf.
art. 319 al. 1 CO
). Cette définition se révèle toutefois trop étroite pour cerner l'employeur auquel l'
art. 44 al. 2 LAA
fait référence. En effet, les administrations publiques peuvent également être des employeurs au sens de cette disposition, quand bien même elles n'ont pas conclu de contrat de travail avec leurs fonctionnaires (cf.
art. 66 al. 1 let
. p et q LAA).
BGE 123 III 280 S. 286
Il n'en demeure pas moins qu'un lien doit exister entre l'assuré victime d'un accident et la personne recherchée en responsabilité qui entend se prévaloir du privilège de l'employeur. Contrairement aux textes français et italien de l'
art. 44 al. 2 LAA
, qui font seulement mention de "l'employeur" ("il datore di lavoro"), la version allemande précise à cet égard qu'il s'agit bien de l'employeur de l'assuré ("den Arbeitgeber des Versicherten"). N'importe quel employeur ne peut donc invoquer le bénéfice de l'
art. 44 al. 2 LAA
à l'égard de n'importe quel travailleur.
Pour déterminer la nature du lien entre travailleur et bénéficiaire du privilège de responsabilité, il convient de rechercher la ratio legis de l'
art. 44 al. 2 LAA
. Le privilège accordé par cette disposition est motivé avant tout par le fait que les primes de l'assurance obligatoire contre les accidents et les maladies professionnels sont à la charge de l'employeur; ce dernier, finançant le système d'assurance, n'a pas à réparer en sus, en vertu d'un chef de responsabilité, le dommage subi par un travailleur occupé à son service (OFTINGER/STARK, Schweizerisches Haftpflichtrecht, Allgemeiner Teil, tome I, 5e éd., n. 110, p. 528; MURER, op.cit., p. 6-7; Berenstein, Assurance-accidents et responsabilité civile, in Droit privé et assurances sociales, Editions universitaires Fribourg 1990, p. 62-63; MAURER, Schweizerisches Unfallversicherungsrecht, p. 567; BOLLER, op.cit., p. 52). Le maintien de la paix du travail a également été avancé comme fondement de l'
art. 44 al. 2 LAA
; il s'agirait d'éviter les affrontements entre employeur et travailleur au sein de l'entreprise (KELLER, op.cit., p. 452; BOLLER, op.cit., p. 53; cf. également MURER, op.cit., p. 6 et ESCHMANN, op.cit., p. 236, qui estiment que cet argument a moins de poids aujourd'hui qu'à l'époque de l'adoption de la LAMA).
Comme sous l'empire de la LAMA, la justification principale du privilège de l'employeur réside ainsi dans le paiement des primes de l'assurance-accidents. Il s'ensuit qu'en principe, seul l'employeur qui a la charge des primes afférentes au travailleur lésé peut opposer à ce dernier la limitation de responsabilité instituée par l'
art. 44 al. 2 LAA
(cf.
art. 91 al. 1 LAA
).
En matière de location de personnel, c'est l'entreprise de travail temporaire qui paie les primes des travailleurs dont les services sont loués à autrui (
art. 66 al. 1 let
. o LAA et
art. 85 OLAA
[RS 832.202]; THÉVENOZ, op.cit., p. 304-305). La question se pose néanmoins de savoir si le bénéfice de l'
art. 44 al. 2 LAA
est réservé au débiteur formel des primes d'assurance ou si, comme le soutient THÉVENOZ (op.cit.,
BGE 123 III 280 S. 287
p. 305), l'entreprise "utilisatrice" est également légitimée à invoquer le privilège de l'employeur, dans la mesure où elle supporte en fait le coût de l'assurance-accidents, inclus avec le salaire et les autres charges sociales dans les honoraires versés à l'agence intérimaire.
Comme déjà relevé, l'
art. 44 al. 2 LAA
, contrairement à l'
art. 129 al. 2 LAMA
, ne contient pas la condition selon laquelle l'employeur doit avoir payé les primes auxquelles il est astreint dans l'assurance obligatoire. Ainsi que le démontre MURER, la suppression de cette exigence n'a toutefois pas une portée fondamentale (op.cit., p. 11 ss). En effet, si le législateur avait voulu donner à cette modification le sens d'une extension du privilège à l'employeur "de fait", en particulier à l'entreprise locataire de services, les travaux préparatoires en porteraient la trace, d'autant plus que la question était déjà apparue à plusieurs reprises dans la jurisprudence. Il convient de noter au passage que lorsque les travailleurs intérimaires doivent être traités de la même manière que les travailleurs fixes de l'entreprise locataire de services, la législation le précise textuellement, ainsi en matière de sécurité au travail (cf.
art. 10 OPA
[RS 832.30]). En l'occurrence, ni le Conseil fédéral, ni les Chambres n'ont évoqué le sujet. Le message précité se borne à la phrase suivante: "On a supprimé la condition prévue par le droit actuel qui veut que l'employeur ait payé les primes lui incombant" (FF 1976 III, p. 203). A la lecture de ce passage, il apparaît beaucoup plus plausible que l'abandon de la condition du paiement des primes tendait uniquement à éviter qu'un employeur en retard dans le paiement des primes de l'exercice ne puisse pas se prévaloir du privilège de l'
art. 44 al. 2 LAA
. L'interprétation historique ne permet en tout cas pas de conclure que le législateur entendait faire bénéficier l'entreprise locataire de services du privilège de l'employeur lors d'un accident survenant à un travailleur temporaire.
En soi, l'argument économique n'emporte pas non plus la conviction. D'une part, l'entreprise, qu'elle emploie ou non du personnel intérimaire, reporte, d'une manière ou d'une autre, le coût de l'assurance-accidents sur le prix de ses produits (cf. OFTINGER/STARK, op.cit., p. 529.-530). Or, il n'a jamais été question de mettre les acheteurs au bénéfice du privilège de l'
art. 44 al. 2 LAA
(cf. MURER, op.cit., p. 7). D'autre part, l'octroi du privilège de l'employeur à l'entreprise locataire de services ne supprimerait pas le bénéfice de l'
art. 44 al. 2 LAA
pour l'agence intérimaire, dont la qualité d'employeur de l'assuré au sens de cette disposition ne saurait être niée. Dans un cas comme la présente espèce, les deux entreprises pourraient ainsi
BGE 123 III 280 S. 288
voir leur responsabilité limitée grâce à l'
art. 44 al. 2 LAA
. Rien ne permet d'admettre que tel était le but recherché par le législateur.
De manière générale, il convient de souligner le caractère exceptionnel de la limitation de la responsabilité de l'employeur dans le droit suisse de la responsabilité civile. En effet, hormis l'hypothèse rare de la faute grave, le privilège institué par l'
art. 44 al. 2 LAA
s'applique à tout le dommage pour lequel existe une prestation d'assurance correspondante, y compris celui qui n'est pas couvert par ladite prestation (THOMAS KOLLER, op.cit., p. 440; OFTINGER/STARK, op.cit., p. 529; ALFRED KOLLER, Regress des Unfallversicherers auf den Haftpflichtigen, in Développements récents du droit de la responsabilité civile, 1991, p. 410; KELLER, op.cit., p. 452; ROLAND SCHAER, Grundzüge des Zusammenwirkens von Schadenausgleichsystemen, p. 332). Dans bien des cas, le travailleur lésé ou les survivants d'un travailleur tué dans un accident professionnel ne pourront dès lors pas obtenir pleine réparation de leur préjudice. C'est l'une des raisons pour lesquelles plusieurs auteurs critiquent le privilège de responsabilité de l'employeur (cf. THOMAS KOLLER, op.cit., p. 440; OFTINGER/STAR, op.cit., p. 529-530 et p. 531; cf. également KELLER, op.cit., p. 453-454). Du reste, la commission d'étude pour la révision totale du droit de la responsabilité civile propose d'abolir ce privilège, tout en maintenant le privilège récursoire également déduit de l'
art. 44 al. 2 LAA
(Rapport d'août 1991, p. 175; THOMAS KOLLER, op.cit., p. 440; KELLER, op.cit., p. 453).
Dans ces conditions, il n'y a pas lieu d'étendre la portée de l'
art. 44 al. 2 LAA
. L'employeur dont il est question à cette disposition ne peut correspondre qu'à celui qui est lié juridiquement au travailleur et qui, conformément à l'
art. 91 al. 1 LAA
, doit s'acquitter des primes de l'assurance obligatoire contre les accidents et maladies professionnels. L'entreprise locataire de services ne peut donc se prévaloir de l'
art. 44 al. 2 LAA
lorsqu'un travailleur intérimaire est victime d'un accident professionnel. Certes, en pareil cas, le travailleur temporaire se trouve avantagé par rapport au travailleur fixe; il n'y a toutefois là rien d'inéquitable, étant donné le statut précaire du travailleur intérimaire.
Sur le vu de ce qui précède, la recourante et, partant, les anciens collaborateurs de I. S.A. se sont vu refuser à bon droit le bénéfice de l'
art. 44 al. 2 LAA
pour la réparation de la perte de soutien subie par l'intimée. | null | nan | fr | 1,997 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
17de439e-aa00-4745-a9cb-f44ff4ee1f87 | Urteilskopf
137 I 16
3. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. Nef gegen Axel Springer Schweiz AG und Mitb. sowie Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
1C_322/2010 vom 6. Oktober 2010 | Regeste
Art. 30 Abs. 3 BV
,
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
und
Art. 14 Abs. 1 UNO-Pakt II
;
Art. 16 Abs. 3 BV
;
Art. 53 StGB
; Prinzip der Justizöffentlichkeit; Informationsfreiheit; Anspruch auf Einsicht in eine rechtskräftige Einstellungsverfügung.
Der in
Art. 30 Abs. 3 BV
verankerte Grundsatz der Justizöffentlichkeit konkretisiert für den Bereich gerichtlicher Verfahren die Informationsfreiheit gemäss
Art. 16 Abs. 3 BV
(E. 2.2).
Art. 30 Abs. 3 BV
findet auch auf Einstellungen nach
Art. 53 StGB
Anwendung (E. 2.3). Vorliegend ergibt sich das schutzwürdige Informationsinteresse aus der Kontrollfunktion der Medien (E. 2.4). | Sachverhalt
ab Seite 17
BGE 137 I 16 S. 17
A.
Am 27. September 2006 erstattete Frau X. bei der Stadtpolizei Zürich gegen ihren ehemaligen Lebenspartner Roland Nef eine Strafanzeige wegen Nötigung etc. Gegen Roland Nef wurde in der Folge bei der Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat ein Strafverfahren eröffnet, welches mit Verfügung vom 20. November 2006 an die Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich abgetreten wurde. Diese stellte das Verfahren mit Verfügung vom 23. Oktober 2007 ein.
Im Juli und August 2008 ersuchten unter anderem die Axel Springer Schweiz AG und die Weltwoche Verlags AG sowie die Journalisten Dominique Strebel und Alex Baur um Einsicht in die Einstellungsverfügung vom 23. Oktober 2007.
Mit Verfügung vom 15. Dezember 2008 hiess die Staatsanwaltschaft I die entsprechenden Gesuche teilweise gut. Sie ordnete an, die Einstellungsverfügung sei den Gesuchstellern auszuhändigen, wobei alle Hinweise, welche die Person der Anzeigeerstatterin beträfen, zu anonymisieren sowie Erwägung 7 und Dispositiv-Ziff. 3 der Einstellungsverfügung unkenntlich zu machen seien.
Dagegen erhob Roland Nef Rekurs an die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich mit dem Antrag, die Aktenherausgabe sei zu verweigern. Mit Entscheid vom 28. April 2009 hiess die Oberstaatsanwaltschaft den Rekurs gut und untersagte die Herausgabe der Einstellungsverfügung.
B.
Gegen diesen Entscheid gelangten die Axel Springer Schweiz AG, die Weltwoche Verlags AG sowie die Journalisten Dominique Strebel und Alex Baur ans Bundesgericht, welches das Verfahren zunächst sistierte, da die genannten Beschwerdeführer zugleich eine Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Zürich eingereicht hatten. Dieses verneinte indes mit Beschluss vom 29. Juli 2009 seine Zuständigkeit und leitete die Sache ans Obergericht des Kantons Zürich weiter. Mit Entscheid vom 24. September 2009 trat das Obergericht auf die Angelegenheit nicht ein. Auch gegen die beiden letztgenannten Entscheide gelangten die vorerwähnten Beschwerdeführer ans Bundesgericht. Mit Urteil vom 14. Januar 2010 hiess dieses die Beschwerde gegen den Nichteintretensentscheid des Verwaltungsgerichts gut und überwies diesem die Sache zur Beurteilung (
BGE 136 I 80
).
C.
Mit Entscheid vom 19. Mai 2010 hiess das Verwaltungsgericht die von der Axel Springer Schweiz AG, der Weltwoche Verlags AG sowie von Dominique Strebel und Alex Baur erhobene
BGE 137 I 16 S. 18
Beschwerde gut, soweit es darauf eintrat. Das Verwaltungsgericht hob den am 28. April 2009 ergangenen Entscheid der Oberstaatsanwaltschaft auf und stellte die Verfügung der Staatsanwaltschaft I vom 15. Dezember 2008 wieder her.
D.
Mit Eingabe vom 28. Juni 2010 führt Roland Nef Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ans Bundesgericht. (...)
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
(Auszug)
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
2.1
Der Beschwerdeführer bringt vor, im
BGE 134 I 286
E. 6, auf welchen sich die Vorinstanz in ihrer Entscheidbegründung beziehe, habe das Bundesgericht
Art. 30 Abs. 3 BV
zwar auf Einstellungs- und Nichtanhandnahmeverfügungen ausgedehnt, jedoch gleichzeitig erwogen, ein Informationsbedürfnis könne sich insbesondere bei systematischen bzw. auffällig häufigen Verfahrenserledigungen ergeben. E contrario sei
Art. 30 Abs. 3 BV
auf den hier zu beurteilenden Einzelfall per se nicht anwendbar. Ohnehin fehle es aber jedenfalls an einem schutzwürdigen Informationsinteresse seitens der Beschwerdegegner. Der Beschwerdeführer präzisiert, der Inhalt der Einstellungsverfügung sei irrelevant für die Beurteilung der Hintergründe, welche zu seiner Ernennung zum Chef der Armee und zur späteren Auflösung seines Arbeitsverhältnisses geführt hätten. Die Einstellung des Strafverfahrens sei nach eingehender Prüfung der Voraussetzungen von
Art. 53 StGB
ergangen. Diese Bestimmung ermögliche es der beschuldigten Person einen öffentlichen Prozess zu vermeiden, sodass die Vertraulichkeit gewahrt bleibe. Wenn der Gesetzgeber mit der Verabschiedung von
Art. 53 StGB
mehr Privatautonomie im Strafverfahren zulasse, müsse auch akzeptiert werden, dass das öffentliche Interesse zurückzutreten habe. Mit einer Herausgabe der Einstellungsverfügung würde mithin
Art. 53 StGB
ad absurdum geführt. Schliesslich - so hebt der Beschwerdeführer hervor - komme die Vorinstanz auch ihrer Verpflichtung zur Interessenabwägung nicht nach, indem sie lapidar feststelle, besondere Geheimhaltungsinteressen seien nicht auszumachen.
2.2
Art. 30 Abs. 3 BV
,
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
und
Art. 14 Abs. 1 UNO-Pakt II
(SR 0.103.2) verankern das Prinzip der Justizöffentlichkeit. Das Öffentlichkeitsprinzip hat zudem Eingang in die kantonale Verfassung gefunden (vgl.
Art. 17, 49 und 78 KV/ZH
[SR 131.211]); zu
BGE 137 I 16 S. 19
dessen Umsetzung hat der kantonale Gesetzgeber das Gesetz über die Information und den Datenschutz vom 12. Februar 2007 erlassen (IDG/ZH; LS 170.4).
Art. 16 Abs. 1 BV
garantiert die Informationsfreiheit, wobei das Recht auf freie Informationsbeschaffung gemäss
Art. 16 Abs. 3 BV
auf Quellen beschränkt ist, die allgemein zugänglich sind. Als allgemein zugänglich gelten gemäss
Art. 30 Abs. 3 BV
Gerichtsverhandlung und Urteilsverkündung. Die Bestimmung konkretisiert insofern die Informationsfreiheit für den Bereich gerichtlicher Verfahren (MÜLLER/SCHEFER, Grundrechte in der Schweiz, 4. Aufl. 2008, S. 965; vgl. auch
BGE 127 I 145
E. 4c/aa S. 153).
Das Prinzip der Justizöffentlichkeit und die daraus abgeleiteten Informationsrechte sind von zentraler rechtsstaatlicher und demokratischer Bedeutung. Sie sorgen für Transparenz in der Rechtspflege, was eine demokratische Kontrolle durch das Volk erst ermöglicht, und bedeuten damit eine Absage an jede Form geheimer Kabinettsjustiz (
BGE 134 I 286
E. 6.1 S. 289). Ohne Gerichtsöffentlichkeit sind Spekulationen, ob die Justiz einzelne Prozessparteien ungebührlich benachteiligt oder privilegiert, unvermeidlich. Kritik an einseitiger oder rechtsstaatlich fragwürdiger Ermittlungstätigkeit oder mangelhafter Verfahrensleitung bliebe ausgeschlossen. Die öffentliche Urteilsverkündung im Sinn einer Publikums- und Medienöffentlichkeit ist als Teilgehalt von
Art. 30 Abs. 3 BV
primär für nicht direkt am Verfahren beteiligte Dritte von Bedeutung, wobei den Medien die Rolle eines Bindeglieds zwischen Justiz und Bevölkerung zukommt (vgl. GEROLD STEINMANN, in: Die schweizerische Bundesverfassung, St. Galler Kommentar, 2. Aufl. 2008, N. 37 zu
Art. 30 BV
).
2.3
Im
BGE 134 I 286
, auf welchen im angefochtenen Entscheid wie auch in der Beschwerde Bezug genommen wird, hat das Bundesgericht erwogen, die Einsichtnahme auf Urteile zu beschränken und bei Einstellungs- und Nichtanhandnahmeverfügungen generell auszuschliessen, erscheine zu formalistisch und trage dem Öffentlichkeitsgrundsatz nicht ausreichend Rechnung. Die Öffentlichkeit könne durchaus ein legitimes Interesse an der Klärung der Frage haben, weshalb es zu nichtgerichtlichen Verfahrenserledigungen ohne Straffolgen durch Sach- und Prozessentscheide komme. Bestehe ein solches schutzwürdiges Interesse der Öffentlichkeit sei dieses im Lichte des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes gegen die
BGE 137 I 16 S. 20
entgegenstehenden Interessen der Justizbehörden und der Verfahrensbeteiligten abzuwägen. Zu prüfen sei dabei, ob den Geheimhaltungsinteressen durch Kürzung oder Anonymisierung der Verfügung ausreichend Rechnung getragen werden könne (vgl.
BGE 134 I 286
E. 6.3 und 6.6 S. 290 f.).
Diese Erwägungen beziehen sich auf Einstellungs- und Nichtanhandnahmeverfügungen, bei welchen im Hinblick auf eine gerichtliche Beurteilung mit grosser Wahrscheinlichkeit ein Freispruch (mangels Beweisen oder mangels Strafbarkeit) erfolgen würde (
BGE 134 I 286
E. 6.2 S. 289). Im Unterschied dazu steht hier die Einsichtnahme in eine gestützt auf
Art. 53 StGB
vorgenommene Verfahrenseinstellung zur Diskussion. Nach dieser Bestimmung mit dem Randtitel "Wiedergutmachung" sieht die zuständige Behörde von einer Strafverfolgung, einer Überweisung an das Gericht oder einer Bestrafung ab, wenn der Täter den Schaden gedeckt oder alle zumutbaren Anstrengungen unternommen hat, um das von ihm bewirkte Unrecht auszugleichen; zugleich müssen die Voraussetzungen für die bedingte Strafe (
Art. 42 StGB
) erfüllt (lit. a) und das Interesse der Öffentlichkeit und des Geschädigten an der Strafverfolgung gering sein (lit. b).
Art. 53 StGB
ist Ausdruck des verfahrensrechtlichen Opportunitätsprinzips. Grundlage eines Verzichts auf die Anklageerhebung bzw. Überweisung ans Gericht ist nicht eine Schuldfeststellung, sondern ein hinreichend geklärter belastender Sachverhalt. Die beschuldigte Person muss die Normverletzung aber jedenfalls anerkennen (
BGE 135 IV 12
E. 3.5.3 S. 25). Erfolgt die Strafbefreiung, wie vorliegend, im Untersuchungsstadium, basiert diese auf einer hypothetischen Beurteilung der Schuldfrage, geht es doch um den Verzicht auf Weiterführung eines Verfahrens, welches unter Umständen nicht zu einer Verurteilung führen würde (TRECHSEL/PAUEN BORER, in: Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, 2. Aufl. 2008, N. 4 vor
Art. 52 StGB
).
Wenn
Art. 30 Abs. 3 BV
selbst bei Einstellungsverfügungen, bei welchen bei einer gerichtlichen Beurteilung mit grosser Wahrscheinlichkeit ein Freispruch erfolgen würde, Anwendung findet (
BGE 134 I 286
E. 6.2 S. 289), muss dies erst recht für Einstellungen nach
Art. 53 StGB
gelten, bei welchen die beschuldigte Person die Normverletzung ausdrücklich anerkennt und bei welchen bei einer Überweisung ans Gericht eine Verurteilung in Betracht käme. In solchen
BGE 137 I 16 S. 21
Fällen liegt es auf der Hand, dass schutzwürdige Informationsinteressen Dritter bestehen können. Wie im Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrats zum vorliegend zu beurteilenden Fall zutreffend erwogen wird, "lässt sich aus der Einstellung des Verfahrens gerade nicht folgern, dass am Verfahren 'nichts dran' gewesen sei und dass deshalb auch grundsätzlich kein öffentliches Interesse an der Kenntnis des konkreten Inhalts des Strafverfahrens seitens der Wahlbehörde besteht bzw. bestanden hat" (Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrats vom 28. November 2008 über die Umstände der Ernennung von Roland Nef zum Chef der Armee, BBl 2009 3478).
2.4
Voraussetzung für die Einsicht Dritter in Einstellungsverfügungen ist, wie erwähnt, das Vorliegen eines schutzwürdigen Informationsinteresses (
BGE 134 I 286
E. 6.3 S. 290). Dieses Erfordernis geht auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung zum Akteneinsichtsrecht bei abgeschlossenen Verfahren gemäss
Art. 29 Abs. 2 BV
zurück (
BGE 129 I 249
E. 3 S. 253).
Bei den Beschwerdegegnern ergibt sich das schutzwürdige Informationsinteresse ohne Weiteres aus der Kontrollfunktion der Medien.
Zunächst steht die Bedeutung des Strafverfahrens gegen den Beschwerdeführer in Zusammenhang mit dessen Wahl zum Armeechef in Frage. An die persönliche Integrität des Chefs der Armee sind hohe Anforderungen zu stellen. Neben der Anstellungsvoraussetzung eines untadeligen Leumunds muss von ihm zudem erwartet werden können, dass er charakterliche Eigenschaften aufweist, die Gewähr dafür bieten, dass er seiner Position auch in einer Krisensituation gerecht wird. Dementsprechend besteht an der Beantwortung der Frage, welches mutmassliche Verhalten des Beschwerdeführers zur Eröffnung eines Strafverfahrens führte, ein gewichtiges öffentliches Interesse (vgl. auch Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrats, a.a.O.).
Des Weiteren geht es um die Überwachung der Justiz und die Klärung der Hintergründe und Umstände der Verfahrenseinstellung gegenüber dem Beschwerdeführer als Person des öffentlichen Lebens. Im Kern ziehen die Beschwerdegegner den korrekten Ablauf der Untersuchung in Zweifel und werfen die Frage auf, ob der Beschwerdeführer allenfalls aufgrund seiner Stellung privilegiert worden sei. An der Klärung dieser Vorwürfe besteht ein gewichtiges Interesse. Zweck der Entscheidöffentlichkeit nach
Art. 30 Abs. 3 BV
BGE 137 I 16 S. 22
ist es gerade, Spekulationen, dass gewisse Personen von der Justiz bevorzugt werden, zu begegnen und Transparenz zu schaffen (vgl. ZELLER, Gerichtsöffentlichkeit als Quelle der Medienberichterstattung, Medialex 2003 S. 16 f.). Die Geschäftsprüfungskommission des Nationalrats, welche selber keinen Einblick in die Einstellungsverfügung erhielt, gelangte zwar zum Schluss, das Strafverfahren sei korrekt durchgeführt worden (Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrats, a.a.O., BBl 2009 3477). Diese Einschätzung vermag jedoch die demokratische Kontrolle durch die Öffentlichkeit nicht zu ersetzen.
2.5
Dem Grundsatz der Entscheidöffentlichkeit bzw. der Gewährleistung der Einsicht in die Einstellungsverfügung ist immanent, dass hierdurch die Persönlichkeitsrechte des Beschwerdeführers tangiert werden. Dessen Geheimhaltungsinteressen vermögen die dargestellten gewichtigen Informationsinteressen der Beschwerdegegner jedoch nicht aufzuwiegen, zumal der Beschwerdeführer sich als Person des öffentlichen Lebens (auch ausserhalb des Anwendungsbereichs von
Art. 30 Abs. 3 BV
) eher Eingriffe in seine Privatsphäre gefallen lassen muss (vgl.
BGE 127 III 481
E. 2c S. 488).
Die gewährte Einsicht ist schliesslich auch verhältnismässig ausgestaltet, indem bestimmt wird, dass die Person der Anzeigeerstatterin zu anonymisieren ist und jene Passagen der Einstellungsverfügung unkenntlich zu machen sind, an deren Einsichtnahme kein schutzwürdiges Interesse besteht. Daran ändert auch entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nichts, dass der Name von Frau X. in den Akten der Staatsanwaltschaft I erwähnt wird und bereits in den Medien kursiert haben soll. Die Akten des Untersuchungsverfahrens sind nicht öffentlich, und der Umstand, dass der Name von Frau X. allenfalls in gewissen Medienberichten Erwähnung fand, spricht nicht dagegen, dass eine Anonymisierung aus Opferschutzgründen weiterhin sachgerecht erscheint. | public_law | nan | de | 2,010 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
17e03c9e-3f77-4e3e-b51a-745e77097d8c | Urteilskopf
90 IV 257
54. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 23. Dezember 1964 i.S. Gschwind gegen Polizeirichteramt der Stadt Zürich. | Regeste
Art. 38 Abs. 1 SVG
, 25 Abs. 5 VRV. Verhalten gegenüber der Strassenbahn.
1. Wenn eine Strassenbahn herannaht oder nach den Umständen damit zu rechnen ist, dass eine stillstehende Strassenbahn jederzeit weiterfahren kann, so ist ihr das Geleise freizugeben.
2. Der Begriff des Haltens im Sinne von
Art. 25 Abs. 5 VRV
umfasst jedes, nicht unmittelbar durch den übrigen Verkehr bedingte Stillestehen mit Fahrzeugen auf öffentlichem Verkehrsraum der Strassenbahn. | Sachverhalt
ab Seite 257
BGE 90 IV 257 S. 257
Aus dem Tatbestand:
Gschwind führte am 22. April 1963, um 18.30 Uhr, seinen Personenwagen (Cadillac) auf dem Neumühlequai in Zürich Richtung Centralplatz. Unmittelbar vor dem Platz mussten zur erwähnten Zeit zwei Strassenbahnzüge, bestehend aus je einem Motorwagen und einem Anhänger,
BGE 90 IV 257 S. 258
anhalten. Gschwind fuhr ihnen links vor und hielt in der Einmündung, wo die Fahrbahn sich erheblich verengt, etwa 50-80 cm neben der ersten Strassenbahn ebenfalls an. Als diese daraufhin nach rechts Richtung Bahnhofbrücke weiterfuhr, streifte der Anhänger den Wagen Gschwinds, wobei beide Fahrzeuge leicht beschädigt wurden.
Der Einzelrichter in Strafsachen des Bezirksgerichtes Zürich büsste Gschwind wegen Übertretung von
Art. 38 Abs. 1 SVG
und
Art. 25 Abs. 5 VRV
. Die Nichtigkeitsbeschwerde des Verurteilten wurde abgewiesen.
Erwägungen
Erwägungen:
1.
Gemäss
Art. 38 Abs. 1 SVG
ist der Strassenbahn das Geleise freizugeben und der Vortritt zu lassen. In
Art. 25 Abs. 5 VRV
wird dazu ergänzend namentlich ausgeführt, dass andere Fahrzeuge nicht auf dem Strassenbahngeleise und nicht näher als 1,50 m neben der nächsten Schiene halten dürfen.
Diese Vorschriften wollen den ungehinderten Verkehr der Strassenbahn sicherstellen. Sie gelten nicht nur, wenn eine Strassenbahn herannaht, sondern auch, wenn nach den Umständen damit zu rechnen ist, dass eine stillstehende Strassenbahn jederzeit weiterfahren kann. An ihrem Anwendungsbereich ändert grundsätzlich auch nichts, ob die Strassenbahn sich auf einer fahrplanmässig bedienten Strecke befinde, oder ob sie, wie hier, bloss aufeinem Wende- oder Verbindungsgeleise verkehre. Im einen wie im andern Fall soll sich der Führer der Strassenbahn darauf verlassen können, dass sich kein Fahrzeug näher als 1,50 m neben der nächsten Schiene aufhalte. Das gilt besonders dann, wenn er sich, z.B. wegen einer Biegung des Geleises, nicht selber vergewissern kann, ob ein anderes Fahrzeug der Bahn gegenüber einen ausreichenden Abstand wahre. Auch ist unter Halten im Sinne von
Art. 25 Abs. 5 VRV
nicht nur das Abstellen oder Stationieren von Fahrzeugen zu verstehen, wie der Beschwerdeführer meint. Der Begriff des Haltens umfasst diesfalls vielmehr jedes nicht unmittelbar
BGE 90 IV 257 S. 259
verkehrsbedingte Stillestehen mit Fahrzeugen auf öffentlichem Verkehrsraum der Strassenbahn.
2.
Als der Beschwerdeführer neben der Strassenbahn anhielt, betrug der Abstand seines Wagens von deren Geleise weniger als 1,50 m. Das war ungenügend, wie der Zusammenstoss denn auch gezeigt hat. Dass objektiv eine Übertretung von
Art. 38 Abs. 1 SVG
und
Art. 25 Abs. 5 VRV
vorliegt, kann deshalb nicht zweifelhaft sein.
Nach den tatsächlichen Feststellungen des Einzelrichters hätte der Beschwerdeführer bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit schon von weitem erkennen können, dass sich die Fahrbahn vor dem Centralplatz erheblich verengt. Angesichts des herrschenden Querverkehrs und des Standortes der beiden Strassenbahnzüge hätte er sich zudem sagen müssen, dass ihre Führer auf eine Gelegenheit warteten, Richtung Bahnhofbrücke weiterzufahren. Unter diesen Umständen war es pflichtwidrig unvorsichtig, sich ohne zwingenden Grund bis in die Verengung vorzuwagen, schloss das doch die Gefahr in sich, in den von der Strassenbahn beanspruchten Verkehrsraum zu geraten und sie in der Fortsetzung der Fahrt zu behindern. Diese Möglichkeit lag umso näher, als die Strassenbahn im Begriffe stand, nach rechts abzuschwenken, was ihrer lang ausgezogenen Flanken wegen einen grössern Sicherheitsabstand auf der linken Seite voraussetzte. Dass der Beschwerdeführer von der Gefahr überrascht wurde, befreit ihn nicht; er hätte die Folge seines Verhaltens rechtzeitig bedenken sollen. | null | nan | de | 1,964 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
17f4ce8b-eeb6-4d07-bb7d-78caea539cdb | Urteilskopf
123 IV 17
3. Extrait de l'arrêt de la Cour de cassation pénale du 20 décembre 1996 dans la cause B. contre Ministère public du canton de Vaud (pourvoi en nullité) | Regeste
Art. 251 Ziff. 1 aStGB; Herstellen unechter Urkunden.
Ein nicht zeichnungsberechtigter Angestellter einer juristischen Person, der im Namen der Gesellschaft und auf Briefpapier mit dem Briefkopf der Gesellschaft Garantieerklärungen errichtet und unterschreibt, stellt unechte Urkunden her (E. 2).
Art. 159 aStGB; ungetreue Geschäftsführung; Schädigung fremder Vermögensinteressen.
Der Geschäftsstellenleiter einer Gesellschaft, der in deren Namen und aus Geldgier unwiderrufliche, abstrakte Garantieerklärungen unterschreibt, die nicht bestehen, begeht qualifizierte ungetreue Geschäftsführung (E. 3; Bestätigung der Rechtsprechung). | Sachverhalt
ab Seite 18
BGE 123 IV 17 S. 18
A.-
En 1991, B., chef d'agence de la société Z., ainsi que plusieurs comparses, dont certains étaient également employés de la société Z., ont été contactés par T. qui leur a expliqué qu'il avait des clients à la recherche d'un financement et qu'il avait conçu un produit financier en vue de collecter des fonds.
Comme les bailleurs de fonds éventuels souhaitaient des garanties, plusieurs séries de lettres au contenu mensonger ont été créées en 1991 au nom de la société Z.
Bien que les protagonistes aient su que des lettres circulaient et que certains possesseurs tentaient de les négocier, de nouvelles lettres de garantie irrévocables et abstraites portant sur plusieurs millions de US dollars ont été établies, en septembre 1991, au nom et sur le papier à l'en-tête de la société Z. Elles portaient la signature de B., ainsi que d'un autre employé de la société Z.
Ayant appris l'existence des lettres de garantie, la société Z. a déposé plainte le 15 octobre 1991.
Il a été constaté que les accusés avaient agi par appât du gain, espérant toucher de substantielles commissions.
Il a également été relevé que les signataires des lettres de garantie n'étaient pas inscrits au registre du commerce, à l'exception de R., et qu'ils n'étaient pas formellement habilités à engager la société Z.
B.-
Par jugement du 20 novembre 1995, le Tribunal correctionnel du district de Nyon a notamment condamné B., pour gestion déloyale qualifiée et faux dans les titres, à la peine de douze mois d'emprisonnement avec sursis pendant trois ans, mettant à sa charge une partie des frais de la procédure.
Par arrêt du 1er février 1996, la Cour de cassation pénale du Tribunal cantonal vaudois a rejeté avec suite de frais les recours déposés par B.
C.-
Contre cet arrêt, B. s'est pourvu en nullité à la Cour de cassation pénale du Tribunal fédéral.
BGE 123 IV 17 S. 19
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
(Recevabilité).
2.
Le recourant conteste que les faits retenus soient constitutifs d'un faux dans les titres.
a) L'
art. 251 ch. 1 CP
réprime la fabrication ou l'usage d'un faux, tandis que l'
art. 110 ch. 5 CP
définit le titre. Les modifications de ces dispositions, entrées en vigueur le 1er janvier 1995, sont sans incidence en l'espèce (cf. FF 1991 II 1050 ss), de sorte qu'il faut appliquer l'ancien droit (cf.
art. 2 CP
).
b) Le faux dans les titres vise non seulement la création d'un titre faux ou la falsification d'un titre, mais également l'établissement d'un titre mensonger (faux intellectuel; cf.
ATF 121 IV 131
consid. 2b et les références citées). Il y a création d'un titre faux lorsqu'une personne fabrique un titre dont l'auteur réel ne coïncide pas avec l'auteur apparent, alors que le faux intellectuel vise l'établissement d'un titre qui émane de son auteur apparent, mais qui est mensonger dans la mesure où son contenu ne correspond pas à la réalité (
ATF 122 IV 332
consid. 2b et c,
ATF 122 IV 25
consid. 2a,
ATF 120 IV 122
consid. 4c; concernant cette distinction, cf. MARTIN SCHUBARTH, Zur Auslegung der Urkundendelikte, RPS 113/1995 p. 387 ss).
Il peut y avoir création d'un titre faux, que l'auteur apparent soit une personne physique ou une personne morale (cf. BERNARD CORBOZ, Le faux dans les titres, RJB 131/1995 p. 534 ss, 554). Comme la volonté de la personne morale s'exprime par ses organes, il faut considérer que, lorsque des individus (notamment des employés) non habilités à engager une société établissent et signent un document donnant l'apparence qu'il émane de la personne morale, ils créent un faux (cf. en droit allemand KARL LACKNER, Strafgesetzbuch, 21e éd. Munich 1995, Art. 267 no 19 et les arrêts cités).
En l'espèce, le recourant a signé, avec l'un de ses comparses, plusieurs lettres, au nom et sur papier à l'en-tête de la société Z., confirmant l'existence de garanties de la part de cette compagnie pour des montants de plusieurs millions de US dollars. Ces lettres faisaient ainsi croire que l'engagement émanait bien de Z. Or, il a été constaté en fait, d'une manière qui lie la Cour de cassation (
art. 277bis al. 1 PPF
), que les signataires de ces documents étaient certes des employés de Z., mais qu'ils n'avaient pas la compétence d'engager leur employeur en ce domaine. Le recourant a donc contribué à la création de faux documents.
BGE 123 IV 17 S. 20
c) L'article 251 aCP suppose que les documents faussement créés soient des titres. Selon la loi, précisée par la jurisprudence, sont réputés titres tous écrits destinés et propres à prouver un fait ayant une portée juridique (art. 110 ch. 5 al. 1 aCP;
ATF 101 IV 278
consid. 2b p. 279 confirmé notamment aux
ATF 121 IV 131
consid. 2a,
ATF 120 IV 25
consid. 3a).
Les garanties de la société Z. ont été établies sous forme de lettres, donc d'écrits. Encore faut-il, pour être qualifiées de titres, que ces lettres soient destinées et propres à prouver le fait faux. Comme il s'agit de la création de faux documents, la conception restrictive de la jurisprudence en matière de faux intellectuel (
ATF 122 IV 332
consid. 2b,
ATF 122 IV 25
consid. 2a et la référence citée) n'est pas applicable. La question n'est ainsi pas de savoir, contrairement à ce que soutient le recourant, si les lettres sont destinées et propres à prouver la véracité de leur contenu (cf.
ATF 121 IV 131
consid. 2c p. 134,
ATF 120 IV 199
consid. 3b), mais seulement de déterminer si ces écrits sont destinés et propres à prouver le fait qui est faux, soit en l'espèce qu'il s'agit d'engagements émanant de Z. (cf.
ATF 121 IV 131
consid. 2c p. 134).
Les lettres en cause, qui ont été établies sur papier à l'en-tête de Z., font mention de garanties émises au nom de celle-ci et sont signées par deux employés de la compagnie, comme cela se pratique en principe pour ce genre d'engagements. Il apparaît donc que ces lettres sont bien destinées et propres à prouver à leur futur destinataire l'existence de garanties de la part de la Z. Il s'agit donc bien de titres.
En cosignant ces lettres de garantie, le recourant a commis objectivement un faux dans les titres.
d) D'un point de vue subjectif, le recourant, en participant à la fabrication des fausses lettres, a excédé les limites de son pouvoir de représentation, ce qu'il reconnaît du reste lui-même. Il savait donc que les documents ne pouvaient engager valablement Z., bien qu'ils aient été destinés et propres à le faire croire aux bailleurs de fonds éventuels (cf.
ATF 101 IV 52
consid. 3a p. 59); comme le recourant espérait ainsi conclure des affaires, alors que Z. n'avait pas émis les garanties escomptées par les destinataires, il avait pour but de toucher, par cette manoeuvre illicite, des commissions; il avait ainsi le dessein de se procurer un avantage qui doit être qualifié d'illicite en raison du moyen employé (cf.
ATF 121 IV 216
consid. 2 p. 220).
Sa condamnation pour faux dans les titres au sens de l'art. 251 aCP ne viole donc pas le droit fédéral.
BGE 123 IV 17 S. 21
e) Lorsqu'il y a création d'un titre faux, l'acte est punissable sans qu'il soit nécessaire d'examiner la question de son éventuel contenu mensonger (cf.
ATF 118 IV 254
consid. 4). Partant, il n'y a pas lieu d'examiner si les documents en cause offrent des garanties accrues de véracité quant à leur contenu. Le fait que la cour cantonale ait raisonné exclusivement à la lumière du faux intellectuel dans les titres est sans pertinence dans le cas d'espèce, dès lors que le pourvoi en nullité n'est pas ouvert pour se plaindre seulement de la motivation de la décision attaquée (
ATF 122 IV 145
consid. 2,
ATF 119 IV 145
consid. 2c p. 152,
ATF 118 IV 233
consid. 2c p. 239) et que l'autorité cantonale est arrivée à la conclusion qu'il y avait bien faux dans les titres.
3.
Le recourant conteste que les faits retenus puissent être qualifiés de gestion déloyale.
a) Comme on ne voit pas en quoi le nouveau texte légal, entré en vigueur le 1er janvier 1995, pourrait être plus favorable à l'accusé (cf. FF 1991 II 1017 ss), il faut appliquer l'ancien
art. 159 CP
(cf.
art. 2 CP
).
Les éléments de cette infraction ont été analysés de manière détaillée à l'
ATF 120 IV 190
consid. 2b auquel il suffit de se référer.
b) Le recourant conteste avoir eu la position de gérant. Selon la jurisprudence citée, seul peut avoir une position de gérant celui qui dispose d'une indépendance suffisante et qui jouit d'un pouvoir de disposition autonome sur les biens qui lui sont remis; ce pouvoir peut se manifester non seulement par la passation d'actes juridiques, mais également par la défense, sur le plan interne, d'intérêts patrimoniaux ou par des actes matériels; il faut cependant que le gérant ait une autonomie suffisante sur tout ou partie de la fortune d'autrui, sur les moyens de production ou le personnel d'une entreprise (
ATF 120 IV 190
consid. 2b et les arrêts cités).
En l'espèce, le recourant était chef d'agence de la société Z. La direction d'une agence implique nécessairement un certain pouvoir de représentation et une certaine autonomie dans la gestion des affaires de l'agence et de son personnel. La cour cantonale n'a donc pas violé le droit fédéral en considérant que le recourant n'était pas un simple exécutant, mais un gérant, tenu par une obligation contractuelle de veiller sur les intérêts pécuniaires de son employeur, selon la formule de l'art. 159 al. 1 aCP. Que le recourant ait excédé les limites de son autonomie ou de son pouvoir de représentation - ce qui est généralement le cas en matière de gestion déloyale - n'y
BGE 123 IV 17 S. 22
change rien; on ne voit pas pourquoi le gérant qui a excédé les limites de son autonomie devrait être mieux traité que celui qui est resté dans ce cadre.
c) Pour qu'il y ait gestion déloyale, il faut que le gérant ait violé une obligation liée à la gestion confiée (
ATF 120 IV 190
consid. 2b p. 193 et les arrêts cités). En l'espèce, le recourant a signé les lettres de garantie sur papier à l'en-tête de Z. en indiquant sa fonction; il a donc bien agi en tant que chef d'agence, même s'il a excédé les limites de ses pouvoirs. Il a violé son obligation de veiller aux intérêts pécuniaires de son employeur en faisant apparaître, sous la raison sociale, des engagements irrévocables et abstraits qui n'avaient aucune existence.
d) L'infraction n'est consommée que s'il y a eu préjudice patrimonial (ATF
ATF 120 IV 190
consid 2b p. 193). Cette notion a été étudiée dans le détail à l'ATF
ATF 121 IV 104
consid. 2c p. 107 s. auquel il peut être renvoyé. Ainsi, il a été jugé qu'il y a préjudice patrimonial lorsqu'on se trouve en présence d'une véritable lésion du patrimoine - c'est-à-dire d'une diminution de l'actif, d'une augmentation du passif, d'une non-diminution du passif ou d'une non-augmentation de l'actif -, mais aussi d'une mise en danger de celui-ci telle qu'elle a pour effet d'en diminuer la valeur d'un point de vue économique (
ATF 121 IV 104
consid. 2c p. 107 et les références citées); un préjudice temporaire suffit (
ATF 121 IV 104
consid. 2c p. 108 et les arrêts cités). Le patrimoine est diminué sur le plan économique lorsque sa mise en danger doit figurer au bilan, si celui-ci est correctement établi, sous forme d'un ajustement de valeur ou d'une provision (
ATF 122 IV 279
consid. 2a et la référence à MARTIN SCHUBARTH, Vermögensschaden durch Vermögensgefährdung, in Festschrift JEAN GAUTHIER, Berne 1996, p. 71 ss, 79). Ainsi, la constitution de garanties, qui représentent un risque et sont de nature à justifier une provision, peut être considérée comme un préjudice patrimonial (cf.
ATF 121 IV 104
consid. 2d p. 108).
En l'espèce, il est évident que la création des fausses garanties exposait la société Z. à prendre des mesures de défense, telle que l'alarme bancaire, et, le cas échéant, à soutenir un procès contre une personne qui agirait sur la base des lettres en circulation. Une garantie constitue une obligation conditionnelle qui accroît le passif d'un point de vue économique; devoir démontrer la fausseté des titres implique des frais. Le comportement du recourant a donc porté atteinte aux intérêts pécuniaires de son employeur, auxquels il avait le devoir de veiller.
BGE 123 IV 17 S. 23
e) Il faut enfin que l'auteur ait agi intentionnellement, mais le dol éventuel suffit, lequel doit cependant être strictement caractérisé (
ATF 120 IV 190
consid. 2b p. 193 et les références citées). En l'espèce, le recourant savait qu'il agissait en tant que chef d'agence - comme le montre la mention au-dessus de sa signature - et qu'il accomplissait, en violation de ses obligations contractuelles, des actes de nature à porter atteinte aux intérêts pécuniaires de son employeur, auxquels il devait veiller. Il a donc agi intentionnellement, au moins sous la forme du dol éventuel.
f) Il ne ressort nullement des constatations cantonales - qui lient la Cour de cassation (
art. 277bis al. 1 PPF
) - que le recourant aurait eu constamment la volonté et les moyens de couvrir le préjudice subi par son employeur, de sorte que cette question - à supposer qu'elle soit pertinente (cf.
ATF 121 IV 104
consid. 2e p. 108) - n'a pas à être examinée ici.
Il a été constaté que le recourant avait agi par appât du gain, ce qui justifie l'application de l'art. 159 al. 2 aCP; comme il y a dessein d'enrichissement illégitime, le nouveau droit qui permet la réclusion n'est pas plus favorable (
art. 158 ch. 1 al. 3 CP
).
La condamnation du recourant pour gestion déloyale qualifiée au sens de l'art. 159 aCP ne viole donc pas le droit fédéral.
Le pourvoi doit ainsi être rejeté.
4.
(Suite de frais). | null | nan | fr | 1,996 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
180071d9-fc0d-4b01-9feb-f77ec4b88a01 | Urteilskopf
118 Ia 151
23. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 24. Juni 1992 i.S. Erbengemeinschaft D. und Mitb. gegen Einwohnergemeinde Bottmingen und Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft (staatsrechtliche Beschwerde). | Regeste
Art. 4 und
Art. 22ter BV
; Festsetzung einer Landschaftsschutzzone für noch nicht überbautes Gebiet in einem ehemaligen Baulandumlegungsperimeter.
1. Nichteinzonung oder Auszonung (E. 3b)?
2. Zulässigkeit der Schutzzonenfestsetzung, wenn trotz eines gegebenen Baulandbedarfes das Baugebiet nicht mehr ausgedehnt werden kann; regionale Betrachtungsweise für die Ermittlung des Baulandbedarfes (E. 4). Besondere Umstände, welche die Festsetzung einer Bauzone gebieten und die öffentlichen Interessen an einer Zuweisung in die Schutzzone überwiegen, liegen nicht vor (E. 5).
3. Eine Parzellarordnung kann grundsätzlich nur Beständigkeit beanspruchen, wenn ihr ein bundesrechtskonformer Nutzungsplan zugrunde liegt (E. 5c). Sie hat im vorliegenden Fall auch nicht zur Folge, dass die Schutzzonenfestsetzung zu einer Verletzung des Rechtsgleichheitsgebotes (
Art. 4 BV
) führt (E. 6).
4. Notwendige, von der Gemeinde vorzunehmende Korrekturen des Strassenplanes und der Parzellarordnung zufolge der Schutzzonenfestsetzung; Anspruch der Grundeigentümer auf Reprivatisierung des im Rahmen der Baulandumlegung für Erschliessungsanlagen ausgeschiedenen und der Gemeinde zugeteilten Landes (E. 7). | Sachverhalt
ab Seite 152
BGE 118 Ia 151 S. 152
Am 6. Juli 1956 beschloss eine Grundeigentümerversammlung, im Gebiet Spitzacker, Gemeinde Bottmingen, mit Einbezug des Bruderholzackers eine Baulandumlegung einzuleiten. Der Umlegungsperimeter umfasste eine Fläche von rund 450 000 m2. Beteiligt waren 83 Landeigentümer. Die überwiegend langgestreckten und schmalen, landwirtschaftlich genutzten Parzellen wurden in Abstimmung auf das geplante Strassennetz für die Erschliessung des Gebietes zu überbaubaren Parzellen umgestaltet. Im Jahre 1959 traten die Eigentümer den neuen Besitzstand an, in den Jahren 1964 und 1969 wurde mit der Genehmigung des Vermarkungsplanes und der Verurkundung des neuen Besitzstandes das Umlegungsunternehmen abgeschlossen.
Die Neuzuteilung erfolgte nach dem Verhältnis der Flächen des alten Besitzstandes zur Gesamtfläche des Umlegungsperimeters. Für
BGE 118 Ia 151 S. 153
die Neuzuteilung wurden 15% des einbezogenen Areales für öffentliche Anlagen wie Strassen und Fussgängerwege ausgeschieden. Dieses Land wurde grösstenteils für öffentliche Anlagen beansprucht und die entsprechende Fläche wurde gemäss dem der Umlegung zugrundeliegenden Strassenlinienplan der Gemeinde zugeteilt.
Die ortsplanerische Grundlage für die Durchführung der Baulandumlegung Spitzacker bildete ein Zonenplan aus dem Jahre 1951. Gemäss diesem lag das gesamte Gemeindegebiet von Bottmingen mit Ausnahme des Waldes im Baugebiet, eine Festsetzung, die auch bei einer Zonenplanrevision von 1966 nicht geändert wurde.
In Vollzug des Bundesgesetzes über den Schutz der Gewässer gegen Verunreinigung vom 8. Oktober 1971 (Gewässerschutzgesetz, GSchG; SR 814.20), der Allgemeinen Gewässerschutzverordnung vom 19. Juni 1972 (AGSchV; SR 814.201), des als dringlich erklärten allgemein verbindlichen Bundesbeschlusses über dringliche Massnahmen auf dem Gebiete der Raumplanung (BMR; AS 1972 I 644 ff.) sowie des am 1. Januar 1969 in Kraft getretenen kantonalen Baugesetzes vom 15. Juni 1967 (BauG) schied der Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft aufgrund der kantonalen Verordnung betreffend den Vollzug des BMR vom 6. Februar 1973 das Gebiet des Bruderholzackers als provisorisches Schutzgebiet C aus. Die entsprechende Festsetzung wurde bis zum Inkrafttreten des Bundesgesetzes über die Raumplanung vom 22. Juni 1979 (Raumplanungsgesetz, RPG; SR 700) am 1. Januar 1980 verlängert und anschliessend durch den Regionalplan Landschaft abgelöst, der vom Landrat des Kantons Basel-Landschaft am 23. Oktober 1980 erlassen wurde. Dieser Plan bezeichnete das Gebiet des Bruderholzes als Landschaftsschutzgebiet.
Aufgrund der Festsetzungen des Regionalplanes Landschaft wurde die Gemeinde Bottmingen angewiesen, ihre Ortsplanung zu ändern und unter anderem den Bruderholzacker einer kommunalen Landschaftsschutzzone zuzuweisen. Die Einwohnergemeindeversammlung Bottmingen setzte mit Beschluss vom 25. Mai 1987 die Zonenvorschriften Landschaft, bestehend aus dem Zonenplan Landschaft (Nutzungsplan) im Massstab 1:2000 und dem Zonenreglement Landschaft, fest. Der noch nicht überbaute Bruderholzacker, rund 1/9 des ehemaligen Baulandumlegungsgebiets "Spitzacker", wurde aus dem bisherigen Baugebiet entlassen und einer Landschaftsschutzzone, in welcher eine Überbauung grundsätzlich ausgeschlossen ist, zugewiesen.
Während der Planauflage erhoben die Erben D. und Mitbeteiligte gegen die Schutzzonenfestsetzung Einsprache. Der Regierungsrat
BGE 118 Ia 151 S. 154
wies die Einsprachen ab, soweit auf sie einzutreten war. Der Beschluss der Einwohnergemeindeversammlung betreffend die Zonenvorschriften Landschaft wurde im Sinne der Erwägungen genehmigt. Das ausserhalb des neuen Baugebietsperimeters gelegene Gebiet wurde der Bundesgesetzgebung über die Erhaltung des bäuerlichen Grundbesitzes unterstellt.
Mit staatsrechtlichen Beschwerden verlangen die Erben D. und Mitbeteiligte, der Entscheid des Regierungsrates sei aufzuheben. Das Bundesgericht weist die staatsrechtlichen Beschwerden ab, soweit auf sie einzutreten war.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
a) Dem Regierungsrat kann keine willkürliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts vorgeworfen werden. Wie anlässlich des Augenscheines und der Instruktionsverhandlung festgestellt werden konnte, ist in erster Linie die Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse umstritten.
Die Beschwerdeführer stellen nicht in Abrede, dass das Bruderholz mit Einschluss des Bruderholzackers ein landwirtschaftlich gut nutzbares Areal ist, dem für die Erholung des dicht besiedelten Agglomerationsgebietes sowie mit Rücksicht auf das Landschaftsbild ein erheblicher Wert zukommt. Sie leiten hingegen aus dem Bau und dem Bestand der Verbindungsstrasse, die von Münchenstein nach Bottmingen führt, von der Auffassung des Regierungsrates abweichende Folgerungen her. Sie sind der Meinung, diese Strasse beeinträchtige den Erholungswert des Bruderholzackers in derart erheblichem Masse, dass seine Einweisung in eine Landschaftsschutzzone nicht mehr gerechtfertigt sei. Auch würdigen sie die vom Regierungsrat vorgelegten Zahlen über die Bevölkerungsentwicklung und die Baulandreserven in der Gemeinde Bottmingen und im Bezirk Arlesheim anders; sie legen dar, die Baulandreserven seien ungenügend, namentlich für den Bau von Einfamilienhäusern. Hiefür würde sich der Bruderholzacker in gleicher Weise wie das angrenzende, bereits weitgehend überbaute Gebiet des Spitzackers ausgezeichnet eignen.
b) Für die Beurteilung dieser Einwendungen ist nicht die Sachverhaltsfeststellung entscheidend, sondern die Frage, ob der Regierungsrat alle massgebenden öffentlichen und privaten Interessen in ausreichendem Masse berücksichtigt und richtig abgewogen hat, eine
BGE 118 Ia 151 S. 155
Frage, die das Bundesgericht - wie erwähnt - in Berücksichtigung des Verfassungsschutzes des Eigentums grundsätzlich ohne Beschränkung seiner Kognition prüft. Als erstes ist dabei abzuklären, wie die Festsetzung der umstrittenen Landschaftsschutzzone in Anwendung des eidgenössischen und kantonalen Raumplanungsrechts zu qualifizieren ist.
aa) Die Baulandumlegung Spitzacker wurde gemäss dem früheren kantonalen Baugesetz vom 15. Mai 1941 durchgeführt. Nach der Einleitung des Verfahrens im Jahre 1956 waren die für die Parzellarordnung entscheidenden Schritte im wesentlichen bereits im Jahre 1959 mit dem Antritt des neuen Besitzstandes und in den Jahren 1964 und 1969 mit der Genehmigung des Vermarkungsplanes und der Verurkundung des neuen Besitzstandes abgeschlossen. Nach der unbestrittenen Darstellung des Regierungsrates lag damals das gesamte Gemeindegebiet mit Ausnahme des Waldes in der Bauzone. Bereits dem am 1. Januar 1969 in Kraft getretenen neuen kantonalen Baugesetz vom 15. Juni 1967 widerspricht dies. Dieses Gesetz verlangt eine Gebietsausscheidung mit Einteilung des Gemeindebannes in Bau-, Land- und Forstwirtschaftsgebiet (§ 9 ff. BauG).
bb) Aufgrund der verfassungsrechtlichen Ordnung des Bodenrechts gemäss den
Art. 22ter und 22quater BV
vom 14. September 1969 wurden die Kantone verpflichtet, nach den bundesrechtlichen Grundsätzen eine der zweckmässigen Nutzung des Bodens und der geordneten Besiedlung des Landes dienende Raumplanung zu schaffen. Ein zentrales Anliegen dieser Neuordnung bildet die Festlegung der zulässigen Nutzung des Bodens in Beachtung des Gebotes der haushälterischen Nutzung durch Nutzungspläne (
BGE 117 Ib 7
E. 3a, bb;
BGE 118 Ib 40
E. 2a).
Der Bundesgesetzgeber trug dem verfassungsrechtlichen Gebot des
Art. 22quater BV
zunächst mit dem Erlass des Gewässerschutzgesetzes vom 8. Oktober 1971 sowie mit dem Bundesbeschluss über dringliche Massnahmen auf dem Gebiete der Raumplanung vom 17. März 1972 Rechnung, ein Beschluss, der bis zum Inkrafttreten des Raumplanungsgesetzes am 1. Januar 1980 verlängert wurde. Namentlich ist darauf hinzuweisen, dass nach Inkrafttreten des Gewässerschutzgesetzes ein generelles Kanalisationsprojekt (GKP) zwar Bauland bezeichnen konnte (
Art. 20 GSchG
in der Fassung vom 1. Juli 1972), doch musste dieses den in
Art. 15 AGSchV
enthaltenen Dimensionierungskriterien entsprechen (in
BGE 114 Ib 305
nicht publizierte E. 5a). Danach ist das GKP für das überbaute und innert höchstens fünfzehn Jahren zur Erschliessung vorgesehene Baugebiet
BGE 118 Ia 151 S. 156
anzulegen, eine Bestimmung, die sich mit dem am 1. Januar 1975 in Kraft getretenen Art. 5 Abs. 1 des Wohnbau- und Eigentumsförderungsgesetzes vom 4. Oktober 1974 (WEG; SR 843) deckt.
In Übereinstimmung mit diesen bundesrechtlichen Anordnungen setzte der Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft mit Beschluss vom 6. Februar 1973 die kantonalen Schutzgebiete fest, wobei das Gebiet des Bruderholzackers als provisorisches Schutzgebiet C ausgeschieden wurde. Die Geltungsdauer der kantonalen Verordnung betreffend den Vollzug des BMR vom 6. Februar 1973 wurde bis zum Inkrafttreten des Raumplanungsgesetzes verlängert und der angeordnete Schutz in der Folge gemäss der Verordnung über einführende Massnahmen über die Raumplanung vom 18. Dezember 1979 gestützt auf
Art. 27 RPG
sowie notfalls mit Bausperren nach § 39 BauG sichergestellt. Insbesondere wurden die Schutzgebiete C durch den vom Landrat des Kantons Basel-Landschaft am 23. Oktober 1980 beschlossenen Regionalplan Landschaft abgelöst. Mit diesen Massnahmen sicherte der Kanton Basel-Landschaft ab 1973 lückenlos den Schutz des Bruderholzes mit Einschluss des Bruderholzackers als Landwirtschafts- und Erholungsgebiet.
cc) Es ergibt sich hieraus, dass die aufgrund des früheren kantonalen Baugesetzes von 1941 in der Gemeinde Bottmingen geltende Rechtslage keiner raumplanerischen Grundordnung im Sinne der verfassungsrechtlichen Ordnung des Bodenrechts und des eidgenössischen und des kantonalen Planungs- und Baurechts entsprach. Die Gemeinde hatte ihr Gebiet nicht in Baugebiet und Landwirtschaftsgebiet unterteilt (§ 9 ff. BauG). Sie verfügte demgemäss nicht über einen Nutzungsplan, der die zulässige Nutzung des Bodens im Sinne der
Art. 14 ff. RPG
ordnete. Ein solcher wurde auch nie gestützt auf
Art. 35 Abs. 3 RPG
genehmigt. Das Bundesrecht verpflichtete die Gemeinde Bottmingen, spätestens innert acht Jahren nach Inkrafttreten des Raumplanungsgesetzes einen den Zielen und Planungsgrundsätzen des Bundesrechts entsprechenden Nutzungsplan festzusetzen (
Art. 35 Abs. 1 lit. b RPG
). Mit dem Beschluss vom 25. Mai 1987 kam die Einwohnergemeindeversammlung Bottmingen diesem Auftrag und damit der vom Bundesrecht verlangten verbindlichen Begrenzung des Baugebietes nach.
Die Einweisung des Bruderholzackers in die Schutzzone stellt somit eine Nichteinzonung des Areales in eine Bauzone und nicht eine Auszonung aus einer den Raumplanungsgrundsätzen entsprechenden Bauzone dar (
BGE 117 Ib 7
f. E. 3a;
BGE 115 Ia 346
E. 5b und c mit Hinweisen).
BGE 118 Ia 151 S. 157
4.
a) Aufgrund der Einwendungen der Beschwerdeführer ist zu prüfen, ob die Nichteinweisung ihrer Grundstücke in eine Bauzone verfassungsmässige Rechte der Beschwerdeführer verletzt. Diese sind der Meinung, der Bruderholzacker erfülle die gesetzlichen Voraussetzungen einer Bauzone gemäss
Art. 15 RPG
. Mit Recht machen sie nicht geltend, dass er zum weitgehend überbauten Gebiet (
Art. 15 lit. a RPG
) gehöre. Sie bringen indes vor, die entsprechende Fläche werde voraussichtlich innert 15 Jahren als Bauland benötigt und könne innert dieser Zeit erschlossen werden (
Art. 15 lit. b RPG
).
b) Land, das nach den gesetzlichen Vorschriften in die Bauzone gehört, ist grundsätzlich in eine solche Zone einzuweisen (
BGE 116 Ia 331
E. 3b mit Hinweisen). Bei der Festsetzung von Bauzonen ist jedoch nicht allein deren Begriffsumschreibung in
Art. 15 RPG
zu beachten. Vielmehr sind alle im positiven Recht normierten Ziele und Grundsätze optimal zu berücksichtigen (
BGE 117 Ia 307
E. 4b;
BGE 116 Ia 333
f. E. 4c;
BGE 114 Ia 374
E. 5b). Planungsmassnahmen sind nur dann verfassungskonform, wenn neben den Kriterien der Eignung, der Überbauung und des Bedarfes auch alle anderen im konkreten Fall massgebenden raumplanerischen Gesichtspunkte bei der Interessenabwägung berücksichtigt werden. Hiezu zählt das Gebot der Schonung der Landschaft; insbesondere sollen der Landwirtschaft genügende Flächen geeigneten Kulturlandes erhalten und naturnahe Landschaften und Erholungsräume geschützt bleiben (
Art. 3 Abs. 2 lit. a und d RPG
), ein Gebot, dass sich mit § 1 BauG in der Fassung vom 15. Oktober 1979 deckt.
c) Im Lichte der Ziele und Grundsätze des Raumplanungsgesetzes ist die vom Regierungsrat im Jahre 1973 beschlossene Einweisung des Bruderholzackers in das Schutzgebiet C, die vom Landrat mit der Genehmigung des Regionalplanes Landschaft am 23. Oktober 1980 bestätigt wurde, nicht zu beanstanden. Auch wenn die Verbindungsstrasse, die von Münchenstein nach Bottmingen führt, den Bruderholzrücken durchschneidet, ist dieser Eingriff nicht als derart schwerwiegende Beeinträchtigung zu bezeichnen, dass die Einweisung des Bruderholzackers in eine Schutzzone nicht gerechtfertigt wäre.
Der Augenschein hat bestätigt, dass die Strasse in einem Einschnitt verläuft, weshalb ihr Verlauf vom Bruderholzacker aus kaum als störend wahrgenommen wird. Auch stösst der Bruderholzacker nur auf der nördlichen Seite an die Bauzone an, im Osten, Westen und Süden ist er von landwirtschaftlich genutzter Freifläche umgeben. Dass er geringfügig tiefer liegt als das angrenzende Gebiet der Gemeinde
BGE 118 Ia 151 S. 158
Reinach, schliesst seine Schutzwürdigkeit nicht aus; jedenfalls sind die entsprechenden Folgerungen der kantonalen Instanzen bei der vom Bundesgericht zu wahrenden Zurückhaltung nicht zu beanstanden.
d) Verhält es sich so, kommt der Streitfrage, ob die Gemeinde Bottmingen über ausreichende Bauzonenreserven verfüge oder ob bei zutreffender Würdigung der Prognosen über die Bevölkerungsentwicklung und den Bauflächenbedarf der Bruderholzacker voraussichtlich innert 15 Jahren als Bauland benötigt werde, keine entscheidende Bedeutung zu. In einer einzelnen Gemeinde dürfen Schutzzonen auch dann festgelegt werden, wenn trotz eines gegebenen Bedarfs die Bauzonen wegen der Gebietsbegrenzung nicht mehr ausgedehnt werden können. Die Einwendungen der Beschwerdeführer, mit welchen diese die Schlüssigkeit der von der Gemeinde und dem Kanton vorgelegten Prognosen und Berechnungen bezweifeln, vermögen daher die nach den Zielen und Grundsätzen der Raumplanung berechtigte Schutzzonenfestsetzung nicht in Frage zu stellen.
Die bundesgerichtliche Rechtsprechung lässt es im übrigen zu, dass für die Ermittlung des Baulandbedarfs massgebend auf eine regionale Betrachtung abgestellt wird (
BGE 116 Ia 341
f. E. 3b, aa; nicht publizierter Entscheid des Bundesgerichtes vom 10. Dezember 1987 i.S. Gemeinde Oberwil gegen Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft, E. 4e, eb). Auch hat das Bundesgericht keinen Anlass, an der Zuverlässigkeit der von der Gemeinde und dem Kanton angestellten Erhebungen zu zweifeln. Selbst wenn die vorhandenen Baulandreserven nicht auf den Markt gelangen sollten, ist es nicht ausgeschlossen, sie bei der Berechnung der für die Überbauung benötigten Flächen mitzuberücksichtigen (
BGE 116 Ia 328
, 333 E. 4b und c).
Schliesslich ist festzustellen, dass die Festsetzung der Landschaftsschutzzone im Gebiete des Bruderholzackers in Bottmingen im Rahmen des Konzeptes "Grüner Finger" mit den nutzungsplanerischen Festlegungen im Kanton Basel-Stadt für das Gebiet östlich der Predigerhofstrasse gemäss Zonenplan des Kantons Basel-Stadt, Ausgabe 1988, abgestimmt ist (
Art. 2 Abs. 1,
Art. 6 Abs. 4 und
Art. 7 Abs. 1 RPG
).
5.
Weiter ist zu prüfen, ob im konkreten Fall besondere Umstände vorliegen, welche trotz der grundsätzlichen Übereinstimmung der Schutzzonenfestsetzung mit den Raumplanungsgrundsätzen für die Einweisung des Gebietes in eine Bauzone sprechen und ob gegebenenfalls
BGE 118 Ia 151 S. 159
diesen Umständen ein derart erhebliches Gewicht beizumessen ist, dass sie die für die Nichteinzonung in eine Bauzone sprechenden Gründe überwiegen (
BGE 115 Ia 354
f. E. 3f und 356 E. 3f, dd).
a) Auch wenn - wie dies hier namentlich zufolge der Rechtsänderungen zutrifft - keine Zusicherungen vorliegen, aus denen sich gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zur Verbindlichkeit behördlicher Auskünfte aus
Art. 4 BV
gegebenenfalls eine Pflicht zur Einweisung von Land in eine Bauzone ergeben kann (dazu
BGE 116 Ib 187
E. 3c mit Hinweisen), ist der Vorgeschichte der Nutzungsplanfestsetzung bzw. der aufgrund früheren Rechts durchgeführten Baulandumlegung erhebliche Bedeutung beizumessen (
BGE 115 Ia 356
E. 3f, cc).
Diese bezweckte, die Parzellen so zu gestalten, dass sie der Überbauung zugeführt werden können, eine Absicht, die für den Bruderholzacker im Zeitpunkt der Einleitung und Durchführung der Baulandumlegung in den Jahren nach 1956 bestand. Im Rahmen der durchgeführten Erschliessungsplanung wurde gemäss basellandschaftlichem Recht von dem in den Umlegungsperimeter einbezogenen Land ein pauschaler Abzug von 15% gemacht, um das namentlich für die Erschliessungsstrassen benötigte Land auszuscheiden und der Gemeinde zuzuteilen. Im Gebiet des Bruderholzackers wurde dementsprechend das für die Schönmattstrasse, die Gempenstrasse und die Wannenstrasse sowie das für die Verbreiterung der Astershagstrasse erforderliche Land ausgeschieden und der Gemeinde zugeteilt.
b) In
BGE 115 Ia 350
betreffend das Gebiet "Wannen" in Pratteln bejahte das Bundesgericht unter anderem deshalb eine Einzonungspflicht, weil im Rahmen einer Landerwerbsumlegung für den Nationalstrassenbau den damaligen Beschwerdeführern gewerblich genutztes oder nutzbares Land entzogen und ihnen als Realersatz im Rahmen der Umlegung im Sinne von
Art. 31 des Bundesgesetzes über die Nationalstrassen vom 8. März 1960 (Nationalstrassengesetz, NSG; SR 725.11)
gleichwertiges Land neu zugeteilt worden war. Dass die Zuteilung in der Meinung erfolgte, es handle sich um Bauland, wurde durch die Ausscheidung der für die Erschliessung benötigten Strassenfläche und deren Zuteilung an die Gemeinde bestätigt, wobei diese Ausscheidung in Übereinstimmung mit dem vom Einwohnerrat erlassenen und vom Regierungsrat genehmigten Strassennetzplan erfolgte (
BGE 115 Ia 355
). Es fragt sich, ob im vorliegenden Fall die durchgeführte Baulandumlegung der Sach- und
BGE 118 Ia 151 S. 160
Rechtslage des genannten Falles einer Landerwerbsumlegung für den Nationalstrassenbau gleichzustellen ist.
Im Falle "Pratteln/Wannen" trug das Bundesgericht nicht nur der Tatsache der durchgeführten Landumlegung und dem Umstand, dass die kantonalen und kommunalen Behörden noch nach Erlass des Raumplanungsgesetzes von der Baulandqualität ausgingen, sondern vor allem auch der Lage und Eignung des neu zugeteilten Landes für eine gewerbliche Überbauung Rechnung. Dabei prüfte es, ob allenfalls ein Interesse an einer landwirtschaftlichen Nutzung als derart erheblich zu gewichten wäre, dass die Umstände, welche für eine Einzonung sprechen, zurückzutreten hätten. Es verneinte diese Frage, da das betreffende Areal nur begrenzt für eine landwirtschaftliche Nutzung geeignet war. Auch zeichnete sich seine Lage nicht durch eine besondere Schutzwürdigkeit im Sinne der Raumplanungsgrundsätze aus. Es stiess vielmehr an bereits gewerblich genutztes Land an und war von Verkehrsstrassen mit erheblichem Verkehr umgeben und daher einer starken Immissionsbelastung ausgesetzt (
BGE 115 Ia 354
ff. E. 3).
Demgegenüber führten im Entscheid
BGE 115 Ia 358
betreffend das Gebiet "Pratteln/Erli" namentlich Gründe der Eignung des Gebietes für die landwirtschaftliche Nutzung und dessen Bedeutung als besonders wertvolles Naherholungsgebiet trotz einer früher durchgeführten Baulandumlegung zum Schluss, die Nichteinzonung des Areales sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (
BGE 115 Ia 360
ff. E. 3f).
c) Diese Umstände zeigen, dass der vorliegende Fall nicht der im Falle "Pratteln/Wannen" gegebenen Sachlage gleichgestellt werden kann. Der Regierungsrat durfte zu Recht annehmen, dass im Bruderholzacker die öffentlichen Interessen überwiegen, welche für die Freihaltung des Areales als Erholungs- und Landschaftsschutzgebiet sowie als landwirtschaftlich ausgezeichnet nutzbares Land sprechen (
BGE 115 Ia 362
E. 3f, ee).
Die bundesgerichtliche Rechtsprechung anerkennt, dass grundsätzlich die Verwirklichung einer den gesetzlichen Grundsätzen des Raumplanungsrechts entsprechenden Planung Vorrang hat vor dem Gebot der Beständigkeit eines altrechtlichen Planes. Die Frage der Rechtssicherheit und damit der Planbeständigkeit stellt sich nur für bundesrechtskonforme Pläne (
BGE 116 Ia 235
E. 4a;
BGE 114 Ia 33
f. E. 6). Auch eine Parzellarordnung kann deshalb nur Beständigkeit beanspruchen, wenn ihr ein bundesrechtskonformer Nutzungsplan zugrunde liegt (in diesem Sinne die in
BGE 117 Ib 497
nicht
BGE 118 Ia 151 S. 161
publizierten E. 4 und 5), was hier nicht zutrifft. Den privaten Interessen der Eigentümer an der baulichen Nutzung ihres Landes kann somit nicht das gleiche Gewicht wie im Falle "Pratteln/Wannen" zugebilligt werden.
6.
a) Die Beschwerdeführer bestreiten die Verfassungskonformität der Landschaftsschutzzone weiter namentlich mit dem Hinweis auf das Ergebnis der Baulandumlegung, in deren Rahmen Landabzüge für die geplanten und im Gebiet des Spitzackers auch verwirklichten Erschliessungsanlagen vorgenommen wurden. Sie erblicken hierin sowohl einen Verstoss gegen das Rechtsgleichheitsgebot (
Art. 4 BV
) als auch gegen die Eigentumsgarantie (
Art. 22ter BV
) und sind der Meinung, dieser Verstoss könne nur durch Zuweisung des Bruderholzackers in eine Bauzone behoben werden.
Zu dieser Frage hat sich der Regierungsrat im angefochtenen Entscheid nicht näher geäussert. Er ist offenbar der Meinung, die entsprechenden Einwendungen seien im Rahmen eines allfälligen Entschädigungsverfahrens zu beurteilen.
b) Die Baulandumlegung bezweckte, die früheren langgestreckten, zum Teil schmalen und mit Flurwegen für die landwirtschaftliche Nutzung erschlossenen Parzellen in Verbindung mit der Festlegung des Strassennetzes - entsprechend der nach früherem Recht vorgesehenen baulichen Nutzung - zu Bauparzellen umzugestalten. Im Hinblick auf diese Nutzung wurde von der Gleichwertigkeit des Landes ausgegangen. Dementsprechend erhielten die Eigentümer nach dem Verhältnis der Fläche ihres alten Besitzes zum Perimetergebiet für die Überbauung geeignete Parzellen, wobei von der gesamten Fläche ein Abzug von 15% insbesondere für die der Gemeinde zugeteilten Erschliessungsanlagen vorgenommen wurde. Bei der Neuzuteilung trug man soweit als möglich der Lage der bisherigen Parzellen Rechnung.
Im bundesgerichtlichen Instruktionsverfahren wurde Aufschluss über den alten Besitzstand der Beschwerdeführer und dessen Vergleich mit dem neuen Besitzstand verlangt. Das Ergebnis ist aufschlussreich, zeigt doch der Vergleich, dass auf die Lage des alten und des neuen Besitzstandes Rücksicht genommen wurde. Soweit die Beschwerdeführer bzw. deren Rechtsvorgänger sowohl im Gebiet der heutigen bereits weitgehend überbauten Bauzone Spitzacker als auch im nun umstrittenen Bereich Bruderholzacker Parzellen besassen, erhielten sie in beiden Gebieten Neuzuteilungen. Soweit der alte Besitzstand nur im Bruderholzacker lag, erfolgte die
BGE 118 Ia 151 S. 162
Neuzuteilung in diesem Gebiet. Das flächenmässige Verhältnis der Ansprüche der Beschwerdeführer ist unbestrittenermassen zufolge der einheitlichen Behandlung des Umlegungsperimeters bei Berücksichtigung der gesamten Fläche des Gebietes gewahrt. Doch hat die Einweisung des Bruderholzackers in eine Schutzzone zur Folge, dass die Beschwerdeführer die ihnen in diesem Gebiet zugeteilten Parzellen nur landwirtschaftlich nutzen können.
c) Diese Auswirkung kann nicht im Nachhinein dem Umlegungsunternehmen angelastet werden. Sie ist vielmehr Folge der Planungsmassnahmen, die aufgrund der Rechtsänderungen nach Abschluss der Parzellarordnung beschlossen wurden. Die Beschwerdeführer werden als Grundeigentümer insofern nicht anders betroffen als alle Eigentümer von Land, das nach der früheren Rechtslage als Bauland oder jedenfalls Bauerwartungsland galt und das in Vollzug der vom Bundesrecht gebotenen Raumplanung einer Nichtbauzone zugewiesen wurde.
Ob die Beschwerdeführer diese Rechtsänderung im Lichte des verfassungsrechtlichen Rechtsgleichheitsgebots hinnehmen müssen, ist nach den für die Beurteilung von Planungsmassnahmen geltenden Grundsätzen zu prüfen. Hiefür geht die bundesgerichtliche Rechtsprechung davon aus, dass dem Gleichheitsprinzip nur eine abgeschwächte Wirkung zukommt (
BGE 117 Ia 307
E. 4b;
BGE 116 Ia 195
E. 3b). Ausserdem hat die Verwirklichung einer den gesetzlichen Grundsätzen entsprechenden Nutzungsplanung Vorrang gegenüber dem Bestand der früheren Rechtslage (
BGE 114 Ia 33
E. 6 mit Hinweisen), auch wenn die Interessen der betroffenen Eigentümer am Fortbestand der früheren Rechtsposition mitzuberücksichtigen sind (
BGE 115 Ia 347
E. 5c). Aus der Eigentumsgarantie kann in solchen Fällen grundsätzlich kein Anspruch auf Einweisung von Liegenschaften in eine Bauzone hergeleitet werden (
BGE 116 Ia 236
;
BGE 114 Ia 33
E. 6).
d) Auch die erhebliche Gewichtung des Ergebnisses der Baulandumlegung und des Interesses der Eigentümer am Fortbestand der Rechtsposition, welche sie gemäss der früheren Rechtslage besassen, führt unter den gegebenen Umständen nicht zu einer Verpflichtung der Gemeinde, den Bruderholzacker in eine Bauzone aufzunehmen. Das Bundesgericht hat in einem neuesten Urteil festgestellt, dass eine mehr als 15 Jahre zurückliegende Güterzusammenlegung das für die Planung zuständige Gemeinwesen nicht daran hindert, seine Zonenordnung veränderten Verhältnissen anzupassen (nicht veröffentlichtes Urteil des Bundesgerichtes vom 6. Februar 1992 i.S. E. und Kons. gegen Gemeinde Küttigkofen, E. 6).
BGE 118 Ia 151 S. 163
Die Baulandumlegung Spitzacker wurde vor 36 Jahren eingeleitet und der Antritt des neuen Besitzstandes erfolgte vor rund 33 Jahren. Zwar zog sich der definitive Abschluss des Unternehmens bis zum Jahre 1970 hin, doch ändert dies nichts daran, dass es sich um ein weit zurückliegendes Unternehmen handelt, gegenüber dessen Bestand die Anwendung des neuen Rechts Vorrang verdient; andernfalls würde die Durchsetzung neuen Rechts in untragbarer Weise erschwert, was dem Gesetzmässigkeitsprinzip widerspräche. Ausserdem würden Eigentümer von Grundstücken, die in ein Baulandumlegungsverfahren einbezogen wurden, gegenüber Landeigentümern, deren Grundstücke sich für eine Überbauung eignen, ohne dass die Parzellarordnung geändert werden muss, bevorzugt. Auch diese müssen eine Nichteinzonung oder eine nur teilweise Einweisung ihrer Grundstücke in eine Bauzone hinnehmen; einen Anspruch auf Einzonung ihres Grundbesitzes haben sie grundsätzlich nicht.
e) Schliesslich ist festzustellen, dass eine nur etappenweise Erschliessung des grossen Umlegungsgebietes Spitzacker dem früheren und geltenden Recht entsprach (§ 12 BauG,
Art. 5 WEG
,
Art. 19 Abs. 2 RPG
). Wie die Gemeinde zutreffend darlegt, war sie nicht verpflichtet, den am Rande des Umlegungsperimeters gelegenen Bruderholzacker vorgängig zu erschliessen. Die Eigentümer stellten vor Erlass der Schutzzonenanordnung im Jahre 1973 keine Anträge, auf ihre Kosten die Erschliessung des Bruderholzackers auszuführen (vgl. § 12 Abs. 2 BauG sowie
BGE 110 Ib 34
E. 4a); jedenfalls wird dies nicht geltend gemacht. Dies wäre wegen der hohen Kosten auch kaum in Frage gekommen. Es ist zu bedenken, dass die Verpflichtung, neue Bauten an eine Kanalisation anzuschliessen, bereits aufgrund der eidgenössischen Gewässerschutzgesetzgebung bestand (
Art. 15 und 17 ff. GschG
). Die Kanalisation zählt zu den Erschliessungsanlagen gemäss § 12 BauG und ist von der Gemeinde nach ihren Projekten und Reglementen zu bauen. Hätten die Eigentümer von Liegenschaften im Bruderholzacker deren vorzeitige Erstellung verlangt, hätten sie die Kosten vorschiessen müssen (§ 12 Abs. 2 BauG).
7.
a) Nach dem Gesagten liegt in der Nichteinweisung des Bruderholzackers in eine Bauzone entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer keine Verletzung verfassungsmässiger Rechte vor. Die staatsrechtlichen Beschwerden sind daher abzuweisen.
b) Festzustellen ist hingegen, dass die Zuweisung der Liegenschaften der Beschwerdeführer in die Landschaftsschutzzone ohne die für die bestimmungsgemässe landwirtschaftliche Nutzung nötige
BGE 118 Ia 151 S. 164
Korrektur des Strassenplanes und der Parzellarordnung erfolgte. Die Zuteilung von Land an die Gemeinde für Baulanderschliessungsstrassen, die wegen der späteren Festsetzung der Landschaftsschutzzone nicht benötigt werden, widerspricht einer der Planfestsetzung entsprechenden Bodennutzung (zur Abstimmung von Parzellarordnungen auf die Nutzungsplanung
BGE 116 Ia 47
E. 4c, cb; Urteil des Bundesgerichtes vom 1. April 1981, publiziert in ZBl 84/1983 S. 184 E. 4 betreffend Erschliessungsplanung und Umlegung; PETER HÜBNER, Die Parzellarordnung nach baselstädtischem Recht, Diss. Basel 1990/1991, S. 81 ff.; EJPD/BRP, Erläuterungen RPG, N 2b zu Art. 20).
Der Augenschein hat bestätigt, dass die für eine bauliche Nutzung gestalteten Parzellen eine landwirtschaftliche Nutzung erschweren. Dass den Nachteilen mit einer einheitlichen Verpachtung der Parzellen an einen oder wenige Landwirte begegnet werden kann, ist nicht ausschlaggebend. Eine rationelle landwirtschaftliche Nutzung ist auf eine hiefür gestaltete Parzellenform und soweit nötig auf landwirtschaftliche Flurwege angewiesen und daher auf die Dauer nicht sichergestellt, sofern die entsprechenden Parzellarordnungsmassnahmen nicht durchgeführt werden (in diesem Sinne Art. 77 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Förderung der Landwirtschaft und die Erhaltung des Bauernstandes vom 3. Oktober 1951 (Landwirtschaftsgesetz, LwG; SR 910.1) und
Art. 2 Abs. 1 der Verordnung über die Unterstützung von Bodenverbesserungen und landwirtschaftlichen Hochbauten vom 14. Juni 1971 (Bodenverbesserungs-Verordnung, BoV; SR 913.1)
; vgl. dazu
BGE 98 Ib 330
E. 6). Da es sich beim Bruderholzacker um besten landwirtschaftlichen Boden handelt, der nach der Rechtskraft der Zonenfestsetzung zu den Fruchtfolgeflächen des Kantons Basel-Landschaft geschlagen werden soll, hätte eine den Grundsätzen des Raumplanungsrechts entsprechende Zonenfestsetzung mit der Anordnung einer Korrektur des auf eine bauliche Nutzung abgestimmten Erschliessungsplanes und der Parzellarordnung im Bruderholzacker verbunden werden müssen.
Entsprechende Anträge haben die Beschwerdeführer jedoch weder im kantonalen noch im staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren gestellt, weshalb es bei den vorerwähnten Feststellungen sein Bewenden hat (
Art. 90 Abs. 1 OG
). Ergänzend ist festzuhalten, dass die Zuteilung der für die vorgesehenen Erschliessungsstrassen entsprechenden Fläche an die Gemeinde im Ergebnis einer Enteignung gleichkommt (vgl.
BGE 100 Ia 230
), da ihr Zweck, die
BGE 118 Ia 151 S. 165
Feinerschliessung der nach dem früheren Recht zur Überbauung bestimmten Parzellen zu ermöglichen, nachträglich dahinfiel. Die Beschwerdeführer haben bei dieser Sachlage einen Rechtsanspruch darauf, dass die der Gemeinde zugeteilten Flächen der geplanten Erschliessungsanlagen reprivatisiert werden. Sie sind befugt, entsprechende Anträge zu stellen. Die Neuordnung der Parzellen, die für die bestimmungsgemässe Nutzung des Bodens erforderlich ist, kann von Amtes wegen verfügt werden (
Art. 20 RPG
;
BGE 116 Ia 47
E. 4c, cb), wobei in diesem Verfahren die Impropriation der der Gemeinde zugeteilten, für die bestimmungsgemässe landwirtschaftliche Nutzung des Landes nicht benötigten Flächen erfolgen kann. Der Regierungsrat ist befugt, die zuständigen Behörden anzuweisen, das erforderliche Verfahren für die Neugestaltung der Parzellen im Blick auf die nun festgelegte landwirtschaftliche Nutzung einzuleiten und auf Kosten des zuständigen Gemeinwesens durchzuführen, da die nachträgliche Rechtsänderung, die auf die Revision des Bodenrechts und die Verpflichtung zur Raumplanung zurückzuführen ist, nicht den Eigentümern angelastet werden kann. Dass die Neuordnung der Grundstücke auf das Gebiet der Schutzzone beschränkt werden muss, ist Folge der Nutzungsplanung; ein Einbezug des gesamten früheren Umlegungsperimeters ist verfassungsrechtlich nicht gefordert.
Ob im übrigen die Nichteinweisung der Grundstücke der Beschwerdeführer in eine Bauzone in Berücksichtigung der Korrektur der Parzellarordnung zusätzlich Entschädigungsfolgen nach sich zieht, ist nicht in diesem Verfahren zu beurteilen. | public_law | nan | de | 1,992 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
1803def7-adb9-47df-8910-f9627a9c0e7a | Urteilskopf
106 II 81
17. Arrêt de la IIe Cour civile du 8 mai 1980 dans la cause V. contre Conseil d'Etat du canton du Valais (recours de droit administratif) | Regeste
Art. 6 ZGB
, 4 BV; 172 des Walliser Steuergesetzes vom 10. März 1976.
Die Kantone überschreiten die ihnen durch
Art. 6 ZGB
eingeräumten Befugnisse, wenn sie öffentlichrechtliche Normen erlassen, wonach die Eintragung eines Eigentumsüberganges in das Grundbuch abhängig ist von der vorgängigen Bezahlung nicht nur der einschlägigen Grundbuchgebühr und der Handänderungssteuer, sondern auch der Erbschafts- und der Grundstückgewinnsteuer oder gar der ordentlichen Vermögens- und Einkommenssteuer (Änderung der Rechtsprechung) (E. 1 und 2). Bestimmungen, die ohne sachlichen und vemünftigen Grund im Kanton domizilierte Steuerpflichtige anders behandeln als solche, die nur kraft einer wirtschaftlichen Verbindung der Steuer unterworfen sind, verstossen gegen
Art. 4 BV
(E. 3). | Sachverhalt
ab Seite 82
BGE 106 II 81 S. 82
A.-
Par acte authentique du 18 mai 1979, dame V., domiciliée à Chêne-Bougeries, canton de Genève, a vendu à dame M., domiciliée à Bernex, canton de Genève, sa quote-part de propriété, soit la moitié, sur la parcelle No 6288 du registre foncier de la commune de Vex, canton du Valais. Le 22 mai 1979, le Conservateur du registre foncier de Sion a refusé d'inscrire le transfert de propriété au registre foncier, faute d'accord de l'autorité fiscale au sens de l'art. 172 de la loi fiscale valaisanne du 10 mars 1976 (ci-après: LF). Cette disposition légale a la teneur suivante:
"Lorsqu'une personne physique ou une personne morale assujettie à l'impôt en raison de circonstances de rattachement économiques aliène un immeuble sis dans le canton, l'acquéreur ne peut être inscrit au registre foncier en qualité de propriétaire qu'avec l'accord écrit de l'autorité de taxation compétente.
L'autorité de taxation remet une attestation, confirmant son accord, à l'aliénateur, à l'intention du préposé au registre foncier, lorsque les impôts liés à la possession ou à l'aliénation de l'immeuble sont acquittés ou garantis par des sûretés, lorsqu'il est établi qu'aucun impôt n'est dû ou que l'aliénateur offre des garanties suffisantes quant à l'exécution de ses obligations fiscales.
Un recours peut être interjeté contre le refus de l'autorité de taxation d'établir l'attestation mentionnée à l'al. 2."
B.-
Le 18 septembre 1979, le Conseil d'Etat du canton du Valais a rejeté un recours interjeté contre la décision du Conservateur du registre foncier de Sion. Dame V. a formé un recours de droit administratif, demandant au Tribunal fédéral d'annuler la décision du Conseil d'Etat ainsi que celle du Conservateur du registre foncier, et d'ordonner l'inscription du transfert au registre foncier. Le Tribunal fédéral a admis le recours.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
Selon l'art. 51 al. 1 de l'ordonnance du Conseil d'Etat du canton du Valais, du 17 avril 1920, concernant la tenue du
BGE 106 II 81 S. 83
registre foncier cantonal, les justifications à produire pour l'inscription des droits relatifs aux immeubles sont déterminées par les art. 18 à 23 ORF. Comme le relève la recourante, cette disposition se borne à répéter ce qui ressort, d'une part des art. 963 à 966 CC et, d'autre part, des prescriptions complémentaires d'exécution des art. 11 à 24 ORF. La question qui se pose en l'espèce n'est donc pas celle des rapports entre l'art. 172 LF et l'art. 51 de l'ordonnance cantonale concernant la tenue du registre foncier, mais celle des rapports entre le droit fiscal cantonal et le droit civil fédéral.
Aux termes de l'
art. 6 CC
, les lois civiles de la Confédération laissent subsister les compétences des cantons en matière de droit public. Dans une jurisprudence abondante, le Tribunal fédéral a dit que, pour que les cantons puissent édicter des règles de droit public dans un domaine régi par le droit civil fédéral, il faut que soient réunies trois conditions, savoir: que le législateur fédéral n'ait pas entendu réglementer cette matière de façon exhaustive; que les règles cantonales soient motivées par un intérêt public pertinent; que ces règles n'éludent pas le droit civil fédéral, ni n'en contredisent le sens ou l'esprit (cf., entre autres,
ATF 104 Ia 108
consid. 4a,
ATF 101 Ia 505
consid. 2b,
ATF 99 Ia 622
consid. 6b-e,
ATF 98 Ia 495
,
ATF 87 I 188
,
ATF 85 I 20
, 85 II 375,
ATF 76 I 326
).
Les arrêts précités montrent que la jurisprudence fédérale relative à l'
art. 6 CC
a des liens, d'une part avec le principe de la force dérogatoire du droit fédéral, que le Tribunal fédéral fait dériver de l'art. 2 des dispositions transitoires de la constitution fédérale, d'autre part, de la répartition des compétences fixée par l'
art. 64 Cst.
, selon lequel la législation sur le droit civil dans son ensemble est du ressort de la Confédération, tandis que l'organisation judiciaire, la procédure civile et l'administration de la justice demeurent aux cantons (cf. HANS HUBER, n. 7 ss. et 15 ss. ad
art. 6 CC
; DESCHENAUX, Le Titre préliminaire du Code civil, Traité de droit civil suisse, II 1 p. 18 s. et 22 ss.). En outre, le Tribunal fédéral a parfois tranché des problèmes semblables également du point de vue de l'
art. 4 Cst.
Dans
ATF 40 I 469
ss., il a considéré que commet un déni de justice en violation de l'
art. 4 Cst.
l'autorité cantonale qui fait dépendre du paiement préalable des frais de jugement la communication d'une décision susceptible d'être déférée au Tribunal fédéral.
BGE 106 II 81 S. 84
Il a aussi vu une violation de l'
art. 4 Cst.
dans le fait que la prononciation d'un jugement est subordonnée par le juge civil au paiement préalable des droits d'enregistrement sur les pièces produites dans l'instance par les parties, lorsque ces droits ont le caractère d'un véritable impôt (
ATF 61 I 81
ss.). Comme l'expose le professeur HUBER (n. 234 in fine et n. 236 ad
art. 6 CC
), on pouvait tout aussi bien voir dans ces cas une violation de l'interdiction d'éluder le droit civil fédéral, contenue à l'
art. 6 CC
.
La question de savoir si et dans quelle mesure les cantons peuvent, par des prescriptions de droit public, soumettre une inscription au registre foncier fédéral à la satisfaction d'exigences supplémentaires que les lois civiles de la Confédération n'ont pas posées a fait l'objet de trois arrêts fédéraux publiés:
a) Dans
ATF 66 I 91
consid. 2, le Tribunal fédéral a considéré comme exhaustive la réglementation du Code civil sur les conditions auxquelles les contrats de vente immobilière peuvent être inscrits au registre foncier: quand ces conditions sont remplies, on peut, en vertu du droit fédéral, exiger que le registre foncier procède à l'inscription; les cantons ne sont pas autorisés à ajouter d'autres conditions. Dans l'espèce, il s'agissait d'une prescription du Conseil d'Etat du canton de Nidwald selon laquelle aucune inscription ne pouvait être faite au registre foncier sans que les réquisitions eussent été publiées 15 jours auparavant dans la Feuille officielle cantonale pour recueillir les oppositions éventuelles.
b) Dans
ATF 83 I 206
ss., le Tribunal fédéral s'est écarté de ce point de vue absolu, qui, d'après les expressions utilisées dans l'arrêt précédent, ne laissait plus de place à des prescriptions cantonales supplémentaires. Il s'agissait de la question de savoir si le canton de Bâle-Ville pouvait subordonner l'inscription d'un transfert de propriété à la présentation au Conservateur du registre foncier d'une quittance de la Caisse de l'Etat attestant que les droits de mutation avaient été payés et, en cas de succession, d'un avis de l'Office des successions certifiant qu'il y avait eu règlement de l'impôt successoral ou fourniture de sûretés. Le Tribunal fédéral a admis la possibilité d'édicter de telles prescriptions, par les motifs suivants:
Selon l'
art. 6 CC
, les lois civiles de la Confédération laissent subsister, de manière générale ("ganz allgemein"), les compétences
BGE 106 II 81 S. 85
des cantons en matière de droit public. En particulier, les cantons peuvent, comme la Confédération elle-même, apporter dans l'intérêt public des restrictions à la propriété foncière (
art. 702 CC
) et, pour leurs créances dérivant du droit public, l'
art. 836 CC
admet des hypothèques légales de droit cantonal. La mesure qui est aujourd'hui en question est une mesure de sûreté analogue. Quand il était encore autorité de recours en matière de registre foncier, le Conseil fédéral a maintes fois déclaré que, sans violer le droit fédéral, le droit cantonal pouvait faire dépendre l'inscription d'un transfert de propriété au registre foncier du paiement des taxes dues pour le transfert en question ou des émoluments d'inscription (FF 1913 IV 63, 1914 I 397 litt. c; RNRF 7/1926 p. 51 en haut). Les commentateurs se sont ralliés à cette manière de voir (OSTERTAG, n. 1, HOMBERGER, n. 2 et 3 ad
art. 954 CC
) et, avant l'introduction de la juridiction administrative fédérale, le Tribunal fédéral s'était inspiré de la même idée en édictant l'art. 66 al. 4 ORI. Il est d'autant plus difficile d'opposer quoi que ce soit de pertinent que le droit fédéral prescrit lui-même quelque chose de semblable pour la protection des créances d'impôt pour la défense nationale: d'après l'art. 122 AIN, les personnes morales, ainsi que les succursales d'entreprises étrangères, ne peuvent être radiées au registre du commerce que si elles ont satisfait à leurs obligations fiscales par le paiement de l'impôt ou par la remise de sûretés.
c) Dans
ATF 96 I 717
, l'arrêt susmentionné est cité pour étayer l'argumentation relative à un problème juridique dont les données sont un peu différentes.
2.
Les professeurs HUBER (n. 239 ad art. CC) et DESCHENAUX (Op.cit., p. 31 et n. 53) s'en tiennent au point de vue exposé dans
ATF 83 I 206
. En revanche, le professeur LIVER (RJB 95/1959 p. 35 s.) et l'ancien inspecteur du notariat du canton de Zurich HANS HUBER (RNRF 49/1968 p. 86 et n. 84) émettent des critiques: ils objectent que de telles prescriptions fiscales des cantons risquent d'avoir pour conséquence une atteinte inadmissible au droit fédéral du registre foncier.
Avant d'examiner cette question, il convient de rechercher si sont remplies les deux autres conditions auxquelles, selon la jurisprudence fédérale, le droit public cantonal doit satisfaire pour être compatible avec l'
art. 6 CC
.
BGE 106 II 81 S. 86
a) On ne saurait s'en tenir à un point de vue aussi absolu que celui qui est exprimé dans
ATF 66 I 91
et affirmer que le droit fédéral règle de manière exhaustive (abschliessend) les conditions d'une inscription au registre foncier. Certes, le Code civil et l'ordonnance sur le registre foncier fixent ces exigences de façon détaillée - voire exhaustive, dans l'optique du droit privé. Mais on ne peut pas dire que le droit du registre foncier soit un domaine juridique qui, de par la nature des choses, en raison de son importance fondamentale, est soustrait à l'emprise du droit public, comme, par exemple, la capacité d'agir, certains principes généraux du droit, la protection de la personnalité ou des prescriptions destinées à garantir la liberté individuelle (cf. HUBER, n. 170 ss. ad
art. 6 CC
; DESCHENAUX, op.cit., p. 27/28).
b) On doit aussi concéder que des mesures de sûreté pour assurer le recouvrement de créances fiscales présentent en soi un intérêt public pertinent au sens de la jurisprudence relative à l'
art. 6 CC
, encore que, dans le cadre d'une pesée des intérêts, on ne puisse guère accorder le même poids à cet intérêt public que, par exemple, à des prescriptions de droit public ayant pour but d'assurer le calme et l'ordre, de répondre aux exigences de la police sanitaire ou d'atteindre des objectifs de politique sociale.
c) Reste ainsi à juger si l'art. 172 LF viole l'
art. 6 CC
en ce sens qu'il éluderait le droit civil fédéral, ou serait contraire à son sens ou à son esprit.
Les critiques que Liver et l'ancien inspecteur Huber formulent contre l'arrêt
ATF 83 I 206
ne sont pas dénuées de pertinence à cet égard. Quand le Tribunal fédéral dit que les lois civiles de la Confédération laissent subsister "de manière générale" les compétences des cantons en matière de droit public, il s'exprime en des termes trop absolus pour qu'on puisse les reprendre. Selon la jurisprudence fédérale citée, les cantons ne sont libres que dans la mesure où les prescriptions qu'ils édictent ne rendent pas impossible l'application du droit civil fédéral ou ne la compliquent pas à l'excès.
D'emblée il apparaît que rien n'empêche les cantons de soumettre l'inscription au paiement préalable des émoluments pour les inscriptions au registre foncier. Il s'agit là de la rémunération proprement dite de l'activité administrative à laquelle doit se livrer le conservateur: l'
art. 954 al. 1 CC
permet expressément
BGE 106 II 81 S. 87
aux cantons de percevoir de tels émoluments et, quand ils n'excédent pas les limites d'une taxe, ils représentent un montant modeste par rapport à l'intérêt économique des parties à obtenir l'inscription.
Il en va déjà un peu autrement des droits de mutation, lesquels constituent un véritable impôt (
ATF 72 I 394
; BLUMENSTEIN, Schweizerisches Steuerrecht, I. Halbband, p. 7 s. et 199). Mais la jurisprudence fédérale (
ATF 82 I 284
consid. 1, 302 consid. 3b) admet que les cantons perçoivent des contributions dites mixtes, comprenant l'émolument pour l'inscription au registre foncier et un impôt indirect sur les mutations (cf. également ancien inspecteur HUBER, RNRF 49/1968 p. 69 ss.; HOMBERGER, n. 4 ad
art. 954 CC
); par ailleurs, cet impôt est lui aussi, d'ordinaire, d'un montant plutôt modeste; surtout, sa fixation ne présente généralement pas de difficultés et il est directement lié au transfert de propriété, ce qui en fait un véritable impôt sur les mutations (BLUMENSTEIN, System des Steuerrechts, 3e éd. 1971, p. 164 ss.). Ces considérations, en partie pratiques, en partie théoriques, conduisent à se ranger à l'opinion adoptée quasi unanimement par la jurisprudence et la doctrine, et selon laquelle, à côté des émoluments proprement dits, il convient de compter les droits de mutation parmi les taxes au paiement desquelles les cantons peuvent subordonner l'inscription au registre foncier (cf., outre
ATF 83 I 206
ss. et les décisions antérieures du Conseil fédéral qui y sont citées, HOMBERGER, n. 3 et OSTERTAG, n. 1 ad
art. 954 CC
; BLUMENSTEIN, System des Steuerrechts, p. 290; IMBODEN/RHINOW, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, 5e éd., I p. 295).
En revanche, on ne peut plus se rallier à l'arrêt
ATF 83 I 206
quand il s'agit de l'impôt de succession. Certes, BLUMENSTEIN (System des Steuerrechts, p. 168/69) le qualifie d'impôt sur les mutations, mais cet impôt n'est plus lié exclusivement au transfert de la propriété de l'immeuble: il a pour objet le transfert de tout un ensemble de biens en vertu de la dévolution successorale. En outre, il représente souvent des montants élevés proportionnellement aux biens dévolus et surtout son imposition peut entraîner d'importantes complications. En tout cas, le Conservateur du registre foncier n'est pas d'ores et déjà en mesure d'en calculer le montant définitif comme il peut le faire d'ordinaire pour les droits de mutation: les héritiers assujettis à l'impôt doivent d'abord établir une déclaration d'impôt, puis a
BGE 106 II 81 S. 88
lieu une procédure de taxation, qui peut impliquer une opposition et un recours. Dans ces conditions, on ne saurait subordonner l'inscription au registre foncier au paiement préalable de l'impôt de succession. Il n'est que de prendre en considération le temps qui risque de s'écouler jusqu'à détermination définitive du montant de l'impôt dû pour comprendre qu'une telle mesure est indéfendable. L'effet réel lié à l'inscription au registre foncier (s'agissant de la dévolution successorale, l'effet de publicité) risquerait d'être ainsi différé pour une durée insupportable pour les intéressés et, entre-temps, pourraient prendre naissance des droits ultérieurs sur l'immeuble, lesquels, selon les circonstances, auraient le pas sur le transfert de propriété. On ne saurait objecter que le contribuable peut écarter ce risque en fournissant des sûretés. On ne voit pas pour quel montant pourrait être garantie une créance d'impôt n'ayant pas encore fait l'objet d'une taxation entrée en force. L'autorité fiscale elle-même ne serait pas en mesure, immédiatement après le décès, d'arrêter un chiffre tant soit peu sûr, abstraction faite de ce que le contribuable serait exposé à garantir un montant qui, dans la procédure d'imposition subséquente, pourrait se révéler très excessif.
Ainsi les cantons outrepassent les compétences que leur accorde l'
art. 6 CC
quand ils subordonnent l'inscription au registre foncier au paiement préalable de l'impôt de succession ou à la fourniture de sûretés.
Il en va de même, à plus forte raison, pour l'impôt sur les gains immobiliers. Cet impôt n'est pas un impôt sur les mutations, mais un impôt sur le revenu (BLUMENSTEIN, System des Steuerrechts, p. 168). Pour le surplus, les considérations relatives aux problèmes que posent le montant de l'impôt, l'assujettissement et la procédure de taxation valent dans ce cas comme pour l'impôt de succession.
Il y a plus en l'espèce. L'art. 172 LF n'a pas seulement trait aux impôts sur les gains immobiliers, mais aussi aux impôts ordinaires sur la fortune et le revenu qu'un propriétaire domicilié hors du canton du Valais doit payer sur ses immeubles sis dans ce canton. C'est aller beaucoup trop loin que de soumettre l'inscription au registre foncier au paiement préalable de ces impôts ou à la fourniture de sûretés.
On doit avoir d'autant moins d hésitation à déclarer l'art. 172 LF incompatible avec l'
art. 6 CC
que le législateur
BGE 106 II 81 S. 89
fédéral a donné aux cantons un autre moyen efficace de s'assurer une garantie pour leurs créances d'impôts, à savoir l'hypothèque légale de l'
art. 836 CC
. Selon la doctrine et la jurisprudence constantes, les cantons peuvent créer cette hypothèque également pour les impôts sur les gains immobiliers (
ATF 84 II 99
,
ATF 85 I 36
; LEEMANN, n. 5 ad
art. 836 CC
). Peu importe, pour la question à trancher en l'espèce, que le canton du Valais ait ou non fait usage de cette faculté. Ce qui est déterminant, c'est que le législateur fédéral accorde une telle possibilité aux cantons. Ce n'est pas parce qu'ils n'y ont pas recours qu'ils sont autorisés à restreindre par une autre voie le champ d'application du droit civil fédéral. Contrairement à ce qui est dit dans
ATF 83 I 209
, la prescription de l'
art. 836 CC
ne peut pas être invoquée pour justifier que les cantons prennent des dispositions telles que celle qui faisait l'objet de l'arrêt cité ou celle qui est prise en considération en l'occurrence: son existence est bien plutôt un argument en sens inverse; dès lors que le droit fédéral met à la disposition des cantons un moyen de garantie efficace, ceux-ci ne sauraient empiéter sur le droit fédéral avec d'autres mesures.
Enfin, l'argument tiré de l'art. 122 AIN (
ATF 83 I 211
/12) n'est pas convaincant lui non plus. A la forme, on peut objecter d'emblée que les restrictions des
art. 6 CC
et 2 disp. trans. Cst. ne concernent pas le législateur fédéral et qu'en outre, en vertu de l'
art. 113 al. 3 Cst.
, les prescriptions de l'art. 122 AIN sont de toute façon soustraites au pouvoir d'examen du Tribunal fédéral, ce qui ne serait pas le cas s'il s'agissait de règles cantonales. Surtout, on ne voit pas en quoi l'art. 122 AIN restreindrait le champ d'application du droit civil. Au contraire, il répond au principe du droit civil (
art. 589 et 746 CO
) selon lequel la radiation au registre du commerce ne peut avoir lieu qu'après la fin de la liquidation, ce qui implique notamment que tous les créanciers aient été désintéressés.
3.
Vu ce qui précède, il y a eu violation du droit fédéral au sens de l'art. 104 litt. a OJ: le recours doit dès lors être admis.
A première vue, d'après les principes dégagés ci-dessus, on devrait se demander s'il convient d'inviter d'ores et déjà le Conservateur à procéder à l'inscription du transfert de propriété au registre foncier ou s'il ne faut pas plutôt renvoyer l'affaire à l'autorité cantonale pour qu'elle s'assure que les émoluments d'inscription et les droits de mutation ont été
BGE 106 II 81 S. 90
payés ou qu'il y a eu fourniture de sûretés. Mais la question ne se pose pas en l'espèce. En effet, l'art. 172 LF heurte l'
art. 4 Cst.
, qui doit également être respecté par le législateur (
ATF 100 Ia 76
aa,
ATF 99 Ia 355
c, aa,
ATF 96 I 566
/67 consid. 3a et les références): il institue, sans motif objectif et raisonnable, une inégalité de traitement entre les contribuables domiciliés dans le canton et ceux qui ne sont assujettis à l'impôt qu'en vertu de leur rattachement économique. Il faut qu'il existe une relation naturelle entre la situation particulière et le traitement différentiel (
ATF 66 I 11
consid. 6a). Or le Service cantonal des contributions, aux observations duquel se réfère le Conseil d'Etat, se borne à faire valoir que le recouvrement des créances d'impôts est plus difficile quand il s'agit de personnes domiciliées dans un autre canton. Mais cet argument ne peut plus être sérieusement invoqué depuis le 8 juillet 1925: à cette date, le canton de Genève a adhéré, après tous les autres cantons, au concordat concernant la garantie réciproque pour l'exécution légale des prestations dérivant du droit public, du 23 août 1912 (RS 1848-1947, 3, p. 74 ss., notamment p. 77); ce concordat a été remplacé le 20 décembre 1971 par le concordat sur l'entraide judiciaire pour l'exécution des prétentions de droit public, auquel tous les cantons ont également adhéré (RS 281.22).
Le Conseil d'Etat et le Service cantonal des contributions se réfèrent en vain au projet de loi sur les impôts directs cantonaux et communaux (appelé "loi-modèle"). Certes, la loi-modèle contient, à son art. 192, une disposition qui correspond à celle de l'art. 172 LF, mais elle se heurte aux mêmes objections que celles qui ont été formulées ci-dessus. Il est d'ailleurs significatif que cette disposition n'ait pas été reprise dans le projet de loi fédérale sur l'harmonisation des impôts directs cantonaux et communaux. Ce dernier projet ne prévoit plus, à son art. 43 al. 1, qu'une obligation de fournir des sûretés pour l'impôt sur les gains sur participations, et seulement pour les personnes qui n'ont pas de domicile fiscal ordinaire en Suisse (art. 11 al. 3 litt. b et c, auquel renvoie l'art. 43 al. 1). En ce qui concerne l'impôt sur les gains immobiliers, l'art. 43 al. 2 du projet prévoit simplement la possibilité pour les cantons de créer une hypothèque légale. Quant à l'avis de droit du professeur Cagianut, produit pas le Conseil d'Etat, il s'exprime très prudemment: selon le professeur Cagianut, il n'est possible de refuser l'inscription au registre foncier que lorsque l'exécution
BGE 106 II 81 S. 91
de la dette d'impôt paraît compromise, ce qui entre essentiellement en ligne de compte quand il n'y a pas de domicile en Suisse. De toute façon, cet avis ne permet pas de tenir pour démontré que la réglementation du canton du Valais ne heurte pas l'
art. 4 Cst. | public_law | nan | fr | 1,980 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
180407ea-d83f-40ff-a884-f478e0cd8757 | Urteilskopf
138 IV 258
38. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Y. und Staatsanwaltschaft Zofingen-Kulm (Beschwerde in Strafsachen)
1B_432/2011 vom 20. September 2012 | Regeste
Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG,
Art. 115 ff. StPO
,
Art. 90 Ziff. 1 SVG
; Begriff des Geschädigten bei Verkehrsunfällen ohne Körperschaden.
Beschwerde gegen einen Zwischenentscheid wegen Rechtsverweigerung (
Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG
): Verzicht auf das Erfordernis des nicht wieder gutzumachenden Nachteils (E. 1.1).
Geschädigtenstellung nach
Art. 115 Abs. 1 StPO
als Voraussetzung für die Berechtigung zur Beschwerde in Strafsachen als Privatkläger (E. 2.1). Als geschädigte Person gilt, wer Träger des Rechtsguts ist, das durch die fragliche Strafbestimmung vor Verletzung oder Gefährdung unmittelbar geschützt werden soll (E. 2.2-2.4).
Übersicht über die unterschiedlichen Lehrmeinungen zum Rechtsgut, das mit
Art. 90 Abs. 1 SVG
geschützt wird (E. 3). Unmittelbar geschützt ist der reibungslose Ablauf der Fortbewegung auf öffentlichen Strassen. Individualinteressen wie Leib und Leben oder das Eigentum bzw. Vermögen werden nur mittelbar geschützt (E. 3.1, 3.2 und 4.1).
Hat eine Person bei einem Verkehrsunfall ausschliesslich einen materiellen Schaden erlitten, so ist sie im Sinne von
Art. 115 Abs. 1 StPO
nicht in ihren Rechten unmittelbar verletzt. Sie ist somit gestützt auf Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG nicht zur Beschwerde in Strafsachen legitimiert (E. 4). | Sachverhalt
ab Seite 259
BGE 138 IV 258 S. 259
A.
Am 27. Oktober 2009 wollte X. am Steuer seines Personenwagens auf der Äusseren Luzernerstrasse in Oftringen zunächst nach links abbiegen, entschied sich aber wegen des entgegenkommenden Verkehrs für das Abbiegen nach rechts und kollidierte bei
BGE 138 IV 258 S. 260
diesem Manöver mit dem rechts vorfahrenden Motorradfahrer Y. Dieser kam zu Fall und wurde verletzt. An beiden Fahrzeugen entstand Sachschaden.
Der Präsident II des Bezirksgerichts Zofingen verurteilte X. am 15. Juni 2010 wegen einfacher Verletzung der Verkehrsregeln durch ungenügende Aufmerksamkeit zu einer Busse von Fr. 200.- und zur Bezahlung eines Schadenersatzbetrags von Fr. 861.75 an den Privatkläger Y. Die Berufung von X. gegen dieses Urteil blieb ebenso erfolglos wie die anschliessend beim Bundesgericht eingereichte Beschwerde in Strafsachen. Diese wurde vom Bundesgericht mit Urteil vom 31. August 2011 abgewiesen, soweit darauf einzutreten war (Verfahren 6B_256/2011).
Ein erstes Revisionsgesuch von X. gegen dieses Urteil wies das Bundesgericht mit Urteil vom 24. November 2011 ab (Verfahren 6F_14/2011). Ein zweites Revisionsgesuch wurde am 1. März 2012 abgewiesen, soweit darauf einzutreten war (Verfahren 6F_20/2011).
B.
Am 12. Juli 2010 hatte X. eine Strafanzeige gegen Y. wegen Widerhandlungen gegen das SVG eingereicht und als Privatkläger eine Schadenersatzforderung von Fr. 3'030.95 erhoben. Mit Verfügung vom 11. Januar 2011 sistierte die Staatsanwaltschaft Zofingen-Kulm die Strafuntersuchung gegen Y. bis zum Abschluss des Strafverfahrens gegen X.
Am 23. Juli 2011 reichte X. gegen die Staatsanwaltschaft Zofingen-Kulm eine Rechtsverweigerungsbeschwerde ein. Er beantragte, es sei zu prüfen, ob ein Beleg über einen bei Y. vorgenommenen Alkohol-Atemlufttest vorhanden sei bzw. ob ein solcher Test durchgeführt worden sei, und die Fahrfähigkeit von Y. im Unfallzeitpunkt sei zu klären, insbesondere unter Beizug der Unterlagen des Spitals Zofingen.
C.
Mit Entscheid vom 11. August 2011 wies die Beschwerdekammer in Strafsachen des Obergerichts des Kantons Aargau die Beschwerde ab, soweit sie darauf eintrat. Sie liess die Frage der Beschwerdeberechtigung von X. offen und erwog in der Sache, das Verfahren gegen Y. sei zurzeit sistiert und es bestehe keine Dringlichkeit zur Vornahme der beantragten Untersuchungshandlungen. Falls ein Alkohol-Atemlufttest durchgeführt worden sei, werde sich der entsprechende Beleg in den Akten finden. Andernfalls könne der Frage der Fahrfähigkeit von Y. dereinst durch Befragung der beteiligten Personen nachgegangen werden.
BGE 138 IV 258 S. 261
D.
Mit Beschwerde in Strafsachen beim Bundesgericht vom 20. September 2011 beantragt X., den angefochtenen Entscheid aufzuheben und die Behörden des Kantons Aargau anzuweisen, die verlangten Untersuchungshandlungen vorzunehmen. (...) Er macht insbesondere geltend, die Personenbefragung sei dringend, da das Erinnerungsvermögen der Beteiligten mit zunehmendem zeitlichem Abstand von den Ereignissen nachlasse. (...)
F.
Am 4. September 2012 haben die I. öffentlich-rechtliche Abteilung und die Strafrechtliche Abteilung des Bundesgerichts zu einer Rechtsfrage, die für die Beurteilung der vorliegenden Angelegenheit entscheidend ist, ein Verfahren nach
Art. 23 Abs. 2 BGG
durchgeführt (s. E. 4.1 hiernach).
Das Bundesgericht tritt auf die Beschwerde nicht ein.
(Auszug)
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
1.1
Das angefochtene Urteil ist ein Entscheid einer letzten kantonalen Instanz (
Art. 80 BGG
) in einer Strafsache (
Art. 78 Abs. 1 BGG
). Es handelt sich nicht um einen Endentscheid (vgl.
Art. 90 BGG
), sondern um einen Zwischenentscheid, gegen den die Beschwerde in Strafsachen - von hier nicht gegebenen Spezialfällen abgesehen (vgl.
Art. 92 BGG
) - nur unter einschränkenden Voraussetzungen (
Art. 93 BGG
) zulässig ist. Das Bundesgericht verzichtet allerdings bei Beschwerden wegen Rechtsverweigerung auf das Erfordernis eines nicht wieder gutzumachenden Nachteils (vgl.
Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG
;
BGE 134 IV 43
E. 2.2 S. 45). Die Beschwerde in Strafsachen steht deshalb grundsätzlich offen.
1.2
Die Beschwerde wurde rechtzeitig eingereicht und entspricht den Formerfordernissen. Der Beschwerdeführer hat am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen und ist mit seinen Anträgen unterlegen (vgl.
Art. 81 Abs. 1 lit. a BGG
).
1.3
Die Staatsanwaltschaft verneint in ihrer Vernehmlassung die Beschwerdeberechtigung des Beschwerdeführers gestützt auf Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG. Wohl habe dieser erklärt, sich als Privatkläger am Strafverfahren gegen Y. beteiligen zu wollen und seine Zivilansprüche beziffert, doch seien die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Verfahrensbeteiligung nicht erfüllt. Der Beschwerdeführer habe keine Geschädigtenstellung im Sinne von
Art. 115 StPO
,
BGE 138 IV 258 S. 262
weil die Verkehrsregeln den einzelnen Verkehrsteilnehmer nur mittelbar schützten.
Der Beschwerdeführer macht dagegen geltend, er sei durch die Kollision mit dem Motorradfahrer, der sich verkehrsregelwidrig verhalten habe, zu Schaden gekommen (Sachschaden am Personenwagen) und deshalb befugt, im Strafverfahren gegen Y. als Privatkläger Parteirechte auszuüben.
1.4
Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit und die Zulässigkeit der bei ihm erhobenen Rechtsmittel von Amtes wegen und mit freier Kognition (
Art. 29 Abs. 1 BGG
;
BGE 137 III 417
E. 1 mit Hinweisen). Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist es durch das Vorgehen und die Überlegungen der Vorinstanz, welche die Frage der Beschwerdeberechtigung offengelassen und einen Sachentscheid gefällt hat, nicht gebunden.
2.
2.1
Nach Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG ist die Privatklägerschaft zur Beschwerde in Strafsachen berechtigt, wenn sie ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids hat und dieser sich auf die Beurteilung ihrer Zivilansprüche auswirken kann. Als Privatklägerschaft kann sich die geschädigte Person beteiligen, die ausdrücklich die Absicht ihrer Beteiligung am Strafverfahren als Straf- oder Zivilkläger erklärt hat (
Art. 118 Abs. 1 StPO
[SR 312.0]). Geschädigt ist, wer durch die Straftat in seinen Rechten unmittelbar verletzt worden ist (
Art. 115 Abs. 1 StPO
).
2.2
Der Begriff des Geschädigten war bis zum Inkrafttreten der Schweizerischen Strafprozessordnung in den Kantonen uneinheitlich geregelt. Immerhin galten bereits im Zusammenhang mit kantonalen Umschreibungen und der Legitimation zur früheren eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde bestimmte Grundsätze (vgl. Art. 270 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 15. Juni 1934 über die Bundesstrafrechtspflege [BStP] in der durch das Opferhilfegesetz vom 4. Oktober 1991 eingeführten Fassung [AS 1992 2465, 2473]). Daran hat der Gesetzgeber in
Art. 115 StPO
angeknüpft (Botschaft zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts, BBl 2006 1085 ff., 1169 f. Ziff. 2.3.3.1 auch zum Folgenden; MAZZUCCHELLI/POSTIZZI, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2011, N. 18 zu
Art. 115 StPO
; CAMILLE PERRIER, in: Commentaire romand, Code de procédure pénale suisse, 2011, N. 5 f. zu
Art. 115 StPO
, je mit
BGE 138 IV 258 S. 263
Hinweisen auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung). Insbesondere geht die Umschreibung der unmittelbaren Verletzung in eigenen Rechten vom Begriff des Rechtsgutes aus: Danach ist unmittelbar verletzt und geschädigt im Sinne von
Art. 115 StPO
, wer Träger des durch die verletzte Strafnorm geschützten oder zumindest mitgeschützten Rechtsgutes ist (vgl. die umfangreichen Hinweise auf die herrschende Lehre und publizierte Praxis bei MAZZUCCHELLI/POSTIZZI, a.a.O., N. 21 [Fn. 32] zu
Art. 115 StPO
; PERRIER, a.a.O., N. 6 [Fn. 12] und 8 ff. zu
Art. 115 StPO
). Dieser Sichtweise folgte das Bundesgericht in konstanter Rechtsprechung (auch im Zusammenhang mit dem Opferhilfegesetz vom 4. Oktober 1991 [aOHG]; statt vieler
BGE 129 IV 95
E. 3.1 S. 98;
BGE 128 I 218
E. 1.5;
BGE 120 Ia 220
E. 3b S. 223; je mit Hinweisen).
2.3
Als Geschädigter ist somit anzusehen, wer Träger des Rechtsgutes ist, das durch die fragliche Strafbestimmung vor Verletzung oder Gefährdung geschützt werden soll. Im Zusammenhang mit Strafnormen, die nicht primär Individualrechtsgüter schützen, gelten praxisgemäss nur diejenigen Personen als Geschädigte, die durch die darin umschriebenen Tatbestände in ihren Rechten beeinträchtigt werden, sofern diese Beeinträchtigung unmittelbare Folge der tatbestandsmässigen Handlung ist (
BGE 129 IV 95
E. 3.1 S. 99 mit Hinweisen). In diesem Sinne hat das Bundesgericht seit der Einführung der Schweizerischen Strafprozessordnung schon verschiedentlich entschieden (Urteile 1B_489/2011 vom 24. Januar 2012 E. 2.1; 1B_201/2011 vom 9. Juni 2011 E. 2.1; analog zur Opfereigenschaft nach OHG Urteil 1C_208/2011 vom 1. Februar 2012 E. 3.5.2). Werden durch Delikte, die (nur) öffentliche Interessen verletzen, private Interessen auch, aber bloss mittelbar beeinträchtigt, so ist der Betroffene nicht Geschädigter im Sinne von
Art. 115 Abs. 1 StPO
(vgl. Urteil 6S.679/1996 vom 14. Januar 1997 E. 1a; MAZZUCCHELLI/POSTIZZI, a.a.O., N. 88 zu
Art. 115 StPO
; PERRIER, a.a.O., N. 13 zu
Art. 115 StPO
).
2.4
Der Gesetzgeber verzichtete beim Erlass der Schweizerischen Strafprozessordnung darauf, Zweifelsfragen in Bezug auf den Begriff der geschädigten Person zu entscheiden (vgl. Botschaft des Bundesrates zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts vom 21. Dezember 2005, BBl 2006 1170). Am Beispiel der Rassendiskriminierung (
Art. 261
bis
StGB
) wird in der bundesrätlichen Botschaft (a.a.O.) darauf hingewiesen, dass die Geschädigtenstellung und damit die Möglichkeit, im Prozess als Privatklägerin oder Privatkläger mitzuwirken, davon abhänge, ob mit dem Tatbestand
BGE 138 IV 258 S. 264
individuelle Rechtsgüter unmittelbar oder lediglich mittelbar geschützt werden. Zum Tatbestand der Leugnung von Völkermord oder anderer Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne von Art. 261
bis
Abs. 4
zweiter
Teilsatz StGB führte der Bundesrat aus, dieser werde nach der bundesgerichtlichen Praxis ausschliesslich als Delikt gegen den öffentlichen Frieden verstanden. Individuelle Rechtsgüter würden dadurch nur mittelbar, nicht aber, wie für den Begriff der geschädigten Person notwendig, unmittelbar geschützt (
BGE 129 IV 95
E. 3.5 S. 105). Anders wäre nach den Ausführungen in der Botschaft zu entscheiden, wenn mit einem Teil der Lehre nicht der öffentliche Frieden, sondern die Menschenwürde als
unmittelbar
geschütztes Rechtsgut betrachtet würde.
2.5
Im Folgenden ist somit zu prüfen, ob der Beschwerdeführer durch die dem Beschwerdegegner angelastete Verkehrsregelverletzung unmittelbar in seinen Rechten verletzt wurde.
3.
Für die Beurteilung der Geschädigtenstellung stellt sich die Frage nach dem mit
Art. 90 Ziff. 1 SVG
geschützten Rechtsgut. Die Frage ist in der Lehre umstritten.
3.1
Zahlreiche Autoren stützen sich darauf, dass die Verkehrsordnung den reibungslosen Ablauf der Fortbewegung auf öffentlichen Strassen schützt, mithin allgemeine Interessen. Individualrechtsgüter wie Leib und Leben oder das Eigentum bzw. Vermögen werden nach dieser Auffassung durch die Verkehrsregeln nur mittelbar geschützt (grundlegend HANS SCHULTZ, Die Strafbestimmungen des SVG, 1964, S. 152 f., mit Hinweis auf die Botschaft zum SVG; MAZZUCCHELLI/POSTIZZI, a.a.O., N. 88 zu
Art. 115 StPO
, mit weiteren Verweisungen; PERRIER, a.a.O., N. 16 zu
Art. 115 StPO
). Diese Lehrmeinung liegt auch der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichts zugrunde. So führte das Bundesgericht im Urteil 6S.679/1996 vom 14. Januar 1997 E. 1a zum damals in Kraft stehenden
Art. 270 Abs. 1 BStP
aus, bei Verkehrsregelverletzungen sei der allenfalls eingetretene Schaden nicht die unmittelbare, sondern bloss eine mittelbare Folge der tatbestandsmässigen Handlung. Durch Verkehrsregelverletzungen würden Individualrechtsgüter nicht gleichsam notwendigerweise faktisch (mit)beeinträchtigt. So wie der bei einem Verkehrsunfall Verletzte allein in Bezug auf die vom anderen Verkehrsteilnehmer allenfalls verübte Straftat der fahrlässigen Körperverletzung und nicht auch hinsichtlich der vom anderen allenfalls begangenen Straftaten der Verletzung von Verkehrsregeln
BGE 138 IV 258 S. 265
oder des Fahrens in angetrunkenem Zustand Opfer im Sinne des Opferhilfegesetzes sei (vgl.
BGE 122 IV 71
E. 3a S. 76 f.;
BGE 129 IV 95
E. 3.1 S. 99; Urteil 1C_208/2011 vom 1. Februar 2012 E. 3.5.2), sei derjenige, der bei einem Verkehrsunfall einen Sachschaden erleide, in Bezug auf die dem anderen zur Last gelegte Verkehrsregelverletzung nicht Geschädigter im Sinne des Strafprozessrechts (vgl. NIKLAUS SCHMID, Strafprozessrecht, 4. Aufl. 2004, N. 509).
3.1.1
Die Unterscheidung zwischen unmittelbarer und mittelbarer Rechtsverletzung im Sinne von
Art. 115 StPO
erscheint nicht als gleichbedeutend mit dem im ausservertraglichen Haftpflichtrecht verwendeten Begriffspaar des unmittelbaren und mittelbaren Schadens. In
Art. 115 StPO
soll sich das Wort "unmittelbar" auf die durch die Straftat verletzten Rechte beziehen. Das Erfordernis der Unmittelbarkeit habe also die Funktion, den Kreis der zur Privatklägerschaft prozessrechtlich legitimierten Personen und nicht etwa den Umfang des ersetzbaren Schadens einzuschränken (MAZZUCCHELLI/POSTIZZI, a.a.O., N. 42 zu
Art. 115 StPO
).
3.1.2
Mit
Art. 90 Ziff. 1 SVG
wird die Verletzung von Verkehrsregeln unter Strafe gestellt. Es handelt sich dabei um ein abstraktes Gefährdungsdelikt, das eine Handlung wegen ihrer typischen Gefährlichkeit allgemein mit Strafe bedroht, unabhängig davon, ob im konkreten Fall ein Rechtsgut in Gefahr gerät. Dies im Unterschied zu den konkreten Gefährdungsdelikten, bei welchen das Gesetz den Eintritt der Gefahr im Einzelfall fordert (z.B. Art. 127, 129, 223, 224, 227 StGB; GÜNTER STRATENWERTH, Allgemeiner Teil, Schweizerisches Strafrecht, Bd. I, 4. Aufl. 2011, S. 160 f.). Bei den Gefährdungsdelikten wird für die Vollendung der Tat keine Verletzung eines Rechtsguts verlangt, sondern es genügt, dass ein solches tatsächlich in konkrete oder abstrakte Gefahr gebracht wird (DONATSCH/TAG, Verbrechenslehre, 8. Aufl. 2006, S. 102 f.). Aus der dogmatischen Einordnung der Gefährdungsdelikte wird in Bezug auf die Geschädigtenstellung gefolgert, dass es bei bloss abstrakten Gefährdungsdelikten keine Geschädigten im Sinne von
Art. 115 Abs. 1 StPO
gibt, es sei denn, jemand werde als Folge der Begehung eines solchen Deliktes (hier: Verkehrsregelverletzung) doch konkret gefährdet (MAZZUCCHELLI/POSTIZZI, a.a.O., N. 30 zu
Art. 115 StPO
; vgl.
BGE 122 IV 71
E. 3a S. 76 f.; Urteil des Bundesgerichts 6B_198/2009 vom 26. Mai 2009 E. 2.3.3).
3.1.3
Bei schwerer Verkehrsregelverletzung (
Art. 90 Ziff. 2 SVG
) kann sich fragen, ob eine unfallbedingte fahrlässige Tötung oder
BGE 138 IV 258 S. 266
Körperverletzung nicht nur eine Geschädigtenstellung gestützt auf Art. 117 bzw. 125 StGB begründet, sondern zugleich auch eine solche nach
Art. 90 Ziff. 2 SVG
, weil diese Vorschrift nach verbreiteter Lehrmeinung nebst dem Schutz des allgemeinen Interesses der Verkehrssicherheit auch dem Schutz der körperlichen Integrität der Verkehrsteilnehmer dient (MAZZUCCHELLI/POSTIZZI, a.a.O., N. 88 zu
Art. 115 StPO
; PERRIER, a.a.O., N. 17 zu
Art. 115 StPO
; SCHULTZ, a.a.O., S. 174; YVAN JEANNERET, La poursuite des infractions routières et le CPP: quid novi? [nachfolgend: Poursuite], Strassenverkehr/Circulation routière 2/2011 S. 30). Das Bundesgericht hat ein solch weiter gefasstes Verständnis der Geschädigtenstellung bisher freilich nicht übernommen. Es erachtet in seiner bisherigen Rechtsprechung bei Verkehrsunfällen mit Tötung oder Körperverletzung den durch einen anderen Verkehrsteilnehmer verwirklichten Tatbestand des Strafgesetzbuches als massgebend für die Geschädigtenstellung, nicht aber (auch) die vom anderen Verkehrsteilnehmer begangenen Straftaten der schweren Verkehrsregelverletzung und allenfalls des Fahrens in angetrunkenem Zustand (
BGE 129 IV 95
E. 3.1 S. 99; Urteile 1C_208/2011 vom 1. Februar 2012 E. 3.5.2; 6B_548/2009 vom 3. Dezember 2009 E. 3.3). Die Geschädigtenstellung bei Widerhandlungen nach
Art. 90 Ziff. 2 SVG
ist in der vorliegenden Angelegenheit nicht weiter zu prüfen.
3.2
Ist mit der bundesgerichtlichen Rechtsprechung und der herrschenden Lehre davon auszugehen, dass die Verkehrsregeln nebst dem allgemeinen Interesse der Verkehrssicherheit höchstens die körperliche Integrität der Verkehrsteilnehmer schützen, nicht aber deren Eigentum bzw. Vermögen, so stellt ein reiner Sachschaden als Folge einer Verkehrsregelverletzung nach
Art. 90 Ziff. 1 SVG
keine unmittelbare Verletzung in eigenen Rechten im Sinne von
Art. 115 StPO
dar, sondern nur eine mittelbare Folge des Verstosses gegen die Verkehrsregeln. Der Kollisionsbeteiligte, der bloss Sachschaden erlitten hat, ist daher nach dieser Vorschrift nicht eine durch die Verkehrsregelverletzung geschädigte Person. Er kann sich demzufolge nicht als Privatkläger gemäss
Art. 118 StPO
am Strafverfahren beteiligen (vgl.
BGE 122 IV 71
E. 3b S. 77; Urteil des Bundesgerichts 6S.679/1996 vom 14. Januar 1997 E. 1a; MAZZUCCHELLI/POSTIZZI, a.a.O., N. 88 zu
Art 115 StPO
; PERRIER, a.a.O., N. 16 zu
Art. 115 StPO
).
3.3
Eine andere Lehrmeinung geht davon aus, dass
Art. 90 SVG
nicht nur die Einhaltung der Verkehrsregeln, sondern auch Leib und
BGE 138 IV 258 S. 267
Leben sowie das Eigentum schützt. Nach dieser Auffassung dienen Verkehrsregeln mehrheitlich dazu, dass der Verkehr geregelt abläuft und nicht durch Unfälle beeinträchtigt wird. Bei Unfällen bestehe ein grosses Risiko, dass Menschen verletzt würden und deren Eigentum beeinträchtigt wird. Diese Gefahr werde durch Verkehrsregeln gemindert. Allerdings wird eingeräumt, dass nicht jede Verkehrsregel in gleicher Weise der Verkehrssicherheit dient, weshalb das Schutzobjekt in Bezug auf die einzelnen durch
Art. 90 SVG
abgesicherten Verkehrsregeln zu bestimmen sei. Die Grundregel des Verbots der Verkehrsgefährdung beziehe sich auf die Gefährdung
anderer
bei der ordnungsgemässen Benützung der Strasse (
Art. 26 Abs. 1 SVG
). Damit seien Gefährdungen gemeint, die sich gegen Individualrechtsgüter dieser anderen Personen richteten. Im Vordergrund stehe das Individualrechtsgut des Lebens und der körperlichen Integrität, da die im Strassenverkehr wirkenden physikalischen Kräfte für Leib und Leben der Menschen besonders gefährlich werden könnten. Aber auch Sachwerte wie die Fahrzeuge der Verkehrsteilnehmer könnten bei einer Gefährdung im Sinne von
Art. 26 Abs. 1 SVG
durch andere Verkehrsteilnehmer beeinträchtigt werden. Auch hier sei bereits die Gefährdung erfasst, weiter aber auch die fahrlässige Verletzung (
Art. 100 SVG
). Der Schutzbereich soll damit auch körperliche Teile des Vermögens, genauer die Dispositionsmacht über in das Verkehrsgeschehen eingebrachte Sachwerte umfassen (zum Ganzen GERHARD FIOLKA, Das Rechtsgut, Bd. II, 2006, S. 646 ff., 655 ff., 682 ff.; YVAN JEANNERET, Les dispositions pénales de la loi sur la circulation routière, 2007, N. 5 zu
Art. 90 SVG
;
derselbe
, Poursuite, a.a.O., S. 30; s. auch RENÉ SCHAFFHAUSER, Grundriss des schweizerischen Strassenverkehrsrechts, Bd. III, 1995, S. 164).
3.3.1
Somit sollen Sachbeschädigungen aufgrund der Verletzung einer Verkehrsregel, die zur Unfallverhütung erlassen wurde, gestützt auf
Art. 90 Ziff. 1 SVG
strafrechtlich erfasst sein, auch wenn der Täter bloss fahrlässig gehandelt hat (
Art. 100 Ziff. 1 SVG
). Dies im Unterschied zu anderen Sachbeschädigungen, deren fahrlässige Begehung nach Art. 144 i.V.m. 12 StGB nicht strafbar ist (vgl. FIOLKA, a.a.O., S. 684). Im Übrigen kann eine Sachbeschädigung im Strassenverkehr auch auf Eventualvorsatz beruhen, was bei einem Verkehrsunfall mit blossem Sachschaden zu einer direkten Anwendung von
Art. 144 StGB
führen kann.
3.3.2
Für die Bejahung des Schutzes individueller Rechtsgüter bei der Anwendung von
Art. 90 Ziff. 1 SVG
kann auch sprechen, dass
BGE 138 IV 258 S. 268
das Strassenverkehrsrecht in den letzten Jahrzehnten parallel zur enormen Zunahme des Verkehrs zahlreichen Revisionen unterzogen wurde, die zu einem wesentlichen Teil auf eine bessere Vermeidung von Unfällen abzielten. Die ergriffenen Massnahmen erstrecken sich von zusätzlichen Schutzvorschriften wie Sicherheitsgurten- und Helmtragpflichten, Ausrüstungsvorschriften für Fahrzeuge und Geschwindigkeitsbeschränkungen über neue Regeln zur Fahrfähigkeit und zur Führerausbildung bis hin zu neuen Vortrittsregeln für Fussgänger und Verschärfungen der Führerausweisentzugs-Bestimmungen (vgl. die Übersicht über das Inkrafttreten der wichtigsten verkehrssicherheitsrelevanten Vorschriften des Strassenverkehrsrechts in der Schweiz im Anhang zur Botschaft des Bundesrats vom 20. Oktober 2010 zu Via sicura, Handlungsprogramm des Bundes für mehr Sicherheit im Strassenverkehr, BBl 2010 8447 ff., 8527 ff.). Zudem leistete die gestützt auf die Verordnung vom 28. September 2001 über die Tempo-30-Zonen und die Begegnungszonen (SR 741.213.3) an vielen Orten erfolgte Verkehrsberuhigung einen wichtigen Beitrag zur Verminderung von Unfällen. Mit all diesen Massnahmen konnte die Zahl der im Schweizer Strassenverkehr getöteten Menschen von 1773 im Jahre 1971 auf 349 im Jahr 2009 gesenkt werden (vgl. Botschaft Via sicura, BBl 2010 8455). Am 15. Juni 2012 beschlossen die Eidgenössischen Räte im Rahmen des genannten Handlungsprogramms Via sicura eine weitere Revision des SVG, die auf eine Verbesserung der Sicherheit im Strassenverkehr ausgerichtet ist. Aus der Botschaft zu diesem Handlungsprogramm ergibt sich, dass die grossen Anstrengungen des Gesetzgebers und die den Verkehrsteilnehmenden dadurch auferlegten Pflichten die primäre Zielsetzung verfolgen, die Zahl der Verkehrsopfer (Getötete und Schwerverletzte) noch weiter zu senken (BBl 2010 8461 f.). Damit steht nach der genannten neuen Lehrmeinung der Schutz der individuellen Rechtsgüter Leib und Leben im Vordergrund. Untrennbar damit verbunden sei der Schutz des Eigentums (vgl. FIOLKA, a.a.O., S. 653 f., 655 f., 682 ff.). Vor dem Hintergrund der Entwicklung der Gesetzgebung im Bereich des Strassenverkehrs erscheint als fraglich, ob die Auffassung, die Verkehrsordnung schütze generell bloss den reibungslosen Ablauf der Fortbewegung auf öffentlichen Strassen, mithin allgemeine Interessen, und Individualrechtsgüter wie Leib und Leben oder das Eigentum bzw. Vermögen würden durch die Verkehrsregeln nur mittelbar geschützt, in dieser Allgemeinheit noch zutrifft.
BGE 138 IV 258 S. 269
4.
4.1
Im Hinblick auf die Bildung einer Praxis zur Auslegung des Begriffs des Geschädigten nach
Art. 115 StPO
in Fällen der vorliegenden Art, in welchen eine Verkehrsregelverletzung lediglich zu einem Sachschaden führt, berieten die I. öffentlich-rechtliche Abteilung und die Strafrechtliche Abteilung des Bundesgerichts im Verfahren nach
Art. 23 Abs. 2 BGG
folgende Rechtsfrage:
"Ist eine Person, die im Rahmen eines Verkehrsunfalls ausschliesslich einen materiellen Schaden erlitten hat, gestützt auf Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG berechtigt, Beschwerde in Strafsachen zu führen gegen ein letztinstanzliches Strafurteil, das sich auf
Art. 90 Ziff. 1 SVG
stützt?"
Die Vereinigung der Abteilungen beschloss in einem Mehrheitsentscheid, die Rechtsfrage zu verneinen. Damit wird die Praxis zum Begriff der geschädigten Person bei Verkehrsunfällen im Sinne von
Art. 115 Abs. 1 StPO
auf der Grundlage der in den E. 3.1 und 3.2 hiervor genannten Grundsätze begründet. Eine Ausdehnung der Geschädigtenstellung auf Personen, die lediglich einen Sachschaden erlitten haben, erscheint nicht angezeigt, da der Gesetzgeber mit der geltenden Regelung an die Begriffsverwendung nach der bisherigen Praxis anknüpfte (vgl. E. 2.2 hiervor) und keine Hinweise bestehen, dass er eine Änderung am Verständnis der unmittelbaren Rechtsverletzung bei SVG-Widerhandlungen beabsichtigt hätte. Hinzu kommt, dass die fahrlässige Sachbeschädigung nach
Art. 144 StGB
nicht strafbar ist (
BGE 116 IV 143
E. 2b S. 145; vgl. E. 4.3 hiernach). Die für eine Abweichung von diesem Grundsatz im Bereich der Strassenverkehrsdelikte nach
Art. 1 StGB
notwendige
ausdrückliche
gesetzliche Grundlage liegt nicht vor. Schliesslich besteht für Schäden, die von Motorfahrzeughaltern verursacht werden, eine umfassende Versicherungspflicht (
Art. 58 ff. SVG
). Diese dient dazu, auch die Sachschäden infolge einer Verkehrsregelverletzung auszugleichen. Es ist davon auszugehen, dass eine zusätzliche Beteiligung des Geschädigten im Sinne von Art. 58 Abs. 1 i.V.m.
Art. 65 SVG
am Strafverfahren wegen der Verkehrsregelverletzung in der Regel nicht notwendig ist, um dessen Zivilansprüche zu erfüllen.
4.2
Auch die (Wieder-)Einführung der Beschwerdemöglichkeit des Geschädigten an das Bundesgericht durch die Revision von Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG gemäss Anhang Ziff. II 5 des
BGE 138 IV 258 S. 270
Strafbehördenorganisationsgesetzes vom 19. März 2010 (StBOG; SR 173.71) mit Wirkung auf den 1. Januar 2011 (Inkrafttreten der StPO) legt kein weiteres Verständnis des Begriffs der geschädigten Person im Sinne von
Art. 115 Abs. 1 StPO
nahe. Die Neufassung der Legitimationsvorschrift knüpft an den Begriff der Privatklägerschaft gemäss
Art. 118 StPO
an. Privatkläger ist neben der Person, die einen Strafantrag gestellt hat (
Art. 118 Abs. 2 StPO
), die geschädigte Person im Sinne von
Art. 115 Abs. 1 StPO
. Als solche gilt, wer durch die Straftat in eigenen Rechten unmittelbar verletzt worden ist. Der Gesetzgeber knüpfte auch mit dieser Regelung an die Begriffsverwendung in der bisherigen Praxis an (vgl. E. 2.2 hiervor). In den eidgenössischen Räten gingen die Meinungen über das Prinzip und die Tragweite der Beschwerdemöglichkeit des Privatklägers an das Bundesgericht weit auseinander. Erst in der Differenzbereinigung zum Strafbehördenorganisationsgesetz setzte sich die geltende Fassung im Sinne einer "Zwischenlösung" (Bundesrätin Widmer-Schlumpf) bzw. "Mittellösung" (Nationalrat Vischer) zwischen der in der Strafprozessordnung ursprünglich vorgesehenen umfassenden Beschwerdemöglichkeit einerseits und dem mit Einführung des BGG zur Entlastung des Bundesgerichts beschlossenen Ausschluss der Geschädigtenbeschwerde andererseits durch (vgl. dazu detailliert und mit Hinweisen auf die Materialien MARC THOMMEN, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2011, N. 47-55 und 24-29 zu
Art. 81 BGG
). Aus der Entstehungsgeschichte von Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG (in der heutigen Fassung) ergeben sich für die Auslegung des Geschädigtenbegriffs nach
Art. 115 StPO
keine neuen Erkenntnisse.
4.3
Der Hinweis des Beschwerdeführers auf
Art. 91 SVG
(Fahren in angetrunkenem Zustand) ändert am vorstehend Ausgeführten ebenfalls nichts (vgl. auch MAZZUCCHELLI/POSTIZZI, a.a.O., N. 88 [am Ende] zu
Art. 115 StPO
). Nach SCHULTZ (a.a.O., S. 183) handelt es sich dabei ohnehin um ein abstraktes Gefährdungsdelikt, das (bloss) die Sicherheit des öffentlichen Verkehrs auf der Strasse schützt (vgl. E. 3.1.2 hiervor). Ebenso wenig kann dem Beschwerdeführer der Umstand helfen, dass
Art. 144 StGB
die Beschädigung einer fremden Sache unter Strafe stellt und dass diese Strafnorm klarerweise Individualinteressen (Vermögensinteressen) des Betroffenen schützen will. Denn nach dieser Vorschrift strafbar ist nur die bei Verkehrsunfällen regelmässig nicht gegebene vorsätzliche Sachbeschädigung (
BGE 116 IV 143
E. 2b S. 145; BERNARD CORBOZ, Les
BGE 138 IV 258 S. 271
infractions en droit suisse, Bd. I, 3. Aufl. 2010, N. 23 zu
Art. 144 StGB
; PHILIPPE WEISSENBERGER, in: Basler Kommentar, Strafrecht, Bd. II, 2. Aufl. 2007, N. 27 zu
Art. 144 StGB
; PERRIER, a.a.O., N. 16 zu
Art. 115 StPO
). Eine solche steht vorliegend nicht infrage. Damit ist zugleich gesagt, dass die Beschwerdebefugnis gestützt auf Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 6 BGG (Beschwerdeberechtigung des Strafantragsberechtigten) als Legitimationsnorm ausscheidet. | null | nan | de | 2,012 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
1805817a-c833-4c30-aaf7-1f873e647219 | Urteilskopf
112 Ia 7
3. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 8. Januar 1986 i.S. M. gegen Regierungsrat des Kantons St. Gallen (staatsrechtliche Beschwerde) | Regeste
Pflichten des Vormundes (
Art. 405 ff. ZGB
); unentgeltliche Rechtspflege (
Art. 4 BV
).
Von einem als Juristen ausgebildeten Vormund kann nicht erwartet werden, dass er über die Wahrung der persönlichen und vermögensrechtlichen Interessen des Mündels hinaus in einem Scheidungsverfahren als Rechtsanwalt des Mündels tätig werde, wenn er diesen Beruf nicht praktiziert. Sofern die Voraussetzungen hiefür erfüllt sind, hat sein Mündel Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, welche die Bestellung eines Rechtsanwalts als unentgeltlichen Rechtsbeistand mitumfasst. | Sachverhalt
ab Seite 8
BGE 112 Ia 7 S. 8
A.-
M. steht unter Vormundschaft. Zu seinem Vormund ist lic. oec. HSG und lic. iur. V. ernannt worden. Seit Anfang März 1984 befindet sich M. in Untersuchungshaft.
Die Ehefrau von M. reichte am 15. Mai 1985 beim Bezirksgericht St. Gallen die Ehescheidungsklage ein. Zur Führung dieses Prozesses wurde ihr durch das Justiz- und Polizeidepartement des Kantons St. Gallen am 22. Mai 1985 die unentgeltliche Rechtspflege gewährt und damit auch ein Rechtsanwalt als unentgeltlicher Rechtsbeistand bestellt.
Am 4. Juni 1985 ersuchte auch der Ehemann beim Justiz- und Polizeidepartement des Kantons St. Gallen um unentgeltliche Rechtspflege. Während ihm diese im Sinne der Befreiung von den Verfahrenskosten bewilligt wurde, lehnte das Justiz- und Polizeidepartement die unentgeltliche Rechtsverbeiständung mit der Begründung ab, M. sei bevormundet und sein Vormund verfüge über die nötigen rechtlichen Kenntnisse, um ihn im Scheidungsverfahren zu vertreten.
Ein Wiedererwägungsgesuch wurde durch Verfügung des Justiz- und Polizeidepartements vom 17. Juli 1985 abgewiesen, was den Vormund zum Rekurs an den Regierungsrat des Kantons St. Gallen veranlasste. Dieser Rekurs des durch den Vormund vertretenen M. wurde vom Regierungsrat am 24. September 1985 abgewiesen.
BGE 112 Ia 7 S. 9
B.-
Mit Eingabe vom 30. Oktober 1985 erhob M., vertreten durch seinen Vormund, staatsrechtliche Beschwerde gegen den Beschluss des Regierungsrats des Kantons St. Gallen vom 24. September 1985, indem er eine Verletzung von
Art. 4 BV
geltend machte.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Der Beschwerdeführer stützt seinen Anspruch auf unentgeltliche Rechtsverbeiständung ausschliesslich auf
Art. 4 BV
. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts hat eine bedürftige Person in einem für sie nicht aussichtslosen Zivilprozess unmittelbar aufgrund dieser Verfassungsbestimmung Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege und auf Ernennung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes, sofern sie eines solchen zur gehörigen Wahrung ihrer Interessen bedarf. Ob dieser Anspruch verletzt sei, prüft das Bundesgericht frei (
BGE 110 Ia 27
E. 2 und 88 E. 4, mit Hinweisen).
a) Im vorliegenden Fall stellt sich allein die Frage, ob die verlangte Rechtsverbeiständung entbehrlich sei, weil der Vormund des Beschwerdeführers eine rechtskundige Person ist. Der Regierungsrat des Kantons St. Gallen hat dies bejaht. Er hat im angefochtenen Beschluss ausgeführt, die Frage der Kinderzuteilung entfalle im Scheidungsprozess der Eheleute M. und die güterrechtliche Auseinandersetzung biete mangels nennenswerten ehelichen Vermögens keine ungewöhnlichen Schwierigkeiten. Da sich M. der Scheidung widersetze, stehe die Frage im Vordergrund, ob die Ehe dermassen zerrüttet sei, dass den Ehegatten die Fortsetzung der ehelichen Gemeinschaft nicht zugemutet werden könne. Der Scheidungsgrund der tiefen Zerrüttung gehöre zum Grundwissen jedes ausgebildeten Juristen; die Abklärung der Frage, ob eine solche vorliege, biete keine besonderen Probleme. Sodann hat der Regierungsrat festgestellt, dass die Lizentiatsprüfungen des Vormundes lediglich 4 1/2 Jahre zurückliegen, weshalb angenommen werden könne, dass ihm das Rechtsproblem der Zerrüttung geläufig sei. Andernfalls würde es ihm leichtfallen, sich innert Kürze in das sich stellende Thema einzulesen. Zusammen mit dem Wissen des Vormundes, welches er seinem Mündel zur Verfügung zu stellen habe, sei in Betracht zu ziehen, dass das Verfahren - das heisst, die im Ehescheidungsprozess geltende Offizialmaxime - den Parteien weitgehend entgegenkomme. Die zeitliche Belastung, die der Prozess mit sich bringe, sei dem Vormund zuzumuten. Wenngleich der
BGE 112 Ia 7 S. 10
klagenden Ehefrau vom Justiz- und Polizeidepartement ein unentgeltlicher Rechtsbeistand bestellt worden sei, verlange der Grundsatz der Waffengleichheit nicht gleiches Recht für den Ehemann in Anbetracht dessen, dass sein Vormund durchaus in der Lage sei, den Scheidungsprozess kundig zu führen. Darauf, dass der Vormund nicht das Anwaltspatent besitze, könne es nicht ankommen, weil unter der Herrschaft der Offizialmaxime prozessuale Vorkehren in den Hintergrund träten. Ebensowenig sei entscheidend, dass sich der Vormund des Rekurrenten bisher vorwiegend oder ausschliesslich mit Problemen des Baurechts befasst habe.
b) Die Frage, ob ein Vormund oder Beistand zum unentgeltlichen Rechtsbeistand bestellt werden solle, hat sich bisher nur in Vaterschafts- und Ehelichkeitsanfechtungsprozessen gestellt, wobei die Rechtsprechung schwankend war (vgl.
BGE 110 Ia 89
). Immerhin wurde in
BGE 99 Ia 430
ff. ganz allgemein ausgeführt, der verfassungsmässige Armenrechtsanspruch müsse der bevormundeten oder verbeiständeten Partei offenstehen wie jedem anderen Rechtsuchenden; massgebend könne einzig sein, ob sie selbst bedürftig sei oder nicht. Demgegenüber lehnte es das Bundesgericht in
BGE 100 Ia 115
ff. ab, in einem als aussichtslos betrachteten Vaterschaftsprozess und dem damit verbundenen Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde den Beistand des Kindes, der praktizierender Anwalt war, zum unentgeltlichen Rechtsbeistand zu ernennen. Nach der Auffassung des Bundesgerichts verfügte der Beistand über die nötigen Rechtskenntnisse, um die Interessen des Kindes zu wahren, und war die Anwaltsentschädigung für das Verfahren vor Bundesgericht Bestandteil der Kosten der Beistandschaft.
In dem zuletzt publizierten Entscheid zu einer vergleichbaren Frage (
BGE 110 Ia 87
ff., insbesondere S. 90) hat das Bundesgericht ausgeführt, es komme unter dem Gesichtspunkt des unmittelbar aus
Art. 4 BV
fliessenden Armenrechtsanspruchs allein darauf an, dass einer bedürftigen Partei der Zugang zum Gericht nicht infolge ihrer Bedürftigkeit verwehrt oder erschwert werde. Dieser durch die Verfassung garantierte Minimalanspruch umfasse indessen nicht auch das Recht, von Verfahrens- oder Vertretungskosten überhaupt befreit zu werden. Eine Partei, die über einen geeigneten rechtskundigen Vertreter verfüge, der zu ihrer Vertretung im Prozess nicht nur in der Lage, sondern ohne Vorschiessung der Kosten auch bereit oder verpflichtet sei, könne daher nicht unter Berufung auf
Art. 4 BV
die Ernennung eines Armenanwalts verlangen.
BGE 112 Ia 7 S. 11
c) Wie der Beschwerdeführer zutreffend dargelegt hat, lässt sich dieser Judikatur nichts Entscheidendes für oder gegen den im vorliegenden Fall doch recht unterschiedlichen Sachverhalt herleiten. Anders als etwa in
BGE 110 Ia 87
ff. wurde nicht eigens mit dem Auftrag, den Betroffenen im Prozess zu vertreten, ein hiefür geeigneter Beistand bestellt. Vielmehr hat die Ehefrau geraume Zeit nach Errichtung der Vormundschaft die Ehescheidungsklage erhoben; im Augenblick, als der Vormund ernannt wurde, war noch nicht vorauszusehen, dass das Mündel Beklagter in einem Zivilprozess sein würde.
Es kann deshalb nur darauf ankommen, ob der unbestritten bedürftige Beschwerdeführer in dem auf ihn zugekommenen Scheidungsprozess - der nicht als für ihn zum vornherein aussichtslos bezeichnet werden kann - sich gehörig zur Wehr zu setzen vermag. Unter dem Gesichtspunkt der Waffengleichheit mit der durch einen Rechtsanwalt vertretenen Ehefrau ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer nur während gut fünf Jahren die Schule besucht hat. Ungeachtet der Ausbildung und beruflichen Qualifikation des Vormundes fällt entscheidend ins Gewicht, wie leicht die sich stellenden prozess- und materiellrechtlichen Fragen zu beantworten sind. Der Umstand, dass im Ehescheidungsverfahren für die wichtigsten Fragen die Offizialmaxime gilt, darf dabei nicht überbewertet werden. Vielmehr muss sichergestellt werden, dass der Beschwerdeführer rechtskundig vertreten ist, das heisst, dass sein Vertreter im Ehescheidungsprozess über die hiefür - und nicht bezüglich anderer Rechtsprobleme - erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten in der Weise verfügt, dass die von einem Rechtsanwalt vertretene Gegenpartei sich nicht vorweg in einer günstigeren Lage befindet (
BGE 110 Ia 28
).
3.
Der Regierungsrat hat mit dem angefochtenen Beschluss die Anforderungen, die an den Rechtsvertreter in einem Ehescheidungsverfahren ganz allgemein und in einer Kampfscheidung im besonderen gestellt werden, unterschätzt. Er hat den Hochschulabschlüssen des Vormundes eine zu grosse Bedeutung zugemessen und ohne Berücksichtigung der Kenntnisse und Erfahrungen, die vom Rechtsvertreter in einem Zivilprozess erwartet werden, die juristische Versiertheit des Vormundes bejaht. Der vom Regierungsrat eingenommene Standpunkt führt im Ergebnis dazu, dass die Waffengleichheit in dem Scheidungsprozess, den der Beschwerdeführer mit seiner Ehefrau austrägt, gefährdet ist.
BGE 112 Ia 7 S. 12
a) Der Scheidungsprozess ist für den Beschwerdeführer, wie der Regierungsrat selber einräumt, "von etwelcher Bedeutung". Da sich M. der Ehescheidung widersetzt, müssen denn auch vor dem Richter nicht nur Aussagen zur tiefen Zerrüttung gemacht oder Beweisanträge dazu gestellt werden. Vielmehr wird das Scheidungsverfahren in die heikle Rechtsfrage einmünden, ob der klagenden Gattin die Fortsetzung der ehelichen Gemeinschaft zugemutet werden dürfe. Möglicherweise stellt sich auch die Frage, ob das überwiegende Verschulden an der Zerrüttung vorwiegend dem einen Ehegatten zuzuschreiben sei, so dass dem anderen Ehegatten die Klage wegen
Art. 142 Abs. 2 ZGB
verwehrt wäre. Schon deshalb muss dem Beschwerdeführer, der unbestrittenermassen nicht rechtskundig ist, Gelegenheit gegeben werden, einen in Scheidungsprozessen erfahrenen Anwalt als unentgeltlichen Rechtsbeistand zu wählen.
b) Entgegen der Auffassung des Regierungsrates kann der Beschwerdeführer seinen von der Verfassung gewährleisteten Anspruch auf unentgeltliche Verbeiständung nicht schon deswegen einbüssen, weil sein Vormund Jurist mit Hochschulabschluss ist. Es lässt sich nicht behaupten, der Beschwerdeführer sei rechtskundig und ausreichend vor Gericht unterstützt aufgrund des Umstandes, dass sein Vormund eine juristische Ausbildung genossen hat; insbesondere ist dadurch nicht a priori Waffengleichheit mit der durch einen Rechtsanwalt vertretenen Gegenpartei hergestellt. Wie der Beschwerdeführer zutreffend darlegt, setzt eine sachkundige Vertretung im Scheidungsprozess nicht nur theoretische Kenntnisse des materiellen Scheidungsrechts voraus, die sich mit entsprechendem Zeitaufwand allenfalls aneignen liessen (wobei es sich freilich fragt, ob das, wie der Regierungsrat ohne weiteres annimmt, noch zum Aufgabenbereich eines aus anderem Grunde bestellten Vormundes gehöre). Vonnöten ist vielmehr auch eine minimale praktische Erfahrung im Umgang mit zivilprozessualen Problemen, über welche man nicht schon deshalb verfügt, weil man ein juristisches Studium abgeschlossen hat. Der Vormund erklärt selber, dass er in seiner bisherigen Tätigkeit nie mit Fragen des Familien- und insbesondere des Scheidungsrechts befasst war. Es spricht für das Verantwortungsbewusstsein des Vormundes gegenüber dem Mündel, dass er sich ausserstande fühlt, dessen persönliche Interessen in einem so wichtigen Verfahren, wie es der Scheidungsprozess für die Betroffenen ist, fachkundig wahrzunehmen.
BGE 112 Ia 7 S. 13
c) Auch das Argument des Regierungsrates, prozessuale Überlegungen träten in den Hintergrund, weil das Ehescheidungsverfahren von der Offizialmaxime beherrscht werde, vermag nicht zu überzeugen. Die Offizialmaxime enthebt die Parteien nicht der Verantwortung für das Sammeln des Prozessstoffes, dem gerade bei einer Kampfscheidung, wie sie im vorliegenden Fall zu erwarten ist, entscheidende Bedeutung zukommt. Bezüglich
Art. 142 Abs. 2 ZGB
gilt insofern die Dispositionsmaxime, als der Richter nicht von Amtes wegen der Schuldfrage nachzugehen und allenfalls das überwiegende Verschulden des Klägers festzustellen hat (Kommentar BÜHLER/SPÜHLER, N. 132 zu
Art. 142 ZGB
). Im übrigen würde man sich wohl kaum mehr der Offizialmaxime erinnern, wenn dem Vormund als Rechtsvertreter im Scheidungsverfahren Fehler unterliefen, sondern man würde ihn wiederum bei seiner juristischen Ausbildung behaften.
d) Soweit entsprechend der ursprünglichen Absicht des Gesetzgebers das Amt des Vormundes Privaten übertragen wird, darf man selbst von einem Vormund mit qualifizierter Ausbildung nicht erwarten, dass er über die Wahrung der persönlichen und vermögensrechtlichen Interessen des Mündels hinaus - mit der an sich eine Prozessführung verbunden sein mag (Kommentar EGGER, N. 28 zu
Art. 407 ZGB
) - geradezu als dessen Rechtsanwalt tätig wird, ohne dass er diesen Beruf praktiziert. Qualifizierte Berufsleute würden von der Übernahme einer Vormundschaft abgehalten, wenn man sie unter Berufung auf ihre Ausbildung zwänge, Aufgaben in grossem Umfang zu erfüllen, die zwar den Interessen des Mündels dienen, aber doch nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Vormundschaft stehen und bei deren Übernahme nicht vorausgesehen werden konnten. Dem Bevormundeten steht wie jedem Rechtsuchenden der verfassungsmässige Anspruch auf unentgeltliche Rechtsverbeiständung zu, sofern die Voraussetzungen hiefür erfüllt sind. Dieser Anspruch darf nicht deswegen beeinträchtigt werden, weil dem Mündel zufällig ein als Jurist ausgebildeter Vormund zur Seite steht, der aber nicht über die Kenntnisse und die Erfahrung eines patentierten Rechtsanwaltes verfügt. | public_law | nan | de | 1,986 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
180a2d05-5356-4733-99d5-31d00a432ddc | Urteilskopf
118 II 213
43. Estratto della sentenza 27 maggio 1992 della I Corte civile nella causa dott. Z contro Ente ospedaliero cantonale (ricorso per riforma) | Regeste
Rechtsnatur der zwischen den Chefärzten bzw. dem Spitalpersonal und der Tessiner Ente Ospedaliero abgeschlossenen Arbeitsverträge.
1.
Art. 44 ff. OG
. Begriff der Zivilrechtsstreitigkeit (E. 2). Kriterien von Lehre und Rechtsprechung zur Bestimmung der privat- oder öffentlichrechtlichen Natur von arbeitsvertraglichen Beziehungen mit dem Gemeinwesen. Grundsätzlich unterliegt das Anstellungsverhältnis zwischen einem öffentlichen Spital und einem Chefarzt dem öffentlichen Recht (E. 3).
2. Zur Beurteilung der Frage, ob eine berufungsfähige Zivilrechtsstreitigkeit vorliegt, kann das Bundesgericht im Berufungsverfahren die kantonale Gesetzgebung jedenfalls in Fällen überprüfen, wo der Kanton keine klare gesetzliche Regelung getroffen und auch der zuständige kantonale Richter die Frage nicht endgültig entschieden hat. Der Streit über die Erfüllung eines dem kantonalen öffentlichen Recht unterstehenden Vertrags kann selbst dann nicht mit Berufung an das Bundesgericht weitergezogen werden, wenn die kantonalen Instanzen die Bestimmungen des Obligationenrechts als Ersatzrecht angewandt haben (E. 4).
3. Rechtslage im Kanton Tessin. Seit dem Inkrafttreten des Gesetzes über die öffentlichen Spitäler am 1. Januar 1983 unterliegen die Beziehungen zwischen der Ente Ospedaliero und dem Personal ihrer Spitäler dem öffentlichen Recht (E. 5). Im Gegensatz zu der in einem früheren Urteil des Bundesgerichts vertretenen Auffassung waren die Beziehungen zwischen den Chefärzten und den einzelnen Spitälern auch nach altem Recht grösstenteils vom öffentlichen Recht beherrscht (E. 6). Unzulässigkeit der Berufung (E. 7). | Sachverhalt
ab Seite 214
BGE 118 II 213 S. 214
A.-
Il dott. Z. ha assunto il 1o dicembre 1965 il primariato di chirurgia presso l'Ospedale distrettuale di Faido. La convenzione di impiego del 3 marzo 1967 - valida con effetto retroattivo dal 1o dicembre 1965 - prevedeva una durata determinata di sette anni, in seguito essa si rinnovava tacitamente di anno in anno, in caso di mancata denuncia un anno prima della scadenza. La convenzione è stata ratificata dal Consiglio di Stato in base alla legislazione allora vigente. Con convenzione di analogo contenuto del 30 ottobre 1971, il rapporto di impiego è stato rinnovato per ulteriori sette anni. Entrambe le convenzioni prevedevano l'obbligo per la direzione dell'Ospedale di assicurare il primario contro le malattie e gli infortuni in relazione all'esercizio delle sue mansioni nel nosocomio. In caso di infortunio era prevista un'indennità di invalidità di
BGE 118 II 213 S. 215
fr. 200'000.-- e un'indennità giornaliera di fr. 100.-- per due anni; in caso di malattia un'indennità giornaliera di fr. 50.-- per lo stesso periodo.
A seguito di una direttiva del Consiglio di Stato, con lettera 28 novembre 1980 il Consiglio dell'Ospedale ha disdetto il contratto di lavoro con la motivazione che nell'ambito di una riforma finanziaria degli ospedali sussidiati dal Cantone si rendeva necessaria una revisione dei contratti dei medici ospedalieri e, segnatamente, dei primari. In seguito, non si giunse probabilmente alla stipulazione di una nuova convenzione e il dott. Z. ha continuato ad esercitare la propria funzione di primario all'Ospedale distrettuale di Faido.
B.-
Il 1o gennaio 1983 è entrata in vigore in Ticino la legge sugli ospedali pubblici. Con questa novella è stato istituito l'Ente Ospedaliero Cantonale (EOC) come ente indipendente con personalità giuridica di diritto pubblico, al quale avrebbero dovuto essere trasferite la proprietà e l'amministrazione degli ospedali fino allora sussidiati dal Cantone. Con decreto legislativo del Gran Consiglio del 20 dicembre 1983 anche l'Ospedale distrettuale di Faido è stato assunto dall'EOC a far tempo dal 1o gennaio 1984. Questi, il 12 giugno 1984 ha invitato le direzioni degli ospedali a disdire i contratti dei medici primari, in vista dell'elaborazione di norme contrattuali uniformi. Dando seguito a questo invito, con lettere del 15 giugno e del 28 settembre 1984 la direzione dell'Ospedale di Faido ha disdetto il contratto di lavoro con il dott. Z. per il 31 dicembre 1984. Le trattative condotte in seguito fra le parti non portarono ad alcun accordo e il 28 agosto 1986 il dott. Z. ha comunicato all'EOC che avrebbe definitivamente cessato la propria attività presso l'Ospedale di Faido il 31 dicembre 1986. A partire dal 26 novembre 1986 egli ha poi dovuto sospendere la propria attività lavorativa per motivi di salute. Da allora il dott. Z. è completamente incapace al lavoro e dal 1o novembre 1987 percepisce una rendita intera d'invalidità.
Il dott. Z. riconduce la propria invalidità ad un incidente della circolazione occorsogli il 9 maggio 1984 a Giornico, mentre era in procinto di recarsi da Lugano a Faido, dove avrebbe dovuto eseguire un intervento chirurgico. Quando egli ha chiesto le prestazioni di invalidità previste dalla convenzione, è risultato che la precedente assicurazione con la "Winterthur" era stata annullata al momento dell'assunzione da parte dell'EOC dell'Ospedale e sostituita da un'assicurazione obbligatoria - in base alla LAINF - per tutto il personale medico presso la Cassa malati "Helvetia". Questa ha respinto le pretese del dott. Z. poiché non coperte dall'assicurazione.
BGE 118 II 213 S. 216
C.-
Il 28 giugno 1988 il dott. Z. ha convenuto in giudizio l'EOC davanti al Pretore del Distretto di Bellinzona. Nelle conclusioni del 29 agosto 1990 egli ha fissato la propria pretesa in fr. 72'000.-- (indennità giornaliere di fr. 100.-- per due anni) oltre interessi al 5% dal 26 novembre 1987 e in fr. 200'000.-- (indennità d'invalidità) oltre interessi al 5% dal 26 novembre 1986. Con sentenza dell'8 ottobre 1990 il Pretore ha integralmente accolto l'azione. Il 31 luglio 1991 la II Camera civile del Tribunale di appello del Cantone Ticino ha parzialmente accolto un appello dell'EOC e ha riconosciuto all'attore fr. 44'300.-- (155 indennità giornaliere a fr. 100.-- e 576 indennità giornaliere a fr. 50.--) oltre interessi al 5% dal 26 novembre 1987.
Il dott. Z. ha introdotto l'11 settembre 1991 al Tribunale federale un ricorso per riforma in cui chiede che l'azione sia integralmente accolta. L'EOC conclude alla reiezione del gravame e, in via adesiva, postula che l'azione sia integralmente respinta. Chiamato ad esprimersi sul ricorso per riforma adesivo, il dott. Z. postula il rigetto di ogni censura.
Visto che si rendeva necessaria una modifica e una precisazione della giurisprudenza, è stato avviato uno scambio di opinioni, giusta l'
art. 16 OG
, con la II Corte di diritto pubblico.
Erwägungen
Dai considerandi:
2.
Ad eccezione dei casi previsti dagli art. 44 lett. a-f e 45 lett. a, b, c OG, inapplicabili alla presente fattispecie, il ricorso per riforma è ammissibile solo nelle cause civili ai sensi degli
art. 44 e 46 OG
. Esso presuppone che la pretesa litigiosa sia fondata sul diritto federale e con lo stesso è possibile far valere che la Corte cantonale non ha applicato o ha applicato in modo errato il diritto federale (cfr.
DTF 115 II 239
consid. 1 e rinvii). Nella presente fattispecie, ove è in contestazione un rapporto di lavoro fra un privato e un ente di diritto pubblico, non è manifesto che queste condizioni siano adempiute. I Giudici cantonali non si sono espressi su tale problema. Per contro, il Pretore ha ripreso la tesi contenuta nella petizione, stando alla quale il rapporto contrattuale in discussione sarebbe retto dal diritto privato e quindi, perlomeno a titolo suppletivo, dalle norme di cui agli art. 319 segg. CO. Egli è partito dal presupposto che l'ente pubblico può scegliere liberamente di sottoporre i propri rapporti di impiego al diritto pubblico o al diritto privato e si è fondato in particolare su una decisione
BGE 118 II 213 S. 217
del Tribunale federale del 7 maggio 1984 (pubblicata nella RDAT 1984 n. 39 pag. 79 segg.) e su un articolo di Bianchi apparso nella stessa rivista (Del direttore d'ospedale, RDAT 1987 pag. 245 segg.), ove si afferma che i rapporti giuridici fra gli ospedali ticinesi e i loro impiegati sono retti da contratti di lavoro di diritto privato al senso degli art. 319 segg. CO. Su questo aspetto si ritornerà oltre. È probabile che la Corte cantonale abbia tacitamente condiviso questa tesi. Visto che il Tribunale federale deve pronunciarsi d'ufficio sull'ammissibilità del ricorso (
DTF 108 II 491
consid. 1), è opportuno vagliare dapprima tale questione.
3.
La dottrina meno recente (IM HOF, Das öffentliche Dienstverhältnis, in: RDS 48/1929 II pag. 237a; FLEINER/GIACOMETTI, Schweiz. Bundesstaatsrecht, Zurigo 1949, pag. 650; OSER/SCHÖNENBERGER, in: Zürcher Kommentar, Zurigo 1936, n. 4 ad
art. 362 CO
; VISCHER, in: Schweiz. Privatrecht, Vol. VII/1, Basilea e Francoforte sul Meno 1977, pag. 319) è dell'opinione che l'ente pubblico è libero di sottoporre al diritto privato o al diritto pubblico i rapporti di servizio con i propri funzionari o impiegati. Questo principio è stato fatto proprio dal Tribunale federale in due decisioni (
DTF 60 II 116
consid. 1 e
DTF 54 II 123
). Tuttavia, già nella prima decisione citata il Tribunale federale ha posto una restrizione, nel senso che vi è spazio per un rapporto privatistico, solo se fra il singolo e la corporazione di diritto pubblico non vi è un rapporto particolare di subordinazione ("Gewaltverhältnis"). Di recente la dottrina ha messo in dubbio questa facoltà di libera scelta dell'ente pubblico sostenendo che il rapporto giuridico fra le corporazioni e gli enti pubblici con i loro impiegati soggiace in linea di principio al diritto pubblico ed è creato sia da una decisione amministrativa sia da un contratto di diritto amministrativo (IMBODEN, Der verwaltungsrechtliche Vertrag, in: RDS 77/1958 II, pag. 62a seg. e 131a seg. n. 68; ZWAHLEN, Le contrat de droit administratif, in: RDS 77/1958 II, pag. 510a seg. n. 66, 556a seg. n. 136 e 688 seg.). In particolare, quest'ultimo autore sostiene che vi è un contratto di diritto amministrativo - retto dal diritto pubblico - ogni qualvolta esso serva all'adempimento di un compito di interesse pubblico. Altri autori (GRISEL, Traité de droit administratif, Vol. I, Neuchâtel 1984, pag. 477 con rinvio alla pag. 116; IMBODEN/RHINOW, Schweiz. Verwaltungsrechtsprechung, Vol. II, 5a edizione, Basilea e Francoforte sul Meno 1976, pag. 1079 n. 147 B. I; RHINOW/KRÄHENMANN, Ergänzungsband, 1990, pag. 468 seg. n. 147 B. I; RHINOW, Privatrechtliche Arbeitverhältnisse in der öffentlichen Verwaltung, in: Festschrift für Frank Vischer, Zurigo 1983, pag. 429 segg.) ritengono
BGE 118 II 213 S. 218
altresì che il diritto pubblico dovrebbe essere la regola e che è possibile far capo ad un rapporto di lavoro civilistico solo in casi eccezionali, del tutto particolari, segnatamente quando si tratta di occupazioni per breve periodo di tempo o per compiti speciali. Questa esigenza discende direttamente dai principi della legalità e delle parità di trattamento (cfr. inoltre sul tema: BELLANGER, La légalité lorsque l'Etat agit par des moyens de droit privé, in: La légalité, un principe à géométrie variable, Basilea e Francoforte sul Meno 1992, pag. 67 segg.).
Secondo ZIMMERLI (Der Chefarztvertrag, in: Arzt und Recht, Berner Tage für die juristische Praxis 1984, pag. 167 segg., in particolare pag. 170 seg.) il rapporto di impiego fra un ospedale pubblico e un primario è sempre di natura pubblica. Ad identico risultato sono pure giunte le sentenze del Tribunale cantonale di San Gallo del 28 maggio 1976 (pubblicata in GVP SG 1976 n. 2 pag. 2 segg.), del Tribunale amministrativo del Canton Berna (BVR 1981 pag. 392 segg.) e del Tribunale amministrativo Grigione del 7 febbraio 1989 (PVG 1989 n. 4 pag. 18 segg.). Adito con un ricorso per riforma contro la citata decisione del Tribunale cantonale di San Gallo, il Tribunale federale ha condiviso questa opinione (sentenza inedita del 28 ottobre 1977). In questa sentenza, esso si è riferito alla propria costante e antica giurisprudenza stando alla quale la cura degli ammalati in un ospedale pubblico costituisce un'attività statale di interesse pubblico, disciplinata quindi dal diritto pubblico (
DTF 48 II 417
, 70 II 208,
DTF 82 II 324
,
DTF 102 II 46
; in realtà il Tribunale federale ha enunciato questo principio già nel 1892 nella sentenza pubblicata in DTF 18 pag. 391). Per contro, la II Corte di diritto pubblico nella già citata sentenza del 7 maggio 1984 (pubblicata in RDAT 1984 n. 39), è giunta alla conclusione che nel Cantone Ticino il rapporto d'impiego fra gli ospedali pubblici e i loro dipendenti non ha natura pubblica, ma bensì civilistica. Dello stesso avviso è pure la Camera di cassazione civile del Tribunale di appello del Cantone Ticino (sentenza del 14 ottobre 1988, pubblicata in Rep. 1989 pag. 487), la quale ha ritenuto che i contratti fra i medici primari e l'EOC sono di diritto privato. Si noti per inciso che la Corte cantonale si è limitata ad un semplice riferimento ai materiali legislativi, senza analizzare in modo approfondito la natura dei rapporti. Ma su questo aspetto si ritornerà in seguito.
Dalla dottrina e dalla giurisprudenza citate si deve concludere che, in linea di principio, il rapporto giuridico fra gli ospedali pubblici e i medici che vi operano soggiace al diritto pubblico. Appare poi dubbio
BGE 118 II 213 S. 219
che i Cantoni possano prevedere in modo generale contratti di lavoro di diritto privato. Ma anche se ciò fosse ammissibile, una simile decisione potrebbe essere presa solo in base ad una chiara ed inequivocabile normativa cantonale. Occorre quindi vagliare quale sia la situazione nel Cantone Ticino.
4.
In concreto, a questo esame non è possibile opporre che si tratta di un problema di diritto cantonale per cui il Tribunale federale nell'ambito di un ricorso per riforma non potrebbe esaminare se in un determinato cantone a siffatti contratti sia applicabile il diritto pubblico o il diritto privato (cfr.
DTF 117 II 107
in alto con rinvii). L'obiezione potrebbe tutt'al più essere fondata, se il Cantone disponesse di una chiara normativa nell'uno o nell'altro senso o se il Giudice cantonale interpretando le norme del diritto cantonale fosse giunto ad un determinato risultato. Nessuna di queste condizioni - come dimostreranno pure i considerandi seguenti - è adempiuta nella fattispecie.
D'altra parte, il Tribunale federale ha sempre proceduto a vagliare in che misura un rapporto giuridico soggiaccia al diritto pubblico cantonale o al diritto privato federale e non si è mai rifiutato di procedere a tale esame con la motivazione che - trattandosi di una questione del diritto cantonale - essa sfuggiva al vaglio della giurisdizione per riforma. In realtà, sapere se vi sia una contestazione civile costituisce una questione pregiudiziale di diritto cantonale - soggetta al diritto federale - che il Tribunale federale deve esaminare d'ufficio a titolo principale. In simile evenienza il Tribunale federale può tuttavia vagliare una siffatta questione pregiudiziale di diritto cantonale (cfr.
DTF 115 II 239
consid. 1), perlomeno se l'autorità cantonale competente non ha già statuito in modo definitivo (cfr.
art. 65 OG
).
Se dovesse risultare che il rapporto giuridico in esame è retto dal diritto pubblico, non ci si troverebbe in presenza di una causa civile. Certo che in un procedimento diretto secondo l'
art. 42 OG
, si dovrebbe ammettere l'esistenza di una causa civile nel senso ampio e storico; infatti il Tribunale federale ha ritenuto che rientrano in questa nozione ampia di causa civile dell'
art. 42 OG
anche le pretese pecuniarie dei funzionari cantonali (POUDRET, Commentaire de la loi fédérale d'organisation judiciaire, Berna 1990, n. 2.1.3. ad
art. 42 OG
con rinvio a
DTF 75 II 249
e
DTF 72 I 287
; cfr. inoltre n. 2.3.33/34 delle osservazioni introduttive al titolo II, ove si fa riferimento all'accennata evoluzione giuridica e alla diversa portata fra il concetto stretto di causa civile degli art. 41 e 44 segg. OG e quello largo dell'
art. 42 OG
;
BGE 118 II 213 S. 220
su questa differenza cfr. anche la n. 2.1 ad
art. 42 OG
,
DTF 107 Ib 157
consid. 2 e rinvii e la sentenza del 10 marzo 1992 nella causa A X contro Stato e Repubblica del Cantone Ticino (
DTF 118 II 209
consid. 2). Non vi è quindi una causa civile nel senso stretto degli art. 44 segg. OG, se il rapporto giuridico fra le parti è dominato dal diritto pubblico. La conclusione non muta neppure per il fatto che vengano applicate norme del codice delle obbligazioni, poiché in questo caso il diritto federale non è applicato in quanto tale, ma solo a titolo di diritto pubblico cantonale suppletivo, dimodoché esso sfugge al vaglio della giurisdizione per riforma (
DTF 108 II 335
seg. consid. 3 e rinvii,
DTF 71 II 226
). Infine, il ricorso per riforma è pure inammissibile laddove l'autorità cantonale ha giudicato a torto una causa di diritto pubblico in base al diritto civile federale (
DTF 110 II 221
segg. consid. 1 e riferimenti; nel medesimo senso, ma senza una presa di posizione esplicita sul quesito:
DTF 108 II 490
segg.).
5.
Attualmente la legislazione ticinese sugli ospedali non contiene alcuna norma specifica sulla natura dei rapporti di servizio fra l'EOC, rispettivamente i singoli ospedali, da una parte, e i medici e il personale ospedaliero, dall'altra parte. Nulla in tal senso risulta neppure dalle convenzioni stipulate fra l'Ospedale distrettuale di Faido e l'attore il 3 marzo 1967 e il 30 ottobre 1971. La legge sugli ospedali pubblici del 20 dicembre 1982, entrata in vigore il 1o gennaio 1983, prevede che il Consiglio di Amministrazione dell'EOC elabora l'organico del personale che deve essere approvato dal Gran Consiglio (art. 17 lett. b in relazione con l'art. 8 lett. b); adotta i regolamenti per la procedura di nomina dei medici e dell'altro personale (art. 17 lett. f); nomina il proprio direttore, i direttori amministrativi dei singoli ospedali (art. 17 lett. i), i medici che svolgono la loro attività in più ospedali (art. 17 lett. l) e ratifica le nomine dei medici ospedalieri (art. 17 lett. n). I Consigli ospedalieri dei singoli nosocomi nominano poi il personale amministrativo, infermieristico, tecnico e ausiliario, compresi i medici, nel rispetto dei regolamenti emanati dal Consiglio di amministrazione dell'EOC (art. 26 lett. c). Fondandosi su queste norme, il Consiglio di Stato ha presentato il 4 febbraio 1986 al Gran Consiglio un messaggio (n. 3018) concernente i contratti con i medici e l'organico del personale dell'EOC, nel quale sono contenute le principali direttive per l'assunzione dei medici e dell'altro personale ospedaliero. Nel messaggio, come pure nel relativo rapporto della Commissione della gestione del 27 marzo 1986, si afferma che si è scelta una soluzione di tipo privatistico
BGE 118 II 213 S. 221
con contratti di servizio al senso degli art. 319 segg. CO e che la legalità di tale scelta è stata accertata da una perizia giuridica del prof. Ghiringhelli.
Tuttavia, nonostante queste affermazioni, il rapporto giuridico non può ragionevolmente avere natura civilistica. La procedura, le modalità e le condizioni di assunzione, in particolare anche la retribuzione, sono infatti stabilite in modo uniforme dalle direttive e dai contratti tipo del Cantone, rispettivamente dell'EOC. Notisi che l'
art. 6 cpv. 2 del
contratto tipo dei primari contiene l'esplicita riserva dell'approvazione del Gran Consiglio (art. 8) e di ogni modifica della legge ospedaliera e dei relativi regolamenti (cfr. BORGHI, La responsabilità sanitaria dell'ente pubblico nel Cantone Ticino, in: atti della giornata di studio del 12 giugno 1989 della commissione ticinese per la formazione permanente dei giuristi, pag. 37 in basso e 38 in alto). La tesi contenuta nel messaggio e nel rapporto, secondo la quale il contratto di lavoro di diritto privato offre una maggiore flessibilità ("consentendo un rapporto più diretto e più elastico con la parte contraente"), disattende poi che anche il contratto di diritto amministrativo può offrire i medesimi vantaggi (cfr. sul tema: SCHWARZENBACH-HANHART, Beamter oder Angestellter?, in: NZZ del 7 aprile 1992). Queste considerazioni permettono di concludere che il Cantone Ticino ha scelto per i rapporti di servizio dei medici e del personale ospedalieri una regolamentazione che attiene al diritto pubblico cantonale e che le asserzioni contenute nel messaggio e nel rapporto sono probabilmente dovute ad un'errata designazione e valutazione della natura dei rapporti in discussione.
A dire il vero anche nell'articolo già menzionato di BIANCHI (Del direttore di ospedale, in: RDAT 1987 pag. 245 segg.) si afferma che tutti i rapporti d'impiego dei dipendenti dell'EOC sono retti da un contratto di diritto privato, ma lo stesso autore aggiunge che lo statuto di diritto privato appare perlomeno strano e che le parti contrattuali non sono libere di agire con piena autonomia, dovendo adeguare, almeno in parte, la volontà contrattuale ad un ordinamento di diritto pubblico (cfr. pag. 249 in medio; inoltre BORGHI, op.cit., pag. 36 in basso, 37 in basso e 38 in alto nota 141, il quale afferma, sulla base degli elementi citati al paragrafo precedente, che è perlomeno dubbia la natura privatistica del rapporto contrattuale; del resto la soluzione proposta con il messaggio e il rapporto non ha suscitato l'unanimità dei consensi in parlamento, cfr. verbali del Gran Consiglio, sessione primaverile 1986, pag. 44 seg., intervento Staffieri).
6.
Visto che l'attore fonda le proprie pretese sulle convenzioni del 1967, resta da esaminare qual'era la situazione giuridica di
BGE 118 II 213 S. 222
allora e se essa si sia nel frattempo modificata. Prima dell'entrata in vigore della legge sugli ospedali pubblici (1o gennaio 1983) e dell'assunzione da parte dell'EOC dell'Ospedale distrettuale di Faido, questo era verosimilmente costituito in fondazione privata (Parere del Dipartimento di giustizia del 20 giugno 1984, pubblicato in RDAT 1984 pag. 295 segg.). Questa circostanza deporrebbe per un rapporto di diritto privato. Tuttavia, già allora erano in vigore dettagliate disposizioni di diritto pubblico cantonale sugli ospedali. La legge concernente il coordinamento sanitario e il sussidiamento degli ospedali di interesse pubblico del 19 dicembre 1963 (BU 1964 pag. 35), nel frattempo abrogata, prevedeva infatti che le rette e le tariffe dovevano essere approvate dal Consiglio di Stato (art. 11); che il Gran Consiglio e il Consiglio di Stato godevano di un ampio potere di vigilanza sugli ospedali (art. 12) e che il Consiglio di Stato poteva emanare ulteriori norme di applicazione concernenti l'organizzazione interna degli ospedali, la procedura di nomina dei medici ospedalieri e i rapporti di lavoro tra ospedali e medici ospedalieri (art. 12bis). Il Consiglio di Stato ha fatto uso di questa facoltà con il regolamento di applicazione del 5 dicembre 1972 (BU 1972 pag. 233). In particolare, la procedura per la nomina dei primari era regolata in dettaglio all'art. 38: pubblicazione del bando di concorso nel Foglio ufficiale, valutazione dei candidati da parte di una commissione d'esperti costituita dal Dipartimento - il cui giudizio sull'idoneità dei candidati era vincolante per l'amministrazione dell'ospedale - e ratifica della nomina da parte del Consiglio di Stato.
Ne segue che già sotto il vecchio regime il rapporto di servizio fra l'ospedale e il primario era in larga misura determinato dalla legislazione pubblica. La questione di sapere se esso soggiacesse completamente al diritto pubblico può rimanere indecisa, poiché il rapporto di servizio con l'entrata in vigore del nuovo ordinamento e l'assunzione dell'ospedale da parte dell'EOC ha comunque assunto carattere di diritto pubblico.
Già si è detto che la II Corte di diritto pubblico in una decisione del 4 maggio 1984 (consid. 4) è giunta alla conclusione opposta, ossia che nel Cantone Ticino il rapporto di lavoro fra il primario e l'ospedale non è ancorato al diritto pubblico. Tuttavia, questa opinione non è sorretta da una motivazione approfondita e la decisione si riferiva alla situazione giuridica vigente prima della creazione dell'EOC. D'altra parte, la questione non aveva un'importanza decisiva. Infatti, la lite concerneva il quesito di sapere se lo Stato del Cantone Ticino potesse imporre
BGE 118 II 213 S. 223
ai medici ospedalieri di versare agli ospedali parte degli onorari concernenti le loro prestazioni private. Il Tribunale federale ha vagliato il problema della natura del rapporto di servizio, solo per dimostrare che l'imposizione di simile tributo era ammissibile anche nel caso di un rapporto di diritto privato. Infine, nello scambio di opinioni a cui si è accennato nei considerandi di fatto, la II Corte di diritto pubblico non si è opposta a questa soluzione.
7.
Discende da queste considerazioni che la presente lite ha natura di diritto pubblico. Pertanto, il rapporto giuridico fra le parti è retto dal diritto pubblico e il ricorso per riforma deve essere dichiarato inammissibile.
La pronuncia di inammissibilità, provoca la decadenza del ricorso adesivo (art. 59 cpv. 4 v. OG; alla presente fattispecie è infatti applicabile il vecchio diritto, cfr. art. 3 cpv. 1 delle disposizioni transitorie alla revisione dell'OG - RU 1992 pag. 300; ad ogni modo con il nuovo diritto la regola è la stessa e il capoverso 4 dell'art. 59 v. OG corrisponde oggi al capoverso 5 dell'art. 59 n. OG). | public_law | nan | it | 1,992 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
180f48be-a72e-40ff-91f0-d5498106512f | Urteilskopf
96 I 77
14. Urteil vom 6. Februar 1970 i.S. Agemit AG gegen Eidg. Bankenkommission. | Regeste
Bundesgesetz über die Anlagefonds.
Kompetenzen der Aufsichtsbehörde und des Zivilrichters (Erw. 1).
Fall einer Fondsleitung, welche die einer Vereinigung bezahlten Mitgliederbeiträge dem Anlagefonds belastet hat. Für den Entscheid darüber, ob sie die Beträge wieder in den Fonds einzuwerfen habe, Ist nicht die Aufsichtsbehörde, sondern der Zivilrichter zuständig (Erw. 2). Die Aufsichtsbehörde kann allenfalls die Fondsleitung zur Sicherheitsleistung verpflichten (Erw. 3). Vorbehalten bleibt eme negative Feststellungsklage der Fondsleitung gegen die Anleger, für welche die Aufsichtsbehörde einen Vertreter zu bezeichnen hätte (Erw. 4). | Sachverhalt
ab Seite 78
BGE 96 I 77 S. 78
A.-
Die Agemit AG, Zürich, leitet den seit 1954 bestehenden Schweizerischen Liegenschaften-Anlagefonds Interswiss, auf den das Bundesgesetz über die Anlagefonds vom 1. Juli 1966 (AFG) anwendbar ist. Sie war bis Ende 1968 Mitglied der Vereinigung Schweizerischer Verwaltungsgesellschaften von Investment-Trusts (im folgenden als Vereinigung bezeichnet). Für die Jahre 1960-1967 zahlte sie der Vereinigung insgesamt Mitgliederbeiträge von Fr. 131 773.--. Sie belastete diese Zuwendungen dem Fonds Interswiss.
B.-
Die Eidg. Bankenkommission (Aufsichtsbehörde über die Anlagefonds) verpflichtete die Agemit AG durch Verfügung vom 12. März 1969 gestützt auf
Art. 43 Abs. 1 AFG
, den Betrag von Fr. 131 773.-- innert 30 Tagen durch Zahlung auf das Konto des Fonds Interswiss bei der Schweizerischen Kreditanstalt, Zürich, zurückzuerstatten.
Zur Begründung wurde ausgeführt, die Fondsleitung habe zu Unrecht den Fonds mit den Mitgliederbeiträgen an die Vereinigung belastet. "Die Vereinigung wurde - wie schon ihr Name sagt - nicht als Interessenschutzorganisation der Anlagefonds, sondern der Fondsleitungen aufgezogen. Ein wirkliches Bedürfnis des Anlagefonds an dieser Mitgliedschaft wurde nicht nachgewiesen.
BGE 96 I 77 S. 79
Unsere Abklärung ergab, dass alle anderen der Vereinigung angehörenden Fondsleitungen die Beiträge auf eigene Rechnung übernommen haben."
C.-
Die Agemit AG führt gegen die Anordnung der Bankenkommission Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit den Anträgen:
a) Die Verfügung sei aufzuheben, und es sei festzustellen, dass die Beschwerdeführerin die Mitgliederbeiträge von Fr. 131 773.-- zu Recht dem Fonds Interswiss belastet habe.
b) Eventuell sei die Beschwerdeführerin zu verpflichten, dem Fonds die Mitgliederbeiträge für das Jahr 1967 in der Höhe von Fr. 22 434.-- zurückzuerstatten; im übrigen sei die Verfügung aufzuheben, und es sei festzustellen, dass die restlichen Fr. 109 339.-- dem Fonds zu Recht belastet worden seien.
Es wird geltend gemacht, die Bankenkommission habe mit ihrer Verfügung in die Zuständigkeit des Zivilrichters übergegriffen. Auf jeden Fall könne sie nur gegen solche Missstände einschreiten, die nach dem Inkrafttreten des AFG (1. Februar 1967) entstanden seien.
Ihre Anordnung sei auch sachlich nicht gerechtfertigt. Die Beschwerdeführerin sei nach Ziff. 17 des Vertrages vom 27. Oktober 1954 zwischen ihr und der Revisions- und Treuhand-Aktiengesellschaft Revisa in Zug (des alten Fondsreglements) befugt gewesen, von den an die Anleger auszuschüttenden Erträgnissen alle Kosten der Verwaltung des Fonds in Abzug zu bringen. Zu diesen Kosten gehörten auch die strittigen Mitgliederbeiträge. Die Vereinigung habe nicht nur die Interessen der ihr angeschlossenen Fondsleitungsgesellschaften wahrgenommen, sondern auch, ja in erster Linie, diejenigen der Anteilscheininhaber.
D.-
Die Bankenkommission beantragt die Abweisung der Beschwerde.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Die Aufsichtsbehörde über die Anlagefonds (Eidg. Bankenkommission) hat nach
Art. 42 Abs. 1 AFG
die Einhaltung der Vorschriften dieses Gesetzes und des Fondsreglementes durch Fondsleitung und Depotbank zu überwachen. Stellt sie Verletzungen des Gesetzes oder des Reglementes oder sonstige Missstände fest, so erlässt sie die zur Herstellung des rechtmässigen Zustandes und zur Beseitigung der Missstände notwendigen Verfügungen (
Art. 43 Abs. 1 AFG
). Nach dieser
BGE 96 I 77 S. 80
Ordnung hat sie sich vielfach auch mit zivilrechtlichen Fragen zu befassen; denn die Vorschriften, deren Einhaltung durch Fondsleitung und Depotbank sie zu überwachen hat, gehören grösstenteils dem Zivilrecht an. Sie hat für den Schutz der privaten Rechte der Anleger zu sorgen. Indessen hat sie weder Zivilprozesse zu führen noch Urteile in Zivilrechtsstreitigkeiten zwischen der Fondsleitung oder der Depotbank und dem Anleger zu fällen. Zur Entscheidung solcher Streitigkeiten ist der Zivilrichter zuständig (Art. 23-27 und
Art. 42 Abs. 3 AFG
). Die Aufsichtsbehörde hat eine Aufgabe gewerbepolizeilicher Art; sie trifft administrative Anordnungen und setzt Mittel des Verwaltungszwanges ein (BBl 1965 III 312;
BGE 95 I 587
E. 2).
2.
Im vorliegenden Fall wirft die Bankenkommission der Fondsleitung vor, dem Anlagefonds zu Unrecht, entgegen ihren zivilrechtlichen Verpflichtungen, Vermögenswerte im Gesamtbetrage von Fr. 131 773.-- entzogen zu haben. Daher hat sie mit der angefochtenen Verfügung die Fondsleitung verpflichtet, diesen Betrag innert bestimmter Frist in den Fonds einzuwerfen. Am Schluss der Verfügung wird darauf hingewiesen, dass sie mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten werden könne. Demnach fasst die Bankenkommission ihre - auf Geldleistung gerichtete - Verfügung als einen Entscheid auf, welcher der Rechtskraft fähig ist und nach deren Eintritt einem vollstreckbaren Gerichtsurteil im Sinne des
Art. 80 SchKG
gleichsteht (
Art. 162 OG
). Indessen bestimmt
Art. 23 AFG
, dass der Anleger auf Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen der Fondsleitung klagen kann, auch dann, wenn die Klage Auswirkungen auf alle Anleger hat (Abs. 1), und ferner, dass die Klage im Falle, wo die Fondsleitung dem Anlagefonds widerrechtlich Vermögenswerte entzogen (oder Vermögensvorteile vorenthalten) hat, auf deren Einwerfung in den Fonds geht (Abs. 2). Gerade zu solcher Einwerfung - in Geld - verpflichtet die angefochtene Verfügung die Beschwerdeführerin. Nach der Auffassung der Bankenkommission würde diese Verfügung wie ein Urteil des Zivilrichters, durch das eine nach
Art. 23 AFG
erhobene Klage auf Einwerfung des Betrages von Fr. 131 773.-- in den Fonds gutgeheissen würde, nach Eintritt der Rechtskraft einen Rechtsöffnungstitel im Sinne des
Art. 80 SchKG
darstellen. Nach dem System des AFG ist aber ein Entscheid, wie ihn die Kommission hier getroffen hat, dem Zivilrichter vorbehalten. Die Aufsichtsbehörde ist dafür nicht
BGE 96 I 77 S. 81
zuständig. Die angefochtene Anordnung geht über den Kreis der gewerbepolizeilichen Massnahmen, welche diese Behörde treffen kann, eindeutig hinaus. Sie ist daher aufzuheben.
3.
Art. 43 Abs. 2 AFG
bestimmt, dass die Aufsichtsbehörde die Fondsleitung zur Sicherheitsleistung verpflichten kann, wenn die Rechte der Anleger gefährdet erscheinen, und dass die Sicherstellungsverfügung einem vollstreckbaren gerichtlichen Urteil im Sinne des
Art. 80 SchKG
gleichsteht. Diese vorsorgliche Massnahme kann getroffen werden, wenn auf Grund einer vorläufigen Untersuchung des Sachverhalts (prima facie) angenommen werden kann, dass die Rechte der Anleger anscheinend gefährdet sind; ein strikter Nachweis einer Beeinträchtigung dieser Rechte ist nicht erforderlich.
Im vorliegenden Fall kommt eine Sicherstellungsverfügung in Betracht. Sie wäre gerechtfertigt, wenn und soweit als genügend wahrscheinlich erachtet werden könnte, dass die Beschwerdeführerin durch Belastung des Anlagefonds Interswiss mit Mitgliederbeiträgen an die Vereinigung schweizerischer Fondsleitungen pflichtwidrig über Vermögenswerte des Fonds verfügt und so einen die Rechte der Anleger gefährdenden Missstand, gegen den die Aufsichtsbehörde einschreiten kann, geschaffen hat.
a) Die öffentliche Aufsicht über die Anlagefonds ist durch das AFG eingeführt worden. Die Beschwerdeführerin hält dafür, dass die Aufsichtsbehörde sich nur mit solchen Missständen befassen könne, die seit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes (1. Februar 1967) eingetreten sind. Hier könnte die Bankenkommission nach der Meinung der Beschwerdeführerin eine Sicherheitsleistung auf keinen Fall im vollen Betrage von Fr. 131 773.-- verlangen, auf den sich die dem Fonds belasteten Mitgliederbeiträge für die Jahre 1960-1967 insgesamt belaufen, sondern höchstens im Betrage von Fr. 22 434.--, der für den Beitrag des Jahres 1967 aufgewendet worden ist. Allerdings ist der grösste Teil der Beiträge dem Fonds schon vor dem Inkrafttreten des AFG belastet worden, doch ist die dadurch bewirkte Schmälerung des Fondsvermögens über diesen Zeitpunkt hinaus bestehen geblieben. Wenn die Bankenkommission sich für zuständig erachtet, in einer Sicherstellungsverfügung auch die vor dem 1. Februar 1967 vorgenommenen Belastungen zu erfassen, so kann daher nicht gesagt werden, dass diese Auffassung offensichtlich irrtümich sei; sie hält jedenfalls einer
BGE 96 I 77 S. 82
vorläufigen Prüfung stand. Die Bankenkommission kann von der Beschwerdeführerin eine Sicherheitsleistung für alle dem Fonds vor und nach dem 1. Februar 1967 entnommenen Beträge verlangen, von denen mit genügender Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann, dass sie ihm zu Unrecht entzogen worden sind.
b) Die Beschwerdeführerin durfte die Mitgliederbeiträge dem Fonds Interswiss nur belasten, wenn und soweit es sich um Kosten der Verwaltung des Fonds im Sinne der Ziff. 17 des Fondsreglementes vom 27. Oktober 1954 handelt, d.h. um Aufwendungen, die in richtiger Ausführung des der Fondsleitung von den Anlegern erteilten Auftrages, im Interesse der Anleger, gemacht wurden (
Art. 402 OR
,
Art. 16 AFG
). Die Bankenkommission nimmt an, die Vereinigung schweizerischer Fondsleitungen habe nur die Interessen ihrer Mitglieder und nicht auch diejenigen der Anleger wahrgenommen, weshalb die Beschwerdeführerin den Fonds Interswiss überhaupt nicht mit Mitgliederbeiträgen hätte belasten dürfen. Diese Auffassung ist jedoch mit der Begründung, welche die Kommission dafür in der angefochtenen Verfügung und im Beschwerdeverfahren vorgebracht hat, nicht einmal glaubhaft gemacht.
Die Vereinigung bezweckt nach ihren - von der Bankenkommission nicht beigezogenen - Statuten "die Wahrnehmung der Interessen ihrer Mitglieder und der von diesen verwalteten Investmenttrusts". Diese Umschreibung entkräftet das erste in der Begründung der angefochtenen Verfügung vorgetragene Argument, schon der Name der Vereinigung beweise, dass diese "nicht als Interessenschutzorganisation der Anlagefonds, sondern der Fondsleitungen aufgezogen wurde". Es kommt darauf an, ob und inwieweit die Vereinigung sich bei ihrer Tätigkeit an die statutarische Zweckbestimmung gehalten hat.
Hat sie entsprechend den Statuten sowohl den Fondsleitungen als auch den Anlegern gedient, so dürfte die umstrittene Belastung mindestens teilweise gerechtfertigt sein; ein Abstrich wäre allenfalls begründet, wenn die Vereinigung auch solche Interessen der Fondsleitungen, die denjenigen der Anleger entgegengesetzt waren, wahrgenommen hat. Der blosse Umstand, dass die Vereinigung im Jahre 1961 eine Vernehmlassung zum Entwurf des Eidg. Finanz- und Zolldepartementes für ein Anlagefondsgesetz mit einem ausgearbeiteten Gegenentwurf
BGE 96 I 77 S. 83
eingereicht hat, schliesst nicht aus, dass sie geglaubt hat, damit im Interesse sowohl der Fondsleitungen als auch der Anleger zu handeln. Ebensowenig vermag die Tatsache, dass der frühere Vizepräsident des Verwaltungsrates der Beschwerdeführerin, K. Schweri, zugleich der Gründer der Vereinigung ist, ohne weiteres die Vermutung zu begründen, dass die Vereinigung nicht - oder zum mindesten nicht auch - die Interessen der Anleger gewahrt hat. Es kommt nicht selten vor, dass der initiative Leiter einer Unternehmung einen Verband seiner Branche gründet, weil er der Meinung ist, dadurch den Interessen seines eigenen Unternehmens und aller daran Beteiligten besser dienen zu können, als wenn er allein vorginge. Wenn die Beschwerdeführerin das einzige Mitglied der Vereinigung war, welches die Mitgliederbeiträge auf den Fonds überwälzt hat, so schliesst auch das nicht aus, dass ihr Vorgehen gerechtfertigt sein kann.
Anderseits hat die Beschwerdeführerin nicht glaubhaft gemacht, dass eine Verletzung ihrer Pflichten von vornherein ausser Betracht fällt. Insbesondere vermag der Umstand, dass die Revisions- und Treuhand-Aktiengesellschaft Revisa die Überwälzung der Mitgliederbeiträge auf den Fonds Interswiss nicht beanstandete, die Beschwerdeführerin nicht zu entlasten, zumal Professor Th. Keller gleichzeitig Präsident des Verwaltungsrates der Beschwerdeführerin und der Revisa war.
c) Hieraus ergibt sich, dass eine Sicherstellungsverfügung gegenüber der Beschwerdeführerin nur getroffen werden kann, wenn auf Grund noch vorzunehmender weiterer Erhebungen mit ausreichender Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann, dass die Belastung des Fonds Interswiss mit den Mitgliederbeiträgen durchweg oder mindestens zum Teil ungerechtfertigt ist. Die noch erforderliche Untersuchung ist Aufgabe der Bankenkommission. Diese wird überprüfen, was die Beschwerdeführerin im Verfahren vor dem Bundesgericht zur Sache vorgebracht hat. Sie wird der Beschwerdeführerin auch Gelegenheit geben müssen, weitere Einwendungen zu erheben und neue Beweismittel zu nennen. Es erscheint ferner angezeigt, dass Professor Th. Keller angehört wird. Die Untersuchung ist so weit durchzuführen, dass festgestellt werden kann, ob die Rechte der Anleger gefährdet erscheinen und daher eine Sicherheitsleistung verlangt werden kann. Gegebenenfalls wird die Bankenkommission
BGE 96 I 77 S. 84
den sicherzustellenden Betrag in der Höhe festsetzen, die den tatsächlichen Verhältnissen angemessen ist.
4.
Über die Frage, ob die Beschwerdeführerin den Fonds zu Unrecht mit Mitgliederbeiträgen an die Vereinigung belastet habe, wird endgültig der Zivilrichter zu entscheiden haben, falls die Beschwerdeführerin nach wie vor bestreitet, pflichtwidrig gehandelt zu haben. Ein Interesse an einem Urteil des Zivilrichters haben in erster Linie die Anleger. Aber auch der Beschwerdeführerin muss daran gelegen sein, auf jeden Fall dann, wenn sie zur Sicherheitsleistung verpflichtet wird; denn ein ihr günstiges Urteil des Zivilrichters hätte zur Folge, dass die geleistete Hinterlage freigegeben werden müsste. Da indessen ungewiss ist, ob sich ein Anleger bereitfände, gemäss
Art. 23 AFG
Klage auf Einwerfung in den Fonds zu erheben, muss die Beschwerdeführerin die Möglichkeit haben, ihrerseits auf Feststellung zu klagen, dass sie zur Einwerfung nicht verpflichtet ist. Eine solche Klage der Beschwerdeführerin würde sich gegen die Gesamtheit der Anleger richten. Die Anleger sind jedoch nicht von Gesetzes wegen in einer Gemeinschaft organisiert, welche sich durch jemanden vertreten lassen könnte (BBl 1965 III 294;
BGE 93 I 654
). Es ist auch nicht anzunehmen, dass im vorliegenden Fall die Anleger in der Lage wären, von sich aus einen gemeinsamen Vertreter zu bestellen und zu instruieren. Daher müsste eine Behörde einen Rechtsbeistand bezeichnen, der selbständig die Interessen der Anleger im Zivilprozess zu wahren hätte. Die Ernennung wäre, als Massnahme im Sinne des
Art. 43 Abs. 1 AFG
, Sache der Bankenkommission, zumal diese nach
Art. 45 AFG
auch befugt ist, für die geschäftsunfähige Fondsleitung einen Sachwalter einzusetzen, welcher gemäss Art. 43 der Vollziehungsverordnung zum AFG u.a. die Ansprüche auf Einwerfung der dem Fonds widerrechtlich entzogenen Vermögenswerte geltend zu machen hat. Die negative Feststellungsklage der Fondsleitung könnte beim Richter an deren Sitz angebracht werden, wie dies
Art. 27 Abs. 1 AFG
für die Klage der Anleger vorsieht.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird im Sinne der Erwägungen gutgeheissen und die angefochtene Verfügung aufgehoben. | public_law | nan | de | 1,970 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
181227b1-643c-439b-93f1-b1e9e2d8a707 | Urteilskopf
98 Ia 35
7. Urteil vom 1. März 1972 i.S. Meyer gegen Verwaltungsgericht und Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft. | Regeste
Eigentumsgarantie, gesetzliche Grundlage.
Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts (Erw. 2).
Zulässigkeit analoger Anwendung von Eigentumsbeschränkungen aus dem Gesichtspunkt der Willkür (Erw. 3 a).
Analoge Anwendung des Verbots von "Dachaufbauten" auf "Dacheinschnitte" (Erw. 3 b). | Sachverhalt
ab Seite 35
BGE 98 Ia 35 S. 35
A.-
Die Zonenvorschriften der Gemeinde Therwil (BL) bestimmen über die Wohnzone W 2b:
BGE 98 Ia 35 S. 36
"Gestattet sind zwei Vollgeschosse; Dachaufbauten sind nur zulässig, wenn die Fassadenhöhe unter 4.0 m liegt. Über eingeschossigen Fassaden können Dachaufbauten nach Zonenreglement Normblatt ZR 7/63 Ziffer 2 erstellt werden, wenn die verlangten Bedingungen eingehalten sind."
Das Normblatt ZR 7/63 enthält, wie der beigefügte Kommentar erklärt, "reine Gestaltungsvorschriften, die darauf abzielen, unschöne Dachaufbauten zu verhindern". Es schreibt zunächst in Ziff. 1 vor, dass alle Aufbauten ästhetisch befriedigen und mit den darunter liegenden Fassaden harmonieren müssen. Sodann bestimmt es, unter welchen Voraussetzungen Aufbauten bei geneigten Dächern (Ziff. 2) und bei Flachdächern (Ziff. 3) zulässig sind.
B.-
Architekt Felix Boris Meyer ist Eigentümer eines Grundstücks in Therwil, das in der Wohnzone W 2b liegt. Am 7. Juli/11. August 1967 erhielt er von der kantonalen Baudirektion die Bewilligung, auf diesem Grundstück ein Wohnhaus zu bauen. Das Haus besteht nach den genehmigten Plänen aus zwei Vollgeschossen und einem Dachgeschoss, dessen Räume durch Fenster in den Giebelwänden sowie durch Fenster, die in die Dachfläche eingelassen sind, belichtet werden. Als der Dachstuhl schon aufgerichtet war, entschloss sich Meyer zu einem "Dacheinschnitt" an der Südostecke des Hauses, um die Dachwohnung besser zu besonnen. Er liess diese Änderung sofort ausführen und stellte erst später, am 7. Mai 1968, ein nachträgliches Baugesuch um Bewilligung derselben.
Das kantonale Baupolizeiamt wies dieses Gesuch am 2. März 1970 ab und verfügte die Schliessung des Dacheinschnittes. Meyer erhob hiegegen Beschwerde mit der Begründung, dass die massgebenden Vorschriften nur Dachaufbauten regelten, dass es nicht angehe, diesen die Dacheinschnitte gleichzusetzen, und dass Dacheinschnitte nur aufgrund einer besonderen Vorschrift verboten werden könnten. Die kantonale Baurekurskommission, der Regierungsrat und das Verwaltungsgericht des Kantons Basel-Landschaft wiesen die Beschwerde ab, dieses mit Urteil vom 1. Juni 1971 im wesentlichen aus folgenden Gründen: Streitig sei, ob die in den Zonenvorschriften von Therwil enthaltene Vorschrift über Dachaufbauten auch auf Dacheinschnitte anwendbar sei oder ob die Nichterwähnung von Dacheinschnitten im kantonalen und kommunalen Recht
BGE 98 Ia 35 S. 37
als qualifiziertes Schweigen des Gesetzgebers zu betrachten sei. Da in der Zone W 2b nur dunkle Satteldächer zugelassen seien, bewirke das Verbot von Aufbauten über einer gewissen Fassadenhöhe, dass die Dächer des Wohnquartiers einen homogenen Eindruck hinterlassen. Aufbauten über niedrigeren Fassaden seien nur unter einschränkenden Bedingungen zulässig. Hieraus folge, dass es dem Gesetzgeber in erster Linie daran gelegen sei, dass die Bedachung des Quartiers im Stile des traditionellen Satteldaches erfolge und sich dem Betrachter ein einheitliches Siedlungsbild darbiete. Es handle sich somit um ein Anliegen des Orts- und Landschaftsschutzes. Es frage sich weiter, ob Dacheinschnitte den Gesamteindruck der Satteldächer auf gleiche oder ähnliche Weise beeinträchtigen wie Dachaufbauten, so dass sich nach dem Sinne der Vorschrift eine Gleichstellung aufdränge. Das sei zu bejahen, da Dacheinschnitte als "Löcher" in der geschlossenen Dachhaut wirkten und wie Dachaufbauten durchaus geeignet seien, den Gesamteindruck der Satteldächer zu stören. Der Augenschein habe ergeben, dass dér Dacheinschnitt am Hause des Beschwerdeführers so ausgeführt sei, dass er nicht unästhetisch wirke. Indessen verbiete der Gesetzgeber Dachaufbauten und damit auch Dacheinschnitte generell, ohne die unterschiedliche architektonische Gestaltung und ästhetische Wirkung in Betracht zu ziehen, weshalb die Beschwerde abzuweisen sei.
C.-
Mit der staatsrechtlichen Beschwerde beantragt F. B. Meyer, der Entscheid des Verwaltungsgerichts vom 1. Juni 1971 sei aufzuheben und es seien die Behörden anzuweisen, dem Beschwerdeführer für die am 7. Mai 1968 eingereichten Pläne eine Baubewilligung zu erteilen. Er macht Verletzung des
Art. 4 BV
und der Eigentumsgarantie geltend und bringt zur Begründung im wesentlichen vor: Beschränkungen der Baufreiheit seien Eigentumsbeschränkungen und mit der Eigentumsgarantie nur vereinbar, wenn sie auf gesetzlicher Grundlage beruhen. Hieran fehle es hier, da weder die Zonenvorschriften von Therwil noch ein kantonaler Erlass Dacheinschnitte verbiete. Dacheinschnitte den Dachaufbauten gleichzustellen, sei willkürlich; für diese Analogie finde sich im Gesetz und in den Zonenvorschriften keine Stütze. Sollte, was bestritten werde, eine Lücke im Gesetz vorliegen, so wäre es dem Verwaltungsgericht aus dem Gesichtspunkt des
Art. 4 BV
verwehrt, sie auszufüllen. Das Verbot der Dachaufbauten verhindere
BGE 98 Ia 35 S. 38
eine höhere Nutzung und verfolge ästhetische Zwecke. Der Dacheinschnitt am Hause des Beschwerdeführers ergebe jedoch keine höhere Nutzung und wirke unbestrittenermassen nicht unästhetisch.
D.-
Das Verwaltungsgericht des Kantons Basel-Landschaft hat auf Vernehmlassung verzichtet. Der Regierungsrat beantragt Abweisung der Beschwerde.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Der Beschwerdeführer beantragt neben der Aufhebung des angefochtenen Entscheids des Verwaltungsgerichts, es seien die kantonalen Behörden anzuweisen, die von ihm am 7. Mai 1968 nachgesuchte Baubewilligung zu erteilen. Dieses Begehren ist zulässig. Staatsrechtliche Beschwerden wegen Verletzung der
Art. 4 und 22ter BV
haben zwar in der Regel rein kassatorische Funktion. Eine Ausnahme gilt jedoch für Beschwerden, die sich gegen die Verweigerung einer Polizeierlaubnis richten, in dem Sinne, dass das Bundesgericht die kantonale Behörde anweisen kann, eine zu Unrecht verweigerte Polizeierlaubnis zu erteilen (
BGE 95 I 208
E. 1 und 343 E. 5 je mit Verweisungen auf frühere Urteile).
2.
Durch die vom Verwaltungsgericht geschützte Verfügung des kantonalen Baupolizeiamtes ist das Gesuch des Beschwerdeführers, an seinem Hause in Abweichung von den früher genehmigten Plänen einen "Dacheinschnitt" zu bewilligen, abgewiesen und der Beschwerdeführer verhalten worden, den eigenmächtig vorgenommenen Dacheinschnitt zu schliessen. In dieser Verfügung liegt eine öffentlich-rechtliche Beschränkung des Privateigentums. Eine solche darf nach
Art. 22ter BV
dem Eigentümer nur auferlegt werden, wenn sie auf gesetzlicher Grundlage beruht und im öffentlichen Interesse liegt. Mit der vorliegenden Beschwerde wird nur geltend gemacht, es fehle an einer gesetzlichen Grundlage.
Ob die von der kantonalen Behörde angerufene gesetzliche Grundlage genüge, kann das Bundesgericht nach der neuern Rechtsprechung dann, wenn der Eingriff in das Eigentum besonders schwer ist, frei, andernfalls nur unter dem beschränkten Gesichtswinkel der Willkür prüfen (
BGE 96 I 133
/34 und dort angeführte frühere Urteile). Das Verbot, an einem Haus einen Dacheinschnitt anzubringen, schränkt die Baufreiheit nicht stark ein und stellt keinen besonders schweren
BGE 98 Ia 35 S. 39
Eingriff in das Eigentum dar. Es handelt sich um eine gewöhnliche Eigentumsbeschränkung, bei der das Bundesgericht die Auslegung und Anwendung des kantonalen und kommunalen Rechtes nur unter dem Gesichtswinkel der vom Beschwerdeführer denn auch geltend gemachten Willkür überprüfen kann.
3.
Alle kantonalen Instanzen erblicken die gesetzliche Grundlage des streitigen Verbotes eines Dacheinschnitts in der in den Zonenvorschriften von Therwil enthaltenen, nicht als verfassungswidrig angefochtenen Bestimmung, wonach Dachaufbauten in der Wohnzone W 2b nur zulässig sind, wenn die Fassadenhöhe unter 4 m liegt.
Der Regierungsrat führte in seinem Entscheid aus, als Dachaufbauten im Sinne dieser Bestimmung seien bauliche Eingriffe jeder Art zu verstehen, welche in der Vertikalen die Dachhaut durchstossen, sei es nach oben oder nach unten, also sowohl Aufbauten als Einschnitte. Diese Auslegung wird jedoch durch den Wortlaut der Bestimmung nicht mehr gedeckt, sondern geht über ihn hinaus. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch, von dem bei der Auslegung mangels anderer Anhaltspunkte auszugehen ist, lassen sich nur solche Bauteile als Dachaufbauten bezeichnen, welche über die (geneigte oder flache) Dachhaut hinausragen. Dass Dacheinschnitte nicht unter den Begriff der Dachaufbauten fallen, anerkennt im Grunde auch der Regierungsrat, wenn er in der Beschwerdeantwort darauf hinweist, dass Dacheinschnitte in den aus dem Jahre 1963 stammenden Zonenreglementsnormalien (und daher auch in den Zonenvorschriften von Therwil) deshalb nicht erwähnt worden seien, weil sie erst später als architektonische Gestaltungsmittel aufgetreten seien, womit er offenbar sagen will, dass die Rechtsetzungsinstanzen keinen Anlass gehabt hätten, sich mit ihnen zu befassen. Die im Normblatt ZR 7/63 enthaltenen Vorschriften über Dachaufbauten sind denn auch auf Aufbauten zugeschnitten und lassen sich grösstenteils nur auf solche anwenden.
Das Verwaltungsgericht hat die Feststellung des Regierungsrates, dass unter Dachaufbauten alle in der Vertikale die Dachhaut durchstossenden baulichen Eingriffe zu verstehen seien, nicht übernommen. Es prüfte vielmehr, welchen Sinn das in den Zonenvorschriften von Therwil enthaltene Verbot von Dachaufbauten habe, und kam zum Schluss, dass die Gleichstellung von Aufbauten und Einschnitten sich im Hinblick auf den Sinn des Verbotes rechtfertige. Damit hat es die Grenze der ausdehnenden
BGE 98 Ia 35 S. 40
Auslegung, durch die einer Vorschrift ein möglichst weiter, aber immer noch mit dem Wortlaut zu vereinbarender Anwendungsbereich gegeben wird, überschritten und einen Analogieschluss gezogen; ein solcher besteht darin, dass ein Rechtssatz auf einen Tatbestand angewendet wird, der ausserhalb des Wortlauts liegt, aber mit dem von der Bestimmung geregelten Tatbestand wesensgleich ist (vgl.
BGE 65 I 11
). Es fragt sich, ob eine solche analoge Anwendung einer öffentlichrechtlichen Eigentumsbeschränkung im allgemeinen dem Vorwurfe der Willkür standhält und, sofern dies zutrifft, wie es sich mit der in Frage stehenden Eigentumsbeschränkung verhält.
a) Würde man den Analogieschluss im Verwaltungsrecht allgemein verbieten, so käme die Rechtsanwendung leicht in Konflikt mit dem Gleichheitssatz; es könnten eng verwandte Tatbestände, die hinsichtlich ihrer Auswirkungen nach einer rechtsgleichen Behandlung rufen, nicht gleich behandelt werden, weil der Gesetzgeber oft Begriffe verwendet, welche auf neu auftauchende, ganz ähnliche Tatbestände nicht zutreffen. Mindestens in Ausnahmefällen muss daher die analoge Rechtsanwendung auch im Verwaltungsrecht zulässig sein (GRISEL, Droit administratif suisse S. 164/65). Sie darf indessen nicht zu einer Durchlöcherung des Grundsatzes führen, dass jeder Eingriff in Freiheit und Eigentum des Bürgers einer gesetzlichen Grundlage bedarf.
In der neuern Rechtslehre wird im allgemeinen angenommen, dass es grundsätzlich zulässig sei, einen Verwaltungsrechtssatz auf einen den durch ihn geordneten Tatbestand ähnlichen Fall anzuwenden, der nicht unter den Wortlaut der Vorschrift subsumiert werden kann, auf den jedoch deren Sinn zutrifft (GIACOMETTI, Allgemeine Lehren des rechtsstaatlichen Verwaltungsrechts S. 211/12; FRITZ GYGI, Zur Auslegung des Verwaltungsrechts, ZSR 75/1956 S. 153/54; MAX IMBODEN, Schweiz. Verwaltungsrechtsprechung 3. Aufl. Nr. 213 III; vgl. Nr. 241 III a). Das Bundesgericht hat die analoge Rechtsanwendung für bestimmte Bereiche des Verwaltungsrechts als unzulässig bezeichnet. So hat es wiederholt erklärt, es gehe nicht an, durch analoge, lückenausfüllende Rechtsanwendung neue Besteuerungstatbestände zu schaffen (
BGE 84 I 94
E. 3 mit Verweisungen,
BGE 95 I 326
E. 2), doch kommt diesem Verbot der Analogie nur beschränkte Bedeutung zu im Hinblick auf die im Steuerrecht als zulässig erachtete sogenannte "wirtschaftliche
BGE 98 Ia 35 S. 41
Betrachtungsweise". Ferner hat das Bundesgericht die analoge Rechtsanwendung abgelehnt, wenn ein Eingriff in die persönliche Freiheit in Frage stehe (
BGE 82 I 239
E. 4), hat dies indessen in
BGE 89 I 100
im Hinblick auf
BGE 87 III 87
ff. wieder in Zweifel gezogen. Für das Baupolizeirecht führte es kürzlich in
BGE 97 I 355
aus, dass dort echte Gesetzeslücken, die der Richter mit positiven, das Eigentum beschränkenden Vorschriften ausfüllen müsste und dürfte, kaum denkbar seien und Einschränkungen der ausdrücklichen Formulierung bedürften. Dabei ging es jedoch nicht um die analoge Anwendung einer Vorschrift auf einen ähnlichen Tatbestand; vielmehr hatte das aargauische Verwaltungsgericht im Fehlen von Vorschriften über die Höhe der Dächer eine echte, durch richterliche Rechtsfindung auszufüllende Lücke erblickt. Gegenüber der analogen Anwendung einer Eigentumsbeschränkung auf einen Fall, der nicht unter ihren Wortlaut fällt, auf den jedoch ihr Sinn zutrifft, bestehen nicht die gleichen Bedenken wie gegen die in
BGE 97 I 355
als unzulässig erklärte Lückenausfüllung. Die analoge Anwendung einer Eigentumsbeschränkung kann daher zum mindesten nicht als schlechthin unhaltbar, geradezu willkürlich bezeichnet werden, ist doch der Analogieschluss sogar im Bereich des Strafrechts zulässig, wenn er bloss als Mittel sinngemässer Auslegung dient (
BGE 87 IV 188
b).
b) Zu prüfen bleibt, ob das Verwaltungsgericht ohne Willkür annehmen konnte, nach dem Sinn des Verbots von Dachaufbauten beziehe sich dieses Verbot auch auf Dacheinschnitte.
Das Verwaltungsgericht nimmt an, das Verbot von Dachaufbauten in der Wohnzone W 2b solle dort "die Satteldächer in ihrer Grundform voll zur Geltung kommen lassen" und dem Betrachter in dieser Beziehung ein einheitliches Siedlungsbild darbieten. Diese Auffassung überzeugt insofern nicht ganz, als die Zonenvorschriften Dachaufbauten über eingeschossigen bzw. weniger als 4 m hohen Fassaden nicht nur nicht ausschliessen, sondern - unter den im Normblatt ZR 7/63 umschriebenen Bedingungen - ausdrücklich zulassen. Daraus, dass der Gesetzgeber in der Wohnzone W 2b Dachaufbauten bei eingeschossigen Häusern zulässt und nur bei zweigeschossigen verbietet, und dies im Zusammenhang mit der Vorschrift, dass in dieser Zone (nur) zwei Vollgeschosse gestattet sind, ist vielmehr zu schliessen, dass es dem Gesetzgeber nicht so sehr um die Einheit der Dachform ging, sondern dass er für die
BGE 98 Ia 35 S. 42
Wohnzone W 2b in dem Sinne eine einheitliche Überbauung anstrebte, als dort nur Wohngebäude erstellt werden dürfen, die nach aussen als ein- oder zweigeschossig in Erscheinung treten. Das ist bei einem Haus mit zwei Vollgeschossen nur dann der Fall, wenn die Dachfläche über dem zweiten Vollgeschoss geschlossen ist und nicht durch Aufbauten durchbrochen wird. Weist ein zweigeschossiges Haus über der geneigten Dachfläche Aufbauten mit vertikalen Vorder- und Seitenwänden auf, so erweckt es den Eindruck eines dreigeschossigen Gebäudes. Geht man aber davon aus, dass mit dem Verbot von Dachaufbauten dem Quartier der Charakter eines Villenquartiers mit niedrigen, ein- oder zweigeschossigen Bauten verliehen werden sollte, so leuchtet es ein und kann jedenfalls nicht als willkürlich bezeichnet werden, dass Dacheinschnitte im Hinblick auf diesen Sinn der Vorschrift wie Dachaufbauten zu behandeln und bei Häusern mit zwei Vollgeschossen nicht zuzulassen sind. Denn bei den Dacheinschnitten werden, ähnlich wie bei den Dachaufbauten, über dem zweiten Geschosse vertikale Wände sichtbar, die bewirken, dass das Gebäude den Eindruck eines dreigeschossigen Hauses erweckt im Gegensatz zu einem solchen, bei dem die Dachhaut geschlossen ist und allfällige Wohnräume im Dachgeschoss nur durch Fenster in der Giebelwand belichtet werden.
Ist es aber nicht willkürlich, das in den Zonenvorschriften von Therwil enthaltene Verbot von Dachaufbauten analog auf Dacheinschnitte anzuwenden, so erweist sich die Rüge, das Verbot solcher Einschnitte entbehre der gesetzlichen Grundlage, als unbegründet und ist die Beschwerde abzuweisen. Ob ein Dacheinschnitt je nach Ausführung mehr oder weniger ästhetisch wirkt, ist angesichts des generellen Verbots solcher Einschnitte ebenso bedeutungslos wie die Frage, welchen Einfluss er auf die bauliche Ausnützung des Dachgeschosses hat.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen. | public_law | nan | de | 1,972 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
1814f062-d2f5-4d1d-aaf8-2e4f405bd6aa | Urteilskopf
87 IV 157
38. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 22. Dezember 1961 i.S. Schär gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn. | Regeste
Art. 117, 237 StGB
.
Adäquater Kausalzusammenhang.
Vorübergehende Reaktionsunfähigkeit, der ein Motorfahrzeugführer unmittelbar nach einer Kollision unterliegt, ist kein Umstand, der ausserhalb normalen Geschehens läge, auch dann nicht, wenn der Zustand nicht ausschliesslich auf die Schreckwirkung des Zusammenstosses zurückzuführen ist. | Sachverhalt
ab Seite 158
BGE 87 IV 157 S. 158
Aus dem Tatbestand:
Schär spurte mit seinem Motorfahrzeug, das innerorts von links kam, langsam gegen die Mitte der 5,9 m breiten Strasse zu, um den auf der rechten Strassenhälfte mit einer Geschwindigkeit von 55-60 km/Std sich nähernden Wagen Hilfikers durchzulassen. Dabei streiften sich die beiden Fahrzeuge. Hilfiker verlor unter der Schockwirkung der Kollision die Herrschaft über seinen Wagen, der zunächst ungebremst die Fahrt fortsetzte, nach einer Strecke von 33 m zwei am rechten Strassenrand stehende Fussgänger beinahe anfuhr und nach weitern 10-15 m einen in der gleichen Richtung fahrenden Radfahrer von hinten zu Fall brachte und tödlich verletzte.
Schär und Hilfiker wurden vom Obergericht des Kantons Solothurn wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Störung des öffentlichen Verkehrs zu bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafen verurteilt.
Schär beantragt mit der Nichtigkeitsbeschwerde, er sei freizusprechen, eventuell nur wegen Übertretung des MFG mit einer Busse zu bestrafen.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
(Ausführungen darüber, dass die Streifkollision von beiden Motorfahrzeugführern verschuldet wurde, von Schär, weil er beim Einspuren dem von rechts Kommenden zu wenig Beachtung schenkte und entgegen der Vorschrift des Art. 27 Abs. 1 MFG sein Fahrzeug nicht rechtzeitig anhielt, von Hilfiker, weil er unaufmerksam war und den Wagen Schärs erst im letzten Augenblick sah.)
2.
Die Streifkollision bewirkte bei Hilfiker eine Schockwirkung, die zusammen mit der mangelnden geistigen Beweglichkeit Hilfikers zu einer vorübergehend starken
BGE 87 IV 157 S. 159
Beschränkung seiner Reaktionsfähigkeit führte, was zur Folge hatte, dass sein Fahrzeug führerlos eine Strecke von rund 80 m zurücklegte, auf der es zwei Fussgänger ernsthaft gefährdete und einen Radfahrer tödlich verletzte. Die pflichtwidrige Fahrweise des Beschwerdeführers, ohne die die Streifkollision nicht eingetreten wäre, war somit eine der natürlichen Ursachen der sich folgenden Ereignisse, für die Schär einzustehen hat, sofern der Kausalverlauf rechtlich erheblich war. Nach ständiger Rechtsprechung ist diese Voraussetzung immer dann erfüllt, wenn das Verhalten des Täters nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge geeignet war, einen Erfolg der eingetretenen Art herbeizuführen (
BGE 86 IV 155
mit weitern Zitaten).
Dieser Zusammenhang besteht ohne weiteres zwischen dem Verhalten des Beschwerdeführers und der eingetretenen Fahrzeugkollision; die von Hilfiker zu vertretende Unaufmerksamkeit war nicht eine ausserhalb jeder Erwartung liegende Ursache. Eine weniger alltägliche Erscheinung ist einzig darin zu erblicken, dass der verhältnismässig leichte Zusammenstoss bei Hilfiker einen Zustand stark beschränkter Reaktionsfähigkeit hervorrief, der auf das Zusammentreffen der durch den unerwarteten Zusammenstoss ausgelösten Schreckwirkung und der geistigen Unbeweglichkeit Hilfikers zurückzuführen ist. Dass der letztere Mangel einen ungewöhnlich hohen Grad erreicht habe, kann dem psychiatrischen Gutachten nicht entnommen werden und ist angesichts des durch keine Vorstrafen getrübten automobilistischen Leumundes Hilfikers auch nicht wahrscheinlich. Die Schreckwirkung aber, der er unterstand, ist kein so aussergewöhnliches Ereignis, dass es nach allgemeiner Lebenserfahrung schlechterdings nicht hätte erwartet werden können. Selbst Motorfahrzeugführer mit normaler Reaktionsfähigkeit können bei einem Zusammenstoss, insbesondere wenn er sich unversehens ereignet, völlig den Kopf verlieren und vorübergehend ihrer Fähigkeit zur Beherrschung des Fahrzeuges beraubt sein. Der Umstand, dass diese Möglichkeit bei Hilfiker eintrat, lag daher nicht
BGE 87 IV 157 S. 160
ausserhalb normalen Geschehens. Daran ändert nichts, dass der Beschwerdeführer, wie er geltend macht, die Streifkollision und die Reaktionsunfähigkeit Hilfikers mit ihren Folgen nicht vorausgesehen hat; die rechtliche Erheblichkeit des Kausalzusammenhanges beurteilt sich nicht nach den Vorstellungen des Täters, sondern darnach, ob sein Verhalten nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge, d.h. bei objektiver Betrachtung, den eingetretenen Erfolg herbeizuführen geeignet war (
BGE 86 IV 156
/7).
Die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Störung des öffentlichen Verkehrs kann infolgedessen nicht beanstandet werden.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen. | null | nan | de | 1,961 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
181ded2a-850e-4ebf-ac94-1db70c747d85 | Urteilskopf
101 IV 47
13. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 25. April 1975 i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau. | Regeste
Art. 181 StGB
, Nötigung.
1. Ob die angedrohten Nachteile "ernstliche" sind, entscheidet sich nach einem objektiven Massstab (Erw. 2a).
2. Rechtswidrigkeit der Nötigung (Erw. 2b).
3. Begriff der Mittäterschaft (Erw. 3).
4. Der Mittäter, der einen anderen zur gemeinsamen Tat anstiftet, ist nur wegen Mittäterschaft, nicht auch wegen Anstiftung strafbar (Erw. 4). | Sachverhalt
ab Seite 47
BGE 101 IV 47 S. 47
A.-
Am 21. August 1973 veranlasste X. seinen Sohn Y. und Z., am Abend in seinem Personenwagen mit ihm nach Schaffhausen zu fahren. Dort forderten sie den kaufmännischen Lehrling B. zur Mitfahrt auf und führten ihn zwischen 20 und 21 Uhr zum Parkplatz Schaaren bei Wilisdorf (Kt. Thurgau). Während der Fahrt versuchten sie, den Lehrling durch Einschüchterungen zu nötigen, Y. Fr. 1'650.-- in den folgenden Tagen zu übergeben. B. gab zuerst nach, orientierte aber am nächsten Tag die Polizei.
B.-
Mit Urteil vom 30. Oktober 1974 sprach das Bezirksgericht Arbon X. des vollendeten Versuchs der Nötigung und der Anstiftung dazu sowie weiterer Delikte schuldig und verurteilte ihn zu einer Gefängnisstrafe von 20 Monaten.
Das Obergericht des Kantons Thurgau wies am 4. Februar 1975 die Berufung des Verurteilten ab.
BGE 101 IV 47 S. 48
C.-
X. führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, den angefochtenen Entscheid hinsichtlich der Verurteilung wegen vollendeten Versuchs der Nötigung sowie der Anstiftung dazu aufzuheben und die Sache zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau beantragt Abweisung der Beschwerde.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
2.
Eine Bestrafung wegen vollendeten Nötigungsversuchs gemäss Art. 181 in Verbindung mit
Art. 22 StGB
setzt u.a. voraus, dass der Täter jemandem ernstliche Nachteile androht.
X. stellt sich auf den Standpunkt, dass im vorliegenden Fall die Rechtswidrigkeit nicht gegeben sei.
Art. 181 StGB
, der die persönliche Freiheit schütze, müsse zurückhaltend angewendet werden. Wer sich in das Geschäft des Betäubungsmittelhandels einlasse, rechne zum vornherein mit etwas härteren Methoden und willige in diese ein.
a) Ob die angedrohten Nachteile "ernstliche" im Sinne des Gesetzes sind, entscheidet sich nach einem objektiven Massstab. Nur Drohungen, die eine verständige Person in der Lage des Betroffenen motivieren können, fallen darunter (G. STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, BT I, S. 90 f. mit Hinweisen; ferner
BGE 96 IV 62
). Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers spielt die subjektive Widerstandskraft des Opfers keine Rolle. Lässt sich der Bedrohte aus irgendeinem Grunde nicht einschüchtern, so liegt ein Versuch der Nötigung vor.
Im übrigen vermag die Auffassung des Beschwerdeführers ohnehin nicht durchzudringen, da die Vorinstanz verbindlich feststellt, B. habe grosse Angst gehabt und gefürchtet, die drei Angeklagten würden ihn zusammenschlagen, falls er die Rückzahlung nicht anerkenne. Darum versprach er, was die Täter verlangten. Erst am nächsten Tag, nach Wegfall der Drohung, habe er sich zur Polizei gewagt. Demnach kann keine Rede davon sein, dass B. auf seine Handlungsfreiheit teilweise verzichtet habe und im Drogenmilieu besonders resistent geworden sei. Infolgedessen ist die Voraussetzung der Androhung ernstlicher Nachteile im Sinne von
Art. 181 StGB
erfüllt.
BGE 101 IV 47 S. 49
b) Zur Frage der Rechtswidrigkeit hat der Kassationshof wiederholt erklärt, dass eine Nötigung strafbar sei, sofern der damit verfolgte Zweck oder das dazu verwendete Mittel gegen die Rechtsordnung oder die guten Sitten verstosse (
BGE 96 IV 60
E. 1,
BGE 101 IV 43
E. 1). Die Einschüchterungsversuche mit dem Dolch anlässlich der gemeinsamen Autofahrt enthielten zweifellos eine Drohung mit einem rechtswidrigen Mittel im Sinne der Rechtsprechung und stellen somit einen rechtswidrigen Nötigungsversuch dar.
Aber auch die Äusserungen gegenüber B., man werde ihn wegen Handels mit 2 kg Haschisch "hochfliegen" lassen, falls er die Forderung von Fr. 1'650.-- nicht anerkenne, erfüllen den Tatbestand des Nötigungsversuchs. Zwar ist die Androhung einer Strafanzeige an sich kein unerlaubtes Mittel, und auch der verfolgte Zweck - nämlich die Anerkennung einer Forderung - verstösst an sich nicht gegen die Rechtsordnung (
BGE 87 IV 14
). Ein Verstoss gegen die Rechtsordnung ist aber gegeben, sobald die Verknüpfung zwischen dem zulässigen Mittel und dem erlaubten Zweck sich als rechtsmissbräuchlich oder sittenwidrig darstellt (STRATENWERTH, a.a.O., S. 92 und V. SCHWANDER, Das Schweizerische Strafgesetzbuch, 2. Auflage, N. 629a). Demzufolge hat der Kassationshof seit jeher die Drohung mit einer Strafanzeige dann als rechtswidrig betrachtet, wenn - wie im vorliegenden Fall - zwischen dem Straftatbestand, der angezeigt werden soll, und dem Gegenstand des gestellten Begehrens ein sachlicher Zusammenhang fehlt (
BGE 87 IV 14
und
BGE 96 IV 60
ff.).
3.
Ferner macht X. geltend, er habe mit seinem Sohn und Z. zusammen lediglich bei B. dessen Schuld eintreiben wollen. Die als Nötigung qualifizierten Handlungen seien im wesentlichen von Z. ausgeführt worden. Soweit dem Beschwerdeführer vorgeworfen werde, durch Unterlassung mitgewirkt zu haben, komme ihm die erforderliche Garantenstellung nicht zu. Ebenso fehle der entscheidende Nötigungsvorsatz völlig. Mit diesen Ausführungen bestreitet X. sinngemäss seine Mittäterschaft, insbesondere den entsprechenden Vorsatz.
Mittäterschaft liegt vor, wenn jemand bei der Entschliessung, Planung oder Ausführung eines Deliktes vorsätzlich und in massgebender Weise mit einem andern Täter zusammenwirkt (
BGE 98 IV 259
E. 5 mit Verweisungen; ferner
BGE 101 IV 47 S. 50
BGE 99 IV 85
und
BGE 100 IV 1
). Welchen Vorsatz ein Täter hatte, ist eine Frage des inneren Tatbestandes. Die von der Vorinstanz darüber getroffenen Feststellungen sind für den Kassationshof verbindlich und können nicht mit der Nichtigkeitsbeschwerde angefochten werden (Art. 273 Abs. 1 lit. b und 277bis Abs. 1 BStP;
BGE 98 IV 66
und 259 E. 4). Auch wenn die diesbezüglichen Erwägungen des Obergerichts nicht sehr klar formuliert sind, so ergibt sich doch aus dem gesamten Urteil, dass X. den Nötigungsvorsatz hatte. Selbst wenn man annehmen wollte, die Anregung des Beschwerdeführers zur gemeinsamen Fahrt nach Schaffhausen habe sich noch nicht auf ein strafbares Vorgehen bezogen, so zeigen die Bemerkungen von Z. deutlich, dass B. unter Druck gesetzt werden sollte. Schon die nächtliche Fahrt der drei Angeklagten mit B. zusammen auf einen einsamen Platz weist darauf hin, dass es sich hier offenbar nicht um eine gewöhnliche Zahlungsaufforderung handelte. Die Mittäterschaft des Beschwerdeführers an der Nötigung und sein entsprechender Vorsatz ergeben sich vor allem aus der festgestellten Tatsache, dass er das offensichtlich bereits verängstigte Opfer im Auto an eine einsame Stelle führte, wo es dem massiven Druck von Z. hilflos ausgesetzt werden sollte. Aus diesem Sachverhalt folgt, dass sich der Tatbeitrag von X. keineswegs in einem blossen Unterlassen erschöpfte.
4.
Begründet ist dagegen die Beschwerde, soweit sie sich gegen die Verurteilung wegen Anstiftung zum Nötigungsversuch richtet.
a) Die Verurteilung wegen Anstiftung wird von der Vorinstanz ausschliesslich auf folgende Aussagen des Beschwerdeführers gestützt: "Ich schlug vor, man könnte nach Schaffhausen fahren und von B. das Geld verlangen, Z. erwähnte, er komme mit, er wisse schon wie man das Bürschli unter Druck setzen könne. Ich war einverstanden. Ich dachte mir, da kann er zeigen, was er kann." Ob diese Äusserungen für eine Bestrafung gemäss
Art. 24 StGB
genügen, erscheint fraglich, braucht aber nicht entschieden zu werden. Denn die Beschwerde muss in diesem Punkt schon aus anderen Gründen geschützt werden.
b) Nach der Praxis des Bundesgerichtes geht die Teilnahme (einschliesslich Anstiftung) in der Täterschaft auf (
BGE 100 IV 2
ff. E. 5). Ein Täter kann also nicht auch noch wegen
BGE 101 IV 47 S. 51
Anstiftung eines Mittäters zum gemeinsamen Delikt bestraft werden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn er bereits im Zeitpunkt der Anstiftung massgeblich an der Planung, Vorbereitung oder Ausführung der Tat beteiligt war.
Die Beschwerdegegnerin kritisiert diese Rechtsprechung mit der Behauptung, dass die Korruptionstheorie den schweizerischen Grundprinzipien eines Schuldstrafrechtes wesentlich besser entspreche als die vom Bundesgericht vertretene Auffassung. Dieser Einwand ist jedoch verfehlt. In
BGE 100 IV 2
ff. wurde ausführlich dargelegt, dass der Strafgrund der Teilnahme - namentlich auch der Anstiftung - in der Mitwirkung an dem vom Täter begangenen Unrecht liegt. Das ergibt sich aus dem in
Art. 26 StGB
verankerten Grundsatz der limitierten Akzessorietät (G. STRATENWERTH, ZStR 81/1965, S. 203). Von diesem Standpunkt abzuweichen, besteht kein Anlass.
Ferner wendet die Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau gegen die bundesgerichtliche Praxis ein, dass sie bei der Strafzumessung in den Fällen bloss versuchter Straftaten zu kaum vertretbaren Ergebnissen führe. In jenen Fällen nämlich, wo ein Mittäter andere zu einem gemeinsamen Delikt anstifte und sein eigener Tatbeitrag - im Gegensatz zu demjenigen der übrigen Mittäter - im Stadium der Versuches stecken bleibe, könne der Richter die Strafe für den anstiftenden Mittäter, nicht jedoch diejenige für die angestifteten nach
Art. 21 StGB
mildern. Damit wird aber von der Beschwerdegegnerin der Begriff der Mittäterschaft verkannt; eine Bestrafung wegen Mittäterschaft bei einer vollendeten Tat setzt nicht voraus, dass der Tatbeitrag des betreffenden Mittäters sich als vollendetes Delikt darstellt. Es wird nicht einmal verlangt, dass ein Mittäter an der Tatausführung selbst beteiligt sei; vielmehr kann auch eine Beteiligung an der Tatplanung für die Mittäterschaft genügen (
BGE 98 IV 259
E. 5). Im übrigen lässt sich ein allfälliges erhöhtes Verschulden eines Mittäters, der andere zu einem gemeinsamen Delikt anstiftet, im Rahmen der Strafzumessung nach
Art. 63 StGB
hinreichend berücksichtigen (PH. THORMANN/A. V. OVERBECK, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Bd. I, N. 11 vor Art. 24 und BJM 1969, S. 30).
Aus diesen Gründen muss die Beschwerde hinsichtlich der Bestrafung wegen Anstiftung zum Nötigungsversuch gutgeheissen werden. Der Fall ist an die Vorinstanz zurückzuweisen,
BGE 101 IV 47 S. 52
damit sie in diesem Punkt den Beschwerdeführer freispreche und sich erneut zum Strafmass äussere. Dabei steht es ihr frei, die Einwirkung des Beschwerdeführers auf Z., die im angefochtenen Urteil gesondert als Anstiftung erfasst worden ist, nunmehr bei der Strafzumessung für die Nötigung als zusätzliche Belastung zu berücksichtigen. Die teilweise Gutheissung der Beschwerde muss somit nicht auch zu einer Minderung der Strafe führen.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 4. Februar 1975 aufgehoben und die Sache zur Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen. | null | nan | de | 1,975 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
181e656f-b806-4706-b33b-e39a5b0fad47 | Urteilskopf
135 II 334
34. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. Eidg. Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation gegen X. und Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
1C_130/2009 vom 1. September 2009 | Regeste
Art. 16 Abs. 3 SVG
,
Art. 29 Abs. 1 BV
,
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
; keine Unterschreitung der Mindestdauer des Führerausweisentzugs wegen Verletzung des Anspruchs auf Beurteilung innert angemessener Frist.
Die Mindestdauer des Führerausweisentzugs darf auch bei Verletzung des Anspruchs auf Beurteilung innert angemessener Frist nicht unterschritten werden (E. 2.2).
Frage offengelassen, ob im Falle einer schweren Verletzung des Anspruchs auf Beurteilung innert angemessener Frist, der nicht in anderer Weise Rechnung getragen werden kann, ausnahmsweise gänzlich auf eine Massnahme verzichtet werden darf (E. 2.3).
Feststellung im Dispositiv des bundesgerichtlichen Urteils, dass der Anspruch auf Beurteilung innert angemessener Frist verletzt worden ist (E. 3). | Sachverhalt
ab Seite 335
BGE 135 II 334 S. 335
A.
Am 7. Mai 2006 fuhr X. innerorts auf der Zürichstrasse in Aathal-Seegräben Richtung Uster mit einer rechtlich massgebenden Geschwindigkeit (d.h. unter Abzug einer Sicherheitsmarge von 5 km/ h) von 80 km/h. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit betrug 50 km/h. Mit Strafbefehl vom 29. August 2006 auferlegte ihm die Staatsanwaltschaft See/Oberland wegen grober Verletzung der Verkehrsregeln gemäss
Art. 90 Ziff. 2 SVG
eine Busse von Fr. 1'200.-. Mit Verfügung vom 31. Januar 2007 entzog ihm sodann die Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich gestützt auf Art. 16c Abs. 1 lit. a und Abs. 2 lit. a SVG den Führerausweis für drei Monate. Den gegen diese Verfügung gerichteten Rekurs wies der Regierungsrat des Kantons Zürich mit Entscheid vom 7. Mai 2008 ab. X. gelangte in der Folge mit Beschwerde an das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich. Das Verwaltungsgericht hiess das Rechtsmittel mit Entscheid vom 11. Februar 2009 teilweise gut und reduzierte die Entzugsdauer auf zwei Monate. Zur Begründung führte es eine Verletzung des Beschleunigungsgebots durch die Vorinstanzen an. Die Dauer des Verfahrens vor der Sicherheitsdirektion von etwa vier Monaten und jene des Verfahrens vor dem Regierungsrat von dreizehn Monaten seien zu lang gewesen.
B.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 26. März 2009 beantragt das Bundesamt für Strassen (ASTRA), der Entscheid des Verwaltungsgerichts sei aufzuheben und X. sei der Führerausweis für die Dauer von drei Monaten zu entziehen.
BGE 135 II 334 S. 336
Das ASTRA macht geltend, der angefochtene Entscheid verletze Art. 16 Abs. 3 i.V.m. Art. 16c Abs. 1 lit. a und Abs. 2 lit. a SVG. (...)
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde im Sinne der Erwägungen gut. Es hebt den angefochtenen Entscheid teilweise auf und ordnet den Entzug des Führerausweises für die Dauer von drei Monaten an. Es stellt fest, dass die Verwaltungsbehörden den Anspruch des Beschwerdegegners auf Beurteilung innert angemessener Frist verletzt haben.
(Auszug)
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
2.1
Das beschwerdeführende Amt ist der Ansicht, dass
Art. 16 Abs. 3 Satz 2 SVG
es verbiete, die Mindestentzugsdauer von drei Monaten zu unterschreiten. Der Beschwerdegegner erwidert,
Art. 16 Abs. 3 SVG
befasse sich lediglich mit persönlichen Umständen. Die Vorschrift sei im vorliegenden Fall, wo es um eine Verletzung des Beschleunigungsgebots gehe, nicht anwendbar und die Unterschreitung der Mindestentzugsdauer deshalb zulässig.
2.2
Nach der früheren Rechtsprechung zu den altrechtlichen Administrativmassnahmen konnte die Mindestentzugsdauer unterschritten und allenfalls von der Anordnung einer Massnahme abgesehen werden, wenn seit dem massnahmeauslösenden Ereignis verhältnismässig lange Zeit verstrichen war, sich der Betroffene während dieser Zeit wohl verhalten hatte und ihn an der Verfahrensdauer keine Schuld traf (
BGE 120 Ib 504
E. 4e S. 510). In späteren Entscheiden wurde die Möglichkeit, die gesetzliche Mindestentzugsdauer zu unterschreiten, bestätigt (vgl. etwa
BGE 127 II 297
E. 3d S. 300;
BGE 124 II 103
E. 2a und b S. 108 f.; je mit Hinweisen).
Das Administrativmassnahmenrecht des Strassenverkehrsgesetzes wurde per 1. Januar 2005 verschärft. Gemäss
Art. 16 Abs. 3 Satz 2 SVG
darf die Mindestentzugsdauer nun nicht mehr unterschritten werden. Ziel der Revision war "eine einheitlichere und strengere Ahndung von schweren und wiederholten Widerhandlungen gegen Strassenverkehrsvorschriften" (Botschaft vom 31. März 1999 zur Änderung des Strassenverkehrsgesetzes [SVG], BBl 1999 4485). Die besonderen Umstände des Einzelfalls, namentlich die Gefährdung der Verkehrssicherheit, das Verschulden, der Leumund als Motorfahrzeugführer sowie die berufliche Notwendigkeit, ein Motorfahrzeug zu führen, sollen neu nur bis zur gesetzlich
BGE 135 II 334 S. 337
vorgeschriebenen Mindestentzugsdauer berücksichtigt werden können (vgl.
Art. 16 Abs. 3 Satz 1 SVG
; Urteile des Bundesgerichts 1C_275/2007 vom 16. Mai 2008 E. 4.5; 6A.61/2006 vom 23. November 2006 E. 4.3 f., in: JdT 2007 I 502; 6A.38/2006 vom 7. September 2006 E. 3.1.2, in: JdT 2006 I 412; je mit Hinweisen). Zu den bei der Festsetzung des Führerausweisentzugs zu berücksichtigenden Umständen zählt wie unter dem früheren Recht auch die Verletzung des Anspruchs auf Beurteilung innert angemessener Frist (
Art. 29 Abs. 1 BV
,
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
; siehe auch BBl 1999 4486, wo auf die entsprechende frühere "Bundesgerichtspraxis, eingeführt mit
BGE 120 Ib 504
" hingewiesen wird). Entsprechend kommt die Unterschreitung der Mindestentzugsdauer wegen einer Verletzung dieses Anspruchs nicht mehr in Frage. Der angefochtene Entscheid verletzt
Art. 16 Abs. 3 Satz 2 SVG
und ist aufzuheben.
2.3
Eine andere Frage ist, ob - ebenfalls nach Massgabe des früheren Rechts - bei einer schweren Verletzung des Anspruchs auf Beurteilung innert angemessener Frist, der nicht in anderer Weise Rechnung getragen werden kann, ausnahmsweise gänzlich auf eine Massnahme verzichtet werden kann (siehe für das Strafrecht:
BGE 133 IV 158
E. 8 S. 170; Urteil 6B_801/2008 vom 12. März 2009 E. 3.5; je mit Hinweis). Die Frage braucht nicht weiter erörtert zu werden, da hier, wo bis zum Entscheid der Sicherheitsdirektion etwa vier und bis zu jenem des Regierungsrats dreizehn Monate vergingen, kein solcher Fall vorliegt. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die zur Diskussion stehende Massnahme durch den Zeitablauf ihrer erzieherischen Wirkung beraubt worden wäre (vgl.
BGE 127 II 297
E. 3d S. 300 mit Hinweisen).
3.
Die Vorinstanz hätte von einer Reduktion der Dauer des Führerausweisentzugs absehen und es in teilweiser Gutheissung der Beschwerde bei einer Feststellung der Verletzung des Anspruchs auf Beurteilung innert angemessener Frist bewenden lassen müssen (vgl. etwa
BGE 130 I 312
E. 5.3 S. 333 mit Hinweis; Urteil des EGMR
P.B. gegen Frankreich
vom 1. August 2000 § 52). Das angefochtene Urteil ist deshalb auch diesbezüglich aufzuheben und es ist festzustellen, dass der Anspruch des Beschwerdegegners auf Beurteilung innert angemessener Frist verletzt worden ist (
Art. 107 Abs. 2 BGG
). (...) | public_law | nan | de | 2,009 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
182043c9-8659-4d27-b139-137a2a0021d7 | Urteilskopf
140 III 221
34. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. Eidgenössische Invalidenversicherung gegen Nationales Versicherungsbüro (NVB) (Beschwerde in Zivilsachen)
4A_62/2014 vom 20. Mai 2014 | Regeste
Art. 30 Abs. 1 BV
,
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
,
Art. 47 ZPO
; Befangenheit einer Gerichtsperson.
Zusammenfassung der in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze (E. 4). Anschein der Befangenheit einer Oberrichterin wegen besonderer Nähe ihres Ehemannes und ihres Schwagers zu einer mit einer Verfahrenspartei eng verbundenen Person (E. 5). | Erwägungen
ab Seite 221
BGE 140 III 221 S. 221
Aus den Erwägungen:
4.
4.1
Nach
Art. 30 Abs. 1 BV
und
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
hat jede Person, deren Sache in einem gerichtlichen Verfahren beurteilt werden muss, Anspruch darauf, dass ihre Streitsache von einem unbefangenen, unvoreingenommenen und unparteiischen Richter beurteilt wird. Es soll garantiert werden, dass keine sachfremden Umstände, die ausserhalb des Prozesses liegen, in sachwidriger Weise zugunsten oder zulasten einer Partei auf das gerichtliche Urteil einwirken.
Art. 30 Abs. 1 BV
soll zu der für einen korrekten und fairen Prozess
BGE 140 III 221 S. 222
erforderlichen Offenheit des Verfahrens im Einzelfall beitragen und damit ein gerechtes Urteil ermöglichen (
BGE 139 III 433
E. 2.1.2 S. 435 f.;
BGE 139 III 120
E. 3.2.1 S. 124;
BGE 138 I 1
E. 2.2 S. 3;
BGE 137 I 227
E. 2.1 S. 229;
BGE 136 I 207
E. 3.1 S. 210).
Die Garantie des verfassungsmässigen Richters wird bereits verletzt, wenn bei objektiver Betrachtung Gegebenheiten vorliegen, die den Anschein der Befangenheit oder die Gefahr der Voreingenommenheit zu begründen vermögen. Voreingenommenheit und Befangenheit in diesem Sinne werden nach der Rechtsprechung angenommen, wenn im Einzelfall anhand aller tatsächlichen und verfahrensrechtlichen Umstände Gegebenheiten aufscheinen, die geeignet sind, Misstrauen in die Unparteilichkeit des Richters zu erwecken. Dabei ist nicht auf das subjektive Empfinden einer Partei abzustellen. Das Misstrauen in die Unvoreingenommenheit muss vielmehr in objektiver Weise begründet erscheinen. Es genügt, wenn Umstände vorliegen, die bei objektiver Betrachtung den Anschein der Befangenheit und Voreingenommenheit hervorrufen. Für die Ablehnung wird nicht verlangt, dass der Richter tatsächlich befangen ist (
BGE 139 III 433
E. 2.1.1 S. 436;
BGE 139 I 121
E. 5.1 S. 125;
BGE 139 III 120
E. 3.2.1 S. 124;
BGE 138 I 1
E. 2.2 S. 3;
BGE 137 I 227
E. 2.1 S. 229;
BGE 136 I 207
E. 3.1 S. 210; je mit Hinweisen).
4.2
Art. 47 ZPO
umschreibt die Ausstandsgründe auf Gesetzesebene. Neben den persönlichen Beziehungen gemäss Abs. 1 lit. b-e, die ohne weiteres einen Ausstand begründen, enthält
Art. 47 Abs. 1 lit. f ZPO
eine Generalklausel ("aus anderen Gründen").
Art. 47 Abs. 1 lit. f ZPO
wird durch einen weiteren generalklauselartig umschriebenen Ausstandsgrund (
Art. 47 Abs. 1 lit. a ZPO
) ergänzt, für den Fall, dass ein "persönliches Interesse" auf Seiten der Gerichtsperson vorliegt. Vergleichbare Generalklauseln finden sich auch in
Art. 34 Abs. 1 lit. a und lit. e BGG
.
Im Rahmen der Konkretisierung der Generalklauseln sind die aus
Art. 30 Abs. 1 BV
fliessenden Grundsätze zu beachten (
BGE 139 III 433
E. 2.2 S. 441). Zu den persönlichen Interessen gemäss
Art. 47 Abs. 1 lit. a ZPO
gehören nicht nur solche, welche die Gerichtsperson direkt, sondern auch solche, die sie indirekt betreffen. Dabei ist vorausgesetzt, dass die Gerichtsperson eine spürbare persönliche Beziehungsnähe zum Streitgegenstand aufweist. Das Interesse kann materiell oder ideell sein und es kann die rechtliche oder die tatsächliche Situation beeinflussen. Es muss aber, um die richterliche
BGE 140 III 221 S. 223
Unabhängigkeit in Frage zu stellen, die betreffende Gerichtsperson nicht nur allgemein berühren, sondern die persönliche Interessensphäre spürbar und mehr als diejenige anderer Gerichtspersonen tangieren. Das Interesse kann auch über die Beziehung zu einer Drittpartei gegeben sein, die dem Richter einen Vor- oder Nachteil im Zusammenhang mit dem Ausgang des Rechtsstreits verschaffen kann (vgl. Urteil 4A_162/2010 vom 22. Juni 2010 E. 2.2 zu
Art. 34 Abs. 1 lit. a BGG
), oder weil eine direkte oder indirekte Betroffenheit einer Person zu bejahen ist, mit welcher die Gerichtsperson im Sinne von Art. 47 Abs. 1 lit. c oder lit. d ZPO persönlich verbunden ist (DAVID RÜETSCHI, in: Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2010, N. 10 zu
Art. 47 ZPO
).
4.3
Das Bundesgericht hatte sich wiederholt mit Fällen zu befassen, in denen ein nebenamtlicher Richter (oder Schiedsrichter) wegen seiner hauptamtlichen Tätigkeit in einer Anwaltskanzlei mit einer Prozesspartei besonders verbunden war:
4.3.1
Es erklärte, ein als Richter amtender Anwalt erscheine als befangen, wenn zu einer Partei ein noch offenes Mandat bestehe oder er für eine Partei in dem Sinne mehrmals anwaltlich tätig geworden sei, dass eine Art Dauerbeziehung bestehe. Das gelte unabhängig davon, ob das Mandat in einem Sachzusammenhang mit dem zu beurteilenden Streitgegenstand stehe oder nicht (
BGE 139 III 433
E. 2.1.4 S. 437;
BGE 138 I 406
E. 5.3 und E. 5.4 S. 407 f.;
BGE 135 I 14
E. 4.1 S. 15 f.; je mit Hinweisen). In solchen Fällen geht das Bundesgericht ungeachtet der weiteren konkreten Umstände von einem Anschein der Befangenheit aus (
BGE 139 III 433
E. 2.1.4 S. 437 mit Hinweis).
4.3.2
Ein Anschein der Befangenheit ergibt sich nach der Rechtsprechung auch daraus, dass nicht ein nebenamtlicher Richter selbst, sondern ein anderer Anwalt seiner Kanzlei ein Mandat mit einer Prozesspartei unterhält bzw. kurz zuvor oder im Sinn eines Dauerverhältnisses mehrmals unterhalten hat. Denn der Mandant erwarte nicht nur von seinem Ansprechpartner innerhalb der Anwaltskanzlei, sondern von deren Gesamtheit Solidarität. Die einheitliche Betrachtung entspreche auch dem anwaltlichen Berufsrecht, das im Hinblick auf einen Interessenkonflikt alle in einer Kanzleigemeinschaft zusammengefassten Anwälte wie einen Anwalt behandle (
BGE 139 III 433
E. 2.1.5 S. 438 mit Hinweisen).
4.3.3
Schliesslich bejahte das Bundesgericht eine besondere Verbundenheit und damit den Anschein der Befangenheit, wenn ein offenes
BGE 140 III 221 S. 224
Mandat des als nebenamtlicher Richter tätigen Anwalts oder seiner Kanzlei nicht nur zu einer Verfahrenspartei, sondern auch zu einer mit dieser eng verbundenen Person (Konzernschwester) bestehe. In einem solchen Fall wäre im Hinblick auf den massgebenden Gesichtspunkt des Anscheins der Befangenheit ein streng schematisches und auf die rechtliche Unabhängigkeit abstellendes Vorgehen verfehlt (vgl. auch
BGE 139 III 433
E. 2.1.6 S. 439 f.).
4.4
Gestützt auf den verfassungsrechtlichen Anspruch auf einen unparteiischen Richter bejahte das Bundesgericht sodann einen Ablehnungsgrund wegen der familiären Nähe, wenn ein Richter einen Entscheid zu fällen hat, der Einfluss auf ein Verfahren haben kann, in das der Ehemann der Schwester seiner Frau verwickelt ist (
BGE 117 Ia 170
E. 3b S. 174).
5.
5.1
Die Beschwerdeführerin beruft sich zwar auf
Art. 47 Abs. 1 lit. c und lit. e ZPO
, macht aber zu Recht nicht geltend, der Ehemann bzw. der Schwager der Oberrichterin würden die Versicherung F. AG im vorliegenden Verfahren vertreten. Diese Bestimmungen sind daher unmittelbar nicht anwendbar.
5.2
Vielmehr beruft sich die Beschwerdeführerin auf die in
BGE 139 III 433
zusammengefassten und entwickelten Grundsätze (oben E. 4.3).
5.2.1
Die Versicherung F. AG ist formell nicht Partei. Beschwerdegegner ist das Nationale Versicherungsbüro Schweiz (NVB), ein Verein, der von den in der Schweiz zum Betrieb der Motorfahrzeug-Haftpflichtversicherung zugelassenen Versicherungseinrichtungen gemeinsam betrieben wird (
Art. 74 Abs. 1 SVG
). Gemäss
Art. 76b Abs. 4 lit. a SVG
kann das NVB die Erfüllung der ihm obliegenden Aufgaben einem geschäftsführenden Versicherer übergeben. Seit der Gründung des Vereins wird diese Aufgabe von der Versicherung F. AG wahrgenommen. Inwieweit die Versicherung F. AG in dieser Funktion dem NVB bzw. dem ausländischen Versicherer gegenüber in der Verantwortung steht bzw. entschädigt wird, ist nicht im Einzelnen bekannt. Immerhin wird in einem Schreiben vom 5. Juli 2006 der damaligen Rechtsvertreterin der Versicherten an die Versicherung F. AG auf ein Gespräch mit dem Sachbearbeiter Bezug genommen, wonach dieser darauf hingewiesen habe, dass die Versicherung F. AG ihrerseits gegenüber der deutschen Haftpflichtversicherung Rechenschaft ablegen müsse. Es trifft sodann zu, wie die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf eine Vielzahl
BGE 140 III 221 S. 225
von Aktenstücken geltend macht, dass die Versicherung F. AG den Schadenfall wie einen eigenen abgewickelt hat. Namentlich schloss sie mit der Versicherten die "Vereinbarung über die Auszahlung von Versicherungsleistungen" mit folgendem Wortlaut:
"Sie [die Versicherte] erklärt sich damit für die ihr aus diesem Schadenereignis erwachsenen Ansprüche an die Gesellschaft 'F.' und an den Halter sowie den Lenker des versicherten Fahrzeugs wie auch an das Nationale Versicherungsbüro Schweiz, ebenso gegenüber der ausländischen Motorfahrzeug-Haftpflichtversicherung SV Gebäudeversicherung, Stuttgart, als abgefunden."
Die Versicherte erklärte sich also ausdrücklich auch gegenüber der Versicherung F. AG als abgefunden. Ein eigenes Interesse der Versicherung F. AG an der Abwicklung des Schadenfalls, wozu auch das streitgegenständliche Verfahren gehört, kann nicht verneint werden. Bei der Versicherung F. AG handelt es sich somit zwar nicht um eine Verfahrenspartei, jedoch um eine mit einer solchen eng verbundenen Person im Sinne der Rechtsprechung (vgl. E. 4.3.3).
5.2.2
Die Vergleichbarkeit mit der in
BGE 139 III 433
beurteilten Streitsache sieht die Beschwerdeführerin darin, dass der Ehemann der Oberrichterin die Versicherung F. AG in früheren Verfahren vertreten habe (vgl. E. 4.3.1) und die Nähe zwischen Ehemann und Richtergattin ähnlich sei wie jene zwischen zwei Anwälten der gleichen Bürogemeinschaft (vgl. E. 4.3.2).
Eine Dauerbeziehung im Sinn der Rechtsprechung ist glaubhaft gemacht. Zwar konnte die Beschwerdeführerin nur drei konkrete Fälle benennen, jedoch über einen grösseren Zeitraum. Hinzu kommt namentlich, dass der Ehemann mit seinem Bruder ein ehemaliges Direktionsmitglied der Versicherung F. AG in sein Anwaltsbüro aufnahm und es naheliegt, dass auf diese Weise Haftpflichtfälle der Versicherung F. AG akquiriert werden. Schliesslich hat der Beschwerdegegner auch nicht bestritten, dass der Ehemann gemäss Hinweis des konsultierten Rechtsanwalts regelmässig mit Prozessmandaten der Versicherung F. AG betraut sei.
Jedoch kann die vorliegende Situation nicht ohne weiteres mit der Betreuung eines Dauermandats durch einen Bürokollegen eines nebenamtlichen Richters/Anwalts gleichgesetzt werden. Die Begründung in
BGE 139 III 433
- dass ein Mandant Solidarität nicht nur von seinem Ansprechpartner in der Anwaltskanzlei, sondern von deren Gesamtheit erwarte, und dass auch im anwaltlichen Berufsrecht bei Interessenkonflikten die in einer Kanzleigemeinschaft
BGE 140 III 221 S. 226
zusammengefassten Anwälte wie ein Anwalt behandelt werden (vgl. E. 4.3.2) - trifft auf ein Ehepaar so nicht zu. Immerhin lässt sich argumentieren, dass ein persönliches Interesse der Oberrichterin im Sinne von
Art. 47 Abs. 1 lit. a ZPO
darin gesehen werden kann, dass ihr Ehemann wegen des Dauermandats indirekt vom Ausgang des Prozesses betroffen ist (vgl. vorne E. 4.2 a.E.). Es kann jedoch offenbleiben, ob dies als Ausstandsgrund genügen könnte. Vorliegend kommen weitere Gründe hinzu:
5.2.3
Es ist ausgewiesen, dass der Bruder des Ehemannes und heutiger Bürokollege, der in der Zeit von 1985 bis 2008 Mitglied der Direktion bei der Versicherung F. AG war, im Jahr 2006 an der vergleichsweisen Erledigung des Direktschadens (Haushaltschaden, Genugtuung und Rechtsvertretungskosten) mit der Versicherten beteiligt war. Das ergibt sich einerseits aus dem Schreiben der damaligen Rechtsvertreterin der Versicherten vom 5. Juli 2006, das an ihn persönlich gerichtet ist und dem von ihm mitunterzeichneten Antwortschreiben vom 12. Juli 2006. Beide Schreiben zeigen, dass der Vergleich massgeblich aufgrund seiner Einflussnahme zustande kam.
Der Beschwerdegegner wendet ein, dieser Vergleich habe nicht "Schadenkategorien" betroffen, für welche die Beschwerdeführerin hier Regress nehmen wolle, und ausserdem auch eine andere Partei. Unter Hinweis auf ein Schreiben der SVA St. Gallen an die Versicherung F. AG vom 9. Juni 2008 macht er geltend, dass die Auseinandersetzung mit der Beschwerdeführerin über den Regress erst im Juni 2008 begonnen habe, nachdem der Bruder des Ehemannes aber bereits am 21. Dezember 2007 aus der Versicherung F. AG ausgeschieden war. Er sei daher nie in das vorliegende Regressverfahren involviert gewesen.
Es kann offenbleiben, ob sich die Streitigkeit nicht schon länger abzeichnete. Der Regress betrifft Umschulungskosten für den Zeitraum bis zum 10. August 2005 und die Rechtsvertreterin der Versicherten erwähnte bereits in ihrem Schreiben vom 5. Juli 2006 an das damalige Direktionsmitglied der Versicherung F. AG, ihre Mandantin sei dankbar "für die Ermöglichung eines kaufmännischen Berufsabschlusses durch die IV". Eine Umschulung setzt voraus, dass die Versicherte in der bisherigen bzw. den ihr ohne zusätzliche Ausbildung offenstehenden Erwerbstätigkeiten eine Erwerbseinbusse erleidet. Dem Bruder des Ehemannes und Schwager der Oberrichterin, der gemäss Webseite des Anwaltsbüros Fachspezialist im
BGE 140 III 221 S. 227
Haftpflichtrecht sowie für Sozialversicherungsleistungen und Regresse ist, war somit im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses mit der Versicherten zweifellos bewusst, dass die von der Beschwerdeführerin verfügte Umschulung eine Regressproblematik beinhaltete. Er war demnach zwar nicht am vorliegenden Prozess beteiligt, doch war er massgeblich für Leistungen verantwortlich, welche auf dem gleichen Lebenssachverhalt und zum Teil den gleichen Leistungsvoraussetzungen beruhten, und es ist glaubhaft, dass ihm auch die Regressfrage bekannt war.
5.2.4
Insgesamt besteht daher über ihren Ehemann und ihren Schwager eine derartige Nähe zu dem die Regressforderung bestreitenden Beschwerdegegner, dass die Oberrichterin wegen des Anscheins der Befangenheit hätte in den Ausstand treten müssen. Das angefochtene Urteil ist aus diesem Grund aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung, durch einen verfassungs- und gesetzmässig zusammengesetzten Spruchkörper, an die Vorinstanz zurückzuweisen. Dies rechtfertigt sich umso mehr, als gemäss
Art. 48 ZPO
eine betroffene Gerichtsperson einen möglichen Ausstandsgrund von sich aus vorgängig offenlegen muss (vgl. auch Urteil 4A_162/2010 vom 22. Juni 2010 E. 2.3). | null | nan | de | 2,014 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
182da3dd-ee69-4b8b-88c0-d3fdd4217fee | Urteilskopf
120 Ia 270
42. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 2. November 1994 i.S. Deutsche Bundesbahn gegen Basler Heimatschutz und Freiwillige Basler Denkmalpflege sowie Regierungsrat und Appellationsgericht (als Verwaltungsgericht) des Kantons Basel-Stadt (staatsrechtliche Beschwerde) | Regeste
Art. 22ter BV
; Denkmalschutzmassnahme bei einem Bahnhofgebäude.
Die Unterschutzstellung einzelner Gebäudeteile darf nicht zur Beeinträchtigung des Denkmalwerts des gesamten Bauwerks führen (E. 4c).
Am Schutz zahlreicher Innenräume des Badischen Bahnhofs in Basel besteht ein öffentliches Interesse, das die entgegenstehenden Interessen an einer uneingeschränkten Umgestaltung überwiegt, obschon bei mehreren Innenräumen (Restaurants und Wartesäle) die ursprüngliche Nutzung teilweise aufgegeben wurde (E. 5, 6).
Die Unterschutzstellung verhindert nicht jede bauliche Veränderung und führt auch nicht zu einer unverhältnismässig starken Einschränkung des Bahnbetriebs (E. 6). | Sachverhalt
ab Seite 271
BGE 120 Ia 270 S. 271
Die Deutsche Bundesbahn ist Eigentümerin des auf dem Gebiet des Kantons Basel-Stadt gelegenen, in den Jahren 1909-1913 durch den Architekten Karl Moser erbauten Badischen Bahnhofs, Schwarzwaldallee 200, Basel. Nachdem die Absichten der Deutschen Bundesbahn zum Umbau eines Teils des Bahnhofgeländes zwecks Einrichtung eines Einkaufs- und Dienstleistungszentrums der Migros-Genossenschaft mit einer Nutzfläche von rund 5'000 m2 bekannt geworden waren, gelangte der Basler Denkmalrat am 14. Februar 1989 an den Vorsteher des Erziehungsdepartements des Kantons Basel-Stadt mit dem Begehren, die Liegenschaft des Badischen Bahnhofs ins Denkmalverzeichnis aufzunehmen. In der Folge unterbreitete das Erziehungsdepartement dem Regierungsrat nach Einholen der Stellungnahmen der Fachinstanzen des Bau- und des Finanzdepartements sowie eines Gutachtens der Eidgenössischen Kommission für Denkmalpflege einen entsprechenden Antrag auf Unterschutzstellung, die sich auf die Aussenhülle des Gebäudes sowie im Inneren auf bestimmte, im einzelnen aufgelistete Räumlichkeiten beziehen sollte. Am 9. April 1991 beschloss der Regierungsrat die Aufnahme des Badischen Bahnhofs ins Denkmalverzeichnis, wobei der Denkmalschutz in teilweiser Abweichung vom Antrag des Erziehungsdepartements auf die Fassaden und Dächer, die Schalterhalle, den Gang zu den Fürstenzimmern, den Vorraum, das erste und zweite Fürstenzimmer sowie Diensträume der Bahnbauinspektion beschränkt wurde.
Gegen diesen Beschluss des Regierungsrats erhoben die Deutsche Bundesbahn einerseits sowie der Basler Heimatschutz und die Freiwillige Basler Denkmalpflege andererseits Rekurs beim Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt als Verwaltungsgericht. Die Deutsche Bundesbahn beantragte, der angefochtene Regierungsratsbeschluss sei aufzuheben und es sei festzustellen, dass aufgrund staatsvertraglicher Vereinbarungen das kantonale Verfahren betreffend Unterschutzstellung keine Anwendung finde, sondern das staatsvertraglich vorgesehene Einigungsverfahren durchzuführen sei; in jedem Fall sei von einer Unterschutzstellung des Badischen Bahnhofs
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vollständig abzusehen, eventualiter sei der Schutz auf die Fassade zu beschränken. Der Basler Heimatschutz und die Freiwillige Basler Denkmalpflege verlangten, dass der angefochtene Regierungsratsbeschluss zur Ergänzung im Sinne des Antrags des Denkmalrats bzw. des Erziehungsdepartements an den Regierungsrat zurückgewiesen werde; eventuell sei der Regierungsratsbeschluss im Sinne des Antrags des Denkmalrats bzw. des Erziehungsdepartements zu ergänzen.
Das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt als Verwaltungsgericht bejahte mit Urteil vom 24. Januar 1992 sowohl in materieller als auch in formeller Hinsicht die Anwendbarkeit des schweizerischen und des basel-städtischen Rechts sowie die Zuständigkeit des Regierungsrats zur Eintragung des Badischen Bahnhofs in das Denkmalverzeichnis. Es hiess den Rekurs des Basler Heimatschutzes und der Freiwilligen Basler Denkmalpflege teilweise gut und wies die Sache an den Regierungsrat zurück zur Eintragung des Badischen Bahnhofs in das Denkmalverzeichnis hinsichtlich der Fassaden und Dächer sowie im Innern der folgenden Räumlichkeiten:
"Schalterhalle, Deutscher Revisionssaal, Oberlichtgang, Deutscher Durchgang, Restauration 1. und 2. Klasse, Warteraum 1. und 2. Klasse, Restauration 3. Klasse, Gang zu den Fürstenzimmern, Vorraum, erstes Fürstenzimmer, zweites Fürstenzimmer, Hauptausgang von Deutschland, Schweizer Revisionssaal, Riehen-Durchgang, Diensträume der Bahninspektion, Gang Dienstgebäude, Speisesaal 1. Stock."
Gegen diesen Entscheid hat die Deutsche Bundesbahn am 24. Juni 1992 staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von
Art. 4 und 22ter BV
sowie von Staatsvertragsrecht erhoben. Sie stellt das Rechtsbegehren, das angefochtene Urteil sei insoweit aufzuheben, als der Regierungsrat angewiesen wurde, mehr als die Fassaden und Dächer des Badischen Bahnhofs unter Schutz zu stellen.
Eine Delegation des Bundesgerichts hat am 28. Oktober 1993 in Anwesenheit der Parteien sowie unter Beizug des Präsidenten der Eidgenössischen Kommission für Denkmalpflege und des basel-städtischen Denkmalpflegers einen Augenschein vorgenommen.
In der Folge ersuchte der Instruktionsrichter die Eidgenössische Kommission für Denkmalpflege (EKD), ihr im kantonalen Verfahren erstattetes Gutachten, in welchem der Badische Bahnhof bloss als Gesamtbauwerk beurteilt worden war, zu ergänzen und die einzelnen Räume einer Bewertung zu unterziehen. Insbesondere wurde die Kommission aufgefordert, zur Frage Stellung zu
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nehmen, welche Räume oder Teile von Räumen ihrer Ansicht nach in Substanz und Struktur unverändert erhalten werden sollten und welche allenfalls ohne schwerwiegenden Nachteil für den Gesamtkomplex verändert bzw. für einen Umbau freigegeben werden könnten. Das entsprechende Ergänzungsgutachten wurde dem Bundesgericht am 15. Mai 1994 erstattet. Die Parteien erhielten Gelegenheit, sich dazu schriftlich zu äussern.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
Ist eine Liegenschaft in das Denkmalverzeichnis eingetragen, so hat der Eigentümer das Bauwerk zu unterhalten, damit dessen Bestand dauernd gesichert bleibt (§ 17 des basel-städtischen Gesetzes vom 20. März 1980 über den Denkmalschutz; DSchG). Darin liegt eine Eigentumsbeschränkung, die mit
Art. 22ter BV
nur vereinbar ist, wenn sie auf einer gesetzlichen Grundlage beruht, im überwiegenden öffentlichen Interesse liegt und verhältnismässig ist; kommt die Eigentumsbeschränkung einer Enteignung gleich, ist der Eigentümer voll zu entschädigen (
BGE 118 Ia 384
E. 4a mit Hinweisen). Die Frage der Entschädigung wegen allfälliger materieller Enteignung ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.
a) Dass für die Eintragung des Badischen Bahnhofs in das Denkmalverzeichnis im Denkmalschutzgesetz eine genügende gesetzliche Grundlage vorhanden ist, wird nicht bestritten. Unbestritten ist ferner, dass das Gesetz die Eintragung auch nur von Teilen eines Bauwerks zulässt (§ 5 Abs. 2 Ziff. 4 i.V.m. Art. 15 DSchG und § 10 der kantonalen Verordnung vom 14. April 1982 zum Gesetz über den Denkmalschutz [DSchV]). Schliesslich sind sich alle Beteiligten einig, dass die Unterschutzstellung eines Gebäudes nicht ein absolutes Veränderungsverbot bewirkt. Wie vor allem die Beschwerdegegner in ihren Rechtsschriften sowie der Basler Denkmalpfleger am Augenschein des Bundesgerichts betont haben, wären Veränderungen am Badischen Bahnhof im Interesse eines zeitgemässen Bahnbetriebs in Absprache mit der Basler Denkmalpflege auch bei integraler Unterschutzstellung möglich (vgl. § 18 DSchG, § 13 DSchV sowie
BGE 118 Ia 384
E. 5e S. 394). Die Eidgenössische Kommission für Denkmalpflege (EKD) führt in ihrem Ergänzungsgutachten aus, allfällige Veränderungen dürften das schutzwürdige Bauwerk in seiner Gesamtwirkung und in seiner kunst- und kulturgeschichtlichen sowie städtebaulichen Bedeutung nicht schmälern. Einzelheiten sind indessen nicht im Unterschutzstellungsverfahren festzulegen, sondern nach kantonalem Recht
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im Baubewilligungsverfahren oder bei Vorhaben im Sinne der
Art. 18 und 18a EBG
(vgl.
BGE 116 Ib 400
E. 4, 5 S. 404 ff.;
BGE 115 Ib 166
E. 3 S. 169 ff.) im eidgenössischen Plangenehmigungsverfahren. In einem allfälligen Verfahren gemäss Art. 18 des Eisenbahngesetzes vom 20. Dezember 1957 (EBG, SR 742.101) vor den Bundesbehörden, die nach
Art. 3 des Bundesgesetzes über den Natur- und Heimatschutz vom 1. Juli 1966 (NHG, SR 451)
auch für die Erhaltung von Kulturdenkmälern zu sorgen haben, kann der Kanton Anträge stellen und die Beachtung der Anliegen des Denkmalschutzes verlangen. Solche Anträge haben die zuständigen Bundesbehörden zumindest so weit zu berücksichtigen, als ihre Anwendung die Bahnunternehmung in der Erfüllung ihrer Aufgaben nicht unverhältnismässig einschränkt (
Art. 18 Abs. 3 EBG
,
Art. 3 NHG
).
b) Streitpunkt ist im vorliegenden Fall der Schutzumfang, d.h. die Bestimmung der Gebäudeteile des Badischen Bahnhofs, die in das Denkmalverzeichnis eingetragen werden dürfen, ohne dass die Eigentumsgarantie und der Vertrag zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Grossherzogtum Baden betreffend die Weiterführung der badischen Eisenbahnen über schweizerisches Gebiet vom 27. Juli 1852 (BS 13 257, SR 0.742.140.313.61; im folgenden: Staatsvertrag von 1852) verletzt werden. Das Appellationsgericht hat nebst dem Äussern des Badischen Bahnhofs auch grosse Teile des Innern, insbesondere des Nordflügels, in den Denkmalschutz miteinbezogen, während die Beschwerdeführerin den Schutz auf das Äussere (Fassaden und Dächer) beschränkt haben möchte. Allenfalls - im Sinne eines Eventualstandpunkts - wäre sie bereit, sich auch noch mit der Unterschutzstellung der Kassettendecke der Schalterhalle abzufinden oder unter Umständen mit der Unterschutzstellung der Schalterhalle insgesamt. Eine Unterschutzstellung, wie sie vom Regierungsrat angeordnet wurde (Fassaden und Dächer, Schalterhalle, Gang zu den Fürstenzimmern, Vorraum, erstes und zweites Fürstenzimmer, Bahnbauinspektion), hält die Beschwerdeführerin in einem weiteren Eventualstandpunkt für die weitestgehende noch zumutbare Massnahme.
Demnach ist im folgenden zu prüfen, ob für die vom Appellationsgericht verfügten Denkmalschutzmassnahmen ein genügendes öffentliches Interesse vorhanden ist, welches das Interesse der Beschwerdeführerin an der uneingeschränkten Nutzung des Bahnhofs überwiegt, und ob die Massnahmen die Beschwerdeführerin beim Betrieb der Bahnunternehmung nicht
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unverhältnismässig stark einschränken. Diese Fragen prüft das Bundesgericht frei. Es auferlegt sich indessen Zurückhaltung, soweit die Beurteilung von der Würdigung örtlicher Verhältnisse abhängt, welche die kantonalen Behörden besser kennen und überblicken, und soweit sich ausgesprochene Ermessensfragen stellen. Diese Zurückhaltung, die auch dann gilt, wenn das Bundesgericht einen Augenschein durchgeführt hat, ist auf dem Gebiet des Denkmalschutzes geboten. Es ist in erster Linie Sache der Kantone, darüber zu befinden, welche Objekte Schutz verdienen (
BGE 119 Ia 88
E. 5c/bb S. 96,
BGE 118 Ia 384
E. 4b S. 388). Den im kantonalen Verfahren festgestellten Sachverhalt prüft das Bundesgericht auf Willkür hin (
BGE 115 Ia 384
E. 3 S. 386).
4.
a) Eigentumsbeschränkungen zum Schutz von Baudenkmälern liegen allgemein im öffentlichen Interesse. Wie weit dieses öffentliche Interesse reicht, insbesondere in welchem Ausmass ein Objekt denkmalpflegerischen Schutz verdient, ist im Einzelfall sorgfältig zu prüfen (
BGE 119 Ia 305
E. 4b S. 309,
BGE 118 Ia 384
E. 5a S. 388 f.). Der Denkmalschutz erstreckt sich heute auch auf Objekte neuerer Zeit und auf Gebäude, welche für ihre Entstehungszeit charakteristisch sind. Bei der Prüfung der Frage, ob ein Objekt Schutz verdient, hat eine sachliche, auf wissenschaftliche Kriterien abgestützte Gesamtbeurteilung Platz zu greifen, welche den kulturellen, geschichtlichen, künstlerischen und städtebaulichen Zusammenhang eines Bauwerks mitberücksichtigt. Eine Baute soll als Zeuge und Ausdruck einer historischen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und technischen Situation erhalten bleiben. Da Denkmalschutzmassnahmen oftmals mit schwerwiegenden Eigentumseingriffen verbunden sind, dürfen sie aber nicht lediglich im Interesse eines begrenzten Kreises von Fachleuten erlassen werden. Sie müssen breiter, d.h. auf objektive und grundsätzliche Kriterien abgestützt sein und von einem grösseren Teil der Bevölkerung bejaht werden, um Anspruch auf eine gewisse Allgemeingültigkeit erheben zu können (vgl.
BGE 118 Ia 384
E. 5a S. 389 mit Hinweisen).
b) Wo es um die Frage geht, in welchem Umfang ein Objekt geschützt werden soll, ist in Übereinstimmung mit den Ausführungen der Eidgenössischen Kommission für Denkmalpflege (EKD) zu beachten, dass ein Bauwerk nach den praktizierten Grundsätzen der Denkmalpflege grundsätzlich als Ganzes betrachtet wird, zu dem auch weniger bedeutungsvolle Räume gehören können. Der Schutz einzelner Bauteile ohne Rücksicht auf das Zusammenwirken von Innerem und Äusserem entspricht den heutigen Auffassungen über den Denkmalschutz nicht mehr (
BGE 118 Ia 384
E. 5e S. 393 f.). So hat das
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Bundesgericht bereits in
BGE 109 Ia 257
E. 5a S. 261 im Hinblick auf die Unterschutzstellung des Cafés Odeon in Zürich ausgeführt, die Schutzwürdigkeit des Innern ergebe sich insbesondere auch aus dem Zusammenspiel von Fassaden und Innenraum. Das "Unbehagen über denkmalpflegerische Fassadenmaskeraden vor ausgehöhlten Bauten" (ALBERT KNOEPFLI, Schweizerische Denkmalpflege, Zürich 1972, S. 161) lege den Schutz des Interieurs für das Café Odeon besonders nahe, bei dem die Durchformung von Aussen- und Innengestaltung ein besonderes Anliegen der Architekten gewesen sei. Der Innenraum bilde mit den Fassaden zusammen Teil der architektonischen Substanz des ganzen Gebäudes "Usterhof". Eine Veränderung im Innern würde die Einheit des Hauses weitgehend zerstören sowie die "Lesbarkeit" des Baudenkmals und den Sinn der Unterstellung stark beeinträchtigen. Bei dieser Sachlage ergebe sich unter dem Gesichtswinkel des Denkmalschutzes ein erhebliches öffentliches Interesse an der Unterschutzstellung.
c) Bei einer Teilunterschutzstellung wie im vorliegenden Fall, die sich neben der Fassade lediglich auf einen Teil der Innenräume erstreckt, ist insbesondere darauf zu achten, dass der Denkmalwert des Ganzen durch den Wegfall einzelner nicht geschützter Teile im Innern nicht in Frage gestellt wird. Bei der Beurteilung der einzelnen Teile ist somit deren Bedeutung für das Verständnis und die Kohärenz des Ganzen mit in die Betrachtung einzubeziehen. Massgebende Kriterien für die Anerkennung der Schutzwürdigkeit einzelner Gebäudeteile sind in Übereinstimmung mit den Ausführungen der EKD namentlich der Bezug der Innenräume zum Aussenraum, ihre städtebauliche Relevanz, ihre künstlerische Bedeutung sowie im vorliegenden Fall auch ihre Bedeutung für das Verständnis der Bahnhofsarchitektur und der Bahnhofsfunktionen. Bei einem Bahnhof kann das Fehlen ganzer Raumgruppen oder einzelner Räume wie beispielsweise der Bahnhofsbuffets, der Schalterhalle oder der Wartesäle den Zeugniswert des Baudenkmals insgesamt nachhaltig schmälern.
5.
a) In ihrem ersten Gutachten über die architekturgeschichtliche und städtebauliche Bedeutung des Badischen Bahnhofs in Basel führt die EKD aus, der Badische Bahnhof sei als Ganzes ein schutzwürdiges Baudenkmal von nationaler Bedeutung. Dem Bauwerk komme für die moderne Bewegung und die avantgardistischen Tendenzen innerhalb der Schweizer Architektur eine zentrale Bedeutung zu, und es zähle zu den herausragenden architektonischen Schöpfungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Auch im Werk von Karl Moser,
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dem Architekten des Badischen Bahnhofs, nähmen sie eine zentrale Stellung ein. Unter den Bahnhofbauten der Spätzeit sei der Badische Bahnhof mit Abstand der bedeutendste der Schweiz. Städtebaulich bilde er zusammen mit der Platzanlage, dem bildhauerischen Schmuck von Carl Burckhardt und der Schwarzwaldallee ein architektonisches Ensemble von hohem Stellenwert. Schützenswert im Sinne der denkmalpflegerischen Erhaltung sei die gesamte Bahnhofanlage in all ihren Teilen und in ihrer äusseren und inneren Gestaltung, einschliesslich der originalen Ausstattung.
Vom Bundesgericht beauftragt, die einzelnen Räume des Badischen Bahnhofs auf ihre Schutzwürdigkeit hin zu untersuchen und zu prüfen, ob einzelne Teile ohne schwerwiegenden Nachteil für den Gesamtkomplex verändert und von der Unterschutzstellung ausgenommen werden könnten, kam die EKD in ihrem Ergänzungsgutachten zum Schluss, letzteres treffe auf die nach dem angefochtenen Entscheid nicht geschützten Teile sowie bei folgenden vom Appellationsgericht zur Eintragung ins Denkmalverzeichnis vorgesehenen Räumen zu: Deutscher Revisionssaal, Deutscher Durchgang, Schweizer Revisionssaal und Hauptausgang von Deutschland. Die übrigen Räume sollten dagegen in ihrer Substanz und Struktur erhalten bleiben; das seien die Schalterhalle, der Warteraum 1. und 2. Klasse, das Restaurant 3. Klasse (Speisesaal), das Restaurant 1. und 2. Klasse (mit kleinem Speisesaal im ersten Stock), der Oberlichtgang, der Riehen-Durchgang, die Fürstenräumlichkeiten (Gang, Vorraum, ovales und rechteckiges Fürstenzimmer, Hof- und Gartenanlage) sowie die Räumlichkeiten der Bahnbauinspektion (inkl. Treppe und Korridor). Nicht zu begutachten war der Warteraum 3. Klasse, dem vom Appellationsgericht die Denkmalwürdigkeit abgesprochen worden war und der im staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren nicht mehr zur Diskussion steht. Ebensowenig war die Schutzwürdigkeit von zahlreichen weiteren, schon im letztinstanzlichen kantonalen Verfahren nicht umstrittenen und weder vom Regierungsrat noch vom Appellationsgericht unter Schutz gestellten Räumen (wie das Untergeschoss, Küche und Pächterwohnung im Nordtrakt, verschiedene Büroräume im südlichen Verwaltungstrakt) zu beurteilen.
b) Die Mitglieder der EKD haben die hier zur Diskussion stehenden Räume des Badischen Bahnhofs nach zweimaliger Besichtigung in ihrem Ergänzungsgutachten sorgfältig beschrieben und gemäss den vorne in Erw. 4c genannten Kriterien bewertet. Mit Ausnahme des Deutschen Revisionssaals, des Deutschen Durchgangs, des Schweizer Revisionssaals und des
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Hauptausgangs von Deutschland sind sie zum gleichen Schluss wie das Appellationsgericht gelangt, wobei die Abweichungen ausführlich begründet werden. Soweit die EKD eine Unterschutzstellung empfiehlt, tut sie dies mit überzeugenden Argumenten. Im Vordergrund steht dabei, dass die inneren Raumstrukturen bei den von der EKD zur Unterschutzstellung empfohlenen Räumen von grosser konstruktiver und funktioneller Bedeutung für den Bahnhof sind und zudem einen hohen künstlerischen Wert aufweisen. Überdies haben sie mit Ausnahme des Oberlichtgangs hinsichtlich Funktion und Gestaltung einen direkten Bezug zur Fassade. Der Zusammenhang zwischen Aussenraum, Fassade und innerer Raumstruktur ist hier von grundlegender Bedeutung für den Gesamtbau. Somit kann es nicht angehen, den Denkmalschutz nur auf die Gebäudehülle zu beschränken, da dadurch die funktionelle und gestalterische Einheit des Bahnhofgebäudes mit seinen dem Reiseverkehr dienenden Räumen (Schalterhalle, Wartesäle und Restaurants) zerstört würde. In bezug auf die einzelnen Räume ist von Bedeutung, dass sich die EKD bei ihren Empfehlungen zur Unterschutzstellung nicht nur am Bezug der Innenräume zum Aussenraum und zur Funktion des Bahnhofs orientiert, sondern zudem die Innenräume selbst auf ihren eigenen architektonischen, funktionellen und kunstgeschichtlichen Wert hin untersucht hat und nur für diejenigen Innenräume die Unterschutzstellung empfiehlt, die auch unter diesen Gesichtspunkten als besonders erhaltungswürdig erscheinen. Es handelt sich dabei durchwegs um Räume, bei welchen auffällt, dass die innere Gestaltung des Bahnhofgebäudes besonders konsequent und sorgfältig auf den Gesamtkomplex abgestimmt wurde.
In Anwendung der vorne in Erw. 4c genannten Kriterien kommt die EKD in ihrem Ergänzungsgutachten zum Schluss, dass auf die Unterschutzstellung der beiden Revisionssäle sowie des Deutschen Durchgangs und des Hauptausgangs von Deutschland ohne allzu schwerwiegenden Nachteil für den Gesamtkomplex verzichtet werden kann. Bei den Revisionssälen, die der Zollabfertigung dienen, handelt es sich zwar auch um für einen Grenzbahnhof bahnspezifische Räume, die einen funktionellen Zusammenhang mit der Fassade und dem Aussenraum aufweisen, doch sind in diesen Räumen wie auch beim Deutschen Durchgang und beim Hauptausgang von Deutschland kaum noch architektur- oder kunsthistorisch relevante Teile vorhanden, weshalb hier nach Ansicht der EKD von einer Unterschutzstellung abgesehen werden kann. Das Bundesgericht
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kann sich diesen Schlussfolgerungen aufgrund der eigenen Feststellungen anlässlich des Augenscheins anschliessen. Es hat keinen Anlass, von den sachkundigen Erwägungen der Fachleute in der Expertise und im Ergänzungsgutachten abzuweichen.
c) Soweit die Beschwerdeführerin rügt, das Appellationsgericht habe den Schutz des Innern des Badischen Bahnhofs ohne genügende Grundlage, insbesondere ohne ein hinreichend belegtes Fachgutachten ausgesprochen, und es sei dadurch in Willkür verfallen, so ist dieser allfällige Mangel mit dem vom Bundesgericht bei der EKD eingeholten Ergänzungsgutachten jedenfalls behoben (zur Zulässigkeit der Substitution von Motiven im staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren vgl.
BGE 116 Ia 325
E. 3a S. 327,
BGE 112 Ia 129
E. 3c S. 135, 353 E. 3c/bb S. 355). Gleiches gilt mit Bezug auf die Rüge, das Appellationsgericht habe es in willkürlicher Weise unterlassen, den Stellenwert der Wandtäferung in der Restauration 1. und 2. Klasse, den Diensträumen der Bahnverwaltung sowie dem Speisesaal durch ein Fachgutachten abklären zu lassen. Dem Ergänzungsgutachten der EKD kann entnommen werden, dass die Unterschutzstellung der entsprechenden Räume nicht in erster Linie wegen der Wandtäferung, sondern wegen der hohen Qualität der Räume insgesamt erforderlich ist, wobei die Wandtäferung immerhin auch als wesentliches Element der Dekoration ("reich" bzw. "kostbar profiliert", "warme Geborgenheit" verleihend) bezeichnet wird. Wie zudem der Denkmalpfleger des Kantons Basel-Stadt anlässlich des Augenscheins erläutert hat, spielt für die Denkmalpflege die verwendete Holzart und die handwerkliche Kunst der Täferung im vorliegenden Fall nicht eine entscheidende Rolle; wichtiger ist, dass es sich um ein sorgfältig durchgestaltetes, für die Entstehungszeit avantgardistisches Dekor handelt, das auf die Ausstattung der anderen Räume des Bahnhofs abgestimmt ist. Eine weitergehende Begutachtung von Einzelheiten hält das Bundesgericht nicht für erforderlich.
Was die Beschwerdeführerin gegen die Unterschutzstellung der sowohl vom Appellationsgericht als auch von der EKD als schutzwürdig eingestuften Räume weiter vorbringt, vermag nicht zu überzeugen; weder ihre Hinweise auf unterschiedliche Materialien (Äusseres in Keuper Sandstein, Schalterhalle in Eisenbeton) noch jene bezüglich durchschnittlichem bautechnischem Schwierigkeitsgrad und der Funktion des Gebäudes ("reiner Zweckbau"), noch ihre Einwände hinsichtlich nicht mehr originaler Teile (z.B. Zugänge zum Buffet und zu den Warteräumen, Bestuhlung in den Restaurants), nicht "speziell origineller" Gipsstukkaturen (Dienstzimmer, Fürstenzimmer,
BGE 120 Ia 270 S. 280
Buffet) und des vom Appellationsgericht angeblich zu stark gewichteten Eindrucks von der Grösse und den (der Grösse angepassten) Belichtungsverhältnissen der Räume (Buffet, Oberlichtgang, Revisionssaal, Warteraum, Restaurant 1. und 2. Klasse). Auch die von der Beschwerdeführerin vertretene Auffassung, dass ein funktional gut gestaltetes Inneres eines Zweckbaus für einen qualifizierten Architekten nichts Aussergewöhnliches sei und eher den konkreten Bedürfnissen als einer freischöpferischen Konzeption und Gestaltung entspringe, vermag am denkmalpflegerischen Stellenwert des Badischen Bahnhofs einschliesslich seiner Innenräume nichts zu ändern. Der Beschwerdeführerin kann auch darin nicht gefolgt werden, dass die Unterschutzstellung eines Innenraums nicht gerechtfertigt sei, wenn dieser nicht auf das Äussere wirke, d.h. am Fassadenbild nicht direkt erkennbar sei. Das Kriterium des Bezugs der Innenräume zum Aussenraum, wie es auch vom Regierungsrat als massgebend erachtet wird, bildet zwar einen wichtigen Teilaspekt; nebst diesem Gesichtspunkt und dem Kriterium des künstlerischen Eigenwerts ist für die Beurteilung des Stellenwerts eines Innenraums auch seine Bedeutung für das Verständnis der Bahnhofarchitektur und der Bahnhoffunktionen, sein Zeugniswert ganz allgemein, wesentlich. Aus diesem Grund liegt auch die Unterschutzstellung des Oberlichtgangs als wichtiger Bestandteil der bahnspezifischen Erschliessung im öffentlichen Interesse (s. hinten E. 5d).
Wenn die Beschwerdeführerin schliesslich dem ersten Gutachten der EKD vorwirft, es befasse sich schwergewichtig mit der Biographie des Architekten Karl Moser, was zur Folge gehabt habe, dass der biographische Wert des Bauwerks "zumindest untergründig bei der Beurteilung mitgewirkt" habe, was durch § 5 Abs. 1 DschG nicht gedeckt sei, so ist dazu festzuhalten, dass zumindest dem Ergänzungsgutachten dieser Vorwurf nicht gemacht werden kann. Was im übrigen die gesetzliche Grundlage betrifft, welche das Bundesgericht in Fällen von schweren Eingriffen in das Grundeigentum nicht unter dem Gesichtswinkel der Willkür, sondern frei prüft (
BGE 119 Ia 88
E. 5c/bb S. 96,
BGE 118 Ia 385
E. 4a), so könnte dem § 5 DSchG selbst bei freier Prüfung nicht entnommen werden, dass die Person des Architekten und der Stellenwert des Gebäudes in seinem Schaffen für die Schutzwürdigkeit eines Objekts keine Rolle spielen dürften. Wohl darf dies nicht das einzige Kriterium sein; völlig unwesentlich sind solche Gesichtspunkte mit Blick auf den kulturellen und geschichtlichen Wert eines Bauwerks jedoch nicht.
BGE 120 Ia 270 S. 281
d) Der Regierungsrat vertritt in seiner Kritik am Ergänzungsgutachten der EKD die Meinung, zumindest der Warteraum 1. und 2. Klasse, das Restaurant 3. Klasse sowie der Oberlichtgang seien ebenfalls vom Denkmalschutz auszunehmen, da die EKD die besondere Schutzwürdigkeit dieser Räume nicht nachgewiesen habe. Bezüglich der Warteräume und dem Restaurant 3. Klasse fehle es an einem architektonischen Bezug zum Ganzen bzw. an einer "überragenden Qualität". Warum der Oberlichtgang schutzwürdig sei, werde überhaupt nicht begründet.
Diese Kritik ist unberechtigt. Es trifft zwar zu, dass die EKD nicht jedem der vom Regierungsrat angeführten Räume einzeln und ausdrücklich eine überragende Qualität zuschreibt. Aus ihrer Beschreibung und Bewertung im Ergänzungsgutachten der EKD geht aber doch hervor, warum ihr Schutz von gewichtigem öffentlichem Interesse ist. Der Warteraum 1. und 2. Klasse, dessen räumliche und architektonische Qualitäten noch deutlich erlebbar sind, ist als bahnhofspezifische Anlage in seiner architektonischen und dekorativen Gestaltung zweifellos von architekturgeschichtlichem Interesse; er bildet zudem einen sichtbaren Akzent innerhalb des Gesamtkomplexes. Auch dem Restaurant 3. Klasse, das nach aussen weniger in Erscheinung tritt, attestiert die EKD zu Recht einen eigenen architektonischen und künstlerischen Wert. Zusammen mit dem Restaurant 1. und 2. Klasse bildet es zudem eine betriebliche Einheit, die für das Verständnis der historischen Bahnhofarchitektur wichtig ist.
Das Restaurant 1. und 2. Klasse selbst ist von grossem architektur- und kunstgeschichtlichem Interesse; es bildet einen wichtigen Bestandteil der Bahnhofarchitektur, weist einen bemerkenswerten Bezug zum Ganzen und zur städtebaulichen Situation auf und setzt mit seinem nach aussen sichtbaren halbrunden Grundriss einen markanten städtebaulichen Akzent innerhalb des Gesamtkomplexes. Es handelt sich dabei um einen grossen, reich dekorierten Raum, der zusammen mit dem Restaurant 3. Klasse als einheitlicher Restaurantteil des Bahnhofs zu erhalten ist, wenn nicht der Schutzzweck des Ganzen gefährdet werden soll. Der Oberlichtgang schliesslich ist in Übereinstimmung mit dem Ergänzungsgutachten der EKD als ein wichtiger Bestandteil der Bahnhofarchitektur (bahnspezifische Erschliessung) zu bezeichnen, welcher eine für die Bauzeit des Gebäudes charakteristische architektonische und dekorative Gestaltung aufweist. Die EKD präzisiert aber, dass sich der Schutz (lediglich) auf die architektonische Struktur und die noch vorhandene originale Bausubstanz (architektonische Gliederung,
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Oberlichter) zu erstrecken habe, was einer gewissen Einschränkung zugunsten der Umbaufreiheit gleichkommt.
e) Angesichts der wiedergegebenen Fachmeinung hat das Bundesgericht unter Berücksichtigung seiner eigenen Feststellungen am Augenschein sowie unter Beachtung der ihm als Verfassungsgericht gebotenen Zurückhaltung keinen Anlass, der Kritik der Beschwerdeführerin und des Regierungsrats zu folgen. Indessen kommt es zum Schluss, dass es für eine Unterschutzstellung der vier von der EKD als weniger schutzwürdig bezeichneten Innenräume am erforderlichen gewichtigen öffentlichen Interesse fehlt; den Ausführungen des Appellationsgerichts und der Beschwerdegegner kann diesbezüglich nicht zugestimmt werden.
6.
Es bleibt zu prüfen, ob die Unterschutzstellung im in Erw. 5 hiervor beschriebenen Umfang die Interessen der Beschwerdeführerin an einer uneingeschränkten Nutzung des Bahnhofs überwiegt und ob sie verhältnismässig ist, insbesondere ob sie den Bahnbetrieb nicht unverhältnismässig stark einschränkt.
a) Die Beschwerdeführerin verfolgt nach ihren Angaben das Ziel, den Nordflügel des Bahnhofgebäudes unter Aufrechterhaltung der Fassade und des Daches auszukernen und ein weiteres Zwischengeschoss einzuziehen. Die Neugestaltung gemäss Projekt würde eine gemischte Nutzung mit bahnbetriebsnotwendigem Teil und Bahndienstleistungs-Nebenbetrieben erlauben. Laut den Ausführungen der Beschwerdeführerin ist die heutige Erschliessung des Nordflügels mit einem einzigen engen Treppenhaus feuerpolizeilich unzulässig und für eine sinnvolle Nutzung ungenügend. Der bauliche Zustand müsse als verfallen und die Gebäudeeinteilung als den heutigen Anforderungen an Raumnutzungen nicht mehr entsprechend bezeichnet werden. Im Keller und unter dem Dach befänden sich grosse leerstehende Flächen, die im bestehenden Zustand nicht nutzbar seien. Die Beschwerdeführerin sei darauf angewiesen, diejenigen Umgestaltungen vorzunehmen, die zur Verwirklichung und Förderung des Nahverkehrs, des Bahnpendelverkehrs, eines S-Bahn-Betriebs und dergleichen notwendig seien. Als Grenzbahnhof müsse der Badische Bahnhof überdies den Zoll- und Grenzpolizeibedürfnissen entsprechen. Im Rahmen der Gleichbehandlung mit den übrigen schweizerischen Bahnhöfen müsse der Deutschen Bundesbahn - nicht zuletzt aus wirtschaftlichen und finanziellen Gründen - auch zugestanden werden, Bahndienstleistungs-Nebenbetriebe vorzusehen. Aus diesem Grund habe die Beschwerdeführerin mit der Migros-Genossenschaft einen Baurechtsvertrag
BGE 120 Ia 270 S. 283
abgeschlossen, nach welchem die nicht bahnbetriebsbedingten Flächen zu gewerblicher Nutzung und zur Einrichtung von Bahndienstleistungs-Nebenbetrieben überlassen würden. Eine optimale Nutzung des Gebäudes stünde auch im Interesse einer haushälterischen Nutzung des Bodens (
Art. 1 RPG
; SR 700). Im derzeitigen unveränderten Zustand von 11'575 m2 Nutzfläche seien vom Appellationsgericht 8'383 m2 unter Schutz gestellt worden; davon seien insbesondere auch bahnbetriebsbedingte Flächen erfasst. Mit dem vom Appellationsgericht verfügten Denkmalschutz sei es zudem nicht möglich, das Obergeschoss auszubauen und dieses sowie die im Erd- und im Untergeschoss nicht unter Schutz gestellten Gebäudeteile zu erschliessen. Mangels genügender innerer Erschliessung des Nordflügels sowie wegen der nicht mehr zeitgemässen Gebäudeeinteilung könnten auch die nicht geschützten Flächen baulich nicht umgenutzt werden. Die Beschwerdeführerin wirft dem Appellationsgericht vor, es habe das öffentliche Interesse an einer funktionellen Konzeption moderner Bahnhöfe nicht fair und sachgerecht gegen die denkmalschützerischen Interessen abgewogen.
b) Der Beschwerdeführerin kann nicht beigepflichtet werden, wenn sie den baulichen Zustand des Badischen Bahnhofs als verfallen bezeichnet. Wie anlässlich des Augenscheins festgestellt werden konnte, trifft vielmehr zu, dass sich die Bausubstanz in recht gutem Zustand befindet und eine gewisse Verwahrlosung im seit einigen Jahren weitgehend ungenutzten Nordflügel vor allem auf mangelnden gewöhnlichen Unterhalt zurückzuführen ist. Der Beschwerdeführerin ist andererseits beizupflichten, dass bei einer Unterschutzstellung im Ausmass, wie sie die EKD im öffentlichen Interesse als notwendig erachtet, ein Auskernen des Bahnhofgebäudes nicht mehr möglich sein wird und das Einkaufszentrum jedenfalls nicht wie projektiert verwirklicht werden kann. Eine moderne, sinnvolle und gute Ausnützung des gesamten Nordflügels wird dagegen nicht schlechterdings verunmöglicht. Wie das Appellationsgericht zutreffend festgestellt hat, ist insbesondere in dem für den Lebensmittelverkauf vorgesehenen Untergeschoss sowie in den höher gelegenen Räumen bis unter das Dach noch sehr viel Platz vorhanden, der vorbehältlich der Erhaltung der Aussenhülle und der geschützten Räume im Innern ohne Beschränkung neuen Verwendungszwecken zugeführt werden kann. Ein Vergleich mit dem Hauptbahnhof Zürich drängt sich auf. Dies gilt auch bezüglich der Möglichkeit, in den bestehenden Restaurationsräumen im Nordtrakt des Bahnhofs wieder einen Gastwirtschaftsbetrieb einzurichten
BGE 120 Ia 270 S. 284
(vgl. die restaurierten Bahnhofbuffets im Hauptbahnhof Zürich). Die veralteten Küchenräume werden zudem nicht unter Schutz gestellt und können neu gestaltet werden. Darüber hinaus sind auch bei den schutzwürdigen Gebäudeteilen neue Nutzungsmöglichkeiten nicht grundsätzlich ausgeschlossen.
c) Die Unterschutzstellung bedeutet auch nach Auffassung der Denkmalschutzbehörden und -organisationen sowie des Regierungsrats nicht eine Konservierung des gegenwärtigen Zustands, sondern lässt eine Anpassung an geänderte Bedürfnisse im Rahmen der übergeordneten Zweckbestimmung zu. Nach § 18 DSchG sind Veränderungen am unter Schutz gestellten Gebäude möglich. Wie sich anhand der am Augenschein des Bundesgerichts ebenfalls besichtigten denkmalgeschützten Teile des Bahnhofs SBB in Basel (Fassaden, Dächer, Perronhalle, Schalterhalle und Bahnhofbuffet) feststellen liess, sind bauliche Massnahmen, insbesondere aus betrieblichen Gründen, nach der Praxis der Denkmalschutzbehörden im Interesse an einer attraktiven Erhaltung des Baudenkmals und seiner Funktion durchaus zulässig. Eine erfolgreiche Umgestaltung, die sowohl den Anliegen der Bahnunternehmung als auch den Interessen des Denkmalschutzes Rechnung trägt, setzt allerdings die Zusammenarbeit der Bauwilligen mit den Denkmalschutzbehörden bei der Ausarbeitung eines konkreten Projekts voraus, wobei die Basler Denkmalpflege zur Beratung des Bauherrn verpflichtet ist (§ 13 Abs. 2 DSchV). Diese Beratungstätigkeit hat sich wie auch die Stellungnahme des Amtes zu Veränderungsvorhaben nach § 18 Abs. 3 DSchG an den für die Unterschutzstellung massgebenden Gründen zu orientieren und die konkreten Interessen des Bauherrn an einer Veränderung geschützter Bauteile zu berücksichtigen. Dabei sind die beabsichtigten Veränderungen im einzelnen sorgfältig auf ihre Vereinbarkeit mit dem Schutzzweck zu prüfen, und es sind in Anwendung des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit Lösungen zu suchen, mit welchen, ohne den Schutzzweck zu beeinträchtigen (§ 6 Abs. 2 DSchG), den Anliegen und Bedürfnissen des Eigentümers Rechnung getragen werden kann. Dies erfordert eine flexible Handhabung der Denkmalschutzmassnahme und den Willen, nach einem Ausgleich zwischen den entgegenstehenden Interessen zu suchen (vgl.
BGE 109 Ia 257
E. 5d S. 264). Die Basler Denkmalpflege- und Baubehörden sind bereits aufgrund des kantonalen Rechts zu einer solchen flexiblen Haltung verpflichtet und sie werden die Denkmalschutzmassnahme nach ihren Ausführungen am Augenschein bei Umbauvorhaben der Beschwerdeführerin auch nach den genannten
BGE 120 Ia 270 S. 285
Grundsätzen anwenden. Im Hinblick auf konkrete Veränderungsvorhaben werden die Behörden insbesondere auch dem Interesse an einer hinreichenden und zweckmässigen Erschliessung der verschiedenen Stockwerke und einer sinnvollen Nutzung des bestehenden Gebäudevolumens gebührendes Gewicht beizumessen haben. Rein finanzielle Interessen an einer höchstmöglichen Ausnutzung des Bahnareals, wie sie die Beschwerdeführerin ins Feld führt, vermögen hingegen das öffentliche Interesse an der Denkmalschutzmassnahme grundsätzlich nicht zu überwiegen (
BGE 118 Ia 384
ff. E. 5e), selbst wenn die Einnahmen aus dem geplanten Einkaufszentrum für die Förderung des öffentlichen Verkehrs verwendet würden.
d) Dass der Bahnbetrieb im engeren Sinn durch die Unterschutzstellung der Bahnhofräumlichkeiten unverhältnismässig stark eingeschränkt würde, ist nach den Feststellungen am Augenschein nicht zu erwarten. Zu beurteilen ist hier nicht das von der Beschwerdeführerin vorgestellte konkrete Projekt, dessen Schwergewicht ohnehin nicht auf eigentlichen bahnbetriebsbedingten Anlagen und Einrichtungen liegt, sondern auf dem Einkaufszentrum, das wohl höchstens teilweise als Bahnnebenbetrieb im Sinne von
Art. 39 EBG
bezeichnet werden kann und bei dem zudem fraglich ist, ob es noch mit der Zweckbestimmung eines Bahnhofs im Sinne des Staatsvertrags von 1852 vereinbar ist. Sollten klar ausgewiesene, für eine moderne Führung des eigentlichen Bahnbetriebs unerlässliche Änderungen am Badischen Bahnhof durch die Denkmalschutzmassnahmen wider Erwarten verunmöglicht oder unverhältnismässig stark erschwert werden und könnte diesen Bedürfnissen in einem Bewilligungsverfahren nach § 18 DSchG oder in einem Plangenehmigungsverfahren nach
Art. 18 EBG
nicht genügend Rechnung getragen werden, so müsste der Regierungsrat erwägen oder angehalten werden, einzelne Teile des Gebäudes vom Denkmalschutz wieder auszunehmen (§ 22 DSchG). Im heutigen Zeitpunkt fehlt es aber an einem solchen Nachweis, weshalb auch nicht gesagt werden kann, überwiegende Interessen der Beschwerdeführerin oder der Grundsatz der Verhältnismässigkeit stünden der Unterschutzstellung im von der EKD empfohlenen Umfang entgegen.
7.
Zusammenfassend ergibt sich, dass die Beschwerde insoweit gutzuheissen ist, als der Deutsche Revisionssaal, der Deutsche Durchgang, der Hauptausgang von Deutschland und der Schweizer Revisionssaal nicht in das Denkmalverzeichnis aufzunehmen sind. Im übrigen ist die Beschwerde abzuweisen. | public_law | nan | de | 1,994 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
1832ffb5-f49e-44b6-abf2-faf2cac17156 | Urteilskopf
105 II 83
14. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 25. Mai 1979 i.S.Intor-Handels AG gegen A. Müller, Medra Produkte AG (Berufung) | Regeste
Abtretung einer Forderung.
1. Bedeutung der Formvorschrift von
Art. 165 Abs. 1 OR
(E. 2).
2. Gültige Abtretungserklärungen im vorliegenden Fall? (E. 3 und 6). | Sachverhalt
ab Seite 83
BGE 105 II 83 S. 83
A.-
Die A. Müller, Medra Produkte AG bezog wiederholt von der Novag AG White Horse-Garnituren, ein Körperpflegeprodukt für Männer. Am 21. April, 24. Mai und 6. Juli 1977 stellte die Novag AG der A. Müller, Medra Produkte AG, Rechnung für insgesamt Fr. 12'743.50. Alle diese Rechnungen tragen Vermerke, wonach Zahlung an die Intor-Handels AG zu erfolgen hat.
Am 12. Juli 1977 wurde über die Novag AG der Konkurs eröffnet. Unter Berufung auf Abtretungserklärungen der Novag AG forderte die Intor-Handels AG von der A. Müller, Medra Produkte AG, die Zahlung des genannten Betrages. Am 23. Mai 1978 machte sie beim Handelsgericht des Kantons Zürich entsprechend Klage anhängig.
Mit Urteil vom 21. Dezember 1978 wies das Handelsgericht die Klage ab, weil die Klägerin mangels formgerechter Abtretung
BGE 105 II 83 S. 84
nicht aktivlegitimiert sei. Offen blieb, ob allfällige Abtretungen nach
Art. 287 und 288 SchKG
anfechtbar wären.
B.-
Die Klägerin beantragt mit ihrer Berufung, die Einrede der mangelnden Aktivlegitimation sei abzuweisen und der Fall zur weiteren Behandlung an das Handelsgericht zurückzuweisen.
Das Bundesgericht weist die Berufung ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Die Abtretung einer Forderung bedarf zur Gültigkeit der schriftlichen Form (
Art. 165 Abs. 1 OR
). Dabei muss die Form den gesamten wesentlichen Inhalt der Erklärung decken, insbesondere auch die abzutretende Forderung ausreichend umschreiben (
BGE 82 II 51
E. 1); ebenso muss der Wille des Zedenten ersichtlich sein, dass mit Unterzeichnung und Übergabe der Urkunde die Forderung auf den Empfänger übergehe (
BGE 90 II 179
E. 6,
BGE 88 II 21
E. 1). Davon geht offenbar auch die Berufung aus.
Indessen macht die Klägerin geltend, dass auch formbedürftige Verträge auszulegen seien, und sie verweist dafür auf
BGE 96 II 141
. Das wird auch vom Handelsgericht anerkannt, darf aber nach dem angefochtenen Urteil angesichts der Formbedürftigkeit nicht zu einer Erweiterung der erklärten Verpflichtung führen; auf einen nicht verurkundeten Willen des Zedenten komme dabei nichts an. Dem ist beizupflichten (vgl. MEIER-HAYOZ, N. 115 und 117 zu
Art. 657 ZGB
; VON TUHR/PETER, Allgemeiner Teil des schweizerischen Obligationenrechts, S. 243 f. und 288 f.). Was die Berufung in dieser Hinsicht vorträgt, schlägt nicht durch.
So kann sich die Klägerin nicht auf einen der Urkunde widersprechenden übereinstimmenden wirklichen Willen von Zedentin und Zessionarin berufen und auch nicht verlangen, dass darüber Beweise erhoben werden. Die Formvorschrift von
Art. 165 Abs. 1 OR
soll für Dritte, namentlich den Schuldner der abgetretenen Forderung, deutlich kundtun, wem diese zusteht (
BGE 82 II 52
); auf sein Verständnis hat daher die Auslegung nach dem Vertrauensprinzip ebenfalls Rücksicht zu nehmen (VON TUHR/PETER, a.a.O., S. 286 f.).
Der Formmangel einer Abtretung wird sodann nicht dadurch geheilt, dass der Zedent sie nachträglich anerkennt
BGE 105 II 83 S. 85
(OSER/SCHÖNENBERGER, N. 4 zu
Art. 165 OR
). Dass das Konkursamt Oerlikon-Zürich wegen Zession die Klageforderungen nicht mehr namens der Zedentin beansprucht, ist daher unerheblich. Ebenso geht der Einwand an der Sache vorbei, dass die
Art. 164 und 169 OR
verletzt seien, wonach die Abtretung keiner Einwilligung des Schuldners bedürfe und seine Einreden beschränkt seien. Die Klägerin beruft sich dabei auf JÄGGI (zur "Rechtsnatur" der Zession, in: SJZ 1971, S. 6 ff.), wonach grundsätzlich dem Schuldner nicht nur die Einreden aus dem Grundgeschäft zwischen Zedent und Zessionar, sondern auch die Einreden gegen die Abtretung als solche verwehrt werden sollten. Indessen ergibt sich aus dem Zusammenhang des Aufsatzes klar, dass dabei stets eine formgültige Abtretung vorausgesetzt wird.
Anhand dieser Grundsätze ist im Folgenden zu prüfen, ob die Klägerin sich auf eine formgerechte Abtretungsurkunde zu stützen vermag.
3.
Die Vereinbarung der Klägerin mit der Novag AG vom 14. Oktober 1976 enthält eine Abtretungserklärung der Novag AG, die sich aber nach dem angefochtenen Urteil ausschliesslich auf drei von den Klageforderungen unabhängige Bestellungen vom 20. September 1976 bezieht. Als Auslegung nach dem Vertrauensprinzip ist das vom Bundesgericht frei zu prüfen, doch führt eine solche Prüfung nicht zu einem andern Ergebnis. Wenn die Berufung demgegenüber geltend macht, die Vereinbarung sei von Laien formuliert worden und habe einen weitergehenden Sinn gehabt, worüber Beweis abzunehmen gewesen wäre, so wird damit auf einen von der Urkunde abweichenden wirklichen Willen angespielt, der, wie dargelegt, unbeachtlich bleiben muss.
6.
Schliesslich hält die Klägerin daran fest, dass die streitigen Fakturen Abtretungserklärungen enthalten. Es handelt sich dabei um die Vermerke:
- "Diese Rechnung ist abgetreten und nur gültig zahlbar an Intor-Handels
AG, St. Gallen" (Rechnung vom 7. Juli 1977);
- "Zahlbar an unsere Treuhandstelle Intor-Handels AG/Schweiz.
Bankverein Kt. 24850 St. Gallen" (Rechnung vom 21. April 1977);
- "Zahlbar: Kt. 24850 Intor-Handels AG/Schweiz. Bankverein/St.
Gallen" (Rechnung vom 24. Mai 1977). Nach dem angefochtenen Urteil handelt es sich bei diesen Vermerken um Mitteilungen der Novag AG an die Beklagte
BGE 105 II 83 S. 86
über den behaupteten Gläubigerwechsel, also um Anzeigen im Sinn von
Art. 167 OR
, nicht aber um die Abtretung selbst. Dazu kommt nach Ansicht des Handelsgerichts, dass auf den Fotokopien der Rechnungsoriginale, die das Gericht bei der Beklagten eingefordert hat, die zur Schriftlichkeit erforderliche Unterschrift der Novag AG fehlt.
Letzteres wird von der Berufung nicht bestritten, soweit es sich um die Rechnung vom 7. Juli 1977 handelt, die eine eigentliche Abtretungserklärung trägt. Dagegen macht die Klägerin ein offenbares Versehen der Vorinstanz geltend, weil die beiden andern Rechnungen auf dem jeweils der Klägerin übermittelten Rechnungsdoppel die Unterschrift der Novag AG trügen. Es scheint sich indessen kaum um ein Versehen zu handeln, bezieht sich doch das angefochtene Urteil eindeutig auf die nachträglich beigezogenen Rechnungsoriginale, nicht auf die zuvor von der Klägerin eingereichten Rechnungskopien. Indessen hatte das Handelsgericht zur massgeblichen Frage, ob eine formgültige Zession der Novag AG an die Klägerin vorliege, ohnehin nicht auf die an die Beklagte gerichteten Originale abzustellen, die zu Recht als Anzeige an den Schuldner bezeichnet werden, sondern auf die Kopien, die an die Klägerin gelangten und von der Novag AG unterzeichnet sind. Entscheidend ist somit, ob die Zahlungsvermerke auf den beiden Fakturen, deren Doppel unterschrieben sind, einer Abtretungserklärung gleichkommen, wie sie die dritte, nicht unterzeichnete Rechnung ausdrücklich enthält. Die Frage ist jedoch zu verneinen. Die Anweisung an den Schuldner, an die Intor-Handels AG zu zahlen, die in der ersten der beiden Rechnungen als "unsere Treuhandstelle" bezeichnet ist, bringt nicht zum Ausdruck, dass diese damit nicht nur Zahlstelle, sondern ausschliesslich Gläubigerin sei; durch Unterzeichnung dieser Erklärung und Übergabe an die Klägerin wurde deshalb der Abtretungswille auch nicht in einer Weise bestätigt, die nach den geschilderten Grundsätzen das Vorliegen einer formgültigen Abtretungserklärung zu bejahen erlaubte.
Das angefochtene Urteil verneint demnach die Aktivlegitimation der Klägerin zu Recht, was zur Abweisung von Klage und Berufung führt. | public_law | nan | de | 1,979 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
18352ce2-bcfa-421f-902b-94c8a859ceae | Urteilskopf
123 III 120
20. Arrêt de la Ire Cour civile du 17 décembre 1996 dans la cause L. S.A. contre B. et S. (recours en réforme) | Regeste
Verjährung der Forderung aus Handwerksarbeit (
Art. 128 Ziff. 3 OR
).
Der Begriff der Handwerksarbeit bleibt jenen Arbeiten vorbehalten, für welche einerseits eine besondere Technologie nicht notwendig ist, und die anderseits keine besonderen organisatorischen Massnahmen erfordern (Präzisierung der Rechtsprechung; E. 2b).
Die Verlegung von Fliesen in hundert Nasszellen fällt nicht unter diesen Begriff (E. 2c). | Sachverhalt
ab Seite 120
BGE 123 III 120 S. 120
A.-
L'Entreprise L. S.A. (ci-après: L. S.A.) est spécialisée dans la pose de carrelages et de faïences. Par contrat du 20 septembre 1986, B. et S. lui confièrent l'exécution, dans une résidence sise au Grand-Saconnex, de travaux consistant en la fourniture et la pose de carrelages dans une centaine de pièces d'eau. Il n'était pas question que L. S.A. façonnât elle-même les carrelages; l'entreprise était libre de les acquérir où elle le souhaitait. De fait, elle commanda les carrelages à des sociétés italiennes. Le prix convenu dans le contrat, qui faisait référence aux normes SIA, était un prix unitaire, soit au mètre carré, soit au mètre linéaire, comprenant la fourniture et la pose du matériel, sans distinction entre ces deux éléments.
BGE 123 III 120 S. 121
Selon facture du 1er novembre 1988, le montant total des travaux fut arrêté à 242'000 fr. B. et S. versèrent 230'000 fr. Ils retinrent le solde - dont le montant n'est pas contesté (12'000 fr.) - à titre de garantie ensuite de plaintes au sujet de l'isolation phonique des bâtiments.
B.-
Le 19 décembre 1994, L. S.A. adressa en vain à ses cocontractants une mise en demeure de lui verser le montant impayé. Le 21 février 1995, elle les cita en conciliation, puis ouvrit action contre eux, pris conjointement et solidairement, en paiement de 12'000 fr. avec intérêts à 5% dès le 15 novembre 1988.
Par jugement du 19 octobre 1995, le Tribunal de première instance du canton de Genève débouta la demanderesse dont il considéra l'action comme prescrite au sens de l'
art. 128 ch. 3 CO
.
Sur appel de L. S.A., la Cour de justice du canton de Genève confirma cette décision par arrêt du 26 avril 1996.
C.-
L. S.A. recourt en réforme au Tribunal fédéral. Ses conclusions tendent à l'annulation de l'arrêt du 26 avril 1996 et à la condamnation de B. et S., pris conjointement et solidairement, à lui payer la somme de 12'000 fr. avec intérêts à 5% dès le 15 novembre 1988.
Les défendeurs invitent le Tribunal fédéral à rejeter le recours et à confirmer la décision attaquée.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
a) La cour cantonale a retenu que le travail confié à la demanderesse avait consisté en la fourniture de carrelages acquis au préalable auprès de tiers, puis en la pose de ceux-ci dans les pièces d'eau, les cuisines, les paliers et les buanderies des bâtiments. Elle a estimé que le travail de pose présentait un caractère manuel et nécessitait un certain savoir-faire; la demanderesse avait dû ajuster les carrelages et procéder à des découpes, activité qui, même si elle avait entraîné l'usage de machines, conférait un caractère artisanal au travail fourni. Comme la pose représentait le 60% du prix facturé, soit une importance supérieure à celle des autres prestations, l'autorité cantonale a admis qu'elle était en présence de l'action d'un artisan au sens de l'
art. 128 ch. 3 CO
. Avec le Tribunal de première instance, elle a considéré que le délai de cinq ans prévu par cette disposition était écoulé au jour du dépôt en conciliation de la demande.
Enfin, la cour cantonale a jugé que les défendeurs ne commettaient pas d'abus de droit en invoquant la prescription.
BGE 123 III 120 S. 122
b) La demanderesse soutient que l'on doit appliquer à sa créance le délai ordinaire de dix ans de l'
art. 127 CO
, car son action doit être considérée comme celle d'un entrepreneur et non d'un artisan.
2.
a) Selon la jurisprudence, l'applicabilité de l'
art. 128 ch. 3 CO
dépend exclusivement de la nature du travail auquel l'entrepreneur s'est obligé. Dans le travail artisanal, l'activité manuelle revêt une importance supérieure (ou au moins égale) à celle des autres prestations qui supposeront notamment l'emploi de machines, des travaux d'organisation, des tâches administratives. Cette notion correspond au sens usuel de l'expression dans le langage courant. L'artisanat est une activité économique qui s'exerce manuellement au moyen d'outils ou d'instruments simples, pour façonner ou transformer des matériaux. L'utilisation de machines rentre rarement dans ce concept, qui s'oppose en outre à la livraison d'objets construits industriellement en série (
ATF 116 II 428
consid. 1;
ATF 109 II 112
consid. 2; cf. aussi les arrêts non publiés du 20.05.1996 dans la cause 4C.416/1995 et du 12.02.1992 dans la cause 4C.318/1991).
Ont été, par exemple, reconnus comme travaux artisanaux des travaux de gypserie ou de peinture, l'exécution de cadres avec des baguettes préfabriquées coupées à la longueur requise, l'exécution de batteries pour animaux, la pose d'installations sanitaires et des travaux de ferblanterie, des travaux de transformation et de ventilation de W.-C., le montage d'une antenne collective ou d'une installation électrique, ainsi que l'exécution de travaux de nettoyage ou de jardinage.
N'ont, en revanche, pas été considérés comme travaux artisanaux l'édification d'une maison entière, la livraison et le montage de portes et fenêtres normalisées, le déblaiement de l'emplacement d'un gros incendie ou des travaux d'aplanissement de terrain avec un trax (pour tous ces exemples voir GAUCH, Der Werkvertrag, 4e éd., n. 1291 s. et les références).
La jurisprudence a encore posé que l'
art. 128 ch. 3 CO
, en regard de l'
art. 127 CO
, consacrait une exception et devait dès lors être interprété restrictivement (
ATF 116 II 428
consid. 1b et l'arrêt cité). Dans la doctrine, on penche également pour cette interprétation restrictive et pour que soit appliqué dans le doute le délai normal de prescription de l'
art. 127 CO
, en particulier lorsque le travail représente plus qu'un simple travail courant ou de routine ("um mehr als um ein schlichtes Alltagsgeschäft handelt") (GAUCH, op.cit., n. 1288; TERCIER, Les contrats spéciaux, 2e éd., n. 3745).
BGE 123 III 120 S. 123
b) Tant dans la jurisprudence (arrêt non publié du 20.05.1996 précité, consid. 2a) que parmi la doctrine (cf. GAUCH, op.cit., n. 1291), on a souligné qu'il n'est pas toujours aisé de distinguer si l'on a ou non affaire à un travail artisanal. Certains précédents jugés par le Tribunal fédéral ont fait l'objet de critiques sur le plan théorique (MERZ in RJB 1992 p. 211 et GAUCH in DC 1991 p. 99).
Fonder la distinction à effectuer entre la créance d'un artisan et celle d'un entrepreneur exclusivement sur la nature du travail fourni - particulièrement au vu des progrès technologiques accomplis dans les domaines relevant traditionnellement de l'artisanat - n'est pas source de sécurité juridique absolue. Définir le travail artisanal au sens de l'
art. 128 ch. 3 CO
en fonction uniquement du caractère de l'activité effectuée ne satisfait pas non plus du point de vue de la ratio legis; l'introduction d'un délai plus court s'est faite dans l'idée qu'il était usuel dans certains contrats synallagmatiques de s'exécuter à bref délai, sans généralement dresser d'actes ni garder longtemps de quittances, le fait de tarder à recourir aux tribunaux portant à admettre que le créancier avait été satisfait selon l'usage (
ATF 109 II 112
consid. 2a;
98 II 184
consid. 3b et les références au message du Conseil fédéral). Avec le développement du commerce, cette ratio legis a largement perdu de son sens, ce qui explique aussi pourquoi l'on défend communément, on l'a déjà relevé, une interprétation restrictive de la règle en question. Cela ne veut toutefois pas dire qu'il faille faire totalement abstraction des buts initialement poursuivis par le législateur. Si l'on se rappelle qu'il s'agissait alors de favoriser la liquidation plus rapide de certaines affaires courantes, retenir comme seul critère d'appréciation le caractère manuel du travail effectué, sans prendre en considération l'importance de celui-ci, n'est pas totalement satisfaisant. Il convient de réserver la notion de travail artisanal aux travaux qui de manière générale ne nécessitent pas l'emploi de technologies spéciales, mais aussi qui n'impliquent pas de recourir à des mesures de planification - en matière de personnel ou de délais - ainsi que de coordination avec d'autres corps de métiers, et qui peuvent donc être effectués sans la mise en oeuvre de moyens administratifs particuliers. Ce n'est qu'en présence de travaux manuels typiques, traditionnels, accomplis dans un cadre restreint, que l'on appliquera la prescription réduite de l'
art. 128 ch. 3 CO
.
c) Examinée à l'aune de ces principes, la créance litigieuse ne revêt assurément pas le caractère d'une créance d'artisan. Il est vrai que la pose de carrelages constitue en soi un travail artisanal, et qu'il
BGE 123 III 120 S. 124
est constant que celle-ci a représenté le 60% des prestations de la demanderesse. L'exécution d'une telle activité pour plus de 100 pièces d'eau (salles de bains, cuisines, paliers, buanderies) implique cependant des tâches de planification, d'organisation et d'administration qui vont largement au-delà de celles qu'un artisan assume traditionnellement, et qui doivent être assimilées à celles qu'accomplit un entrepreneur, au sens où on l'entend généralement. Autrement dit, on n'est pas en présence d'une affaire courante (Alltagsgeschäft) justifiant une liquidation particulièrement rapide. Dans ces conditions, il convient de s'en tenir au délai usuel de prescription de dix ans.
3.
Le recours doit être admis. L'arrêt attaqué sera par conséquent annulé. Le Tribunal fédéral est en mesure de statuer au vu du dossier. Les défendeurs admettent qu'au cas où elle serait soumise à la prescription décennale de l'
art. 127 CO
, la prétention de la demanderesse serait bien fondée. Ils seront ainsi solidairement condamnés à verser à celle-ci le montant de 12'000 fr. Les intérêts partiront à compter du 19 décembre 1994, date de la mise en demeure (
art. 102 et 103 CO
). | null | nan | fr | 1,996 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
18388187-7d44-42c9-9439-15888af77734 | Urteilskopf
98 II 49
8. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour civile du 21 mars 1972 dans la cause Mottet et consorts contre Auroi et consorts. | Regeste
Grundstückverkauf auf öffentlicher Versteigerung.
1.
Art. 65 OG
. Anwendung kantonalen Rechts durch das Bundesgericht (Erw. 4).
2.
Art. 229 Abs. 2 und 3 OR
, 18 Abs. 1 des bernischen Gesetzes vom 31. Januar 1909 über das Notariat und Art. 36 Abs. 1 des dazugehörigen Dekretes vom 24. November 1909. Zuschlag im Sinne dieser Bestimmungen (Erw. 5 und 6).
3.
Art. 232 Abs. 1 OR
. Bei einer öffentlichen Versteigerung muss die Weigerung, den Kaufgegenstand zuzuschlagen, den Steigerern öffentlich mitgeteilt werden; wird die Versteigerung unterbrochen, so ist die Unterbrechung und der Zeitpunkt der Wiederaufnahme öffentlich bekanntzugeben (Erw. 7). | Sachverhalt
ab Seite 50
BGE 98 II 49 S. 50
A.-
Les 18 héritiers de Paul et Berthe Auroi-Aufranc ont chargé le notaire S. à Saint-Imier de vendre aux enchères publiques les immeubles de la succession. L'art. 3 des conditions de vente avait la teneur suivante:
"L'adjudication aura lieu au profit du plus offrant et dernier enchérisseur. Toutefois, les vendeurs se réservent le droit d'adjuger ou de ne pas adjuger, et même de lever la vente."
Les enchères ont été organisées le 29 novembre 1969 à Orvin, au restaurant du Cheval-Blanc. Le notaire les a ouvertes à 14 h. 30 en présence des héritiers ou de leurs représentants et a lu les conditions de vente. 14 immeubles ou groupes d'immeubles étaient mis aux enchères. L'huissier André Hermann procédait aux criées, déclarant après chaque criée au plus offrant: "Adjugé provisoirement." Le notaire consignait au procès-verbal, de la même façon, le résultat de la première et de la deuxième criée, inscrivant par exemple ce qui suit:
BGE 98 II 49 S. 51
"1. 1er lot Flts 156 et 287 adjugés provisoirement à Monsieur Werner Bitterli, entrepreneur à Orvin pour le prix de quarante deux mille francs Fr. 42 000.--."
Après la troisième et dernière criée en revanche, qui a commencé à 15 h. 45, le notaire n'a pas inscrit le terme "provisoirement". Sauf cette différence, et une désignation plus détaillée de l'identité de l'enchérisseur, la formule était la même qu'après la première et la deuxième criée. Le notaire ajoutait: "Et il a signé après lecture." L'adjudicataire passait en effet devant le notaire, signait la partie du procès-verbal qui le concernait et payait le prix de vente ou un acompte.
Après que l'on eut procédé de cette manière pour tous les lots, les héritiers ou leurs représentants se sont retirés vers 18 h. avec le notaire dans une petite salle, où ils ont décidé de ne pas adjuger les lots nos 1, 5, 6, 10 et 14. Lorsque le notaire a regagné la salle où s'étaient déroulées les enchères, environ 45 minutes plus tard, il a constaté qu'elle était vide. Il a fait chercher les quatre adjudicataires des lots retirés de la vente, à savoir Werner Bitterli, Charles Grosjean, Jules Mottet et Werner Aufranc. Seuls ont pu être atteints Mottet et Aufranc, qui étaient au Café du Cheval-Blanc. Ils ont protesté contre la décision des vendeurs qui leur était communiquée mais ont accepté de reprendre l'argent versé. Avisés postérieurement, Bitterli et Grosjean s'y sont au contraire refusés. Le notaire a déposé dans une banque les sommes qu'ils avaient payées.
B.-
Mottet, Aufranc, Bitterli et Grosjean ont ouvert action le 2 octobre 1970 contre les héritiers de Paul et Berthe Auroi et ont pris les conclusions suivantes:
"1. Constater que les contrats de vente passés entre:
a) le demandeur no 1 et les défendeurs portant sur l'immeuble feuillet no 799 du ban d'Orvin,
b) le demandeur no 2 et les défendeurs portant sur l'immeuble feuillet no 1306 du ban d'Orvin,
c) le demandeur no 3 et les défendeurs portant sur les immeubles feuillets nos 156, 287 et 403 du ban d'Orvin,
d) le demandeur no 4 et les défendeurs portant sur l'immeuble feuillet no 419 du ban d'Orvin,
ont été valablement conclus lors des enchères publiques du 29 novembre 1969, après adjudication.
2. Attribuer à chaque demandeur le droit de propriété sur les immeubles acquis.
3. Autoriser le conservateur du registre foncier à opérer les inscriptions.
BGE 98 II 49 S. 52
4. Allouer aux demandeurs des dommages-intérêts, à dire de justice.
5. Prendre acte que les demandeurs sont prêts à payer le solde du prix des lots qui leur ont été adjugés.
6. Condamner les défendeurs à demander à l'autorité tutélaire municipale d'Orvin la ratification des adjudications intervenues, sous menace des suites légales en cas d'inexécution, conformément aux art. 403 ss. Cppb.
Le tout sous suite des frais et dépens."
Onze des défendeurs ont conclu au rejet de la demande. Les sept autres n'ont pas produit de réponse et ont été considérés comme défaillants.
Par jugement du 26 mai 1971, la Cour d'appel du canton de Berne a rejeté la demande par le motif qu'il n'y avait pas eu d'adjudication des immeubles litigieux: la déclaration des vendeurs selon laquelle ils n'adjugeaient pas les lots nos 1, 5, 6, 10 et 14 et qu'ils les retiraient de la vente est en effet déterminante; le terme "adjugé", consigné sans réserve dans la première partie du procès-verbal, doit être considéré comme une fiction.
C.-
Jules Mottet, Werner Aufranc et Werner Bitterli recourent en réforme au Tribunal fédéral. Ils reprennent leurs conclusions de première instance, à l'exception de celles qui tendaient à l'allocation de dommages-intérêts, et demandent éventuellement le renvoi de la cause à la juridiction cantonale.
Les onze défendeurs comparants en instance cantonale proposent le rejet du recours. Les autres n'ont pas produit de réponse. L'un d'eux est décédé en cours d'instance fédérale.
Erwägungen
Considérant en droit:
4.
Il y a lieu d'apprécier le déroulement des enchères du 29 novembre 1969 à la lumière des
art. 229 à 236
CO. Ce dernier article autorise cependant les cantons, en matière d'enchères publiques, à édicter d'autres règles pourvu qu'elles ne dérogent pas au droit fédéral. Le canton de Berne a fait usage de cette faculté (
art. 132 à 134
de la loi bernoise sur l'introduction du CC). On trouve en outre des prescriptions sur les fonctions du notaire en matière d'enchères publiques dans les dispositions légales sur le notariat. Dans la mesure où la présente affaire appelle l'application non seulement du droit fédéral, mais encore de ces règles cantonales, le Tribunal fédéral peut les appliquerlui-même ou renvoyer l'affaire à l'autorité cantonale, selon l'art. 65 OJ.
BGE 98 II 49 S. 53
La prédominance du droit fédéral, en l'espèce, impose la première solution.
5.
Aux termes de l'art. 132 de la loi bernoise sur l'introduction du CC, les ventes aux enchères publiques (à l'exception des ventes d'objets mobiliers jusqu'à cinq cents francs) ont lieu par le ministère d'un notaire, qui en dresse procès-verbal, et en présence d'un huissier du cercle ou, à son défaut, d'une autre personne désignée par le maire. Selon l'art. 35 du décret concernant l'exécution de la loi bernoise sur le notariat, du 24 novembre 1909, le notaire arrête le cahier des charges avec le vendeur conformément aux prescriptions de la législation civile et pourvoit aux publications prescrites par la loi ou l'usage. L'art. 36 al. 1 stipule qu'après lecture du cahier des charges, qui doit rester pendant toute la durée des opérations à la disposition de quiconque veut en prendre connaissance, le notaire fait faire les criées et adjuger conformément aux prescriptions légales et aux conditions établies; il dresse un procès-verbal exact des opérations et de leurs résultats.
Le contrat de vente en cas d'enchères volontaires et publiques est conclu, selon l'art. 229 al. 2 CO, par l'adjudication que le vendeur fait de la chose. S'il n'a pas manifesté d'intention contraire, la personne qui dirige les enchères est réputée avoir le droit d'adjuger la chose au plus offrant (art. 229 al. 3 CO). Il ressort de ces dispositions, ainsi que des prescriptions bernoises précitées, que la "personne qui dirige les enchères" au sens de l'art. 229 al. 3 CO était en l'espèce l'huissier. Le notaire, chargé par les vendeurs d'organiser les enchères, jouait aussi le rôle de l'officier public préposé à la tenue du procès-verbal des opérations, notamment des criées et des adjudications. Selon l'art. 3 des conditions de vente, l'huissier Hermann ne pouvait adjuger que provisoirement, puisque les vendeurs se réservaient le droit d'adjuger ou de ne pas adjuger.
6.
Aux termes de l'art. 18 al. 1 de la loi bernoise sur le notariat du 31 janvier 1909, le notaire ne doit dresser acte que des faits qui se sont déroulés devant lui conformément aux dispositions de la loi. L'art. 36 al. 1 du décret, déjà cité, lui impose en outre l'obligation de dresser un procès-verbal exact des opérations et de leurs résultats. Le point de vue de la Cour d'appel, selon lequel "le terme 'adjugé', consigné sans autre dans ce document (le procès-verbal), doit être considéré comme une fiction", est incompatible avec ces dispositions légales. Ou
BGE 98 II 49 S. 54
bien les lots avaient été adjugés, sur l'ordre des vendeurs ou avec leur accord tacite, et le contenu du procès-verbal était exact. Ou bien ce n'était pas le cas, et le notaire ne pouvait alors se borner à écrire que les lots avaient été adjugés; il devait consigner la situation réelle, par exemple par l'adjonction du terme "provisoirement" ou de la mention "sous réserve de l'acceptation des vendeurs". Le fait qu'il se soit conformé à l'"usage courant dans le Jura Sud", auquel se réfère le jugement attaqué, est inopérant. L'application des prescriptions légales ne saurait être écartée par un usage local - à plus forte raison s'il est abusif - dès lors que la loi ne réserve pas un tel usage (RO 91 II 358 s. consid. 2, 90 II 101 et citations).
De plus, le notaire a fait signer aux enchérisseurs, après lecture, la partie du procès-verbal qui les concernait et il a perçu sans formuler de réserve tout ou partie du prix de vente. Selon le jugement déféré, cette pratique serait également d'usage dans le Sud du Jura. En l'espèce, elle devait être interprétée en ce sens que les héritiers présents ou leurs représentants étaient tacitement d'accord avec l'adjudication. C'est ainsi que l'ont comprise, non seulement les enchérisseurs, mais aussi l'huissier Hermann, qui a déclaré en justice: "En voyant les acquéreurs signer et payer, je pensais que la vente était définitive", expliquant en outre: "Ce n'est pas la coutume de faire signer l'acte et payer avant la délibération des vendeurs." Il aurait fallu, pour éclaircir la situation, spécifier au procès-verbal l'existence d'une réserve de la part des vendeurs. A ce défaut, les enchérisseurs pouvaient de bonne foi partir de l'idée que les lots leur avaient été adjugés à titre définitif.
7.
Il est constant que l'huissier n'a adjugé que provisoirement, également après la troisième criée, tandis que le notaire consignait au procès-verbal la seule mention "adjugé", mention portée à la connaissance des enchérisseurs par la lecture du procès-verbal. Il s'agit dès lors de déterminer si la décision ultérieure des vendeurs de ne pas adjuger les lots aux demandeurs pouvait encore sortir ses effets. L'art. 232 al. 1 CO stipule de manière impérative que l'adjudication des immeubles ou le refus d'adjuger doit se faire aux enchères mêmes. Alors que l'approbation d'une adjudication provisoire peut résulter d'actes concluants des vendeurs ou de leur mandataire, la nature des choses postule que le refus d'adjuger intervienne expressément.
Lorsque le dernier enchérisseur eut signé le procès-verbal et
BGE 98 II 49 S. 55
versé tout ou partie du prix de vente, le notaire s'est retiré avec les héritiers et leurs représentants dans une petite salle, sans signifier aux participants que les enchères n'étaient pas encore terminées et que les héritiers allaient décider d'adjuger ou de ne pas adjuger. Le procès-verbal est muet sur ce point. Il se borne à indiquer, après mention de l'adjudication du quatorzième lot à Werner Aufranc, que "les vendeurs déclarent ne pas adjuger les lots nos 1, 5, 6, 10 et 14 et les retirer de la vente". Rien ne laisse supposer que cette déclaration faisait suite à une délibération tenue durant 45 minutes dans une autre salle et qu'elle n'a pu être faite en présence des enchérisseurs. Le comportement de ceux-ci, qui avaient quitté la salle en pensant que les enchères étaient terminées, ne doit dès lors pas surprendre. Même l'huissier Hermann était d'avis, selon ses déclarations en justice, que "tout était terminé", supposant que "les héritiers se retiraient avec le notaire pour liquider la succession". Quant à l'attitude postérieure du notaire et des vendeurs, elle n'était pas de nature à dissiper cette impression. Si les enchères n'avaient pas été terminées, le notaire ou un représentant des vendeurs aurait dû communiquer publiquement aux enchérisseurs la décision d'adjuger ou de ne pas adjuger. Puisque selon eux toutes les adjudications n'avaient qu'un caractère provisoire, la décision d'adjuger devait aussi être portée publiquement à la connaissance des intéressés.
Selon le jugement déféré, qui se réfère aux témoignages des notaires S. et B., il est d'usage dans le Sud du Jura que le refus d'adjuger soit mentionné au procès-verbal, avant sa clôture, la décision d'adjuger résultant au contraire de la signature des vendeurs, apposée à la fin du procès-verbal. Cette pratique répond à l'exigence de l'art. 232 al. 1 CO, lorsque les vendeurs prennent leur décision pendant le déroulement des enchères publiques. La signature du procès-verbal vaut approbation des adjudications provisoires, sauf déclaration expresse de ne pas adjuger. Mais lorsque, comme en l'espèce, les vendeurs se retirent après la dernière criée pour délibérer en privé, le résultat de cette délibération doit être communiqué publiquement, ne serait-ce que par actes concluants, s'il a été décidé d'adjuger. Or l'organisateur n'a nullement cherché à rassembler à nouveau les participants aux enchères dans la salle où elles s'étaient déroulées, notamment les adjudicataires. Quand bien même il n'y serait pas parvenu, la décision d'adjuger ou de ne pas
BGE 98 II 49 S. 56
adjuger devait être portée publiquement à la connaissance des intéressés, si les enchères n'étaient pas terminées.
C'est donc à tort que la Cour d'appel a considéré que l'art. 232 al. 1 CO avait été respecté. Le principe de la bonne foi en affaires permettait aux enchérisseurs d'admettre qu'après la consignation au procès-verbal de la dernière adjudication et le retrait des héritiers et du notaire, la décision d'adjuger réservée par l'art. 3 des conditions de vente leur avait été tacitement communiquée et que les enchères étaient terminées. Sans doute les héritiers et le notaire étaient-ils d'un autre avis. Mais ils ne l'ont pas fait savoir publiquement, ni après notification de la dernière adjudication au procès-verbal, ni à l'issue de la délibération tenue dans la petite salle. Il n'y a dès lors pas de raison suffisante de traiter les recourants autrement que les autres enchérisseurs, qui n'ont pas reçu non plus communication de la décision d'adjuger aux enchères et qui ont néanmoins été inscrits au registre foncier en qualité de propriétaires des immeubles dont ils s'étaient portés acquéreurs.
La Cour d'appel se réfère en vain à l'arrêt RO 40 II 499 et à BECKER, n. 3 ad art. 232 CO (cf. aussi dans le même sens OSER/SCHÖNENBERGER, n. 2 ad art. 232 CO). Certes, ni l'art. 232 CO ni l'art. 36 al. 1 i.f. du décret bernois du 24 novembre 1909 qui renvoie à l'art. 34 al. 3, ne prescrivent que les enchères doivent avoir lieu sans interruption. Mais si elles sont interrompues et doivent être reprises postérieurement, il faut le déclarer, par exemple dans les conditions de vente ou dans le procès-verbal d'adjudication, ou tout au moins communiquer publiquement aux intéressés l'interruption ainsi que le jour et l'heure de la reprise, afin qu'ils sachent que les enchères ne sont pas terminées et quand interviendra la décision des vendeurs. Or rien de tel n'a été fait en l'espèce.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral:
1.- Admet le recours dans la mesure où il est recevable et annule le jugement rendu le 26 mai 1971 par la Cour d'appel du canton de Berne;
2.- a) Attribue comme il suit aux recourants la propriété des biens-fonds des intimés, ci-après désignés:
- à Jules Mottet celle de l'immeuble feuillet no 799 d'Orvin, - à Werner Aufranc celle de l'immeuble feuillet no 1306 d'Orvin,
BGE 98 II 49 S. 57
- à Werner Bitterli celle des immeubles feuillets nos 156, 287 et 403 d'Orvin;
Autorise le conservateur du registre foncier de Courtelary, conformément à l'art. 78 al. 2 PCF, à inscrire les recourants comme propriétaires de ces biens-fonds;
b) Dit qu'André Schwab, curateur de l'intimé Jean-Pierre Aufranc, est tenu de présenter dans les 14 jours à l'autorité tutélaire d'Orvin une demande d'approbation de l'adjudication, sous menace, s'il ne fait pas cette démarche, d'être frappé à la requête des recourants des peines d'arrêts ou d'amende prévues par l'art. 292 CP;
c) Le chiffre 2, lettre a du dispositif du présent arrêt sera exécutoire dès que le Tribunal fédéral aura constaté, conformément à l'art. 74 al. 2 PCF, que les recourants ont accompli la contre-prestation qui leur incombe. Reste réservée l'approbation de l'adjudication par l'autorité tutélaire d'Orvin en ce qui concerne l'intimé Jean-Pierre Aufranc. | public_law | nan | fr | 1,972 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
183db139-2b2d-4a4c-ae59-4717cd310d3d | Urteilskopf
99 IV 80
18. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 6. Juli 1973 i.S. X. und Y. gegen Generalprokurator des Kantons Bern. | Regeste
Art. 153 und 154 StGB
: Warenfälschung und Inverkehrbringen gefälschter Waren setzen eine Substanzveränderung der Ware, zumindest ein Nachmachen der Ware oder eine Verringerung des Warenwertes voraus (Erw. 3).
Art. 148 StGB
, Betrug:
1. Der Gast wird bei Abgabe anderer als bestellter Ware betrogen, wenn seine Schädigung sowie die Arglist und Bereicherungsabsicht des Täters gegeben sind (Erw. 4).
2. Umschreibung der Gewerbsmässigkeit; die soziale Gefährlichkeit des Täters ist keine Voraussetzung (Erw. 7 und 8). | Sachverhalt
ab Seite 80
BGE 99 IV 80 S. 80
A.-
X. betreibt seit 1968 mit seiner Ehefrau Y. das Hotel Restaurant Z. in A.
a) Im Jahre 1969 erhielt er wegen der kleinen Waadtländer Weinernte erheblich weniger Féchy und Epesses, als er benötigte. Er kaufte daher 2000 Liter Neuenburger Cressier zu Fr. 3.30 pro Liter. Da dieser bei seinen Gästen keinen Anklang fand, ging er dazu über, den Cressier anstelle von Féchy (Einstandspreis Fr. 3.25 - Fr. 3.50) oder Epesses (Einstandspreis Fr. 4.- -Fr. 4.20) auszuschenken. Damit Gäste und Servierpersonal die
BGE 99 IV 80 S. 81
Unterschiebung nicht bemerkten, wurde der Cressier auch bei Bestellungen von einem Liter in eigens zu diesem Zweck angeschafften Karaffen ausgeschenkt. Normalerweise servierte man den offenen Wein bei X. in Karaffen von 2, 3 und 5 dl und in etikettierten Flaschen von 1 Liter. Insgesamt wurden auf diese Weise höchstens 824 Liter Cressier als Féchy oder Epesses ausgeschenkt. Y. wusste um diese Machenschaften und schenkte selbst am Buffet Cressier anstelle von Waadtländerwein aus.
b) In der Saison 1969 gab X. in seinem Restaurant anstelle von bestelltem Rehpfeffer zu etwa 50% Hirschpfeffer ab. In der Saison 1970 bot er auf seiner Speisekarte und der Wildspezialitätenkarte verschiedene Rehgerichte an, aber kein Hirschfleisch. Tatsächlich wurden jedoch mit wenigen Ausnahmen die als Reh angebotenen Speisen mit Hirschfleisch hergestellt. So wurden mindestens 310 kg Hirschpfeffer und 123,8 kg Hirschschnitzel anstelle des bestellten Rehfleisches serviert. Einen direkten Mehrerlös erzielte X. damit nicht, da das verwendete ausgebeinte Hirschfleisch bei gleichen Portionen ebensoviel kostete wie Rehfleisch mit Knochen. Dagegen wäre Rehfleisch ohne Knochen erheblich teurer gewesen. Die Wildspeisen ohne Knochen waren bei den Kunden viel beliebter als das vorher servierte nicht ausgebeinte Rehfleisch.
Y. hatte mit der Unterschiebung von Hirschfleisch nichts zu tun.
c) X. servierte in seinem Restaurant verschiedentlich Truthahnfleisch, wenn auf der Karte die Fleischsorte nicht genau bezeichnet war, wenn also z.B. Schnitzel, Pikata oder Geschnetzeltes nach Züricher Art aufgeführt war. Lautete die Bezeichnung Kalbsschnitzel, Kalbspikata usw. dann verwendete er allerdings Kalbfleisch. Als er in der Folge Schweinefleisch billiger als Truthahn erwerben konnte, verwendete er bei den nicht näher bezeichneten Speisen Schweinefleisch.
B.-
Am 4. Mai 1972 verurteilte das Amtsgericht Burgdorf die Eheleute X. und Y. wegen Widerhandlung gegen das Lebensmittelgesetz, begangen durch den Verkauf von Cressier anstelle von Féchy und Epesses, X. ausserdem wegen der Abgabe von Hirschpfeffer und Hirschfleisch anstelle von Rehpfeffer und Rehfleisch. Dafür wurde er mit 2 Monaten Haft, bedingt vollziehbar auf eine Probezeit von einem Jahr, und einer Busse von Fr. 1000.-- bestraft. Y. wurde eine Busse von Fr. 200.-- auferlegt.
BGE 99 IV 80 S. 82
Die gegen dieses Urteil von der Staatsanwaltschaft erhobene Berufung wurde am 12. Oktober 1972 von der I. Strafkammer des Obergerichtes des Kantons Bern teilweise gutgeheissen. X. wurde des fortgesetzten Betruges schuldig erkannt, begangen durch Verkauf einer nicht bestimmbaren aber maximal 824 lt ausmachenden Menge Weisswein der Sorte Cressier als solchen der Marken Féchy und Epesses, sowie durch Verkauf von mindestens 310 kg Hirschpfeffer, der als Rehpfeffer und 123,8 kg Hirschschnitzel, die als Rehschnitzel erklärt worden waren. Y. wurde des fortgesetzten Betruges schuldig erkannt, begangen durch Verkauf einer nicht bestimmbaren aber höchstens 824 lt ausmachenden Menge Weisswein der Sorte Cressier als solchen der Marken Féchy und Epesses. X. wurde zu einer bedingt aufgeschobenen Gefängnisstrafe von 8 Monaten abzüglich der erstandenen Untersuchungshaft, die Ehefrau zu einer bedingt aufgeschobenen Gefängnisstrafe von 3 Monaten verurteilt.
C.-
Gegen das obergerichtliche Urteil haben der Ankläger und der Verteidiger Nichtgkeitsbeschwerde an das Bundesgericht erhoben.
Der Generalprokurator des Kantons Bern beantragt die Aufhebung des Urteils und die Rückweisung der Sache zur Verurteilung der beiden Angeklagten wegen gewerbsmässigen Betrugs sowie zur neuen Festsetzung der Strafe.
Der Verteidiger der Angeklagten beantragt die Aufhebung des obergerichtlichen Urteils und die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz sur Neubeurteilung. Aus der Begründung ergibt sich, dass die Voraussetzungen des Betrugstatbestandes bestritten werden, die Verurteilung wegen Verletzung des Lebensmittelgesetzes dagegen unangefochten ist.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
I.
Nichtigkeitsbeschwerde der Eheleute X.
3.
Mit den kantonalen Gerichten und der Verteidigung ist festzustellen, dass es an sich nahe liegen würde, die Abgabe von Wein und Fleisch anderer Herkunft als der auf Wein- und Speisekarten angegebenen
Art. 153 oder 154 StGB
zu unterstellen. Die kantonalen Gerichte verweisen jedoch zutreffend auf die bundesgerichtliche Praxis, wonach diese Straftatbestände eine Substanzveränderung der Ware oder mindestens ein Nachmachen der Ware oder eine Verringerung des Warenwertes verlangen (
BGE 97 IV 65
,
BGE 94 IV 109
mit Verweisungen).
BGE 99 IV 80 S. 83
a) Diese Praxis ist freilich nicht unbestritten. SCHWANDER (Schweiz. Strafgesetzbuch, 2.A. Nr. 572, S. 355) vertritt die Auffassung, entscheidend sei die Verwechslungsgefahr; es komme darauf an, ob Schein und Sein übereinstimmten; auch eine blosse Falschdeklaration, z.B. über die Herkunft des Weines, sei als Warenfälschung zu bestrafen. Die Praxis des Bundesgerichts führe zum unbefriedigenden Ergebnis, dass wegen Warenfälschung milder bestraft werde, wer gepantschten Wein falsch deklariere, während der Verkauf unverschnittenen, falsch deklarierten Weines der schweren Betrugsstrafe unterliege.
Ob diese Kritik berechtigt ist - der Kassationshof hat sich bereits in
BGE 84 IV 97
damit auseinandergesetzt - braucht im vorliegenden Fall aus zwei Gründen nicht entschieden zu werden.
Einmal haben die Beschwerdeführer die Ware selbst nicht falsch deklariert, wie das etwa durch Aufkleben falscher Etiketten oder durch das Umgiessen des Cressier in Epessesflaschen hätte geschehen können. Sie haben Originalware in neutraler Präsentation abgegeben, aber durch die Speise- und Weinkarte eventuell auch mündlich in Aussicht gestellt, andere Ware zu liefern. Solche unwahren, mündlichen oder schriftlichen Zusicherungen, ohne dass die Ware selbst manipuliert wurde, sind auch nach Auffassung Schwanders keine Warenfälschung (SCHWANDER, a.a.O.).
Zum andern erschöpfte sich das Verhalten der Täter, wie es aus dem Urteil der Vorinstanz hervorgeht, nicht in einer blossen Abgabe anderer als der bestellten und erwarteten Ware.
b)
Art. 153 und 154 StGB
setzen weder Bereicherungsabsicht noch eine Schädigung voraus (
BGE 97 IV 66
E. 7 mit Verweisungen). Handelt der Täter aber in Bereicherungsabsicht und veranlasst er den Käufer durch arglistige Irreführung zu einem vermögensschädigenden Verhalten, dann ist er nach
Art. 148 StGB
wegen Betruges strafbar. Wer ohne diese Voraussetzungen des Betrugstatbestandes dem Käufer lediglich andere Waren liefert, als dieser bestellte oder aufgrund von Preislisten oder mündlichen Äusserungen erwartete, bleibt straflos. Das mag als Mangel empfunden werden. Es wäre jedoch Sache des Gesetzgebers, einen neuen Straftatbestand zu schaffen, falls dies als notwendig erscheint.
Hat der Täter die besonderen Voraussetzungen des
Art. 148
BGE 99 IV 80 S. 84
StGB
erfüllt, so ist es nicht unbillig, ihn demgemäss zu bestrafen, auch wenn sich seine Tat auf die Abgabe von Lebensmitteln bezieht. Sein Verhalten ist nicht weniger strafwürdig als das vieler anderer kleinen Betrüger.
4.
Die Verteidigung anerkennt, dass der Gast bei der Abgabe anderer als der bestellten Ware getäuscht worden ist. Dagegen bestreitet sie die Arglist, die Bereicherungsabsicht der Täter und die Vermögensschädigung der Kunden.
a) Mit Recht kritisiert die Beschwerde nicht die verbindlich festgestellte Tatsache, dass X. Literkaraffen eigens dazu angeschafft hat, um auch bei der Bestellung eines ganzen Liters Waadtländerwein nicht eine etikettierte Literflasche aufstellen zu müssen. Dagegen wendet die Beschwerde ein, die Abgabe in Karaffen sei landesüblich, die Anschaffung also nicht eine "besondere Veranstaltung", die den Vorwurf der Arglist rechtfertige.
Der Einwand hilft den Beschwerdeführern nichts. Im Gegenteil. Gerade der Umstand, dass in andern Lokalen häufig Literkaraffen verwendet werden, ermöglichte es X., den Cressier unauffällig anstelle des bestellten Waadtländers aufzutischen und zugleich eine Kontrolle durch den Gast auszuschliessen. Im Lokal der Beschwerdeführer waren vorher keine Literkaraffen gebraucht worden. Bei Bestellung eines ganzen Liters wurde vielmehr die etikettierte Originalflasche aufgestellt. Die Beschwerdeführer hätten also entweder in solchen Fällen den richtigen Wein servieren und dadurch Gefahr laufen müssen, dass bei Nachbestellung eines kleineren Quantums der Gast den Geschmacksunterschied gemerkt hätte oder sie hätten den Cressier in leere Féchy- oder Epessesflaschen umfüllen müssen, was nach der verbindlichen Feststellung der Vorinstanz die Aufmerksamkeit des Personals erregt und die Kontrollmöglichkeit des Gastes sowie die Entdeckungsgefahr überhaupt gesteigert hätte. Die Vorinstanz durfte ohne Rechtsverletzung annehmen, die Anschaffung von Literkaraffen zur erfolgreichen Täuschung der Kunden und zur Erschwerung der Überprüfung sei arglistig im Sinne der Rechtsprechung zu
Art. 148 StGB
(
BGE 76 IV 95
; Handkommentar GERMANN, 9. Auflage S. 258/59; SCHWANDER a.a.O., Nr. 566).
Dazu kommt der weitere Umstand, auf den die Vorinstanz ebenfalls mit Recht verwiesen hat. X. weihte nur den Buffetburschen und dessen Frau ein; diese beiden und Y. füllten am
BGE 99 IV 80 S. 85
Buffet den falschen Wein in die Karaffen; vor dem Servierpersonal wurde das geheim gehalten; es konnte dem Gast in guten Treuen bestätigen, den bestellten Wein aufgetischt zu haben. Der Gast, der normalerweise nur mit dem Servierpersonal zu tun hat, konnte ohne besondere unübliche Erkundigungen dem Schwindel nicht auf die Spur kommen. Auch diese Massnahme zusammen mit der erstgenannten ist mit Recht als Arglist beurteilt worden.
Dass es sich dabei um sehr einfache Vorkehren handelte und man unlautere Machenschaften ohnehin nicht an die grosse Glocke zu hängen pflegt, entkräftet entgegen der Ansicht der Beschwerde den Vorwurf nicht. Die Frage, ob eine arglistige Machenschaft auch in einem Unterlassen bestehen kann oder ob ein positives Tun unbedingt erforderlich ist, mag hier offen bleiben. Das Verhalten der Eheleute X. ging jedenfalls über das hinaus, was man als Unterlassungsdelikt bezeichnen kann (99 IV 222, Erw. 5 und 6).
Wie die Vorinstanz ausführt, hat Y. die Machenschaften ihres Ehemannes nicht nur geduldet, sondern stillschweigend unterstützt, indem sie gegen besseres Wissen Cressier statt des bestellten Waadtländers ausschenkte. Sie ist somit als Mittäterin anzusehen. Mittäterschaft ist nämlich gegeben, wenn der zweite Täter sich massgeblich an der Entschliessung oder Planung und an der Ausführung der Tat beteiligt (
BGE 85 IV 23
). Zudem ist nach ständiger Rechtsprechung besonders auf das Mass des schuldbaren Wollens abzustellen (
BGE 91 IV 221
,
BGE 85 IV 133
/4,
BGE 81 IV 62
). Nach dem angefochtenen Urteil hat Y. nicht nur an der Ausführung der Tat massgeblich mitgewirkt, sondern sie hat auch den deliktischen Erfolg gewollt. Wenn dem aber so ist, muss die Arglist der Ehefrau bejaht werden. Y. hat zumindest die Arglist ihres Ehemannes übernommen, falls sie nicht selbständig zu seinen Machenschaften beigetragen hat. Im übrigen ist die Verteidigung selber der Auffassung, dass für beide Eheleute dieselben Überlegungen anzustellen seien.
b) Auch für die Abgabe des Hirschfleisches hat die Vorinstanz ohne Rechtsverletzung Arglist des Ehemannes X. angenommen. An sich genügte hiefür schon ihre Feststellung, dass "X. alles tat, um die Gäste überhaupt nicht auf den Gedanken kommen zu lassen, dass etwa ungewohnt schmeckendes,Rehfleisch'vielleicht Hirschfleisch sein konnte" und dass ein Laie ohnehin in einem bekannten Restaurant nicht auf die Idee
BGE 99 IV 80 S. 86
kommt, es werde ihm eine andere als die bestellte Fleischsorte vorgesetzt, zumal wenn beide Gerichte ähnlich aussehen und schmecken. X. hat sich nach diesen Ausführungen also darauf verlassen, dass die Gäste die Herkunft des Fleischs nicht überprüfen würden. Darüber hinaus hat er, obwohl er Hirschfleisch verarbeitete, überhaupt kein solches auf der Speisekarte aufgeführt. Er tat das nach Feststellung der Vorinstanz, damit die Gäste gar nicht auf den Gedanken gebracht würden, Hirschfleisch zu erhalten. Auch sollte der Gefahr vorgebeugt werden, dass ein Gast einmal Hirsch, einmal Reh bestellen und Verdacht schöpfen könnte, wenn er keinen Unterschied feststellt. X. hat also einerseits den Umstand ausgenützt, dass der Getäuschte eine Überprüfung unterlassen werde und er hat zusätzliche Massnahmen getroffen, um die Gefahr einer Überprüfung noch besser auszuschalten. Das aber ist Arglist im Sinne von
Art. 148 StGB
(
BGE 87 IV 12
,
BGE 86 IV 205
,
BGE 78 IV 26
,
BGE 77 IV 84
,
BGE 76 IV 95
).
c) Das Obergericht stellt fest, dass X. sowohl bei der Abgabe des Neuenburgers statt Waadtländers, wie bei der Verwendung von Hirschfleisch für Reh in der Absicht unrechtmässiger Bereicherung gehandelt hat. Ebenso wird der subjektive Tatbestand des Betrugs generell für Y. bejaht, wobei sich aus dem Urteil ergibt, dass die Vorinstanz sich im klaren war, dass die Bereicherungsabsicht mit zu diesem Vorsatz gehört. Die Feststellung bezieht sich auf einen inneren Tatbestand; sie ist daher der Überprüfung des Kassationshofes entzogen (
Art. 273 Abs. 1 lit. b und
art. 277 bis Abs. 1 BStP
). Die Beschwerde hat denn auch mit Recht darauf verzichtet, die Bereicherungsabsicht vor Bundesgericht zur Diskussion zu stellen.
d) Dagegen bestreitet die Nichtigkeitsbeschwerde, dass die Kunden geschädigt und die Eheleute X. bereichert worden sind. Auch hiebei handelt es sich um eine Bemängelung verbindlicher Feststellungen der Vorinstanz. Die Beschwerde ist insoweit unzulässig (
Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP
). Rechtsfrage und vom Kassationshof zu überprüfen ist dagegen, ob die Vorinstanz von einem richtigen Begriff der Schädigung und Bereicherung ausgegangen ist. Das ist zu bejahen.
Der Cressier war im Ankauf billiger als der Féchy und insbesondere als der Epesses. Im System der freien Marktwirtschaft mit freier Preisgestaltung ist der Kunde nicht bereit, wissentlich für einen im Einkauf billigeren Wein den gleichen oder höheren Preis zu bezahlen wie für einen teureren. Dazu
BGE 99 IV 80 S. 87
kommt, dass die Kundschaft der Beschwerdeführer den Cressier nicht einmal zum Normalpreis konsumierten, weil sie Waadtländer vorzogen. X. hätte den Wein entweder mit Verlust im eigenen Betrieb verarbeiten oder bestenfalls zu einem wesentlich reduzierten Preis in seinem Restaurant absetzen können. Durch sein Täuschungsmanöver brachte er die Gäste dazu, den Wein überhaupt zu geniessen und zum vollen Preis des teureren Waadtländers zu bezahlen. Vermögensvorteil für X. und Schädigung der Kundschaft sind offensichtlich. Bei den Wildspezialitäten hatte X. festgestellt, dass seinen Gästen die vielen Knochen des Rehfleisches missfielen. Wollte er keinen Umsatzrückgang riskieren, so musste er entweder das teurere, knochenfreie Fleisch verwenden oder die Preise herabsetzen, bzw. die Portionen erhöhen. Durch die Verwendung des ausgebeinten Hirschfleisches täuschte er vor, knochenfreies Rehfleisch ohne Preiserhöhung und ohne Reduktion der Portionen zum Normalpreis abzugeben, was sich auf seinen Umsatz günstig auswirkte. Sein finanzieller Vorteil ist offensichtlich, auch wenn nicht unmittelbar ein Mehrerlös resultierte. Aber auch die Schädigung der Kunden ist ausgewiesen und zwar selbst dann, wenn man fälschlicherweise ausgebeintes Hirschfleisch und nicht ausgebeintes Rehfleisch auf die gleiche Ebene stellt. Gleichwertigkeit der versprochenen und erbrachten Lieferung schliesst dennoch eine Schädigung nicht aus, wenn die gelieferte Sache nicht die zugesicherten Eigenschaften aufweist (
BGE 72 IV 126
E. 3; GERMANN, a.a.O. S. 260).
5.
Was von der Verteidigung sonst noch vorgebracht wird, vermag die Verurteilung wegen Betruges auch nicht als rechtsverletzend darzutun.
So ist es belanglos, wieviele Kunden einen Geschmacksunterschied feststellten und wieviele dies beanstandeten. Ebensowenig hilft den Beschwerdeführern der Umstand, dass es in der gleichen Lage Weine verschiedener Qualität und vom gleichen Rebberg verschieden gute Jahrgänge gibt.
Zuzugeben ist, dass Gesetzgebung und Praxis gewisse Zusätze und Änderungen bei Weinen, Lebensmitteln und anderen Waren gestatten und dass auch bei Qualitäts- und Materialbezeichnungen teilweise gewisse Toleranzen bestehen. Veränderungen, die von Gesetz und Verordnung zugelassen werden, sind aber offenkundig; der Käufer weiss, dass er damit rechnen muss. Er ist an sich nicht getäuscht und der Verkäufer handelt jedenfalls
BGE 99 IV 80 S. 88
nicht arglistig. Wer aber statt eines bestellten Rehpfeffers Hirschfleisch und statt Féchy Cressier vorgesetzt bekommt, dazu noch zum teureren Preis der bestellten Ware, der ist betrogen.
II.
Nichtigkeitsbeschwerde des Generalprokurators
6.
Schon vor Obergericht hatte der Anklagevertreter die Verurteilung der Eheleute X. wegen gewerbsmässigen Betrugs beantragt und eine Strafe von 14 Monaten Zuchthaus bedingt für den Ehemann, von 12 Monaten Zuchthaus bedingt für die Ehefrau gefordert.
Das Obergericht hat die Gewerbsmässigkeit verneint. X. habe durch seine Machenschaften die Gäste nur geringfügig oder zum Teil gar nicht geschädigt; er sei im übrigen als reeller Wirt bekannt und geschätzt; seine zwar verwerfliche Entgleisung sei nicht Ausdruck einer rücksichtslosen Missachtung sozialer Normen, welche eine besondere Gefährlichkeit verrate. Unter Hinweis auf
BGE 94 IV 20
führt die Vorinstanz aus, diese soziale Gefährlichkeit sei die eigentliche Voraussetzung für die Annahme von Gewerbsmässigkeit im Sinne von
Art. 148 StGB
. Wo die soziale Gefährlichkeit fehle, sei die Mindeststrafe von einem Jahr Zuchthaus nicht zu rechtfertigen und deshalb die Gewerbsmässigkeit zu verneinen.
Der Generalprokurator rügt mit Nichtigkeitsbeschwerde diese Auslegung des
Art. 148 StGB
als rechtsverletzend. Die soziale Gefährlichkeit sei nicht Voraussetzung der Gewerbsmässigkeit als Qualifikationsmerkmal. Entscheidend sei vielmehr die Bereitschaft, gegenüber unbestimmt vielen Personen zu handeln in der Absicht, zu einem Erwerb zu gelangen.
7.
Gewerbsmässig handelt, wer in der Absicht, zu einem Erwerbseinkommen zu gelangen und mit der Bereitschaft, gegenüber unbestimmt vielen zu handeln, die Tat begeht (
BGE 94 IV 21
,
BGE 88 IV 19
,
BGE 86 IV 207
je mit Verweisungen; GERMANN, a.a.O. S. 146-148). Nicht notwendig ist, dass es sich dabei um den hauptsächlichen oder regelmässigen Erwerb des Täters handelt. Auch eine gegenüber einem Einzelnen begangene Tat kann gewerbsmässig sein, wenn die Umstände den Schluss zulassen, dass der Täter bereit war, gegenüber unbestimmt vielen oder bei jeder sich bietenden Gelegenheit zu handeln (
BGE 86 IV 207
E. 1; nur scheinbar anders
BGE 94 IV 21
).
Weitere Kriterien werden weder vom Gesetz (der Begriff ist für das ganze StGB derselbe;
BGE 88 IV 20
) noch von der
BGE 99 IV 80 S. 89
Praxis (
BGE 79 IV 11
ff.) gefordert. Das gilt auch für die von der Vorinstanz vertretene Auffassung, Gewerbsmässigkeit setze eine besondere soziale Gefährlichkeit des Täters voraus, die ausser den bereits erwähnten Kriterien nachgewiesen sein müsse. Es ist zwar richtig, dass in dem von der Vorinstanz zitierten
BGE 94 IV 20
E. 2 der Satz steht, "gewerbsmässiges Handeln wird schärfer bestraft, weil die Bereitschaft gegen unbestimmt viele zu handeln sozial besonders gefährlich ist". Schon aus dem Wortlaut ergibt sich, dass damit kein zusätzliches Begriffsmerkmal eingeführt werden sollte. Auch die anschliessende Folgerung, massgebend sei somit, ob diese Bereitschaft beim Täter selber bestehe, zeigt, dass nur die Bedeutung der Bereitschaft hervorgehoben werden sollte, gegenüber unbestimmt vielen zu handeln. In diesem Umstand liegt die soziale Gefährlichkeit. Das Urteil hebt hervor, dass die Gewerbsmässigkeit daher nicht bejaht werden dürfe, wenn die eingeklagte Handlung zwar im Gewerbebetrieb vorgenommen wird, wenn aber nicht der Täter, sondern nur sein Abnehmer bereit war, gefälschte Ware an beliebig viele Personen weiter zu veräussern. Eindeutig wird die Bedeutung des zitierten Satzes auch durch den darin enthaltenen Hinweis auf
BGE 86 IV 11
und
BGE 88 IV 19
. In diesen beiden Urteilen hat der Kassationshof wiederum die herkömmliche Umschreibung verwendet und die soziale Gefährlichkeit des Täters hervorgehoben, der bereit ist, gegenüber beliebigen Personen zu handeln. In beiden Urteilen wird die Auffassung abgelehnt, Gewerbsmässigkeit setze eine soziale Entfremdung, eine niedrige Gesinnung des Täters etc. voraus. Wegen gewerbsmässigen Betrugs kann auch bestraft werden, wer nicht aus niedriger Gesinnung, sondern aus einer Notlage delinquiert.
Die Auffassung der Vorinstanz, das hohe Strafminimum von
Art. 148 Abs. 2 StGB
beweise, dass Gewerbsmässigkeit nur bei besonderer sozialer Gefährlichkeit des Täters angenommen werden dürfe, ist vom Bundesgericht bereits früher zurückgewiesen worden unter Berufung auf die Tatsache, dass das StGB den gleichen Begriff der Gewerbsmässigkeit auch bei andern Tatbeständen verwendet, wo erheblich mildere Strafen angedroht sind (
BGE 79 IV 11
; dazu auch GERMANN, a.a.O. S. 147 unten). Es besteht kein Anlass, von dieser Praxis abzuweichen.
8.
Ob der Täter bereit war, gegen unbestimmt viele zu handeln, ist Tatfrage (
BGE 86 IV 207
E. 1). Das angefochtene
BGE 99 IV 80 S. 90
Urteil hat sie für den Kassationshof verbindlich bejaht. Es hat daraus auch die richtige Schlussfolgerung gezogen, dass damit "an sich die Voraussetzungen für die Annahme der Gewerbsmässigkeit vorliegen würden". Dass sich X. aus den ertrogenen Einnahmen ein Erwerbseinkommen verschaffen wollte, wird von der Vorinstanz zwar nicht ausdrücklich gesagt, ergibt sich aber einerseits aus der Schilderung seines Vorgehens, anderseits aus der eben zitierten Schlussfolgerung, nachdem die Notwendigkeit dieser Voraussetzungen von der Vorinstanz nicht verkannt worden ist.
Wenn das Obergericht schliesslich die Gewerbsmässigkeit dennoch verneint hat, so lediglich deshalb, weil es fälschlich als weitere Voraussetzung die soziale Gefährlichkeit des Täters im allgemeinen, eine rücksichtslose Missachtung sozialer Normen für erforderlich hielt. Damit hat die Vorinstanz
Art. 148 Abs. 2 StGB
verletzt. Die Beschwerde des Generalprokurators ist begründet.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
1.- Die Nichtigkeitsbeschwerde der Eheleute X. wird abgewiesen.
2.- Die Nichtigkeitsbeschwerde des Generalprokurators wird gutgeheissen, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache an die Vorinstanz zurückgewiesen, damit sie die Eheleute X. des gewerbsmässigen Betruges schuldig spreche und die Strafe entsprechend neu festsetze. | null | nan | de | 1,973 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
183f3f17-40f0-4423-8b3f-978b71387a3b | Urteilskopf
98 Ia 250
38. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes als staatsrechtlicher Kammer vom 15. Juni 1972 i.S. Arn gegen Generalprokurator und Obergericht des Kantons Bern. | Regeste
Art. 4 BV
: Materielle Rechtsverweigerung.
Nicht willkürlich ist die Annahme, die Verweigerung der Unterschrift eines Einvernahmeprotokolls durch einen vielfach vorbestraften Täter sei mit seiner forensischen Erfahrung zu erklären (Erw. 1 a).
Art. 4 BV
: Formelle Rechtsverweigerung.
Abstellen auf ein nicht unterschriebenes polizeiliches Einvernahmeprotokoll ist keine formelle Rechtsverweigerung, wenn dessen Inhalt nie bestritten und daneben noch anderes belastendes Material berücksichtigt wurde (Erw. 1 b-d). | Sachverhalt
ab Seite 250
BGE 98 Ia 250 S. 250
A.-
Am 19. Januar 1971 nachmittags begab sich Heinz Arn zusammen mit seiner bei ihm in Thun wohnenden Freundin Anna Schaller in das Modegeschäft Spengler in Bern. Beim Eingang holte er auf Anweisung seiner Freundin bei den Kassen eine grosse Plastik-Tragtasche. Im Beisein ihres Freundes suchte sich Anna Schaller in der Damenkleiderabteilung des ersten Stockes vier Kleider aus, die sie hierauf in einer Umkleidekabine, wohin ihr auch Arn folgte, anprobierte. Zwei der Kleider verstaute sie dann in der Plastiktasche, die sie Arn zum Tragen übergab. Kurz darauf verliessen sie die Kabine. Arn wartete in der Geschäftsabteilung noch ganz kurze Zeit auf
BGE 98 Ia 250 S. 251
Anna Schaller, welche beim Verlassen der Kabine von einer Verkäuferin gefragt wurde, ob ihr etwas gepasst habe, was sie verneinte. Gemeinsam fuhren die beiden hierauf die Rolltreppe hinunter ins Parterre und verliessen das Geschäft, ohne die Kleider zu bezahlen. Zwei Verkäuferinnen, die das Vorgehen der beiden beobachtet hatten, folgten ihnen auf die Strasse und stellten sie zur Rede. Arn versetzte der einen Verkäuferin zuerst eine Ohrfeige und als die zweite ihrer Kollegin zu Hilfe kam noch einen Stoss, so dass sie zu Boden fiel. Darauf warf Arn die Plastiktasche mit den gestohlenen Kleidern weg und ergriff die Flucht. Er und seine Freundin konnten jedoch rasch angehalten werden. Bei der getrennten Einvernahme durch die Polizei gaben beide an, er heisse Heinz Bieri und sei aus Münsingen.
B.-
Der Gerichtspräsident VII von Bern verurteilte Anna Schaller wegen Diebstahl zu einer bedingten Gefängnisstrafe von zehn Tagen, Arn wegen Gehilfenschaft zu Diebstahl und falscher Namensangabe zu drei Wochen Gefängnis unbedingt und zu einer Busse von 30 Franken.
Arn appellierte gegen das erstinstanzliche Urteil an das Obergericht, zog aber die Berufung in bezug auf den Schuldspruch wegen falscher Namensangabe wieder zurück. Der Generalprokurator schloss sich der Appellation an.
Die I. Strafkammer des Obergerichtes des Kantons Bern bestätigte am 12. August 1971 die Verurteilung Arns wegen Gehilfenschaft zu Diebstahl. Hiefür und für die falsche Namensangabe wurde er zu einer unbedingten Gefängnisstrafe von zwei Monaten und zu einer Busse von 30 Franken verurteilt.
C.-
Arn erhebt hiegegen eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde und staatsrechtliche Beschwerde. Mit der letzteren beantragt er, das Urteil wegen Verletzung von
Art. 4 BV
aufzuheben, während die Vorinstanz und der Generalprokurator Antrag auf Abweisung der Beschwerde stellen.
Der Kassationshof wies die staatsrechtliche Beschwerde ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
Die Vorinstanz hat den Beschwerdeführer wegen Gehilfenschaft zu Diebstahl verurteilt. Trotz seiner Bestreitung nahm sie an, er habe beim Verlassen des Ladens gewusst, dass sich in der Plastiktasche zwei von seiner Freundin gestohlene Kleider befanden. Die Beschwerde rügt diese Annahme als
BGE 98 Ia 250 S. 252
willkürlich, weil die Vorinstanz auf ein vom Beschwerdeführer nicht unterzeichnetes Protokoll einer polizeilichen Einvernahme abgestellt habe.
a) Es trifft zu, dass der Beschwerdeführer sich weigerte, bei der Polizei das Protokoll seiner ersten Einvernahme und das Nachtragsprotokoll dazu zu unterschreiben. Die Vorinstanz misst diesem Umstand keine besondere Bedeutung bei, da er leicht mit der forensischen Erfahrung des vielfach vorbestraften Angeschuldigten zu erklären sei. Der Beschwerdeführer hält diese Erklärung für widersinnig und daher für willkürlich. Ein forensisch Erfahrener hätte nicht die Unterschrift, sondern die Aussage verweigert, zumal er sich einer polizeilichen Befragung gar nicht hätte unterziehen müssen.
An sich kann jeder Verdächtige die Aussage verweigern, sei es vor der Polizei oder vor einer gerichtlichen Instanz (vgl.
Art. 79 ff. BStP
; Art. 140 ff., bes. 141 Ziff. 2 BeStV). Das hat Arn nicht getan. Der Beschwerdeführer hat lediglich die Unterschrift verweigert, ohne jemals zu behaupten, das Protokoll gebe nicht seine Aussage wieder. Dieses Verhalten erklärt sich leicht durch die Überlegung, dass er zunächst eine Bestreitung des Diebstahls selbst für aussichtslos hielt und darum seine Beteiligung zugab, am Ende der Einvernahme aber neue Hoffnung schöpfte, mit einer Bestreitung durchzukommen und gestützt auf seine forensische Erfahrung in vielen Strafprozessen annahm, dass ihm dies gegenüber einem nicht unterzeichneten Polizeiprotokoll leichter gelingen könnte. Die Überlegung der Vorinstanz ist durchaus einleuchtend und jedenfalls nicht willkürlich.
b) Mit Fug hat die Vorinstanz den Umstand hervorgehoben, dass der Angeklagte das Polizeiprotokoll "nie ausdrücklich" bestritten hat. Der Hinweis der Beschwerde auf die Offizialmaxime des bernischen Strafprozessrechts ändert nichts daran. Gewiss ist es Sache der Anklage, belastende Tatsachen zu beweisen und nicht Sache des Angeklagten, seine Unschuld darzutun oder auch nur ausdrücklich Vorwürfe zu bestreiten. Hier geht es aber nicht um seine Mitwirkung am Diebstahl, sondern um das Zustandekommen und die Bedeutung des Einvernahmeprotokolls und um die Begründung des Angeschuldigten für die an sich unbestrittene Verweigerung der Unterschrift. Tatsächlich haben weder der Angeschuldigte noch sein Verteidiger in irgend einer Phase des kantonalen Verfahrens
BGE 98 Ia 250 S. 253
behauptet, die Polizei habe durch unlautere Mittel ein Geständnis erwirkt oder etwas anderes zu Protokoll gebracht, als was der Angeschuldigte wirklich aussagte. Die Vorinstanz durfte daraus ohne Willkür ableiten, der Verweigerung der Unterschrift komme keine Bedeutung zu.
c) Eine willkürliche Verletzung bernischen Prozessrechts erblickt die Beschwerde in dem Umstand, dass die Vorinstanz entscheidend auf ein Polizeiprotokoll abstellte, obwohl Art. 91/92 des bernischen Strafverfahrens (BeStV) vorschreibe, dass die Abhörung durch den Untersuchungsrichter unter Beizug eines beeidigten Aktuars vorzunehmen sei.
Die für die Einvernahme von Zeugen und Beschuldigten aufgestellten Formvorschriften dienen der Rechtssicherheit, insbesondere dem Schutz des Beschuldigten gegen unzulässige Einvernahmemethoden (Suggestivfragen, Drohung, Schläge, Beugehaft etc.) und gegenüber ungenauer Wiedergabe von Aussagen in Protokollen, deren Verfasser keine genügende Gewähr für qualifizierte und unvoreingenommene Befragung und Niederschrift gewähren. Protokollen, die diesen Voraussetzungen nicht genügen, kommt daher nicht der Charakter rechtsgültiger Einvernahmeprotokolle zu. Das gilt auch im bernischen Verfahrensrecht für blosse Polizeirapporte und für Protokolle über polizeiliche Einvernahmen. Damit ist jedoch nicht gesagt, dass solchen Aktenstücken keine Bedeutung zukomme, wie der Beschwerdeführer anzunehmen scheint. Nach
Art. 249 BStP
wie auch nach Art. 254 BeStV würdigt der Richter die Beweise frei. Weder muss er auf ein ordnungsgemäss erstelltes Einvernahmeprotokoll abstellen und deshalb zum Beispiel gestützt auf ein Geständnis oder auf die Einvernahme von zwei Zeugen hin verurteilen, noch ist es ihm versagt, auf Aussagen des Beschuldigten oder von Zeugen gegenüber der Polizei oder Dritten abzustellen, soweit sie glaubwürdig erscheinen und der Richter dabei sein pflichtgemässes Ermessen nicht überschreitet. Die vom Generalprokurator in der Beschwerdeantwort vertretene Auffassung, die Verweigerung der Unterschrift bei einem Einvernahmeprotokoll sei überhaupt bedeutungslos für dessen Beweiskraft, geht allerdings zu weit. Der Richter wird eine protokollierte aber nicht unterzeichnete oder nicht gegenüber der zuständigen Behörde abgegebene Aussage besonders kritisch würdigen und allen Einwänden, die für die Verweigerung der Unterschrift oder sonstwie gegen die Gültigkeit des
BGE 98 Ia 250 S. 254
Protokolls vorgebracht werden, sorgfältig nachgehen müssen. Ein Angeklagter dürfte jedenfalls nicht ausschliesslich gestützt auf einen Polizeirapport über die Aussage einer nicht spezifizierten Drittperson verurteilt werden (nicht veröffentlichter Entscheid des Bundesgerichts vom 24. November 1971 i.S. Hulmann gegen Bern).
Wie bereits erwähnt, hat der Angeklagte in keinem Stadium des kantonalen Verfahrens das Vorgehen der Polizei oder auch nur den Inhalt des Polizeiprotokolls beanstandet oder seine Unterschriftsverweigerung begründet. Er hat auch nichts zur Begründung des späteren Widerrufs seines ersten Zugeständnisses vorgebracht. Die Vorinstanz hat trotzdem von Amtes wegen geprüft, aus welchen Gründen der Angeschuldigte die Unterzeichnung des Protokolls verweigert haben könnte. Sie ist mit der bereits erörterten einleuchtenden Begründung zum Schluss gelangt, dass der Verweigerung keine Bedeutung zukommt.
Die Vorinstanz hat jedoch nirgends behauptet, das Polizeiprotokoll sei einem vom Untersuchungsrichter in Gegenwart des Aktuars errichteten Einvernahmeprotokoll gleichzustellen. Von einer willkürlichen Anwendung der Art. 91/92 BeStV kann daher keine Rede sein.
d) Der Beschwerdeführer rügt als willkürliche Verletzung des bernischen Strafverfahrens ebenfalls den Umstand, dass die Vorinstanz für die Verurteilung Arns "vor allem" auf dieses nicht unterschriebene Polizeiprotokoll abgestellt habe. Damit werde die Minimalgarantie, die Art. 91 BeStV dem unter dem Inquisitionsprinzip ohnehin schon jeder Verteidigungsrechte beraubten Angeschuldigten gibt, vollständig aus den Angeln gehoben.
Dem ist nicht so. Zunächst muss festgehalten werden, dass es im angefochtenen Entscheid heisst, "allem voran" spreche die Erklärung Arns vor der Polizei für seine Schuld. Das kann als Gewichtung gemeint sein, eher aber bezieht sich diese Ausdrucksweise, die mit der von Arn zitierten nicht identisch ist, auf den zeitlichen und verfahrensmässigen Ablauf des Falles. Selbst wenn man nach der Ansicht des Beschwerdeführers das Urteil dahin auslegt, dass das Obergericht jenem Geständnis das Hauptgewicht beigemessen habe, ist festzustellen, dass es sich bei weitem nicht damit begnügt hat. Es zählt vielmehr noch andere gewichtige Indizien für die Richtigkeit der ersten Darstellung
BGE 98 Ia 250 S. 255
Arns auf: Einmal ist der Zeuge Polizeigfr. Gugger einvernommen worden, der für die sinngetreue Protokollierung der ersten Aussage des Beschwerdeführers einsteht. Weder Arn noch sein Anwalt haben bei der Einvernahme Guggers hiegegen irgendwelche Einwendungen erhoben, sondern sie stellten nur belanglose Ergänzungsfragen. Nach dem erstinstanzlichen Urteil äusserte sich die Verteidigung ausführlich zur Zeugenqualität der Verkäuferinnen, hatte jedoch gegenüber der Person oder Zeugenaussage des Polizisten nichts einzuwenden. Ebensowenig war davon im Plädoyer der Verteidigung vor Obergericht die Rede. Sodann nimmt die Vorinstanz Bezug auf die noch unbeeinflusste erste Deposition Anna Schallers, die den Ablauf des Vorfalles, wie er von Arn der Polizei geschildert wurde, bestätigt. Damit stimmen schliesslich überein die gleichlautenden Depositionen der als glaubwürdig betrachteten Verkäuferinnen als Zeuginnen. Die rabiate Abwehr des Beschwerdeführers, als er von den Verkäuferinnen zur Rückkehr ins Geschäft aufgefordert wurde, und seine Flucht, wobei er die Tragtasche mit dem Diebesgut fortwarf, lassen für sich allein schon kaum einen andern Schluss zu. Die Vorinstanz hätte ihr Schulderkenntnis ohne Willkür allein auf diese weiteren Umstände abstützen können. Dass sie zusammen mit den vom Polizisten bezeugten Aussagen des Beschwerdeführers für eine Verurteilung ausreichten, ist offensichtlich. Angesichts dessen durfte die Vorinstanz, ohne sich einer willkürlichen Ermessensüberschreitung oder Verletzung des bernischen Strafverfahrens schuldig zu machen, den Inhalt des nicht unterschriebenen Einvernahmeprotokolls als wahr annehmen und auch darauf abstellen, zumal der Angeklagte auch an der Hauptverhandlung nichts vorbrachte, was dieses Protokoll oder die Glaubwürdigkeit der Zeugenaussage Gugger hätte in Frage stellen können. | public_law | nan | de | 1,972 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
1855775c-f868-4c56-bc14-4ad56bb102e0 | Urteilskopf
135 V 425
50. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. Freizügigkeitsstiftung 2. Säule der Neuen Aargauer Bank (NAB-2) gegen P. und T. (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
9C_593/2009 vom 24. November 2009 | Regeste a
Art. 122 und 142 ZGB
;
Art. 65 IPRG
;
Art. 26 LugÜ
;
Art. 73 Abs. 3 BVG
;
Art. 25a FZG
.
Die örtliche Zuständigkeit des inländischen Berufsvorsorgegerichts richtet sich bei einer im Ausland ausgesprochenen Ehescheidung mit Teilung der Vorsorgeguthaben nach
Art. 73 Abs. 3 BVG
(E. 1.2).
Regeste b
Art. 30c Abs. 5 BVG
;
Art. 331e Abs. 5 OR
;
Art. 1 ff. WEFV
.
Es besteht für die Einrichtungen der beruflichen Vorsorge nicht generell die Pflicht, bei geschiedenen Versicherten vor Gewährung eines Vorbezugs zu prüfen, ob ein bei der Ehescheidung angeordneter Vorsorgeausgleich vollzogen ist (E. 6). | Sachverhalt
ab Seite 426
BGE 135 V 425 S. 426
A.
A.a
T. und P., beide italienische Staatsangehörige, heirateten 1984 in Italien. In der Folge wohnte das Ehepaar zeitweise in der Schweiz, wo der Ehemann eine berufsvorsorgeversicherte Erwerbstätigkeit ausübte. Mit Urteil des Tribunale Civile di X., Italien, vom 13. März 2004, in Rechtskraft erwachsen am 16. März 2004, wurde die Ehe geschieden. Bezüglich der beruflichen Vorsorge enthielt das Urteil die Genehmigung folgender Vereinbarung: "i coniugi chiedono reciprocamente che quanto accumulato in Svizzera durante il periodo previdenziale e rapportato agli anni di matrimonio sia suddiviso in parti uguali, o compensato tra gli stessi secondo le previsioni della legge federale svizzera". In der Folge unterblieb eine Teilung der Vorsorgeguthaben.
A.b
Am 31. Mai 2005 trat T. aus seiner bisherigen Pensionskasse aus, worauf sein Freizügigkeitsguthaben im Betrag von Fr. 44'647.85 per 21. Juni 2005 an die Freizügigkeitsstiftung 2. Säule der Neuen Aargauer Bank (im Folgenden: NAB-2) überwiesen wurde. Am 10. Juli/18. August 2005 stellte T. bei der NAB-2 einen Antrag auf Vorbezug des Freizügigkeitskapitals zum Erwerb von Wohneigentum. Auf dem Antragsformular gab er als Zivilstand "geschieden" an. Die NAB-2 bezahlte das gesamte Freizügigkeitsguthaben in der Höhe von Fr. 44'776.20 per 2. September 2005 an T. und liess beim Grundbuchamt Y. eine Veräusserungsbeschränkung gemäss
Art. 30e BVG
(SR 831.40) auf dem Grundstück Nr. 1553 Z. anmerken.
B.
Am 5. Dezember 2007 erhob P. beim Versicherungsgericht des Kantons Solothurn Klage gegen T. und die NAB-2 mit dem Antrag:
"Es wird festgestellt, dass die zu teilende Austrittsleistung der Einrichtungen der beruflichen Vorsorge CHF (...) beträgt;
Die Freizügigkeitsstiftung 2. Säule der Neuen Aargauer Bank (NAB-2) wird angewiesen, der aktuellen Pensionskasse von Frau P., Basilese, Assicurazione n
o
51/2.052.404-3, AHV-Nr. XY (bzw. einer allfälligen Nachfolge-Einrichtung) CHF (...) zu überweisen."
Mit Urteil vom 3. Juni 2009 hiess das Versicherungsgericht die Klage gut und verpflichtete die NAB-2, auf das Vorsorgekonto von P. Fr. 20'139.- zu überweisen.
BGE 135 V 425 S. 427
C.
Die NAB-2 erhebt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, in Aufhebung des angefochtenen Urteils sei die Klage abzuweisen. Zudem beantragt sie aufschiebende Wirkung.
P. beantragt Abweisung der Beschwerde, während T. und das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) auf eine Vernehmlassung verzichten.
D.
Mit Verfügung des Instruktionsrichters vom 17. September 2009 wurde der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkannt.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
1.1
Da das in der Schweiz anzuerkennende (
Art. 65 IPRG
[SR 291];
Art. 26 LugÜ
[SR 0.275.11]) italienische Scheidungsurteil für die Durchführung des Vorsorgeausgleichs in Bezug auf das in der Schweiz erworbene Vorsorgeguthaben ausdrücklich auf das schweizerische Recht verweist, ist dieses anwendbar, ohne dass zu prüfen wäre, welches Recht ohne solche Verweisung anzuwenden wäre (vgl. dazu
Art. 64 Abs. 2 IPRG
sowie
BGE 131 III 289
E. 2.4 und 2.5;
BGE 134 III 661
E. 3.1).
1.2
Liegt im ausländischen Scheidungsverfahren nicht analog zu
Art. 141 ZGB
eine Einigung der Parteien und eine Durchführbarkeitserklärung der Einrichtungen der beruflichen Vorsorge vor, so kann das ausländische Gericht nur den Grundsatz und das Ausmass der Teilung, also den Teilungsschlüssel, festlegen, während die eigentliche Berechnung der Leistungen von dem gemäss
Art. 73 BVG
in Verbindung mit
Art. 25a FZG
(SR 831.42) zuständigen Gericht in der Schweiz durchzuführen ist (
BGE 130 III 336
E. 2.5). Dabei kann sich freilich die örtliche Zuständigkeit nicht - wie in
Art. 25a FZG
vorgesehen - nach dem Ort der Scheidung richten, wenn dieser im Ausland liegt. Es muss daher lückenfüllend ein schweizerischer Gerichtsstand bestimmt werden. Die Vorinstanz hat ihre Zuständigkeit auf
Art. 73 Abs. 3 BVG
gestützt, da der ehemalige Ehemann der Beschwerdegegnerin als Beklagter im Zeitpunkt der Klageanhebung im Kanton Solothurn Wohnsitz hatte. Das stimmt überein mit dem Gerichtsstand, der für die Scheidungsklage gegeben wäre, wenn die Scheidung in jenem Zeitpunkt angehoben worden wäre (
Art. 15 Abs. 1 lit. b GestG
[SR 272]). Die Vorinstanz hat mit Recht ihre Zuständigkeit bejaht.
BGE 135 V 425 S. 428
2.
Gemäss dem Scheidungsurteil ist die Austrittsleistung "in parti uguali" aufzuteilen, was mit
Art. 122 Abs. 1 ZGB
übereinstimmt. Weder lag dem Scheidungsrichter eine Einigung und Durchführungsbestätigung im Sinne von
Art. 141 ZGB
vor noch wurde die Sache gemäss
Art. 142 Abs. 2 ZGB
und
Art. 25a Abs. 1 FZG
dem Berufsvorsorgegericht zur Durchführung der Teilung übertragen. Die Ehegatten haben auch sonst im Nachgang zur Scheidung bis zu der vorliegend zu beurteilenden Klage offenbar keine Schritte in die Wege geleitet, um die Durchführung der Teilung vorzunehmen, so dass diese unterblieb. Der an den ehemaligen Ehemann der Beschwerdegegnerin ausbezahlte Vorbezug seines gesamten Freizügigkeitsguthabens umfasste deshalb auch denjenigen Anteil, welcher der Beschwerdegegnerin zustehen würde. Streitig ist, ob - wie die Vorinstanz erkannt hat - in dieser Situation die Freizügigkeitseinrichtung verpflichtet ist, der Beschwerdegegnerin ihren Anteil zu bezahlen, obwohl sie den entsprechenden Betrag bereits an den Ex-Ehemann geleistet hat.
3.
Der Anspruch auf Vorsorgeausgleich richtet sich gegen den pflichtigen Ehegatten. Soweit die zu teilende Masse bei einer Vorsorge- oder Freizügigkeitseinrichtung liegt, wird der Anspruch so erfüllt, dass die Vorsorge- oder Freizügigkeitseinrichtung des schuldnerischen Ehegatten den entsprechenden Betrag an diejenige des Gläubigers überträgt. Deshalb werden die Einrichtungen der beruflichen Vorsorge in das Verfahren vor dem Berufsvorsorgegericht einbezogen, damit das Urteil auch für sie verbindlich wird (
Art. 25a Abs. 2 FZG
; Botschaft vom 15. November 1995 über die Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches [Personenstand, etc.], BBl 1996 I 111 f. Ziff. 233.46; vgl.
BGE 128 V 41
E. 3b;
BGE 129 V 444
E. 5.2). Das gilt auch dann, wenn bei der Vorsorgeeinrichtung des pflichtigen Ehegatten trotz einem Vorbezug noch genügend Austrittsleistung vorhanden ist, um die Forderung des berechtigten Ehegatten zu decken (ANDREA BÄDER FEDERSPIEL, Wohneigentumsförderung und Scheidung, 2008, S. 303 f.; THOMAS GEISER, Vorsorgeausgleich: Aufteilung bei Vorbezug für Wohneigentumserwerb und nach Eintreten eines Vorsorgefalls, FamPra.ch 2002 S. 83 ff., 90; DANIEL R. TRACHSEL, Spezialfragen im Umfeld des scheidungsrechtlichen Vorsorgeausgleiches: Vorbezüge für den Erwerb selbstbenutzten Wohneigentums und Barauszahlungen nach
Art. 5 FZG
, FamPra.ch 2005 S. 529 ff., 536). Soweit jedoch bei der Vorsorge- oder Freizügigkeitseinrichtung des pflichtigen Ehegatten infolge eines Vorbezugs
BGE 135 V 425 S. 429
nicht mehr genügend Mittel vorhanden sind, um den Anspruch des anderen Ehegatten zu befriedigen (und der pflichtige Ehegatte nicht durch eine Rückzahlung [
Art. 30d BVG
] des Vorbezugs seiner Einrichtung diese Mittel wieder verschafft), kann sich der Teilungsanspruch vorbehältlich einer allfälligen Schadenersatzpflicht (E. 4.1 nachstehend) nicht mehr gegen die Einrichtung richten; vielmehr hat der pflichtige Ehegatte den geschuldeten Betrag auf die Vorsorge- oder Freizügigkeitseinrichtung des berechtigten Ehegatten zu übertragen (
BGE 135 V 324
E. 5.2.2; GEISER, a.a.O., S. 90; SCHNEIDER/BRUCHEZ, La prévoyance professionnelle et le divorce, in: Le nouveau droit du divorce, 2000, S. 193 ff., 231). Das ist auch nicht anders, wenn man davon ausgeht, dass eine Übertragung freier Mittel auf eine Freizügigkeitseinrichtung unzulässig sei (BÄDER FEDERSPIEL, a.a.O., S. 305 Rz. 625; THOMAS KOLLER, Wohin mit der angemessenen Entschädigung nach
Art. 124 ZGB
? - oder: Von der Mühe der Zivilgerichte im Umgang mit vorsorgerechtlichen Fragen, ZBJV 138/2002 S. 1 ff., 10; TRACHSEL, a.a.O., S. 537 f.). Denn der Vorbezug gilt von Gesetzes wegen im Falle der Scheidung vor Eintritt des Vorsorgefalls als Freizügigkeitsleistung (
Art. 30c Abs. 6 BVG
;
Art. 331e Abs. 6 OR
), so dass jedenfalls bis zu diesem Betrag eine Überweisung auch an eine Freizügigkeitseinrichtung zulässig ist.
4.
4.1
Während der Ehe ist der Vorbezug nur mit schriftlicher Zustimmung des Ehegatten zulässig (
Art. 30c Abs. 5 BVG
;
Art. 331e Abs. 5 OR
). Das Gesetz regelt nicht ausdrücklich, was die Rechtsfolge ist, wenn ein Vorbezug ohne diese Zustimmung erfolgt ist. Im analogen Falle der ohne Zustimmung des Ehegatten erfolgten Barauszahlung (
Art. 5 Abs. 2 FZG
) hat die Rechtsprechung erkannt, dass darin eine nicht gehörige Erbringung der Austrittsleistung liegt, welche zu einer Schadenersatzpflicht der Vorsorgeeinrichtung führt, wenn diese nicht nachzuweisen vermag, dass ihr kein Verschulden zur Last fällt (
BGE 133 V 205
E. 4.3;
BGE 130 V 103
E. 3.3). Dies gilt gleichermassen für den Vorbezug für Wohneigentum (
BGE 132 V 347
E. 3.3 S. 351).
4.2
Die Vorinstanz hat erwogen, der Vorbezug sei unzulässig gewesen, weil er erfolgt sei, bevor die im Scheidungsurteil angeordnete Teilung der Austrittsleistung vorgenommen worden sei. Analog zur Rechtsprechung im Falle der ohne Zustimmung der Ehefrau erfolgten Barauszahlung habe sich der berechtigte Ehegatte in erster Linie an den anderen Ehegatten zu wenden; in zweiter Linie könne er sich
BGE 135 V 425 S. 430
an die Vorsorgeeinrichtung halten, wenn dieser im Zusammenhang mit der Auszahlung eine Sorgfaltspflichtverletzung zur Last gelegt werden könne. In casu verfüge der Ehemann nicht mehr über liquide Austrittsleistungen. Es bleibe nur die Verwertung der Liegenschaft. Weiter erwog die Vorinstanz unter Hinweis auf
BGE 132 V 347
E. 3.3, nur der Erlös aus einem Liegenschaftsverkauf sei zu teilen, was zu einem Verlust der Ehefrau führen könne; diese Lösung sei im vorliegenden Fall mit Blick auf die Tatsache, dass der Vorbezug ungültig gewesen sei, nicht sachgerecht. Die Beschwerdeführerin sei zudem ihrer Sorgfaltspflicht nicht nachgekommen, weil sie bei der Auszahlung des Vorbezugs nicht überprüft habe, ob allenfalls noch Ansprüche der geschiedenen Ehefrau bestünden bzw. ob eine allfällige Teilung der Austrittsleistung bereits erfolgt sei. Nachdem damit sowohl die Ungültigkeit der Barauszahlung (recte: des Vorbezugs) als auch eine Sorgfaltspflichtverletzung durch die Vorsorgeeinrichtung zu bejahen seien, sei die Barauszahlung (recte: der Vorbezug) so zu behandeln, wie wenn sie nicht aus dem Kreislauf der 2. Säule ausgeschieden wäre; die Zahlung sei daher wie noch vorhanden bei der vorzunehmenden Teilung der Austrittsleistung zu berücksichtigen. In der Folge stellte die Vorinstanz fest, dass während der Ehe (nur) der Ehemann ein Vorsorgeguthaben von Fr. 40'278.- erworben habe, so dass die Ehefrau einen Anspruch auf die Hälfte davon, nämlich Fr. 20'139.-, habe, den die Beschwerdeführerin zu begleichen habe.
5.
(Sachverhaltsfeststellung)
6.
Frei zu prüfende Rechtsfrage ist jedoch, ob der festgestellte Sachverhalt zur Unzulässigkeit des Vorbezugs führt oder eine Sorgfaltspflichtverletzung der Beschwerdeführerin darstellt.
6.1
Die vorliegende Fallkonstellation unterscheidet sich wesentlich von den von der Vorinstanz zitierten Barauszahlungsfällen. Zutreffend ist zwar, dass eine Analogie besteht zwischen den Fällen der Barauszahlung und dem Vorbezug, indem gemäss
Art. 5 Abs. 2 FZG
,
Art. 30c Abs. 5 BVG
und
Art. 331e Abs. 5 OR
beide bei verheirateten Versicherten ohne Zustimmung des Ehegatten nicht "zulässig" sind (vgl.
BGE 132 V 347
E. 3.3). Im Verstoss gegen diese Gesetzesbestimmungen liegt der Rechtsgrund für die Schadenersatzpflicht der Einrichtung der beruflichen Vorsorge (E. 4.1 hievor). Vorliegend war jedoch der Versicherte im Zeitpunkt des Vorbezugs geschieden; der ohne Zustimmung der Beschwerdegegnerin
BGE 135 V 425 S. 431
erfolgte Vorbezug stand nicht in Widerspruch zu
Art. 30c Abs. 5 BVG
bzw.
Art. 331e Abs. 5 OR
. Mit diesen Bestimmungen kann die Unzulässigkeit des Vorbezugs nicht begründet werden.
6.2
Auch die vorinstanzliche Argumentation, die ungültige Barauszahlung (recte: Vorbezug) sei so zu behandeln, wie wenn sie nicht aus dem Kreislauf der 2. Säule ausgeschieden sei, ist nicht entscheidwesentlich. Der Teilungsanspruch berechnet sich nach dem Stichtag der Rechtskraft des Scheidungsurteils (hier: 16. März 2004). In jenem Zeitpunkt war der Vorbezug noch nicht erfolgt und die entsprechende Summe bei der (damaligen) Vorsorgeeinrichtung noch vorhanden. Die Vorinstanz hat übrigens korrekt den Ausgleichsanspruch per Rechtskraft des Scheidungsurteils mit Fr. 20'139.- errechnet. Der (erst nachher getätigte) Vorbezug spielte für diese Rechnung keine Rolle.
6.3
Nicht zutreffend ist sodann der vorinstanzliche Hinweis auf
BGE 132 V 347
, soweit damit gemeint sein sollte, dass der Anspruch der Beschwerdegegnerin durch den Vorbezug geschmälert werde. Zwar ist im Falle der Veräusserung der mittels Vorbezug erworbenen Liegenschaft die Rückzahlungspflicht auf den Erlös beschränkt (
Art. 30d Abs. 5 BVG
), so dass auch nur dieser Erlös vorsorgeausgleichsrechtlich zu teilen ist (
Art. 30c Abs. 6 BVG
i.V.m.
Art. 22 FZG
;
BGE 132 V 332
E. 4.2,
BGE 132 V 347
E. 3.3). Das bezieht sich jedoch auf denjenigen Teilungsanspruch, der auf den massgebenden Stichtag (Rechtskraft des Scheidungsurteils) berechnet wird und kann zur Folge haben, dass ein
während
der Ehe getätigter Vorbezug verloren ist und demzufolge nicht mehr geteilt wird. Der hier erst
nach
dem Stichtag erfolgte Vorbezug kann hingegen auf die Höhe des der Beschwerdegegnerin zustehenden (per Scheidungsdatum berechneten) Anspruchs von vornherein keinen Einfluss mehr haben. In dem von der Vorinstanz errechneten (E. 6.2 hievor), im Quantitativ nicht angefochtenen Umfang hat die Beschwerdegegnerin einen Rechtsanspruch gegenüber ihrem ehemaligen Ehemann (E. 3 hievor; vgl. die Situation bei einer ohne Zustimmung erfolgten Barauszahlung, Urteil B 93/05 vom 21. März 2007, E. 4.4 in: SVR 2007 BVG Nr. 31 S. 112).
6.4
Beeinträchtigt durch den Vorbezug wird somit nicht der
Rechtsanspruch
der Beschwerdegegnerin, sondern höchstens das
Vollstreckungssubstrat
für diesen Rechtsanspruch: Hat der frühere Ehemann keine freien Mittel, um den Ausgleichsanspruch der Beschwerdegegnerin zu erfüllen, so kann er allenfalls das mittels des Vorbezugs
BGE 135 V 425 S. 432
gekaufte Wohneigentum hypothekarisch belasten(BÄDER FEDERSPIEL, a.a.O., S. 304 Rz. 624; LAURE THONNEY, Prévoyance professionnelle et acquisition immobilière, in: Mélanges Association des Notaires Vaudois, 2005, S. 173 ff., 175). Gelingt ihm dies nicht, so kann die Liegenschaft im Betreibungsverfahren verwertet und auf diese Weise der Anspruch der Beschwerdegegnerin befriedigt werden. Es ist allerdings nicht auszuschliessen, dass im Rahmen eines allfälligen Verwertungsverfahrens faktisch der Erlös nicht ausreichen wird, um die Forderung der Beschwerdegegnerin zu decken. Insofern besteht ein gewisses Ausfallrisiko.
6.5
Rechtshandlungen, welche das Vollstreckungssubstrat einer Forderung beeinträchtigen, können nach den
Art. 285 ff. SchKG
angefochten werden. Abgesehen von diesen Anfechtungsmöglichkeiten kann aber eine Rechtshandlung nicht schon deshalb als unzulässig qualifiziert werden, weil sie möglicherweise dazu führen könnte, dass der Schuldner nicht mehr genügend Mittel hat, um seine Schulden zu begleichen.
6.6
Zudem ist entgegen der Auffassung der Vorinstanz auch eine Sorgfaltspflichtverletzung der Beschwerdeführerin zu verneinen:
6.6.1
Nach Auffassung von Vorinstanz und Beschwerdegegnerin liegt die Sorgfaltspflichtverletzung darin, dass die Beschwerdeführerin nicht überprüft hat, ob bezüglich des auszuzahlenden Freizügigkeitsguthabens allenfalls noch Ansprüche der geschiedenen Ehefrau betreffend Vorsorgeausgleich bestehen. Es wäre ihr möglich und zumutbar gewesen, das Scheidungsurteil einzuverlangen. Zudem hätte sie von der vorherigen Pensionskasse einen Kontoauszug einfordern können, worin erkennbar gewesen wäre, dass bislang keine Kontenbewegungen zwecks Vorsorgeausgleich erfolgt waren.
6.6.2
Die
Art. 30c BVG
und 331e OR regeln nicht näher, was die Einrichtung im Falle eines Begehrens um Vorbezug prüfen muss. Gemäss
Art. 6 Abs. 1 der Verordnung vom 3. Oktober 1994 über die Wohneigentumsförderung mit Mitteln der beruflichen Vorsorge (WEFV; SR 831.411)
zahlt die Vorsorgeeinrichtung den Vorbezug spätestens nach sechs Monaten aus, nachdem die versicherte Person ihren Anspruch geltend gemacht hat. Sie zahlt ihn gemäss Abs. 2 gegen Vorweis der entsprechenden Belege und im Einverständnis der versicherten Person direkt an den Verkäufer, Ersteller, Darlehensgeber oder den am Wohneigentum Beteiligten aus. Gemäss
Art. 10 WEFV
hat die versicherte Person, die ihren Anspruch auf
BGE 135 V 425 S. 433
Vorbezug oder Verpfändung geltend macht, gegenüber der Vorsorgeeinrichtung den Nachweis zu erbringen, dass die Voraussetzungen "dafür" (frz.: "les conditions de leur réalisation"; ital.: "le relative condizioni") erfüllt sind. Dies bezieht sich nach dem Wortlaut der Bestimmung auf die Voraussetzungen, die für den Vorbezug bzw. die Verpfändung gelten, mithin die sich aus dem Gesetz (namentlich
Art. 30c Abs. 5 BVG
und
Art. 331e Abs. 5 OR
) ergebenden sowie die in den
Art. 1-9 WEFV
genannten Voraussetzungen (Mitteilungen des BSV über die berufliche Vorsorge Nr. 30 vom 5. Oktober 1994, S. 38 f.; HANS-ULRICH STAUFFER, Berufliche Vorsorge, 2005, S. 371). Eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage für eine Überprüfungspflicht in dem von der Vorinstanz angenommenen Sinne besteht indessen nicht.
6.6.3
Auch aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen rechtfertigt es sich nicht, der Vorsorgeeinrichtung die Pflicht aufzuerlegen, bei geschiedenen Versicherten das Scheidungsurteil einzuverlangen und den Vollzug einer darin allenfalls angeordneten Vorsorgeausgleichsteilung zu überprüfen, zumindest dann nicht, wenn keine konkreten Hinweise bestehen, dass der Vorbezug die Durchführung eines Vorsorgeausgleichs behindern könnte. Die hier vorliegende Konstellation, in der sich ex post gesehen eine solche Überprüfung gerechtfertigt hätte, dürfte selten sein. Zudem wäre auch im hier vorliegenden Falle eines Vorbezugs zwischen Scheidungsurteil und Durchführung der Teilung der Anspruch des ehemaligen Ehepartners nicht beeinträchtigt, wenn nur ein Teil des Freizügigkeitsguthabens vorbezogen wird und der verbleibende Teil ausreicht, um die Forderung zu decken. Dasselbe würde gelten, wenn der vorbeziehende Versicherte neben dem Guthaben bei der betreffenden Vorsorgeeinrichtung weitere Vorsorge- oder Freizügigkeitsguthaben bei anderen Einrichtungen hätte und diese ausreichen würden, um die Forderung der Beschwerdegegnerin zu decken (E. 3 hievor). In den meisten Fällen wäre also eine Überprüfung in dem von der Vorinstanz angenommenen Sinne unnötig. Sie routinemässig trotzdem bei allen geschiedenen Antragstellern vorzunehmen, würde einen erheblichen Aufwand für die Vorsorgeeinrichtungen darstellen. Zudem würde dies wohl von den meisten Versicherten als unnötige und unerwünschte Einmischung in persönliche Angelegenheiten empfunden, zumal wenn dafür noch Gebühren verlangt werden, was mit entsprechender reglementarischer Grundlage zulässig wäre (
BGE 124 II 570
). Auch die Analogie zu den Fällen von
Art. 5 Abs. 2 FZG
BGE 135 V 425 S. 434
rechtfertigt eine solche Ausdehnung der Nachforschungspflicht nicht: Eine Sorgfaltspflichtverletzung wurde in solchen Fällen etwa darin gesehen, dass die Vorsorgeeinrichtung den Zivilstand gar nicht überprüfte oder erfragte (Urteile des ehemaligen Eidg. Versicherungsgerichts B 87/00 vom 10. Februar 2004 E. 2.3; B 19/03 vom 30. Januar 2004 E. 4.4 und B 98/04 vom 17. März 2005 E. 2.4) oder die Auszahlung ohne Vorliegen der Zustimmungserklärung leistete, obwohl aus dem Antrag und den Unterlagen ersichtlich war, dass der Gesuchsteller noch verheiratet war (Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts B 126/04 vom 20. März 2006 E. 2.4). Im Falle einer gefälschten Unterschrift der Ehefrau wurde eine Sorgfaltspflichtverletzung je nach den Umständen verneint (
BGE 130 V 103
E. 3.4) oder bejaht (Urteile des Eidg. Versicherungsgerichts B 58/01 vom 7. Januar 2004 E. 3.3 und B 45/00 vom 2. Februar 2004 E. 3.3). Verlangt wird somit eine Überprüfung des Zivilstandes und der Angaben auf dem Antragsformular, was die Beschwerdeführerin vorliegend getan hat, aber nicht weiter gehende Nachforschungen zu allen denkbaren Problemsituationen, die sich im Zusammenhang mit der Auszahlung allenfalls ergeben könnten. Zu berücksichtigen ist sodann auch, dass es die berechtigten Ehegatten in der Hand haben, im Rahmen des Scheidungsverfahrens (
Art. 137 Abs. 2 ZGB
) oder des Verfahrens nach
Art. 25a FZG
mittels vorsorglicher Massnahmen eine unzulässige Verfügung über das Vorsorgeguthaben zwischen dem Scheidungszeitpunkt und der Durchführung der Teilung zu verhindern. Vorliegend war dieser Weg allerdings für die Beschwerdegegnerin kaum gangbar, weil das Scheidungsverfahren in Italien erfolgte und ein Verfahren nach
Art. 25a FZG
nicht in die Wege geleitet wurde. Andererseits hätte ihr genügend Zeit zur Verfügung gestanden, um ihren Teilungsanspruch in der Schweiz geltend zu machen, erfolgte der Vorbezug doch erst rund siebzehn Monate nach rechtskräftig gewordener Scheidung. Umgekehrt war aber auch für die Beschwerdeführerin diese aussergewöhnliche Situation nicht ersichtlich. Zudem hatte diese keine Kenntnis vom Scheidungsvorgang an sich, eröffnete doch der ehemalige Ehemann das Freizügigkeitskonto bei ihr erst in einem Zeitpunkt, in welchem er bereits geschieden war. Auch sonst sind keine Verdachtsindizien ersichtlich, welche allenfalls die Beschwerdeführerin nach Treu und Glauben hätten veranlassen müssen, eine nähere Prüfung vorzunehmen. Unter diesen Umständen könnte eine Sorgfaltspflichtverletzung der Beschwerdeführerin nur bejaht werden, wenn generell eine Pflicht bestünde,
BGE 135 V 425 S. 435
bei allen geschiedenen Versicherten den Vollzug einer allfälligen Vorsorgeausgleichsanordnung zu überprüfen, was jedoch - wie dargelegt - nicht der Fall ist.
7.
Insgesamt hat die Beschwerdeführerin mit der Auszahlung des Vorbezugs an den ehemaligen Ehemann der Beschwerdegegnerin nicht unrechtmässig gehandelt. Die gegen sie gerichtete Klage ist daher abzuweisen. Das ändert nichts daran, dass der Beschwerdegegnerin ein Anspruch gegen ihren ehemaligen Ehemann auf Durchführung der Teilung zusteht (E. 6.3 hievor). Dieser Anspruch ist bei der Vorinstanz geltend zu machen (E. 1 hievor). Im Falle eines schweizerischen Scheidungsurteils wäre die Sache von Amtes wegen an die Vorinstanz überwiesen worden, welche unter Anhörung der Ehegatten und der Einrichtungen der beruflichen Vorsorge von Amtes wegen die Teilung durchzuführen hätte (
Art. 142 ZGB
und
Art. 25a FZG
), d.h. namentlich ohne Bindung an die Parteianträge (vgl. Urteil 9C_137/2007 vom 21. April 2008 E. 4.2). Die Überweisung seitens des Scheidungsgerichts ist hier unterblieben, weil dieses im Ausland liegt. Das ändert aber an den übrigen Verfahrensvorschriften von
Art. 25a FZG
nichts. Diese sind anwendbar, sobald die Beschwerdegegnerin die Vorinstanz mit ihrer Klage befasst hat. Ungeachtet des Umstandes, dass in der Klage (die übrigens gemäss ihrem Rubrum sowohl gegen den ehemaligen Ehemann als auch gegen die Beschwerdeführerin gerichtet ist) beantragt wurde, die Beschwerdeführerin sei zur Zahlung des streitigen Betrags zu verpflichten, hätte die Vorinstanz daher auch von Amtes wegen einen Anspruch gegenüber dem ehemaligen Ehemann prüfen und beurteilen müssen. Die Sache ist an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit sie dies nachholt. | null | nan | de | 2,009 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
18585918-2517-4184-a163-bd8b8bbec5f3 | Urteilskopf
96 V 87
24. Extrait de l'arrêt du 14 mai 1970 dans la cause Deladoey contre Caisse cantonale valaisanne de compensation et Tribunal des assurances du canton du Valais | Regeste
Art. 42 IVG
: Hilflosenentschädigung.
Über den Anspruch der Frau, deren Ehemann eine Ehepaar-Altersrente bezieht, auf diese Entschädigung, wenn sie mindestens zur Hälfte invalid ist oder das 60., nicht aber das 62. Altersjahr zurückgelegt hat (Bemerkung "de lege ferenda"). | Erwägungen
ab Seite 88
BGE 96 V 87 S. 88
Extrait des considérants:
1.
Aux termes de l'art. 43bis LAVS, ont droit à l'allocation pour impotent les hommes et femmes domiciliés en Suisse qui ont droit à une rente de vieillesse et présentent une impotence grave (al. 1er). L'impotent qui est au bénéfice d'une allocation pour impotent de l'assurance-invalidité au moment de la naissance du droit à la rente de vieillesse touchera une allocation au moins égale à celle qu'il percevait jusqu'alors (al. 4).
Suivant l'art. 42 LAI, les assurés invalides domiciliés en Suisse qui sont impotents ont droit à une allocation pour impotent. L'art. 29 al. 2 LAI leur est applicable (al. 1er). L'allocation est fixée en fonction du degré d'impotence (al. 3). A la différence de l'allocation pour impotent selon l'art. 43bis LAVS, elle est donc versée même dans des cas où l'impotence n'est pas grave; son montant est alors réduit (art. 42 al. 3 LAI, art. 39 RAI).
2.
En l'espèce, l'époux de Germaine Deladoey touche une rente pour couple de l'assurance-vieillesse et survivants. Cette circonstance exclut-elle le droit à une allocation pour impotent de l'assurance-invalidité, s'agissant d'une assurée mariée qui, comme la prénommée, n'avait pas encore atteint l'âge fixé pour l'ouverture du droit à une rente de vieillesse simple lorsqu'elle a déposé sa demande? Dans ATFA 1961 p. 58 consid. 3, le tribunal de céans avait laissé cette question indécise. Dans un arrêt ultérieur, non publié dans le recueil officiel, il a cependant déclaré qu'une assurée âgée de plus de 60 ans qui partage avec son mari le droit à une rente de vieillesse pour couple n'a droit ni à des mesures de réadaptation ni à une allocation pour impotent (cf. RCC 1963 p. 158).
Il n'y a pas de motif de s'écarter aujourd'hui de cette jurisprudence. Certes, dès le 1er janvier 1968, l'art. 10 al. 1er LAI a reçu une teneur nouvelle. Cette disposition précise actuellement que les assurés cessent d'avoir droit aux mesures de réadaptation "au plus tard à la fin du mois où ils ont accompli leur 65e année pour les hommes et leur 62e année pour les femmes", les mesures non achevées à ce moment-là devant être cependant menées à chef. Antérieurement, la loi prévoyait que ce droit s'éteignait lorsque l'assuré pouvait "prétendre une rente de vieillesse de l'assurance-vieillesse et survivants". La nouvelle réglementation a été introduite pour éviter une différence de
BGE 96 V 87 S. 89
traitement choquante entre les femmes mariées et celles qui sont célibataires (cf. le message du 27 février 1967 du Conseil fédéral relatif à un projet de loi modifiant la LAI, FF 1967 I p. 695). Mais, contrairement à ce qui s'est passé pour l'art. 10 al. 1er LAI, les Chambres fédérales n'ont pas modifié, lors de la révision de l'art. 42 al. 1er LAI et lors de l'introduction de l'art. 43bis LAVS, le 4 octobre 1968, la réglementation antérieure sur le point ici en discussion. Il faut donc admettre que, comme par le passé, l'octroi d'une allocation pour impotent de l'assurance-invalidité n'est plus possible lorsqu'une assurée participe à la rente de vieillesse pour couple allouée à son mari, cette rente fût-elle accordée à raison de l'invalidité de l'épouse. Car cette circonstance ne saurait enlever à la rente servie son caractère juridique de rente de vieillesse.
Il est vrai que la solution ainsi retenue présente d'autres inconvénients: refuser d'accorder une allocation pour impotent de l'assurance-invalidité à l'épouse ayant accompli sa 60e année mais n'ayant pas encore atteint 62 ans ou à une femme invalide pour le seul motif que son mari a droit à une rente de vieillesse pour couple peut en effet conduire à des inégalités de traitement aussi choquantes que celles qui ont amené, en ce qui concerne les mesures de réadaptation, la modification de l'art. 10 al. 1er LAI. Elle aboutit à mieux traiter la femme célibataire que la femme mariée, en lui permettant de prétendre une allocation pour impotent à laquelle une femme mariée du même âge ne saurait avoir droit simplement parce que l'art. 43bis LAVS subordonne le versement d'une telle prestation à l'existence d'une impotence grave. Certes, dans la plupart des cas, une impotence non grave frappe plus durement la célibataire sexagénaire que l'épouse du bénéficiaire d'une rente pour couple, du moins lorsqu'il est, lui, encore valide et en mesure de fournir l'aide dont elle a besoin. Mais il n'en demeure pas moins que le refus d'une allocation pour impotent dans les circonstances décrites plus haut est défavorable à certains couples, selon que l'épouse est plus jeune ou au contraire plus âgée que son mari: dans le second cas, le droit à la rente pour couple ne naîtra pas avant que l'épouse ait atteint 62 ans; il en ira de même lorsque la différence d'âge ne dépassera pas trois ans, dans la première hypothèse. A titre d'autre exemple, il est regrettable de priver de toute allocation un couple formé de deux conjoints qui sont impotents, mais pas dans la mesure
BGE 96 V 87 S. 90
requise pour qu'ils aient droit aux prestations de l'art. 43bis LAVS.
En résumé, les conséquences économiques que peut revêtir l'octroi d'une allocation pour impotent de l'assurance-invalidité avant l'ouverture du droit à une rente de vieillesse ne sont pas négligeables. Une règle permettant d'assurer, autant que faire se peut, l'égalité de traitement de tous les intéressés serait sans doute souhaitable; mais il n'est pas possible de l'introduire par voie de jurisprudence. Car on ne saurait affirmer que le système décrit plus haut résulte d'une inadvertance des Chambres fédérales permettant au juge de s'écarter du texte de la loi (cf. ATFA 1969 p. 158 consid. 3 et la jurisprudence ainsi que la doctrine citées)... | null | nan | fr | 1,970 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
1859a4e6-845c-45b8-9173-593592cd5c4a | Urteilskopf
134 V 145
18. Auszug aus dem Urteil der I. sozialrechtlichen Abteilung i.S. Schweizerische National-Versicherungs-Gesellschaft gegen V. Erben (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
8C_23/2007 vom 12. März 2008 | Regeste
Art. 49 Abs. 1 und 3,
Art. 51 Abs. 1 und 2 ATSG
;
Art. 124 lit. a und b UVV
; Frist für die Infragestellung eines zu Unrecht formlos mitgeteilten Fallabschlusses.
Hat der Versicherer die (ganze oder teilweise) Verweigerung von Leistungen zu Unrecht nicht in Verfügungsform, sondern formlos mitgeteilt und ist die betroffene Person damit nicht einverstanden, hat sie dies grundsätzlich innerhalb eines Jahres zu erklären. Diesfalls hat der Versicherer eine Verfügung zu erlassen, gegen welche Einsprache erhoben werden kann. Ohne fristgerechte Intervention erlangt der Entscheid rechtliche Wirksamkeit, wie wenn er zulässigerweise im Rahmen von
Art. 51 Abs. 1 ATSG
ergangen wäre (E. 5). | Sachverhalt
ab Seite 146
BGE 134 V 145 S. 146
A.
Der 1955 geborene V. erlitt am 27. Februar 1994 einen bei der Schweizerischen National-Versicherungs-Gesellschaft (nachfolgend: National) nach UVG versicherten Unfall.
Am 13. September 2001 nahm sich V. das Leben.
Mit Schreiben vom 28. Januar 2002 liessen die Erben des V. einen Anspruch auf Hinterlassenenleistungen der National geltend machen. Der Versicherer verneinte nach einem kurzen Briefwechsel mit Schreiben vom 8. Mai 2002 seine Leistungspflicht.
Am 14. Juni 2005 erneuerten die Erben des V. ihr Gesuch um Ausrichtung von Hinterlassenenleistungen. Die National erklärte mit Brief vom 4. August 2005, sie betrachte den Fall als erledigt, da die Mitteilung vom 8. Mai 2002 als faktische Verfügung rechtskräftig geworden sei. Diesen Standpunkt bestätigte der Versicherer in weiteren Stellungnahmen vom 30. September 2005 und 16. Juni 2006.
B.
Die Erben des V. erhoben am 12. September 2006 Beschwerde wegen Rechtsverweigerung. Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich hiess diese gut und verpflichtete die National, betreffend Hinterlassenenleistungen eine schriftliche und begründete Verfügung mit Rechtsmittelbelehrung zu erlassen (Entscheid vom 4. Januar 2007).
C.
Die National führt Beschwerde mit dem Rechtsbegehren, der kantonale Entscheid sei aufzuheben.
Die Erben des V. schliessen auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine Vernehmlassung.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
2.1
Über Leistungen, Forderungen und Anordnungen, die erheblich sind oder mit denen die betroffene Person nicht einverstanden ist, hat der Versicherungsträger schriftlich Verfügungen zu erlassen (Art. 49 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 2000 über
BGE 134 V 145 S. 147
den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts [ATSG; SR 830.1]). Im gleichen Sinn bestimmte
Art. 99 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 20. März 1981 über die Unfallversicherung (UVG; SR 832.20)
in der bis Ende 2002 gültig gewesenen Fassung, der Versicherer habe über erhebliche Leistungen und Forderungen und über solche, mit denen der Betroffene nicht einverstanden ist, schriftliche Verfügungen zu erlassen.
2.2
Die Verfügungen werden mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen. Sie sind zu begründen, wenn sie den Begehren der Parteien nicht voll entsprechen. Aus einer mangelhaften Eröffnung einer Verfügung darf der betroffenen Person kein Nachteil erwachsen (
Art. 49 Abs. 3 ATSG
). Auch diese Grundsätze galten in der obligatorischen Unfallversicherung bereits unter dem früheren Recht (ALFRED MAURER, Schweizerisches Unfallversicherungsrecht, 2. Aufl., Bern 1989, S. 604).
2.3
Leistungen, Forderungen und Anordnungen, die nicht unter
Art. 49 Abs. 1 ATSG
fallen, können in einem formlosen Verfahren behandelt werden (
Art. 51 Abs. 1 ATSG
). Die betroffene Person kann den Erlass einer Verfügung verlangen (
Art. 51 Abs. 2 ATSG
). Das damit geregelte formlose Verfahren, zu welchem das Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren (VwVG; SR 172.021) keine Bestimmung enthält, war insbesondere in Form des so genannten De-facto-Systems im Verfahren der obligatorischen Unfallversicherung bereits vor dem Inkrafttreten des ATSG weit verbreitet (MAURER, a.a.O., S. 603).
3.
3.1
Nach der zitierten Regelung unterscheidet das ATSG zwischen der Behandlung eines Gesuchs mittels Verfügung einerseits und im formlosen Verfahren andererseits. Die erste Variante ist vorgeschrieben, wenn es sich um eine erhebliche Leistung, Forderung oder Anordnung handelt sowie wenn die versicherte Person mit dem Entscheid nicht einverstanden ist. In den übrigen Fällen ist das formlose Verfahren nach
Art. 51 ATSG
zulässig. Es stellt sich zunächst die Frage, ob das Schreiben vom 8. Mai 2002 als Verfügung oder als formlose Erledigung zu gelten hat.
3.2
Im von der Vorinstanz zitierten, in
BGE 132 V 412
ff. auszugsweise veröffentlichten Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts U 62/06 vom 7. September 2006 hatte der Unfallversicherer in einem Schreiben an die versicherte Person erklärt, die bisher erbrachten Leistungen (Heilbehandlung und Taggeld) würden eingestellt,
BGE 134 V 145 S. 148
nachdem keine objektivierbaren pathologischen Befunde hätten erhoben werden können, welche als wahrscheinliche Folgen des Unfallereignisses zu werten seien. Der Brief enthielt keine Rechtsmittelbelehrung und war auch nicht als Verfügung bezeichnet. Das Eidg. Versicherungsgericht qualifizierte das Schreiben nicht als Verfügung, sondern ordnete es dem formlosen Verfahren zu. Die Abgrenzung zwischen diesen beiden Erledigungsformen hat somit in der Weise zu erfolgen, dass eine Verfügung - unter Umständen abweichend von der allgemeinen, an inhaltlichen Kriterien orientierten Definition gemäss
Art. 5 VwVG
- nur dann vorliegt, wenn das fragliche Schriftstück als solche bezeichnet ist oder zumindest eine Rechtsmittelbelehrung enthält. Weist eine in diesem Sinn verstandene Verfügung einen Mangel auf, bestimmen sich die Konsequenzen nach
Art. 49 Abs. 3 Satz 3 ATSG
, wonach der versicherten Person aus einer mangelhaften Eröffnung kein Nachteil entstehen darf. Die konkreten Rechtsfolgen ergeben sich aus der Art des Mangels (ausführlich zu den Auswirkungen verschiedener Eröffnungsmängel MICHELE ALBERTINI, Der verfassungsmässige Anspruch auf rechtliches Gehör im Verwaltungsverfahren des modernen Staates, Diss. Bern 1999, S. 440 ff.). Eine falsche oder fehlende Rechtsmittelbelehrung führt regelmässig zur Verlängerung der Einsprachefrist (zum Ganzen ALFRED KÖLZ/ISABELLE HÄNER, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 2. Aufl., Zürich 1998, S. 130 ff., Rz. 362 ff., sowie UELI KIESER, Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts [ATSG], in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Soziale Sicherheit, 2. Aufl., Basel 2007, S. 217 ff., 289, Rz. 164). Erfüllt dagegen der Brief, in welchem der Versicherer seinen Standpunkt äussert, die erwähnten Anforderungen nicht und hat er somit nicht als Verfügung zu gelten, kann das Verfahren nicht durch einen Einspracheentscheid fortgesetzt werden, sondern muss sich zunächst auf den Erlass einer Verfügung richten.
3.3
In ihrem Schreiben vom 8. Mai 2002 führte die National aus, aufgrund des Polizeirapports sei sie der Meinung, dass der Suizid nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf den Unfall vom 27. Februar 1994 zurückzuführen sei. Deshalb könne sie keine Leistungen ausrichten. Der Brief war nicht als Verfügung bezeichnet und enthielt keine Rechtsmittelbelehrung. Mit Blick auf die vorstehend dargelegten Grundsätze hat er nicht als formelle Verfügung zu gelten, sondern ist dem formlosen Verfahren zuzuordnen.
BGE 134 V 145 S. 149
4.
Art. 51 Abs. 1 ATSG
sieht die Behandlung eines Anspruchs im formlosen Verfahren ausdrücklich vor in Bezug auf Gegenstände, welche nicht unter
Art. 49 Abs. 1 ATSG
fallen. Diese bereits zitierte Bestimmung schreibt für erhebliche Leistungen sowie bei Nichteinverständnis der versicherten Person die Verfügungsform vor. Die formlose Erledigung ist diesfalls unzulässig. Der bereits vor dem Inkrafttreten des ATSG gültig gewesene, unverändert gebliebene Art. 124 der Verordnung vom 20. Dezember 1982 über die Unfallversicherung (UVV; SR 832.202) hält in lit. b fest, eine schriftliche Verfügung sei unter anderem zu erlassen über die Verweigerung von Versicherungsleistungen. Mit dem Inkrafttreten des ATSG hat sich in diesem Punkt gegenüber der Rechtslage nach
Art. 99 Abs. 1 UVG
(in der bis Ende 2002 gültig gewesenen Fassung) nichts geändert (vgl.
BGE 132 V 412
E. 4 S. 417). Auch mit Bezug auf den hier zu beurteilenden Sachverhalt, in welchem das einen Anspruch verneinende Schreiben aus dem Jahr 2002 datiert, ist demzufolge von einer Verfügungspflicht des Unfallversicherers auszugehen. Der Entscheid hätte in Form einer Verfügung ergehen müssen.
5.
5.1
Nach dem Gesagten war es unzulässig, dass die National über die beantragten Hinterlassenenleistungen durch das Schreiben vom 8. Mai 2002 formlos und nicht mittels Verfügung in ablehnendem Sinn entschieden hat.
Art. 51 ATSG
, welcher sich nur auf das zulässige formlose Verfahren bezieht, kann daher keine direkte Anwendung finden. Ebenso wenig kommt ein unmittelbares Abstellen auf
Art. 49 Abs. 3 Satz 3 ATSG
in Frage, da keine Verfügung - auch nicht eine mangelbehaftete - vorliegt. Das Gesetz enthält somit für den hier gegebenen Fall, in dem der Versicherer im formlosen Verfahren nach
Art. 51 ATSG
einen Entscheid gefällt hat, welcher laut
Art. 49 Abs. 1 ATSG
in Verfügungsform ergehen muss, keine ausdrückliche Regelung. Damit das Verfahren in die gesetzlich vorgesehenen Wege gelenkt und der versicherten Person der Rechtsweg eröffnet wird, ist jedoch der (bisher nicht erfolgte) Erlass einer formellen Verfügung notwendig. Dementsprechend drängt sich in Analogie zu
Art. 51 Abs. 2 ATSG
die Lösung auf, dass die versicherte Person einen Entscheid in Form einer Verfügung verlangen kann. In diesem Zusammenhang stellt sich insbesondere die Frage nach allfälligen zeitlichen Grenzen dieser Befugnis.
BGE 134 V 145 S. 150
5.2
Wie das Eidg. Versicherungsgericht in der in
BGE 132 V 412
nicht veröffentlichten E. 6 des bereits erwähnten Urteils U 62/06 vom 7. September 2006 erkannt hat, verhält sich die versicherte Person nicht rechtsmissbräuchlich im Sinne der zweckwidrigen Verwendung eines Rechtsinstituts (vgl. zu dieser Form des rechtsmissbräuchlichen Verhaltens THOMAS GÄCHTER, Rechtsmissbrauch im öffentlichen Recht, unter besonderer Berücksichtigung des Bundessozialversicherungsrechts, Zürich 2005, S. 312, mit weiteren Hinweisen), wenn sie erst mehrere Monate nach einem unzulässigerweise im formlosen Verfahren erfolgten Fallabschluss den Erlass einer formellen Verfügung verlangt. Im konkreten Fall wurde ein entsprechendes, 8 1/2 Monate nach dem als formlos qualifizierten Schreiben gestelltes Gesuch als nicht rechtsmissbräuchlich betrachtet und der Versicherer verpflichtet, die verlangte Verfügung zu erlassen. Es ginge nun allerdings zu weit anzunehmen, die versicherte Person könne in dieser Konstellation ohne jede zeitliche Beschränkung auf dem Erlass einer Verfügung bestehen. Ebenso wie sich die Umschreibung der Rechtsfolgen der mangelhaften Eröffnung einer Verfügung an einer Abwägung zu orientieren hat, welche einerseits dem Rechtsschutzinteresse der betroffenen Person und andererseits dem Gebot der Rechtssicherheit Rechnung trägt, wobei der Grundsatz von Treu und Glauben als Richtschnur dient (
BGE 119 Ib 68
E. 3b S. 72; ALFRED KÖLZ/ISABELLE HÄNER, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 2. Aufl., Zürich 1998, S. 130 f., Rz. 364; MICHELE ALBERTINI, Der verfassungsmässige Anspruch auf rechtliches Gehör im Verwaltungsverfahren des modernen Staates, Diss. Bern 1999, S. 442), rechtfertigt es sich auch im hier zu beurteilenden Kontext nicht, den Interessen der versicherten Person uneingeschränkt den Vorrang einzuräumen. Vielmehr ist ihre Befugnis, einen formell korrekten Entscheid des Versicherers zu verlangen, insbesondere mit Blick auf das Gebot der Rechtssicherheit sowie den Verfassungsgrundsatz von Treu und Glauben (Art. 5 Abs. 3 der Bundesverfassung vom 18. April 1999 [BV; SR 101]), der auch Private in ihrem Verhältnis zu staatlichen Organen bindet (BEATRICE WEBER-DÜRLER, Neuere Entwicklungen des Vertrauensschutzes, ZBl 103/2002 S. 281 ff., 282 f.; YVO HANGARTNER, in: Ehrenzeller/Mastronardi/Schweizer/ Vallender [Hrsg.], Die schweizerische Bundesverfassung, Kommentar, Zürich 2002, N. 39 zu
Art. 5 BV
; SUSANNE LEUZINGER-NAEF, Der Wegfall der Unfallkausalität, in: René Schaffhauser/Franz Schlauri [Hrsg.], Sozialversicherungsrechtstagung 2007, St. Gallen
BGE 134 V 145 S. 151
2007, S. 9 ff., 28), zeitlich zu beschränken. Die vom kantonalen Gericht herangezogene und als massgeblich betrachtete Aussage im Urteil U 62/06 vom 7. September 2006, E. 6 (nicht publ. in
BGE 132 V 412
), ist deshalb insofern zu präzisieren, als die versicherte Person einen unzulässigerweise im formlosen Verfahren erlassenen Entscheid des Unfallversicherers, den Fall abzuschliessen, nicht zeitlich unbeschränkt in Frage stellen kann, sondern nur innerhalb einer Frist, deren Dauer nachfolgend zu definieren ist. Unterbleibt eine fristgerechte Intervention, entfaltet der im formlosen Verfahren ergangene Entscheid in gleicher Weise Rechtswirkungen, wie wenn er im durch
Art. 51 Abs. 1 ATSG
umschriebenen Rahmen erlassen worden wäre.
5.3
Zu prüfen bleibt, innerhalb welcher Frist die betroffene Person gegen den unzulässigerweise formlos mitgeteilten Fallabschluss durch den obligatorischen Unfallversicherer zu intervenieren hat.
5.3.1
Mit Bezug auf das zulässige formlose Verfahren nach
Art. 51 ATSG
, also den Bereich der nicht erheblichen Leistungen, Forderungen und Anordnungen, deren Beurteilung die versicherte Person nicht bereits vorgängig widersprochen hat, wurde im Verlauf der Gesetzgebungsarbeiten diskutiert, innerhalb welcher Frist die versicherte Person ihr Gesuch um Erlass einer Verfügung stellen müsse (zur Entstehungsgeschichte der Norm vgl.
BGE 132 V 412
E. 2.2 S. 415 f. sowie BARBARA KUPFER BUCHER, Das nichtstreitige Verwaltungsverfahren nach dem ATSG und seine Auswirkungen auf das AVIG, Diss. Freiburg 2006, S. 207 f.). Der Bundesrat schlug in seiner vertieften Stellungnahme vom 17. August 1994 "Parlamentarische Initiative Sozialversicherungsrecht" (BBl 1994 V 921 ff.) eine Frist von einem Jahr seit Entstehen des Anspruchs vor. Zur Begründung wurde erklärt, die Aufnahme einer Frist sei im Interesse der Rechtssicherheit angezeigt (BBl 1994 V 949). Im weiteren Verlauf stand auch eine Frist von lediglich einem Monat zur Diskussion (FRANZ SCHLAURI, Grundstrukturen des nichtstreitigen Verwaltungsverfahrens in der Sozialversicherung, in: Schaffhauser/Schlauri [Hrsg.], Verfahrensfragen in der Sozialversicherung, St. Gallen 1996, S. 9 ff., 57 mit Fn. 87). Die Kommission des Nationalrates für soziale Sicherheit und Gesundheit lehnte in ihrem Bericht vom 26. März 1999 (BBl 1999 S. 4523 ff.) die Aufnahme einer Frist in das Gesetz ab. Sie argumentierte, das formlose Verfahren beschlage sehr unterschiedliche Abläufe in der Sozialversicherung. Es sei daher falsch, eine Frist zu fixieren. Zwar gingen
BGE 134 V 145 S. 152
Praxis und Rechtsprechung in der Krankenversicherung davon aus, dass eine Verfügung während ca. eines Jahres verlangt werden könne. Es sei aber wohl unzweckmässig, dies einheitlich für alle möglichen Fälle vorzusehen (BBl 1999 S. 4610). Dementsprechend regelt der nunmehrige
Art. 51 Abs. 2 ATSG
diesen Punkt nicht. In der Lehre wird davon ausgegangen, die Frist müsse auf jeden Fall länger sein als die 30-tägige Rechtsmittelfrist, könne aber wohl mehrere Monate nicht übersteigen, wobei die sachgerechte Dauer vom Einzelfall abhänge (THOMAS LOCHER, Grundriss des Sozialversicherungsrechts, 3. Aufl., Bern 2003, S. 433, § 65 Rz. 26; zu den zu berücksichtigenden Kriterien äussert sich UELI KIESER, ATSG-Kommentar, Zürich 2003, N. 13 zu
Art. 51 ATSG
). In der Militärversicherung nimmt die Verwaltung im Regelfall eine sechsmonatige Frist an (JÜRG MAESCHI, Kommentar zum Bundesgesetz über die Militärversicherung, Bern 2000, N. 10 zu
Art. 96 MVG
; SCHLAURI, a.a.O., S. 57 Fn. 87).
5.3.2
Die hier zu beurteilende Konstellation unterscheidet sich von der durch
Art. 51 Abs. 2 ATSG
geregelten dadurch, dass über Leistungen zu befinden ist, für deren Beurteilung das Gesetz (
Art. 49 Abs. 1 ATSG
respektive
Art. 99 Abs. 1 UVG
[in der bis Ende 2002 gültig gewesenen Fassung] in Verbindung mit
Art. 124 UVV
) die Verfügungsform vorschreibt. Es ist - auch im Vergleich zu anderen Rechtsgebieten - von einem relativ hohen Grad an Betroffenheit der versicherten Person auszugehen, was sich verfahrensrechtlich insofern auswirkt, als dem Anspruch auf rechtliches Gehör und namentlich dem Begründungserfordernis besonderes Gewicht zukommt (ALBERTINI, a.a.O., S. 406 mit Hinweis auf
BGE 124 V 180
). Dieser Aspekt spricht im Vergleich zum gesetzlich vorgesehenen formlosen Verfahren nach
Art. 51 ATSG
für die Annahme einer längeren Frist. Ein weiteres, in dieselbe Richtung weisendes Argument ergibt sich aus dem Umstand, dass der Versicherer das formlose Verfahren entgegen der gesetzlichen Regelung zur Anwendung gebracht und somit die für ihn resultierende vorübergehende Rechtsunsicherheit selbst zu verantworten hat. Andererseits haben auch Dritte, welche nicht direkt am Verfahren beteiligt sind, im Hinblick auf allfällige Haftpflicht- und Regressansprüche ein berechtigtes Interesse an einer Klärung der Rechtslage. In Anbetracht der einander gegenüberstehenden Interessen sowie unter Berücksichtigung des Verfassungsgrundsatzes von Treu und Glauben erscheint es für den Regelfall als gerechtfertigt, von der
BGE 134 V 145 S. 153
betroffenen Person zu erwarten, dass sie innerhalb eines Jahres seit der unzulässigerweise im formlosen Verfahren erfolgten Mitteilung des Fallabschlusses an den Unfallversicherer gelangt, wenn sich dieser seither nicht mehr gemeldet hat. Eine längere Frist kommt allenfalls dann in Frage, wenn die Person - insbesondere wenn sie rechtsunkundig und nicht anwaltlich vertreten ist - in guten Treuen annehmen durfte, der Versicherer habe noch keinen abschliessenden Entscheid fällen wollen und sei mit weiteren Abklärungen befasst.
5.4
Aus dem Schreiben der National vom 8. Mai 2002 geht unmissverständlich hervor, dass es der Versicherer ablehnte, die beantragten Leistungen zu erbringen. Von weiteren Abklärungen war nicht die Rede. Die nach Lage der Akten bereits seit September 2001 anwaltlich vertretenen Beschwerdegegner waren deshalb nach dem Gesagten gehalten, innerhalb eines Jahres seit Zugang des Schreibens zu reagieren und ihr Nichteinverständnis zu bekunden. Die erst am 14. Juni 2005, nach Ablauf von mehr als drei Jahren, erfolgte Intervention vermochte somit keine Verpflichtung des Unfallversicherers mehr auszulösen, in Verfügungsform über die streitigen Ansprüche zu entscheiden. Vielmehr hatte der im formlosen Verfahren ergangene Entscheid vom 8. Mai 2002 inzwischen Rechtswirksamkeit erlangt, wie wenn er im durch
Art. 51 Abs. 1 ATSG
umschriebenen Rahmen erlassen worden wäre. Die National beging demzufolge keine Rechtsverweigerung, als sie es ablehnte, eine Verfügung zu erlassen. Die Beschwerde ist daher gutzuheissen und der kantonale Entscheid ist aufzuheben. | null | nan | de | 2,008 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
18655cb0-8cb4-4ba9-b283-92d715a93466 | Urteilskopf
139 II 489
34. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. X. AG gegen Y.-Verband (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
2C_91/2013 vom 23. Juli 2013 | Regeste
Art. 29 Abs. 2 BV
,
Art. 8 Abs. 1 lit. d,
Art. 11 lit. a und
Art. 21 Abs. 1 BöB
, § 17, § 27 lit. a und § 32 Abs. 1 VRöB,
Art. 11 lit. g IVöB
; Eignungs- und Zuschlagskriterien im Submissionsrecht; Berücksichtigung der Mehreignung. Verfassungsrechtliche Mindestansprüche der Anbieter im Falle des Einholens von Referenzauskünften durch die Vergabebehörde.
Eignungs- und Zuschlagskriterien sind auseinanderzuhalten: In einem ersten Schritt ist die Eignung zu prüfen und anschliessend sind in einem zweiten Schritt die zulässigen Offerten zu bewerten. Es ist aber nicht grundsätzlich unzulässig, eine gewisse Mindestanforderung als Eignungskriterium zu verlangen und eine darüber hinausgehende Erfüllung als Zuschlagskriterium zu gewichten. Zumindest dort, wo es auf fachliche Eignung oder Erfahrung ankommt, ist die Berücksichtigung einer Mehreignung im Rahmen des Zuschlags zulässig (E. 2.1 und 2.2).
Die Vergabebehörde darf Referenzen einholen, die der Anbieter nicht angegeben hat, doch gelten verfassungsrechtliche Mindestansprüche: Wird darauf zum Nachteil des Anbieters abgestellt, muss dieser Gelegenheit haben, sich dazu zu äussern (E. 3.1-3.3). | Sachverhalt
ab Seite 490
BGE 139 II 489 S. 490
Der Y.-Verband schrieb im Amtsblatt des Kantons Nidwalden vom 13. Juli 2011 im offenen Verfahren das Projekt "Erneuerung der Prozesssteuerungen und des Leitsystems" aus. Unter "Liefertermin" war angegeben:
"Beginn 01.11.2011 und Ende 31.12.2012
Bemerkungen
: Beginn Phase 1
01.11.2011 bis ca. Ende 2012
Weitere Phasen bis 2018."
In den Ausschreibungsunterlagen war sodann aufgeführt: "Aktuell wird nur der Auftrag über den Umfang der 1. Etappe Phase 1 vergeben. Es wird jedoch der Lieferant für sämtliche Phasen festgelegt."
BGE 139 II 489 S. 491
Die X. AG reichte ein Angebot ein zum Preis von Fr. 136'611.77 für die Phase 1 bzw. Fr. 362'632.01 für den Gesamtumfang, jeweils inkl. MWSt, die B. AG ein Angebot zum Preis von Fr. 205'456.30 für die Phase 1 bzw. Fr. 480'755.15 für den Gesamtumfang, jeweils inkl. MWSt.
Mit Zuschlagsverfügung vom 3. Oktober 2011 vergab der Y.-Verband die Arbeiten an die B. AG zum (revidierten) Preis von Fr. 151'702.24 exkl. MWSt, und stellte fest, dass später innerhalb des Schwellenwerts im freihändigen Verfahren an die berücksichtigte Firma zu denselben Konditionen Folgeaufträge erteilt werden könnten.
Die von der X. AG dagegen erhobene Beschwerde an das Verwaltungsgericht des Kantons Nidwalden blieb erfolglos.
Die X. AG erhebt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und es sei die Rechtswidrigkeit der Zuschlagsverfügung vom 3. Oktober 2011 festzustellen.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
(Zusammenfassung)
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
2.1
Die Beschwerdeführerin stösst sich daran, dass die Vergabestelle die Eignungsmerkmale eines Anbieters bei der Prüfung der Zuschlagskriterien nochmals anhand der exakt gleichen Merkmale geprüft hat. Daraufhin hat sie dem obsiegenden Anbieter ausschliesslich aufgrund seiner Mehreignung eine höhere Punktzahl bei der Beurteilung der Zuschlagskriterien zugesprochen. Ob darin ein Verstoss gegen die Gleichbehandlung der Anbieter liegt, ist - wie sich aus dem Folgenden ergibt - eine wesentliche, aber höchstrichterlich in der Schweiz noch nie entschiedene Grundsatzfrage.
2.2
2.2.1
Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung sind Eignungs- und Zuschlagskriterium auseinanderzuhalten; diese beziehen sich direkt auf die zu erbringende Leistung, jene hingegen auf das anbietende Unternehmen und dessen Eigenschaften; da aber auch diese Kriterien auf die zu erbringende Leistung bezogen sein müssen, ist die Unterscheidung zwischen Eignungs- und Zuschlagskriterien manchmal schwierig (
BGE 129 I 313
E. 8.1 S. 323 f.; Urteil 2P.322/2006
BGE 139 II 489 S. 492
vom 14. August 2007 E. 3.3.1). Nähere Ausführungen zur Abgrenzung finden sich in diesen Urteilen nicht. Auch im Urteil 2P.85/2001 vom 6. Mai 2002 E. 4.1 wurde die Frage einer Vermengung von Eignungs- und Zuschlagskriterien mangels entsprechender Rüge nicht weiter vertieft. Ohne ausdrückliche Diskussion des Verhältnisses zwischen Eignungs- und Zuschlagskriterien wurde es im Urteil 2P.141/2002 vom 7. Januar 2003 E. 2 als zulässig erklärt, den Zuschlag für den Kauf von Fotokopiergeräten einem Anbieter zu erteilen, weil dessen Geräte (zu einem günstigeren Preis) mehr Leistung erbrachten als in der Ausschreibung gefordert worden war. Im Urteil 2P.46/2005 vom 16. September 2005 E. 5.1 fragte sich das Bundesgericht in Bezug auf das Kriterium der Ortskenntnis, ob eine strenge Trennung zwischen anbieter- und angebotsbezogenen Kriterien überhaupt sinnvoll und realisierbar ist, wie allgemein bei der Vergabe von Dienstleistungsaufträgen, wo die Fachkompetenz bzw. die Qualifikation des Anbieters eine grosse Rolle spiele; die Frage konnte aber offenbleiben. Im Urteil 2P.225/2005 vom 27. April 2006 E. 3.2 erwog das Bundesgericht, dass nach der Lehre die Eignungskriterien normalerweise nicht zugleich als Zuschlagskriterien verwendet werden sollten, dass aber die Rechtsprechung eine strikte Trennung eher ablehne; die Frage brauchte auch dort nicht weiter erörtert zu werden, da nicht dargelegt worden war, dass die gleichen Kriterien doppelt verwendet wurden.
2.2.2
Die frühere eidgenössische Rekurskommission für das öffentliche Beschaffungswesen war anfänglich der Ansicht, dass Unternehmensaspekte bzw. Mehreignungen im Rahmen des Zuschlags nicht mehr berücksichtigt werden dürften; sie hat diese Praxis jedoch im Laufe der Zeit gelockert und unternehmensbezogene Aspekte zugelassen, wenn sie Einfluss auf die Qualität des Angebots (als Element der Wirtschaftlichkeit, vgl.
Art. 21 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 1994 über das öffentliche Beschaffungswesen [BöB; SR 172.056.1]
) haben (s. Darstellung der Praxis bei MARTIN BEYELER, Ziele und Instrumente des Vergaberechts, 2008, S. 64 ff.; MARC STEINER, Die Berücksichtigung der Mehreignung aus beschaffungsrechtlicher Sicht - ein Beitrag aus der Schweiz, European Law Reporter 2010 S. 189 ff.). Das Bundesverwaltungsgericht schliesst ebenfalls die Berücksichtigung einer Mehreignung im Rahmen der Zuschlagskriterien nicht grundsätzlich aus, sofern die Mehreignungskriterien einen Bezug zum Projekt aufweisen, wie z.B. Qualität, Referenzen, Ausbildung (Urteil B-6082/2011 vom 8. Mai
BGE 139 II 489 S. 493
2012 E. 2.1.3 und 2.1.4;
BVGE 2011/58
E. 12.2). Auch die Rechtsprechung der Kantone lässt mehrheitlich die Berücksichtigung von anbieterbezogenen Zuschlagskriterien zu, jedenfalls wenn es um Aufträge geht, bei denen die Fachkompetenz des Anbieters eine grosse Rolle spielt (vgl. die Hinweise bei GALLI/MOSER/LANG/STEINER, Praxis des öffentlichen Beschaffungsrechts, 3. Aufl. 2013, S. 270 ff.); HUBERT STÖCKLI, Das Vergaberecht der Schweiz, 7. Aufl. 2008, S. 471 ff.; BEYELER/STÖCKLI, Rechtsprechung aus den Jahren 2010-2012, in: Aktuelles Vergaberecht 2012, 2012, S. 110 f.; ELISABETH LANG, Der Grundsatz der Transparenz im öffentlichen Beschaffungsrecht, in: Festschrift 100 Jahre Aargauischer Anwaltsverband, 2005, S. 124 f.).
2.2.3
Rechtsvergleichend ist das Urteil des EuGH i.S.
Lianakis
vom 24. Januar 2008 (C-532/06, Randnrn. 30-32) zu erwähnen, wonach sich die fachliche Eignung nach den in Art. 31 und 32 der Richtlinie 92/50/EWG vom 18. Juni 1992 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge (ABl. L 209 vom 24. Juli 1992 S. 1) genannten Kriterien richte, während sich die Erteilung des Zuschlags auf die in Art. 36 Abs. 1 der Richtlinie aufgezählten Kriterien stütze. Zwar seien dort die Kriterien nicht abschliessend aufgezählt, doch kämen nur Kriterien in Betracht, die der Ermittlung des wirtschaftlich günstigsten Angebots dienten. Daher seien als Zuschlagskriterien Kriterien ausgeschlossen, die nicht der Ermittlung des wirtschaftlich günstigsten Angebots dienten, sondern die im Wesentlichen mit der Beurteilung der fachlichen Eignung der Bieter für die Ausführung des betreffenden Auftrags zusammenhingen. Die im konkreten Fall vom Auftraggeber als "Zuschlagskriterien" berücksichtigten Kriterien (nachgewiesene Erfahrung des Sachverständigen; Personal und Ausstattung des Büros; Fähigkeit, die Studie durchzuführen) bezögen sich in erster Linie auf die Erfahrung, die Qualifikationen und die Mittel, die geeignet sind, eine ordnungsgemässe Ausführung des betreffenden Auftrags zu gewährleisten. Es handle sich dabei um Kriterien, die die fachliche Eignung der Bieter beträfen und die nicht Zuschlagskriterien sein könnten. Diese Praxis wurde bestätigt im Urteil
Kommission gegen Hellenische Republik
vom 12. November 2009 (C-199/07; vgl. auch Grünbuch vom 27. Januar 2011 der Europäischen Kommission über die Modernisierung der europäischen Politik im Bereich des öffentlichen Auftragswesens; Wege zu einem effizienteren europäischen Markt für öffentliche Aufträge, S. 18 f.).
BGE 139 II 489 S. 494
2.2.4
Eignungs- und Zuschlagskriterien haben unterschiedliche Funktionen: Die Nichterfüllung der Eignungskriterien führt zum Ausschluss des Anbieters (§ 27 lit. a der Vergaberichtlinien [VRöB] zur Interkantonalen Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen [IVöB] vom 25. November 1994/15. März 2001 [
http://www.bpuk.ch/konkordate/IVOEB.aspx
]; § 27 lit. a der nidwaldnerischen Vollzugsverordnung vom 6. Juli 2004 zum Gesetz über das öffentliche Beschaffungswesen [Submissionsverordnung; NG 612.11]; vgl. im Bund
Art. 11 lit. a BöB
; MARTIN BEYELER, Der Geltungsanspruch des Vergaberechts, 2012, S. 1025 ff.); ein fehlendes Eignungskriterium kann somit nicht durch Übererfüllung anderer Eignungskriterien kompensiert werden. Demgegenüber dienen die Zuschlagskriterien der Bewertung der zulässigen Angebote, wobei eine schlechtere Bewertung bei einem Kriterium durch eine bessere bei einem anderen aufgewogen werden kann. Daraus folgt, dass in einem ersten Schritt die Eignung zu prüfen ist und anschliessend in einem zweiten Schritt die zulässigen Offerten zu bewerten sind. Es wäre unzulässig, den ersten Schritt gar nicht durchzuführen und ein Angebot, das die Eignungskriterien nicht erfüllt, trotzdem zuzulassen (Urteil 2P.322/2006 vom 14. August 2007 E. 3.3.1; OLIVIER RODONDI, Les critères d'aptitude et les critères d'adjudication dans les procédures de marchés publics, RDAF 2001 I S. 387 ff., 412 f.; MARTIN BEYELER, Öffentliche Beschaffung, Vergaberecht und Schadenersatz, 2004, S. 206 f.). Daraus folgt aber nicht, dass es unzulässig wäre, im zweiten Schritt die gleichen Kriterien zu berücksichtigen wie im ersten. Das macht zwar keinen Sinn bei Eignungskriterien, die nur mit Ja oder Nein beantwortet werden können: Angebote, welche das Kriterium nicht erfüllen, sind auszuschliessen, alle anderen würden die gleiche Bewertung erhalten. Bei Kriterien, die graduell bewertet werden können, ist aber nicht ersichtlich, weshalb es unzulässig sein sollte, eine gewisse Mindestanforderung als Eignungskriterium zu verlangen, eine darüber hinausgehende Erfüllung aber als Zuschlagskriterium zu gewichten; es handelt sich bei dieser Vorgehensweise nicht um eine Doppelprüfung, sondern um eine Prüfung unter verschiedenen Aspekten (BEYELER, a.a.O., 2004, S. 208 f.). Das gilt in besonderem Mass für das Kriterium der Qualität, die anerkanntermassen ein zulässiges Kriterium im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung ist (
Art. 21 Abs. 1 BöB
; § 32 Abs. 1 VRöB). Es liegt auf der Hand, dass - jedenfalls bei Aufträgen, bei denen die Fachkompetenz eine Rolle spielt - die Qualität
BGE 139 II 489 S. 495
nicht getrennt vom Unternehmen und den darin tätigen Personen beurteilt werden kann. Eine strikte Trennung zwischen unternehmensbezogenen und Wirtschaftlichkeitsaspekten, wie sie der EuGH vorgenommen hat, kann daher nicht überzeugen. Zumindest dort, wo es auf fachliche Eignung oder Erfahrung ankommt, ist die Berücksichtigung einer Mehreignung im Rahmen des Zuschlags zulässig (ebenso BEYELER, a.a.O., 2008, S. 67 ff.; MATTHIAS HAUSER, Zuschlagskriterien im Submissionsrecht, AJP 2001 S. 1405 ff., 1414 f.; HERBERT LANG, Offertenbehandlung und Zuschlag im öffentlichen Beschaffungswesen, ZBl 101/2000 S. 225 ff., 242 f.; MARCO FETZ, Öffentliches Beschaffungsrecht des Bundes, in: SBVR Bd. XI, 2. Aufl. 2007, S. 461 ff., 538 f.).
(...)
3.
3.1
Weiter wirft die Beschwerdeführerin die Frage auf, ob es rechtswidrig ist, wenn die Vergabebehörde eigenmächtig (d.h. ohne Zustimmung des Anbieters) Referenzangaben zu Anlagen eines Anbieters einholt und aufgrund dieser Referenzangaben einen Anbieter schlechter bewertet. Auch bei dieser Frage handelt es sich um eine Grundsatzfrage, die sich in der Praxis häufig stellt, aber vom Bundesgericht noch nie beantwortet wurde; im Urteil 2P.111/2003 vom 21. Januar 2004 E. 4.2.2 konnte diese Frage offenbleiben, weil die vertraulich eingeholten Referenzauskünfte nicht entscheidwesentlich waren.
3.2
Das Vergaberecht äussert sich nicht ausdrücklich zur Frage, ob und unter welchen Umständen auch Referenzen eingeholt werden dürfen, die der Anbieter nicht angegeben hat. Die Antwort muss sich aus allgemeinen Grundsätzen ergeben: Wie in jedem Verwaltungsverfahren hat auch im Submissionsverfahren die Behörde grundsätzlich den erheblichen Sachverhalt von Amtes wegen abzuklären, ohne dabei an Vorbringen oder Beweisanträge der Beteiligten gebunden zu sein. Sie wird zwar in der Regel primär auf die von den Anbietern eingereichten Unterlagen abstellen; insbesondere ist die Behörde nicht verpflichtet, von Amtes wegen mangelhaft oder unvollständig eingereichte Unterlagen oder Angaben zu vervollständigen (vgl. Hinweise auf die Praxis bei MANUELA GEBERT, Stolpersteine im Beschaffungsablauf, in: Aktuelles Vergaberecht 2010, 2010, S. 364 ff.). Es ist aber auch nicht unzulässig, auf vorhandene eigene Kenntnisse und Erfahrungswerte zurückzugreifen;
BGE 139 II 489 S. 496
insbesondere bei lokalen Projekten mit lokalen Anbietern oder innerhalb einer Fachwelt, wo man sich gegenseitig kennt, ist solches Wissen unvermeidlich vorhanden und es ist nicht per se unzulässig, darauf abzustellen (Urteil 2C_549/2011 vom 27. März 2012 E. 2.4). Ebenso wenig kann es der Behörde verboten sein, sich solches Wissen noch zu verschaffen, um sich ein Bild über die Eignung oder Qualität eines Anbieters zu machen. Nach Treu und Glauben wird zwar die Behörde in erster Linie auf diejenigen Referenzen abstellen, die der Anbieter angegeben hat; aber es muss ihr grundsätzlich erlaubt sein, im Rahmen ihrer Sachverhaltsabklärungen auch zusätzlich zu den Angaben, welche die Anbieter gemacht haben, weitere Informationen einzuholen.
3.3
Allerdings sind dabei verfassungsrechtliche Mindestansprüche zu wahren, namentlich der Anspruch auf rechtliches Gehör (
Art. 29 Abs. 2 BV
), der grundsätzlich auch im Submissionsrecht gilt (Urteile 2C_710/2012 vom 7. Dezember 2012 E. 5; 2C_890/2008 vom 22. April 2009 E. 5.3; 2P.175/2001 vom 12. Oktober 2001 E. 3, in: ZBl 103/2002 S. 481; 2P.155/1996 vom 4. Dezember 1996 E. 3, in: Pra 1997 Nr. 100 S. 541). Die Parteien eines Verfahrens haben insbesondere das Recht auf Akteneinsicht sowie das Recht, sich zu rechtserheblichen Sachverhaltsvorbringen zu äussern, auf welche zu ihrem Nachteil abgestellt wird (
BGE 137 IV 33
E. 9.2 S. 48 f.;
BGE 136 V 351
E. 4.4 S. 355 f.;
BGE 135 I 279
E. 2.3 S. 282). So muss z.B. einem Anbieter Gelegenheit gegeben werden sich zu äussern, bevor sein Angebot wegen ungewöhnlich tiefem Preis ausgeschlossen wird (
BGE 130 I 241
E. 7.3 S. 255; Urteile 2D_34/2010 vom 23. Februar 2011 E. 2.5; 2P.70/2006 vom 23. Februar 2007 E. 4.5; vgl. § 31 VRöB; OLIVIER RODONDI, La gestion de la procédure de soumission, in: Aktuelles Vergaberecht 2008, 2008, S. 163 ff., 188). Auch in anderen Konstellationen kann sich eine Pflicht zur Rückfragung beim Anbieter ergeben (vgl. GALLI/MOSER/LANG/STEINER, a.a.O., S. 198 f.).
Zwar können die Gehörsansprüche mit Rücksicht auf die Besonderheiten des Submissionsrechts eingeschränkt werden. So sind die Angebote als solche auch gegenüber den Mitbewerbern vertraulich zu behandeln (Art. XIV Abs. 3 GPA [SR 0.632.231.422]; Art. 11 lit. g der interkantonalen Vereinbarung vom 25. November 1994/15. März 2001 über das öffentliche Beschaffungswesen [IVöB; NG 612.2]; § 17 VRöB; vgl. im Bund
Art. 8 Abs. 1 lit. d BöB
), was grundsätzlich auch im Rechtsmittelverfahren gilt (Urteile 2C_890/2008
BGE 139 II 489 S. 497
vom 22. April 2009 E. 5.3.3; 2P.193/2006 vom 29. November 2006 E. 3.1; 2P.111/2003 vom 21. Januar 2004 E. 4.1.2; 2P.226/2002 vom 20. Februar 2003 E. 2; 2P.274/1999 vom 2. März 2000 E. 2, in: Pra 2000 Nr. 134; GALLI/MOSER/LANG/STEINER, a.a.O., S. 559 ff.; 688 f.; FETZ, a.a.O., S. 500 f.). Hingegen sind nach der kantonalen Gerichtspraxis die Referenzauskünfte, auf welche die Behörde abstellen will, aktenmässig festzuhalten (Urteile des Verwaltungsgerichts Zürich VB.2006.00359 vom 20. Dezember 2006 E. 6.2.3; VB.2005.00514 vom 1. November 2006 E. 5.3; Urteil des Verwaltungsgerichts Luzern vom 13. August 2002 E. 6, in: Luzerner Gerichts- und Verwaltungsentscheide 2002 II Nr. 9; vgl. auch PETER RECHSTEINER, Referenzkontrolle, Baurecht 2003 S. 56) und es ist den Parteien - vorbehältlich überwiegender entgegenstehender Interessen - darin Einsicht zu gewähren (Urteil des Verwaltungsgerichts Aargau vom 16. Februar 2000 E. 2, in: Aargauische Gerichts- und Verwaltungsentscheide 2000 S. 279; dazu ELISABETH LANG, Die Praxis des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau zum Submissionsrecht, ZBl 103/2002 S. 453 ff., 477; GALLI/MOSER/LANG/STEINER, a.a.O., S. 694 f.). Dem ist zuzustimmen: Wenn Referenzen eingeholt werden, auf die entscheiderheblich abgestellt wird, handelt es sich nicht um behördeninterne Akten, die nicht dem Einsichtsrecht unterliegen (
BGE 125 II 473
E. 4a S. 474; Urteil 1P.324/2005 vom 10. Mai 2006 E. 1.2, nicht publ. in:
BGE 132 I 167
), sondern um Auskünfte Dritter. Wird darauf zum Nachteil eines Anbieters abgestellt, muss dieser Gelegenheit haben, sich dazu zu äussern. | public_law | nan | de | 2,013 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
1867947a-4484-4b08-81b8-360c3ee1e0d7 | Urteilskopf
126 V 252
43. Arrêt du 20 juillet 2000 dans la cause F. contre Caisse cantonale valaisanne de compensation et Tribunal des assurances du canton du Valais
Art. 3b al. 3 let. b LPC
: Prise en compte des intérêts hypothécaires comme dépenses reconnues. | Regeste
Art. 3b Abs. 3 lit. b ELG
: Hypothekarzinsen als anerkannte Ausgaben. Nach der gesetzlichen Regelung werden Hypothekarzinsen bis zur Höhe des Bruttoertrages der Liegenschaft anerkannt; dieser stimmt nicht zwangsläufig mit dem steuerrechtlichen Mietwert überein.
Art. 3b Abs. 1 lit. b ELG
: Mietzins einer Wohnung als anerkannte Ausgabe. Diese Bestimmung findet auch bei Personen Anwendung, die in ihrer eigenen Liegenschaft wohnen. In diesem Fall entspricht die zulässige Ausgabe dem als Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen berücksichtigten Mietwert. | Sachverhalt
ab Seite 253
BGE 126 V 252 S. 253
A.-
F. est au bénéficie d'une rente entière de l'assurance-invalidité. Il est domicilié à N., où il habite sa propre maison (villa familiale).
Le 13 janvier 1999, il a présenté une demande de prestations complémentaires. Par décision du 26 avril 1999, la Caisse cantonale valaisanne de compensation a rejeté la demande, au motif que les revenus déterminants du requérant (56'669 francs) dépassaient les dépenses à prendre en considération (54'810 francs).
Comme revenus, la caisse a notamment pris en compte un montant de 7'880 francs au titre de valeur locative de la maison de l'assuré. Au titre des dépenses reconnues, elle a tenu compte, entre autres éléments, d'intérêts hypothécaires jusqu'à concurrence de la valeur locative de l'immeuble (7'880 francs), ainsi que d'un loyer annuel (y compris les frais accessoires) de 9'560 francs.
B.-
F. a recouru contre cette décision en concluant au versement d'une prestation complémentaire. Par jugement du 15 octobre 1999, le Tribunal des assurances du canton du Valais a rejeté le recours.
C.-
Par une même écriture, du 19 novembre 1999, F. interjette un recours de droit administratif et, subsidiairement, un recours de droit public contre ce jugement. Il conclut, dans les deux cas et sous suite de dépens, à l'annulation du jugement attaqué et au versement par la caisse de compensation d'une prestation complémentaire de 6'039 francs par an.
La caisse de compensation conclut au rejet du recours.
Quant à l'Office fédéral des assurances sociales (OFAS), il ne s'est pas déterminé à son sujet.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
a) Le recours de droit public, subsidiaire, n'est pas recevable si la violation alléguée peut être soumise au Tribunal fédéral ou au Tribunal fédéral des assurances ou encore à une autre autorité fédérale, par une action ou un autre moyen de droit quelconque (
art. 84 al. 2 OJ
;
ATF 124 I 224
consid. 1a,
ATF 123 I 315
consid. 1a). De son côté, conformément à l'
art. 128 OJ
, la voie du recours de droit administratif devant le Tribunal fédéral des assurances est ouverte contre des décisions au sens des art. 97, 98 let. b à h et 98a OJ, en matière d'assurances sociales. Quant à la notion de décision pouvant faire l'objet d'un recours de droit administratif, l'
art. 97 OJ
renvoie à l'
art. 5 PA
. Selon le premier alinéa de cette disposition, sont considérées comme décisions les mesures prises par les autorités dans des
BGE 126 V 252 S. 254
cas d'espèce, fondées sur le droit public fédéral (et qui remplissent encore d'autres conditions, définies plus précisément par rapport à leur objet). Le recours de droit administratif est également recevable contre les décisions de caractère mixte, fondées sur le droit cantonal d'exécution du droit fédéral ou sur d'autres dispositions de celui-là se trouvant dans un rapport très étroit avec le droit fédéral dont la violation est invoquée dans le cadre du recours de droit administratif (
ATF 124 II 414
consid. 1d/dd). En revanche, c'est la voie du recours de droit public qui est ouverte contre des décisions fondées sur le droit cantonal autonome, ne présentant pas de rapport de connexité suffisamment étroit avec l'application du droit public de la Confédération (ATF
ATF 125 V 185
consid. 2a,
ATF 124 II 414
consid. 1d/dd).
Par ailleurs, conformément à l'
art. 104 let. a OJ
, les droits constitutionnels font partie du droit fédéral susceptible d'être revu dans le cadre du recours de droit administratif, pour autant que le moyen soulevé entre dans la compétence matérielle de la juridiction administrative fédérale (ATF
ATF 123 II 92
consid. 1a/bb). Dans ce cas, le recours de droit administratif assume la fonction du recours de droit public (
ATF 125 II 5
consid. 2a).
b) Dans le cas particulier, le jugement attaqué, qui porte sur le droit à une prestation complémentaire selon la LPC et ses dispositions d'exécution, repose incontestablement sur le droit fédéral. Les moyens soulevés dans le recours de droit public formé à titre subsidiaire par le recourant peuvent - et doivent - être examinés uniquement dans la procédure de recours de droit administratif.
2.
Est tout d'abord litigieux le montant des intérêts hypothécaires à porter en compte comme dépenses reconnues. Selon l'
art. 3b al. 3 let. b LPC
, les intérêts hypothécaires sont reconnus, pour les personnes vivant à domicile, comme des dépenses jusqu'à concurrence du rendement brut de l'immeuble.
Le recourant fait valoir qu'il supporte une charge annuelle d'intérêts hypothécaires de 16'923 francs (année 1998). Il reproche à l'administration et aux premiers juges d'avoir considéré que les intérêts hypothécaires ne pouvaient être pris en compte que jusqu'à concurrence de la valeur locative fiscale de l'immeuble (en l'occurrence 7'880 francs). Cette solution contredirait le texte de l'
art. 3b al. 3 let. b LPC
, qui permet une déduction jusqu'à concurrence du rendement brut de l'immeuble.
a) La valeur locative d'un immeuble habité par le propriétaire doit être prise en compte au titre de rendement de la fortune immobilière
BGE 126 V 252 S. 255
(
art. 3c al. 1 let. b LPC
;
ATF 122 V 26
en bas). Elle est estimée selon les critères de la législation sur l'impôt cantonal direct du canton de domicile ou, en l'absence de tels critères, sur ceux de l'impôt fédéral direct (
art. 12 OPC-AVS/AI
). Pour une majorité de cantons, la valeur locative est définie comme le montant que le contribuable aurait dû verser pour un logement identique dans une situation comparable, ce qui, en fait, correspond au rendement brut possible de l'immeuble (voir CAROLINE RUSCONI, L'imposition de la valeur locative, Etude de droit suisse, thèse Lausanne 1987, pp. 99 et 131 ss).
Aux termes de l'art. 17 al. 2 de la loi fiscale valaisanne du 10 mars 1976 (Recueil valaisan des lois, vol. V 1951), pour encourager l'accession à la propriété, les valeurs locatives sont estimées de manière raisonnable; leur adaptation se fera au plus tôt chaque deux périodes de taxation. La valeur locative d'un logement occupé par son propriétaire correspond en principe au montant du loyer qu'il faudrait payer pour un logement de même nature dans une situation semblable. Le Service cantonal des contributions établit des tableaux indicatifs tenant compte notamment des différences locales, du genre de construction et du nombre de pièces. Ces tableaux sont fondés sur les données des loyers relevés par les taxateurs, données auxquelles il a été appliqué une réduction de 30 pour cent pour tenir compte de l'exigence légale d'une estimation "raisonnable" (décision de la Commission cantonale valaisanne de recours en matière fiscale du 24 janvier 1992, in: Revue de jurisprudence fiscale valaisanne, 1992, p. 25). Il apparaît ainsi que la valeur locative retenue par le fisc - et reprise par l'administration des prestations complémentaires pour fixer le rendement de la fortune immobilière - ne correspond pas au rendement brut de l'immeuble.
On relèvera qu'en droit fiscal valaisan le rendement brut des immeubles constitue un des éléments qui sert à estimer la taxe cadastrale des immeubles, déterminante pour la valeur fiscale imposable de ceux-ci (art. 55 de la loi fiscale). L'estimation cadastrale des immeubles est définie par le règlement du 6 février 1975 concernant les taxes cadastrales (Recueil des lois, vol. I 231). Elle correspond à la moyenne entre la valeur de rendement et la valeur vénale du bien-fonds concerné. La valeur de rendement correspond au rendement moyen brut obtenu pendant une période d'une durée déterminée, capitalisée à un taux tenant compte du loyer de l'argent et des charges annuelles et périodiques (art. 6 du règlement; voir aussi, RUSCONI, op.cit., p. 231).
BGE 126 V 252 S. 256
b) Dès lors, dans la mesure où l'
art. 3b al. 3 let. b LPC
parle de "rendement brut de l'immeuble" ("Bruttoertrag der Liegenschaft", "ricavo lordo dell'immobile", selon les versions allemande et italienne du texte légal), on ne saurait en l'occurrence se référer à la valeur locative fiscale pour fixer le montant des intérêts hypothécaires valant comme dépenses au sens de cette disposition. Les directives de l'OFAS concernant les prestations complémentaires à l'AVS et à l'AI [DPC] s'expriment du reste dans le même sens puisqu'elles établissent une nette différence entre la notion de rendement brut au sens de l'
art. 3b al. 3 let. b LPC
et celle de valeur locative à prendre en compte dans la fixation du revenu immobilier (comp. les ch. 2092 et 3005 de ces directives).
Certes, les premiers juges relèvent, à juste titre, qu'en limitant le montant des intérêts hypothécaires comme dépenses reconnues, le législateur entendait éviter les abus qui pourraient résulter d'une prise en charge par le régime des prestations complémentaires d'un endettement excessif du propriétaire (cf. le message concernant la troisième révision de la loi fédérale sur les prestations complémentaires à l'AVS/AI [3e révision PC] du 20 novembre 1996, FF 1997 I 1145 sv.). Mais il n'existe aucun risque réel d'abus à s'écarter de la valeur locative retenue par le fisc quand celle-ci est sensiblement plus faible que le rendement brut.
c) En conséquence, il convient de renvoyer la cause à l'administration pour qu'elle détermine, éventuellement en collaboration avec l'administration fiscale, le rendement brut possible de l'immeuble du recourant et qu'elle fixe ensuite à nouveau le montant des intérêts hypothécaires à considérer comme dépense reconnue.
3.
Le recourant conteste également le montant des frais de loyer retenu par la caisse. Celle-ci a tenu compte d'un montant égal à la valeur locative fixée par l'autorité fiscale (7'880 francs), à laquelle elle a ajouté un forfait pour frais accessoires incombant aux propriétaires d'immeubles (1'680 francs), conformément à l'
art. 16a al. 3 OPC-AVS/AI
, ce qui donne 9'560 francs au total. Le recourant soutient pour sa part que le loyer pour une villa du type de celle qu'il habite représente une valeur de 1'500 francs par mois environ, soit 18'000 francs par an. Aussi bien conclut-il à une déduction du loyer jusqu'à concurrence du montant maximum de 13'800 francs, valable pour les couples et les personnes qui ont des enfants ayant ou donnant droit à une rente, conformément à l'
art. 5 al. 1 let. b LPC
.
Cette conclusion n'est pas fondée.
BGE 126 V 252 S. 257
Font partie des dépenses reconnues au sens de l'
art. 3b al. 1 let. b LPC
(dans les limites fixées à l'
art. 5 al. 1 let. b LPC
) le loyer d'un appartement et les frais accessoires y relatifs. Cette disposition est aussi applicable au propriétaire qui habite son propre logement; à défaut, il en résulterait des inégalités de traitement selon que l'assuré occupe lui-même l'appartement dont il est propriétaire ou qu'il le loue à un tiers tout en logeant lui-même ailleurs. Quand l'assuré occupe l'immeuble dont il est propriétaire, la dépense admissible correspond à la valeur locative prise en compte comme produit de la fortune immobilière (RCC 1968 p. 221 consid. 3; arrêts non publiés E. du 26 avril 1999 et C. du 12 mars 1990; voir aussi ALEXANDRA RUMO-JUNGO, Bundesgesetz über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung, in: MURER/STAUFFER [Hrsg.], Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Sozialversicherungsrecht, Zürich 1994, p. 79). Cette solution est logique, car si la valeur locative fiscale est sensiblement inférieure au rendement brut présumé, le revenu de la fortune immobilière à prendre en considération dans le calcul de la prestation complémentaire s'en trouve réduit d'autant. Il s'opère par ce biais un rééquilibrage propre à garantir l'égalité de traitement entre assurés au regard des pratiques cantonales différentes quant à l'estimation des valeurs locatives fiscales.
4.
En conclusion, le recours est partiellement fondé (cf. infra consid. 2c).
(Frais et dépens) | null | nan | fr | 2,000 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
18680a21-4ae7-4f31-8cdc-2817a7495051 | Urteilskopf
80 II 228
37. Urteil der II. Zivilabteilung vom 2. Dezember 1954 i. S. Spar- und Leihkasse des Bezirkes Pfäffikon gegen Konkursmasse des Franz Keller. | Regeste
Grundpfandrecht, Erstreckung auf die Zugehör (Art. 805, 644 /5 ZGB).
Nur solche Sachen können als Zugehör gelten, die für die Bewirtschaftung oder Benützung oder Verwahrung der Hauptsache oder für die auf ihr selbst sich abspielende gewerbliche oder industrielle Tätigkeit nötig oder dienlich sind.
Wenn ein Bauunternehmer auf seinem Grundstück, wo sich sein Bureau befindet, Baugerätschaften und -materialien aufbewahrt, die anderswo für Bauarbeiten verwendet werden, so sind diese Sachen nicht Zugehör seines Grundstückes. | Sachverhalt
ab Seite 228
BGE 80 II 228 S. 228
A.-
Über Franz Keller in Bauma, der ein Baugeschäft betrieben hatte, ist der Konkurs eröffnet worden. Vorher, in den Jahren 1945-1951, hatte der Gemeinschuldner wiederholt seine Liegenschaft in Bauma der heutigen Klägerin, der Spar- und Leihkasse des Bezirkes Pfäffikon, für Konto korrentkredite verpfändet. Bei den Krediterhöhungen hatte er eine Anzahl von Maschinen und Geräten, die er für seinen Betrieb verwendete (Betonmischer, Kleinkran, Bauaufzug, Kompressor u.s.w.), als Zugehör zu der Liegenschaft im Grundbuch anmerken lassen. Diese Liegenschaft besteht aus einem Wohnhaus, in dem der Gemeinschuldner ein Bureau für kaufmännische und technische Arbeiten
BGE 80 II 228 S. 229
eingerichtet hatte, aus einem Garten, offenen und gedeckten Lagerplätzen und zwei Magazingebäuden. Hier wurden jeweilen Baumaschinen, -geräte und -materialien aufbewahrt, solange sie nicht auf den Baustellen verwendet wurden.
B.-
Im Konkurse beanspruchte die Klägerin für ihre Darlehensforderung das Pfandrecht an der Liegenschaft und an den Gegenständen, die im Grundbuch als Zugehör angemerkt worden sind. Das Konkursamt Bauma als Konkursverwaltung wies jedoch den Anspruch auf das Pfandrecht an den erwähnten als Zugehör bezeichneten Gegenständen ab; es bestritt, dass diese als Zugehör zur Liegenschaft zu betrachten seien. Die Spar- und Leihkasse Pfäffikon erhob infolgedessen gegen die Konkursmasse Klage auf Anerkennung des bestrittenen Pfandrechts.
C.-
Die II. Zivilkammer des Obergerichtes des Kantons Zürich wies die Klage durch Urteil vom 1. Juni 1954 ab.
D.-
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin die Berufung erklärt mit dem Antrag, es sei aufzuheben und die Klage gutzuheissen.
E.-
Die Beklagte hat Abweisung der Berufung und Bestätigung des obergerichtlichen Urteils beantragt.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
...
3.
Dass der Entscheid der Vorinstanz
Art. 805 ZGB
verletze, wie die Klägerin geltend macht, ist offensichtlich unrichtig. Diese Gesetzesvorschrift bestimmt nicht allgemein, unter welchen Voraussetzungen Sachen als Zugehör zu einem Grundstück zu betrachten sind. In dieser Beziehung schreibt Art. 805 in Abs. 2 lediglich vor, dass solche Sachen, die bei der Verpfändung als Zugehör ausdrücklich angeführt und im Grundbuch angemerkt werden, als Zugehör gelten, solange nicht dargetan ist, dass ihnen diese Eigenschaft nach Vorschrift des Gesetzes nicht zukommen kann. Die Vorinstanz hat nun nicht übersehen, dass die Gegenstände, auf die sich das streitige Pfandrecht
BGE 80 II 228 S. 230
bezieht, insgesamt oder teilweise bei der Verpfändung als Zugehör bezeichnet und im Grundbuch angemerkt worden sind. Aber sie hat geprüft, ob bewiesen sei, dass ihnen diese Eigenschaft nach Art. 644/5 ZGB nicht zukommen könne, und damit getan, was
Art. 805 Abs. 2 ZGB
vorsieht.
4.
Es kann sich somit nur fragen, ob, wie die Klägerin weiter behauptet, nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz die streitigen Pfandgegenstände dauernd für die Bewirtschaftung oder Benützung des Grundstücks des Gemeinschuldners bestimmt und zu diesem durch Verbindung, Anpassung oder auf andere Weise in die Beziehung gebracht sind, in der sie ihm zu dienen haben (
Art. 644, Abs. 2 ZGB
). Der Zweck der Verwahrung der Hauptsache kommt hier nicht in Frage, da das Grundstück im Gegenteil zur Verwahrung der streitigen Gegenstände dient. Anderseits ist unbestritten, dass die weitere Voraussetzung der Zugehör im Sinne des
Art. 644 Abs. 2 ZGB
, die Widmung durch den klaren Willen des Eigentümers der Hauptsache, vorliegt.
Wörtlich genommen, fehlt offenbar die wirtschaftliche Zweckbeziehung der als Pfand beanspruchten Gerätschaften und Materialien zum Grundstück des Gemeinschuldners; denn sie dienen nicht zu dessen Bewirtschaftung, sondern für ein Bauunternehmen und zwar für Bauarbeiten, die nicht auf dem Grundstück des Gemeinschuldners vor sich gehen. Lediglich der Sitz und das Bureau der Unternehmung befinden sich hier. Indem die Klägerin Gewicht darauf legt, dass die streitigen Gegenstände dem Baubetrieb des Gemeinschuldners dienten, nimmt sie den irrtümlichen Standpunkt ein, dass
Art. 644 ZGB
sich auch auf die sog. Unternehmenszugehör beziehe. Diese ist freilich dem schweizerischen Rechte nicht völlig fremd, wird aber von ihm nur in gewissen Fällen auf Grund von Sondernormen anerkannt (vgl.
Art. 676 Abs. 1 ZGB
, Art. 9 f. BG über Verpfändung und Zwangsliquidationen von Eisenbahnen und Schiffahrtsunternehmungen vom 25. September 1971).
BGE 80 II 228 S. 231
Wohl herrscht in Lehre und Rechtsprechung die Auffassung, der Begriff der Zugehör im Sinne des
Art. 644 ZGB
solle nicht zu eng umschrieben werden, da das Gesetz den Zweck verfolge, die in gewerblichen und industriellen Betriebseinrichtungen festgelegten erheblichen Vermögenswerte auf dem Wege der hypothekarischen Verpfändung ohne Gebrauchsentfremdung der Kreditwirtschaft des Eigentümers nutzbar zu machen. Danach ist es z.B. nicht erforderlich, dass die Hauptsache für sich allein, ohne die Zugehör, überhaupt nicht verwendet werden könne oder dass die Zugehör der Hauptsache als Ganzes und in allen ihren Benützungsarten diene (BGE 45 II S. 190; HAAB, Komm. z. ZGB Art. 644/5 N. 1,9). Aber unter allem Umständen können doch nur solche Sachen als Zugehör gelten, die für die Bewirtschaftung oder Benützung oder Verwahrung der Hauptsache oder für die auf ihr selbst sich abspielende gewerbliche oder industrielle Tätigkeit nötig oder dienlich sind; denn nur unter dieser Voraussetzung besteht eine Beziehung zur Eigenart der Hauptsache, die von
Art. 645 ZGB
gefordert wird, wie die Vorinstanz hervorgehoben hat (vgl. HAAB a.a.O. Art. 644/5 N. 9). Sachen, die bloss wechselseitig mit einem Grundstück zusammen einem Gewerbebetrieb dienen, aber nicht zur Verwendung auf dem Grundstück oder für dieses selbst bestimmt sind, sind nicht seine Zugehör (LEEMANN, Komm. z. ZGB, 2. Aufl., Art. 644/5 N. 8). In den Fällen, wo die Rechtsprechung für einen Gewerbebetrieb dienende Sachen als Zugehör zu einer Liegenschaft im Sinne des
Art. 644 ZGB
betrachtet hat, handelte es sich denn auch um solche Sachen, die gerade dazu bestimmt waren, die auf der Liegenschaft selbst vor sich gehende Tätigkeit zu ermöglichen oder sie zweckmässig durchzuführen oder zu ergänzen, so im Fall des Hotelmobiliars (BGE 43 II S. 599 f.), der für eine Maschinenfabrik bestimmten Maschinen (BGE 45 II S. 181 ff.), der zu einer chemischen Fabrik gehörigen Kesseleisenbahnwagen (BGE 54 II S. 115 ff.), der für eine Weinhandlung dienenden Keltereieinrichtungen (BGE 56 II
BGE 80 II 228 S. 232
S. 185 f.), der für ein Säge- und Hobelwerk bestimmten Wagen (Urteil des sol. Obergerichts vom 26. Mai 1931, Zeitschr. f. Beurkundungs- und Grundbuchrecht 16 S. 215). In keinem dieser Fälle hatte man es mit einer Liegenschaft zu tun, auf der lediglich die Leitung des Unternehmens stattfand, die hiefür nötige Bureauarbeit vor sich ging; sondern die Liegenschaft "verkörperte" in allen Fällen den Unternehmensbetrieb, wie sich die Vorinstanz ausdrückt, und die als Zugehör bezeichneten Sachen wurden mindestens zu bestimmten Zeiten auf der Liegenschaft für den Betrieb benützt oder standen doch dort dafür zur Verfügung.
5.
Freilich würde eine weitergehende Umschreibung des Zugehörbegriffs, wie sie die Klägerin vertritt, dem Kreditbedürfnis der Betriebsinhaber dienen. Aber anderseits sind die Interessen der Kreditgeber oder Dritter zu beachten. Grundsätzlich soll die Verpfändung von Fahrnis äusserlich sichtbar werden durch den Entzug des Besitzes (
Art. 884 ZGB
). Die gleiche Erkennbarkeit wird von Art. 644/5 in Verbindung mit
Art. 805 ZGB
für das Grundpfandrecht an der Zugehör insofern gefordert, als der wirtschaftliche und räumliche Zusammenhang zwischen Hauptsache und Zugehör äusserlich sichtbar sein muss. Wenn bewegliche Sachen, die einem auf einer Liegenschaft betriebenen Gewerbe dienen, mit dem Grundstück verpfändet werden sollen, muss deshalb die Dienstleistung sich gerade auf diejenige gewerbliche Tätigkeit beziehen, die auf diesem Grundstück selbst vor sich geht, von diesem "verkörpert" wird. Sonst würde ein Einbruch in den Grundsatz der Sichtbarkeit der Verpfändung vorliegen, und es wäre nicht leicht, praktisch untragbare Folgen durch Aufstellung weiterer, einfacher und klarer Merkmale zu vermeiden. Die Klägerin macht ja unter Berufung auf HAAB, Kommentar z. Sachenrecht, Einleitung N. 63, und OFTINGER, Kommentar z. Sachenrecht, 2. Aufl., Art. 884 N. 198, selbst geltend, das schweizerische Sachenrecht beruhe auf dem Publizitätsprinzip, d.h. auf dem
BGE 80 II 228 S. 233
Streben nach äusserer Erkennbarkeit der dinglichen Rechte. Dem entspricht es nicht, das Grundpfandrecht ausser an einer Liegenschaft auch an der darauf befindlichen Fahrnis zuzulassen, wenn diese zwar der auf der Liegenschaft betriebenen industriellen oder gewerblichen Unternehmung dient, aber nicht speziell demjenigen Teil des Unternehmens, der auf der Liegenschaft selbst vor sich geht. Wer einer Baufirma Kredit gibt, die Eigentümerin einer Liegenschaft ist und dort ihr Bureau hat, soll sich darauf verlassen dürfen, dass die auf der Liegenschaft befindlichen Baugerätschaften, die für anderswo vor sich gehende Bauarbeiten verwendet werden, nicht den Grundpfandgläubigern pfandrechtlich haften.
Für die Annahme des Gegenteils beruft sich die Klägerin zu Unrecht auf HAAB, a.a.O. Art. 644/5 N. 8, 9, 11. Die hier in N. 10 und 11 angeführten Beispiele von Zugehör zu einer Industrie- oder Gewerbeliegenschaft zeigen, dass der Verfasser Sachen im Auge hat, die der auf der Liegenschaft selbst durchgeführten Betriebstätigkeit dienen und dort verwendet werden oder hiefür zur Verfügung stehen, wenn auch ihr ordentlicher Standort sich ausserhalb der Liegenschaft selbst befinden kann. Bei dem dabei zitierten Entscheid des deutschen Reichsgerichts (Reichsger. in Zivils. 47 S. 197 ff.) handelt es sich um Gondeln, die der Eigentümer eines für einen Wirtschaftsbetrieb hergerichteten Grundstücks auf einem hinzugepachteten, benachbarten Teiche hielt, um Gäste in die Wirtschaft zu ziehen und festzuhalten. Das Reichsgericht hebt darin hervor, dass die Gondeln unzweifelhaft der Wirtschaft und damit dem wirtschaftlichen Zwecke des Grundstücks dienten.
6.
Im vorliegenden Falle steht nun fest, dass die Bauarbeiten, für deren Durchführung die als Zugehör zu Pfand beanspruchten Sachen verwendet wurden oder zur Verfügung standen, nicht auf dem Grundstück des Gemeinschuldners ausgeführt wurden, die genannten Sachen also nicht speziell dazu bestimmt waren, der auf diesem Grundstück vor sich gehenden Betriebstätigkeit zu dienen, hiebei
BGE 80 II 228 S. 234
verwendet zu werden. Lediglich die als Bestandteile anerkannten Gegenstände dienten zur Ausführung gewisser Vorarbeiten auf dem Grundstück. Die Klägerin behauptet nicht einmal, dass einzelne Baumaschinen des Gemeinschuldners wenigstens gelegentlich auch zu Arbeiten an Ort und Stelle gebraucht worden seien. Die streitigen, zu Pfand beanspruchten Baugeräte und -materialien befanden sich somit lediglich zur Aufbewahrung zeitweise auf dem Grundstück des Gemeinschuldners. Deshalb können sie, wie die Vorinstanz zutreffend ausgeführt hat, nach
Art. 645 ZGB
nicht als seine Zugehör gelten, obwohl das Grundstück teilweise auch dem Bauunternehmen diente. Der Vergleich, den die Klägerin mit den im Keller über den Sommer aufbewahrten Vorfenstern zieht, geht fehl; denn diese werden ja während des Winters im Hause selbst benutzt. Die Klägerin bestreitet, dass die streitigen Gegenstände sich nur zur Aufbewahrung auf dem Grundstück des Gemeinschuldners befunden hätten, indem sie darauf verweist, dass dieser hier kein Lagergeschäft betrieben habe. Dieser Einwand ist unverständlich. Es ist nicht einzusehen, wieso ein Grundeigentümer nicht auch eigene Sachen auf seinem Grundstück verwahren könnte, ohne sie hier für seine Lebensbedürfnisse oder für einen Geschäftsbetrieb zu benutzen. Die Aufbewahrung im Sinne des
Art. 645 ZGB
setzt keineswegs voraus, dass es sich um einen Hinterlegungsvertrag handle.
Die Vorinstanz hat also mit Recht entschieden, dass die streitigen Gegenstände nicht Zugehör des Grundstückes des Gemeinschuldners seien und daher nicht vom Grundpfandrecht an dieser Liegenschaft erfasst würden.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil der II. Zivilkammer des Obergerichts des Kantons Zürich vom 1. Juni 1954 bestätigt. | public_law | nan | de | 1,954 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
186901fd-7dfa-4fdb-ab4f-995cdd83f319 | Urteilskopf
94 IV 137
37. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 16. Dezember 1968 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn gegen Frey. | Regeste
Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB
.
a) Der Veruntreuung macht sich auch der Arbeitgeber schuldig, der Lohnabzüge nicht bestimmungsgemäss im Interesse des Arbeitnehmers verwendet.
b) Das Tatbestandsmerkmal des Anvertrautseins setzt nicht Übergabe der Sache voraus. | Sachverhalt
ab Seite 137
BGE 94 IV 137 S. 137
A.-
Die Kommanditgesellschaft Alois Frey & Co., Metallgiesserei in Nuglar, deren unbeschränkt haftender Gesellschafter und Geschäftsführer Alois Frey war, kaufte für ihre Arbeiter Renato und Michele Protano einen Personenwagen Fiat, damit sie von ihrem Wohnort an den Arbeitsplatz in Nuglar fahren konnten. Es wurde vereinbart, dass das Auto an dem Tag in das Eigentum der beiden Arbeitnehmer übergehen solle, an dem sie den Kaufpreis vollständig bezahlt hätten. Sie tilgten ihre Schuld gegenüber der Firma Frey dadurch, dass sie sich alle 14 Tage je Fr. 100.-- am Zahltag abziehen liessen. Die Firma Frey sollte ihrerseits entsprechende Zahlungen an die Basellandschaftliche Kantonalbank leisten, welche den Autokauf finanziert hatte. Diese Transaktion wickelte sich so ab, dass die Firma Frey jeweils von ihrem Bankkonto nur die zur Auszahlung der Nettolöhne benötigten Gelder abhob. Aus dem verbleibenden
BGE 94 IV 137 S. 138
Guthaben zahlte sie andere Verpflichtungen, darunter auch die Raten aus ihrem Autokauf. Die Firma nahm Lohnabzüge von insgesamt Fr. 4500.-- vor. Der Verpflichtung zur Weiterleitung der Abzüge an die Kantonalbank kam sie aber nur bis zum Betrag von Fr. 3600.-- nach. Der Rest des Kaufpreises wurde schliesslich durch Dritte getilgt.
B.-
Am 19./20./21. Dezember 1967 wurde Alois Frey vom Obergericht des Kantons Solothurn wegen anderer Straftaten verurteilt, hinsichtlich des vorliegenden Sachverhalts jedoch von der Anklage der Veruntreuung freigesprochen. Er habe zwar zivilrecht11ch unrechtmässig gehandelt, sich aber nicht der Veruntreuung schuldig gemacht, da ihm das Geld nicht anvertraut worden sei.
C.-
Die Staatsanwaltschaft führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das obergerichtliche Urteil inbezug auf diesen Freispruch aufzuheben und die Sache zur Verurteilung wegen Veruntreuung ev. Betrugs an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Frey beantragt Abweisung der Beschwerde.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
Gemäss
Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB
ist strafbar, wer anvertrautes Gut, namentlich Geld, unrechtmässig in seinem oder eines andern Nutzen verwendet.
a) Durch diese Bestimmung ist der Tatbestand der Veruntreuung im Sinne der wirtschaftlichen Betrachtungsweise erweitert worden. Geschützt sind wirtschaftlich fremde Sachen, die wie die zivilrechtlich fremden Sachen im Gewahrsam des Täters der rechtswidrigen Verfügung ausgesetzt sind, wenn sie sich in der tatsächlichen Verfügungsgewalt des Täters befinden. Wirtschaftlich ist es dasselbe, ob der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer den ganzen Lohn bar ausbezahlt und dann einen Teil wieder zurückerhält mit dem Auftrag, für den Arbeitnehmer eine Zahlung vorzunehmen, oder ob er den Betrag vom Lohn abzieht und die Zahlung direkt vornimmt. Wie im Fall Nehmad (
BGE 87 IV 115
) wäre dem Sinn des Gesetzes nicht Genüge getan, wenn der Täter im einen Fall bestraft würde, im andern nicht; zumal der bargeldlose Zahlungsverkehr nicht nur allgemein in der Wirtschaft grosse Bedeutung erlangt hat, sondern auch die Lohnzahlungen in zunehmendem Masse ganz oder zum Teil bargeldlos vorgenommen werden und die Arbeitgeber immer häufiger Zahlungsaufträge der Arbeitnehmer durch
BGE 94 IV 137 S. 139
Lohnabzug und direkte Überweisung ausführen. Gleich verhält es sich im übrigen, wenn der Lohnabzug nicht auf Vertrag sondern auf Gesetz beruht, insbesondere der Sozialversicherungs-Gesetzgebung; auch hier macht sich der Arbeitgeber der Veruntreuung schuldig, wenn er das Geld unrechtmässig verwendet und es ihm anvertraut war (vgl.
BGE 80 IV 188
,
BGE 82 IV 137
f.).
b) Verletzung einer vertraglichen oder gesetzlichen Ablieferungspflicht allein ist nicht Veruntreuung; der Vermögenswert muss auch in diesem Falle dem Täter "anvertraut" sein (
BGE 80 IV 55
). Anvertraut im Sinn von Art. 140 Ziff. 1 ist, was dem Täter übergeben oder überlassen wird, damit er es in bestimmter Weise im Interesse eines andern verwende, insbesondere es verwahre, verwalte, weitergebe und dergleichen (
BGE 80 IV 55
, 153,
BGE 88 IV 18
). Von wem der Täter die Sache erhält, ob vom Verletzten oder von einem Dritten, ist belanglos (
BGE 70 IV 73
,
BGE 75 IV 15
). Sie kann sich auch bereits bei ihm befinden (vgl.
BGE 88 IV 18
). Dass der Ausdruck "anvertraut" besage, die Sache müsse dem Täter von jemandem ausgehändigt worden sein, wie das in einem Teil der Literatur, freilich ohne weitere Begründung, vertreten wird, ist nicht einzusehen. Das Wort "anvertraut" ("confié", "affidato") bestimmt mit aller wünschbaren Deutlichkeit, dass der Täter zum Verletzten in bezug auf die Sache in einem Vertrauensverhältnis stehen muss. Darüber aber, wie er die Verfügungsgewalt über die Sache erlangt, ist ihm nichts zu entnehmen. Es genügt, dass er sie hat; ob aufgrund einer Übergabe oder nicht, ist gleichgültig. Entscheidend ist, dass ein Vertrauensverhältnis besteht; das heisst im Falle des Lohnabzuges, dass der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber den abgezogenen Betrag zum Zweck der Weitergabe an eine bestimmte (natürliche oder juristische) Person und im Vertrauen darauf, dass er ihn bestimmungsgemäss verwende, belässt. Mit der Vornahme des vereinbarten Lohnabzugs zur Verwendung im Interesse des Arbeitnehmers wird der abgezogene Betrag zum wirtschaftlich fremden und damit anvertrauten Bestandteil des Vermögens des Arbeitgebers, unabhängig auch davon, ob dieser ihn speziell ausscheidet oder nicht.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen. | null | nan | de | 1,968 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
18692fdb-a2ef-421f-aca4-570b133c2a1e | Urteilskopf
110 IV 20
9. Arrêt de la Cour de cassation pénale du 28 septembre 1984 dans la cause M. c. Ministère public du canton de Vaud (pourvoi en nullité) | Regeste
Art. 148 StGB
; missbräuchliche Verwendung einer Kreditkarte; arglistige Täuschung.
Wer in Kenntnis seiner Zahlungsunfähigkeit seine Kreditkarte behält und weiterhin davon Gebrauch macht, begeht allein deshalb - trotz des dem Kreditinstitut zugefügten Schadens - noch keine arglistige Täuschung im Sinne von
Art. 148 StGB
. | Sachverhalt
ab Seite 20
BGE 110 IV 20 S. 20
A.-
M. est descendu le 15 octobre 1982 en compagnie de sa maîtresse à l'hôtel Continental à Lausanne, il a payé la note au moyen d'une carte de crédit du Diner's club. Se renseignant le lendemain, l'hôtelier a appris qu'il n'honorait plus ses factures et
BGE 110 IV 20 S. 21
que, notamment, il n'avait pas réglé les relevés mensuels du Diner's club depuis trois mois.
M. en effet avait cessé toute activité à la suite d'une fracture et n'avait pas repris son travail d'appareilleur après son rétablissement au début d'octobre 1982. Il dépensait passablement d'argent pour vivre avec sa maîtresse. A court de liquidités, après avoir encaissé une assurance-vie et vendu sa voiture, il utilisait sa carte de crédit, seul moyen pour lui de faire face à sa situation matérielle. Il avait reçu une mise en garde du Diner's club et il savait, lorsqu'il utilisait sa carte, qu'il n'était pas en mesure d'honorer les relevés.
A fin janvier 1983, il avait pour 8'000 à 9'000 francs de dettes, dont environ 3'000 francs envers le Diner's club. Cette dernière dette a été remboursée depuis lors.
B.-
Dénoncé à la police de sûreté, M. a été condamné, le 14 septembre 1983, par le Tribunal de police du district de Lausanne, à un peine ferme de deux mois d'emprisonnement pour escroquerie.
Les recours en nullité et en réforme qu'il avait déposés auprès de la Cour de cassation du Tribunal cantonal vaudois ayant été rejetés le 12 décembre 1983, M. se pourvoit en nullité auprès de la Cour de cassation du Tribunal fédéral; il conclut à l'annulation de l'arrêt cantonal et demande à bénéficier de l'effet suspensif.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
Le recourant se plaint de la violation de l'
art. 148 CP
; il soutient que, vu la nature de la carte de crédit dont il disposait, il n'a pas induit astucieusement une personne en erreur par des affirmations fallacieuses et n'a partant pas déterminé cette personne à des actes préjudiciables à ses intérêts. Il reproche aux autorités cantonales leur tendance, manifestée dans la décision attaquée, à étendre abusivement la protection du droit pénal à tous les systèmes qui encouragent les dépenses excessives ou prématurées, comme, selon lui, la carte de crédit. Faisant état d'un domicile fixe, et d'un salaire régulier, il affirme qu'il ne fait pas courir davantage de risques à un organisme de crédit que celui qui emprunte en recourant au petit crédit. L'
art. 148 CP
, selon lui, ne serait en aucun cas applicable à celui qui, bénéficiant d'un système de crédit quelconque, se trouve avoir dépassé la limite du crédit qui lui aurait été octroyée. Il affirme aussi qu'il n'avait pas l'intention,
BGE 110 IV 20 S. 22
ni d'ailleurs la possibilité, de se soustraire au paiement de son dû.
2.
Il importe de rappeler que le Tribunal fédéral est lié par les considérations de fait de l'autorité cantonale (art. 273 al. 1 lettre b et 277 bis al. 1 PPF). Font précisément partie des faits l'intention de même que la conscience et la volonté de l'auteur (
ATF 107 IV 30
consid. 2a,
ATF 106 IV 114
,
ATF 105 IV 246
consid. 2c et jurisprudence citée). Le recourant ne saurait dès lors remettre en cause de telles constatations, parmi lesquelles on relève qu'il savait, lorsqu'il utilisait sa carte, qu'il n'était pas en mesure d'honorer les relevés et qu'il a utilisé sa carte pour la seule raison que, n'ayant plus d'argent et plus aucun revenu, c'était pour lui la dernière possibilité de faire face à ses besoins matériels d'ailleurs fortement accrus par les dépenses extraordinaires qu'il était amené à faire en faveur de sa maîtresse. De même, il est admis en fait que le recourant s'était abstenu volontairement de faire part de sa situation nouvelle au Diner's club, comme il aurait dû le faire en vertu des conditions générales d'octroi de la carte de crédit.
3.
Le système de remboursement utilisé dans la carte de crédit en cause consiste dans les facilités de remboursement échelonnées dans le temps accordées aux bénéficiaires dans les limites d'un découvert préalablement déterminé et reconstitué au fur et à mesure des paiements selon un système "revolving". En d'autres termes l'émetteur (en l'occurrence Diner's club) accorde à l'adhérent (le recourant) la possibilité de lui rembourser de manière échelonnée les sommes qu'il a payées au fournisseur (en l'occurrence l'hôtel Continental), et cela dans la limite d'un découvert convenu qui se renouvelle automatiquement au fur et à mesure des remboursements. En pratique, et en ce qui concerne toujours la carte Diner's club, il est prescrit dans les conditions générales, qu'au lieu d'avoir affaire à une limite de découvert convenue, l'hôtelier, au cas où les dépenses de l'adhérent dépassent une certaine somme, est tenu d'aviser l'émetteur dans les 24 heures suivant le départ de l'adhérent. Dans ce cas, il n'y a pas d'examen de la liste de blocage, l'émetteur assumant le risque vis-à-vis de l'adhérent et vis-à-vis du fournisseur, à moins que ce dernier n'ait dû avoir des soupçons en ce qui concerne les possibilités de remboursement (cf. ALFRED KELLER, Kreditkarten, 1981, p. 43). La facture constatant la transaction (appelée en pratique "billing form") et sur laquelle sont reproduites les mentions de la carte, est adressée par le fournisseur à l'émetteur qui paie le fournisseur affilié et se retourne ensuite vers l'adhérent pour le remboursement.
BGE 110 IV 20 S. 23
Cette facture portant les mentions précitées et la signature de l'adhérent constitue une reconnaissance de dette de l'adhérent à l'encontre de l'émetteur (voir KELLER, op.cit., pp. 238/239, n. 94, et Neue Juristische Wochenschrift 1983/36 vol. I. p. 1289). Il s'agit d'une institution apparentée à l'assignation (
art. 466 ss CO
).
4.
La seule question qui se pose en l'espèce, dans le cadre de l'application de l'
art. 148 CP
pour sanctionner l'indélicatesse du recourant, est celle de savoir s'il a commis une tromperie astucieuse.
Il y a astuce, au sens de la jurisprudence (
ATF 107 IV 170
,
ATF 100 IV 274
,
ATF 99 IV 75
), lorsque l'auteur dissuade sa victime de contrôler l'exactitude de ses affirmations ou s'il prévoit qu'en raison des circonstances, sa victime s'abstiendra d'un tel contrôle ou encore lorsqu'un tel contrôle ne pourrait se faire sans grande peine, ainsi qu'en cas de mise en scène, de manoeuvres frauduleuses ou d'un échafaudage de mensonges. Le fait de se taire peut constituer la tromperie astucieuse constitutive d'escroquerie lorsqu'il existe un devoir de renseigner, comme par exemple dans le cas où, peut-être involontairement, l'auteur ou son complice est à l'origine de l'erreur qui déterminera la victime aux actes préjudiciables à ses intérêts, qu'il prend conscience de celle-ci et qu'il lui est encore possible de la dissiper avant que le dommage ne survienne. En revanche, il n'existe pas d'obligation générale du débiteur d'exposer sa propre situation financière (GERMANN, Das Verbrechen im neuen Strafrecht, Zurich 1942 p. 275 ss). D'une manière générale, il y a lieu de se fonder sur le principe de la bonne foi (ARDINAY, Der Betrug nach dem schweizerischen Strafgesetzbuch in RPS 1970 p. 235, STRATENWERTH, Bes. Teil I 3e éd., p. 237).
In casu, on ne saurait reprocher au recourant d'avoir trompé l'hôtelier, puisque celui-ci n'aurait subi aucun préjudice s'il s'était conformé aux instructions figurant sur la facture constatant la transaction. Or il n'est ni établi, ni même soutenu, que l'hôtelier aurait été détourné par le recourant de se conformer à ces prescriptions. En revanche, il n'est pas douteux que le recourant a trahi la confiance mise en lui par le Diner's club; mais on ne saurait dire qu'il a bénéficié d'une erreur dans laquelle celui-ci se serait trouvé quant à sa capacité de paiement, puisque précisément il avait été mis en garde pour les retards qu'il accumulait depuis trois mois dans le remboursement de son découvert. Il n'est d'ailleurs pas reproché au recourant d'avoir manoeuvré d'une manière quelconque pour conserver sa carte de crédit et sa qualité d'adhérent et,
BGE 110 IV 20 S. 24
s'il est constaté en fait qu'il se savait hors d'état d'honorer ses engagements, il ne lui est pas fait grief d'avoir considéré que cette situation était définitive ni d'avoir décidé qu'il ne paierait jamais sa dette. Il a d'ailleurs remboursé Diner's club par la suite.
Pour pouvoir condamner le recourant, il faudrait donc admettre que celui qui se trouve lié par un contrat doit aviser l'autre partie d'une aggravation même passagère de sa situation financière, avant d'accepter d'elle une prestation dont il n'a pas déjà fourni la contre-partie, ou simplement pour pouvoir continuer à bénéficier d'une prestation dont la contre-partie est périodique (en cas de location mobilière ou immobilière, de contrat de travail par exemple). Cela conduirait à sanctionner pénalement la plupart des contrats, alors que précisément le législateur n'a voulu réprimer que les malhonnêtetés d'une gravité particulière en raison de l'astuce dont fait preuve l'auteur pour tromper sa victime (cf. notamment
ATF 99 IV 76
et citations).
Le recourant n'ayant pas fait preuve d'astuce par des affirmations fallacieuses ni par l'exploitation de l'erreur d'autrui qu'il aurait connue ou provoquée même involontairement, il doit être libéré de l'accusation d'escroquerie pour l'usage abusif qu'il a fait de sa carte du Diner's club.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral:
Admet le pourvoi dans la mesure où il est recevable, annule l'arrêt attaqué et renvoie la cause à l'autorité cantonale pour qu'elle libère le recourant. | null | nan | fr | 1,984 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
186b2fcd-a4fe-4463-90c0-493a13f1545d | Urteilskopf
113 II 270
49. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 5. August 1987 i.S. Frau A. gegen B. und C. (Berufung) | Regeste
Einfache Gesellschaft. Rechtsnatur einer Abfindungsklausel. Formmangel.
1.
Art. 245 Abs. 2 OR
. Gegenseitig bedingte Zuwendungen sind unbekümmert um ihren aleatorischen Charakter auch in der einfachen Gesellschaft als letztwillige Verfügungen zu betrachten, wenn sie nur für den Fall vereinbart werden, dass ein Gesellschafter durch Tod ausscheidet (E. 2).
2. Art. 520 Abs. 1 und 521 Abs. 1 ZGB. Folgen des Formmangels. Klage auf Ungültigerklärung der Abfindungsklausel. Umstände, unter denen eine Verjährung zu verneinen ist (E. 3). | Sachverhalt
ab Seite 270
BGE 113 II 270 S. 270
A.-
Durch Vertrag vom 12. Januar 1956 schlossen sich A., B. und die Firma R. & Co. zu einer einfachen Gesellschaft zusammen, die eine im Eigentum des A. stehende Parzelle von 63 389 m2 erwerben, erschliessen, verwalten und veräussern sollte. Der Vertrag wurde für 25 Jahre, d.h. bis Ende 1980 fest abgeschlossen; alsdann konnte er auf Ende eines Kalenderjahres gekündigt werden. Für eine allfällige Auseinandersetzung sollte der Marktwert des Landes massgebend sein (Ziffer 15 des Vertrages).
Gemäss Nachtrag vom 25. Mai 1959 vereinbarten die Gesellschafter in einer neuen Ziffer 16 des Vertrages, dass die Gesellschaft unter den verbleibenden Gesellschaftern fortgesetzt werde, falls die Firma R. & Co. aufgelöst oder liquidiert werden oder einer der beiden anderen während der Dauer des Vertrages sterben sollte. "Das Beteiligungskonto des ausscheidenden Gesellschafters" war diesfalls auf den
BGE 113 II 270 S. 271
nächstfolgenden 31. Dezember abzuschliessen und das Saldoguthaben des Kontos, das den Erben des Verstorbenen zustand, bis zur Liquidation der Gesellschaft zu stunden und entsprechend den Einlagen der verbleibenden Gesellschafter jährlich mit 4 1/2% zu verzinsen.
Im August 1971 schied die Firma R. & Co. aus der Gesellschaft aus; an ihre Stelle trat C. Die Abfindungsklausel fand keine Anwendung. Am 10. Dezember 1978 starb A. und hinterliess einzig seine Frau als Erbin.
B.-
Am 30. Januar 1981 klagte Frau A. gegen B. und C. auf Zahlung einer Abfindungssumme, die sie nach dem Marktwert des Gesellschaftsvermögens berechnet wissen wollte und einstweilen auf zwei Millionen Franken festsetzte; sie verlangte ferner Zinsen. Die Beklagten widersetzten sich diesen Begehren.
Das Bezirksgericht Wil verurteilte die Beklagten zur Zahlung von Fr. 216'383.15 nebst 5% Zins seit 1. Januar 1982. Auf Appellation der Klägerin erhöhte das Kantonsgericht St. Gallen diesen Betrag am 23. Oktober 1986 auf Fr. 1'924'253.40. Es fand, dass die Klägerin nach Ziffer 16 des Vertrages einen Anspruch auf das buchmässige Beteiligungskonto ihres Mannes habe; es erachtete diese Klausel jedoch als eine Verfügung von Todes wegen, die zu Recht wegen Formwidrigkeit angefochten werde.
C.-
Gegen das Urteil des Kantonsgerichts haben beide Parteien Berufung eingelegt. Das Bundesgericht weist diese ab und bestätigt das angefochtene Urteil.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
(1.- Ausführungen darüber, dass mit dem "Beteiligungskonto des ausscheidenden Gesellschafters" im Sinne von Ziffer 16 des Vertrages der Kapitalanteil des Verstorbenen am Gesellschaftsvermögen gemeint war.)
2.
Eine andere Frage ist, ob in der streitigen Klausel ein Rechtsgeschäft unter Lebenden oder eine Verfügung von Todes wegen zu erblicken ist.
a) Als Verfügung von Todes wegen lässt sich die Klausel zum vornherein nur bezeichnen, wenn sie eine unentgeltliche Zuwendung, eine Schenkung auf den Todesfall (
Art. 245 Abs. 2 OR
) enthält, die Zuweisung des Betrages sich also nicht als Gegenleistung, sondern als reine Liberalität erweist. Der Unterschied zwischen dem Vermögens- und dem Kapitalanteil der Gesellschafter
BGE 113 II 270 S. 272
steht einer solchen Annahme nicht im Wege; Zweifel ergeben sich dagegen aus dem aleatorischen Charakter der Klausel, weil die Zuweisung so oder anders vom Überleben abhing, zur Zeit des Vertragsschlusses aber die Reihenfolge des Ausscheidens, folglich auch ungewiss war, wer den Geldbetrag letztlich erhalten werde.
In einer Steuersache hat das Bundesgericht 1972 gestützt auf schweizerisches und deutsches Schrifttum entschieden, dass der aleatorische Charakter einer Abfindungsklausel die Annahme einer Schenkung ausschliesse (
BGE 98 Ia 263
E. 3 mit Zitaten). In einer zivilrechtlichen Streitigkeit hat es dagegen 1976 die vertragliche Zuweisung des gesamten Vorschlages an den überlebenden Ehegatten gemäss
Art. 214 Abs. 3 ZGB
als reine Liberalität bezeichnet (
BGE 102 II 324
E. 3b). Diese Rechtsprechung ist in
BGE 106 II 276
E. 2 ausdrücklich bestätigt und in der Lehre mit einem Vorbehalt, der das Postulat der Rechtssicherheit betrifft, mehrheitlich gebilligt worden (PIOTET, in JdT 125/1977 I 146 ff. und in ZBGR 59/1978 S. 1 ff.; HAUSHEER, in ZBJV 114/1978 S. 178 ff.; kritisch dagegen HORST A. KAUFMANN, Die Vorschlagszuweisung an den überlebenden Ehegatten, Heft 472 der Abhandlungen zum schweiz. Recht, Bern 1981, S. 79 ff.). Es liegt indes auf der Hand, dass auch solche Zuwendungen aleatorischen Charakter haben, weil die Zuweisung an den einen oder andern Ehegatten jedenfalls dann, wenn diese ungefähr gleich alt sind, vom Zufall abhängt.
Gegenseitig bedingte Zuwendungen mit aleatorischem Charakter nach Güterrecht und nach Gesellschaftsrecht verschieden zu behandeln, rechtfertigt sich nicht, da nicht zu ersehen ist, warum ihr Charakter die Annahme einer Liberalität im einen Bereich erlauben, im andern dagegen verbieten sollte. Wenn es an einer Gegenleistung fehlt, müssen sie nach der neuern Rechtsprechung zu
Art. 214 Abs. 3 ZGB
vielmehr in einer gesellschaftsrechtlichen Auseinandersetzung ebenfalls als unentgeltlich angesehen werden. Dafür spricht hier auch, dass im Mai 1959, als insbesondere Ziffer 16 des Vertrages abgeändert wurde, einer der Gesellschafter selbst eine Personengesellschaft war und die Abfindungsklausel ihr gegenüber nur anwendbar sein sollte, wenn sie selbst aufgelöst und liquidiert wurde. Dadurch wurde die Gleichartigkeit der Bedingung durchbrochen, dem Zufall folglich noch mehr Raum gewährt.
b) Fragen kann sich daher bloss, ob die unentgeltliche Zuwendung gemäss Ziffer 16 des Vertrages als Rechtsgeschäft unter Lebenden oder als Verfügung von Todes wegen zu bezeichnen ist.
BGE 113 II 270 S. 273
Bei der Abgrenzung solcher Rechtsgeschäfte pflegt das Bundesgericht in Anlehnung an TUOR (N. 3a der Einleitung zum 14. Titel) vor allem auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem das streitige Geschäft seine Wirkungen entfalten soll (
BGE 110 II 157
,
BGE 99 II 268
,
BGE 93 II 226
E. 1). Rechtsgeschäfte unter Lebenden begründen schon vor dem Tod des Verpflichteten rechtliche Bindungen; bei letztwilligen Verfügungen entstehen die Verpflichtungen grundsätzlich aber erst mit dem Tod des Erblassers. Es lässt sich deshalb auch einfach sagen, dass Rechtsgeschäfte unter Lebenden das Vermögen des Verpflichteten, Verfügungen von Todes wegen hingegen dessen Nachlass betreffen. Ob beim zweiseitigen Rechtsgeschäft die Wirkungen sich auf das Vermögen oder den Nachlass beziehen, hängt vom Willen der Parteien ab.
Im Urteil 102 II 313 ff. hat das Bundesgericht die Zuweisung des gesamten Vorschlags an den überlebenden Ehegatten gemäss
Art. 214 Abs. 3 ZGB
als Schenkung auf den Todesfall gewertet und deshalb dem materiellen Erbrecht unterstellt. Das gleiche muss für die Abfindungsklausel in einem Gesellschaftsvertrag gelten, wenn sie wie hier mit einer Überlebensklausel gekoppelt, d.h. auf den Fall beschränkt ist, dass ein Gesellschafter zufolge Todes ausscheidet. Dies ist auch die Auffassung der herrschenden Lehre (VON GREYERZ, a.a.O. S. 87/88; HAUSHEER, Erbrechtliche Probleme des Unternehmers, S. 118/19; HAUSHEER in ZBGR 52/1971 S. 269 ff. und in ZBJV 114/1978 S. 181; PIOTET, in Schweiz. Privatrecht (SPR) IV/1 S. 179 ff.). Entscheidend dafür ist vorliegend, dass die Abfindungsklausel nur für das Ausscheiden eines Gesellschafters durch Tod vereinbart und die Liquidation der R. & Co. dieser Möglichkeit gleichgestellt wurde, das Ausscheiden eines Gesellschafters zu dessen Lebzeiten dagegen andern Regeln unterstand, da diesfalls jeder Gesellschafter gemäss Ziffer 15 des Vertrages Anspruch auf den vollen Vermögensanteil hatte.
3.
Als letztwillige Verfügung bedurfte die streitige Klausel zu ihrer Gültigkeit der vorgeschriebenen Form (
Art. 498 ff. ZGB
), die mit der einfachen Schriftlichkeit des Vertrages, was unbestritten ist, nicht eingehalten wurde. Nach Auffassung der Klägerin liegt deshalb eine formungültige Verfügung vor, die zum vornherein unbeachtlich sei.
a) Dem kann nicht gefolgt werden. Gewiss werden formgebundene Rechtsgeschäfte nach den allgemeinen Grundsätzen des Zivilrechts schon dadurch nichtig, dass die für sie vorgesehenen
BGE 113 II 270 S. 274
Formvorschriften nicht eingehalten werden (
BGE 112 II 332
E. 1 mit Hinweisen). Bei letztwilligen Verfügungen geht das Gesetz indes von der Vermutung aus, dass sie an sich gültig und wegen eines Formmangels nur dann unwirksam sind, wenn ihre Ungültigkeit auf Klage hin festgestellt wird (
Art. 520 Abs. 1 ZGB
). Auf den Nachlass bezogene Willenserklärungen sind wegen Formwidrigkeit daher bloss anfechtbar, aber nicht zum vornherein nichtig, sofern der Verpflichtungswille des Erblassers wie hier zu bejahen ist. In der Lehre ist denn auch nur bei fehlenden Willenserklärungen oder qualifizierten inhaltlichen Rechtswidrigkeiten von nichtigen Verfügungen die Rede, nicht aber wenn ein blosser Formmangel vorliegt (TUOR N. 3 und ESCHER N. 1 zu
Art. 520 ZGB
; PIOTET, SPR IV/1 S. 268/69).
Die Form der Klage auf Ungültigerklärung einer letztwilligen Verfügung, die an einem Formmangel leidet, richtet sich nach kantonalem Recht (TUOR, N. 7 zu
Art. 519 ZGB
). Bundesrechtlich genügt, dass der Kläger sich in prozessualer Weise auf die Ungültigkeit beruft, die Anfechtung sich wenigstens aus dem Inhalt der Klage oder einer andern Rechtsschrift ergibt, der kantonale Richter sich mit dem Einwand der Ungültigkeit materiell auseinandersetzt und, falls er ihn bejaht, auf Ungültigkeit der Verfügung erkennt. Das heisst nicht, dass dies in einem Gestaltungs- oder Feststellungsurteil geschehen müsse. Der Einwand kann selbst im Rahmen eines Forderungsprozesses beurteilt werden; das leuchtet namentlich dann ein, wenn erbrechtliche und gesellschaftsrechtliche Fragen, die miteinander zusammenhängen, sich gleichzeitig stellen (vgl.
BGE 73 II 10
ff. E. 4 und 6).
Die Klage verjährt in einem Jahr gerechnet von dem Tage an, an dem der Kläger vom Ungültigkeitsgrund Kenntnis erhält, jedenfalls aber mit dem Ablauf von zehn Jahren seit Eröffnung der letztwilligen Verfügung (
Art. 521 Abs. 1 ZGB
). Blosse Vermutungen oder ein Verdacht reichen für den Beginn der einjährigen Anfechtungsfrist sowenig aus wie der Umstand, dass der Kläger den Ungültigkeitsgrund früher hätte erkennen müssen; er muss vielmehr sichere Kenntnis davon haben, dass eine Verfügung von Todes wegen vorliegt und die Verfügung mangels der vorgeschriebenen Form ungültig ist (
BGE 91 II 333
; TUOR N. 4 und ESCHER N. 2 zu
Art. 521 ZGB
; PIOTET, SPR IV/1 S. 277; RASCHEIN, Die Ungültigkeit der Verfügungen von Todes wegen, S. 73; W. MÜLLER-HELLBACH, Die Verjährung der erbrechtlichen Klagen, S. 80 f.).
BGE 113 II 270 S. 275
b) Diese Gewissheit erlangte die Klägerin erst, als die im kantonalen Appellationsverfahren eingeholte Expertise vom 28. Juni 1985 vorlag und feststand, dass der wirkliche Wert des Gesellschaftsanteils des A. erheblich über dem Buchwert seines Beteiligungskontos lag. Entgegen der Annahme des Bezirksgerichts liess sich deshalb nicht sagen, die Klägerin habe die streitige Klausel jedenfalls nicht innert Jahresfrist ab Kenntnis des Formmangels mit der Ungültigkeitsklage angefochten, weshalb offenbleiben könne, ob eine formungültige Verfügung auf den Todesfall vorliege, wie die Klägerin vorbringen lasse. Ebensowenig trifft zu, dass sie sich wegen Verkennung der Rechtslage erst nachträglich und nur einredeweise auf Ungültigkeit der Verfügung berufen habe, wie das Kantonsgericht anzunehmen scheint. Richtig ist vielmehr, dass die Klägerin sich schon im erstinstanzlichen Verfahren auf den Standpunkt gestellt hat, es liege eine formungültige Verfügung von Todes wegen vor, dass sie aber einen Betrag eingeklagt hat, der erst noch durch das Beweisverfahren zu ermitteln war. Sie hat somit auf Ungültigkeit der Klausel wegen Formwidrigkeit geklagt, bevor die Anfechtungsfrist des
Art. 521 Abs. 1 ZGB
überhaupt zu laufen begann. | public_law | nan | de | 1,987 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
186c0f59-9542-4768-a75b-89c736c9c667 | Urteilskopf
96 II 446
58. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour civile du 8 décembre 1970 dans la cause Beureux contre Union Suisse, compagnie d'assurances. | Regeste
Zinsfuss für die Kapitalisierung von Renten.
Dieser Zinsfuss ist trotz steigenden Geldzinsen und sinkendem Geldwert bei 3 1/2% zu belassen (Bestätigung der Rechtsprechung). | Erwägungen
ab Seite 446
BGE 96 II 446 S. 446
6.
...
d) Les Tables de STAUFFER et SCHAETZLE utilisent, pour la capitalisation, un taux de 3 1/2%. Le recourant soutient que ce taux devrait être réduit à 2 1/2%, tandis que l'intimée voudrait qu'on l'augmente jusqu'à concurrence de 4%.
C'est par son arrêt Wiederkehr, du 12 février 1946 (RO 72 II 134 consid. 4), que le Tribunal fédéral a fixé à 3 1/2% le taux qu'il entendait pratiquer pour la capitalisation des rentes; il ne s'en est pas départi depuis lors et il n'a point de raison de le faire aujourd'hui.
Le capital servi en lieu et place d'une rente d'invalidité est, comme celle-ci, fixé une fois pour toutes en considération d'un état qui doit, en général et selon les prévisions normales, se prolonger pendant une longue période (RO 65 II 256 lit. b). Ce n'est donc pas la situation momentanée du marché de l'argent qui est déterminante, mais son évolution probable à longue échéance.
Depuis quelques années, le loyer de l'argent a beaucoup augmenté en Suisse. Ce n'est toutefois qu'un phénomène relativement récent et qui, depuis un certain temps déjà, ne paraît pas avoir tendance à s'amplifier sensiblement. L'évolution subséquente est difficile à prévoir, de sorte que le mouvement
BGE 96 II 446 S. 447
relevé n'est, actuellement tout au moins, pas décisif et ne justifie pas une augmentation du taux de capitalisation.
Le recourant estime qu'il y aurait lieu, au contraire, de réduire ce taux parce que la valeur de l'argent baisse constamment. Le fait est notoire; son ampleur, sous réserve de variations momentanées, ne paraît pas s'atténuer. Néanmoins, le Tribunal fédéral a, jusqu'ici, refusé d'en tenir compte dans la capitalisation des rentes (arrêts Charrière c. Schwind, Ire Cour civile, 7 février 1956 et Sedleger et cons. c. Schnyder, IIe Cour civile, 27 février 1958). La doctrine est également négative (PICCARD, Kapitalisierung, éd. allemande 1956, p. 1 lo; HENGGELER, RDS 56, p. 180 a); STAUFFER et SCHAETZLE, 3e éd., p. 89 ss.).
Le Tribunal fédéral n'entend pas introduire, aujourd'hui, dans la capitalisation d'une rente, un élément qui s'imposerait ensuite pour les dettes à long terme également et dont les conséquences seraient incalculables, car il tendrait à l'indexation générale des dettes d'argent. Du reste, l'attribution d'un capital au lieu d'une rente procure au bénéficiaire des avantages qui compensent une dépréciation de la monnaie; ce capital, notamment, n'est pas soumis aux aléas auxquels est exposée la capacité de travail qu'il doit remplacer. La compensation se fait aussi, depuis quelques années et pour le moment tout au moins, par l'augmentation du taux de l'intérêt. | public_law | nan | fr | 1,970 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
186f8199-9639-4313-b4bb-0401ce2668e0 | Urteilskopf
85 IV 35
10. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 12. Februar 1959 i.S. Briner gegen Polizeirichteramt der Stadt Zürich. | Regeste
1. Art. 25 Abs. 1 MFG. Auch während des Überholens muss die Geschwindigkeit den gegebenen Strassen- und Verkehrsverhältnissen angepasst sein.
2. Art. 26 Abs. 3 MFG. Überholen vor einer unübersichtlichen Strassenbiegung. | Sachverhalt
ab Seite 35
BGE 85 IV 35 S. 35
A.-
Jakob Briner führte am 15. Juni 1957 um 23.15 Uhr seinen Personenwagen mit einer Geschwindigkeit von 60-65 km/Std in Zürich vom Bellevue her durch den Limmatquai. Auf der Höhe des Schiffländeplatzes oder beim Café "Select", also unmittelbar vor der Rechtsbiegung des Limmatquais bei der Buchhandlung zum Elsässer, überholte er den Personenwagen des Jean Neidhart, der mit ungefähr 40 km/Std fuhr. Als Briner nach dem Überholen wieder nach rechts einbog, stiess sein Fahrzeug mit jenem des Neidhart zusammen, wodurch beide Wagen beschädigt wurden.
BGE 85 IV 35 S. 36
B.-
Der Einzelrichter in Strafsachen des Bezirks Zürich büsste am 1. Juli 1958 Briner mit Fr. 20.- mit der Begründung, der Verurteilte habe Art. 25 Abs. 1 und Art. 26 Abs. 3 MFG übertreten, indem er mit übersetzter Geschwindigkeit gefahren sei und an unübersichtlicher Stelle überholt habe.
C.-
Briner führt Nichtigkeitsbeschwerde mit den Anträgen, das Urteil sei aufzuheben und die Sache zur Freisprechung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
(Ausführungen darüber, dass der Beschwerdeführer, entgegen seiner Behauptung, nicht nur während des Überholens mit 60-65 km/Std gefahren ist und dass diese Geschwindigkeit den gegebenen Strassen- und Verkehrsverhältnissen nicht angepasst war.)
Es würde den Beschwerdeführer aber auch nicht entlasten, wenn er nur während des Überholens mit 60-65 km/Std gefahren wäre. Art. 25 Abs. 1 MFG verlangt ohne jeden Vorbehalt, auch für das Überholen (vgl.
BGE 64 I 354
), dass der Führhrer die Geschwindigkeit den gegebenen Strassen- und Verkehrsverhältnissen anpasse. Über diese elementare Verkehrsregel durfte sich der Beschwerdeführer nicht hinwegsetzen, auch nicht zum Zwecke, durch Beschleunigung der Fahrt den Überholungsweg möglichst abzukürzen. Eine Geschwindigkeit, die an sich schon übersetzt ist, ist erst recht während des Überholens unzulässig, da durch dieses die Verkehrsgefahren erhöht werden. War das Überholen nur mit übersetzter, den Strassen- und Verkehrsverhältnissen nicht angepasster Geschwindigkeit möglich, so durfte es überhaupt nicht begonnen werden.
2.
(Feststellung, dass der Beschwerdeführer im Sinne von Art. 26 Abs. 3 MFG an unübersichtlicher Stelle überholt hat, da das Überholungsmanöver beim Beginn der Strassenbiegung noch nicht abgeschlossen war.)
Übrigens wäre seine Verurteilung nach Art. 26 Abs. 3 MFG auch dann begründet, wenn er schon einige Meter
BGE 85 IV 35 S. 37
vor Beginn der Biegung wieder die ordentliche Fahrbahn erreicht gehabt hätte. Wer vor einer unübersichtlichen Strassenbiegung überholen will, hat in Rechnung zu stellen, dass während seines Unternehmens aus der Biegung heraus ein Fahrzeug auftauchen und sich ihm nähern könnte. Es genügt daher nicht, dass er darnach trachtet, das Überholen kurz vor Erreichung der Biegung abzuschliessen, sondern er muss es schon so weit von der Biegung entfernt beendet haben, dass ein während des Überholens in der Biegung auftauchendes Fahrzeug seinen Weg unter Einhaltung einer angemessenen Geschwindigkeit fortsetzen kann, ohne gefährdet zu werden. Dabei hat er auch zu bedenken, dass es immer wieder vorkommt, dass Motorfahrzeugführer die den örtlichen Verhältnissen, insbesondere der Unübersichtlichkeit einer Biegung angemessene Geschwindigkeit überschreiten. Er darf daher nicht so knapp rechnen, dass ein ihm mit etwas übersetzter Geschwindigkeit Entgegenfahrender nicht mehr Zeit findet, die Fahrt rechtzeitig und ungefährdet in angemessener Weise zu verzögern. Hätte der Beschwerdeführer diese ihm zumutbaren Überlegungen getroffen, so hätte er sich sagen müssen, dass er seiner Vorsichtspflicht nicht genüge, wenn er das Überholen erst wenige Meter vor Erreichung der Biegung beende. | null | nan | de | 1,959 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
1876898f-dc04-431f-a040-eaa283b0058d | Urteilskopf
135 V 232
28. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. Freizügigkeitsstiftung X. gegen P. (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
9C_1060/2008 vom 26. Mai 2009 | Regeste
Art. 25a FZG
;
Art. 73 Abs. 3 BVG
; örtliche Zuständigkeit.
Nachdem das Scheidungsgericht nach
Art. 142 ZGB
das Teilungsverhältnis der Austrittsleistungen festgelegt und die Sache an das Berufsvorsorgegericht am Ort der Scheidung überwiesen hat, ist dieses zwingend auch für die vorfrageweise Beurteilung der während der Ehe erfolgten Barauszahlung einer Freizügigkeitsleistung zuständig (E. 2.4). | Sachverhalt
ab Seite 232
BGE 135 V 232 S. 232
A.
Die Freizügigkeitsstiftung X. (nachfolgend: Freizügigkeitsstiftung) löste am 28. Februar 2006 das seit kurzem bestehende Freizügigkeitskonto des D. vorzeitig auf und zahlte die Austrittsleistung von Fr. 106'329.30 nach dessen Weisungen aus. Seine Ehefrau P. erhob am 3. April 2006 Klage auf Scheidung. In diesem Verfahren bestritt die Freizügigkeitsstiftung die Existenz einer teilbaren Austrittsleistung, während die Ehefrau geltend machte, die Saldierung des Freizügigkeitskontos sei ohne ihre Zustimmung erfolgt. Mit
BGE 135 V 232 S. 233
Entscheid des Kreisgerichts vom 7. Dezember 2006 wurde die Ehe der P. und des D. geschieden (Dispositiv-Ziffer 1) und u.a. der jeweilige Anspruch der Parteien auf die Hälfte der nach Freizügigkeitsgesetz für die Ehedauer zu ermittelnden Austrittsleistung des anderen Ehegatten festgestellt (Dispositiv-Ziffer 6). Am 27. Februar 2007 überwies das Kreisgericht die Sache zur weiteren Beurteilung an das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen. Dieses räumte P. Gelegenheit ein, gegen die Freizügigkeitseinrichtung beim "zuständigen Versicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft" Klage zu erheben und sistierte das bei ihm anhängig gemachte Vorsorgeausgleichsverfahren.
B.
P. erhob am 27. Juni 2008 beim Kantonsgericht Basel-Landschaft Klage gegen die Freizügigkeitsstiftung mit folgenden Rechtsbegehren:
1. Es sei festzustellen, dass die Beklagte die Freizügigkeitsleistung des D. im Betrag von Fr. 106'214.95 am 20. Februar 2006 an ihn ausbezahlt hat, ohne dass die erforderliche Zustimmung der Klägerin als Ehefrau vorlag.
2. Die Beklagte sei zu verpflichten, der Klägerin auf deren Vorsorgeeinrichtung mit Fr. 53'107.45 zuzüglich gesetzliche Zinsen vom 21. Februar 2006 bis zur effektiven Überweisung (abzüglich 1⁄2 der eigenen Austrittsleistung gemäss
Art. 122 ZGB
) den ihr gemäss Scheidungsurteil zustehenden hälftigen Anspruch zu bezahlen.
Mit Entscheid vom 21. November 2008 trat das Gericht mangels örtlicher Zuständigkeit auf die Klage nicht ein und überwies die Angelegenheit zuständigkeitshalber zur weiteren Behandlung an das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen.
C.
Die Freizügigkeitsstiftung lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und beantragen, in Aufhebung des Entscheids vom 21. November 2008 sei das Kantonsgericht Basel-Landschaft zu verpflichten, auf die Klage einzutreten.
P. lässt die Abweisung der Beschwerde beantragen, während das kantonale Gericht und das Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Stellungnahme verzichten.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
Umstritten ist einzig die örtliche Zuständigkeit des Gerichts für die Beurteilung des Anspruchs der geschiedenen Ehefrau gegen die
BGE 135 V 232 S. 234
Freizügigkeitsstiftung aufgrund der vor der Scheidung erfolgten Barauszahlung eines Freizügigkeitsguthabens an den Ehemann. Die Vorinstanz verneint ihre Zuständigkeit und hält gestützt auf
Art. 25a FZG
(SR 831.42) das Vorsorgegericht des Scheidungskantons für zuständig. Die Freizügigkeitsstiftung beruft sich hingegen auf
Art. 73 Abs. 3 BVG
(SR 831.40) und beharrt als Beklagte auf dem Gerichtsstand an ihrem Sitz. Nicht bestritten ist die sachliche Zuständigkeit eines kantonalen Berufsvorsorgegerichts im Sinne von
Art. 73 Abs. 1 lit. a BVG
.
2.
2.1
Kommt über die Teilung der Austrittsleistungen der beruflichen Vorsorge sowie die Art der Durchführung der Teilung keine Vereinbarung zustande, so entscheidet das Scheidungsgericht über das Verhältnis, in welchem die Austrittsleistungen zu teilen sind (Art. 142 Abs. 1 in Verbindung mit
Art. 141 Abs. 1 ZGB
). Sobald der Entscheid über das Teilungsverhältnis rechtskräftig ist, überweist das Gericht die Streitsache von Amtes wegen dem nach dem Freizügigkeitsgesetz zuständigen Gericht (
Art. 142 Abs. 2 ZGB
).
Können sich die Ehegatten über die bei der Ehescheidung zu übertragende Austrittsleistung (
Art. 122, 123 ZGB
) nicht einigen, so hat das am Ort der Scheidung zuständige Berufsvorsorgegericht gestützt auf den vom Scheidungsgericht bestimmten Teilungsschlüssel die Teilung von Amtes wegen durchzuführen, nachdem ihm die Streitsache überwiesen worden ist (
Art. 25a Abs. 1 FZG
).
2.2
Nach seinem Wortlaut regelt
Art. 25a FZG
nur die örtliche Zuständigkeit für die Teilung der Austrittsleistungen, nicht jedoch für die Beurteilung der erfolgten Barauszahlung.
Das Gesetz muss in erster Linie aus sich selbst heraus, das heisst nach dem Wortlaut, Sinn und Zweck und den ihm zu Grunde liegenden Wertungen auf der Basis einer teleologischen Verständnismethode ausgelegt werden. Die Gesetzesauslegung hat sich vom Gedanken leiten zu lassen, dass nicht schon der Wortlaut die Norm darstellt, sondern erst das an Sachverhalten verstandene und konkretisierte Gesetz. Gefordert ist die sachlich richtige Entscheidung im normativen Gefüge, ausgerichtet auf ein befriedigendes Ergebnis der ratio legis (
BGE 134 V 170
E. 4.1 S. 174).
2.3
An einer (genehmigungsfähigen, vgl.
Art. 141 Abs. 1 ZGB
) Vereinbarung fehlt es auch, wenn mindestens ein Ehegatte mit einer beteiligten Vorsorgeeinrichtung über die Existenz einer teilbaren
BGE 135 V 232 S. 235
Austrittsleistung oder deren Höhe streitet (Botschaft vom 15. November 1995 über die Änderung des ZGB, BBl 1996 I 111 Ziff. 233.46; HERMANN WALSER, in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, Bd. I, 3. Aufl. 2006, N. 7 zu
Art. 142 ZGB
; BAUMANN/LAUTERBURG, in: FamKomm, Scheidung, 2005, N. 2 und 4 zu
Art. 142 ZGB
; THOMAS GEISER, Berufliche Vorsorge im neuen Scheidungsrecht, in: Vom alten zum neuen Scheidungsrecht, 1999, S. 100 Rz. 2.120). Bei dieser Sachlage erfolgt in Bezug auf die berufliche Vorsorge eine Zweiteilung des Verfahrens gemäss
Art. 142 ZGB
und
Art. 25a FZG
: Das Scheidungsgericht setzt den Teilungsschlüssel fest und überweist die Sache an das Berufsvorsorgegericht; dieses nimmt die Teilung vor, indem es die jedem der geschiedenen Ehegatten per Saldo zustehenden Austrittsleistungen gegenüber den beteiligten Vorsorge- und Freizügigkeitseinrichtungen betragsmässig verbindlich festlegt (vgl. WALSER, a.a.O., N. 5 zu
Art. 142 ZGB
; GLOOR/UMBRICHT LUKAS, in: Handkommentar zum Schweizer Privatrecht, 2007, N. 6 zu
Art. 142 ZGB
). Dadurch wird einerseits der u.a. in Art. 125 Abs. 1 und Abs. 2 Ziff. 8 ZGB festgehaltene Grundsatz der Einheit des Scheidungsurteils (vgl. DANIEL STECK, in: FamKomm, Scheidung, 2005, N. 20 der Vorbemerkungen zu
Art. 196-220 ZGB
) durchbrochen; andererseits sind neben den geschiedenen Ehegatten auch alle beteiligten Vorsorge- und Freizügigkeitseinrichtungen in das Teilungsverfahren einzubeziehen (
Art. 142 Abs. 3 Ziff. 3 ZGB
und
Art. 25a Abs. 2 FZG
). Dass der Gerichtsstand für die Teilung der Austrittsleistungen ebenfalls - und ausschliesslich - im Scheidungskanton liegt (
Art. 25a Abs. 1 FZG
; BBl 1996 I 112 Ziff. 233.46; GEISER, a.a.O., S. 100 Ziff. 2.119), dient daher der Vereinfachung des Verfahrens und, dank der umfassenden Regelung der Rechte und Pflichten aller Beteiligten, der Rechtssicherheit.
2.4
Wegen Unzulässigkeit der Barauszahlung einer Freizügigkeitsleistung an eine verheiratete Person kann der geschiedene Ehegatte mit gerichtlich festgestelltem Teilungsanspruch (Art. 141 f. ZGB; vgl. auch
Art. 123 Abs. 2 ZGB
; SZS 2004 S. 375, B 90/01 E. 3.2) sowie die Witwe oder der Witwer (
Art. 15 Abs. 1 lit. b FZV
[SR 831. 425] in Verbindung mit
Art. 19 BVG
; vgl.
BGE 130 V 103
) Schadenersatz geltend machen. Der (noch) verheiratete Ehepartner hingegen kann die Unzulässigkeit der Barauszahlung feststellen lassen (
BGE 128 V 41
E. 3 S. 48 f.). Der Schadenersatzanspruch des geschiedenen Ehegatten ist grundsätzlich auf den vom Scheidungsgericht festgelegten Anteil der nach
Art. 22 Abs. 2 FZG
zu
BGE 135 V 232 S. 236
ermittelnden Austrittsleistung beschränkt (SZS 2007 S. 164, B 126/04 E. 3.2). Bei der Schadensermittlung sind jedoch auch die - aufgrund des familienrechtlichen Teilungsanspruchs - gegenüber weiteren involvierten Vorsorge- oder Freizügigkeitseinrichtungen (vgl.
Art. 142 Abs. 3 Ziff. 3 ZGB
und
Art. 25a Abs. 2 FZG
) bestehenden Anwartschaften von Amtes wegen zu berücksichtigen (
Art. 73 Abs. 2 BVG
). In dieser Situation sind die Ansprüche auf Schadenersatz und Teilung der Austrittsleistungen untrennbar miteinander verwoben. Daher ist das Berufsvorsorgegericht am Ort der Scheidung, nachdem ihm das Scheidungsgericht die Sache überwiesen hat, zwingend auch für die vorfrageweise Beurteilung der während der Ehe erfolgten Barauszahlung einer Freizügigkeitsleistung und eines sich daraus ergebenden Schadenersatzanspruchs zuständig. In der Folge hat es die Höhe der zu berücksichtigenden Austrittsleistungen festzusetzen und die Teilung vorzunehmen.
2.5
Dass einer Vorsorgeeinrichtung durch den Gerichtsstand am Ort der Scheidung insbesondere in Bezug auf die Verfahrenssprache zusätzliche Umtriebe und Kosten entstehen können, ist hinzunehmen (vgl. GEISER, a.a.O., S. 100 Ziff. 2.119), weil nach dem Gesagten (E. 2.3 und 2.4) die Vorteile einer einheitlichen örtlichen Zuständigkeit überwiegen. Ebenso ändert nichts daran, dass im konkreten Fall keine Gefahr eines Kompetenzkonfliktes bestand und ein Wechsel der Zuständigkeit wegen des bereits durchgeführten Schriftenwechsels nicht ökonomisch ist: Jenes wurde nur durch - zusätzlichen Aufwand verursachende - direkte Absprachen unter den in Frage kommenden Gerichten erreicht; dieses wird künftig -nach Klärung der Rechtslage - vermeidbar.
Für die Beurteilung der während der Ehe erfolgten Barauszahlung der Freizügigkeitsleistung ist das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen somit zuständig; die Beschwerde ist unbegründet. | null | nan | de | 2,009 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
187be977-f7e1-4c0d-a3a3-647623b392bb | Urteilskopf
98 Ia 208
31. Auszug aus dem Urteil vom 23. März 1972 i.S. Senn und Mitbeteiligte gegen den Grossen Rat des Kantons Bern. | Regeste
Stimmrecht, Gewaltentrennung;
Art. 85 lit. a OG
; Art. 39 bern. KV.
Art. 3 des vom bernischen Grossen Rat am 1. Februar 1971 beschlossenen Dekrets "über die Organisation des Regierungsrates und der Präsidialabteilung" (Notstandskompetenzen des Regierungsrats) verstösst als Umschreibung der sog. allgemeinen Polizeiklausel nicht gegen Art. 39 KV und verletzt weder das Stimmrecht der Bürger noch den Grundsatz der Gewaltentrennung. | Sachverhalt
ab Seite 209
BGE 98 Ia 208 S. 209
A. - Nach Art. 36 der bernischen Kantonsverfassung (KV) besorgt der Regierungsrat "innerhalb der Schranken der Verfassung und Gesetze die gesamte Regierungsverwaltung". Art. 38 KV ermächtigt ihn zum Vollzug aller Gesetze, Dekrete und Beschlüsse des Grossen Rates sowie der in Rechtskraft erwachsenen Urteile. Art. 39 KV lautet wie folgt:
"Er wacht innerhalb der Schranken der Bundesverfassung über die Sicherheit des Staates nach aussen und über die Handhabung von Ruhe und Ordnung im Innern.
Zur Abwendung von dringender Gefahr kann er die vorläufigen militärischen Sicherheitsmassregeln ergreifen oder die nötigen Gebote und Verbote mit Strafdrohung erlassen; er soll aber dem Grossen Rat sogleich davon Kenntnis geben und seine Entscheidung über die weiteren Vorkehren gewärtigen."
Art. 44 KV hat folgenden Wortlaut:
"Unter dem Regierungsrat stehen zur Vorberatung der Geschäfte und zur Vollziehung der an sie gelangenden Aufträge die nötigen Direktionen, unter welche die verschiedenen Verwaltungszweige verteilt werden.
Jeder Direktion steht ein Mitglied des Regierungsrates vor.
Die Umschreibung und Organisation der Direktionen des Regierungsrates sowie die Organisation der Staatskanzlei findet durch Dekret des Grossen Rates statt."
Das Dekret über die Organisation des Regierungsrates vom 2. Februar 1966 enthielt in § 7 folgende Bestimmung:
"Wird das Land in Kriegshandlungen verwickelt oder ergibt sich aus Naturereignissen ein Notstand, so trifft der Regierungsrat alle Massnahmen, die geeignet sind, nach Möglichkeit die Aufrechterhaltung der Regierungstätigkeit, der Verwaltung und der Rechtspflege zu sichern.
Der Regierungsrat kann insbesondere Direktionen oder Verwaltungszweige zusammenlegen oder ihre Organisation ändern, Befugnisse Bezirks- oder Gemeindebehörden oder andern Organisationen übertragen und Sonderbeauftragte ernennen; er sorgt für die Vertretung von Behörden und Beamten, die ihre Amtstätigkeit nicht ausüben können."
Am 1. Februar 1971 erliess der Grosse Rat ein neues "Dekret über die Organisation des Regierungsrates und der Präsidialabteilung", welches das erwähnte Dekret vom 2. Februar 1966 ersetzte. Art. 3 des Dekrets vom 1. Februar 1971 lautet wie folgt:
"Wird das Land in Kriegshandlungen verwickelt oder ergibt sich aus andern Gründen ein Notstand, so trifft der Regierungsrat alle
BGE 98 Ia 208 S. 210
Massnahmen, die geeignet sind, nach Möglichkeit die Aufrechterhaltung der Regierungstätigkeit, der Verwaltung und der Rechtspflege zu sichern.
Der Regierungsrat kann im besonderen Direktionen oder Verwaltungen zusammenlegen oder ihre Organisation ändern, Befugnisse Bezirks- oder Gemeindebehörden oder andern Organisationen übertragen und Sonderbeauftragte ernennen. Er sorgt für die Vertretung von Behörden und Beamten, die ihre Amtstätigkeit nicht ausüben können.
Er trifft die nötigen Vorbereitungen und schafft eine Kriegs- und Katastrophenorganisation auf dem Verordnungsweg.
Der Regierungsrat berichtet dem Grossen Rat über die in besonderen Fällen ergriffenen Massnahmen."
Das Dekret ist am 1. Februar 1971 in Kraft getreten.
B. - Dr. Emil Senn und Pierre Gassmann führen für sich und 16 Mitbeteiligte staatsrechtliche Beschwerde mit dem Antrag, Art. 3 des Dekrets vom 1. Februar 1971 aufzuheben. Die Beschwerdeführer stützen sich auf
Art. 84 lit. a und
Art. 85 lit. a OG
und machen geltend, der angefochtene Erlass verletze Art. 39 in Verbindung mit Art. 111 KV, das Stimmrecht der Bürger und den Grundsatz der Gewaltentrennung.
C. - Der Grosse Rat beantragt, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden könne.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
Die Beschwerdeführer behaupten nicht, das Dekret vom 1. Februar 1971 lasse sich nicht auf Art. 44 Abs. 3 KV stützen. Sie rügen bloss, Art. 3 des Dekrets erteile dem Regierungsrat weitergehende Vollmachten als in Art. 39 KV vorgesehen, und sie leiten daraus ab, die angefochtene Bestimmung verletze deshalb ihr Stimmrecht und den Grundsatz der Gewaltentrennung und sei noch in anderer Hinsicht verfassungswidrig.
Wie der Grosse Rat in seinen Gegenbemerkungen mit Recht ausführt, deckt sich Art. 3 des Dekrets inhaltlich mit Art. 39 KV und enthält - wie im folgenden näher auszuführen ist - bloss eine zeitgemässe Umschreibung der Notstandsvollmachten, wie sie der Regierung bereits nach der Verfassung zustehen.
Art. 39 Abs. 1 KV umschreibt die Aufgaben des Regierungsrats: Wahrung der Sicherheit nach aussen und Aufrechterhaltung bzw. Wiederherstellung von Ruhe und Ordnung im
BGE 98 Ia 208 S. 211
Innern. Abs. 2 der Verfassungsbestimmung nennt sodann die Mittel, die dem Regierungsrat zur Verfügung stehen, um die im ersten Abstatz erwähnten Rechtsgüter in Fällen "dringender Gefahr" zu schützen: Militärischer Einsatz und/oder Erlass von Geboten und Verboten. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer fehlt somit jeder Anhaltspunkt für die Annahme, Art. 39 Abs. 2 KV beziehe sich bloss auf die Abwehr äusserer Gefahren. Dieser von E. BLUMENSTEIN (MBVR 32/1934, S. 421) beiläufig aufgestellte Leitsatz übersieht, dass der Kanton zur Abwehr äusserer Gefahren überhaupt nicht über Truppen verfügen kann, zumal dieses Recht nach
Art. 19 Abs. 3 BV
"ausschliesslich und unmittelbar" dem Bund zusteht. Nur zur Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung im Innern können die Kantone "über die Wehrkraft ihres Gebiets verfügen" (
Art. 19 Abs. 4 BV
; W. BURCKHARDT, Kommentar zur BV, 3. Aufl. 1931. S. 150).
Was die Voraussetzungen von Massnahmen im Sinne von Art. 39 Abs. 2 KV anbelangt, so ist offensichtlich, dass sich der in dieser Bestimmung enthaltene unbestimmte Rechtsbegriff "dringende Gefahr" mit dem Ausdruck "Notstand" gemäss Art. 3 Abs. 1 des Dekrets vom 1. Februar 1971 deckt. Dies ergibt sich bereits aus der Pflicht zur verfassungskonformen Auslegung der angefochtenen Dekretsbestimmung, wie sie Justizdirektor Jaberg anlässlich der Debatte vom 1. Februar 1971 sinngemäss anerkannt hat (Tagblatt des Grossen Rats 1971, S. 9). Wie der Grosse Rat sodann in seiner Vernehmlassung (S. 18/9) mit Recht ausführt, kommt auf die Ursachen eines Notstandes nichts an; entscheidend ist vielmehr, ob die tatsächlichen Verhältnisse in ihren Wirkungen einen Notstand im Sinne von Art. 39 KV bzw. Art. 3 des Dekrets vom 1. Februar 1971 darstellen. Beide Bestimmungen enthalten im Grunde nichts anderes als eine Umschreibung der bereits aus dem ungeschriebenen Verfassungsrecht folgenden sog. allgemeinen Polizeiklausel (vgl. dazu AUBERT, Traité de droit constitutionnel suisse, Nr. 1772; GRISEL, Droit administratif suisse, S. 81; IMBODEN, Schweiz. Verwaltungsrechtsprechung, 3. Aufl. Nr. 223 II, S. 86/7), welche die Regierung nach ständiger bundesgerichtlicher Rechtsprechung ermächtigt, in Fällen schwerer, direkter und unmittelbarer Gefahr die zur Aufrechterhaltung bzw. Wiederherstellung von Ruhe und Ordnung erforderlichen Massnahmen zu treffen (vgl.
BGE 92 I 30
ff. Erw. 5 zur Tragweite
BGE 98 Ia 208 S. 212
von Art. 39 der bernischen KV). Wie auch der Regierungsrat (vgl. Votum von Justizdirektor Jaberg, a.a.O.) ausdrücklich anerkennt, ist dabei selbstverständlich der Grundsatz der Verhältnismässigkeit zu beachten (vgl.
BGE 92 I 35
Erw. 7). Unter diesen Umständen kann nicht ernstlich behauptet werden, die angefochtene Bestimmung des Dekrets vom 1. Februar 1971 ermächtige den Regierungsrat zu Vorkehren, die von der Verfassung nicht gedeckt seien.
Richtig ist freilich, dass Art. 39 Abs. 2 KV in bezug auf die im Zusammenhang mit Notstandsmassnahmen dem Grossen Rat zustehenden Befugnisse eine einlässlichere Ordnung enthält als Art. 3 Abs. 4 des Dekrets vom 1. Februar 1971. Allein daraus vermögen die Beschwerdeführer nichts zu ihren Gunsten abzuleiten, denn auch diese Bestimmung ist verfassungskonform auszulegen. Wie sowohl der Grosse Rat (Vernehmlassung S. 23) als auch der Regierungsrat (Votum von Justizdirektor Jaberg, a.a.O.) ausdrücklich anerkennen, bewirkt die engere Fassung von Art. 3 Abs. 4 des Dekrets keine Beschränkung der verfassungsmässigen Befugnisse des Grossen Rats. Es ist deshalb nicht einzusehen, inwieweit die angefochtene Vorschrift die Beschwerdeführer in ihren verfassungsmässigen Rechten verletzen soll. Die Beschwerde ist daher abzuweisen. | public_law | nan | de | 1,972 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
187c8180-1b9b-477a-904d-214be8badbca | Urteilskopf
93 I 586
75. Urteil vom 9. Juni 1967 i.S. Knüsli gegen Schweiz. Eidgenossenschaft. | Regeste
Verkehrsunfälle von Radfahrern im Militärdienst.
1. Die Haftung des Bundes richtet sich nach
Art. 27 MO
, nicht nach dem SVG, bzw. OR (Erw. 1).
2. Versorgerschaden bei Verlust:
a) des Ehemannes (Erw. 2);
b) des Vaters, der dem Sohn bei landwirtschaftlichen Arbeiten mithilft (Erw. 3).
3. Genugtuungssumme bei Verlust des Ehemannes oder Vaters:
a) Ausschluss nach dem geltenden
Art. 27 MO
(Erw. 4);
b) Voraussetzungen bei allfälliger Haftung nach dem Verantwortlichkeitsgesetz. Verschulden einer Militärperson (Erw. 5);
c) Voraussetzungen bei Haftung nach dem revidierten
Art. 27 Abs. 1 MO
(AS 1968 S. 74). Würdigung der besonderen Umstände (Erw. 6). | Sachverhalt
ab Seite 587
BGE 93 I 586 S. 587
A.-
In der Nacht vom 24. auf den 25. März 1966 veranstaltete die Inf. RS 6 eine Mobilmachungsübung. Im Rahmen dieser Übung hatte Rekrut Hans Ruf auf unbeleuchtetem Fahrrad eine Meldung zu überbringen. Er fuhr auf der 3. Klass-Strasse Mönchaltorf-Uster. Dabei stiess er etwa um Mitternacht mit dem entgegenkommenden 79-jährigen Fussgänger Emil Knüsli zusammen und verletzte ihn schwer. Knüsli starb am frühen Morgen des 25. März. Am gleichen Tage (25. März 1966) befahl der Kommandant der Inf. RS 6 eine vorläufige Beweisaufnahme gegen Rekrut Ruf. Da sich Ruf nach dem Ergebnis der Untersuchung korrekt verhalten hat, wurde das Verfahren eingestellt (Verfügung des Kommandanten der Inf. RS 6 vom 13. Mai 1966).
Die Witwe Knüslis und sein Sohn Kurt meldeten dem Bund am 17. Mai 1966 eine Forderung von Fr. 25'000.-- an für Beerdigungskosten, als Ergänzung zur AHV-Witwenrente und als Ersatz für die entgangene Arbeitskraft des Vaters. Der Verunfallte hatte am 6. Mai 1958 sein landwirtschaftliches Heimwesen an den Sohn Kurt verkauft. Gemäss Kaufvertrag räumte dieser den Eltern ein lebenslängliches Wohnrecht mit Anspruch auf Kost und häusliche Pflege ein. Seither hat der Vater im Betriebe des Sohnes mitgearbeitet.
B.-
Die Direktion der Eidg. Militärverwaltung anerkannte grundsätzlich die Haftung des Bundes für den Schaden, der Höhe nach aber nur für Fr. 3'000.-- Beerdigungskosten. Sie überwies Knüsli Fr. 3'000.--, welche dieser als Anzahlung entgegennahm.
Mit Schreiben ihres Anwaltes vom 26. Juli 1966 erhoben die Hinterlassenen von Emil Knüsli folgende weitere Ansprüche: Fr. 5'904.-- Versorgerschaden Kurt Knüsli für die entgangene Arbeitsleistung des Vaters, sowie Genugtung von Fr. 8'000.-- für die Witwe und je Fr. 5'000.-- für den Sohn und die (verheiratete) Tochter.
Am 29. August 1966 lehnte die Direktion der Eidg. Militärverwaltung diese Ansprüche ab. Sie begründete diese Stellungnahme damit, die Arbeitsleistung des Vaters Knüsli für
BGE 93 I 586 S. 588
den Sohn habe nicht auf Unterstützungspflicht beruht, so dass ihr Ausfall keinen Versorgerschaden darstelle; ein Genugtuungsanspruch könne nicht auf Art. 27 der Militärorganisation der Schweiz. Eidgenossenschaft vom 12. April 1907 (MO) gegründet werden.
C.-
Mit verwaltungsrechtlicher Klage beantragen die Witwe und die beiden Kinder des Emil Knüsli, die Eidgenossenschaft habe ihnen Fr. 22'000.--, allenfalls einen Betrag nach richterlichem Ermessen, nebst Zins zu 5% seit dem 24. März 1966, zu bezahlen.
Die Erben des Verunfallten machen geltend, die Untersuchung gegen Rekrut Ruf sei zu Unrecht eingestellt worden; ein Soldat, der nachts ohne Licht mit dem Velo fahre, sei zu besonderer Vorsicht verpflichtet. An dieser habe es Ruf fehlen lassen. Die Beklagte sei der Ansicht, sie hafte nur nach
Art. 27 MO
. In Art. 101 Abs. 2 des Beschlusses der Bundesversammlung über die Verwaltung der schweizerischen Armee vom 30. März 1949 sei die Haftung des Bundes nach Spezialgesetzen vorbehalten; insbesondere werde auf das Motorfahrzeuggesetz (MFG) verwiesen, das nun durch das Strassenverkehrsgesetz (SVG) ersetzt sei; dieses gehe somit der Militärorganisation vor. Gemäss
Art. 70 SVG
hafteten die Radfahrer nach Obligationenrecht (OR); deshalb sei im vorliegenden Fall das OR anwendbar und der Schaden nach den allgemeinen Grundsätzen des Haftpflichtrechtes zu berechnen. Danach umfasse er die Todesfallkosten, den Versorgerschaden und den immateriellen Schaden, d.h. die Genugtuung. Hier seien nur noch die beiden letzteren streitig, da die Todesfallkosten anerkannt und bereits bezahlt seien.
Nach
Art. 45 Abs. 3 OR
sei bei Tötung eines Menschen für den Versorgerschaden Ersatz zu leisten. Art. 28 (recte 27) Abs. 2 MO beschränke diesen Anspruch auf die unterstützungsberechtigten Angehörigen. Zu diesen seien die Ehefrau und der Sohn des getöteten Knüsli zu zählen. Unterstützungsbedürftig sei jemand schon dann, wenn eine Beeinträchtigung der bisherigen standesgemässen Lebensweise eintrete; das treffe hier zu. Die Witwe erhalte von der AHV noch eine monatliche Rente von Fr. 192.--, gegenüber der bisherigen Ehepaarrente von monatlich Fr. 307.--. Es sei eine Tatsache, dass zwei Personen zusammen billiger leben könnten als eine allein. Deshalb bedeute die Reduktion der AHV-Rente, dass die Witwe
BGE 93 I 586 S. 589
sich vermehrt einschränken müsse und in ihrer Lebensweise beeinträchtigt werde. Unter diesem Titel verlange sie Fr. 4'022.70.
Dem Sohne fehle die bisherige Mitarbeit des Vaters; insbesondere könne er die Felder nicht mehr gleich bewirtschaften, weshalb die Einnahmen sinken würden. Die Auffassung der Beklagten, das sei ein indirekter Schaden, sei unrichtig. Richtig sei dagegen, dass die Mithilfe des Vaters bei der Festsetzung des Entgeltes für das Wohnrecht mit Kost- und Unterhaltsanspruch (Fr. 5'000.-- gemäss Kaufvertrag vom 6. Mai 1958) berücksichtigt worden sei. Gerade deshalb sei dem Sohn durch den Wegfall jener Mithilfe ein Schaden (von Fr. 5'904.--) entstanden, der ihm als Versorgerschaden ersetzt werden müsse.
Da das SVG als Spezialgesetz dem
Art. 27 MO
vorgehe und gemäss
Art. 70 SVG
der Radfahrer nach OR hafte, komme
Art. 47 OR
zur Anwendung, der bei Tötung eines Menschen eine Genugtuung vorsehe. Ein Verschulden des Schädigers sei danach nicht erforderlich. Vom plötzlichen Tod Knüslis seien die Witwe, der Sohn und die Tochter tief betroffen. Die in Dübendorf verheiratete Tochter habe den Vater oft besucht. Trotzdem werde ihr Genugtuungsanspruch von Fr. 5'000.-- auf Fr. 3'000.-- herabgesetzt. Die Genugtuungen seien demnach auf gesamthaft Fr. 16'000.-- festzusetzen.
Versorgerschaden und Genugtuungsansprüche beliefen sich somit zusammen auf Fr. 25'926.70 (Fr. 4'022.70 + Fr. 5'904.-- + Fr. 16'000.--). Doch würden nur Fr. 22'000.-- nebst Zins eingeklagt, weil seinerzeit total (die Beerdigungskosten inbegriffen) Fr. 25'000.-- verlangt und hieran Fr. 3'000.-- bezahlt worden seien.
D.-
Für die Eidgenossenschaft beantragt das Eidg. Militärdepartement, die Klage sei abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Nichteintreten wird beantragt, soweit die Kläger ihre Ansprüche auf andere Haftpflichtbestimmungen als
Art. 27 MO
stützen.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Die vorliegende Klage ist auf Ersatz des Schadens gerichtet und zwar mit Einschluss der Genugtuung. Der Schaden, wie ihn die Kläger verstehen, ist durch die Tötung einer Zivilperson infolge einer militärischen Übung verursacht worden. Deshalb ist darauf
Art. 27 MO
nebst den ihn ergänzenden Bestimmungen von Art. 101-107 des Beschlusses der
BGE 93 I 586 S. 590
Bundesversammlung über die Verwaltung der schweizerischen Armee vom 30. März 1949 (BVA; AS 1949 S. 1118) anwendbar. Die Klage ist demnach gemäss Art. 105 Abs. 1 BVA und
Art. 110 Abs. 1 lit. b OG
vom Bundesgericht als einziger Instanz zu beurteilen. Hierüber sind die Parteien an sich einig.
Die Kläger machen aber geltend, da Art. 101 Abs. 2 BVA die Haftung des Bundes nach Spezialgesetzen vorbehalte und gemäss
Art. 70 SVG
die Radfahrer nach dem Obligationenrecht haften, sei im vorliegenden Falle das OR anzuwenden. Soweit sie damit sagen wollen, dieses trete hier an die Stelle von
Art. 27 MO
und schliesse dessen Anwendung aus, kann ihnen nicht gefolgt werden. Der Vorbehalt in Art. 101 Abs. 2 BVA ist beschränkt auf die Haftung des Bundes nach Spezialgesetzen; er bezweckt, den Bund wegen gewisser Betriebsgefahren zugunsten der Geschädigten weitergehend haften zu lassen. Das gilt insbesondere für das dort ausdrücklich erwähnte MFG, an dessen Stelle das SVG getreten ist. Dieses erklärt in Art. 70 Abs. 1, dass die Radfahrer nach OR haften. Die Radfahrer unterstehen somit dem allgemeinen Recht und nicht einer Haftung nach Spezialgesetzen; von ihnen verursachte Unfälle fallen deshalb nicht unter den Vorbehalt von Art. 101 Abs. 2 BVA. Wenn die Voraussetzungen von
Art. 27 MO
erfüllt sind, ist dieser darauf anzuwenden. Das hat seinen guten Grund darin, dass die MO wegen der mit militärischen Übungen verbundenen Gefahren zum Schutze der Betroffenen die Kausalhaftung des Bundes eingeführt hat; dieser weitreichende Schutz würde versagen, wenn bei Verursachung des Schadens durch Radfahrer statt dessen das Obligationenrecht anwendbar wäre, das nur die Haftung aus Verschulden vorsieht. Wo neben
Art. 27 MO
nicht eine Spezialhaftpflicht, sondern die allgemeine des OR in Frage kommt, ist nicht diese, sondern
Art. 27 MO
anzuwenden (vgl. dazu insbesondere die Ausführungen von OFTINGER, Haftpflichtrecht, Bd. II/2, S. 865/66 über das Verhältnis der
Art. 27 ff. MO
zum SVG).
Nur zur Ergänzung der auf einige Grundsätze beschränkten Ordnung in
Art. 27-29 MO
sind die Begriffe und Regeln des allgemeinen Haftpflichtrechts heranzuziehen, wie sie namentlich in den
Art. 42 ff. OR
niedergelegt sind. Das und nichts anderes sagt auch OFTINGER an der von den Klägern angerufenen Stelle in Band II/2 S. 847. Er vertritt keineswegs die Ansicht, dass das OR anstelle von
Art. 27 ff. MO
trete und
BGE 93 I 586 S. 591
deren Anwendung ausschliesse (vgl. auch seine Darstellung des Verhältnisses von
Art. 27 ff. MO
zum Obligationenrecht S. 869 ff. und desjenigen zwischen Spezialgesetz und OR Bd. I S. 428 ff.). Insbesondere sind gemäss der ausdrücklichen Vorschrift von Art. 102 BVA bei der Festsetzung der Entschädigung die Art. 42, 43 Abs. 1 und 44 Abs. 1 OR sinngemäss anwendbar. Darüber hinaus sind, obwohl sie dort nicht genannt sind, auch die Art. 45 und 46 heranzuziehen, die den Schaden umschreiben, der im Falle der Tötung eines Menschen bzw. der Körperverletzung zu ersetzen ist. Hier kommen davon nur die Bestattungskosten und der Versorgerschaden in Frage. Die Bestattungskosten sind bezahlt und nicht mehr streitig. Auch ihre Pflicht, einen Versorgerschaden zu ersetzen, anerkennt die Beklagte im Grundsatz; doch bestreitet sie, dass die Kläger einen solchen erlitten haben. Das ist nachstehend - und zwar getrennt für die Witwe und den Sohn Kurt Knüsli, die mit verschiedener Begründung einen Versorgerschaden geltend machen - zu prüfen. Sodann bestreitet die Beklagte, dass in den Fällen von
Art. 27 MO
ein Anspruch auf Genugtung entstehen könne.
2.
Ein Versorgerschaden der Witwe wurde erstmals im Schreiben vom 17. Mai 1966 geltend gemacht. Darin meldeten diese und der Sohn zusammen unter drei Titeln ohne ziffermässige Ausscheidung eine Gesamtforderung von Fr. 25'000.-- an. Nachdem die Direktion der Eidg.Militärverwaltung am 6. Juli 1966 diesen Anspruch abgelehnt hatte, nahmen ihn die Kläger in ihrem Schreiben vom 26. Juli 1966 nicht wieder auf, und jene befasste sich in ihrer Stellungnahme vom 29. August 1966 nicht mehr damit. In der Klage verlangt nun die Witwe Fr. 4'022.70 als Ersatz für den Schaden, den sie erleide, weil ihre Witwenrente gegenüber der früheren Ehepaarrente gekürzt sei.
Man kann sich fragen, ob unter diesen Umständen die Voraussetzungen einer Klage, die beim Bundesgericht aus öffentlichem Recht gegen den Bund erhoben wird, erfüllt seien. Die Beklagte erhebt keine diesbezügliche Einrede; sie scheint ihre Antwort vom 6. Juli 1966 als Stellungnahme im Sinne von
Art. 114 OG
zu betrachten. Da sich die Beklagte materiell mit der Klage auseinandersetzt, genügt diese Stellungnahme.
Art. 27 Abs. 2 MO
beschränkt den Anspruch auf Versorgerschaden auf die "unterstützungsberechtigten Angehörigen",
BGE 93 I 586 S. 592
macht ihn also von einer familienrechtlichen Unterstützungspflicht abhängig. Diese Voraussetzung ist bei Witwe Knüsli erfüllt, da der Getötete als Ehemann gemäss
Art. 160 Abs. 2 ZGB
für ihren Unterhalt zu sorgen hatte. Ein Schaden tritt indessen nur ein, wenn der Getötete den Ansprecher tatsächlich unterstützt hat und beim Fortleben in Zukunft unterstützt hätte, d.h. wenn der Tod des Versorgers eine Beeinträchtigung der bisherigen standesgemässen Lebensweise des Ansprechers zur Folge hat (
BGE 82 II 39
und dort aufgeführte frühere Urteile). Das ist bei Frau Knüsli nicht der Fall. Ihr Lebensunterhalt ist zur Hauptsache gesichert durch das Wohnrecht mit Anspruch auf Kost und häusliche Pflege, das ihr gegenüber dem Sohne zusteht; er hat diese Verpflichtung bisher erfüllt. Für ihre zusätzlichen Bedürfnisse verfügt die Witwe über die AHV-Rente von Fr. 192.-- monatlich, während vorher die beiden Ehegatten zusammen eine solche von Fr. 307.-- bezogen. Der Einwand, der Unterhalt eines Ehepaares komme billiger zu stehen als der einer Einzelperson, dringt nicht durch; denn das gilt vor allem für Kost und Wohnung - diese erhält Frau Knüsli unentgeltlich vom Sohne -, nicht aber für die weiteren Bedürfnisse. Es ist daher nicht anzunehmen, dass vor dem Ableben des Verunfallten mehr als die Hälfte der Ehepaarrente für die Frau verwendet worden ist. Da sie jetzt über mehr als jene Hälfte verfügt, wird sie finanziell durch den Tod des Ehemannes nicht beeinträchtigt, erleidet also keinen Versorgerschaden. Ihr unter diesem Titel erhobener Anspruch ist unbegründet.
3.
Auch der Sohn gehört an sich zum Kreise der unterstützungsberechtigten Personen, da die Unterstützungspflicht der Blutsverwandten in auf- und absteigender Linie gemäss
Art. 328 ZGB
gegenseitig und nicht vom Alter abhängig ist. Doch erscheint es als höchst unwahrscheinlich, dass dieser 35-jährige und gesunde Eigentümer eines billig übernommenen landwirtschaftlichen Heimwesens je der Unterstützung seines betagten Vaters bedürftig geworden wäre, also durch dessen Tod einen Versorgerschaden erlitten hat.
Der Sohn Knüsli macht indessen geltend, entscheidend sei der tatsächliche Verlust, und durch den Tod seines Vaters entgehe ihm die Mitarbeit seines trotz der 79 Jahre noch rüstigen Vaters, die dieser sonst voraussichtlich im Rahmen der Tafel I von Stauffer/Schätzle weiter erbracht hätte. Diese
BGE 93 I 586 S. 593
Arbeitsleistung erfolgte jedoch nicht in Erfüllung einer familienrechtlichen Unterstützungspflicht; die Kläger behaupten denn auch nicht, der Sohn wäre ohne diesen Beistand in Not geraten oder doch in seiner standesgemässen Lebenshaltung beeinträchtigt worden. Die Leistung des Verstorbenen beruhte vielmehr auf der durch den Kaufvertrag vom 6. Mai 1958 begründeten Hausgemeinschaft; sie erscheint als ein teilweises Entgelt für das den Eltern eingeräumte Wohnrecht mit Anspruch auf Kost und Pflege, wofür nur Fr. 5'000.-- auf den Kaufpreis angerechnet worden sind. War die Leistung des Verstorbenen keine familienrechtliche Unterstützung, so stellt ihr Wegfall - gleichviel, ob sie auf Grund einer vertraglich übernommenen Pflicht oder freiwillig erbracht wurde - keinen Versorgerschaden dar, für welchen der Bund aus
Art. 27 Abs. 2 MO
haften würde. Damit erübrigt es sich, die Schadensberechnung zu prüfen, und es ist nur noch zu untersuchen, ob die Genugtuung, welche die Kläger nach ihren Beziehungen zum Getöteten abgestuft verlangen, zuzusprechen sei.
4.
Die Beklagte erachtet die Genugtuungsansprüche als unzulässig, weil
Art. 27 MO
wohl Ersatz für den Schaden, aber keine Genugtuung vorsehe. Diese Stellungnahme entspricht der bisherigen, jahrzehntelangen Praxis. Sie stützt sich darauf, dass in
Art. 27 MO
in keiner Weise auf
Art. 47 OR
hingewiesen ist, obwohl andere Haftpflichtgesetze neben dem Schadenersatz die Genugtuung vorsehen (
Art. 8 EHG
, Art. 42 MFG, neuerdings
Art. 62 SVG
). Diese Betrachtungsweise wurde vom Bundesgericht in einem nicht veröffentlichten Urteil vom 14. Juli 1943 i.S. Cordazzi gedeckt. Ihr stimmte OFTINGER schon 1942 zu (vgl. Haftpflichtrecht II, 1. Aufl., S. 1092/93). Seither wird diese Ansicht noch dadurch gestützt, dass
Art. 47 OR
auch in Art. 102 des BVA, welchen Beschluss die Bundesversammlung 1949 erlassen hat, nicht erwähnt wird, obwohl auf andere Bestimmungen des OR verwiesen ist. OFTINGER hat denn auch in der zweiten Auflage seines Werkes über das Haftpflichtrecht, die 1962 erschien, an seiner Ansicht festgehalten (Bd. II/2, S. 912) und bemerkt, nur eine Gesetzesrevision könne zu einer - an sich wünschbaren - Änderung führen.
5.
Seit dem Erlass des BVA (1949) haben sich die Ansichten im Sinne der Forderung OFTINGERS gewandelt. Davon zeugt die Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über
BGE 93 I 586 S. 594
die Reorganisation des Militärdepartementes und die Änderung der Militärorganisation vom 19. September 1966 (BBl 1966 II S. 378 ff.). So wird auf S. 424 ausgeführt, die Genugtuung sei nicht mehr ein nur dem Privatrecht vorbehaltenes Institut. Sie habe im Verantwortlichkeitsgesetz (vom 14. März 1958) und im Militärversicherungsgesetz (seit 19. Dezember 1963, AS 1964 S. 261) Eingang gefunden. Die Billigkeit gebiete, die Genugtuung auch ins Militärhaftpflichtrecht einzuführen. Dies ist selbst nach dem positiven Recht an sich möglich, wenn man den Begriff "Schaden" des
Art. 27 MO
- entgegen der bisherigen Praxis - so verstände, dass er neben den materiellen Einbussen auch immaterielle Nachteile umfasst. In dieser Weise legte das Eidg. Justiz- und Polizeidepartement in einem Gutachten vom 1. Februar 1923 (vgl. BURCKHARDT, Schweiz. Bundesrecht, 1931, Bd. IV, S. 886) diesen Begriff tatsächlich aus. Anderseits müsste der Zuspruch der Genugtuung bei einer solchen Betrachtungsweise davon abhängen, ob die Anforderungen erfüllt seien, die das in der Botschaft erwähnte Bundesgesetz über die Verantwortlichkeit des Bundes sowie seiner Behördemitglieder und Beamten voraussetzt.
Prüft man die Rechtslage unter dem Gesichtswinkel des Verantwortlichkeitsgesetzes, so ergibt sich aus Art. 6 Abs. 1, dass für den Zuspruch einer Genugtuung zwei Voraussetzungen gegeben sein müssen, nämlich: die besonderen Umstände und das Verschulden des Beamten. Entfällt eine dieser Bedingungen, kann der immaterielle Schaden nicht ersetzt werden. Dies trifft hier zu, da es am Verschulden irgendeiner Militärperson fehlt.
Nach der Darstellung, die Rekrut Ruf dem Untersuchungsrichter des Divisionsgerichtes 6 abgegeben hat, erblickte er trotz der Nacht auf der übersichtlichen Strasse rechtzeitig den ihm entgegenkommenden Fussgänger. Er habe ein Glockenzeichen gegeben, worauf jener gegen die Mitte der 3,5 m breiten Strasse gegangen sei. Er habe angenommen, der Fussgänger habe ihn bemerkt und gebe ihm die Fahrbahn frei. Er sei daher weitergefahren; im letzten Augenblick sei der Fussgänger nach links geschwenkt, weshalb sie zusammenprallten. Diese Schilderung ist glaubhaft und entspricht einem natürlichen Verlauf. Danach hat Ruf alles getan, was ihm in diesem Augenblick zuzumuten war. Das unvorhersehbare Verhalten Knüslis hat somit den Zusammenstoss herbeigeführt. Er hätte
BGE 93 I 586 S. 595
von Ruf nur verhindert werden können, wenn er vom Fahrrad abgestiegen wäre. Dazu hatte er aber keinen Anlass; denn er durfte davon ausgehen, der Fussgänger habe ihn bemerkt.
Das Fahren ohne Licht begründet kein Verschulden des Ruf, da es durch die militärische Übung bedingt war. Es war ihm zwar nicht ausdrücklich befohlen worden; doch hatte ihm sein Postenchef auf die Frage, ob er die Beleuchtung benützen dürfe, geantwortet, es sei besser, wenn es ohne gehe. Das entsprach dem Sinn der Übung, da bei Kriegsmobilmachungen mit feindlichen Fliegern zu rechnen und alles nicht notwendige Licht zu vermeiden ist. Deshalb kann auch Kpl. Aeschlimann kein Verschulden zur Last gelegt werden, weil er jene Weisung gab. Wohl verpflichtete das Fahren ohne Licht Ruf zu erhöhter Vorsicht; doch genügte sein oben geschildertes Verhalten auch dieser Anforderung, da er den Fussgänger sah und aus dessen Verhalten schliessen durfte, dieser habe ihn bemerkt.
Es kann sich somit höchstens fragen, ob die Übungsleitung für die Mobilmachungsübung etwas über die Beleuchtung der Fahrräder von Meldefahrern hätte anordnen müssen. Zur Zeit des Unfalles galt der (seither aufgehobene) Art. 7 Abs. 2 des Bundesratsbeschlusses über Beleuchtung der Fahrräder und Fahrradanhänger vom 29. Oktober 1963, der bestimmte: "Militärfahrräder und ihre Anhänger müssen während der Verwendung bei der Truppe nicht mit Lichtern versehen sein. Das Fahren ohne Licht ist gestattet, wenn die erforderlichen Sicherheitsmassnahmen getroffen sind." Hinsichtlich der "erforderlichen Sicherheitsmassnahmen" bestand im Zeitpunkt des Unfalles lediglich eine Weisung an die Radfahrertruppe vom 1. Oktober 1965. Deren Anhang 5 verfügt, dass in Friedenszeiten beim Fahren in der Dunkelheit jeder Einzelfahrer und der Vorderste der Gruppe eine eingeschaltete Taschenlampe tragen müsse. Da der Bundesrat diese Vorschrift erst mit Wirkung ab 1. Juli 1967 auf alle Radfahrer ausgedehnt hat, kann der Leitung der Mobilmachungsübung der Inf. RS 6 kein Vorwurf gemacht werden, dass sie entsprechende Weisungen unterlassen hat.
6.
Aber selbst wenn man davon ausginge, es sei - in Anlehnung an das in der Botschaft erwähnte Militärversicherungsgesetz (vgl. Art. 40 bis) - bereits die vorgesehene gesetzliche Regelung anzuwenden, müsste der Anspruch auf Genugtuung abgewiesen werden. Richtig ist, dass nach Art. 27
BGE 93 I 586 S. 596
Abs. 1 des Entwurfes zu einem Bundesgesetz über die Änderung der Militärorganisation bei der Festsetzung der Entschädigung u.a.
Art. 47 OR
angewendet werden soll. Nach
Art. 47 OR
kann der Richter bei Tötung eines Menschen unter Würdigung der besonderen Umstände den Angehörigen eine angemessene Geldsumme als Genugtuung zusprechen. Nach der Botschaft soll für ihren Zuspruch die Praxis der Zivilgerichte massgebend sein (a.a.O., S. 424).
Im Unterschied zu
Art. 49 OR
und zu
Art. 7 EHG
führt
Art. 47 OR
das Verschulden nicht als Tatbestandsmerkmal auf. Die neuere Rechtsprechung hat - entgegen OFTINGER (Schweiz. Haftpflichtrecht, Bd. I, 2. Aufl., S. 262) - dieses Schweigen dahin ausgelegt, dass die Frage nach dem Verschulden gemäss den Regeln über die Haftung an sich zu beantworten sei. Wenn es sich also um eine Verschuldenshaftung handle, so könne eine Genugtuung nur beim Vorliegen eines Fehlers zugesprochen werden. Stehe dagegen eine Kausalhaftung in Frage, könne eine Genugtuung selbst ohne Verschulden zuerkannt werden (GILLIARD F., Vers l'unification du droit de la responsabilité, in ZSR 1967 S. 247/48;
BGE 74 II 202
,
BGE 81 II 512
,
BGE 88 II 516
). Ob diese Auslegung auch im Bereich des auf Kausalhaftung gründenden Militärhaftpflichtrechtes zutreffe, kann indessen offen bleiben, wenn es im vorliegenden Fall an besonderen Umständen fehlt, die es rechtfertigten, den Klägern eine Genugtuung zuzusprechen.
Nach OFTINGER (a.a.O., Bd. I, 2. Aufl., S 263) hat eine konkrete Beurteilung aller Umstände einzutreten. Was die Art und Intensität der Unbill betreffe, so sei eine Genugtuung umso eher angezeigt, je schmerzlicher der Vorfall für den Ansprecher gewesen sei; so z.B. wenn eine Person auf der Strasse, fern von den Angehörigen, gestorben oder umgekehrt vor deren Augen getötet worden sei, oder wenn das Bewusstsein den Ansprecher quäle, dass der Getötete noch habe leiden müssen. Ferner spiele das Verschulden des Haftpflichtigen oder der Person, für welche dieser einstehen müsse, eine bedeutende Rolle; je grösser seine Leichtfertigkeit oder je niedriger seine sich in der schädigenden Tat offenbarende Gesinnung, desto eher sei auf eine Genugtuung zu erkennen.
Geht man hievon aus, so kann der Tod des Verunfallten nicht als Spezialfall betrachtet werden, der sich aus den unfallbedingten Todesfällen heraushebt und ihm ein besonderes
BGE 93 I 586 S. 597
Gewicht gäbe. Freilich war der Tod für die drei Angehörigen schmerzlich. Indessen war bei dem 79-jährigen Verunfallten ein Ableben jederzeit möglich. Die Sektion der Leiche ergab, dass Knüsli - unabhängig vom Unfall - an einer stenosierenden Sklerose der rechten Kranzarterie litt, welche seine mittlere Lebenserwartung verminderte. Der Verunfallte konnte auf ein erfülltes Leben blicken und hinterliess Angehörige in finanziell gesicherten Verhältnissen. Der Unfall war auf sein falsches Manöver zurückzuführen. Er wurde sofort geborgen und in den Spital überführt, wo er am frühen Morgen des folgenden Tages gestorben ist. Es sind also weder in der Person des Verunfallten noch im Ablauf des Unfalles Umstände zu erblicken, die sich auf die Hinterbliebenen seelisch besonders nachhaltig ausgewirkt hätten. Überdies kann weder dem Radfahrer noch der Übungsleitung eine Unachtsamkeit vorgeworfen werden. Der Unfall erfolgte im Verlaufe einer für die Schlagkraft der Armee unerlässlichen Mobilmachungsübung, die mit dem notwendigen Ernst vorbereitet worden war.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Klage wird abgewiesen. | public_law | nan | de | 1,967 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
187e3403-256b-4dba-88c6-444d17471428 | Urteilskopf
125 IV 185
28. Extrait de l'arrêt de la Cour de cassation pénale du 11 octobre 1999 dans la cause X. contre Ministère public du canton de Vaud (pourvoi en nullité) | Regeste
Art. 58 StGB
; Einziehung von Hanfsamen.
Die Einziehung von Hanfsamen, die als solche unschädlich, aber zur Herstellung von Betäubungsmitteln geeignet sind, verstösst nicht gegen Bundesrecht, wenn angesichts der konkreten Umstände ernsthaft anzunehmen ist, dass die Samen zur Herstellung von Betäubungsmitteln verwendet werden (E. 2). | Sachverhalt
ab Seite 186
BGE 125 IV 185 S. 186
A.-
Au mois de mars 1997, une enquête a été ouverte pour infraction à la LStup contre Françoise X., qui exploite en raison individuelle la société Y. (ci-après: la société), laquelle a pour but l'importation, la fabrication et la distribution de tout produit lié à la culture de cannabis et de tout produit dérivé du cannabis. Cette enquête faisait suite à l'interception par les services de la douane suisse d'un colis postal en provenance d'Amsterdam, destiné à la société, contenant des sachets de graines de cannabis, dont une expertise a établi qu'elles se prêtaient à la production de cannabis contenant des quantités importantes de tétrahydrocannabinol (THC).
Dans le cadre de cette enquête, par la suite également dirigée contre Pierre X., époux de Françoise X., le juge d'instruction a notamment ordonné, le 2 avril 1997, le séquestre - qui a fait l'objet d'une fiche d'inventaire portant le no 545 - de plus d'un kilo de graines de cannabis, saisi lors d'une perquisition effectuée au domicile des époux X. Un complément d'expertise a révélé que ces graines ne contenaient pas ou peu de traces de cannabinoïdes, mais qu'elles pouvaient être cultivées en vue de la production de plants contenant un taux élevé de THC.
B.-
Au terme de l'enquête, le juge d'instruction, par ordonnance du 2 décembre 1998, a mis les époux X. au bénéfice d'un non-lieu, considérant qu'il n'avait pas été établi qu'ils avaient importé ces graines en vue de la production, respectivement de la vente, de stupéfiants. Il a par ailleurs ordonné la confiscation et la destruction, en application de l'
art. 58 CP
, des graines de cannabis séquestrées sous no 545.
Le recours formé par les époux X. contre cette décision a été rejeté par arrêt du 9 juin 1999 du Tribunal d'accusation du Tribunal cantonal vaudois.
C.-
Françoise X. se pourvoit en nullité au Tribunal fédéral. Invoquant une violation de l'
art. 58 CP
, elle conclut à l'annulation de l'arrêt attaqué.
Le Tribunal fédéral a rejeté le pourvoi dans la mesure où il était recevable.
Erwägungen
Considérant en droit:
2.
Invoquant une violation de l'
art. 58 CP
, la recourante conteste la confiscation ordonnée.
a) Selon l'
art. 58 al. 1 CP
, alors même qu'aucune personne déterminée n'est punissable, le juge prononcera la confiscation d'objets
BGE 125 IV 185 S. 187
qui ont servi ou devaient servir à commettre une infraction ou qui sont le produit d'une infraction, si ces objets compromettent la sécurité des personnes, la morale ou l'ordre public. L'alinéa 2 de cette disposition prévoit que le juge pourra ordonner que les objets confisqués soient mis hors d'usage ou détruits.
En l'espèce, il n'a pas été établi qu'une infraction ait été commise; il est dès lors exclu que les graines litigieuses aient servi à commettre une infraction ou soient le produit d'une infraction. S'agissant de la première condition posée par l'
art. 58 CP
, la seule question est donc de savoir si ces graines devaient servir à commettre une infraction.
Dans un arrêt non publié du 27 août 1997 (6S.371/1997), le Tribunal fédéral a confirmé sa jurisprudence antérieure selon laquelle, pour admettre qu'un objet devait servir à commettre une infraction au sens de l'
art. 58 CP
, il n'est pas nécessaire que l'infraction ait été commise ou même simplement tentée; certes, il ne suffit pas qu'un objet soit généralement destiné ou propre à être éventuellement utilisé pour commettre une infraction; il faut mais il suffit qu'il existe un risque sérieux que l'objet puisse servir à commettre une infraction (arrêt 6 S.371/1997 consid. 4a;
ATF 112 IV 71
consid. 1a p. 72;
ATF 89 IV 62
consid. 2c p. 69).
Lorsque cette hypothèse est réalisée, encore faut-il, pour que la confiscation soit prononcée, que l'objet compromette la sécurité des personnes, la morale ou l'ordre public; à cet égard, on ne saurait émettre des exigences élevées; il suffit qu'il soit vraisemblable qu'il y ait un danger si l'objet n'est pas confisqué en mains de l'ayant droit (
ATF 124 IV 121
consid. 2a p. 123). Il faut en outre que la confiscation soit conforme au principe de la proportionnalité (
ATF 124 IV 121
consid. 2c p. 126;
ATF 117 IV 345
consid. 2a p. 346).
b) L'autorité cantonale a constaté que la recourante avait acquis et importé uniquement des variétés de graines de cannabis produisant des plants à haute teneur en THC, qu'elle ne destinait pas ces graines à la production de plantes à des fins industrielles, ornementales ou alimentaires mais à leur revente à des commerces de chanvre ou à des particuliers et que plusieurs de ses clients avaient fait ou faisaient l'objet d'enquêtes pénales pour infraction à la LStup. Elle a considéré qu'il existait ainsi un risque sérieux que les graines en question soient utilisées en vue de la production de stupéfiants, que laisser celles-ci en possession de la recourante représenterait un danger pour l'ordre public et qu'il se justifiait dès lors d'ordonner leur confiscation, celle-ci respectant en l'espèce le principe de la proportionnalité.
BGE 125 IV 185 S. 188
Il en résulte que les graines litigieuses n'ont pas été confisquées simplement parce qu'elles pourraient éventuellement donner lieu à la production de stupéfiants, mais parce qu'elles étaient exclusivement destinées à être vendues à des clients, dont plusieurs avaient été ou étaient suspectés d'infraction à la LStup, ce qui donnait sérieusement à penser qu'elles pourraient servir à la production de stupéfiants, même si, comme cela a par ailleurs été admis, il n'a pas été établi que c'est dans un tel but que la recourante les avait importées. Il n'était dès lors pas contraire au droit fédéral d'admettre qu'il s'agissait de graines devant servir à commettre une infraction au sens de l'
art. 58 CP
.
Il est établi en fait, ce qui lie la Cour de céans saisie d'un pourvoi en nullité (
art. 277bis PPF
), que la recourante ne destinait pas les graines litigieuses à la production de plantes à des fins industrielles, ornementales ou alimentaires. La recourante se borne à faire valoir que les graines litigieuses peuvent aussi être utilisées à de telles fins, sans prétendre l'avoir fait ni avoir l'intention de le faire à l'avenir. L'autorité cantonale était dès lors fondée à considérer comme suffisamment vraisemblable que, si elles demeuraient en possession de la recourante, les graines litigieuses pourraient servir à la production de stupéfiants et, partant, que les laisser en mains de celle-ci compromettrait l'ordre public.
Seules les graines de chanvre pouvant donner lieu à la production de plants à haute teneur en THC ont été confisquées, à l'exclusion des graines dont il n'est pas établi qu'elles puissent aboutir à la production de stupéfiants. La confiscation ordonnée apparaît ainsi apte et nécessaire à atteindre le résultat escompté, donc conforme au principe de la proportionnalité. Cela n'est d'ailleurs pas contesté.
Dans ces conditions, la confiscation ordonnée ne viole pas le droit fédéral.
c) L'argumentation de la recourante, autant qu'elle soit recevable, est impropre à l'infirmer. Contrairement à ce qu'elle laisse entendre, l'autorité cantonale n'a nullement retenu que les graines litigieuses seraient un stupéfiant et que leur importation serait en soi illicite. C'est en vain qu'elle insiste sur le fait que les graines de cannabis peuvent aussi servir à d'autres usages qu'à la production de stupéfiants, dès lors qu'il a été constaté qu'elle ne les destinait pas aux autres usages qu'elle évoque. Dans la mesure où elle soutient que seul 1% des graines litigieuses peut produire des plants à haute teneur en THC ou allègue, ce qui n'a pas été constaté, que la société qu'elle dirige ferait tout pour décourager un éventuel comportement irresponsable
BGE 125 IV 185 S. 189
de sa clientèle, elle s'écarte des constations de fait cantonales, ce qui n'est pas admissible dans un pourvoi en nullité. Au reste, ainsi qu'on l'a vu, ce n'est pas simplement parce que les graines en question sont susceptibles d'être utilisées pour la production de stupéfiants que leur confiscation a été ordonnée, mais parce qu'il est établi qu'elles étaient exclusivement destinées à être vendues à des clients, dont plusieurs avaient été ou étaient suspectés d'infraction à la LStup, de sorte qu'il existait concrètement un risque sérieux que ces graines servent à produire des stupéfiants; c'est donc en vain que la recourante prétend que la confiscation revient à lui faire un procès d'intention. | null | nan | fr | 1,999 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
18889540-6557-4298-987f-e63b4c8a8912 | Urteilskopf
114 Ia 335
56. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 10. November 1988 i.S. Erbengemeinschaft G. gegen Munizipalgemeinde Romanshorn, Baudepartement und Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau (staatsrechtliche Beschwerde) | Regeste
Art. 22ter BV
, Zone für öffentliche Bauten und Anlagen, öffentliches Interesse,
Art. 21 Abs. 2 RPG
.
1. Der betroffene Eigentümer ist befugt, bei einer erheblichen Veränderung der Verhältnisse eine Überprüfung der Planfestsetzung zu verlangen (E. 1).
2. Der Wegfall des Interesses des Kantons an einer Zone für öffentliche Bauten und Anlagen schliesst deren Zulässigkeit nicht aus, wenn die Gemeinde ein genügendes Interesse für ihre öffentlichen Bedürfnisse ausweist (E. 2b).
3. Das auf weite Sicht für Sportanlagen benötigte Land darf mit einer Zone für öffentliche Bauten und Anlagen entsprechend den Planungsgrundsätzen gesichert werden (E. 2c), doch muss der Bedarf genügend ausgewiesen und die Errichtung der Anlagen mit einiger Sicherheit zu erwarten sein (E. 2d). | Sachverhalt
ab Seite 336
BGE 114 Ia 335 S. 336
Die Erbengemeinschaft G. ist Eigentümerin der ungefähr 13 000 m2 umfassenden Parzelle Nr. 828 im Gebiet "Untere Weitenzelg" in Romanshorn. Diese Liegenschaft bildet Teil einer grösseren Zone für öffentliche Bauten und Anlagen (Reservezone), welche im Zonenplan von 1975, dessen Rechtskraft im Jahre 1979 eintrat, festgesetzt worden war. Bei der Teilrevision des Zonenplanes von 1986 beantragte die Erbengemeinschaft G. mit Einsprache und Beschwerde die Umzonung ihrer Parzelle in eine mehrgeschossige Wohnzone, nachdem sie bereits zuvor mit entsprechenden Begehren an den Gemeinderat Romanshorn und den Regierungsrat des Kantons Thurgau gelangt waren. Sowohl die Gemeinde und das kantonale Baudepartement als auch das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau lehnten jedoch ihre Begehren ab, im wesentlichen mit der Begründung, die Liegenschaft werde gemäss der Sportstättenplanung der Gemeinde für Sportanlagen benötigt, was aufgrund des Bedarfes mit genügender Sicherheit feststehe.
Gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts vom 5. Juli 1988 gelangte die Erbengemeinschaft G. mit staatsrechtlicher Beschwerde
BGE 114 Ia 335 S. 337
an das Bundesgericht. Sie ist der Meinung, die Zone für öffentliche Bauten und Anlagen verstosse gegen die gemäss
Art. 22ter BV
gewährleistete Eigentumsgarantie. Zwar anerkennt sie, dass sich die Festsetzung dieser Zone auf eine genügende gesetzliche Grundlage und an sich auch auf ausreichende öffentliche Interessen zu stützen vermag. Sie rügt jedoch eine geradezu willkürliche Interessenabwägung zwischen den öffentlichen und ihren privaten Interessen. Die Zone sei ursprünglich für Kantonsschulbauten vorgesehen gewesen, von welchen man seit 1972 gesprochen habe. Seit 1984 stehe fest, dass das Grundstück vom Kanton nicht benötigt werde, doch bestünde seit dreizehn Jahren auch die Absicht, auf der Parzelle Nr. 828 Sportstätten zu errichten. Den Bürgern seien jedoch keine Detailpläne vorgelegt worden. Ein so vages öffentliches Interesse, welches die Beschwerdeführer jahrelang an einer baulichen Nutzung ihres Landes hindere, überwiege das private Interesse nicht.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab
Erwägungen
aus folgenden Erwägungen:
1.
Die Beschwerdeführer sind als Eigentümer der Parzelle Nr. 828, deren Antrag auf Umzonung in eine mehrgeschossige Wohnzone letztinstanzlich mit dem angefochtenen Entscheid des Verwaltungsgerichtes abgewiesen wurde, zur staatsrechtlichen Beschwerde wegen Verletzung ihrer verfassungsmässigen Rechte legitimiert. Die von ihnen beantragte Zone für öffentliche Bauten und Anlagen ist zwar bereits im Jahre 1979 in Rechtskraft erwachsen. Doch sind die Beschwerdeführer der Meinung, die Verhältnisse hätten sich erheblich geändert, da seit 1984 feststehe, dass ihre Liegenschaft nicht für Anlagen der Kantonsschule benötigt werde. Als Eigentümer sind die Beschwerdeführer befugt, bei einer erheblichen Änderung der Verhältnisse eine Überprüfung der Planfestsetzung zu verlangen (Art. 21 Abs. 2 des Bundesgesetzes über die Raumplanung vom 22. Juni 1979 [RPG]). Auf ihre staatsrechtliche Beschwerde gegen die Ablehnung ihres bei der Teilrevision des Zonenplanes im Jahre 1986 angemeldeten Umzonungsbegehrens ist demgemäss einzutreten.
2.
Die Zone für öffentliche Bauten und Anlagen führt zu einer öffentlichrechtlichen Eigentumsbeschränkung, die mit der Eigentumsgarantie vereinbar ist, wenn sie sich auf eine klare gesetzliche Grundlage stützt, im überwiegenden öffentlichen Interesse liegt,
BGE 114 Ia 335 S. 338
verhältnismässig ist und voll entschädigt wird, sofern sie einer Enteignung gleichkommt (
BGE 113 Ia 132
E. 7, 364 E. 2,
BGE 111 Ia 26
f. E. 3, 96 E. 2 je mit Hinweisen). Die gesetzliche Grundlage ist nicht bestritten. Desgleichen anerkennen die Beschwerdeführer, dass an sich ein öffentliches Interesse an der Festsetzung einer Zone für öffentliche Bauten und Anlagen besteht. Sie verneinen jedoch ein ausreichend konkretisiertes öffentliches Interesse für die Inanspruchnahme ihrer Parzelle Nr. 828. Nach dem Wegfall des Interesses des Kantons für die Inanspruchnahme ihrer Liegenschaft für Anlagen der Kantonsschule sei das geltend gemachte Interesse der Gemeinde für Sportanlagen zu vage; es vermöge daher ihr privates Interesse an einer baulichen Nutzung ihrer Liegenschaft nicht zu überwiegen.
a) Ob eine Eigentumsbeschränkung im öffentlichen Interesse liegt und ob dieses das entgegenstehende private Interesse überwiegt, prüft das Bundesgericht grundsätzlich frei. Es auferlegt sich jedoch Zurückhaltung, soweit die Beurteilung von einer Würdigung der örtlichen Verhältnisse abhängt, welche die kantonalen Behörden besser kennen und überblicken als das Bundesgericht (
BGE 113 Ia 33
E. 2,
BGE 112 Ia 316
f. E. 3b;
BGE 110 Ia 172
E. 7b aa, je mit Hinweisen).
b) Die Beschwerdeführer stellen nicht in Abrede, dass sich im Gebiet "Untere Weitenzelg" in unmittelbarer Nähe ihrer Liegenschaft sowohl Schulbauten als auch Sportanlagen befinden. Bei der von der Gemeinde im Jahre 1975 eingeleiteten Totalrevision des Zonenplanes stand noch nicht fest, ob die Parzelle der Beschwerdeführer vom Kanton für Bauten und Anlagen der Kantonsschule beansprucht werde. Seit 1984 besteht Klarheit darüber, dass dies nicht zutrifft. Es war jedoch stets auch von einer allfälligen Inanspruchnahme für Sportanlagen der Gemeinde die Rede. Wie die Beschwerdeführer selbst darlegen, werde doch schon seit dreizehn Jahren hiervon gesprochen. Der Wegfall des Interesses des Kantons an einem Liegenschaftserwerb steht dem geltend gemachten Interesse der Gemeinde nicht entgegen. Dass sich Interessen des übergeordneten Gemeinwesens mit Interessen der Gemeinde überschneiden können, ist keineswegs aussergewöhnlich. Der Wegfall des einen Interesses ändert an der Zulässigkeit der Eigentumsbeschränkung nichts, sofern das zweite Interesse genügend ausgewiesen ist.
c) Dass ein öffentliches Werk, für welches die Zone für öffentliche Bauten und Anlagen festgesetzt wird, erst nach Jahren realisiert
BGE 114 Ia 335 S. 339
wird, schliesst das öffentliche Interesse an der Landsicherung nicht aus. Es entspricht vielmehr der Aufgabe der Raumplanung, auf weite Sicht die zweckmässige Nutzung des Bodens festzulegen, um zu einer den Bedürfnissen der Bevölkerung entsprechenden Gestaltung der Siedlungen zu gelangen (
Art. 22quater BV
;
Art. 1 und 3 RPG
). Insbesondere sollen für die öffentlichen oder im öffentlichen Interesse liegenden Bauten und Anlagen sachgerechte Standorte bestimmt werden. Dabei ist darauf zu achten, dass Einrichtungen wie Schulen und Freizeitanlagen für die Bevölkerung gut erreichbar sind (
Art. 3 Abs. 4 RPG
).
Die Beschwerdeführer ziehen aus den von ihnen angeführten Bundesgerichtsentscheiden 88 I 295 f., 94 I 136 ff. und 102 Ia 369 ff. unzutreffende Folgerungen. Die bundesgerichtliche Rechtsprechung hat seit jeher anerkannt, dass das Gemeinwesen die für öffentliche Anlagen benötigten Flächen auf weite Sicht mit entsprechenden Zonenfestsetzungen sichern darf. Im Entscheid 88 I 295 f. hat es festgestellt, dass eine Gemeinde die Flächen, welche sie für Spielplätze, Promenaden, Parkplätze und für grössere Veranstaltungen benötigt, nach dem voraussichtlichen Bevölkerungswachstum der nächsten 30 Jahre berechnen darf (S. 296). Wenn das Raumplanungsgesetz in Art. 15 die Festsetzung der Bauzonen u.a. nach dem voraussichtlichen Bedarf der kommenden fünfzehn Jahre verlangt, so heisst dies nicht, dass die zu planenden öffentlichen Bauten und Anlagen nicht nach den Bedürfnissen einer längeren Periode bemessen werden dürfen.
Art. 18 RPG
erlaubt den Kantonen ausdrücklich, weitere Nutzungszonen vorzusehen und Vorschriften aufzustellen über Gebiete, in denen eine bestimmte Nutzung erst später zugelassen wird. Reservezonen oder Zonen zweiter Etappe stellen solche Zonen dar. Man beachte, dass das Bundesrecht für die künftige Erweiterung eines bestehenden öffentlichen Werkes sogar die Enteignung von Land erlaubt, das innert 25 Jahren zu diesem Zwecke verwendet werden muss (
Art. 102 Abs. 1 lit. b EntG
). Dass im vorliegenden Falle gemäss der Darstellung der Beschwerdeführer seit 1972 vom Landbedarf für die Kantonsschule und seit dreizehn Jahren vom Bedarf für Sportstätten geredet wird, obschon bis heute die entsprechenden Anlagen noch nicht realisiert wurden, steht daher der Festsetzung der Zone für öffentliche Bauten und Anlagen (Reservezone) nicht entgegen.
d) Voraussetzung zur Festsetzung einer Zone für öffentliche Bauten und Anlagen ist freilich, dass das geltend gemachte zukünftige
BGE 114 Ia 335 S. 340
Bedürfnis genügend konkretisiert ist. Das Bedürfnis ist vom Gemeinwesen so genau wie möglich anzugeben, und die Errichtung der öffentlichen Baute bzw. Anlage muss mit einiger Sicherheit zu erwarten sein (
BGE 94 I 136
E. 7b;
102 Ia 369
f. E. 3; nicht publ. Urteil des Bundesgerichts vom 16. Dezember 1987, P., wo gesagt wird, das Bedürfnis sei "mit der grösstmöglichen Genauigkeit" anzugeben). Als unzulässig müsste die Schaffung von Zonen für öffentliche Bauten und Anlagen bezeichnet werden, wenn diese Zonenfestsetzung einzig ein Vorwand dafür wäre, dass sich das Gemeinwesen ausgedehnte Landflächen sichern wollte, um über eine möglichst grosse Handlungsfreiheit für die raumplanerische Gestaltung des Gemeindegebietes zu verfügen (
BGE 88 I 295
). Steht jedoch aufgrund sorgfältiger Analysen und Prognosen, welche gemäss den heute anerkannten Methoden der Raumplanung durchgeführt werden (siehe hiezu MARTIN LENDI/HANS ELSASSER, Raumplanung in der Schweiz, eine Einführung, 2. Aufl. 1986, insbesondere S. 243 ff.), fest, dass der geltend gemachte Landbedarf für bestimmte öffentliche Bedürfnisse ausgewiesen ist, so ist die Festsetzung der Zone für öffentliche Bauten und Anlagen nicht zu beanstanden.
e) Im vorliegenden Fall ergibt sich entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer aus den Akten mit genügender Deutlichkeit, dass die von der Gemeinde Romanshorn durchgeführte Sportstättenplanung den gesetzlichen Anforderungen, welche an die Raumplanung zu stellen sind, entspricht. Zu verweisen ist namentlich auf den Bericht des Sportamtes des Kantons Thurgau vom 25. Juni 1985. Die vom Sportamt vorgenommene Überprüfung der von der Gemeinde bereits im Jahre 1975 durchgeführten Sportstättenplanung gelangte zur Bestätigung der richtigen Bemessung des Gesamtflächenbedarfs sowie auch zur Feststellung, dass diese Fläche mit den zur Verfügung stehenden Grundstücken nicht vollumfänglich erreicht wird. Die Gemeinde hat in der Folge ihre Sportstättenplanung für die Ortsplanungsrevision 1987 überarbeitet und dabei sowohl die vorhandenen als auch die noch fehlenden Anlagen möglichst genau genannt. Dass diese Anlagen vorzugsweise in Zentren zusammengefasst werden sollen, liegt auf der Hand. Das Gebiet "Untere Weitenzelg" eignet sich diesbezüglich besonders gut, da es zentral gelegen ist und somit dem raumplanerischen Grundsatz entspricht, dass entsprechende Einrichtungen für die Bevölkerung gut erreichbar sein sollen (
Art. 3 Abs. 4 lit. b RPG
). | public_law | nan | de | 1,988 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
1892bff5-0ac0-4358-921c-89e86a61c4c9 | Urteilskopf
107 II 264
40. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour civile du 1er juin 1981 dans la cause Caisse de retraite de Zyma S.A. c. Loup (recours de droit public) | Regeste
Art. 8 BMM
und 5 VMM,
Art. 20 BMM
. Mietvertrag, Anfechtung neuer Nebenkosten.
Mitteilung gemäss
Art. 20 BMM
einer auf Ende des Mietvertrags in Kraft tretenden Zusatzbestimmung, die eine Beteiligung des Mieters an einer öffentlichen Abgabe für die Kehrichtsabfuhr vorsieht. Formelle Gültigkeit einer solchen Bestimmung. | Sachverhalt
ab Seite 265
BGE 107 II 264 S. 265
A.-
a) Paul Loup est locataire, selon contrat du 3 avril 1974, d'un appartement dans un immeuble appartenant à la Caisse de retraite de Zyma S.A., à Nyon.
b) L'art. 66 de la loi vaudoise sur la protection des eaux contre la pollution, du 17 septembre 1974, autorise les communes à prélever une taxe d'enlèvement des ordures. La commune de Nyon a décidé, par règlement du 15 mars 1976 entré en vigueur le 1er juillet 1976, de prélever une taxe pour l'enlèvement des ordures, imposée aux propriétaires de bâtiments à raison de 0,5% de la valeur du bâtiment, selon l'état de propriété au 1er janvier. Cette taxe est uniquement destinée à assurer la couverture des frais occasionnés par l'enlèvement et le traitement des ordures (art. 8 du règlement).
B.-
Le 14 juin 1978, la Caisse de retraite de Zyma S.A. a adressé à Loup le compte général de chauffage et d'eau chaude pour la période du 1er mai 1977 au 30 avril 1978, incluant le montant de Fr. 993.20 à titre de taxe annuelle d'enlèvement des ordures, pour tout l'immeuble, ainsi que le compte personnel de chauffage et d'eau chaude du locataire pour cette période.
Loup a vainement demandé à la bailleresse la restitution de ce qui lui avait été retenu comme participation à la taxe pour enlèvement des ordures. Il a ouvert action en paiement de Fr. 45.60 avec intérêt. Sa demande a été admise par jugement du 2 décembre 1978 du juge de paix du cercle de Nyon, confirmé le 27 mars 1979 par la Chambre des recours du Tribunal cantonal vaudois. Ces jugements sont motivés en substance par la considération que le propriétaire, débiteur de la commune pour le paiement de la taxe d'enlèvement des ordures, ne dispose en l'espèce d'aucune clause contractuelle lui permettant d'exiger du preneur le remboursement de cette taxe.
BGE 107 II 264 S. 266
C.-
Le 18 juillet 1979, la bailleresse a notifié au preneur, sur la formule officielle prévue à cet effet, la "nouvelle prétention" suivante:
"Prétentions.
Désignation: Clause complémentaire au contrat: le locataire participe au paiement des taxes publiques, notamment de la taxe sur l'enlèvement des ordures prélevée par la commune de Nyon. Le propriétaire présente un décompte concernant la répartition de cette charge établi sur la base du volume des locaux loués. La part du locataire pourra être portée dans le compte de chauffage sous la rubrique "divers".
Entrée en vigueur: Echéance de votre contrat de bail.
Motifs: Suite à la décision de la chambre des recours du Tribunal cantonal, du 26 mars 1979, application des
art. 8 AMSL
et 5 OSL."
Loup ayant contesté cette prétention, la bailleresse a demandé à l'autorité judiciaire de prononcer qu'elle n'était pas abusive et qu'elle entrerait en vigueur le 1er août 1980.
Par jugement du 19 août 1980, le président du Tribunal du district de Nyon a rejeté cette demande et constaté que la taxe litigieuse ne pouvait faire l'objet d'un décompte séparé selon notification du 18 juillet 1979. Ce jugement a été confirmé le 4 novembre 1980 par la Chambre des recours du Tribunal cantonal vaudois. Celle-ci considère en bref que les
art. 8 AMSL
et 5 OSL permettent seulement au bailleur, à qui échoit une charge nouvelle non prévue initialement, de proposer au preneur une augmentation de loyer, en respectant le délai de résiliation; ils lui interdisent de proposer, dans le même délai, une modification du bail introduisant une clause contractuelle selon laquelle ces nouveaux frais devraient être payés par le preneur; la présomption de l'
art. 263 al. 1 CO
"s'applique pleinement" faute de règlement conventionnel de la question entre parties.
D.-
Agissant par la voie du recours de droit public, la Caisse de retraite de Zyma S.A. requiert le Tribunal fédéral de réformer l'arrêt du 4 novembre 1980 en ce sens que sa demande est admise, subsidiairement d'annuler l'arrêt attaqué et de renvoyer la cause à la juridiction cantonale. Elle se plaint d'une violation des
art. 4 et 22ter Cst.
Le Tribunal fédéral admet le recours, dans la mesure où il est recevable, et annule l'arrêt attaqué.
Erwägungen
Extrait des Considérants:
2.
a) La commune de Nyon fait partie des communes soumises à l'arrêté fédéral du 30 juin 1972 qui institue des mesures
BGE 107 II 264 S. 267
contre les abus dans le secteur locatif (ci-après: AMSL ou arrêté fédéral), en vertu de l'ordonnance du Conseil fédéral du 11 décembre 1978 désignant ces communes.
Selon le droit commun, le loyer est la prestation principale du preneur, correspondant à la remise de l'usage d'une chose par le bailleur (
art. 253, 262 CO
). Lorsque le bailleur fournit des prestations accessoires (par exemple, dans le bail immobilier, le chauffage et l'eau chaude), le prix de ces services peut être inclus dans le montant du loyer ou faire l'objet de suppléments à celui-ci; le choix du mode de rétribution relève de la liberté des contrats (
ATF 63 II 381
; SCHMID, n. 12 ss ad art. 262).
Pour les baux immobiliers soumis à l'arrêté fédéral, les
art. 8 AMSL
et 5 OSL réservent en principe l'accord des parties; ils le limitent cependant en ce sens que lorsque les frais accessoires sont à la charge du preneur en vertu du bail, seuls les frais effectifs peuvent être demandés. Cette solution peut être dans l'intérêt de l'une ou l'autre partie; elle exclut que le preneur soit chargé de frais surfaits (RAISSIG, Massnahmen gegen Missbräuche im Mietwesen, p. 22; GMÜR/CAVIEZEL, Mietrecht-Mieterschutz, p. 126 s.; R. MÜLLER, der Bundesbeschluss über Massnahmen gegen Missbräuche im Mietwesen, thèse Zurich 1976, p. 100 ss; M. HAURI, Der missbräuchliche Mietzins, thèse Zurich 1979, p. 80).
La question qui se pose ici est de savoir si, formellement, le bailleur peut également, en respectant le délai de résiliation, proposer une modification du bail dans le sens d'une répartition différente entre ce qui est exigé d'une part comme loyer, d'autre part comme frais accessoires, cela dans le cadre des art. 18 à 20 AMSL.
b) Les
art. 8 AMSL
et 5 OSL, appliqués par le Tribunal cantonal, visent l'hypothèse d'un règlement de comptes pour frais accessoires en cours de bail, et non pas une offre de modifier le contenu du bail formulée en respectant les modalités de résiliation du contrat. Le texte de ces dispositions ne permet pas une autre interprétation.
c) L'examen du système et des dispositions particulières de l'arrêté fédéral montre qu'il n'interdit pas, dans la forme, une telle modification.
Fondé sur l'
art. 37septies Cst.
, cet arrêté n'entend instaurer ni une réglementation autoritaire en tous points du contenu du bail immobilier, ni un contrôle des prix, mais un système destiné à lutter contre les abus dans
BGE 107 II 264 S. 268
le domaine des loyers et du logement (
art. 1er AMSL
). Sous réserve des dispositions impératives qu'il contient, il n'entame pas la liberté des contrats consacrée par l'
art. 19 CO
(FF 1972 I p. 1222; SCHMID, n. 31 ad art. 262; RAISSIG, op.cit., p. 5 ss; SCHÜRMANN/STÖCKLI/ZWEIFEL, Das Mietrecht in der Schweiz, p. 31; MÜLLER, op.cit., p. 49 ss; HAURI, op.cit., p. 62 ss).
L'
art. 5 AMSL
indique quelles dispositions du Code des obligations sont de droit impératif. Parmi elles ne figure pas l'
art. 263 CO
qui règle la répartition des frais, charges et réparations; cette matière est réservée à la libre convention des parties (cf. à ce sujet FF 1972 I p. 1231 et MÜLLER, op.cit., p. 97 et références).
En ce qui concerne le loyer, l'
art. 18 AMSL
autorise formellement le bailleur à en proposer la modification, à condition de respecter le délai de résiliation, et sous réserve d'examen matériel de la hausse.
Selon l'
art. 20 AMSL
, le bailleur peut aussi présenter au preneur "d'autres prétentions" qu'une majoration du loyer, cette expression ayant un sens plus étendu que les "autres prétentions abusives" visées par l'
art. 16 AMSL
(RAISSIG, op.cit., p. 41); elle comprend aussi les autres prétentions "non abusives". Ces prétentions sont soumises à la procédure d'examen prévue par les
art. 18 et 20 AMSL
. Il ressort également a contrario de l'
art. 12 OSL
que, formellement, des modifications de contrat sont possibles sur d'autres points.
Si les
art. 7 et 8 AMSL
et 5 OSL s'en remettent à l'accord des parties pour définir les frais inclus dans le loyer ou, le cas échéant, dans une rétribution spéciale pour frais accessoires, on ne voit pas pour quelle raison les parties au contrat devraient par la suite être privées de la faculté de modifier leur accord sur ce point.
Une telle modification ne met pas non plus le preneur à la merci d'une hausse abusive de la charge financière qui lui est imposée car, matériellement, l'arrêté fédéral contient des dispositions qui empêchent de tels abus. On peut seulement se demander, vu la rédaction imprécise de l'arrêté fédéral et de l'ordonnance, s'il faut appliquer les
art. 16 AMSL
et 12 OSL (autres prétentions abusives) ou les
art. 14 et 15 AMSL
en relation avec l'art. 18 (majoration de loyer) ou avec l'art. 20 (autres prétentions). C'est cette dernière solution qui doit être retenue, l'
art. 16 AMSL
étant réservé à des opérations qui en elles-mêmes sont abusives (actes d'exploitation, "Umgehungsgeschäfte", etc.). Lorsque le bailleur invoque une hausse de coûts ou des prestations supplémentaires en faveur
BGE 107 II 264 S. 269
du preneur (
art. 15 al. 1 lettre b AMSL
), comme en l'espèce, il convient seulement d'examiner si la prétention n'a pas pour effet une majoration abusive du loyer (cf. dans le même sens SCHMID, n. 17 ad art. 262, et GMÜR/CAVIEZEL, p. 105 et 127, à propos de la modification du montant forfaitaire convenu pour les frais accessoires).
d) La recourante a utilisé la formule officielle de "notification de nouvelles prétentions" prévue par les
art. 20 AMSL
et 13 al. 1 lettre b OSL. Il n'est pas contesté que, du point de vue formel, cette notification réponde aux dispositions légales.
e) Insoutenable, parce que fondé sur des dispositions manifestement inapplicables et violant un principe juridique incontesté, l'arrêt attaqué est arbitraire et doit partant être annulé. Il n'est pas nécessaire d'examiner si le Tribunal cantonal est également tombé dans l'arbitraire en contestant la validité d'un procédé qu'il avait indiqué à la recourante dans son arrêt du 27 mars 1979 rendu entre les mêmes parties.
Il appartiendra à l'autorité cantonale de juger si la prétention du bailleur est matériellement fondée, ce que le preneur conteste. | public_law | nan | fr | 1,981 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
1895b24b-bc4d-443f-b9e0-1da77957d2d9 | Urteilskopf
105 Ib 145
22. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 29. Juni 1979 i.S. Hardt gegen Regierungsrat des Kantons Zürich (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Erwerb des Schweizer Bürgerrechts (
Art. 5 Abs. 1 lit. a und
Art. 57 Abs. 6 BüG
).
Eine gestützt auf
Art. 27 BüG
erleichtert eingebürgerte Mutter gilt als "Schweizer Bürgerin von Abstammung" im Sinn von Art. 5 Abs. 1 lit. a und 57 Abs. 6 BüG. | Sachverhalt
ab Seite 145
BGE 105 Ib 145 S. 145
Eveline Hardt-Taubert wurde am 21. Juli 1951 als deutsche Staatsangehörige in Zürich geboren. Am 24. Mai 1962 wurde sie gemäss Art. 27 des Bundesgesetzes über den Erwerb und Verlust des Schweizer Bürgerrechts vom 29. September 1952 (BüG) erleichtert eingebürgert. Am 16. Juni 1972 heiratete sie den deutschen Staatsangehörigen Karl Heinz Ulrich Helmut Hardt; sie erklärte, das Schweizer Bürgerrecht beibehalten zu wollen. In der Ehe wurden bisher zwei Kinder geboren, nämlich Marc-Oliver Wolfgang am 2. August 1974 in Zürich und Silvan Claude-Noël am 19. Juli 1977 in Zürich. Die Mutter von Eveline Hardt-Taubert, Edith Lydia Taubert-Hasler, geboren am 1. September 1926, von Zürich und Männedorf, hatte am 7. März 1951 den deutschen Staatsangehörigen Walter Hermann Leopold Taubert
BGE 105 Ib 145 S. 146
geheiratet und dabei nach dem damals geltenden Recht das Schweizerbürgerrecht verloren. Am 6. Mai 1953 wurde die Mutter aufgrund des 1952 geänderten BüG wieder in das Schweizerbürgerrecht aufgenommen.
Am 10. April 1978 beantragten die beiden Kinder Marc-Oliver Wolfgang und Silvan Claude-Noël Hardt, vertreten durch ihre Eltern, gemäss
Art. 57 Abs. 6 BüG
die Anerkennung als Schweizer Bürger. Sie führten aus, dass die Mutter von Abstammung Schweizer Bürgerin sei und dass die Eltern zur Zeit der Geburt des ersten Kindes ihren Wohnsitz in Zollikofen und des zweiten Kindes in Dürnten hatten. Die Direktion des Innern des Kantons Zürich wies das Begehren ab. Der Rekurs an den Regierungsrat blieb ohne Erfolg. Beide kantonalen Instanzen vertraten die Ansicht, dass die Mutter nicht von Abstammung Schweizer Bürgerin sei.
Gegen den Entscheid des Regierungsrates des Kantons Zürich vom 31. Januar 1979 erheben Marc-Oliver Wolfgang und Silvan Claude-Noël Hardt Verwaltungsgerichtsbeschwerde und verlangen die Anerkennung als Schweizer Bürger. Der Regierungsrat des Kantons Zürich und das Eidg. Justiz- und Polizeidepartement beantragen die Abweisung der Beschwerde. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Gemäss
Art. 57 Abs. 6 BüG
kann das Kind eines ausländischen Vaters und einer Mutter, die "von Abstammung Schweizerbürgerin" ("d'origine suisse", "svizzera d'origine") ist, bis Ende 1978 (AS 1977 237 264) die Anerkennung als Schweizer Bürger beantragen, sofern seine Eltern zur Zeit der Geburt ihren Wohnsitz in der Schweiz hatten. Diese Übergangsbestimmung entspricht inhaltlich dem am 25. Juni 1976 neu eingeführten
Art. 5 Abs. 1 lit. a BüG
, der bestimmt, dass das Kind einer schweizerischen Mutter und ihres ausländischen Ehemannes von Geburt an das Kantons- und Gemeindebürgerrecht der Mutter und damit das Schweizer Bürgerrecht erwirbt, wenn die Mutter "von Abstammung Schweizer Bürgerin" ("d'origine suisse", "svizzera d'origine") ist, und die Eltern zur Zeit der Geburt in der Schweiz ihren Wohnsitz haben.
BGE 105 Ib 145 S. 147
Im vorliegenden Fall ist streitig, ob die Mutter der Beschwerdeführer von Abstammung Schweizer Bürgerin sei. Das Bundesgericht hat die Bedeutung dieser Vorschrift in
BGE 105 Ib 50
ff. geprüft und erkannt, dass diejenige Mutter von Abstammung Schweizer Bürgerin ist, die das Bürgerrecht von Gesetzes wegen von ihrem Vater oder ihrer Mutter erworben hat oder die durch behördlichen Beschluss aufgrund des Kindesverhältnisses zu ihrem Vater oder ihrer Mutter Schweizerin geworden ist. Gestützt auf diesen Grundsatz nahm das Gericht an, dass in jenem Fall die Mutter im Sinne von
Art. 57 Abs. 6 BüG
"von Abstammung Schweizer Bürgerin" war, weil sie in die Einbürgerung ihrer Eltern einbezogen worden war und daher das Bürgerrecht von Gesetzes wegen von ihren Eltern erworben hatte.
Die Mutter der Beschwerdeführer im heutigen Verfahren wurde seinerzeit gemäss
Art. 27 BüG
erleichtert eingebürgert und es stellt sich die Frage, ob auch sie als "Schweizer Bürgerin von Abstammung" zu gelten hat. Sie konnte damals erleichtert eingebürgert werden, weil ihre Mutter (die Grossmutter der Beschwerdeführer) gebürtige Schweizerin war und sie selber mehr als 10 Jahre in der Schweiz gelebt hatte, in der Schweiz wohnte und das Gesuch um erleichterte Einbürgerung vor Vollendung des 22. Lebensjahres stellte (
Art. 27 BüG
). Voraussetzung der erleichterten Einbürgerung war demnach zunächst, dass die Mutter der Beschwerdeführer Kind einer gebürtigen Schweizerin war. Damit wurde die erleichterte Einbürgerung der Mutter an das Schweizer Bürgerrecht der Grossmutter der Beschwerdeführer geknüpft. Die Mutter erwarb daher ihr Bürgerrecht seinerzeit durch behördlichen Beschluss aufgrund ihres Kindesverhältnisses zu einer gebürtigen Schweizerin. Für die seinerzeitige erleichterte Einbürgerung mussten freilich noch weitere Voraussetzungen, insbesondere eine gewisse Wohnsitzdauer, erfüllt sein. Es genügt indessen, dass eine wesentliche Einbürgerungsvoraussetzung an das Kindesverhältnis geknüpft war, um anzunehmen, dass die Mutter der Beschwerdeführer "von Abstammung Schweizerin" ist.
Die Beschwerdeführer müssen daher als Schweizer Bürger anerkannt werden, sofern sich der Wohnsitz der Eltern zur Zeit ihrer Geburt in der Schweiz befand. Die kantonalen Behörden hatten aufgrund ihrer rechtlichen Erwägungen keine Veranlassung, diese Frage zu prüfen, und aus den Akten kann nicht mit Sicherheit entnommen werden, ob diese zweite Voraussetzung
BGE 105 Ib 145 S. 148
erfüllt ist. Die Sache muss daher an den Regierungsrat zu neuer Überprüfung und neuem Entscheid zurückgewiesen werden. | public_law | nan | de | 1,979 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
18979119-0220-4ea4-b618-df3783129153 | Urteilskopf
114 II 167
27. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 23. Februar 1988 i.S. Frei gegen Staat Zürich (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Einspruch gegen den Verkauf einer landwirtschaftlichen Liegenschaft (
Art. 19 Abs. 1 EGG
).
Kauf eines landwirtschaftlichen Grundstücks durch einen Kiesausbeutungsunternehmer in der Absicht, es zur Nutzung dem Pächter einer Parzelle zu überlassen, die gegen kieshaltigen Boden eingetauscht werden soll: Tatbestand von
Art. 19 Abs. 1 lit. a EGG
(Spekulation) in Anbetracht der konkreten Umstände bejaht. | Sachverhalt
ab Seite 168
BGE 114 II 167 S. 168
Die Erben des Walter Landolt-Wyss sind Eigentümer des in der Landwirtschaftszone der Gemeinde Kleinandelfingen gelegenen Grundstücks Kat. Nr. 162 (177,28 Aren Wiesen und Acker). Durch einen am 3. April 1987 öffentlich beurkundeten Vertrag verkauften sie das Grundstück zum Preis von Fr. 398'880.-- (d.h. für Fr. 22.50 je m2) an Hansjörg Frei-Saller, Inhaber eines Kieswerks mit Kiesaufbereitungs- und Betonherstellungsanlage auf dem Gebiet der Gemeinden Kleinandelfingen und Marthalen.
Am 24. April 1987 erhob das Landwirtschaftsamt des Kantons Zürich gestützt auf
Art. 19 Abs. 1 lit. a EGG
Einspruch gegen dieses Rechtsgeschäft. Hansjörg Frei-Saller widersetzte sich dem Einspruch.
In Gutheissung der Klage des Landwirtschaftsamtes bestätigte das Landwirtschaftsgericht des Kantons Zürich am 3. September 1987 den Einspruch gegen den Verkauf des Grundstücks Kat. Nr. 162.
Gegen dieses Urteil hat Hansjörg Frei-Saller Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht erhoben mit dem Antrag, jenes sei aufzuheben und der Einspruch des Staates Zürich gegen den Verkauf des Grundstücks Kat. Nr. 162 an ihn sei zu beseitigen.
Während das Landwirtschaftsgericht auf eine Vernehmlassung verzichtet hat, schliesst das kantonale Landwirtschaftsamt auf Abweisung der Beschwerde.
Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement vertritt ebenfalls die Auffassung, die Beschwerde sei abzuweisen.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
Gemäss dem vom Staat Zürich angerufenen
Art. 19 Abs. 1 lit. a EGG
kann gegen Kaufverträge über landwirtschaftliche Heimwesen und landwirtschaftliche Liegenschaften Einspruch erhoben werden, wenn der Käufer diese offensichtlich zum Zweck der Spekulation oder des Güteraufkaufs erwirbt. Was unter offensichtlicher
BGE 114 II 167 S. 169
Spekulation zu verstehen ist, beurteilt sich nach Sinn und Zweck des landwirtschaftlichen Bodenrechts (vgl.
BGE 90 I 271
), wobei die gesamten Umstände des einzelnen Falles zu berücksichtigen sind. Das EGG will unter anderem den bäuerlichen Grundbesitz als Träger eines gesunden und leistungsfähigen Bauernstandes schützen und die Bodennutzung fördern (vgl. Art. 1). Ein Mittel, dieses Ziel zu erreichen, ist, zu verhindern, dass landwirtschaftlich genutzter Boden (in der Regel unter Bezahlung eines entsprechend höheren Preises) zu anderen als landwirtschaftlichen Zwecken erworben wird. In der Gesetzgebung hat dieses Bestreben nicht nur in der Möglichkeit des Einspruchs gegen Kaufverträge betreffend landwirtschaftliche Liegenschaften im Sinne von
Art. 19 EGG
, sondern etwa auch in der Beschränkung der Vertragsfreiheit gemäss
Art. 218 Abs. 1 OR
(Sperrfrist) seinen Niederschlag gefunden.
Im Gegensatz zu den beiden andern Tatbeständen von
Art. 19 Abs. 1 EGG
(lit. b und c) gilt der Einspruchsgrund der Spekulation bzw. des Güteraufkaufs gemäss lit. a in dem Sinne uneingeschränkt, als keine Rechtfertigungsgründe vorbehalten sind. Die Interessen des Beschwerdeführers wie auch diejenigen der übrigen durch den Einspruch des Staates Zürich hier unmittelbar oder mittelbar betroffenen Personen sind demnach von vornherein unerheblich. Dass der in Frage stehende Grundstückkauf für die Weiterführung des Betriebs des Beschwerdeführers von Bedeutung ist, spielt bei der Beurteilung des Einspruchs mit anderen Worten keine Rolle.
2.
Spekulation im Sinne der Landwirtschaftsgesetzgebung liegt gemäss der Rechtsprechung des Bundesgerichts vor, wenn mit dem Erwerb eines Grundstücks ein Gewinn durch Weiterveräusserung innert kurzer Zeit oder durch andere Verwendung des bisher landwirtschaftlich genutzten Bodens, insbesondere durch Erstellen von Miethäusern und Vermietung von Wohnungen, angestrebt wird (vgl.
BGE 110 II 217
E. 5a mit Hinweisen). Das gilt auch dann, wenn zwischen dem in Frage stehenden Rechtsgeschäft und dem verpönten Erfolg nur ein mittelbarer Zusammenhang besteht. So hielt das Bundesgericht schon in
BGE 88 I 334
E. 2 den Tatbestand der Spekulation für erfüllt in einem Fall, da ein Bauunternehmen landwirtschaftlichen Boden erwarb in der Absicht, ihn in der Folge gegen Bauland zu tauschen. Zum gleichen Ergebnis gelangte die erkennende Abteilung kürzlich, als es um ein landwirtschaftliches Grundstück gegangen war, das ein Kiesunternehmen
BGE 114 II 167 S. 170
in der Erwartung erworben hatte, es zu einem späteren Zeitpunkt als Realersatz anbieten zu können und damit seine Stellung in künftigen Verhandlungen über den Erwerb von kieshaltigem Boden zu verstärken (
BGE 113 II 537
E. 3). Ähnlich liegen die Dinge hier:
a) Zwar soll das Grundstück Kat. Nr. 162 nicht gekauft werden, um zu gegebener Zeit gegen kieshaltiges Land abgetauscht werden zu können; der Beschwerdeführer will es zur (landwirtschaftlichen) Nutzung dem Pächter des zur Zeit noch ihm gehörenden Grundstücks Kat. Nr. 1349 (im Halte von 158,92 Aren) in Marthalen überlassen; damit strebt er weiter an, dieses Land gestützt auf den mit Paul Spalinger bereits abgeschlossenen Vertrag frei vom bestehenden Pachtverhältnis gegen das für den Kiesabbau benötigte, ebenfalls in Marthalen gelegene Grundstück Kat. Nr. 1017 (im Halte von 50,81 Aren) tauschen zu können. Für den in Frage stehenden Boden (Parzelle Kat. Nr. 162) wurde mit Fr. 22.50 je m2 ein Kaufpreis vereinbart, der deutlich über dem liegt, was für einen Landwirt tragbar ist. Nach den Angaben der Verkäufer der strittigen Parzelle werden im Zürcher Weinland für entsprechendes Land von Bauern Fr. 15.-- bis Fr. 17.-- je m2 bezahlt, nach denjenigen des Beschwerdeführers liegt das Niveau für gutes landwirtschaftliches Kulturland in Kleinandelfingen bei über Fr. 20.-- je m2. Der Beschwerdeführer räumt jedoch selbst ein, dass er mit dem Pachtertrag, der sich auf dem Grundstück Kat. Nr. 162 werde erzielen lassen, seine Kapitalkosten bei weitem nicht werde decken können. Seine Bereitschaft, den für landwirtschaftlichen Boden überhöhten Preis zu zahlen, lässt sich vernünftigerweise nur damit erklären, dass ihm daran gelegen ist, durch den Erwerb von Ersatzland für den bisherigen Pächter des Grundstücks Kat. Nr. 1349 die Unannehmlichkeiten aus dem Weg zu räumen, die der Vollzug des mit Paul Spalinger abgeschlossenen Tauschvertrags - d.h. letztlich der Erwerb der für den Kiesabbau bestimmten Parzelle - andernfalls mit sich bringen würde. Der Beschwerdeführer erklärt denn auch, dass er die strittige Parzelle allein zur Sicherung und Konsolidierung seines Kieswerks erwerben wolle.
Wohl steht der Kaufvertrag über das Grundstück Kat. Nr. 162 rechtlich in keinem und auch sonst nur in einem losen Zusammenhang mit dem Tauschgeschäft betreffend die Grundstücke Kat. Nrn. 1017 und 1349. Das strittige Rechtsgeschäft ist indessen in Würdigung sämtlicher Umstände zu beurteilen. Werden somit die
BGE 114 II 167 S. 171
Interessen des Beschwerdeführers und die wirtschaftlichen Auswirkungen des Kaufvertrags in ihrer Gesamtheit in Betracht gezogen, so erscheint der Tatbestand von
Art. 19 Abs. 1 lit. a EGG
(Spekulation) als erfüllt.
b) Aus dem Gesagten erhellt, dass der verpönte Erfolg bereits aufgrund einer pachtweisen Übertragung des Nutzungsrechts am fraglichen Land (Kat. Nr. 162) eintreten würde. Der Einwand des Beschwerdeführers, er habe nicht die Absicht, das Grundstück, das ohnehin der Veräusserungsbeschränkung gemäss
Art. 218 Abs. 1 OR
(Sperrfrist) unterstehe, in absehbarer Zeit weiterzuveräussern, stösst deshalb ins Leere. Den Kern der Sache verkennt der Beschwerdeführer ebenso mit seinem weiteren Vorbringen, die Betrachtungsweise des Landwirtschaftsgerichts habe zur Folge, dass nur noch Landwirte landwirtschaftliches Kulturland erwerben könnten: Es geht in
Art. 19 Abs. 1 lit. a EGG
nicht um die Person des Erwerbers eines landwirtschaftlichen Grundstücks, sondern darum, ob das Rechtsgeschäft in seinen Auswirkungen den Zielsetzungen des landwirtschaftlichen Bodenrechts entgegenstehe.
... | public_law | nan | de | 1,988 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
18a3483c-4c4e-4842-af2d-1a09a4146fff | Urteilskopf
122 V 256
37. Urteil vom 17. Mai 1996 i.S. Öffentliche Arbeitslosenkasse des Kantons Solothurn gegen B. und Versicherungsgericht des Kantons Solothurn | Regeste
Art. 8 Abs. 1 lit. e,
Art. 9 Abs. 3,
Art. 13 Abs. 1 AVIG
,
Art. 11 Abs. 1 und 2 AVIV
.
- Eine Aufrundung der als Beitragszeit anrechenbaren Kalendertage auf die gesetzliche Mindestbeitragszeit fällt auch dann nicht in Betracht, wenn diese nur um den Bruchteil eines Tages nicht erreicht wird.
- Umrechnung von Beschäftigungstagen in Kalendertage. Ermittlung des Umrechnungsfaktors. | Sachverhalt
ab Seite 257
BGE 122 V 256 S. 257
A.-
Der 1938 geborene B. arbeitete ab 1. Mai 1988 bis 30. Juni 1992 als Konstrukteur in der Firma X. Anschliessend war er in seinem neueröffneten Konstruktionsbüro als Selbständigerwerbender tätig.
Am 14. Dezember 1993 meldete sich B. bei der Arbeitslosenversicherung zum Leistungsbezug an und machte für die Zeit ab 1. Januar 1994 Taggelder geltend. Montag, den 3. Januar 1994, unterzog er sich erstmals der Stempelkontrolle. Die Öffentliche Arbeitslosenkasse des Kantons Solothurn setzte deshalb den Beginn der Rahmenfrist für die Beitragszeit auf den 3. Januar 1992 fest und lehnte in der Folge das Leistungsbegehren mit Verfügung vom 3. März 1994 mangels Erfüllung der gesetzlich vorgesehenen Mindestbeitragszeit ab.
B.-
Beschwerdeweise beantragte B. die Aufhebung der Ablehnungsverfügung vom 3. März 1994 und die Anerkennung seiner Anspruchsberechtigung. - Das Versicherungsgericht des Kantons Solothurn stellte fest, der Leistungsansprecher erfülle die erforderliche sechsmonatige Beitragszeit innerhalb der ab 3. Januar 1992 bis 2. Januar 1994 dauernden zweijährigen Rahmenfrist nur unter der Voraussetzung, dass der Monat Januar 1992 als voller Beitragsmonat angerechnet werden könne; bei "wörtlicher Gesetzesauslegung" hingegen weise er eine Beitragszeit von lediglich 5 Monaten und 29,4 Tagen aus, was für die Anspruchsberechtigung nicht genüge; angesichts der damit bloss "knapp verfehlten" Beitragszeit führe die wörtliche Interpretation aber zu einem unbefriedigenden Ergebnis. Vor diesem Hintergrund erwog das Gericht, der Versicherte habe für den Januar 1992 gleichviel Beiträge geleistet wie die anderen Arbeitnehmer der Firma X, welche am 1. und 2. Januar 1992 ebenfalls nicht gearbeitet hatten; es wäre deshalb "stossend und würde dem Gerechtigkeitsempfinden zuwiderlaufen", wollte man den Monat Januar 1992 nicht als vollen Beitragsmonat anerkennen; das sonst "stossende" Ergebnis erlaube und gebiete es geradezu, ausnahmsweise vom Gesetzeswortlaut abzuweichen. Dementsprechend berücksichtigte das kantonale Gericht den Monat Januar 1992
BGE 122 V 256 S. 258
voll als Beitragsmonat und hiess die Beschwerde mit Entscheid vom 17. August 1994 in dem Sinne gut, dass es die angefochtene Verfügung vom 3. März 1994 aufhob und die Sache zur Prüfung der weiteren Anspruchsvoraussetzungen an die Verwaltung zurückwies.
C.-
Die Arbeitslosenkasse erhebt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Begehren um Aufhebung des kantonalen Entscheids.
B. und das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit (BIGA) verzichten auf eine Stellungnahme.
Erwägungen
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Streitig und zu prüfen ist, ob die für die Anspruchsberechtigung des Beschwerdegegners erforderliche Mindestbeitragszeit als erfüllt gelten kann. Diese Frage beurteilt sich nach Massgabe der Rechtssätze, die im Zeitraum, für welchen Leistungen geltend gemacht werden, Gültigkeit hatten, mithin nach den damals in Kraft stehenden Bestimmungen des Arbeitslosenversicherungsgesetzes (AVIG) und der Arbeitslosenversicherungsverordnung (AVIV).
2.
Zwei wesentliche Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung bestehen gemäss
Art. 8 Abs. 1 AVIG
darin, dass der Versicherte die Beitragszeit erfüllt hat oder von der Erfüllung der Beitragszeit befreit ist (lit. e) und dass er die Kontrollvorschriften erfüllt (lit. g).
a) Aufgrund von
Art. 9 AVIG
gelten für den Leistungsbezug wie auch für die Beitragszeit je zweijährige Rahmenfristen (Abs. 1). Die Rahmenfrist für den Leistungsbezug beginnt am ersten Tag, für den sämtliche Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind (Abs. 2), diejenige für die Beitragszeit zwei Jahre vor diesem Tag (Abs. 3).
Die Beitragszeit im Sinne von
Art. 8 Abs. 1 lit. e AVIG
erfüllt hat gemäss
Art. 13 Abs. 1 AVIG
, wer innerhalb der Rahmenfrist nach
Art. 9 Abs. 3 AVIG
während mindestens sechs Monaten eine beitragspflichtige Beschäftigung ausgeübt hat. Bei der Ermittlung der Beitragszeit zu beachten ist
Art. 11 AVIV
. Nach dessen Absatz 1 zählt als Beitragsmonat jeder volle Kalendermonat, in dem der Versicherte beitragspflichtig ist. Absatz 2 dieser Bestimmung sieht vor, dass Beitragszeiten, die nicht einen vollen Kalendermonat umfassen, zusammengezählt werden (Satz 1), wobei je dreissig Kalendertage als ein Beitragsmonat gelten (Satz 2). Da für die Ermittlung der Beitragszeit somit nicht die Beitragstage - d.h. die Tage, an welchen der Arbeitslose eine beitragspflichtige Beschäftigung ausgeübt hat -,
BGE 122 V 256 S. 259
sondern die Kalendertage massgebend sind, müssen erstere in Kalendertage umgerechnet werden, wozu praxisgemäss ein Umrechnungsfaktor von 1,4 verwendet wird (ARV 1992 Nr. 1 S. 70 Erw. 3; GERHARDS, Kommentar zum Arbeitslosenversicherungsgesetz, Band I, S. 170 f., N. 9 ff. zu
Art. 13 AVIG
; vgl. auch Rz. 52 f. des Kreisschreibens des BIGA über die Arbeitslosenentschädigung).
b) Unter dem Randtitel "Pflichten der Versicherten und Kontrollvorschriften" schreibt
Art. 17 Abs. 2 AVIG
vor, dass sich der Arbeitslose am ersten Tag, für den er Arbeitslosenentschädigung beansprucht, persönlich beim Arbeitsamt seines Wohnortes zur Arbeitsvermittlung zu melden und von da an die Kontrollvorschriften des Bundesrates zu befolgen hat.
Diese Kontrollvorschriften finden sich in den Art. 18 bis 27 AVIV. Nach
Art. 19 Abs. 4 AVIV
macht das Arbeitsamt den Versicherten bei der Anmeldung zum Taggeldbezug auf seine Pflichten gemäss
Art. 17 AVIG
aufmerksam.
Art. 21 Abs. 1 AVIV
verpflichtet den Versicherten, sich entsprechend der Anordnung des Kantons, mindestens aber zweimal wöchentlich, zur Arbeitsvermittlung sowie zur Überprüfung seiner Arbeitslosigkeit und Vermittlungsfähigkeit beim Arbeitsamt persönlich zu melden.
3.
a) Der Beschwerdegegner konnte sich wegen der 1994 auf das Wochenende fallenden ersten zwei Tage des Jahres erstmals am 3. Januar 1994 der Stempelkontrolle unterziehen. Die Arbeitslosenkasse setzte deshalb den Beginn der Rahmenfrist für den Leistungsbezug auf den 3. Januar 1994 und für die Beitragszeit dementsprechend auf den 3. Januar 1992 fest. Wie auch die Vorinstanz richtig erkannte, entspricht dieses Vorgehen der Regelung in
Art. 9 Abs. 2 und 3 AVIG
und lässt sich demnach grundsätzlich nicht beanstanden. Da die in die Rahmenfrist fallende Beitragszeit im Januar 1992 somit nicht im Sinne von
Art. 11 Abs. 1 AVIV
einen vollen Kalendermonat umfasst, ermittelte die Verwaltung ausgehend von den ab 3. bis 31. Januar 1992 kalendermässig ausgewiesenen 21 Beschäftigungstagen unter Anwendung des Umrechnungsfaktors 1,4 (vgl. Erw. 2a) für den Januar 1992 insgesamt 29,4 anrechenbare Kalendertage. Zusammen mit den ab Februar 1992 bis zur Ende Juni 1992 erfolgten Auflösung des Arbeitsverhältnisses in der Firma X voll anrechenbaren fünf Beitragsmonaten ergab sich somit eine Beitragszeit von 5 Monaten und 29,4 Tagen, was mangels Erfüllung der in
Art. 13 Abs. 1 AVIG
verlangten sechsmonatigen Beitragszeit zur Verneinung der Anspruchsberechtigung durch die Verwaltung führte.
BGE 122 V 256 S. 260
b) Da die erforderliche Beitragszeit vorliegend nur um einen Bruchteil eines Tages nicht erreicht wird, wirkt sich die damit als Konsequenz verbundene gänzliche Verneinung der Anspruchsberechtigung für den Beschwerdegegner zweifellos hart aus. Dies umso mehr, als es ihm am 1. und 2. Januar 1994 wegen der an Wochenenden resp. an Feiertagen geschlossenen Schalter gar nicht möglich war, früher zur Stempelkontrolle zu erscheinen und dadurch die Rahmenfrist für die Beitragszeit um einen oder zwei Tage vorzuverschieben, was für die Erfüllung der Beitragszeit bereits genügt hätte. Dass die Vorinstanz unter diesen Umständen nach einem den besonderen Verhältnissen des konkreten Grenzfalles Rechnung tragenden und für den Leistungsansprecher vorteilhafteren Lösungsweg suchte, mag an sich verständlich erscheinen.
c) Zu beachten ist indessen, dass es überall dort, wo gesetzlich festgelegte Limiten zu berücksichtigen sind, zwangsläufig auch zu streng anmutenden Grenzfällen kommen kann, in welchen die geforderten Werte nur um wenig nicht erreicht resp. verfehlt werden. Nicht anders verhält es sich beim Erfordernis der sechsmonatigen Beitragszeit als Anspruchsvoraussetzung für die Arbeitslosenentschädigung. Der Sinn gesetzlicher Limiten liegt aber gerade darin, klar bestimmbare Abgrenzungen zu schaffen. Dieses Bedürfnis besteht in allen Bereichen des Rechts und findet sich in positivrechtlicher Ausgestaltung in vielen Gesetzen, so beispielsweise bei Rechtsmittelfristen oder etwa dem für einen Invalidenrentenanspruch vorausgesetzten prozentualen Erwerbsunfähigkeitsgrad (
Art. 28 Abs. 1 IVG
). Die mit solch präzisen Grenzen verbundenen Härten sind denn in der Regel vom Gesetzgeber im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsgleichheit auch bewusst in Kauf genommen worden (vgl.
BGE 115 V 79
Erw. 4b). Es lässt sich deshalb kaum je rechtfertigen, an klar sich aus dem Gesetz ergebenden Grenzwerten nicht strikte festzuhalten. Mit einer lockereren Handhabung - etwa mittels Auf- oder Abrundens - liesse sich ausser für den konkreten Einzelfall auch kaum etwas gewinnen, würde dadurch doch einzig eine faktische Verschiebung der gesetzlichen Limite erreicht, ohne dass damit neue Grenz- und Härtefälle vermieden werden könnten.
4.
Unter diesem Gesichtswinkel ist im vorliegenden Fall auch die Verneinung der Erfüllung der Beitragszeit durch die Arbeitslosenkasse resp. die zu einem abweichenden Ergebnis führende Argumentation der Vorinstanz einer näheren Betrachtung zu unterziehen.
BGE 122 V 256 S. 261
a) Unbestrittenermassen erschien der Leistungsansprecher erstmals am 3. Januar 1994 zur Stempelkontrolle. Da somit erst an diesem Tag auch die nach
Art. 8 Abs. 1 lit. g AVIG
für die Anspruchsberechtigung vorausgesetzte Kontrollpflichterfüllung gegeben war, sind Vorinstanz und Verwaltung - wie erwähnt - entsprechend der gesetzlichen Regelung in
Art. 9 Abs. 2 AVIG
zu Recht vom 3. Januar 1994 als Stichtag für den Beginn der zweijährigen Rahmenfrist für den Leistungsbezug ausgegangen. Folgerichtig muss dieses Datum aber auch für die Bestimmung des Beginns der zweijährigen Rahmenfrist für die Beitragszeit nach
Art. 9 Abs. 3 AVIG
gelten (vgl. GERHARDS, a.a.O., S. 118, N. 15 zu
Art. 9 AVIG
), so dass diese auf den 3. Januar 1992 fällt.
Es ist kein Anlass ersichtlich, welcher es rechtfertigen liesse, den massgebenden Stichtag einzig im Hinblick auf das dadurch für den Leistungsansprecher erreichbare günstigere Ergebnis entgegen der dargelegten gesetzlichen Ordnung um zwei Tage auf den 1. Januar 1994 vorzuverschieben. Insbesondere lässt sich aus dem Umstand, dass sich der Beschwerdegegner bereits am 14. Dezember 1993 bei der Arbeitslosenversicherung zum Leistungsbezug meldete, nichts Abweichendes ableiten, da für die Festsetzung der Rahmenfristen nach ständiger Rechtsprechung - sofern die übrigen Anspruchsvoraussetzungen gemäss Art. 8 Abs. 1 lit. a bis d und f AVIG gegeben sind - auf den Zeitpunkt abzustellen ist, in welchem sich der Arbeitslose erstmals zur Erfüllung der Kontrollpflicht auf dem Arbeitsamt meldet und sich der Stempelkontrolle unterzieht (ARV 1990 Nr. 13 S. 81 Erw. 4b mit Hinweisen; nicht veröffentlichtes Urteil F. vom 4. August 1993). Grundsätzlich kann die Rahmenfrist für den Leistungsbezug denn auch nur an einem Wochentag von Montag bis Freitag beginnen, da nur an solchen Werktagen die Kontrollpflicht erfüllt werden kann (GERHARDS, a.a.O., S. 118, N. 12 zu
Art. 9 AVIG
). Ebensowenig vermag dem Beschwerdegegner zu helfen, dass sich der Beginn der Rahmenfrist dann, wenn der Beginn der Arbeitslosigkeit auf einen entschädigungsberechtigten Feiertag fällt und sich der Arbeitslose am nächsten möglichen Arbeitstag zur Arbeitsvermittlung meldet, nach diesem Feiertag richtet (ARV 1990 Nr. 13 S. 81 Erw. 4b in fine; GERHARDS, a.a.O., S. 118 f., N. 12 und N. 18 zu
Art. 9 AVIG
). Diese Regelung kann sich im vorliegenden Fall nicht zugunsten des Beschwerdegegners auswirken, weil der Neujahrstag im Jahre 1994 auf einen Samstag und damit nicht auf einen Arbeitstag fiel, so dass er laut
Art. 19 AVIG
nicht als entschädigungsberechtigter Feiertag gilt.
BGE 122 V 256 S. 262
b) Da die Beitragszeit somit erst ab 3. Januar 1992 laufen kann, fallen die beiden ersten Tage des Kalendermonats Januar 1992 nicht in die für die Erfüllung der verlangten sechsmonatigen Beitragszeit zur Verfügung stehende Rahmenfrist. Für die Ermittlung der Beitragszeit können deshalb nur die 21 im restlichen Monat verbleibenden Beschäftigungstage anerkannt werden, welche umgerechnet mit dem Faktor 1,4 unbestrittenermassen eine Beitragszeit von lediglich 29,4 Kalendertagen ergeben. Dies hat die Vorinstanz an sich richtig erkannt. Ihrer Argumentation, wonach der Monat Januar 1992 dennoch als voller Beitragsmonat zu berücksichtigen sei, weil der Leistungsansprecher wie die übrigen Mitarbeiter in der Firma X auf dem gesamten Monatsgehalt Beiträge entrichtet habe, kann nicht gefolgt werden. Die ihr zugrundeliegende Überlegung trägt dem Umstand nicht Rechnung, dass in dem der Beitragspflicht unterliegenden Lohn für den Januar 1992 auch die Entschädigung für zwei ausserhalb der Rahmenfrist für die Beitragszeit liegende Tage enthalten ist, welche nach der gesetzlichen Regelung nicht berücksichtigt werden können. Für eine vom Wortlaut des Art. 13 Abs. 1 in Verbindung mit
Art. 9 Abs. 3 AVIG
in dem von der Vorinstanz erwogenen Sinne abweichende Auslegung besteht - trotz der speziellen Situation des Beschwerdegegners - kein sachlich begründbarer Anlass.
c) Fragen liesse sich noch, ob - entsprechend der Anregung des Leistungsansprechers im vorinstanzlichen Verfahren - "angebrochene Tage" allenfalls als ganze Kalendertage gezählt werden können.
aa) Unter der Geltung des früheren Rechts (
Art. 24 Abs. 2 lit. b AlVG
und Art. 13 in Verbindung mit
Art. 1 AlVV
) hat das Eidg. Versicherungsgericht wiederholt entschieden, es dürfe selbst dann nicht auf die gesetzliche Mindestzahl von (damals) 150 Arbeitstagen aufgerundet werden, wenn diese vom Arbeitslosen nur knapp nicht erreicht wird (ARV 1954 Nr. 23 S. 19 f., 1953 Nr. 60 S. 54; vgl. ferner ARV 1967 Nr. 19 S. 62 und HOLZER, Kommentar zum Bundesgesetz über die Arbeitslosenversicherung, Zürich 1954, S. 114, N. 6b zu
Art. 24 AlVG
). Daran ist auch unter der Herrschaft von
Art. 13 Abs. 1 AVIG
in Verbindung mit
Art. 11 AVIV
festzuhalten. Wollte man anders entscheiden, würde der vom Gesetzgeber verfolgte Zweck, bezüglich des Erfordernisses einer Mindestbeitragsdauer eine klar zu handhabende Abgrenzung zu schaffen, unterlaufen (vgl. Erw. 3c).
bb) Daran ändert nichts, dass nach früherem Recht genügend überprüfbare Arbeitsstunden auszuweisen waren, die jeweils in volle Arbeitstage
BGE 122 V 256 S. 263
umgewandelt wurden, während es im neuen Recht primär auf die formale Dauer des Arbeitsverhältnisses ankommt und nicht mehr darauf, dass die geleisteten Arbeitsstunden tatsächlich volle Arbeitstage ergeben (GERHARDS, a.a.O., S. 169, N. 3 und 4 zu
Art. 13 AVIG
). Indem nach
Art. 13 Abs. 1 AVIG
in Verbindung mit
Art. 11 AVIV
auf den Beitragsmonat abzustellen ist, wird auch Teilzeitbeschäftigten, die nur während sehr weniger Stunden im Kalendermonat einer beitragspflichtigen Beschäftigung nachgehen, ermöglicht, die in
Art. 8 Abs. 1 lit. e AVIG
vorausgesetzte Erfüllung der Beitragszeit zu erreichen, da auch ein bloss stundenweiser Einsatz uneingeschränkt als ganzer Beitragstag im Sinne von
Art. 11 Abs. 2 AVIV
zu berücksichtigen ist (GERHARDS, a.a.O., S. 169 f., N. 5 und 11 zu
Art. 13 AVIG
). Diese gegenüber dem früheren Recht zum Vorteil Teilarbeitsloser gelockerte Anforderung an die Anerkennung von Beitrags- resp. Beschäftigungstagen ist von der zur Diskussion stehenden Aufrundung von Bruchteilen anrechenbarer Kalendertage indessen klar zu unterscheiden. Letztere betrifft lediglich das Ergebnis der Umrechnung mit dem Faktor 1,4 (Erw. 2a). Eine Aufrundung dieser rein rechnerisch ermittelten Grösse lässt sich weder mit dem Gesetzeswortlaut noch mit dem gesetzgeberischen Willen oder dem Sinn und Zweck der die Mindestbeitragsdauer betreffenden Normen begründen.
5.
Obschon somit weder die Argumentation des kantonalen Gerichts noch die Anregung des heutigen Beschwerdegegners im vorinstanzlichen Verfahren zu einem von der Betrachtungsweise der Verwaltung abweichenden Ergebnis führt, kann es im vorliegenden Fall nicht bei der Verneinung der Erfüllung der für den Leistungsanspruch erforderlichen Mindestbeitragszeit sein Bewenden haben.
a) Nachdem eine Anfrage der Vorinstanz bei der Firma X ergeben hat, dass in ihrem Betrieb am 2. Januar 1992 nicht gearbeitet wurde, kann davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdegegner im Januar 1992 an sämtlichen in diesem Monat möglichen Beschäftigungstagen eine beitragspflichtige Tätigkeit ausgeübt hat. Werden diese 21 Tage mit dem - von keiner Seite in Frage gestellten - Faktor 1,4 (Erw. 2a) in Kalendertage umgerechnet, ergeben sich zwar - wie sowohl die beschwerdeführende Arbeitslosenkasse als auch das kantonale Gericht zutreffend festgestellt haben - statt der erforderlichen 30 tatsächlich nur 29,4 als Beitragszeit anrechenbare Tage. Zu beachten ist nun allerdings, dass die Umrechnung mit dem praxisgemäss angewandten und von der Rechtsprechung wiederholt auch unbeanstandet
BGE 122 V 256 S. 264
gelassenen Faktor 1,4 nicht zu einem exakten und deshalb zumindest in Grenzfällen wie dem vorliegenden auch nicht zu einem ohne weiteres richtigen Ergebnis führt. Grundlage für die Ermittlung dieses Faktors bildet nämlich die Umrechnung von 5 wöchentlichen Beitragstagen in 7 Kalenderwochentage (7:5 = 1,4), weshalb dessen Anwendung auch nur so lange ein präzises Resultat vermittelt, als es die pro Woche anrechenbaren Kalendertage zu bestimmen gilt. Gerade dies ist indessen bei der Umrechnung von Beschäftigungstagen in die nach Massgabe von
Art. 11 Abs. 2 AVIV
anrechenbaren Kalendertage nicht der Fall, geht es hier doch um die Ermittlung der im Zeitraum eines Monats erfüllten Beitragszeit. Da die einzelnen Monate anders als eine keine arbeitsfreien Tage aufweisende Normalarbeitswoche nicht gleich viele mögliche Beschäftigungstage aufweisen, müsste an sich der massgebende Umrechnungsfaktor für jeden Monat gesondert ermittelt werden, indem die nach
Art. 11 Abs. 2 AVIV
für die Anerkennung eines vollen Beitragsmonats erforderlichen 30 (fiktiven) Kalendertage durch die jeweils effektiv möglichen Beschäftigungstage geteilt werden. Bei konstanter Umrechnung mit dem Faktor 1,4 wäre die Erreichung der für die Berücksichtigung als voller Beitragsmonat erforderlichen 30 Kalendertage in zahlreichen Monaten trotz Arbeitseinsätzen an sämtlichen möglichen Beschäftigungstagen ausgeschlossen, weil sie - etwa wegen arbeitsfreien Feiertagen - nur eine reduzierte Anzahl möglicher Beschäftigungstage aufweisen. Sicher trifft es zu, dass die Berechnung von für jeden Monat unterschiedlichen Umrechnungsfaktoren mit einem unverhältnismässigen und kaum zu rechtfertigenden Aufwand verbunden wäre. Aus Gründen der Praktikabilität sowie zwecks Ermöglichung einer rationell geführten Verwaltung lässt sich die grundsätzliche Anwendung des Faktors 1,4 denn auch nicht beanstanden, führt dies in der Regel doch zumindest im Ergebnis ohne weiteres zu einem zuverlässigen Resultat, an welchem sich auch mittels genauer errechneter Umrechnungsfaktoren nichts ändern würde. Wird indessen die für einen vollen Beitragsmonat erforderliche Beitragszeit von 30 Kalendertagen - wie im vorliegenden Fall - nur ganz knapp verfehlt, bleibt eine rechtskonforme Behandlung des Versicherten nur gewährleistet, wenn die Verwaltung vor Erlass einer die Erfüllung der Mindestbeitragszeit verneinenden Verfügung die Umrechnung von Beschäftigungstagen in Kalendertage mittels des für die jeweils in Frage stehenden Monate präzis, d.h. durch Division von 30
BGE 122 V 256 S. 265
Kalendertagen durch die effektiv möglichen Beschäftigungstage eruierten Umrechnungsfaktors überprüft.
b) Da der Beschwerdegegner im Januar 1992 mit 21 möglichen Beschäftigungstagen (Erw. 5a) auch an 21 Tagen eine beitragspflichtige Beschäftigung ausübte, sind die Voraussetzungen für die Anerkennung eines vollen Beitragsmonats im Sinne von
Art. 11 Abs. 2 AVIV
automatisch erfüllt. Dies zeigt die Multiplikation des im Sinne der vorstehenden Ausführungen genau ermittelten Umrechnungsfaktors (30 [fiktive] Kalendertage : 21 mögliche Beschäftigungstage = 1,42857... [genau: 1 3/7]) mit den 21 effektiven Beschäftigungstagen (somit 30 : 21 x 21 = 30) ohne weiteres. Im Ergebnis erweist sich der kantonale Entscheid vom 17. August 1994 demnach als rechtmässig, was zur Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde führt. | null | nan | de | 1,996 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
18a36c5e-ea39-4cea-9900-8241ac22f210 | Urteilskopf
94 I 403
55. Urteil vom 3. Mai 1968 i.S. Geldner Rheinlager AG gegen Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft. | Regeste
1.
Art. 2 GSchG
. Zu den zulässigen Massnahmen gehören auch die Ermittlung des Herdes der Verschmutzung und Kontrollbesuche (Erw. 2).
2. Zwangsmassnahmen gemäss
Art. 12 GSchG
:
a) Begriff der sofortigen Ausführung und der antizipierten Ersatzvornahme (Erw. 3);
b) Begriff des Pflichtigen und des Störers (Erw. 4);
c) Die Störereigenschaft kann auch ohne strafrechtliches Verschulden gegeben sein (Erw. 5 a);
d) Kostenauflage bei einer Mehrzahl von Störern (Erw. 5 d);
e) Ersatz der Kosten der Staatsorgane (Erw. 6). | Sachverhalt
ab Seite 404
BGE 94 I 403 S. 404
A.-
Am 4. Januar 1967 waren an der Anlegestelle der Geldner Rheinlager AG Birsfelden - dem "Steiger" - im Rheinhafen von Birsfelden die Frachtschiffe Lugos, Zeelandia und Gallus nebeneinander verankert. Zunächst dem Steiger lag das Schiff "Lugos", in der Mitte die "Zeelandia" und zu äusserst das Tankschiff "Gallus". Am Abend des erwähnten Tages wurde Heizöl aus der "Gallus" ausgelagert. Zu diesem Zweck war eine Druckleitung vom Steiger über die "Lugos" und die "Zeelandia" nach dem Tanker "Gallus" installiert worden. Die Leitung bestand teils aus biegsamen, teils aus starren Rohrstücken. Über die "Zeelandia", welche die höchste Erhebung über dem Wasserspiegel aufwies, war ein starres Rohrstück gelegt. Während des Auspumpens platzte dieses Rohrstück an einer Schweissnaht. Eine nicht genau bestimmte Menge Öl - in einem Polizeirapport vom 25. Januar 1967 ist von 6 bis 8 Tonnen die Rede - floss in den Strom. Weder das Personal der Geldner Rheinlager AG noch die Mannschaft der drei Tanker erstattete Anzeige an die Hafenverwaltung oder die Polizei. Um 19.20 Uhr wurde das Öl beim Kraftwerk Birsfelden wahrgenommen.
BGE 94 I 403 S. 405
Um 20.30 Uhr benachrichtigte der Polizeiposten Birsfelden das kantonaleWasserwirtschaftsamt. Hierauf fuhr der Beamte Vetter zum Kraftwerk Birsfelden. In Zusammenarbeit mit der Wasserpolizei Basel, dem Polizeiposten Muttenz und Birsfelden konnte er die Unfallstelle ermitteln. Er begab sich auch am Morgen des 5. Januar dorthin.
B.-
Auf Grund dieses Tatbestandes und unter Hinweis auf Art. 2 und 12 des Bundesgesetzes vom 16. März 1955 über den Schutz der Gewässer gegen Verunreinigung (GSchG), die Vollziehungsverordnung des Bundesrates vom 28. Dezember 1956 und § 13 der kantonalen Vollziehungsverordnung vom 10. November 1960 erliess die Baudirektion des Kantons Basel-Landschaft am 9. März 1967 folgende Verfügung:
"1. Alle aus der Gewässerverunreinigung für Erhebungen und Untersuchungen entstandenen Kosten gehen zu Lasten der Firma Geldner Rheinlager AG, Hafenstrasse 14, Birsfelden.
2. Für alle eventuell eintretenden Schäden, die erwiesenermassen aus der stattgefundenen Rheinwasserverschmutzung entstehen könnten, haftet die Firma Geldner Rheinlager AG in vollem Umfang.
3. An das Statthalteramt Liestal wurde Anzeige erstattet."
Gegen die Ziffer 1 dieser Verfügung der Baudirektion erhob die Geldner Rheinlager AG am 15. März 1967 Beschwerde beim Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft. Mit Eingabe vom 27. April 1967 begründete sie ihre Beschwerde. Sie erklärte die Unterlassung einer Anzeige an das Hafenbüro oder das Wasserwirtschaftsamt damit, dass der Unfall abends nach Büroschluss eingetreten sei. Gegen die Kostenauflage brachte sie vor, sie habe auf das Löschen der Schiffe keinen Einfluss. Diese Arbeit werde von den Reedereien ausgeführt. Sie - die Beschwerdeführerin - stelle lediglich das notwendige Material zur Verfügung und sei beim Verlegen der Leitungen behilflich.
C.-
Der Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft wies die Beschwerde am 27. Juni 1967 ab. Der Begründung ist zu entnehmen: Der Rohrbruch sei durch die beim Herauspumpen des Öls entstandene Erschütterung verursacht worden. Das gebrochene Rohr sei Eigentum der Beschwerdeführerin. Als Lager- und Umschlagsfirma sei sie für das Ausladen der Waren, die durch Schiffe den Rhein herauftransportiert werden, verantwortlich. Sie sei zudem Eigentümerin des Steigers und der übrigen Löschvorrichtungen und daher Pflichtiger im Sinne
BGE 94 I 403 S. 406
von
Art. 12 GSchG
. Der für die Massnahmen zur Sauberkeit der Gewässer verantwortliche Kanton sei daher befugt, sich nur an die Beschwerdeführerin zu wenden.
D.-
Gegen den Entscheid des Regierungsrates erhebt die Geldner Rheinlager AG Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht. Sie verlangt die Aufhebung des Regierungsratsbeschlusses und der durch diesen bestätigten Verfügung der kantonalen Baudirektion vom 9. März 1967. Zur Begründung dieses Begehrens lässt sie u.a. ausführen: sie stelle den ankommenden Tankschiffen Rohre und Schläuche zur Verfügung für den Anschluss vom Schiff zu ihren festen Anlagen. Das Schiffspersonal lege und bediene diese Leitungen, und eine mit dem Schiff fest verbundene Pumpe bringe die flüssigen Brenn- und Treibstoffe in die Leitungen. Massnahmen im Sinne von
Art. 12 GSchG
seien überhaupt nicht getroffen worden. Ein Beamter des Wasserwirtschaftsamtes habe einen Augenschein genommen und seine Feststellungen schriftlich niedergelegt. Er habe getan, was in den Bereich seiner Amtspflicht gehöre. § 13 der kantonalen Vollziehungsverordnung lasse, abweichend von der Praxis des Bundesgerichts zu
Art. 12 GSchG
, nur die eigentliche Ersatzvornahme zu. Übrigens habe der Regierungsrat den Begriff des "Pflichtigen" (
Art. 12 GSchG
) unrichtig ausgelegt. Störer sei, wer eine Polizeivorschrift übertrete. Die Bedienung der Schiffspumpe und das Löschen des Öls sei ausschliesslich Aufgabe der Schiffsbesatzung. Die Leitung, aus der Öl ausfloss, sei in Gewahrsam und Gewalt der Schiffsbesatzung gestanden. Die Beschwerdeführerin werde erst Empfängerin des Öls, wenn es in ihren festen Anlagen an Land eintreffe. Bis dahin sei die Ware im Gewahrsam des Frachtführers, hier der Brag-Tankschiffahrt AG in Basel.
Auch die Ziffer 2 der angefochtenen Verfügung sei aufzuheben. Hier entscheide der Regierungsrat über eine Zivilrechtsfrage unter Verletzung des Grundsatzes der Gewaltentrennung. Abgesehen davon sei der Beschwerdeführerin diesbezüglich das rechtliche Gehör verweigert worden.
E.-
Der Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Nicht einzutreten sei auf die gegen die Ziffer 2 der ursprünglichen Verfügung gerichteten Rügen, weil diese Ziffer beim Regierungsrat nicht beanstandet worden sei.
Zu den Massnahmen im Sinne des
Art. 12 GSchG
seien nicht nur solche zu zählen, welche die einmal stattgefundene
BGE 94 I 403 S. 407
Gewässerverschmutzung beheben und die Gesundung des Gewässers bezwecken, sondern alle Massnahmen, die sich zur konkreten Beschränkung der Verschmutzung, zur Feststellung der Ursachen und für den sich daran anknüpfenden Entscheid des Sachbearbeiters über die durchzuführenden Massnahmen als notwendig erweisen.
Die Beschwerdeführerin habe durch Unterlassung einer Anzeige den ordnungswidrigen Zustand aufrecht erhalten, weshalb sie Störerin sei. Die Verschmutzung sei von der Anlegestelle der Beschwerdeführerin ausgegangen; der Hinweis auf die Schiffsbesatzung sei unbeachtlich.
F.-
Das Eidgenössische Departement des Innern äusserte sich zur Streitsache, ohne einen Antrag zu stellen. Es führte u.a. aus: Es stehe nicht fest, ob der Rohrleitungsbruch durch eine pflichtwidrige Nachlässigkeit der Beschwerdeführerin oder ihres Personals (z.B. wegen mangelhafter Kontrolle im Sinne von
Art. 4 Abs. 4 GSchG
) oder durch eine Fehlmanipulation der Löschmannschaft des Tankschiffs entstanden sei. Die Beschwerdeführerin sei nicht schon deshalb Störerin, weil sie Eigentümerin der Löschvorrichtungen sei. Es wäre allerdings angezeigter gewesen, statt der starr verschraubten Rohrleitungsstücke Rohre mit beweglichen Kugelgelenken oder flexible Schlauchleitungen zu benützen. Die Beschwerdeführerin hätte bedenken sollen, dass das Auslagern eines Tankschiffes mittels einer langen, über zwei andere Schiffe gelegten Leitung die Gefahr eines Leitungsbruchs wesentlich erhöhe. Das vom Gewässerschutzgesetz angestrebte Ziel lasse sich nur verwirklichen, wenn jedermann, der irgendeine Tätigkeit zu verrichten habe, zur grössten Sorgfalt verpflichtet sei. Das entspreche der Praxis der Strafbehörden. Wäre der Unfall auf eine unsachgemässe Manipulation der Mannschaft des Schiffes "Gallus" zurückzuführen, so wäre die Beschwerdeführerin als Störerin auszuschliessen. Es sei fraglich, ob die amtliche Kontrolltätigkeit der zuständigen kantonalen Fachstelle noch als "Zwangsmassnahme" im Sinne von
Art. 12 GSchG
betrachtet werden könne.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
(Gegenstand der Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
2.
Gemäss
Art. 2 Abs. 1 GSchG
sind gegen die Verunreinigung oder andere schädliche Beeinträchtigung der ober- und unterirdischen Gewässer u.a. diejenigen Massnahmen zu
BGE 94 I 403 S. 408
treffen, die notwendig sind zum Schutze der Gesundheit von Mensch und Tier, zur Verwendung von Grund- und Quellwasser als Trinkwasser, zur Aufbereitung von Wasser aus oberirdischen Gewässern als Trink- und Brauchwasser, zur Benützung zu Badezwecken, zur Erhaltung von Fischgewässern.
Auf Grund dieser Vorschrift hatte die zuständige kantonale Instanz am Abend des 4. Januar 1967 einzugreifen, nachdem eine Menge Oel im Rhein festgestellt worden und deren Herkunft nicht bekannt war. Die Ermittlung der Ursache war sowohl zum Schutze des Rheins als auch des parallel fliessenden Grundwasserstroms (vgl. Gutachten Dr. Bellin/Ingold vom 24. Februar 1967, erstattet i.S. Verwaltungsgerichtsbeschwerde der Alpina Rheinumschlag A.-G. Muttenz gegen den Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft) unerlässlich und dringlich. Hätten die Organe der Beschwerdeführerin oder die Schiffsbesatzung den Rohrbruch sofort der Polizei gemeldet, so hätte der Herd der Verschmutzung nicht während der Dunkelheit, also unter erschwerten Bedingungen, gesucht werden müssen.
Notwendig war auch der Besuch am folgenden Tag, mit dem sich der zuständige Beamte versicherte, dass die Gefahr weiterer Verschmutzung des Rheins behoben sei und sich keine weiteren Massnahmen aufdrängten.
3.
Nach
Art. 12 GSchG
können die Kantone die zwangsweise Durchführung der von ihnen verlangten Massnahmen verfügen oder diese nötigenfalls auf Kosten der Pflichtigen selber besorgen. In
BGE 91 I 300
ff. wurde festgestellt, dass
Art. 12 GSchG
die Kantone nicht nur zur eigentlichen Ersatzvornahme nach Aufforderung des Störers und Androhung dieses Zwangsmittels ermächtigt, sondern dass sie unmittelbar Massnahmen auf dessen Kosten treffen können. Das Bundesgericht hat die antizipierte Ersatzvornahme insbesondere zugelassen, wenn - selbst ohne zeitliche Dringlichkeit - zum vorneherein feststehe, dass dem Pflichtigen die rechtlichen und tatsächlichen Mittel fehlen, um einem Verwaltungsbefehl nachzukommen. Dies muss erst recht gelten, wenn die Behörde unter Zeitdruck handelt. In der Lehre ist nicht bestritten, dass das Gemeinwesen, wenn Gefahr im Verzug ist, vom üblichen Einleitungsverfahren absehen darf (DREWS-WACKE, Allgemeines Polizeirecht, 7. Aufl., 1961, S. 299/300;MERK, Deutsches Verwaltungsrecht, Band I, 1961, S. 961; WOLFF, Juristische Kurz-
BGE 94 I 403 S. 409
Lehrbücher, Verwaltungsrecht III, 1966, S. 281; JELLINEK, Verwaltungsrecht, 3. Auflage, Neudruck 1966, S. 341; RUCK, Schweizerisches Verwaltungsrecht I, 3. Aufl., S. 131). Dieses unmittelbare Eingreifen der Polizei wird im erwähnten Schrifttum als sofortige (unmittelbare) Ausführung oder sofortiger Zwang bezeichnet.
Um einen Fall der sofortigen Ausführung handelt es sich hier. Das Eingreifen der Gewässerschutzbehörden war dringlich und nicht auf andere Weise zu bewerkstelligen. Dies gilt namentlich vom Aufspüren des Gefahrenherdes. Das unmittelbare Einschreiten hielt sich, wie in Ziffer 2 dargelegt, im Rahmen des
Art. 2 GSchG
. Ob die so erfolgte unmittelbare Ausführung auch vor § 13 der kantonalen Vollziehungsverordnung standhalte, ist unerheblich.
4.
Die Beschwerdeführerin bestreitet vor allem, dass sie "pflichtig" sei. Pflichtig im Sinne des
Art. 12 GSchG
ist nach einem allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsatz der Störer. Störer ist, wer den Schaden oder die Gefahr verursacht hat, aber auch, wer Gewalt hat über Personen oder Sachen, die den ordnungswidrigen Zustand bewirkt haben (
BGE 91 I 302
). Störer ist nicht nur, wer eine adaequate Ursache des Schadens oder der Gefahr bildet, sondern jeder, der eine "condicio sine qua non" dafür gesetzt hat, ja sogar, wer es in Kauf nimmt, dass andern durch sein an sich nicht rechtswidriges Verhalten die Schaffung eines polizeiwidrigen Tatbestandes ermöglicht wird (
BGE 91 I 147
/8). In diesem Sinne sind in der bisherigen Rechtsprechung die Inhaber einer von der Baupolizei abgenommenen, aber dann leck gewordenen Tankanlage und der Eigentümer einer Kiesgrube, die gegen seinen Willen zur Materialablagerung missbraucht wurde, als Störer behandelt worden (
BGE 91 I 303
und 148).
Geht man hievon aus, so muss die Beschwerdeführerin als Störerin bezeichnet werden. Sie hat die Leitung zum Auspumpen des Öls, welche der Beanspruchung nicht gewachsen war, geliefert. Sie trägt die Verantwortung für deren Zustand - schon nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen und zudem nach der ausdrücklichen Vorschrift von
Art. 4 GSchG
; denn Absatz 4 (Fassung gemäss Art. 51 des BG über die Rohrleitungsanlagen zur Beförderung flüssiger oder gasförmiger Brenn- und Treibstoffe, AS 1964 S. 113) schreibt vor, dass die für die Lagerung und Beförderung flüssiger Stoffe, wie Öl, Benzin und dergleichen
BGE 94 I 403 S. 410
zum Schutze von Gewässern nötigen technischen Vorrichtungen zu erstellen und regelmässig zu kontrollieren sind. Die Beschwerdeführerin verschweigt, ob sie die Kontrolle regelmässig durchgeführt habe und an welchem Datum vor dem 4. Januar 1967 das geborstene Rohr letztmals in Ordnung befunden wurde. Da überprüfbare Angaben fehlen, vermag die Behauptung, ihre Anlagen seien in gutem Zustand gewesen, nicht zu überzeugen. Dies umso weniger, als die Beschwerdeführerin vor der kantonalen Instanz eingeräumt hat, dass der Bruch eines Rohrstücks längs einer Schweissnaht ein "Materialermüdungsbruch" sein könne. Zudem wäre es laut dem Bericht des Departementes des Innern nach dem heutigen Stand der technischen Erkenntnis angezeigt gewesen, "anstelle der starr verschraubten Rohrleitungsstücke Rohre mit beweglichen Kugelgelenken oder aber flexible Schlauchleitungen zu benützen". Nach demselben Bericht hätte die Beschwerdeführerin sich überdies Rechenschaft geben sollen, "dass das Auslagern eines Tankschiffes mittels einer langen, über zwei andere Schiffe gelegten Leitung die Gefahr eines Leitungsbruchs wesentlich erhöht". Es ist somit kein Zweifel möglich, dass mindestens eine Teilursache des Bruches durch die Beschwerdeführerin gesetzt worden und zu verantworten ist. Das genügt, um sie als Pflichtige ins Recht zu fassen.
5.
Was die Beschwerdeführerin und das Eidg. Departement des Innern zur Begründung ihrer abweichenden Betrachtungsweise vorbringen, ist nicht stichhaltig.
a) Das Eidg. Departement des Innern führt sinngemäss aus, die Störereigenschaft sei der strafrechtlichen Verantwortlichkeit nach
Art. 15 GSchG
nachgebildet; letztere greife aber nur Platz bei Verschulden dessen, der einen Schaden oder eine Gefahr verursacht habe. In Sachen Schüder wurde im Jahre 1965 entschieden, dass nichts darauf ankomme, ob der Inhaber der Gewalt über die eine Gefahr auslösenden Gegenstände privatrechtlich hafte, noch, ob ihn ein Verschulden treffe. An dieser Ansicht, die mit der schweizerischen und deutschen Lehre des Verwaltungsrechts übereinstimmt (vgl.
BGE 91 I 302
), ist festzuhalten.
b) Die Beschwerdeführerin macht geltend, der Rohrbruch sei ausschliesslich die Folge davon, dass das Schiffspersonal das Öl unter zu grossem Druck an Land gepumpt habe. Allein dafür ist nicht nur kein Beweis angeboten worden; es fehlen
BGE 94 I 403 S. 411
auch alle Angaben tatbeständlicher Art, die zu einer Überprüfung durch Expertise Anlass geben könnten.
c) Die Beschwerdeführerin behauptet ferner, es sei Sache des Reeders, das Öl an Land zu befördern, und die Leitung sei während des Auspumpens im Gewahrsam der Schiffsbesatzung gestanden. Auch diese Bestreitung nützt der Beschwerdeführerin nichts. Denn selbst wenn ihre Darstellung zutreffen sollte, so wäre nicht dargetan, dass die von ihr geliehenen Rohre tadellos waren. Das wäre aber unerlässlich, wenn auch für sich allein nicht genügend, um sie als Störerin auszuschliessen.
d) Die Beschwerdeführerin wendet schliesslich sinngemäss ein, die Schiffsbesatzung der "Gallus" habe in erster Linie die gewässerpolizeiliche Ordnung gestört. Demnach habe sich der Staat zunächst an den Frachtführer, hier die Brag-Tankschifffahrt AG, zu halten. An diesem Einwand ist, nach den Akten zu schliessen, soviel richtig, dass auch die Reederei als Störerin in Frage kommt. Bei einer Mehrzahl von Störern hat die Behörde die Wahl, an welchen sie sich halten will (PETERS, Lehrbuch der Verwaltung, S. 382; ANSCHÜTZ, Die Polizei, S. 21; WOLFF, a.a.O., S. 282). Es entsteht in solchen Fällen etwas der Solidarhaft nach Art. 50/51 OR Ähnliches (vgl.
BGE 93 II 322
). Die Behörden des Kantons Basel-Landschaft waren also berechtigt, sich ausschliesslich an die Beschwerdeführerin zu halten und ihr allein die Kosten aufzuerlegen. In diesem Sinne hat das Obergericht des Kantons Aargau als Verwaltungsgericht bereits im Jahre 1961 entschieden (vgl. AGVE 1961 Nr. 32 S. 127 ff.).
6.
In
BGE 91 I 299
ff. ist entschieden worden, dass die Pflichtigen dem Staat jene Kosten zu ersetzen haben, die ihm dadurch entstehen, dass er einen Dritten zur Ermittlung der Gefahr beauftragt hat. Hier geht es um die Kosten der Staatsorgane. Auch diese sind vom Störer zu tragen; denn die Ersatzvornahme besteht gerade darin, dass eine vertretbare Handlung, die der Pflichtige nicht erbringt, vom Staate selbst oder einem beauftragten Dritten ausgeführt wird (
BGE 91 I 300
a).
7.
.........................
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. | public_law | nan | de | 1,968 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
18a4c19e-eb86-4d88-88d8-fe3e8bb195f7 | Urteilskopf
115 V 16
4. Sentenza del 28 febbraio 1989 nella causa B. contro Cassa di compensazione della Società svizzera degli impresari-costruttori e Tribunale delle assicurazioni del Cantone Ticino | Regeste
Art. 28 Abs. 1ter IVG
, Art. 2 und 8 lit. e des schweizerisch-italienischen Abkommens über Soziale Sicherheit vom 14. Dezember 1962: Ausrichtung von Zusatzleistungen im Ausland.
Art. 28 Abs. 1ter Satz 2 IVG
(in Kraft seit 1. Januar 1988), welcher es untersagt, den Bezügern von Renten, die einem Invaliditätsgrad von weniger als 50% entsprechen, Zusatzleistungen für Angehörige auszurichten, die ihren Wohnsitz und ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht in der Schweiz haben, steht zu den Bestimmungen des schweizerisch-italienischen Abkommens über Soziale Sicherheit nicht in Widerspruch. | Sachverhalt
ab Seite 17
BGE 115 V 16 S. 17
A.-
Orazio B., cittadino italiano nato nel 1938, residente in Svizzera, presentò il 14 ottobre 1986 una domanda di prestazioni dell'assicurazione per l'invalidità. La Commissione dell'assicurazione per l'invalidità del Cantone Ticino ritenne un tasso di invalidità del 35% e, una volta riconosciuti i presupposti del caso economicamente rigoroso, la Cassa di compensazione della Società svizzera degli impresari-costruttori, mediante decisione 12 febbraio 1988, gli assegnò una mezza rendita d'invalidità dal 1o giugno 1987 al 31 dicembre 1987, nonché rendite completive per la moglie e due figli, residenti in Italia. Mediante provvedimento di stessa data, la Cassa di compensazione concesse all'assicurato una mezza rendita d'invalidità dal 1o gennaio 1988 senza erogare le prestazioni completive ai congiunti.
B.-
Orazio B. è insorto proponendo ricorso al Tribunale delle assicurazioni del Cantone Ticino. Argomentò che la soppressione delle rendite completive avrebbe contraddetto gli art. 2 e 8 della Convenzione italo-svizzera relativa alla sicurezza sociale. Con giudizio 25 maggio 1988 il Tribunale delle assicurazioni del Cantone Ticino ha disatteso il gravame. In sostanza i primi giudici hanno ritenuto che la disposizione contenuta all'
art. 28 cpv. 1ter LAI
, in vigore dal 1o gennaio 1988, inibiva il pagamento delle rendite completive senza violare le disposizioni della Convenzione.
C.-
Orazio B. interpone ricorso di diritto amministrativo a questa Corte. Afferma che preliminarmente deve essere esaminato se ai congiunti residenti in Italia di assicurati italiani sia da applicare l'
art. 28 cpv. 1ter LAI
. A suo parere, da ritenere non è solo la LAI, ma anche la Convenzione italo-svizzera e in
BGE 115 V 16 S. 18
particolare l'art. 8 lett. e della stessa, conformemente alla prassi sinora seguita secondo cui le rendite complementari erano da erogare anche ai familiari dimoranti in Italia. La parte svizzera avrebbe segnalato a quella italiana la disponibilità di erogare le rendite completive ai familiari in Italia anche nei casi di rigore, purché l'assicurato avesse conservato il domicilio svizzero. Quindi l'interpretazione assegnata alla norma sarebbe tale da violare gli impegni assunti da una parte, non disdicibili attraverso un atto legislativo unilaterale. L'
art. 28 cpv. 1ter LAI
non sarebbe prevalente rispetto all'art. 8 lett. e della Convenzione. Né opponibile sarebbe la circostanza che la nuova norma vale, ai sensi dell'art. 2 della Convenzione, non solo per gli assicurati stranieri, ma anche per quelli svizzeri.
La Cassa di compensazione e l'Ufficio federale delle assicurazioni sociali propongono la reiezione del gravame.
Erwägungen
Diritto:
1.
(Cognizione;
art. 132 OG
)
2.
a) Secondo l'
art. 28 cpv. 1 LAI
, nel tenore vigente sino al 31 dicembre 1987, il diritto alla rendita d'invalidità intera è dato quando l'assicurato è invalido per almeno i due terzi, e il diritto alla mezza rendita, quando egli è invalido per almeno la metà. Nei casi rigorosi, la mezza rendita può già essere assegnata quando l'assicurato è invalido per almeno un terzo.
L'
art. 28 LAI
in vigore dal 1o gennaio 1988 dispone al cpv. 1 che il diritto alla rendita, rispettivamente di un quarto, della metà o intera è subordinato all'esistenza di un grado di invalidità rispettivamente di almeno il 40%, il 50% o il 66 2/3%. Il cpv. 1bis di questa norma prevede che nei casi di rigore il diritto alla mezza rendita nasce con un grado di invalidità del 40% almeno. Per il cpv. 1ter, poi, le rendite per un grado di invalidità inferiore al 50% sono versate solo ad assicurati che sono domiciliati e dimorano abitualmente in Svizzera. Questo presupposto deve essere adempiuto anche per i congiunti per i quali è chiesta una prestazione.
Le disposizioni transitorie relative alla modificazione della legge prevedono che, dalla sua entrata in vigore, il nuovo art. 28 è applicabile anche alle rendite in corso, con certe restrizioni (cpv. 1). Più precisamente, le rendite assegnate in base a un grado di invalidità inferiore al 40% debbono essere rivedute (
art. 41 LAI
)
BGE 115 V 16 S. 19
entro un anno dall'entrata in vigore della legge. Se la revisione rileva un grado d'invalidità del 33 1/3% almeno, l'importo della rendita in corso è mantenuto fintanto che siano adempiuti i presupposti per i casi di rigore (cpv. 2). Infine, il Consiglio federale disciplina il passaggio dal vecchio al nuovo diritto per gli assicurati all'estero (cpv. 3). Facendo uso di questa delega, l'autorità esecutiva federale, nelle disposizioni transitorie all'OAI, ha stabilito che il nuovo tenore dell'
art. 28 LAI
vale pure, dalla sua entrata in vigore, per le rendite versate a persone residenti all'estero.
b) Giusta l'art. 2 della Convenzione 14 dicembre 1962 tra la Svizzera e la Repubblica italiana relativa alla sicurezza sociale, con riserva delle disposizioni convenzionali stesse, i cittadini svizzeri e italiani godono della parità di trattamento. Deroga al principio di parità di trattamento è data segnatamente dall'art. 8 lett. e della Convenzione, secondo il quale le rendite ordinarie di invalidità previste per gli assicurati con grado di invalidità inferiore al 50% possono essere concesse ai cittadini italiani solo fino a quando essi conservino il loro domicilio in Svizzera.
3.
Nell'evenienza concreta non è controverso - né gli atti permettono di pervenire a diverso risultato - che l'assicurato, domiciliato in Svizzera e i cui familiari risiedono in Italia, sia invalido in misura superiore ad un terzo ed inferiore alla metà. Nemmeno è contestato che siano dati i presupposti per l'assegnazione di una mezza rendita per caso di rigore ai sensi dell'art. 28 cpv. 1 seconda frase LAI nel testo vigente sino al 31 dicembre 1987 e che l'entrata in vigore con il 1o gennaio 1988 delle nuove disposizioni consenta - quantomeno nei termini e limiti contenuti nelle disposizioni transitorie - l'ulteriore erogazione della prestazione.
Unico tema litigioso è quello di sapere se la normativa di cui all'
art. 28 cpv. 1ter LAI
vigente dal 1o gennaio 1988 è conforme al diritto convenzionale nella misura in cui non consente il versamento delle prestazioni completive ai familiari dimoranti in Italia.
4.
a) Il disciplinamento legale vigente sino al 31 dicembre 1987 nulla diceva riguardo all'esigenza del domicilio in Svizzera per i beneficiari delle prestazioni completive ai familiari nell'ipotesi di una rendita per caso di rigore.
Il Tribunale federale delle assicurazioni, in un caso riferito a rendite straordinarie assegnate a un assicurato italiano in Svizzera,
BGE 115 V 16 S. 20
erogabili, conformemente agli art. 7 lett. b e 8 lett. d della Convenzione, solo in quanto egli avesse conservato il domicilio, ha però asserito che se questi adempiva i presupposti per ottenere la rendita straordinaria, altrettanto li adempiva il familiare, qualsiasi fosse stato il suo luogo di residenza: la Corte rilevava che questa soluzione derivava dalla normativa degli
art. 22ter LAVS
e 35 cpv. 1 LAI, i quali non subordinavano il diritto al requisito del domicilio dei familiari in Svizzera, nonché dall'art. 2 della Convenzione italo-svizzera (
DTF 108 V 78
). Analoghi principi vennero ribaditi in una vertenza analoga a quella in esame, in cui controverso era il versamento di rendite complementari ai familiari di un assicurato italiano in Svizzera, titolare di una mezza rendita per caso economicamente rigoroso. In particolare si affermava che non vi era motivo di non applicare la predetta giurisprudenza ai casi di rendite per caso di rigore per i quali, conformemente all'art. 8 lett. e della Convenzione, è richiesto il domicilio in Svizzera. Come per le rendite straordinarie, ha affermato la Corte, decisivo non è il diritto dei familiari alla rendita completiva, bensì quello dell'assicurato medesimo alla rendita principale (sentenza inedita 5 luglio 1985 in re V.).
Nel disegno di legge relativo alla seconda revisione dell'assicurazione per l'invalidità, il Consiglio federale non aveva previsto di estendere il presupposto del domicilio in Svizzera ai congiunti per i quali è chiesta una prestazione, l'autorità esecutiva federale essendosi limitata a predisporre che le rendite per un grado di invalidità inferiore al 50% fossero erogate solo a persone domiciliate e dimoranti in Svizzera (FF 1985 I 74). La seconda frase dell'
art. 28 cpv. 1ter LAI
che prevede simile obbligo per i congiunti venne adottata su proposta commissionale da parte del Consiglio degli Stati (cfr. Boll.uff. 1985 CSt 753) e successivamente dal Consiglio nazionale. In quest'ultima sede, il Presidente della Confederazione Egli rilevò in particolare che con la modifica legislativa il Consiglio degli Stati aveva voluto "correggere" la giurisprudenza del Tribunale federale delle assicurazioni che riconosceva il diritto alla prestazione ai congiunti residenti all'estero (cfr. Boll.uff. 1986 CN 761).
b) La Convenzione italo-svizzera relativa alla sicurezza sociale non accenna al tema del diritto, nell'ipotesi di rendite per caso di rigore, alle prestazioni completive per i congiunti in Italia: ora, l'interpretazione di un accordo procede anzitutto dal testo convenzionale, senza possibilità di interpretazione estensiva o
BGE 115 V 16 S. 21
limitativa, a meno che dal contesto e dai materiali non si possa con sicurezza dedurre che il testo non corrisponde alla volontà delle parti (
DTF 113 V 103
consid. 2b). Nemmeno risulta che una parte abbia dato all'altra particolari affidamenti o assunto impegni al riguardo. Anzi, se si considera l'atteggiamento dell'autorità svizzera amministrativa, si deve dedurre il contrario dal momento che, come si è visto, solo il Tribunale federale delle assicurazioni aveva assicurato il diritto alle rendite completive ai congiunti di assicurati in Svizzera beneficiari di rendite straordinarie o di mezze rendite per casi di rigore. E ciò ritenendo l'art. 2 della Convenzione e il diritto patrio svizzero. In sostanza si era detto che il diritto alle prestazioni completive derivava dalla LAVS e dalla LAI, che l'art. 8 lett. e della Convenzione riguardava solo il beneficiario della rendita principale e che quindi parità di trattamento voleva che i congiunti in Italia del cittadino italiano fruissero dei diritti previsti dalla legislazione svizzera senza discriminazioni quo al domicilio: con ciò non si era interpretato in un modo particolare l'art. 8 lett. e della Convenzione, ma se del caso si era costatato che esso non regolava il tema litigioso.
È vero ora che, prima della modificazione legislativa, si era instaurata, in via giurisprudenziale, una prassi favorevole alla tesi avanzata in sede di procedura ricorsuale. Ma essa prassi trovava fondamento su un particolare assetto legislativo, ora modificato, il quale comunque non corrispondeva ad un impegno internazionale. La parte svizzera non ha per atto unilaterale modificato il testo della Convenzione. Essa, se del caso, ha modificato la propria legge, nell'ambito dei suoi poteri autonomi, in un punto che tocca tutti gli assicurati che abbiano congiunti all'estero limitandone i diritti, senza con ciò modificare gli accordi internazionali. Che tale modifica costituisca una restrizione dei diritti di chi abbia moglie e figli all'estero pur risiedendo in Svizzera è evidente, come evidente è pure che la stessa colpisca particolarmente i lavoratori stranieri, ma con ciò non si sono violati obblighi riconosciuti dalle convenzioni.
Al riguardo vuole del resto essere ribadito che il diritto dei cittadini italiani a parità di trattamento poteva essere invocato - come esattamente osservato dai primi giudici - solo se il legislatore svizzero avesse discriminato i congiunti di cittadini svizzeri all'estero da quelli dei cittadini stranieri, ma ciò non è del caso: la moglie e i figli in Italia del cittadino svizzero domiciliato
BGE 115 V 16 S. 22
in Svizzera sono trattati allo stesso modo di quelli del cittadino italiano che abita in Svizzera.
Né contro questa disposizione può essere invocato il rispetto di diritti acquisiti dal momento che, secondo la giurisprudenza, simili diritti alla prosecuzione del versamento di una prestazione in corso presuppone che essi siano stati garantiti dalla nuova legge (
DTF 113 V 299
).
5.
Dato quanto precede il giudizio querelato merita conferma. | null | nan | it | 1,989 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
18a5a637-c294-4b50-b0f0-99b1433472f4 | Urteilskopf
116 II 733
127. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour civile du 11 décembre 1990 dans la cause compagnie d'assurances A. contre dame J. (recours en réforme) | Regeste
Art. 62 Abs. 1 SVG
;
Art. 47 und 44 Abs. 1 OR
. Haftung des Motorfahrzeughalters. Selbstverschulden des Verletzten. Genugtuung.
1. Bedeutung des Selbstverschuldens des Verletzten in bezug auf die Frage, ob und in welchem Umfang ein Anspruch auf Genugtuung besteht. (Änderung der Rechtsprechung) (E. 4f und g).
2. Bemessung der Genugtuungssumme, wenn der Haftung eines Motorfahrzeughalters ein Selbstverschulden des Verletzten gegenübersteht (E. 4h). | Sachverhalt
ab Seite 733
BGE 116 II 733 S. 733
A.-
Le 8 novembre 1985 un peu après 19 h 00, F. circulait au volant de sa voiture à une vitesse d'environ 50 km/h sur l'avenue de Tourbillon - route cantonale - en direction de Sierre lorsqu'il heurta dame J. qui traversait la chaussée sur le passage pour piétons situé à l'est du carrefour de la Clarté à Sion. La piétonne fut projetée à une quinzaine de mètres du lieu de la collision. L'automobiliste avait le feu vert. Le feu, rouge, concernant dame J. ne fonctionnait pas. Bien que la chaussée fût éclairée, la visibilité
BGE 116 II 733 S. 734
était diminuée. Il faisait nuit et il pleuvait fortement. Le trafic était dense.
Dame J., grièvement blessée, fut hospitalisée à plusieurs reprises en 1986 et en 1988. Elle était invalide à 10% avant son accident. Suite à celui-ci, elle est restée invalide à 100% en ce qui concerne son activité lucrative et à 20% en ce qui concerne son activité ménagère.
B.-
Par jugement des 8 et 25 septembre 1989, le Tribunal cantonal du canton du Valais a partiellement fait droit à l'action de dame J., en ce sens qu'il a condamné la compagnie d'assurances A., assureur de la responsabilité civile du détenteur F., à lui verser la somme de 30'000 francs, plus intérêts, à titre de tort moral.
C.-
Admettant partiellement dans la mesure où il était recevable le recours en réforme interjeté par la défenderesse, le Tribunal fédéral l'a condamnée à payer à la demanderesse une indemnité pour tort moral de 25'000 francs, plus intérêts, et a confirmé pour le surplus le jugement attaqué.
Erwägungen
Extrait des considérants:
4.
f) La présente espèce met en cause un détenteur de véhicule automobile dont la responsabilité causale est engagée - la défenderesse l'admet en principe - et qui a commis une faute d'inattention d'une certaine gravité mais moins grave que celle imputable au piéton. Il faut en conséquence rechercher si, dans ces circonstances, une indemnité peut être accordée à la demanderesse en raison du préjudice moral qu'elle a subi.
Il a été jugé que la faute du lésé engendre la suppression d'une indemnisation du tort moral lorsqu'elle est équivalente à celle du responsable ou plus grave que celle-ci (
ATF 85 II 38
,
ATF 84 II 393
et les arrêts cités). Cette conception est difficilement conciliable avec la jurisprudence récente selon laquelle l'octroi d'une indemnité pour tort moral a pour but exclusif de compenser le préjudice que représente une atteinte au bien-être moral (
ATF 115 II 158
consid. 2 et les références). Le principe d'une indemnisation du tort moral et l'ampleur de cette réparation dépendent d'une manière décisive de la gravité de l'atteinte et de la possibilité d'adoucir de manière sensible, par le versement d'une somme d'argent, la douleur physique ou morale (
ATF 115 II 158
cité).
BGE 116 II 733 S. 735
Si l'on part de l'idée que l'allocation d'une indemnité équitable à titre de réparation morale prévue par l'
art. 47 CO
n'est pas autre chose que la réparation d'un préjudice et que, dans un cas donné, l'existence de ce préjudice est établie, on peut se demander si le rôle assigné à la faute par la jurisprudence dans le cadre de l'examen des circonstances particulières permettant l'allocation d'une indemnité pour tort moral doit être maintenu.
L'
art. 47 CO
n'est qu'un cas d'application de l'
art. 49 CO
(
ATF 89 II 400
consid. 3). Alors que l'ancienne version de l'
art. 49 al. 1 CO
faisait dépendre l'allocation d'une indemnité pour tort moral de la gravité particulière du préjudice subi et de la faute, la modification entrée en vigueur le 1er juillet 1985 a supprimé la référence à la faute, ne mentionnant plus que la gravité de l'atteinte et l'absence d'autre satisfaction donnée au lésé par l'auteur. La suppression de l'exigence d'une faute particulièrement grave de l'auteur est intervenue non seulement parce que l'
art. 49 CO
aurait été la seule disposition posant une condition aussi restrictive pour la réparation du tort moral, mais "surtout parce qu'on ne voit pas pour quelle raison la personnalité comme telle devrait être moins bien protégée en Suisse que ne le sont les intérêts patrimoniaux" (Message, FF 1982 II 703).
En conséquence, l'ancienne jurisprudence a perdu sa justification et l'on ne voit plus pourquoi le lésé, même s'il porte la plus grande responsabilité dans la survenance de son accident, peut obtenir une indemnité réduite pour réparer son dommage matériel alors qu'il ne le pourrait pas pour son dommage immatériel (BREHM, n. 83 ad
art. 47 CO
; TERCIER, La réparation du tort moral, in Journées du droit de la circulation routière, Fribourg 1988, p. 11 s.). Pour le dernier auteur cité, les seules différences entre l'action en réparation du tort moral et l'action en dommages-intérêts résident désormais dans la nature du préjudice subi (op.cit., p. 5; cf. déjà, du même auteur, Le nouveau droit de la personnalité, n. 1981; La réparation du tort moral: crise ou évolution?, in Festgabe für Henri Deschenaux, p. 317). La conséquence en est que plus rien ne s'oppose à l'allocation d'une indemnité pour tort moral même en cas de faute prépondérante du lésé (BREHM, loc.cit.; SCHAFFHAUSER/ ZELLWEGER, Grundriss des schweizerischen Strassenverkehrsrechts, II, n. 1423; dans ce sens, antérieurement à la modification de l'
art. 49 CO
déjà, OFTINGER, Schweiz. Haftpflichtrecht, I, 4e éd. 1975, p. 296 n. 2).
BGE 116 II 733 S. 736
g) La faute du lésé peut en revanche être prise en considération dans le cadre de l'
art. 44 al. 1 CO
soit comme facteur de suppression de l'indemnité pour tort moral à la condition qu'elle soit de nature à interrompre le rapport de causalité (
ATF 71 I 54
s.), soit comme facteur de réduction de l'indemnité si elle présente une intensité moindre (BREHM, loc.cit.; SCHAFFHAUSER/ZELLWEGER, loc.cit., avec référence aussi à l'
art. 59 al. 2 LCR
). Pour fixer le montant de l'indemnité dans une telle hypothèse, il est proposé de procéder comme en matière de dommages-intérêts, c'est-à-dire de déterminer d'abord le préjudice moral subi et d'opérer ensuite une réduction proportionnelle (BREHM, loc.cit.).
On ne saurait tirer une pratique uniforme des causes dans lesquelles le Tribunal fédéral a accordé une indemnité pour tort moral réduite. En raison de sa nature, la détermination du tort moral échappe à toute fixation selon des critères mathématiques. Cette considération doit aussi être présente à l'esprit lorsqu'il s'agit de procéder à une réduction de cette indemnité, cela afin d'éviter l'allocation de montants qui n'auraient aucune signification. Dans la mesure où l'indemnité pour tort moral est traitée, pour autant que sa nature le permette, comme un élément du dommage à l'instar des dommages-intérêts, la conséquence en est que, sous réserve de ce qui vient d'être exposé, la proportion dans laquelle l'indemnité pour tort moral sera réduite devra en principe rester dans l'ordre de grandeur de la réduction opérée pour l'indemnité devant réparer le dommage matériel. La question de savoir si ce principe peut connaître des exceptions n'a pas besoin d'être tranchée ici. De toute façon, dans la présente cause, la partie du recours qui a trait au dommage matériel est irrecevable. Le Tribunal fédéral n'a pas à en connaître et il est exclu de vouloir calculer la réduction de l'indemnité pour tort moral par référence à la répartition des responsabilités prise en considération par la cour cantonale pour statuer sur les autres prétentions de la demanderesse.
h) La demanderesse avait demandé 40'000 francs à titre d'indemnité pour tort moral. La cour cantonale lui a alloué 30'000 francs alors qu'elle avait fixé sa part de responsabilité à 20%. Même si cela ne ressort pas expressément de l'arrêt attaqué, il apparaît que la cour cantonale s'est conformée aux principes de détermination qui viennent d'être exposés. La défenderesse ne discute pas les éléments pris en considération par l'autorité cantonale pour évaluer le tort moral. Il ne ressort pas du dossier
BGE 116 II 733 S. 737
que la demanderesse aurait subi un préjudice moral plus important parce que le conducteur qui répond de manière causale a, en plus, commis une faute, de sorte que la question soulevée mais non résolue dans l'
ATF 115 II 158
cité n'a pas non plus besoin de recevoir une réponse dans la présente cause. Pour déterminer l'indemnité due à titre de tort moral, il faut tenir compte, d'une part, du fait que l'automobiliste répond en raison du risque créé - qu'il doit supporter - et de la faute qu'il a commise et, d'autre part, de la faute concomitante imputable à la demanderesse. On se trouve donc dans l'hypothèse d'une collision de responsabilités entre détenteur et responsable pour faute (DESCHENAUX/TERCIER, La responsabilité civile, 2e éd. 1982, p. 246 n. 28, p. 257 n. 51, p. 261 s. n. 8; GREC, La situation juridique du détenteur de véhicule automobile en cas de collision de responsabilités, thèse Lausanne 1969, p. 56, 122 s.). Selon la jurisprudence, la faute commise par le détenteur compense en partie la faute de la victime. Pratiquement, l'indemnité est réduite dans une mesure moindre que ne le justifierait la faute concurrente, considérée pour elle-même (
ATF 95 II 580
consid. 3 et les arrêts cités). Vu la responsabilité causale encourue par le conducteur et l'importance des fautes commises par lui et par la demanderesse, il se justifie de fixer à 25'000 francs l'indemnité pour tort moral à laquelle elle peut prétendre. Le point de départ des intérêts n'est pas remis en cause et n'a donc pas à être revu. | public_law | nan | fr | 1,990 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
18a7155d-f8ed-43ca-82ef-6aa4178b0116 | Urteilskopf
81 I 266
43. Auszug aus dem Urteil vom 26. Oktober 1955 i.S. Diggelmann gegen Kanton Basel-Landschaft. | Regeste
Direkter Prozess zwischen Kantonen und Privaten (
Art. 42 OG
):
1. Die Partei, die sei es durch ausdrückliche Erklärung, sei es durch konkludentes Verhalten, die kantonale Gerichtsbarkeit in Anspruch nimmt, verzichtet auf den in
Art. 42 OG
vorgesehenen, wahlweise zur Verfügung stehenden Gerichtsstand beim Bundesgericht.
2. Im Kanton Baselland tritt für den Kläger die Verzichtwirkung auf jeden Fall mit der Herausnahme des Akzessscheines nach Durchführung des Sühneverfahrens vor Friedensrichteramt ein. | Sachverhalt
ab Seite 267
BGE 81 I 266 S. 267
A.-
Das basellandschaftliche Gesetz vom 20. Februar 1905 betr. die Gerichts- und Prozessordnung (im Folgen den ZPO) bestimmt:
§ 2. Vorbehalten die Ausnahmen des § 3 müssen alle Rechtsstreitigkeiten beim Friedensrichteramt anhängig gemacht werden. Aufgabe des Friedensrichters ist es, auf eine gütliche Verständigung der Parteien hinzuwirken. .....
§ 58. Sobald die Vorladung dem Beklagten angelegt ist, verbleibt das Gericht bis zur Erledigung des Prozesses zuständig, auch wenn in der Zwischenzeit der Beklagte seinen Wohnsitz ändern sollte.
§ 85. Hat der Kläger in Fällen, für welche die friedensrichterliche Instanz vorgeschrieben ist, innert 12 Monaten nach der friedensrichterlichen Verhandlung die Klage beim Gerichtspräsidenten noch nicht anhängig gemacht, so gilt dies als völliger Verzicht auf den bezüglichen Rechtsstreit und es hat der Gerichtspräsident eine später eingereichte Klage von Amtes wegen zurückzuweisen.
Der Beklagte hat aber das Recht, den Kläger schon nach Ablauf eines Monats, sofern nicht vorher schriftlich auf den Anspruch verzichtet worden ist, zur Fortsetzung des Prozesses vor den zuständigen Gerichtspräsidenten laden zu lassen. Erklärt er darauf den Verzicht auf den erhobenen Anspruch, so ist die Sache damit erledigt und der Kläger trägt die Kosten.
Im entgegengesetzten Fall wird der Prozess eingeleitet und durchgeführt, wie wenn der Kläger aus freien Stücken Klage beim Gerichtspräsidenten angehoben hätte.
§ 87. Der Friedensrichter führt ein Geschäftsverzeichnis und ein Protokoll. Ersteres soll enthalten:
...
BGE 81 I 266 S. 268
c) den Tag der Anhängigmachung der Klage;
e) den Tag und die Art und Weise der allfälligen Erledigung, z.B. ob ein Vergleich stattgefunden, ob der Akzesschein ausgestellt worden usf.
...
§ 91. Erscheinen beide Parteien vor dem Friedensrichter, so findet über den vom Kläger erhobenen Anspruch mündliche Verhandlung statt. Kommt ein Vergleich zustande, so wird derselbe ausführlich zu Protokoll genommen und nach Richtigbefinden von den Parteien und dem Friedensrichter unterzeichnet. .....
Der gehörig unterschriebene Vergleich hat die Wirkung eines rechtskräftigen Urteils.
§ 92. Kommt kein Vergleich zustande ....., so ..... stellt er dem Kläger eine Bescheinigung aus, dass der Vermittlungsversuch gescheitert sei (Akzesschein). .....
§ 97. In allen bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, für welche keine besondern Formen vorgeschrieben sind, sowie in Ehrbeleidigungsfällen findet eine Prozesseinleitung vor dem Gerichtspräsidenten und Gerichtsschreiber statt. .....
§ 99. Die Klage wird beim Gerichtspräsidenten anhängig gemacht:
a) für diejenigen Fälle, welche der friedensrichterlichen Verhandlung unterliegen, durch Abgabe des Akzesscheines;
...
B.-
Der Kläger belangt gestützt auf § 25 des basell. Gesetzes vom 25. November 1851 über die Verantwortlichkeit der Behörden und Beamten den Kanton Baselland für Schaden, der ihm aus einer strafgerichtlichen Verurteilung erwachsen sei. Er hat dem Friedensrichteramt Liestal am 31. Juli 1953 folgendes Rechtsbegehren eingereicht:
"Der Beklagte sei schuldig und zu verurteilen, dem Kläger einen gerichtlich zu bestimmenden, Fr. 4000.-- übersteigenden Betrag als Entschädigung für die in seinem Straf- und Revisionsprozesse erlittenen Nachteile zu bezahlen, unter Kostenfolge."
Zur mündlichen Verhandlung vor Friedensrichteramt (
§ 91 ZPO
), die am 31. August 1953 stattfand, erschienen beide Parteien. Ein Vergleich kam nicht zustande. Dem Kläger wurde gemäss
§ 92, Abs. 1 ZPO
. der Friedensrichter-Akzessschein ausgestellt.
C.-
Am 31. August 1954 wurde dem Bundesgericht eine Klage gegen den Kanton Baselland eingereicht mit dem Begehren, den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger einen gerichtlich zu bestimmenden, Fr. 10'000.-- übersteigenden
BGE 81 I 266 S. 269
Betrag zu bezahlen. In verfahrensrechtlicher Hinsicht wird geltend gemacht, es handle sich um eine zivilrechtliche Streitigkeit zwischen einem Kanton und einem Privaten im Sinne von
Art. 42 OG
. Der Kläger habe vor den basellandschaftlichen Gerichten einen Sühneversuch durchgeführt. Die Klage sei nicht rechtshängig gemacht worden.
D.-
Der Kanton Baselland beantragt, auf die Klage nicht einzutreten, eventuell sie abzuweisen. Er anerkennt, dass es sich um eine zivilrechtliche Streitigkeit im Sinne von
Art. 42 OG
handle, wendet aber ein, die Klage betreffe einen bereits bei den kantonalen Gerichten anhängig gemachten Rechtsstreit und sei deshalb nicht "rechtzeitig" im Sinne von
Art. 42 OG
erhoben worden. Die Rechtshängigkeit trete, in den hier wesentlichen Wirkungen, im Kanton Baselland mit der Ausgabe des Akzesscheins durch den Friedensrichter ein. Da der Kläger den Akzesschein gelöst hatte, sei die Wahl des kantonalen Rechtsweges unwiderruflich geworden, weshalb die Klage nach
Art. 42 OG
unzulässig sei.
E.-
Der Kläger beantragt Zurückweisung der Einrede der Verspätung. Es wird im wesentlichen ausgeführt, das Erfordernis der "Rechtzeitigkeit" in
Art. 42 OG
sei kein Formerfordernis, sondern es werde aus praktischen Gründen gestellt. Es solle vermieden werden, dass zwei verschiedene Sachrichter über einen identischen Anspruch gleicher Parteien gleichzeitig urteilen. Wesentlich für das Moment der Rechtzeitigkeit sei, ob sich der Sachrichter materiell mit der Prozesssache befasst habe. Dies sei aber im Zeitpunkt der Zustellung der Klage noch nicht der Fall. In diesem Zeitpunkt treffe der Richter erst prozessleitende Verfügungen. Zudem würde dem Beklagten das ihm verfassungsmässig garantierte Recht der Option nicht mehr zustehen. Solange somit in einem kantonalen Verfahren die Stellungnahme des Beklagten zum materiellen Klageanspruch nicht fixiert sei und der Beklagte die Möglichkeit der Option nach
Art. 42 OG
habe, müsse auch
BGE 81 I 266 S. 270
dem Kläger das Recht zugestanden werden, die Klage unter dem Vorbehalte der Einreichung beim Bundesgericht zurückzuziehen.
Die Rechtshängigkeit könne für die Beurteilung der Rechtszeitigkeit der Anrufung des Bundesgerichts nach
Art. 42 OG
nicht ausschlaggebend sein. Der Bundesgesetzgeber habe in
Art. 42 OG
bewusst nicht auf Rechtshängigkeit abgestellt, sondern Rechtzeitigkeit verlangt. Die Ordnung könne nur dahin verstanden werden, dass die Parteien bei der eigentlichen Instruktion des Prozesses, in welcher neben normalen Vergleichsbemühungen von Amtes wegen die weitern Schritte zur Durchführung des Prozesses unternommen werden, das Verlangen nach
Art. 42 OG
zu stellen haben. Im Rahmen der basellandschaftlichen Prozessordnung "dürfte dies für den Kläger mit der Abgabe des Akzesscheines beim Bezirksgerichtspräsidenten und damit der dortigen Anhängigmachung der Klage, eventuell spätestens in der Prozesseinleitungsverhandlung der Fall sein, ... Vorherige Sühneverhandlungen vor Sühneinstanzen, die einzig der vergleichsweisen Erledigung zu dienen haben, werden bei der Frage rechtzeitigen Verlangens (
Art. 42 OG
) keine Rolle spielen können, und zwar ohne Rücksicht auf die weitere Frage, ob nach dem kantonalen Recht im Rahmen des Angehens solcher Instanzen die Rechtshängigkeit eintritt oder nicht."
Das Bundesgericht hat die Klage von der Hand gewiesen
Erwägungen
in Erwägung:
1.
Mit der vorliegenden Klage wird das Bundesgericht in Anspruch genommen für eine zivilrechtliche Streitigkeit im Sinne von
Art. 42 OG
zwischen einem Privaten und einem Kanton. Das Bundesgericht hat die Klage zur Behandlung entgegenzunehmen, wenn die Partei, die seine Gerichtsbarkeit verlangt, dies rechtzeitig tut. Der beklagte Kanton bestreitet die Rechtzeitigkeit. Er macht geltend, der Kläger habe den Gerichtsstand beim Bundesgericht
BGE 81 I 266 S. 271
dadurch verwirkt, dass er für seinen Rechtsstreit bereits den kantonalen Prozessweg eingeschlagen habe. Der Einwand ist gerechtfertigt.
Art. 42 OG
begründet keinen ausschliesslichen Gerichtsstand. Er eröffnet vielmehr jeder Prozesspartei die Wahl, die Beurteilung des Streites durch das Bundesgericht anstelle der ordentlicher Weise zuständigen kantonalen Gerichte zu verlangen mit der Wirkung, dass sich die Gegenpartei dieser Wahl unterziehen muss. Der Bund stellt den Parteien seine Gerichtsbarkeit zur Verfügung für den Fall, dass die eine oder die andere von ihnen Bedenken haben sollte, ihren Streit vor den Gerichten des Kantons austragen zu lassen, der im Prozess als Partei beteiligt ist. Die Zuständigkeit der ordentlichen kantonalen Gerichte wird durch
Art. 42 OG
nicht aufgehoben. Sie entfällt nur, wenn eine Partei die Beurteilung des Streites durch das Bundesgericht verlangt.
Die Praxis ist von jeher davon ausgegangen, dass die Partei, die, sei es durch ausdrückliche Erklärung, sei es durch konkludentes Verhalten, die kantonale Gerichtsbarkeit in Anspruch genommen oder sich ihr unterzogen hat, auf den in
Art. 42 OG
vorgesehenen, wahlweise zur Verfügung stehenden Gerichtsstand beim Bundesgericht verzichtet. Das Wahlrecht muss "rechtzeitig" ausgeübt werden (BGE 35 I S. 714, Erw. 3 am Ende). In
Art. 42 OG
(Fassung 1943) ist diese Praxis kodifiziert worden.
2.
In welchem Stadium eines Verfahrens vor kantonalen richterlichen Behörden die Wahl als vollzogen anzusehen ist, hängt im wesentlichen von der Ausgestaltung des kantonalen Prozesses ab, im besondern von der Wirkung, welche die im einzelnen Falle anwendbare kantonale Prozessordnung den Handlungen der Parteien beilegt.
In einem allerdings weit zurückliegenden Entscheide (BGE 21 S. 409) ist für den Kläger im Hinblick auf die Verschiedenheit der kantonalen Prozessordnungen die Litiskontestation als massgebend bezeichnet worden. Gemeint
BGE 81 I 266 S. 272
war damit, wie in BGE 35 I S. 715 festgestellt wird, von den unter dem verfahrensrechtlichen Begriffe der Litiskontestation zusammengefassten Wirkungen lediglich die Bindung des Klägers an den angehobenen Prozess. Das Wahlrecht des Klägers soll, wie damals angenommen wurde, nicht schon dadurch erschöpft sein, dass er die Streitsache bei einem der wahlweise kompetenten Gerichte geltend macht. Was den Beklagten anbelangt, wird eine stillschweigende Option für die kantonale Gerichtsbarkeit dann angenommen, wenn er den Termin, bis zu welchem er nach kantonalem Prozessrecht die Kompetenz des kantonalen Gerichts zu bestreiten berechtigt ist, unbenützt ablaufen lässt. Hat der Beklagte nicht etwa schon vorher ausdrücklich für die kantonale Gerichtsbarkeit optiert, so steht ihm, nach dieser Praxis, die Befugnis, die Bundesgerichtsbarkeit zu wählen, solange zu, als er nach kantonalem Recht zur Erhebung der Kompetenzeinrede gegenüber dem kantonalen Gerichte berechtigt ist (BGE 35 I S. 714).
Die Praxis lässt sich dahin zusammenfassen, dass die Partei, der gemäss
Art. 42 OG
die Bundesgerichtsbarkeit zur Verfügung steht, diese jedenfalls von dem Zeitpunkte an nicht mehr in Anspruch nehmen kann, in welchem sie, sei es zufolge ausdrücklicher Erklärung, sei es durch konkludentes Verhalten, an ein vor kantonalen richterlichen Behörden eingeleitetes Verfahren gebunden ist. Wenn in neueren Entscheiden oder in der Literatur gelegentlich die Rechtshängigkeit als massgebend erklärt wird (vgl. BIRCHMEIER, Bundesrechtspflege S. 70), so ist zu beachten, dass einzelne der Rechtswirkungen, die mit dem Begriffe bezeichnet zu werden pflegen, für den hier in Frage stehenden Ausschluss des bundesrechtlichen Gerichtsstandes unerheblich sind. Wo die kantonale Prozessordnung den Eintritt der Rechtshängigkeit nicht besonders regelt, ist daher auf die hier wesentliche Wirkung, also die prozessrechtliche Bindung der in Frage stehenden Partei im oben umschriebenen Sinne abzustellen.
BGE 81 I 266 S. 273
3.
Die Prozessgesetzgebung des Kantons Baselland enthält keine besondere Anordnung über den Eintritt der Rechtshängigkeit. Es ist daher zu prüfen, für welches Stadium des Verfahrens jene Bindung des Klägers an den von ihm erhobenen Rechtsstreit anzunehmen ist, die das Wahlrecht konsumiert. Nach der Zivilprozessordnung von Baselland ist das Sühneverfahren vor dem Friedensrichter ein integrierender Bestandteil des Prozesses. Nach
§ 2, Abs. 1 ZPO
werden - abgesehen von besonderen Fällen, die ausser Frage stehen - alle Rechtsstreitigkeiten beim Friedensrichteramt anhängig gemacht. Die Zustellung der Vorladung zum Sühneversuch bestimmt die örtliche Zuständigkeit des Gerichts (§ 58). Wird der Sühneversuch durchgeführt, so erhält der Kläger den Akzessschein mit der Wirkung, dass er innert gesetzlicher Frist Klage erheben muss, wenn er nicht auf den Rechtsstreit und damit auf den erhobenen Anspruch verzichten will (
§ 85 ZPO
). Wenn nach der Praxis die Ausübung des Wahlrechts des Klägers zugunsten der Bundesgerichtsbarkeit nicht schon damit als konsumiert anzusehen sein sollte, dass dieser seinen Rechtsstreit vor den basellandschaftlichen richterlichen Behörden gemäss
§ 2 ZPO
anhängig macht, so wird doch jedenfalls die bestimmte Wendung auf die Bindung des Streites an die kantonale Gerichtsbarkeit für den Kläger mit der Durchführung der Verhandlung vor dem Friedensrichter und der Herausnahme des Akzesscheines herbeigeführt. Angesichts der Ordnung in
§ 85 ZPO
muss der Kläger wissen, dass der Prozess nach Ausstellung des Akzesscheines seinen Lauf nimmt, vor allem dass er, ohne Zustimmung des Beklagten zu einer gütlichen Erledigung (Vergleich), nur durch Urteil oder völligen Verzicht auf den Rechtsstreit erledigt werden kann.
In einer Streitigkeit mit dem Kanton Baselland kann der Kläger daher die Bundesgerichtsbarkeit nicht mehr unter Berufung auf
Art. 42 OG
in Anspruch nehmen, wenn er seinen Anspruch bereits bei den kantonalen richterlichen Behörden anhängig gemacht hat und ihm nach Durchführung
BGE 81 I 266 S. 274
der Sühneverhandlung vor Friedensrichteramt der Akzesschein ausgeliefert worden ist.
Da der Kläger hier den Akzesschein für seinen Verant wortlichkeitsprozess gegen den Kanton Baselland beim Friedensrichteramt Liestal erhoben hat, kann er ohne Zustimmung des Beklagten die Beurteilung des Streites im direkten Prozess vor Bundesgericht nicht mehr verlangen. Die Klage ist daher von der Hand zu weisen. | public_law | nan | de | 1,955 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
18a7161f-8ca1-4318-90fe-e45eda32623e | Urteilskopf
113 Ib 30
5. Arrêt de la Ire Cour de droit public du 28 janvier 1987 dans la cause Etat de Neuchâtel contre Prêtre (recours de droit administratif) | Regeste
Art. 5 Abs. 2 RPG
. Verzinsung der Enteignungsentschädigung; Beginn der Verzinsungspflicht.
1. Anwendungsbereich von
Art. 5 Abs. 2 RPG
in zeitlicher Hinsicht (E. 1).
2. Unzulässigkeit von Begehren, die über die im kant. Verfahren gestellten hinausgehen (E. 2).
3. Der betroffene Grundeigentümer hat Anspruch auf Verzinsung der Enteignungsentschädigung von dem Tag an, da er seine Absicht, Entschädigung zu verlangen, unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat. Ist er ohne sein Verschulden daran gehindert worden, seine Ansprüche von Anfang an geltend zu machen, so läuft die Verzinsungspflicht unter Umständen von einem früheren Zeitpunkt an (E. 3a).
Die unmissverständliche Absichtsäusserung erfordert nicht zwingend eine förmliche Geltendmachung vor der zuständigen Behörde; eine schriftliche Eingabe - im konkreten Fall ein Wiedererwägungsgesuch betr. Zoneneinteilung - bei der Verwaltung genügt (E. 3b). | Sachverhalt
ab Seite 31
BGE 113 Ib 30 S. 31
Le 30 juin 1976, le Grand Conseil du canton de Neuchâtel a adopté une loi sur la viticulture. Les immeubles qui y sont assujettis ne peuvent en principe pas recevoir une affectation étrangère à la viticulture. Une zone de vigne a ainsi été créée sur le territoire de la commune du Landeron. Elle englobe notamment une parcelle dont les époux Prêtre sont copropriétaires.
Par requête du 9 mai 1977, ces derniers ont demandé au Conseil d'Etat de reconsidérer le classement de leur parcelle; en fin de leur requête, ils écrivaient que "si l'utilisation pour la construction de ce terrain devient impossible par le fait de la loi sur la viticulture, nous (...) réclamons une indemnité pour restriction intolérable à la propriété privée". Cette requête a été rejetée, de même qu'un
BGE 113 Ib 30 S. 32
recours de droit public interjeté contre la décision de refus du Conseil d'Etat.
Le 18 mai 1982, les époux Prêtre ont ouvert action à l'Etat de Neuchâtel en paiement d'une indemnité pour expropriation matérielle. La Commission cantonale d'estimation leur a alloué une indemnité de 80'460 fr. avec intérêts à 5% dès le 18 mai 1982.
Par arrêt du 4 décembre 1985, le Tribunal administratif cantonal a annulé cette décision en ce qui concerne le départ des intérêts et il a prononcé que l'indemnité allouée aux propriétaires porte intérêt dès le 17 août 1976.
Agissant par la voie du recours de droit administratif, l'Etat de Neuchâtel requiert le Tribunal fédéral de casser l'arrêt du Tribunal administratif et de confirmer la décision de l'instance inférieure.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
A teneur de l'
art. 34 al. 1 LAT
, le recours de droit administratif est recevable contre les décisions prises en dernière instance cantonale et fondées sur l'
art. 5 al. 2 LAT
. Cette disposition concerne l'indemnisation consécutive à des restrictions apportées au droit de propriété par des mesures d'aménagement du territoire. Elle est applicable non seulement aux suites des mesures d'aménagement prises en application de la loi fédérale sur l'aménagement du territoire, c'est-à-dire prises postérieurement à l'entrée en vigueur de cette loi, mais aussi aux suites pécuniaires de mesures d'aménagement antérieures (
ATF 107 Ib 229
, 382). La loi neuchâteloise du 30 juin 1976 sur la viticulture (ci-après LV) a introduit une zone viticole en principe inconstructible (art. 7), ce qui est à l'évidence une mesure d'aménagement. L'arrêt déféré a pour fondement une restriction à la propriété engendrée par cette loi. Il porte donc sur une prétention régie, du point de vue matériel, par l'
art. 5 al. 2 LAT
. Il en résulte qu'il est susceptible de faire l'objet d'un recours de droit administratif.
2.
Le canton de Neuchâtel recourt pour sauvegarder son intérêt patrimonial. A ce titre, il a qualité pour recourir selon l'
art. 103 lettre a OJ
(
ATF 110 Ib 197
, 305;
ATF 105 Ib 359
consid. 5a). Il a en outre qualité pour recourir à raison des art. 103 lettre c OJ et 34 al. 2 LAT. Mais comme l'invoquent les intimés, le recourant ne peut pas prendre devant le Tribunal fédéral des conclusions plus amples qu'en procédure cantonale (
ATF 108 Ib 93
consid. bb). Ses
BGE 113 Ib 30 S. 33
conclusions sont donc irrecevables dans la mesure où elles portent sur les intérêts courus du 21 mai 1981 au 18 mai 1982.
3.
a) L'indemnité pour expropriation matérielle comprend un montant en capital qui doit être calculé en fonction de l'état de fait existant au moment de l'entrée en vigueur de la restriction du droit de propriété (
ATF 111 Ib 83
consid. b). En l'espèce, le montant arrêté par la Commission d'estimation n'est pas contesté. L'indemnité comprend en outre des intérêts qui doivent être calculés à partir du jour où le propriétaire a fait des démarches non équivoques tendant à obtenir une indemnisation; dans des cas particuliers, quand il a été empêché sans faute de sa part de faire valoir ses prétentions, il a le droit de réclamer des intérêts calculés depuis une époque antérieure (
ATF 111 Ib 83
consid. b).
b) Le Tribunal administratif a considéré à tort que les intimés étaient empêchés de réclamer une indemnité avant le 25 novembre 1981. Il s'agit de la date où le Tribunal fédéral a rejeté leur recours de droit public contre la décision du Conseil d'Etat du 22 avril 1981, laquelle rejetait leur demande de reconsidération relative au classement du terrain. Comme le soutient le recourant, il était loisible aux propriétaires d'introduire simultanément deux procédures, l'une tendant à obtenir la levée de la restriction de leur droit de propriété, l'autre tendant à l'indemnisation des suites de cette restriction. Et de fait, les intimés ont manifesté de manière non équivoque leur intention d'obtenir une indemnité dans l'écriture même où ils demandaient la reconsidération du classement. A cet égard, une manifestation non équivoque ne suppose pas nécessairement une demande formelle devant l'autorité compétente; une interpellation écrite adressée à l'autorité exécutive est suffisante. La demande de reconsidération, datée du 9 mai 1977, exprimait aussi une interpellation de ce genre. C'est donc à partir de cette date que les intimés peuvent réclamer, à raison des
art. 22ter al. 3 Cst.
et 5 al. 2 LAT, des intérêts sur le capital qui leur est dû.
c) A défaut de disposition leur accordant des prétentions plus étendues, les intimés ne peuvent réclamer aucun intérêt pour le temps antérieur au 9 mai 1977. Le Tribunal administratif a considéré que les intérêts doivent être accordés dès l'entrée en vigueur de la restriction, en l'espèce dès le 17 août 1976, parce que les propriétaires ont manifesté leur intention de réclamer une indemnité dans un délai raisonnable. Il compte ce délai depuis l'entrée en vigueur et l'arrête à une année. Son point de vue ne saurait être suivi; il n'est pas admissible que la collectivité publique soit chargée
BGE 113 Ib 30 S. 34
de frais qui ne sont pas strictement nécessaires à la juste indemnisation des propriétaires, car ce mode de faire compromettrait la réalisation des mesures d'aménagement exigées par la législation fédérale (
ATF 109 Ib 115
; voir aussi
ATF 110 Ib 31
consid. 3; ROUILLER, considérations sur la garantie de la propriété et sur l'expropriation matérielle, faites à partir de la jurisprudence du Tribunal fédéral, RJB 121/1985 p. 13/14). En conséquence, l'arrêt attaqué doit être réformé dans la mesure où il a fixé le départ des intérêts antérieurement au 9 mai 1977. | public_law | nan | fr | 1,987 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
18a8448a-ef0e-4fd6-ada4-750db195f3a3 | Urteilskopf
90 III 49
11. Entscheid vom 12. Juni 1964 i.S. Holmes. | Regeste
Arrestvollzug.
Das beauftragte Amt darf keine andern als die im Arrestbefehl angeführten oder sich aus ihm ergebenden Gegenstände arrestieren. Geschieht es dennoch, so ist der Arrest insoweit als nichtig zu erachten und, auch wenn nicht binnen der Frist des
Art. 17 SchKG
Beschwerde geführt wurde, aufzuheben. -
Art. 13, 17, 271 ff. SchKG
. | Sachverhalt
ab Seite 49
BGE 90 III 49 S. 49
A.-
Frau Nancy Holmes, deren Wohnsitz sich angeblich in Kalifornien befindet, hatte in Gstaad das Chalet
BGE 90 III 49 S. 50
"Bumerang" gemietet. Am 24. März 1964 erwirkte die Vermieterin gegen sie für Mietzins und Heizungsentschädigung einen Arrestbefehl. Danach waren zu arrestieren:
"Möbel, Wertschriften, Gold- und Silbersachen im Chalet Bumerang in Gstaad sowie Schmuck an den Händen der Schuldnerin."
B.-
Der Arrestvollzug fand statt, während sich die Schuldnerin auf einer Auslandreise befand. Vor dem Chalet "Haus am Bach", wo die Schuldnerin eine neue Wohnung gemietet hatte, arrestierte der beauftragte Betreibungsweibel am 26. März 1964 ein Personenautomobil Marke Volkswagen, das nach Angabe des Ehemannes der Gläubigerin der Schuldnerin gehört.
C.-
Nachdem die Arresturkunde am 3. April 1964 im Chalet "Haus am Bach" einem erwachsenen Hausgenossen der Schuldnerin übergeben worden war, führte sie am 1. Mai 1964 Beschwerde mit dem Antrag, der Vollzug des Arrestes sei aufzuheben und das arrestierte Automobil ihr freizugeben.
D.-
Mit Entscheid vom 21. Mai 1964 hat die kantonale Aufsichtsbehörde nach Abklärung des Tatsachenablaufes die Beschwerde als verspätet von der Hand gewiesen.
E.-
Mit vorliegendem Rekurs hält die Schuldnerin an der Beschwerde fest.
Erwägungen
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
1.
Der Rekurrentin ist darin beizustimmen, dass es dem Betreibungsamte nicht zusteht, die zu arrestierenden Gegenstände zu bezeichnen oder den Kreis dieser Gegenstände über den durch den Arrestbefehl gezogenen Rahmen hinaus zu erweitern. Vielmehr beschränkt sich die Aufgabe des Betreibungsamtes auf den Vollzug des von der zuständigen Behörde erlassenen Arrestbefehls. Dieser hat nach ausdrücklicher Gesetzesnorm (
Art. 274 Ziff. 4 SchKG
) die zu arrestierendenGegenstände - abschliessend und in einer für das vollziehende Amt verbindlichen Weise - zu bezeichnen
BGE 90 III 49 S. 51
(sei es einzeln, sei es der Gattung nach, vgl.
BGE 75 III 107
/8,
BGE 80 III 86
ff.). Andere als die im Arrestbefehl angeführten oder sich aus ihm ergebenden Gegenstände darf das Betreibungsamt nicht arrestieren (vgl. JAEGER, N. 1 zu
Art. 275 SchKG
; FRITZSCHE, SchK Band II S. 211). Geschieht es aber, so liegt nicht bloss eine gesetzwidrige Verfügung vor, die binnen der Frist des
Art. 17 SchKG
angefochten werden kann und bei unbenutztem Ablauf dieser Frist rechtskräftig wird. Vielmehr bedeutet eine nicht auf dem Arrestbefehl beruhende Beschlagnahme einen Übergriff in die der Arrestbehörde vorbehaltenen Befugnisse. Eine derartige ausserhalb des sachlichen Zuständigkeitsbereiches des Betreibungsamtes liegende Handlung ist als nichtig zu erachten und jederzeit vom Amte selbst, sobald es seines Missgriffes gewahr wird, zu widerrufen oder von den ihm vorgesetzten Aufsichtsbehörden auf Beschwerde hin oder auch von Amtes wegen aufzuheben. Nicht nur die unmittelbar am Arrestverfahren beteiligten Personen, insbesondere der Schuldner, sondern auch Dritte, mit andern Worten die Öffentlichkeit, sind daran interessiert, dass das Betreibungsamt sich keine Befugnisse anmasst und namentlich nicht in den Zuständigkeitsbereich des Richters oder einer Arrestbehörde eingreift. Dies sowohl aus dem allgemeinen Gesichtspunkt, dass der Bürger vor Eingriffen geschützt werden muss, die der handelnden Behörde oder Amtsstelle schlechterdings nicht zustehen, wie auch wegen der Rückwirkungen, die eine solche Amtshandlung auf die Rechtsstellung Dritter haben kann (wie denn eine Arrestierung die provisorische Teilnahme an einer von anderer Seite erwirkten Pfändung und das Recht der Kostendeckung nach
Art. 281 Abs. 1 und 2 SchKG
nach sich zieht und die Rechte Dritter in entsprechender Weise beschränkt). Es handelt sich um einen Fall von Nichtigkeit, die von den Aufsichtsbehörden schon auf Grund von
Art. 13 SchKG
zu beachten ist und die das Bundesgericht zur Geltung bringen kann, wenn es sich infolge eines gültigen
BGE 90 III 49 S. 52
Rekurses gegen einen kantonalen Entscheid mit dem betreffenden Betreibungs- oder Konkurs- (oder auch Arrest-) Verfahren zu befassen hat (vgl.
BGE 79 III 9
mit zahlreichen Hinweisen; IMBODEN, Nichtige Betreibungshandlungen, in Blätter für Schuldbetreibung und Konkurs 1944 S. 135).
2.
Im vorliegenden Falle hat der Arrestbefehl die zu arrestierenden Sachen zwar nicht stückweise, wohl aber durch Angabe der in Frage kommenden Gattungen von Gegenständen bezeichnet (offenbar gemäss den Angaben des Arrestbewilligungsgesuches, in dem sich der Gläubiger über die nach
Art. 274 Ziff. 1-4 SchKG
wesentlichen Punkte auszusprechen hatte). Auf diese massgebende Umschreibung der Gegenstände lässt sich die Arrestierung eines Automobils nicht stützen. Das Automobil ist kein Möbel im landläufigen Sinn. Unter den Möbeln versteht man das zur Einrichtung der Wohnung (oder auch von Büro- oder Geschäftsräumen) dienende Mobiliar (Küchen-, Zimmermobiliar usw.), wie denn als Möbelhändler ein Kaufmann benannt zu werden pflegt, der solches Mobiliar feilhält, nicht auch ein Automobilhändler. Vollends gehört das Automobil nicht zu den weitern im Arrestbefehl aufgeführten Sachen (Wertschriften, Gold- und Silbersachen, Schmuck).
Wenn sich keine Gegenstände der im Arrestbefehl bezeichneten Art oder nur solche vorfanden, die wegen Unpfändbarkeit nach Art. 92/275 SchKG freigegeben werden mussten, so war der Arrestvollzug als ergebnislos zu erklären. Der Zugriff auf das Automobil liess sich auch nicht etwa deshalb rechtfertigen, weil der beim Vollzug anwesende Ehemann der Gläubigerin es wünschte. Denn selbst angenommen, der Ehemann sei befugt gewesen, in dieser Angelegenheit im Namen der Ehefrau aufzutreten, so fehlte es eben an einer bei der allein zuständigen Behörde gemachten Angabe, die ihren Ausdruck im Arrestbefehl hätte finden müssen. Der Versuch, ohne diese Rechtsgrundlage auf das Automobil zu greifen, läuft auf
BGE 90 III 49 S. 53
unerlaubte Eigenmacht hinaus, wozu das Betreibungsamt nicht Hand bieten durfte.
Dispositiv
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird gutgeheissen, der Arrest Nr. 4/64 des Betreibungsamtes Saanen, vollzogen am 26. März 1964, aufgehoben und das Betreibungsamt angewiesen, der Rekurrentin das arrestierte Automobil VW freizugeben. | null | nan | de | 1,964 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
18a9563f-1059-4d66-b9af-81e9a3d96bf0 | Urteilskopf
106 Ia 389
64. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit public du 14 mars 1980 en la cause Chevalley contre Grand Conseil du canton de Genève (recours de droit public) | Regeste
Änderung einer in einer Verfassungsnorm festgelegten Kompetenzordnung durch eine Gesetzesbestimmung; Veräusserung von Werten aus dem Finanzvermögen des Gemeinwesens.
Art. 85 lit. a OG
, 80 GE-KV.
Verletzung des Stimmrechts des Bürgers dadurch, dass die Änderung einer Verfassungsnorm statt durch eine Bestimmung auf Verfassungsstufe durch eine solche von Gesetzesrang erfolgt. | Sachverhalt
ab Seite 389
BGE 106 Ia 389 S. 389
Le corps électoral du canton de Genève (dénommé: Conseil général) a accepté en votation du 25 septembre 1977 une initiative populaire non formulée intitulée "Initiative populaire pour favoriser la construction de logements et instituer un contrôle renforcé des loyers", alors que le Grand Conseil avait refusé d'entrer en matière sur cette initiative. Parmi les nombreux objets proposés par les initiants pour atteindre les buts visés, figurait notamment l'interdiction d'aliéner "des immeubles propriétés de l'Etat et des corporations de droit public" à des "personnes morales ou physiques autres que des collectivités publiques".
BGE 106 Ia 389 S. 390
Le 29 septembre 1977, le Grand Conseil a adopté trois lois en application partielle de cette initiative, notamment la "loi générale sur le logement et la protection des locataires", qui comprend 51 articles. L'art. 41, figurant au chapitre V intitulé "Restriction au droit d'aliéner", dispose:
"L'aliénation des immeubles qui sont propriété de l'Etat, de
collectivités
publiques ou de fondations de droit public à des personnes morales ou
physiques autres que des collectivités publiques ou des corporations de
droit public est soumise à l'approbation du Grand Conseil.
Restent réservés à la compétence du Conseil d'Etat:
a) l'approbation d'aliénations d'immeubles propriété d'une commune ou
d'une fondation communale;
b) les échanges et les transferts effectués dans le
cadre d'opérations de remembrement foncier et d'aménagement du
territoire..."
Soumises au vote populaire en application de l'
art. 67 al. 2 Cst.
gen. (cas où le peuple s'est prononcé contre le refus du Grand Conseil d'entrer en matière sur une initiative), les trois lois du 29 septembre 1977 ont été acceptées par le peuple le 4 décembre 1977. Elles sont entrées en vigueur le 1er janvier 1978.
Agissant par la voie du recours de droit public, Anne Chevalley requiert le Tribunal fédéral d'annuler l'art. 41 al. 1 de ladite loi. Elle se plaint de ce que la répartition des pouvoirs opérée par la Constitution cantonale ait été modifiée au moyen d'une loi ordinaire, au lieu de l'être par une loi constitutionnelle; elle y voit une violation du principe de la séparation des pouvoirs et une atteinte au droit de vote des citoyens.
La Commission parlementaire ad hoc conclut au rejet du recours.
Une demande d'effet suspensif a été rejetée par ordonnance présidentielle du 20 février 1978.
Erwägungen
Extrait des motifs:
2.
Sur le fond, la recourante fait observer que, selon l'
art. 80 Cst.
gen., le Grand Conseil a la compétence notamment de "voter les aliénations du domaine public", tandis que le domaine privé de l'Etat relève de l'autorité qui est chargée de l'administration générale du canton, à savoir du Conseil d'Etat (
art. 101 Cst.
gen.). Elle reproche dès lors au Grand Conseil d'avoir modifié par une loi ordinaire la répartition des attributions
BGE 106 Ia 389 S. 391
telle qu'elle est fixée par la Constitution, alors qu'une telle modification aurait dû se faire par une loi constitutionnelle.
a) En ce qui concerne la portée de l'
art. 80 Cst.
gen. et la notion du domaine public, la Commission parlementaire invoque les conceptions juridiques en vigueur lors de la rédaction de ce texte constitutionnel; elle ne produit cependant aucun document à l'appui de cette argumentation. Le Tribunal fédéral recourt dans chaque cas aux procédés d'interprétation qui lui paraissent les plus adéquats à dégager le sens et la portée d'une norme, sans nécessairement faire abstraction de la méthode historique (
ATF 94 I 33
s. consid. 2a). En l'espèce, cette méthode ne peut guère être déterminante, faute d'éléments d'appréciation explicites.
aa) On sait que ledit texte constitutionnel figure depuis 1842 dans les constitutions successives de Genève; il n'a jamais été amendé, en dépit de deux tentatives faites en 1959 et 1961, la prise en considération de projets de loi constitutionnelle ayant été écartée par le Grand Conseil en 1960 et 1969. Le projet rejeté en 1969 tendait précisément à conférer au Grand Conseil la compétence de voter "les aliénations des domaines public et privé de l'Etat, y compris les concessions de droits sur ceux-ci", tout en réservant au Conseil d'Etat la faculté de "consentir des baux de moins de 10 années sur le domaine privé" (cf. Mémorial du Grand Conseil - en abrégé: MGC - 1969 p. 3553 et 3567).
Les travaux préparatoires relatifs à la Constitution de 1842 ne fournissent guère d'indications sur les intentions de ses auteurs. Dans sa première version, l'art. 43 - devenu par la suite l'art. 45 - était muet quant aux aliénations. Lors du premier débat de l'assemblée constituante, il a été relevé que cette disposition comportait une lacune relative aux aliénations d'immeubles "appartenant au canton" ou "d'immeubles cantonaux", un amendement étant proposé en ce sens (Mémorial des séances de l'assemblée constituante, 1842, p. 1306). Le projet adopté au deuxième débat n'évoque plus cette terminologie mais, conformément au texte actuel, les termes de "domaine public" (ibidem, p. 1878). Cette version définitive a été adoptée au troisième débat, sans la moindre remarque sur ces modifications (ibidem, p. 1987). On ignore donc ce qui les a motivées. On sait, en revanche, que l'ancien Code civil genevois, d'inspiration napoléonienne, comportait, en ses art. 538 à 541,
BGE 106 Ia 389 S. 392
quelques indications sur la notion du domaine public qui comprenait essentiellement les chemins, routes et rues, à la charge de l'Etat, les fleuves, rivières, rivages, ports, havres, rades et généralement toutes les portions du territoire qui ne sont pas susceptibles d'une propriété privée, ainsi que les biens vacants et sans maître, les fossés, remparts et forteresses, les terrains des fortifications qui ne sont plus places de guerre.
En Suisse romande, l'expression "domaine public" a désigné traditionnellement l'ensemble des biens immobiliers qui, soit à raison de leur nature, soit à raison de leur affectation à l'usage direct du public, sont insusceptibles de propriété privée, cette conception s'inspirant de celle des anciens auteurs français, pour qui le domaine public s'identifiait au domaine du "public" (cf. RENÉ MEYER, Du droit de l'Etat sur le domaine public et des utilisations privatives de ce domaine par les particuliers..., thèse Lausanne 1953, p. 11 s.). Selon l'ancienne théorie française, les biens de l'Etat faisaient nécessairement partie soit du domaine privé, soit du domaine public, ce dernier étant la partie des biens de l'Etat protégée par le régime de la domanialité publique comprenant les choses affectées à l'usage direct du public (routes, fleuves, montagnes, glaciers, etc.) (cf. RENÉ MEYER, op.cit., p. 10 s.).
Il est donc probable, sinon certain, que pour les auteurs de la Constitution genevoise de 1842, dont quelques-uns étaient d'éminents juristes, l'expression "domaine public" correspondait auxdites conceptions françaises. Autrement dit, il n'est guère vraisemblable qu'ils aient entendu attribuer au Grand Conseil la compétence de décréter les aliénations de la propriété privée de l'Etat.
La Commission parlementaire admet d'ailleurs que, dans la pratique, le pouvoir législatif n'a nullement émis de telles prétentions, le Conseil d'Etat ayant librement disposé de ses biens privés, ses immeubles étant du reste inscrits à ce titre au registre foncier (cf. les explications fournies par un membre du gouvernement au Grand Conseil lors des délibérations sur le premier projet de loi constitutionnelle, relative à l'
art. 80 Cst.
gen., MGC 1960, p. 2248 à 2253).
bb) Le Grand Conseil a d'ailleurs consacré lui-même cette distinction, d'une part entre les domaines privé et public et, d'autre part, entre les compétences réservées à leur sujet à chacun des deux pouvoirs concernés, en adoptant le 24 juin 1961 la
BGE 106 Ia 389 S. 393
loi sur le domaine public (RS, L/1/0.5) qui, remplaçant sur ce point l'ancienne loi générale sur les routes, la voirie et les cours d'eau du 15 juin 1895, a fixé le champ, les conditions et les modalités d'exercice de sa compétence constitutionnelle en la matière. En revanche, aucune réglementation analogue n'a été édictée pour les biens du patrimoine privé de l'Etat. Cette circonstance confirme implicitement que l'administration de ces biens et le pouvoir d'en disposer appartiennent à l'autorité exécutive.
Une telle séparation des compétences est la conséquence logique du régime juridique diffèrent auquel chaque catégorie de ces biens est soumise.
En effet, le domaine public ne se caractérise nullement par les propriétés physiques des biens qui le composent, mais par son régime juridique que les cantons déterminent dans les limites de leur pouvoir (GRISEL, Droit administratif suisse, p. 279). Le patrimoine administratif, soit l'ensemble des biens dont l'Etat se sert lui-même pour atteindre ses buts, fait partie du domaine public (GRISEL, op.cit., p. 286). En revanche, le domaine privé de l'Etat se compose de tous les biens qui lui appartiennent sans être incorporés au domaine public: espèces, papiers-valeurs, terrains, bâtiments locatifs, exploitations agricoles, forêts, etc. Comme les biens des administrés, le domaine privé étatique est soumis en principe au droit privé (GRISEL, op.cit., p. 283). Il est donc normal d'en confier l'administration, la gestion et l'aliénation éventuelle à l'organe auquel la Constitution attribue l'administration générale du canton.
b) L'
art. 101 Cst.
gen. a précisément conféré le pouvoir exécutif et cette administration au Conseil d'Etat.
Bien qu'elle figure dans un chapitre intitulé "composition et élection du Conseil d'Etat", cette disposition comporte une véritable attribution de compétence qui confère au Conseil d'Etat un pouvoir coordonné au Grand Conseil, conformément à la structure de la Constitution genevoise (cf. consultation de MM. Battelli, Huber et Secrétan sur le droit de pétition à Genève, 1956, p. 14 al. 6). Il en est de même quant au pouvoir législatif conféré au Grand Conseil par l'
art. 70 Cst.
gen., qui se trouve également dans un chapitre intitulé "composition et élection du Grand Conseil".
Il découle de l'ensemble des critères d'appréciation pris en considération que, contrairement à l'argumentation de la
BGE 106 Ia 389 S. 394
Commission parlementaire, l'
art. 80 Cst.
gen. n'a nullement eu pour but ni pour effet d'attribuer au Grand Conseil la compétence de décréter les aliénations du domaine privé de l'Etat.
3.
En vertu du principe de la séparation des pouvoirs, les organes doivent rester dans leur sphère de compétence; ce principe est donc violé par l'évincement d'un organe au profit d'un autre (GRISEL, op.cit., p. 70).
a) L'art. 41 de la loi générale sur le logement aboutit nécessairement à un tel résultat, car il a pour effet d'attribuer au Grand Conseil une compétence que la Constitution lui a refusée, l'ayant de ce seul fait réservée au Gouvernement cantonal, qui l'a d'ailleurs exercée durant de nombreuses années avec le consentement, au moins tacite, du Parlement. Le pouvoir législatif dont ce dernier est investi ne lui confère pas celui de s'attribuer des compétences que le constituant lui dénie. Il ne peut le faire que par le moyen d'une modification de la Constitution, selon les voies prévues à cet effet. Or ces voies, consacrées par une pratique constamment observée depuis un siècle et demi, n'ont pas été suivies.
La Constitution et la législation d'application opèrent une distinction nette entre les lois dites "ordinaires" et les lois "constitutionnelles". L'
art. 179 Cst.
gen. énonce en effet ce qui suit:
"Tout projet de changement à la Constitution est d'abord délibéré et voté
suivant les formes prescrites pour les lois ordinaires.
Il est ensuite porté à la sanction du Conseil général.
La majorité absolue des votants décide de l'acceptation ou du rejet."
L'
art. 47 Cst.
gen., qui règle les compétences du Conseil général, prévoit également que ce corps "vote sur tous les changements et additions à la Constitution...". Selon l'art. 49 al. 3a ch. 2, les votations doivent avoir lieu dans un délai déterminé "après l'adoption d'une loi constitutionnelle par le Grand Conseil".
La loi du 8 décembre 1956 sur la forme, la publication et la promulgation des actes officiels (RS B/2/1) distingue également les "lois constitutionnelles" des autres lois (cf. les art. 1 à 3, 11, 12, 14 et 17).
Il est donc évident qu'une modification de la Constitution nécessite une loi spéciale, qualifiée de "constitutionnelle", dont "l'objet" doit être indiqué dès l'annonce du projet au Grand
BGE 106 Ia 389 S. 395
Conseil (art. 64 al. 1 de la loi du 9 octobre 1969 portant règlement du Grand Conseil; RS B/1/1).
En outre, il découle de ces textes que le projet tendant à la modification d'une disposition constitutionnelle doit clairement exprimer cette volonté, en précisant les changements qui doivent être apportés à la norme visée. Enfin, il est nécessaire de limiter le projet à son objet spécifique.
Un projet qui ne respecte pas ces critères ne saurait être assimilé aux actes évoqués par les
art. 47 et 179 Cst.
gen. En effet, il ne permettrait pas au Conseil général de se prononcer en toute connaissance de cause, ni d'avoir conscience de la modification constitutionnelle qu'il impliquerait.
C'est en vain qu'on objecterait que le peuple, en application de l'
art. 67 al. 2 Cst.
gen., a de toute façon voté sur la loi en question: en effet, il n'est pas indiffèrent pour le résultat du vote que les citoyens aient à se prononcer sur un projet de loi ordinaire qui comporte une cinquantaine d'articles (dont la plupart visent directement la construction de logements à loyer modéré et la protection des locataires, dispositions parmi lesquelles la modification de la répartition constitutionnelle des attributions passait quasiment inaperçue en tant que telle) ou sur un projet de loi constitutionnelle ayant pour seul objet la modification de l'
art. 80 Cst.
gen. D'ailleurs, indépendamment du résultat du vote, le citoyen a le droit d'exiger que les procédures de vote, d'élection, d'initiative et de référendum se déroulent conformément aux dispositions constitutionnelles et légales (cf.
ATF 103 Ia 281
s.).
On doit en conclure que l'adoption de l'art. 41 al. 1 de la loi générale sur le logement et la protection des locataires, du 29 septembre 1977, implique une violation du droit de vote des citoyens, de sorte que cette disposition doit être annulée. Elle ne doit cependant l'être que dans la mesure où elle vise l'aliénation du domaine privé de l'Etat, puisque c'est sur ce point seulement qu'elle viole le droit de vote des citoyens.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral:
Admet partiellement le recours en ce sens que l'art. 41 al. 1 de la loi est annulé dans la mesure où il vise les immeubles qui sont propriété privée de l'Etat. | public_law | nan | fr | 1,980 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
18aa3827-5969-40a6-bac6-d1a60b97263e | Urteilskopf
81 IV 42
8. Urteil des Kassationshofes vom 10. Januar 1955 i.S. W. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich. | Regeste
Art. 11, 345, 365, 397 StGB.
a) Ob die Revisionsinstanz die Erheblichkeit neuer Tatsachen für die Strafzumessung selber prüfen kann oder diesen Entscheid dem Sachrichter im wiederaufzunehmenden Verfahren vorzubehalten hat, bestimmt das kantonale Recht.
b) Eine durch Revisionsgesuch aufgedeckte Verminderung der Zurechnungsfähigkeit führt nicht notwendigerweise zur Herabsetzung der ausgefällten Strafe. | Sachverhalt
ab Seite 42
BGE 81 IV 42 S. 42
A.-
W., der am 13. Februar 1951 vom Bezirksgericht Horgen wegen widernatürlicher Unzucht, Versuchs wider natürlicher Unzucht und Unzucht mit Kindern zu einer
BGE 81 IV 42 S. 43
bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von sieben Monaten verurteilt worden war, verführte im Jahre 1953 während der ihm auferlegten Probezeit unter zwei Malen erneut einen Minderjährigen, mit dem er Autofahrten unternahm, zu widernatürlicher Unzucht und wurde daher erstinstanzlich vom Bezirksgericht Affoltern am 13. Februar 1954 und oberinstanzlich von der II. Strafkammer des Obergerichtes des Kantons Zürich am 30. März 1954 in Anwendung von
Art. 194 Abs. 1 StGB
zu fünf Monaten Gefängnis verurteilt.
B.-
W. liess sich am 23. Juni 1954 vom Psychiater Dr. med. Knoepfel ein Gutachten erstatten, in dem dieser zum Schlusse kam, W. habe sowohl die vom Bezirksgericht Horgen als auch die vom Bezirksgericht Affoltern und der II. Strafkammer des Obergerichts beurteilten Handlungen im Zustande leichter Verminderung der Zurechnungsfähigkeit begangen. Unter Berufung auf dieses Gutachten ersuchte er am 25. Juni 1954 das Gesamtobergericht des Kantons Zürich, die Wiederaufnahme der beiden Strafverfahren zu bewilligen.
Das Gesamtobergericht wies ihn an, die Wiederaufnahme des ersten Verfahrens bei der II. Strafkammer des Obergerichts in einer besonderen Eingabe nachzusuchen. Soweit er die Wiederaufnahme des zweiten Verfahrens verlangte, trat es dagegen auf das Gesuch ein und wies es am 3. November 1954 ab. Zur Begründung führte es aus: Der Entscheid darüber, ob die neu geltend gemachten Tatsachen oder Beweismittel eine mildere Bestrafung rechtfertigten, sei einzig Sache der Revisionsinstanz. Das Bezirksgericht Affoltern und die II. Strafkammer des Obergerichtes hätten keine Verminderung der Zurechnungsfähigkeit des Gesuchstellers angenommen. Selbst wenn man aber dem Gutachten Dr. Knoepfels folge und dem Gesuchsteller eine leichte Verminderung der Zurechnungsfähigkeit zubillige, erscheine die ausgesprochene Strafe von fünf Monaten Gefängnis mit Rücksicht auf den Rückfall, den der Gesuchsteller dadurch leicht hätte
BGE 81 IV 42 S. 44
vermeiden können, dass er den Geschädigten nicht auf Autofahrten mitgenommen hätte, immer noch als angemessen.
C.-
W. führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, der Beschluss vom 3. November 1954 sei aufzuheben, die Wiederaufnahme des Verfahrens gegenüber dem Urteil der II. Strafkammer des Obergerichtes vom 30. März 1954 zu beschliessen und die Sache zur Ausfällung eines neuen Urteils an die II. Strafkammer, eventuell zur Gutheissung des Wiederaufnahmegesuches an das Gesamtobergericht zurückzuweisen. Er macht geltend, der angefochtene Beschluss verletze
Art. 397 und 11 StGB
. Da das Obergericht die Erheblichkeit und Beweiskraft des Gutachtens Knoepfel vorausgesetzt habe, hätte es das Revisionsgesuch gutheissen sollen. Zur Festsetzung des Strafmasses sei es nicht befugt gewesen; diese bleibe unter allen Umständen dem erkennenden Richter vorbehalten. Eine Milderung müsse im vorliegenden Falle eintreten. Im Sachurteil sei sie noch nicht erfolgt,
Art. 11 StGB
aber schreibe sie zwingend vor, lege nur ihr Ausmass in das Ermessen des Richters. Eventuell sei, wie schon im Revisionsgesuch beantragt, zum Nachweis der verminderten Zurechnungsfähigkeit des Beschwerdeführers eine gerichtliche Expertise anzuordnen.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1.
Art. 397 StGB
gebietet die Wiederaufnahme des Strafverfahrens zugunsten eines in Anwendung eidgenössischen Rechts Verurteilten, wenn erhebliche Tatsachen, die dem Gerichte zur Zeit des früheren Verfahrens nicht bekannt waren, glaubhaft gemacht werden (
BGE 73 IV 44
,
BGE 77 IV 214
,
BGE 78 IV 55
), oder wenn zum Nachweis erheblicher Tatsachen, die bereits im früheren Verfahren geltend gemacht worden sind, erhebliche neue Beweismittel beigebracht werden.
2.
Das vom Beschwerdeführer eingelegte Gutachten ist nicht neues Beweismittel zu Tatsachen, die bereits im
BGE 81 IV 42 S. 45
Verfahren vor dem Bezirksgericht Affoltern und der II. Strafkammer des Obergerichtes behauptet worden wären; denn abgesehen davon, dass das Bundesgericht in Gutachten überhaupt nicht neue Beweismittel zu früher angerufenen Tatsachen sieht (
BGE 76 IV 37
,
BGE 78 IV 56
), hatte der Beschwerdeführer vor den erwähnten Gerichten nicht geltend gemacht, er habe die Tat im Zustande verminderter Zurechnungsfähigkeit begangen.
3.
Ob das Gutachten neue Tatsachen aufdecke oder zum mindestens glaubhaft mache, die auf Verminderung der Zurechnungsfähigkeit hinweisen würden, kann dahingestellt bleiben. Auch wenn das zutreffen sollte, verstösst die Abweisung des Wiederaufnahmegesuches nicht gegen eidgenössisches Recht. Denn "erheblich" im Sinne des
Art. 397 StGB
wären die angeblichen Tatsachen nur, wenn sie zu einer bedeutend milderen Bestrafung des Beschwerdeführers führen könnten (
BGE 69 IV 139
Erw. 6). Das verneint das Obergericht mit einer Begründung, die nicht gegen Bundesrecht verstösst.
Indem es ausführt, die von der II. Strafkammer ausgefällten fünf Monate Gefängnis wären mit Rücksicht auf den Rückfall auch bei leichter Verminderung der Zurechnungsfähigkeit des Beschwerdeführers immer noch angemessen, will es sagen, dass die Wiederaufnahme des Verfahrens nicht zu einer Herabsetzung der Strafe führen würde. Ob es diese Würdigung des Verschuldens und der Angemessenheit der Strafe vorausnehmen durfte oder der II. Strafkammer zu überlassen hatte, die im Falle der Wiederaufnahme des Verfahrens das neue Sachurteil zu fällen hätte, ist eine Frage des kantonalen Rechts.
Art. 397 StGB
verbietet nicht, dass der über das Wiederaufnahmegesuch entscheidende Richter eine Frage vorweg beurteile, die normalerweise in das Erkenntnisgebiet des Sachrichters im wiederaufgenommenen Verfahren fallen würde. Denn diese Bestimmung greift in den Grundsatz, dass die Organisation der Gerichte und des gerichtlichen Verfahrens, also auch die Ordnung der sachlichen Zuständigkeit den Kantonen zukommt (
Art. 64 bis Abs. 2
BGE 81 IV 42 S. 46
BV
,
Art. 345, 365 StGB
), nicht ein. Ob das Obergericht sich an die vom kantonalen Recht gewollte Zuständigkeitsordnung gehalten oder durch Beurteilung der erwähnten Vorfrage, wie der Beschwerdeführer behauptet, gegen eine entgegenstehende Praxis des Zürcher Kassationsgerichts verstossen habe, hat das Bundesgericht auf Nichtigkeitsbeschwerde hin nicht zu beurteilen, da mit diesem Rechtsmittel nur die Verletzung eidgenössischen Rechts gerügt werden kann (Art. 269 Abs. 1, 273 Abs. 1 lit. b BStP).
Bundesrecht ist auch nicht deshalb verletzt, weil
Art. 11 StGB
die Milderung der Strafe vorschreibt, wenn der Täter die Tat im Zustande verminderter Zurechnungsfähigkeit begangen hat. Das heisst nur, dass Verminderung der Zurechnungsfähigkeit überhaupt das Verschulden mindere und im Strafmass - innerhalb des angedrohten ordentlichen Strafrahmens oder durch Übergang zu einer milderen Strafart (
BGE 71 IV 69
) - zugunsten des Angeklagten berücksichtigt werden müsse'nicht auch, dass der Richter, der dieses Verschulden wägt und sich über die Angemessenheit der Strafe ausspricht, die von einem anderen Richter in der gleichen Sache geäusserte Auffassung als verbindlichen Ausgangspunkt für die Milderung zu nehmen habe. So verlangt
Art. 11 StGB
z.B. nicht, dass ein Appellationsgericht die vom erstinstanzlichen Richter ausgefällte Strafe herabsetze, wenn die Verminderung der Zurechnungsfähigkeit erst im Appellationsverfahren aufgedeckt wird (vgl.
BGE 80 IV 158
). Etwas anderes gilt auch nicht im Falle der Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens. Der Sachrichter im wiederaufgenommenen Verfahren ist von Bundesrechts wegen frei, trotz Annahme verminderter Zurechnungsfähigkeit den Täter gleich streng zu bestrafen, wie es im ersten Urteil geschehen ist, und daher braucht auch der über das Wiederaufnahmegesuch entscheidende Richter nicht notwendigerweise von Bundesrechts wegen vorauszusetzen, dass der Sachrichter wegen
BGE 81 IV 42 S. 47
der neu aufgedeckten Verminderung der Zurechnungs fähigkeit die früher ausgefällte Strafe herabsetzen würde.
Hält er diese nach wie vor für gerecht, so verletzt er eidgenössisches Recht nur dann, wenn sie, unter Mit berücksichtigung der Verminderung der Zurechnungsfähigkeit, aus dem Rahmen des Ermessens fällt, in das der Kassationshof nach ständiger Rechtsprechung (vgl.
BGE 68 IV 21
,
BGE 78 IV 72
) nicht einzugreifen hat. Davon kann hier keine Rede sein. Der Beschwerdeführer macht das auch gar nicht geltend.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit auf sie einzutreten ist. | null | nan | de | 1,955 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
18b7cd09-817f-47bc-a473-d16e9e27783d | Urteilskopf
137 I 31
5. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. Zopfi und Mitb. gegen Kantonsrat des Kantons Zürich (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
1C_428/2009 vom 13. Oktober 2010 | Regeste
Konkordat über Massnahmen gegen Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen; Art. 10 Abs. 2, Art. 22, Art. 32 Abs. 1,
Art. 36 und 49 Abs. 1 BV
,
Art. 5 Ziff. 1 und
Art. 6 Ziff. 2 EMRK
,
Art. 82 lit. b BGG
.
Die Bestimmungen des Konkordates über Massnahmen gegen Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen (Konkordat) können mit Beschwerde nach
Art. 82 lit. b BGG
angefochten werden (E. 1.3).
Die im Konkordat vorgesehenen Massnahmen (Rayonverbot, Meldeauflage und Polizeigewahrsam) sind polizeilicher Natur (E. 3 und 4). Sie sind mit dem Bundesrecht vereinbar (E. 4) und halten vor der Unschuldsvermutung stand (E. 5).
Die Massnahmen beeinträchtigen die persönliche Freiheit und die Versammlungsfreiheit. Das Konkordat stellt eine verfassungsgemässe Grundlage für die Grundrechtseingriffe dar (gesetzliche Grundlage, öffentliches Interesse, Verhältnismässigkeit; E. 6).
Der Polizeigewahrsam als Massnahme zur Durchsetzung von Rayonverboten lässt sich unter die von der EMRK zugelassenen Freiheitsbeschränkungen subsumieren (E. 7).
Die Empfehlung von Stadionverboten hält vor der Verfassung stand (E. 8). | Sachverhalt
ab Seite 32
BGE 137 I 31 S. 32
A.
Das Bundesgesetz vom 21. März 1997 über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit (BWIS; SR 120) wurde am 24. März 2006 mit Vorkehren zur Vorbeugung von Gewalt an Sportveranstaltungen mit Wirkung ab dem 1. Januar 2007 ergänzt (AS 2006 3703). Die Ergänzung sah u.a. Rayonverbote (Art. 24b), Meldeauflagen (Art. 24d) und Polizeigewahrsam (Art. 24e) vor (vgl. zum Ganzen
BGE 134 I 125
S. 126). Diese Massnahmen waren wegen der
BGE 137 I 31 S. 33
fragwürdigen Zuständigkeit des Bundes zeitlich begrenzt. Sie wurden durch Änderung des BWIS vom 3. Oktober 2008 auf Ende 2009 ausser Kraft gesetzt (AS 2009 5091).
Wegen der Befristung der bundesrechtlichen Massnahmen beschloss die Frühjahrsversammlung 2007 der Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD), zur Weiterführung der erforderlichen Massnahmen ein entsprechendes Konkordat zu schaffen. Am 15. November 2007 verabschiedete die Konferenz das Konkordat über Massnahmen gegen Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen (im Folgenden: Konkordat).
Das Konkordat übernimmt im Wesentlichen die befristete Regelung des BWIS und der entsprechenden Verordnung. Es hat folgenden Wortlaut:
"1. Kapitel: Allgemeine Bestimmungen
Art. 1 Zweck
Die Kantone treffen in Zusammenarbeit mit dem Bund zur Verhinderung gewalttätigen Verhaltens vorbeugende polizeiliche Massnahmen nach diesem Konkordat, um frühzeitig Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen zu erkennen und zu bekämpfen.
Art. 2 Definition gewalttätigen Verhaltens
1
Gewalttätiges Verhalten und Gewalttätigkeiten liegen namentlich vor, wenn eine Person folgende Straftaten begangen oder dazu angestiftet hat:
a) Strafbare Handlungen gegen Leib und Leben nach den Artikeln 111- 113, 117, 122, 123, 125 Absatz 2, 129, 133, 134 des Strafgesetzbuches (StGB);
b) Sachbeschädigungen nach Artikel 144 StGB;
c) Nötigung nach Artikel 181 StGB;
d) Brandstiftung nach Artikel 221 StGB;
e) Verursachung einer Explosion nach Artikel 223 StGB;
f) Öffentliche Aufforderung zu Verbrechen oder zur Gewalttätigkeit nach Artikel 259 StGB;
g) Landfriedensbruch nach Artikel 260 StGB;
h) Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte nach Artikel 285 StGB.
2
Als gewalttätiges Verhalten gilt ferner die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit durch das Mitführen oder Verwenden von Waffen, Sprengmitteln, Schiesspulver oder pyrotechnischen Gegenständen an Sportstätten, in deren Umgebung sowie auf dem An- und Rückreiseweg.
BGE 137 I 31 S. 34
Art. 3 Nachweis gewalttätigen Verhaltens
1
Als Nachweis für gewalttätiges Verhalten nach Artikel 2 gelten:
a) entsprechende Gerichtsurteile oder polizeiliche Anzeigen;
b) glaubwürdige Aussagen oder Bildaufnahmen der Polizei, der Zollverwaltung, des Sicherheitspersonals oder der Sportverbände und -vereine;
c) Stadionverbote der Sportverbände und -vereine;
d) Meldungen einer zuständigen ausländischen Behörde.
2
Aussagen nach Absatz 1 Buchstabe b sind schriftlich festzuhalten und zu unterzeichnen.
2. Kapitel: Polizeiliche Massnahmen
Art. 4 Rayonverbot
1
Einer Person, die sich anlässlich von Sportveranstaltungen nachweislich an Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen beteiligt hat, kann der Aufenthalt in einem genau umschriebenen Gebiet im Umfeld von Sportveranstaltungen (Rayon) zu bestimmten Zeiten verboten werden. Die zuständige kantonale Behörde bestimmt den Umfang der einzelnen Rayons.
2
Das Rayonverbot kann längstens für die Dauer eines Jahres verfügt werden.
3
Das Verbot kann von den Behörden des Kantons verfügt werden, in dem die betroffene Person wohnt oder in dem sie an der Gewalttätigkeit beteiligt war. Die Behörde des Kantons, in dem die Gewalttätigkeit geschah, hat dabei Vorrang. Die Schweizerische Zentralstelle für Hooliganismus (Zentralstelle) kann den Erlass von Rayonverboten beantragen.
Art. 5 Verfügung über ein Rayonverbot
1
In der Verfügung über ein Rayonverbot sind die Geltungsdauer und der Geltungsbereich des Rayonverbots festzulegen. Der Verfügung ist ein Plan beizulegen, der die vom Verbot erfassten Orte und die zugehörigen Rayons bezeichnet.
2
Wird das Verbot von der Behörde des Kantons verfügt, in dem die Gewalttätigkeit geschah, ist die zuständige Behörde des Wohnsitzkantons der betroffenen Person umgehend zu informieren.
3
Für den Nachweis der Beteiligung an Gewalttätigkeiten gilt Artikel 3.
Art. 6 Meldeauflage
1
Eine Person kann verpflichtet werden, sich zu bestimmten Zeiten bei einer Polizeistelle zu melden, wenn:
a) sie in den letzten zwei Jahren gegen ein Rayonverbot nach Artikel 4 oder gegen eine Ausreisebeschränkung nach Artikel 24c BWIS verstossen hat;
BGE 137 I 31 S. 35
b) aufgrund konkreter und aktueller Tatsachen anzunehmen ist, dass sie sich durch andere Massnahmen nicht von Gewalttätigkeiten anlässlich von Sportveranstaltungen abhalten lässt; oder
c) die Meldeauflage im Verhältnis zu andern Massnahmen im Einzelfall als milder erscheint.
2
Die betroffene Person hat sich bei der in der Verfügung genannten Polizeistelle zu den bezeichneten Zeiten zu melden. Grundsätzlich ist dies eine Polizeistelle am Wohnort. Die verfügende Behörde berücksichtigt bei der Bestimmung von Meldeort und Meldezeiten die persönlichen Umstände der betroffenen Person.
3
Die Behörde des Kantons, in dem die betroffene Person wohnt, verfügt die Meldeauflage. Die Zentralstelle kann den Erlass von Meldeauflagen beantragen.
Art. 7 Handhabung der Meldeauflage
1
Dass eine Person sich durch andere Massnahmen als eine Meldeauflage nicht von Gewalttätigkeiten anlässlich von Sportveranstaltungen abhalten lässt (Art. 6 Abs. 1 Bst. b), ist namentlich anzunehmen, wenn:
a) aufgrund von aktuellen Aussagen oder Handlungen der betreffenden Person behördlich bekannt ist, dass sie mildere Massnahmen umgehen würde; oder
b) die betreffende Person aufgrund ihrer persönlichen Verhältnisse, wie Wohnlage oder Arbeitsplatz in unmittelbarer Umgebung eines Stadions, durch mildere Massnahmen nicht von künftigen Gewalttaten abgehalten werden kann.
2
Kann sich die meldepflichtige Person aus wichtigen und belegbaren Gründen nicht nach Artikel 6 Absatz 2 bei der zuständigen Stelle (Meldestelle) melden, so hat sie die Meldestelle unverzüglich und unter Bekanntgabe des Aufenthaltsortes zu informieren. Die zuständige Polizeibehörde überprüft den Aufenthaltsort und die Angaben der betreffenden Person.
3
Die Meldestelle informiert die Behörde, die die Meldeauflage verfügt hat, unverzüglich über erfolgte oder ausgebliebene Meldungen.
Art. 8 Polizeigewahrsam
1
Gegen eine Person kann der Polizeigewahrsam verfügt werden, wenn:
a) konkrete und aktuelle Hinweise dafür vorliegen, dass sie sich anlässlich einer nationalen oder internationalen Sportveranstaltung an schwerwiegenden Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen beteiligen wird; und
b) dies die einzige Möglichkeit ist, sie an solchen Gewalttätigkeiten zu hindern.
2
Der Polizeigewahrsam ist zu beenden, wenn seine Voraussetzungen weggefallen sind, in jedem Fall nach 24 Stunden.
BGE 137 I 31 S. 36
3
Die betroffene Person hat sich zum bezeichneten Zeitpunkt bei der Polizeistelle ihres Wohnortes oder bei einer andern in der Verfügung genannten Polizeistelle einzufinden und hat für die Dauer des Gewahrsams dort zu bleiben.
4
Erscheint die betreffende Person nicht bei der bezeichneten Polizeistelle, so kann sie polizeilich zugeführt werden.
5
Die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzuges ist auf Antrag der betroffenen Person richterlich zu überprüfen.
6
Der Polizeigewahrsam kann von den Behörden des Kantons verfügt werden, in dem die betroffene Person wohnt, oder von den Behörden des Kantons, in dem die Gewalttätigkeit befürchtet wird. Die Behörde des Kantons, in dem die Gewalttätigkeit befürchtet wird, hat dabei Vorrang.
Art. 9 Handhabung des Polizeigewahrsams
1
Nationale Sportveranstaltungen nach Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe a sind Veranstaltungen, die von den nationalen Sportverbänden oder den nationalen Ligen organisiert werden oder an denen Vereine dieser Organisationen beteiligt sind.
2
Schwerwiegende Gewalttätigkeiten im Sinne von Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe a sind namentlich strafbare Handlungen nach den Artikeln 111-113, 122, 123 Ziffer 2, 129, 144 Absatz 3, 221, 223 oder nach Artikel 224 StGB.
3
Die zuständige Behörde am Wohnort der betreffenden Person bezeichnet die Polizeistelle, bei der sich die betreffende Person einzufinden hat, und bestimmt den Beginn und die Dauer des Gewahrsams.
4
Die Kantone bezeichnen die richterliche Instanz, die für die Überprüfung der Rechtmässigkeit des Polizeigewahrsams zuständig ist.
5
In der Verfügung ist die betreffende Person auf ihr Recht, den Freiheitsentzug richterlich überprüfen zu lassen, hinzuweisen (Art. 8 Abs. 5).
6
Die für den Vollzug des Gewahrsams bezeichnete Polizeistelle benachrichtigt die verfügende Behörde über die Durchführung des Gewahrsams. Bei Fernbleiben der betroffenen Person erfolgt die Benachrichtigung umgehend.
Art. 10 Empfehlung Stadionverbot
Die zuständige Behörde für die Massnahmen nach den Artikeln 4-9 und die Zentralstelle können den Organisatoren von Sportveranstaltungen empfehlen, gegen Personen Stadionverbote auszusprechen, welche in Zusammenhang mit einer Sportveranstaltung ausserhalb des Stadions gewalttätig wurden. Die Empfehlung erfolgt unter Angabe der notwendigen Daten gemäss Artikel 24a Absatz 3 BWIS.
Art. 11 Untere Altersgrenze
Massnahmen nach den Artikeln 4-7 können nur gegen Personen verfügt werden, die das 12. Altersjahr vollendet haben. Der Polizeigewahrsam
BGE 137 I 31 S. 37
nach den Artikeln 8-9 kann nur gegen Personen verfügt werden, die das 15. Altersjahr vollendet haben.
3. Kapitel: Verfahrensbestimmungen
Art. 12 Aufschiebende Wirkung
Einer Beschwerde gegen eine Verfügung über Massnahmen nach den Artikeln 4-9 kommt aufschiebende Wirkung zu, wenn dadurch der Zweck der Massnahme nicht gefährdet wird und wenn die Beschwerdeinstanz oder das Gericht diese in einem Zwischenentscheid ausdrücklich gewährt.
Art. 13 Zuständigkeit und Verfahren
1
Die Kantone bezeichnen die zuständige Behörde für die Massnahmen nach den Artikeln 4-9.
2
Die zuständige Behörde weist zum Zweck der Vollstreckung der Massnahmen nach Kapitel 2 auf die Strafdrohung von
Art. 292 StGB
hin.
3
Die Kantone melden dem Bundesamt für Polizei (fedpol) gestützt auf Artikel 24a Absatz 4 BWIS:
a) Verfügungen und Aufhebungen von Massnahmen nach den Artikeln 4-9 und 12;
b) Verstösse gegen Massnahmen nach den Artikeln 4-9 sowie die entsprechenden Strafentscheide;
c) die von ihnen festgelegten Rayons unter Beilage der entsprechenden Pläne.
4. Kapitel: Schlussbestimmungen
Art. 14 Information des Bundes
Das Generalsekretariat der Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD) informiert die Bundeskanzlei über das vorliegende Konkordat. Das Verfahren richtet sich nach
Art. 27o RVOV
.
Art. 15 Inkrafttreten
Dieses Konkordat tritt in Kraft, sobald ihm mindestens zwei Kantone beigetreten sind, frühestens jedoch auf den 1. Januar 2010.
(...)"
B.
Mit Antrag und Weisung vom 16. Juli 2008 unterbreitete der Regierungsrat des Kantons Zürich dem Kantonsrat einen Entwurf für ein Gesetz über den Beitritt zum Konkordat über Massnahmen gegen Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen. Am 18. Mai 2009 verabschiedete der Kantonsrat unter gleichem Titel das folgende Gesetz (LS 551.19):
"§ 1. Beitritt
Der Kanton tritt dem Konkordat über Massnahmen gegen Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen vom 15. November 2007 bei.
BGE 137 I 31 S. 38
§ 2. Zuständigkeiten
1
Der Regierungsrat bezeichnet die für Massnahmen nach Art. 4-9 und für die Meldungen nach Art. 13 Abs. 3 des Konkordates zuständigen Behörden.
2
Die Haftrichterin oder der Haftrichter des Bezirksgerichts Zürich ist zuständig für die Überprüfung von Massnahmen nach Art. 4-9 des Konkordats. Der Entscheid kann mit Beschwerde beim Verwaltungsgericht angefochten werden.
§ 3. Änderung bisherigen Rechts
Das Gerichtsverfassungsgesetz vom 13. Juni 1976 wird wie folgt geändert: § 24a. Abs. 1-4 unverändert.
5
Er (der Einzelrichter) ist zuständig für die Überprüfung von Massnahmen nach § 2 des Gesetzes vom 18. Mai 2009 über den Beitritt zum Konkordat über Massnahmen gegen Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen."
Dieser Erlass unterstand dem fakultativen Referendum. Davon ist nicht Gebrauch gemacht worden. Der Regierungsrat beschloss am 1. September 2009 das Inkrafttreten auf den 1. Januar 2010.
C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten haben Rolf Zopfi und weitere Mitbeteiligte die vollumfängliche Aufhebung des Gesetzes über den Beitritt zum Konkordat über Massnahmen gegen Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen beantragt. Sie rügen Verletzungen diverser Garantien der Bundesverfassung, der EMRK und des UNO-Paktes II.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit darauf einzutreten war.
(Zusammenfassung)
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
1.3
Die Beschwerdeführer beanstanden ausschliesslich die Bestimmungen des Konkordats.
Konkordatsbestimmungen sind unter der Herrschaft des Organisationsgesetzes als kantonale Hoheitsakte und im Falle von rechtsetzenden Konkordaten als kantonale Erlasse im Sinne von
Art. 84 Abs. 1 lit. a OG
betrachtet worden (vgl. Urteil 1P.428/1988 vom 1. Februar 1989 E. 1a; ROLAND VETTERLI, Kantonale Erlasse als Anfechtungsobjekt der staatsrechtlichen Beschwerde, 1989, S. 205 ff. und 213 ff.; WALTER KÄLIN, Das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde, 2. Aufl. 1994, S. 111; je mit weitern Hinweisen). Sie
BGE 137 I 31 S. 39
können auch unter dem Bundesgerichtsgesetz als kantonale Erlasse gemäss
Art. 82 lit. b BGG
verstanden und angefochten werden (vgl. AEMISEGGER/SCHERRER, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2008, N. 44 zu
Art. 82 BGG
). Es gehören dazu Konkordate, die von einem Konkordatsorgan als direkt verbindliches und direkt anwendbares Recht geschaffen werden (vgl. Urteil 2C_561/2007 vom 6. November 2008 E. 1.1.1, in: ZBl 110/2009 S. 571). Gleiches gilt für Konkordate, die einen Beitritt von Kantonen erfordern. Mit dem Beitritt einer bestimmten Anzahl von Kantonen kann das Konkordat in Kraft treten (vgl. Art. 15 Konkordat). Es erlangt für den betreffenden Kanton Rechtsgültigkeit. Das Konkordatsrecht wird entsprechend publiziert (vgl. LS 551.19). Das hat im Falle der Gutheissung der Beschwerde - soweit sich die einzelnen Vorschriften nicht verfassungs- und konventionskonform auslegen lassen - zur Folge, dass die entsprechenden Konkordatsbestimmungen aufgehoben werden (vgl. Urteil 2C_561/2007 vom 6. November 2008, in: ZBl 110/2009 S. 571).
Anders als nach der alten Bundesverfassung (vgl.
Art. 7 und 84 Ziff. 5 aBV
), unterliegen Konkordate keiner Bundesgenehmigung, sondern nach
Art. 48 Abs. 3 Satz 2 BV
bloss der Pflicht zur Mitteilung an die Bundesbehörden (vgl. URSULA ABDERHALDEN, in: Die Schweizerische Bundesverfassung, Kommentar, 2. Aufl. 2008, N. 38 ff. zu
Art. 48 BV
). Art. 14 Konkordat sieht eine entsprechende Information vor. Das Erfordernis ist ohne Bedeutung für die Anfechtung des Konkordats.
Die vorliegende Beschwerde kann als Beschwerde im Sinne von
Art. 82 lit. b BGG
entgegengenommen und behandelt werden.
(...)
2.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts ist bei der Prüfung der Verfassungsmässigkeit eines Erlasses im Rahmen der abstrakten Normkontrolle massgebend, ob der betreffenden Norm nach anerkannten Auslegungsregeln ein Sinn zugemessen werden kann, der sie mit den angerufenen Verfassungs- oder EMRK-Garantien vereinbar erscheinen lässt. Das Bundesgericht hebt eine kantonale Norm nur auf, sofern sie sich jeglicher verfassungs- und konventionskonformen Auslegung entzieht, nicht jedoch, wenn sie einer solchen in vertretbarer Weise zugänglich bleibt. Es ist grundsätzlich vom Wortlaut der Gesetzesbestimmung auszugehen und der Sinn nach den überkommenen Auslegungsmethoden zu bestimmen. Eine verfassungs- und konventionskonforme Auslegung ist namentlich
BGE 137 I 31 S. 40
zulässig, wenn der Normtext lückenhaft, zweideutig oder unklar ist. Der klare und eindeutige Wortsinn darf indes nicht durch eine verfassungskonforme Interpretation beiseitegeschoben werden. Im Einzelnen wird auf die Tragweite des Grundrechtseingriffs, die Möglichkeit eines hinreichenden verfassungsrechtlichen Schutzes bei einer späteren Normkontrolle, die konkreten Umstände der Anwendung und die Auswirkungen auf die Rechtssicherheit abgestellt. Der blosse Umstand, dass die angefochtene Norm in einzelnen Fällen auf eine verfassungswidrige Weise angewendet werden könnte, führt für sich allein noch nicht zu deren Aufhebung (vgl. Urteil 1C_179/2008 vom 30. September 2009 E. 2, nicht publ. in:
BGE 136 I 87
;
BGE 135 II 243
E. 2 S. 248;
BGE 133 I 77
E. 2 S. 79; 131 ll 697 E. 4.1 S. 703;
BGE 123 I 112
E. 2a S. 116; 119 la 460 E. 11b S. 497 und E. 12e S. 502;
BGE 109 Ia 273
E. 2a S. 277 und E. 12c S. 301; Urteil 1C_140/2008 vom 17. März 2009 E. 3, in: ZBl 111/2010 S. 42; je mit Hinweisen; kritisch zu einer als zu weit gehend erachteten Auslegung HÄFELIN/HALLER/KELLER, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 7. Aufl. 2008, N. 148 ff. und 154 ff.; AXEL TSCHENTSCHER, in: ZBJV 145/2009 S. 750).
3.
Das vorliegend umstrittene Konkordat stellt spezifisches Polizeirecht dar. Es ist auf die besondere Erscheinung der Gewalttätigkeiten im Umfeld von Sportveranstaltungen ausgerichtet. Das Konkordat bezweckt, mit den speziellen Massnahmen von Rayonverboten, Meldeauflagen und Polizeigewahrsam solche Gewalttätigkeiten zu verhindern und auf diese Weise eine friedliche Durchführung von Sportanlässen zu ermöglichen. Das Konkordat wird ergänzt durch die im BWIS vorgesehenen Massnahmen. Als besonderes Polizeirecht reiht sich das Konkordat in das allgemeine Polizeirecht ein, das unabhängig davon nach seinen eigenen Regeln zur Anwendung gelangt. Es ist für den Kanton Zürich insbesondere im Polizeigesetz vom 23. April 2007 umschrieben (PolG; LS 550.1; vgl.
BGE 136 I 87
). Dieses sieht in allgemeiner Weise polizeilichen Zwang und polizeiliche Massnahmen vor und nennt als besondere Vorkehren u.a. die Wegweisung und Fernhaltung (§ 33 PolG) sowie den polizeilichen Gewahrsam (§ 25 PolG). Ferner treten strafprozessuale Massnahmen wie die vorläufige Festnahme nach Art. 217 der Schweizerischen Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (StPO; SR 312.0, AS 2010 1881) hinzu. Das im vorliegenden Verfahren umstrittene Konkordat ist vor diesem weitern Hintergrund zu betrachten und im Rahmen der abstrakten Normkontrolle auf seine Verfassungs- und Konventionskonformität zu prüfen.
BGE 137 I 31 S. 41
4.
Die Beschwerdeführer rügen vorerst unter Berufung auf
Art. 49 Abs. 1 und
Art. 123 BV
eine Verletzung des Vorrangs von Bundesrecht. Sie gehen davon aus, dass die im Konkordat vorgesehenen Massnahmen der Rayonverbote, der Meldeauflagen und des Polizeigewahrsams Anordnungen mit strafrechtlichem Charakter darstellen, und folgern daraus, dass die Kantone mit Blick auf
Art. 123 BV
und
Art. 335 StGB
zum Erlass solcher Bestimmungen nicht befugt seien.
4.1
Der Grundsatz des Vorrangs von Bundesrecht nach
Art. 49 Abs. 1 BV
schliesst in Sachgebieten, welche die Bundesgesetzgebung abschliessend regelt, eine Rechtssetzung durch die Kantone aus. In Sachgebieten, die das Bundesrecht nicht abschliessend ordnet, dürfen die Kantone nur solche Vorschriften erlassen, die nicht gegen Sinn und Geist des Bundesrechts verstossen und dessen Zweck nicht beeinträchtigen oder vereiteln. Der Grundsatz der derogatorischen Kraft des Bundesrechts kann als verfassungsmässiges Individualrecht angerufen werden. Das Bundesgericht prüft mit freier Kognition, ob die kantonale Norm mit dem Bundesrecht im Einklang steht (
BGE 134 I 125
E. 2.1 S. 128 mit Hinweisen).
4.2
Für die Beurteilung der von den Beschwerdeführern vorgebrachten Rüge ist die Natur der im Konkordat vorgesehenen Massnahmen von ausschlaggebender Bedeutung.
Der Bundesrat hielt in seiner Botschaft zur Ergänzung des BWIS fest, die entsprechenden Massnahmen seien als verwaltungsrechtliche, nicht als strafrechtliche Vorkehren konzipiert (Botschaft vom 17. August 2005, BBl 2005 5613, 5626 Ziff. 2.1). Die Sanktionierung im Falle der Widerhandlung gegen die Massnahmen richte sich in Anwendung von
Art. 24h BWIS
nach
Art. 292 StGB
. Die Bundeskompetenz sei gerade mit Blick auf die polizeiliche Natur der Massnahmen fragwürdig (Botschaft, a.a.O., S. 5637 ff. Ziff. 5). Vor diesem Hintergrund hat das Parlament die Gültigkeit der Massnahmen im BWIS zeitlich beschränkt. Das Bundesgericht ging davon aus, dass die im BWIS vorgesehenen Massnahmen verwaltungsrechtlichen Charakter aufwiesen. Es prüfte den einzuschlagenden Rechtsmittelweg ausschliesslich unter dem Gesichtswinkel des Verwaltungsverfahrens (
BGE 134 I 125
E. 4.1 S. 136). Im Entscheid zum Zürcher Polizeigesetz führte es allgemein aus, das Polizeirecht sei grundsätzlich öffentlich-rechtlicher Natur, auch wenn es im Einzelnen Bezüge zum Straf- und insbesondere zum Strafprozessrecht aufweise. Polizeiliche Massnahmen wie etwa der Polizeigewahrsam
BGE 137 I 31 S. 42
stellten verwaltungsrechtliche Anordnungen dar. Entsprechend hat es den Rechtsweg unter dem Gesichtswinkel von
Art. 5 Ziff. 4 EMRK
und
Art. 31 Abs. 4 BV
untersucht (
BGE 136 I 87
E. 3.4 S. 93 und E. 6.5 S. 106).
4.3
Vor diesem Hintergrund ist auch für die im Konkordat vorgesehenen Massnahmen der Rayonverbote, der Meldeauflagen und des Polizeigewahrsams die öffentlich-rechtliche, verwaltungsrechtliche Natur zu bejahen. Was die Beschwerdeführer dagegen vorbringen, vermag nicht zu überzeugen. Sie übersehen, dass das Konkordat bezweckt, Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen frühzeitig zu erkennen und zu bekämpfen. Im Vordergrund steht die Prävention, die Verhinderung von Gewalttätigkeiten anlässlich von Sportveranstaltungen. Die Massnahmen sind auf Gefährdungen der öffentlichen Sicherheit durch Gewalttätigkeiten unterschiedlichster Art ausgerichtet. Sie weisen keinen pönalen, repressiven Charakter auf, werden nicht wegen Erfüllung von Straftatbeständen ausgesprochen und bezwecken nicht die Besserung der betroffenen Person. Damit unterscheiden sich die im Konkordat vorgesehenen polizeilichen Massnahmen auch wesentlich vom Warnungsentzug nach dem SVG, dem das Bundesgericht eine pönale, unter
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
fallende Natur zugesprochen hat (
BGE 121 II 22
E. 3 S. 25;
BGE 128 II 173
E. 3b und 3c S. 175). Daran ändert der Umstand nichts, dass für den Nachweis der Gefahr von gewalttätigem Verhalten gemäss Art. 3 Konkordat u.a. auf entsprechende Gerichtsurteile und Anzeigen abgestellt wird und die Schwere nach Art. 2 Konkordat an Straftatbeständen gemessen wird.
4.4
Die umstrittenen Massnahmen der Rayonverbote, der Meldeauflagen und des Polizeigewahrsams weisen somit keinen strafrechtlichen Charakter auf. Damit können sie von vornherein nicht mit
Art. 123 BV
in Konflikt geraten und müssen sich nicht nach
Art. 335 StGB
richten. Andere Aspekte, weshalb die Massnahmen gegen Bundesrecht verstossen sollten, machen die Beschwerdeführer nicht geltend. Damit erweist sich die Rüge der Verletzung des Grundsatzes des Vorrangs von Bundesrecht nach
Art. 49 Abs. 1 BV
als unbegründet.
5.
Im gleichen Sachzusammenhang rügen die Beschwerdeführer eine Verletzung der Unschuldsvermutung gemäss
Art. 32 Abs. 1 BV
und
Art. 6 Ziff. 2 EMRK
. Sie machen geltend, dass sich die Massnahmen der Rayonverbote, der Meldeauflagen und des Polizeigewahrsams nach Art. 3 Konkordat auf strafrechtlich relevante
BGE 137 I 31 S. 43
Grundlagen abstützen und damit ohne gerichtliche Verurteilung einen Schuldvorwurf enthalten. Ein solcher bleibe auch dann aufrechterhalten, wenn in einem Strafverfahren die Unschuld nachgewiesen werde.
5.1
Die Unschuldsvermutung ergibt sich aus
Art. 32 Abs. 1 BV
und
Art. 6 Ziff. 2 EMRK
. Sie bedeutet, dass jede Person bis zur rechtskräftigen Verurteilung als unschuldig gilt. Es ist das Recht, als unschuldig behandelt zu werden, bis ein zuständiges Gericht nach Durchführung eines fairen Verfahrens die strafrechtliche Schuld in rechtsgenüglicher Weise nachgewiesen und festgestellt hat. Für den vorliegenden Sachzusammenhang heisst das insbesondere, dass ohne entsprechendes Verfahren niemand einer
strafbaren Handlung
bezichtigt werden darf.
5.2
Die umstrittenen polizeilichen Massnahmen weisen keinen strafrechtlichen Charakter auf und enthalten keine repressiven Komponenten. Sie sind vielmehr polizeilicher Natur und dienen präventiv der Gefahrenabwehr (E. 3). Deren Anordnung enthält für sich gesehen keinen strafrechtlichen Vorwurf. Es wird nicht zum Ausdruck gebracht, dass die betroffene Person sich einer strafbaren Handlung schuldig gemacht hätte. Es kann auch nicht gesagt werden, dass von den Massnahmen indirekt ein strafrechtlicher Vorwurf ausgehen würde. Der Hinweis auf
BGE 120 Ia 147
E. 3 S. 155, wo ein Verstoss gegen die Unschuldsvermutung im Zusammenhang mit der Aufbewahrung erkennungsdienstlichen Materials verneint worden ist, ist unbeachtlich.
Mit Blick auf die Unschuldsvermutung kann in Bezug auf die einzelnen Massnahmen das Folgende angefügt werden. Die Meldeauflage stützt sich nach Art. 6 Abs. 1 lit. b Konkordat u.a. darauf, dass aufgrund konkreter und aktueller Tatsachen anzunehmen ist, dass sich die Person nicht von Gewalttätigkeiten abhalten lasse. Für den Polizeigewahrsam nach Art. 8 Abs. 1 lit. a Konkordat ist massgebend, dass aufgrund von konkreten und aktuellen Hinweisen eine Beteiligung an schwerwiegenden Gewalttätigkeiten zu befürchten ist. Damit kommt kein strafrechtlicher Vorwurf zum Ausdruck, der mit der Unschuldsvermutung unvereinbar ist.
Ein Rayonverbot kann nach Art. 4 Abs. 1 Konkordat angeordnet werden, wenn sich eine Person nachweislich an Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen beteiligt hat. Der Terminus "nachweislich" ist im Zusammenhang mit Art. 3 Konkordat zu verstehen, wo
BGE 137 I 31 S. 44
der Nachweis gewalttätigen Verhaltens umschrieben wird. Neben entsprechenden Gerichtsurteilen, die unter der Unschuldsvermutung ohnehin unbedenklich sind, werden polizeiliche Anzeigen, glaubwürdige Aussagen oder Bildaufnahmen, Stadionverbote von Sportverbänden und -vereinen sowie Meldungen zuständiger ausländischer Behörden genannt. In all diesen Fällen kommt lediglich ein Verdacht zum Ausdruck, dem in den entsprechenden Verfahren nachgegangen wird. Dieser Verdacht ist es, der nach Art. 3 und 4 Konkordat Ausgangspunkt für die polizeiliche Massnahme des Rayonverbots bildet. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer kommt darin kein strafrechtlicher Vorwurf zum Ausdruck. Es verhält sich nicht wesentlich anders als bei strafprozessualen Massnahmen, die einen entsprechenden Tatverdacht voraussetzen und gleichwohl mit der Unschuldsvermutung vereinbar sind (vgl.
BGE 107 Ia 138
E. 4c S. 141).
Die Rüge der Verletzung der Unschuldsvermutung ist unbegründet.
6.
Hinsichtlich aller drei im Konkordat vorgesehenen Massnahmen - Rayonverbote, Meldeauflagen und Polizeigewahrsam - rügen die Beschwerdeführer Verletzungen der Versammlungsfreiheit nach
Art. 22 BV
. Sie machen geltend, es fehle an den Voraussetzungen gemäss
Art. 36 BV
für Einschränkungen des Grundrechts. Insbesondere fehlten die gesetzliche Grundlage, das erforderliche öffentliche Interesse und die Einhaltung des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit.
6.1
Gemäss
Art. 22 BV
verbietet die Versammlungsfreiheit staatliche Massnahmen gegen Einberufung, Organisation, Durchführung oder Gestaltung einer Versammlung oder gegen die Teilnahme bzw. Nichtteilnahme an einer solchen. Zu den Versammlungen im Sinne dieser Bestimmung gehören verschiedenste Formen des Zusammenfindens von Menschen im Rahmen einer gewissen Organisation mit einem weit verstandenen gegenseitig meinungsbildenden, -äussernden oder -austauschenden Zweck (
BGE 132 I 49
E. 5.3 S. 56,
BGE 132 I 256
E. 3 S. 258; je mit Hinweisen). Im Vordergrund stehen in einem weiten Sinne kommunikative Zwecke von Gruppen, die durch die Versammlungsfreiheit geschützt werden und die auch auf lose Gruppierungen zutreffen können (
BGE 132 I 49
E. 5.3 S. 57). Anders verhält es sich mit zufälligen Ansammlungen von Personen und Schaulustigen ohne verbindendes Ziel (CHRISTOPH ROHNER, in: Die Schweizerische Bundesverfassung, Kommentar, 2. Aufl. 2008, N. 6
BGE 137 I 31 S. 45
zu
Art. 22 BV
; MÜLLER/SCHEFER, Grundrechte in der Schweiz, 4. Aufl. 2008, S. 580 f.). In diesem Sinne vermag die Versammlungsfreiheit beliebige Gruppen von Besuchern von Sportveranstaltungen grundsätzlich nicht zu schützen. Gleichwohl ist im Einzelfall nicht auszuschliessen, den Versammlungsbegriff auf Gruppierungen anzuwenden, wenn sie sich zum gemeinsamen Besuch von Sportveranstaltungen zusammenfinden, möglicherweise Hin- und Rückreise gemeinsam unternehmen und insoweit gewissermassen organisiert auftreten. Insoweit könnten solche Personen durch Rayonverbote, Meldeauflagen und Polizeigewahrsam in ihrem Zusammentreffen beeinträchtigt werden. Wie es sich mit dem Vorliegen einer Versammlung im Sinne von
Art. 22 BV
verhält, kann indes im Verfahren der abstrakten Normkontrolle offenbleiben.
6.2
Die Beschwerdeführer rufen mit denselben Rügen die Bewegungsfreiheit an. Diese ist als Teil der persönlichen Freiheit im Sinne von
Art. 10 Abs. 2 BV
garantiert. Sie wird durch Rayonverbote, Meldeauflagen und Polizeigewahrsam beeinträchtigt.
Versammlungsfreiheit und Bewegungsfreiheit können wie andere Grundrechte gestützt auf und nach den Kriterien von
Art. 36 BV
eingeschränkt werden. Einschränkungen bedürfen einer gesetzlichen Grundlage, müssen durch ein öffentliches Interesse oder durch den Schutz von Grundrechten Dritter gerechtfertigt sein und müssen sich schliesslich als verhältnismässig erweisen. Die Kerngehaltsgarantie ist im vorliegenden Zusammenhang ohne Belang.
6.3
Die Beschwerdeführer rügen das Fehlen einer hinreichenden gesetzlichen Grundlage. Die Konkordatsbestimmungen seien lediglich eine Konkretisierung der polizeilichen Generalklausel. Diese aber könne nur zum Zuge kommen, wenn im Einzelfall unaufschiebbare Massnahmen zur Behebung einer unmittelbar drohenden Gefährdung oder zur Verhinderung bevorstehender Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu treffen seien. Dies treffe in den vorliegenden Konstellationen nicht zu.
Die Rüge ist von vornherein unbegründet. Das angefochtene Konkordat stellt, wie ausgeführt, autonomes kantonales Recht dar. Dieses unterstand dem fakultativen Referendum. Es bildet eine hinreichende gesetzliche Grundlage für Einschränkungen von Grundrechten. Als spezielles, auf spezifische Situationen ausgerichtetes Polizeirecht konkretisiert das Konkordatsrecht allgemeines Polizeirecht zur Gefahrenabwehr und damit auch die polizeiliche
BGE 137 I 31 S. 46
Generalklausel (vgl.
BGE 130 I 369
E. 7.3 S. 381; Urteil 2C_166/2009 vom 30. November 2009 E. 2.3.2; Urteil des EGMR
Gsell gegen Schweiz
vom 8. Dezember 2009). Es wird in einem förmlichen Erlass umschrieben, welche konkreten Massnahmen bei gegebener Gefährdungslage ergriffen werden können. Das Konkordat stellt insoweit die demokratische Umsetzung der Gefahrenabwehr in spezifischen Situationen dar. Als solches gilt es nach
Art. 36 Abs. 1 BV
als hinreichende Grundlage für Einschränkungen von Grundrechten (vgl.
BGE 128 I 327
E. 3.2 S. 335).
6.4
Ferner stellen die Beschwerdeführer ein hinreichendes Interesse für die beanstandeten Massnahmen in Frage.
Es besteht ein ebenso offensichtliches wie gewichtiges öffentliches Interesse daran, Gewalttätigkeiten anlässlich von Sportveranstaltungen zu verhindern. Der Bundesrat hat in seiner BWIS-Botschaft auf die zunehmenden Ausschreitungen im Zusammenhang mit Fussball- und Eishockeyspielen und das damit einhergehende Gefahrenrisiko für Gewaltaktionen aufmerksam gemacht (vgl. Botschaft, a.a.O., S. 5617 f. Ziff. 1.1.1 und 5637 f. Ziff. 5.1). Es handelt sich um ein allgemeines Phänomen, das über die Fussball-Europameisterschaft und die Eishockey-Weltmeisterschaft hinausreicht und auch nach Aufhebung der entsprechenden BWIS-Bestimmungen von aktueller Bedeutung ist. Der Bundesrat hat zudem hingewiesen auf das Europäische Übereinkommen vom 19. August 1985 über Gewalttätigkeiten und Ausschreitungen von Zuschauern bei Sportanlässen, insbesondere bei Fussballspielen (vgl. Botschaft, a.a.O., S. 5624 Ziff. 1.5). Die Schweiz ist dem Übereinkommen im Jahre 1990 beigetreten (SR 0.415.3). Es verpflichtet die Vertragsstaaten u.a. dazu, in verschiedener Hinsicht Massnahmen zur Verhinderung von Gewaltakten bei Fussballspielen zu treffen (vgl. Art. 1-3 des Übereinkommens). Überdies sind auf eidgenössischer Ebene parlamentarische Vorstösse zur Verhinderung von Gewalt mittels Präventionsmassnahmen überwiesen worden (vgl. das am 17. März 2008 überwiesene Postulat 08.3000 der Rechtskommission des Ständerates, AB 2008 S 170 f. sowie die parlamentarische Initiative 06.454).
Die mit den Polizeimassnahmen angegangenen Gewalttätigkeiten berühren öffentliche Interessen, sowohl im Hinblick auf Störungen und Gefährdungen der öffentlichen Ordnung wie auch mit Blick auf den erforderlichen Einsatz von Sicherheitskräften. Gleichermassen sind unbeteiligte Besucher und Veranstalter von
BGE 137 I 31 S. 47
Sportveranstaltungen durch Gewalttätigkeiten in ihren privaten Interessen beeinträchtigt und in ihren Grundrechten betroffen. Damit sind die Interessen zur Grundrechtseinschränkung gegenüber Hooligans im Sinne von
Art. 36 Abs. 2 BV
klar und hinreichend ausgewiesen.
6.5
Schliesslich machen die Beschwerdeführer geltend, dass die vorgesehenen Massnahmen der Rayonverbote, der Meldeauflagen und des Polizeigewahrsams weder zweckmässig noch notwendig seien und daher mit dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit nicht im Einklang stünden.
Die Beschwerdeführer begründen ihre Rüge der Unverhältnismässigkeit nur sehr partiell. Sie legen nicht dar, dass und inwiefern alle drei umstrittenen Massnahmen unverhältnismässig seien. Sie beschränken sich im Wesentlichen auf die Rayonverbote und bestimmte Aspekte der Meldeauflagen. Es ist einzig auf die gerügten Aspekte einzugehen.
Zur Hauptsache bringen die Beschwerdeführer vor, die Rayonverbote könnten das Gewaltproblem nicht lösen und führten lediglich dazu, dass Gewalttätigkeiten in andere Gebiete verschoben oder auf Sportveranstaltungen unterer Ligen übertragen würden. Dieser Einwand ist nicht gänzlich von der Hand zu weisen, vermag die Verhältnismässigkeit von Rayonverboten indes nicht grundsätzlich in Frage zu stellen. Rayonverbote sind geeignet, Personen, von denen Gewalttätigkeiten ausgehen könnten, sowohl vom Umkreis der Stadien als auch von den Bahnhöfen und Örtlichkeiten, welche zur Hin- bzw. Rückfahrt benutzt werden, fernzuhalten. Damit wird in effizienter Weise verhindert, dass die betroffenen Personen in jene Gebiete gelangen, wo es erfahrungsgemäss besonders häufig zu Gewalttätigkeiten kommt. Das schliesst es allerdings nicht aus, dass sich gewaltbereite Personen an andern, von den Rayonverboten nicht betroffenen Orten treffen. Insoweit bieten Rayonverbote keine Gewähr, dass es überhaupt nicht zu Ausschreitungen kommt. Das dürfte - abgesehen von drakonischen und deshalb unverhältnismässigen Anordnungen - für die meisten Massnahmen der Gefahrenabwehr gelten. Gerade für solche Konstellationen stellt das Konkordat weitere Massnahmen zur Verfügung. Insbesondere mit der Meldeauflage oder gar mit einem Polizeigewahrsam zur Durchsetzung von Rayonverboten kann dem von den Beschwerdeführern angesprochenen Problem möglicherweise begegnet und auf diese Weise verhindert werden, dass die betroffenen Personen auf Gebiete ausserhalb der
BGE 137 I 31 S. 48
Rayons ausweichen, sich dort zusammenfinden und Gewalttätigkeiten auslösen. Vor diesem Hintergrund können Rayonverbote nicht generell als unzweckmässig oder als nicht notwendig bezeichnet werden. Sie halten daher vor dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit nach
Art. 36 Abs. 3 BV
stand. Ob ein konkretes Rayonverbot angemessen und verhältnismässig ist, kann erst im Einzelfall geprüft werden. Im Verfahren der abstrakten Normkontrolle genügt die Feststellung, dass sich Rayonverbote nach Art. 4 Konkordat ohne Weiteres verfassungsmässig handhaben lassen.
Die Verhältnismässigkeit der umstrittenen Massnahmen kann auch mit Blick auf das Strafrecht nicht in Frage gestellt werden. Das Konkordat sieht, wie dargelegt, administrative polizeiliche Massnahmen vor. Diese dienen der Gefahrenabwehr und sind auf die Zukunft ausgerichtet. Sie bezwecken nicht die Repression von Gewalttätigkeiten. Hierzu dient das Strafrecht. Es tritt als Ergänzung zu den Polizeimassnahmen hinzu und führt zu Strafverfahren, soweit die polizeilichen Vorkehren Gewalttätigkeiten nicht zu verhindern vermochten und Straftatbestände vorliegen. Das Strafrecht dient als letztes Mittel zur Ahndung von Hooligan-Verstössen. Es vermag die Prävention in Form von polizeilichen Massnahmen nicht zu ersetzen.
Die Rüge, die Rayonverbote hielten vor dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit im Sinne von
Art. 36 Abs. 3 BV
nicht stand, ist demnach unbegründet.
6.6
Spezifisch mit Blick auf die Bewegungsfreiheit machen die Beschwerdeführer geltend, Rayonverbote verhinderten die freie Zirkulation der Betroffenen. Werden Rayonverbote im Raum Zürich für Hallenstadion, Letzigrund, Bahnhof Altstetten und Hauptbahnhof verordnet, so würden die Betroffenen daran gehindert, etwa eine Reise via Hauptbahnhof anzutreten oder an bestimmten Orten Einkäufe zu tätigen; in Winterthur könnte die Fachhochschule nicht besucht werden. Dies belege die Unverhältnismässigkeit der Massnahme.
Rayonverbote bringen ihrem Zweck entsprechend eine Beschränkung der Bewegungsfreiheit mit sich. Sie untersagen den Betroffenen, sich während bestimmter Zeiten an bestimmten Örtlichkeiten aufzuhalten. Dies kann im Einzelfall dazu führen, dass eine Person Orte und Gebiete nicht betreten darf, die sie ohne Zusammenhang mit Sportveranstaltungen für andere Aktivitäten wie Antritt einer
BGE 137 I 31 S. 49
Reise, Einkäufe oder Besuch einer Schule aufsuchen möchte. Dieser auf den Einzelfall bezogenen Problematik kann im Rahmen der Anordnung eines konkreten Rayonverbots Rechnung getragen werden, sei es anlässlich der Gewährung des rechtlichen Gehörs, sei es allenfalls in einem Rekursverfahren. Die von den Beschwerdeführern zu den Akten gegebenen Beispiele zeigen, dass in Einzelfällen entsprechende, präzis umschriebene Ausnahmen eingeräumt worden sind. Rayonverbote lassen sich demnach verfassungskonform handhaben. Im Verfahren der abstrakten Normkontrolle vermag die Problematik von besonderen Situationen die Massnahme der Rayonverbote als solche nicht als verfassungswidrig erscheinen zu lassen. Die Beschwerde ist auch in dieser Hinsicht unbegründet.
6.7
An der Verfassungs- und Konventionskonformität des Konkordats ändert auch der Umstand nichts, dass private Personen und Organisationen wie der Schweizerische Fussballverband SFV im Anschluss an die umstrittenen Polizeimassnahmen ihrerseits privatrechtliche Massnahmen treffen. Rechtskräftige Rayonverbote werden gemäss
Art. 24a BWIS
in das elektronische Informationssystem des Bundesamtes für Polizei, Fedpol, aufgenommen und führen nach den Richtlinien des Fussballverbandes zu privatrechtlichen Stadionverboten. Das lässt sie allerdings entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer nicht als unverhältnismässig erscheinen. Deren Ausführungen in ihrer Eingabe vom 7. Oktober 2010 führen zu keinem andern Schluss. Daher kann die prozessuale Frage, ob diese neuen Ausführungen unter dem Gesichtswinkel des Novenverbots gemäss
Art. 99 BGG
zulässig sind, offenbleiben.
7.
Art. 8 Konkordat sieht die Möglichkeit des Polizeigewahrsams vor, Art. 9 Konkordat umschreibt dessen Handhabung. Mit Blick auf diese Bestimmungen rügen die Beschwerdeführer Verletzungen von
Art. 10 Abs. 2 und
Art. 31 BV
und bringen vor, der Polizeigewahrsam könne nicht als rechtmässige Festnahme im Sinne der Bundesverfassung betrachtet werden. Sie begründen ihre Rügen nicht in spezifischer und hinreichender Weise, sodass darauf nicht einzutreten ist. Hingegen rügen die Beschwerdeführer in genügender Weise, der Polizeigewahrsam nach Art. 8 Konkordat lasse sich nicht unter
Art. 5 Ziff. 1 lit. b EMRK
subsumieren und sei in Anbetracht des abschliessenden Charakters von
Art. 5 Ziff. 1 EMRK
mit der Konvention nicht vereinbar.
7.1
Nach
Art. 5 Ziff. 1 EMRK
hat jede Person das Recht auf Freiheit und Sicherheit. Die Freiheit darf nur in den von der Bestimmung
BGE 137 I 31 S. 50
aufgezählten Fällen und nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden. Die Aufzählung der möglichen Konstellationen von Freiheitsentzug in
Art. 5 Ziff. 1 EMRK
ist abschliessend (vgl. Urteile des EGMR
Borer gegen Schweiz
vom 10. Juni 2010, Nr. 22493/06, § 40;
Epple gegen Deutschland
vom 24. März 2005, Nr. 77909/01, § 33, in: EuGRZ 2005 S. 474;
BGE 121 I 208
E. 4c S. 214; je mit Hinweisen).
7.2
Der Bundesrat hat in seiner BWIS-Botschaft den Polizeigewahrsam ohne weitere Prüfung als Massnahme im Sinne von
Art. 5 Ziff. 1 lit. b EMRK
bezeichnet (Botschaft, a.a.O., S. 5633 f. zu Art. 24e). Das Bundesgericht hat diese Aussage wiedergegeben, ohne die Vereinbarkeit des Polizeigewahrsams mit
Art. 5 Ziff. 1 lit. b EMRK
im Einzelnen zu untersuchen (
BGE 134 I 125
E. 4.4 S. 138). Eine nähere Prüfung unter diesem Gesichtswinkel konnte auch im Urteil zum Zürcher Polizeigesetz unterbleiben (vgl.
BGE 136 I 87
E. 6 S. 104).
7.3
Im vorliegenden Sachzusammenhang fällt für die Rechtfertigung von Polizeigewahrsam ausschliesslich lit. b von
Art. 5 Ziff. 1 EMRK
in Betracht. Die übrigen Litterae von
Art. 5 Ziff. 1 EMRK
kommen von vornherein nicht zur Anwendung. Nach der genannten Bestimmung ist die rechtmässige Festnahme oder der rechtmässige Freiheitsentzug zulässig wegen Nichtbefolgung einer rechtmässigen gerichtlichen Anordnung oder zur Erzwingung der Erfüllung einer gesetzlichen Verpflichtung.
Die Bestimmung von
Art. 5 Ziff. 1 lit. b EMRK
bringt nach ihrem Wortlaut zwei unterschiedliche Alternativen mit verschiedenen Zweckausrichtungen zum Ausdruck (vgl.
BGE 135 II 105
E. 2.2.1 S. 107; aus der Lehre FROWEIN/PEUKERT, EMRK-Kommentar, 3. Aufl. 2009, N. 51 zu
Art. 5 EMRK
; JOACHIM RENZIKOWSKI, Internationaler Kommentar zur Europäischen Menschenrechtskonvention, 2004, N. 139 ff. zu
Art. 5 EMRK
; WALTER GOLLWITZER, Menschenrechte im Strafverfahren, MRK und IPBPR, 2005, N. 49 zu Art. 5 MRK; CHRISTOPH GRABENWARTER, Europäische Menschenrechtskonvention, 4. Aufl. 2009, § 21 N. 13 S. 170; VELU/ERGEC, La Convention européenne des droits de l'homme, 1990, S. 264 N. 320).
Nach der ersten Alternative bezweckt der Freiheitsentzug die Befolgung einer gerichtlichen Anordnung. Er weist ein repressives Element auf, ist darauf angelegt, dass eine auf ein künftiges Verhalten ausgerichtete gerichtliche Anordnung tatsächlich befolgt und
BGE 137 I 31 S. 51
durchgesetzt wird. Als Beispiele hierzu werden in der Lehre genannt: gerichtliche Weisungen, eine Busse zu bezahlen, sich einer psychiatrischen Untersuchung zu unterziehen oder eine Blutentnahme zu dulden (vgl. HAEFLIGER/SCHÜRMANN, Die Europäische Menschenrechtskonvention und die Schweiz, 2. Aufl. 1999, S. 94; FROWEIN/PEUKERT, a.a.O., N. 52 ff. zu
Art. 5 EMRK
; RENZIKOWSKI, a.a.O., N. 143 ff. zu
Art. 5 EMRK
).
Im vorliegenden Zusammenhang geht dem Polizeigewahrsam keine gerichtliche Anordnung voraus, die es mit einer Haft durchzusetzen gilt. Damit entfällt die erste Alternative von
Art. 5 Ziff. 1 lit. b EMRK
für die Rechtfertigung des Polizeigewahrsams nach Art. 8 Konkordat.
7.4
Zu prüfen ist die zweite Alternative von
Art. 5 Ziff. 1 lit. b EMRK
. Danach kann Haft angeordnet werden zur Erzwingung der Erfüllung einer gesetzlichen Verpflichtung. Sie dient dazu, eine Person dazu anzuhalten, einer spezifischen Verpflichtung nachzukommen. Es geht um Konstellationen, in denen das Gesetz es gestattet, jemanden in Haft zu nehmen oder zu behalten, ohne dass der Massnahme Strafcharakter zukommt. Erforderlich ist, dass der Betroffene vorher Gelegenheit hat, die gesetzliche Pflicht von sich aus freiwillig zu erfüllen, und dass es ausser dem Freiheitsentzug keine wirksame Massnahme gibt, um die Pflichterfüllung zu bewirken. Nach der Lehre gehören dazu etwa Beugemassnahmen, Massnahmen wegen Verletzung der Wehrpflicht oder der Verweigerung der Identitätsfeststellung sowie zur Duldung von strafprozessualen Ermittlungshandlungen und Zwangsvollstreckungsmassnahmen (vgl. FROWEIN/PEUKERT, a.a.O., N. 55 ff. zu
Art. 5 EMRK
; HAEFLIGER/SCHÜRMANN, a.a.O., S. 94 f.; RENZIKOWSKI, a.a.O., N. 147 ff. zu
Art. 5 EMRK
; GOLLWITZER, a.a.O., N. 53 ff. zu Art. 5 MRK).
Diese Konstellation von
Art. 5 Ziff. 1 lit. b EMRK
darf nicht als weite Generalklausel verstanden werden, die es erlauben würde, Bürgern die Freiheit zu entziehen, damit sie sich in genereller Weise an allgemeine gesetzliche Regeln zum Schutz von Ruhe und Ordnung halten. Der Bestimmung sind zur Verhinderung von missbräuchlichem Freiheitsentzug Grenzen zu setzen. Es ist ein Ausgleich zwischen der Durchsetzung von gesetzlichen Pflichten in einer demokratischen Gesellschaft und der Bedeutung des Rechts auf Freiheit zu suchen. Erforderlich ist daher, dass die gesetzliche Verpflichtung, die mit Haft sichergestellt werden soll, hinreichend bestimmt, konkret und nach Umfang und Inhalt eindeutig umschrieben ist. Die
BGE 137 I 31 S. 52
Haft kann nicht mit der allgemeinen Befolgung der Rechtsordnung oder der Befehle von Vorgesetzten gerechtfertigt werden (Urteile des EGMR
Epple gegen Deutschland,
a.a.O., § 37;
Vasileva gegen Dänemark
vom 25. September 2003, Nr. 52792/99, § 36 f.;
Engel gegen Niederlande
vom 8. Juni 1976, Serie A Bd. 22 § 69, auch in: EGMR-E 1 S. 178;
Guzzardi gegen Italien
vom 6. November 1980, Serie A Bd. 39 § 101, auch in: EGMR-E 1 S. 492; vgl. Urteil des EGMR
Lawless gegen Irland
vom 1. Juli 1961, Serie A Bd. 3 § 12, auch in: EGMR-E 1 S. 10; Bericht der EKMR
Eggs gegen Schweiz
vom 4. März 1978, DR 15 S. 35 [46], VPB 1983 Nr. 82, EuGRZ 1980 S. 308; Entscheidung des EGMR
Susanne Paradis und Mitb. gegen Deutschland
vom 4. September 2007, in: EuGRZ 2007 S. 678; FROWEIN/PEUKERT, a.a.O., N. 55 ff. zu
Art. 5 EMRK
; RENZIKOWSKI, a.a.O., N. 147 ff. zu
Art. 5 EMRK
; GOLLWITZER, a.a.O., N. 53 ff. zu Art. 5 MRK; GRABENWARTER, a.a.O., § 21 N. 13 f. S. 170 f.; HAEFLIGER/SCHÜRMANN, Die Europäische Menschenrechtskonvention und die Schweiz, 2. Aufl. 1999, S. 94 f.; VELU/ERGEC, a.a.O., S. 265 N. 322; MARK E. VILLIGER, Handbuch der Europäischen Menschenrechtskonvention, 2. Aufl. 1999, S. 213 N. 334; STEFAN TRECHSEL, Human Rights in Criminal Proceedings, 2005, S. 444 f.).
7.5
Vor diesem Hintergrund ist zu prüfen, ob der Polizeigewahrsam nach Art. 8 Konkordat als Massnahme gemäss
Art. 5 Ziff. 1 lit. b EMRK
zur Erzwingung einer gesetzlichen Pflicht verstanden und das Konkordat in diesem Sinne konventionskonform ausgelegt werden kann.
7.5.1
Auszugehen ist von der besonderen Charakteristik des Polizeigewahrsams nach dem Konkordatsrecht. Ein solcher wird nach Abklärung der erforderlichen Voraussetzungen in dem Sinne verfügt, dass die betroffene Person aufgeboten wird, sich - in den Worten von Art. 8 Abs. 3 Konkordat - zum bezeichneten Zeitpunkt bei einer bestimmten Polizeistelle einzufinden und für die Dauer des Gewahrsams zu verbleiben (vgl. Botschaft, a.a.O., S. 5634 zu Art. 24e; vgl. CHRISTOPH JENNI, Beweisrechtliche Anforderungen an Fernhalteverfügungen, in: Sicherheit&Recht 2010 S. 47). Sie verfügt über den aus
Art. 31 Abs. 4 BV
fliessenden Rechtsschutz und kann unmittelbar einen Richter anrufen (vgl.
BGE 136 I 87
E. 6 S. 104). Der hier in Frage stehende Polizeigewahrsam unterscheidet sich im Normalfall von andern Formen des Polizeigewahrsams gemäss kantonalen Polizeigesetzen, welcher für die betroffene Person oftmals
BGE 137 I 31 S. 53
einen unmittelbaren und unvorhergesehenen Freiheitsentzug bedeutet (vgl.
BGE 136 I 87
E. 6 S. 104).
7.5.2
Dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit kommt im Polizeirecht besondere Bedeutung zu. Er verlangt, dass behördliche Massnahmen im öffentlichen oder privaten Interesse geeignet und erforderlich sind und sich für die Betroffenen in Anbetracht der Schwere der Grundrechtseinschränkung zumutbar und verhältnismässig erweisen. Erforderlich ist eine vernünftige Zweck-Mittel-Relation. Eine Massnahme ist unverhältnismässig, wenn das Ziel mit einem weniger schweren Grundrechtseingriff erreicht werden kann (vgl.
BGE 136 I 87
E. 3.2 S. 91).
Dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit sind auch die im Konkordat vorgesehenen polizeilichen Massnahmen verpflichtet. Sie weisen gesamthaft ein kaskadenartiges Konzept auf, wie sich aus den Materialien zum BWIS klar ergibt (vgl. Botschaft, a.a.O., S. 5615, 5620, 5626 und 5633). Das Rayonverbot nach Art. 4 Konkordat bildet die mildeste Massnahme zur Verhinderung von Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen. Die Meldeauflage gemäss Art. 6 Konkordat greift stärker in die Grundrechte ein. Sie wird nur angeordnet, soweit ein Rayonverbot missachtet worden ist (Art. 6 Abs. 1 lit. a Konkordat). Die schärfste Massnahme ist der Polizeigewahrsam nach Art. 8 Konkordat. Er wird als "ultima ratio" bezeichnet (Botschaft, a.a.O., S. 5634 zu Art. 24e). Voraussetzung ist, dass der Gewahrsam als einzige Möglichkeit erscheint, die betroffene Person von der Beteiligung an Gewalttätigkeiten abzuhalten (Art. 8 Abs. 1 lit. b Konkordat).
Der Polizeigewahrsam gemäss Art. 8 Abs. 1 lit. b Konkordat darf demnach nur angeordnet werden, wenn ein Rayonverbot vorausgegangen ist und dieses sich als nicht wirksam herausgestellt hat, weil es nicht befolgt worden ist oder weil sich die betroffene Person nachweislich nicht daran halten will. Das Rayonverbot bildet Ausgangspunkt und Grundlage der Betrachtung des Polizeigewahrsams. Es stellt eine durch eine Verfügung konkretisierte gesetzliche Verpflichtung im Sinne von Art. 5 Ziff. 1 lit. b letzter Satzteil EMRK dar (vgl. Urteil des EGMR
Epple gegen Deutschland
, a.a.O., § 38). Es ist diese mildere gesetzliche Verpflichtung des Rayonverbots, die mit dem schwerer wiegenden Polizeigewahrsam durchgesetzt werden soll. In Form des Polizeigewahrsams ohne Strafcharakter wird einer bestimmten Person die Freiheit entzogen, um ein ihr
BGE 137 I 31 S. 54
gegenüber konkret und bestimmt ausgesprochenes Rayonverbot umzusetzen. Auf diese Weise soll eine friedliche Durchführung von Sportveranstaltungen ermöglicht werden.
Die dem Polizeigewahrsam zugrunde liegende gesetzliche Verpflichtung liegt somit im Rayonverbot. Gestützt auf Art. 4 Abs. 1 Konkordat wird einer Person untersagt, sich zu bestimmten Zeiten in genau umschriebenen Gebieten aufzuhalten. Diese Verpflichtung erweist sich als bestimmt und konkret sowie nach Inhalt und Umfang klar umschrieben. Sie stellt keine Generalklausel dar, die Rechtsordnung in allgemeiner Weise zu befolgen. Die betroffene Person hat Gelegenheit, das Rayonverbot von sich aus zu befolgen.
Diese Auslegung des Konkordats erlaubt es, den Polizeigewahrsam nach Art. 8 Konkordat unter die Bestimmung von
Art. 5 Ziff. 1 lit. b EMRK
zu subsumieren. Sie orientiert sich am Konkordatstext, findet eine Stütze in der Systematik des Konkordats und kann schliesslich auf die Materialien zum BWIS abstellen. Damit wird der Rahmen der verfassungs- und konventionskonformen Auslegung gewahrt.
7.5.3
Über diese aus der Konvention fliessenden Anforderungen an den Polizeigewahrsam hinaus ergeben sich aus der konkordatsrechtlichen Ausgestaltung weitere Einschränkungen im Sinne des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes. Der Polizeigewahrsam kann - anders als bei Rayonverbot und Meldepflicht - nur angeordnet werden bei Gefahr von besonderen Straftaten gemäss Art. 9 Abs. 2 Konkordat und lediglich hinsichtlich von qualifizierten Sportveranstaltungen nach Art. 9 Abs. 1 Konkordat. Der Polizeigewahrsam darf gemäss Art. 8 Abs. 2 Konkordat längstens 24 Stunden dauern. Er ist sofort aufzuheben, sobald die Umstände dies erlauben. Die von den Beschwerdeführern angeführten Beispiele, in denen Rayonverbote für die Zeit von sechs Stunden vor Beginn bis sechs Stunden nach Beendigung der Veranstaltung galten, zeigen, dass auch der Polizeigewahrsam im Einzelfall auf eine verhältnismässige Dauer beschränkt werden kann.
7.6
Gesamthaft gesehen liegt dem Polizeigewahrsam nach Art. 8 Konkordat eine hinreichend bestimmte gesetzliche Verpflichtung in Form eines Rayonverbots gemäss Art. 4 Konkordat zugrunde. Der von den Beschwerdeführern beanstandete Polizeigewahrsam lässt sich somit in Übereinstimmung mit der Strassburger Praxis (vgl. insbesondere Urteil
Epple gegen Deutschland
, a.a.O.) unter die zweite Alternative von
Art. 5 Ziff. 1 lit. b EMRK
subsumieren. Damit
BGE 137 I 31 S. 55
erweist sich die Rüge, Art. 8 Konkordat stehe mit
Art. 5 Ziff. 1 EMRK
im Widerspruch, als unbegründet. Die Beschwerde ist in diesem Punkte abzuweisen.
8.
Schliesslich beanstanden die Beschwerdeführer Art. 10 Konkordat, wonach die zuständigen Behörden den Organisationen von Sportveranstaltungen Stadionverbote empfehlen können. Sie erblicken darin Verletzungen von Art. 5, 9, 29, 29a, 30 und 49 BV.
Die Bestimmung von Art. 10 Konkordat steht im Zusammenhang mit dem im BWIS geregelten Informationsfluss. Von zentraler Bedeutung ist
Art. 24a BWIS
. Nach Abs. 1 betreibt Fedpol ein elektronisches Informationssystem mit Daten über Personen, die sich anlässlich von Sportveranstaltungen gewalttätig verhalten haben. Die Daten, die aufgenommen werden dürfen, sind in Abs. 2 und 3 umschrieben. Die Vollzugsbehörden können gemäss Abs. 5 besonders schützenswerte Personendaten bearbeiten. Das Informationssystem steht den in Abs. 7 festgehaltenen Stellen und Behörden zur Verfügung. Gemäss Abs. 8 können die Vollzugsbehörden entsprechende Personendaten an Organisatoren von Sportveranstaltungen weitergeben, wenn die Daten für die Anordnung von Massnahmen zur Verhinderung von Gewalttätigkeiten anlässlich bestimmter Veranstaltungen nötig sind.
Es zeigt sich zum einen, dass die Vollzugsbehörden Personendaten bearbeiten dürfen. Zum andern, dass entsprechende Daten im Sinne der Gewaltprävention anlässlich von Sportveranstaltungen an andere Vollzugsstellen wie auch an private Veranstalter weitergegeben werden dürfen. Mit dieser Regelung steht die Bestimmung von Art. 10 Konkordat nicht im Widerspruch und sie verletzt
Art. 49 Abs. 1 BV
nicht. Es ist nicht von ausschlaggebender Bedeutung, ob entsprechende Daten bloss ausgetauscht werden oder ob die Datenvermittlung auch noch mit einer entsprechenden Empfehlung für den Erlass eines privatrechtlichen Stadionverbots verbunden ist. Eine solche Empfehlung kann den Erlass von polizeilichen Massnahmen sinnvoll ergänzen, weil Rayonverbote möglicherweise leichter missachtet werden können als Stadionverbote. Dass die Regelung willkürlich sein soll und gegen
Art. 9 BV
verstossen sollte, ist nicht ersichtlich. Es ist Sache der privaten Organisatoren und Verbände, nach ihren eigenen Regeln vorzugehen, die Sachlage gestützt auf eine Empfehlung einzuschätzen und allenfalls ein Stadionverbot zu erlassen oder davon abzusehen.
BGE 137 I 31 S. 56
Umgekehrt kann ein Stadionverbot nach Art. 3 Abs. 1 lit. c Konkordat beim Erlass einer polizeilichen Massnahme mitberücksichtigt werden. Allerdings sind die Voraussetzungen für die Anordnung von polizeilichen Massnahmen im Einzelfall zu prüfen. Sie können vom Betroffenen im entsprechenden Verfahren bestritten werden (vgl. Urteil 1C_453/2009 vom 12. Januar 2010). Von privaten Sportverbänden oder -vereinen ausgesprochene Stadionverbote führen daher nicht schon von sich aus zu polizeilichen Massnahmen wie etwa Rayonverbote.
Damit ist nicht ersichtlich, inwiefern Verfahrensgrundrechte verletzt sein sollten. Die Beschwerde erweist sich auch in diesem Punkte als unbegründet und ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. | public_law | nan | de | 2,010 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
18bcdc41-962c-4e19-9072-7795e21dc3cb | Urteilskopf
118 II 447
87. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour civile du 22 octobre 1992 dans la cause G. contre Société d'assurances X. (recours en réforme) | Regeste
Art. 48 und
Art. 50 OG
;
Art. 46 Abs. 1 VVG
. Versicherungsvertrag gegen Unfall; Verjährung des Anspruchs auf Leistungen bei Invalidität.
1. Der Entscheid, der die Verjährungseinrede verwirft, stellt einen Zwischenentscheid (
Art. 50 OG
), derjenige, welche sie gutheisst, einen Endentscheid dar (
Art. 48 OG
) (E. 1a und E. 1b).
2. Die Verjährung ist eine Frage des materiellen Bundesrechts und nicht des Verfahrensrechts; wird die Einrede der Verjährung gutgeheissen, so führt dies zur Abweisung der Klage in der Sache (E. 1b/bb).
3. Beginn der Verjährungsfrist gemäss
Art. 46 Abs. 1 VVG
für Leistungen bei Invalidität; Zusammenfassung von Rechtsprechung und Lehre (E. 2a).
4. Für Ansprüche bei Invalidität beginnt die Verjährungsfrist gemäss
Art. 46 Abs. 1 VVG
nicht am Tag des Unfalls, sondern vom Zeitpunkt an zu laufen, an dem die Invalidität als sicher angenommen werden kann (Änderung der Rechtsprechung). Nicht von Bedeutung ist hingegen der Zeitpunkt, an dem der Versicherte von seiner Invalidität Kenntnis erhalten hat.
5. Voraussetzungen, unter denen der Rückfall oder Spätfolgen eine neue Verjährungsfrist auslösen (E. 4). | Sachverhalt
ab Seite 448
BGE 118 II 447 S. 448
A.-
a) Par contrat du 4 mars 1980, débutant le 2 novembre 1979, G. s'est assuré auprès de la Société d'assurances X. en qualité de détenteur d'un véhicule automobile, pour les prestations de responsabilité civile, casco et accidents. La police prévoyait un capital de 60'000 francs en cas d'invalidité permanente, l'indemnité étant fixée selon le barème prévu par les conditions générales.
Le 3 avril 1980, G. a été victime d'un accident de la circulation. Le 6 octobre 1981, l'assureur lui a versé à ce titre une indemnité pour perte de gain et une indemnité journalière d'hospitalisation. De son côté, la CNA a liquidé le cas le 18 novembre 1982 en allouant une rente d'invalidité fondée sur une "incapacité de travail de 10%" (
art. 76 et 77 LAMA
).
b) Le 29 mai 1986, G. s'est blessé lors de son travail à la cheville gauche. Le 1er juin, puis le 16 août 1989, il est intervenu auprès de sa compagnie d'assurances, en faisant valoir que si l'invalidité consécutive au second accident était imputable en tout ou en partie au premier, elle pourrait être amenée à lui verser des prestations. L'assureur a excipé alors de la prescription.
BGE 118 II 447 S. 449
B.-
Par demande du 26 octobre 1990 à la Cour civile du Tribunal cantonal vaudois, G. a ouvert action contre la Société d'assurances X., en paiement de 45'000 francs plus intérêts à 5% dès le 4 avril 1980, subsidiairement dès le 30 mai 1986.
La défenderesse a invoqué derechef la prescription. Par convention de procédure des 12 avril/29 mai 1991, les parties ont alors requis la Cour civile de juger préalablement si la prétention était prescrite à l'ouverture d'action.
C.-
Par jugement du 31 mars 1992, la Cour civile, statuant sur la "question préjudicielle" de la prescription, a admis l'exception de la défenderesse (ch. I) et rejeté la demande (ch. II).
D.-
G. exerce un recours en réforme au Tribunal fédéral contre ce jugement, dont il requiert la modification en ce sens que sa prétention n'était pas prescrite au 26 octobre 1990.
Le Tribunal fédéral a rejeté le recours et confirmé le jugement entrepris.
Erwägungen
Extrait des considérants:
1.
Selon le recourant, le jugement attaqué constitue non seulement une décision finale au sens de l'
art. 48 OJ
, mais également une décision préjudicielle au sens de l'
art. 50 OJ
, dont elle remplit les conditions. Le recours serait dès lors recevable à ce double titre.
L'intimée prétend au contraire que le recours est irrecevable. La décision entreprise est préjudicielle et ne tranche pas le fond de l'action; de plus, elle n'a pas été rendue en dernière instance cantonale, car elle pouvait faire l'objet d'un recours au Tribunal cantonal.
a) Contrairement à l'avis des parties, le jugement attaqué n'est pas une décision préjudicielle au sens de l'
art. 50 OJ
, disposition qui suppose que la juridiction cantonale ait tranché une question qui ne met pas un terme au litige. La décision préjudicielle s'oppose à cet égard à la décision finale (cf. POUDRET, Commentaire de la loi fédérale d'organisation judiciaire, vol. II, Berne 1990, n. 2.1 ad
art. 50 OJ
; MESSMER/IMBODEN, Die eidgenössischen Rechtsmittel in Zivilsachen, Zurich 1992, p. 89 No 64; WURZBURGER, Les conditions objectives du recours en réforme au Tribunal fédéral, thèse Lausanne 1964, p. 222 No 305; cf. ég. CORBOZ, Le recours immédiat contre une décision incidente, SJ 1991 p. 629 let. c). La décision attaquée serait certes préjudicielle si la Cour civile avait rejeté l'exception de prescription
BGE 118 II 447 S. 450
(
ATF 97 II 137
consid. 1,
ATF 93 II 244
consid. 1,
ATF 91 III 99
consid. 1,
ATF 89 II 29
consid. 1 et 403 consid. 1); or, elle l'a admise.
b) Selon l'
art. 48 al. 1 OJ
, le recours en réforme n'est en principe recevable qu'à l'encontre d'une décision finale, à savoir la décision par laquelle le juge statue sur le fond ou s'y refuse pour un motif qui empêche définitivement que la même prétention puisse être invoquée à nouveau (
ATF 116 II 25
let. c,
ATF 111 II 465
consid. 1a; POUDRET, op.cit., n. 1.1.2.1 ad
art. 48 OJ
; MESSMER/IMBODEN, op.cit., p. 90/91 No 65, et la jurisprudence citée par ces auteurs). Tel est le cas de la décision qui, admettant l'exception de prescription, rejette la demande au fond (
ATF 111 II 56
consid. 1 et les arrêts cités). Mais encore faut-il que cette décision ne puisse plus faire l'objet d'un recours ordinaire de droit cantonal (art. 48 al. 1 in fine OJ).
bb) ... Au demeurant, le principe de procédure invoqué par l'intimée masque, en l'espèce, une question qui ressortit en réalité au droit fédéral. En effet, la prescription est une institution qui relève du droit matériel, et non de la procédure (
ATF 75 II 66
,
ATF 74 II 36
let. c; VON TUHR/ESCHER, Allgemeiner Teil des Schweizerischen Obligationenrechts, vol. II, 3e éd., Zurich 1974, p. 212; GAUCH/SCHLUEP, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, vol. II, 5e éd., Zurich 1991, p. 236 No 3390; SPIRO, Die Begrenzung privater Rechte durch Verjährungs-, Verwirkungs- und Fatalfristen, vol. I, Berne 1975, p. 572; NABHOLZ, Verjährung und Verwirkung als Rechtsuntergangsgründe infolge Zeitablaufs, thèse Zurich 1958, p. 48). Le jugement qui accueille l'exception du défendeur ne prononce dès lors pas simplement l'irrecevabilité de la demande, mais bien son rejet au fond (GAUCH/SCHLUEP, op.cit., p. 251 No 3484; SPIRO, op.cit., p. 458; arrêt non publié R. c. Etablissements J. P. SA et Etat de Genève du 12 mai 1992, consid. 1). Le ch. II du dispositif de la décision attaquée n'est donc que la conséquence nécessaire de l'admission du moyen libératoire de l'intimée.
2.
a) Selon l'
art. 46 al. 1 LCA
, les créances qui dérivent du contrat d'assurance se prescrivent par deux ans à dater "du fait d'où naît l'obligation".
La Cour civile rappelle que l'interprétation de cette disposition est controversée. Elle estime "que le délai de prescription court, en matière d'invalidité, dès que le bénéficiaire de la prestation remplit deux conditions cumulatives: il sait avec certitude qu'il est invalide et il connaît sommairement la prétention qu'il peut faire valoir contre l'assureur, même s'il ne connaît pas le degré de son invalidité".
BGE 118 II 447 S. 451
aa) La jurisprudence du Tribunal fédéral ne paraît pas univoque sur cette question.
Dans un arrêt Zehnder du 2 avril 1942, le Tribunal fédéral a interprété l'
art. 46 al. 1 LCA
en ce sens que la prescription des droits découlant d'un contrat d'assurance contre les accidents court dès le jour de l'accident, et non pas dès l'échéance de la prétention ou la connaissance par l'assuré des faits justifiant sa demande d'indemnité. Cette conception s'appuie notamment sur les travaux préparatoires, d'où il résulte que le législateur a intentionnellement adopté une réglementation qui s'écarte du droit civil ordinaire, pour des motifs relevant de la technique de l'assurance et de la sécurité du droit (
ATF 68 II 107
ss). Cette décision, expressément confirmée en 1955 (arrêt Brochut et consort c. Assurance Mutuelle Vaudoise du 6 mai 1955, RBA XI No 48 p. 267, considérant 3 non publié in
ATF 81 II 155
), est approuvée par une partie de la doctrine (ROELLI, Kommentar zum Schweizerischen Bundesgesetz über den Versicherungsvertrag, vol. I, Berne 1914, p. 559; KELLER, in ROELLI, Kommentar zum Schweizerischen Bundesgesetz über den Versicherungsvertrag, vol. I, 2e éd., Berne 1968, p. 667 ss; OSTERTAG/HIESTAND, Versicherungsvertrag, 2e éd., Zurich 1928, n. 4 ad
art. 46 LCA
; GUHL, Das Schweizerische Obligationenrecht, 5e éd., Zurich 1956, p. 851).
Modifiant sa jurisprudence le 14 mars 1974 dans l'arrêt Helvetia-Accidents c. hoirs de Marc Quennoz (ci-après: arrêt Quennoz), le Tribunal fédéral a jugé que dans l'assurance accidents, la prescription de la créance du bénéficiaire ne court, en cas de décès, que dès la date de celui-ci (
ATF 100 II 45
ss consid. 2); le cas de la prestation payable en cas d'invalidité a toutefois été réservé (
ATF 100 II 49
). Le Tribunal fédéral a constaté que l'
art. 46 al. 1 LCA
peut aussi être compris en ce sens que la prescription court dès l'avènement des autres conditions que le sinistre, événement dommageable, "qui concrétisent le droit d'être indemnisé" - invalidité ou décès de l'assuré -, éléments qui "sont aussi indispensables à la naissance de la prétention que l'accident lui-même" (
ATF 100 II 47
let. c). La solution selon laquelle la prescription court dès le jour de l'accident contribue à la sécurité juridique. Ce point de départ est ainsi déterminé de manière sûre et objective pour tous les intéressés; il ne dépend pas de facteurs subjectifs et il est clair même pour l'assuré qui n'a aucune connaissance juridique. Cette interprétation paraît toutefois trop absolue. Les considérations relatives à la sécurité du droit sont fondées avant tout en matière d'invalidité, dont la constatation est souvent difficile et dépend en partie d'une appréciation, bien que
BGE 118 II 447 S. 452
dans le système selon lequel la prescription ne court que dès la survenance de l'invalidité il ne soit pas nécessaire que toutes les conséquences financières de l'accident soient déjà connues dans le détail (
ATF 100 II 47
let. d). Se référant enfin à l'
art. 83 al. 1 LCR
, le Tribunal fédéral a déduit de cette disposition que le législateur ne considère plus qu'il s'impose, notamment pour des motifs de technique de l'assurance, de faire courir le délai de prescription depuis le jour de l'accident (
ATF 100 II 48
/49). Un arrêt postérieur rappelle ces principes (
ATF 106 II 137
et 139/140 let. e).
Récemment, le Tribunal fédéral a affirmé que le délai de prescription de l'
art. 46 al. 1 LCA
, pour la prestation prévue par une assurance sur la vie en cas d'incapacité de gain, court dès l'événement dommageable, et non dès l'exigibilité de la créance (cf.
art. 130 al. 1 CO
) ou la connaissance des faits propres à justifier la prétention (arrêt Compagnia di assicurazioni sulla vita X. c. Y. du 5 août 1985, RBA XV No 71 p. 368, considérant 4 non publié in
ATF 111 II 501
). Selon l'autorité cantonale, un dernier arrêt aurait considéré que le délai de prescription commence à courir, pour le dommage causé par un accident, dès le moment où le bénéficiaire de la prestation est conscient de son état et a une connaissance sommaire de sa prétention (arrêt D. c. Mobiliare Svizzera du 6 mai 1986, RBA XVI No 30 p. 165). On peut cependant en douter. Certes, le Tribunal fédéral rappelle bien que, selon la cour cantonale, le délai de l'
art. 46 al. 1 LCA
court dès que le bénéficiaire de la prestation est conscient de son état et a une connaissance sommaire de sa prétention; mais il se borne à relever que cette opinion - en soi évidente ("in sé ovvia") - est partagée par le recourant. Il paraît dès lors douteux qu'il ait entendu trancher la question du dies a quo du délai, d'autant que le recours a été déclaré irrecevable.
bb) D'une manière générale, les juridictions cantonales paraissent s'en tenir à la solution de l'arrêt Zehnder (cf. ROELLI/KELLER, op.cit., p. 668 n. 7 et la jurisprudence citée). Certaines l'ont toutefois rejetée.
Antérieurement à cette décision, la Cour d'appel tessinoise a jugé que le délai de prescription de l'
art. 46 al. 1 LCA
, pour la prestation due en cas d'invalidité consécutive à un accident, ne court pas dès le jour de ce dernier, mais dès celui où l'existence de l'invalidité peut être constatée. Elle a réfuté les opinions de ROELLI et de OSTERTAG/HIESTAND, pour se rallier à celle de JAEGER (in ROELLI, Kommentar zum Schweizerischen Bundesgesetz über den Versicherungsvertrag, vol. III, Berne 1933, n. 85 et 86 ad art. 87/88 LCA). Interprétant cette disposition, elle a estimé que l'accident peut se décomposer en trois
BGE 118 II 447 S. 453
phases successives: l'atteinte, la lésion corporelle qui en découle et l'invalidité consécutive à cette lésion, Or, ni l'accident ni la lésion n'engendrent, en soi, d'obligation pour l'assureur de verser des prestations à titre d'invalidité, qui plus est permanente, tant que celle-ci, en qualité d'événement assuré, n'est pas réalisée. Enfin, si le législateur avait voulu se référer à la date du sinistre, il aurait utilisé ce terme - comme à l'
art. 38 al. 1 LCA
-, au lieu de recourir à l'expression de "fait d'où naît l'obligation" (RBA IX No 96 p. 239 ss).
La jurisprudence neuchâteloise a étendu la solution de l'arrêt Quennoz aux prestations payables en cas d'invalidité. Selon la Cour de cassation civile, les motifs d'équité et de systématique émis par le Tribunal fédéral sont aussi pertinents en matière d'invalidité. Peu importe que sa survenance soit plus difficile à dater que le décès, car il est possible de déterminer sans grande difficulté "le moment où l'assuré sait que son atteinte à la santé et l'incapacité de travail qui en résulte impliquent une invalidité permanente". Le délai de prescription ne court donc pas dès le jour de l'accident, mais dès le moment où l'assuré sait qu'une invalidité en est résultée et qu'elle est stabilisée (RJN 1977-1981 I 388 ss, spéc. consid. 3). Cet arrêt confirme un jugement du Tribunal du district du Val-de-Travers, qui considère qu'il n'y a aucune raison de limiter la portée de la nouvelle jurisprudence fédérale au seul décès, à l'exclusion de l'invalidité, "alors que bien souvent l'invalidité consécutive à un accident se révèle tardivement, tout comme un décès consécutif à un accident". On ne saurait dès lors "exiger de l'assuré qu'il réclame à son assureur des indemnités d'invalidité dans les deux ans de l'accident, lorsque l'invalidité ne se révèle que plus tard" (RBA XIV no 64 p. 285 ss).
cc) Une partie de la doctrine aboutit, bien qu'avec diverses nuances, au même résultat que la jurisprudence cantonale précitée: le délai de prescription de l'
art. 46 al. 1 LCA
ne court pas dès l'accident, mais dès la survenance des conséquences de l'événement dommageable, en l'espèce l'invalidité (ROELLI/JAEGER, op.cit., n. 85 et 86 ad art. 87/88 LCA; SPIRO, op.cit., §§ 38 et 68; MAURER, Schweizerisches Privatversicherungsrecht, 2e éd., Berne 1986, p. 374/375; VIRET, Droit des assurances privées, 3e éd., Zurich 1991, p. 135; THALMANN, Die Verjährung im Privatversicherungsrecht, thèse Zurich 1940, p. 106 ss). Un auteur ajoute un élément subjectif à l'instar de l'
art. 60 CO
: la prescription court dès le moment où l'assuré a connu, ou pu connaître, non seulement le sinistre, mais encore ses effets, à savoir l'étendue approximative du dommage qui en est résulté
BGE 118 II 447 S. 454
(PÉTERMANN, Le sort des assurances de personnes en cas d'absence de l'assuré, Lausanne 1947, p. 25 ss; La prescription des actions, RSA 1959/60 p. 395 ss). Un commentaire anonyme, consacré à l'arrêt Quennoz, préconise également d'étendre sa solution à l'hypothèse de l'invalidité (RSA 1974/75 p. 303 ss). Partant de la prémisse, exprimée par cet arrêt, que seule une prétention déjà née peut se prescrire, il estime "que la prescription en matière d'invalidité ne saurait commencer à courir qu'à partir du jour où l'assuré peut prétendre à une telle indemnité". L'invalidité étant une "incapacité présumée permanente" (cf.
art. 88 al. 1 LCA
), la prétention de l'assuré ne peut logiquement naître "que le jour où cette présomption sera effective" (p. 307 ch. 1b). Le délai court donc dès que l'"invalidité est présumable, même si son taux exact n'a pas encore été fixé par expertise" (p. 307/308 ch. 2).
b) L'opinion des juridictions cantonales qui ne suivent pas l'arrêt Zehnder et des auteurs précités doit être approuvée dans son principe.
Aux termes de l'
art. 46 al. 1 LCA
, les créances qui dérivent du contrat d'assurance se prescrivent par deux ans à dater "du fait d'où naît l'obligation". Ce "fait" n'est pas le même pour les prétentions issues des diverses catégories d'assurances (ROELLI/JAEGER, op.cit., n. 85 ad art. 87/88 LCA; VIRET, op.cit., p. 134; cf. pour l'assurance responsabilité civile,
ATF 61 II 198
; BREHM, Le contrat d'assurance de responsabilité civile, Lausanne 1983, p. 213 ss); c'est aussi vrai pour l'assurance contre les accidents, vu la diversité des prestations qu'offre cette branche (VIRET, op.cit., p. 135). L'"obligation" visée par l'
art. 46 al. 1 LCA
est évidemment celle de l'assureur de verser les prestations convenues à raison de l'événement assuré; le "fait" qui lui donne naissance est ainsi la réalisation du risque (cf. BOSSARD, Beitrag zur Versicherungsvertragstheorie, thèse Berne 1950, p. 79). Lorsqu'en matière d'assurance contre les accidents, le contrat prévoit une couverture pour le cas d'invalidité, ce n'est pas l'accident comme tel, mais bien la survenance de l'invalidité - comme événement assuré - qui donne lieu à l'obligation de payer des prestations; en effet, tant que l'accident n'entraîne aucune invalidité, l'assureur est fondé à ne pas intervenir (RBA IX No 96 p. 240; ROELLI/JAEGER, op.cit., n. 85 ad art. 87/88 LCA; PÉTERMANN, op.cit., p. 35).
Sans doute, la survenance de l'invalidité est-elle souvent difficile à déterminer (
ATF 100 II 47
let. d); il arrive en effet fréquemment qu'on ignore si l'accident entraînera une telle conséquence, dont l'ampleur peut évoluer avec le temps (MAURER, op.cit., p. 374). Le
BGE 118 II 447 S. 455
pronostic dépend, en définitive, de l'efficacité des mesures thérapeutiques, qui ont précisément pour fin de conjurer le mal, ou du moins, de limiter les effets de l'atteinte dommageable. Ce n'est donc qu'après l'échec de ces mesures que l'invalidité peut être tenue pour acquise. A cet égard, il sied de rappeler que l'invalidité, au sens de l'
art. 88 LCA
, est une "atteinte définitive à l'intégrité corporelle, qui diminue la capacité de travail" (arrêt Gschwind c. La Bâloise du 2 juin 1983, RBA XV No 96 p. 516/517; arrêt Arnold c. La Bâloise du 7 mai 1981, RBA XIV No 89 p. 422 let. a et les références). Il n'est pas si rare - contrairement à ce qu'affirme l'arrêt Zehnder (
ATF 68 II 113
in fine) - que l'invalidité se révèle plus de deux ans après l'accident, en particulier lors d'accidents graves (MAURER, op.cit., p. 375), c'est-à-dire après l'échéance du délai de prescription calculé depuis cette date; l'assuré courrait alors le risque de voir sa créance se prescrire avant même d'être née, ce qui est inadmissible (
ATF 100 II 48
let. d). On ne saurait exiger de lui qu'il mette un terme à l'incertitude en interrompant le délai de prescription, par une action ou une poursuite, à concurrence du montant maximum prévu par la police (
ATF 61 II 198
ss; SPIRO, op.cit., p. 144 et les références; contra:
ATF 68 II 114
).
La jurisprudence de l'arrêt Zehnder ne peut donc être maintenue. Le délai de prescription de l'
art. 46 al. 1 LCA
, pour la prestation payable en cas d'invalidité, ne court pas dès le jour de l'accident, mais dès que l'invalidité de l'assuré est acquise. Peu importe en revanche le moment où celui-ci a eu connaissance de son invalidité. En effet, contrairement aux
art. 60 CO
et 83 al. 1 LCR, le point de départ du délai de prescription de l'
art. 46 al. 1 LCA
est fixé de manière objective; cette dernière disposition n'exige pas la connaissance par l'assuré des faits propres à justifier sa prétention (
ATF 68 II 107
ss consid. 1, 42 II 681/682 consid. 2b; ROELLI/JAEGER, op.cit., n. 86 ad art. 87/88 LCA; ROELLI/KELLER, op.cit., p. 669; SPIRO, op.cit., p. 68). Le texte légal clair, corroboré par les travaux préparatoires, ne saurait dès lors être complété par l'adjonction d'un élément subjectif (cf. BREHM, op.cit., No 780).
4.
Fondée sur ces constatations, la Cour civile estime que le recourant "a eu une connaissance certaine de son état et a pu se rendre compte de la possibilité de prétendre à une rente d'invalidité au plus tard au moment où il s'est vu attribuer sa première rente d'invalidité de 10% par la CNA", à savoir le 18 novembre 1982. En effet, "à partir de ce moment-là, il possédait les éléments nécessaires pour faire valoir sa prétention auprès de la Société d'assurances".
BGE 118 II 447 S. 456
b) Se référant à MAURER (op.cit., p. 375), la Cour civile estime à bon droit que dans l'hypothèse d'une "rechute ou de suite d'un accident, comme dans le cas d'un accident originel, la prescription commence à courir au moment où naît la prétention aux différentes catégories de prestations" (cf. ég. ROELLI/JAEGER, op.cit., n. 85 ad art. 87/88 LCA; SPIRO, op.cit., p. 144/145 et les références). A son avis, "une rechute aggravant l'invalidité ne représente toutefois pas un élément nouveau qui en lui-même ferait débuter un nouveau délai de prescription. Il faut donc tenir compte du moment où le bénéficiaire de la prestation pouvait prétendre à une rente quelle qu'elle soit."
Selon le Tribunal fédéral des assurances, la rechute (Rückfall) est la récidive d'une maladie tenue pour guérie, qui nécessite un traitement médical, voire entraîne une incapacité de travail; il y a séquelle tardive (Spätfolge) lorsqu'une affection, apparemment guérie, déclenche des modifications organiques, qui peuvent souvent être d'une nature différente que la maladie originelle (
ATF 105 V 35
consid. 1c; GHÉLEW/RAMELET/RITTER, Commentaire de la loi sur l'assurance-accidents (LAA), Lausanne 1992, p. 71). La question de savoir si les conséquences de l'accident subi le 29 mai 1986 constituent une rechute ou des séquelles tardives de l'accident du 3 avril 1980 est sans importance en l'espèce; le régime juridique, s'agissant de la prescription, est en effet identique dans les deux cas (cf. MAURER, op.cit., p. 375).
L'opinion de la cour cantonale ne peut être suivie. Elle méconnaît la portée de la nouvelle jurisprudence - qu'elle prétend suivre - relative à la prescription de la prestation payable en cas de décès (
ATF 100 II 45
ss consid. 2). L'arrêt Quennoz fixe le point de départ du délai après la survenance du sinistre. Le dies a quo au jour du décès ne se justifie pas par la seule considération que la date de ce dernier résulte "de faits en règle générale facilement constatables" (p. 48 en haut), mais aussi parce que le décès correspond à l'avènement d'une condition qui "concrétise le droit d'être indemnisé" (p. 47 let. c). Le Tribunal fédéral observe à ce propos qu'"admettre que la prescription pour la prestation au décès a commencé à courir dès le jour de l'accident, conduit à un résultat inacceptable lorsque l'assuré n'envisage pas son décès, dans les deux ans qui ont suivi l'accident, comme une suite possible de l'accident"; en effet, non seulement il "ne connaît pas les éléments de sa réclamation, mais il ne sait même pas qu'il aura une prétention contre l'assureur" (p. 48). De ce point de vue, le décès de l'assuré, qui constitue un nouvel élément,
BGE 118 II 447 S. 457
imprévisible, du dommage (SPIRO, op.cit., p. 69), peut être assimilé à une rechute, qui fait courir un nouveau délai de prescription (cf. BREHM, n. 46 ss ad
art. 60 CO
; KELLER, Haftpflicht im Privatrecht, vol. II, Berne 1987, p. 249; STARK, Ausservertragliches Haftpflichtrecht, 2e éd., Zurich 1988, p. 230 No 1084; SCHWANDER, Über die Verjährung von Schadenersatzforderungen, in Journées du droit de la circulation routière, Fribourg 1984, p. 7).
Ces considérations valent, mutatis mutandis, dans la présente espèce. L'accident du 29 mai 1986 a eu des conséquences dont l'étendue n'était guère prévisible d'emblée, tant il est vrai qu'une simple contusion de la cheville gauche ne pouvait, selon l'expérience de la vie, causer l'invalidité actuelle du recourant. Et si l'invalidité consécutive au second accident est en relation de causalité adéquate avec le premier (cf.
ATF 113 II 57
let. a,
ATF 112 II 442
let. d,
ATF 103 II 245
consid. 4b,
ATF 102 II 237
consid. 2 et les arrêts cités) - à savoir pour une large part un effet retardé de celui-ci, comme cela paraît ressortir du rapport des Drs Winkler et Matter -, il n'en demeure pas moins qu'elle constitue un nouveau dommage, distinct et imprévisible, dont la survenance fait courir un nouveau délai de prescription.
c) Reste à déterminer le point de départ du délai de prescription. Comme on l'a vu, ce ne saurait être la date du 29 mai 1986, à savoir le jour du second accident, mais celle à partir de laquelle l'invalidité actuelle s'est manifestée (cf. supra, consid. 2b).
Dans son rapport du 17 juillet 1986, le Dr Pelet relève qu'"un dommage permanent est à craindre", du fait des "séquelles de l'accident de 80", et propose une reprise du travail à 50% dès le 7 juillet 1986. Le rapport établi le 29 octobre 1986 par les Drs Winkler et Matter - qui fait suite à un long séjour du recourant à la clinique de Bellikon - indique que l'intéressé "n'est plus vraiment capable d'exercer son activité en tant que maçon"; une "capacité de travail à 75% au moins est cependant réalisable pour des travaux industriels plus légers". Ces rapports ont certes été établis relativement peu de temps après l'accident du 29 mai 1986, mais ils attestent - en tout cas pour le dernier - l'invalidité du recourant et pouvaient fonder une prétention au paiement de la prestation due à ce titre. En effet, contrairement à la rente d'invalidité de la CNA, qui n'est allouée qu'à la suite d'une incapacité de gain (cf. art. 16 al. 1 et 2, 18 al. 2 et 19 al. 1 LAA), les prestations de l'intimée le sont "lorsque l'accident a pour conséquence une incapacité de travail ou de gain présumée permanente (invalidité)" (art. D 6 ch. 1). Or, une telle incapacité de travail, déjà pressentie dans le rapport du 17 juillet 1986, ressort clairement
BGE 118 II 447 S. 458
de celui établi le 29 octobre 1986. Il faut enfin relever que le Dr von Moos mentionne dans son rapport du 20 janvier 1987 que le recourant ne travaille pas, mais "attend une convocation de l'AI". Comme celle-ci n'alloue pas d'office une rente (cf.
art. 65 al. 1 RAI
; RS 831.201), on peut penser - encore que le jugement attaqué n'en dise rien - que le recourant a sollicité des prestations de sa part avant la date du 20 janvier 1987. A l'appui de sa décision du 18 août 1989, la CNA s'est fondée sur "l'avis des médecins", selon lesquels "M. G. n'est plus à même de reprendre l'activité de maçon-coffreur qu'il déployait avant l'accident", mais qu'il "est en revanche capable de travailler dans une mesure de 75% dans une activité légère, en milieu industriel". Bien qu'elle ne l'indique pas expressément, il ne fait aucun doute que cette décision se réfère à l'opinion des Drs Winkler et Matter, dont le pronostic n'a pas été démenti.
En conclusion, même en prenant - dans le meilleur des cas - le 20 janvier 1987 comme point de départ du délai, la prétention du recourant était de toute manière prescrite à la date de l'ouverture d'action, à savoir le 26 octobre 1990. Il n'y a dès lors pas lieu de déterminer avec plus de précision le dies a quo. La prescription n'a été interrompue ni par une reconnaissance de dette de l'assureur (
art. 135 ch. 1 CO
) - qui a toujours clairement exprimé le refus d'admettre la prétention du recourant (RBA XII No 39 p. 219/220) -, ni par les diverses correspondances adressées, dès le 1er juin 1989, par le conseil de ce dernier à l'intimée (
art. 135 ch. 2 CO
; cf. GAUCH/SCHLUEP, op.cit., p. 248 No 3468; KELLER, op.cit., p. 257). | public_law | nan | fr | 1,992 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
18be732d-f602-4dcf-aa18-5d4b8a0b74e5 | Urteilskopf
137 V 96
14. Auszug aus dem Urteil der I. sozialrechtlichen Abteilung i.S. M. gegen Arbeitslosenkasse des Kantons Zürich (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
8C_603/2010 vom 25. Februar 2011 | Regeste
Art. 52 Abs. 1 AVIG
; Umfang der Insolvenzentschädigung.
Die Insolvenzentschädigung deckt weder Ansprüche infolge nicht bezogener Ferien, wenn die Arbeitnehmenden während der Dauer des Arbeitsverhältnisses keine Ferienlohnzuschläge erhalten haben, noch Entschädigungen für Überstunden, falls sich die Arbeitnehmenden vertraglich verpflichtet haben, geleistete Überstunden mit Freizeit zu kompensieren (E. 6). | Sachverhalt
ab Seite 96
BGE 137 V 96 S. 96
A.
Der 1971 geborene M. war seit 20. Dezember 2005 als Hauswart/Reiniger für die C. GmbH tätig. Nachdem er für den Monat Januar 2007 keinen Lohn erhalten hatte, kündigte er das Arbeitsverhältnis mit der C. GmbH am 14. Februar 2007 fristlos. Im März 2007 wurde über die Gesellschaft der Konkurs eröffnet. Das Konkursverfahren wurde in der Folge noch im gleichen Monat mangels Aktiven eingestellt.
M. beantragte am 23. März 2007 Insolvenzentschädigung für einen Ausstand in der Höhe von Fr. 20'131.70 (Rest 13. Monatslohn 2005,
BGE 137 V 96 S. 97
13. Monatslohn 2006, Lohn für die Zeit vom 1. Januar bis 14. Februar 2007 inklusive 13. Monatslohn pro rata temporis, Anteil Ferien sowie Überstundenabgeltung). Die Arbeitslosenkasse des Kantons Zürich richtete in der Folge eine Insolvenzentschädigung von Fr. 7'590.20 (für ausstehenden Verdienst ab 1. Januar bis 14. Februar 2007 zuzüglich Anteil 13. Monatslohn ab 15. Oktober 2006 bis 14. Februar 2007) aus. Mit Verfügung vom 18. September 2007 lehnte sie einen darüber hinausgehenden Insolvenzentschädigungsanspruch für angeblich nicht abgegoltene Überzeit und nicht bezogene Ferientage ab. Daran hielt sie auf Einsprache hin fest (Einspracheentscheid vom 12. März 2008).
B.
In teilweiser Gutheissung der dagegen erhobenen Beschwerde änderte das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich den Einspracheentscheid insoweit ab, als es feststellte, M. habe zusätzlich für die am 2. Januar 2007 geleistete Sonntagsarbeit in der Höhe des Sondervergütungszuschlags Anspruch auf Insolvenzentschädigung; im Übrigen wies es die Beschwerde ab (Entscheid vom 15. Juni 2010).
C.
M. lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Rechtsbegehren, in teilweiser Aufhebung des kantonalen Gerichtsentscheids sei ihm eine Insolvenzentschädigung für in der Zeit vom 15. Oktober 2006 bis 14. Februar 2007 geleistete Überstunden inklusive Zuschläge im Betrag von Fr. 2'318.15 brutto zuzusprechen; eventualiter sei der kantonale Gerichtsentscheid hinsichtlich der Überstunden vom 15. Oktober 2006 bis 14. Februar 2007 aufzuheben und die Sache diesbezüglich zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Die Arbeitslosenkasse schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) verzichtet auf eine Stellungnahme.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
Umstritten ist im Verfahren vor Bundesgericht einzig noch, ob das Entgelt für in der Zeit vom 15. Oktober 2006 bis 14. Februar 2007 geleistete (von der ehemaligen Arbeitgeberin aber in vollem Umfang bestrittene) Überstunden, welche nicht mehr durch Freizeit kompensiert werden konnten, von der Insolvenzentschädigung gedeckt ist.
BGE 137 V 96 S. 98
4.
Nach den - letztinstanzlich unbestritten gebliebenen - Erwägungen der Vorinstanz unterstand der Beschwerdeführer während seines Arbeitsverhältnisses mit der C. GmbH dem Gesamtarbeitsvertrag für die Reinigungsbranche in der Deutschschweiz (nachfolgend: GAV), vom Bundesrat zunächst vom 1. Juli 2004 bis Ende 2006 und anschliessend wieder ab 1. April 2007 für allgemeinverbindlich erklärt (Bundesratsbeschlüsse vom 18. Juni 2004 [BBl 2004 3184] und vom 14. März 2007 [BBl 2007 2155]), welcher zur Zeit des Abschlusses des Arbeitsvertrags galt. Gemäss Art. 7 GAV muss der Überstundensaldo per Ende Dezember bis am 31. März des Folgejahres kompensiert werden. Überstunden, die nicht innerhalb der Abrechnungsperiode durch Freizeit gleicher Dauer kompensiert werden, sind nach Ablauf dieser Periode mit einem Zuschlag von 25 % auszubezahlen. Diese Regel des vorrangigen Freizeitausgleichs der Überstunden wurde Bestandteil des Arbeitsvertragsverhältnisses zwischen dem Versicherten und der C. GmbH.
5.
5.1
Das kantonale Gericht vertritt die Auffassung, der Beschwerdeführer habe durch die Leistung von Überstunden zunächst nicht einen Lohn-, sondern in erster Linie einen Freizeitanspruch erworben, welcher sich infolge der vor März 2007, nämlich am 14. Februar 2007 vom Versicherten ausgesprochenen fristlosen Auflösung des Arbeitsverhältnisses in einen Lohnanspruch umgewandelt habe. Ein Anspruch auf Insolvenzentschädigung als Abgeltung für geleistete Überstunden bestehe bereits deshalb nicht, weil die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Forderung für Überstunden in geldwerter Form erst aufgrund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses geschuldet sei. Sämtliche Ansprüche, die ein Arbeitgeber allerdings gerade wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses schulde, seien von der Insolvenzentschädigung ausgeschlossen. Aus "grundsätzlicheren Überlegungen" habe sich die Insolvenzentschädigung nach dem klaren Willen des Gesetzgebers darauf zu beschränken, im Konkursfall des Arbeitgebers dem Arbeitnehmer den Lebensunterhalt zu garantieren. Die Insolvenzentschädigung ersetze bereits den vollen vertraglich geschuldeten Lohn, weshalb die zusätzliche Entschädigung aufgelaufener Überstunden diese Beschränkung sprengen würde. Es rechtfertige sich daher, im Rahmen der Insolvenzentschädigung Ansprüche aus Überstunden nicht zu entgelten, zumal in analoger Weise entsprechende Entschädigungen im Rahmen der Arbeitslosenversicherung beim versicherten Verdienst auch nicht zu berücksichtigen seien.
BGE 137 V 96 S. 99
5.2
Dagegen wendet der Beschwerdeführer ein, ab 10. Juli 2006 habe er nach Anweisung seiner Arbeitgeberin von Montag bis Freitag jeweils 7,75 Stunden täglich und an Samstagen 9,75 Stunden arbeiten müssen. Dies ergebe eine wöchentliche Arbeitszeit von 48,5 Stunden. Im Arbeitsvertrag sei eine Arbeitszeit von 42,5 Stunden vermerkt und gemäss Art. 6.2 GAV betrage die wöchentliche Höchstarbeitszeit 42 Stunden. Nach Art. 7.3 GAV seien die Überstunden, mithin diejenige Zeit, welche 42 Stunden pro Woche übersteige, mit dem Grundlohn zuzüglich 25 % zu entschädigen. Die gesamthaft erarbeiteten 134,5 Überstunden ergäben sich aus den vom Versicherten ausgefüllten Stundenblättern, wobei auf den Zeitraum vom 15. Oktober 2006 bis 14. Februar 2007 71,75 Mehrstunden entfielen. Daraus resultiere die zusätzlich beantragte Insolvenzentschädigung von Fr. 2'318.15 brutto. Die Arbeitgeberin habe die Entschädigung für erbrachte Überstunden entgegen der Ansicht des kantonalen Gerichts laufend, jeweils umgehend nach Erbringung der Überstunden, geschuldet. Selbst wenn die Kompensation durch Freizeit möglich sei, liege nämlich dennoch ein geldwerter Anspruch vor. Werde kompensiert, so sei Lohn für diese Freizeit geschuldet. Vorliegend komme hinzu, dass eine Kompensation aus betrieblichen Gründen gar nicht möglich gewesen sei, da der Beschwerdeführer "immer" habe arbeiten müssen und nicht einmal seine Ferien habe beziehen können. Es sei falsch, ihm vorzuhalten, dass er das Geld für die Überstunden für den Lebensunterhalt gar nicht brauchen würde. Er habe sich einfach eingeschränkt.
6.
6.1
Die Insolvenzentschädigung ist eine Lohnausfallversicherung bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers. Sie setzt eine Lohnforderung der versicherten Person gegenüber dem insolventen Arbeitgeber voraus. Unter Lohnforderung im Sinne von
Art. 52 Abs. 1 AVIG
(SR 837.0) ist grundsätzlich der massgebende Lohn gemäss
Art. 5 Abs. 2 AHVG
(SR 831.10) zu verstehen, einschliesslich der geschuldeten Zulagen. Als zweiseitiger Vertrag verpflichtet der Arbeitsvertrag den Arbeitnehmer zur Leistung von Arbeit und den Arbeitgeber zur Entrichtung eines Lohnes. Die Rechtsfolge besteht aus arbeitslosenversicherungsrechtlicher Sicht darin, dass die Lohnforderung grundsätzlich an die Leistung von Arbeit gebunden ist. Der Schutzzweck der Insolvenzentschädigung erstreckt sich daher nur auf tatsächlich geleistete, aber nicht entlöhnte Arbeit (
BGE 132 V 82
E. 3.1 S. 84). Dem Tatbestand der geleisteten Arbeit hat die
BGE 137 V 96 S. 100
Rechtsprechung diejenigen Fälle gleichgestellt, in denen der Arbeitnehmer nur wegen Annahmeverzugs des Arbeitgebers im Sinne von
Art. 324 OR
keine Arbeit leisten konnte. Solange der Arbeitnehmer in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis steht, hat er einen Lohnanspruch, der gegebenenfalls einen Anspruch auf Insolvenzentschädigung rechtfertigen kann (
BGE 132 V 82
E. 3.1 S. 85).
6.2
Die gesetzliche Regelung der Insolvenzentschädigung bezweckt den Schutz der Lohnguthaben und die Sicherstellung des Lebensunterhalts des Arbeitnehmers im Konkursfall des Arbeitgebers (Botschaft vom 2. Juli 1980 zu einem neuen Bundesgesetz über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung, BBl 1980 III 534 f. Ziff. 234 und 606 Ziff. 324 ad Art. 51 E-AVIG;
BGE 114 V 56
E. 3c S. 58). In der Botschaft wird darauf hingewiesen, dass der Verlust der Lohnforderung den einzelnen betroffenen Arbeitnehmer in seiner Existenz bedrohen könne, auch wenn der Betrag gesamthaft meist nicht übermässig hoch sei. Die Insolvenzentschädigung solle eine Lücke im sozialen Schutz schliessen, die im Rahmen der gesamtarbeitsvertraglichen Vereinbarungen offengeblieben sei (BBl 1980 III 535 Ziff. 234). Da die Insolvenzentschädigung dem System der Arbeitslosenversicherung eigentlich fremd sei, habe sie sich darauf zu beschränken, dem Arbeitnehmer im Konkursfall des Arbeitgebers den Lebensunterhalt zu garantieren (BBl 1980 III 606 Ziff. 324 ad Art. 51 E-AVIG).
Mit Blick auf dieses Ziel hat die Insolvenzentschädigung diejenigen ausstehenden Forderungen des (ehemaligen) Arbeitnehmers zu decken, welche erwartungsgemäss bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses in den letzten vier Monaten gemäss
Art. 52 Abs. 1 AVIG
vom zahlungsfähigen Arbeitgeber beglichen worden wären. Mit anderen Worten besteht der Sinn der Insolvenzentschädigung darin, der versicherten Person jene Lohnsumme sicherzustellen, mit der sie in den letzten vier Monaten des Arbeitsverhältnisses vor Eröffnung des Konkurses über den Arbeitgeber rechnen durfte (ARV 1998 S. 58, C 191/95).
6.3
Praxisgemäss besteht die Lohnforderung im Sinne von
Art. 52 Abs. 1 AVIG
grundsätzlich im massgebenden Lohn nach
Art. 5 Abs. 2 AHVG
i.V.m.
Art. 7 AHVV
(SR 831.101), einschliesslich der geschuldeten Zulagen (
BGE 132 V 82
E. 3.1 S. 84; E. 6.1 hiervor). In der Literatur findet sich zu dieser Definition keine abweichende Meinung (THOMAS NUSSBAUMER, Arbeitslosenversicherung, in: Soziale Sicherheit, SBVR Bd. XIV, 2. Aufl. 2007, S. 2364 Rz. 616
BGE 137 V 96 S. 101
und Fn. 1275; URS BURGHERR, Die Insolvenzentschädigung, 2004, S. 107 ff.; GERHARD GERHARDS, Kommentar zum Arbeitslosenversicherungsgesetz [AVIG], Bd. I [Art. 1-58], 1988, N. 5 f. zu
Art. 52 AVIG
). Allerdings muss einschränkend gelten, dass eine Anlehnung an den Begriff des massgebenden Lohnes nur insoweit möglich sein kann, als dies mit dem Zweck der Insolvenzentschädigung vereinbar ist. Ob Forderungen aus einem Arbeitsverhältnis zum versicherten Verdienst gehören, ist entgegen der Ansicht des kantonalen Gerichts in diesem Zusammenhang nicht ausschlaggebend. Der versicherte Verdienst ist für die Höhe des Arbeitslosentaggeldes massgebend (
Art. 22 Abs. 1 AVIG
) und bildet lediglich die obere Grenze der monatlichen Insolvenzentschädigung (Art. 52 Abs. 1 i.V.m.
Art. 3 Abs. 2 AVIG
). Im Einzelnen ist ein Lohnbestandteil von der Insolvenzentschädigung nur gedeckt, wenn die versicherte Person für den von
Art. 52 Abs. 1 AVIG
vorgeschriebenen Zeitraum unter Annahme eines fortbestehenden Arbeitsverhältnisses und eines zahlungsfähigen Arbeitgebers berechtigte Aussichten auf dessen Auszahlung haben konnte (E. 6.2 hiervor). Dazu gehört ein anteilmässiger 13. Monatslohn, weil dieser pro rata temporis in Geld erworben wird, und die Arbeitnehmenden mit diesem normalerweise gegen Ende des Kalenderjahrs ausbezahlten Lohnanteil bereits anfangs Jahr rechnen können. Wie der 13. Monatslohn bilden auch die Ferien- und Überstundenentschädigungen grundsätzlich einen Bestandteil des massgebenden Lohnes gemäss
Art. 5 Abs. 2 AHVG
i.V.m.
Art. 7 AHVV
. Allein deswegen kann aber - entgegen einzelner Hinweise in der Literatur (BURGHERR, a.a.O., S. 107 ff.; GERHARDS, a.a.O., N. 6 f. zu
Art. 52 AVIG
; HANS-ULRICH STAUFFER, Die Arbeitslosenversicherung, 1984, S. 178) - nicht schon eine vollständige Deckung solcher ausstehender Forderungen durch die Insolvenzentschädigung angenommen werden.
6.3.1
Gemäss
Art. 329d OR
hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer für die Ferien den gesamten darauf entfallenden Lohn und eine angemessene Entschädigung für ausfallenden Naturallohn zu entrichten (Abs. 1). Die Ferien dürfen während der Dauer des Arbeitsverhältnisses nicht durch Geldleistungen oder andere Vergütungen abgegolten werden (Abs. 2). Das Abgeltungsverbot gehört zu den absolut zwingenden, die Bestimmungen über den Ferienlohn zu den relativ zwingenden Vorschriften des Arbeitsvertragsrechts (
Art. 361 und 362 OR
). Soweit der Ferienlohn während der Dauer des Arbeitsverhältnisses bei unregelmässigem Beschäftigungsgrad oder
BGE 137 V 96 S. 102
unregelmässiger Entlöhnung überhaupt laufend mit dem Lohn ausgerichtet werden darf, ist es nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung notwendig, in den einzelnen schriftlichen Lohnabrechnungen den für die Ferien bestimmten Lohnanteil ausdrücklich auszuweisen und zudem - sofern ein schriftlicher Arbeitsvertrag vorliegt - auch in diesem schriftlich den entsprechenden Lohnanteil festzuhalten (Urteil 4A_300/2007 vom 6. Mai 2008 E. 3.2.3, nicht publ. in:
BGE 134 III 399
;
BGE 129 III 493
E. 3.2 und 3.3 S. 495 f.).
Im Monatslohn angestellte Personen mit vollem Arbeitspensum, welche keine Ferienlohnzuschläge beziehen dürfen, können folglich bei fortbestehendem Arbeitsverhältnis auch keine Abgeltung der Ferien durch Geldleistungen erwarten (
Art. 329d Abs. 2 OR
). Der Abgeltungsanspruch für nicht bezogene Ferien entsteht in diesem Fall erst, wenn diese nicht mehr in natura gewährt werden können (
BGE 131 III 451
), also namentlich bei fristloser Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch Arbeitgeber oder Arbeitnehmer. Versicherte Personen, welche während bestehendem Arbeitsverhältnis mit ihrem Lohn zusätzlich eine Ferienabgeltung bezogen haben, konnten demgegenüber mit den monatlich ausgerichteten Zuschlägen rechnen.
6.3.2
Für Überstunden ergibt sich nichts Abweichendes. Wurde Überstundenarbeit geleistet, so entsteht ein Anspruch auf Überstundenvergütung, sofern Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht einen Ausgleich durch Freizeit vereinbart haben (MANFRED REHBINDER, Schweizerisches Arbeitsrecht, 15. Aufl. 2002, S. 63 Rz. 107). Versicherte Personen, welche arbeitsvertraglich dazu verpflichtet waren, geleistete Überstunden mit Freizeit zu kompensieren, hatten bei fortbestehendem Arbeitsverhältnis keine berechtigten Aussichten auf Auszahlung von Überstundenentschädigungen. Hingegen konnten Arbeitnehmende, welche eine Überstundenvergütung abgemacht hatten, bei andauerndem Arbeitsverhältnis die vertragsgemässe Auszahlung einer solchen erwarten.
6.4
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass Entschädigungen für noch nicht bezogene Ferien von ehemals im Monatslohn angestellt gewesenen Personen, welche keine Ferienlohnzuschläge erhalten haben, und - bei entsprechender arbeitsvertraglicher Übereinkunft - für noch nicht mit Freizeit kompensierte Überstunden nicht von der Insolvenzentschädigung gedeckt sind.
6.5
Das ehemals zuständige Eidg. Versicherungsgericht hat zwar bereits verschiedentlich festgehalten, dass die Insolvenzentschädigung Forderungen für noch nicht bezogene Ferien nicht erfasst
BGE 137 V 96 S. 103
(
BGE 132 V 82
E. 3.1; ARV 2006 S. 73, C 214/04; vgl. auch NUSSBAUMER, a.a.O., S. 2365 Rz. 617 und Fn. 1280). Diesen Schluss hat es allerdings ohne vertiefte Auseinandersetzung mit der Problematik gezogen. Vereinzelt wurde in der Vergangenheit ein Anspruch auf Insolvenzentschädigung für nicht bezogene Ferien pro rata temporis ohne weitere Begründung entweder implizit oder auch ausdrücklich bestätigt (unter anderem: ARV 1998 S. 58, C 191/95; Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts C 54/93 vom 3. August 2004). Daran kann nach dem Gesagten (E. 6.3 f. hiervor) nicht uneingeschränkt festgehalten werden. Ob eine ausstehende Forderung durch die Insolvenzentschädigung gedeckt ist, entscheidet sich vielmehr danach, ob der Arbeitnehmer bei fortbestehendem Arbeitsverhältnis mit der Auszahlung eines Ferienlohnzuschlags (oder einer Überstundenentschädigung) rechnen konnte. Auf die Verwaltungsweisungen (vgl. insbesondere Ziffer 3.4 des Kreisschreibens des Bundesamtes für Industrie, Gewerbe und Arbeit [heute: Staatssekretariat für Wirtschaft, SECO] über die Insolvenzentschädigung, gültig ab Januar 1992 [KS IE]; AM/ALV-Praxis 2004/1 Blatt 12, Weisung des SECO zu Gegenstand und Umfang der Insolvenzentschädigung - Begriff der Lohnforderung) oder den vom Eidg. Volkswirtschaftsdepartement zur Insolvenzentschädigung herausgegebenen Leitfaden für Versicherte kann nicht abgestellt werden, soweit sich daraus etwas anderes ergibt.
7.
Eine abschliessende Aufzählung möglicher Forderungen von Arbeitnehmenden, für welche gemäss
Art. 52 AVIG
ein Anspruch auf Insolvenzentschädigung besteht, ist an dieser Stelle nicht erforderlich.
8.
8.1
Der Versicherte hat das Arbeitsverhältnis am 14. Februar 2007 fristlos aufgelöst. Ob die fristlose Kündigung gerechtfertigt war, ist mit Blick auf
Art. 337a OR
, wonach der Arbeitnehmer dem zahlungsunfähigen Arbeitgeber vor der Auflösung des Arbeitsverhältnisses zunächst eine angemessene Frist zur Sicherheitsleistung einzuräumen hat, fraglich, kann aber im vorliegenden Verfahren offenbleiben. So oder anders wurden mit der fristlosen Beendigung des Arbeitsverhältnisses alle Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis fällig (
Art. 339 Abs. 1 OR
); ein Bezug der Ferien in natura war bei einer fristlosen Kündigung nicht mehr möglich, ebenso wenig die Kompensation der vom Versicherten geltend gemachten Überstunden. Bei fortbestehendem Arbeitsverhältnis hätte der
BGE 137 V 96 S. 104
Überstundensaldo per Ende Dezember 2006 bis am 31. März 2007 kompensiert werden müssen; Überstunden, die nicht innerhalb der Abrechnungsperiode durch Freizeit gleicher Dauer kompensiert worden wären, wären nach Ablauf dieser Periode mit einem Zuschlag von 25 % auszubezahlen gewesen (E. 4 hiervor). Mit Blick auf diese Regelung hat der Beschwerdeführer während der letzten vier Monate des Arbeitsverhältnisses vor der Konkurseröffnung nicht mit der Auszahlung einer Überstundenentschädigung rechnen können. Eine Abgeltung der Überstunden durch eine entsprechend bemessene Geldleistung ist demgemäss nicht durch die Insolvenzentschädigung abgedeckt. Wie es sich verhalten würde, wenn der Versicherte das Arbeitsverhältnis erst nach Ende März 2007 (vgl. Art. 7 GAV: Entstehung eines Auszahlungsanspruchs) fristlos aufgelöst hätte, steht vorliegend nicht zur Debatte. Schliesslich erübrigt es sich, auf den Einwand des Beschwerdeführers, die vom kantonalen Gericht zusätzlich gewährte - im vorliegenden Verfahren nicht mehr umstrittene - Insolvenzentschädigung in der Höhe des Sondervergütungszuschlags für die am 2. Januar 2007 geleistete Sonntagsarbeit ergebe nur einen Sinn, wenn auch die Überstunden selber von der Insolvenzentschädigung gedeckt seien, einzugehen, weil das Bundesgericht so oder anders an die Parteibegehren gebunden ist (nicht publ. E. 1 in fine).
8.2
Verwaltung und Vorinstanz haben einen Insolvenzentschädigungsanspruch für die letztinstanzlich einzig noch umstrittenen, vom Beschwerdeführer geltend gemachten Überstunden zu Recht verneint. | null | nan | de | 2,011 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
18bf2ccd-9c10-4fcc-a26f-cb4f6033e0e0 | Urteilskopf
141 V 642
70. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen IV-Stelle Schwyz (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
9C_715/2014 vom 23. Juni 2015 | Regeste
Art. 42
sexies
Abs. 4 IVG
; Art. 39g Abs. 2 lit. b Ziff. 2 IVV; Assistenzbeitrag pro Jahr.
Für die Mithilfe von Angehörigen im Rahmen der Schadenminderungspflicht ist entscheidend, wie sich eine vernünftige Familiengemeinschaft einrichten würde, sofern keine Versicherungsleistungen zu erwarten wären (E. 4.3.2). Der standardisierte Einbezug der Schadenminderungspflicht gemäss
Art. 39g Abs. 2 lit. b IVV
lässt sich so weit und so lange nicht beanstanden, als eine schadenmindernde Mithilfe Angehöriger im Einzelfall objektiv tatsächlich möglich und zumutbar ist (E. 4.3.3). | Sachverhalt
ab Seite 643
BGE 141 V 642 S. 643
A.
Der 1977 geborene A. lebt bei seinen 1930 resp. 1933 geborenen Eltern und bezieht seit langem nebst einer ganzen Rente der Invalidenversicherung eine Hilflosenentschädigung für Hilflosigkeit schweren Grades. Im Februar 2013 ersuchte er um einen Assistenzbeitrag. Nach Abklärungen und Durchführung des Vorbescheidverfahrens sprach ihm die IV-Stelle Schwyz (nachfolgend: IV-Stelle) mit Verfügung vom 16. August 2013 einen Assistenzbeitrag an tatsächlich erbrachte Assistenzstunden von monatlich durchschnittlich Fr. 6'152.45 resp. jährlich maximal Fr. 67'676.95 ab 1. Februar 2013 zu.
B.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz mit Entscheid vom 25. August 2014 im Sinne der Erwägungen ab.
C.
A. lässt mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragen, der Entscheid vom 25. August 2014 sei aufzuheben und die IV-Stelle sei zu verpflichten, ihm die gesetzlichen Leistungen gemäss IVG zu gewähren. Es sei ihm ein Assistenzbeitrag von Fr. 140'501.40 jährlich auszurichten (12 x Fr. 11'708.45); eventualiter sei ein Gutachten zum tatsächlich anfallenden Assistenzbedarf anzuordnen.
Die IV-Stelle verzichtet auf eine Stellungnahme. Das kantonale Gericht reicht eine Vernehmlassung ein, ohne einen Antrag zu stellen. Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) schliesst auf Abweisung der Beschwerde.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
1.1
Anspruch auf einen Assistenzbeitrag haben Versicherte, denen eine Hilflosenentschädigung der IV nach Artikel 42 Absätze 1-4
BGE 141 V 642 S. 644
ausgerichtet wird, die zu Hause leben und volljährig sind (
Art. 42
quater
Abs. 1 IVG
). Ein Assistenzbeitrag wird gewährt für Hilfeleistungen, die von der versicherten Person benötigt und regelmässig von einer natürlichen Person (Assistenzperson) unter bestimmten Voraussetzungen erbracht werden (
Art. 42
quinquies
IVG
).
Grundlage für die Berechnung des Assistenzbeitrags ist die für die Hilfeleistungen benötigte Zeit. Davon abgezogen wird die Zeit, die folgenden Leistungen entspricht: (a) der Hilflosenentschädigung nach den Artikeln 42-42
ter
; (b) den Beiträgen für Dienstleistungen Dritter anstelle eines Hilfsmittels nach Artikel 21
ter
Absatz 2; (c) dem für die Grundpflege ausgerichteten Beitrag der obligatorischen Krankenpflegeversicherung an Pflegeleistungen nach Artikel 25a KVG (
Art. 42
sexies
Abs. 1 IVG
). Der Bundesrat legt u.a. die Bereiche und die minimale und maximale Anzahl Stunden, für die ein Assistenzbeitrag ausgerichtet wird, sowie die Pauschalen für Hilfeleistungen pro Zeiteinheit im Rahmen des Assistenzbeitrags fest (
Art. 42
sexies
Abs. 4 lit. a und b IVG
).
1.2
1.2.1
Nach
Art. 39c IVV
(SR 831.201) kann u.a. in den folgenden Bereichen Hilfebedarf anerkannt werden: (a) alltägliche Lebensverrichtungen; (b) Haushaltsführung; (c) gesellschaftliche Teilhabe und Freizeitgestaltung; (h) Überwachung während des Tages; (i) Nachtdienst.
Dabei gelten für Hilfeleistungen in den Bereichen nach Artikel 39c Buchstaben a-c pro alltägliche Lebensverrichtung, die bei der Festsetzung der Hilflosenentschädigung festgehalten wurde, folgende monatliche Höchstansätze: 1. bei leichter Hilflosigkeit: 20 Stunden, 2. bei mittlerer Hilflosigkeit: 30 Stunden, 3. bei schwerer Hilflosigkeit: 40 Stunden (
Art. 39e Abs. 2 lit. a IVV
).
Der Assistenzbeitrag beträgt in der Regel Fr. 32.80 resp. 32.90 pro Stunde (
Art. 39f Abs. 1 IVV
in der vom 1. Januar 2013 bis 31. Dezember 2014 resp. seit 1. Januar 2015 geltenden Fassung). Die IV-Stelle legt den Assistenzbeitrag für den Nachtdienst nach Intensität der zu erbringenden Hilfeleistung fest. Er beträgt höchstens Fr. 87.40 resp. 87.80 pro Nacht (
Art. 39f Abs. 3 IVV
in der vom 1. Januar 2013 bis 31. Dezember 2014 resp. seit 1. Januar 2015 geltenden Fassung).
1.2.2
Die IV-Stelle berechnet die Höhe des Assistenzbeitrags pro Monat und pro Jahr (
Art. 39g Abs. 1 IVV
). Der Assistenzbeitrag pro Jahr beträgt das Zwölffache des Assistenzbeitrags pro Monat
BGE 141 V 642 S. 645
(
Art. 39g Abs. 2 lit. a IVV
). Er beträgt das Elffache des Assistenzbeitrags pro Monat, wenn die versicherte Person mit der Person, mit der sie verheiratet ist oder in eingetragener Partnerschaft lebt oder eine faktische Lebensgemeinschaft führt oder in gerader Linie verwandt ist, im selben Haushalt lebt (Art. 39g Abs. 2 lit. b Ziff. 1 IVV) und diese Person volljährig ist und selber keine Hilflosenentschädigung bezieht (Art. 39g Abs. 2 lit. b Ziff. 2 IVV).
2.
Die Verwaltung traf am 14. Mai 2013 Abklärungen vor Ort und erstattete dazu den mit dem standardisierten Abklärungsinstrument "FAKT2" (nachfolgend: FAKT2) erstellten Abklärungsbericht Assistenzbeitrag. Gestützt darauf sprach sie dem Versicherten einen Assistenzbeitrag von monatlich Fr. 6'152.45 ab 1. Februar 2013 zu; das Elffache dieses Betrages, mithin Fr. 67'676.95, legte sie als jährliche Obergrenze fest.
Die Vorinstanz hat dem Abklärungsbericht Assistenzbeitrag Beweiskraft (vgl.
BGE 140 V 543
E. 3.2.1 S. 547) beigemessen und auf dieser Grundlage den verfügten Anspruch bestätigt.
3.
3.1
Es ist unbestritten, dass der anerkannte Hilfebedarf für alltägliche Lebensverrichtungen, Haushaltsführung sowie gesellschaftliche Teilhabe und Freizeitgestaltung, d.h. der Höchstansatz gemäss Art. 39e Abs. 2 lit. a Ziff. 3 IVV (E. 1.2.1), monatlich 240 Stunden beträgt und dass in concreto Assistenzstunden in diesem Umfang zu berücksichtigen sind. Im Abklärungsbericht Assistenzbeitrag wurde für die genannten Punkte ein höherer Gesamtbedarf an Hilfe von 321,77 Stunden ermittelt; dieser kann jedoch ohnehin nicht vollständig berücksichtigt werden (vgl.
Art. 42
sexies
Abs. 4 lit. a IVG
). Weiterer Hilfebedarf im Sinne von
Art. 39c lit. d bis h IVV
ist nicht ersichtlich und wird auch nicht substanziiert geltend gemacht. Auf die Kritik des Versicherten am Abklärungsinstrument FAKT2 ist daher nicht weiter einzugehen (Urteil 9C_598/2014 / 9C_664/2014 vom 21. April 2015 E. 5.1).
3.2
3.2.1
Das Bundesgericht entschied in
BGE 140 V 543
E. 3.6.3 S. 557, dass die Zeit, die durch die Hilflosenentschädigung und allfällige Beiträge für Dienstleistungen Dritter oder an Grundpflege nach
Art. 25a KVG
zu decken ist (
Art. 42
sexies
Abs. 1 IVG
), vom anerkannten Hilfebedarf gemäss
Art. 39e IVV
und nicht vom (höheren) Gesamtbedarf (
Art. 42
sexies
Abs. 1 Satz 1 IVG
) abzuziehen ist. Darin liegt
BGE 141 V 642 S. 646
keine Verletzung des Anspruchs auf persönliche Freiheit (
Art. 10 Abs. 2 BV
), des Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens oder des Diskriminierungsverbots gemäss
Art. 8 und 14 EMRK
, worauf sich der Beschwerdeführer - in einer den Anforderungen von
Art. 106 Abs. 2 BGG
ohnehin nicht genügenden Weise - beruft (vgl.
BGE 138 I 225
E. 3.8 S. 231).
3.2.2
Laut Abklärungsbericht Assistenzbeitrag entsprechen die gemäss
Art. 42
sexies
Abs. 1 IVG
in Abzug zu bringenden Leistungen der Invaliden- und der Krankenversicherung im Durchschnitt monatlich 103,11 Stunden, was nicht bestritten wird. Beim anerkannten Hilfebedarf (ohne Nachtdienst; vgl. dazu E. 3.4) von 240 Stunden verbleiben somit 136,89 Stunden, die monatlich im Rahmen des Assistenzbeitrags zu entschädigen sind.
3.3
Das Bundesgericht hat sich in
BGE 140 V 543
E. 3.3 S. 551 mit der Höhe des Pauschalansatzes für den Assistenzbeitrag von Fr. 32.50 resp. 32.80 pro Stunde gemäss
Art. 39f Abs. 1 IVV
(in der bis 31. Dezember 2012 resp. seit 1. Januar 2013 geltenden Fassung) befasst. Es hat entschieden, dass sie gesetzeskonform ist, eine Ferienentschädigung von 8,33 % beinhaltet und in etwa dem Durchschnittslohn für persönliche Dienstleistungen gemäss Lohnstrukturerhebung des Bundesamtes für Statistik resp. den im Rahmen des Pilotversuchs gemachten Erfahrungen entspricht. Dass damit eine Verletzung des Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens (
Art. 8 EMRK
) verbunden sein soll, ist nicht nachvollziehbar. Gleiches gilt im Übrigen für den ab 1. Januar 2015 massgeblichen (vgl.
Art. 39f Abs. 4 IVV
) Stundenansatz von Fr. 32.90 (erwähntes Urteil 9C_598/2014 / 9C_664/2014 E. 5.4.1).
Was Spesen und Auslagen für die Assistenzperson anbelangt, so deckt der Assistenzbeitrag nach dem klaren Wortlaut von Art. 42
quinquies
f. IVG keine solchen, sondern lediglich Hilfeleistungen ab; ein allfälliger Anspruch auf Vergütung solcher Kosten im Rahmen von Ergänzungsleistungen (vgl.
Art. 14 Abs. 1 lit. b ELG
[SR 831.30]) bleibt davon unberührt (
BGE 140 V 543
E. 3.3 in fine S. 551; bestätigt im Urteil 9C_598/2014 / 9C_664/2014 E. 5.4.1).
3.4
Beim monatlichen, durch den Assistenzbeitrag abzugeltenden Hilfebedarf von 136,89 Stunden (E. 3.2.2) resultiert mit dem Stundenansatz von Fr. 32.80 ein Betrag von Fr. 4'490.-. Nachdem die monatliche Nachtpauschale (vgl.
Art. 39c lit. i und
Art. 39f Abs. 3 IVV
; E. 1.2.1) von Fr. 1'662.45 bereits im vorinstanzlichen
BGE 141 V 642 S. 647
Verfahren unbestritten geblieben war, hat das kantonale Gericht zu Recht den durchschnittlichen Assistenzbeitrag von insgesamt Fr. 6'152.45 pro Monat bestätigt.
4.
4.1
Zu prüfen bleibt der Assistenzbeitrag pro Jahr. Die Vorinstanz hat unter Verweis auf
Art. 39g Abs. 2 lit. b IVV
(E. 1.2.2) das Elffache des monatlichen Assistenzbeitrags als jährliche Anspruchsgrenze bestätigt. Daran ändere das Alter der mit dem Versicherten im gleichen Haushalt lebenden Eltern nichts. In der genannten Bestimmung werde nicht auf die Zumutbarkeit ihrer Mithilfe abgestellt, sondern lediglich auf den gemeinsamen Haushalt.
4.2
Das Gesetz muss in erster Linie aus sich selbst heraus, das heisst nach dem Wortlaut, Sinn und Zweck und den ihm zugrunde liegenden Wertungen auf der Basis einer teleologischen Verständnismethode ausgelegt werden. Die Gesetzesauslegung hat sich vom Gedanken leiten zu lassen, dass nicht schon der Wortlaut die Norm darstellt, sondern erst das an Sachverhalten verstandene und konkretisierte Gesetz. Gefordert ist die sachlich richtige Entscheidung im normativen Gefüge, ausgerichtet auf ein befriedigendes Ergebnis der ratio legis. Dabei befolgt das Bundesgericht einen pragmatischen Methodenpluralismus und lehnt es namentlich ab, die einzelnen Auslegungselemente einer hierarchischen Ordnung zu unterstellen (
BGE 139 V 442
E. 4.1 S. 446 f.;
BGE 139 III 457
E. 4.4 S. 461).
Verordnungsrecht ist gesetzeskonform auszulegen. Es sind die gesetzgeberischen Anordnungen, Wertungen und der in der Delegationsnorm eröffnete Gestaltungsspielraum mit seinen Grenzen zu berücksichtigen (
BGE 139 V 358
E. 3.1 S. 361,
BGE 139 V 537
E. 5.1 S. 545). Auch ist den Grundrechten und verfassungsmässigen Grundsätzen Rechnung zu tragen und zwar in dem Sinne, dass - sofern durch den Wortlaut (und die weiteren massgeblichen normunmittelbaren Auslegungselemente) nicht klar ausgeschlossen - der Verordnungsbestimmung jener Rechtssinn beizumessen ist, welcher im Rahmen des Gesetzes mit der Verfassung (am besten) übereinstimmt (verfassungskonforme oder verfassungsbezogene Interpretation;
BGE 137 V 373
E. 5.2 S. 376;
BGE 135 I 161
E. 2.3 S. 163; Urteil 8C_225/2014 vom 21. November 2014 E. 8.2).
4.3
4.3.1
Mit
Art. 39g Abs. 2 lit. b IVV
konkretisierte der Verordnungsgeber den Grundsatz der Schadenminderungspflicht. Begründet wird
BGE 141 V 642 S. 648
dies damit, dass es den nahen Angehörigen zuzumuten sei, gewisse Hilfeleistungen ohne Abgeltung durch die Sozialversicherungen vorzunehmen (Urteil 8C_225/2014 vom 21. November 2014 E. 8.1 mit Hinweis).
4.3.2
Bei der Schadenminderungspflicht der versicherten Person handelt es sich um einen allgemeinen Grundsatz des Sozialversicherungsrechts (
BGE 129 V 460
E. 4.2 S. 463;
BGE 123 V 230
E. 3c S. 233; erwähntes Urteil 8C_225/2014 E. 8.3 mit weiteren Hinweisen). Danach sind die Auswirkungen des Gesundheitsschadens auf die Einsatzfähigkeit durch geeignete organisatorische Massnahmen und die Mithilfe der Familienangehörigen - denen dadurch keine unverhältnismässige Belastung entstehen darf - möglichst zu mildern. Diese Mithilfe geht weiter als die ohne Gesundheitsschaden üblicherweise zu erwartende Unterstützung (Urteile des Eidg. Versicherungsgerichts I 3/04 vom 27. August 2004 E. 3.1, in: SVR 2006 IV Nr. 25 S. 85; I 457/02 vom 18. Mai 2004 E. 8, nicht publ. in:
BGE 130 V 396
, aber in: SVR 2005 IV Nr. 6 S. 21). Geht es um die Mitarbeit von Familienangehörigen, ist stets danach zu fragen, wie sich eine vernünftige Familiengemeinschaft einrichten würde, sofern keine Versicherungsleistungen zu erwarten wären (Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts I 228/06 vom 5. Dezember 2006 E. 7.1.2). Keinesfalls darf aber unter dem Titel der Schadenminderungspflicht die Bewältigung der Haushaltstätigkeit in einzelnen Funktionen oder insgesamt auf die übrigen Familienmitglieder überwälzt werden mit der Folge, dass gleichsam bei jeder festgestellten Einschränkung danach gefragt werden müsste, ob sich ein Familienmitglied finden lässt, das allenfalls für eine ersatzweise Ausführung der entsprechenden Teilfunktion in Frage kommt (Urteil 8C_225/2014 E. 8.3.1 mit Hinweisen).
4.3.3
Art. 42
sexies
Abs. 4 IVG
gesteht dem Verordnungsgeber bei der Konkretisierung der Bemessung des Assistenzbeitrags ein weites Ermessen zu, indem das Gesetz selber lediglich den Rahmen absteckt. Mit
Art. 39g Abs. 2 lit. b IVV
hat der Verordnungsgeber den Anspruch von Versicherten, die mit Angehörigen zusammenleben, nicht schlechterdings unter dem Titel der Schadenminderungspflicht zu Lasten der Mithilfe der Familienmitglieder ausgeschlossen. Vielmehr wurde er, bezogen auf ein Jahr, im Umfang von einem Zwölftel reduziert. Dieses Anrechnungsprinzip bezieht die Pflicht zur grundsätzlichen Mithilfe von Angehörigen bei der Betreuung und
BGE 141 V 642 S. 649
Pflege von Versicherten in standardisierter Form mit ein (zur Zulässigkeit der pauschalen Anrechnung vgl.
BGE 140 V 543
E. 3.5.4 S. 556). Eine derartige Vorgehensweise lässt sich so weit und so lange nicht beanstanden, als eine schadenmindernde Mithilfe Angehöriger im Einzelfall objektiv tatsächlich möglich und zumutbar ist.
Das trifft dann nicht zu, wenn ein betroffener Angehöriger zwar Anspruch auf Hilflosenentschädigung hätte, diesen aber nicht geltend machte resp. macht. Sodann entspricht es der allgemeinen Lebenserfahrung, dass die Leistungsfähigkeit betagter Menschen mit zunehmendem Alter abnimmt und manche von ihnen, auch wenn sie nicht hilflos im Sinne von
Art. 9 ATSG
(SR 830.1) sind, bereits mit der Selbstsorge an die Grenzen ihrer Belastbarkeit stossen. Auch in solchen Fällen ist es angezeigt, die objektive Möglichkeit und Zumutbarkeit der schadenmindernden Mithilfe zu überprüfen. Derartige Sachverhalte sind denn auch nicht vergleichbar mit jenem, der in E. 8.4.1 und 8.4.2 des Urteils 8C_225/2014 dargelegt und auf den
Art. 39g Abs. 2 lit. b IVV
angewendet wurde.
4.4
Bereits im vorinstanzlichen Verfahren machte der Versicherte geltend, dass seine Eltern bei der Abklärung des Assistenzbedarfs rund 80 resp. 83 Jahre alt waren, an diversen altersbedingten Gebrechen litten und nicht "noch mehr zusätzlich" belastet werden könnten. Zwar ist dem BSV beizupflichten, dass das Alter allein kein geeignetes Kriterium zur Beurteilung der Zumutbarkeit einer Mithilfe ist. Es ist indessen in concreto ein klarer Anhaltspunkt, der Anlass zu weiteren Abklärungen hätte geben müssen. Weder dem Abklärungsbericht Assistenzbeitrag noch den übrigen Unterlagen lässt sich etwas über die Leistungsfähigkeit der Eltern entnehmen. Hinzu kommt, dass die umstrittene Leistung lediglich ein Beitrag an die Assistenz ist und im konkreten Fall vom Gesamthilfebedarf, wie er durch die Verwaltung ermittelt wurde, monatlich immerhin 81,77 Stunden weder durch den Assistenzbeitrag noch durch die Hilflosenentschädigung oder über die Krankenversicherung abgedeckt werden (E. 3.1). Die Verwaltung wird zu prüfen haben, inwiefern dieser Umstand die betagten Eltern belastet und ob es zumutbar ist, sie darüber hinaus zur Schadenminderung heranzuziehen. Anschliessend wird sie über den Assistenzbeitrag pro Jahr neu zu entscheiden haben. In diesem Punkt ist die Beschwerde begründet. | null | nan | de | 2,015 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
18c5a2d8-0098-4397-b918-4c21db40daa7 | Urteilskopf
124 III 34
6. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour civile du 12 décembre 1997 dans la cause L. contre F. et Genève, Chambre civile de la Cour de justice (recours de droit public) | Regeste
Frist zur Erhebung der Aberkennungsklage (
Art. 83 Abs. 2 SchKG
); willkürliche Auslegung einer Bestimmung des kantonalen Prozessrechts, die ein suspensives Rechtsmittel gegen einen im Säumnisverfahren ergangenen Rechtsöffnungsentscheid vorsieht.
Wo das kantonale Prozessrecht (hier des Kantons Genf) beim Einspruch gegen ein Säumnisurteil eine bestimmte Form für den Fall vorschreibt, dass dieses im ordentlichen Verfahren ergangen ist (
Art. 90 ZPO
/GE), nicht aber für den Fall des summarischen Verfahrens (
Art. 355 Abs. 2 ZPO
/GE), ist es willkürlich, diesem klaren Unterschied im Gesetz nicht Rechnung zu tragen. | Sachverhalt
ab Seite 34
BGE 124 III 34 S. 34
Dans le cadre d'une poursuite introduite par F. contre L., le Tribunal de première instance de Genève a rendu le 15 avril 1996, par défaut, un prononcé de mainlevée provisoire. L'opposition faite
BGE 124 III 34 S. 35
par L. à ce prononcé a été jugée irrecevable, faute de motivation suffisante, par jugement du 24 juin 1996.
L. a ouvert action en libération de dette le 8 juillet 1996. Par voie incidente, F. a conclu à l'irrecevabilité de l'action, au motif que la demande avait été déposée après l'échéance du délai de 10 jours prescrit par l'art. 83 al. 2 aLP.
Par jugement du 28 novembre 1996, le Tribunal de première instance a déclaré recevable l'action en libération de dette, considérant que le délai légal avait commencé à courir, non pas dès la notification du jugement rendu par défaut le 15 avril 1996, mais dès celle du jugement de mainlevée rendu contradictoirement le 24 juin 1996. Sur recours de F., la Cour de justice du canton de Genève a déclaré la demande en libération de dette irrecevable. Pour elle, l'opposition au jugement du 15 avril 1996, faute de respecter les formes prescrites, n'avait pas suspendu les effets dudit jugement.
Saisi par L. d'un recours de droit public pour violation de l'art. 4 Cst., le Tribunal fédéral l'a admis, dans la mesure où il était recevable, et a annulé l'arrêt de la Cour de justice.
Erwägungen
Extrait des considérants:
2.
Le présent litige porte sur le point de départ du délai prévu par l'art. 83 al. 2 LP pour agir en libération de dette lorsqu'il y a opposition au jugement de mainlevée.
a) En pareil cas, si le droit cantonal de procédure prévoit un recours suspensif (ordinaire) contre le prononcé de mainlevée, le délai de l'art. 83 al. 2 LP ne commence à courir que de l'expiration du délai de recours, si celui-ci n'est pas utilisé, ou du jour du retrait du recours, si celui-ci est déposé dans les délais puis retiré, ou de la notification de l'arrêt sur recours. Si le recours contre le prononcé de mainlevée n'a d'effet suspensif ni en vertu du droit de procédure cantonal, ni en vertu d'une disposition expresse de la juridiction de recours ou de son président, le délai pour ouvrir action en libération de dette part de la notification du prononcé de mainlevée (GILLIÉRON, Poursuite pour dettes, faillite et concordat, 3e éd., Lausanne 1993, p. 156/157; AMONN/GASSER, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 6e éd., Berne 1997, § 19 n. 99 et les références).
En droit genevois, l'opposition au jugement prononcé par défaut est une voie de recours sui generis, assimilable, pour ce qui est de ses effets juridiques, à un appel ordinaire (SJ 1984, p. 514 ss consid. 7 p. 517). L'art. 355 LPC, qui réglemente ses effets en procédure
BGE 124 III 34 S. 36
sommaire (al. 1), applicable en matière de mainlevée (art. 25 ch. 2 LP), prévoit que "l'opposition suspend les effets du jugement, à moins que le juge, en prononçant le défaut, n'ait ordonné l'exécution provisoire du jugement, nonobstant opposition, avec ou sans sûretés" (al. 2). L'effet suspensif de l'opposition est donc la règle en matière de procédure sommaire des art. 347 ss LPC (Bertossa/Gaillard/Guyet/Schmidt, Commentaire de la loi de procédure civile genevoise, vol. III n. 2 ad art. 355 et vol. I n. 3 ad art. 90).
b) La recourante estime que, contrairement à ce que retient l'arrêt attaqué, le caractère recevable ou non de l'opposition ne joue aucun rôle quant au caractère suspensif de l'opposition en procédure sommaire. C'est à tort, ajoute-t-elle, que la Cour cantonale s'est référée et fondée sur les dispositions de procédure ordinaire (art. 90 LPC).
Est en principe dotée de l'effet suspensif, aux termes de cette dernière disposition, "l'opposition fa ite en la forme ci-dessus [= celle de l'art. 88 LPC] et dans le délai des articles 84 et 85". La juridiction intimée considère que l'art. 90 LPC est applicable à la procédure sommaire "par renvoi de l'article 355 al. 2 LPC". Il ne s'agit toutefois manifestement pas d'un renvoi de l'art. 355 al. 2 LPC lui-même, qui n'en contient aucun; le renvoi auquel la Cour de justice fait allusion est en réalité un renvoi des commentateurs précités auxquels elle se réfère, ce qui est tout autre chose. A la différence de l'art. 90 al. 1 LPC, l'art. 355 al. 2 LPC ne limite pas l'effet suspensif à l'opposition faite en une forme déterminée. C'est donc à juste titre que la recourante reproche à la Cour cantonale d'avoir, sur ce point, tenu un raisonnement erroné, faisant fi de la systématique de la loi, laquelle distingue très clairement, en les traitant formellement de manière différente, l'opposition à défaut de la procédure ordinaire et celle de la procédure sommaire.
Si, comme le juge de première instance l'a exposé dans son jugement du 28 novembre 1996 sans avoir été sérieusement contredit dans l'arrêt attaqué, les dispositions prévues par l'art. 355 LPC ont été reprises de l'ancienne loi de procédure civile genevoise sans modifications sensibles, l'objection de la Cour de justice, selon laquelle la recourante se prévaut vainement de la jurisprudence rendue sous l'empire de l'ancienne loi et publiée à la SJ 1984 p. 514, est dénuée de fondement.
c) Au demeurant, l'arrêt attaqué est contradictoire dans la mesure où il retient, en fait, que la requête d'opposition ne contenait pas une "motivation suffisante", et considère, en droit, que ladite requête
BGE 124 III 34 S. 37
était irrecevable "pour défaut de motivation". Plus précisément, la juridiction cantonale ne pouvait parler de "défaut de motivation", après avoir relevé que L., dans son opposition, avait fait valoir "qu'elle n'avait pas reçu la citation à comparaître, qu'en dépit d'une élection de domicile en l'étude de son avocat, la requête ne lui avait jamais été transmise et déclarait contester le bien-fondé de la demande", et qu'à l'audience, elle avait "invoqué l'absence d'une reconnaissance de dette et d'exigibilité de la créance". | null | nan | fr | 1,997 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
18c5c3f4-1cbd-4a1f-9dee-f923e908c423 | Urteilskopf
122 I 201
27. Estratto della sentenza 22 febbraio 1996 della I Corte di diritto pubblico nella causa Annamaria Mazzuchelli e Consorti contro Comune di Viganello e Tribunale cantonale amministrativo (ricorso di diritto pubblico) | Regeste
Art. 4 BV
; Verzicht auf Enteignung; Kosten- und Entschädigungsfolgen.
Verzichtet die enteignende Körperschaft auf die Enteignung, gehen die Kosten und die Parteientschädigung in der Regel zu ihren Lasten (E. 3). | Sachverhalt
ab Seite 201
BGE 122 I 201 S. 201
Il Comune di Viganello ha fatto aprire davanti al Tribunale di espropriazione della giurisdizione sottocenerina (TE) una procedura espropriativa per l'acquisto di 902 m2 della particella n. 153 RFD in comproprietà tra Annamaria Mazzuchelli, Clara Mazzuchelli, Pia Goldschalk, nata Mazzuchelli, e Sandro Mazzuchelli (gli espropriati o i ricorrenti), da destinare a magazzino comunale. Il 25 marzo 1993 il TE ha respinto l'opposizione degli espropriati.
Contro questa decisione gli espropriati sono insorti al Tribunale cantonale amministrativo (TCA). Con lettera del 31 gennaio 1994, il Comune di Viganello ha comunicato al TCA che, avendo deciso di acquistare un'altra particella, esso ritirava formalmente la procedura avente per oggetto l'espropriazione parziale della particella n. 153 RFD. Il 29 luglio 1994 gli espropriati hanno avviato davanti al TE una procedura di risarcimento ai sensi dell'art. 7 della legge ticinese di espropriazione (LCEspr), chiedendo, tra l'altro, un indennizzo di fr. 45'000.-- per le spese di patrocinio sopportate durante il procedimento.
BGE 122 I 201 S. 202
Nel frattempo, il 22 luglio 1994, il giudice delegato del TCA ha invitato gli espropriati a desistere, proponendo lo stralcio delle cause pendenti senza aggravio di spese e tasse di giustizia, compensate le ripetibili. Gli espropriati si sono opposti ed hanno chiesto al Tribunale di emanare il relativo giudizio. Con sentenza del 23 dicembre 1994, il TCA ha stralciato dai ruoli i ricorsi, poiché divenuti privi di oggetto (dispositivo n. 1). Le spese processuali sono state poste a carico dei ricorrenti in ragione di 3/4 e del Comune per 1/4. I ricorrenti sono stati inoltre condannati a versare ripetibili al Comune.
Gli espropriati sono insorti al Tribunale federale con ricorso di diritto pubblico.
Erwägungen
Dai considerandi:
3.
a) I ricorrenti affermano in sostanza che la motivazione del TCA conduce ad un risultato insostenibile, e quindi arbitrario. Infatti, la rinuncia all'esproprio a seguito dell'acquisto di un altro fondo dimostrerebbe che lo stesso era ingiustificato; in tal caso non sussisterebbe alcun motivo per far sopportare ai ricorrenti le conseguenze derivanti da scelte dell'ente espropriante rivelatesi poi errate.
b) Le critiche dei ricorrenti sono fondate. In effetti, il TCA ha tralasciato di valutare le particolarità della procedura di espropriazione che viene di regola aperta a domanda e nell'interesse dell'espropriante e l'espropriato vi è coinvolto indipendentemente dalla sua volontà (v.
DTF 111 Ib 98
consid. c). Ora, nel caso in cui - come in concreto - l'intera procedura venga meno per la rinuncia all'espropriazione, non v'è alcun spazio per l'esame retrospettivo delle probabilità di esito favorevole di un eventuale ricorso. In altre parole, qualora l'espropriante decida per una libera scelta di rinunciare all'esproprio, esso è parte desistente e come tale deve sopportare spese e ripetibili, di guisa ad una qualsiasi altra parte soccombente. Del resto, questa soluzione è coerente con l'art. 7 cpv. 3 LCEspr, che prevede l'obbligo dell'ente espropriante di rifondere le spese in caso di rinuncia all'espropriazione. Se il TCA condanna, come in realtà ha fatto, i proprietari a pagare spese e ripetibili, esso si pone in contrasto con il suddetto principio ancorato nella legge. È d'altra parte escluso che in una nuova procedura fondata sull'art. 7 LCEspr i ricorrenti possano validamente chiedere la rifusione delle spese e ripetibili alle quali sono stati condannati con una sentenza cresciuta in giudicato dopo la rinuncia all'espropriazione.
Discende da queste considerazioni che la decisione impugnata non è solo sbagliata, ma è insostenibile e quindi arbitraria. | public_law | nan | it | 1,996 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
18ca796d-7b1b-4444-834d-96c885b663cd | Urteilskopf
104 Ib 74
14. Estratto della sentenza 17 febbraio 1978 nella causa Elia c. Brignoni e Tribunale amministrativo del Cantone Ticino | Regeste
Abbruch einer im Widerspruch zum BMR erstellten Baute; Grundsätze von Treu und Glauben und der Verhältnismässigkeit.
1. Die Abbruchverfügung für eine in Missachtung des BMR erstellten Baute ist eine Anordnung, die sich auf öffentliches Recht des Bundes im Sinne von
Art. 5 VwVG
stützt (E. 2).
2. Kann sich auf den Grundsatz der Verhältnismässigkeit berufen, wer bei Erstellung der widerrechtlichen Baute bösgläubig gewesen ist? Frage im konkreten Fall offen gelassen (E. 5b u. c). | Erwägungen
ab Seite 75
BGE 104 Ib 74 S. 75
Dai considerandi:
2.
Giusta l'
art. 97 OG
, possono dar luogo a ricorso di diritto amministrativo soltanto le decisioni definite dall'art. 5 della legge federale sulla procedura amministrativa (PA), vale a dire i provvedimenti delle autorità nel singolo caso, fondati sul diritto pubblico federale e concernenti la costituzione, la modificazione o l'annullamento di diritti o di obblighi (cpv. 1 lett. a); l'accertamento dell'esistenza o dell'estensione di siffatti diritti od obblighi (lett. b), nonché il rigetto o la dichiarazione d'inammissibilità d'istanze dirette alla costituzione, alla modificazione, all'annullamento o all'accertamento di diritti o di obblighi (lett. c). Sono poi considerate tali anche le decisioni in materia d'esecuzione, le decisioni incidentali, quelle su opposizione e su ricorso, le decisioni in sede di revisione e l'interpretazione (cpv. 2). A simili provvedimenti sono poi assimilate - secondo costante giurisprudenza - tutte quelle misure che avrebbero dovuto esser fondate sul diritto pubblico della Confederazione, ma che l'autorità ha adottato a torto in base al diritto cantonale (v.
DTF 92 I 72
;
DTF 96 I 690
;
DTF 100 Ib 120
; A. MACHERET, La recevabilité du recours de droit administratif au Tribunal fédéral, in RDAF 1974, pagg. 1/28 e 86/101, in part. pag. 12).
Nel caso in esame, è pacifico che la risoluzione con cui il Consiglio di Stato ha annullato la cennata licenza edilizia è stata presa in applicazione del diritto federale, e più precisamente dell'art. 4 DFU che, per principio, esclude qualsiasi costruzione o impianto che contrasti con lo scopo della pianificazione (cpv. 1). Nei territori riservati per motivi inerenti alla protezione del paesaggio o alla conservazione di spazi per lo svago ed il riposo possono certo esser autorizzate le costruzioni ad ubicazione vincolata, ma anch'esse non devono alterare il paesaggio. Le altre costruzioni possono invece esser consentite solo eccezionalmente (previa consultazione della Confederazione, e con riserva dei provvedimenti federali di vigilanza), se il richiedente dimostra l'esistenza di un bisogno oggettivamente fondato e se un interesse pubblico non vi si oppone (cpv. 3; v. in proposito
DTF 100 Ib 402
403; sentenza 26 novembre 1976 in re X., pubblicata in Rep. 1977, pag. 169 segg., in part. 174/175). È quindi palese che il rilascio o il diniego di un'autorizzazione a costruire in territori protetti a titolo provvisorio
BGE 104 Ib 74 S. 76
poggia sul diritto federale ed è pertanto impugnabile con ricorso di diritto amministrativo in virtù degli art. 97 e segg. OG (v. anche art. 8 DFU).
È invece perlomeno discutibile la questione di sapere se un ordine di demolizione di un'opera eretta in dispregio della cennata legislazione costituisca provvedimento fondato sul diritto federale oppure decisione emanata secondo il diritto cantonale e, segnatamente, secondo determinate norme di polizia edilizia. Va notato infatti che il DFU e la relativa ordinanza d'esecuzione non contengono norma veruna che disciplini il destino di una costruzione abusiva sorta in territorio protetto e, d'altra parte, essi neppure rinviano esplicitamente a precisi disposti del diritto cantonale. Ragioni tratte dalla sistematica e dalle finalità della legislazione impongono però di concludere che anche la demolizione di un edificio, la cui costruzione è stata negata in virtù dell'art. 4 DFU, soggiaccia allo stesso decreto e, pertanto, debba considerarsi fondata sul diritto federale. La classificazione di un fondo come territorio protetto a titolo provvisorio implica infatti - come regola - la sua inedificabilità e la (severa) disciplina istituita dall'art. 4 DFU può pertanto produrre i suoi effetti nel modo voluto dal legislatore soltanto se le costruzioni abusive possono esser eliminate in virtù della stessa norma del diritto federale. Ordinando la demolizione del magazzino costruito dal resistente in contrasto con il DFU, il Consiglio di Stato ha quindi adottato un provvedimento fondato sul diritto pubblico della Confederazione e destinato a ripristinare una situazione conforme allo stesso diritto. Anche la susseguente decisione con cui l'autorità cantonale d'ultima istanza ha annullato tale provvedimento è dunque, e ovviamente, basata sul diritto federale e può così esser impugnata dinnanzi a questo Tribunale con ricorso di diritto amministrativo: alla luce dell'
art. 97 OG
, il gravame è quindi ricevibile (cfr., per gli edifici eretti in violazione della normativa federale sull'igiene dell'acqua,
DTF 102 Ib 64
e segg., in part. 66/67 e riferimenti).
In tali circostanze, il diritto di ricorrere dev'esser riconosciuto anche al Dipartimento competente (cfr.
art. 103 lett. b OG
), quando l'autorità cantonale rifiuta di ordinare la demolizione dell'opera eretta in dispregio del DFU, poiché reputa che nel diritto cantonale manca la necessaria base legale. Di transenna, si può tuttavia rilevare che il diritto ticinese
BGE 104 Ib 74 S. 77
prevede esplicitamente la demolizione delle opere eseguite in contrasto con la legge, i PR e i regolamenti edilizi, conferendo la relativa competenza decisionale ai Municipi e al Dipartimento delle pubbliche costruzioni (v. art. 57 cpv. 3 della legge edilizia cantonale del 19 febbraio 1973 (LE) e
art. 70 del
regolamento d'applicazione del 22 gennaio 1974 (RE), la cui applicazione concreta potrebbe però esser controllata dal Tribunale federale unicamente dal profilo dell'arbitrio: v.
DTF 103 Ib 159
, consid. 4).
5.
a) (Principi della proporzionalità e della buona fede.)
b) Secondo la recente giurisprudenza del Tribunale federale, chi intende prevalersi del principio della proporzionalità per opporsi alla demolizione di un'opera abusiva dev'essere in buona fede e deve dunque dimostrare d'aver concretizzato il suo progetto nella radicata convinzione che lo stesso fosse senz'altro attuabile (v.
DTF 98 Ia 281
consid. 5;
DTF 100 Ia 347
consid. 4a; sentenza 26 marzo 1975 in re G., pubblicata in ZBl 76/1975, pag. 515 segg., in part. 520; A. SCOLARI, Commentario della Legge edilizia del Cantone Ticino, Bellinzona 1976, pagg. 54 e 285). Per contro, chi edifica od inizia a edificare una qualsiasi costruzione pur sapendo ch'essa non avrebbe dovuto esser autorizzata, non può richiamarsi al principio della proporzionalità poiché, con il suo comportamento, ha mostrato una tale noncuranza per l'ordinamento giuridico che i suoi interessi privati passano subito in secondo piano e sono sopraffatti dall'interesse pubblico volto all'immediato ripristino d'una situazione legittima.
aa) La giurisprudenza del Tribunale federale non è andata tuttavia esente da critiche. K. SAMELI, nel rapporto presentato nel 1977 alla Società svizzera dei giuristi (Treu und Glauben im öffentlichen Recht, poi apparso in RDS 96/1977, vol. II, pag. 288 segg.), ha asserito esplicitamente che la massima contenuta nelle cennate sentenze non può essere esatta, poiché la garanzia costituzionale della proprietà esige in qualsiasi caso un accurato esame della proporzionalità della misura; determinante è infatti la questione di sapere se, dal profilo dell'interesse pubblico, v'è un giusto rapporto fra la gravità dell'intervento insita nella demolizione e lo scopo (ovvero l'eliminazione dello stato antigiuridico) che con tale misura s'intende raggiungere (op.cit.; ibidem, pag. 383).
D'altro canto, in una recente sentenza del 30 ottobre 1975,
BGE 104 Ib 74 S. 78
pubblicata in ZBl 77/1976, pagg. 200/201, anche il Tribunale amministrativo del Canton Zurigo ha chiaramente osservato che la sua prassi è diversa da quella della Corte federale e consente al cittadino di richiamarsi al principio della proporzionalità anche se ha costruito l'opera abusiva con piena coscienza del fatto: la malafede è poi tenuta in debito conto nell'applicazione di tale principio.
bb) Si può certo convenire che, per gli interessati, la prassi istaurata dal Tribunale federale in merito alla demolizione di edifici abusivi eretti in malafede è assai severa e potrebbe forse anche condurre, in taluni casi, a risultati che urtano il sentimento della giustizia. È pacifico infatti che, in uno Stato di diritto, l'autorità non può adottare misure sanatorie a suo libero arbitrio, ma deve invece conformarsi ai principi che governano l'intera attività amministrativa, al fine d'evitare eccessi ed abusi che neppure l'interesse pubblico volto al ripristino d'una situazione legittima potrebbe palesemente giustificare. Vero è che, in caso di violazione particolarmente grave del diritto materiale, il trasgressore rischia di prevalersi invano del principio della proporzionalità poiché la conformità a tale diritto potrà forse esser ripristinata soltanto con una misura altrettanto grave, ovvero con la demolizione dell'opera abusiva (v. risoluzione 26 febbraio 1971 del Consiglio di Stato del Cantone Ticino, parzialmente pubblicata in M. BORGHI, Giurisprudenza amministrativa ticinese, n. 716, pag. 279). Più opinabile appare invece il problema quando s'è in presenza di trasgressioni meno importanti o meno rilevanti per l'interesse pubblico; in tal caso, apparirebbe infatti opportuno dare al cittadino la possibilità di esigere comunque il rispetto del principio della proporzionalità, anche se egli ha costruito l'opera abusiva in cosciente dispregio del diritto edilizio: la malafede dell'interessato diventerebbe quindi un importante elemento nella ponderazione degli interessi contrapposti cui l'autorità deve procedere.
c) Ai fini del giudizio, non occorre tuttavia approfondire ulteriormente il problema poiché il resistente non può comunque invocare con successo né il principio della buona fede, né quello della proporzionalità. | public_law | nan | it | 1,978 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
18caff2d-ca60-49ae-aa6b-6a84f4d6e6c1 | Urteilskopf
139 V 21
4. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. Pensionskasse Schweizerische Rückversicherungs-Gesellschaft (Swiss Re) gegen K. (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
9C_585/2012 vom 23. Januar 2013 | Regeste
Art. 15 FZG
; Austrittsleistung; Kürzung des übergangsrechtlichen Zuschusses zum Altersguthaben bei Austritt innert einer Übergangsfrist.
Wurde der übergangsrechtliche Zuschuss zum Altersguthaben (bei Wechsel vom Leistungs- zum Beitragsprimat) durch eine freiwillige Leistung der Arbeitgeberfirma finanziert und sieht das Reglement bei Austritt innert einer Übergangsfrist eine anteilsmässige Kürzung des Zuschusses vor, ohne zwischen freiwilligem und unfreiwilligem Austritt zu unterscheiden, liegt, anders als bei einer Finanzierung aus freien Stiftungsmitteln (
BGE 133 V 607
), kein Verstoss gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz vor (E. 2). Verneint werden auch die Verletzung einer Auskunfts- oder Informationspflicht (E. 3.2) und der Eingriff in ein wohlerworbenes Recht (E. 3.3). | Sachverhalt
ab Seite 22
BGE 139 V 21 S. 22
A.
K. (geb. 1957) war seit 1997 bei der Schweizerischen Rückversicherungs-Gesellschaft (kurz: Swiss Re) tätig und bei der Pensionskasse Swiss Re (nachfolgend: Pensionskasse) berufsvorsorgeversichert. Diese stellte auf den 1. Januar 2007 vom Leistungsprimat auf einen neuen Vorsorgeplan mit Beitragsprimat um. Übergangsrechtlich wurde den Aktivversicherten ein Zuschuss zum Altersguthaben gewährt mit dem Ziel, die gleich hohe Alterspension mit Alter 60 zu erreichen wie gemäss altem Statut. Dabei sieht Art. 1415 Ziff. 3 des ab 1. Januar 2007 gültigen Reglements einen gestaffelten Rückbehalt des Zuschusses bei einem Austritt bis 31. Dezember 2011 vor.
Ende 2008 kündigte die Swiss Re das Arbeitsverhältnis mit K. wegen Umstrukturierung auf Ende November 2009. In der Folge reduzierte die Pensionskasse seine Austrittsleistung um 60 % des am 1. Januar 2007 gewährten Zuschusses (Austrittsabrechnung per 30. November 2009).
B.
Am 19. April 2010 reichte K. Klage beim Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich ein und beantragte, die Pensionskasse sei zu verurteilen, ihm die volle, ungekürzte Freizügigkeitsleistung unter Einrechnung der vollen Zusatzgutschrift vom 1. Januar 2007 auszurichten und den in Abzug gebrachten Betrag von Fr. 164'614.80 nebst 5 % Zins seit 1. Dezember 2009 auszuzahlen.
Mit Entscheid vom 12. Juni 2012 hiess das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich die Klage gut. Es verpflichtete die
BGE 139 V 21 S. 23
Pensionskasse, K. den bei der Austrittsleistung in Abzug gebrachten Rückbehalt von Fr. 164'614.80 nachzubezahlen, wobei der Betrag ab 1. Dezember 2009 im Sinne der Erwägungen zu verzinsen sei.
C.
Dagegen führt die Pensionskasse Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, der Entscheid vom 12. Juni 2012 sei aufzuheben und die Klage vom 19. April 2010 vollumfänglich abzuweisen. Ferner sei der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu erteilen.
K. stellt in seiner Vernehmlassung Antrag auf Abweisung der Beschwerde. Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichten auf eine Stellungnahme.
D.
Mit Verfügung vom 25. September 2012 erkannte die Instruktionsrichterin der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Streitig und zu prüfen ist zunächst, inwieweit Art. 1415 Ziff. 3 des Pensionskassenreglements (in der ab 1. Januar 2007 gültigen Fassung) gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstösst, indem er nicht zwischen freiwilligem und unfreiwilligem Austritt unterscheidet. Die Vorinstanz hat einen entsprechenden Verstoss bejaht und dem Kläger - als unfreiwillig aus der Pensionskasse Austretendem - einen Anspruch auf die ungekürzte Austrittsleistung zugestanden.
2.1
Gemäss
Art. 1f der Verordnung vom 18. April 1984 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVV 2; SR 831.441.1)
ist der Grundsatz der Gleichbehandlung eingehalten, wenn für alle Versicherten eines Kollektivs die gleichen reglementarischen Bedingungen im Vorsorgeplan gelten.
2.2
Versicherte, die per 1. Januar 2007 eine gemäss einem reglementarisch festgelegten Schlüssel berechnete Punktzahl von 49 oder mehr erreichten, erhielten einen nach Punktzahl abgestuften Zuschuss. Die Punktzahl errechnete sich dabei wie folgt: tatsächliches Alter (auf Monate genau) per 31. Dezember 2006 plus 1/3 der Jahre und Monate der tatsächlichen Zugehörigkeit zur Pensionskasse (Art. 1415 Ziff. 2 Reglement).
Art. 1415 Ziff. 3 der Schluss- und Übergangsbestimmungen des Reglements trägt den Titel "Rückbehalt des Zuschusses bei Austritt
BGE 139 V 21 S. 24
bis zum 31.12.2011". Danach reduziert sich die Austrittsleistung (Art. 911) bei einem Austritt bis Ende 2011 gemäss aufgeführter Tabelle. Diese sieht eine linear abnehmende Reduktion des Zuschusses vor, der den Aktivversicherten am 1. Januar 2007 gewährt wurde, mit Stichtag jeweils per Jahresende, beginnend am 31. Dezember 2007 (Reduktion um 100 %) und endend am 31. Dezember 2011 (Reduktion um 20 %). Der entsprechend zurückbehaltene Teil des Zuschusses wird dem Beitragsreservekonto des Arbeitgebers (Art. 510 Ziff. 4) gutgeschrieben. Erfolgt der Austritt ab dem 1. Januar 2012 wird die Austrittsleistung nicht mehr reduziert.
2.3
Es steht für das Bundesgericht verbindlich fest (vgl.
Art. 97 Abs. 1 und
Art. 105 BGG
), dass die Pensionskasse bei der Umstellung vom Leistungs- auf das Beitragsprimat keine Teil- oder Gesamtliquidation durchgeführt hat sowie keine freien Mittel auswies. Gleiches gilt für die vorinstanzliche Feststellung, dass die Swiss Re für die besagte Umstellung 100 Mio. Fr. zur Verfügung stellte und daraus (auch) der Zuschuss zum Altersguthaben finanziert wurde.
2.4
2.4.1
Es ist nicht selten, dass die Arbeitgeberfirma bei einem ausserordentlichen Finanzierungsbedarf der Vorsorgeeinrichtung freiwillig einen Sonderbeitrag leistet. Zu denken ist an einen einmaligen Sanierungszuschuss, den der Arbeitgeber zusätzlich zu den reglementarisch vorgesehenen Sanierungsbeiträgen erbringt, oder an die Erklärung, wonach er in einem definierten Umfang für die Dauer der Unterdeckung auf die Verwendung der - vorgängig geäufneten - Arbeitgeberbeitragsreserve (vgl.
Art. 331 Abs. 3 OR
) verzichtet (KURT C. SCHWEIZER, Die arbeitgeberseitige Finanzierung der beruflichen Vorsorge, Eine Auseinandersetzung mit vertraglichen Grundlagen der Personalvorsorge, in: Berufliche Vorsorge im Wandel der Zeit, Festschrift "25 Jahre BVG", Hans-Ulrich Stauffer [Hrsg.], 2009, S. 191). Eine solche freiwillige Arbeitgeberleistung stellt auch die hier zur Diskussion stehende Finanzierung des übergangsrechtlichen Zuschusses zum Altersguthaben dar (JACQUES-ANDRÉ SCHNEIDER, Attributions volontaires de prévoyance de l'employeur: fiscalité et cotisations AVS/AI, SZS 2009 S. 426 ff., 435 f. Ziff. 21). Die dazu erforderlichen Mittel stammen direkt von der Arbeitgeberfirma (vgl. E. 2.3). Dabei handelt es sich um eine besondere Beitragsleistung, die einerseits einem im Voraus bezeichneten Versichertenkreis zufliesst und anderseits der Erfüllung eines vorbestimmten Vorsorgeziels dient. Der Zuschuss bezweckt, dass vor allem die älteren und
BGE 139 V 21 S. 25
langjährigen Aktivversicherten (vgl. E. 2.2 Abs. 1) im neuen Pensionsplan bei Erreichen des Alters 60 die gleiche Pension erhalten wie gemäss bisherigem Plan. Mit anderen Worten geht es hier um die Verteilung gebundener und nicht freier Mittel, insbesondere nicht um diejenigen einer Finanzierungsstiftung (vgl. dazu
BGE 138 V 346
E. 3.1.1 in fine S. 349). Wohl wurde die Einlage nicht direkt von der Arbeitgeberin individuell übertragen. Indes hat sie nicht die Vorsorgeverbesserung aller Vorsorgenehmer zum Inhalt, wie es die freien Mittel haben. Diese sind eine gesamt-kollektive Grösse und gehören allen Destinatären (Arbeitnehmer, Rentner, Invalide und Ehemalige;
BGE 138 V 303
E. 3.3 S. 308).
Anzumerken bleibt, dass der Beschwerdegegner richtig vorträgt, dass auch freie Mittel durch Arbeitgebereinlagen gebildet werden können. Er schweigt sich aber darüber aus, ob das Rückstellungsreglement der Beschwerdeführerin (
Art. 48e BVV 2
) solches - zumindest im hier fraglichen Zeitraum - überhaupt zuliess (in demjenigen gültig ab 31. Dezember 2011 jedenfalls nicht vorgesehen [Art. 11;
http://www.pensionskasse-swissre.ch/downloads
]).
2.4.2
Die - unabhängig von einer Teil- oder Gesamtliquidation - für die Verteilung von freien Stiftungsmitteln herrschenden Rechtsgrundsätze, welche erfordern, dass die unfreiwillig aus der Vorsorgeeinrichtung ausscheidenden Versicherten nicht gleich behandelt werden wie die freiwillig Ausgeschiedenen (vgl.
BGE 133 V 607
E. 4.2.2 und E. 4.2.3 S. 611), finden somit von vornherein keine Anwendung. Im gleichen Sinn verbleibt kein Raum für die Annahme einer übergangsrechtlichen Regelungslücke. Der vorinstanzliche Entscheid, der ausschliesslich darauf aufbaut, verletzt diesbezüglich Bundesrecht.
2.5
Art. 1415 Ziff. 3 des Reglements sieht vor, dass alle Versicherten, die am 1. Januar 2007 einen Zuschuss erhalten haben und bis zum 31. Dezember 2011 aus der Pensionskasse austreten, eine Reduktion auf dem Zuschussteil der Austrittsleistung zu gewärtigen haben. Das Reglement nennt die Kriterien und Modalitäten ausdrücklich und präzise (vgl. E. 2.2 Abs. 2). Aus diesen erhellt, dass eine Kategorie von Vorsorgenehmern nach identischen Bedingungen behandelt wird. Entlassene Versicherte wie der Beschwerdegegner werden nicht von einer Partizipation ausgeschlossen, sondern unterliegen wie die übrigen Austretenden der gleichen Leistungskürzung pro rata temporis. Diese Schlechterstellung (gegenüber den
BGE 139 V 21 S. 26
verbleibenden Aktivversicherten) ist im Arbeitsverhältnis begründet und daher objektiv motiviert. Es trifft nicht zu, dass der Arbeitgeber es in der Hand hat, seine Einlage rückgängig zu machen. Zum einen kann ein Arbeitsverhältnis auch seitens des Arbeitnehmers beendet werden. Zum andern erhält der Arbeitgeber den Rückbehalt nicht zurück. Vielmehr wird dieser seinem Beitragsreservekonto gutgeschrieben (vgl. E. 3.1 nachfolgend).
Nachdem der Zuschuss darauf ausgerichtet ist, bei einer allfälligen Pensionierung in der Beschwerde führenden Pensionskasse die Alterspension mit Alter 60, wie sie vor dem 1. Januar 2007 im Leistungsprimat versichert war, zu garantieren (vgl. E. 2.4.1), ist auch die zeitliche Limitierung des Rückbehalts als sachgerecht zu bezeichnen. Es sollen vor allem diejenigen Versicherten ungeschmälert in den Genuss des Zuschusses kommen, die von der neuen Lösung langfristig betroffen sind.
2.6
Zusammengefasst steht fest, dass der Beschwerdegegner unter dem Titel des Gleichbehandlungsgebots keinen Anspruch auf die ungekürzte Austrittsleistung hat.
3.
Nach
Art. 107 Abs. 2 BGG
entscheidet das Bundesgericht in der Sache selbst oder weist diese an eine untere Instanz zurück, wenn es die Beschwerde gutheisst. Das Bundesgericht entscheidet mithin nicht nur kassatorisch, sondern kann den Streitpunkt auch reformatorisch neu regeln. Die vorliegende Sach- und Rechtslage lässt eine solche direkte Beurteilung zu, da die übrigen Einwände des Beschwerdegegners unbegründet sind:
3.1
Insoweit der Beschwerdegegner die jährlichen Kürzungsschritte in der Höhe von 20 % als willkürlich bezeichnet, weil ihm die 11 Monate des Jahres 2009, während denen das Arbeitsverhältnis noch bestanden habe, nicht angerechnet worden seien, lässt er ausser Acht, dass Art. 1415 Ziff. 3 des Reglements nur vom zeitanteiligen Rückbehalt des reinen Zuschusses handelt (am 1. Januar 2007 gewährter Zuschuss: Fr. 274'358.-; zurückbehaltener Zuschuss Ende November 2009: 60 % von Fr. 274'358.- = Fr. 164'614.80). Die Verzinsung des Altersguthabens - auch auf dem Zuschuss - verblieb beim Beschwerdegegner und zwar auf den Tag der Beendigung des Arbeitsverhältnisses genau (Art. 911 des Reglements). Dieses Vorgehen führt - entgegen der Auffassung des Beschwerdegegners - nicht zu einem Mutationsgewinn. Von Willkür kann daher keine Rede sein. Ebenso ist es rechtens, dass der zurückbehaltene Teil des Zuschusses dem
BGE 139 V 21 S. 27
Beitragsreservekonto des Arbeitgebers gutgeschrieben wird, da er aus eigenen Mitteln des Arbeitgebers stammt (vgl. E. 2.3; Schweizer Handbuch der Wirtschaftsprüfung, Bd. 4, 2009, S. 213 oben; vgl. auch CARL HELBLING, Personalvorsorge und BVG, 8. Aufl. 2006, S. 192, wonach es zulässig ist, bei frühzeitigem Ausscheiden den gänzlichen Austrittsgewinn zurückzubehalten und der Arbeitgeberbeitragsreserve gutzuschreiben).
3.2
Selbst wenn man im Umstand, dass zu keinem Zeitpunkt auf Art. 1415 Ziff. 3 des Reglements resp. den Rückbehalt des Zuschusses bei vorzeitigem Ausscheiden aus der Pensionskasse hingewiesen wurde, die Verletzung einer aus Treu und Glauben hergeleiteten Auskunfts- oder Informationspflicht erblicken wollte, könnte der Beschwerdegegner daraus nichts für sich ableiten. Der Vertrauensschutz setzt nämlich voraus, dass der Private infolge der fehlenden oder unzutreffenden Auskunft eine nachteilige, nicht wieder rückgängig zu machende Disposition getroffen hat (
BGE 137 I 69
E. 2.5.1 S. 72 f.;
BGE 137 II 182
E. 3.6.2 S. 193). Daran fehlt es hier. Der Beschwerdegegner macht nicht geltend, im Nichtwissen um die fragliche Reglementsbestimmung irgendwelche Vorkehren getroffen oder unterlassen zu haben.
3.3
Aus dem Gesetz ergibt sich kein wertmässiger Anspruch auf bestimmte Arbeitgeberbeiträge, weshalb das Recht auf die Freizügigkeitsleistung, soweit sie mit Arbeitgeberbeiträgen finanziert wurde, lediglich in ihrem Bestand gesetzlich garantiert ist. Der genaue Umfang ist reglementarisch festzulegen und wird nur dann zum wohlerworbenen Recht, wenn die bestehende Skala gemäss Reglement unabänderlich ist (
BGE 117 V 221
E. 5b S. 227 unten). Dies ist in concreto nicht der Fall. Es können keinerlei Anhaltspunkte für eine besonders qualifizierte Zusicherung ausgemacht werden. Der Beschwerdegegner legt denn auch Gegenteiliges nicht näher dar. | null | nan | de | 2,013 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
18d2b4d2-452b-4fb3-bef0-ebefb68c8f03 | Urteilskopf
87 I 211
34. Urteil vom 24. Mai 1961 i.S. Kesselring gegen Vormundschaftsbehörde der Stadt Luzern und Regierungsrat des Kantons Luzern. | Regeste
Art. 88 OG
: Fehlen der Legitimation der ausserehelichen Mutter, die Anordnung einer Vormundschaft über ihr aussereheliches Kind mit staatsrechtlicher Beschwerde anzufechten. | Erwägungen
ab Seite 212
BGE 87 I 211 S. 212
1.
Die Beschwerde richtet sich gegen den Entscheid des Regierungsrates vom 5. Dezember 1960, mit dem unter Bestätigung eines Beschlusses des Stadtrates von Luzern als Vormundschaftsbehörde über das 1959 geborene aussereheliche Kind Walter Kesselring eine Vormundschaft angeordnet wurde, weil eine vormundschaftliche Kontrolle der Pflege und Erziehung des Kindes, das sich bei der Mutter aufhalte, notwendig sei, diese nicht das Vertrauen verdiene, das Voraussetzung für die Einräumung der elterlichen Gewalt über das aussereheliche Kind sein müsse.
Es wird beantragt, den Entscheid des Regierungsrates aufzuheben, weil die Nichteinräumung der elterlichen Gewalt an die Beschwerdeführerin willkürlich sei und das Verbot rechtsungleicher Behandlung verletze.
2.
Die Vorschriften des Zivilgesetzbuches über das aussereheliche Kindesverhältnis geben weder dem Vater noch der Mutter des ausserehelichen Kindes einen Anspruch auf Zuweisung der elterlichen Gewalt. Für den Fall der Unterstellung des Kindes unter die Gewalt eines der Eltern steht zwar dem andern Teil ein Recht auf angemessenen persönlichen Verkehr zu (Art. 326 Abs. 1), wobei offen bleiben kann, ob die Verweigerung des Rechtes ein den Eltern um ihrer selbst willen eingeräumtes Recht verletzen würde. Nicht nur beim Entscheid darüber, sondern auch wenn die Vormundschaftsbehörde die Gewalt einem Elternteil nicht zuweist, oder ihm diese wieder entzieht, oder andere Massnahmen trifft, wie Einweisung des Kindes in eine Familie, in ein Heim oder in eine Anstalt, muss das leibliche und geistige Wohl des Kindes wegleitend sein. Wenn daher ein Elternteil die Zuweisung der Gewalt an sich verlangt oder sich gegen deren Entzug oder sonst gegen eine Massnahme der Behörde zur Wehr setzt, macht er das Kindesinteresse geltend, verlangt er, dass die Vormundschaftsbehörde keine Anordnung treffe, die nicht zum Wohl
BGE 87 I 211 S. 213
des Kindes gereiche. Die Behörde ist (im Rahmen des ihr zukommenden Ermessens) frei, das Kind unter die elterliche Gewalt des Vaters oder der Mutter zu stellen (Art. 324 Abs. 3), und die Überschreitung oder der Missbrauch ihres Ermessens öffnet zwar den Weg der vormundschaftlichen Aufsichtsbeschwerde (Art. 420). Diese stellt jedoch kein Rechtsmittel dar, mit dem ein Elternteil ein eigenes ihm zustehendes Recht, eine Befugnis, die sich aus der Persönlichkeit oder aus den verwandtschaftlichen Beziehungen zum Kind ergeben würde, geltend macht. Das allgemeine Interesse, das vom ZGB für das Verfahren vor der Vormundschaftsbehörde als ausreichend anerkannt wird, genügt aber, wie übrigens die II. Zivilabteilung als Staatsgerichtshof bereits wiederholt festgestellt hat (Urteile vom 20. März 1947 i.S. Schulthess und vom 22. Februar 1950 i.S. Graber) nicht für die Legitimation eines Elternteils oder eines Dritten, Verwandten usw. zur staatsrechtlichen Beschwerde gegen einen Entscheid der vormundschaftlichen Aufsichtsbehörde (Urteil vom 11. Februar 1959 i.S. Jäger). Es bedürfte hiefür einer Beeinträchtigung von dem Beschwerdeführer unmittelbar zustehenden Rechten (
Art. 88 OG
).
Die Beschwerde gegen die Anordnung der Vormundschaft über das Kind Walter Kesselring ist somit mangels Legitimation der Beschwerdeführerin unzulässig. | public_law | nan | de | 1,961 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
18db4c17-a78b-4674-b141-75c80cf3ec1b | Urteilskopf
111 Ib 49
10. Urteil der Anklagekammer vom 8. Juli 1985 i.S. X. gegen Bundesamt für Polizeiwesen | Regeste
Art. 49 Abs. 2 IRSG
(Rechtshilfegesetz).
Da ein Auslieferungshaftbefehl gemäss
Art. 49 Abs. 2 IRSG
keine Wirkung entfaltet, solange sich der Verfolgte in Untersuchungs- oder Strafhaft befindet, kann der Betroffene den Haftbefehl in solchen Fällen nicht anfechten. | Sachverhalt
ab Seite 49
BGE 111 Ib 49 S. 49
Gestützt auf ein Urteil des Gerichtes von Helsingborg vom 14. Juli 1983, mit welchem ein gewisser Thomas K. wegen Widerhandlungen gegen die Betäubungsmittelgesetzgebung zu zwei Jahren und acht Monaten Gefängnis verurteilt wurde, und ein Gesuch der Interpol Stockholm vom 20. Mai 1985 um provisorische Verhaftung zwecks späterer Auslieferung erliess das Bundesamt für Polizeiwesen am 18. Juni 1985 gegen X., der mit Thomas K. identisch sein soll, einen Auslieferungshaftbefehl. Dieser wurde dem Betroffenen am 21. Juni 1985 ausgehändigt.
X. befindet sich wegen Widerhandlungen gegen das BetmG in Zürich in Untersuchungshaft.
BGE 111 Ib 49 S. 50
Mit Eingabe vom 1. Juli 1985 beschwert sich X. bei der Anklagekammer des Bundesgerichts mit dem Begehren, es sei der Auslieferungshaftbefehl aufzuheben.
Erwägungen
Die Anklagekammer zieht in Erwägung:
Nach
Art. 49 Abs. 2 IRSG
entfaltet der Auslieferungshaftbefehl keine Wirkung, solange sich der Verfolgte in Untersuchungs- oder Strafhaft befindet. Der Betroffene ist deshalb in solchen Fällen durch den Auslieferungshaftbefehl grundsätzlich nicht beschwert und damit zur Anfechtung desselben nicht legitimiert.
Daran ändert die im Auslieferungshaftbefehl enthaltene Rechtsmittelbelehrung nichts. Der Umstand aber, dass es für die Strafzumessung im bezirksgerichtlichen Verfahren in Zürich von Bedeutung sein könnte, ob dem Verfolgten Straftatbestände eines gewissen Thomas K. zugerechnet würden, ist keine durch den Auslieferungshaftbefehl bewirkte Beschwer. Diese folgt vielmehr aus dem schwedischen Strafurteil, und es wird Sache des kantonalen Richters sein abzuklären, ob der Beschwerdeführer mit Thomas K. identisch ist oder nicht. Solange der Beschwerdeführer kraft Anordnung einer kantonalen Strafbehörde wegen eines in der Schweiz hängigen Strafverfahrens in Untersuchungshaft ist und deshalb der Auslieferungshaftbefehl nicht wirksam werden kann, stellt sich auch die Frage nicht, ob die Auslieferungshaft zu Recht bestehe; eine noch nicht wirksam gewordene Haft kann nicht Anlass eines Haftentlassungsbegehrens sein.
Dispositiv
Demnach erkennt die Anklagekammer:
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. | public_law | nan | de | 1,985 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
18e30850-77d6-4758-a8af-bb8447ea8dd3 | Urteilskopf
108 Ib 78
14. Urteil der I. Zivilabteilung vom 30. März 1982 i.S. Bank X. gegen Eidg. Bankenkommission (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Art. 4 und 4bis BankG
,
Art. 12 und 21 BankV
; Aufsicht über die Banken.
1. Pflicht der Banken, für ein angemessenes Verhältnis zwischen ihren Mitteln und Verbindlichkeiten zu sorgen, konsolidierte Bilanzen zu erstellen, wenn sie insbesondere Tochtergesellschaften haben, und bestimmte Geschäfte zwecks Kontrolle der Risikoverteilung zu melden (E. 2 und 3).
2. Die Bankenkommission kann einen Bankkonzern nicht auf dem Umweg über
Art. 12 Abs. 2 BankV
zu einer konsolidierten Risikoverteilung verhalten, von ihm aber gestützt auf
Art. 23bis BankG
sachdienliche Aufschlüsse über diese Verteilung innerhalb des Konzerns verlangen (E. 4 und 5). | Erwägungen
ab Seite 79
BGE 108 Ib 78 S. 79
Erwägungen:
1.
Die Bank X. ist eine international tätige Handelsbank mit Sitz in der Schweiz. Sie hat Tochtergesellschaften in São Paulo, Zürich und London, von denen vor allem letztere internationale Handelsgeschäfte finanziert.
Mit Verfügung der Eidg. Bankenkommission vom 21. Oktober 1981 wurde die Bank X. angewiesen, die Meldepflicht gemäss
Art. 21 Abs. 1 BankV
inskünftig nicht nur für sich allein, sondern für die ganze Gruppe zu erfüllen. Die Bankenkommission berief sich dabei auf ihr Rundschreiben vom 17. März 1978, dessen Richtlinien über die Konsolidierung der Bilanzen sinngemäss auch für die Tochtergesellschaften gälten.
Gegen diese Verfügung hat die Bank X. Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereicht mit dem Antrag, sie aufzuheben. Sie macht geltend, die ihr auferlegte Meldepflicht finde weder im Gesetz noch in der Verordnung eine Stütze und sei auch sachlich nicht gerechtfertigt; sie widerspreche vielmehr dem klaren Wortlaut und Sinn der Vorschriften, gehe über den Geltungsbereich des Gesetzes hinaus und sei daher willkürlich.
2.
Nach
Art. 4 Abs. 1 BankG
haben die Banken für ein angemessenes Verhältnis zwischen ihren eigenen Mitteln und ihren gesamten Verbindlichkeiten zu sorgen (lit. a); das gilt auch für das Verhältnis zwischen ihren greifbaren Mitteln und leicht verwertbaren Aktiven einerseits und ihren kurzfristigen Verbindlichkeiten anderseits (lit. b). Art. 4 bestimmt ferner, dass die Verordnung hierüber unter Berücksichtigung der Geschäftstätigkeit und der Art der Banken Richtlinien festsetzt, die erwähnten Begriffe näher umschreibt (Abs. 2) und dass die Bankenkommission in besonderen Fällen Erleichterungen von den Richtlinien zulassen oder Verschärfungen anordnen kann (Abs. 3). Ein angemessenes Verhältnis zu ihren eigenen Mitteln hat eine Bank gemäss Art. 4bis auch bei Ausleihungen an einen einzelnen Kunden und bei Beteiligungen an einem einzelnen Unternehmen einzuhalten (Abs. 1); dieses Verhältnis wird ebenfalls von der Verordnung festgesetzt (Abs. 2).
Was unter eigenen und greifbaren Mitteln, unter leicht verwertbaren Aktiven und kurzfristigen Verbindlichkeiten im Sinne des Gesetzes zu verstehen und wieviel diese Mittel und Aktiven mindestens betragen müssen, wird in den Art. 11 bis 19 der Verordnung gesagt. In deren Art. 21 sodann werden die Banken unter der
BGE 108 Ib 78 S. 80
Überschrift "Risikoverteilung" zur Meldung von Geschäften angehalten, durch welche die Verpflichtungen eines einzelnen Kunden gegenüber der Bank über bestimmte Prozentsätze ihrer eigenen Mittel angehoben werden (Abs. 1). Beteiligungen der Bank sind gleich zu behandeln wie die ungedeckten Verpflichtungen eines Kunden (Abs. 3). Rechtlich selbständige Gesellschaften und Personen, die über das Beteiligungskapital zu mehr als 50% miteinander verflochten sind, gelten als Einheit (Abs. 5). Die Bankenkommission kann verlangen, dass Verpflichtungen und Beteiligungen, welche die zulässigen Höchstgrenzen übersteigen, gesenkt werden (Abs. 6).
Durch BRB vom 1. Dezember 1980 wurden die Art. 11 bis 13 der Verordnung zum Teil revidiert, Art. 12 insbesondere durch einen Abs. 2 ergänzt (AS 1980 S. 1814). Danach haben die Banken konsolidierte Bilanzen der von ihnen direkt oder indirekt beherrschten, im Bank- oder Finanzbereich tätigen Unternehmungen und Immobiliengesellschaften mit Sitz im In- oder Ausland zu erstellen und die Anforderungen an Eigenmitteln sowohl aufgrund ihrer eigenen als auch der konsolidierten Bilanz zu erfüllen. An den Vorschriften des Art. 21, die seit dem 1. Juli 1972 gelten (BBl. 1972 I S. 821 ff.), wurde durch den BRB dagegen nichts geändert.
Schon vor Inkrafttreten der Novelle stellte die Bankenkommission in einem Rundschreiben vom 17. März 1978 Richtlinien für die Konsolidierung von Bilanzen auf. Sie befürchtete, dass bei Konzernverhältnissen die im Interesse der Gläubiger erlassenen Vorschriften, insbesondere solche über den Mindestsatz eigener Mittel und über die Risikoverteilung unter den Banken, ihre Wirksamkeit verlieren würden, wenn bei der Frage nach der Angemessenheit dieser Mittel die Aktiven und Passiven der Tochtergesellschaften auszunehmen wären (B. MÜLLER, Die Internationalisierung der Banken als aufsichtsrechtliches Problem, in Schweizerische Aktiengesellschaft (SAG) 1979 S. 5/6; B. MÜLLER in ZBJV 115/1979 S. 499 und in ZSR 1980 S. 421; E. SIGRIST, Das Bankbilanzrecht, in SAG 1980 S. 152; BODMER/KLEINER/LUTZ, N. 54 ff. zu
Art. 4 BankG
).
3.
Es ist daher vorweg zu prüfen, ob die Banken durch eine Verordnungsvorschrift verpflichtet werden können, konsolidierte Bilanzen zu erstellen, in die auch von ihnen direkt oder indirekt beherrschte Unternehmungen und Gesellschaften im Sinne von
Art. 12 Abs. 2 BankV
einzubeziehen sind.
BGE 108 Ib 78 S. 81
Diese Bestimmung der Verordnung stützt sich nicht auf die allgemeine Vollmacht des Bundesrates für Vollzugsvorschriften (
Art. 56 BankG
); sie ergibt sich vielmehr aus der in
Art. 4 Abs. 2 BankG
ausdrücklich erwähnten Befugnis des Bundesrates, Richtlinien darüber zu erlassen, wie die Banken für ein angemessenes Verhältnis zwischen den eigenen Mitteln und ihren gesamten Verbindlichkeiten zu sorgen haben. Sie kann daher vom Bundesgericht nicht auf ihre Verfassungsmässigkeit (
Art. 113 Abs. 3 und
Art. 114bis Abs. 3 BV
), sondern bloss darauf hin überprüft werden, ob sie sich im Rahmen der dem Bundesrat eingeräumten Ermächtigung hält und auch sonst als rechtmässig anzusehen ist. Das ist zu bejahen, wenn der mit
Art. 4 Abs. 1 BankG
verfolgte Zweck mit den vorgesehenen Mitteln erreicht werden kann und diese nach dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit nicht zu beanstanden sind (
BGE 105 Ib 369
/70, 104 Ib 425/26).
Das BankG dient vor allem dem Schutz der Gläubiger; das ist noch anlässlich der Revision von 1971, aus der insbesondere die Art. 4 Abs. 2 und 3 sowie Art. 4bis hervorgegangen sind (AS 1971 S. 811), betont worden (
BGE 103 Ib 356
, 99 Ib 110 und 411 mit Hinweisen). Aus der in
Art. 4 Abs. 2 BankG
enthaltenen Delegationsbestimmung erhellt, dass der Gesetzgeber es angesichts der Vielfalt von Banken vorgezogen hat, den Erlass von Richtlinien dem Bundesrat vorzubehalten, der dabei die Art und die Geschäftstätigkeit der Banken mitzuberücksichtigen hat. Die Eigenart gewisser Banken besteht nun gerade darin, dass sie sich namentlich an anderen, ebenfalls im Finanzbereich tätigen Unternehmungen beteiligen, weshalb die Frage nach ihren eigenen Mitteln eine ungleich grössere Bedeutung erhalten kann. Nichts lässt darauf schliessen, dass der Gesetzgeber den Bundesrat daran hätte hindern wollen, diesem Umstand durch besondere Normen Rechnung zu tragen; andernfalls würde die Delegationsbefugnis entgegen ihrem Zweck und dem klaren Wortlaut des
Art. 4bis Abs. 1 BankG
erheblich eingeschränkt. Nach dieser Bestimmung müssen auch die Beteiligungen der Banken an einem andern Unternehmen in einem angemessenen Verhältnis zu ihren eigenen Mitteln stehen; das kann nur heissen, dass der Gesetzgeber dem Bundesrat einen weiten Spielraum einräumen wollte (
BGE 99 Ib 411
).
Die den Banken mit
Art. 12 Abs. 2 BankV
auferlegte Pflicht, für den internen Gebrauch eine konsolidierte Bilanz zu erstellen und gestützt darauf ihr notwendiges Eigenkapital zu errechnen, lässt sich weder als untaugliches noch als unangemessenes Mittel zu
BGE 108 Ib 78 S. 82
dem damit verfolgten Zweck ausgeben. Die Pflicht ist dem Gesetz auch nicht fremd oder gar neu, soll mit der geforderten Bilanz doch bloss die Bedeutung des Eigenkapitals und der Beteiligung an anderen, von einer Bank direkt oder indirekt beherrschten Unternehmungen aufgezeigt werden, damit die Aufsichtsorgane ihre Aufgabe erfüllen können. Sie ist deshalb als gesetzmässig anzusehen, was von der Beschwerdeführerin übrigens nicht bestritten wird.
4.
Nach der angefochtenen Verfügung hat die Beschwerdeführerin Geschäfte, durch welche die gesamten Verpflichtungen eines einzigen Kunden ihr gegenüber die in
Art. 21 Abs. 1 BankV
vorgesehenen Prozentsätze übersteigen, in die Konsolidierung einzubeziehen und die Bankenkommission darüber zu unterrichten.
a) Eine solche Meldepflicht lässt sich nicht auf
Art. 12 Abs. 2 BankV
stützen, weil sie über die darin enthaltenen Vorschriften, eine konsolidierte Bilanz zu erstellen und die Anforderungen an das Eigenkapital auch auf Grund dieser Bilanz zu erfüllen, hinausgeht. Diese Vorschriften sind zudem, wie aus ihrem Wortlaut und ihrer Einordnung erhellt, einzig als Ausführungsbestimmungen zu
Art. 4 Abs. 1 BankG
zu verstehen.
Art. 21 BankV
verweist denn auch nicht auf Art. 12, sondern bloss auf die in
Art. 11 BankV
umschriebenen eigenen Mittel, die für die Ermittlung der höchstzulässigen Prozentsätze massgebend sind.
b) Die Argumentation der Bankenkommission besteht im wesentlichen darin, dass die BankV über die konsolidierte Risikoverteilung keine ausdrückliche Bestimmung enthalte und diese Lücke von der Verwaltung und vom Richter auszufüllen sei, indem Art. 21 sinngemäss auf die in
Art. 12 BankV
vorgesehene konsolidierte Bilanz angewendet werde.
Eine echte Gesetzeslücke liegt nur dann vor, wenn der Gesetzgeber etwas zu regeln unterlassen hat, was er hätte regeln sollen, und dem Gesetz weder nach seinem Wortlaut noch nach dem durch Auslegung zu ermittelnden Inhalt eine Vorschrift entnommen werden kann (
BGE 103 Ia 503
mit Zitaten).
Die Bankenkommission vermag de lege ferenda ernsthafte Gründe dafür anzuführen, dass die Fragen des minimalen Eigenkapitals und der Risikoverteilung bei Bankkonzernen zusammen geregelt werden, weil die entsprechenden Vorschriften einander angeblich notwendigerweise ergänzen. Es ist zudem nicht ausgeschlossen, dass der Bundesrat die Frage der konsolidierten Risikoverteilung, die durch einen Verweis von Art. 21 auf
Art. 12 Abs. 2
BGE 108 Ib 78 S. 83
BankV
geklärt worden wäre, für Konzernverhältnisse aus Versehen nicht gelöst hat. Es ist aber auch denkbar, dass der Bundesrat die Konsolidierung auf das Eigenkapital beschränken, die Risikoverteilung also nicht einbeziehen wollte. Dafür liesse sich insbesondere anführen, dass mit den Konsolidierungsrichtlinien gemäss Rundschreiben der Bankenkommission vom 17. März 1978 bloss die Prüfung ermöglicht werden soll, ob eine Bank "auch bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise über genügend eigene Mittel verfügt". Dass die Banken eine konsolidierte Bilanz zu erstellen haben, heisst aber nicht notwendig, dieses Erfordernis sei unmittelbar auch in den für sie geltenden Vorschriften über die Risikoverteilung enthalten. Nach einigen ausländischen Regelungen soll mit der Konsolidierung denn auch nicht eine Berechnungsgrundlage für das minimale Eigenkapital geschaffen, sondern bloss die Information der Bankaufsichtsbehörden verbessert werden, um ihnen die Kontrolle zu erleichtern (BODMER/KLEINER/LUTZ, N. 54 zu
Art. 4 BankG
). Regeln über eine konsolidierte Risikoverteilung können sich zudem nach besondern Kriterien richten (vgl.
BGE 99 Ib 412
). Schliesslich hat die Bankenkommission selber die Konsolidierungsvorschriften bis Herbst 1981 nicht in diesem Sinne ausgelegt (BODMER/KLEINER/LUTZ, N. 57 ad
Art. 4 BankG
). Es geht ihr im vorliegenden Fall vielmehr um die künftige Anwendung der Vorschriften, die sie nunmehr sinngemäss auch auf die Risikoverteilung beziehen möchte. Umsoweniger lässt sich sagen, der Bundesrat habe eine Frage, die sich angeblich aufdrängte, in der Novelle aus Versehen nicht geregelt.
Der Vollziehungsverordnung, auf die in
Art. 4bis Abs. 2 BankG
verwiesen wird, ist daher keine Regel für eine Konsolidierung der Risikoverteilung zu entnehmen. Das Rundschreiben vom 17. März 1978 sodann taugt mangels Gesetzeskraft zum vorneherein nicht als Grundlage für eine solche Regel.
5.
Nach den Erwägungen der angefochtenen Verfügung will die Bankenkommission die Vorschriften des
Art. 21 BankV
analog auf die konsolidierte Bilanz angewendet wissen. Der Entscheid selber beschränkt sich dagegen auf die Weisung, dass die Beschwerdeführerin inskünftig auch gewisse Verpflichtungen der Gruppe, die sie beherrscht, zu melden hat. Die Weisung lässt sich zwangslos auf
Art. 23bis Abs. 2 BankG
stützen, wonach die Kommission von den Banken alle Auskünfte und Unterlagen verlangen kann, die sie zur Erfüllung ihrer Aufgabe benötigt. Die Auskunftspflicht der Banken geht sehr weit; die Begehren der Kommission
BGE 108 Ib 78 S. 84
müssen aber dem Zweck der Bankenaufsicht dienen, insbesondere sachlich gerechtfertigt und angemessen sein (vgl. BODMER/KLEINER/LUTZ, N. 3 zu Art. 23bis; B. MÜLLER, in ZBJV 115/1979 S. 499).
Doch selbst wenn die Kommission sich zur Zeit nicht auf
Art. 21 BankV
berufen kann, um die von ihr "angestrebte konsolidierte Risikoverteilung" durchzusetzen, ist ihr Begehren um sachdienliche Aufschlüsse über diese Verteilung innerhalb der Gruppe gerechtfertigt; nur so ist sie in der Lage, die zum Schutze der Gläubiger notwendigen Mittel zu ergreifen, insbesondere die Anforderungen an das Eigenkapital gemäss
Art. 4 Abs. 3 BankG
zu verschärfen, wenn dazu nach den erhaltenen Informationen Anlass besteht. Ihr Verweis auf
Art. 21 Abs. 1 BankV
, den sie analog für anwendbar hält, ist zudem jedenfalls insofern berechtigt, als damit die streitigen Verpflichtungen näher umschrieben werden.
Der angefochtene Entscheid verletzt auch den Grundsatz der Verhältnismässigkeit nicht; angesichts des Widerstandes der Beschwerdeführerin ist nicht zu ersehen, wie die Bankenkommission die verlangte Auskunft mit einer milderen Zwangsmassnahme erhalten könnte. Die Wahl einer solchen Massnahme ist ferner im wesentlichen eine Frage des Ermessens, in das auf Beschwerde hin nur einzugreifen ist, wenn die Vorinstanz es überschreitet oder missbraucht (
Art. 104 Abs. 1 lit. a OG
). Davon kann hier keine Rede sein.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird im Sinne der Erwägungen abgewiesen. | public_law | nan | de | 1,982 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
18e95f83-25c7-4e4f-a94d-56e74f749dad | Urteilskopf
107 Ib 261
48. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 14. September 1981 i.S. P. AG und Frau X. gegen Staatsanwaltschaft und Kantonsgericht Graubünden (staatsrechtliche Beschwerde) | Regeste
Europäisches Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. April 1959 (EUeR).
- Der ausländische Staat darf die von der Schweiz im Rechtshilfeverfahren übermittelten Erkenntnisse zur Abklärung von Delikten im Sinne von
Art. 2 lit. a EueR
nur dann verwenden, wenn die schweizerische Behörde das Rechtshilfegesuch unter einer entsprechenden, einschränkenden Bedingung bewilligt hat.
- Begriff des Fiskaldelikts. | Sachverhalt
ab Seite 262
BGE 107 Ib 261 S. 262
Die Staatsanwaltschaft am Landgericht Bochum führt gegen B. und S., Geschäftsführer der D. GmbH, eine Strafuntersuchung wegen Verdachts des Bankrotts im Sinne von § 283 des deutschen StGB. Beiden Personen wird vorgeworfen, die Zahlungsunfähigkeit der in Konkurs gegangenen erwähnten Firma strafrechtlich verschuldet zu haben. Dadurch sei das Hauptzollamt Essen, die praktisch einzige Gläubigerin der erwähnten GmbH, mit einem Betrag von ca. 29 Millionen DM zu Verlust gekommen. Unter anderem hätten B. und S. Vermögensbestandteile an die Firma L. B.V. (Niederlande) überwiesen, deren Kapital die Firma C., mit Sitz auf den niederländischen Antillen, halte. Diese wiederum werde von der P. AG beherrscht, deren einziger Verwaltungsrat Frau X. sei. In diesem Zusammenhang stellte der leitende Oberstaatsanwalt am Landgericht Bochum am 17. August 1980 ein Rechtshilfegesuch an die Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden. Er verlangte die Vernehmung von Frau X. als Zeugin, welche Aufschluss über die Umstände der Gründung der P. AG geben sollte. Ausserdem sollten in der Zeugeneinvernahme die nicht genannten Gesellschafter der P. AG festgestellt werden. Ferner ersuchte die deutsche Behörde um Bewilligung zur Teilnahme ihrer Beamten an der Zeugeneinvernahme.
Am 17. Oktober 1980 wurde Frau X. vom Untersuchungsrichter Samedan in Gegenwart zweier Beamter der Staatsanwaltschaft Bochum einvernommen. Diese sicherten schriftlich zu, die Zeugenvernehmung von Frau X. sowie die beschlagnahmten Akten der P. AG würden in keiner Weise in irgendwelchen Steuerverfahren in der Bundesrepublik Deutschland verwendet. Der Untersuchungsrichter gestattete beiden Beamten, Fragen direkt an Frau X. zu stellen. Zudem wurden verschiedene Dokumente zuhanden der ersuchenden Behörde beschlagnahmt, welche sich im Besitz von Frau X. bzw. der P. AG befanden. Diese reichten gegen die Beschlagnahmeverfügung des Untersuchungsrichters Samedan bzw. gegen die Zeugeneinvernahme Beschwerde bei der Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden ein. Der I. Staatsanwalt des Kantons Graubünden wies beide Beschwerden ab. Das Kantonsgericht Graubünden bestätigte auf Beschwerde Frau X.'s und der
BGE 107 Ib 261 S. 263
P. AG hin diesen Entscheid. Die P. AG und Frau X. führen staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von
Art. 4 BV
und wegen Verletzung von Staatsverträgen im Sinne von
Art. 84 lit. c OG
. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Gemäss
Art. 2 lit. a EUeR
kann Rechtshilfe verweigert werden, wenn sich das Ersuchen auf strafbare Handlungen bezieht, die vom ersuchten Staat als politische, als mit solchen zusammenhängende oder als fiskalische strafbare Handlungen angesehen werden. Nach der schweizerischen Praxis wird die Rechtshilfe in Fiskalstrafsachen verweigert. Die Schweiz behält sich denn auch im Falle der Rechtshilfe für gemeinrechtliche Delikte das Recht vor, "in besonderen Fällen Rechtshilfe aufgrund dieses Übereinkommens nur unter der ausdrücklichen Bedingung zu leisten, dass die Ergebnisse der in der Schweiz durchgeführten Erhebungen und die in herausgegebenen Akten oder Schriftstücken enthaltenen Auskünfte ausschliesslich für die Aufklärung und Beurteilung derjenigen strafbaren Handlungen verwendet werden dürfen, für die die Rechtshilfe bewilligt wird" (AS 1967 S. 809). Die auf dem Rechtshilfeweg gewonnenen Erkenntnisse dürfen daher in keinem Fall zur Abklärung fiskalischer Delikte benutzt werden, soweit die Schweiz einen Vorbehalt im Sinne dieser Erklärung gemacht hat. Die Erklärung der Schweiz zu
Art. 2 EUeR
besagt nicht, dass Rechtshilfe für Delikte im Sinne von
Art. 2 lit. a EUeR
generell verweigert wird. Der darin erwähnte Vorbehalt, unter welchem Rechtshilfe gewährt werden kann, ist vielmehr bloss fakultativer Natur und schliesst deshalb Rechtshilfe für Delikte im Sinne von
Art. 2 lit. a EUeR
nicht zwingend aus. Angesichts dessen muss im Einzelfall stets ein entsprechenden Vorbehalt angebracht werden, um die Verwendung der gewonnenen Erkenntnisse für die Abklärung von Delikten im Sinne von
Art. 2 lit. a EUeR
auszuschliessen (vgl. SCHMID/FREI/WYSS/SCHOUWEY, L'entraide judiciaire internationale en matière pénale, ZSR 100 II S. 314 Anm. 167; anders
BGE 106 Ib 269
).
Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerinnen ist nicht zu prüfen, ob das neue Recht, namentlich Art. 3 Abs. 3 Bundesgesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (ISRG; BBl 1981 I S. 808) den Begriff des Fiskaldelikts erweitert hat, denn das ISRG ist bisher noch nicht in Kraft gesetzt worden. Auch braucht
BGE 107 Ib 261 S. 264
nicht entschieden zu werden, ob das Verhalten der beiden Angeschuldigten als Steuerbetrug zu würdigen ist, für dessen Verfolgung nach dem neuen Recht Rechtshilfe gewährt werden könnte. Entscheidend ist vielmehr, dass die den Angeschuldigten zur Last gelegten Tatsachen nach dem geltenden inländischen Recht nicht den Vorwurf eines Fiskaldelikts begründen.
Art. 2 lit. a EUeR
stellt für die Beurteilung des Fiskalstrafcharakters auf das Recht des Staates ab, der um Gewährung der Rechtshilfe angegangen wird. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts fallen unter den Begriff des fiskalischen Delikts Straftatbestände, die ausschliesslich eine Widerhandlung gegen die Vorschriften über die Veranlagung und den Bezug von Abgaben irgendwelcher Art erfassen (Urteil des Bundesgerichts vom 16. November 1977 i.S. G.; SCHULTZ, Das schweizerische Auslieferungsrecht, S. 464, insbes. Anm. 17). Diese im Auslieferungsrecht entwickelte Definition gilt auch im Rechtshilfeverfahren.
Die Tatbestände von
Art. 163-165 StGB
(Konkurs- und Betreibungsverbrechen oder -vergehen) stellen nach schweizerischer Rechtsauffassung gemeinrechtliche Delikte dar, auch wenn das Gemeinwesen als Gläubiger zu Schaden kommt. Im Falle des schuldnerischen Konkurses werden die Forderungen des Gemeinwesens gegenüber Forderungen anderer Gläubiger nicht unterschiedlich behandelt. Die erwähnten Bestimmungen des StGB verfolgen den Zweck, den Schuldner zu einem korrekten Geschäftsgebahren zu veranlassen und dadurch die Gläubiger zu schützen. Sie gehören ihrer Natur nach nicht zum Steuerrecht. Folglich kommt es nicht darauf an, dass durch die den Angeschuldigten vorgeworfenen Konkursdelikte das Gemeinwesen praktisch ausschliesslich geschädigt wurde. Die Gewährung der Rechtshilfe wegen Verdachts des Bankrotts im Sinne von § 283 des deutschen StGB erfolgte daher zu Recht. | public_law | nan | de | 1,981 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
18e9c3a5-f67c-4b14-9d53-84e6f023a6d4 | Urteilskopf
116 II 49
7. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 8. März 1990 i.S. Sieber und Mitbeteiligte gegen Gemeinde Plasselb (Berufung) | Regeste
Ausübung eines Vorkaufsrechts zur gesamten Hand (
Art. 681 Abs. 1 ZGB
); Aktivlegitimation; Austritt aus einer einfachen Gesellschaft (
Art. 545 Abs. 1 Ziff. 2 und 6 OR
).
- Annahme einer einfachen Gesellschaft, wenn mehrere Personen erklären, sie übten ein ihnen zustehendes Vorkaufsrecht gemeinsam zur gesamten Hand aus (E. 3).
- Liegt ein Gesamthandsverhältnis vor, so können nur alle Gesamthänder gemeinsam auf Übertragung des Eigentums klagen (E. 4a). Ist jedoch ein Beteiligter aus der Gesellschaft ausgetreten und wird vereinbart, die Gesellschaft ohne diesen fortzusetzen, so können die verbliebenen Gesellschafter das Vorkaufsrecht infolge Akkreszenz auch ohne den ausgetretenen Gesellschafter einklagen. Besondere Übertragungshandlungen und die Einhaltung bestimmter Formen sind nicht erforderlich (E. 4b-d). | Sachverhalt
ab Seite 50
BGE 116 II 49 S. 50
A.-
Am 23. November 1983 vereinbarten die Erben des August Neuhaus, dass das Grundstück Art. 888 des Grundbuches Plasselb an sechs Erben zu Gesamteigentum übertragen werde und dass den übrigen fünf Erben für die Dauer von zehn Jahren ein Vorkaufsrecht zustehe. Dieses Vorkaufsrecht wurde im Grundbuch vorgemerkt.
Am 10. Dezember 1986 verkauften die verbliebenen sechs Gesamteigentümer das Grundstück der Gemeinde Plasselb zum Preis von Fr. 277'760.--. Vier der fünf vorkaufsberechtigten Schwestern teilten den Verkäufern darauf am 15. Januar 1987 mit, dass sie das Vorkaufsrecht zur gesamten Hand ausübten. Da die Verkäufer bestritten, dass das Vorkaufsrecht rechtsgültig ausgeübt worden sei, wurde die Gemeinde Plasselb als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen und das vorgemerkte Vorkaufsrecht gelöscht.
B.-
Am 16. März 1987 reichten drei der vier vorkaufsberechtigten Schwestern, die ihr Recht ausgeübt hatten, beim Zivilgericht des Sensebezirkes Klage gegen die Gemeinde Plasselb und die Verkäufer ein. Sie verlangten im wesentlichen, dass ihnen gegen Bezahlung des Kaufpreises das Eigentum am Grundstück zu übertragen sei. (...)
In der Verhandlung vom 18. Oktober 1988 vor dem Zivilgericht des Sensebezirkes zogen die Klägerinnen ihre Klage gegen die Verkäufer zurück und hielten nur noch diejenige gegen die Gemeinde aufrecht. Gleichentags hiess das Zivilgericht die Klage gut, sprach den Klägerinnen das Eigentum am Grundstück Art. 888 des Grundbuches Plasselb zu und wies den Grundbuchverwalter an, die Klägerinnen auf deren Anmeldung hin im Grundbuch als Eigentümerinnen einzutragen.
Die Gemeinde Plasselb wandte sich gegen dieses Urteil mit Berufung an das Kantonsgericht des Staates Freiburg. Dessen Appellationshof hob das Urteil des Zivilgerichts am 16. Mai 1989 auf und wies die Klage ab.
C.-
Gegen dieses Urteil haben die Klägerinnen Berufung an das Bundesgericht erhoben. Sie beantragen die Gutheisssung der Berufung und die Rückweisung der Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz.
BGE 116 II 49 S. 51
Die Gemeinde Plasselb beantragt, die Berufung sei abzuweisen und das angefochtene Urteil zu bestätigen.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Das Kantonsgericht des Staates Freiburg hat die Klage abgewiesen, weil von vier Vorkaufsberechtigten, die das Vorkaufsrecht ausgeübt hatten, nur drei geklagt haben. Alle vier Vorkaufsberechtigten hätten mit ihrer Ausübungserklärung eine Gesamthandsforderung auf Übertragung des Eigentums am verkauften Grundstück erworben. In einem Prozess über Gesamtgut seien sämtliche Gesamthänder aber notwendige Streitgenossen. Da die Erklärung, das Vorkaufsrecht auszuüben, im übrigen unwiderruflich und die Änderung eines Kaufvertrages durch einseitige Erklärung ausgeschlossen sei, sei die Verzichtserklärung von Josephine Svoboda-Neuhaus vom 18. Oktober 1988 im vorliegenden Verfahren bedeutungslos. Die drei Klägerinnen seien daher nicht aktivlegitimiert.
a) Die Klägerinnen bestreiten nicht, dass sie zusammen mit ihrer Schwester Josephine Svoboda-Neuhaus den Anspruch auf Übertragung des Grundstücks zu gesamter Hand erworben haben. Josephine Svoboda-Neuhaus sei aber aus der Gemeinschaft ausgetreten, wie die Erklärung vom 18. Oktober 1988 zeige. Das Gesamthandsverhältnis bestehe daher nur noch zwischen den Klägerinnen, weshalb sie zur Geltendmachung des Anspruchs legitimiert seien.
3.
Ein Anspruch zur gesamten Hand entsteht nur, wenn die Berechtigten durch Gesetzesvorschrift oder durch Vertrag zu einer Gemeinschaft verbunden sind (vgl.
BGE 68 III 44
; von TUHR/ESCHER, Allgemeiner Teil des Schweizerischen Obligationenrechts, Bd. II S. 292; BUCHER, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 2. Aufl., S. 501 f.). Die zulässigen Gesamthandsverhältnisse sind im Gesetz abschliessend aufgeführt (
BGE 84 I 129
).
a) Obgleich die Vorinstanz in Übereinstimmung mit den Parteien eine Berechtigung zur gesamten Hand annahm, hat sie es unterlassen, das massgebliche Gesamthandsverhältnis zu bezeichnen. Das Bundesgericht hat somit aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des Kantonsgerichts zu klären, welches Gemeinschaftsverhältnis vorliegt.
b) Das Gesamthandsverhältnis kann nicht schon dadurch entstanden sein, dass den fünf Schwestern ein Vorkaufsrecht
BGE 116 II 49 S. 52
eingeräumt worden ist. Der Begründungsakt bietet keinerlei Anhaltspunkte, dass die Vorkaufsberechtigten schon damals zu einer Gesamthandschaft verbunden worden wären oder die Erbengemeinschaft in bezug auf dieses Vorkaufsrecht fortgesetzt worden wäre. Die Gesamthandschaft ist vielmehr erst entstanden, als vier Schwestern erklärten, sie übten das Vorkaufsrecht gemeinsam zur gesamten Hand aus. Die vier beteiligten vorkaufsberechtigten Schwestern haben sich in diesem Zeitpunkt zusammengeschlossen, um mit gemeinsamen Kräften bzw. Mitteln das Grundstück zu erwerben. Damit sind die typischen Merkmale einer einfachen Gesellschaft erfüllt. Es ist daher davon auszugehen, dass die vier vorkaufsberechtigten Schwestern, die ihr Recht ausgeübt haben, eine einfache Gesellschaft im Sinne von
Art. 530 ff. OR
bilden (
BGE 68 III 44
). Eine andere Möglichkeit für das Vorliegen des Gesamthandsverhältnisses ist nicht ersichtlich. Hievon sind denn auch beide Parteien in ihren Vorträgen vor Bundesgericht zu Recht ausgegangen.
4.
Das Vorkaufsrecht gibt dem Berechtigten den Anspruch, die Übertragung des Eigentums an einer Sache zu verlangen, sobald der Verpflichtete sie einem Dritten veräussert. Wird das Vorkaufsrecht im Grundbuch vorgemerkt, so besteht es gemäss
Art. 681 Abs. 1 ZGB
auch gegenüber dem Erwerber des Grundstücks. Ist der Erwerber bereits im Grundbuch als neuer Eigentümer eingetragen, so kann der Vorkaufsberechtigte, der in gültiger Weise sein Recht ausgeübt hat, gegen ihn auf Übertragung des Grundeigentums klagen (
BGE 102 II 384
E. 5;
BGE 101 II 240
E. 1b;
BGE 92 II 155
ff. E. 4).
a) Haben mehrere Personen das Vorkaufsrecht als einfache Gesellschaft zur gesamten Hand ausgeübt, so steht ihnen die sich daraus ergebende Forderung gesamthänderisch zu, wie die Vorinstanz richtig festgestellt hat. Folglich können alle Gläubiger nur gemeinsam über die Forderung verfügen. Eine Klage hat daher grundsätzlich im Namen aller Gesamthänder zu erfolgen (GULDENER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. Aufl., S. 296-298).
Entgegen der Auffassung der Klägerinnen gilt dies auch dann, wenn die Forderung gegenüber dem Erwerber des Grundstücks geltend gemacht wird statt gegenüber dem Veräusserer. Die sich aus der Vormerkung ergebende subjektiv-dingliche Verknüpfung bewirkt nur, dass die Forderung nicht nur gegenüber dem ursprünglichen Vertragspartner, sondern auch gegenüber jedem
BGE 116 II 49 S. 53
späteren Eigentümer des Grundstücks geltend gemacht werden kann. Die Vormerkung kann aber nicht bewirken, dass jemand anderer aus der Forderung berechtigt wird. Sie steht somit, auch soweit sie sich gegen den Erwerber richtet, nur allen Gesellschaftern gemeinsam zu. Im vorliegenden Fall haben die drei Klägerinnen nur in eigenem Namen geklagt, obwohl ursprünglich vier Schwestern das Vorkaufsrecht zur gesamten Hand ausgeübt haben. Der Berufung ist daher nur dann Erfolg beschieden, wenn Josephine Svoboda-Neuhaus aus der einfachen Gesellschaft rechtsgültig ausgeschieden ist und das Gesamthandsverhältnis nur noch aus den Klägerinnen besteht.
b) Das Ausscheiden eines Beteiligten hat grundsätzlich die Auflösung der einfachen Gesellschaft zur Folge (
Art. 545 Abs. 1 Ziff. 2 und 6 OR
). Es kann aber vertraglich vorgesehen werden, dass die Gesellschaft unter den verbleibenden Gesellschaftern weiter geführt wird (MEIER-HAYOZ/FORSTMOSER, Grundriss des schweizerischen Gesellschaftsrechts, 6. Aufl., S. 197). Die Gesellschafter können sich sogar auf eine solche Weiterführung einigen, nachdem ein Beteiligter ausgetreten und die Gesellschaft infolgedessen bereits aufgelöst ist, solange die Liquidation noch nicht abgeschlossen ist. Die Auflösung wird dadurch rückgängig gemacht (
BGE 70 II 56
f.; SJZ 85/1989, S. 144 f., mit weiteren Hinweisen). Wie der Gesellschaftsvertrag als solcher setzen weder die Austrittserklärung noch die Fortsetzungsklausel eine besondere Form voraus. Die Vereinbarung, die Gesellschaft trotz eines Wechsels im Bestand weiterzuführen, kann auch durch konkludentes Handeln geschlossen werden (SJZ 85/1989 S. 144 f.; MEIER-HAYOZ/FORSTMOSER, Grundriss, S. 197).
Der Austritt einer Person bewirkt im Falle des Weiterbestehens der Gesellschaft, dass seine Rechte den andern Gesellschaftern anwachsen, ohne dass es dafür besonderer Übertragungshandlungen bedürfte (VON STEIGER, Schweizerisches Privatrecht, Bd. VIII/1, S. 417 f.; vgl. auch
BGE 75 I 275
sowie
BGE 102 Ib 322
ff., Pra. 66/1977 Nr. 130). Da der Anteil des ausscheidenden Gesellschafters den andern anwächst, bestehen selbst dann keine Formerfordernisse, wenn das Gemeinschaftsvermögen aus Grundstücken besteht (
BGE 102 Ib 327
f. E. 5; MEIER-HAYOZ, Berner Kommentar, N 69 f. zu
Art. 652 ZGB
und N 92 zu
Art. 656 ZGB
; VON STEIGER, Schweizerisches Privatrecht, S. 418 N 203). Die Auffassung der Beklagten, wonach der Austritt aus der Gesamthandschaft
BGE 116 II 49 S. 54
bezüglich eines Grundstücks nur mit öffentlicher Beurkundung erfolgen könne, trifft demnach nicht zu. Die Beklagte übersieht damit den grundlegenden Unterschied zwischen einer Verfügung der Gesamthandschaft über Grundeigentum und dem blossen Wechsel im Bestand der Gesamthandschaft durch den Austritt eines Mitglieds.
c) Josephine Svoboda-Neuhaus hat in ihrer Erklärung vom 18. Oktober 1988 festgehalten, dass sie "aus der Gemeinschaft der Geschwister ausgetreten" sei und damit auf ihr "persönliches Vorkaufsrecht" zugunsten der Klägerinnen verzichte.
Entgegen der Auffassung der Vorinstanz handelt es sich bei dieser Erklärung nicht um einen Widerruf der früheren gemeinschaftlichen Erklärung, das Vorkaufsrecht auszuüben. Dies wäre in der Tat einseitig nicht möglich (MEIER-HAYOZ, Berner Kommentar, N 48 f., 224 und 238 zu
Art. 681 ZGB
). Die Erklärung vom 18. Oktober 1988 betrifft nach ihrem eindeutigen Wortlaut nur den Austritt aus der Gesamthandschaft. Der zur Erläuterung beigefügten zweiten Erklärung, wonach Josephine Svoboda-Neuhaus ausdrücklich auf ihr persönliches Vorkaufsrecht zugunsten der Klägerinnen verzichte, kommt keine selbständige Bedeutung zu. Diese Erklärung bringt nur die gesetzliche Folge ihres Ausscheidens zum Ausdruck, dass ihre Rechte nun ihren Schwestern zustehen. Ein anderer Sinn kann dieser Erklärung nicht beigelegt werden.
Aus dem Umstand, dass die Klägerinnen diese Erklärung ins Recht gelegt haben, darf geschlossen werden, dass sie den Austritt angenommen und durch konkludentes Handeln die Fortsetzung der einfachen Gesellschaft ohne ihre Schwester vereinbart haben. Die Rechte, die Josephine Svoboda-Neuhaus zustanden, sind somit den Klägerinnen angewachsen und stehen nun ausschliesslich den Klägerinnen zur gesamten Hand zu. Dass dies allerdings die Haftung der ausgeschiedenen Gesellschafterin für all jene Schulden nicht untergehen lässt, welche vor ihrem Ausscheiden zu ihren Lasten begründet worden sind, ist hier nicht weiter von Interesse (vgl. von Steiger, Schweizerisches Privatrecht, S. 421 f.).
d) Steht die sich aus der Ausübung des Vorkaufsrechts ergebende Forderung gegenüber der Beklagten auf Übertragung des Eigentums an der fraglichen Liegenschaft allein den Klägerinnen zur gesamten Hand zu, so sind diese entgegen dem vorinstanzlichen Urteil aktivlegitimiert. Dies führt zur Gutheissung der Berufung. | public_law | nan | de | 1,990 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
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