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Urteilskopf 103 Ib 268 43. Urteil der I. Zivilabteilung vom 20. Dezember 1977 i.S. Philip Morris Inc. gegen Eidgenössisches Amt für geistiges Eigentum
Regeste Markenrecht. 1. Art. 8 Abs. 2 MSchG . Prüfung der gesetzlichen Voraussetzungen bei Erneuerung des Registereintrages (E. 1). 2. Art. 3 Abs. 2 und Art. 14 Abs. 1 Ziff. 2 MSchG . Von der Wortmarke "RED & WHITE", die für Tabakwaren bestimmt ist, lässt sich nicht sagen, dass sie auf die Beschaffenheit der Ware hinweise (E. 2). 3. Hinweise auf die äussere Aufmachung der Ware können eine Wortmarke schutzunfähig machen. Dies gilt insbesondere, wenn sie sich auf die Form oder Art der Verpackung beziehen (E. 3).
Sachverhalt ab Seite 269 BGE 103 Ib 268 S. 269 A.- Die Wortmarke "RED & WHITE" wurde 1955 zugunsten der United Kingdom Tobaccco Ltd., London, in das schweizerische Register eingetragen. Sie ist für verarbeiteten und unverarbeiteten Tabak bestimmt. Im Jahre 1971 wurde sie auf die Philip Morris Inc., New York, übertragen. Diese Firma ersuchte im Oktober 1975 das Eidgenössische Amt für geistiges Eigentum, den Eintrag der Marke im Register zu erneuern. Das Amt vertrat die Auffassung, die Bezeichnung "RED & WHITE" sei beschreibender Art und daher nicht schutzfähig; die 1955 zu Unrecht eingetragene Marke könnte sich inzwischen zwar als Kennzeichen für Tabak im Verkehr durchgesetzt haben, was die Gesuchstellerin aber glaubhaft machen müsse, damit ihrem Antrag entsprochen werden könne. Da die Philip Morris Inc. sich dazu ausserstande erklärte, wies das Amt ihr Gesuch am 22. April 1977 gestützt auf Art. 14 Abs. 1 Ziff. 2 MSchG zurück. B.- Die Philip Morris Inc. führt gegen diesen Entscheid Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, ihn aufzuheben und das Amt anzuweisen, den Eintrag der Marke im Register zu erneuern. Das Amt beantragt, die Beschwerde abzuweisen. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Die Beschwerdeführerin bestreitet mit Recht nicht, dass das Amt die gesetzlichen Voraussetzungen der Eintragung bei deren Erneuerung wiederum zu prüfen hat ( Art. 8 Abs. 2 MSchG ; BGE 103 Ib 17 , BGE 70 I 299 ), und dass es dabei BGE 103 Ib 268 S. 270 auch von einer als unrichtig erkannten Praxis abgehen darf ( BGE 91 I 359 mit Hinweisen). 2. Nach Art. 3 Abs. 2 MSchG geniessen u.a. Zeichen, die als Gemeingut anzusehen sind, keinen gesetzlichen Schutz. Enthält eine Marke als wesentlichen Bestandteil ein solches Zeichen, so hat das Amt ihre Eintragung gemäss Art. 14 Abs. 1 Ziff. 2 MSchG denn auch zu verweigern. Als Gemeingut gelten insbesondere Hinweise auf die Herkunft, die Beschaffenheit oder den Zweck der Erzeugnisse, für welche die Marke bestimmt ist. Eine blosse Gedankenassoziation oder Anspielung auf die Ware machen ein Zeichen jedoch nicht zum Gemeingut. Die Bezeichnung muss vielmehr in einem so engen Zusammenhang mit der Ware stehen, dass der Sinn der Verbindung ohne besondere Denkarbeit oder Phantasie zu erkennen ist ( BGE 103 Ib 18 und dort angeführte Urteile). Diesfalls rechtfertigt sich eine Ausnahme nur, wenn die Marke in der Schweiz Verkehrsgeltung erlangt hat ( BGE 99 Ib 25 /6, BGE 93 II 431 , BGE 77 II 326 , was im vorliegenden Fall nicht geltend gemacht wird. Das Amt beanstandete die Marke "RED & WHITE" zunächst, weil sie aus zwei Farbangaben (rot und weiss) besteht, die als Gemeingut zu betrachten seien. Es hielt der Beschwerdeführerin ferner entgegen, dass das Zeichen als Hinweis auf die äussere Aufmachung der Ware verstanden werden könne, folglich auch wegen seiner beschreibenden Art nicht geschützt werden dürfe. Im Beschwerdeverfahren versuchte das Amt seine Auffassung zudem mit dem Zusammenhang zwischen den Farbangaben und Eigenschaften unverarbeiteten Tabaks zu erhärten. Es führte insbesondere aus, in der Fachsprache werde nach dem 1967 in Mainz herausgegebenen "Tabaklexikon" die Bezeichnung "Red Tobacco" für ein luft- oder röhrengetrocknetes Blatt mit roter Färbung verwendet (S. 269). Bei anderen Tabaksorten, wie "White Burley", "White Mammoth" und "White Orinoco", werde mit der Farbe angedeutet, dass sie sich besonders für Zigaretten und hellen Rauchtabak eigneten (S. 380/81). Das Zeichen "RED & WHITE" könne deshalb auch als Hinweis auf eine Mischung von rotem und hellem Tabak ausgelegt werden. a) Richtig ist, dass Grundfarben schon wegen ihrer zahlenmässigen Beschränkung für den allgemeinen Gebrauch freizuhalten sind, also nicht monopolisiert werden dürfen. Farbkombinationen BGE 103 Ib 268 S. 271 können dagegen durchaus als Marken Schutz geniessen ( BGE 82 II 352 , BGE 58 II 453 ; TROLLER, Immaterialgüterrecht I, 2. Aufl. S. 551 Anm. 14; L. DAVID, Supplement zum MSchG-Kommentar S. 37). Hier geht es indes nicht um die Monopolisierung einer Grundfarbe oder einer Farbkombination, sondern um eine Wortmarke. Die Beschwerdeführerin verlangt einzig den Schutz der Bezeichnung "RED & WHITE", nicht der entsprechenden Farben. Zu beurteilen ist somit bloss, ob die Wortmarke für den Gebrauch auf Tabakwaren beschreibenden Charakter habe, wie das Amt behauptet, und deshalb als Gemeingut anzusehen sei. Die Bezeichnung "RED & WHITE" lässt sich ferner nicht schon deshalb als Beschaffenheitsangabe ausgeben, weil rot/weisse Zigaretten zwar etwas ausgefallen, aber durchaus denkbar seien. Gewiss mag ein Fabrikant auf den Gedanken kommen, Zigaretten mit zweifarbiger Umhüllung, z.B. mit rotem Mundstück und weissem Papier, herzustellen. Ob die Beschwerdeführerin dies beabsichtige, kann dahingestellt bleiben. Dass sich diesfalls eine gedankliche Verbindung zwischen der streitigen Marke und der äussern Aufmachung der Zigaretten ergäbe, macht den Ausdruck "RED & WHITE", den die Beschwerdeführerin als Marke für verarbeiteten und unverarbeiteten Tabak erneuern lassen will, nicht zur Sachbezeichnung. Der Ausdruck spielt nach dem allgemeinen Sprachgebrauch auch dann nicht einmal entfernt auf Eigenschaften des Tabaks an, der in den Zigaretten enthalten ist. Es verhält sich vielmehr ähnlich wie bei der Pfeifentabak- bzw. Whisky-Marke "BLACK & WHITE", die sich als blosse Phantasiebezeichnungen im Verkehr durchgesetzt haben und vom kaufenden Publikum auch als solche aufgefasst werden. b) Die Beschwerdeführerin anerkennt, dass die Angaben, welche das Amt dem "Tabaklexikon" entnommen hat, zwar "höchst technisch" sind, aber der Fachsprache in den USA entsprechen. Sie geht sodann mit dem Amt davon aus, dass die Zulässigkeit der Marke nach dem Sprachgebrauch in der Schweiz zu beurteilen ist. Massgebend hiefür ist die Auffassung der beteiligten Kreise, wozu insbesondere die Hersteller, Verkäufer und Endabnehmer gehören. Unter Umständen wird ein Wort schon dann zur Beschaffenheitsangabe, wenn es nur von einem bestimmten Kreis, z.B. nur von den Fachleuten allgemein zur Bezeichnung einer Eigenschaft oder Warenart BGE 103 Ib 268 S. 272 verwendet wird ( BGE 96 I 755 , BGE 96 II 240 , 251 und 261 mit Zitaten). Das Amt betrachtet diese Voraussetzung im vorliegenden Fall als erfüllt. Es beruft sich insbesondere auf Bestätigungen von drei Tabakfabriken, wonach die Bezeichnungen "Red Tobacco" und "White Tobacco" auch in schweizerischen Fachkreisen bekannt sind. Die Beschwerdeführerin hält diesen Bescheinigungen drei Schreiben anderer Fachleute der schweizerischen Tabakindustrie entgegen; darin wird das Gegenteil behauptet. Es erübrigt sich indes, darüber weitere Beweise zu erheben oder gar eine Expertise einzuholen. Das Amt bestreitet nicht, dass auch die Gewährspersonen der Beschwerdeführerin fachkundig und zuverlässig sind. Es ist deshalb anzunehmen, dass die besondere Bedeutung der dem "Tabaklexikon" entnommenen Ausdrücke in der Schweiz zwar gewissen Fachleuten, aber nicht allen Fachkreisen bekannt ist. Das müsste indes verlangt werden, wenn man schon über die Auffassung der Endverbraucher hinwegsehen will. Zurückhaltung ist umsomehr am Platz, als die streitige Marke die beiden Farbangaben verbindet. Die Verbindung könnte freilich als Hinweis auf eine Mischung von rot- und hellfarbigen Tabaken verstanden werden, wie das Amt unter Berufung auf eine Tabakfabrik geltend macht. Ob eine solche Mischung gebräuchlich ist oder doch so nahe liegt, dass die Marke zumindest beim Fachmann diesen Eindruck erweckt, ist den vom Amt eingereichten Belegen jedoch nicht zu entnehmen. 3. Eine andere Frage ist, ob die streitige Marke als unzulässig zu betrachten sei, weil sie auf die Farben der Verpackung hinweise. Das Amt erblickt darin sogar den Hauptgrund der Zurückweisung, zumal es sich um eine beliebte und auf Zigarettenpackungen häufig anzutreffende Farbkombination handle. Die Beschwerdeführerin bestreitet dies nicht, macht jedoch geltend, unter unzulässigen Beschaffenheitsangaben seien nur Hinweise auf die Ware selbst, nicht auch solche auf die Verpackung zu verstehen. a) Richtig ist, dass im schweizerischen Schrifttum Hinweise auf die Verpackung im allgemeinen nicht als schutzunfähig bezeichnet werden (TROLLER, a.a.O. I S. 347; H. DAVID, Kommentar zum MSchG S. 91). MATTER (Kommentar zum MSchG S. 68) spricht immerhin ausdrücklich von Eigenschaften BGE 103 Ib 268 S. 273 "des Erzeugnisses oder dessen Verpackung." Unzutreffend ist dagegen, dass das Bundesgericht stets bloss Hinweise auf die Ware selbst als unzulässig behandelt habe. Gewiss ist in seinen Urteilen meist nur von der Beschaffenheit der Ware oder des Erzeugnisses die Rede (vgl. statt vieler: BGE 101 Ib 15 , BGE 100 Ib 251 , BGE 99 II 402 , sowie die Urteile im Schweiz. Patent-, Muster- und Marken-Blatt (PMMBl) 1976 I S; 59, 1974 I S. 65). In all diesen Fällen stellte sich jedoch die Frage des blossen Hinweises auf die Verpackung gar nicht. Die Beschwerdeführerin vermag denn auch keine Urteile zu nennen, in welchen das Bundesgericht solche Hinweise ausdrücklich ausgenommen und als zulässig bezeichnet hätte. Das Amt stützt sich in der angefochtenen Verfügung auf BGE 61 II 385 , wo die Gestaltung einer Gaba-Dose als schutzunfähig erklärt worden ist. Es anerkennt in seiner Vernehmlassung, dass damit für die Beurteilung einer auf die Verpackung hinweisenden Wortmarke nichts gewonnen ist. Es kann sich dagegen mit einem gewissen Recht auf BGE 93 II 56 berufen, wo es um die Wortmarke "VAC" für Nahrungsmittel in luftleerer Verpackung ging; die Marke wurde indes ohne Rücksicht auf die Art der Verpackung zugelassen, weil sie nicht die unmittelbare Vorstellung eines Vacuums erweckte. Für die Auffassung des Amtes spricht ferner das Urteil des Bundesgerichtes vom 16. Mai 1967 über die Wortmarke "Gold Band" (PMMBl 1967 I S. 37). Nach diesem Entscheid bedarf es keiner besondern Phantasie, um von "Gold Band" auf eine äussere Aufmachung zu schliessen, weil Goldverzierungen auf Tabakwaren und deren Verpackung häufig vorkämen; die Marke bezeichne daher bloss ein für die gegebene Warenart charakteristisches gemeinfreies Ausstattungsmerkmal und sei nicht schutzfähig. Ähnlich verhält es sich nach einem Urteil vom 21. November 1975, in dem das Bundesgericht die Marke "3 x 3 pocket" abgelehnt hat, weil sie auf eine besondere Verpackungsart für Schokolade hinweise. In seiner Vernehmlassung beruft das Amt sich auch auf das deutsche Warenzeichengesetz (WZG), das in § 4 Ziff. 1 u.a. Zeichen aus Wörtern ausschliesst, "die Angaben über Art, Zeit und Ort der Herstellung, über die Beschaffenheit, über die Bestimmung, über Preis-, Mengen- oder Gewichtsverhältnisse der Waren enthalten". In Lehre und Rechtsprechung BGE 103 Ib 268 S. 274 werden Hinweise auf die Verpackung solchen Angaben gleichgestellt (BAUMBACH/HEFERMEHL, Warenzeichenrecht, 10. Aufl. N. 25 zu § 4, N. 52 zu § 1 WZG ; REIMER, Warenzeichengesetz, 4. Aufl. S. 65; BUSSE, Warenzeichengesetz, 4. Aufl. S. 123/4; VON GAMM, Warenzeichengesetz, S. 188 und 210; Entscheidungen des Bundespatentgerichtes vom 25. Oktober 1972 und vom 4. Juni 1931). Die Art. 3 Abs. 2 und 14 Ziff. 2 MSchG befassen sich nicht mit Einzelheiten, sondern verbieten ganz allgemein Zeichen, die Gemeingut sind oder zur Hauptsache aus solchem bestehen. Das erlaubt, den Begriff der Beschaffenheitsangabe auf die äussere Ausstattung der Ware und damit auf deren Verpackung auszudehnen. Dies gilt umsomehr, als viele Waren ohne Verpackung gar nicht in Verkehr gebracht werden können. Auch diesfalls ist aber zu beachten, dass nur als Gemeingut anzusehende Zeichen schutzunfähig sind, zwischen der Marke und der äusseren Aufmachung der Ware also eine sachliche Beziehung besteht, die ohne besondere Überlegungen ersichtlich ist. b) Bezüglich der äussern Ausstattung einer Ware ist zum vorneherein zu unterscheiden, ob eine Marke auf die graphische und farbliche Gestaltung oder bloss auf eine Art oder Form der Verpackung hinweist. Trifft letzteres zu, so leuchtet ein, dass ein Zeichen in der Regel als Gemeingut anzusehen ist und daher nicht als Marke geschützt werden darf. Dies gilt nicht nur für die vom Amt konstruierten Beispiele "Papiersack" und "Goldflasche", sondern überhaupt für Umhüllungen oder Behälter, in denen Waren angeboten werden. Der Grund dafür liegt darin, dass jedermann technisch einfache und billige Arten und Formen der Verpackung wählen darf, folglich nicht durch das Markenrecht daran gehindert werden soll, in der Werbung auf diese Vorteile Bezug zu nehmen ( BGE 103 II 215 E. 3a). Ein solches Freihaltebedürfnis besteht dagegen nicht, wenn es um die graphische oder farbliche Gestaltung der Verpackung geht, weil es dafür unzählige Möglichkeiten gibt. Diesfalls lässt sich meistens nicht einmal einigermassen verlässlich entscheiden, ob die Marke wirklich auf Farben oder eine Abbildung der Verpackung hinweise oder ob nicht gegenteils eine schlichte Phantasiebezeichnung vorliege. Darüber lässt sich im vorliegenden Fall ebenfalls nichts Sicheres aussagen. Immerhin ist die Bedeutung der Marke "RED & WHITE" BGE 103 Ib 268 S. 275 doch eher in ihrem eindrücklichen Wort- und Klangbild als in einem Hinweis auf die rot/weisse Packung zu suchen. Wollte man solche Anspielungen auf Farben oder Abbildungen der Verpackung genügen lassen, um eine Marke für unzulässig zu erklären, so ergäben sich oft Entscheide, die sachlicher Rechtfertigung entbehrten. Wer für Kaffee die Marke "Café Zaun" führt, macht diese nicht zu einer unstatthaften Beschaffenheitsangabe, wenn er auf der Packung einen Zaun abbildet; und wer für Tabakwaren die Phantasiebezeichnung "ROSA BIANCA" wählt, darf die Packung mit einem Muster weisser Rosen schmücken, ohne dass die Wortmarke damit beschreibend und Gemeingut im Sinne des Markenrechts wird. Die Marke "RED & WHITE" ist daher selbst dann nicht zu beanstanden, wenn die Zigarettenpackung der Beschwerdeführerin in rot und weiss gehalten ist. Die Mitbewerber werden durch die Wortmarke nicht gehindert, die gleiche Farbkombination zu verwenden, da der Schutz des Markenrechts sich auf das Zeichen beschränkt. Zu Bedenken besteht umsoweniger Anlass, als es sich zumindest um einen Grenzfall handelt und im Zweifel eher eine gewisse Zurückhaltung der Verwaltungsbehörde angezeigt ist, zumal im Streitfall die Überprüfung durch den Zivilrichter vorbehalten bleibt (TROLLER, a.a.O. S. 355; H. DAVID, a.a.O. S. 91 und 227; MATTER, a.a.O. S. 60, 67 und 175). Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird gutgeheissen, die Verfügung des Eidg. Amtes für geistiges Eigentum vom 22. April 1977 aufgehoben und das Amt angewiesen, die Wortmarke "RED & WHITE" im Register zu erneuern.
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de
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Urteilskopf 101 Ia 116 22. Urteil vom 9. Juli 1975 i.S. X gegen Verwaltungsgericht des Kantons Aargau und Kanton Aargau.
Regeste Art. 4 BV ; kantonales Steuerrecht, Treu und Glauben. 1. Unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes vermag in der Regel nur eine individuell-konkrete Zusicherung der Verwaltung an den Bürger eine Abweichung vom Gesetz zu rechtfertigen. Wer sich auf eine dem Steuergesetz widersprechende Vollziehungsvorschrift der Verwaltung verlassen und entsprechende Dispositionen getroffen hat, besitzt daher keinen Anspruch, abweichend vom Gesetz besteuert zu werden (E. 2a). 2. Ausnahmsweise kann aber auch in Fällen dieser Art der Vertrauensschutz dem Legalitätsprinzip vorgehen, wenn besondere Voraussetzungen erfüllt sind (E. 2b).
Sachverhalt ab Seite 116 BGE 101 Ia 116 S. 116 A.- Art. 214 ZGB bestimmt über die Auflösung des ehelichen Vermögens bei der Güterverbindung folgendes: "Ergibt sich nach der Ausscheidung des Mannes- und Frauengutes ein Vorschlag, so gehört er zu einem Drittel der Ehefrau oder ihren Nachkommen und im übrigen dem Ehemann oder seinen Erben. Erzeigt das eheliche Vermögen einen Rückschlag, so wird er vom Ehemann oder seinen Erben getragen, soweit nicht nachgewiesen wird, dass ihn die Ehefrau verursacht hat. Durch Ehevertrag kann eine andere Beteiligung am Vorschlag oder Rückschlag verabredet werden." BGE 101 Ia 116 S. 117 Nach § 1 Abs. 1 des aargauischen Gesetzes über die Erbschafts- und Schenkungssteuer vom 16. Februar 1922 (EStG) unterliegt der Besteuerung das Vermögen, das durch gesetzliche Erbfolge, letztwillige Verfügung, Erbvertrag, Schenkung oder "anderweitige Zuwendung" jemandem zu Eigentum anfällt. Nähere Vorschriften über die Steuerpflicht und den Gegenstand der Steuer finden sich in der regierungsrätlichen Vollziehungsverordnung zum EStG vom 16. Februar 1928 (VVEStG). Gemäss § 2 VVEStG unterliegt der Besteuerung der "unentgeltliche Vermögensanfall im Sinne von § 1 des Gesetzes"; als "anderweitige Vermögenszuwendung" (im Sinne von § 1 EStG) gilt jede Zuwendung durch beidseitig verpflichtenden Vertrag, bei dem die Verpflichtungen beider Parteien "nicht annähernd gleichwertig" sind. § 4 Abs. 1-3 VVEStG lautet: "1 Der Anfall des überlebenden Ehegatten aus dem ehelichen Vermögen unterliegt, vorbehältlich der Bestimmung von § 4 Abs. 1 Ziff. 1 des Gesetzes, nur insoweit der Steuerpflicht, als er auf erbrechtlicher und nicht güterrechtlicher Ausscheidung beruht. 2 Im Falle der Güterverbindung ist daher steuerfrei, was dem überlebenden Ehemann über das Frauengut hinaus verbleibt (Art. 212 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches), was die überlebende Ehefrau zurücknehmen und zurückfordern kann (Art. 213 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches), sowie was dem überlebenden Ehegatten als Vorschlag gehört (Art. 214 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches). 3 Im Falle der Gütergemeinschaft unterliegt der Besteuerung, was dem überlebenden Ehegatten mehr zufällt, als ihm bei der Ausscheidung gemäss Art. 225 Abs. 1 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches zukommen würde. 4 ..." (Der in § 4 Abs. 1 VVEStG vorbehaltene § 4 Abs. 1 Ziff. 1 des Gesetzes gewährt dem Ehegatten einen steuerfreien Abzug in der Höhe seines Pflichtteils.) B.- Die im Kanton Aargau wohnhaften Ehegatten X. schlossen 1958 einen Ehevertrag mit folgendem Inhalt: "1. Als Güterstand wird die Güterverbindung beibehalten. Dagegen wird die Vorschlagsverteilung gemäss Art. 214 Abs. 3 ZGB dahin abgeändert, dass dem überlebenden Ehegatten bei Auflösung der Ehe infolge Todes der gesamte Vorschlag anfällt. 2. Zur Festsetzung des Vorschlages wird konstatiert, dass der Ehemann kein Vermögen in die Ehe eingebracht hat und auch keines erbte. Die Ehefrau dagegen hat die ganze Aussteuer in die Ehe eingebracht und hat zudem eine Erbschaft von Fr. 75'000.-- gemacht. BGE 101 Ia 116 S. 118 ..." Der Ehemann starb am 31. Januar 1974. Die aargauische Steuerverwaltung veranlagte mit Einspracheentscheid vom 13. September 1974 Frau X. zu einer Erbschafts- und Schenkungssteuer von Fr. 131'461.10. Sie brachte von den vorhandenen Aktiven von rund Fr. 2'010'000.-- ausser der Frauengutsforderung von rund Fr. 187'000.-- und Schulden von rund Fr. 15'000.-- als Vorschlagsanteil der Ehefrau lediglich den gesetzlichen Drittel gemäss Art. 214 Abs. 1 ZGB in Abzug, dessen Höhe sie auf Fr. 607'000.-- festsetzte, und behandelte den Rest von rund Fr. 1'200'000.-- als "erbschaftssteuerrechtliches Reinvermögen". Frau X. führte hiegegen beim Verwaltungsgericht des Kantons Aargau Beschwerde. Sie vertrat in erster Linie den Standpunkt, sie schulde keine Erbschaftssteuer, da das fragliche Vermögen nicht kraft Erbrechtes, sondern aufgrund der ehevertraglichen Vereinbarung über die Vorschlagsteilung auf sie übergegangen sei und daher nach dem klaren Wortlaut von § 4 VVEStG nicht der Erbschafts- und Schenkungssteuer unterliege. C.- Mit Urteil vom 14. März 1975 wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde ab, im wesentlichen mit der Begründung, dass als "anderweitige Zuwendung" im Sinne von § 1 EStG auch güterrechtliche Zuwendungen zu behandeln seien, wenn sie schenkungsähnlichen Charakter hätten, was hier anzunehmen sei. Der abweichende Wortlaut von § 4 der Vollziehungsverordnung widerspreche dem Gesetz und sei daher unbeachtlich. Dies habe das aargauische Obergericht schon in zwei früheren Urteilen in den Jahren 1946 und 1955 festgestellt. D.- Frau X. führt hiegegen wegen Verletzung von Art. 4 BV staatsrechtliche Beschwerde. Verwaltungsgericht und Steueramt des Kantons Aargau haben auf Vernehmlassung verzichtet. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Die kantonalen Behörden nehmen an, nach Wortlaut und Sinn von § 1 EStG unterliege jeglicher Vermögensanfall der Besteuerung, sofern er unentgeltlich sei. Steuerbar seien gegebenenfalls auch güterrechtliche Zuwendungen, soweit sie schenkungsähnlichen Charakter hätten und daher als unentgeltlich bezeichnet werden könnten. BGE 101 Ia 116 S. 119 Was die Beschwerdeführerin gegen diese Gesetzesauslegung vorbringt, schlägt unter dem Gesichtswinkel der Willkür nicht durch. Wie das Bundesgericht bereits in einem Entscheid vom 11. Februar 1959 (ASA 28, S. 348 ff.) festgestellt und begründet hat, beruht die von den kantonalen Behörden geübte Praxis auf einer haltbaren Auslegung von § 1 EStG; es ist nach Sinn und Wortlaut dieser Gesetzesvorschrift zulässig, gegebenenfalls auch die ehevertraglich vereinbarte Zuweisung einer über den gesetzlichen Teil hinausgehenden Vorschlagsquote an den überlebenden Ehegatten der Steuerpflicht zu unterwerfen, wenn dies nach den konkreten Umständen einer unentgeltlichen Vermögenszuwendung gleichkommt. 2. Damit sind jedoch die verfassungsrechtlichen Bedenken gegenüber dem Vorgehen der aargauischen Behörden noch nicht beseitigt. Die Beschwerdeführerin weist mit Grund darauf hin, dass die Auslegung, welche die Steuerbehörden § 1 EStG geben, mit dem Wortlaut von § 4 VVEStG im Widerspruch steht. Dieser erklärt in Absatz 1 den Anfall des überlebenden Ehegatten nur insoweit als steuerpflichtig, "als er auf erbrechtlicher und nicht güterrechtlicher Ausscheidung beruht". In Absatz 2 wird diese Regel für den Fall der Güterverbindung präzisiert: danach ist u.a. auch steuerfrei, "was dem überlebenden Ehegatten als Vorschlag gehört (Art. 214 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches)". Dass beim Erlass der Verordnung an die Möglichkeit einer von der gesetzlichen Ordnung abweichenden Güterausscheidung gedacht wurde, geht aus dem nachfolgenden Absatz 3 hervor, wo für den Fall der Gütergemeinschaft ein diesbezüglicher Vorbehalt gemacht wird. Absatz 2 enthält keinen entsprechenden Vorbehalt. Nach Wortlaut und Sinn dieser Verordnungsbestimmung ist der dem überlebenden Ehegatten zukommende Vorschlag auch dann von der Steuer befreit, wenn gemäss Art. 214 Abs. 3 ZGB eine von der gesetzlichen Regel abweichende Vorschlagsteilung vereinbart worden ist. Das Verwaltungsgericht hat denn auch zu Recht eingeräumt, dass bei Anwendung von § 4 Abs. 1 und 2 VVEStG die Beschwerdeführerin für den ihr aufgrund des Ehevertrages von 1958 gesamthaft zugewiesenen Vorschlag keiner Steuerpflicht unterworfen wäre. Es vertritt jedoch die Auffassung, diese Verordnungsvorschrift sei durch die Umschreibung des Steuerobjektes in § 1 EStG nicht gedeckt und daher insoweit unverbindlich. Die Zuwendung einer BGE 101 Ia 116 S. 120 über den gesetzlichen Anteil hinausgehenden Vorschlagsquote sei nur dann von der Steuer befreit, wenn besondere Gründe dies rechtfertigten, was hier nicht dargetan sei. a) Diese Auslegung hält, soweit sie sich auf § 1 EStG stützt, vor Art. 4 BV stand. Es ist auch richtig, dass sich der Gegenstand der Steuerpflicht in erster Linie nach dem Gesetz bestimmt und dass die in einer Vollziehungsverordnung enthaltenen Normen keine Abweichung vom Gesetz zu rechtfertigen vermögen. Der Steuerpflichtige, der sich auf eine dem Gesetz widersprechende Verordnungsvorschrift verlassen und entsprechende Dispositionen getroffen hat, kann sich grundsätzlich nicht auf Treu und Glauben berufen, wenn ihm gegenüber das Gesetz in seiner richtigen Auslegung zur Anwendung gebracht wird. Unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes vermag in der Regel nur eine individuell-konkrete, d.h. an einen bestimmten Bürger gerichtete und auf einen bestimmten Fall bezogene Zusicherung der Verwaltungsbehörde eine Abweichung vom Gesetz zu rechtfertigen ( BGE 99 Ib 101 ; URS GUENG, Zur Verbindlichkeit verwaltungsbehördlicher Auskünfte und Zusagen, ZBl Bd. 71/1970 S. 473 ff.). Der Bürger, der sich lediglich am Wortlaut generell-abstrakter Normen orientiert, handle es sich um das Gesetz oder um eine ausführende Verordnung, muss das Risiko tragen, dass er den wahren Sinn der Norm nicht erfasst oder die Nichtigkeit einer Vorschrift übersieht. Dies gilt auch für die Handhabung einer Vollziehungsverordnung, welche die im Gesetz umschriebenen Voraussetzungen der Steuerpflicht präzisiert oder konkretisiert. Der Bürger muss in Kauf nehmen, dass die rechtsanwendende Behörde derartigen Verordnungsvorschriften die Gefolgschaft verweigert, wenn sie sich als gesetzwidrig erweisen. Der Grundsatz der Legalität geht insoweit dem Vertrauensschutz des Einzelnen vor, ansonst die Verwaltung in der Lage wäre, durch dem Gesetzessinn widersprechende Ausführungsbestimmungen den Willen des Gesetzgebers mit Hilfe des Vertrauensschutzes zu überspielen. b) In besonderen Fällen kann sich aber eine Durchbrechung dieses Grundsatzes rechtfertigen. So hat das Bundesgericht entschieden, dass sich die Steuerpflichtigen hinsichtlich der Tragweite einer Steueramnestie auf die von der Steuerbehörde herausgegebene öffentliche Wegleitung verlassen dürfen, selbst wenn die darin enthaltenen Zusicherungen "etwas BGE 101 Ia 116 S. 121 über die gesetzliche Ordnung hinausgehen" ( BGE 91 I 133 ff.). Der Vertrauensschutz kann in gewissen Fällen somit selbst dann, wenn keine individuell-konkrete Zusicherung der Verwaltung vorliegt, gegenüber dem Gebot der Legalität den Vorzug verdienen (GUENG, a.a.O. S. 478; IMBODEN, Schweiz. Verwaltungsrechtsprechung 3. A. Bd. 1 Nr. 343 V, S. 225). Eine derartige Ausnahme drängt sich auch im vorliegenden Fall auf: aa) Es entspricht einem legitimen Bedürfnis, dass sich der Bürger bei Abschluss eines güterrechtlichen Vertrages aufgrund der einschlägigen Normen über die steuerlichen Folgen seines Vorgehens Aufschluss verschaffen kann, und es ist auch durchaus zulässig und verständlich, dass er bei der Gestaltung seiner güterrechtlichen Verhältnisse im Rahmen des angestrebten Zweckes und des gesetzlich Möglichen nach einer Lösung sucht, die steuerlich für ihn günstig ist. Das EStG umschreibt in § 1 den Gegenstand der Steuer insoweit in sehr allgemeiner Weise, als es neben dem Vermögensanfall durch gesetzliche Erbfolge, letztwillige Verfügung, Erbvertrag und Schenkung generell auch "anderweitige Vermögenszuwendungen" als steuerpflichtig erklärt, ohne für diesen letzteren Fall die Voraussetzungen näher zu umschreiben. Dass in sämtlichen in § 1 EStG genannten Tatbeständen die Vermögenszuwendung unentgeltlich erfolgt sein muss, wird beispielsweise erst durch § 2 der Vollziehungsverordnung klargestellt, und auch der in § 1 EStG verwendete Begriff der "anderweitigen Vermögenszuwendung" - als welche das hier streitige Geschäft qualifiziert wurde - wird einzig in der VVEStG näher umschrieben. Der durch eine derartige "anderweitige Vermögenszuwendung" Begünstigte kann sich daher zum vornherein nur an die diesbezüglichen Bestimmungen der Verordnung halten, wenn er sich über die Frage der Steuerpflicht Aufschluss verschaffen will. Es besteht somit ein erhöhtes Bedürfnis nach Schutz des Vertrauens in die Richtigkeit der ausführenden Vorschriften der VVEStG. Anderseits ist die behauptete Gesetzwidrigkeit der fraglichen Verordnungsvorschrift nicht offensichtlich erkennbar und auch nicht völlig klar und eindeutig nachweisbar. Der Gesetzgeber verzichtete auf eine detaillierte Umschreibung der Steuertatbestände und überliess es offenbar bewusst der zu erlassenden Vollziehungsverordnung, insbesondere auch die BGE 101 Ia 116 S. 122 möglichen Fälle "anderweitiger Vermögenszuwendung" im Sinne von § 1 EStG zu konkretisieren und abzugrenzen. Mangels einer klaren Norm des Gesetzes hatte der Regierungsrat bei der präzisierenden Umschreibung der Steuertatbestände zum vornherein einen gewissen Spielraum. Die in der Praxis entwickelten, von § 4 VVEStG abweichenden Grundsätze über die steuerliche Behandlung der güterrechtlichen Vorschlagszuweisung dürften zwar dem Sinn des EStG, wie ausgeführt, eher entsprechen, doch ist die vom Wortlaut der Verordnung abweichende Auslegung des Gesetzes nicht überhaupt die einzig vertretbare; auch für die in § 4 VVEStG getroffene Regelung liessen sich einige beachtenswerte Gründe anführen. Jedenfalls hatte der mit der aargauischen Steuerpraxis nicht vertraute Bürger keinen Anlass, an der Gesetzmässigkeit von VVEStG zu zweifeln und sich vor Abschluss eines Gütervertrages nach dem Bestehen einer etwaigen abweichenden Praxis zu erkundigen. bb) Dessenungeachtet müsste die Beschwerdeführerin die vom Wortlaut der Verordnung abweichende Besteuerung wohl hinnehmen, wenn die Gesetzwidrigkeit von § 4 VVEStG eben erst entdeckt worden wäre und mit einer Änderung dieser Ausführungsbestimmung innert tunlicher Frist gerechnet werden könnte. Es liesse sich allenfalls ohne Verletzung von Art. 4 BV die Auffassung vertreten, trotz der geschilderten besonderen Umstände verdiene das Gebot der Legalität vor jenem des Vertrauensschutzes den Vorzug. Die Frage kann jedoch offen bleiben, denn es tritt im vorliegenden Fall noch ein weiterer, entscheidender Umstand hinzu, der jedenfalls die Rechtslage zugunsten der Beschwerdeführerin ändert. Wie sich aus den im angefochtenen Entscheid angeführten beiden Urteilen des aargauischen Obergerichts aus dem Jahre 1946 und 1954 (VJS 1946 S. 32 ff. und AGVE 1955 S. 133 ff.) ergibt, ist die Gesetzwidrigkeit der fraglichen Verordnungsbestimmung der Steuerbehörde des Kantons Aargau schon seit Jahrzehnten bekannt. Sie hätte daher schon längst Anlass und Gelegenheit gehabt, beim Regierungsrat eine Anpassung dieser Vorschrift zu erwirken, um sie mit der tatsächlich geübten Praxis in Einklang zu bringen und um den Bürger vor irrtümlichen Vorstellungen über die Steuerfolgen güterrechtlicher Verträge zu bewahren. Wieso dies bis heute unterblieben ist, ist kaum verständlich. Auch wenn man annimmt, dass die BGE 101 Ia 116 S. 123 Unterlassung seitens der verantwortlichen Organe unbeabsichtigt war, so handelt es sich objektiv doch um ein widersprüchliches Verhalten der aargauischen Behörde, das mit dem Grundsatz von Treu und Glauben wie auch mit dem Gebot der Rechtssicherheit unvereinbar ist und gegen Art. 4 BV verstösst. Es ist durchaus denkbar und glaubhaft, dass die Beschwerdeführerin und ihr verstorbener Ehemann, wenn ihnen die vom Wortlaut von § 4 VVEStG abweichende Praxis der Steuerbehörde bekannt gewesen wäre, die 1958 abgeschlossene Vereinbarung über die besondere Art der Vorschlagsteilung nicht getroffen oder nachträglich abgeändert und z.B. einen sofortigen Übergang des Vermögens auf die Nachkommen angeordnet hätten, um eine zweimalige Besteuerung desselben zu vermeiden. Das Vorgehen der aargauischen Behörde, welche seit Jahrzehnten zulässt, dass die Bürger durch gesetzwidrige und daher nichtige, formell aber in Kraft gebliebene Ausführungsbestimmungen zu einem Steuergesetz irregeführt und gegebenenfalls dadurch zu steuerlich nachteiligen Dispositionen veranlasst werden, verstösst gegen die Grundsätze rechtsstaatlichen Handelns. Die verfassungsrechtliche Sanktion muss im vorliegenden Fall darin bestehen, dass die Steuerbehörde die Bestimmung von § 4 Abs. 2 VVEStG gegenüber der Beschwerdeführerin, die sich bei der Gestaltung ihrer güterrechtlichen Verhältnisse darauf verlassen hatte, zur Anwendung zu bringen hat, auch wenn dies mit den - immerhin nicht sehr klaren - Vorschriften des EStG nicht im Einklang stehen mag. Es ist Sache des aargauischen Regierungsrates, den fraglichen Mangel der Verordnung innert nützlicher Frist zu beheben, um weitere Konflikte der vorliegenden Art auszuschliessen und eine lückenlose gesetzmässige Besteuerung zu ermöglichen. In diesem Sinne ist die staatsrechtliche Beschwerde gutzuheissen. Dieses Ergebnis steht zum Bundesgerichtsurteil vom 11. Februar 1959 (ASA 28 S. 348 ff.) nicht in Widerspruch. Das Bundesgericht hatte damals die hier aufgeworfene Frage ausdrücklich vorbehalten, indem es feststellte, die vom Obergericht vertretene Rechtsauffassung, § 4 VVEStG müsse mangels gesetzlicher Grundlage unbeachtet bleiben, sei vom Beschwerdeführer nicht rechtsgenüglich angefochten worden. Es prüfte dementsprechend lediglich, ob die geübte Praxis mit § 1 EStG vereinbar war. BGE 101 Ia 116 S. 124 cc) Da die Beschwerde schon aus den dargelegten grundsätzlichen Erwägungen gutzuheissen ist, brauchen die übrigen Rügen und Einwände, mit denen die Beschwerdeführerin eine Befreiung von der Steuer bzw. eine Herabsetzung derselben herbeiführen will, nicht mehr geprüft zu werden. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Beschwerde wird gutgeheissen und das Urteil des Verwaltungsgerichtes des Kantons Aargau vom 14. März 1975 aufgehoben.
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Urteilskopf 104 Ib 103 19. Urteil vom 19. Mai 1978 i.S. Polizeidepartement des Kantons Schwyz gegen Grätzer und Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz
Regeste Vorsorgliche Verweigerung der Abgabe des Lernfahrausweises. Die Sperrung des Lernfahrausweises auf unbestimmte Zeit, verfügt gegen eine Person unter 18 Jahren wegen Fahrens ohne den erforderlichen Ausweis ( Art. 95 Abs. 1 Satz 1 SVG ), entbehrt der gesetzlichen Grundlage (Erw. 1). Bewirbt sich diese Person nach Erreichen des Mindestalters um den Ausweis, kann sie nicht grundsätzlich als charakterlich untauglich im Sinne von Art. 14 Abs. 2 lit. d SVG eingestuft werden (Erw. 2).
Sachverhalt ab Seite 104 BGE 104 Ib 103 S. 104 Stefan Grätzer, geboren am 21. Februar 1960, fuhr am 5. Juli 1977 mit einem selber gebastelten Kleinmotorrad auf der Grotzenmühlestrasse in Einsiedeln Richtung Möösli - Bolzberg. Stefan Grätzer besass keinen Führerausweis, sein Motorrad wies keine Kontrollschilder auf, und eine Haftpflichtversicherung dafür hatte er keine abgeschlossen. Gegenüber der Polizei anerkannte Grätzer, bereits früher zweimal mit dem selben Motorrad auf öffentlicher Strasse Fahrten unternommen zu haben. Am 18. August 1977 verfügte das Polizeidepartement des Kantons Schwyz (Polizeidepartement), gestützt auf Art. 14 Abs. 2 lit. d SVG sei Grätzer die Abgabe eines Lernfahrausweises auf unbestimmte Zeit zu verweigern. Mit Beschwerde vom 20. August 1977 an das Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz (Verwaltungsgericht) beantragt der Vater von Grätzer sinngemäss, diese Verfügung sei aufzuheben. Am 18. Oktober 1977 hiess das Verwaltungsgericht die Beschwerde gut und hob die angefochtene Verfügung auf. BGE 104 Ib 103 S. 105 Gegen diesen Entscheid hat das Polizeidepartement beim Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereicht. Es stellt das Begehren, der Entscheid des Verwaltungsgerichts sei aufzuheben und Grätzer sei der Lernfahrausweis auf unbestimmte Zeit zu verweigern. Das Verwaltungsgericht beantragt Abweisung der Beschwerde. Die Polizeiabteilung des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartementes beantragt ebenfalls Abweisung der Beschwerde mit der Begründung, dass im vorliegenden Fall die gesetzliche Grundlage für eine Verweigerung des Lernfahrausweises fehle. Bis anhin, d.h. auch noch in ihrer Vernehmlassung an das Verwaltungsgericht, hatte die Polizeiabteilung die Meinung vertreten, die vorsorgliche Verweigerung eines Lernfahrausweises sei zulässig, auch wenn noch kein Gesuch um Erteilung des Ausweises vorliege. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Nach Art. 14 Abs. 2 lit. d SVG darf der Lernfahrausweis nicht erteilt werden, wenn der Bewerber nach seinem bisherigen Verhalten nicht Gewähr bietet, dass er als Motorfahrzeugführer die Vorschriften beachten und auf die Mitmenschen Rücksicht nehmen werde. Das Führen eines Motorfahrzeuges ohne den erforderlichen Ausweis bedeutet ein gewichtiges Indiz dafür, dass die charakterliche Eignung zum Führen eines Motorfahrzeuges fehlt. In der Praxis gilt deshalb die Regel, dass Personen, die vor ihrer Bewerbung um den Lernfahrausweis wegen Führens eines Motorfahrzeuges ohne Ausweis bestraft worden sind, den Lernfahrausweis erst nach Ablauf von 6 Monaten seit der Widerhandlung erhalten sollen (Ziff. 226 der Richtlinien über die Administrativmassnahmen im Strassenverkehr der Interkantonalen Kommission für den Strassenverkehr). Die Beschwerdeführerin vertritt die Ansicht, die gesetzliche Regelung sei insofern nicht abschliessender Natur, als sie ebenfalls die Verweigerung des Lernfahrausweises zulasse, ohne dass ein Gesuch um dessen Erteilung eingereicht worden sei. Dabei beruft sie sich auf die konstante Praxis mehrerer Kantone und die damalige Auffassung der Polizeiabteilung. BGE 104 Ib 103 S. 106 Die Verweigerung des Lernfahrausweises wegen Fahrens ohne den erforderlichen Ausweis kommt in ihrer Wirkung dem Entzug des Führerausweises insofern gleich, als es sich um eine administrative Massnahme handelt, die um der Verkehrssicherheit willen angeordnet wird (vgl. BGE 101 I b 273, 96 I 772). Eine solche Verweigerung wird wie der Entzug eines bereits erteilten Ausweises an die Strassenverkehrsämter der anderen Kantone mitgeteilt, was eine beträchtliche Belastung des automobilistischen Leumundes auf Jahre hinaus zur Folge hat. Auch kommt die verschärfte Strafandrohung von Art. 95 Abs. 2 SVG auf den von einer solchen vorsorglichen Verweigerung Betroffenen zur Anwendung; die Kosten des Verwaltungsverfahrens muss er ebenfalls tragen. Mit ihrer Wirkung muss die Massnahme - gleich wie der Entzug eines bereits erteilten Führerausweises - wie eine Strafe empfunden werden ( BGE 96 I 772 ). Aus den beschriebenen Konsequenzen ist ersichtlich, dass Grätzer von der umstrittenen Verfügung des Polizeidepartementes auf jeden Fall erheblich belastet wurde. Nach dem allgemeinen Rechtsgrundsatz gesetzmässiger Verwaltung darf ein solcher Eingriff nicht ohne gesetzliche Grundlage erlassen werden ( BGE 84 I 93 , BGE 65 I 300 ; IMBODEN/RHINOW, Verwaltungsrechtsprechung, 5. Aufl., S. 300, VII). Weder Wortlaut noch Sinngehalt von Art. 14 Abs. 2 lit. d SVG lassen jedoch auf die erforderliche Ermächtigung des Polizeidepartementes zu der von ihm verhängten Präventivmassnahme schliessen. 2. Die angerufene Praxis beinhaltet, dass das Polizeidepartement die Verweigerung des Lernfahrausweises für Personen unter 18 Jahren auf unbestimmte Zeit ansetzt. Sobald der Betroffene 18 Jahre alt wird, kann auf sein Gesuch hin die Verweigerung auf sechs Monate begrenzt werden. Nach Ablauf dieser sechs Monate kann auf weiteres Gesuch hin die Verweigerung beseitigt und der Ausweis erteilt werden. Nach den Angaben der Beschwerdeführerin bezweckt dieses Vorgehen eine Gleichstellung der noch nicht 18jährigen und der über 18jährigen Personen, die wegen Fahrens ohne den erforderlichen Ausweis bestraft worden sind; denn nach der erwähnten Ziff. 226 der Richtlinien der Interkantonalen Kommission für den Strassenverkehr wird den Delinquenten über 18 Jahren der Lernfahrausweis erst nach Ablauf von 6 Monaten seit der Widerhandlung erteilt. BGE 104 Ib 103 S. 107 Es ist nun nicht ersichtlich, warum diese sechsmonatige Sperrfrist in der oben beschriebenen Weise auf Delinquenten unter 18 Jahren angewendet werden soll. In vielen Fällen verfliessen mehr als 6 Monate, bevor sich solche Personen überhaupt für den Lernfahrausweis bewerben können. Das war auch bei Grätzer der Fall, der zur Zeit seiner gesetzwidrigen Fahrten etwa 17 Jahre und 4 Monate alt war. Erliegt, als Extrembeispiel, ein 15Jähriger der Versuchung, auf öffentlicher Strasse ein Motorrad zu fahren, so kann unmöglich behauptet werden, ihm müsse mit 18 Jahren unter allen Umständen für seine Verkehrstauglichkeit eine schlechte Prognose im Sinne von Art. 14 Abs. 2 lit. d SVG gestellt werden. In solchen Fällen drängt sich eine Beurteilung von Fall zu Fall auf. Art. 14 Abs. 2 SVG verpflichtet denn auch die Behörden dazu, die Eignung eines Bewerbers, oder deren Fehlen, auf Grund aller zur Zeit der Gesuchstellung bekannten Tatsachen und vorhandenen Indizien abzuklären. Dabei stellt eine allfällige frühere Straffälligkeit ein wichtiges Indiz dar. Eine Praxis, die jeden Bewerber, der vor Erreichen des Mindestalters nach Art. 95 Abs. 1 Satz 1 SVG bestraft worden ist, grundsätzlich als charakterlich untauglich im Sinne von Art. 14 Abs. 2 lit. d SVG einstuft und ihm eine weitere Sperrfrist von sechs Monaten auferlegt, ist jedoch sachlich nicht gerechtfertigt. 3. Die Beschwerdeführerin macht zugunsten ihrer Praxis Gründe der administrativen Zweckmässigkeit geltend. Nur die vorsorgliche Verweigerungsverfügung mache die automatische Meldung an die Strassenverkehrsämter der anderen Kantone überhaupt möglich. Nur wenn zusätzlich zum Strafurteil eine Administrativmassnahme verhängt werde, könne beim Wohnsitzwechsel eines Gesuchstellers die Behörde des anderen Kantons von dessen früherer Straffälligkeit Kenntnis erhalten. Nach Art. 12 Abs. 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Strassenverkehr vom 27. Oktober 1976 (VZV) hat jeder Bewerber für einen Lernfahrausweis ein Gesuchsformular nach Anhang 4 VZV wahrheitsgemäss und unter Androhung administrativer und strafrechtlicher Folgen auszufüllen. Dieses Formular enthält auch eine Frage nach dem früheren Wohnort. Gemäss Art. 13 Abs. 1 VZV lässt die Behörde die Personalien überprüfen und zieht nötigenfalls bei früheren Wohnsitzkantonen Informationen ein. In einem zweifelhaften Fall kann sie sich mit der Frage nach einem früheren Wohnort auch an die Einwohnerkontrolle wenden. BGE 104 Ib 103 S. 108 Daraus ergibt sich, dass die Strassenverkehrsämter nicht auf die Verweigerungsverfügung angewiesen sind, um bei der Erteilung des Lernfahrausweises den ihnen vom Gesetz übertragenen Abklärungsauftrag zu erfüllen. Ist eine Person vor Erreichen des Mindestalters wegen Fahrens ohne Ausweis bestraft worden, und stellt diese Person später - nach Vollendung des 18. Altersjahres - ein Gesuch um Erteilung des Führerausweises, so hat die zuständige Behörde zum Zeitpunkt der Gesuchstellung zu überprüfen, ob die charakterliche Eignung zum Führen eines Motorfahrzeuges vorhanden ist. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Beschwerde wird abgewiesen.
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Urteilskopf 114 IV 168 47. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 3. Oktober 1988 i.S. X. gegen Bundesamt für Zivilluftfahrt und Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste Art. 48 LFV ; Aussenlandungen von Luftfahrzeugen zu Ausbildungszwecken. Nicht jede Aussenlandung, die ein noch relativ unerfahrener Inhaber eines Ausweises für Privat-Hubschrauberpiloten, der den Erwerb einer Erweiterung für Landungen im Gebirge anstrebt, in Begleitung eines Fluglehrers ausführt, erfolgt zu Ausbildungszwecken. Offengelassen, ob Aussenlandungen auf einer Höhe von weniger als 1100 m ü.M. Bestandteil einer Ausbildung zum Zweck des Erwerbs der Erweiterung für Landungen im Gebirge sein können.
Sachverhalt ab Seite 169 BGE 114 IV 168 S. 169 Mit Strafverfügung vom 30. März 1987 bestrafte das Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) X. wegen Übertretung von Art. 48 Abs. 1 der Verordnung über die Luftfahrt vom 14. November 1973 (LFV; SR 748.01) und Art. 7 der Verordnung über die Rechte und Pflichten des Kommandanten eines Luftfahrzeuges vom 22. Januar 1960 (Kommandantenreglement, VKL, SR 748.225.1) in Anwendung von Art. 91 des Bundesgesetzes über die Luftfahrt vom 21. Dezember 1948 (LFG; SR 748.0) und Art. 1 VStrR mit einer Busse von Fr. 100.--. X. wurde vorgeworfen, er habe am 21. und am 25. August 1986 sowie am 6. September 1986 in Ringlikon/ZH mit einem Hubschrauber Aussenlandungen durchgeführt, ohne im Besitz einer Aussenlandebewilligung bei nicht gewerbsmässigen Flügen gewesen zu sein; er sei Kommandant des Hubschraubers auf dem rechten Sitz gewesen, während der Fluglehrer Z. auf dem linken Sitz, als Passagier, mitgeflogen sei. Der Einzelrichter in Strafsachen am Bezirksgericht Zürich bestätigte am 30. Oktober 1987 nach Ergänzung der Untersuchung die Strafverfügung des BAZL im Schuld- und im Strafpunkt. Erwägungen Auszug aus den Erwägungen: 1. Wer vorsätzlich oder fahrlässig den Bestimmungen des Luftfahrtgesetzes, zwischenstaatlicher Vereinbarungen über die Luftfahrt, der Vollziehungsvorschriften oder einer auf Grund solcher BGE 114 IV 168 S. 170 Bestimmungen unter Hinweis auf die Strafandrohung dieses Artikels an ihn gerichteten Einzelverfügung zuwiderhandelt, wird mit Haft oder mit Busse bis Fr. 20'000.-- bestraft ( Art. 91 Ziff. 1 Abs. 1 LFG ). Für Aussenlandungen von Luftfahrzeugen, d.h. für Landungen ausserhalb der Flugplätze ( Art. 47 LFV ), ist, unter Vorbehalt der Artikel 50-54 LFV, eine im Einzelfall oder auf bestimmte Zeit erteilte Bewilligung erforderlich. Aussenlandungen zu Ausbildungszwecken werden nur im Einzelfall bewilligt ( Art. 48 Abs. 1 LFV ). Zuständig für die Erteilung der Bewilligung ist das BAZL, für Aussenlandungen zu Ausbildungszwecken der Fluglehrer ( Art. 48 Abs. 2 LFV ). Gemäss Art. 7 des Kommandantenreglements ist der Kommandant für die Führung des Luftfahrzeuges nach den gesetzlichen Bestimmungen, den Vorschriften der Luftfahrthandbücher, den anerkannten Regeln der Luftfahrt und den Weisungen des Halters verantwortlich. Der Beschwerdeführer war zur Zeit der inkriminierten Landungen Inhaber eines seit dem 31. Juli 1986 gültigen provisorischen Ausweises mit Kommandantenberechtigung und als solcher befugt, die inkriminierten Landungen alleine, ohne Begleitung eines Fluglehrers, durchzuführen; der (definitive) Ausweis für Privat- Hubschrauberpiloten wurde am 14. September 1986 ausgestellt. Z. ist Inhaber des Ausweises für Hubschrauberfluglehrer; er war aber damals nicht als Fluglehrer bei einer Flugschule registriert. Der Beschwerdeführer trug die drei Flüge, die mit den inkriminierten Landungen in Ringlikon endeten, als Soloflüge ("S") mit der Bemerkung "Training Aussenland." in sein Flugbuch ein. Es ist eine Tatfrage, aus welchem Grund bzw. zu welchem Zweck der Beschwerdeführer die fraglichen Aussenlandungen durchführte; Rechtsfrage ist dagegen, ob der angestrebte Zweck als "Ausbildung" im Sinne von Art. 48 Abs. 2 LFV zu qualifizieren sei. a) Es mag zutreffen, dass der Beschwerdeführer im August/September 1986 eine Ausbildung zwecks Erwerbs einer sog. Erweiterung für Landungen im Gebirge (vgl. Art. 122 des Reglements über die Ausweise für Flugpersonal vom 25. März 1975 (RFP; SR 748.222.1)) absolvierte; darauf deuten die verschiedenen Gebirgslandungen unter 2000 m hin, die er gemäss dem Eintrag in seinem Flugbuch am 6. September 1986 auf dem Rückflug von Ringlikon nach Samedan durchführte. Das bedeutet indessen nicht, dass auch die inkriminierten drei Aussenlandungen in Ringlikon/ZH im Sinne von Art. 48 Abs. 2 LFV zu Ausbildungszwecken erfolgten. BGE 114 IV 168 S. 171 Als Aussenlandungen zu Ausbildungszwecken im Sinne dieser Bestimmung sind grundsätzlich nur diejenigen Landungen zu qualifizieren, welche im Rahmen einer Ausbildung zum Zweck des Erwerbs eines bestimmten Ausweises bzw. einer Erweiterung oder einer Sonderbewilligung etc. (vgl. Art. 1 Abs. 2 RFP) oder zur Auffrischung einer ungenügenden Flugpraxis durchgeführt werden. Ob Aussenlandungen auf einer Höhe von weniger als 1100 m ü.M. (vgl. dazu Art. 50 LFV ) entgegen der Ansicht des BAZL überhaupt Bestandteil einer Ausbildung zwecks Erwerbs der Erweiterung für Landungen im Gebirge sein können, kann mit der Vorinstanz vorliegend offengelassen werden. Die inkriminierten drei Aussenlandungen, die alle an der gleichen Stelle in Ringlikon/ZH, auf einer Höhe von nur 633 m ü.M., erfolgten, erscheinen nicht als Bestandteil einer Ausbildung zwecks Erwerbs der Gebirgserweiterung, sondern als ganz gewöhnliche, vergleichsweise einfache Aussenlandungen, die vor allem den Zweck hatten, eine Begleiterin des Beschwerdeführers aussteigen zu lassen. Wohl mögen auch durch die inkriminierten Aussenlandungen in Ringlikon die Kenntnisse des Beschwerdeführers gefestigt und vertieft worden sein. Das ist indessen als gewissermassen zwangsläufige Folge einer jeden Aussenlandung entgegen den Ausführungen in der Nichtigkeitsbeschwerde für die Beantwortung der Frage, ob die Landungen im Sinne von Art. 48 Abs. 2 LFV zu Ausbildungszwecken erfolgten, ebenso unerheblich wie die Tatsache, dass sich der Beschwerdeführer, der kurz nach Bestehen der Prüfung, im Besitz eines seit dem 31. Juli 1986 gültigen provisorischen Ausweises mit Kommandantenberechtigung, noch über relativ wenig Erfahrung verfügte, von einem Inhaber des Fluglehrerausweises begleiten liess. Entgegen den Ausführungen in der Beschwerdeschrift kann keine Rede davon sein, dass jeder Flug bzw. jede Landung in Begleitung eines bezahlten Fluglehrers im Sinne von Art. 48 Abs. 2 LFV zu Ausbildungszwecken erfolgt. Die inkriminierten Aussenlandungen bildeten nicht Bestandteil einer Ausbildung, sondern waren, entsprechend den zutreffenden Bemerkungen im Flugbuch des Beschwerdeführers, "Training"; sie dienten mithin nicht Ausbildungs-, sondern Übungszwecken (vgl. die diesbezügliche Unterscheidung z.B. in Art. 8 LFG und Art. 51 LFV ), und der Fluglehrer Z. begleitete den Beschwerdeführer als fachkundiger Passagier. Da die inkriminierten Aussenlandungen somit nicht im Sinne von Art. 48 Abs. 2 LFV zu Ausbildungszwecken erfolgten, konnte BGE 114 IV 168 S. 172 die erforderliche Bewilligung nicht von Z. sondern nur vom BAZL erteilt werden. Diese Bewilligung fehlte. Der objektive Tatbestand von Art. 48 Abs. 1 LFV in Verbindung mit Art. 91 LFG ist daher erfüllt. b) Der Beschwerdeführer war als Kommandant gemäss Art. 7 des Kommandantenreglements für die Führung des Luftfahrzeuges nach den gesetzlichen Bestimmungen und damit für das Vorliegen der erforderlichen Aussenlandebewilligung des BAZL verantwortlich. Er war sich nach den hinreichend deutlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil seiner Kommandanteneigenschaft bewusst. Die diesbezügliche Feststellung der Vorinstanz beruht nach den Ausführungen im Urteil des Kassationshofes zur staatsrechtlichen Beschwerde gegen den Beschluss des Zürcher Obergerichts als Kassationsinstanz auf einer vertretbaren Beweiswürdigung. Die allfällige irrtümliche Annahme des Beschwerdeführers, dass jede Aussenlandung im Sinne von Art. 48 Abs. 2 LFV zu Ausbildungszwecken erfolgt, wenn sie von einem noch relativ unerfahrenen Inhaber des Privatpilotenausweises im Beisein eines bezahlten Fluglehrers durchgeführt wird, wäre ein rechtlich unerheblicher Subsumtionsirrtum.
null
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de885504-bf5d-4684-bc3e-22baf56d61af
Urteilskopf 121 III 214 45. Urteil der I. Zivilabteilung vom 10. Mai 1995 i.S. S.A. und T.A. gegen A.S. und M.S. (Berufung)
Regeste Mietvertrag - Streitwert ( Art. 46, 48 Abs. 3 OG ) - Verwendung des amtlich genehmigten Formulars ( Art. 269d OR , Art. 19 VMWG ). Wird gegen einen Endentscheid Berufung erhoben, bestimmt sich der Streitwert nach dem anfänglichen Rechtsbegehren, wenn ein mitangefochtener Zwischenentscheid dem Bundesgericht nicht selbständig unterbreitet werden konnte ( Art. 46, 48 Abs. 3 OG ; E. 1). Die Verwendung eines vom Vermieter kreierten Formulars, das inhaltlich den Anforderungen von Art. 19 VMWG entspricht, ist nur zulässig, wenn es von der zuständigen kantonalen Instanz genehmigt wurde (E. 2-4).
Sachverhalt ab Seite 215 BGE 121 III 214 S. 215 A.- Die Beklagten mieteten 1989 von den Klägern eine 3 1/2-Zimmer-Wohnung in M. Die Vermieter teilten am 8. November 1991 den Mietern eine Mietzinserhöhung per 1. April 1992 um monatlich Fr. 110.80 mit. Die Mieter fochten diese Mietzinserhöhung an. Da das Schlichtungsverfahren scheiterte, verlangten die Vermieter vor dem Kantonsgericht des Kantons Zug, es sei festzustellen, dass die Mietzinserhöhung nicht missbräuchlich sei. Das Kantonsgericht stellte mit Urteil vom 31. März 1993 die Nichtigkeit der Mietzinserhöhung fest. Auf Berufung der Vermieter erkannte das Obergericht des Kantons Zug mit Urteil vom 16. November 1993, die Mietzinserhöhung vom 8. November 1991 sei formell gültig mitgeteilt worden, und wies die Streitsache zur materiellen Beurteilung an das Kantonsgericht zurück. Auf eine von den Beklagten dagegen erhobene Berufung trat das Bundesgericht am 7. Februar 1994 nicht ein. Mit Urteil vom 6. April 1994 stellte das Kantonsgericht fest, die Mietzinserhöhung vom 8. November 1991 mit Wirkung ab 1. April 1992 sei nicht missbräuchlich, soweit sie den Betrag von Fr. 104.40 nicht übersteige. Am 6. September 1994 wies das Obergericht eine Berufung der Beklagten ab und bestätigte das erstinstanzliche Urteil. B.- Das Bundesgericht heisst die Berufung der Beklagten teilweise gut und weist die Streitsache zur Ergänzung und Neubeurteilung an die Vorinstanz zurück. Erwägungen Erwägungen: 1. Die Kläger stellen sich auf den Standpunkt, der erforderliche Streitwert von Fr. 8'000.-- sei nicht gegeben. Vor der Vorinstanz seien lediglich noch Fr. 2'505.60 streitig gewesen, da die Kläger die Mietzinserhöhung von Fr. 104.40 monatlich mit Wirkung ab 1. April 1992 per 1. April 1994 rückgängig gemacht hätten. Die Berufungssumme bestimmt sich nicht danach, was nach den Berufungsanträgen vor Bundesgericht noch streitig ist, sondern was vor der letzten kantonalen Instanz noch streitig war ( Art. 46 OG ). Vor der Vorinstanz verlangten die Beklagten die Feststellung der Missbräuchlichkeit der angekündigten Mietzinserhöhung. Auch wenn das Obergericht aufgrund der beklagtischen Vorbringen zur Berechnung der Mietzinserhöhung feststellte, diese stimmten grundsätzlich der erstinstanzlichen Berechnung der Mietzinserhöhung zu, beriefen sie sich jedoch weiterhin auf deren Nichtigkeit. Im Zeitpunkt des Zwischenentscheids war denn auch die Mietzinserhöhung insgesamt noch streitig, und zwar auf unbestimmte Zeit. BGE 121 III 214 S. 216 Indem das Bundesgericht auf die dagegen gerichtete Berufung nicht eingetreten ist, hat es den Parteien im Sinne von Art. 48 Abs. 3 OG garantiert, die Frage noch mit dem Endentscheid aufwerfen zu können. Daher ist es sachgerecht, für die Berechnung des Streitwerts auf die Begehren abzustellen, wie sie vor Obergericht anfänglich noch streitig waren. Damit ist die erforderliche Berufungssumme im Sinne von Art. 46 OG aber gegeben ( BGE 118 II 422 E. 1). 2. Streitig ist im vorliegenden Verfahren vorab die Frage, ob die Mietzinserhöhung, welche zwar auf einem vom Kanton allenfalls nicht genehmigten, aber den Anforderungen des Bundesrechts entsprechenden Formular mitgeteilt wurde, gültig ist. Die Kläger haben die Mietvertragsänderung in Briefform und mit Briefkopf der Liegenschaftsverwalterin angekündigt. Das amtliche Formular wurde dem Schreiben unausgefüllt beigeheftet und zum integrierenden Bestandteil der Mietzinsanpassung erklärt. Während das Kantonsgericht mit Urteil vom 31. März 1993 die Mietzinserhöhung für nichtig erachtete, hielt das Obergericht diese Auffassung in seinem Urteil vom 16. November 1993 für überspitzt formalistisch. Das Schreiben der Liegenschaftenverwaltung enthalte sämtliche erforderlichen Angaben gemäss Art. 19 VMWG (SR 221.213.11) und durch die Beiheftung des amtlichen Formulars würden dem Mieter keine Angaben vorenthalten. Die Formstrenge beziehe sich nur auf den Inhalt, nicht aber auf die Darstellung. Das Obergericht liess dabei offen, ob es sich beim streitigen Schreiben um ein von der Schlichtungsbehörde und damit vom Kanton genehmigtes Formular gehandelt hat. Die Beklagten geben diese Auffassung als bundesrechtswidrig aus. Sie rügen eine Verletzung von Art. 269d OR sowie von Art. 8 ZGB . 3. Art. 269d Abs. 1 OR verpflichtet den Vermieter, dem Mieter die Mietzinserhöhung mit einem vom Kanton genehmigten Formular mitzuteilen und zu begründen. Nach Abs. 2 lit. a der genannten Bestimmung ist die Mietzinserhöhung nichtig, wenn sie nicht mit dem vorgeschriebenen Formular mitgeteilt wird. Art. 19 VMWG listet die einzelnen Inhaltsanforderungen auf, welche die Ankündigung einer Mietzinserhöhung aufzuweisen hat. Bereits unter altem Recht waren Mietzinserhöhungen, die nicht mit dem vorgeschriebenen Formular erfolgten, nichtig ( Art. 18 Abs. 3 BMM ; AS 1972, 1559). a) Das Bundesgericht hatte sich bis anhin zur Frage der Verwendung eines eigenen, vom Kanton nicht genehmigten Formulars, das inhaltlich indessen BGE 121 III 214 S. 217 den Anforderungen von Art. 19 VMWG genügt, nicht auszusprechen. Hingegen hatte es sich mehrmals zur Frage der Begründung einer Mietzinserhöhung zu äussern. Es erklärt in ständiger Rechtsprechung einseitige Mietvertragsänderungen für nichtig, bei welchen die Begründung nicht im Formular selbst, sondern in einem Begleitschreiben enthalten ist (vgl. BGE 120 II 206 E. 3a, BGE 118 II 130 E. 2c, Entscheid des Bundesgerichts vom 31. August 1993 i.S. T. AG gegen C., E. 2, in mp 1993, S. 180 ff., sowie Entscheid vom 22. November 1993 i.S. C. gegen D., E. 3, in SJ 1994, S. 237). b) Eine Gesetzesnorm ist unter Berücksichtigung ihrer Entstehungsgeschichte nach ihrem Sinn und Zweck auszulegen. An den klaren und unzweideutigen Wortlaut ist die rechtsanwendende Behörde in der Regel gebunden ( BGE 117 II 132 E. 4 S. 137, 523 E. 1c, BGE 116 II 575 E. 2b). Der erste Anhaltspunkt für die Auslegung von Art. 269d OR liegt im sprachlichen Aufbau. Danach muss der Vermieter die Mietzinserhöhung auf einem "vom Kanton genehmigten Formular mitteilen und begründen" (Abs. 1). Die Bestimmung verlangt somit ausdrücklich, dass die Mietzinserhöhung auf dem vorgeschriebenen Formular zu erfolgen hat. Gesetzlich vorgeschrieben ist somit eine qualifizierte Schriftform, da sie nicht nur die Art, sondern auch den Inhalt der Mitteilung erfasst ( BGE 120 II 206 E. 3a, BGE 118 II 130 E. 2b; BK-SCHMIDLIN, N. 63 und 67 zu Art. 11 OR ). Danach ist es nicht hinreichend, wenn eine einseitige Mietvertragsänderung auf einem nicht genehmigten Formular erfolgt. Die Richtigkeit dieser Auffassung folgt weiter aus dem Zweck von Art. 269d OR , der dem Mieter den Rechtsweg aufzeigen und ihm eine möglichst einfache Beurteilung seiner Chancen sichern will, die angekündigte Mietzinserhöhung anzufechten ( BGE 118 II 130 E. 2b S. 132, BGE 117 II 458 E. 2a, BGE 113 II 300 E. 2d). Erfolgt die Mietzinserhöhung in einem selbst kreierten, nicht genehmigten Formular, ist diese Information nicht immer gewährleistet. Wie dem im Einzelfall auch sei, bestehen im Mietrecht gute Gründe für eine strikte Formstrenge, die Ausnahmen von einer zum Schutz des Mieters aufgestellten Regel grundsätzlich nicht zulassen ( BGE 120 II 206 E. 3a, BGE 117 II 415 E. 5d S. 420 f.; mp 1993, S. 180 ff., SJ 1994, S. 237). Aus Gründen der Klarheit und einheitlichen Handhabung sowie der Rechtssicherheit ist zu verlangen, dass ein amtliches oder vom Kanton genehmigtes Formular verwendet wird, weil nur so die Gewissheit besteht, dass darin alle nach Art. 19 VMWG erforderlichen Angaben enthalten sind. Diese Auffassung stellt BGE 121 III 214 S. 218 die konsequente Folge der bundesgerichtlichen Rechtsprechung dar, wonach die Begründung der Mietzinserhöhung im Formular selbst anzugeben ist. Es geht daher nicht an, individuelle Schreiben und Formulare, welche nicht genehmigt wurden, als hinreichend zu betrachten. Überdies würde es zu weit führen, sie im Einzelfall daraufhin zu überprüfen, ob sie den Anforderungen Genüge leisten. Die Rechtssicherheit verlangt eine einheitliche Handhabung der Formanforderungen (so auch das Obergericht des Kantons Luzern mit Entscheid vom 10. Februar 1993, in LGVE 1993 I Nr. 9). Im Schrifttum wird die Formularpflicht denn auch einhellig bejaht (etwa SVIT-Kommentar zum Mietrecht, N. 37 f. zu Art. 269d OR ; LACHAT/STOLL, Das neue Mietrecht für die Praxis, 3. Aufl. 1992, S. 178 f.; ZIHLMANN, Das neue Mietrecht, S. 158; LACHAT/MICHELI, Le nouveau droit du bail, 2. Aufl. 1992, S. 190; GMÜR/THANEI, Rechtsprechung des Bundesgerichtes zur Mietzinserhöhung, Fachheft Mietrecht Nr. 3, Zürich 1993, S. 9; HABERMACHER-DROZ, Die neuere Rechtsprechung zum Thema Mietzins, mp 1992, S. 155 ff., S. 177); eine Einschränkung wird etwa insoweit gemacht, als ein vom nicht zuständigen Kanton genehmigtes Formular auch in einem andern Kanton als gültig zu betrachten sei, sofern es sämtliche Voraussetzungen erfülle, die dieser Kanton als Bedingung für die Genehmigung verlangt hätte (LACHAT/STOLL, a.a.O., S. 176 in Fn. 6; SVIT-Kommentar zum Mietrecht, N. 16 zu Art. 269d OR ). Ausgangspunkt der Überlegungen ist aber immer ein vom Kanton genehmigtes Formular. c) Die Kläger verwendeten unbestrittenermassen nicht das amtliche Formular, sondern hefteten ein solches unausgefüllt bei. Zwar verweisen sie in ihrem Begleitschreiben auf die zuständige Schlichtungsbehörde sowie darauf, dass das leere, nicht unterzeichnete amtliche Formular als integrierender Bestandteil der Mietzinserhöhung zu betrachten sei. Doch vermag nach dem Gesagten diese Erklärung nicht zu genügen, müssen doch im Interesse der Rechtssicherheit die einzelnen Anforderungen an die Mitteilung einer einseitigen Mietvertragsänderung ohne weiteres sichtbar und überprüfbar sein. Der Mieter ist unter Umständen nicht in der Lage zu beurteilen, ob er über sämtliche Informationen für eine erfolgreiche Anfechtung der Mietzinserhöhung verfügt. Durch die Verwendung eines vom Kanton genehmigten Formulars, auch wenn der Vermieter es selbst kreiert, besteht Gewähr, dass dem Mieter keine Informationen vorenthalten werden. BGE 121 III 214 S. 219 d) Der Rüge einer Verletzung von Art. 8 ZGB kommt vorliegend keine selbständige Bedeutung zu, da sie in jener von Art. 269d OR aufgeht. 4. Das Obergericht hat nach dem Gesagten zu Unrecht ausgeführt, die Formularpflicht sei nicht zu beachten, wenn die private Mitteilung der Mietzinserhöhung den Anforderungen des Bundesrechts genüge. Gestützt darauf hat es im vorliegenden Fall offengelassen, ob die streitige Mietzinserhöhung auf einem von der Schlichtungsbehörde und damit vom Kanton genehmigten Formular mitgeteilt wurde. Die Kläger berufen sich weiterhin darauf, dass dies der Fall sei. Ob das verwendete Formular durch die zuständige Instanz genehmigt wurde, ist indessen eine Frage des kantonalen Rechts, die im Berufungsverfahren nicht geprüft werden kann. Die Berufung ist daher teilweise gutzuheissen und die Streitsache zur Abklärung der Frage an die Vorinstanz zurückzuweisen. Wurde das klägerische Formular von der zuständigen Behörde genehmigt, ist die Mitteilung der Mietzinserhöhung ohne weiteres gültig erfolgt. Andernfalls ist deren Nichtigkeit festzustellen.
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de
1,995
CH_BGE
CH_BGE_005
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Federation
de891aa6-6200-42ea-a5ed-7a056705fa84
Urteilskopf 101 V 271 55. Urteil vom 16. Dezember 1975 i.S. Bundesamt für Sozialversicherung gegen Barben und AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich
Regeste Art. 12 Abs. 1 IVG - gewährt keine medizinischen Massnahmen im Falle von Defekten, die in engem sachlichem und zeitlichem Zusammenhang mit der Unfallbehandlung stehen (Bestätigung der Rechtsprechung). - Präzisierung zur Frage des zeitlichen Zusammenhangs mit der Unfallbehandlung (Erw. 2b).
Sachverhalt ab Seite 271 BGE 101 V 271 S. 271 A.- Die 1923 geborene Versicherte erlitt am 4. Januar 1967 einen Verkehrsunfall, bei welchem sie sich unter anderem eine Claviculafraktur rechts zuzog. In der Folge bildete sich eine Pseudarthrose, die im April 1967 eine Osteosynthese notwendig machte. Wegen einer zwei Wochen später aufgetretenen schweren Plexuslähmung wurde am 12. Mai 1967 eine Teilresektion der Clavicula vorgenommen. Laut Angaben von Prof. W. blieb ein Defektzustand zurück mit Beeinträchtigung der Beanspruchbarkeit des rechten Armes. Zur Behebung dieses Defektes ist eine operative Rekonstruktion der Clavicula vorgesehen (Bericht vom 9. Oktober 1974). Am 19. September 1974 meldete sich die Versicherte bei der Invalidenversicherung an mit dem Gesuch um Kostenübernahme von medizinischen Massnahmen und Hilfsmitteln (Schulter- und Armfixationsbandage). Mit Verfügung vom 7. November 1974 wies die Ausgleichskasse das Begehren ab. Die medizinischen Vorkehren stünden zeitlich und sachlich in engem Zusammenhang mit dem erlittenen Unfall und dienten BGE 101 V 271 S. 272 in erster Linie der Behandlung des Leidens an sich und nicht unmittelbar der beruflichen Eingliederung; auch handle es sich bei der Fixationsbandage um einen therapeutischen Behelf und nicht um ein Hilfsmittel im Sinne von Art. 21 IVG . B.- Mit Entscheid vom 13. März 1975 hiess die AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich eine hiegegen erhobene Beschwerde gut und verpflichtete die Invalidenversicherung, die Kosten der Rekonstruktion der Clavicula sowie der notwendigen Fixationsbandage zu übernehmen. Die streitige medizinische Massnahme stehe in engem sachlichem Zusammenhang mit der Behandlung primärer Unfallfolgen; nach den ärztlichen Angaben habe sich der Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin aber schon vor Jahren stabilisiert und ihr erlaubt, im Rahmen der verbliebenen Arbeitsfähigkeit weiterhin als Ärztin tätig zu sein. Damit entfalle im Sinne der Verwaltungspraxis der enge zeitliche Zusammenhang, so dass nicht mehr von einer Behandlung des Leidens an sich gesprochen werden könne. Nachdem der Arzt die Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit durch den stabilen Defektzustand auf immerhin 20% schätze und den vorgesehenen operativen Eingriff als aussichtsreich beurteile, dürfe mit Sicherheit eine dauernde und wesentliche Verbesserung der Erwerbsfähigkeit erwartet werden, weshalb die Voraussetzungen gemäss Art. 12 Abs. 1 IVG erfüllt seien. Die Fixationsbandage stelle eine notwendige Ergänzung der Operation dar und bilde mit dieser einen einheitlichen Behandlungskomplex. C.- Das Bundesamt für Sozialversicherung erhebt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag auf Wiederherstellung der Kassenverfügung. In der Begründung wird im wesentlichen ausgeführt, der Claviculadefekt stelle eine unmittelbare Folge der Unfallbehandlung dar. Die Indikation zur Korrektur des Defektes habe spätestens 1969 - als der Zustand als stationär bezeichnet worden sei - festgestanden; jedoch sei schon anlässlich der Resektion des Schlüsselbeines vorauszusehen gewesen, dass der Defekt später korrigiert werden müsse. Der Ersatz des resezierten Teils der Clavicula bilde mit der Unfallbehandlung folglich eine Behandlungseinheit, weshalb die entsprechenden Kosten nicht von der Invalidenversicherung zu übernehmen seien. Im übrigen sei fraglich, ob von der streitigen Massnahme ein wesentlicher Eingliederungserfolg zu erwarten wäre. BGE 101 V 271 S. 273 In ihrer Vernehmlassung macht die Beschwerdegegnerin geltend, die rekonstruktive Operation sei anlässlich der Unfallbehandlung weder notwendig noch voraussehbar gewesen, vielmehr sei die Resektion der Clavicula als definitive Massnahme zur Unfallheilung betrachtet worden. Erst nachdem der Defekt über Jahre stabil gewesen sei, habe man die Verbesserung der Arbeitsfähigkeit durch eine Osteosynthese diskutiert und schliesslich ausgeführt. Ein zeitlicher und sachlicher Zusammenhang mit der Unfallbehandlung bestehe daher nicht. Die Osteosynthese sei vorgenommen worden, um die Arbeitsfähigkeit dauernd und wesentlich zu verbessern. Entgegen der Annahme der Vorinstanz sei die Arbeitsfähigkeit vor dem Eingriff um mehr als 20% vermindert gewesen. Als Hausfrau habe sie dauernd der Hilfe bedurft; auch sei sie in der Ausübung der ärztlichen Tätigkeit wesentlich eingeschränkt gewesen. Erwägungen Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 1. a) Nach Art. 12 Abs. 1 IVG hat der Versicherte Anspruch auf medizinische Massnahmen, die nicht auf die Behandlung des Leidens an sich, sondern unmittelbar auf die berufliche Eingliederung gerichtet und geeignet sind, die Erwerbsfähigkeit dauernd und wesentlich zu verbessern oder vor wesentlicher Beeinträchtigung zu bewahren. Als Behandlung des Leidens an sich gilt rechtlich jede medizinische Vorkehr, sei sie auf das Grundleiden oder auf dessen Folgeerscheinungen gerichtet, solange labiles pathologisches Geschehen vorhanden ist. Erst wenn die Phase des labilen pathologischen Geschehens insgesamt abgeschlossen ist, kann sich - bei volljährigen Versicherten - die Frage stellen, ob eine medizinische Vorkehr Eingliederungsmassnahme sei ( BGE 101 V 46 , BGE 100 V 101 , BGE 98 V 208 ). Als medizinische Massnahmen im Sinne von Art. 12 IVG gelten namentlich chirurgische, physiotherapeutische und psychotherapeutische Vorkehren, die eine als Folgezustand eines Geburtsgebrechens, einer Krankheit oder eines Unfalles eingetretene Beeinträchtigung der Körperbewegung, der Sinneswahrnehmung oder der Kontaktfähigkeit zu beheben oder zu mildern trachten, um die Erwerbsfähigkeit dauernd und wesentlich zu verbessern oder vor wesentlicher Beeinträchtigung BGE 101 V 271 S. 274 zu bewahren ( Art. 2 Abs. 1 IVV ). Nicht in den Bereich der Invalidenversicherung, sondern in denjenigen der sozialen Kranken- und Unfallversicherung gehört insbesondere die Behandlung von Verletzungen, Infektionen sowie inneren und parasitären Krankheiten ( Art. 2 Abs. 4 IVV ). b) Nach ständiger Rechtsprechung und Verwaltungspraxis übernimmt die Invalidenversicherung bei Unfall-Knochenbrüchen keine Massnahmen zur Knochenheilung oder zur Verhinderung oder Behandlung von Komplikationen, welche diese Heilung verzögern oder die Wiederherstellung der normalen Bewegungsfunktion hindern, solange solche Massnahmen in engem sachlichem und zeitlichem Zusammenhang mit der Unfallbehandlung stehen ( BGE 100 V 174 , ZAK 1970 S. 613, EVGE 1965 S. 38 sowie Rz. 6 und 74 des ab 1. April 1974 gültigen Kreisschreibens über die medizinischen Eingliederungsmassnahmen). In Rz. 1298 der IV-Mitteilungen Nr. 169 vom 10. September 1974 (ZAK 1974 S. 464 ff.) hat das Bundesamt für Sozialversicherung die Verwaltungsweisungen im wesentlichen wie folgt präzisiert und ergänzt: Der sachliche Zusammenhang ist zu bejahen, wenn die Massnahme - medizinisch betrachtet - mit der Unfall- oder Krankheitsbehandlung einen einheitlichen Komplex bildet. Für die Beurteilung ist dabei ausschliesslich der Zeitpunkt des Entstehens des Defektes und nicht derjenige der Diagnosestellung oder der Durchführung der Massnahme ausschlaggebend. Eine Massnahme, die schon während der Unfall- oder Krankheitsbehandlung als voraussichtlich notwendig erkennbar war, ist keine Eingliederungsmassnahme der Invalidenversicherung. Der zeitliche Zusammenhang mit der Unfall- oder Krankheitsbehandlung ist als unterbrochen zu betrachten, wenn der Defekt ohne Behandlung während längerer Zeit, in der Regel 360 Tagen, stabil war und der Versicherte im Rahmen der noch vorhandenen Arbeitsfähigkeit tätig sein konnte. - Diese Weisungen halten sich im Rahmen der gesetzlichen Ordnung und sind nicht zu beanstanden ( BGE 100 V 176 ). 2. Demnach ist vorab zu prüfen, ob die streitige medizinische Massnahme in engem sachlichem und zeitlichem Zusammenhang mit der Unfallbehandlung steht. Dabei genügt es für die Leistungspflicht der Invalidenversicherung im Rahmen von Art. 12 Abs. 1 IVG , wenn entweder der (enge) sachliche oder der zeitliche Zusammenhang mit der primären Unfallbehandlung fehlt (vgl. Rz. 74 des erwähnten Kreisschreibens). BGE 101 V 271 S. 275 a) In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde führt das Bundesamt für Sozialversicherung aus, der Defekt der Clavicula bilde eine unmittelbare Folge der Behandlung von Unfallkomplikationen; es bestehe demnach ein sachlicher Zusammenhang mit dem Unfall. Die Beschwerdegegnerin macht demgegenüber geltend, die im Mai 1967 durchgeführte Resektion der Clavicula sei als Massnahme zur definitiven Unfallheilung betrachtet worden und eine spätere Rekonstruktion sei weder notwendig noch voraussehbar gewesen. Ob sich damit der sachliche Zusammenhang mit der Unfallbehandlung verneinen lässt, erscheint zweifelhaft. Die Frage kann indessen offen bleiben, wenn jedenfalls der zeitliche Zusammenhang als unterbrochen gelten muss. b) Der zeitliche Zusammenhang mit der Unfallbehandlung gilt als unterbrochen, wenn der Defekt ohne Behandlung während mindestens 360 Tagen stabil war und der Versicherte im Rahmen der noch vorhandenen Arbeitsfähigkeit tätig sein konnte. Die für die Beurteilung des zeitlichen Zusammenhangs massgebende Zeitspanne beginnt dabei mit dem Eintritt eines stabilen Defektzustandes nach Abschluss der primären Unfallbehandlung und endet mit der erstmaligen Indikation der neuen Behandlungsvorkehr. In seinem Bericht vom 9. Oktober 1974 schreibt Prof. W., der jetzige Befund umfasse eine dem Claviculadefekt entsprechende Verkürzung der Schulter. Die Lähmungserscheinungen hätten sich weitgehend zurückgebildet; es bestünden noch etwelche Residuen an der Daumenmuskulatur, ferner Parästhesien, die bei bestimmten Bewegungen mit dem Arm aufträten. Dieser Zustand sei seit einigen Jahren stationär. Aus diesen Angaben geht hervor, dass nach der im Mai 1967 durchgeführten Clavicula-Teilresektion ein zumindest relativ stabilisierter Defektzustand eingetreten ist. Dabei dürfte die Stabilisierung spätestens im Jahre 1969 erfolgt sein, wie auch das Bundesamt für Sozialversicherung annimmt. Hinsichtlich des Zeitpunktes, in welchem der rekonstruktive Eingriff objektiv erstmals indiziert war, geht das Bundesamt für Sozialversicherung davon aus, dies sei spätestens 1969 der Fall gewesen, als der Zustand als stationär bezeichnet worden sei; jedoch sei die Notwendigkeit der Defektkorrektur schon bei der Resektion (im Mai 1967) voraussehbar gewesen. Aus den Akten ergeben sich indessen keine Anhaltspunkte, die für eine erstmalige Indikation bereits im Jahre 1969 oder gar im BGE 101 V 271 S. 276 Jahre 1967 sprechen würden. Im Bericht von Prof. W. heisst es, die Frage einer Claviculaersatzplastik sei "kürzlich" diskutiert worden. Die Beschwerdegegnerin verweist auf ein Schreiben des Prof. W. an Dr. T. vom 26. Juni 1967, wonach die Clavicula-Teilresektion die bestmögliche operative Sanierung dargestellt habe. Sie macht ferner geltend, da die Resektion als endgültige Therapie angesehen worden sei, habe sie auch "mit der Versicherung abgeschlossen". Eine definitive und vorbehaltlose Abrechnung mit der leistungspflichtigen Haftpflichtversicherung wäre aber kaum erfolgt, wenn in jenem Zeitpunkt die objektive Indikation oder auch nur die Möglichkeit eines weiteren Eingriffes bestanden hätte, zumal die Beschwerdegegnerin als Ärztin über den medizinischen Sachverhalt nicht im unklaren sein konnte. Auch ist kaum anzunehmen, dass sie bei ihrer Tätigkeit als Ärztin und Hausfrau während Jahren Behinderungen auf sich genommen hätte, wenn eine erfolgversprechende Operation längst indiziert gewesen wäre. Aus diesen Gründen rechtfertigt sich die Annahme, die objektive Indikation habe erstmals im Herbst 1974 festgestanden. Jedenfalls sind die für die Unterbrechung des zeitlichen Zusammenhanges vorausgesetzten 360 Tage eines stabilen Defektzustandes bei weitem erfüllt. Selbst wenn im Zeitpunkt der Stabilisierung des Defektzustandes nach medizinischer Erfahrung weitere Vorkehren in der Art des später durchgeführten Eingriffes nicht auszuschliessen gewesen wären, vermöchte dies an der Beurteilung nichts zu ändern. Denn die blosse Möglichkeit künftiger Massnahmen genügt nicht zur Begründung eines rechtserheblichen Zusammenhanges mit der primären Unfallbehandlung. Vielmehr bedarf es der Wahrscheinlichkeit dafür, dass die fragliche Massnahme in einem späteren Zeitpunkt effektiv notwendig, d.h. medizinisch indiziert sein werde. 3. Nach dem Gesagten kann die Leistungspflicht der Invalidenversicherung nicht schon damit verneint werden, die streitige Massnahme bilde einen Bestandteil der Unfallbehandlung. Es bleibt folglich zu prüfen, ob der Eingriff im Sinne von Art. 12 Abs. 1 IVG geeignet ist, die Erwerbsfähigkeit dauernd und wesentlich zu verbessern. Das Bundesamt für Sozialversicherung bezweifelt den Eingliederungscharakter der Massnahme mit der Begründung, die Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit liege unter 20% und es BGE 101 V 271 S. 277 sei unwahrscheinlich, dass mit dem streitigen Eingriff eine völlige Wiederherstellung zu erzielen sei. Wie es sich damit verhält, lässt sich auf Grund der Akten nicht mit Sicherheit beurteilen. Hinsichtlich der Wesentlichkeit und Dauerhaftigkeit des Eingliederungserfolges findet sich lediglich der allgemeine Hinweis, dass Prof. W. den Eingriff für "aussichtsreich" hielt, wobei er von der Annahme einer Arbeitsunfähigkeit von 20% ausging. Demgegenüber macht die Beschwerdegegnerin geltend, die Arbeitsfähigkeit sei vor dem Eingriff ganz wesentlich, jedenfalls zu mehr als 20% vermindert gewesen. Nach den Angaben in der erstinstanzlichen Beschwerdeschrift soll Prof. K. die Invalidität auf 50% geschätzt haben. Bei dieser Sachlage bedarf es zusätzlicher Abklärungen. Dabei wird insbesondere festzustellen sein, in welchem Masse die Beschwerdegegnerin vor der Durchführung des Eingriffes in der Ausübung der Berufstätigkeit behindert war. Sodann wird näher abzuklären sein, inwiefern sich die festgestellte Arbeitsunfähigkeit in erwerblicher Hinsicht auswirkte, wobei davon auszugehen ist, dass die Beschwerdegegnerin ihre Tätigkeit soweit möglich und zumutbar auf die bestehende Teilarbeitsfähigkeit auszurichten hatte. Schliesslich bedarf es einer ärztlichen Stellungnahme zur Frage, in welchem Grade und für welche voraussichtliche Dauer sich die Arbeitsfähigkeit, prognostisch gesehen, verbessern lässt. Auf Grund der Abklärungsergebnisse wird die Verwaltung darüber zu befinden haben, ob von einem dauerhaften und wesentlichen Eingliederungserfolg im Rechtssinne gesprochen werden kann. Sollte der streitige Eingriff alsdann zu Lasten der Invalidenversicherung gehen, so hat die Versicherung auch für die Kosten der notwendigen Fixationsbandage - als Bestandteil der Behandlung - aufzukommen. Dispositiv Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in dem Sinne gutgeheissen, dass der vorinstanzliche Entscheid und die Kassenverfügung vom 7. November 1974 aufgehoben werden und die Sache an die Verwaltung zurückgewiesen wird zwecks zusätzlicher Abklärung im Sinne der Erwägungen und Erlass einer neuen Verfügung.
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Urteilskopf 84 I 247 35. Urteil vom 12. Dezember 1958 i.S. Bula & Gasser G.m.b.H. und Migy gegen Eidg. Volkswirtschaftsdepartement.
Regeste Übernahme eines Unternehmens mit Aktiven und Passiven. 1. Entscheidungen über Bestand und Umfang von Fabrikationsrechten fallen in die Zuständigkeit der Bewilligungsbehörde und unterliegen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. 2. Legitimation zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde. 3. Ein Unternehmen, das sein Fabrikationsrecht infolge überjährigen Unterbruchs der industriellen Tätigkeit verloren hat und keine Bewilligung für die Wiedereröffnung besitzt, kann nicht Gegenstand einer Übernahme mit Aktiven und Passiven im Sinne des Uhrenstatuts bilden.
Sachverhalt ab Seite 248 BGE 84 I 247 S. 248 A.- Die Firma Bula & Gasser G.m.b.H., Uhrensteinfabrik in Thun, erhielt im Jahre 1946 die Bewilligung, das Unternehmen mit 13 Arbeitern zu eröffnen. Gegenwärtig darf sie 56 Arbeiter beschäftigen. Louis Migy, Landwirt und Futtermittelhändler, erwarb im Jahre 1948 ein Perçage-Atelier (Uhrensteinbohrerei) in Coeuve. Im Jahre 1951 wurde ihm bewilligt, die Arbeiterzahl (ursprünglich 3) auf 15 zu erhöhen, und vom 1. Januar 1952 an durfte er weitere 3 Arbeiter beschäftigen. Der Umsatz des Ateliers machte im Jahre 1955 noch etwas mehr als Fr. 15 000.-- aus. In der Folge sank er auf unbedeutende Beträge. Im Februar/März 1957 teilte Migy der Kontrollstelle seines Verbandes mit, er habe das Perçage aufgegeben und die Arbeiter nach und nach entlassen. Um die gleiche Zeit nahm er Verhandlungen mit der Firma Bula & Gasser auf, und am 10. September 1957 schloss er mit ihr einen Vertrag, wonach sie sein Perçage-Atelier mit Aktiven und Passiven zum Preise von Fr. 25 000.-- übernahm. Darauf suchte die Firma Bula & Gasser um die Bewilligung nach, diesen Betrieb ihrem Unternehmen anzugliedern. B.- Durch Entscheid vom 30. April 1958 verfügte das eidg. Volkswirtschaftsdepartement die Streichung Louis Migys im Register der Unternehmungen der Uhrenindustrie. Mit Entscheid vom gleichen Tage verweigerte es der Firma Bula & Gasser die erbetene Bewilligung. Zur Begründung der Entscheide führte es aus, Migy habe seit dem Mai 1956 keine industrielle Tätigkeit in der Branche der Uhrensteinbohrerei mehr ausgeübt, so dass sein bisheriges Fabrikationsrecht erloschen sei. Er dürfe daher sein Unternehmen nicht ohne Bewilligung neu eröffnen, und erst recht könne er nicht einen Betrieb übertragen, der nicht mehr bestehe. Mit einem Fabrikationsrecht dürfe nicht Handel getrieben werden. BGE 84 I 247 S. 249 C.- Louis Migy erhebt Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die Streichung seiner Unternehmung im Register. Er beantragt die Feststellung, dass sein Fabrikationsrecht noch bestehe und die Streichung unbegründet sei. Die Firma Bula & Gasser führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die Ablehnung ihres Bewilligungsgesuches. Sie beantragt, es sei festzustellen, dass für die Angliederung des Perçage-Ateliers Migys an ihr Unternehmen eine Bewilligung nicht notwendig sei; eventuell sei die Bewilligung zu erteilen. Beide Beschwerdeführer machen geltend: a) Es handle sich um die Übernahme eines bestehenden Unternehmens der Uhrenindustrie mit Aktiven und Passiven, wofür eine Bewilligung nicht erforderlich sei. b) Würde die Bewilligungspflicht bejaht, so wäre die Bewilligung gestützt auf Art. 4 Abs. 2 UB zu erteilen. Eine Uhrensteinfabrik sei ohne weiteres imstande, einen Perçage-Betrieb zu führen. Die Angliederung eines schon bestehenden solchen Betriebes an sie verletze die Interessen der gesamten Uhrenindustrie nicht. Art. 4 Abs. 1 UB sei hier nicht anwendbar. c) Das Produktionsrecht Migys sei nicht erloschen. Es treffe nicht zu, dass er seine industrielle Tätigkeit mindestens seit einem Jahre unterbrochen habe (Art. 3 Abs. 1 UB, Art. 7 Abs. 2 UV). Er habe weder seine Produktion wenigstens ein Jahr lang vollständig eingestellt noch seinen Betrieb je vollkommen geschlossen. d) Habe somit die Unternehmung Migys fortbestanden, so habe sie mit Aktiven - einschliesslich des Fabrikationsrechts - und Passiven gültig übertragen werden können. Von einem unzulässigen Handel mit dem Fabrikationsrecht könne keine Rede sein. D.- Das eidg. Volkswirtschaftsdepartement beantragt, die Beschwerden abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden könne. Es zweifelt daran, dass die Firma Bula & Gasser zur Beschwerde legitimiert ist. BGE 84 I 247 S. 250 Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Streitig ist, ob das Fabrikationsrecht Migys erloschen sei, und ferner, ob die Übertragung seines Betriebes auf die Firma Bula & Gasser einer Bewilligung bedürfe, wenn ja, ob die Bewilligung zu erteilen sei. Es ist festzulegen, wie sich die Entwicklung der industriellen Tätigkeit Migys und die Veräusserung seines Geschäftes auf Bestand und Umfang der Fabrikationsrechte der Beteiligten auswirken. Darüber haben notwendigerweise die nach der gesetzlichen Ordnung für Entscheide betreffend Betriebsbewilligungen zuständigen Behörden, also das eidg. Volkswirtschaftsdepartement und auf Beschwerde hin das Bundesgericht, auch dann zu befinden, wenn keine Bewilligungspflicht besteht ( BGE 79 I 105 , BGE 80 I 405 Erw. 2). Die angefochtenen Entscheide unterliegen im vollen Umfange der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. 2. Durch den Abschluss des Übernahmevertrages haben sowohl Migy als auch Bula & Gasser Rechte erworben. Der Entscheid, mit dem das Departement der Geschäftsübernahme die Anerkennung unter dem Gesichtspunkte des Uhrenstatuts versagt, greift in die Rechtsstellung beider Vertragspartner ein. Die Firma Bula & Gasser ist in dem Entscheide auch als Prozesspartei beteiligt; sie hat beim Departement um die Anerkennung der Übernahme nachgesucht. Beide Vertragspartner sind daher zur Beschwerde gegen diesen Entscheid legitimiert ( Art. 103 OG ). Migy ist auch legitimiert, die Feststellung des Departements anzufechten, dass sein Fabrikationsrecht - unabhängig von der Geschäftsübernahme - erloschen sei. 3. Nach Art. 3 Abs. 1 Satz 2 UB und Art. 7 Abs. 2 UV ist die Wiedereröffnung von Unternehmungen, die ihre industrielle Tätigkeit mindestens seit einem Jahre unterbrochen haben, der Bewilligungspflicht unterstellt. Ein Unterbruch des Betriebes während jener Mindestdauer hat zur Folge, dass das bisherige Fabrikationsrecht dahinfällt. Eine industrielle Tätigkeit im Sinne des Uhrenstatuts BGE 84 I 247 S. 251 wird in der Regel vorliegen, wenn und solange die Unternehmung mit einer gewissen Stetigkeit und in Mengen, die ein gewisses Minimum nicht unterschreiten, Waren für Kunden produziert. Louis Migy hat im Februar/März 1957 ausdrücklich erklärt, er habe das Perçage aufgegeben und die Arbeiter nach und nach entlassen. Er selbst hat in der Produktion nicht gearbeitet. Auf jeden Fall seit Ende Juni 1956, wenn nicht schon seit einem früheren Zeitpunkte, war sein Betrieb vollständig eingestellt, und dabei ist es während des ganzen dritten Vierteljahres 1956 geblieben. Im folgenden Vierteljahr, im Herbst, hat die Firma eine einzige Rechnung im Betrage von Fr. 144.32 ausgestellt, für Arbeiten, die zu einem grossen Teil an einen Unterakkordanten vergeben worden sind, welcher Fr. 118.-- erhalten hat, während gleichzeitig die Tochter Louis Migys, Marie Falbriard, nach den Lohnbüchern Fr. 58.25 bezogen hat. Im ersten Vierteljahr 1957 hat Migy wiederum gar nichts produziert. Im April 1957 sind lediglich 10 000 Bohrungen ausgeführt worden, wofür Marie Falbriard nach den Lohnbüchern Fr. 126.55 erhalten hat und der Firma Bula & Gasser Rechnung im Betrage von Fr. 298.44 gestellt worden ist. Im Mai, Juni und Juli 1957 war der Betrieb neuerdings vollständig stillgelegt. Im August 1957 hat Migy der Firma Bula & Gasser nochmals für 10 000 Bohrungen Rechnung im Betrage von Fr. 300.85 gestellt, doch hat er diese Arbeit durch einen Unterakkordanten ausführen lassen. Sonst ist in diesem Monat nichts gegangen. Auch im September 1957 hat Migy nichts produziert. In der Zeit vom 1. Juli 1956 bis zum 10. September 1957, dem Tage des Abschlusses des Übernahmevertrages, also während rund 14 Monaten, sind somit im Atelier Migys nur noch vereinzelt, im Herbst 1956 und im Frühling 1957, unbedeutende Arbeiten ausgeführt worden, für welche die einzige im Betriebe noch mit Bohrungen beschäftigte Person insgesamt bloss Fr. 185.-- erhalten hat. Das war keine BGE 84 I 247 S. 252 industrielle Tätigkeit im Sinne des Uhrenstatuts mehr. Unter den gegebenen Umständen muss angenommen werden, dass die industrielle Tätigkeit Migys über ein Jahr lang unterbrochen war. Sein Fabrikationsrecht ist daher erloschen. 4. Das Uhrenstatut ordnet die Wirkungen der Übernahme eines Unternehmens der Uhrenindustrie mit Aktiven und Passiven. Es setzt voraus, dass das Unternehmen, welches übernommen werden soll, "besteht" (Art. 3 Abs. 1 letzter Satz UB). Ein Unternehmen, das seine industrielle Tätigkeit mindestens seit einem Jahre unterbrochen hat und dessen Fabrikationsrecht daher dahingefallen ist, hat aber keinen Bestand im Sinne des Uhrenstatuts mehr. Es kann den Betrieb nicht ohne neue Bewilligung wieder eröffnen. Fehlt eine solche Bewilligung, so kann es auch nicht Gegenstand einer Übernahme mit Aktiven und Passiven im Sinne des Uhrenstatuts bilden. So verhält es sich hier; denn Migy hat infolge überjährigen Unterbruches seiner industriellen Tätigkeit das Fabrikationsrecht verloren und besitzt keine Bewilligung für die Wiedereröffnung seines Betriebes. Das Bewilligungsgesuch, welches die Firma Bula & Gasser für sich gestellt und ausdrücklich mit der Übernahme des Unternehmens Migy mit Aktiven und Passiven begründet hat, ist daher mit Recht abgelehnt worden. Beide Beschwerden erweisen sich somit als unbegründet. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Beschwerden werden abgewiesen.
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Urteilskopf 82 II 587 78. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour civile du 8 novembre 1956 dans la cause Brugger contre Commune de Léchelles.
Regeste Vorläufige Eintragung mit Klagefristansetzung. Art. 961 Abs. 3 ZGB . Der Begriff der Klageanhebung ist ein bundesrechtlicher, obschon Art. 961 Abs. 3 ZGB die zur gerichtlichen Geltendmachung derAnsprüche einzuhaltende Frist nicht selber bemisst, sondern es dem Richter anheimgibt, sie zu bestimmen. In welchen Fristen und Formen der Kläger alsdann die angehobene Klage zu prosequieren habe, ist dagegen eine Frage des kantonalen Prozessrechtes.
Sachverhalt ab Seite 588 BGE 82 II 587 S. 588 A.- La commune de Léchelles a effectué en 1953 certaines réparations à l'église paroissiale dont elle est propriétaire. Elle a notamment confié la construction de l'orgue à Edouard Schaefer. Celui-ci a chargé Joseph Brugger de confectionner le buffet de l'orgue. Brugger a achevé son ouvrage le 26 mai 1954. N'ayant pas obtenu le paiement de sa facture qui s'élevait à 1327 fr. 75, il a estimé avoir le droit de faire inscrire en sa faveur une hypothèque d'artisans et d'entrepreneurs. La commune de Léchelles s'est prévalue des rapports que Schaefer avait eus avec Brugger et a refusé de consentir à l'inscription d'une hypothèque légale. Par ordonnance du 24 août 1954, le président du Tribunal de la Broye a autorisé l'inscription provisoire en faveur de Brugger d'une hypothèque légale en garantie d'une créance de 1327 fr. 75, décidé que la durée de cette inscription expirerait le 31 décembre 1954 et fixé au requérant un délai jusqu'au 15 octobre 1954 pour faire valoir son droit en justice. Brugger a assigné la commune de Léchelles devant le juge de paix de Dompierre pour la tentative de conciliation, par exploit du 27 août 1954. Un acte de non-conciliation a été délivré aux parties le 21 septembre 1954. Brugger a porté la cause devant le Tribunal civil de la Broye par demande en justice du 19 novembre 1954, notifiée le 20 novembre; il a conclu à l'inscription définitive d'une hypothèque d'artisans et d'entrepreneurs en BGE 82 II 587 S. 589 garantie de sa créance. La défenderesse lui a opposé "une exception péremptoire tirée de la nullité pour cause de tardiveté de la permission et de la notification de la demande en justice". Par jugement incident du 25 novembre 1955, le Tribunal civil de la Broye a admis l'exception de la commune de Léchelles et rejeté la contre-exception du demandeur. Il a considéré en résumé ce qui suit: L'inscription provisoire d'une hypothèque légale requise par Brugger constitue une mesure provisionnelle soumise aux dispositions des art. 188 ss. du code de procédure civile fribourgeois de 1849 qui a été en vigueur jusqu'au 31 décembre 1954. Selon l'art. 194 de ce code, "lorsque les mesures provisionnelles ont été ordonnées avant la conciliation, la citation en conciliation doit être donnée dans les six jours dès l'ordonnance, et il doit être suivi au procès dans les six jours dès l'acte de non-conciliation", à défaut de quoi elles tombent en nullité. En l'espèce, le demandeur a respecté le premier délai et a soumis l'exploit de citation en conciliation au juge de paix le 27 août 1954. Il n'a en revanche pas poursuivi l'instance dans les six jours dès l'acte de non-conciliation qui a été délivré le 21 septembre 1954: sa demande en justice ne date que du 19 novembre 1954 et a été notifiée à la défenderesse le lendemain. Le délai de six jours pour porter la contestation devant le tribunal compétent après l'échec de la tentative de conciliation devait être observé, alors même que le président du tribunal avait cru pouvoir en indiquer un plus long. C'est à tort que le demandeur a estimé disposer du délai de soixante jours prévu par l'art. 212 CPC pour les actions ordinaires. B.- La Cour de cassation civile de l'Etat de Fribourg a rejeté le recours formé par Brugger contre ce jugement, par arrêt du 25 avril 1956. Elle a considéré en particulier que le premier juge n'avait pas violé l'art. 961 CC en estimant que le demandeur aurait dû, conformément à l'art.194 CPC, poursuivre l'instance dans les six jours dès l'acte de non-conciliation. BGE 82 II 587 S. 590 C.- Brugger a interjeté un recours en nullité au Tribunal fédéral contre cet arrêt dont il demande l'annulation. Erwägungen Considérant en droit: 2. Aux termes de l'art. 961 al. 3 CC, le juge qui ordonne l'inscription provisoire d'un droit réel au registre foncier fixe, le cas échéant, un délai dans lequel le requérant devra faire valoir son droit en justice. Si ce délai n'est pas utilisé, l'inscription provisoire devient caduque (RO 60 I 298). Selon la jurisprudence (RO 81 II 538; 74 II 14 et les arrêts cités), lorsque le droit fédéral prévoit qu'une action doit être intentée dans un certain délai sous peine de péremption, la notion d'ouverture d'action est une notion fédérale. On doit entendre par là tout acte introductif ou préparatoire accompli par le demandeur qui, pour la première fois, recourt au juge, dans les formes prescrites, pour la protection de ses droits. Dans ce sens, la citation en conciliation vaut ouverture d'action à condition qu'en vertu de la procédure cantonale le magistrat conciliateur soit tenu de transmettre d'office la cause au tribunal compétent en cas de non-conciliation ou encore que la procédure de conciliation et la procédure proprement dite soient organiquement liées de sorte que le demandeur doive, sous peine de déchéance, porter le litige devant l'autorité de jugement dans un certain délai dès la fin de la procédure de conciliation. Si la notion d'ouverture d'action relève du droit fédéral, c'est en revanche une question ressortissant exclusivement au droit cantonal que celle de savoir dans quels délais et dans quelles formes l'instance introduite doit être poursuivie. Ces principes sont valables pour le cas prévu par l'art. 961 al. 3 CC, bien que la loi ne fixe pas ici elle-même le délai dans lequel le requérant doit ouvrir action, mais laisse au juge le soin de le faire: la conséquence de l'inobservation du délai est la même que lorsque celui-ci est fixé par la loi, à savoir la péremption du droit. BGE 82 II 587 S. 591 On peut se dispenser en l'espèce de trancher la question de savoir si le droit cantonal de procédure peut instituer un délai fixe dans lequel celui qui a obtenu une inscription provisoire au registre foncier doit faire valoir son droit en justice, alors que l'art. 961 al. 3 CC prévoit qu'il appartient au juge d'arrêter ce terme. Le recourant a en effet cité la commune de Léchelles en conciliation dans le délai de six jours dès l'ordonnance, en conformité de l'art. 194 al. 1 CPC, et il a en même temps observé le délai que lui avait imparti le juge en autorisant l'inscription provisoire de l'hypothèque légale; l'ouverture d'action au sens de la jurisprudence a eu lieu à la fois dans le délai légal de l'art. 194 al. 1 précité et dans le délai judiciaire fixé par le juge en vertu de l'art. 961 al. 3 CC. La notion fédérale d'ouverture d'action s'applique exclusivement pour décider si le demandeur a accompli en temps utile l'acte de procédure qui, au regard du droit fédéral, doit être considéré comme introductif d'instance. En revanche, c'est le droit cantonal de procédure qui règle les délais et les formes dans lesquels le demandeur doit poursuivre l'instance ouverte. Contrairement à l'opinion du recourant, en considérant qu'il aurait dû porter le litige devant l'autorité de jugement dans le délai de six jours dès l'acte de non-conciliation conformément à l'art. 194 al. 1 CPC, la Cour cantonale n'a nullement violé l'art. 961 al. 3 CC ni appliqué le droit cantonal à la place du droit fédéral déterminant: elle n'a pas méconnu la portée de l'art. 961 al. 3 CC ni la notion fédérale d'ouverture d'action, mais a appliqué une règle de procédure civile fribourgeoise à une question qui relève du droit cantonal, soit à celle de savoir dans quel délai l'instance introduite en temps utile par la citation en conciliation doit être poursuivie. Il appartient également au droit cantonal de déterminer les conséquences de l'inobservation du délai de procédure fixé pour saisir le juge du fond après la délivrance de l'acte de non-conciliation. La Cour cantonale n'a en conséquence BGE 82 II 587 S. 592 ni violé le droit fédéral ni appliqué à tort le droit cantonal à la place du droit fédéral en admettant que la demande en justice du recourant, qui avait été soumise au président du tribunal et notifié à la défenderesse après l'expiration de ce délai, était tardive et partant irrecevable.
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Urteilskopf 81 II 587 89. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 25. November 1955 i.S. Furrer gegen Eberhardt.
Regeste Ehescheidung. Vereinbarung über die Nebenfolgen. Art. 158 Ziff. 5 ZGB . 1. Der Richter darf nicht einzelne Teile der Vereinbarung genehmigen und die andern verwerfen, wenn jene nach dem Willen der Parteien nur zusammen mit diesen gelten sollen. 2. Dagegen darf eine Vereinbarung genehmigt und eine sie ergänzende spätere Vereinbarung verworfen werden, wenn nur die zweite an einem die Genehmigung ausschliessenden Mangel leidet, während die erste gültig zustande kam und sachlich einwandfrei ist. 3. Unter welchen Voraussetzungen sind in der Vereinbarung festgesetzte Leistungen zu genehmigen, die über die gesetzlichen Verpflichtungen hinausgehen?
Sachverhalt ab Seite 588 BGE 81 II 587 S. 588 Aus dem Tatbestand: A.- Die kantonalen Gerichte haben die Ehe der Parteien auf die Widerklage der Ehefrau geschieden, unter Abweisung des Scheidungsbegehrens des Ehemannes. B.- Über die Nebenfolgen der Scheidung hatten die Parteien am 12. April 1954 eine Vereinbarung abgeschlossen, der zu entnehmen ist: 3. Mit Wirkung ab 1. Mai 1954 bezahlt Walter Furrer an Frau Hedwig Furrer-Eberhardt eine monatliche Alimentation von Fr. 400.--, vorauszahlbar jeweilen am 1. des Monats. Diese Alimentation wird Frau Furrer Hedwig auf deren Lebenszeit bezahlt. Sie ist auf Seiten des Ehemannes Walter Furrer vererblich. Auch falls sich Frau Furrer nach durchgeführter Scheidung wieder mit ihrem Ehemann aus erster Ehe Herrn Rudolf Baer .... verheiraten sollte, hat sie gleichwohl weiterhin Anspruch auf die vereinbarte Alimentation von Fr. 400.--. Dagegen würde der Alimentationsanspruch dahinfallen bei einer eventuellen Wiederverheiratung von Frau Hedwig Furrer mit irgend einem andern dritten Manne. 7. Ausser der Alimentation anerkennt Walter Furrer seiner Ehefrau unter allen Titeln zusätzlich einen Betrag von Fr. 12'000.-- zahlbar in 4 Jahresraten à Fr. 3000.--. Die erste Rate ist bei Rechtskraft der Ehescheidung zu zahlen, die übrigen Raten jeweilen ein Jahr später. ............................." Am 15. Oktober 1954 ergänzten die Parteien die Scheidungsvereinbarung, indem sich der Kläger zu weitern Leistungen verpflichtete. BGE 81 II 587 S. 589 Die Beklagte trug auf Genehmigung, der Kläger dagegen auf Verwerfung beider Vereinbarungen an. C.- Das Bezirksgericht sprach die Genehmigung in vollem Umfange aus. Das Kantonsgericht verwarf in seinem Urteil vom 13. April 1955 die Zusatzvereinbarung, genehmigte aber die Hauptvereinbarung. Es bezeichnete die vom Kläger erhobene Einrede der mangelnden Vertragsfähigkeit als unbegründet. Er sei ein erfolgreicher Geschäftsmann und verstehe die von ihm abzuschliessenden Vereinbarungen richtig einzuschätzen und seinem wirklichen Willen gemäss abzuschliessen. In der erstinstanzlichen Verhandlung habe er ausdrücklich erklärt, er sei sich bei Unterzeichnung der Hauptvereinbarung im klaren gewesen, wozu er sich verpflichte. Die von ihm eingereichten ärztlichen Berichte seien nicht geeignet, Urteilsunfähigkeit beim Abschluss der Vereinbarung darzutun. Im übrigen fand das Kantonsgericht deren Inhalt der Genehmigung wert. Die Leistungen, die der Kläger darin übernahm, entsprächen durchaus dem, was er freiwillig habe auf sich nehmen dürfen. Es bestehe daher kein Grund, die in der Vereinbarung festgelegten Verpflichtungen als unangemessen zu bezeichnen und die Vereinbarung zu verwerfen. - Dagegen beruhe die Zusatzvereinbarung auf unrichtigen tatsächlichen Voraussetzungen. Der Kläger habe sich bei deren Abschluss in einem Irrtum über den grundlegenden Sachverhalt im Sinne von Art. 24 Ziff. 4 OR befunden und sich rechtzeitig, binnen Jahresfrist, von der Vereinbarung losgesagt. Das schliesse deren Genehmigung aus. D.- Mit vorliegender Berufung hält der Kläger am Antrag auf Nichtgenehmigung auch der ersten Vereinbarung fest und verlangt eine davon abweichende Regelung der Nebenfolgen durch Urteil. Die Beklagte trägt auf Abweisung der Berufung und auf Bestätigung des angefochtenen Urteils an. BGE 81 II 587 S. 590 Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. (Zur Scheidungsfrage; sie ist rechtskräftig beurteilt). 2. Hinsichtlich der wirtschaftlichen Nebenfolgen ist die den Kläger zusätzlich belastende zweite Vereinbarung nicht genehmigt worden. Die Beklagte lässt es dabei bewenden; sie hat weder selbständig Berufung eingelegt, noch sich der Berufung des Klägers angeschlossen. Dieser ist durch die Verwerfung der Zusatzvereinbarung entlastet und keineswegs beschwert. Er findet jedoch, mit deren Wegfall sei auch der Hauptvereinbarung die Grundlage entzogen, weshalb sie ebenfalls nicht genehmigt werden dürfe. Denn nach zutreffender, von der Rechtsprechung anerkannter Auslegung des Art. 158 Ziff. 5 ZGB seien Vereinbarungen über die Nebenfolgen der Ehescheidung als Ganzes zu betrachten. Enthalte eine Scheidungskonvention Bestimmungen, die nicht genehmigt werden können, so müsse deshalb die ganze Scheidungskonvention verworfen und die Gesamtheit der Nebenfolgen durch Urteil unabhängig von der Konvention geordnet werden. Hier nun seien Haupt- und Zusatzvereinbarung als die (einheitliche, untrennbare) Scheidungskonvention zu betrachten, was eine Genehmigung bloss der Hauptkonvention als eines Teils der Gesamtkonvention ausschliesse. Dem ist indessen nicht beizustimmen. Gewiss ist eine im Scheidungsverfahren von den Parteien abgeschlossene Vereinbarung über die wirtschaftlichen Nebenfolgen der Scheidung in ihrer Gesamtheit ins Auge zu fassen. Es ist nicht zulässig, einzelne Bestimmungen der Vereinbarung zu verwerfen und andere, die nach dem Parteiwillen in jenen die notwendige Voraussetzung und Ergänzung hätten finden sollen, zu genehmigen. Erscheinen jene, im Rahmen der gesamten Vereinbarung betrachtet, als der Genehmigung nicht würdig, so sind zugleich die andern zu verwerfen und alle insgesamt durch eine von der Vereinbarung unabhängige gerichtliche Entscheidung zu ersetzen (BGE BGE 81 II 587 S. 591 62 II 5, 71 II 206). Denn ein blosser Teil einer Vereinbarung, den die Parteien ohne den Rest nicht gewollt hätten, ist für den Fall der Verwerfung dieses Restes gar nicht vereinbart. Daraus folgt jedoch nicht, dass die wirtschaftlichen Nebenfolgen der Scheidung nur entweder ganz durch Vereinbarung oder aber durch Urteil geregelt sein müssen. Einmal kann eine Vereinbarung bestimmte Nebenfolgen ausser Betracht lassen, ohne sie doch ausschliessen zu wollen. Alsdann ist die Lücke durch Urteil auszufüllen. Sodann ergibt sich eine besondere Sachlage bei einer zunächst fertig abgeschlossenen Vereinbarung, die später durch eine Zusatzvereinbarung geändert oder ergänzt worden ist. Liegen in einem solchen Fall Verwerfungsgründe nur gegenüber der Zusatzvereinbarung vor, so steht grundsätzlich nichts der Genehmigung der ersten Vereinbarung entgegen, gleichwie wenn eine Zusatzvereinbarung gar nicht abgeschlossen worden wäre. So verhält es sich, wenn, wie es hier nach dem Urteil des Kantonsgerichts zutrifft, die Zusatzvereinbarung - und nur sie, nicht auch die erste Vereinbarung - wegen Willensmangels für die eine Partei unverbindlich ist und diese sich denn auch binnen nützlicher Frist davon losgesagt hat. Nicht nur wird die Partei, zu deren Lasten die Zusatzvereinbarung vornehmlich ging, durch deren Verwerfung nicht beschwert, sondern es kann die erste Vereinbarung, die seinerzeit als abschliessende Regelung gedacht war, bei Ungültigkeit der Zusatzvereinbarung sehr wohl für sich allein bestehen bleiben und genehmigt werden, sofern sie ihrerseits gültig zustande gekommen und die in ihr enthaltene Regelung sachlich einwandfrei ist. 3. bis 6. - .................. 7 - Als unangemessen betrachtet der Kläger insbesondere die von ihm in der Vereinbarung übernommene Pflicht zur Alimentationsleistung auch für den Fall, dass sich die Beklagte mit ihrem frühern Ehemann Rudolf Baer wieder verheiraten sollte. Es ist jedoch zulässig, die Pflicht zur Entrichtung einer Rente durch Vereinbarung über den BGE 81 II 587 S. 592 von Art. 153 Abs. 1 ZGB gezogenen Rahmen auszudehnen ( BGE 71 II 139 Erw. 5; GMÜR, 2. Auflage, N. 8, und EGGER, 2. Auflage, N. 5 zu Art. 153 ZGB ). Hier konnte in der bescheidenen Vermögenslage des Rudolf Baer ein zureichender Grund dafür gefunden werden. 8. Wenn der Kläger endlich die der Beklagten in Ziff. 7 der Vereinbarung "unter allen Titeln" zusätzlich zuerkannte Forderung von Fr. 12'000.-- als unangemessen bezeichnet, so übersieht er wiederum, dass die Parteien grundsätzlich frei sind, den Inhalt der Vereinbarung zu bestimmen. Es dürfen auf diesem Wege auch Verpflichtungen übernommen (und vom Richter genehmigt) werden, die nicht bereits nach den gesetzlichen Normen bestünden oder die dem Masse nach über die gesetzlichen Verpflichtungen hinausgehen. Insbesondere in den nur die Parteien selbst betreffenden, nur ihre Interessen berührenden Fragen besteht im Rahmen von Recht und Sitte Vertragsfreiheit (vgl. BGE 60 II 171 ; ferner KNAPP, De la convention ou du procès ..., im Journal des Tribunaux 1944, droit fédéral p. 70 lit. C). Der vorliegenden Ziff. 7 der Vereinbarung wäre die Genehmigung deshalb nur zu versagen, wenn sich die darin vorgesehene Leistung auch nicht aus Billigkeitsgründen rechtfertigen liesse und sich vielmehr als ungebührliche Belastung des Klägers erwiese. Das trifft aber nicht zu. Im Betrag von Fr. 12'000.-- ist eine von ihm anerkannte Darlehensschuld von Fr. 4000.-- enthalten. Die restlichen Fr. 8000.-- sind als Entschädigung (zumal für den Entgang einer Anwartschaft) und als Genugtuung zu betrachten. Die Ehe ist durch das Verschulden des Klägers in die Brüche gegangen. Es war auch nur anständig, der Beklagten eine reichliche Genugtuung für das ehewidrige Verhalten und namentlich für die unwürdigen Misshandlungen zu gewähren, mochten diese auch, weil verziehen, nicht mehr als Scheidungsgründe in Betracht fallen und allenfalls aus demselben Grund ein gesetzlicher Genugtuungsanspruch für die betreffenden Vorfälle nicht mehr bestehen. Eine Entschädigung und Genugtuung von BGE 81 II 587 S. 593 Fr. 8000.-- ist angesichts des Verlaufs dieser Ehe nicht übersetzt, sodass die Vereinbarung auch in diesem Punkte die Genehmigung vollauf verdient. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Kantonsgerichts des Kantons St. Gallen vom 13. April 1955, soweit es angefochten ist, bestätigt.
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Urteilskopf 102 II 12 3. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 14. Januar 1976 i.S. von Schumacher & Co. gegen Waldvogel.
Regeste Art. 267a Abs. 4 OR . Will der Vermieter die Vertragsbedingungen im Sinne dieser Bestimmung durch den Richter ändern lassen, so hat er das Gesuch bereits im Verfahren zu stellen, in dem über die vom Mieter beantragte Verlängerung des Mietverhältnisses zu entscheiden ist.
Erwägungen ab Seite 13 BGE 102 II 12 S. 13 Erwägungen: 1. Die Klägerin hat sich mit dem Entscheid des Obergerichtes über die von ihr einseitig vorgenommene Mietzinserhöhung abgefunden. Sie macht nur noch geltend, der Vermieter dürfe den Richter entgegen der Auffassung des Obergerichtes nicht bloss im Verfahren über die Erstreckung des Mietverhältnisses, sondern auch nachher um Anpassung des Vertrages im Sinne von Art. 267a Abs. 4 OR ersuchen. a) Nach Art. 267a Abs. 4 OR hat die richterliche Behörde einem begründeten Gesuch des Vermieters um Änderung der Vertragsbedingungen angemessen Rechnung zu tragen. Diese Bestimmung ist nicht für sich allein oder bloss nach ihrem Wortlaut, sondern nach dem gesamten Zusammenhang, in dem sie steht, auszulegen. Die Art. 267a bis 267f OR sind unter dem gemeinsamen Randtitel "Erstreckung des Mietverhältnisses" eingeordnet; sie regeln, wie aus den einzelnen Vorschriften erhellt, insbesondere die Voraussetzungen und die Wirkungen der Erstreckung sowie das Verfahren. Schon das spricht dafür, dass ein Gesuch im Sinne von Art. 267a Abs. 4 mit der Erstreckung des Mietverhältnisses zusammenhangen muss und darüber im gleichen Verfahren zu entscheiden ist. Dass in der Bestimmung von "einem begründeten Gesuch des Vermieters" die Rede ist, steht dem nicht entgegen; diese Wendung stellt bloss klar, dass der Richter die Vertragsbedingungen nicht von Amtes wegen, sondern bloss auf Begehren des Vermieters anpassen darf (R. JEANPRETRE, La prolongation des baux à loyer, in Dixième Journée juridique de Genève 1970 S. 144). Die Gesetzesmaterialien enthalten keine Anhaltspunkte dafür, dass der Vermieter ausserhalb des Verfahrens, in dem über die vom Mieter beantragte Verlängerung des Mietverhältnisses zu entscheiden ist, eine Änderung der Vertragsbedingungen verlangen dürfe. Der Bundesrat führte in der Botschaft zu Art. 267a Abs. 4 (= Abs. 3 des Entwurfes) vielmehr aus, der Richter könne in seinem Urteil anordnen, unter welchen neuen oder geänderten Bedingungen das Mietverhältnis fortzusetzen sei (BBl 1968 II 857). Mit diesem Urteil meinte er aber den Entscheid über die vom Mieter verlangte Erstreckung des Vertragsverhältnisses. b) Das Obergericht geht zutreffend davon aus, dass das Mietverhältnis im Falle der Erstreckung im übrigen unter den bisherigen Bedingungen fortgesetzt wird, wenn der Vermieter BGE 102 II 12 S. 14 den Richter nicht ersucht, Vertragsbestimmungen zu ändern, insbesondere den Mietzins für die Dauer der Erstreckung an eine allfällige Steigung der Lebenskosten anzupassen. Es lässt sich daher nicht Sagen, die Fortsetzung des Mietverhältnisses sei nicht mehr vertraglicher Art, sondern beruhe bloss auf einem Gestaltungsurteil des Richters, wie die Klägerin behauptet. Das Gesetz lässt eine Änderung der übrigen Vertragsbedingungen nur auf Gesuch des Vermieters zu, was von der Klägerin mit Recht dahin ausgelegt wird, der Vermieter könne so Nachteile, die ihm durch den richterlichen Eingriff in die Vertragsdauer entstehen, wieder ausgleichen. Dieser Zweck kann aber auch erreicht werden, wenn der Vermieter das Gesuch um Änderung der Vertragsbedingungen nur im Verfahren über die Verlängerung des Mietverhältnisses stellen darf. Daraus folgt ferner, dass es bei dieser Änderung entgegen der Annahme der Klägerin nicht darum gehen kann, den Vertrag irgendwelchen Tatsachen, die während der Verlängerung des Mietverhältnisses eintreten, anzupassen. Unter welchen Voraussetzungen eine ausserordentliche Änderung der Umstände nach Art. 269 Abs. 1 OR zur Aufhebung des Vertrages oder nach Art. 2 Abs. 2 ZGB zur Behebung eines Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung durch den Richter führen kann, ist hier so wenig zu entscheiden wie die Frage, ob der Vermieter ein entsprechendes Begehren auch noch stellen dürfe, wenn der Entscheid über die Erstreckung des Mietverhältnisses bereits rechtskräftig ist (vgl. nicht veröffentlichtes Urteil der I. Zivilabteilung vom 10. Februar 1975 i.S. SUVA gegen Gössler). Die Klägerin macht übrigens nicht geltend, dass hier ein solches Missverhältnis vorliege oder die Umstände sich nachträglich für sie in nicht voraussehbarer Weise geändert hätten. Dazu kommt, dass jede Vertragspartei sich auf Art. 269 Abs. 1 OR und Art. 2 Abs. 2 ZGB , aber nur der Vermieter sich auf Art. 267a Abs. 4 OR berufen darf. Aus den beiden ersten Bestimmungen kann deshalb nichts für die Auslegung der letzteren gewonnen werden. 2. Ein Gesuch im Sinne von Art. 267a Abs. 4 OR nach dem Entscheid über die Erstreckung des Mietverhältnisses noch zuzulassen, wäre wegen der Interessen der Beteiligten auch sachlich nicht gerechtfertigt. Die Klägerin meint freilich, aus diesen Interessen ergebe sich gerade das Gegenteil. BGE 102 II 12 S. 15 a) Gewiss könnten Nachteile, die dem Vermieter aus der Erstreckung erwachsen, auch nachträglich ausgeglichen werden. Der Richter hat die Interessen des Vermieters jedoch schon nach Art. 267a Abs. 1 OR mitzuberücksichtigen und zu würdigen. Je nach dem Ergebnis dieser Würdigung kann er sodann die Erstreckung verweigern, sie zeitlich sogar auf Monate beschränken und Vertragsbedingungen für die Dauer der Erstreckung ändern, wenn der Vermieter dies verlangt. Eine dem Entscheid vorausgehende Interessenabwägung entspricht somit nicht bloss dem Text des Gesetzes, sondern auch seinen sozialrechtlichen Grundgedanken, auf denen die Kündigungsbeschränkung im Mietrecht beruht. Die Anpassung von Vertragsbedingungen nur im Erstreckungsverfahren zuzulassen, ist aus der Sicht des Vermieters wie des Mieters geboten. Der Vermieter kann in diesem Verfahren z.B. eine Mietzinserhöhung erwirken, die seinen Vorstellungen entspricht, für den Mieter aber nicht mehr tragbar ist. Jede Partei kann daher ihr Verhalten im Prozess sowie ihre Rechtsmittel nach dieser Interessenlage ausrichten, der Mieter zudem sein Begehren auf Erstreckung des Vertragsverhältnisses zurückziehen, wenn er dessen Beendigung einer Anpassung vorzieht. Dass der Vermieter im Erstreckungsverfahren angeblich keine genügenden Angaben machen kann, um den Mietzins neu festzusetzen, hilft der Klägerin nicht. Das Obergericht hält ihr mit Recht entgegen, dass Art. 267a Abs. 4 OR dem Vermieter nicht die Möglichkeit verschaffen will, den Mietzins nach umfassenden Abklärungen neu festzulegen; der Zweck der Bestimmung erschöpft sich darin, den Vertrag an die durch die Erstreckung geschaffenen Lage anzupassen. Darüber kann der Vermieter sich aber schon im Erstreckungsverfahren Rechenschaft geben und dies ist ihm auch zuzumuten (R. GMÜR, Die Rechte des Mieters, 2. Aufl., S. 105; P. WEGMANN, in SJZ Bd. 69 S. 186; M. MOSER, Die Erstreckung des Mietverhältnisses nach Art. 267a - 267f OR , Diss. Freiburg 1975, S. 116). Ebensowenig hilft der Klägerin, dass der Vermieter Anlass haben kann, sein Gesuch um Änderung des Vertrages von der Dauer der Erstreckung abhängig zu machen. Das Bundesrecht hindert ihn nicht daran, das Gesuch z.B. nur für den Fall zu stellen, dass das Mietverhältnis um mehr als ein Jahr erstreckt wird. BGE 102 II 12 S. 16 b) Die Interessen des Mieters würden ungleich stärker betroffen, wenn er nach dem rechtskräftigen Entscheid über die Erstreckung des Mietverhältnisses noch mit einer Änderung des Vertrages zu seinen Ungunsten, namentlich mit einer Erhöhung des Mietzinses rechnen müsste. Selbst wenn seine Interessen in einem weiteren Entscheid über die Anpassung des Vertrages angemessen berücksichtigt würden, müsste er sich in seinem verständlichen Vertrauen, das Mietverhältnis sei im Entscheid über die Erstreckung zu den bisherigen Bedingungen verlängert worden, enttäuscht sehen. Er könnte auf diesen Entscheid nicht mehr zurückkommen, noch sich durch Rückzug seines Erstreckungsbegehrens einer Verlängerung des Vertrages zu ihm unerwünschten Bedingungen entziehen. Der Vermieter kann dagegen durch ein rechtzeitiges Gesuch dafür sorgen, dass über das Erstreckungsbegehren und die Anpassung des Vertrages im gleichen Verfahren geurteilt wird. Eine nachträgliche Änderung erweckt vor allem dann Bedenken, wenn der Vermieter darauf ausgeht, einen lästigen Mieter vorzeitig loszuwerden. Das Mietgericht erblickte im vorliegenden Fall den Hauptgrund für die massive Erhöhung des Mietzinses denn auch darin, den Mieter noch vor Ablauf der von ihm erwirkten Verlängerung des Mietverhältnisses zur Aufgabe der Geschäftsräume zu bewegen. Aber auch in allen andern Fällen würde die Vertragsänderung dem Mieter aufgezwungen, wenn der Vermieter auch nachträglich noch über die Anpassung entscheiden lassen dürfte. Solches Hinauszögern widerspräche dem Grundgedanken des Gesetzes und verstiesse gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, der von den Parteien auch im Prozess zu beachten ist (vgl. JEANPRETRE, a.a.O. S. 144; MOSER, a.a.O. S. 114; ferner für das deutsche Recht, H. ROQUETTE, Neues soziales Mietrecht, 1969 S. 60, Nr. 74/5; GULDENER, Schweiz. Zivilprozessrecht, 2. Aufl. S. 237 ff.). c) Davon abgesehen besteht ein grundsätzlicher Anspruch beider Parteien zu wissen, was zwischen ihnen für die Dauer der Erstreckung als Vertragsinhalt gilt. Die Klägerin geht mit Recht selber davon aus, dass die Anpassung wie die Erstreckung an die durch Kündigung beendigte Vertragsdauer anschliessen muss; sie verlangt denn auch, dass der neue Mietzins rückwirkend auf den 1. Oktober 1974 festgesetzt BGE 102 II 12 S. 17 werde. Dass Rückwirkung mit Bezug auf den Mietzins eine starke Belastung bedeuten und mit Bezug auf andere Vertragsbedingungen unter Umständen illusorisch sein kann, ändert daran nichts. Auch wenn das Abänderungsgesuch während des Erstreckungsprozesses gestellt wird, kann möglicherweise das Urteil erst nach dem Kündigungstermin ergehen und deshalb der Vertragsinhalt erst rückwirkend bestimmt werden. Unerträglich würde dies, wenn der Vermieter, wie die Klägerin behauptet, sein Gesuch um Anpassung des Vertrages noch während der ganzen Dauer der Erstreckung stellen könnte. Es bliebe während dieser ganzen Zeitspanne, die bis zu drei Jahren gehen kann ( Art. 267a Abs. 2 OR ), nicht nur völlig offen, was definitiv als Vertragsinhalt zu gelten hat, sondern sogar, ob der Vermieter überhaupt eine Änderung verlangt. Solche Unsicherheit ist jedoch gerade im Verhältnis zwischen Mieter und Vermieter zu vermeiden ( BGE 99 II 170 , BGE 101 II 90 ). Wenn das Gesetz für das Anpassungsgesuch des Vermieters keine Verwirkungsfrist setzt, erlaubt dies daher nicht den von der Klägerin gezogenen Schluss, dass das Gesuch während der ganzen Erstreckungsperiode gestellt werden könne; einer solchen Frist bedarf es vielmehr schon deshalb nicht, weil ein nachträgliches Gesuch überhaupt ausgeschlossen ist. Diese Auffassung wird auch im Schrifttum vertreten, soweit man sich darin zur Streitfrage, sei es ausdrücklich oder wenigstens dem Sinne nach, bereits geäussert hat (JEANPRETRE, a.a.O. S. 149, GMÜR, a.a.O. S. 104; W. SPRENGER, Entstehung, Auslegung und Auflösung des Mietvertrages für Immobilien, Diss. Zürich 1972, S. 179; ROQUETTE, a.a.O. S. 54 N. 61; W. LANGENSIEPEN, Kündigungsbeschränkungen aus sozialen Gründen im Deutschen und Schweizerischen Mietrecht, Diss. Bern 1973, S. 42).
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Urteilskopf 93 I 185 22. Urteil vom 17. Februar 1967 i.S. Wehrsteuerverwaltung des Kantons Bern gegen X. und Rekurskommission des Kantons Bern.
Regeste Wehrsteuer: Jahressteuer auf Kapitalgewinnen und Wertvermehrungen (Art 43 WStB). Besteuerung eines durch Auflösung einer stillen Reserve auf Waren realisierten Gewinns. Inwieweit sind Abschreibungen zu berücksichtigen?
Sachverhalt ab Seite 185 BGE 93 I 185 S. 185 A.- X. war einer der unbeschränkt haftenden Teilhaber der Kommanditgesellschaft X. & Co., welche Möbel herstellte. Diese Gesellschaft wurde Ende 1961 aufgelöst, und ihre Aktiven und Passiven wurden zu den Buchwerten von der neu gegründeten Firma X. AG übernommen. Da X. infolge der Umwandlung der Kommandit- in eine Aktiengesellschaft von einer selbständigen zu einer unselbständigen Erwerbstätigkeit überging, wurde er nach Art. 96 WStB einer Zwischenveranlagung unterworfen. Die Veranlagungsbehörde belegte ihn gemäss Art. 43 WStB mit einer besonderen Jahressteuer für seinen Anteil (1/3) an einem Gewinn, den die Kommanditgesellschaft im Jahre 1961 durch Auflösung einer stillen Reserve auf Waren realisiert hatte. Sie setzte seinen Gewinnanteil auf Fr. 85'800.-- fest, so dass sich nach Vornahme des in Art. 25 Abs. 1 lit. a WStB vorgesehenen Abzugs ein steuerbarer Betrag von Fr. 84'300.-- ergab. Die Einsprache des Steuerpflichtigen gegen diese Veranlagung wurde abgewiesen. B.- Auf Beschwerde des Steuerpflichtigen hin liess die kantonale Rekurskommission durch ihren Bücherexperten die Berechnung der aufgelösten Warenreserve überprüfen. Der Experte ermittelte einen Betrag von Fr. 137'676.--, wovon auf den Beschwerdeführer 1/3 = Fr. 45'892.-- entfällt. Die Rekurskommission nahm an, dass der Anteil des Beschwerdeführers jedenfalls zwischen Fr. 40'000.-- und 50'000.-- liege. Diesen BGE 93 I 185 S. 186 Anteil verrechnete sie mit den Anteilen des Beschwerdeführers an a) den früher nicht anerkannten und nicht reaktivierten Abschreibungen, 1/3 = Fr. 6767.--, b) der Hälfte der Abschreibungen der Jahre 1959/60 und den vollen Abschreibungen des Jahres 1961, 1/3 = Fr. 56'222.--. Die Rekurskommission fand, dass die Abschreibungen der Jahre 1959-1961 in dieser Weise angerechnet werden müssten, weil sie sich sonst steuerlich überhaupt nicht oder nur zur Hälfte auswirken würden. Sie gelangte daher zum Schluss, dass eine Sondersteuer nach Art. 43 WStB nicht geschuldet sei (Entscheid vom 9. September 1966). C.- Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die kantonale Wehrsteuerverwaltung, den Entscheid der Rekurskommission aufzuheben und X. der Sondersteuer nach folgender Berechnung zu unterwerfen: Anteil am Gewinn aus der Auflösung der Warenreserve Fr. 45'892.-- Abzüglich Anteil an den früher steuerlich nicht anerkannten Abschreibungen " 6'767.-- Abzug nach Art. 25 Abs. 1 lit. a WStB " 1'500.-- Steuerpflichtiger Gewinn Fr. 37'625.-- abgerundet " 37'600.-- D.- Die kantonale Rekurskommission beantragt Abweisung, die eidgenössische Steuerverwaltung Gutheissung der Beschwerde. X. hat sich binnen der ihm gesetzten Frist nicht vernehmen lassen. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. X. ist Ende 1961 infolge der Umwandlung der Kommanditgesellschaft X. & Co. in die X. AG von der bisherigen selbständigen Tätigkeit als unbeschränkt haftender Teilhaber der Kommanditgesellschaft zu einer unselbständigenTätigkeit im Dienste der Aktiengesellschaft übergegangen. Da sich wegen dieses Berufswechsels die Grundlagen seiner Veranlagung während der Veranlagungsperiode 1961/62 dauernd verändert haben, war er nach Art. 96 WStB für den Rest dieser Periode für die von der Veränderung betroffenen Einkommensbestandteile BGE 93 I 185 S. 187 einer Zwischenveranlagung zu unterwerfen. In einem solchen Falle hat der Gesellschafter gemäss Art. 43 (in Verbindung mit Art. 18 Abs. 2) WStB neben der Steuer vom übrigen Einkommen eine volle Jahressteuer von seinem Anteil an den von der Kommanditgesellschaft in der Berechnungs- und der Veranlagungsperiode erzielten Kapitalgewinnen und Wertvermehrungen im Sinne von Art. 21 Abs. 1 lit. d und f zu entrichten. 2. Die Firma X. & Co. hat ihre Aktiven und Passiven Ende 1961 zu den Buchwerten auf die neue Aktiengesellschaft übertragen. Bei der Liquidation der Personengesellschaft ist daher kein Gewinn, welcher der Sondersteuer nach Art. 43 WStB zu unterwerfen wäre, erzielt worden. Dagegen unterliegt dieser Steuer der Gewinn, den die Kommanditgesellschaft im Jahre 1961 durch Auflösung einer stillen Reserve im Warenlager realisiert hat (KÄNZIG, Wehrsteuer, N. 101 zu Art. 21, N. 5 zu Art. 43 WStB). Die kantonalen Behörden und die eidgenössische Steuerverwaltung gehen davon aus, dass es sich um einen durch Abbau, d.h. Veräusserung von Warenvorräten erzielten Kapitalgewinn im Sinne von Art. 21 Abs. 1 lit. d. WStB handle, während der Buchsachverständige der Rekurskommission annimmt, dass eine gebuchte Wertvermehrung im Sinne der lit. f daselbst vorliege. Wie es sich damit verhalte, kann offen gelassen werden; denn auf jeden Fall ist eine stille Reserve im Warenlager aufgelöst worden und damit ein Gewinn in Erscheinung getreten, der nach Art. 43 WStB von der Sondersteuer erfasst wird. Nach der Berechnung des Buchsachverständigen der Rekurskommission, die nicht angefochten ist, beträgt die aufgelöste Reserve Fr. 137'676.--, wovon auf X. 1/3 = Fr. 45'892.-- entfällt. Von diesem Betrag ist 1/3 der früher nicht anerkannten und nicht reaktivierten Abschreibungen abzuziehen ( BGE 82 I 115 ; Urteil vom 15. November 1963, ASA Bd. 33 S. 150); andernfalls würden diese Abschreibungen doppelt belastet, einmal durch die ordentliche Steuer und sodann durch die Sondersteuer. Für X. ist unter diesem Titel ein Betrag von Fr. 6767.-- anzurechnen, was nicht bestritten ist. Ferner ist der in Art. 25 Abs. 1 lit. a WStB vorgesehene Abzug zu gewähren. Nach Vornahme dieser Abzüge ergibt sich ein der Sondersteuer unterliegender Betrag von Fr. 37'600.--. 3. Die kantonale Rekurskommission zieht ferner den BGE 93 I 185 S. 188 Anteil des Steuerpflichtigen an der Hälfte der Abschreibungen der Jahre 1959 und 1960 und an den vollen Abschreibungen des Jahres 1961 ab, mit der Begründung, dass sonst diese Abschreibungen sich "steuerlich nicht auswirken" würden. Diesem Standpunkt kann nicht zugestimmt werden. Die Abschreibungen der Jahre 1959 und 1960 waren massgebend für die Ermittlung der Buchwerte in den auf Ende dieser Jahre erstellten Abschlüssen, welche die Grundlage der ordentlichen Veranlagung für die 11. Periode bildeten. Steuerpflichtiger und Steuerbehörden sind an diese Buchungen gebunden, auch wenn nun die auf den Ergebnissen der Bemessungsperiode 1959/60 beruhende ordentliche Veranlagung nur für ein Jahr (1961) wirksam wird. Die Teilhaber der Gesellschaft müssen sich bei diesen Buchungen behaften lassen, so dass die Abschreibungen der Jahre 1959 und 1960 bei der Veranlagung zur Sondersteuer nicht, auch nicht teilweise, abgezogen werden können. Bei dieser Veranlagung sind auch die im Jahre 1961 vorgenommenen Abschreibungen nicht zu berücksichtigen. Nach Abzug dieser Abschreibungen hat die Gesellschaft in der Gewinn- und Verlustrechnung 1961 einen Gewinn von Fr. 174'938.-- ausgewiesen. Nach Art. 43 WStB erfasst wird aber nur der Teil dieses Gewinnes, der durch Auflösung der stillen Reserve von Fr. 137'676.-- realisiert wurde. Wie zu entscheiden wäre, wenn die Gesellschaft vor der Liquidation nur einen Gewinn im Sinne des Art. 43 WStB gemacht, im ganzen aber das letzte Geschäftsjahr unter Berücksichtigung der zulässigen Abschreibungen mit Verlust abgeschlossen hätte, ist nicht zu prüfen (vgl. dazu Urteil vom 22. März 1957, ASA Bd. 26 S. 31). Da die Abschreibungen der Jahre 1959-1961, welche die Rekurskommission zusätzlich anrechnet, nicht mit einer ordentlichen Steuer belastet worden sind, werden sie nicht doppelt erfasst, wenn sie bei der Berechnung der Sondersteuer nicht abgezogen werden. Darin unterscheiden sie sich von den früher von den Steuerbehörde nicht anerkannten Abschreibungen. Für sie trifft also der Grund nicht zu, aus dem jene früheren Abschreibungen bei der Veranlagung der Sondersteuer abzuziehen sind. Übrigens ist zu beachten, dass die ersten nach dem Beginn der Steuerpflicht vorgenommenen Abschreibungen meistens BGE 93 I 185 S. 189 mehr als nur einmal bei der Veranlagung berücksichtigt werden. Dies gilt z.B. im vorliegenden Fall auch für die neu gegründete X. AG. Würde der Auffassung der Rekurskommission gefolgt, so würden im ganzen zuviel Abschreibungen berücksichtigt. Es kann daher nicht gesagt werden, dass die gegenteilige Entscheidung zu einem unbilligen Ergebnis führe. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Beschwerde wird gutgeheissen, der angefochtene Entscheid aufgehoben und der steuerbare Gewinn auf Fr. 37'600.-- festgesetzt.
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Urteilskopf 117 V 268 35. Auszug aus dem Urteil vom 8. November 1991 i.S. B. & Co. gegen Ausgleichskasse des Kantons Zürich und AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich
Regeste Art. 31 ff. Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge. Präzisierung der Rechtsprechung zur Auslegung staatsvertraglicher Begriffe nach Inkrafttreten des Wiener Übereinkommens.
Erwägungen ab Seite 268 BGE 117 V 268 S. 268 Aus den Erwägungen: 3. a) Art. 6 Abs. 1 des Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und den Vereinigten Staaten von Amerika BGE 117 V 268 S. 269 über Soziale Sicherheit lautet in der hier noch anwendbaren ursprünglichen Fassung vom 18. Juli 1979 des französischen Originaltextes: Sous réserve des dispositions contraires du Titre III de la présente Convention ou du Protocole final, un ressortissant de l'un des Etats contractants qui exerce une activité lucrative salariée sur le territoire de l'un ou des deux Etats contractants, est soumis aux dispositions légales concernant l'assurance obligatoire de l'Etat où il exerce son activité; pour le calcul des cotisations dues selon la législation de cet Etat, il n'est pas tenu compte des revenus que la personne réalise du fait d'une activité lucrative salariée exercée sur le territoire de l'autre Etat contractant. Und in der deutschen Übersetzung: Unter Vorbehalt abweichender Bestimmungen im Abschnitt III dieses Abkommens oder im Schlussprotokoll ist ein Staatsangehöriger eines Vertragsstaates, der im Gebiet eines oder beider Vertragsstaaten eine unselbständige Erwerbstätigkeit ausübt, den Rechtsvorschriften über die Versicherungspflicht des Staates unterstellt, in dessen Gebiet er beschäftigt ist; für die Berechnung der nach der Gesetzgebung dieses Staates zu entrichtenden Beiträge wird das Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit, das im Gebiet des andern Vertragsstaates erzielt worden ist, nicht berücksichtigt. b) Die Auslegung eines Staatsvertrages hat in erster Linie vom Vertragstext auszugehen. Erscheint dieser klar und ist seine Bedeutung, wie sie sich aus dem gewöhnlichen Sprachgebrauch sowie aus Gegenstand und Zweck des Übereinkommens ergibt, nicht offensichtlich sinnwidrig, so kommt eine über den Wortlaut hinausgehende ausdehnende bzw. einschränkende Auslegung nur in Frage, wenn aus dem Zusammenhang oder der Entstehungsgeschichte mit Sicherheit auf eine vom Wortlaut abweichende Willenseinigung der Vertragsstaaten zu schliessen ist ( BGE 116 Ib 221 Erw. 3a, 114 V 11 Erw. 1b, 113 V 103 Erw. 2b, 265 Erw. 3a). In diesem Rahmen sind nach der bisherigen Rechtsprechung des Eidg. Versicherungsgerichts Wendungen und Begriffe, die in einem Sozialversicherungsabkommen Anwendung finden und für die Versicherungsleistungen einer schweizerischen Sozialversicherungseinrichtung massgeblich sind, stets direkt nach schweizerischem innerstaatlichen Recht auszulegen ( BGE 112 V 149 Erw. 2a, BGE 111 V 120 Erw. 1b). Diese Rechtsprechung muss angesichts der am 6. Juni 1990 für die Schweiz in Kraft getretenen Wiener Konvention zum Vertragsrecht vom 23. Mai 1969 (SR 0.111; AS 1990 1112) relativiert werden. Nach Massgabe der in den Art. 31 bis 33 der Konvention festgelegten allgemeinen Grundsätze der Staatsvertragsauslegung BGE 117 V 268 S. 270 ist in erster Linie nach der autonomen Bedeutung der Abkommensbestimmung zu suchen. Nur wenn ein Abkommen - im Lichte dieser Regeln ordnungsgemäss ausgelegt - eine bestimmte Frage weder ausdrücklich noch stillschweigend regelt, ist es angängig, subsidiär die Begriffe und Konzeptionen des anwendbaren Landesrechts zur Auslegung beizuziehen (Botschaft des Bundesrates über den Beitritt der Schweiz zur Wiener Konvention von 1969 über das Recht der Verträge, BBl 1989 II 775 ff.; VPB 1989 [53] Nr. 54, S. 432; JACOT-GUILLARMOD, Strasbourg, Luxembourg, Lausanne et Lucerne: méthodes d'interprétation comparées de la règle internationale conventionnelle, in: Les règles d'interprétation. Principes communément admis par les juridictions, Freiburg 1989, S. 115 ff.; SPIRA, L'application du droit international de la sécurité sociale par le juge, in: Mélanges Berenstein, Lausanne 1989, S. 483 ff.). Im vorliegenden Fall erklärt die zitierte Abkommensbestimmung mit der Wendung "in dessen Gebiet er beschäftigt ist" den Erwerbsort als Anknüpfungspunkt für die Versicherteneigenschaft. Was unter Erwerbsort zu verstehen ist, lässt sich weder Art. 6 noch den übrigen Bestimmungen des Staatsvertrages direkt oder indirekt entnehmen, weshalb die an den Grundsätzen der Art. 31 ff., insbesondere Art. 31 Abs. 1 Wiener Konvention (Vertragsauslegung "nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte seines Zieles und Zwecks") orientierte Auslegung keinen Aufschluss gibt. Es liegt eine Lücke im zwischenstaatlichen Vertragsrecht vor, zu deren Ausfüllung schweizerisches Landesrecht ergänzend herangezogen werden darf.
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dec73cf7-ce40-499e-b02b-12b7a92dc851
Urteilskopf 135 III 259 39. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit civil dans la cause X. Ltd et Y. Ltd contre Z. (recours en matière civile) 4A_561/2008 du 9 février 2009
Regeste Art. 394 Abs. 3 OR ; Festlegung des Anwaltshonorars. Es widerspricht Bundesrecht nicht, bei der Festlegung des Honorarbetrags dem durch den Anwalt erzielten Ergebnis Rechnung zu tragen. Anwendung auf den vorliegenden Fall (E. 2).
Sachverhalt ab Seite 259 BGE 135 III 259 S. 259 A. En mai 2001, R.A., par le truchement de sa société X. Ltd, a octroyé un prêt à court terme de 80'000'000 CHF à B. En garantie, BGE 135 III 259 S. 260 ce dernier a transféré à X. Ltd la propriété de deux cédules hypothécaires grevant un immeuble à Genève; parallèlement, il a accordé un droit d'emption sur le même immeuble à une autre société contrôlée par les frères A. B. n'a pas remboursé les montants prêtés à l'échéance et a partiellement contesté que le montant réclamé soit dû. Dans le courant du mois d'août 2001, Y. Ltd et X. Ltd ont chargé l'avocat genevois Z. de recouvrer le montant du prêt, en capital et intérêts, au plus vite et par tous les moyens légaux possibles. Le mandat a duré environ six ans et demi; l'avocat, ses associés, collaborateurs et stagiaires y ont consacré, selon leur calcul, 1'289 heures. Les notes d'honoraires intermédiaires présentées par l'avocat, déterminées exclusivement en fonction du temps de travail, ont été régulièrement payées pour un montant total de 634'420,25 CHF. A la suite des démarches et procédures engagées, l'avocat a encaissé pour le compte de son client, le 20 février 2008, la somme de 90'004'046,80 CHF. Le 14 mars 2008, Z. a établi une note définitive fixant le montant total de ses honoraires à 2'127'000 CHF. Après déduction des sommes déjà versées, le décompte fait apparaître un solde de 1'521'972,70 CHF. Il a été contesté que l'avocat puisse ainsi majorer ses honoraires pour tenir compte du résultat obtenu. B. Le montant de ses honoraires n'ayant pas été admis, l'avocat Z. a saisi, par requête du 2 mai 2008, la Commission de taxation des honoraires d'avocat du canton de Genève. Dans sa décision du 31 octobre 2008 [datée par inadvertance du 31 novembre 2008], la commission de taxation, après avoir constaté que les parties n'avaient pas conclu de convention en relation avec le mode de calcul des honoraires, a pris en considération l'ampleur du travail accompli et la complexité de la tâche. Elle a retenu que l'activité de l'avocat avait "été causale par rapport (au) résultat" à savoir l'encaissement pour le compte du client d'une somme très élevée. Si elle a estimé qu'il était conforme à l'art. 34 de la loi de la République et canton de Genève du 26 avril 2002 sur la profession d'avocat (LPAv; RSG E 6 10) de tenir compte du résultat obtenu, elle a toutefois estimé que le montant des honoraires, à considérer l'importance du dossier et sa complexité, ne devait pas dépasser BGE 135 III 259 S. 261 2 % du résultat obtenu. En conséquence, elle a réduit le montant des honoraires de 2'127'000 CHF à 1'800'000 CHF. C. X. Ltd et Y. Ltd exercent conjointement un recours en matière civile auprès du Tribunal fédéral. Invoquant une application arbitraire des art. 34 et 39 LPAv, une transgression de l'art. 12 de la loi fédérale du 23 juin 2000 sur la libre circulation des avocats (LLCA; RS 935.61), ainsi qu'une violation du droit d'être entendu, les recourantes concluent principalement à l'annulation de la décision attaquée et au déboutement de l'avocat; subsidiairement, elles requièrent le renvoi de la cause à l'autorité cantonale pour nouvelle décision dans le sens des considérants. Le Tribunal fédéral a rejeté le recours dans la mesure où il était recevable. Erwägungen Extrait des considérants: 2. 2.1 La présente cause revêt un aspect international du fait que les deux sociétés recourantes ont leur siège à l'étranger, soit en Irlande pour X. Ltd, et au Royaume-Uni, archipel des Bermudes, pour Y. Ltd. Il sied donc de contrôler d'office la question du droit applicable au litige, en fonction de la loi du for, singulièrement de la LDIP (RS 291; ATF 133 III 323 consid. 2.1). Selon l'accord des parties, l'avocat devait déployer ses efforts et entreprendre toutes les démarches nécessaires en vue de recouvrer la créance due par le débiteur. Il s'agit donc d'un mandat ( art. 394 al. 1 CO ). Aucune élection de droit n'étant alléguée ( art. 116 LDIP ), le contrat est régi par le droit suisse, en tant que loi du lieu où le mandataire a son établissement ( art. 117 al. 2 et al. 3 let . c LDIP; art. 20 al. 1 let . c LDIP). Les services étant fournis à titre professionnel, le mandat est onéreux en vertu de l'usage ( art. 394 al. 3 CO ; arrêt du Tribunal fédéral 4C.158/2001 du 15 octobre 2001 consid. 1b, in SJ 2002 I p. 204). 2.2 Les honoraires dus à un mandataire sont fixés en première ligne d'après la convention des parties ( ATF 101 II 109 consid. 2). En raison de la mission particulière confiée aux avocats en tant qu'auxiliaires de la justice, la jurisprudence a admis que le droit cantonal pouvait réglementer leur rémunération ( ATF 66 I 51 consid. 1 p. 55; ATF 117 II 282 consid. 4a p. 283). La LLCA n'a pas modifié cette situation et n'a apporté aucune règle sur la fixation des honoraires (arrêt 4A_11/2008 du 22 mai 2008 consid. 4). A défaut de BGE 135 III 259 S. 262 convention des parties et de règle cantonale, le montant des honoraires doit être fixé selon l'usage ( ATF 101 II 109 consid. 2). Certes, il a été contesté que l'usage, auquel se réfère l' art. 394 al. 3 CO , puisse non seulement déterminer le caractère onéreux du contrat, mais encore conduire à fixer le montant des honoraires ( ATF 117 II 282 consid. 4b p. 283/284). Il n'y a cependant pas lieu de revenir sur la prise en compte de l'usage, qui a déjà été admise par la jurisprudence ( ATF 101 II 109 consid. 2) et qui est soutenue par la doctrine récente (FRANZ WERRO, in Commentaire romand, Code des obligations, vol. I, 2003, n° 46 ad art. 394 CO ; ROLF H. WEBER, in Commentaire bâlois, CO, vol. I, 4 e éd. 2007, n° 39 ad art. 394 CO ). S'il n'y a pas d'usage, le juge fixe la rémunération en tenant compte de toutes les circonstances pertinentes, étant souligné qu'elle doit être objectivement proportionnée aux services rendus ( ATF 117 II 282 consid. 4c; ATF 101 II 109 consid. 2 p. 111). La question litigieuse en l'espèce est de savoir si et dans quelle mesure le montant des honoraires peut tenir compte du résultat obtenu. 2.3 Savoir si les parties peuvent convenir de faire dépendre les honoraires du résultat obtenu par l'avocat est une question d'actualité qui a suscité une récente publication de droit comparé (L'honoraire de l'avocat et le résultat, Congrès général de la Fédération des barreaux d'Europe [FBE] 2006, Mirko Ros [éd.], 2007). Il résulte de la contribution de l'un des auteurs (MATTHIAS KILIAN, Die erfolgsbasierte Vergütung des Rechtsanwaltes, en particulier p. 9 et 10) que les parties pourraient théoriquement tenir compte du résultat de trois manières fondamentalement différentes: - elles pourraient décider que l'avocat n'a droit à des honoraires qu'en cas de résultat; une telle convention est prohibée en Suisse par l' art. 12 let . e 2 e phrase LLCA; - elles pourraient convenir que les honoraires consisteront en une quote-part du résultat; il s'agit du pactum de quota litis , qui est généralement prohibé (en Suisse par l' art. 12 let . e 1 re phrase LLCA); - elles peuvent prévoir que l'avocat aura le droit de toute manière à des honoraires (ce qui est conforme au principe selon lequel le mandataire ne promet pas de résultat), mais que le montant de ses honoraires pourra être augmenté en cas de succès; il s'agit du pactum de palmario , qui est de plus en plus généralement admis BGE 135 III 259 S. 263 (cf. par ex. art. 12 al. 2 des Us et coutumes de l'Ordre des Avocats genevois). En l'occurrence, il a été constaté en fait ( art. 105 al. 1 LTF ) que les parties n'avaient conclu aucune convention sur le montant des honoraires ou sur la manière de les calculer. Il n'y a donc pas à examiner si les plaideurs ont lié la rémunération au résultat d'une manière admissible ou non en fonction des règles qui viennent d'être rappelées. Toute référence au pactum de quota litis ou au pactum de palmario est ici hors de propos. 2.4 Comme on l'a déjà rappelé, la jurisprudence a admis que le droit cantonal pourrait adopter un tarif et réglementer la rémunération des avocats ( ATF 117 II 282 consid. 4a p. 283). Le législateur genevois n'est pas allé aussi loin, mais il a néanmoins posé, à l'art. 34 LPAv, les principes généraux qui doivent présider à la fixation des honoraires. On ne voit pas pourquoi cette réglementation moins incisive ( a maiore minus ) ne serait pas applicable, alors qu'un tarif contraignant le serait. Il faut en inférer que l'art. 34 LPAv est applicable. Cette disposition introduit expressément le résultat obtenu parmi les critères qu'il faut prendre en compte pour fixer les honoraires. Certes, la jurisprudence a considéré que le droit cantonal ne pouvait réglementer que les honoraires de l'avocat pour son activité devant ses autorités et qu'il ne s'appliquait pas à l'activité extrajudiciaire ( ATF 117 II 282 consid. 4a p. 383). Il est probable en l'espèce que l'avocat intimé a aussi déployé une activité extrajudiciaire. Cependant, en l'absence de convention des parties et d'une réglementation cantonale applicable, il convient de se référer à l'usage. Hors, les Us et coutumes de l'Ordre des Avocats de Genève prévoient clairement, à l'art. 12 al. 1, que le résultat obtenu doit être pris en compte. Si l'on songe que le droit cantonal contient la même règle pour l'activité devant les autorités du canton, on peut en déduire qu'il existe à Genève un usage selon lequel le résultat obtenu est pris en considération pour déterminer le montant des honoraires (dans ce sens également: JEAN HEIM, Les honoraires d'avocat en Suisse, in L'honoraire de l'avocat et le résultat, ouvrage collectif déjà cité, p. 149). On observera en passant que le nouveau code suisse de déontologie adopté le 10 juin 2005 par la Fédération suisse des avocats (avec entrée en vigueur le 1 er juillet 2005) contient le même principe à l'art. 18 al. 2. Ainsi c'est à juste titre que la commission de taxation, qui est à Genève le juge compétent pour fixer le montant des honoraires BGE 135 III 259 S. 264 judiciaires ou extrajudiciaires (art. 39 al. 1 LPAv), a tenu compte du résultat obtenu pour majorer la somme due. On ne distingue à cet égard aucune transgression du droit fédéral ( art. 394 al. 3 CO ), ni aucune violation arbitraire des art. 34 et 39 LPAv. 2.5 Il reste à examiner si la majoration est excessive. Il est manifeste que l'autorité cantonale, quand elle fixe le montant des honoraires dus à un avocat, dispose d'un large pouvoir d'appréciation. Or le Tribunal fédéral ne peut revoir qu'avec retenue l'usage de ce pouvoir d'appréciation (arrêt 4P.256/2005 du 18 janvier 2006 consid. 3.3 in fine). Lorsque la norme applicable accorde au juge un large pouvoir d'appréciation, le Tribunal fédéral ne substitue pas sa propre appréciation à celle de l'autorité compétente ( ATF 132 III 97 consid. 1 p. 99, ATF 132 III 109 consid. 2 p. 111). Il n'intervient que si la décision attaquée s'écarte sans raison des règles établies par la doctrine et la jurisprudence en matière de libre appréciation, si elle s'appuie sur des faits qui, dans le cas particulier, ne devaient jouer aucun rôle, ou à l'inverse, si elle n'a pas tenu compte d'éléments qui auraient absolument dû être pris en considération; il sanctionne en outre les décisions rendues en vertu d'un pouvoir d'appréciation lorsqu'elles aboutissent à un résultat manifestement injuste ou à une iniquité choquante ( ATF 133 III 201 consid. 5.4 p. 211; ATF 132 III 109 consid. 2 p. 111/112). In casu, l'autorité cantonale a tenu compte de l'ampleur du travail fourni, de la complexité de la cause, de l'importance de l'enjeu et du résultat obtenu. Elle a ainsi procédé à un examen de tous les critères pertinents de l'espèce. Elle ne s'en est pas rapportée purement et simplement à l'appréciation de l'avocat, puisqu'elle a exercé son pouvoir de modération, en réduisant le montant des honoraires. Elle a estimé, sur la base de toutes les circonstances et du montant en jeu, que les honoraires ne devaient pas dépasser 2 % du résultat obtenu. Le montant fixé (1'800'000 CHF) peut certes sembler a priori élevé en chiffres absolus, mais si on le rapporte en pourcentage au résultat obtenu, lequel a permis aux sociétés recourantes d'encaisser de leur adverse partie plus de 90 mio de CHF, il n'apparaît pas critiquable. Dans ce contexte, l'autorité cantonale n'a pas excédé les limites du large pouvoir d'appréciation qui lui est accordé, pas plus qu'elle n'a abusé de ce pouvoir. En conséquence, on ne discerne pas de violation du droit fédéral ou du droit constitutionnel.
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Urteilskopf 120 II 225 42. Urteil der II. Zivilabteilung vom 15. August 1994 i.S. D. c. W. (Berufung)
Regeste Art. 28 ZGB ; Kunstfreiheit als Rechtfertigungsgrund für eine Persönlichkeitsverletzung? Ist nicht bewiesen, dass eine persönlichkeitsverletzende Darstellung in einem Buch der Wahrheit entspricht, so kann der Autor zur Rechtfertigung der Persönlichkeitsverletzung nicht geltend machen, er habe die Wirklichkeit mit künstlerischen Mitteln darstellen wollen. Die in einem Buch veröffentlichte fiktive Geschichte ist so zu gestalten, dass der durchschnittliche Leser ehrverletzende Äusserungen nicht auf eine tatsächlich lebende Person bezieht.
Sachverhalt ab Seite 226 BGE 120 II 225 S. 226 A.- Anita D. veröffentlichte im Sommer 1990 ein Buch mit dem Titel "Jubilierende soziale Hohlfahrt im Kanton X". Willi W. sah in den Ausführungen auf den Seiten 130 und 131 dieses Buches eine widerrechtliche Persönlichkeitsverletzung. B.- Auf Antrag von Willi W. verbot der Gerichtspräsident von B. am 16. April 1991 Anita D., das Buch weiter zu verbreiten oder verbreiten zu lassen, ausser sie mache die betreffenden Stellen im Text unlesbar oder entferne sie sonstwie. Auf nachfolgende Klage von Willi W. hin stellte das Bezirksgericht B. mit Urteil vom 22. Oktober 1991 fest, dass Anita D. durch die Bezeichnung von Willi W. als - "stinkender Wirsig" - "ekelhaftes Weisskohl-Borstenschwein von einem Beamten" - "Dummkopf" - "strohsackblöd" und die Behauptung, Willi W. habe - "eine Altersheiminsassin in die Küche gezerrt und ihr eine Pfändungsunterschrift abgerungen", - "dem Sohn einer Altersheiminsassin passiv geholfen, laufend die AHV und Pension seiner Mutter zu kassieren", eine widerrechtliche Persönlichkeitsverletzung gegenüber dem Kläger begangen habe. Das Gericht gestattete Willi W., das Urteil in verschiedenen Zeitungen auf Kosten der Beklagten veröffentlichen zu lassen. Zudem wurde Anita D. verboten, ohne Entfernung der entsprechenden Stellen das genannte Buch weiter zu verbreiten und die darin enthaltenen, Willi W. betreffenden Aussagen zu wiederholen. Eine von Anita D. gegen dieses Urteil eingereichte Appellation wurde vom Obergericht des Kantons X mit Entscheid vom 25. Juni 1992 abgewiesen. C.- Auf staatsrechtliche Beschwerde von Anita D. hin hob das Bundesgericht mit Entscheid vom 17. Juni 1993 das obergerichtliche Urteil auf. Am 17. Februar 1994 hat das Obergericht des Kantons X neu entschieden, wobei es wiederum die Appellation abgewiesen hat. D.- Anita D. gelangt erneut mit staatsrechtlicher Beschwerde und Berufung an das Bundesgericht. Während Willi W. die Abweisung der Berufung beantragt, hat das Obergericht unter Hinweis auf das begründete Urteil auf Bemerkungen verzichtet. BGE 120 II 225 S. 227 E.- Die staatsrechtliche Beschwerde ist am 12. August 1994 von der II. Zivilabteilung abgewiesen worden, soweit darauf eingetreten wurde. Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Die Beklagte wirft dem Obergericht vor, es habe zu unrecht die Persönlichkeitsverletzung als widerrechtlich angesehen. Sie beruft sich auf überwiegende Interessen an der Veröffentlichung ihres Buches. Bei der Interessenabwägung habe das Obergericht nicht berücksichtigt, dass die Veröffentlichung Ausdruck ihrer Meinungsäusserungsfreiheit sei, welche sich auch auf das Kunstschaffen erstrecke, und dass überdies ein öffentliches Interesse an der Aufdeckung des Verhaltens des Klägers bestehe... a) ... Weil der Vorwurf nicht der Wahrheit entspricht, kann sich die Beklagte nicht auf ein öffentliches Interesse an der Aufdeckung eines Fehlverhaltens eines Beamten berufen. b) Die Beklagte macht als überwiegendes Interesse überdies ihr Recht geltend, sich künstlerisch zu betätigen. Ihr Buch sei mit einem autobiographischen Werk vergleichbar, bei dem es unvermeidbar sei, auch andere Personen darzustellen, die durch ihr Handeln in das Leben der Autorin eingegriffen hätten. In einer rechtsstaatlichen Demokratie besteht in der Tat ein erhebliches Interesse daran, dass ein künstlerisches Schaffen möglich ist. Entsprechend hat auch das Bundesgericht die Kunstfreiheit als Teil der Meinungsäusserungsfreiheit geschützt ( BGE 117 Ia 478 ). Daraus darf allerdings nicht der Schluss gezogen werden, jede Persönlichkeitsverletzung könne mit der Kunstfreiheit gerechtfertigt werden. Die künstlerische Betätigung hat sich im Rahmen der Rechtsordnung zu halten. Auch der Kunstschaffende hat die Persönlichkeitsrechte anderer zu respektieren. Es ist somit das Interesse des Verletzten gegen das Interesse des Verletzers an der künstlerischen Betätigung abzuwägen, wobei zu berücksichtigen ist, welche Möglichkeiten dem Künstler offengestanden hätten, sein Werk ohne die Persönlichkeitsverletzung zu schaffen. Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, dass es ihr im vorliegenden Buch mit Bezug auf die eingeklagten Stellen darum gegangen sei, die Wirklichkeit mit künstlerischen Mitteln darzustellen. Sie konnte den Wahrheitsbeweis für die geschilderten Sachverhalte nicht erbringen. Es geht somit nicht um die Darstellung einer realen Begebenheit, sondern um Fiktion. Deshalb kann der Beklagten nicht BGE 120 II 225 S. 228 gefolgt werden, wenn sie ihr Buch mit einem autobiographischen Werk vergleicht. Entsprechend stehen auch die von ihr zitierten Ausführungen von GEISER (Die Persönlichkeitsverletzung insbesondere durch Kunstwerke, Basel 1990, Rz. 9.73) in keinem Zusammenhang zum vorliegenden Fall. Geht es hier aber um Fiktion und nicht um die Darstellung einer wahren Begebenheit, kann von der Autorin verlangt werden, die fiktive Geschichte so auszugestalten, dass der Leser nicht auf eine reale Person schliesst. Wenn es ihr darum ging, eine fiktive Geschichte über ein verwerfliches Verhalten eines Beamten künstlerisch zu erzählen, hätte sie die nötige Sorgfalt aufwenden müssen, um jeden Bezug zu tatsächlich lebenden Personen auszuschliessen (GEISER, Rz. 2.44, S. 65). Dass aus irgendwelchen, in der Konzeption des Werks liegenden Gründen die Person so ausgestaltet und beschrieben sein musste, wie die Beklagte es tatsächlich tat, so dass der durchschnittliche Leser auf den Kläger schliesst, hat die Beklagte in keiner Weise dargetan. Nichts anderes gilt mit Bezug auf die Kraftausdrücke. Wohl können solche Wortschöpfungen als Ausdruck der künstlerischen Freiheit den Stil eines Buches prägen. Das bedeutet aber nicht, dass es die Kunst auch gebietet, mit diesen Ausdrücken tatsächlich lebende Personen zu verunglimpfen. Die Berufung auf die Kunstfreiheit vermag somit die vom Obergericht vorgenommene Interessenabwägung nicht als bundesrechtswidrig erscheinen zu lassen. Die Berufung erweist sich als unbegründet und das angefochtene Urteil wird bestätigt.
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1,994
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decfd86c-3e71-4845-b294-ac742a309bcd
Urteilskopf 113 IV 60 19. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 7. August 1987 i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste Art. 137 Ziff. 2 Abs. 3 und 139 Ziff. 1bis StGB; "andere gefährliche Waffe". 1. Eine Pistole, mit der Tränengaspatronen verschossen werden können, ist eine Waffe. Dasselbe gilt für einen Tränengasspray. 2. Wird mit den genannten Waffen CN-Gas eingesetzt, so ist die Unterstellung unter den Begriff der gefährlichen Waffe gerechtfertigt. Frage offengelassen im Fall des Einsatzes von CS-Gas.
Erwägungen ab Seite 61 BGE 113 IV 60 S. 61 Aus den Erwägungen: 1. Der Beschwerdeführer rügt, bei der von ihm mitgeführten Schreckschusspistole Marke "Röhm", Typ RG 8 mit Tränengaspatronen, habe es sich nicht um eine gefährliche Waffe im Sinne von Art. 137 Ziff. 2 Abs. 3 und 139 Ziff. 1bis StGB gehandelt, wie das Kriminalgericht annehme. a) Einen erschwerenden Umstand im Sinne jener Bestimmungen bildet das Mitführen einer Schusswaffe oder einer anderen gefährlichen Waffe zum Zwecke des Diebstahls oder Raubs. Als Waffe gilt jeder Gegenstand, der nach seiner Bestimmung zu Angriff oder Verteidigung dient ( BGE 112 IV 13 E. 2 mit Hinweisen). Diese Voraussetzung ist bei einer Pistole, wenn mit ihr Tränengaspatronen verschossen werden können, aber auch bei einem Tränengasspray fraglos gegeben. Ob die mitgeführte Waffe gefährlich und deshalb einer Schusswaffe gleichzustellen ist, hängt allein von objektiven Gegebenheiten, nämlich ihrem objektiv gefährlichen Charakter ( BGE 111 IV 50 E. 3; BGE 110 IV 82 E. b mit Hinweisen), mithin also davon ab, ob sie bei der in Frage stehenden Verwendungsart geeignet sei, gefährliche Verletzungen zu bewirken (STRATENWERTH, Strafrecht, Besonderer Teil I, 3. Aufl., S. 205 Rn. 114). Das trifft nach der in der bundesrätlichen Botschaft über die Änderung des schweizerischen Strafgesetzbuches und des Militärstrafgesetzes vertretenen Auffassung (BBl. 1980 I S. 1256), der in den parlamentarischen Beratungen nicht widersprochen (Sten.Bull. NR 1980, S. 1641, SR 1980 S. 277) und die teilweise auch in der Lehre übernommen worden ist (STRATENWERTH, a.a.O., S. 205 Rn. 114; REHBERG, Strafrecht III, S. 43; vgl. aber SCHULTZ, ZStrR 1984, S. 116) nicht nur auf Handgranaten und Bomben, sondern auch auf Gaspetarden, Sprühmittel und Schlagringe zu. Was in bezug auf Beschaffenheit und Verwendungsart für Opfer eine ähnliche Gefahr darstellt wie ein Schlagring ( BGE 111 IV 50 E. 3), ist demnach als gefährliche Waffe zu qualifizieren, ohne dass es in bezug auf die Art einer möglichen Verletzung des gleich hohen Gefährdungsgrades wie bei einer Schusswaffe bedürfte. BGE 113 IV 60 S. 62 Wenn die Botschaft des Bundesrates zwar von "anderen, in ihrer Gefährlichkeit der Schusswaffe ebenbürtigen Waffen" spricht (BBl. 1980 I S. 1251), aber als Beispiele solcher gefährlicher Waffen ausdrücklich auch Sprühmittel und namentlich Schlagringe nennt, so bringt sie selber dadurch unverkennbar zum Ausdruck, dass von Gesetzes wegen nicht jener gleich hohe Gefährdungsgrad wie bei einer Schusswaffe gefordert werden soll. b) Der angefochtene Entscheid erlaubt die Prüfung der Frage nicht, ob die inkriminierten Waffen als gefährlich im Sinne des Gesetzes anzusehen sind. Die Vorinstanz stellt nur fest, Gaspetarden und Sprühmittel seien gefährliche Waffen. In dieser allgemeinen Form kann der Auffassung des Kriminalgerichtes nach dem in Erw. 1a Gesagten nicht beigepflichtet werden. Aber auch der vom Verhörrichter eingeholte Bericht der Kantonspolizei Thurgau vom 18. Dezember 1985 erlaubt keine abschliessende Beurteilung. Darin wird in bezug auf die Schreckschusspistole "Röhm" festgehalten, die Waffe sei einsatzfähig und funktioniere ohne die geringste Störung; auch die sich im Magazin befindlichen Tränengaspatronen seien "sehr wirksam"; beim Abfeuern entstehe in der Umgebung von einigen Metern auf die Augen und die Atemwege eine starke Gaseinwirkung. Der Bericht lässt die Frage offen, ob in den Tränengaspatronen Chloracetophenon (CS-Gas) oder Chlorbenzylidenmalodinitril (CN-Gas) enthalten sei; während CN-Gas u.a. bei unsachgemässer Anwendung Lungenödeme und bleibende Augenschäden verursachen könne, trete die Reizwirkung beim CS-Gas "etwas später" auf und sei die Unverträglichkeitsgrenze "etwas günstiger". Was den vom Beschwerdeführer mitgeführten Tränengasspray betreffe, sei die Dose mit CS-Gas gefüllt gewesen. Aufgrund der Schilderung der Kantonspolizei ist beim CN-Gas die Unterstellung unter den Begriff der gefährlichen Waffe gerechtfertigt, insbesondere wenn man bedenkt, dass das Risiko einer unsachgemässen Anwendung in Deliktssituationen stets gegeben ist. Es steht aber nicht fest, ob die in der Schreckschusspistole enthaltenen Patronen dieses Gas enthielten. Hinsichtlich des CS-Gases lässt sich dem Bericht demgegenüber nicht mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen, ob dieses als gefährliche Waffe bezeichnet werden muss.
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1,987
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ded57feb-0644-493b-8396-6d1ff73cfbc0
Urteilskopf 115 IV 248 55. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 2. August 1989 i.S. L. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Freiburg (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste Art. 37 Abs. 1 SVG ; Art. 12 Abs. 2 VRV . 1. Mit der Unaufmerksamkeit des nachfolgenden Fahrzeugführers muss der Vorausfahrende grundsätzlich nicht rechnen (E. 3). 2. Art. 12 Abs. 2 VRV untersagt lediglich das unnötigerweise plötzlich erfolgende Anhalten (E. 4). 3. Tauchen auf der Fahrbahn plötzlich Tiere auf, so stellt dies eine Gefahrensituation dar, in welcher auch bei brüskem Bremsen nicht von unnötigem Anhalten gesprochen werden kann (E. 5).
Sachverhalt ab Seite 249 BGE 115 IV 248 S. 249 A.- L. fuhr am 6. Juli 1987 um 13.15 Uhr mit ihrem Personenwagen mit einer Geschwindigkeit von ca. 60 km/h auf der Kantonsstrasse von Bern gegen Murten; nach der Autobahnausfahrt kurz vor Löwenberg bremste sie brüsk, um einen Zusammenstoss mit zwei Tieren zu verhindern, welche die Fahrbahn überquerten. Der ihr ebenfalls in einem Personenwagen nachfolgende H. wurde dadurch überrascht und konnte nicht mehr rechtzeitig anhalten, weshalb er auf den bereits stillstehenden Wagen von L. auffuhr. Während diese annahm, dass es sich bei den beiden Tieren um Füchse handelte, will H. lediglich eine Maus gesehen haben. Der Oberamtmann des Sensebezirks erliess gestützt auf diesen Sachverhalt gegen H. einen Strafbefehl wegen Nichteinhaltens eines ausreichenden Abstandes beim Hintereinanderfahren ( Art. 34 Abs. 4 SVG ); dieser Strafbefehl ist in Rechtskraft erwachsen. Gegen L. erging ein Strafbefehl, weil sie nicht auf das ihr nachfolgende Fahrzeug Rücksicht genommen und "wegen Kleintieren (Mäuse)" brüsk gebremst habe, ohne dass ein Notfall vorlag ( Art. 37 Abs. 1 SVG , Art. 12 Abs. 2 VRV ). Auf Einsprache hin erklärte sie der Polizeirichter des Seebezirks am 27. September 1988 der Verletzung von Art. 37 Abs. 1 SVG und Art. 12 Abs. 2 VRV schuldig und verurteilte sie zu einer Busse von Fr. 60.--. Eine gegen dieses Urteil erhobene Kassationsbeschwerde wies das Kantonsgericht des Staates Freiburg, Strafkassationshof, am 23. Januar 1989 ab. B.- Mit eidgenössischer Nichtigkeitsbeschwerde beantragt L., das Urteil des Strafkassationshofes aufzuheben. Der Strafkassationshof des Kantonsgerichts des Staates Freiburg hat auf eine Stellungnahme verzichtet. BGE 115 IV 248 S. 250 Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung von Art. 37 Abs. 1 SVG und Art. 12 Abs. 2 VRV , indem die Vorinstanz einen Notfall unter Hinweis darauf verneinte, bloss um der Tiere willen hätte sie keine Vollbremsung einleiten dürfen, wobei unerheblich sei, ob vor ihrem Fahrzeug Füchse oder Mäuse die Fahrbahn überquerten. 2. a) Art. 34 Abs. 4 SVG bestimmt, dass namentlich beim Hintereinanderfahren gegenüber allen Strassenbenützern ein ausreichender Abstand zu wahren ist. Art. 12 Abs. 1 VRV führt dazu zusätzlich aus, dass der Abstand des nachfolgenden Fahrzeugführers dann ausreichend ist, wenn dieser auch bei überraschendem Bremsen des voranfahrenden Fahrzeuges rechtzeitig halten kann. b) Nach Art. 37 Abs. 1 SVG hat der Führer, der anhalten will, nach Möglichkeit auf die nachfolgenden Fahrzeuge Rücksicht zu nehmen. Hierzu bestimmt Art. 12 Abs. 2 VRV , brüskes Bremsen und Halten seien nur gestattet, wenn kein Fahrzeug folgt und im Notfall. 3. Es ist zu prüfen, in welchem Verhältnis die beiden Bestimmungen zueinander stehen. a) Auszugehen ist dabei von der Grundregel von Art. 26 SVG , nach welcher sich im Verkehr jedermann so zu verhalten hat, dass er andere in der ordnungsgemässen Benützung der Strasse weder behindert, noch gefährdet, und welche zwar vor allem dann Bedeutung erlangt, wenn besondere Regeln fehlen, die aber auch für die Auslegung der besonderen Regeln von Bedeutung ist, indem sie die leitenden Gedanken aufzeigt, nach welchen sich das Verhalten im Verkehr zu richten hat ( BGE 94 IV 141 E. 1). Unter dem Marginale "Allgemeine Fahrregeln" verlangt sodann Art. 31 SVG , dass der Fahrzeugführer sein Fahrzeug ständig so beherrsche, dass er seinen Vorsichtspflichten nachkommen kann. Insbesondere die Geschwindigkeit ist nach Art. 32 SVG stets den Umständen anzupassen, denn dadurch werden auf einfache Weise gute Chancen dafür geschaffen, dass der Führer das Fahrzeug in der geforderten Weise zu beherrschen vermag. Um letzteres in der besonderen Verkehrssituation des Hintereinanderfahrens zu gewährleisten, schreibt Art. 34 Abs. 4 SVG einen ausreichenden Abstand vor. Diese Vorschrift richtet sich klar an den nachfolgenden Fahrzeugführer; ausser dem Abstand zum Vorausfahrenden muss der Fahrzeugführer nicht auch jenen des ihm BGE 115 IV 248 S. 251 Nachfolgenden zu ihm beachten, denn jeder ist allein für ausreichenden Abstand nach vorn verantwortlich; es kann nicht verlangt werden, dass der Vorausfahrende seine Geschwindigkeit erhöhe, um einen zu geringen Abstand zu vergrössern, denn dies würde zu einer unzulässigen Ablenkung der Aufmerksamkeit vom Verkehrsgeschehen vor dem Fahrzeug führen, welches in erster Linie zu beobachten ist. Der Nachfolgende sieht die vor ihm fahrenden Fahrzeuge und kann daher die Verkehrssituation ohne Schwierigkeiten überblicken, womit er es in der Hand hat, seine Geschwindigkeit den Umständen anzupassen und dadurch einen situationsgerechten Abstand herzustellen oder einzuhalten und eine Behinderung oder Gefährdung der Verkehrsteilnehmer, insbesondere des Vorausfahrenden selber, zu vermeiden. Der Bestimmung kommt grosse Bedeutung zu, sind doch die Unfälle zahlreich, in denen ein zweites Fahrzeug nicht genügend Abstand zum ersten einhielt (Sten.Bull. NR 1957 S. 175); in der Bundesrepublik Deutschland z.B. sind mehr als 26% der Unfälle auf ungenügenden Abstand beim Hintereinanderfahren zurückzuführen (H. JAGUSCH/P. HENTSCHEL, Strassenverkehrsrecht, 29. Auflage, München 1987, S. 336). Zu Recht ist die Bestimmung daher auch so formuliert, dass sie ausnahmslos gilt: Der genügende Abstand ist immer einzuhalten (Sten.Bull. NR 1957 S. 175). b) Art. 37 Abs. 1 SVG lautete im Entwurf des Bundesrates noch: "Der Führer hat beim Anhalten auf die nachfolgenden Fahrzeuge Rücksicht zu nehmen" (Art. 35 Abs. 1 des Entwurfes). Der Botschaft des Bundesrates ist dazu zu entnehmen, dass damit gemeint sei, im dichten Verkehr, wo die Abstände zwischen den sich folgenden Fahrzeugen sehr knapp würden, dürfe nicht brüsk gestoppt werden, ausser wo es die Not gebiete (BBl 1955 II 34). In der parlamentarischen Beratung erfuhr die vorgeschlagene Bestimmung indessen eine wesentliche Änderung: Da es nicht immer möglich sei, auf das nachfolgende Fahrzeug Rücksicht zu nehmen, z.B. wenn man wegen eines vorherfahrenden Fahrzeuges oder wegen eines plötzlich eintretenden Hindernisses sofort bremsen müsse, habe der Führer, "der anhalten will", diese Rücksicht zu nehmen, und zwar "nach Möglichkeit"; die Bestimmung solle nicht dem Führer des nachfolgenden Fahrzeuges einen Teil der Verantwortung "(z.B. nicht zu nahes Aufschliessen!)" abnehmen; man appelliere lediglich beim Führer des voranfahrenden Fahrzeuges auf eine gewisse Rücksichtnahme; diese Rücksichtnahme solle darin bestehen, dass nicht unnötigerweise plötzlich angehalten werde und BGE 115 IV 248 S. 252 dass nach dem Anhalten beim Öffnen der Türen auf nachfolgende Fahrzeuge achtgegeben werde (Sten.Bull. SR 1958 S. 106 f.). c) Daraus ergibt sich, dass bezüglich des Hintereinanderfahrens Art. 34 Abs. 4 SVG die Hauptregel bildet, die sich an den nachfolgenden Fahrzeugführer, welcher in erster Linie zur Vorsicht verpflichtet ist, richtet und in jedem Fall gilt. Dieser Bestimmung gegenüber ist Art. 37 Abs. 1 SVG lediglich als doppelte Sicherung aufzufassen, die zufolge ihrer untergeordneten Bedeutung in keinem Fall eine Umlagerung der Verantwortung zu bewirken vermag (vgl. Sten.Bull. NR 1975 S. 170 zu Art. 34 Abs. 3 SVG , der ebenfalls von Rücksichtnahme auf den nachfolgenden Verkehr spricht). Mit der Unaufmerksamkeit des Nachfolgenden braucht der Vorausfahrende deshalb grundsätzlich nicht zu rechnen. Dies gilt erst recht, wenn - wie im vorliegenden Fall - eine Baustelle den Grund für eine signalisierte Herabsetzung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit bildet; denn bei der Vorbeifahrt an Baustellen ist erhöhte Vorsicht angezeigt, da in deren Bereich immer wieder plötzlich, bedingt durch bestimmte Arbeitsabläufe, unverhofft Hindernisse auf der Fahrbahn oder am Fahrbahnrand auftauchen können, vor denen angehalten oder denen ausgewichen werden muss; die Aufmerksamkeit ist hier daher in erster Linie auf die Fahrbahn und die zu passierende Baustelle zu richten; der Vorausfahrende wäre überfordert, wenn er neben den Arbeitsabläufen auf der Baustelle auch noch den rückwärtigen Verkehr ständig beobachten müsste; er muss vielmehr darauf vertrauen können, dass der Führer des nachfolgenden Fahrzeuges gerade wegen der erhöhten Möglichkeit eines Verkehrshindernisses im Baustellenbereich von sich aus den nötigen Abstand einhält, um ein Auffahren auch bei plötzlichem Bremsen des vorausfahrenden Fahrzeuges zu verhindern. 4. a) Im Lichte dieser Ausführungen ist Art. 12 Abs. 2 VRV , der sich auf Art. 37 Abs. 1 SVG stützt, auszulegen, wonach - wenn ein Fahrzeug nachfolgt - brüskes Bremsen und Halten nur noch im Notfall erlaubt sind. b) Diese Bestimmung lehnt sich an den Wortlaut der Botschaft des Bundesrates zu Art. 37 Abs. 1 SVG an, nach welcher die gebotene Rücksichtnahme bedeute, dass nicht brüsk gestoppt werden dürfe, ausser wo es die Not gebiete (BBl 1955 II 34). Die Formulierung von Art. 37 Abs. 1 SVG erfuhr indessen, wie bereits dargelegt (E. 3b), in den parlamentarischen Beratungen BGE 115 IV 248 S. 253 eine - offenbar bei Erlass der Verordnung nicht beachtete - bedeutsame Änderung, indem sich die Bestimmung nun nur an denjenigen richtet, der anhalten will; damit ist zunächst klar, dass Art. 37 Abs. 1 SVG seinem Wortlaut nach grundsätzlich nur den Fall des freiwilligen und damit auch voraussehbaren Haltens erfasst. Von Bedeutung ist zudem die in den Beratungen beigefügte weitere Einschränkung, wonach die Rücksichtnahme lediglich nach Möglichkeit geboten ist. An dieser Freiwilligkeit und der möglichen Rücksichtnahme gebricht es, wenn ein Fahrzeugführer wegen äusserer Umstände, bspw. wegen eines vor ihm fahrenden Fahrzeuges oder wegen eines plötzlich auftauchenden Hindernisses sofort bremsen muss (Sten.Bull. SR 1958 S. 106). In einer solchen Situation, die die volle Konzentration des Fahrzeugführers nach vorn oder nach der Seite beansprucht, kann von ihm nicht verlangt werden, nicht plötzlich zu bremsen, ohne sich im Rückspiegel davon überzeugt zu haben, ob ihm ein Fahrzeug nachfolge, welches er allenfalls gefährden könnte. Ein solches Verhalten zu verlangen, ginge weit über die nach dem Willen des Gesetzgebers gebotene gewisse Rücksichtnahme hinaus. Unvermutet auftauchende Hindernisse oder Gefahren stellen nämlich höchste Anforderungen an die Reaktionsfähigkeit des Betroffenen, weshalb von ihm nicht gefordert werden kann, der aktuellen Handlungstendenz entgegengesetzt zu reagieren: Es ist bekannt, dass Bremsen beim plötzlichen Auftauchen von Hindernissen in der dadurch geschaffenen Gefahrensituation für den Durchschnittsfahrer die nächstliegende Reaktion darstellt, und er auch oft dann bremst, wenn die Gefahr etwa durch Ausweichen gebannt werden könnte (vgl. R. SCHAFFHAUSER, Grundriss des schweizerischen Strassenverkehrsrechts, Band I, Bern 1984, N. 408). Die Gefahr braucht dabei nicht unmittelbar im Hindernis selber zu liegen; man muss immer auch damit rechnen, dass der Fahrzeuglenker durch das Über- oder Anfahren eines Hindernisses, insbesondere bei Lebewesen, durch den dadurch erlittenen Schrecken die Kontrolle über sich und das Fahrzeug verliert und damit zu einer Gefahr für andere, vor allem die entgegenkommenden Verkehrsteilnehmer wird. c) Nach dem Gesagten ist der Begriff des Notfalls im Sinne von Art. 12 Abs. 2 VRV weit auszulegen: Ein Notfall liegt immer dann vor, wenn wegen eines plötzlich auftauchenden Hindernisses sofort gebremst werden muss; erforderlich ist dabei kein zwingender Grund, da lediglich das unnötigerweise plötzlich erfolgende Anhalten BGE 115 IV 248 S. 254 untersagt ist (Sten.Bull. SR 1958 S. 106). Die Frage, ob das plötzliche Bremsen unnötigerweise erfolgt sei, kann dabei nicht generell, sondern nur im konkreten Fall unter Würdigung der Umstände entschieden werden. 5. Im vorliegenden Fall fuhren beide beteiligten Fahrzeuge mit 60 km/h. Die Beschwerdeführerin hat das Fahrzeug von H. bei der ersten Verkehrstafel - welche sich am Anfang der Baustelle befand - hinter sich bemerkt, als er noch sehr weit weg war. Kurz vor Ende der Baustelle sah sie die Tiere - nach ihren Angaben hellbraun, einen Meter lang mit etwa 50 Zentimeter langen Schwänzen -, die sie zum Bremsen veranlassten. Die Vorinstanz kam zum Schluss, auch wenn es sich bei den beiden Tieren um Füchse gehandelt hätte, so hätte sie deswegen keine Vollbremsung einleiten dürfen. Dieser Auffassung kann nicht beigepflichtet werden. a) Zwar werden Tiere von der Rechtsordnung nach wie vor als Sachen behandelt. Die Grundeinstellung des Menschen zum Tier hat sich jedoch mit der Zeit im Sinne einer Mitverantwortung für diese Lebewesen zum sogenannten "ethischen Tierschutz" (BBl 1977 I 1084) entwickelt, welcher weiter geht als der Schutz lebloser Dinge, und welcher das Tier als lebendes und fühlendes Wesen, als Mitgeschöpf anerkennt, dessen Achtung und Wertschätzung für den durch seinen Geist überlegenen Menschen ein moralisches Postulat darstellt (A. F. GOETSCHEL, Kommentar zum Eidgenössischen Tierschutzgesetz, Bern/Stuttgart, 1986, S. 15). Den heutigen ethischen Vorstellungen vermag nur ein umfassender Lebensschutz auch des tierischen Lebens gerecht zu werden, wobei gewisse Ausnahmen (Nahrungsgewinnung, Schädlingsbekämpfung) den Grundsatz nicht zu erschüttern vermögen. Entsprechend dem Anwendungsbereich des Tierschutzgesetzes (BBl 1977 I 1085) gilt dieser Grundsatz zumindest für die Wirbeltiere. Von einem Lenker zu verlangen, dass er beim Auftauchen von Wirbeltieren einfach zufährt, lässt sich nicht mit der dem Menschen eigenen Achtung vor dem tierischen Leben vereinbaren, welches darauf gerichtet ist, auch das tierische Leben zu erhalten und nicht, dieses zu vernichten. b) Tauchen daher auf der Fahrbahn überraschend Tiere auf - insbesondere wenn es sich dabei wie hier um Wirbeltiere handelte -, so stellt dies eine Gefahrensituation dar, in welcher auch bei brüskem Bremsen nicht von unnötigem Anhalten gesprochen werden kann. Bremsen dürfte in dieser Situation im übrigen auch der BGE 115 IV 248 S. 255 aktuellen Handlungstendenz entsprechen. Die durch das Auftauchen der Tiere plötzliche entstandene Gefahrensituation erforderte die volle - nach vorne und zur Seite gerichtete - Aufmerksamkeit der Beschwerdeführerin und ein sofortiges Handeln; in dieser Lage konnte ihr nicht zugemutet werden, ihre Reaktion - nach vorgängigem Blick in den Rückspiegel - vom Abstand des ihr nachfolgenden Verkehrsteilnehmers abhängig zu machen, den sie zuvor noch weit hinter sich wahrgenommen hatte. c) Die Vorinstanz hat aus diesen Gründen mit ihrer Auffassung, wonach um der Tiere willen, seien dies nun Mäuse oder Füchse, nicht eine Vollbremsung eingeleitet werden dürfe, Bundesrecht verletzt, was zur Aufhebung des angefochtenen Entscheides führt. d) Im übrigen wäre in subjektiver Hinsicht zu beachten, dass der unversehens brüsk Bremsende nur pflichtwidrig handelt, wenn er weiss oder wissen muss, dass er durch sein Verhalten andere gefährdet (vgl. BGE 81 IV 52 ). Im vorliegenden Fall konnte die Beschwerdeführerin aufgrund ihrer Wahrnehmung des nachfolgenden Fahrzeuges in weiter Entfernung grundsätzlich darauf vertrauen, dass der Führer dieses Fahrzeuges inzwischen noch nicht bis zu ihr aufgeschlossen hatte; für eine abweichende Annahme lässt sich den Akten nichts entnehmen. Sie musste daher nicht davon ausgehen, dass sich der nachfolgende Lenker unmittelbar hinter ihr befand, sondern durfte annehmen, dieser befinde sich immer noch in einiger Entfernung; denn es darf nicht verlangt werden, dass bei einer normalen und alltäglichen Verkehrssituation in kurzen Intervallen ein Blick in den Rückspiegel zu erfolgen hat, wie dies etwa im städtischen Verkehr und bei stärkerem Verkehrsaufkommen der Fall ist. Für eine erhöhte Aufmerksamkeit gegenüber dem nachfolgenden Verkehr bestand kein Anlass. Damit fehlte ihr aber auch das Bewusstsein um eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer.
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ded995cf-c469-43ea-badd-cde9c5ac25a2
Urteilskopf 80 II 10 3. Urteil der II. Zivilabteilung vom 20. April 1954 i. S. Sarbach gegen Wandfluh.
Regeste Vaterschaftsklage. Ausschluss der Vaterschaft des Beklagten auf Grund der Bestimmung der Rhesusfaktoren ( Art. 314 Abs. 2 ZGB ).
Sachverhalt ab Seite 10 BGE 80 II 10 S. 10 Im Vaterschaftsprozess der Hedwig Sarbach und ihres Kindes Susanna gegen Hermann Wandfluh stellte der Experte Dr. A. Hässig, Leiter der Bakteriolog.-Serolog. Abteilung des Blutspendedienstes des Schweiz. Roten Kreuzes in Bern, in seinem Gutachten vom 6. Juli 1953 fest, nach den in seinem Laboratorium und unabhängig von ihm im Gerichtlich-Medizinischen Institut der Universität Zürich durchgeführten Blutuntersuchungen seien bei den Parteien folgende Rhesusfaktoren vorhanden: bei der Mutter CcDEe, beim Kinde ccDEe, beim Beklagten CCDee. Der Beklagte besitze also den Rhesusfaktor Gross-C in doppelter Anlage (d.h. er sei mit Bezug auf BGE 80 II 10 S. 11 die Eigenschaften Cc homozygot im Sinne von CC). Bei jedem Kinde des Beklagten müsse daher dieser Faktor zumindest in einfacher Anlage vorhanden sein. Beim Kinde Susanna Sarbach sei dies nicht der Fall; es besitze den Rhesusfaktor klein-c in doppelter Anlage (sei also bezüglich der Eigenschaften Cc im entgegengesetzten Sinne homozygot). Der Beklagte könne daher nach den Erbgesetzen der Faktoren Gross-C und klein-c mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit als Vater dieses Kindes ausgeschlossen werden. In einem vom Appellationshof des Kantons Bern eingeholten Ergänzungsberichte vom 8. Februar 1954 erklärte Dr. Hässig unter Hinweis auf neue Ergebnisse der Forschung, er sei der Auffassung, dass die Vorbehalte, die Prof. F. Schwarz im Jahre 1951 gegenüber der in Frage stehenden Ausschlussregel geäussert hatte (Gutachten vom 19. Februar 1951, abgedruckt in SJZ 47 S. 321 ff.), "auf Grund der heutigen Erfahrung hinfällig geworden sind und dass einem Rhesus-Ausschluss, der darauf beruht, dass ein homozygoter Mann nicht Vater eines entgegengesetzt homozygoten Kindes sein kann, die gleiche Wertigkeit zuerkannt werden darf wie einem Ausschluss, der darauf beruht, dass ein Rhesusfaktor bei einem Kinde nicht vorhanden sein kann, wenn er nicht wenigstens bei einem seiner Eltern nachgewiesen werden kann". Im gleichen Sinne äusserte sich Prof. Schwarz selber in einem Gutachten, das er dem Appellationshof in einem andern, gleich liegenden Falle ebenfalls am 8. Februar 1954 abgab. Er führte dort aus, mit Bezug auf die Technik der Rhesusbestimmung und die Erfahrungen über die Vererbungsverhältnisse seien in den letzten Jahren beträchtliche Weiterentwicklungen festzustellen. Man verfüge heute über spezifische, hochwertige Seren in genügender Auswahl. Die Zahl der Untersuchungen, auch der Familienuntersuchungen, habe zugenommen. Unter diesen Umständen sei eine Differenzierung in Bezug auf die Zuverlässigkeit der drei (in SJZ 47 S. 323 erwähnten) BGE 80 II 10 S. 12 Ausschlussregeln nicht mehr notwendig, "d. h. alle drei Regeln können heute den gleichen Sicherheitsgrad in Anspruch nehmen". Von der dritten Regel, wonach eine homozygote Person (Mann oder Frau) kein entgegengesetzt homozygotes Kind haben kann (eine Person mit den Eigenschaften CC also kein Kind mit den Eigenschaften cc), seien bei der Untersuchung einer grossen Zahl von Mutter-Kind-Verhältnissen bisher keine Ausnahmen beobachtet worden. Auch mit einer Nachreifung von Rhesuseigenschaften beim Kinde (wie sie in SJZ 47 S. 324 noch als denkbar bezeichnet worden war) sei offenbar nicht zu rechnen. Die Sicherheit des Rhesusausschlusses habe also beträchtlich zugenommen, auch für die dritte Regel. "Die Fehlergrenze für den Rhesusausschluss dürfte heute doch wohl erheblich unter 1: 1000 anzusetzen sein. Wir würden heute von einer Beweiskraft sprechen, welche der praktischen Sicherheit nahekommt, wenn man nicht überhaupt vorziehen will, diesen Begriff ohne Einschränkung anzuwenden." Der Appellationshof des Kantons Bern fand, angesichts dieser Äusserungen zweier erfahrener Fachleute über die Beweiskraft der Rhesus-Methode dürfe ohne Bedenken auf das Gutachten abgestellt werden, das den Beklagten auf Grund der - mit der gebotenen Sorgfalt durchgeführten - Bestimmung der Rhesusfaktoren als Vater der Zweitklägerin ausschliesse. Jedenfalls sei damit eine Tatsache nachgewiesen, die im Sinne von Art. 314 Abs. 2 ZGB erhebliche Zweifel an der Vaterschaft des Beklagten rechtfertige. Aus diesen Erwägungen hat der Appellationshof die Klage mit Urteil vom 9. Februar 1954 abgewiesen. Gegen dieses Urteil haben die Klägerinnen die Berufung an das Bundesgericht erklärt. Unter Berufung auf SJZ 47 S. 321 ff. (d.h. das Gutachten von Prof. Schwarz vom 19. Februar 1951), auf das dort erwähnte Gutachten von Dr. Hardmeier vom 19. Januar 1951 (vgl. BGE 78 II 313 , BGE 79 II 21 ) und auf ZBJV 88 S. 490 ff., wo ein Gutachten von Prof. Schwarz aus der gleichen Zeit wiedergegeben BGE 80 II 10 S. 13 ist, machen sie geltend, die im vorliegenden Fall zur Anwendung gelangte, auf dem Nachweis entgegengesetzter Homozygotie beruhende Ausschlussregel sei "gegenüber den andern Ausschlussgründen auf Basis der Blutuntersuchungen am wenigsten sicher". Durch Widerlegung der Vermutung nach Art. 314 Abs. 1 ZGB auf Grund dieser Methode werde deshalb Bundesrecht verletzt. Das Bundesgericht weist die Berufung ab. Erwägungen Erwägungen: Wie zuverlässig eine von einem Sachverständigen angewandte wissenschaftliche Methode sei, ist im wesentlichen eine Tatfrage ( BGE 78 II 316 ). Weder ein Satz des Bundesrechts noch eine allgemeingültige Erfahrungsregel, die berufungsrechtlich einem Bundesrechtssatze gleichzustellen wäre ( BGE 79 II 24 oben), hinderte die Vorinstanz daran, der Auffassung von Dr. Hässig und Prof. Schwarz zu folgen, wonach der Ausschluss der Vaterschaft auf Grund der Bestimmung der Rhesuseigenschaften heute bei allen drei Arten des Ausschlusses, insbesondere auch dann, wenn der angebliche Vater und das Kind nach dem Untersuchungsergebnis entgegengesetzt homozygot sind, einen Grad der Zuverlässigkeit erreicht hat, der an Sicherheit grenzt (Fehlermöglichkeit erheblich unter 1:1000). Die Klägerinnen versuchen vergeblich, diese Annahme vor Bundesgericht unter Hinweis auf frühere, nach den Gutachten vom 8. Februar 1954 durch die seitherige Entwicklung überholte Äusserungen von Prof. Schwarz und Dr. Hardmeier anzufechten. Nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz lässt sich auch nicht bezweifeln, dass die Untersuchungen, die im vorliegenden Falle die erwähnte Ausschlusskonstellation (entgegengesetzte Homozygotie) ergeben haben, von fachkundigen Personen mit der gebotenen Sorgfalt durchgeführt worden sind. Es muss daher als erwiesen gelten, dass die Vaterschaft des Beklagten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit BGE 80 II 10 S. 14 ausgeschlossen werden kann. Diese Feststellung führt nach Art. 314 Abs. 2 ZGB ohne weiteres zur Abweisung der Klage.
public_law
nan
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1,954
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Federation
deddf18c-8bd2-49a8-8fc4-89c3bcbd2203
Urteilskopf 81 III 109 31. Entscheid vom 18. Juli 1955 i. S. Gauch.
Regeste Die Teilnahme an einer Pfändung ( Art. 110 SchKG ) tritt nicht von selbst ein, sondern wird durch eine Verfügung des Betreibungsamtes (Ergänzungspfändung oder Mitteilung des Anschlusses an den Schuldner) hergestellt. Kann eine vom Betreibungsamt zunächst versäumte Anschlussverfügung später nachgeholt werden?
Sachverhalt ab Seite 109 BGE 81 III 109 S. 109 (Gekürzter Tatbestand) A. - In der Betreibung Nr. 515 der Frau Katharina Hässig-Fischer gegen Wwe. Elise Homberger-Staiger in Zurzach pfändete das Betreibungsamt Zurzach auf Grund des Fortsetzungsbegehrens der Gläubigerin vom 14. April 1954 für eine Forderung von Fr. 4946.-- am 27. April 1954 die der Schuldnerin gehörende Liegenschaft GB Nr. 148 an der Schwertgasse in Zurzach. Es schätzte dieses mit drei Schuldbriefen von insgesamt Fr. 72'500.-- belastete Grundstück auf Fr. 85'000.--. Die Abschriften der Pfändungsurkunde wurden den Beteiligten am 11. Dezember 1954 zugestellt. B.- Am 19. Mai 1954 stellte Ernst Gauch-Egloff auf Grund eines Pfandausfallscheins, den er am 5. Mai 1954 in der Betreibung Nr. 6912/Zürich 6 gegen Frau Homberger erhalten hatte, das Begehren um Fortsetzung der Betreibung für den Betrag von Fr. 8413.90. Das Betreibungsamt Zurzach kündigte der Schuldnerin die Pfändung auf den 21. Mai 1954 an (Betreibung Nr. 845/Zurzach). Mit Schreiben vom 21. Mai 1954 ersuchte der Gläubiger das Betreibungsamt, vor allem den Inhaberschuldbrief BGE 81 III 109 S. 110 im ersten Rang von Fr. 10'000.--, haftend auf dem Grundstück in der "Breite" (GB Nr. 827) zu pfänden, den Titel in amtliche Verwahrung zu nehmen und ihm (dem Gläubiger) die Pfändungsurkunde nicht erst nach Ablauf der Teilnahmefrist, sondern sofort zuzustellen. Der Betreibungsbeamte sprach am 21. Mai 1954 bei der Schuldnerin vor, um die Pfändung vorzunehmen. Er wollte den eben erwähnten Schuldbrief pfänden. Es kam jedoch nicht zu einer Pfändung. Als Grund hiefür gab der Betreibungsbeamte in seinem Bericht vom 15. März 1955 u.a. an, der Vertreter der Schuldnerin, V. Imhof, habe erklärt, der Brief könne nicht gepfändet werden, weil er voll belastet im Besitze eines Dritten sei, den er nicht bekanntgebe. Imhof behauptet dagegen, er sei zur Bekanntgabe dieses Dritten nicht aufgefordert worden. Ein Protokoll wurde am 21. Mai 1954 nicht aufgenommen. C.- Am 29. Oktober 1954 stellte P. Morger in der Betreibung Nr. 746, die er für eine Forderung von Fr. 13'125.25 gegen Frau Homberger angehoben hatte, das Fortsetzungsbegehren. Diesem Begehren entsprach das Betreibungsamt, indem es am 30. Oktober 1954 die Grundstücke GB Nr. 148 und 827 pfändete. Es schätzte das erste auf Fr. 85'000.--, das zweite auf Fr. 18'500.-- und gab die hypothekarische Belastung mit Fr. 72'500. - bzw. 10'000.-- an. Mit Bezug auf das erste Grundstück ist in der am 14. Januar 1955 versandten Pfändungsurkunde ein "Pfändungsvorgang" für Betreibung Nr. 515 (Frau Hässig) von Fr. 5500.-- vorgemerkt. D.- Am 15. Januar 1955 erkundigte sich der Gläubiger Gauch beim Betreibungsamt nach dem Stand seiner Betreibung (Nr. 845). Gleichentags erliess das Betreibungsamt in dieser Betreibung an die Schuldnerin eine zweite Pfändungskündigung. Am 17. Januar 1955 pfändete es zugunsten Gauchs unter Bezugnahme auf das Fortsetzungsbegehren vom 19. Mai 1954 die Grundstücke GB Nr. 148 und 827. Letzteres schätzte es wie bisher auf BGE 81 III 109 S. 111 Fr. 18'500.--, ersteres dagegen in Abweichung von den frühern Schätzungen auf Fr. 94'000.--. In der am 22. Januar 1955 versandten Pfändungsurkunde ist vorgemerkt, dass die Pfändungen in den Betreibungen Nr. 515 (Hässig) und 746 (Morger) mit Fr. 5500.-- bzw. Fr. 13'500.-- der Pfändung in der Betreibung Nr. 845 vorgehen. E.- Am 29. Januar 1955 führte Gauch Beschwerde mit dem Begehren, der Pfändung zu seinen Gunsten seien keine Vorgänge voranzustellen, sondern das Betreibungsamt sei anzuweisen, ihn an der Pfändung in der Betreibung Nr. 515 teilnehmen zu lassen. Mit Entscheid vom 2. April 1955 hat die untere Aufsichtsbehörde diesem Begehren entsprochen. F.- Gegen diesen Entscheid rekurrierte die Schuldnerin an die kantonale Aufsichtsbehörde mit dem Antrag, er sei aufzuheben und der Gläubiger Gauch sei von der Teilnahme an der Pfändung in der Betreibung Nr. 515 (Hässig) auszuschliessen. Am 14. Juni 1955 hat die kantonale Aufsichtsbehörde erkannt: In Aufhebung... der vorinstanzlichen Verfügung wird die vom Betreibungsamt Zurzach in Betreibung Nr. 845 am 17. Januar 1955 vorgenommene selbständige Pfändung grundsätzlich bestätigt und das Betreibungsamt angewiesen, diese... unter nochmaliger Schätzung der Liegenschaften und unter Pfändung allfällig vorhandenen beweglichen Vermögens, zu vervollständigen... G.- Gegen den Entscheid der kantonalen Aufsichtsbehörde haben die Erben Gauch an das Bundesgericht rekurriert mit den Anträgen: "1) a. Es sei festzustellen und zu verfügen, dass gestützt auf das am 19.5.54 gestellte Fortsetzungsbegehren in Betreibung Zurzach Nr. 845 der beschwerdeführende Gläubiger (Erbengemeinschaft Gauch) für seine Forderung von Fr. 8413.90 nach Art. 110, Absatz 1, SchKG teilnehme an der am 27.4.54 für Betreibung Zurzach Nr. 515 (Gläubiger: Hässig; Forderung Fr. 4946.--) vollzogenen Pfändung der schuldnerischen Liegenschaft G. B. Zurzach Nr. 148, und diese beiden Betreibungen vorgangs- und konkurrenzlos die erstberechtigte Gläubigergruppe bilden. b. Der Gläubiger Morger sei gestützt auf das am 29.10.54 gestellte Fortsetzungsbegehren und der am 30.10.54 BGE 81 III 109 S. 112 vollzogenen Pfändung der gleichen Liegenschaft in seiner Betreibung Zurzach Nr. 746 (Forderung Fr. 13'125.25) in Rang und Recht hinter die vorgehende Gläubigergruppe Hässig und Gauch (Betreibungen Nr. 515 und 845) zu stellen. 2 a. Es sei festzustellen und zu erklären, dass das Betreibungsamt Zurzach auf die gesetzeskonforme Pfändungsankündigung in der Betreibung Nr. 845 des beschwerdeführenden Gläubigers hin, die Pfändung laut Ziffer 1a hievor durch Einbezug der schuldnerischen Liegenschaft G. B. Zurzach Nr. 827, im Sinne von Art. 110, Abs. 1, SchKG ergänzte. Dies geschah durch die einfache mündliche Äusserung des Betreibungsbeamten vom 21.5.54 dem Schuldner bzw. dessen Vertreter gegenüber, er pfände beide Liegenschaften, G. B. Zurzach Nr. 148 und Nr. 827. b. Wie nach Ziffer 1b hievor sei festzustellen und zu verfügen, dass auch die Liegenschaft G. B. Zurzach Nr. 827 für den Gläubiger Morger nur so weit gepfändet ist, als deren Erlös nicht den vorgehenden Gläubigern Hässig und Gauch auszurichten sein werde, d.h. es sei für den Gläubiger Morger in Betreibung Nr. 746 nur ein allfälliger Mehrerlös gepfändet, der nach Befriedigung der erstberechtigten Gläubigergruppe Betreibungen Nr. 515 und Nr. 845 übrig bleibe. c. Eventuell: Sofern eine Ergänzungspfändung nach Ziffer 2 a hievor als nicht bestehend gelte, sei die am 17.1.55 in der Betreibung Nr. 845 des beschwerdeführenden Gläubigers vollzogene Pfändung der Liegenschaft Zurzach G. B. 827 als Nachpfändung zu qualifizieren..." Erwägungen Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung: 2. Der für den Fall der Abweisung des Rekursantrags 2 a gestellte Rekursantrag 2 c zielt, wie die dafür gegebene Begründung zeigt, nicht auf eine Abänderung des angefochtenen Entscheides ab. Die Rekurrenten anerkennen ausdrücklich, dass dann, wenn angenommen wird, die (von der Pfändung zugunsten der Frau Hässig vom 27. April 1954 nicht erfasste) Liegenschaft GB Nr. 827 sei nicht schon am 21. Mai 1954, sondern erst am 17. Januar 1955 zu ihren Gunsten gepfändet worden, der am 30. Oktober 1954 in der Betreibung Morger erfolgten Pfändung dieser Liegenschaft der Vorrang zukommt. Der Rekursantrag 2 c braucht daher nicht materiell behandelt zu werden, auch wenn der Fall eintritt, für den er gestellt wurde. .. BGE 81 III 109 S. 113 3. Gegenüber der Behauptung der Rekurrenten, der Betreibungsbeamte habe am 21. Mai 1954 die Liegenschaften GB Nr. 148 und 827 als gepfändet erklärt und damit die am 27. April 1954 in der Betreibung Nr. 545 (Frau Hässig) erfolgte, nur die Liegenschaft GB Nr. 148 betreffende Pfändung ergänzt, hat die Vorinstanz festgestellt, der Beamte habe an jenem Tage zwar bei der Schuldnerin vorgesprochen, aber keine Pfändung vollzogen. An dieser tatsächlichen Feststellung, die gemäss Art. 63 Abs. 2 und Art. 81 OG für das Bundesgericht verbindlich ist, scheitert der Rekursantrag 2 a. Wenn die Liegenschaft GB Nr. 827 erst am 17. Januar 1955 zugunsten Gauchs gepfändet wurde, kann aber auch der Rekursantrag 2 b nicht geschützt werden, was die Rekurrenten einsehen (vgl. den Rekursantrag 2 c und die Begründung dazu, oben Erw. 2). Die seinerzeit versäumte Ergänzungspfändung nachzuholen, ist nicht möglich. Eine Ergänzung der Pfändung im Sinne von Art. 110 SchKG kann nach ständiger Praxis nur binnen der 30tägigen Anschlussfrist oder unmittelbar nach deren Ablauf erfolgen ( BGE 30 I 823 oben = Sep. ausg. 7 S. 393 und BGE 80 III 78 /79). Es kann sich daher nur noch fragen, ob die Rekurrenten, deren Rechtsvorgänger das Fortsetzungsbegehren am 19. Mai 1954 gestellt hat, wenigstens an der am 27. April 1954 zugunsten von Frau Hässig vollzogenen Pfändung der Liegenschaft GB Nr. 148 teilnehmen und deshalb zusammen mit Frau Hässig gegenüber dem Gläubiger Morger das Vorrecht auf Befriedigung aus dieser Liegenschaft geniessen (Rekursanträge 1a und b). 4. Diese Frage wäre zu bejahen, wenn es für die Teilnahme an einer Pfändung im Sinne von Art. 110 SchKG keiner Verfügung des Betreibungsamtes bedürfte. Dieser Auffassung ist offenbar JAEGER, der in N. 4 zu Art. 110 bemerkt, die betreffenden Gläubiger (d.h. die Gläubiger, für welche die gesetzlichen Voraussetzungen des Anschlusses gegeben sind) "nehmen ohne weiteres an der Pfändung teil, ohne dass die Teilnahme von einer BGE 81 III 109 S. 114 vom Betreibungsamt erst noch vorzunehmenden Anschlusserklärung abhängig wäre" (vgl. auch die entsprechende Note bei JAEGER/DAENIKER, Schuldbetreibungs- und Konkurspraxis der Jahre 1911-1945). Von einer automatisch eintretenden Teilnahme kann jedoch nicht die Rede sein, obwohl das Gesetz in Art. 110 Abs. 1 einfach sagt, dass Gläubiger, die innerhalb 30 Tagen nach dem Vollzug einer Pfändung das Fortsetzungsbegehren stellen, an derselben teilnehmen. Ob und in welchem Umfang jemand an einer Zwangsvollstreckung teilnimmt, ist immer durch eine Verfügung der Vollstreckungsbehörde zu bestimmen. Freilich hat sich diese dabei an das Gesetz und, wo der Richter zu entscheiden hat, an den Richterspruch zu halten. Sie hat aber in jedem Fall zu prüfen, ob die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für eine bestimmte Art der Teilnahme an einer Zwangsvollstreckung erfüllt seien, und hierauf eine entsprechende Verfügung zu treffen. Dass es sich bei der Teilnahme an einer Pfändung anders verhalte, kann schon deshalb nicht angenommen werden, weil ja die Einhaltung der Frist des Art. 110 SchKG keineswegs die einzige Voraussetzung des Anschlusses ist. Erste Voraussetzung ist vielmehr, dass das Fortsetzungsbegehren überhaupt zulässig sei. Dies ist z.B. dann nicht der Fall, wenn der Rechtsvorschlag des Schuldners noch nicht beseitigt, die Frist von Art. 88 Abs. 1 SchKG noch nicht abgelaufen oder die Frist von Art. 88 Abs. 2 überschritten ist. Ob ein solches Hindernis bestehe oder nicht, hat das Betreibungsamt selbstverständlich zu prüfen. Je nach dem Ergebnis dieser Prüfung hat es die Pfändung gemäss Art. 110 Abs. 1 Satz 2 SchKG soweit nötig zu ergänzen und die in Art. 114 SchKG vorgesehenen Amtshandlungen vorzunehmen oder aber das Fortsetzungsbegehren zurückzuweisen. Daraus erhellt, dass die Teilnahme von einer Entscheidung des Amtes abhängt, und zwar ist als den Anschluss bewirkende Verfügung die in den Formen von Art. 112 SchKG vollzogene Ergänzungspfändung oder, wo eine solche nicht BGE 81 III 109 S. 115 nötig ist, die Mitteilung des Anschlusses an den Schuldner mittels Formular 5 f oder 5 g zu betrachten. Zum gleichen Schluss führt auch die Erwägung, dass für die Pfändung das Verfügungsverbot im Sinne von Art. 96 SchKG wesentlich ist und dass dessen Geltung die Kenntnis des Schuldners von der Pfändung voraussetzt. Diese Kenntnis, die dem Schuldner nur durch eine ihm eröffnete Verfügung vermittelt werden kann, ist auch dann unentbehrlich, wenn es sich nicht um eine selbständige Pfändung, sondern nur um die Teilnahme eines neuen Gläubigers an einer bereits bestehenden Pfändung handelt. Der Schuldner muss wissen, für welche Gläubiger und welche Forderungen eine bestimmte Sache gepfändet ist. Zugunsten von Gläubigern, deren Teilnahme an der Pfändung ihm nicht bekanntgegeben wurde, kann das an ihn gerichtete Verfügungsverbot nicht gelten. Die Bekanntgabe, die hienach für die Herstellung des Anschlusses notwendig ist, geschieht eben durch die Ergänzungspfändung oder die Mitteilung der Teilnahme mittels der erwähnten Formulare. 5. Die bei JAEGER und JAEGER/DAENIKER zitierten Entscheide und Meinungsäusserungen vermögen die bisher gewonnenen Ergebnisse nicht zu erschüttern. a) Im Falle BGE 27 I Nr. 114 S. 594 ff. = Sep. ausg. 4 Nr. 55 war die Frage zu entscheiden, ob eine durch Pfändungsanschluss notwendig gewordene Ergänzungspfändung, die durch eine unbegründete Sistierungsverfügung der untern Aufsichtsbehörde vereitelt worden war, nach dem Hinfall dieser Verfügung nachgeholt werden und Gegenstände erfassen durfte, die inzwischen für andere Gläubiger gepfändet worden waren. Das Bundesgericht leitete seine Erwägungen, die zur Bejahung dieser Frage führten, mit dem Satze ein: "Unzweifelhaft konnte Ehrler" (der innerhalb der Teilnahmefrist für die Gruppe 59 Fortsetzung der Betreibung verlangt hatte) "... in gültiger Weise das Fortsetzungsbegehren stellen und erwarb mit letzterm nach Art. 110 des Betreibungsgesetzes BGE 81 III 109 S. 116 ohne weiteres die Rechte eines Pfändungsgläubigers in Gruppe 59." Da im Tatbestand (S. 594/95) ausdrücklich festgestellt worden war, dass das Betreibungsamt Ehrler Anschluss an die Gruppe 59 "erteilt" habe, kann die wiedergegebene Erwägung kaum besagen wollen, der Anschluss sei ohne Zutun des Betreibungsamtes zustande gekommen. Ihr Sinn dürfte vielmehr sein, dass Ehrler auf Grund seines Fortsetzungsbegehrens mit Recht ohne weiteres an die Gruppe 59 angeschlossen worden sei und damit die Rechte eines Pfändungsgläubigers erlangt habe. Auf jeden Fall aber würde es sich bei der Annahme, die Teilnahme sei von selbst eingetreten, nicht um ein tragendes Motiv der in BGE 27 I Nr. 114 getroffenen Entscheidung handeln. b) In BGE 33 I Nr. 83 S. 480 f. = Sep. ausg. 10 Nr. 36 wurde entschieden, die Nachlassstundung hindere die betreibenden Gläubiger nicht, das Fortsetzungsbegehren zu stellen, und habe keinen Einfluss auf die Teilnahmefrist des Art. 110 SchKG . In diesem Zusammenhang führte das Bundesgericht aus, hieran ändere nichts, "dass das Amt infolge des Verbotes, Betreibungshandlungen vorzunehmen, erst nach einem Wegfall der Stundung den anbegehrten Anschluss erteilen und die allfällig notwendige Pfändungsergänzung vornehmen kann". Darin kommt die Auffassung zum Ausdruck, dass es für den Anschluss einer Verfügung des Amtes bedürfe. Das Bundesgericht hat sich hier also nicht für, sondern gegen die Ansicht JAEGERs ausgesprochen. c) BGE 38 I Nr. 140 S. 830 ff. = Sep. ausg. 15 Nr. 103 sagt nur, dass der Vorrang früherer Pfändungen gegenüber spätern nicht von ihrer Vormerkung in der über die spätern Pfändungen errichteten Urkunde abhängig sei (Erw. 3). Mit der vorliegenden Frage hat das nichts zu tun. d) In ZBJV 49 S. 316 Nr. 16 (Entscheid der bernischen Aufsichtsbehörde vom 16. Dezember 1911) wird zwar erklärt, der Gläubiger, der das Pfändungsbegehren innert BGE 81 III 109 S. 117 der Anschlussfrist gestellt habe, nehme "von Gesetzes wegen" an der bereits vorgenommenen Pfändung teil. Dieser Annahme bedurfte es jedoch nicht, um zur nachfolgenden Feststellung zu gelangen, die Teilnahme brauche vom Gläubiger nicht nachgesucht zu werden. Die weitere Feststellung, der Schuldner sei vom Anschluss nur bei Ergänzungspfändung zu benachrichtigen, ist falsch (vgl. Art. 114 Abs. 2 SchKG und die obligatorischen Formulare 5 f und g). e) Die Argumente, mit denen KELLER in den Monatsblättern für Betreibungs- und Konkursrecht, III. Jahrgang, 1910, S. 181/82 die Auffassung befürwortete, dass es für den Anschluss keiner Verfügung des Betreibungsamtes bedürfe, sind nicht stichhaltig. Dass der Anschluss in seinem Vollzug ein interner betreibungsamtlicher Akt sei, der nicht als besonderer Pfändungsakt nach aussen in Erscheinung trete, trifft eben nicht zu (vgl. oben d am Ende). Die Kritik KELLERS an BGE 27 I Nr. 108 S. 578 ff. = Sep. ausg. 4 Nr. 49 (dessen Erwägung 2 heute durchBGE 67 III 103f. überholt ist) betrifft nicht den hier streitigen Punkt und stösst übrigens ins Leere, weil in diesem Entscheid gar nicht in Abrede gestellt wurde, dass die Teilnahmefrist durch das blosse Pfändungsbegehren innegehalten wird. Aus dem Wortlaut von Art. 110 Abs. 1 SchKG folgt nicht zwingend, dass die hier vorgesehene Teilnahme ohne Zutun des Amtes zustande komme. Noch weniger ergibt sich dies aus Art. 110 Abs. 2. Schliesslich ist aus Art. 116 Abs. 2 SchKG , wonach die Fristen für das Verwertungsbegehren vom Tage des letzten Pfändungsbegehrens an laufen, keineswegs zu schliessen, dass das Datum dieses Begehrens das Datum des Anschlusses sei. 6. Mit der Feststellung, dass es zum Anschluss an eine Pfändung einer Verfügung des Betreibungsamtes bedarf, ist nun freilich nicht ohne weiteres gesagt, dass eine zunächst unterbliebene Anschlussverfügung nicht nachgeholt werden könne. Im vorliegenden Falle wäre ein BGE 81 III 109 S. 118 nachträglicher Anschluss vielleicht möglich, wenn nach der für Frau Hässig vollzogenen Pfändung keine weitern Pfändungen erfolgt wären oder wenn jene Pfändung nach der damaligen Schätzung des gepfändeten Gegenstandes (der Liegenschaft GB Nr. 148) genügende Deckung für die Forderungen der Frau Hässig und der Rekurrenten böte. Denn alsdann würde der nachträgliche Anschluss nicht ohne weiteres die Exekutionsrechte der Frau Hässig schmälern. Nur reicht aber der Wert des Pfändungsgegenstandes nach der Schätzung, die damals weder von Frau Hässig noch von den Rekurrenten noch von der Schuldnerin angefochten wurde, nicht zur Deckung beider Forderungen aus (Wert des Grundstücks nach Abzug der hypothekarischen Belastung Fr. 85'000.-- - Fr. 72'500.-- = Fr. 12'500.--; zu deckende Forderungen Fr. 4946.-- + Fr. 8413.90 nebst Zinsen und Kosten = Fr. 13'359.90 nebst Zinsen und Kosten), weshalb ja eben das Betreibungsamt seinerzeit die Pfändung ergänzen wollte. Die von der Vorinstanz angeordnete neue Schätzung bezieht sich nach der Begründung des angefochtenen Entscheides nicht auf die von Frau Hässig erwirkte Pfändung. Da nun aber eine Ergänzungspfändung heute ausgeschlossen ist (ober Erw. 3), würde der nachträgliche Anschluss der Rekurrenten an die für Frau Hässig vollzogene Pfändung eine durch nichts gerechtfertigte Benachteiligung dieser Gläubigerin darstellen. Auch die Rekursanträge 1a und b sind deshalb abzuweisen. Den Rekurrenten bleibt, wenn sie infolge der Unterlassungen des Betreibungsamtes zu Schaden kommen, nur der Weg der Verantwortlichkeitsklage gemäss Art. 5 SchKG offen. Dispositiv Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer: Der Rekurs wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
null
nan
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1,955
CH_BGE
CH_BGE_005
CH
Federation
dee070d9-660b-4d72-9b7f-164e9a9723a2
Urteilskopf 97 I 651 93. Auszug aus dem Urteil vom 6. Oktober 1971 i.S. Hert gegen Regierungsrat des Kantons Solothurn.
Regeste Berichtigung eines fehlerhaften Strassenlinienplans. Natur und Voraussetzungen der Berichtigung im Gegensatz zur Änderung von Plänen. Stellung des von der Berichtigung betroffenen Grundeigentümers. Grundsatz von Treu und Glauben.
Erwägungen ab Seite 651 BGE 97 I 651 S. 651 Aus den Erwägungen: 3. Auf dem Strassen- und Baulinienplan von 1966 ist das Trottoir vor der Liegenschaft der Beschwerdeführerin gleich breit eingezeichnet wie vor dem westlich davon gelegenen Grundstück Nr. 1367, wo die Breite mit 2,25 m angegeben ist. Doch ist der Plan insofern ungenau, als er den Anschein erweckt, ein Trottoir von dieser Breite lasse sich ohne Inanspruchnahme ihres Grundeigentums erstellen. Das Baudepartement hat infolgedessen beim Ausbau der Luzernstrasse im Jahre 1970 zunächst das Grundeigentum der Beschwerdeführerin respektiert und das Trottoir vor ihrer Liegenschaft entgegen dem Plan von 1966 nur mit einer Breite von 1,80 m gebaut. Es hat dann aber, als 1971 eine Planänderung inbezug auf BGE 97 I 651 S. 652 Nachbargrundstücke notwendig wurde, auch jenen zeichnerischen Fehler des Plans von 1966 berichtigt und in diesem klar erkennbar festgehalten, dass und wieviel Land der Beschwerdeführerin für den Bau eines 2,25 m breiten Trottoirs in Anspruch genommen werden muss. Eine derartige Planberichtigung unterscheidet sich von der Änderung eines Plans dadurch, dass damit nicht die Anordnung, die dem früheren Plan zugrunde lag, abgeändert, sondern vielmehr der Plan mit dieser Anordnung in Übereinstimmung gebracht, die Anordnung nun im Plan zeichnerisch richtig dargestellt wird. Planberichtigungen müssen grundsätzlich leichter möglich sein als eigentliche Planänderungen, die nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung nur aus wichtigen Gründen, wie z.B. wegen erheblicher Änderung tatsächlicher Verhältnisse, vorgenommen werden sollen (vgl. BGE 90 I 333 , BGE 94 I 346 und 350/51). Falls allerdings, wie hier, die Unrichtigkeit einem Versehen zuzuschreiben und nicht erkennbar war, muss derjenige, dessen Grundeigentum von der Berichtigung betroffen wird, dieser gegenüber die gleichen Einwendungen erheben können, die ihm zugestanden hätten, wenn der frühere Plan richtig und der damit angeordnete Eingriffin sein Grundeigentum erkennbar gewesen wäre. Die Beschwerdeführerin kann daher gegenüber der angefochtenen Planänderung nicht nur geltend machen, sie verstosse gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit und gegen Treu und Glauben, sondern auch, die Inanspruchnahme ihres Grundeigentums werde nicht durch ein hinreichendes öffentliches Interesse gedeckt und verletze daher die Eigentumsgarantie. 4. Die Beschwerdeführerin hat im Einspracheverfahren vor dem Regierungsrat nicht geltend gemacht, die streitige Planberichtigung verstosse gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit oder gegen Treu und Glauben. Das steht jedoch dem Eintreten auf diese Rüge nicht entgegen, da neue rechtliche Vorbringen vor Bundesgericht zulässig sind, wenn die letzte kantonale Instanz, wie hier, freie Kognition besass und das Recht von Amtes wegen anzuwenden hatte ( BGE 94 I 655 oben). Die Rüge erweist sich indes als unbegründet. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichts hat der Bürger zwar unmittelbar aufgrund von Art. 4 BV Anspruch auf ein Treu und Glauben entsprechendes Verhalten der Verwaltungsbehörden ( BGE 94 I 520 E. 4 a, BGE 95 I 126 ). Daraus lässt sich BGE 97 I 651 S. 653 aber nicht ableiten, dass die Behörden an unrichtige oder ungenaue Pläne gebunden seien und sie nicht berichtigen dürfen. Selbst wenn man einen ungenauen Bau- und Strassenlinienplan wie eine unrichtige Auskunft oder Zusicherung der Behörde behandeln wollte, könnte sich die Beschwerdeführerin der Berichtigung des Plans höchstens dann unter Berufung auf Treu und Glauben widersetzen, wenn sie im Vertrauen auf ihn eine nicht wieder rückgängig zu machende Disposition getroffen hätte (nicht veröffentlichtes Urteil vom 25. September 1968 i.S. Meier c. Regierungsrat des Kantons Solothurn, S. 11/12; BGE 91 I 136 , BGE 96 I 15 ). Das trifft hier offensichtlich nicht zu. Die Beschwerdeführerin behauptet zwar, nach Fertigstellung des 1,80 m breiten Trottoirs "erneut entsprechend dem Plan 1966 disponiert" zu haben, sagt aber nicht, worin diese Disposition bestand. Sie hat, wie sie selber ausführt, ihre Liegenschaft in den Jahren 1955/56 aufgrund früherer Pläne überbaut. Dass sie an diesen Bauten nach Inkrafttreten des Plans von 1966 irgendwelche Änderungen vorgenommen hätte, hat sie nie behauptet, noch enthalten die Akten Anhaltspunkte dafür.
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Urteilskopf 120 IV 265 44. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 21. September 1994 i.S. B. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich und Familie R. (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste Art. 25, 26, 111 und 112 StGB; Teilnahme an Mord, besondere persönliche Verhältnisse. Abgrenzung Mittäterschaft/Gehilfenschaft. Der uneingeweihte Lenker eines Autos, der während der Fahrt bemerkt, dass zwei Fahrgäste eine Begleiterin zu erdrosseln beginnen, ist Gehilfe der Tat, wenn er weiterfährt und dadurch das Gelingen der Tat fördert (E. 2). Von mehreren Beteiligten sind nur diejenigen wegen Mordes zu verurteilen, die selbst besonders skrupellos handelten (E. 3).
Sachverhalt ab Seite 266 BGE 120 IV 265 S. 266 A.- Die II. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich sprach B. (geboren 1972), E. (geboren 1971) und G. (geboren 1969) am 26. März 1993 des Mordes im Sinne von Art. 112 StGB (sowie weiterer untergeordneter Straftaten) schuldig. Das Gericht wies B. in Anwendung von Art. 100bis StGB in eine Arbeitserziehungsanstalt ein und bestrafte E. mit 14 Jahren sowie G. mit 16 Jahren Zuchthaus. B.- Der Verurteilung wegen Mordes liegt zusammengefasst folgender Sachverhalt zugrunde: a) E., G., B., X. und das Mädchen R. bildeten im Februar 1992 eine Clique, die mit dem Auto Ausfahrten unternahm, Restaurants besuchte und intensiv Haschisch konsumierte. R. versuchte anfänglich, mit G. eine Beziehung einzugehen. Er liess sie abblitzen, worauf sie sich E. zuwandte. Dieser tat sich jedoch mit ihrer Art schwer, und sie ging ihm zunehmend auf die Nerven. Er stiess sich daran, dass sie stundenlang im Auto sitzen konnte und mit den Fingern durch ihre Haare fuhr, ohne etwas zu sagen, dass sie sich so benahm, als sei sie bei ihm zu Hause, und in seiner Wohnung Kleider und andere Gegenstände liegen liess. Dazu kam, dass er wegen ihr am Arbeitsplatz, wo sie gegen seinen Willen erschien und einmal ein Schokolade-Entchen mitbrachte, geneckt wurde. R. wurde in der Clique geplagt und misshandelt. E. erschreckte sie beispielsweise mit angedeuteten Schlägen gegen das Gesicht, zündete ihr zusammen mit G. mit einem Feuerzeug die Haare an, und B. versetzte ihr einmal aus nichtigem Anlass einen Faustschlag ins Gesicht. b) E., G., B. und X. trafen sich am Nachmittag des 14. März 1992 und fuhren in die Wohnung des E. in Winterthur, wo sie etwas Haschisch rauchten. B. versuchte vergeblich, R. telefonisch zu Hause zu erreichen. Im Verlaufe des Nachmittags wurde darüber gesprochen, das Mädchen "kaputt zu machen". E. zog im Verlaufe einer Rammelei einen Bändel aus der Kapuze des Trainers von B., legte ihn diesem um den Hals und zeigte, wie man damit jemanden erwürgen könne. In der nachfolgenden Diskussion wiederholte E., R. gehe ihm auf den Geist und müsse "weg". Er schwankte allerdings noch, ob er die besprochene Tötung ausführen solle oder nicht, und verlangte von den anderen, wenn es so weit sei, müssten sie ihn "motivieren". G. drohte, nicht mitzukommen, sondern nach Deutschland zu fahren, falls "es" nicht geschehe. Einzig B. hatte noch nicht mit letzter Konsequenz realisiert, dass das Mädchen umgebracht werden sollte. In der Folge stieg X. unter einem Vorwand aus dem Unternehmen aus, weil er sich dachte, "die machet's würklich". BGE 120 IV 265 S. 267 Zu Hause erfuhr R. von ihrer Mutter, sie solle E. anrufen. Dieser nahm ab und reichte den Telefonhörer an B. weiter, welcher fragte, ob sie Lust habe, mit auf die Hulftegg zu fahren, und ob sie ihm fürs Benzin 30 Franken leihen könne. R. sagte zu. Gegen 19.00 Uhr fuhren die drei jungen Männer an den Wohnort des Mädchens. Dieses nahm auf dem Beifahrersitz des Wagens von B. Platz und gab ihm 30 Franken, womit er Benzin tankte. Auf der Fahrt durch das Tösstal in Richtung Hulftegg unterhielten sie sich etwas, wobei R. einmal mehr einfach dasass und nichts sagte. Im Restaurant Hulftegg trank E. schnell drei Flaschen Bier, da er alkoholisiert sein wollte und damit der Alkohol ihm "in den Kopf steige". Auch G. stürzte ein Bier zügig hinunter, damit er es "auch ein wenig im Kopf merken würde". Auf der Fahrt von der Hulftegg zurück ins Tösstal sassen wiederum B. am Steuer und R. auf dem Beifahrersitz. Hinter ihr sass G., und E. nahm hinter dem Lenker Platz. Ausgangs Wila sagte E. unvermittelt, er habe den (Kapuzen-)Bändel vergessen. G. antwortete, für "das" brauche er keinen Bändel, "da langet en Gurt". Er zog seinen Gürtel aus und legte ihn der vor ihm sitzenden R. um den Hals. Die Enden führte er um die Kopfstützen herum und verschlaufte den Gurt im äussersten Loch. Dann begann er R. mit dem Gürtel zu würgen, indem er mehrmals am verschlauften Gurt zog. R. riss den Gürtel nach vorne, warf ihn nach hinten und sagte, "sie sollten aufhören". E. legte den Gürtel erneut um ihren Hals und würgte sie. Das Mädchen versuchte, mit den Händen unter den Gürtel zu greifen und ihn zu lockern. Sie wand sich, weinte, und es ging ihr schlecht. E. liess den Gürtel darauf etwas los. Als R. wegen des Würgens hustete, sagte B. zu ihr, sie solle nicht in seinen Wagen kotzen. Danach stellte er Striemen am Hals des Mädchens fest und forderte E. und G. auf, mit dem Würgen aufzuhören. Diese erwiderten, jetzt müssten sie R. umbringen, "sonst würde sie später etwas sagen". Sie bewegte sich in diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr, lebte aber noch. Auch B. erkannte nun, dass es sich nicht mehr nur um einen Spass handeln konnte. Er griff jedoch nicht ein und hielt auch nicht an, weil er Angst hatte, "dass irgend etwas von diesem Würgen auskomme und er zur Polizei hätte gehen müssen". Im Gegenteil liess er sich vom Argument der beiden anderen überzeugen, dass R. nun umgebracht werden müsse, weil sie sonst von diesem Vorfall sprechen könnte. E. forderte nun G. auf, ebenfalls am Gürtel zu ziehen und R. zu würgen. Die beiden, die in der Zwischenzeit die Plätze getauscht hatten, zogen nun zu zweit am Gurt und liessen nicht mehr locker. Es ging ihnen nur noch darum, BGE 120 IV 265 S. 268 wer fester ziehen könne und wer der Stärkere sei. B. stellte fest, dass R. die Hände schlaff nach unten hielt und aus dem Mund schäumte. Nachdem die beiden anderen ihr Opfer während mehrerer Minuten mit vereinten Kräften stranguliert und sich dabei sogar mit den Füssen oder den Knien gegen die Vordersitze gestemmt hatten, hielt B. sein Fahrzeug zwischen Turbenthal und Girenbad an. Er stellte fest, dass das Mädchen nicht mehr atmete. G. lehnte nach vorne und stellte Bläschen vor ihrem Mund sowie eine komische Zungenstellung fest, worauf er zu E. sagte, er solle aufhören, sie sei ja schon tot, "das haltet kän Muni us". G. und E. lachten und grölten dabei. Vor Girenbad bog B. nach links ab und fuhr über Zell, Langenhard und Unterschlatt nach Waltenstein. G. und E. beschlossen, die Leiche irgendwo auszuladen. G. sprach in der Untersuchung in diesem Zusammenhang von "Entsorgen". Hinter Waltenstein fuhr B. über einen Feldweg in den Wald und hielt an. Verstört und in Panik lief er weg. E. beruhigte ihn, worauf sie zum Wagen zurückkehrten. Gemeinsam schleppten die Beteiligten die Leiche hinter das Fahrzeug, worauf ihr E. die Jacke auszog, sämtliche Taschen durchsuchte und dabei ein Stück Haschisch fand. G. schlug vor, es müsse nach einer Vergewaltigung aussehen. Sie zogen der Leiche die Hose herunter und rollten den Pullover herauf. E. steckte ihr einen Finger in die Scheide. Anschliessend schleppten sie sie das Bord hinab, wo sie sie in Rücklage liegen liessen. E. machte nun den Vorschlag, R. mit einem Messer ins Herz zu stechen, um sicher zu sein, dass sie tot sei. B. zog darauf ein Schmetterlingsmesser aus der Tasche, erklärte aber, er habe den Mut nicht, um zuzustechen. Er gab seinen Kollegen das Messer in die Hand, damit diese zustechen könnten. Auch G. wollte dies aber nicht, während E. erklärte, er steche nur, wenn es auch die anderen täten. So liessen sie es schliesslich bleiben. G. trat der Leiche noch gegen den Kopf. Nachdem die drei Beteiligten sämtliche Effekten von R. und ihre eigenen Zigarettenstummel eingesammelt hatten, fuhren sie nach Winterthur an den Wohnort von E. c) Zu Hause versuchten sie Spuren zu beseitigen, und E. und G. waren stolz auf ihre Tat und brüsteten sich, es geschafft und die Leiche noch an den Kopf getreten zu haben. Nur B. war "geschockt" und fertig mit den Nerven. Als auch X. um 23.00 Uhr eintraf, bemerkte B. nur, jetzt müsse er die Fr. 30.-- nie mehr an R. zurückgeben. Die beiden anderen schnitten auf und nahmen es "völlig locker". E. erläuterte X., sie sei jetzt "eifach nüme BGE 120 IV 265 S. 269 ume". Vom Haschisch, das sie auf sich getragen und E. an sich genommen hatte, wurde ein Joint gedreht, den E., G. und X. zusammen rauchten. In der nachfolgenden Diskussion einigten sie sich darauf, im Falle polizeilicher Befragungen auszusagen, sie seien mit R. auf der Hulftegg gewesen und hätten sie dann um 23.00 Uhr in der Disco Schützenhaus ausgeladen, weil sie um jene Zeit noch nicht nach Hause habe gehen wollen. G. sagte bei dieser Gelegenheit, wer nicht dichthalte, sei der Nächste, der an die Reihe komme. Im weiteren Verlauf der Nacht fuhren die Beteiligten zu einer Waschanlage und reinigten das Auto innen und aussen gründlich. E. warf die Effekten des Opfers in einen Container. Anschliessend kehrten sie zurück in die Wohnung von E., wo sie nochmals Haschisch rauchten und anschliessend die Nacht verbrachten. Am nächsten Tag kehrten sie an den Ort, wo sie die Leiche abgelegt hatten, zurück, luden sie ins Auto von B. und warfen sie schliesslich zwischen Sennhof und Kyburg in einen Abwasserschacht. C.- B. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde und beantragt, das Urteil des Obergerichts vom 26. März 1993 sei aufzuheben, insbesondere soweit er wegen Mordes schuldig erklärt worden sei. Die Vorinstanz und die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich haben auf Gegenbemerkungen zur Beschwerde verzichtet. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Obwohl der Beschwerdeführer an der Strangulation des Opfers selber nicht mitgewirkt hat, wirft ihm die Vorinstanz vor, er habe sich an der Tötung in einer Weise beteiligt, dass er als Mittäter dastehe. Dies wird vom Beschwerdeführer bestritten. Ebenso stellt er in Abrede, Gehilfe im Sinne von Art. 25 StGB gewesen zu sein. In diesem Zusammenhang macht er zudem geltend, er habe keinen Tatvorsatz gehabt. a) Die Vorinstanz geht zu Gunsten des Beschwerdeführers davon aus, am Nachmittag habe er die Pläne zur Tötung der R. nicht ernst genommen, den beiden anderen eine solche Tat nicht zugetraut und nie gedacht, dass sie das Mädchen töten könnten. Er habe es einfach nicht glauben können, dass die beiden "so etwas tun könnten", und nicht den Eindruck gehabt, "dass das am Abend geschehen könnte". Der Beschwerdeführer habe erst erkannt, dass "aus dem Spiel Ernst geworden war", als E. und G. während der Fahrt zu würgen begannen. Die BGE 120 IV 265 S. 270 Tötungsabsicht der Beteiligten sei für ihn ohne Zweifel zu jenem Zeitpunkt erkennbar gewesen, als er nach dem ersten Würgen blaue Striemen am Hals des Mädchens festgestellt, die Beteiligten zum Aufhören aufgefordert und darauf die Antwort erhalten habe, jetzt müssten sie R. umbringen, da sie sonst später vom Würgen erzählen könnte. Zu diesem Zeitpunkt habe es der Beschwerdeführer objektiv betrachtet in der Hand gehabt, die Tötung (z.B. durch Anhalten, Hupen und Aussteigen) zu verhindern. Der Beschwerdeführer habe im übrigen auch eine Garantenstellung innegehabt. Er sei Lenker und Halter des Fahrzeuges gewesen, in welchem R. als Fahrgast auf dem Beifahrersitz Platz genommen hatte. Er sei es gewesen, der sie im Auftrag der beiden anderen zur Fahrt eingeladen und von ihr das Benzingeld erhalten hatte. Als er realisiert habe, dass E. und G., entgegen seinen bisherigen Annahmen und Vorstellungen, ihren Tötungsvorsatz zu verwirklichen eben doch entschlossen waren, habe er auch erkannt, dass er durch das Zurverfügungstellen seines Wagens die Gefahrenlage geschaffen hatte. Infolge seiner Garantenstellung habe er eine Rechtspflicht zum Handeln gehabt. Indem er bei der von ihm als solche erkannten Tötungshandlung nicht rechtzeitig eingegriffen habe und sich vom Argument, dass R. wegen des Vorfalles bei der Polizei eine Anzeige erstatten könnte, habe überzeugen lassen, habe er sich nicht nur den Tötungsvorsatz der beiden anderen zu eigen gemacht, sondern wie diese den Tatbestand des Mordes verwirklicht. Die Strangulation sei während mindestens drei bis fünf Minuten bzw. während einer Fahrstrecke von mehreren Kilometern erfolgt, weshalb in zeitlicher Hinsicht ein Einschreiten des Beschwerdeführers gegen die Tat objektiv möglich gewesen wäre. Aus seinen Aussagen gehe hervor, dass er für sich eine Konfliktsituation in Anspruch nehme, in der er sich befunden habe, nachdem er gehört hatte, dass jetzt aus Spass Ernst geworden sei und dass man jetzt R. umbringen müsse, damit sie nichts erzählen könne. Er habe nämlich nicht gesehen werden wollen, weshalb er in Turbenthal nicht angehalten habe. Sodann habe er Angst gehabt, "dass irgend etwas von diesem Würgen auskommen würde und er zur Polizei hätte gehen müssen". In diesem Konflikt habe er sich dafür entschieden weiterzufahren, bis es dann zu spät war. Den Tatbestand des Mordes habe er damit nicht nur durch eine Unterlassung verwirklicht, sondern auch durch ein aktives Handeln, indem er als Lenker des Tatfahrzeuges weitergefahren sei und "die bewohnten Gebiete von Turbenthal" BGE 120 IV 265 S. 271 verlassen habe, während die beiden anderen für ihn erkennbar das Opfer zu Tode würgten. Dadurch habe er einen so entscheidenden Tatbeitrag geleistet, dass er als Mittäter erscheine. Schliesslich wäre er - wenn auch in mittel bis schwer beeinträchtigtem Mass - fähig gewesen, nach seiner Einsicht in das Unrecht der Tat zu handeln. Er hätte sich nicht unmittelbar und in direkter Konfrontation gegen die beiden anderen durchsetzen müssen, da andere Handlungen - wie das blosse Anhalten in Turbenthal, das Betätigen der Hupe oder das Verlassen des Fahrzeugs - "als durchaus unwesentliche Einwirkungen" genügt hätten, um den Erfolg zu verhindern. b) Zusammenfassend kommt die Vorinstanz zum Schluss, der Beschwerdeführer habe den Tatbestand des Mordes nicht nur durch eine Unterlassung verwirklicht, sondern auch durch ein aktives Handeln, indem er als Lenker des Tatfahrzeuges weitergefahren und schliesslich die bewohnten Gebiete von Turbenthal verlassen habe, während die beiden Mitangeklagten für ihn erkennbar das Opfer zu Tode würgten. Die Abgrenzung zwischen Handlung und Unterlassung ist im Zweifel nach dem Subsidiaritätsprinzip vorzunehmen. Es ist immer zuerst zu prüfen, ob ein aktives Tun vorliegt, das tatbestandsmässig, rechtswidrig und schuldhaft ist ( BGE 115 IV 199 E. 2a). Dem Beschwerdeführer ist vorzuwerfen, dass er in der letzten Phase des Geschehens im Wissen um die Tötungsabsicht der beiden Mitangeklagten während mehrerer Minuten weitergefahren ist und damit eine bewohnte Ortschaft verlassen hat, in der die Tat - nach Auffassung der Vorinstanz - hätte verhindert werden können. Ihm ist folglich ein aktives Tun (nämlich das Weiterfahren) vorzuwerfen, also ein Handlungs- und nicht ein Unterlassungsdelikt (ebenso in einem ähnlichen Fall der deutsche BGH, Urteil vom 21. Mai 1981 E. 1, DAR 1981 S. 226 Nr. 104). Ob der Beschwerdeführer eine Garantenstellung hatte, kann deshalb offenbleiben. c) Es ist zu prüfen, ob der Beschwerdeführer Mittäter des Verbrechens oder allenfalls Gehilfe im Sinne von Art. 25 StGB ist, weil er während mehrerer Minuten aus der Ortschaft in unbewohntes Gelände weiterfuhr, als die beiden anderen das Mädchen erdrosselten. aa) Nach der Rechtsprechung ist Mittäter, wer bei der Entschliessung, Planung oder Ausführung eines Deliktes vorsätzlich und in massgebender Weise mit anderen Tätern zusammenwirkt, so dass er als Hauptbeteiligter BGE 120 IV 265 S. 272 dasteht; dabei kommt es darauf an, ob der Tatbeitrag nach den Umständen des konkreten Falles und dem Tatplan für die Ausführung des Deliktes so wesentlich ist, dass sie mit ihm steht oder fällt. Das blosse Wollen der Tat, der subjektive Wille allein genügt zur Begründung von Mittäterschaft nicht. Daraus folgt aber nicht, dass Mittäter nur ist, wer an der eigentlichen Tatausführung beteiligt ist oder sie zu beeinflussen vermag. Mittäterschaft setzt unter anderem einen gemeinsamen Tatentschluss voraus, wobei dieser nicht ausdrücklich bekundet werden muss; es genügt, wenn er konkludent zum Ausdruck kommt. Dabei ist nicht erforderlich, dass der Mittäter bei der Entschlussfassung mitwirkt, sondern es reicht aus, dass er sich später den Vorsatz seiner Mittäter zu eigen macht. Wenn die Rechtsprechung angenommen hat, Mittäterschaft könne auch darin liegen, dass einer der Teilnehmer massgeblich bei der Entschliessung oder Planung des Deliktes mitgewirkt hat, so darf daraus nicht geschlossen werden, Mittäterschaft sei ausschliesslich möglich, wenn die Tat im voraus geplant und aufgrund eines vorher gefassten gemeinsamen Tatentschlusses ausgeführt wurde (vgl. BGE 118 IV 227 E. 5d/aa, 397 E. 2b, je mit Hinweisen). Demgegenüber ist gemäss Art. 25 StGB als Gehilfe strafbar, wer zu einem Verbrechen oder Vergehen vorsätzlich Hilfe leistet. Nach der Rechtsprechung gilt als Hilfeleistung jeder kausale Beitrag, der die Tat fördert, so dass sich diese ohne Mitwirkung des Gehilfen anders abgespielt hätte. Nicht erforderlich ist, dass es ohne die Hilfeleistung nicht zur Tat gekommen wäre. Die Förderung der Tat genügt. Andererseits muss die Hilfeleistung tatsächlich zur Tat beigetragen, also einen kausalen Beitrag dargestellt haben. Der Gehilfe muss die Erfolgschancen der tatbestandserfüllenden Handlung erhöhen. Zur Frage, inwieweit sogenannte "neutrale" Handlungen oder "Alltagshandlungen" straflos sein sollen, selbst wenn sie bewusst zu einer Deliktsverwirklichung beitragen, hat das Bundesgericht noch nicht abschliessend Stellung genommen ( BGE 119 IV 289 E. 2c mit Hinweisen). Auch im vorliegenden Fall kann dies offen bleiben. bb) Der deutsche Bundesgerichtshof in Strafsachen hatte im Jahre 1981 eine mit dem vorliegenden Fall vergleichbare Angelegenheit zu entscheiden. Die Angeklagte hatte eine weitere Frau sowie zwei Männer in ihrem Personenwagen mitgenommen. Während der Fahrt entschloss sich der eine Mann, der mitfahrenden Frau ein Päckchen Heroin, das diese bei sich führte, und deren Bargeld gewaltsam wegzunehmen. Es kam zu einem Kampf zwischen den beiden, in dessen Verlauf auch der zweite Mann eingriff. Es gelang den beiden BGE 120 IV 265 S. 273 Haupttätern, dem sich heftig wehrenden und laut um Hilfe schreienden Opfer einen Geldbetrag abzunehmen. Der Bundesgerichtshof kam zum Schluss, der nicht eingeweihte Lenker eines Autos mache sich der Beihilfe zum Raub durch positives Tun schuldig, wenn er den Überfall in seinem Fahrzeug bemerke und gleichwohl weiterfahre. Im zur Entscheidung stehenden Fall sei der Tatbeitrag der Angeklagten für die Begehung der Haupttat ursächlich gewesen, da die Handlung des Haupttäters durch die Gehilfentätigkeit erleichtert worden sei. Denn während der Fahrt hätten keine Aussichten bestanden, dass die Schreie des Opfers von Dritten, die die Möglichkeit zum Eingreifen gehabt hätten, gehört werden konnten. Auch der Gehilfenvorsatz sei erstellt, da die Angeklagte während der Fahrt wahrgenommen habe, dass der Frau gewaltsam Heroin weggenommen werden sollte und Geld weggenommen worden ist. Sie habe daher zumindest billigend in Kauf genommen, dass durch ihr Verhalten die Tat erleichtert oder gefördert worden sei. Dass die Angeklagte den Taterfolg selbst nicht wollte und ihn nicht billigte, stehe der Annahme des Gehilfenvorsatzes nicht entgegen (DAR 1981 S. 226 Nr. 104; zustimmend ROXIN, Leipziger Kommentar, 11. Aufl., § 27 N. 24). cc) Im vorliegenden Fall ist ebenso zu entscheiden. Der Beschwerdeführer war am Nachmittag an der Planung der Tat nicht beteiligt. Die Tatherrschaft lag offensichtlich bei den beiden anderen Beteiligten, die sich dazu schon vorher entschlossen hatten. Erst während der Fahrt, als die beiden anderen zu würgen begannen, merkte der Beschwerdeführer, dass "aus dem Spiel Ernst geworden war". Sein Tatbeitrag liegt also nur darin, dass er in der letzten Phase des Geschehens während mehrerer Minuten durch Turbenthal fuhr, als die beiden anderen das Mädchen erdrosselten. Dieser Beitrag erhöhte die Chance, dass den beiden Haupttätern die Tötung gelingen konnte, denn ein allfälliges Eingreifen von Drittpersonen wurde dadurch verunmöglicht. Nach der verbindlichen Feststellung der Vorinstanz wäre der Beschwerdeführer auch subjektiv in der Lage gewesen, in Turbenthal anzuhalten. An seiner Stellung als Gehilfe ändert nichts, dass er mit der Tat zunächst nicht einverstanden war und die anderen sogar aufforderte aufzuhören; denn entscheidend ist, dass er zum deliktischen Gelingen beigetragen hat. Sein Beitrag fiel jedoch nicht derart ins Gewicht, dass man ihn als Hauptbeteiligten und damit als Mittäter ansehen könnte. Es darf in diesem Zusammenhang denn auch nicht übersehen werden, dass sich die Tat gegen 22.00 Uhr ereignete, zu einem Zeitpunkt also, in dem ein Eingreifen durch BGE 120 IV 265 S. 274 eine Drittperson eher wenig wahrscheinlich war. Die Vorinstanz, die von einem Unterlassungsdelikt ausgeht, stellt denn auch zu Recht fest, der Beschwerdeführer habe "durchaus unwesentliche Einwirkungen" auf die beiden anderen Beteiligten unterlassen. Der Beschwerdeführer bestreitet im übrigen zu Unrecht, vorsätzlich gehandelt zu haben. Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz hat er während der Fahrt realisiert, dass E. und G., entgegen seinen vorherigen Annahmen und Vorstellungen, entschlossen waren, R. zu töten, und dass sie diesen Entschluss in die Tat umsetzten. Auch schloss er sich deren Auffassung an, R. müsse umgebracht werden, damit sie bei der Polizei keine Anzeige erstatten könne. Damit ist der Gehilfenschaftsvorsatz erstellt, den der Beschwerdeführer durch seine Weiterfahrt denn auch konkludent zum Ausdruck brachte. d) Nach dem Gesagten ist dem Beschwerdeführer Gehilfenschaft im Sinne von Art. 25 StGB zur Last zu legen. Der angefochtene Entscheid ist also aufzuheben, soweit sein Tatbeitrag als Mittäterschaft qualifiziert worden ist. 3. Der Beschwerdeführer macht weiter geltend, der Schuldspruch wegen Mordes verletze Bundesrecht. a) Gemäss Art. 112 StGB macht sich des Mordes schuldig, wer vorsätzlich einen Menschen tötet und dabei besonders skrupellos handelt, namentlich wenn sein Beweggrund, der Zweck der Tat oder die Art der Ausführung besonders verwerflich sind. Mord zeichnet sich danach durch aussergewöhnlich krasse Missachtung fremden Lebens bei der Durchsetzung eigener Absichten aus. Das Gesetz will jenen Tätertyp erfassen, den der Psychiater Hans Binder beschrieben hat als skrupellos, gemütskalt, krass und primitiv egoistisch, ohne soziale Regungen, der sich daher zur Verfolgung seiner eigenen Interessen rücksichtslos über das Leben anderer Menschen hinwegsetzt ( BGE 118 IV 122 E. 2b mit Hinweisen). Den einzelnen Tatumständen kommt indes keine absolute Bedeutung in dem Sinne zu, als sie bei ihrem Vorliegen zur Annahme von Mord zwingen würden. Sie stellen lediglich - wenn auch bedeutsame - Indizien dar. Entscheidend für die Qualifikation ist eine Gesamtwürdigung der äusseren und inneren Umstände der Tat. Die besondere Skrupellosigkeit kann danach immer noch entfallen, namentlich wenn das Tatmotiv einfühlbar und nicht krass egoistisch ist, etwa wenn die Tat durch eine schwere Konfliktsituation ausgelöst wurde ( BGE 118 IV 122 E. 3d, BGE 104 IV 150 E. 1, BGE 101 IV 279 E. 5). BGE 120 IV 265 S. 275 Gemäss Art. 26 StGB sind besondere persönliche Verhältnisse, Eigenschaften und Umstände, die die Strafbarkeit erhöhen, vermindern oder ausschliessen, bei dem Täter, Anstifter oder Gehilfen zu berücksichtigen, bei dem sie vorliegen. Bei der Tötung eines Menschen ist also nur derjenige Beteiligte nach Art. 112 StGB zu bestrafen, der dabei besonders skrupellos handelte (REHBERG, Strafrecht I, 5. Aufl., S. 114; STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht BT I, 4. Aufl., § 1 N. 33). b) Die Vorinstanz hat in bezug auf die beiden Mitangeklagten aus zutreffenden Gründen die besondere Skrupellosigkeit und damit die Mordqualifikation bejaht. Sie haben das Mädchen zur Hauptsache deswegen getötet, weil es ihnen zu aufdringlich wurde, sie es als lästig empfanden und sie sich an gewissen (unbedeutenden) Gewohnheiten des Opfers stiessen. Ein zweiter Beweggrund ergab sich nach dem ersten Würgen. Das Mädchen sollte nicht erzählen können, es sei gewürgt worden. Zum Zeitpunkt der Tötung war es zudem völlig ahnungs- und wehrlos. Der Tat ging keine Auseinandersetzung voraus. Die Tötung selbst erfolgte ohne die geringste Gefühlsregung und ohne das geringste Mitleid mit dem Mädchen, welches sich gegen das qualvolle, minutenlange Würgen verzweifelt wehrte. Sowohl unter dem Gesichtspunkt dieser äusseren Tatumstände als auch der Beweggründe ist bei den Mittätern die besondere Skrupellosigkeit zu bejahen. Demgegenüber geriet der Beschwerdeführer ohne seinen Willen und unvermittelt in das Tatgeschehen hinein. Er wirkte schliesslich in der Endphase des Geschehens "nur" deshalb mit, weil er befürchtete, dass "irgend etwas von diesem Würgen auskommen würde und er zur Polizei hätte gehen müssen". Dazu kam seine auch von der Vorinstanz hervorgehobene "überaus leichte Beeinflussbarkeit". Der Beschwerdeführer befand sich, wie die Vorinstanz zu Recht feststellt, in einer Konfliktsituation. All dies spricht dafür, dass beim Beschwerdeführer die besondere Skrupellosigkeit im Sinne des Mordtatbestandes zu verneinen ist. Der angefochtene Entscheid ist deshalb auch in diesem Punkte aufzuheben. Die Vorinstanz wird den Beschwerdeführer wegen Gehilfenschaft zu vorsätzlicher Tötung zu verurteilen haben.
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Urteilskopf 121 III 377 74. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 10. Oktober 1995 i.S. Hugo Boss AG gegen Reebok International Ltd. (Berufung)
Regeste Art. 3 Abs. 1 lit. c MSchG . Verwechselbarkeit von Marken. Massstab, der an die Unterscheidbarkeit zweier Marken anzulegen ist (E. 2a). Der Gesamteindruck, den eine Wortmarke beim Publikum hinterlässt, kann durch ihren Sinngehalt entscheidend geprägt werden. Bei Kurzwörtern ist die Gefahr von Verwechslungen geringer als bei längeren Wörtern (E. 2b). Die Marken "BOSS" und "BOKS" sind zwar in Klang und Schriftbild ähnlich, aber in ihrem Sinngehalt deutlich verschieden und deshalb nicht verwechselbar (E. 3).
Sachverhalt ab Seite 377 BGE 121 III 377 S. 377 A.- Die Hugo Boss AG ist Inhaberin der schweizerischen Marke 261 494 "BOSS", die sie am 18. Oktober 1972 für modische Herrenbekleidung der internationalen Klasse 25 hinterlegt hatte. Sie vertreibt unter dem Logo "BOSS/HUGO BOSS" Anzüge, modische Sportbekleidungen und Accessoires für den BGE 121 III 377 S. 378 gepflegten Herrn. Die Reebok International Ltd. hinterlegte am 15. August 1991 die schweizerische Marke 392 282 "BOKS" für Bekleidungsstücke, Schuhwaren und Kopfbedeckungen der internationalen Klasse 25 für Männer, Frauen und Kinder. B.- Am 9. Dezember 1992 reichte die Hugo Boss AG beim Handelsgericht des Kantons Zürich Klage gegen die Reebok International Ltd. ein mit dem Antrag, deren Marke "BOKS" sei nichtig zu erklären und ihr Gebrauch sei der Beklagten unter Strafandrohung zu verbieten. Mit Urteil vom 23. Juni 1993 wies das Handelsgericht die Klage ab. C.- Das Bundesgericht weist die Berufung der Klägerin ab und bestätigt das handelsgerichtliche Urteil. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Art. 3 Abs. 1 lit. c MSchG (SR 232.11) versagt einem Zeichen den Markenschutz, wenn es einer älteren Marke ähnlich und für gleiche oder gleichartige Waren bestimmt ist, so dass sich daraus eine Verwechslungsgefahr ergibt. Die Vorschrift deckt sich inhaltlich mit Art. 6 aMSchG , so dass die Rechtsprechung zum früheren Recht weiterhin herangezogen werden kann ( BGE 119 II 473 E. 2a S. 474 f.). a) Nach ständiger bundesgerichtlicher Praxis ist die Frage, ob sich zwei Marken genügend unterscheiden, aufgrund des Gesamteindrucks zu beurteilen, den sie beim an den fraglichen Waren interessierten Publikum hinterlassen (a.a.O., E. 2c S. 475, mit Hinweisen). Dieses wird die beiden Zeichen meist nicht gleichzeitig wahrnehmen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass dem direkt wahrgenommenen einen Zeichen bloss das mehr oder weniger verschwommene Erinnerungsbild des früher wahrgenommenen anderen Zeichens gegenübersteht. Beim Vergleich der Marken ist deshalb auf diejenigen Merkmale abzustellen, die geeignet sind, auch in einem durchschnittlich unvollkommenen Gedächtnis haften zu bleiben. Das Erinnerungs- und Unterscheidungsvermögen der massgebenden Verkehrskreise wird dabei durch die Umstände mitbeeinflusst, unter denen sich der Handel mit Waren der in Frage stehenden Gattung abzuwickeln pflegt ( BGE 93 II 424 E. 2 S. 426 f.) und hängt insbesondere von der Aufmerksamkeit ab, die beim Einkauf solcher Waren gewöhnlich angewendet wird ( BGE 98 II 138 E. 1 S. 142; BGE 90 II 259 E. 3 S. 264, je mit Hinweisen). Im weiteren werden ähnliche Marken BGE 121 III 377 S. 379 erfahrungsgemäss umso eher verwechselt, je näher sich die damit bezeichneten Waren sind ( BGE 102 II 122 E. 2 S. 125, mit Hinweisen). Selbst bei weitgehend identischen Waren begründet aber die blosse, entfernte Möglichkeit einer Verwechslung noch keine Verwechslungsgefahr im Sinne von Art. 3 Abs. 1 lit. c MSchG . Davon kann vielmehr erst die Rede sein, wenn wahrscheinlich ist, dass das Publikum Verwechslungen unterliegt ( BGE 119 II 473 E. 2d S. 476). b) Der Gesamteindruck von Wortmarken wird zunächst durch den Klang und durch das Schriftbild bestimmt ( BGE 112 II 362 E. 2 S. 364). Da der durchschnittliche Markenadressat aber, was er hört und liest, unwillkürlich auch gedanklich verarbeitet, kann für den Gesamteindruck einer Wortmarke, die dem allgemeinen Sprachschatz entnommen ist, auch ihr Sinngehalt entscheidend sein. In Betracht fallen neben der eigentlichen Wortbedeutung auch Gedankenverbindungen, die das Zeichen unweigerlich hervorruft. Markante Sinngehalte, die sich beim Hören und beim Lesen dem Bewusstsein sogleich aufdrängen, dominieren regelmässig auch das Erinnerungsbild. Weist eine Wortmarke einen derartigen Sinngehalt auf, der sich in der anderen Marke nicht wiederfindet, so ist die Wahrscheinlichkeit geringer, dass sich das kaufende Publikum durch einen ähnlichen Klang oder ein ähnliches Schriftbild täuschen lässt (so bereits WALTER KÖHLER, Verwechslungsgefahr im Warenzeichen- und Wettbewerbsrecht unter Mitberücksichtigung des englischen und französischen Rechts, Berlin 1933, S. 101 und 103 ff.; vgl. ferner BGE 112 II 362 E. 2 S. 364; BGE 97 II 78 E. 2a S. 80 f.; BGE 87 II 40 E. 1d, S. 43 f.; SMI 1985, S. 70 f. E. 3 sowie DAVID, Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Basel, N. 32 f. zu Art. 3 MSchG ; TROLLER, Immaterialgüterrecht, Bd. I, 3. Aufl. 1983, S. 237; JACQUES BAUMGARTNER, Le risque de confusion en matière de marques, Diss. 1970, S. 136 ff.). Von Bedeutung ist bei Wortmarken schliesslich deren Länge. Kurzwörter werden akustisch und optisch leichter erfasst und prägen sich leichter ein als längere Wörter. Damit verringert sich die Gefahr, dass dem Publikum Unterschiede entgehen. Verwechslungen infolge Verhörens oder Verlesens kommen deshalb bei kurzen Zeichen seltener vor (J. DAVID MEISSER ET AL., Beurteilung der Verwechslungsgefahr im Widerspruchsverfahren, SMI 1994, S. 176; ebenso für das deutsche Recht: BUSSE/STARCK, Warenzeichengesetz, 6. Aufl. 1990, N. 64 zu § 31; BAUMBACH/HEFERMEHL, Warenzeichenrecht, 12. Aufl. 1995, N. 48 zu § 31 WZG ). BGE 121 III 377 S. 380 3. a) Die Marken "BOSS" und "BOKS" stimmen in den ersten beiden und im letzten Buchstaben überein und weisen insbesondere beide den Buchstaben "O" als einzigen Vokal auf. Verschieden ist lediglich der als dritter Buchstabe stehende Konsonant. Unter diesen Umständen liegt auf der Hand, dass die Marken ähnlich klingen. Das Handelsgericht weist jedoch mit Recht auch auf die Unterschiede in der klanglichen Gesamtwirkung hin. Während der Marke "BOSS" ein abgerundeter Klang eignet, erhält die Marke "BOKS" durch die Konsonantenverbindung "-KS", die wie "X" ausgesprochen wird, etwas Abgehacktes. Die Verschiedenheit der Marken ist daher jedenfalls nicht ohne weiteres zu überhören, zumal es sich um Wörter mit bloss einer Silbe, mithin um typische Kurzwörter handelt. b) Entsprechendes lässt sich in bezug auf die bildliche Wirkung der Zeichen feststellen. Dass sich die Schriftbilder - vor allem, wenn die Marken in Grossbuchstaben geschrieben werden - wegen der Übereinstimmung in drei von vier Buchstaben gleichen, lässt sich nicht bestreiten. Dennoch bestehen wiederum Unterschiede, die jedenfalls bei derart kurzen Wörtern nicht leicht zu übersehen sind. In der Marke "BOSS" dominieren geschwungene, runde Linien. Mit dem Buchstaben "K" gelangt demgegenüber ein steifes und eckiges Element in das Schriftbild der Marke "BOKS". Bei Kleinschreibung tritt als weiteres unterscheidendes Merkmal die Oberlänge des "k" hinzu. Die Klägerin wendet zwar ein, ein Gegenstück zu dieser Oberlänge ergebe sich auch in der Marke "BOSS", wenn sie statt mit doppeltem "s" mit einem germanischen scharfen "ß" geschrieben werde. Diesen Einwand hat das Handelsgericht jedoch zu Recht als zwar originell, aber abwegig verworfen. Die Beklagte weist zutreffend darauf hin, dass die Marke der Klägerin in der Schreibweise "Boß" als Wort mit nur drei Buchstaben dem Wort "Boks" mit vier Buchstaben gegenüberstehen würde, so dass zwar der Unterschied in den Oberlängen entfiele, dafür aber in bezug auf die Wortlänge eine neue Abweichung entstünde. Dahingestellt bleiben kann, ob ein scharfes "ß" dem schweizerischen Markenadressaten, schon weil es hierzulande unüblich ist, besonders auffallen und sich als unterscheidendes Merkmal seinem Gedächtnis einprägen würde, wie die Beklagte zusätzlich zu bedenken gibt. c) Ob die Unterschiede im Klang und im Schriftbild der Marken für sich allein ausreichen würden, um eine Verwechslungsgefahr auszuschliessen, braucht indessen nicht abschliessend geprüft zu werden. Denn ausschlaggebend ist, dass sich die Marken in ihrem Sinngehalt deutlich unterscheiden. BGE 121 III 377 S. 381 Das Handelsgericht hält mit Recht fest, dass das Wort "BOSS" beim durchschnittlichen Konsumenten sofort und unwillkürlich die Assoziation zu "Chef" oder "Vorgesetzter" weckt und auch so in der Erinnerung haften bleibt. Das Wort stammt zwar ursprünglich aus dem Englischen. Sein Sinngehalt wird jedoch in der Schweiz - in allen Sprachregionen - sofort verstanden. Die Klägerin geht fehl, wenn sie glauben machen will, Assoziationen zu Chefs und Vorgesetzten ergäben für Kleidungsstücke keinen naheliegenden Sinn. Wenn das Wort "BOSS" als Kennzeichen für Kleidungsstücke verwendet wird, sticht sein Sinngehalt im Gegenteil gerade besonders deutlich hervor, dürfte doch dem durchschnittlichen schweizerischen Markenadressaten geläufig sein, dass Kleider Leute machen. Das dürfte namentlich auf den "gepflegten Herrn" zutreffen, an den sich das Kleiderangebot der Klägerin richtet. Dass nicht jeder Konsument dieser Kategorie ein Chef ist oder sich als solcher geben möchte, ändert nichts daran, dass der Sinngehalt der Marke "BOSS" den Markenadressaten sogleich klar ist und sich ihrer Erinnerung unwillkürlich einprägt. Der Einwand der Klägerin, ihre Kleider wollten nicht nur von Chefs und Vorgesetzten, sondern auch von anderen Leuten getragen werden, zielt daher an der Sache vorbei. Das Handelsgericht geht somit zu Recht davon aus, dass der Sinngehalt für den Gesamteindruck der klägerischen Marke entscheidend ist. Die Marke der Beklagten aber weist unbestrittenermassen nicht den gleichen Sinngehalt auf. Das Publikum fasst das Wort "BOKS" entweder als blosses Phantasiegebilde auf oder verbindet es allenfalls mit "Bock" oder "Box". Es erscheint daher als unwahrscheinlich, dass die beiden Marken verwechselt werden. d) Zur Unwahrscheinlichkeit von Verwechslungen trägt zudem auch bei, dass Kleider in der Regel vor dem Kauf mit grösserer Aufmerksamkeit geprüft - und meist auch anprobiert - werden als Massenartikel, die zum täglichen Konsumbedarf gehören. Auch das gilt im übrigen für Kleider, die für den "gepflegten Herrn" bestimmt sind, noch in gesteigertem Masse. e) Eine Verwechslungsgefahr im Sinne von Art. 3 Abs. 1 lit. c MSchG ist auch dann zu verneinen, wenn im Hinblick auf die von der Klägerin behauptete Warenidentität, die allerdings von der Beklagten in Frage gestellt wird, an die Unterscheidbarkeit der Marken ein strenger Massstab angelegt wird. Dass wegen der klanglichen und bildlichen Ähnlichkeit der Marken (E. a und b hievor) allenfalls eine entfernte Möglichkeit von Verwechslungen bestehen bleibt, ist nach dem Gesagten (E. 2a hievor) unerheblich.
null
nan
de
1,995
CH_BGE
CH_BGE_005
CH
Federation
dee94ab5-62f2-471f-b842-3c592afffcf2
Urteilskopf 97 V 35 9. Auszug aus dem Urteil vom 22. Januar 1971 i.S. Schmitt gegen Schweizerische Ausgleichskasse und Rekurskommission der Schweizerischen Ausgleichskasse
Regeste Über die Auslegung von Staatsverträgen, insbesondere von Meistbegünstigungs- und Gleichbehandlungsklauseln. Zwischen der Schweiz und Frankreich besteht kein Staatsvertrag, der den Bestimmungen von Art. 6 Abs. 2 IVG derogiert.
Sachverhalt ab Seite 35 BGE 97 V 35 S. 35 A.- Jean-Marc Schmitt, geboren 1939, französischer Staatsangehöriger, entrichtete ab Juni 1965 bis und mit März 1968 als Hilfsarbeiter bei der X AG, Basel, die obligatorischen Beiträge an die schweizerische Sozialversicherung. Er hatte jedoch nie in der Schweiz Wohnsitz. Am 23. November 1965 erlitt er einen Arbeitsunfall, der in der Folge u.a. zu organischer Wesensveränderung und Hirnleistungsschwäche führte. Mit Urteil des Versicherungsgerichts des Kantons Luzern vom 27. Februar 1970 wurde ihm eine Rente der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt auf Grund einer Invalidität von 70% zugesprochen. Am 24. Oktober 1969 verlangte Schmitt bei der Schweizerischen Ausgleichskasse eine Invalidenrente. Dieses Gesuch wurde mit Verfügung vom 3. November 1969 wegen Fehlens der versicherungsmässigen Voraussetzungen abgewiesen. B.- Gegen das diese Verfügung bestätigende Urteil der Rekurskommission der Schweizerischen Ausgleichskasse vom 10. April 1970 lässt Schmitt rechtzeitig Verwaltungsgerichtsbeschwerde erheben. Er verlangt im wesentlichen Zusprechung einer ganzen Rente der Invalidenversicherung. Die Schweizerische Ausgleichskasse und das Bundesamt für Sozialversicherung beantragen Abweisung der Verwaltungs-. gerichtsbeschwerde. BGE 97 V 35 S. 36 Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. In der Hauptsache ist streitig, ob der Beschwerdeführer hinsichtlich eines allfälligen Anspruchs auf Invalidenrente als in der Schweiz versichert gelten könne. Ist Art. 6 Abs. 2 IVG anwendbar, wie Ausgleichskasse und Rekurskommission annehmen, so hat der Beschwerdeführer keinen Anspruch auf Leistungen der schweizerischen Invalidenversicherung. Er hat weder Wohnsitz in der Schweiz noch Beitrags leistungen während mindestens 10 Jahren erbracht. 3. Gestützt auf Bestimmungen der nachfolgend in Erwägung 4 aufgezählten Staatsverträge glaubt der Beschwerdeführer jedoch, Art. 6 Abs. 2 IVG finde in seinem Fall keine Anwendung. Zunächst ist daher allgemein nach den im Gebiete des Staatsvertragsrechts geltenden Auslegungsgrundsätzen zu fragen. Als solche sind in BGE 94 I S. 673 Erw. 4 zusammenfassend folgende festgehalten: "Ist der Wortlaut des Staatsvertrages nicht eindeutig oder erscheint die durch den klaren Wortlaut vermittelte Bedeutung sinnwidrig, so ist der Staatsvertrag auszulegen ... Verhandlungen, die zum Abschluss des Vertrages geführt haben, sind als Quelle zur Auslegung des Staatsvertrages heranzuziehen, soweit sie den Willen der vertragsschliessenden Staaten klar erkennen lassen ... Staatsverträge sind so auszulegen, dass der von beiden Parteien angestrebte Vertragszweck erreicht wird ... Eine über den Wortlaut hinausgehende, ausdehnende Auslegung einer Bestimmung des Staatsvertrages kommt nur in Frage, wenn aus dem Zusammenhang oder der Entstehungsgeschichte mit Sicherheit auf eine vom Wortlaut abweichende, darin versehentlich ungenau zum Ausdruck gebrachte Willensmeinung zu schliessen ist ... Die Staatsverträge sind ihrer Natur nach "bonae fidei negotia" ...; für die Auslegung gilt allgemein die Vertrauenstheorie ..." Guggenheim (Traité de droit international public, Bd. 1, 1967, S. 246 ff.) nennt unter dem Titel "Hiérarchie des règles d'interprétation" (S. 248) die Absicht der Vertragsparteien, den klaren Sinn und schliesslich den verfolgten Zweck als Auslegungsmaximen. Grundsätzlich gilt, dass jeder Staatsvertrag ein geschlossenes Gefüge von gegenseitig ausgehandelten Zugeständnissen mit einem inneren Gleichgewicht darstellt. Daher gelten Meistbegünstigungsklauseln BGE 97 V 35 S. 37 "in der Regel nur für die Rechtsbeziehungen, die den Gegenstand des eine solche Klausel enthaltenden Staatsvertrages bilden" ( BGE 80 III 165 ). 4. Zu den einzelnen, vom Beschwerdeführer angerufenen Staatsverträgen ist folgendes zu bemerken: a) Niederlassungsvertrag zwischen der Schweiz und Frankreich vom 23. Februar 1882 (BS 11 S. 629): Der Beschwerdeführer macht geltend, dass das Sozialversicherungsabkommen mit Italien für die Italiener grundsätzliche Gleichstellung mit den Schweizern ergebe. Auf ordentliche Renten der AHV/IV bestehe demnach Anspruch, sobald während eines vollen Jahres Beiträge bezahlt worden seien (Art. 8 lit. b pacti). Gemäss der Meistbegünstigungsklausel in Art. 6 des Niederlassungsvertrages mit Frankreich müsse dies nun auch für die französischen Staatsangehörigen gelten. Bei der beanspruchten Invalidenrente gehe es nicht um die in SJK Nr. 662 von Guggenheim erwähnte, nach Heimatrecht orientierte Sozialfürsorge, die von der Meistbegünstigungsklausel ausgeschlossen sei, sondern um die auf das Arbeitsverhältnis abgestützte Sozialversicherung, für welche schliesslich vom Versicherten auch Beiträge geleistet worden seien. Guggenheim erwähnt jedoch im zitierten Aufsatz bezüglich der Niederlassungsverträge (SJK Nr. 662 S. 6 ff. VIII) den Grundsatz, dass die Gleichbehandlung der Ausländer eine Grenze finde in den Auslegungsgrundsätzen, die auf völkerrechtlicher Gewohnheit beruhen. Als Ausgangspunkt nennt er die Tatsache, dass die Niederlassungsvertragspolitik die Abschaffung jener Beschränkungen herbeiführen wolle, welchen die Ausländer in der ständischen Wirtschaftsordnung, vor dem Aufkommen der Freizügigkeit im liberalen Zeitalter, unterworfen gewesen seien. Die Gleichbehandlungs- und Meistbegünstigungsklauseln bezweckten somit, die von der staatlichen Gesetzgebung gewährleisteten Rechte in persönlicher und vermögensrechtlicher Beziehung bei an sich gleichen Verhältnissen auch den Ausländern zu garantieren. Die Gleichbehandlungsklausel vermöge jedoch die Befugnis der Vertragsmächte nicht einzuschränken, Rechtssätze zu erlassen, die nur den eigenen Bürgern zugute kommen sollen, wenn es Gründe der nationalen Wohlfahrt und politische Motive verlangen. Der Niederlassungsvertrag mit Frankreich ist nach seiner Präambel darauf gerichtet, BGE 97 V 35 S. 38 "die Bedingungen für die Niederlassung der Franzosen in der Schweiz und der Schweizer in Frankreich in beidseitigem Einverständnis zu regeln". Was unter den "Bedingungen der Niederlassung" zu verstehen ist, ergibt sich aus Art. 1, wo es heisst: "Die Franzosen sind in jedem Kantone der Eidgenossenschaft in bezug auf ihre Personen und ihr Eigentum auf dem nämlichen Fusse und auf die gleiche Weise aufzunehmen und zu behandeln, wie es die Angehörigen der andern Kantone sind oder noch werden sollten. Sie können daher in der Schweiz ab- und zugehen und sich daselbst zeitweilig aufhalten, wenn sie den Gesetzen und Polizeiverordnungen nachleben. Jede Art von Gewerbe und Handel, welche den Angehörigen der verschiedenen Kantone erlaubt ist, wird es auf gleiche Weise auch den Franzosen sein, und zwar ohne dass ihnen eine pekuniäre oder sonstige Mehrleistung überbunden werden darf." Hieraus ergibt sich eindeutig, dass der Vertrag seinem wirklichen Sinne nach die Sozialversicherung ebensowenig beschlägt wie die soziale Fürsorge. Er bezieht sich ausschliesslich auf die Niederlassung und die erwerbliche Tätigkeit (vgl. auch die Vernehmlassung des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements über die Wiedergutmachungsansprüche kriegsgeschädigter Schweizer und die Niederlassungsverträge vom 13. Dezember 1930: BBl 1932 S. 914 ff.). In diesem begrenzten Rahmen muss auch die Meistbegünstigungsklausel von Art. 6 des Niederlassungsvertrages ausgelegt werden. b) Internationales Übereinkommen über die Gleichbehandlung einheimischer und ausländischer Arbeitnehmer in der Entschädigung bei Betriebsunfällen vom 5. Juni 1925 (BS 14 S. 63): Die Behauptung des Beschwerdeführers, dass sich dieses Abkommen nicht auf die Ansprüche aus KUVG beschränke, sondern alle Sozialversicherungsleistungen umfasse, welche ein Betriebsunfall nach sich ziehen könne, fusst ebenfalls auf einer allzu extensiven und damit sinnwidrigen Auslegung. Anknüpfungspunkt ist nach dem klaren Wortlaut dieses Abkommens der Betriebsunfall im Gegensatz zum Nichtbetriebsunfall bzw. zu all jenen Beeinträchtigungen der Gesundheit, die nicht auf Betriebsunfall zurückzuführen sind. Die Gleichbehandlung kann sich also nur auf solche Leistungen beziehen, welche speziell für den Betriebsunfall als solchen ausgerichtet werden. AHV- und IV-Leistungen fallen nicht unter dieses Abkommen, denn sie sind gegebenenfalls zusätzliche Leistungen, welche wohl BGE 97 V 35 S. 39 faktisch durch den Betriebsunfall ausgelöst werden können, diesen aber begrifflich nicht zur Voraussetzung haben. Wieso aus dem vom Beschwerdeführer zitierten Generalprotokoll zum Abkommen zwischen der Schweiz und Frankreich über die AHV (AS 1950 S. 1140) das Gegenteil hervorgehen sollte, ist unerfindlich. Dieses Protokoll beschlägt andere Zusammenhänge. Es erübrigt sich daher auch, auf die vom Beschwerdeführer ebenfalls angeschnittene Frage des Unfall- bzw. Arbeitsortes im Sinne des Übereinkommens über die Gleichbehandlung einerseits und des schweizerisch-französischen Staatsvertrages vom 9. Juli 1949 anderseits einzutreten. c) Abkommen zwischen der Schweiz und Frankreich über die Alters- und Hinterlassenenversicherung vom 9. Juli 1949 (AS 1950 S. 1133): Dieses Abkommen bezieht sich schweizerischerseits gemäss seinem Art. 2 § 1 Ziff. 1 ausdrücklich auf die AHV und nur auf diese, jedenfalls nicht auf die IV, die bei Abschluss des Abkommens im Jahre 1949 noch nicht geschaffen war. Seitens Frankreichs standen offenbar schon damals gewisse Invalidenrenten in Frage, wie sich insbesondere aus der vom Beschwerdeführer zitierten Verwaltungsvereinbarung betreffend Durchführung der AHV (AS 1950 S. 1155) ergibt. Man hat es also bewusst in Kauf genommen, dass schweizerischerseits noch keine Invalidenversicherung bestand. Dieses Abkommen bietet somit keine, mindestens keine direkte Handhabe für die Ansprüche des Beschwerdeführers. In diesem Zusammenhang darf wohl auf die Mitteilung des Bundesamtes für Sozialversicherung abgestellt werden, dass auch nach französischer Auffassung die eidgenössische Invalidenversicherung vom fraglichen Abkommen ausgeklammert sei. Diese Auffassung der beiderseitigen Verwaltungsbehörden ist ein weiteres, wesentliches Indiz für den von den Vertragsparteien mit diesem Abkommen verfolgten Zweck und für den beiderseitigen Vertragswillen. Das gleiche gilt für die Feststellung des Bundesamtes für Sozialversicherung, dass Bestrebungen für eine Revision des Abkommens im Gange seien, die insbesondere auf einen Einbezug der Invalidenversicherung in die staatsvertragliche Regelung abzielten. d) Französisch-schweizerischer Staatsvertrag über den Bau und Betrieb des Flughafens Basel-Mülhausen in Blotzheim vom 4. Juli 1949 (AS 1950 S. 1299) und Änderung des Pflichtenheftes BGE 97 V 35 S. 40 (Anhang II des Staatsvertrages) vom 25. September 1961 (AS 1961 S. 831): Der Staatsvertrag von 1961 bzw. dessen Anhang II Art. 14bis sieht vor, dass die beiden Regierungen gemeinsam die Bedingungen festlegen können, unter denen gewisse Abweichungen von den französischen Rechtsvorschriften u.a. über die Soziale Sicherheit erfolgen können. Der Beschwerdeführer verweist auf ein Protokoll vom 11./12. April 1961 und macht geltend, damit sei ein Ergänzungsabkommen geschlossen worden in dem Sinne, dass die Angestellten von Lufttransportunternehmen mit Sitz in der Schweiz der schweizerischen Gesetzgebung über die Soziale Sicherheit unterstehen. Publiziert ist dieses Protokoll nicht, und der Beschwerdeführer vermag es bloss in Abschrift zu produzieren. Aus dieser geht aber nur hervor, dass es sich um einen Vorschlag der beiderseitigen Delegationen an ihre Regierungen handelt. Zudem lässt sich aus diesem Text nichts zu Gunsten des Beschwerdeführers ableiten. Wohl sieht der Staatsvertrag von 1961 die Möglichkeit vor, dass die beiden Regierungen ganz allgemein Abweichungen von den französischen Rechtsvorschriften über die Soziale Sicherheit vereinbaren können. Gestützt hierauf sind die (französischen und schweizerischen) Angestellten der Lufttransportunternehmungen mit Sitz in der Schweiz der schweizerischen sozialen Gesetzgebung unterstellt worden. Das heisst aber offensichtlich nur, dass auf diese Personen u.a. das IVG anwendbar ist. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies lediglich soviel, dass der Beschwerdeführer mangels entgegenstehender staatsvertraglicher Abmachungen gemäss Art. 6 Abs. 2 IVG zu behandeln ist. Dass diese Bestimmung des IVG wegbedungen und die französischen Staatsangehörigen unter den erwähnten Voraussetzungen den Schweizern gleichgestellt werden sollten, geht aus dem Wortlaut des Protokolls in keiner Weise hervor. Auch wenn dies, wie der Beschwerdeführer behauptet, für ihn eine stossende Härte sein sollte, so vermöchte es an der klaren Rechtslage nichts zu ändern. Nach den vorne erwähnten Auslegungsgrundsätzen darf nichts aus den zwischenstaatlichen Abkommen herausgelesen werden, was dem Wortlaut ihrer Bestimmungen und dem eindeutig bekundeten Willen der Vertragsparteien widerspricht. Schliesslich beruft sich der Beschwerdeführer noch auf Ziff. 2 lit. d des erwähnten Protokolls, wo es heisst, dass das Bundesamt BGE 97 V 35 S. 41 für Sozialversicherung und die zuständigen französischen Ministerien in gemeinsamer Übereinkunft weitere Sonderabmachungen treffen könnten. Für den Fall der Ablehnung seiner bisherigen Argumentation schlägt der Beschwerdeführer vor, das Eidg. Versicherungsgericht möge das Bundesamt für Sozialversicherung auffordern, mit dem kompetenten französischen Ministerium eine solche Sonderabmachung zu treffen, damit französische Staatsangehörige, die im Dienste schweizerischer Firmen invalid würden, auch unter Beibehaltung des französischen Wohnsitzes in den Genuss der schweizerischen Invalidenversicherungsleistungen gelangen könnten. Indessen sind gemäss Mitteilung des Bundesamtes für Sozialversicherung, welches das Problem kennt, ohnehin bereits Vertragshandlungen m dieser Materie im Gange. Einstweilen wird sich der Beschwerdeführer damit abfinden müssen, dass französischerseits die derzeitige Rechtslage bei Vertragsabschluss in Kauf genommen worden ist. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde erweist sich somit als unbegründet. Dispositiv Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden kann.
null
nan
de
1,971
CH_BGE
CH_BGE_007
CH
Federation
def08b40-0281-4a8d-a1f8-ae7749f3cd0d
Urteilskopf 113 II 209 38. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour civile du 4 mai 1987 dans la cause Commune de Bavois contre Association intercommunale d'amenée d'eau d'Echallens et environs (recours en réforme)
Regeste Art. 2 ZGB . Zeitliche Beschränkung eines Dauerschuldverhältnisses. Ein rein obligatorischer Vertrag kann weder auf "ewige Zeiten" abgeschlossen noch aufrechterhalten werden (Bestätigung der Lehre und Rechtsprechung). Nach Treu und Glauben ist eine Gemeinde, die mit einer andern Gemeinde einen privatrechtlichen Vertrag über dauernde Wasserlieferung abgeschlossen hat, berechtigt, diesen Vertrag zu kündigen, ohne eine Entschädigung bezahlen zu müssen, wenn sie ihn während mehr als 63 Jahren eingehalten hat und die von der Gegenpartei getätigten Investitionen seit mehr als 22 Jahren amortisiert sind.
Sachverhalt ab Seite 209 BGE 113 II 209 S. 209 A.- Par acte du 14 octobre 1919, la commune de Goumoens-la-Ville a concédé à titre perpétuel 70 litres/minute d'eau potable à la commune de Bavois, moyennant versement de 56'000 francs. Les prestations réciproques ont été faites depuis lors. Le 15 avril 1971 a été constituée une association de communes, personne BGE 113 II 209 S. 210 morale de droit public vaudois, sous le nom d'Association intercommunale d'amenée d'eau d'Echallens et environs (AIAE), qui a repris notamment les droits et les obligations de la commune de Goumoens-la-Ville à l'égard de la commune de Bavois, tels qu'ils découlent de l'acte du 14 octobre 1919. Le 26 janvier 1983, l'AIAE a dénoncé au 31 juillet 1983 ladite convention. Les parties n'étant pas parvenues à un accord, la commune de Bavois a obtenu la livraison d'eau continue comme par le passé, en vertu d'une convention de mesures provisionnelles ratifiée par le juge. La commune de Bavois a dès lors ouvert action contre l'AIAE, prenant des conclusions dont la teneur finale est la suivante: "I. Principalement: a) dire que l'Association intercommunale d'amenée d'eau d'Echallens et environs n'était pas en droit de résilier unilatéralement la "convention de concession d'eau" la liant à la Commune de Bavois. b) dire, en conséquence, que dite Association a l'obligation de continuer à fournir, sans limitation dans le temps, à la demanderesse les quantités d'eau prévues par dite convention aux conditions précisées par cette dernière. II. Subsidiairement: Dire que la défenderesse doit indemniser la demanderesse du chef de cette résiliation par le versement d'un montant de 700'000 francs (sept cent mille francs) et lui doit immédiat paiement de cette somme avec intérêts à 5% dès le jour du jugement." La défenderesse a conclu au rejet de ces conclusions. Subsidiairement, pour le cas où la dénonciation de la convention serait reconnue fondée, elle a demandé qu'il fût statué sur le principe et le montant de l'indemnité due à la demanderesse du chef de cette dénonciation. B.- Le 7 octobre 1986, la Cour civile du Tribunal cantonal vaudois a rejeté les conclusions de la demanderesse et admis celles, libératoires, de la défenderesse. C.- La commune de Bavois a recouru en réforme au Tribunal fédéral, reprenant les conclusions formulées dans l'instance cantonale. Le Tribunal fédéral a confirmé le jugement attaqué. Erwägungen Extrait des considérants: 4. Pour dire que l'obligation de l'intimée de poursuivre ses livraisons d'eau après le 31 juillet 1983 n'existe plus, la cour cantonale s'est fondée sur le principe qu'une convention de nature purement obligatoire ne saurait être conclue ni maintenue "pour BGE 113 II 209 S. 211 l'éternité" ( ATF 97 II 399 consid. 7, ATF 93 II 300 consid. 7 et les références; cf. notamment MERZ, n. 246 et 332 ad art. 2 CC ; GAUCH, System der Beendigung von Dauerverträgen, thèse Fribourg 1968, p. 24 et les références de la note 1; ENGEL, Traité des obligations en droit suisse, p. 94; GROSSEN, Les personnes physiques, Traité de droit civil suisse, tome II, 2, p. 14). L'argumentation de la recourante relative au sens et à la portée de l' art. 2 CC est sans pertinence. a) Critiquant MERZ (loc.cit.), la recourante s'attache à démontrer que le principe de la limitation dans le temps des obligations de longue durée ne peut se fonder sur la clausula rebus sic stantibus. Cette critique est sans pertinence: même si le principe de la limitation dans le temps des engagements contractuels n'était que partiellement une conséquence de la clausula rebus sic stantibus, il n'en demeurerait pas moins un principe autonome du droit des obligations, découlant de la nature de l'obligation contractuelle, qui doit nécessairement s'éteindre, compte tenu du fait que toute action humaine s'insère dans le temps et qu'un engagement perpétuel peut impliquer une aliénation de la liberté (cf. GAUCH, loc.cit.). C'est à bon droit que ce principe a été déduit de l' art. 2 CC . Cette disposition se présente comme une norme fondamentale, tirée de considérations éthiques, qui s'ajoutent aux règles qui gouvernent les divers rapports juridiques, pour les compléter et contribuer à leur interprétation ( ATF 83 II 348 /349 consid. 2): elle introduit dans l'application du droit la référence à des valeurs très générales, comme les bonnes moeurs, l'équité, les droits de la personnalité (DESCHENAUX, Le Titre préliminaire du code civil, Traité de droit civil suisse, tome II, 1, p. 140). La mise en oeuvre des règles de la bonne foi découlant de l' art. 2 al. 1 CC ne peut pas toujours se distinguer nettement de la sanction de l'abus de droit au sens de l' art. 2 al. 2 CC (cf. DESCHENAUX, op.cit., p. 152). En l'espèce, la cour cantonale s'est bien référée aux règles de la bonne foi, tout en évoquant la clausula rebus sic stantibus. Ce qui a été déterminant pour elle, c'est que les parties à la convention du 14 octobre 1919 étaient toutes deux des personnes morales de droit public, et qu'il est ainsi permis de supposer que le marché conclu était équitable à l'époque. La cour cantonale a expressément invoqué l' art. 2 al. 1 CC pour imposer à la demanderesse et recourante de se soumettre à la dénonciation qui lui a été signifiée par sa partie adverse après plus de 63 ans d'exécution, alors que ses investissements sont entièrement amortis depuis plus de 22 ans. BGE 113 II 209 S. 212 b) La recourante n'avance aucun argument de poids contre ces considérations. Elle fait d'abord valoir que, contrairement à l'opinion de la cour cantonale, l'intimée n'est pas tenue de lui fournir de l'eau gratuitement, puisque un montant unique en capital de 56'000 francs a été versé en contre-partie du droit d'eau concédé. Il n'en demeure pas moins qu'au fur et à mesure que le temps s'écoule la contre-prestation de la recourante, qui a été faite une fois pour toutes, diminue en raison de la continuation de la prestation de l'intimée. On a affaire, de toute façon, à une prestation définie à la charge de la recourante et à une prestation qui ne cesse de croître à la charge de l'intimée: la rémunération de celle-ci tend ainsi à zéro avec l'écoulement du temps, de sorte que même la rétribution des prestations anciennes est de plus en plus légère pour la recourante au fur et à mesure que la convention se maintient. La circonstance qu'en 1919 la somme payée avait une valeur sensiblement plus élevée qu'actuellement n'y change rien. Quant au fait que cette situation existait déjà lorsque l'intimée a repris les obligations de la commune de Goumoens-la-Ville, il est sans pertinence dès l'instant que l'intimée n'allègue pas que la recourante exerçait déjà son droit contrairement aux règles de la bonne foi en 1971, douze ans avant qu'elle ne dénonçât la convention. Peu importe qu'en 1919 les contractants aient estimé que le versement de la somme de 56'000 francs était le "juste prix" d'une concession d'eau perpétuelle. Ce qui est en cause, ce n'est pas le montant versé, mais le fait qu'un engagement perpétuel a été assumé par l'auteur de l'intimée. L'impossibilité de prendre un tel engagement s'impose à toute personne, comme on l'a vu, qu'elle y ait songé ou non lorsqu'elle s'est engagée. La recourante soutient aussi que son obligation de droit public de livrer de l'eau potable aux habitants de son territoire est de nature perpétuelle et que c'est pour y faire face qu'elle a souscrit à la convention de 1919. Ce moyen n'est pas pertinent. Ce n'est pas l'obligation de droit public de la recourante qui est en cause, mais l'obligation, de droit privé, de l'intimée de fournir de l'eau à la recourante. Dès lors, l'intérêt que la recourante continue à avoir n'est pas déterminant. Ce qui l'est, c'est de savoir si elle peut encore satisfaire à cet intérêt en exigeant de l'intimée l'exécution perpétuelle de son engagement. Or, une telle exigence est contraire au principe de la limitation dans les temps des obligations, lequel, BGE 113 II 209 S. 213 comme on l'a vu, découle de l' art. 2 CC dans la mesure où il met en oeuvre le respect des bonnes moeurs. 5. La recourante cherche à justifier ses conclusions subsidiaires tendant à l'allocation d'une indemnité, en proposant de raisonner par analogie avec les règles applicables en matière de droits réels restreints, soit, dans le cas particulier, avec les dispositions relatives aux charges foncières. Ce moyen est dénué de pertinence. Comme l'a jugé la cour cantonale, la convention du 14 octobre 1919 est de nature purement obligatoire, dès lors que l'obligation de livrer de l'eau n'a pas fait l'objet d'une inscription au registre foncier ( ATF 108 II 45 consid. 4b). Ce point n'est d'ailleurs pas contesté. Le principe de la limitation dans le temps des obligations découlant de la nature même des droits relatifs et étant sanctionné par l' art. 2 al. 1 CC , il est inutile de lui rechercher un autre fondement. Au surplus, il est établi que, de 1960 à 1983, la recourante a tiré un bénéfice net de l'exécution de la convention, réalisant ainsi une opération fructueuse (prix de revient de l'eau compris entre 0,28 franc et 0,43 franc par mètre cube pour un prix de vente aux abonnés de 0,70 franc par mètre cube). L'intimée, qui s'est entièrement acquittée de son obligation tant que celle-ci n'a pas pris fin par l'écoulement d'une période adaptée aux circonstances, ne saurait être tenue de payer quelque indemnité que ce soit pour inexécution.
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1,987
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Federation
def43723-15a4-4027-83d0-e1c983cff5d1
Urteilskopf 124 I 101 14. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 25. März 1998 i.S. Otto Windler, Willi Rüegg und Mieterinnen- und Mieterverband Schaffhausen und Umgebung gegen Grosser Rat des Kantons Schaffhausen (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste Art. 85 lit. a OG . Art. 7, 9 und 72 Abs. 1 Steuerharmonisierungsgesetz (StHG). Ungültigerklärung der kantonalen Volksinitiative für die "steuerliche Gleichbehandlung für Mieterinnen und Mieter". Rechtslage während der achtjährigen Frist, welche den Kantonen von Art. 72 Abs. 1 StHG zur Harmonisierung ihrer Steuerrechtsordnungen eingeräumt wurde. Den Kantonen ist es während dieser Anpassungsfrist verwehrt, ihre Steuerrechtsordnungen in einer den Vorschriften des StHG klar widersprechenden Weise zu ändern (E. 3, 4). Eine Initiative, welche die Mieten in dem Umfang für steuerlich abzugsfähig erklären will, in welchem den selbstnutzenden Liegenschaftseigentümern bei der Festsetzung des Eigenmietwerts ein Einschlag auf dem Marktmietwert zugestanden wird, ist mit Art. 7 und 9 StHG nicht vereinbar (E. 5).
Sachverhalt ab Seite 102 BGE 124 I 101 S. 102 Am 16. September 1996 wurde dem Regierungsrat des Kantons Schaffhausen eine Kantonale Volksinitiative mit dem Titel "Steuerliche Gleichbehandlung für Mieterinnen und Mieter" mit 1'072 gültigen Unterschriften und folgendem Initiativbegehren eingereicht: "I. Das Gesetz über die direkten Steuern des Kantons Schaffhausen vom 17. Dezember 1956 ist durch Einfügung der nachfolgenden Bestimmung zu ergänzen: Art. 23 Abs. 1 Ziff. IV Vom rohen Einkommen werden abgezogen IV. Bei den Mieterinnen und Mietern der Anteil des Mietzinses, welcher der durchschnittlichen prozentualen Differenz zwischen den versteuerten Eigenmietwerten der Wohnungseigentümer und den tatsächlichen Marktmieten entspricht. II. Das Gesetz tritt mit der Annahme durch das Volk in Kraft und findet spätestens Anwendung auf die nächste Neuveranlagung. Es ist im Amtsblatt zu veröffentlichen und in die kantonale Gesetzessammlung aufzunehmen." Mit Beschluss Nr. 4363 vom 16. Dezember 1996 nahm der Grosse Rat des Kantons Schaffhausen vom formellen Zustandekommen der Initiative Kenntnis, erklärte sie aber ungültig. Mit Eingabe vom 24. Januar 1997 erheben Otto Windler, Willi Rüegg sowie der Mieterinnen- und Mieterverband des Kantons Schaffhausen staatsrechtliche Beschwerde gegen die Ungültigerklärung der Volksinitiative "Steuerliche Gleichbehandlung für Mieterinnen und Mieter" mit dem Antrag, der Beschluss Nr. 4363 des Grossen Rates vom 16. Dezember 1996 sei vollumfänglich BGE 124 I 101 S. 103 aufzuheben und der Kanton Schaffhausen anzuweisen, die Volksinitiative zur Abstimmung zu bringen. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt. Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. a) Nach Auffassung des Grossen Rates verstösst die Initiative gegen das Bundesgesetz über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und der Gemeinden vom 14. Dezember 1990 (Steuerharmonisierungsgesetz, StHG; SR 642.14). Gestützt auf ein Gutachten von Peter Böckli vom 4. November 1993 zuhanden des Regierungsrates des Kantons Basel-Landschaft (im folgenden: Böckli, Gutachten BL) hält er dafür, die Kantone dürften seit dem Inkrafttreten des StHG keine Bestimmungen mehr erlassen, welche die "Diskrepanz des geltenden kantonalen Rechts zum StHG vergrössern", mithin "entharmonisierend" wirken. Die Beschwerdeführer rügen, Art. 72 Abs. 1 StHG verpflichte die Kantone, ihre Gesetzgebung innert acht Jahren ab dem am 1. Januar 1993 erfolgten Inkrafttreten des StHG an dessen Vorschriften anzupassen. Die Kantone seien daher bis zum Ende des Jahres 2000 in der Ausgestaltung ihres Steuerrechts frei. b) "Der Bund sorgt" nach dem 1977 auf Betreiben der Kantone in die Verfassung aufgenommenen Art. 42quinquies BV (näher zur Entstehung Francis Cagianut, Kommentar zur Bundesverfassung, Entstehungsgeschichte und Rz. 11 f. zu Art. 42quinquies) "in Zusammenarbeit mit den Kantonen für die Harmonisierung der direkten Steuern von Bund, Kantonen und Gemeinden" (Abs. 1). Er stellt "Grundsätze für die Gesetzgebung der Kantone und Gemeinden über Steuerpflicht, Gegenstand und zeitliche Bemessung der Steuern, Verfahrensrecht und Steuerstrafrecht" auf und "überwacht ihre Einhaltung"; die Bestimmung der Steuertarife, -sätze und -freibeträge bleibt demgegenüber Sache der Kantone (Abs. 2). Bei dieser Grundsatzgesetzgebung wie auch bei der Gesetzgebung über die direkte Bundessteuer "hat der Bund auf die Bestrebungen der Kantone zur Steuerharmonisierung Rücksicht zu nehmen" und ihnen "eine angemessene Frist für die Anpassung ihres Steuerrechts einzuräumen" (Abs. 3). Gemäss Abs. 4 wirken die Kantone bei der Vorbereitung der Bundesgesetze mit. Diesem Auftrag der Verfassung entsprechend erliess der Bund unter qualifizierter Mitwirkung der Kantone und unter Rücksichtnahme BGE 124 I 101 S. 104 auf deren eigene Harmonisierungsbestrebungen am 14. Dezember 1990 das StHG als Grundsatzgesetz (dazu näher: CAGIANUT, a.a.O., Entstehungsgeschichte und Rz. 8; KLAUS A. VALLENDER, Steuerharmonisierung: Verfassungsmässiger Rahmen und allgemeine Bestimmungen, ASA 61 1992/93, S. 270 ff.). Dessen Art. 72 Abs. 1 verpflichtet die Kantone unter Vorbehalt von Art. 16, ihre Gesetzgebung innert acht Jahren nach dem Inkrafttreten des Gesetzes den Titeln 2-6 anzupassen und es damit dem Bund gleichzutun, der sein Steuerrecht mit dem ebenfalls am 14. Dezember 1990 erlassenen DBG bereits auf diese Grundsätze ausgerichtet und damit harmonisiert hat. Der Bundesrat setzte das StHG auf den 1. Januar 1993 in Kraft, so dass die Frist am 31. Dezember 2000 abläuft. Nach Ablauf dieser Frist findet das Bundesrecht direkte Anwendung, wenn ihm das kantonale Steuerrecht widerspricht (Abs. 2 von Art. 72). Die Kantonsregierung erlässt in diesem Fall nach Abs. 3 der gleichen Bestimmung die erforderlichen vorläufigen Vorschriften. c) Unbestritten ist, dass die Kantone die Anpassungsfrist nach Art. 72 Abs. 1 StHG ausschöpfen können. Sie sind nicht zur stufenweisen Harmonisierung ihrer Steuergesetzgebungen schon während dieser Frist verpflichtet (Bericht der Expertengruppe CAGIANUT zur Steuerharmonisierung, Schriftenreihe der Treuhandkammer Nr. 128, Zürich 1994, S. 34 f.). Kontrovers ist in der Literatur dagegen die Frage, ob die Kantone während dieser Frist auf den Erlass von steuerrechtlichen Vorschriften beschränkt sind, die dem StHG entsprechen oder sich diesem zumindest annähern - d.h. harmonisierend wirken -, oder ob sie frei sind, auch entharmonisierende Bestimmungen zu erlassen. d) Die eine Meinung steht auf dem Standpunkt, Art. 42quinquies Abs. 3 BV und Art. 72 Abs. 1 StHG würden den Kantonen bedingungslos eine angemessene Anpassungsfrist einräumen; es stehe allein in deren Verantwortung, von ihr sachgerecht Gebrauch zu machen. Es sei unzulässig, an diese den Kantonen direkt von der Bundesverfassung zugestandene Frist irgendwelche Bedingungen und Einschränkungen zu knüpfen. Das StHG sehe denn auch weder eine inhaltliche Zwischenstufe vor, welche die Kantone zwischen dem 1. Januar 1993 und dem 1. Januar 2001 zu erreichen hätten, noch eine mit Art. 72 Abs. 2 StHG vergleichbare Sanktion, wenn sie in dieser Zeit entharmonisierende Bestimmungen erliessen. Ausserdem sei es unter Umständen schwierig zu entscheiden, ob neue kantonale Vorschriften als harmonisierend oder BGE 124 I 101 S. 105 entharmonisierend einzustufen seien. Es sei im übrigen auch keineswegs sicher, dass das StHG bis zum Ablauf der Frist keine Änderungen erfahre. Es sei daher davon auszugehen, dass die Gesetzgebungskompetenz der Kantone in Steuersachen bis zum Ablauf der Frist nicht angetastet würde, es diesen freistehe, während der Übergangsfrist entharmonisierende Bestimmungen zu erlassen (DANIELLE YERSIN, Harmonisation fiscale et droit cantonal, RDAF 50 1994 S. 169 ff., insbes. S. 176 f.; deutsche Fassung: Steuerharmonisierung und kantonales Recht, ASA 64 1995/96 S. 97 ff., insbes. S. 106 f.; vgl. auch THOMAS MEISTER, Rechtsmittelsystem der Steuerharmonisierung - Der Rechtsschutz nach StHG und DBG, Diss. St. Gallen 1995, S. 77 ff., der zwar ein Entharmonisierungsverbot bejaht, dieses aber als rechtlich nicht durchsetzbar betrachtet). Der gegenteilige, vom Grossen Rat des Kantons Schaffhausen eingenommene Standpunkt wird, ausser von dem von ihm zitierten Autor (PETER BÖCKLI, Gutachten BL, S. 52 ff.), namentlich von der von der Konferenz der kantonalen Finanzdirektoren eingesetzten Expertengruppe CAGIANUT (a.a.O., S. 34 f.) vertreten. Das Entharmonisierungsverbot wird im wesentlichen damit begründet, dass die Grundsätze des StHG mit dessen Inkrafttreten wirksam geworden seien. Für die kantonalen Gesetzgeber gelte daher seit dem 1. Januar 1993 ein Anpassungsgebot; Art. 72 Abs. 1 StHG werde verletzt, wenn während der achtjährigen Anpassungsfrist Steuerrechtsnormen erlassen würden, die den Grundsätzen der Steuerharmonisierung zuwiderliefen (vgl. BGE 123 I 313 E. 3b, c, S. 318 f.; in gleichem Sinne für die Übergangsfrist von Art. 98a OG : CLAUDE ROUILLER, La protection juridique en matière d'aménagement du territoire par la combinaison des art. 6 par. 1 CEDH, 33 LAT et 98a OJ: complémentarité ou plénitude?, SJZ 90/1994 S. 29 f., sowie für jene des Binnenmarktgesetzes: PETER GALLI/DANIEL LEHMANN/PETER RECHSTEINER, Das öffentliche Beschaffungswesen in der Schweiz, Zürich 1996, S. 20). Für MARKUS REICH (Gedanken zur Umsetzung des Steuerharmonisierungsgesetzes, ASA 62 1993/94 S. 577 ff., insbes. S. 598) verstösst ein Kanton mit dem Erlass solcher nicht mit dem StHG zu vereinbarenden Normen dann gegen Bundesrecht, wenn er damit die "Harmonisierungskonformität" seiner Steuerordnung per 1. Januar 2001 klar gefährdet; dies wäre beispielsweise bei der Einführung eines Bausparabzuges während der Übergangsfrist der Fall (im gleichen Sinn BERNHARD GREMINGER, in: Zweifel/Athanas, Kommentar zum schweizerischen Steuerrecht I/1, StHG, Basel 1997, N. 9 ff. zu Art. 72). BGE 124 I 101 S. 106 4. Form und Ziel der Harmonisierung der direkten Steuern von Bund, Kantonen und Gemeinden sind in Art. 42quinquies BV und im StHG zu einem Regelungsauftrag konkretisiert worden. Als Weg und Form zur Erreichung der Steuerharmonisierung wurde ein Grundsatzgesetz des Bundes (dazu näher: CAGIANUT, a.a.O., Rz. 8; VALLENDER, a.a.O., S. 270 ff.) gewählt, das in Zusammenarbeit mit den Kantonen und mit deren qualifizierter Mitwirkung sowie unter Rücksichtnahme auf ihre eigenen Bestrebungen zur Harmonisierung der Steuern zu erlassen war und verabschiedet wurde. Die kantonalen Gesetzgeber haben zwar einen erheblichen Ermessensspielraum, wie sie das Harmonisierungsziel anstreben wollen, sie können etappenweise vorgehen oder, wenigstens zu Beginn der Anpassungsfrist, gar einen gesetzgeberischen Umweg einschlagen. Untersagt sind ihnen aber Gesetzesrevisionen, die sich auch nicht in diesem weit verstandenen Sinn als Schritt in Richtung Harmonisierungsziel auffassen lassen sondern den bundesrechtlichen Harmonisierungsbestrebungen klar und gezielt zuwiderlaufen (vgl. allgemein zum Verbot der Vereitelung von Bundesrecht PETER SALADIN, Kommentar zur Bundesverfassung, N. 216 zu Art. 3 BV ). Ein Kanton verletzt seine spezifische bundesstaatliche Treuepflicht (vgl. BGE 118 Ia 195 E. 5a mit Hinweisen) daher jedenfalls dann, wenn er während der Anpassungsfrist von Art. 72 Abs. 1 StHG seine Gesetzgebung gezielt in einer den Vorschriften des StHG klar widersprechenden Weise ändert. Das gleiche gilt um so mehr, wenn er durch eine derartige entharmonisierende Gesetzesänderung kurz vor dem Ablauf der Anpassungsfrist deren Einhaltung ernsthaft gefährdet oder gar illusorisch werden lässt. 5. Nach Art. 7 Abs. 1 StHG unterliegen alle wiederkehrenden und einmaligen Einnahmen, die Eigennutzung von Grundstücken eingeschlossen, uneingeschränkt der Einkommenssteuer. Die zulässigen Abzüge sind in Art. 9 Abs. 2 und 3 StHG abschliessend aufgezählt; der kantonale Regelungsspielraum beschränkt sich auf die Sozialabzüge bzw. Steuerfreibeträge ( Art. 9 Abs. 4 StHG ; Expertenbericht CAGIANUT, S. 22). Ein Abzug des Mietzinses oder des Anteils des Mietzinses, welcher der durchschnittlichen prozentualen Differenz zwischen den versteuerten Eigenmietwerten und der Marktmiete entspricht, wie dies die Initiative anstrebt, sind darin nicht vorgesehen. Die Initianten anerkennen denn auch, dass Mietzinsabzüge dem StHG widersprechen. Die Einführung eines neuen, vom StHG nicht vorgesehenen und damit von ihm ausgeschlossenen Abzuges verstösst klar gegen die BGE 124 I 101 S. 107 seit dem 1. Januar 1993 geltenden Steuerharmonisierungsgrundsätze und ist deshalb und weil sie zudem gegen Ende der Anpassungsfrist erfolgen soll, bundesrechtswidrig. Der Grosse Rat hat die Initiative daher zu Recht ungültig erklärt.
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def6e745-7692-41cd-8fc3-553744385c7d
Urteilskopf 117 V 1 1. Arrêt du 25 février 1991 dans la cause R. contre Caisse cantonale genevoise de compensation et Commission cantonale genevoise de recours en matière d'assurance-vieillesse et survivants
Regeste Art. 1 Abs. 2 lit. b AHVG und Art. 2 Abs. 1 lit. a AVIG : Zugehörigkeit zu den schweizerischen Sozialversicherungen. Der gemäss Art. 1 Abs. 2 lit. b AHVG (unzumutbare Doppelbelastung) von der obligatorischen AHV ausgenommene Arbeitnehmer ist bei der Arbeitslosenversicherung beitragspflichtig.
Sachverhalt ab Seite 1 BGE 117 V 1 S. 1 A.- Paul-André R., né en 1933, de nationalité suisse, était fonctionnaire au Bureau international du travail (BIT), à Genève. A ce titre, il a été affilié à la Caisse commune des pensions du personnel des Nations Unies (ci-après: la Caisse commune), à compter du 1er août 1988. A partir du mois de décembre 1988, il a entrepris des démarches en vue d'obtenir l'exemption du paiement des cotisations AVS/AI/APG pour cause de cumul de charges trop lourdes; il désirait toutefois rester affilié à l'assurance-chômage, et, à cette fin, il a versé à la Caisse cantonale genevoise de compensation une somme représentant, d'après lui, les cotisations à sa charge, pour cette assurance uniquement, entre le 1er août et le 31 décembre 1988. Après un échange de correspondance avec la caisse de compensation, Paul-André R. a présenté sur une formule préimprimée, le 24 avril 1989, une requête tendant à son exemption de l'assujettissement à l'assurance. A cette requête était jointe une lettre dans BGE 117 V 1 S. 2 laquelle il déclarait "maintenir" ses versements à l'assurance-chômage. Par décision du 28 avril 1989, la caisse de compensation a admis la requête, en précisant que l'exemption prendrait effet le 1er mai 1989 et que "les employeurs éventuels ne doivent pas retenir les cotisations AVS/AI/APG/AC". B.- Paul-André R. a recouru contre cette décision devant la Commission cantonale genevoise de recours en matière d'assurance-vieillesse et survivants, en demandant que l'exemption prît effet le 1er août 1988 et en renouvelant sa demande de rester affilié à l'assurance-chômage. Statuant le 2 novembre 1989, la commission a partiellement admis la première conclusion du recours, en fixant le début de l'exemption au 1er avril 1989. En revanche, elle a rejeté la seconde, considérant que l'obligation de cotiser à l'assurance-chômage supposait une affiliation obligatoire à l'assurance-vieillesse et survivants. C.- Contre ce jugement, Paul-André R. interjette un recours de droit administratif dans lequel il réaffirme sa volonté de demeurer assujetti à l'assurance-chômage. La caisse de compensation conclut au rejet du recours, ce que propose aussi l'Office fédéral des assurances sociales (OFAS). A la demande du juge délégué, l'Office fédéral de l'industrie, des arts et métiers et du travail (OFIAMT) s'est également exprimé sur le recours. L'intimée et l'OFAS ont eu la possibilité de se déterminer sur le préavis de l'OFIAMT. Erwägungen Considérant en droit: 1. (Objet du litige) 2. (Pouvoir d'examen) 3. Aux termes de l' art. 1er al. 2 let. b LAVS , ne sont pas assurées les personnes affiliées à une institution officielle étrangère d'assurance-vieillesse et survivants si l'assujettissement à la loi constituait pour elles un cumul de charges trop lourdes. La LACI, d'autre part, ne définit pas le cercle des assurés soumis à cette loi, mais se borne à fixer les règles relatives à l'obligation de payer des cotisations d'assurance-chômage, une personne pouvant du reste être assurée même si elle n'a pas versé de cotisations (cf. GERHARDS, Kommentar zum Arbeitslosenversicherungsgesetz [AVIG], notes 20 et 21 ad art. 1er, p. 54). L'obligation de cotiser concerne, en particulier, BGE 117 V 1 S. 3 les personnes qui sont obligatoirement assurées selon la LAVS et doivent payer des cotisations sur le revenu d'une activité dépendante en vertu de cette loi ( art. 2 al. 1 let. a LACI ). La caisse intimée et les premiers juges déduisent de cette dernière règle que celui qui n'est plus soumis à l'assurance-vieillesse et survivants obligatoire (c'est le cas du recourant depuis le 1er avril 1989) ne peut non plus être affilié à l'assurance-chômage. Cette opinion est partagée par l'OFAS, qui insiste sur le caractère indissociable des deux assurances en cause. Il peut certes arriver que des personnes cotisent à l'assurance-vieillesse et survivants et non à l'assurance-chômage (p.ex. les rentiers de l'AVS qui continuent à exercer une activité lucrative), mais la situation inverse ne serait pas concevable. L'office rappelle, par ailleurs, que la possibilité de s'affilier volontairement à l'assurance-chômage (assurance facultative) a été écartée par le législateur, essentiellement pour des raisons techniques. De son côté, le recourant met l'accent sur la différence des risques couverts par chacune des assurances. L' art. 1er al. 2 let. b LAVS trouve une justification dans le fait qu'on a voulu épargner à certains assurés une double assurance obligatoire pour la même éventualité, justification qui, en l'occurrence, ne vaut pas pour l'assurance-chômage. Enfin, l'OFIAMT estime qu'une interprétation littérale de l' art. 2 LACI conduit à considérer que l'exemption vaut également pour l'assurance-chômage, mais, ayant par ailleurs rappelé qu'aux termes de l' art. 34novies al. 2 Cst. ladite assurance-chômage est obligatoire pour les travailleurs (sous réserve d'exceptions réglées par la loi), il se demande si le législateur, eu égard à cet objectif constitutionnel, a réellement voulu "reprendre" l'exception de l' art. 1er al. 2 let. b LAVS . Aussi bien n'exclut-il pas l'éventualité d'une lacune de la loi et, sur ce point, il s'en remet à justice. En tout cas, affirme-t-il, la possibilité de demeurer affilié à l'assurance-chômage seulement, dans des situations comparables à celles du recourant, ne soulève pas d'objection de sa part. 4. a) Bien que la loi considère, vraisemblablement pour des motifs rédactionnels, l'hypothèse envisagée par l' art. 1er al. 2 let. b LAVS comme un cas de "non-assurance", il s'agit en réalité, comme la pratique et même le vocabulaire administratif le démontrent, d'un cas d'exemption facultative et conditionnelle de l'assurance obligatoire ( ATF 111 V 67 consid. 2b et les références). BGE 117 V 1 S. 4 L'exemption implique, en quelque sorte, la substitution d'une assurance à une autre et, pour qu'on puisse admettre l'existence d'un cumul de charges trop lourdes, il faut que les deux assurances aient le même objet (RCC 1985 p. 543 consid. 4; KÄSER, Unterstellung und Beitragswesen in der obligatorischen AHV, note 1.64, p. 34; ch. m. 3018 de la circulaire de l'OFAS sur l'assujettissement à l'assurance [CAA]). Car l'intention du législateur était d'éviter à l'assuré, non seulement de devoir supporter des contributions disproportionnées à ses ressources, mais aussi une double assurance ( ATF 98 V 184 consid. a; GREBER, Droit suisse de la sécurité sociale, p. 186; MAURER, Schweizerisches Sozialversicherungsrecht, vol. I, p. 207). Rien de tel cependant en l'espèce, puisque le risque de chômage n'est de toute évidence pas couvert par la Caisse commune. Du point de vue de la ratio legis, on ne voit donc pas pourquoi la protection de la LACI devrait être refusée au recourant. b) L'argument fondé implicitement sur la systématique de la loi et selon lequel les deux assurances sociales formeraient un tout indissociable ne saurait, quant à lui, être décisif. Il est vrai que le législateur a voulu faire coïncider le plus étroitement possible le cercle des salariés cotisant à l'assurance-vieillesse et survivants obligatoire et celui des travailleurs assujettis à l'assurance-chômage ( ATF 115 Ib 42 consid. 4b et les références). Mais cette concordance n'est pas absolue. Le Tribunal fédéral des assurances a p.ex. jugé que les ressortissants de certains pays étrangers, soumis à l'assurance obligatoire en vertu de l' art. 1er al. 1 let . c LAVS et de conventions bilatérales de sécurité sociale, n'étaient pas astreints à cotiser à l'assurance-chômage, ni au régime des APG ( ATF 112 V 345 consid. 8 et RCC 1987 p. 203; contra: KÄSER, op.cit., notes 1.42 ss, p. 27; opinion de doctrine réfutée cependant par BREINING, Arbeitslosenversicherung und Ausländerrecht, thèse Zurich 1990, p. 122 ss; cf. aussi GERHARDS, op.cit., note 38 ad art. 2, p. 68). Il lui est aussi arrivé d'interpréter de manière différente une notion juridique utilisée dans les deux législations - en l'occurrence la condition de domicile en Suisse - en se fondant sur le but différent visé par celles-ci (ATF ATF 115 V 449 ). 5. La principale objection de l'administration et des premiers juges repose, on l'a vu, sur une interprétation littérale de l' art. 2 al. 1 let. a LACI . Il est exact que le texte de la loi ne prête guère à la discussion: si toute personne obligatoirement assurée selon la BGE 117 V 1 S. 5 LAVS en qualité de travailleur dépendant doit également cotiser à l'assurance-chômage (sous réserve des exceptions prévues à l' art. 2 al. 2 LACI ), une personne qui n'est pas assujettie à la LAVS n'a pas la possibilité, a contrario, de cotiser à l'assurance-chômage (dans le même sens: GERHARDS, op.cit., notes 34-36 ad art. 2 LACI , p. 67). a) Selon la jurisprudence, il n'y a lieu de déroger au sens littéral d'un texte clair par voie d'interprétation que lorsque des raisons objectives permettent de penser que ce texte ne restitue pas le sens véritable de la disposition en cause. De tels motifs peuvent découler des travaux préparatoires, du but et du sens de la disposition, ainsi que de la systématique de la loi ( ATF 115 Ia 137 consid. 2b et les arrêts cités; cf. en outre ATF 115 V 348 consid. 1c). L' art. 2 al. 1 let. a LACI a étendu l'assurance obligatoire aux travailleurs qui sont au service d'employeurs non soumis au paiement des cotisations, au sens de l' art. 6 LAVS (sous le régime de l'AAC, de tels assurés ne pouvaient cotiser à l'assurance-chômage, même à titre facultatif; ATF 112 V 54 ). Par cette extension, le législateur a notamment pensé aux fonctionnaires internationaux travaillant en Suisse (GERHARDS, op.cit., note 33 ad art. 2, p. 66-67). Or, ce sont justement ces fonctionnaires, souvent affiliés à une institution étrangère, qui sont susceptibles de faire usage de la faculté que leur confère l' art. 1er al. 2 let. b LAVS (en liaison avec l' art. 4 RAVS ). Priver cette catégorie de travailleurs de la protection de l'assurance-chômage - dont la généralisation a pourtant été voulue par le constituant ( art. 34novies al. 2 Cst. ) - aboutirait en fait à une contradiction et l'objectif recherché ne serait que très partiellement atteint. En outre, alors même que le législateur a renoncé à introduire une assurance-chômage facultative, une interprétation purement littérale conduirait, en dernière analyse, à remettre en cause cette décision. Certains assurés, désireux de conserver un maximum de garanties, estimeraient avantageux de rester affiliés à l'assurance-vieillesse et survivants, quand bien même ils rempliraient les conditions d'une exemption, tandis que d'autres, peut-être moins exposés au risque de chômage, feraient un choix opposé. Dans ce même ordre d'idées, on ajoutera qu'il est tout aussi important dans l'assurance sociale que dans l'assurance privée d'éviter qu'une personne ne fasse dépendre de la réalisation du risque - ou de son imminence - sa volonté de participer à la communauté des cotisants ou de ne point y participer (cf. ATF 98 V 185 consid. b). BGE 117 V 1 S. 6 Le résultat auquel aboutit une telle interprétation est en même temps incompatible avec le droit à l'égalité. Elle établit une distinction, que rien ne justifie du point de vue de l'assurance-chômage, entre les assurés pour lesquels la double assurance représente une charge trop lourde et ceux qui, faute de satisfaire à cette exigence de caractère économique, continuent à bénéficier de la couverture des assurances sociales suisses. b) En conséquence, il serait contraire au sens et au but de la législation sur l'assurance-chômage et également à la volonté du constituant d'exclure du cercle des assurés obligatoires les personnes exemptées de l'assurance-vieillesse et survivants en vertu de l' art. 1er al. 2 let. b LAVS . Il faut admettre, bien plutôt, que ces personnes restent tenues - il ne s'agit pas seulement d'une faculté - de payer des cotisations d'assurance-chômage, en application de l' art. 2 al. 1 let. a LACI . En ce qui concerne le versement proprement dit des cotisations mises à leur charge, elles seront traitées comme des assurés dont l'employeur n'est pas tenu de cotiser, au sens de l' art. 5 al. 2 LACI . Certes, la caisse intimée semble craindre qu'une telle solution entraîne des complications d'ordre administratif. Mais d'autres cas particuliers - résultant notamment de la jurisprudence précitée relative à l'obligation de certains ressortissants étrangers de cotiser à l'AVS/AI mais non aux APG et/ou à l'assurance-chômage - ont été résolus par la pratique administrative, apparemment sans difficultés excessives (voir p.ex. le ch. 2055 CAA). c) Bien que le problème ne se pose pas en l'espèce, on peut d'ores et déjà relever que le maintien de l'assujettissement à l'assurance-chômage ne paraît en revanche pas possible dans le cas de l' art. 1er al. 2 let. a LAVS (ressortissants étrangers au bénéfice de privilèges et d'immunités diplomatiques ou d'exemptions fiscales particulières): l'exclusion de l'assurance résulte ici non seulement de la LAVS, mais également du droit diplomatique, de sorte qu'elle vaut pour tous les régimes de sécurité sociale (cf. ATF 115 V 13 consid. 3a, ATF 110 V 152 consid. 3c). Quant au cas visé par la lettre c du même article (assujettissement à l'assurance pour une courte période), on doit constater, à la lumière de l' art. 2 RAVS , qui précise les conditions d'application de cette exception à l'assurance obligatoire, qu'une personne remplissant ces conditions ne pourrait, par définition, bénéficier de la protection de l'assurance-chômage suisse, eu égard aux exigences auxquelles la LACI subordonne le droit aux prestations. BGE 117 V 1 S. 7 6. (Frais et dépens) Dispositiv Par ces motifs, le Tribunal fédéral des assurances prononce: I. Le recours est admis en ce sens que le jugement de la Commission cantonale genevoise de recours en matière d'assurance-vieillesse et survivants du 2 novembre 1989, ainsi que la décision de la Caisse cantonale genevoise de compensation du 28 avril 1989, sont annulés dans la mesure ou ils étendent à l'assurance-chômage l'exemption de l'assurance obligatoire accordée à Paul-André R. II. La cause est renvoyée à la caisse de compensation pour qu'elle fixe le montant des cotisations d'assurance-chômage dues par Paul-André R. à dater du 1er avril 1989.
null
nan
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1,991
CH_BGE
CH_BGE_007
CH
Federation
defe461b-fc32-4c07-a5fa-5abd632c2253
Urteilskopf 101 Ib 143 26. Auszug aus dem Urteil vom 27. Juni 1975 i.S. Charles Vögele AG gegen Regierungsrat des Kantons St. Gallen
Regeste Ausverkaufsordnung (AO): Unterstellung eines Sonderverkaufes unter die Bewilligungspflicht Verfassungs- und Gesetzmässigkeit von Art. 3 und Art. 9 AO ; Anwendbarkeit auf Sonderverkäufe der Bekleidungsindustrie; Abgrenzung gegenüber den sog. Wanderlagern.
Sachverhalt ab Seite 143 BGE 101 Ib 143 S. 143 Am 29. April 1974 unterbreitete die Firma Charles Vögele AG der Gewerbepolizei der Stadt St. Gallen den Entwurf zu einem Inserat, das am 9. Mai in den St. Galler Lokalzeitungen erscheinen sollte, und in dem die nicht verkauften Frühjahrs-Kostüme zu Abstosspreisen angeboten wurden. Die Firma stellte das Gesuch, es sei festzustellen, dass das Inserat nicht der Bewilligungspflicht nach Art. 1 und 4 der Verordnung des Bundesrates über Ausverkäufe und ähnliche Veranstaltungen vom 16. April 1947 (Ausverkaufsordnung; AO) unterstehe; eventuell sei der Sonderverkauf in ihrer St. Galler Filiale zu bewilligen. Das kantonale Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit, dem das Gesuch überwiesen worden war, stellte fest, dass eine bewilligungspflichtige Veranstaltung vorliege, und lehnte die entsprechende Bewilligung ab. Der Regierungsrat des Kantons St. Gallen hat die Verfügung bestätigt. BGE 101 Ib 143 S. 144 Das Bundesgericht weist die dagegen erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde ab. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Die Beschwerdeführerin beanstandet die Verfassungs- und Gesetzmässigkeit von Art. 3 Abs. 1 lit. a AO , wonach die Verordnung nicht anwendbar ist auf "Sonderverkäufe von Lebensmitteln (Nahrungs- und Genussmitteln) und von allen Artikeln des täglichen Verbrauchs, die der Reinigung und der Körperpflege dienen", sowie von Art. 9 AO , der die Sonderverkäufe auf die Zeiträume vom 15. Januar bis Ende Februar und vom 1. Juli bis 31. August des Kalenderjahres beschränkt, wobei ihre Dauer gemäss Art. 10 Abs. 1 AO im Einzelfall drei Wochen nicht übersteigen darf. Die AO ist eine unselbständige Rechtsverordnung, die sich auf Art. 17-19 des Bundesgesetzes über den unlauteren Wettbewerb vom 30. September 1943 (UWG) stützt. Das Bundesgericht prüft in solchen Fällen zunächst die Gesetzmässigkeit und erst dann die Verfassungsmässigkeit der angefochtenen Bestimmungen der Verordnung ( BGE 100 Ib 319 f., BGE 99 Ib 165 und 189 f.), wobei es gemäss Art. 113 Abs. 3 BV an den Inhalt des Gesetzes, zu dem auch die Delegationsnorm gehört, gebunden ist. Die in Art. 17-19 UWG getroffene gesetzliche Regelung der Ausverkäufe und "ähnlichen Veranstaltungen", worunter die Sonderverkäufe verstanden sind, beschränkt sich auf einige wenige Grundsätze. Hinsichtlich der Sonderverkäufe wird in Art. 17 Abs. 1 UWG einzig für die öffentliche Ankündigung und Durchführung eine Bewilligung der zuständigen kantonalen Behörde gefordert, und für die Ausverkäufe gelten zusätzlich bestimmte Sperrfristen. Im übrigen ist nach Art. 17 Abs. 4 UWG der Bundesrat zum Erlass der erforderlichen Ausführungsvorschriften ermächtigt. Der Grund für diese Regelung liegt darin, dass der Gesetzgeber bewusst eine Lösung anstrebte, die eine rasche und flexible Anpassung des materiellen Rechts an sich ändernde wirtschaftliche Verhältnisse ermöglichen sollte (Botschaft des Bundesrates vom 3. November 1942, BBl 1942 S. 713; Sten.Bull. S 1943 S. 78 und 84). Das dem Bundesrat mit Rücksicht auf den oft raschen Wandel der Wirtschaftslage eingeräumte weite Ermessen entspricht somit BGE 101 Ib 143 S. 145 dem Willen des Gesetzgebers, und diese Delegation ist nach Art. 113 Abs. 3 BV für das Bundesgericht verbindlich. Sie bedeutet, dass das Bundesgericht bei der Überprüfung der Gesetzmässigkeit von Bestimmungen der AO nicht sein eigenes Ermessen an die Stelle desjenigen des Bundesrates setzen darf; es hat bloss zu prüfen, ob die umstrittenen Verordnungsvorschriften den Rahmen der dem Bundesrat im Gesetz delegierten Kompetenzen offensichtlich sprengen oder aus andern Gründen gesetz- oder verfassungswidrig sind. Das dem Bundesrat eingeräumte Ermessen verbietet dem Bundesgericht insbesondere zu untersuchen, ob die Bestimmungen der AO wirtschaftlich zweckmässig sind oder nicht; dafür trägt der Bundesrat die alleinige Verantwortung ( BGE 99 Ib 169 mit Hinweisen; GRISEL, Droit administratif, S. 87 f.). 3. a) Materiell ist somit zunächst zu prüfen, ob die von der Beschwerdeführerin beanstandeten Bestimmungen der AO aus dem Rahmen der dem Bundesrat übertragenen Kompetenzen fallen. Entgegen der von der Beschwerdeführerin vertretenen Auffassung hat Art. 17 UWG nicht den Sinn, nur solche Ausverkäufe und Sonderverkäufe der Bewilligung zu unterstellen, die gegen Treu und Glauben verstossen. Das Parlament war sich bei der Beratung des Gesetzesentwurfes durchaus bewusst, dass ein Aus- oder Sonderverkauf an sich nicht eine unlautere Veranstaltung darstellt. Es benutzte aber die Gelegenheit, um die Ausverkäufe und das Zugabewesen als praktisch sehr bedeutsame Gebiete des Handels einer einheitlichen, eidgenössischen Lösung zuzuführen, obschon erkannt worden war, dass solche Veranstaltungen nicht zwanglos unter den Titel des Gesetzes fallen (Sten.Bull. 1943, N S. 161 f., S S. 77 ff.). Es kann deshalb keine Rede davon sein, dass der Bundesrat Ausverkäufe und ähnliche Veranstaltungen nur dann und nur insoweit der Bewilligungspflicht unterstellen darf, als eine konkrete Gefährdung von Treu und Glauben zu befürchten ist. Art. 17 Abs. 1 UWG hat vielmehr eine generelle Bewilligungspflicht eingeführt, und Absatz 2, auf den sich die Beschwerdeführerin im besonderen beruft, dient dem Bundesrat lediglich als Richtlinie, nach der im Einzelfall Bewilligungen zu verweigern oder an einschränkende Bedingungen zu knüpfen sind. Der Gesetzgeber sah somit in Aus- und in Sonderverkäufen an sich eine erhöhte Gefahr für Treu und Glauben im wirtschaftlichen Wettbewerb, überliess BGE 101 Ib 143 S. 146 es indessen dem Bundesrat, auf dem Verordnungswege die Mittel zu bestimmen, mit denen dieser Gefahr vorgebeugt werden soll. Dabei muss sich der Bundesrat zwar von wettbewerbspolizeilichen Erwägungen leiten lassen, doch ist es ihm keineswegs verwehrt, daneben auch gewerbepolitische Gesichtspunkte mit zu berücksichtigen, die geeignet sind, kleinere und mittlere Betriebe bis zu einem gewissen Grade vor der übermächtigen Konkurrenz der grossen zu schützen ( BGE 96 I 418 ). Dies folgt schon aus dem in Art. 4 BV statuierten Grundsatz der Rechtsgleichheit, dem bei der Behandlung staats- und verwaltungsrechtlicher Streitfragen auf allen Gebieten Rechnung zu tragen ist. b) Konkret bezeichnet die Beschwerdeführerin als nicht gesetzeskonform Art. 3 Abs. 1 lit. a AO in der Fassung vom 15. März 1971, wonach Sonderverkäufe von Lebensmitteln (Nahrungs- und Genussmitteln) und von allen Artikeln des täglichen Verbrauchs, die der Reinigung und der Körperpflege dienen, der Verordnung nicht unterstellt sind. Sie macht geltend, die Ausnahme der Sonderverkäufe bestimmter Artikel von der Bewilligungspflicht sei sachlich nicht gerechtfertigt und damit willkürlich. Bereits in der früheren Fassung kannte die AO eine Ausnahme von der Bewilligungspflicht, doch betraf diese lediglich "leicht verderbliche Lebens- und Genussmittel". In seiner Vernehmlassung führt das EVD zur Ausweitung der Liste der nicht den Bestimmungen über Sonderverkäufe unterstellten Erzeugnisse im wesentlichen aus, es hätten sich für die Artikel des täglichen Gebrauchs auf dem Gebiet der Körperpflege und der Reinigung vor allem nach dem Wegfall der Preisbindung der zweiten Hand tiefgreifende Veränderungen im Detailhandel ergeben. Die sogenannten "Aktionen" für bestimmte Artikel bildeten heute geradezu die Regel. Die Konsumenten hätten sich darauf eingestellt und seien nicht mehr eines besonderen Schutzes bedürftig; vielmehr hätten sie sich daran gewöhnt, die "Aktionen" zu ihren Gunsten auszunützen. Weiter handle es sich bei den Lebensmitteln und den vorstehend erwähnten weiteren Artikeln des täglichen Bedarfs um Waren, bei denen sich der Konsument in der Regel auskenne und bei denen auch keine im Einzelfall ins Gewicht fallende finanzielle Ausnützung zu befürchten sei. Diesen Erwägungen ist eine sachliche Berechtigung nicht abzusprechen. Auch lässt sich BGE 101 Ib 143 S. 147 nicht sagen, es bestünden keine hinlänglichen Gründe, um Bekleidungsartikel, insbesondere solche, die starken Wandlungen der Mode unterworfen sind, anders zu behandeln als Lebensmittel sowie der Körperpflege und der Reinigung dienende Mittel. Es genügt, darauf hinzuweisen, dass die Bekleidung nicht zu den Gegenständen des täglichen Bedarfs gehört, die jede Familie unter Berücksichtigung gewisser, unwesentlicher Schwankungen immer etwa in gleichem Masse benötigt, sondern zu den Artikeln, bei denen durch Anreizung der Kauflust leicht eine das Notwendige übersteigende, erhöhte Nachfrage geschaffen werden kann. Zudem fallen Gegenstände der Bekleidungsindustrie für den Familienhaushalt in stärkerem Masse ins Gewicht als Lebensmittel und Reinigungsartikel. Dieser Hinweis genügt zur Feststellung, dass sich die vom Bundesrat getroffene Ausnahmeregelung gemäss Art. 3 Abs. 1 lit. a der revidierten AO auf sachliche Gründe stützen kann und damit, soweit sie nach dem Gesagten der Überprüfung durch das Bundesgericht zugänglich ist, weder willkürlich erscheint noch den Rahmen der gesetzlichen Delegation sprengt. c) In zweiter Linie hält die Beschwerdeführerin Art. 9 AO für gesetzwidrig, der Sonderverkäufe auf die Zeiten vom 15. Januar bis Ende Februar und vom 1. Juli bis 31. August beschränkt. Nach ihrer Auffassung stellt diese Beschränkung eine über das Gesetz hinausgehende materielle Regelung dar, die in der Delegationsnorm von Art. 17 Abs. 4 UWG keine genügende Stütze findet. Wie ausgeführt worden ist, trifft diese Auffassung nicht zu. Es ist insbesondere nicht angängig, aus den im Gesetz selbst vorgesehenen Sperrfristen für Total- und Teilausverkäufe den Umkehrschluss zu ziehen, der Gesetzgeber habe eine zeitliche Beschränkung der Sonderverkäufe ausschliessen wollen. Das Gegenteil ergibt sich bereits aus der Botschaft des Bundesrates vom 3. November 1942 (BBl 1942 S. 714 oben), ferner aus dem in der parlamentarischen Beratung deutlich ausgesprochenen Willen, das Ausverkaufswesen - der Ausdruck "Sonderverkauf" für ausverkaufsähnliche, aber weder eine Total- noch Teilliquidation anstrebende Veranstaltungen ist erst seither geprägt worden - auf Bundesebene weitgehend zu vereinheitlichen, gerade auch in zeitlicher Hinsicht (Sten.Bull. S 1943 S. 78, 84 f.). Das Bundesgericht hat denn auch in seiner langjährigen Rechtsprechung zur AO BGE 101 Ib 143 S. 148 die Gesetzmässigkeit von Art. 9 AO nie in Zweifel gezogen (für Saisonbekleidung vgl. BGE 95 IV 157 f. mit Hinweisen, BGE 82 IV 112 f.). Die Beschränkung der Sonderverkäufe auf bestimmte jährliche Zeiten entspricht dem Zweck des UWG. Wie das EVD in seiner Vernehmlassung zutreffend ausführt, ging es darum, das Publikum und die Mitbewerber vor marktschreierischen und damit in einem weiteren Sinne unlauteren Verkaufsmethoden zu schützen. Die Festsetzung bestimmter Zeiträume, die bei der Erteilung von Bewilligungen für Sonderverkäufe einzuhalten sind, entsprach dem Gedanken, den Wettbewerb im Handel allgemein für das Publikum klarer zu gestalten und für die einzelnen Mitbewerber möglichst ähnliche Ausgangsbedingungen zu schaffen. Damit steht der gewerbepolizeiliche Zweck von Art. 9 AO fest; die Mitberücksichtigung gewisser gewerbepolitischer Momente durch den Bundesrat vermag daran nichts zu ändern. Die Beschwerdeführerin weist im besonderen darauf hin, dass die in Art. 9 AO getroffene Beschränkung der Sonderverkäufe auf zwei jährliche, auf den Hochsommer und den Winter festgelegte Perioden den Verhältnissen der Modebranche nicht gerecht würden. Diese kenne nicht zwei, sondern vier Saisons, nach denen die zu normalen Preisen nicht verkaufte Ware abgesetzt werden sollte, um Platz für Neuigkeiten zu gewinnen. Die in Art. 9 AO getroffene Lösung stelle deshalb einen unverhältnismässigen Eingriff dar. Der Kassationshof des Bundesgerichtes hat im Urteil BGE 95 IV 159 klar zum Ausdruck gebracht, dass den Modegeschäften kein Anspruch auf Sonderbehandlung zusteht. Daran ist auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren festzuhalten. Es ist nicht nur nach der Auffassung des Bundesrates, sondern, wie dargetan, auch nach derjenigen des Gesetzgebers unerwünscht, dass das Publikum während des ganzen Jahres oder auch nur während vier jährlicher Perioden von etwa dreiwöchiger Dauer einer marktschreierischen Reklame von verschiedenster Seite für Sonderverkäufe ausgesetzt wird. Der objektive, für das Bundesgericht entscheidende Grund liegt darin, dass der Kunde bei einer Lockerung im Sinne der Anträge der Beschwerdeführerin Gefahr liefe den Überblick darüber zu verlieren, wann und wo er reguläre Ware zum normalen Preis erhält und wann und wo Ware, deren Preis im Rahmen eines Sonderverkaufes vorübergehend reduziert worden ist. Das Bedürfnis der Verwaltungsbehörden BGE 101 Ib 143 S. 149 von Bund und Kanton, im Interesse ihrer Einwohner auf diesem Gebiet die Übersicht zu behalten, ist sachlich gerechtfertigt und entzieht damit der Rüge, der Bundesrat habe durch die Fixierung bestimmter Perioden für Sonderverkäufe die ihm delegierte Befugnis überschritten, die Grundlage. Was den Handel mit modischer Bekleidung im besonderen betrifft, so ist zu bemerken, dass die AO Preisreduktionen, gleichgültig in welchem Ausmasse, für infolge Saisonablaufs nicht mehr gängige Waren in keiner Weise verbietet oder beschränkt. Nicht statthaft ist nur, solche Preisherabsetzungen öffentlich anzukündigen. Da die in Betracht kommende Kundschaft genau weiss, wann sich eine Saison dem Ende zuneigt, ist anzunehmen, dass diejenigen Interessenten, die weniger auf völlige Neuheit und auf grösstmögliche Auswahl als auf einen günstigen Preis achten, zur gegebenen Zeit auch ohne besondere Reklame den Weg in die Modegeschäfte und zu den im Preis herabgesetzten Stücken finden. Im übrigen ist durch die Bewilligung von zwei jährlichen Sonderverkäufen dafür gesorgt, dass die Lagerkosten auch im Bekleidungshandel nicht ins Ungemessene ansteigen. Bei der heutigen Struktur des Detailhandels, die sich dadurch auszeichnet, dass Warenhäuser und Supermärkte mit einem äusserst vielseitigen Angebot immer mehr in den Vordergrund drängen, wäre es übrigens ausserordentlich schwierig, eine Ausnahmebestimmung für den Handel mit Modeartikeln praktisch durchzusetzen. Die AO würde dadurch weitgehend ausgehöhlt, was dem Sinn des UWG widerspräche. Die in Art. 9 AO getroffene Ordnung liegt somit auch in ihrer Anwendung auf die Modebranche nicht ausserhalb der in Art. 17 UWG getroffenen Delegation und ist nicht unverhältnismässig. Selbst wenn die geltende Regelung für gewisse Geschäftszweige unbefriedigend ist, kann es nicht Aufgabe des Bundesgerichtes sein, Abhilfe zu schaffen; wie erwähnt ist die Wahl der wirtschaftlich zweckmässigsten und angemessensten Lösung ausschliesslich Sache des Bundesrates. d) Schliesslich beanstandet die Beschwerdeführerin als rechtsungleich und der gesetzlichen Delegation widersprechend die Regelung von Art. 3 Abs. 2 AO , wonach die sogenannten Wanderlager der Bewilligungspflicht nicht unterstellt sind. Dazu ist festzustellen, dass der Bundesrat den Markt- und Hausierverkehr und ähnliche Veranstaltungen, die vorwiegend BGE 101 Ib 143 S. 150 lokalen Charakter haben und sich in den verschiedenen Landesgegenden in ganz unterschiedlicher Weise abspielen, nicht einer einheitlichen, eidgenössischen Ordnung unterstellen wollte; vielmehr sollte auf diesem Gebiet das kantonale Gewerbepolizeirecht allein massgebend bleiben. Soweit dies Märkte und Hausierer betrifft, die in Art. 3 Abs. 2 AO ebenfalls von der Bewilligungspflicht ausgenommen sind, erhebt die Beschwerdeführerin keine Einwendungen; sie glaubt jedoch, die Nichtunterstellung der Wanderlager unter die bundesrechtlichen Vorschriften schaffe rechtsungleiche Verhältnisse. Der Begriff des Wanderlagers ist in der Bundesgesetzgebung nicht näher umschrieben. Es ist daher notwendig, im Einzelfalle auf die einschlägigen kantonalen Vorschriften zurückzugreifen. Nach Art. 4 Ziff. 1 lit. b des sanktgallischen Gesetzes über den Marktverkehr und das Hausieren vom 28. Juni 1887 (Bereinigte Gesetzessammlung Band 2, S. 534 ff.) gilt als Wanderlager die "vorübergehende Eröffnung eines Warenlagers ausserhalb der Dauer von Märkten", zu dessen Betrieb ein Hausierpatent erforderlich ist. Im Einzelfall entscheidet der Gemeinderat mit Rekursmöglichkeit an den Regierungsrat darüber, ob ein Geschäft als Wanderlager zu betrachten ist oder nicht. Massgebend ist nach dem gesamten Aufbau des Gesetzes der Umstand, dass das Wanderlager nicht in eigenen oder fest gemieteten Räumen aufgeschlagen werden darf; vielmehr gehört der Betrieb eines solchen Lagers zu den Gewerbebetrieben, die "im Umherziehen" ausgeübt werden. Darin zeigt sich ein entscheidender Unterschied zu den Handels- und Gewerbebetrieben üblicher Art. Der Inhaber eines Wanderlagers darf sich nirgends für längere Zeit niederlassen, was ihm verunmöglicht, sich eine Stammkundschaft zu schaffen. Die Gleichstellung mit den Marktfahrern durch das kantonale Recht und die daraus folgende Nichtanwendbarkeit der Vorschriften der AO lässt sich deshalb mit sachlichen Gründen rechtfertigen. Zwar geniessen der Marktfahrer und der Inhaber eines Wanderlagers, wie sich aus einem von der Beschwerdeführerin vorgelegten Inserat über einen Massenverkauf sogenannter "Jeans-Hosen" in zwei Restaurants im Kanton St. Gallen ergibt, infolge ihrer Nichtunterstellung unter die AO gewisse Vorteile hinsichtlich der Reklamemöglichkeit. Dem stehen aber die geschilderten anderweitigen Nachteile entgegen, BGE 101 Ib 143 S. 151 so dass eine Konkurrenzierung des ortsansässigen Handels nur beschränkt möglich ist. Die Bestimmung von Art. 3 Abs. 2 AO ist daher mit der Delegationsnorm vereinbar. Ob es empfehlenswert wäre, die noch aus dem letzten Jahrhundert stammenden Bestimmungen des kantonalen Rechtes über die Wanderlager bei einer künftigen Revision dem eidgenössischen Ausverkaufsrecht besser anzugleichen, ist nicht zu entscheiden. 4. Die Beschwerdeführerin beanstandet nicht nur die Gesetzmässigkeit, sondern auch die Verfassungsmässigkeit von Art. 3 und 9 AO . Sie macht eine Verletzung von Art. 4 und Art. 31 BV geltend. Für die Prüfung der Verfassungsmässigkeit der AO bleibt jedoch wenig Raum, da einerseits das Bundesgericht an die Regelung des UWG mit Einschluss der Übertragung der Normsetzungsbefugnis auf dem Gebiete des Ausverkaufswesens an den Bundesrat gebunden ist, und da anderseits, wie sich aus den vorangehenden Erwägungen ergibt, die beanstandeten Bestimmungen der AO sich im Rahmen der Delegation halten. Was zunächst die Handels- und Gewerbefreiheit betrifft, so lässt Art. 31 Abs. 1, 2. Satzteil BV selbst deren Einschränkung durch die Gesetzgebung zu. Die Einschränkung dieser Freiheit durch das UWG und durch eine im Rahmen der gesetzlichen Delegation liegende Rechtsverordnung des Bundesrates ist somit durch das Bundesgericht nicht überprüfbar; denn die in diesen Grenzen erlassene Verordnung nimmt an der Verbindlichkeit des Gesetzes teil ( BGE 88 I 280 ). Zulässig ist eine Überprüfung der Verordnung auf die Beachtung des Grundsatzes der Rechtsgleichheit. Art. 4 BV wäre jedoch nur dann verletzt, wenn eine vom Bundesrat im Rahmen seiner abgeleiteten Kompetenz erlassene Bestimmung sich nicht auf ernsthafte Gründe stützen liesse, wenn sie sinn- und zwecklos wäre oder wenn sie rechtliche Unterscheidungen träfe, für die sich ein vernünftiger Grund in den tatsächlichen Verhältnissen nicht finden liesse ( BGE 99 Ib 190 E. 2a, BGE 96 I 143 , je mit Hinweisen). Dass die beiden angefochtenen Verordnungsbestimmungen unter keinem dieser Gesichtspunkte als willkürlich bezeichnet werden können, ist bereits bei der Gesetzmässigkeitsprüfung festgestellt worden. Die Rügen der Beschwerdeführerin erweisen sich somit als unbegründet, soweit die Verfassungs- oder Gesetzwidrigkeit von Bestimmungen der AO behauptet wird.
public_law
nan
de
1,975
CH_BGE
CH_BGE_003
CH
Federation
df0196b5-1bba-4666-9ce4-643678943170
Urteilskopf 112 V 23 6. Arrêt du 18 février 1986 dans la cause Payn contre Caisse-maladie Sulzer et Tribunal cantonal valaisan des assurances
Regeste Art. 30 Abs. 3 KUVG . Das in dieser Bestimmung vorgesehene Rechtsmittel ist eine Beschwerde und nicht eine Klage (Berichtigung der Rechtsprechung; Erw. 1). Art. 8 Abs. 2 und 4, Art. 9 Abs. 2 KUVG : Anspruch auf Freizügigkeit. - Begriff der "Krankheit" im Sinne des Art. 8 Abs. 2 KUVG (Erw. 3). - Ein Versicherter, der eine Zusatz-Unfallversicherung (zur obligatorischen Unfallversicherung) abgeschlossen hat und an den Folgen eines Unfalles leidet, muss grundsätzlich als krank im Sinne des Art. 8 Abs. 2 KUVG betrachtet werden. Er hat daher, wenn er einen Betrieb verlässt, gegebenenfalls Anspruch darauf, bei der Krankenkasse dieses Betriebes versichert zu bleiben (Erw. 4). Gilt dieser Anspruch nur für die Unfallversicherung oder gilt er auch für die Krankenversicherung? Frage offengelassen (Erw. 5).
Sachverhalt ab Seite 24 BGE 112 V 23 S. 24 A.- Jean Payn, né en 1929, travaillait au service de l'entreprise Sulzer. En cette qualité, il était assuré auprès de la caisse-maladie de ladite entreprise, depuis le 1er juin 1950, pour les soins médicaux et pharmaceutiques et pour des prestations complémentaires en cas d'hospitalisation. Son épouse Marie-Jeanne, née en 1933, l'était également depuis le 1er janvier 1973, pour une couverture semblable. Le 20 avril 1979, Jean Payn a été victime d'un accident professionnel qui a laissé subsister des séquelles importantes de brûlures au corps et des troubles psychologiques. Le cas a été pris en charge par la Caisse nationale suisse d'assurance en cas d'accidents, qui a accordé à son assuré, à partir du 1er août 1984, une rente d'invalidité fondée sur une incapacité de gain de 100% (décision du 2 novembre 1984). Jean Payn a été licencié par son employeur. Initialement fixée au 30 juin 1983, la date de la cessation des rapports de travail a été reportée au 31 août 1983. Le 14 juin 1983, la caisse-maladie Sulzer a notifié au prénommé une décision par laquelle elle l'informait que lui-même et son épouse perdraient leur qualité de sociétaires dès le 1er juillet 1983. Cependant, par lettre du 17 juin 1983, elle a accepté de différer les effets de cette mesure au 31 août 1983; le 3 août 1983, elle a délivré à chacun des époux Payn un certificat d'affiliation leur permettant d'exercer leur droit de libre passage. B.- Jean Payn n'a pas recouru contre la décision du 14 juin 1983. Il a cependant demandé à la caisse, dans une lettre du 17 août 1983, de rester affilié auprès d'elle, faisant valoir qu'il était "malade" et incapable de travailler, en raison des séquelles de l'accident du 20 avril 1979. Le 17 avril 1984, il a requis le prononcé d'une nouvelle décision formelle. La caisse n'ayant pas donné suite à cette requête, l'assuré a adressé un "recours" au Tribunal des assurances du canton du Valais, en date du 7 mai 1984. Cette autorité a considéré le "recours" comme une action au sens de l' art. 30 al. 3 LAMA et, par jugement du 20 décembre 1984, elle a rejeté celle-ci en statuant que "Jean et Marie Payn ne sont plus assurés auprès de la caisse au-delà du 31 août 1983". BGE 112 V 23 S. 25 C.- Agissant en son nom personnel et au nom de son épouse, Jean Payn interjette recours de droit administratif contre ce jugement, dont il demande l'annulation. La caisse intimée conclut au rejet du recours, ce que propose également l'Office fédéral des assurances sociales. Erwägungen Considérant en droit: 1. La décision du 14 juin 1983, par laquelle l'intimée a signifié à Jean Payn et à son épouse qu'ils devaient sortir de la caisse dès le 1er juillet 1983 n'a pas été attaquée. L'intimée est toutefois revenue sur cette décision en acceptant que les époux Payn demeurent assurés auprès d'elle jusqu'au 31 août 1983 et le recourant a derechef contesté son obligation de sortir de la caisse, tout en demandant à celle-ci de statuer à nouveau. Les juges cantonaux estiment à ce propos que l'intimée "aurait dû clarifier la situation en rendant une nouvelle décision fixant au 31 août 1983 la fin de l'assurance et la possibilité de libre passage dans une autre caisse". Cette manière de voir, qui ne fait d'ailleurs l'objet d'aucune contestation entre les parties, doit être partagée. C'est dès lors à juste titre que les premiers juges sont entrés en matière sur le recours dont ils étaient saisis. Toutefois, contrairement à ce qui est dit dans l' ATF 97 V 198 consid. 3, invoqué par les juges cantonaux, le moyen juridictionnel visé par l' art. 30 al. 3 LAMA est un recours et non une action (voir dans le même sens: GYSIN, SZS 1977, p. 81; SPIRA, Le contentieux des assurances sociales fédérales et la procédure cantonale, Recueil de jurisprudence neuchâteloise, 1984, p. 19, note 5; cf. également MAURER, Schweizerisches Sozialversicherungsrecht, vol. I, p. 452, note 986). En effet, selon cette disposition légale, un tribunal cantonal des assurances peut aussi être saisi lorsque la caisse n'a pas rendu de décision formelle, alors qu'elle aurait dû le faire en vertu de l' art. 30 al. 1 LAMA . L'absence d'une telle décision constitue donc, en réalité, un refus de statuer qui, dans la procédure administrative, est assimilé à une décision, c'est-à-dire à un acte susceptible de recours ( art. 97 al. 2 OJ et art. 70 al. 1 PA ). 2. Selon l' art. 8 al. 1 LAMA , les assurés qui, quittant une entreprise ou une association professionnelle, doivent sortir de la caisse de cette entreprise ou de cette association professionnelle ont droit au libre passage au plus jusqu'à l'âge de 55 ans révolus. BGE 112 V 23 S. 26 Cependant, si de tels assurés ont été affiliés à la caisse durant plus de cinq années, il n'ont pas droit au libre passage tant qu'ils sont malades; lorsque la maladie cesse, l'assuré a droit au libre passage s'il n'a pas atteint l'âge de 55 ans dans l'intervalle ( art. 8 al. 2 LAMA ). D'autre part, aux termes de l' art. 8 al. 4 LAMA , les assurés qui ne bénéficient pas du libre passage en vertu de l' art. 8 al. 1 LAMA ont le droit, tant qu'ils séjournent en Suisse, de rester affiliés à leur caisse et celle-ci doit continuer à leur garantir les mêmes prestations. L' art. 8 al. 2 LAMA , en liaison avec l' art. 8 al. 4 LAMA , vise à éviter que le droit au libre passage n'oblige la caisse qui reçoit le passant à assurer ce dernier sans avoir la possibilité de grever l'assurance d'une réserve en vertu de l' art. 5 al. 3 LAMA (RJAM 1980 No 421 p. 198; GREBER, Droit suisse de la sécurité sociale, 1982, p. 379). 3. a) Il n'est en l'espèce pas contesté que Jean et Marie-Jeanne Payn devaient en principe sortir de la caisse intimée au moment où ont pris fin les rapports de travail qui liaient le recourant à l'entreprise Sulzer, soit le 31 août 1983. Le recourant se prévaut toutefois de l' art. 8 al. 2 LAMA et allègue qu'il était à cette époque "malade", eu égard aux séquelles de l'accident du 20 avril 1979. Par conséquent, il aurait le droit de demeurer affilié à la caisse intimée en vertu de l' art. 8 al. 4 LAMA . b) Pour déterminer si un assuré est malade au sens de l' art. 8 al. 2 LAMA , il n'est pas décisif que ce dernier soit ou non en traitement au moment de la perte de sa qualité de membre. Le point déterminant est bien plutôt de savoir si la nouvelle caisse auprès de laquelle il demande à s'affilier est en droit d'instituer une réserve au sens de l' art. 5 al. 3 LAMA ; si tel est le cas, l'assuré doit être considéré comme malade et il ne bénéficie donc pas du droit au libre passage (RAMA 1984 No K 586 p. 171 et les références citées). D'autre part, dans sa jurisprudence constante, approuvée par la doctrine, le Tribunal fédéral des assurances qualifie d'accident l'atteinte dommageable, soudaine et involontaire portée au corps humain par une cause extérieure plus ou moins exceptionnelle ( ATF 103 V 175 , ATF 100 V 78 et les arrêts cités; RAMA 1985 No K 636 p. 185; MAURER, op.cit., vol. I, p. 280 ss, et Schweizerisches Unfallversicherungsrecht, p. 164 ss; voir aussi l' art. 9 al. 1 OLAA , qui reprend pour l'essentiel cette définition, disposition entrée en vigueur le 1er janvier 1984). Cette définition permet de déterminer BGE 112 V 23 S. 27 - de manière négative - la notion de maladie et ainsi de délimiter les domaines respectifs de l'assurance-maladie et de l'assurance-accidents, en ce sens qu'il faut considérer comme maladie toute atteinte dommageable à la santé physique ou psychique qui n'est pas due à un accident ou à ses conséquences directes ( ATF 105 V 182 consid. 1a, 102 V 132, 97 V 2; RAMA 1985 No K 636 p. 186). c) Dans le cas particulier, il est constant que le recourant souffre des séquelles de l'accident dont il a été victime en 1979. Il résulte du dossier que ces séquelles nécessitaient encore un traitement médical en août 1983, comme en témoigne d'ailleurs le fait que la Caisse nationale n'a mis fin au paiement des soins médicaux qu'à partir du 1er août 1984. Pourtant, rien ne permet d'affirmer que l'intéressé présentait une atteinte à la santé relevant du domaine de l'assurance-maladie, tel qu'il a été défini plus haut. Par conséquent, s'il avait demandé son affiliation à une nouvelle caisse, celle-ci eût été tenue de l'admettre sans réserve pour le risque maladie. On devrait donc en conclure, comme l'ont fait les juges cantonaux, que le recourant ne peut se fonder sur l' art. 8 al. 2 et 4 LAMA pour justifier sa prétention à demeurer affilié à la caisse intimée. 4. a) La situation serait toutefois différente si l'on devait constater que le recourant est également assuré (à titre complémentaire) auprès de l'intimée pour le risque accidents. En effet, l' art. 9 al. 2 LAMA prévoit que la caisse à laquelle s'affilie un passant a, dans les limites de ses statuts, l'obligation de lui garantir les prestations qui lui étaient accordées précédemment. Ainsi, lorsque l'assuré bénéficie d'une assurance-accidents complémentaire, la nouvelle caisse doit - pour autant que ses statuts l'y autorisent - lui garantir le maintien de cette couverture d'assurance ( ATF 105 V 287 consid. 3b; GREBER, op.cit., p. 380 s.; MAURER, Schweizerisches Sozialversicherungsrecht, vol. II, p. 309; RAUBER, Die Freizügigkeit nach KVG, thèse Berne 1985, p. 80). Il s'ensuit que le recourant pouvait en principe prétendre le maintien par une nouvelle caisse des garanties acquises au cours de son affiliation à la caisse intimée. Cependant, s'il bénéficiait auparavant d'une couverture complémentaire contre les accidents, une nouvelle caisse - pratiquant l'assurance-accidents - aurait sans doute été en droit, en août 1983, d'excepter de cette assurance les affections consécutives à l'événement du 20 avril 1979. Cela revient à dire que le recourant aurait dû être considéré comme "malade" au sens de l' art. 8 al. 2 LAMA et qu'il aurait ainsi eu BGE 112 V 23 S. 28 la possibilité - sous réserve de ce qui sera dit au considérant 5 - de demeurer affilié à la caisse-maladie de son ancien employeur. Toute autre solution aurait pour effet d'obliger la nouvelle caisse à assumer les conséquences de l'événement en question sans avoir la faculté d'instituer une réserve, ce qui serait contraire au but visé par l' art. 8 al. 2 LAMA . b) Les premiers juges semblent tenir pour constant que le recourant était assuré auprès de l'intimée contre la maladie uniquement. Or, dans la correspondance qu'il a échangée avec la caisse, le recourant a prétendu que sa couverture d'assurance comprenait également une assurance-accidents complémentaire (probablement à l'assurance-accidents obligatoire) et ses affirmations n'ont pas été démenties d'une manière convaincante par l'intimée. Il est vrai qu'un document intitulé "Versicherungsausweis" et qui figure au dossier contient la mention "ohne Unfall", mais cette restriction ne semble se rapporter qu'à la couverture des frais médicaux et pharmaceutiques et non pas aux prestations complémentaires en cas d'hospitalisation, pour lesquelles l'intéressé est également assuré. D'ailleurs, le certificat d'affiliation qui a été délivré au recourant le 3 août 1983 contient - à propos de ces prestations et sous la rubrique "réserves mises à l'assurance" - la remarque suivante: "Folgen des am 20.4.79 erlittenen Unfalles über Fr. 100/6000.--". On peut donc en déduire, sans que l'on puisse avoir une certitude à cet égard, que l'intimée alloue également à son assuré des prestations en cas d'accident, celles-ci étant toutefois limitées pour ce qui est des séquelles de l'événement du 20 avril 1979. Or, en dépit de ces indices et des allégations du recourant, les juges cantonaux n'ont procédé à aucune mesure d'instruction quant à l'éventualité et, le cas échéant, l'étendue d'une couverture d'assurance complémentaire. Cette lacune dans l'instruction contrevient à l' art. 30bis al. 3 let . c LAMA, qui enjoint au juge cantonal d'établir d'office les faits déterminants pour la solution du litige et d'administrer les preuves nécessaires. Dans ces conditions, il se justifie de renvoyer la cause à la juridiction cantonale pour qu'elle complète l'instruction dans le sens indiqué plus haut et qu'elle rende un nouveau jugement, conformément aux considérants. Cela ne vaut toutefois qu'en ce qui concerne l'affiliation de Jean Payn à la caisse intimée. En effet, il n'est pas allégué et il ne ressort pas non plus des pièces que l'épouse de ce dernier était, au mois d'août 1983, malade au sens BGE 112 V 23 S. 29 de l' art. 8 al. 2 LAMA , de sorte que le jugement rendu à son endroit doit être confirmé. 5. Cela étant, on peut encore se demander - à supposer que le recourant fût assuré auprès de l'intimée pour des prestations en cas d'accident - si le droit au libre passage devrait être exclu aussi bien pour l'assurance-accidents que pour l'assurance-maladie ou si, au contraire, il faudrait admettre que l'intéressé ne peut prétendre le maintien de son affiliation à l'intimée que pour cette dernière assurance (cf. RJAM 1972 p. 142 ch. 2 et 1975 p. 157). Une telle distinction supposerait, en tout cas, que la caisse pratique d'une manière séparée (notamment eu égard à la perception des cotisations) ces deux branches d'assurance. Quoi qu'il en soit, il est prématuré de trancher la question au stade actuel de la procédure, car les parties n'ont pas eu l'occasion de se prononcer à ce sujet et les faits de la cause n'ont pas été établis à satisfaction. Dispositiv Par ces motifs, le Tribunal fédéral des assurances prononce: Le recours est partiellement admis et le jugement du Tribunal des assurances du canton du Valais du 20 décembre 1984 est annulé en tant qu'il concerne Jean Payn. La cause est renvoyée à ce tribunal pour instruction complémentaire et nouveau jugement au sens des motifs.
null
nan
fr
1,986
CH_BGE
CH_BGE_007
CH
Federation
df0a92d4-84b2-438b-9863-00aa6929d0e9
Urteilskopf 115 IV 51 11. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 3. März 1989 i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste 1. Art. 91 Abs. 3 SVG ; Vereitelung einer Blutprobe. Bestätigung der Rechtsprechung, wonach die hohe Wahrscheinlichkeit der Anordnung einer Blutprobe genügt (E. 3 und 4). Kann trotz der pflichtwidrigen Unterlassung der Unfallmeldung mittels der dem Fahrzeuglenker doch noch abgenommenen Blutprobe die Blutalkoholkonzentration im massgebenden Zeitpunkt zuverlässig ermittelt werden, füllt mangels Eintritts des tatbestandsmässigen Erfolges lediglich eine Verurteilung wegen versuchter Vereitelung einer Blutprobe in Betracht (E. 5). 2. Art. 251 StGB ; Urkundenqualität von Fotokopien. Das Datum auf der Fotokopie eines von einem Treuhänder an eine Behörde gesandten Briefes ist bestimmt und geeignet, gegenüber dem Klienten des Treuhänders und seinem Anwalt den Zeitpunkt der Versendung des Originals an die Behörde zu beweisen. Der Treuhänder, der auf der dem Anwalt seines Klienten übergebenen Fotokopie seines Briefes an die Behörde das Datum änderte, das im konkreten Fall von Bedeutung war, machte sich der Urkundenfälschung schuldig (E. 6).
Sachverhalt ab Seite 52 BGE 115 IV 51 S. 52 A.- X. fuhr am 4. Mai 1985, um ca. 03.00 Uhr, mit seinem PW Mercedes 450 SE nach dem Konsum von alkoholischen Getränken von Braunau her kommend in Richtung Winterthur. In Rossrüti geriet er innerorts in einer Rechtskurve auf die linke Fahrbahnhälfte, wo er über eine Strecke von mehreren Metern mit dem am linken Fahrbahnrand angebrachten Eisenrohrzaun kollidierte, der dadurch beschädigt wurde. Ein Anwohner, der durch den Lärm geweckt worden war, rief dem Lenker des PW Mercedes vom Fenster seines Hauses aus zu, dass es keinen Sinne habe, weiterzufahren, und dass er die Polizei verständigen werde. X. setzte jedoch die Fahrt mit dem durch den Unfall stark beschädigten Wagen fort. Die Polizei konnte das Fahrzeug kurz vor der Ausfahrt Münchwilen anhalten. Sie war der Kratzspur gefolgt, welche das Fahrzeug, dessen vorderer linker Pneu beschädigt war, hinterlassen hatte. Die Analyse der X. um 04.30 Uhr abgenommenen Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von mindestens 1,06 Gewichtspromillen zur massgebenden Zeit. X. hatte in einem hängigen Verfahren vor der AHV-Rekurskommission in Sachen A. eine Frist verpasst. Daraufhin fälschte er in seinem Büro in Winterthur das Datum auf der Fotokopie eines Schreibens vom 6. Dezember 1983 an die AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich, mit welchem er dieser mitgeteilt hatte, dass er die Interessen von A. vertrete. Dabei eliminierte er auf der Fotokopie des erwähnten Schreibens das wahre Datum "6. Dezember 1983" und setzte statt dessen das falsche Datum "24. November 1983" ein, womit er vortäuschen wollte, dass er die erwähnte Frist gewahrt habe. In der Folge übermittelte er eine Fotokopie der gefälschten Fotokopie samt den Akten in Sachen A. an Rechtsanwalt Z., der auf seine Empfehlung von A. beauftragt BGE 115 IV 51 S. 53 worden war, die weitere Behandlung dieses Rechtsstreites um die AHV-Beiträge zu übernehmen. Z. erhob gestützt auf das erwähnte gefälschte Datum Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Eidgenössischen Versicherungsgericht und machte - da weder er noch A. die Machenschaften von X. durchschauen konnten - in guten Treuen geltend, die Vorinstanz habe zu Unrecht nicht berücksichtigt, dass A. durch X. vertreten gewesen sei. Damit wollte er Restitution erreichen. Überdies fotokopierte X. die Seiten 26/27 seines Postempfangsscheinbuches. Er eliminierte auf der Kopie im Feld Nr. 56 die Einträge "AHV, Unterer Graben 1, 8400 Winterthur, ...", setzte statt dessen handschriftlich "Kant. Steueramt, Rekurskommission, Rechtsabteilung, 8090 Zürich, Wehrsteuer, (A)" ein und liess den fotokopierten Originalpoststempel unverändert. Eine Fotokopie dieser Fälschung übermittelte er an Rechtsanwalt Z. und zeigte eine weitere Kopie seinem Klienten A. B.- Das Obergericht des Kantons Zürich verurteilte X. am 12. April 1988 wegen wiederholter Urkundenfälschung, Fahrens in angetrunkenem Zustand und Vereitelung einer Blutprobe zu vier Monaten Gefängnis mit bedingtem Strafvollzug und zu einer Busse von Fr. 3'000.--. C.- Gegen dieses Urteil hat X. rechtzeitig eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde eingereicht mit dem Antrag, es sei aufzuheben. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich hat auf Vernehmlassung verzichtet. Erwägungen Auszug aus den Erwägungen: I. Vereitelung der Blutprobe 3. Der Beschwerdeführer war nach den zutreffenden und insoweit unbestrittenen Ausführungen im angefochtenen Urteil angesichts des Schadens am Eisenrohrzaun gemäss Art. 51 Abs. 3 SVG verpflichtet, sofort den Geschädigten zu benachrichtigen und Namen und Adresse anzugeben und, wenn dies nicht möglich war, unverzüglich die Polizei zu verständigen. Beides unterliess er. Durch dieses pflichtwidrige Verhalten erfüllte er zumindest den objektiven Tatbestand der versuchten Vereitelung einer Blutprobe. Der Beschwerdeführer war innerorts in einer Rechtskurve bei guten Strassen- und Sichtverhältnissen unvermutet auf die linke Fahrbahnhälfte geraten und dort auf einer Länge von mehreren BGE 115 IV 51 S. 54 Metern mit dem linksseitigen Eisenrohrzaun kollidiert, wodurch sowohl der Zaun als auch das Fahrzeug stark beschädigt wurden. Er verbreitete zudem Alkoholgeruch, wie die Polizeibeamten, die ihn wenig später auf der Autobahn anhalten konnten, und der ihn um ca. 04.30 Uhr untersuchende Arzt feststellten. Angesichts dieser Umstände hätte die Polizei bei korrekter Unfallmeldung mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Massnahme zur Ermittlung der Blutalkoholkonzentration angeordnet. Dem Beschwerdeführer waren sowohl der Unfallhergang und dessen Folgen als auch sein Alkoholkonsum vor dem Unfall bekannt. Er kannte somit die Tatsachen, die nach dem Gesagten die Meldepflicht und die hohe Wahrscheinlichkeit der Anordnung einer Blutprobe begründeten, und sein pflichtwidriges Verhalten kann vernünftigerweise nur als Inkaufnahme des tatbestandsmässigen Erfolges für den Fall seines Eintritts gewertet werden. 4. Der Beschwerdeführer kritisiert mit ausführlicher Begründung die bundesgerichtliche Rechtsprechung zu Art. 91 Abs. 3 SVG . a) Wie der Kassationshof in BGE 90 IV 96 erkannt hat, scheint sich Art. 91 Abs. 3 SVG nach seinem Wortlaut nur auf Blutproben und zusätzliche ärztliche Untersuchungen zu beziehen, die bereits amtlich angeordnet worden sind, wird aber eine solche Auslegung dem wahren Sinn der Norm nicht gerecht. Der Kassationshof hat in der Folge stets die Auffassung vertreten, dass die amtliche Anordnung weder objektive Strafbarkeitsbedingung noch objektives Tatbestandsmerkmal von Art. 91 Abs. 3 SVG sei. Er hat erkannt, entscheidend sei, ob der Fahrzeuglenker nach den Umständen des konkreten Falles mit einer Blutprobe oder einer andern Massnahme - als reale Wahrscheinlichkeit (so BGE 95 IV 148 , BGE 99 IV 180 ) - "rechnete oder rechnen musste" ( BGE 100 IV 262 E. 4, BGE 102 IV 41 E. 2, BGE 105 IV 64 , BGE 106 IV 396 E. 2). Diese Formel unterscheidet allerdings nicht deutlich genug erkennbar zwischen dem objektiven und dem subjektiven Tatbestand von Art. 91 Abs. 3 SVG (vgl. auch SCHULTZ, Rechtsprechung und Praxis zum Strassenverkehrsrecht in den Jahren 1978-1982, S. 289 ff., zu BGE 105 IV 64 ) und kann zudem zur falschen Annahme verleiten, dass blosse Fahrlässigkeit genüge (siehe dazu BGE 106 IV 398 oben). Der Kassationshof hat unter anderem aus diesen Gründen in BGE 109 IV 137 betreffend einen Fall der Unterlassung der Meldung eines Unfalls mit Drittschaden seine Rechtsprechung präzisiert. Er hat dabei daran festgehalten, dass die amtliche Anordnung nicht BGE 115 IV 51 S. 55 erforderlich sei, sondern insoweit die hohe Wahrscheinlichkeit genüge. Es besteht kein Anlass zur Änderung dieser Rechtsprechung. Es sei hier am Rande darauf hingewiesen, dass gemäss dem bundesrätlichen Entwurf betreffend Teilrevision des SVG die Worte "amtlich angeordnet" in Art. 91 Abs. 3 SVG gestrichen werden sollen (Botschaft des Bundesrates, BBl 1986 III 209 ff., 228, 236) und dass nach dem Beschluss des Ständerates (Amtl.Bull. SR 1988 S. 549 f.), dem der Nationalrat kürzlich zugestimmt hat, sich derjenige gemäss Art. 91 Abs. 3 SVG strafbar macht, welcher sich vorsätzlich einer Blutprobe, "die angeordnet wurde oder mit deren Anordnung er rechnen musste", oder einer zusätzlichen ärztlichen Untersuchung widersetzt oder entzieht oder den Zweck dieser Massnahmen vereitelt. Da somit daran festzuhalten ist, dass die amtliche Anordnung der Blutprobe nicht objektives Tatbestandsmerkmal von Art. 91 Abs. 3 SVG ist, gehen die auf der gegenteiligen Annahme des Beschwerdeführers beruhenden Ausführungen in der Nichtigkeitsbeschwerde zum subjektiven Tatbestand an der Sache vorbei. b) Der Beschwerdeführer weist sodann darauf hin, dass der Fahrzeuglenker, der einen Unfall pflichtwidrig nicht meldet, gemäss Art. 51 in Verbindung mit Art. 92 SVG , welcher als "lex specialis" zu betrachten sei, bestraft werden könne, dass mithin nicht einmal eine Strafbarkeitslücke bestehe, welche durch seines Erachtens unzulässige Auslegung "contra legem" geschlossen werden dürfte. Es macht indessen einen wesentlichen Unterschied, ob ein Fahrzeuglenker seine Pflichten gemäss Art. 51 SVG bei einem Unfall verletzt, bei dem angesichts der gesamten relevanten Umstände mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Blutprobe angeordnet worden wäre, oder ob er seine Pflichten bei einem Unfall verletzt, bei dem die Anordnung einer solchen Massnahme nicht sehr wahrscheinlich war. c) Der Beschwerdeführer macht im weiteren geltend, die bundesgerichtliche Rechtsprechung zu Art. 91 Abs. 3 SVG stehe im Widerspruch zu dem in Art. 305 StGB enthaltenen und allgemein anerkannten Grundsatz, wonach die Selbstbegünstigung straflos bleibe, sofern sie nicht mit der Erfüllung eines weiteren Tatbestandes verbunden ist. Der Einwand geht an der Sache vorbei. Nicht nur Art. 51 in Verbindung mit Art. 92 SVG , sondern beispielsweise auch Art. 91 Abs. 3 SVG regelt einen Fall strafbarer Selbstbegünstigung. Auslegung einer Strafbestimmung nach ihrem wahren Sinn ist auch zu Ungunsten des Angeschuldigten zulässig. Richtig BGE 115 IV 51 S. 56 ist allerdings, dass Art. 91 Abs. 3 SVG im Unterschied etwa zu Art. 51 SVG keine Melde- und Wartepflichten des Fahrzeuglenkers begründet. Nach der neueren bundesgerichtlichen Rechtsprechung kann indessen die Unterlassung, einen Unfall zu melden bzw. am Unfallort zu bleiben, den Tatbestand von Art. 91 Abs. 3 SVG nur dann erfüllen, wenn diese Unterlassung als solche pflichtwidrig war, wenn der Fahrzeuglenker mithin aufgrund einer bestimmten Norm, nämlich etwa Art. 51 SVG , verpflichtet war, den Unfall zu melden bzw. am Unfallort zu bleiben. Die bundesgerichtliche Rechtsprechung zur Vereitelung einer Blutprobe durch Unterlassen der Unfallmeldung verpflichtet den Fahrzeuglenker somit nicht zu Vorkehrungen, zu denen er nicht ohnehin schon - unter Strafandrohung (Art. 51 in Verbindung mit Art. 92 SVG ) - verpflichtet ist. 5. Dem Beschwerdeführer konnte trotz seines pflichtwidrigen Verhaltens nach dem Unfall, der sich um 03.05 Uhr ereignet hatte, um 04.30 Uhr eine Blutprobe abgenommen werden. Er macht geltend, angesichts dessen könne auch bei Ausserachtlassung aller dogmatischen Einwände nur von einer versuchten Vereitelung einer Blutprobe die Rede sein. In BGE 103 IV 49 wurde angenommen, der Tatbestand von Art. 91 Abs. 3 SVG sei schon damit vollendet, dass die unverzügliche Durchführung der angeordneten oder zu erwartenden Massnahme verhindert werde; es sei unerheblich, ob die Untersuchung in einem späteren Zeitpunkt in zuverlässiger Weise gleichwohl vorgenommen werden könne. Daran kann nicht festgehalten werden. Denn der Kassationshof hat in BGE 109 IV 139 E. 2a ausgeführt, die Vereitelung der Blutprobe sei ein Erfolgsdelikt und der Erfolg sei die Verunmöglichung der zuverlässigen Ermittlung des Blutalkoholgehalts zur Zeit des Unfalls mittels Blutprobe. Die Sache ist daher insoweit in teilweiser Gutheissung der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit diese darüber befinde, ob ein Erfolg im genannten Sinne eingetreten sei. Konnte trotz des pflichtwidrigen Verhaltens des Beschwerdeführers mittels der doch noch abgenommenen Blutprobe die Blutalkoholkonzentration im massgebenden Zeitpunkt zuverlässig ermittelt werden, ist der Beschwerdeführer lediglich wegen vollendeten Versuchs der Vereitelung einer Blutprobe zu verurteilen. BGE 115 IV 51 S. 57 II. Urkundenfälschung 6. Gemäss BGE 114 IV 26 ff. kommt auch der Fotokopie einer Urkunde Urkundenqualität zu, so dass eine Abänderung der Fotokopie eine Urkundenfälschung darstellen kann. Der Beschwerdeführer hat auf einer Fotokopie eines Briefes ein Datum geändert und anschliessend von diesem Falsifikat wiederum eine Fotokopie hergestellt. Vorausgesetzt, dass die unveränderte Briefkopie eine Urkunde darstellte, wäre somit im Lichte der zitierten Entscheidung eine Urkundenfälschung zu bejahen. a) Die Vorinstanz nimmt an, das Original des Schreibens vom 6. Dezember 1983 an die AHV-Rekurskommission stelle mangels Beweisbestimmung keine Urkunde dar. Dem kann nicht gefolgt werden. Das Schreiben enthält die Mitteilung, der Beschwerdeführer respektive seine Firma hätten vor geraumer Zeit das Mandat in der AHV-Sache des A. übernommen. Es schliesst mit der Bitte, die Angelegenheit zu überprüfen. Eine derartige Mitteilung an eine Rekurskommission hat notwendig die Beweisbestimmung dafür, dass der Aussteller die darin enthaltenen Angaben gemacht hat. b) Fotokopien von Originalbriefen, die der Absender bei sich zurückbehält, können jedenfalls dann Urkunden darstellen, wenn sie ihrerseits unterzeichnet sind. Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt. Das ist jedoch vorliegend nach der zutreffenden Auffassung des Obergerichts unerheblich. Der Grund des strafrechtlichen Urkundenschutzes liegt darin, dass sich eine Urkunde in ihrer Beweisbedeutung in der Regel von übrigen Beweismitteln unterscheidet. Die blosse Beweismittelfälschung ist nicht nach Art. 251 StGB strafbar. Kopien von Geschäftsbriefen oder von Briefen an amtliche Stellen wie hier an eine AHV-Rekurskommission haben jedoch im Rechtsleben eine ähnliche Bedeutung wie die Originalbriefe. Der Absender, der notwendigerweise nicht mehr im Besitze des Originals ist, ist vielfach gerade darauf angewiesen, auf die in seinem Besitze befindliche Kopie zu verweisen. In aller Regel wird deshalb im Rechtsleben darauf vertraut, dass Kopien von Originalbriefen mit dem Original übereinstimmen, und wird eine Überprüfung mit dem oft nicht unmittelbar zur Hand liegenden Original nicht vorgenommen. Dies rechtfertigt es, Kopien von Originalbriefen im Geschäftsleben oder im Verkehr mit Amtsstellen als Urkunden zu behandeln. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Autor die Briefkopie als Kopie eines von ihm stammenden Schreibens vorlegt und wenn es, wie hier, BGE 115 IV 51 S. 58 entscheidend auf das Datum eines Briefes ankommt. Denn wenn auch mit dem auf dem Brief gesetzten Datum der Beweis dafür, dass der Brief auch an diesem Datum abgesandt worden ist, nicht ohne weiteres erbracht werden kann, spricht doch bei Geschäftsbriefen oder bei Schreiben eines Treuhänders an eine Amtsstelle die Vermutung dafür, dass Briefdatum und Absendedatum übereinstimmen. Die Vorinstanz hat somit Bundesrecht nicht verletzt, wenn sie erkannte, dass das Datum auf der Rechtsanwalt Z. übergebenen Briefkopie, das der Beschwerdeführer fälschte, bestimmt und geeignet war, gegenüber diesem und seinem Klienten den Zeitpunkt der Versendung des Originals an die AHV-Rekurskommission zu beweisen. 7. Der Beschwerdeführer bestreitet die Vorteilsabsicht mit der Begründung, es sei ihm nur darum gegangen, einen guten Kunden behalten zu können. Zu Recht nehmen die kantonalen Instanzen an, dass dies für die Bejahung der unrechtmässigen Vorteilsabsicht ausreicht. Denn der Verlust des Klienten hätte eine finanzielle Einbusse zur Folge gehabt. Der Beschwerdeführer versuchte diese Konsequenz durch die Herstellung und Verwendung des Falsifikates abzuwenden. Der angestrebte Vorteil war schon allein deshalb unrechtmässig, weil er damit auch an sich berechtigte Schadenersatzforderungen seines Kunden hätte abwehren können. 8. In bezug auf die ihm vorgeworfene Fälschung einer Kopie aus dem Postempfangsscheinbuch bestreitet der Beschwerdeführer nur das Vorliegen des subjektiven Tatbestandes. Dieser ist jedoch aus den gleichen Gründen wie den in bezug auf die Fälschung der Briefkopie genannten (E. 7) zu bejahen.
null
nan
de
1,989
CH_BGE
CH_BGE_006
CH
Federation
df0d9a76-0a2b-45ed-bdc5-897095e4472d
Urteilskopf 117 Ia 97 18. Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 22. Februar 1991 i.S. Vincenzo Iaia gegen Familienausgleichskasse der Verbandsfirmen der Maschinen- und Metallindustrie, AHV-Rekurskommission des Kantons Thurgau und Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste Art. 4 BV ; Ausbildungszulagen. 1. Rechtsetzungskompetenz und Gestaltungsspielraum der Kantone im Bereich der Familienzulagen (E. 2). 2. Die Regelung in § 12 des thurgauischen Gesetzes über die Kinder- und Ausbildungszulagen (KAZG), wonach für Kinder mit zivilrechtlichem Wohnsitz im Ausland keine Ausbildungszulagen ausgerichtet werden, lässt sich auf ernsthafte, sachliche Gründe stützen und hält demzufolge vor Art. 4 Abs. 1 BV (Rechtsgleichheit) stand (E. 3). 3. Das Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Italienischen Republik über Soziale Sicherheit von 1962/1964 bezieht sich nur auf die bundesrechtliche Gesetzgebung über die Familienzulagen; auf kantonalrechtliche Familienzulagenordnungen ist es nicht anwendbar (E. 4). 4. Es ist nicht willkürlich, für die Auslegung des in § 12 KAZG verwendeten Ausdrucks "zivilrechtlicher Wohnsitz" auf den tatsächlichen Wohnsitzbegriff des Art. 23 Abs. 1 ZGB abzustellen (E. 5).
Sachverhalt ab Seite 98 BGE 117 Ia 97 S. 98 Vincenzo Iaia ist italienischer Staatsangehöriger. Er besitzt die Niederlassungsbewilligung und wohnt im Kanton Thurgau. Er arbeitet bei der Firma Hydrel AG, die der Familienausgleichskasse der Verbandsfirmen der Maschinen- und Metallindustrie im Kanton Thurgau angeschlossen ist. Während die älteren Kinder des Ehepaares Iaia in der Schweiz erzogen worden sind, ist der jüngste Sohn Giovanni, geb. am 4. Juni 1971, in Italien bei seinem Onkel aufgewachsen und besucht derzeit das Istituto Tecnico Industriale "G. Galilei" in Ostuni/Brindisi. Am 14. März 1989 ersuchte Vincenzo Iaia um Ausrichtung von Ausbildungszulagen für den in Italien studierenden Sohn. Das Begehren wurde von der thurgauischen Familienausgleichskasse der Verbandsfirmen der Maschinen- und Metallindustrie mit Verfügung vom 28. April 1989 unter Hinweis auf § 12 des thurgauischen Gesetzes über die Kinder- und Ausbildungszulagen vom 29. September 1986 (KAZG, GS/TG 836.1) abgewiesen. Nach dieser kantonalen Bestimmung werden für Kinder mit zivilrechtlichem Wohnsitz im Ausland keine Ausbildungszulagen ausgerichtet. Eine Beschwerde Vincenzo Iaias bei der AHV-Rekurskommission des Kantons Thurgau blieb erfolglos. Mit Urteil vom 20. Dezember 1989 wies das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau die Beschwerde Vincenzo Iaias gegen die BGE 117 Ia 97 S. 99 Verweigerung der Ausbildungszulagen ab. Das Gericht folgte der Auffassung des Beschwerdeführers nicht, dass die Verweigerung der Ausbildungszulage das Rechtsgleichheitsgebot gemäss Art. 4 BV missachte. Es erwog, die in § 12 KAZG getroffene Unterscheidung je nach Ausland- oder Inlandaufenthalt der Kinder beruhe auf stichhaltigen Gründen und werde in bezug auf Ausbildungszulagen - im Gegensatz zu Kinderzulagen - in den Zulagengesetzen einer Mehrzahl der übrigen Kantone ebenfalls gemacht. Das Gericht verwarf zudem die Auffassung des Beschwerdeführers, dass die Verweigerung der Ausbildungszulagen für seinen Sohn das schweizerisch-italienische Sozialversicherungsabkommen verletze. Schliesslich schützte es die vom Beschwerdeführer als unhaltbar gerügte Auslegung von § 12 KAZG durch die Vorinstanz, soweit diese den "zivilrechtlichen Wohnsitz" durch denjenigen des "gewöhnlichen Aufenthalts" ersetzte. Vincenzo Iaia hat gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts staatsrechtliche Beschwerde erhoben mit dem Antrag, der angefochtene Entscheid vom 20. Dezember 1989 sei aufzuheben. Der Beschwerdeführer rügt, die Ausnahmebestimmung von § 12 KAZG verstosse gegen das verfassungsmässige Gleichbehandlungsgebot ( Art. 4 BV ) und verletze auch den Staatsvertrag mit Italien. Im übrigen macht er eine willkürliche Auslegung von § 12 KAZG durch das Verwaltungsgericht geltend. Die Rekurskommission des Kantons Thurgau für die Alters- und Hinterlassenen-Versicherung sowie das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau beantragen in ihren Vernehmlassungen, die staatsrechtliche Beschwerde sei abzuweisen. Die Familienausgleichskasse der Verbandsfirmen der Maschinen- und Metallindustrie im Kanton Thurgau verzichtet auf eine Stellungnahme. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Der Beschwerdeführer macht geltend, § 12 des thurgauischen Gesetzes über die Kinder- und Ausbildungszulagen widerspreche dem Gleichbehandlungsgebot sowie dem Willkürverbot gemäss Art. 4 BV und verletze das Sozialversicherungsabkommen mit Italien. Damit verlangt er eine vorfrageweise Überprüfung dieser Bestimmung auf ihre Verfassungsmässigkeit und auf ihre Vereinbarkeit mit dem massgebenden Staatsvertrag, was im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde zulässig ist: Die Rüge, BGE 117 Ia 97 S. 100 eine kantonale Norm widerspreche der Bundesverfassung (oder einem Staatsvertrag), kann noch bei der Anfechtung eines diese Norm anwendenden Entscheides vorgebracht werden. Die allfällige vorfrageweise Feststellung der Verfassungs- oder Staatsvertragswidrigkeit der fraglichen Norm führt indessen nicht zu deren Aufhebung, sondern hat lediglich zur Folge, dass die Vorschrift auf den Beschwerdeführer nicht angewendet und der gestützt auf sie ergangene Entscheid aufgehoben wird ( BGE 114 Ia 52 E. 2a, mit Hinweisen). 2. a) Die Kantone können auf dem Gebiete der Familienzulagen autonom legiferieren, solange und insoweit der Bund von seiner Kompetenz gemäss Art. 34quinquies Abs. 2 BV nicht Gebrauch macht. Der Bund hat sich bis heute darauf beschränkt, eine Familienzulagenordnung für die Landwirtschaft aufzustellen (vgl. Bundesgesetz vom 20. Juni 1952 über die Familienzulagen in der Landwirtschaft, SR 836.1, und die dazugehörige Ausführungsgesetzgebung). Die kantonale Kompetenz kann (ausserhalb der Landwirtschaft) auch durch staatsvertragliches Bundesrecht beschränkt sein, soweit entsprechende Abkommen unmittelbar anwendbare Bestimmungen enthalten. Der Beschwerdeführer beruft sich insbesondere auf das Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Italienischen Republik über Soziale Sicherheit (abgeschlossen in Rom am 14. Dezember 1962, in Kraft getreten am 1. September 1964; AS 1964 727 ff., SR 0.831.109.454.2). Die entsprechende, auf Art. 84 Abs. 1 lit. c OG gestützte Rüge wird hinten in E. 4 behandelt. b) Wo der Bund einen Sachbereich der Regelung durch den kantonalen Gesetzgeber überlässt, ist dieser an die Vorschriften des Bundesrechts, insbesondere an die Freiheitsrechte und das Rechtsgleichheitsgebot der Bundesverfassung gebunden. Abgesehen davon muss aber den Kantonen, wo sie ihre autonome Gesetzgebungskompetenz wahrnehmen, ein grosser Gestaltungsspielraum zugebilligt werden - auch unter dem Gesichtspunkt der Rechtsgleichheit. So können auf dem Gebiete der Sozialversicherung z.B. die Leistungsberechtigten in Kategorien oder Gruppen zusammengefasst schematisch behandelt werden ( BGE 114 Ia 3 /4 E. 4, mit Hinweis auf die Literatur). Auch vermögen nach der Rechtsprechung technische und praktische Gründe eine Ungleichbehandlung jedenfalls dann zu rechtfertigen, wenn dies nicht zu unbilligen Ergebnissen führt ( BGE 107 V 206 BGE 117 Ia 97 S. 101 E. 3b, mit Hinweisen). Das ist zu berücksichtigen, wenn - wie vorliegend im Fall des § 12 KAZG - eine kantonale Norm über die Ausrichtung von Ausbildungszulagen vorfrageweise auf ihre Verfassungsmässigkeit zu prüfen und dabei an den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zum Gleichbehandlungsgebot ( Art. 4 Abs. 1 BV ) zu messen ist. 3. a) Ein Erlass verletzt den Grundsatz der Rechtsgleichheit und damit Art. 4 Abs. 1 BV , wenn er rechtliche Unterscheidungen trifft, für die ein vernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen nicht ersichtlich ist, oder Unterscheidungen unterlässt, die sich aufgrund der Verhältnisse aufdrängen. Die Rechtsgleichheit ist verletzt, wenn Gleiches nicht nach Massgabe seiner Gleichheit gleich oder Ungleiches nicht nach Massgabe seiner Ungleichheit ungleich behandelt wird; vorausgesetzt ist, dass sich der unbegründete Unterschied oder die unbegründete Gleichstellung auf eine wesentliche Tatsache bezieht. Die Frage, ob für eine rechtliche Unterscheidung ein vernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen ersichtlich ist, kann zu verschiedenen Zeiten verschieden beantwortet werden, je nach den herrschenden Anschauungen und Zeitverhältnissen. Dem Gesetzgeber bleibt im Rahmen dieser Grundsätze und des Willkürverbotes ein weiter Spielraum der Gestaltungsfreiheit ( BGE 114 Ia 2 E. 3, 223 E. 2b, 323 E. 3a, je mit Hinweisen). b) Der thurgauische Gesetzgeber hat in § 12 KAZG festgelegt, dass für Kinder mit zivilrechtlichem Wohnsitz im Ausland keine Ausbildungszulagen ausgerichtet werden. Er trifft damit für die Regelung der Zulagenberechtigung eine Unterscheidung je nach Wohnsitz der Kinder im In- oder Ausland. Mit dieser Differenzierung hat sich das Bundesgericht im erwähnten Entscheid 114 Ia 1 ff. (wo es allerdings um den Anspruch von Asylbewerbern auf Kinderzulagen für ihre im Ausland wohnenden Kinder ging) bereits einmal befasst. Dabei hat es festgestellt, dass die Kantone von Verfassungs wegen nicht nur frei sind, den Arbeitgebern den Anschluss an Familienausgleichskassen und die Ausrichtung von Familienzulagen vorzuschreiben; auch bei der Ausgestaltung ihrer Familienzulagenordnungen steht ihnen weitgehende Freiheit zu, u.a. was die Abgrenzung der zulagenberechtigten Arbeitnehmer und der Kinder betrifft, für die sie gesetzlich den Zulagenanspruch haben. So ist keineswegs ausgeschlossen, dass für im Ausland wohnende Kinder generell oder auch ausländischen Arbeitnehmern Zulagen nur nach besonderen Bestimmungen gewährt werden. BGE 117 Ia 97 S. 102 Eine ganze Anzahl von Kantonen hat den Anspruch (von Ausländern) auf Kinderzulagen für im Ausland wohnende Kinder abweichend von demjenigen für in der Schweiz wohnende Kinder geordnet, was durch die Verschiedenartigkeit der Verhältnisse durchaus gerechtfertigt sein kann ( BGE 114 Ia 3 /4 E. 4, mit Quellenhinweis). Das Bundesgericht hat es aus diesen Gründen als mit Art. 4 BV vereinbar bezeichnet, dass der thurgauische Gesetzgeber in § 5 KAZG die zulagenberechtigten Kinder weit umschrieb und dennoch in § 12 des gleichen Gesetzes den Ausschluss von Ausbildungszulagen für im Ausland wohnende Kinder festlegte ( BGE 114 Ia 4 E. 5). c) Das Verwaltungsgericht beruft sich auf diese Erwägungen im bundesgerichtlichen Entscheid. Als wesentlich erachtet es, dass § 12 Abs. 1 KAZG eine generelle Ausnahmeregelung sei: Alle Arbeitnehmer würden gleich behandelt, und auch für Arbeitnehmer schweizerischer Staatsangehörigkeit bestehe kein Anspruch auf Ausbildungszulagen für ihre im Ausland lebenden Kinder. Darin unterscheide sich der vorliegende Fall von BGE 114 Ia 1 ff. Der Beschwerdeführer wendet gegen die Feststellung über die Verfassungsmässigkeit von § 12 Abs. 1 KAZG im erwähnten Urteil ein, es handle sich dabei um eine beiläufige Bemerkung, die für den damaligen Entscheid nicht massgebend gewesen sei und daher auch nicht auf einer vertieften Auseinandersetzung mit dieser Frage beruhe. Er macht zunächst geltend, ähnliche Bestimmungen in andern Kantonen oder auch in verwandten Gebieten des Sozialversicherungsrechts des Bundes (und die entsprechende Aufgabe des Staatsvertragsrechts, solche Unterschiede zu beseitigen) sprächen nur in beschränktem Masse für die Verfassungsmässigkeit dieser Bestimmungen. Er bringt vor, das Wohnsitzkriterium für Kinder bis zum Alter von 15 oder 16 Jahren spiele in keinem Kanton mehr eine Rolle und lediglich 8 (richtig: 10) von 26 Kantonen hätten für Kinder im Ausland, welche über 16 Jahre alt sind, in unterschiedlicher Ausgestaltung abweichende Regeln beibehalten, während mehr als zwei Drittel der Kantone Ausbildungszulagen bis zu einem Alter von meist 25 Jahren ungeachtet des ausländischen Wohnsitzes der Kinder ausrichteten (unter Verweis auf die Zusammenstellung in ZAK 1989 S. 4 Tabelle 2). Ferner vertritt der Beschwerdeführer die Ansicht, die Beschränkung in § 12 KAZG sei auch deshalb system- und zweckwidrig, weil die Kinder- und Ausbildungszulagen an das Arbeitsverhältnis anknüpften und die Beitragserhebung im Ergebnis zu Lasten der BGE 117 Ia 97 S. 103 Arbeitnehmereinkommen erfolge. Die Einschränkung der Ausbildungszulagen für Kinder mit Wohnsitz im Ausland lasse sich auch weder mit dem Obhutsprinzip - das nur im Falle der Konkurrenz von Bedeutung sei - noch mit erschwerten Kontroll- und Abklärungsmöglichkeiten oder mit geringeren Lebenshaltungs- und Ausbildungskosten im Ausland generell rechtfertigen. d) Die Argumentation des Beschwerdeführers zielt - über die vom Verwaltungsgericht vorgebrachte Begründung hinaus - direkt auf die gesetzliche Regelung des § 12 KAZG, die der Beschwerdeführer schlechthin als verfassungswidrig kritisiert, weil dafür haltbare sachliche Motive aus allgemeingültigen Gründen überhaupt nicht denkbar seien. Derart absolut formuliert, ist diese Auffassung unzutreffend. Zudem geht sie von falschen Voraussetzungen aus, was die Rechtsetzungskompetenz im Bereich der Familienzulagen anbelangt (siehe vorne E. 2). Wenn es auch stimmt, dass über die Verfassungsmässigkeit von § 12 KAZG im Bundesgerichtsentscheid 114 Ia 1 ff. (insbesondere in E. 5) nicht zu entscheiden war, so ist dem Beschwerdeführer doch entgegenzuhalten, dass er den in E. 4 jenes Urteils in den Grundsätzen aufgezeigten weitgehenden Spielraum des kantonalen Gesetzgebers zu Unrecht übergeht oder aber dessen Bedeutung verkennt. Es genügt daher an dieser Stelle festzuhalten, dass die einschlägigen bundesgerichtlichen Erwägungen (vgl. auch vorne E. 3b), die sich auf Rechtsprechung und Literatur stützen, im Grundsatz nach wie vor gültig und auch im vorliegenden Fall durchaus von Bedeutung sind. Abgesehen davon vermögen die in der Beschwerde angeführten Gründe weder im einzelnen noch insgesamt die Verfassungswidrigkeit der Regelung in § 12 KAZG darzutun. Gewiss wird durch die kantonalen Familienzulagenordnungen eine Ausgleichspflicht von einem Teil der Familienlasten öffentlichrechtlich durchgesetzt und erfolgt die Beitragserhebung im Ergebnis wirtschaftlich zu Lasten der Lohnmasse. Der auszugleichende Teil dieser Familienlasten wird aber von den Kantonen in vielfältiger Art verschieden abgegrenzt. Aus dem System an sich lässt sich daher nicht schliessen, jede Einschränkung der Leistungsansprüche bedeute eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung der Arbeitnehmer von unterstellten Arbeitgebern. Ebensowenig lässt sich daraus folgern, eine Begrenzung der Ansprüche je nach Wohnort der Kinder verletze schon deshalb den Gleichbehandlungsgrundsatz, weil das System der Familienzulagen ausschliesslich auf dem Arbeitsverhältnis BGE 117 Ia 97 S. 104 selbst beruhe. Die (etwas schematische) Abgrenzung des gesetzlichen Anspruchs auf Ausbildungszulagen nach dem praktikablen Kriterium, ob Kinder nach Vollendung des 16. Altersjahres ihre Ausbildung im Inland fortsetzen oder aber im Ausland, ist nicht von vornherein systemwidrig und jedenfalls nicht sachfremd; das Kriterium des Wohnsitzes kann durchaus auch im Bereich der Familienzulagen eine Differenzierung rechtfertigen, vorausgesetzt, dass sich diese auf ernsthafte, sachlich mit den zu regelnden Umständen in Beziehung stehende Gründe stützen kann. Das Verwaltungsgericht führt im angefochtenen Urteil als Motiv für die getroffene Unterscheidung (ausschliesslich) die beschränkte Überprüfungs- und Kontrollmöglichkeit seitens der kantonalen Behörden bezüglich ausländischer Bescheinigungen an. Damit allein liesse sich die Ungleichheit in der Regelung der Zulagenberechtigung freilich nicht rechtfertigen. Indessen sind andere, stichhaltige und sachgerechte Motive für eine derartige Abgrenzung durch den kantonalen Gesetzgeber durchaus denkbar: So ist ein ernsthafter, sachlicher Grund darin zu sehen, dass mit der Beschränkung ungerechtfertigte Kumulationen vermieden werden sollen, wenn für dasselbe Kind bereits Zulagen im ausländischen Wohnsitzstaat ausgerichtet werden. Weiter kann die ungleiche Behandlung etwa damit durchaus verfassungskonform begründet werden, dass der Gesetzgeber das inländische öffentlichrechtliche Ausgleichssystem in der Phase der Berufs- und Hochschulausbildung auf die im inländischen Ausbildungssystem absolvierte und gezielt auf die inländische Wirtschaft ausgerichtete Ausbildung begrenzen will. Auch spricht die doch beachtliche Zahl von 10 Kantonen, die den Zulagenanspruch für Kinder (ausländischer Arbeitnehmer) im Ausland während dieser Ausbildungsphase gegenüber demjenigen für im Inland ausgebildete Kinder auch 1991 noch einschränken (zum Stand am 1. Januar 1991 vgl. die entsprechenden Zusammenstellungen in ZAK 1/1991 S. 10 ff. Tabellen 1 und 2), für die Ernsthaftigkeit und sachliche Berechtigung der verschiedenen denkbaren Motive des kantonalen Gesetzgebers. e) Lassen sich aber - wie soeben gezeigt - sachliche, vernünftige Gründe für die in § 12 KAZG geregelte Ungleichbehandlung anführen, so hält diese Bestimmung vor Art. 4 Abs. 1 BV stand (vgl. vorne E. 3a). Mehr hat das Bundesgericht im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde wegen Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes in diesem Zusammenhang nicht zu prüfen. Weder hat BGE 117 Ia 97 S. 105 es selber (anstelle des kantonalen Gesetzgebers) nach der besten Lösung zu suchen, noch hat es darüber zu befinden, ob der autonome kantonale Gesetzgeber innerhalb des ihm zugebilligten Gestaltungsspielraumes die zweckmässigste und angemessenste Regelung getroffen hat. 4. a) Der Beschwerdeführer rügt - subsidiär - einen Verstoss gegen das einschlägige Sozialversicherungsabkommen mit Italien, dem er unbestrittenermassen unterstehe. Er macht geltend, § 12 KAZG sei bei vertragsgemässer Auslegung jedenfalls ihm gegenüber nicht anwendbar, weil jener Staatsvertrag Beschränkungen der Zulagenberechtigung gegenüber italienischen Staatsbürgern wegen ausländischen Aufenthaltes der Kinder verbiete. b) Mit dem erwähnten Sozialversicherungsabkommen aus dem Jahre 1962/1964 hat der Bund die Gleichstellung der im Ausland wohnenden Kinder italienischer Staatsangehöriger für landwirtschaftliche Arbeitnehmer verwirklicht. Das Abkommen bezieht nur die bundesrechtliche Gesetzgebung über die Familienzulagen ein (Art. 1 Ziff. 1 lit. a), ist folglich schweizerischerseits auf landwirtschaftliche Arbeitnehmer italienischer Staatsangehörigkeit (während der Dauer ihrer Beschäftigung in der Schweiz) beschränkt (Art. 15); auf kantonalrechtliche Familienzulagenordnungen ist es dagegen nicht anwendbar (vgl. zum Ganzen die Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung vom 4. März 1963 im BBl 1963 I 616 ff., speziell 620 Ziff. 3 und 633 Ziff. 2; vgl. ferner die Stellungnahme des Bundesamtes für Sozialversicherung in ZAK 1988 S. 220 Ziff. 3). Aufgrund der bestehenden Rechtslage kann sich der Beschwerdeführer zur Anfechtung des § 12 KAZG somit nicht auf diesen Staatsvertrag berufen. Daran vermögen die Hinweise auf den Verhandlungsverlauf und die Materialien selbst dann nichts zu ändern, wenn eine nachträgliche Einschränkung in der Anspruchsberechtigung, wie der Thurgauer Gesetzgeber sie vorgenommen hat, gegen den Geist des Abkommens verstossen sollte. Unter diesen Umständen braucht nicht geprüft zu werden, ob und inwieweit das angerufene Sozialversicherungsabkommen mit Italien unmittelbar anwendbare Bestimmungen enthält, was überhaupt Voraussetzung für die Zulässigkeit der Staatsvertragsbeschwerde gemäss Art. 84 Abs. 1 lit. c OG wäre (siehe HÄFELIN ULRICH/HALLER WALTER, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 2. Aufl., Zürich 1988, Rz. 1704). 5. Der Beschwerdeführer rügt schliesslich die Auslegung von § 12 KAZG durch das Thurgauer Verwaltungsgericht als eine BGE 117 Ia 97 S. 106 durch nichts zu rechtfertigende Fehlinterpretation und damit als willkürlich. Ohnehin unhaltbar, da weder mit dem Wortlaut von § 12 KAZG noch mit der Materie zu vereinbaren, sei zudem die Auslegung des "zivilrechtlichen Wohnsitzes" zum Nachteil der Betroffenen. a) Insoweit der Beschwerdeführer über die Rechtsanwendungsrüge mittelbar wiederum die Verfassungswidrigkeit des § 12 KAZG als solche darzulegen versucht, kann auf E. 3 hievor verwiesen werden. Soweit die Willkürrüge damit begründet wird, § 12 KAZG dürfe, wenn überhaupt, nur unter dem Vorbehalt entgegenstehender staatsvertraglicher Vereinbarungen angewendet werden, weshalb die Auslegung des Verwaltungsgerichtes mit dem Völkerrecht nicht vereinbar sei, stösst sie ins Leere. Das Sozialversicherungsabkommen mit Italien, auf das sich der Beschwerdeführer stützt, ist nämlich auf die thurgauische Familienzulagenordnung nicht anwendbar (E. 4b). Und zwar selbst dann nicht, wenn der "Vorbehalt anderslautender Vereinbarungen", wie er angeblich im Gesetzesentwurf (als Abs. 3 zu § 12) vorgesehen war, tatsächlich ins KAZG aufgenommen worden wäre. Der Hinweis auf den Willen des kantonalen Gesetzgebers ist in diesem Zusammenhang unbehelflich. b) Es bleibt somit noch zu prüfen, ob die Auslegung des "zivilrechtlichen Wohnsitzes" im Sinne von § 12 KAZG, wie sie das Verwaltungsgericht vornahm, vor dem Willkürverbot standhält. Willkür im Sinne von Art. 4 BV liegt bei der Auslegung und Anwendung kantonaler Gesetzesnormen nicht schon dann vor, wenn eine andere Auslegung ebenfalls vertretbar oder sogar zutreffender erschiene. Als willkürlich würde das Bundesgericht den angefochtenen Entscheid nur dann aufheben, wenn er offensichtlich unhaltbar wäre, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch stünde, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzte oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderliefe (vgl. BGE 116 II 29 E. 5; BGE 114 Ia 27 /28 E. b, 218 E. 2a, je mit Hinweisen). Das Verwaltungsgericht hält an seiner in einem früheren Entscheid vertretenen Auffassung fest, der in § 12 KAZG verwendete Ausdruck "zivilrechtlicher Wohnsitz" sei nicht dem abgeleiteten Wohnsitz nach Art. 25 Abs. 1 ZGB gleichzusetzen; vielmehr müsse nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes auf den tatsächlichen Wohnsitzbegriff des Art. 23 Abs. 1 ZGB abgestellt werden, wie er auch in anderen Erlassen verwendet werde. Im übrigen entspreche BGE 117 Ia 97 S. 107 selbst das schweizerisch-italienische Sozialversicherungsabkommen mit seiner Formulierung Art. 23 Abs. 1 ZGB . Zudem bestimme sich der Wohnsitz des im Ausland lebenden Kindes seit Inkrafttreten des Bundesgesetzes über das Internationale Privatrecht (IPRG) vom 18. Dezember 1987 (SR 291) immer nach IPRG, und auch dieses Gesetz knüpfe (in Art. 20 Abs. 1 lit. b) am Begriff des gewöhnlichen Aufenthaltes an. Mit dieser Begründung, die sich entscheidend auf Sinn und Zweck des Gesetzes stützt, setzt sich der Beschwerdeführer nicht substantiiert auseinander. Sie ist jedoch stichhaltig und jedenfalls nicht offensichtlich unhaltbar: Die auslegungsbedürftige Formulierung in § 12 KAZG, wonach für "Kinder mit zivilrechtlichem Wohnsitz im Ausland" keine Ausbildungszulagen ausgerichtet werden, kann willkürfrei - und muss sogar zutreffend - so verstanden werden, dass sich diese Einschränkung auf die tatsächlich im Ausland wohnenden Kinder bezieht. Zu Recht versucht übrigens der Beschwerdeführer seine Willkürrüge im Verfahren vor Bundesgericht nicht (mehr) mit dem Argument zu begründen, aufgrund des klaren Gesetzeswortlauts sei im Ergebnis auf den abgeleiteten Wohnsitz gemäss Art. 25 Abs. 1 ZGB abzustellen. Mit einer solchen Auslegung bliebe § 12 KAZG praktisch ohne jede Bedeutung und würde in der Tat der mutmassliche Gesetzeszweck vereitelt. Das Verwaltungsgericht durfte den Sohn des Beschwerdeführers schliesslich deshalb als Kind mit Wohnsitz im Ausland (im Sinne von § 12 Abs. 1 KAZG) betrachten, weil eine genügend enge Bindung oder Beziehung zur Schweiz weder behauptet wurde, noch aktenmässig indiziert war. Die Rüge der willkürlichen Auslegung von § 12 KAZG durch das Thurgauer Verwaltungsgericht erweist sich somit als unbegründet und ist deshalb abzuweisen.
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Federation
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Urteilskopf 86 I 137 21. Auszug aus dem Urteil vom 1. Juni 1960 i.S. X. gegen Y. und Kantonsgericht Schwyz.
Regeste Art. 4 BV ; Art. 322 ZGB . Die von den Erben des ausserehelichen Vaters geschuldeten Unterhaltsbeiträge an das aussereheliche Kind werden durch die Waisenrenten der Sozialversicherung (SUVA, AHV) nicht getilgt.
Sachverhalt ab Seite 137 BGE 86 I 137 S. 137 A.- Anna X. gebar 1951 ausserehelich den Sohn Alfred, als dessen Vater sie Arthur Y. bezeichnete. Dieser verpflichtete sich in einem undatierten Vertrag, an den Unterhalt des Kindes bis zu dessen vollendetem achtzehnten Altersjahr monatlich Beiträge von Fr. 120.-- zu leisten. Für den Fall einer erheblichen Verteuerung der Lebenshaltungskosten wurde in Ziff. 4 des Vertrags eine entsprechende Erhöhung der Beiträge vorbehalten. Auf BGE 86 I 137 S. 138 Grund dieser Zusicherung verzichteten Anna und Alfred X. auf die Erhebung der Vaterschaftsklage. Am 5. Januar 1957 verunfallte Y. tödlich. Seine Erben sind seine drei ehelichen Kinder, die in den Jahren 1939, 1943 und 1944 geboren sind, und die überlebende Ehefrau Elisabeth Y. AHV und SUVA richten nicht nur der Witwe und den ehelichen Kindern, sondern kraft Art. 27 Abs. 2 AHVG bzw. Art. 85 Abs. 4 KUVG auch dem ausserehelichen Kind Alfred X. Renten aus. Die zuständige AHV-Ausgleichskasse zahlt der überlebenden Ehefrau eine Witwenrente von Fr. 120.-- im Monat, den ehelichen Kindern eine einfache Waisenrente von je Fr. 60.- im Monat und Alfred X. eine solche von Fr. 62.-. Die SUVA entrichtete bis und mit Juli 1957 der Witwe Fr. 114.10 und den ehelichen Kindern sowie Alfred X. je Fr. 57.05 im Monat. Seit August 1957 zahlt die Anstalt der Witwe Fr. 136.95 und den Kindern je Fr. 68.45 im Monat. Alfred X. bezog demnach bis Ende Juli 1957 insgesamt monatliche Sozialversicherungsleistungen von Fr. 119.05; seither erhält er solche von Fr. 130.45. B.- Nach dem Tode ihres Mannes weigerte sich Elisabeth Y., Alfred X. die Unterhaltsbeiträge von Fr. 120. - zu zahlen, zu denen sich der Erblasser vertraglich verpflichtet hatte, wobei sie auf die Sozialversicherungsleistungen an das Kind hinwies. Anna und Alfred X. betrieben sie darauf wegen der vom Mai 1957 bis und mit April 1958 aufgelaufenen Unterhaltsbeiträge im Gesamtbetrag von Fr. 1440.--. Das Bezirksgerichtspräsidium March öffnete am 5. Januar 1959 den Gläubigern provisorisch das Recht. Die Schuldnerin erhob Aberkennungsklage. Das Bezirksgericht March hiess diese gut. Das Kantonsgericht Schwyz hat dieses Urteil auf die Berufung der Beklagten hin am 25./26. Januar 1960 bestätigt. Es hat dazu ausgeführt, die Klägerin ersuche um die Feststellung, dass die vertraglichen Unterhaltsansprüche des Alfred X. an die Erben Y. durch die Sozialversicherungsleistungen BGE 86 I 137 S. 139 getilgt seien. Sie habe damit eine negative Feststellungsklage eingeleitet, wie sie im Aberkennungsverfahren anzuheben sei. Auf die Klage sei daher entgegen dem Antrag der Beklagten einzutreten. Bei deren Beurteilung falle in Betracht, dass die Verpflichtung zur Zablung der Unterhaltsbeiträge mit dem Tod des Erblassers auf die Erben übergegangen sei. Die Renten, welche AHV und SUVA dem ausserehelichen Kinde ausrichteten, seien Ersatzleistungen für den infolge des Todes des Vaters wegfallenden Lebensunterhalt; sie vermöchten deshalb die familienrechtlichen Unterhaltsansprüche zu tilgen. Dafür spreche auch, dass auf Grund von Art. 87 Abs. 1 KUVG die Renten der Erben - der Witwe und der ehelichen Kinder des Erblassers - um den Betrag der Rente des ausserehelichen Kindes gekürzt worden seien. Es verstiesse unter diesen Umständen gegen Treu und Glauben, wenn die Erben Y. weiterhin den vollen Unterhaltsbeitrag zu entrichten hätten. Die in Frage stehende Ersatzleistung sei allerdings eine solche des öffentlichen Rechts. Das stehe indes ihrer Anrechenbarkeit nicht entgegen, da sie in ihrer Höhe von den Beitragsleistungen des Versicherten abhängig sei. Dass der Bund und die Kantone ebenfalls Beiträge leisteten, ändere daran nichts. Die Ausrichtung der öffentlichrechtlichen Waisenrenten an das aussereheliche Kind sei weder als Erfüllung der familienrechtlichen Unterhaltspflicht des Versicherten durch einen Dritten noch als privatrechtliche Schuldübernahme aufzufassen; sie bewirke vielmehr nach dem Willen des AHV- bzw. KUV-Gesetzgebers eine Tilgung der Schuld kraft öffentlichen Rechts. Die Aberkennungsklage sei demzufolge zu schützen. C.- Mit der vorliegenden staatsrechtlichen Beschwerde wegen Verletzung des Art. 4 BV beantragen Anna und Alfred X., das Urteil des Kantonsgerichts sei aufzuheben. Die Beschwerdeführer beziehen sich dabei auf einen Aufsatz von HEGNAUER (Sind die Waisenrenten der Sozialversicherung auf den Unterhaltsanspruch des ausserehelichen BGE 86 I 137 S. 140 Kindes gegen die Erben seines Vaters anzurechnen? SJZ 54 S. 265 ff.). D.- Das Kantonsgericht schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Elisabeth Y. beantragt, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten, eventuell sei sie abzuweisen. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. (Zulässigkeit der Beschwerde). 2. Entgegen den Einwendungen der Beschwerdeführer erhob die Beschwerdegegnerin keine Gestaltungsklage, sondern eine negative Feststellungsklage: Sie verlangte nicht, dass der Richter die vertragliche Unterhaltspflicht wegen der veränderten Verhältnisse herabsetze oder aufhebe, sondern dass er feststelle, dass diese Verpflichtung durch die darauf "anzurechnenden" Sozialversicherungsleitungen "erfüllt" bzw. "getilgt" sei. Sie bestritt damit, dass die Betreibungsforderung zur Zeit des Erlasses des Zahlungsbefehls zu Recht bestanden habe. Das aber ist eine Frage, die im Aberkennungsprozess zu prüfen ist ( BGE 84 II 651 Erw. 4 mit Verweisungen). Die kantonalen Gerichte sind daher mit Fug auf die Klage eingetreten, und es kann keine Rede davon sein, dass das angefochtene Urteil schon deswegen willkürlich wäre. 3. Die Unterhaltsverpflichtung, die Arthur Y. gegenüber dem ausserehelichen Kind Alfred X. einging, ist mit dem Tod des Verpflichteten auf dessen Erben übergegangen ( Art. 322, 560, 603 ZGB ; BGE 47 II 21 ). Im vorliegenden Fall ist streitig, ob die Waisenrenten der AHV und der SUVA, die das aussereheliche Kind erhält, auf die von den Erben zu leistenden Unterhaltsbeiträge anzurechnen seien, und ob deren Schuld infolgedessen getilgt sei. Das Bundesgericht kann diese Frage auf Beschwerde wegen Verletzung des Art. 4 BV hin nicht frei, sondern nur unter dem beschränkten Gesichtswinkel der Willkür und der rechtsungleichen Behandlung prüfen. Die Beschwerdeführer machen einzig den erstgenannten Mangel geltend. BGE 86 I 137 S. 141 a) Das Kantonsgericht hat erkannt, die von den Erben geschuldeten Unterhaltsbeiträge seien durch die Sozialversicherungsleistungen "nach dem Willen des AHVbzw. KUV-Gesetzgebers... kraft öffentlichen Rechts getilgt" worden. Die betreffenden Gesetze enthalten indes keine Bestimmungen, wonach die dem ausserehelichen Kind zukommende Waisenrente auf den ihm geschuldeten privatrechtlichen Unterhaltsbeitrag anzurechnen wäre. Ebenso wenig lässt sich das aus dem "Willen des Gesetzgebers", dem Wesen der Sozialversicherungsleistungen und den Grundzügen der AHV- und KUV-Gesetzgebung ableiten. Die Leistungen der AHV und der SUVA sollen den Einzelnen und die Familie vor äusserer Not bewahren und damit einen Beitrag an die Erhaltung und Stärkung der Familiengemeinschaft leisten, keinesfalls aber deren Auflösung in die Wege leiten. Das kommt auch in der Ausgestaltung der Rechtsbeziehungen zwischen der Anstalt, dem Versicherten und dem Begünstigten zum Ausdruck: Das öffentlichrechtliche Versicherungsverhältnis tritt nicht an Stelle, sondern neben die familien- und erbrechtlichen Beziehungen zwischen den einzelnen Familiengliedern. Die beiden Rechtskreise stehen dergestalt grundsätzlich selbständig nebeneinander. Dass die Sozialversicherungsanstalten nicht nur Zuschüsse der öffentlichen Hand erhalten, sondern auch Beiträge der Versicherten beziehen, stellt diese Selbständigkeit nicht in Frage. Die Prämien der AHV sind vom Bestand und vom Umfang der privatrechtlichen Unterhaltspflichten des Versicherten unabhängig; sie sind nicht zur Abgeltung dieser Verpflichtungen bestimmt, sondern sie stellen das Entgelt für die öffentlichrechtlichen Versicherungsleistungen dar. Diese Leistungen dienen zur Abwendung des wirtschaftlichen Schadens, der dem Einzelnen aus dem Alter und dem Verlust des Versorgers, im Falle des KUVG zudem aus Krankheit und Unfall erwächst. Richtig ist, dass die Behebung dieses Schadens BGE 86 I 137 S. 142 auch Aufgabe der familienrechtlichen Unterstützungspflicht ist. Die Voraussetzungen, der Grund und die Art und Weise des Eingreifens sind jedoch verschieden, so dass aus der Übereinstimmung in der Aufgabestellung nicht gefolgert werden kann, die Leistungen der Sozialversicherungen hätten jene des privatrechtlich Verpflichteten zu ersetzen oder sie seien darauf anzurechnen. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass sich das Sozialversicherungsrecht bei der Umschreibung des Versicherungsfalls und der Anspruchsberechtigung zivilrechtlicher Begriffe bedient. Dass insbesondere die Sozialversicherungsrenten, die dem ausserehelichen Kind nach dem Tod des ausserehelichen Vaters zukommen, rechtlich nicht als Ersatz für die privatrechtlichen Unterhaltsbeiträge zu werten sind, zeigt sich schon darin, dass sich ihre Höhe nicht nach dem Ausmass der Unterhaltspflicht des verstorbenen Versorgers richtet, sondern nach dem Jahresverdienst des Versicherten ( Art. 84-87 KUVG ) bzw. nach dessen durchschnittlichem Jahresbeitrag an die Versicherung ( Art. 30-33 AHVG ). Etwas anderes geht auch aus den von der Beschwerdegegnerin angerufenen Vorschriften nicht hervor. Nach Art. 26 Abs. 2 KUVG haben die Krankenkassen dafür zu sorgen, dass ihren Mitgliedern aus der Versicherung kein Gewinn erwächst. Diese Bestimmung ist nicht zur Entlastung privater Verpflichteter aufgestellt worden, sondern zum Schutz der Kassen vor missbräuchlicher Inanspruchnahme: Sie verhält die Kassen zur Kürzung ihrer Versicherungsleistungen und berührt den privatrechtlich Verpflichteten nicht. Ähnlich verhält es sich mit Art. 41 Abs. 2 AHVG , wonach die der geschiedenen Frau zukommende Witwenrente gekürzt wird, soweit die Rente den Unterhaltsbeitrag überschreitet, welchen das Gericht der Frau zugesprochen hatte. Auch diese Bestimmung handelt allein von der Kürzung der Sozialversicherungsleistung. Wollte man sie analog auf die Waisenrenten der AHV und der SUVA anwenden, so würde das lediglich BGE 86 I 137 S. 143 zu einer Beschneidung dieser Renten, nicht aber zu einer Herabsetzung der privatrechtlichen Unterhaltsleistungen führen (HEGNAUER, a.a.O. S. 265, Ziff. II). Art. 130 Abs. 2 KUVG aber, worauf die Beschwerdegegnerin ferner hinweist, ist aus einem anderen Zusammenhang heraus zu verstehen. Nach dieser Bestimmung hat der Dienstpflichtige keinen Anspruch auf Lohnzahlung im Sinne von Art. 335 OR , wenn er bei der SUVA obligatorisch versichert ist und der Dienstherr die geschuldeten Prämien entrichtet hat. Diese Entlastung des Dienstherrn stellt (wie die Einschränkung seiner Haftung für Betriebsunfälle nach Art. 129 Abs. 2 KUVG ) einen Ausgleich dafür dar, dass er als Betriebsinhaber die Prämien der Versicherung für Betriebsunfälle der Angestellten und Arbeiter zu zahlen hat ( Art. 109 KUVG ; vgl. OFTINGER, Haftpflichtrecht, 2. Aufl., Bd. I., S. 389). Die AHV-Versicherten leisten demgegenüber ihre Prämien (abgesehen von dem unter Umständen darin enthaltenen Solidaritätsbeitrag) für sich selber; es bestand demgemäss kein Anlass, sie in entsprechender Weise von privatrechtlichen Verpflichtungen zu entlasten. Aus Art. 130 Abs. 2 (und Art. 129 Abs. 2) KUVG kann mithin gleichfalls nicht darauf geschlossen werden, dass die Waisenrenten der AHV und der SUVA auf den privatrechtlichen Unterhaltsbeitrag anzurechnen seien. Wird von den auf besondere Verhältnisse abgestimmten Art. 129 und 130 KUVG abgesehen, so ergibt sich aus dem Gesagten, dass das KUVG und das AHVG eine Bereicherung des Begünstigten durchwegs durch eine Herabsetzung der Sozialversicherungsleistungen und nicht durch eine Kürzung der Leistungen des privatrechtlich Verpflichteten zu vermeiden trachten, was aus dem Gedanken der Subsidiarität der staatlichen Vorsorge gegenüber der privaten Hilfe und aus fiskalischen Erwägungen zu erklären ist. Eine Entlastung des privatrechtlich Verpflichteten liegt ausserhalb der Zielsetzung dieser Gesetze. Die Annahme, das öffentliche Recht schreibe die Anrechnung der Waisenrenten BGE 86 I 137 S. 144 der AHV und der SUVA auf den familienrechtlichen Unterhaltsbeitrag vor, findet demgemäss nicht nur im KUVG und im AHVG keine Stütze, sie läuft vielmehr der Systematik dieser Gesetze eindeutig zuwider. b) Dass das Privatrecht diese Anrechnung vorsehe, hat das Kantonsgericht selber mit Fug vereint. Die Sozialversicherungsanstalten erfüllen mit der Ausrichtung der Waisenrenten an das aussereheliche Kind eigene aus dem Gesetz erwachsene Verpflichtungen und nicht die Schuld der Erben des ausserehelichen Vaters. Es liegt demnach kein Fall der Erfüllung durch einen Dritten (VON TUHR/SIEGWART, Bd. II, § 59 Ziff. II) vor. Ebenso wenig kann von einer Schuldübernahme im Sinne von Art. 175 ff. OR die Rede sein. Die Sozialversicherungsanstalten versprechen dem ausserehelichen Vater nicht, im Falle seines Todes seine Unterhaltsverpflichtung zu übernehmen. Die Ansprüche des ausserehelichen Kindes an die Sozialversicherung beruhen demzufolge nicht auf einem derartigen privatrechtlichen Titel, sondern sie entstehen von Gesetzes wegen mit dem Tod des ausserehelichen Vaters und richten sich in ihrer Höhe und Dauer nur nach dem öffentlichen Recht (HEGNAUER, a.a.O., S. 266, Ziff. IV). Damit soll nicht gesagt werden, dass die Waisenrenten der Sozialversicherung im Privatrecht keinerlei Beachtung fänden. Wird die Vaterschaftsklage im Rahmen des nachBGE 79 II 259Zulässigen gegen die Erben des ausserehelichen Vaters angehoben oder fortgesetzt, so werden die dem Kinde zufliessenden Sozialversicherungsleistungen bei der Ermittlung seiner Bedürfnisse und der sich darauf stützenden Berechnung der familienrechtlichen Unterhaltsbeiträge mitberücksichtigt. Gleiches gilt bei der Neufestsetzung eines auf einem Urteil beruhenden Unterhaltsanspruchs, wenn sich die Erben des ausserehelichen Vaters gestützt auf Art. 320 ZGB darauf berufen, dass das Kind zu hinreichendem eigenen Einkommen gelangt sei (vgl. EGGER, N. 2 zu Art. 322 ZGB ). Um die Unterhaltsbeiträge neu festsetzen zu lassen, hat der Unterhaltspflichtige BGE 86 I 137 S. 145 indes eine Gestaltungsklage anzustrengen ( BGE 78 II 323 ). Die kantonalen Instanzen hatten somit auf die negative Feststellungsklage der Beschwerdegegnerin hin nicht zu entscheiden, ob sich die Einkommensverhältnisse des Kindes erheblich geändert hätten und ob auch eine auf Vertrag beruhende Unterhaltsrente bei einer derartigen Änderung (zwar nicht gestützt auf Art. 320 ZGB , aber allenfalls auf Grund der clausula rebus sic stantibus) neu festgesetzt werden könne. 4. Das Kantonsgericht führt ferner aus, es widerspräche Treu und Glauben, wenn die Erben Y. weiterhin die vollen vertraglichen Unterhaltsleistungen zu erbringen hätten. Es ist jedoch zu beachten, dass der Unterhaltsanspruch des ausserehelichen Kindes gegen seinen Erzeuger und nach dessen Tod gegen dessen Erben unabhängig davon besteht, ob es nach seinen finanziellen Verhältnissen oder nach denen seiner Mutter tatsächlich auf die Beiträge angewiesen ist ( BGE 78 II 322 ). Der Umstand allein, dass das aussereheliche Kind dank der Sozialversicherungsleistungen über ein gewisses Einkommen verfügt, lässt daher die Belangung der privatrechtlich Unterhaltspflichtigen nicht als Verstoss gegen Treu und Glauben erscheinen. Dieser Vorwurf lässt sich andererseits grundsätzlich auch nicht mit den Verhältnissen der Erben des ausserehelichen Vaters begründen, darf doch nicht übersehen werden, dass diese den Erbanspruch am Nachlass haben. Ist es aber recht, wenn die Erben ohne Rücksicht auf den Bezug der Witwen- und Waisenrenten der Sozialversicherung in den Genuss ihres Erbes gelangen, so erscheint es auch als billig, wenn das aussereheliche Kind neben den Sozialversicherungsrenten seinen Anspruch auf die privatrechtlichen Unterhaltsleistungen behält, die einen Ausgleich für das ihm fehlende Erbrecht bilden (HEGNAUER, a.a.O., S. 267/68, Ziff. VII a). Anders verhielte es sich höchstens, wenn den ehelichen Kindern bei Weiterzahlung der Unterhaltsbeiträge durch die Erben wesentlich geringere Mittel verblieben als dem ausserehelichen Kind. Dass BGE 86 I 137 S. 146 das hier der Fall sei, wird weder im angefochtenen Urteil angenommen noch von der Beschwerdegegnerin dargetan. Es kann daher offen bleiben, auf welchem Wege dieser Umstand geltend zu machen wäre. Treu und Glauben werden schliesslich auch nicht dadurch verletzt, dass die Erben den vollen Unterhaltsbeitrag zu leisten haben, während die ihnen ausbezahlten Leistungen der SUVA um den Betrag der Rente gekürzt werden, die dem ausserhelichen Kind zukommt. Diese Kürzung beruht auf Art. 87 Abs. 1 KUVG , wonach die Hinterlassenenrenten zusammen 60% des Jahresverdienstes des Versicherten nicht übersteigen dürfen; sie trifft das aussereheliche Kind gleicherweise wie die Witwe und die ehelichen Kinder. 5. Nach dem Gesagten lässt sich die Gutheissung der Aberkennungsklage mit keinen sachlich zu vertretenden Gründen rechtfertigen. Das angefochtene Urteil ist, weil insofern willkürlich, als verfassungswidrig aufzuheben. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Beschwerde wird gutgeheissen, und das Urteil des Kantonsgerichts Schwyz vom 25./26. Januar 1960 wird aufgehoben.
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Urteilskopf 121 IV 308 50. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 10. November 1995 i.S. M. gegen Jugendanwaltschaft Graubünden (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste Art. 91 Ziff. 1 und 94 Ziff. 5 StGB ; Art. 5 Ziff. 1 EMRK ; Einweisung in ein Erziehungsheim. Der Vollzug der gerichtlichen Einweisung in ein Erziehungsheim über die Volljährigkeit hinaus ist mit der Europäischen Menschenrechtskonvention vereinbar (E. 3).
Sachverhalt ab Seite 309 BGE 121 IV 308 S. 309 A.- Das Jugendgericht Plessur fand am 13. Januar 1995 den am 5. Dezember 1977 geborenen M. unter anderm des mehrfachen Diebstahls und der Gehilfenschaft dazu, der mehrfachen Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz und der Entwendung eines Motorfahrzeugs zum Gebrauch schuldig und wies ihn gemäss Art. 91 Ziff. 1 Abs. 1 StGB in ein Erziehungsheim für Jugendliche ein. B.- Die Jugendkammer des Kantonsgerichts von Graubünden wies am 15. Mai 1995 eine Berufung des Verurteilten ab. C.- M. führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, den Entscheid der Jugendkammer aufzuheben. D.- Der Kantonsgerichtsausschuss von Graubünden beantragt Abweisung, soweit Eintreten. Die Jugendanwaltschaft Graubünden beantragt Abweisung. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. (Eintretensfrage). 2. a) Die Vorinstanz hält fest, grundsätzlich seien Erziehungsmassnahmen des Jugendstrafrechts auf unbestimmte Zeit anzuordnen; sie sollen so lange andauern, bis ihr Zweck erfüllt ist. Eine Heimeinweisung gemäss Art. 91 Ziff. 1 StGB dauere mindestens ein Jahr und sei spätestens mit dem zurückgelegten 22. Altersjahr aufzuheben ( Art. 94 Ziff. 1 und 5 StGB ). Sie hält diese Massnahme auch über die Volljährigkeit hinaus für konventionskonform. Die Zulässigkeit hänge wesentlich davon ab, ob ihre ausschliessliche Anordnung im Jugendstrafverfahren einem Freiheitsentzug im Sinne von Art. 5 Ziff. 1 lit. a EMRK gleichzusetzen sei, denn diese Bestimmung mache die Rechtmässigkeit einer Freiheitsentziehung allein von einer gesetzmässigen Verurteilung abhängig und unterscheide nicht, ob der Verurteilte minderjährig oder volljährig sei. Eine Verurteilung gemäss Art. 5 Ziff. 1 lit. a EMRK setze einen straf- oder disziplinarrechtlichen Tatbestand sowie die Feststellung einer Schuld durch ein Gericht voraus. Diese Bedingungen seien in casu erfüllt. Die Bestimmung decke nicht nur die eigentliche Strafhaft, sondern jegliche durch Strafurteil als Sicherungs- und Besserungsmassnahme angeordnete Unterbringung ab, also auch die vorliegende Einweisung. BGE 121 IV 308 S. 310 b) Der Beschwerdeführer wendet ein, die Auffassung der Vorinstanz belasse für Art. 5 Ziff. 1 lit. d EMRK nur Fälle der Heimeinweisungen durch eine Verwaltungsbehörde oder durch ein Gericht, dessen Entscheid nicht unter den Begriff der Verurteilung von Art. 5 Ziff. 1 lit. a EMRK falle. Auch nach der Literatur stehe nicht fest, ob eine ausschliessliche Anordnung einer Massnahme als Verurteilung in diesem Sinne zu gelten habe. Ein Freiheitsentzug zur überwachten Erziehung sei lediglich für Minderjährige in Art. 5 Ziff. 1 lit. d EMRK vorgesehen. Beide Bestimmungen seien nicht gleichzeitig anwendbar. Auf Minderjährige sei einzig der Spezialtatbestand von Art. 5 Ziff. 1 lit. d EMRK anzuwenden. Folglich sei er spätestens am 1. Januar 1996, allenfalls bereits am 5. Dezember 1995 zu entlassen. 3. Zu prüfen ist der Einwand, eine Einweisung in ein Erziehungsheim gemäss Art. 91 Ziff. 1 Abs. 1 StGB auf unbestimmte Dauer, also über die Volljährigkeit hinaus bis längstens zum zurückgelegten 22. Altersjahr ( Art. 94 Ziff. 5 StGB ), verletze mittelbar Art. 5 Ziff. 1 lit. d EMRK ... a) Der Beschwerdeführer wurde wegen mehrerer Delikte schuldig gesprochen und verfahrens- und gesetzmässig in ein Erziehungsheim eingewiesen. Er wurde im Sinne von Art. 5 Ziff. 1 lit. a EMRK verurteilt (vgl. VILLIGER, Handbuch der Europäischen Menschenrechtskonvention [EMRK], Zürich 1993, N. 320 ff., 328). Fraglich ist, ob die von der Verurteilung kausal abhängige Massnahme (VILLIGER, a.a.O., N. 330) durch Art. 5 Ziff. 1 lit. a EMRK gedeckt ist. Die Rechtsprechung der Strassburger Organe sowie die Literatur verstehen den in dieser Bestimmung verwendeten Haftbegriff im weiten Sinn. Dazu zählen die Strafhaft, Sicherungsverwahrung, Unterbringung im Arbeitshaus sowie sonstige Arten der durch Strafurteil als Zusatzstrafe oder als Massnahme der Sicherung und Besserung angeordneten Unterbringung (FROWEIN/PEUKERT, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar, Kehl 1985, N. 45 zu Art. 5; VELU/ERGEC, La Convention Européenne des Droits de L'Homme, Bruxelles 1990, S. 260 f.). Ist im Sinne von Art. 5 Ziff. 1 lit. a EMRK von einem weiten Haftbegriff auszugehen, zählen dazu auch Massnahmen der Besserung und Wiedereingliederung (réinsertion sociale, vgl. VELU/ERGEC, a.a.O., S. 261). Somit fallen die Massnahmen der Erziehung und Wiedereingliederung wie Erziehungsheim, besondere Behandlung, Therapieheim und Arbeitserziehungsanstalt ebenfalls darunter. b) Der Beschwerdeführer wendet zu Unrecht ein, diese Auslegung von Art. 5 BGE 121 IV 308 S. 311 Ziff. 1 lit. a EMRK lasse für die Spezialnorm der lit. d keinen Raum mehr. Art. 5 Ziff. 1 lit. d EMRK bezieht sich auf zwei Fälle. Erstens kann Minderjährigen die Freiheit aus fürsorgerischen Gründen oder zum Zwecke der überwachten Erziehung beziehungsweise zur Abklärung der Notwendigkeit einer solchen Massnahme und damit auch aus Gründen des Jugendstrafrechts entzogen werden. Zweitens betrifft der Freiheitsentzug die Vorführung vor die zuständigen Behörden und damit die eigentliche Untersuchungshaft ( BGE 121 I 208 E. 4c). Damit bleibt für Art. 5 Ziff. 1 lit. d EMRK ein weites Feld: Zum einen kann die Inhaftnahme Minderjähriger im Sinne dieser Bestimmung auch von einer Verwaltungsbehörde angeordnet werden (vgl. VILLIGER, a.a.O., N. 333), zum andern fallen rein fürsorgerische Massnahmen unter diese Bestimmung (nicht veröffentlichter Entscheid der II. Zivilabteilung vom 29. Oktober 1990 in Sachen G. gegen Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen, E. 2) und schliesslich erfasst diese Bestimmung als Spezialnorm im Verhältnis zu Art. 5 Ziff. 1 lit. c EMRK die gegenüber Jugendlichen angeordnete Untersuchungshaft ( BGE 121 I 208 E. 4c). c) Zusammenfassend nahm die Vorinstanz zu Recht an, die gestützt auf ein Strafurteil erfolgte Einweisung in ein Erziehungsheim gemäss Art. 91 Ziff. 1 Abs. 1 StGB falle unter Art. 5 Ziff. 1 lit. a EMRK und entsprechend sei eine überwachte Erziehung über die Volljährigkeit hinaus gemäss Art. 94 Ziff. 5 StGB mit der Konvention vereinbar. d) Die weitern Vorbringen (die Vorinstanz habe den Begriff des Minderjährigen in Art. 5 Ziff. 1 lit. d EMRK konventionswidrig ausgelegt sowie die Frage des massgeblichen Entlassungszeitpunkts) sind bei dieser Rechtslage nicht mehr zu prüfen. 4. (Kostenfolgen).
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Urteilskopf 122 IV 258 39. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 18. September 1996 i.S. T. gegen Generalprokurator des Kantons Bern (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste Art. 102 Ziff. 8 und 10 BV ; Art. 1, 2 lit. b, Art. 5, 6, 11 Abs. 1 al. 4 und 5 der Verordnung über den Erwerb und das Tragen von Schusswaffen durch jugoslawische Staatsangehörige. Die Verordnung genügt den Anforderungen an eine verfassungsunmittelbare Polizeiverordnung des Bundesrates nicht, soweit sie die Veräusserung von Schusswaffen an ausnahmslos alle Ausländer ohne Niederlassungsbewilligung beschränkt. Weder wegen der Konflikte im ehemaligen Jugoslawien noch aus anderen wichtigen Gründen war und ist es zeitlich dringlich, notwendig und durch überwiegende öffentliche Interessen gerechtfertigt, den Erwerb einer Schusswaffe beispielsweise durch einen in Deutschland wohnhaften deutschen Staatsangehörigen auf diesem Wege einer Bewilligungspflicht zu unterstellen (E. 2).
Sachverhalt ab Seite 259 BGE 122 IV 258 S. 259 A.- Mitte August 1993 erschienen die beiden in Süddeutschland (Kreis Ravensburg) wohnhaften deutschen Staatsangehörigen B. und K. in der Waffenhandlung "T.". Sie interessierten sich für zwei Survival-Kipplauf-Bockbüchsflinten, Springfield, Mod. M6 Scout. Da T. die gewünschten Waffen nicht am Lager hatte, wurde vereinbart, dass er sie bestelle und dann auf dem Postweg direkt an die Adresse von K. in Deutschland schicke. K. leistete eine Anzahlung von 50% auf den Kaufpreis. Am 3. September 1993 sandte T. die beiden Flinten in einem Postpaket mit aufgeklebter Zolldeklaration an die Adresse von K. in Süddeutschland. Die Waffen kamen aber nicht bei K. an, da sie von der Zollfahndung Stuttgart sichergestellt worden waren. Die Staatsanwaltschaft Ravensburg zog die Flinten ein, weil es sich dabei um schnell zerlegbare und daher nach dem deutschen Waffengesetz verbotene Schusswaffen handelte. Die deutschen Behörden leiteten die Akten an die Berner Kantonspolizei weiter. B.- Der Gerichtspräsident von Niedersimmental sprach T. am 28. September 1995 von der Anschuldigung der Widerhandlung gegen die Verordnung über den Erwerb und das Tragen von Schusswaffen durch jugoslawische Staatsangehörige frei. Dagegen erklärte der stellvertretende Prokurator 3 die Appellation, welche der Generalprokurator vollumfänglich aufrechterhielt. Das Obergericht des Kantons Bern sprach T. am 15. Februar 1996 der Widerhandlung gegen die Verordnung über den Erwerb und das Tragen von Schusswaffen durch jugoslawische Staatsangehörige schuldig, vorsätzlich begangen im August/September 1993, und verurteilte ihn in Anwendung von Art. 2 lit. b, c und d, 5 und 11 Abs. 1 der Verordnung zu einer Busse von 500 Franken, bedingt vorzeitig löschbar bei einer Probezeit von einem Jahr. C.- T. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, der Entscheid des Obergerichts sei vollumfänglich aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. BGE 122 IV 258 S. 260 Der Generalprokurator des Kantons Bern und die Schweizerische Bundesanwaltschaft beantragen die Abweisung der Beschwerde. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut Erwägungen aus folgenden Erwägungen: 1. Die Verordnung über den Erwerb und das Tragen von Schusswaffen durch jugoslawische Staatsangehörige vom 18. Dezember 1991 (SR 514.545), in Kraft seit 19. Dezember 1991, war ursprünglich bis längstens 31. Dezember 1994 befristet; ihre Geltungsdauer ist durch Verordnung vom 5. Dezember 1994 (AS 1994, 2996) bis zum 31. Dezember 1996 verlängert worden. Es handelt sich um eine selbständige Verordnung des Bundesrates, die sich gemäss Ingress auf Art. 102 Ziff. 8 BV stützt. Danach wahrt der Bundesrat die Interessen der Eidgenossenschaft nach aussen, wie namentlich ihre völkerrechtlichen Beziehungen, und besorgt er die auswärtigen Angelegenheiten überhaupt. Die Verordnung hat nach ihrem Art. 1 den Zweck, den Handel von Schusswaffen zwischen dem Schweizerischen Staatsgebiet und dem Staatsgebiet der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien in den am 1. Januar 1990 gültigen Grenzen zu unterbinden (lit. a) und gewalttätige Handlungen zwischen jugoslawischen Staatsangehörigen in der Schweiz zu verhindern (lit. b). Gemäss Art. 3 der Verordnung ist es jugoslawischen Staatsangehörigen verboten, Schusswaffen in der Schweiz oder von der Schweiz aus zu erwerben (Abs. 1), und ist es verboten, jugoslawischen Staatsangehörigen Schusswaffen zu verkaufen oder sonstwie zu überlassen (Abs. 2). Die Verordnung beschränkt auch den Erwerb von Schusswaffen durch andere Ausländer, nämlich alle Ausländer, die keine Niederlassungsbewilligung (Bewilligung C) besitzen, sowie die Veräusserung von Schusswaffen an solche Ausländer. Gemäss Art. 5 der Verordnung ("Schusswaffenerwerbsschein") müssen Ausländer dem Veräusserer vorgängig zum Erwerb einer Schusswaffe in der Schweiz einen Schusswaffenerwerbsschein aushändigen (Abs. 1). Der Schusswaffenerwerbsschein kann nach Abs. 2 einem Ausländer nur ausgestellt werden, wenn der Gesuchsteller vorgängig eine offizielle Bestätigung des Staates vorlegt, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, wonach er zum Erwerb einer Schusswaffe berechtigt ist (lit. a), und wenn die im Konkordat vom 27. März 1969 über den Handel mit Waffen und Munition (SR 514.542) vorgesehenen Bedingungen erfüllt sind (lit. b). Der BGE 122 IV 258 S. 261 Schusswaffenerwerbsschein wird durch die nach Art. 3 des Konkordats über den Handel mit Waffen und Munition zuständige Behörde des Wohnsitzkantons ausgestellt. Hat der Gesuchsteller keinen Wohnsitz in der Schweiz, so wird der Schusswaffenerwerbsschein vom Kanton ausgestellt, in dem die Übergabe der Schusswaffe stattfinden soll (Abs. 3). Gemäss Art. 6 ("Schusswaffenausfuhrbewilligung") müssen Ausländer ohne Wohnsitz in der Schweiz zusätzlich vorgängig der Abgabe des Schusswaffenerwerbsscheins (Art. 5) für der Bundesgesetzgebung über das Kriegsmaterial unterstellte Waffen eine Ausfuhrbewilligung einholen. Gemäss Art. 11 Abs. 1 der Verordnung wird unter anderen bestraft, wer als Ausländer eine Waffe erwirbt, ohne im Besitz der Bewilligungen nach den Artikeln 5 und 6 zu sein (al. 4), und wer einem Ausländer, von dem er weiss oder annehmen muss, dass er nicht im Besitz der Bewilligungen nach den Artikeln 5 und 6 ist, eine Schusswaffe verkauft oder sonstwie überlässt (al. 5). Die Strafe ist bei vorsätzlichem Handeln Gefängnis oder Busse bis zu 100'000 Franken, in schweren Fällen Gefängnis nicht unter sechs Monaten oder Busse bis zu 500'000 Franken; handelt der Täter fahrlässig, ist die Strafe Gefängnis bis zu sechs Monaten oder Busse. Die Vorinstanz wirft dem Beschwerdeführer vor, er habe den beiden in Deutschland wohnhaften deutschen Staatsangehörigen zwei - nicht unter das Kriegsmaterialgesetz fallende - Schusswaffen verkauft, obschon er gewusst habe bzw. habe annehmen müssen, dass die beiden Männer den gemäss Art. 5 der Verordnung erforderlichen Schusswaffenerwerbsschein nicht besessen hätten. Dadurch habe er den Tatbestand von Art. 11 Abs. 1 al. 5 der Verordnung (eventual)vorsätzlich erfüllt. Der Beschwerdeführer macht geltend, die Verordnung sei durch Art. 102 Ziff. 8 und 10 BV nicht gedeckt und daher verfassungswidrig, soweit sie Fälle der hier zu beurteilenden Art erfasse. Zudem sei die Strafbestimmung mangels einer Grundlage in einem formellen Gesetz unbeachtlich, soweit darin Freiheitsstrafe angedroht werde. Schliesslich habe er den Tatbestand von Art. 11 Abs. 1 al. 5 der Verordnung nicht erfüllt, da in der Schweiz keine physische Übergabe der beiden Waffen an die deutschen Staatsangehörigen erfolgt sei und diese daher keine Bewilligung im Sinne von Art. 5 und 6 der Verordnung benötigt hätten. 2. a) Der Bundesrat kann unmittelbar gestützt auf die Bundesverfassung, also ohne entsprechende Grundlage in einem formellen Gesetz, insbesondere BGE 122 IV 258 S. 262 im Rahmen seiner in Art. 102 Ziff. 8-10 BV festgelegten Obliegenheiten (betreffend die auswärtigen Angelegenheiten sowie die äussere und die innere Sicherheit der Eidgenossenschaft) unter gewissen Voraussetzungen gesetzesvertretende und gesetzesergänzende Verordnungen erlassen. Die darin enthaltenen Anordnungen müssen notwendig, zeitlich dringlich, durch überwiegende öffentliche Interessen gerechtfertigt und verhältnismässig sein. Sie dürfen nicht im Widerspruch zu Erlassen der Bundesversammlung stehen, und sie müssen die Grundsätze der Rechtsgleichheit und von Treu und Glauben etc. respektieren. Sie müssen grundsätzlich zeitlich befristet sein, und bei Andauern der regelungsbedürftigen Situation ist eine ausreichende Grundlage in einem formellen Gesetz zu schaffen (siehe zum Ganzen BGE 64 I 365 ff.; DIETRICH SCHINDLER in Kommentar BV, Art. 102 Ziff. 8 Rz. 110 ff., Art. 102 Ziff. 9 Rz. 127 ff.; KURT EICHENBERGER in Kommentar BV, Art. 102 Ziff. 10 Rz. 163 ff.; JEAN-FRANÇOIS AUBERT, Bundesstaatsrecht der Schweiz, Fassung von 1967, Neubearbeiteter Nachtrag bis 1994, Bd. II, 1995, Nrn. 1528 f., S. 225 f. und S. 1051 f.; BEAT SCHELBERT, Die rechtliche Bewältigung ausserordentlicher Lagen im Bund, Diss. Bern 1986, S. 198 ff.; Gutachten des Bundesamtes für Justiz vom 6. März 1989 in VPB 53/1989 Nr. 52 S. 363 ff.). b) Angesichts der Ereignisse im ehemaligen Jugoslawien war im Jahre 1991 ein Verbot des Handels mit Schusswaffen zwischen dem Schweizerischen Staatsgebiet und dem Staatsgebiet der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien in den am 1. Januar 1990 gültigen Grenzen (siehe Art. 1 lit. a der Verordnung) notwendig und zeitlich dringlich. Auch das allgemeine Verbot der Veräusserung bzw. Überlassung von Schusswaffen an jugoslawische Staatsangehörige (vgl. Art. 3 Abs. 2 der Verordnung) mag angesichts des Risikos eines Transports der Schusswaffen in die Konfliktgebiete oder eines Einsatzes im Rahmen von Auseinandersetzungen zwischen jugoslawischen Staatsangehörigen in der Schweiz (vgl. Art. 1 lit. b der Verordnung) gerechtfertigt gewesen sein. Es ist indessen nicht ersichtlich, weshalb es notwendig, zeitlich dringlich und durch überwiegende öffentliche Interessen gerechtfertigt gewesen sein soll, wegen der Konflikte im ehemaligen Jugoslawien oder aus andern gewichtigen Gründen die Veräusserung von Schusswaffen an sämtliche Ausländer ohne Niederlassungsbewilligung (siehe Art. 2 lit. b der Verordnung) auf dem Wege einer verfassungsunmittelbaren Polizeiverordnung durch das Erfordernis von Bewilligungen (im Sinne von BGE 122 IV 258 S. 263 Art. 5 und 6 der Verordnung) zu beschränken. Es ist auch nicht erkennbar, inwiefern die Beschränkung solcher Transaktionen den in Art. 1 der Verordnung umschriebenen Zwecken dient. Die Veräusserung einer Schusswaffe an einen Ausländer gefährdet die Erreichung der in Art. 1 der Verordnung verfassungskonform festgelegten Ziele nicht schon dann und deshalb, wenn und weil der Ausländer in der Schweiz keine Niederlassungsbewilligung oder keinen Wohnsitz hat. Das Risiko, dass eine Schusswaffe ins ehemalige Jugoslawien transportiert oder an einen jugoslawischen Staatsangehörigen weitergegeben werden könnte, ist im Falle der Veräusserung an einen in der Schweiz wohnhaften Deutschen ohne Niederlassungsbewilligung oder an einen in Deutschland wohnhaften Deutschen nicht wesentlich grösser als im Falle der Veräusserung an einen Schweizer oder an einen in der Schweiz niedergelassenen Deutschen. Wohl mag die schweizerische Waffengesetzgebung in verschiedener Hinsicht und gerade auch in bezug auf die Veräusserung von Schusswaffen an Ausländer mangelhaft sein. Es kann beispielsweise unbefriedigend sein, dass ein in Deutschland wohnhafter Deutscher in der Schweiz ohne Bewilligung bestimmte Waffen erwerben kann, die er nach dem deutschen Recht, etwa weil sie rasch zerlegbar sind, nicht erwerben und nicht besitzen darf. Dieser allfällige Missstand hat indessen mit den Konflikten im ehemaligen Jugoslawien nichts zu tun und kann daher nicht gewissermassen aus Anlass dieser Konflikte, auf die auch Art. 1 der Verordnung Bezug nimmt, auf dem Wege einer verfassungsunmittelbaren Polizeiverordnung behoben werden. Die allenfalls erforderlichen Vorschriften sind vielmehr im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren zu schaffen (siehe nun die Botschaft des Bundesrates vom 24. Januar 1996 zum Bundesgesetz über Waffen, Waffenzubehör und Munition, BBl 1996 I 1053 ff., insbes. S. 1061 ff. zu Art. 8 ff. des bundesrätlichen Entwurfs; vgl. auch die Verhandlungen des Ständerates in der Sommersession 1996, Amtl.Bull. StR 1996 S. 506 ff., 517 ff.). Die Verordnung über den Erwerb und das Tragen von Schusswaffen durch jugoslawische Staatsangehörige genügt demnach den vorstehend (E. 2a) umschriebenen Anforderungen an eine verfassungsunmittelbare Polizeiverordnung des Bundesrates nicht, soweit sie auch die Veräusserung von Schusswaffen an in Deutschland wohnhafte deutsche Staatsangehörige erfasst. Sie ist deshalb im vorliegenden Fall nicht anwendbar. BGE 122 IV 258 S. 264 Das angefochtene Urteil wird in Gutheissung der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde aufgehoben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen. 3. (Kostenfolgen).
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Urteilskopf 104 IV 135 33. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 26. Mai 1978 i.S. X. und Y. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau
Regeste Bundesgesetz über den Schutz der Gewässer gegen Verunreinigungen. 1. Art. 32 Abs. 2 GSchG . Die bei der Bewilligung zur Ausbeutung von Kies, Sand oder anderem Material über dem nutzbaren Grundwasser zu belassende schützende Materialschicht bemisst sich nicht nach starren allgemeinen Regeln, sondern nach den örtlichen Gegebenheiten (E. 1b). 2. Art. 37 Abs. 1 Al. 3 GSchG. Bei diesem Straftatbestand handelt es sich um ein abtraktes Gefährdungsdelikt (E. 1c und d).
Sachverhalt ab Seite 135 BGE 104 IV 135 S. 135 A.- X. ist Direktor der H. AG, welcher am 12. Juli 1965 die Bewilligung zur Kiesausbeutung auf den Parzellen Mülligen Nummern 121 bis 126 "nicht tiefer als bis zur Kote 361.00" erteilt worden war, sowie Verwaltungsrat der K. AG, welche die Kiesausbeutung vornahm und hinsichtlich des Managements BGE 104 IV 135 S. 136 und der Oberleitung der H. AG untersteht; Y. ist Betriebsleiter der K. AG. Anlässlich eines Augenscheines vom 16. Dezember 1975 wurde festgestellt, dass im Bereiche des 1974 erstellten Absetzbeckens III bis auf Kote 356.3 ausgebeutet worden war. B.- Mit Strafbefehl des Bezirksamtes Brugg vom 27. August 1976 wurden X. und Y. wegen Widerhandlung gegen das eidg. Gewässerschutzgesetz sowie gegen das aargauische Baugesetz mit Bussen von je Fr. 10 000.- belegt. Auf Einsprache der Gebüssten hin sprach das Bezirksgericht Brugg am 18. Januar 1977 X. und Y. schuldig der Widerhandlung gegen Art. 32 Abs. 2 und Art. 37 Abs. 1 Al. 3 und 4 des Gewässerschutzgesetzes und §§ 152, 219 und 221 des Baugesetzes des Kantons Aargau vom 2. Februar 1971; es büsste X. mit Fr. 10 000.- und Y. mit Fr. 5000.-. Das Obergericht des Kantons Aargau bestätigte am 15. März 1978 die durch das Bezirksgericht Brugg ergangenen Strafurteile insoweit, als die Angeklagten der Widerhandlung gegen das Bundesgesetz über den Schutz der Gewässer gegen Verunreinigung schuldig erklärt worden waren, und verurteilte X. zu einer bedingt vorzeitig löschbaren Busse von Fr. 6000.-, Y. zu einer solchen von Fr. 3000.-. C.- X. und Y. führen eidg. Nichtigkeitsbeschwerden. Sie beantragen Aufhebung des obergerichtlichen Urteils und Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zur Freisprechung, eventuell zu milderer Bestrafung. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau beantragt Abweisung der Beschwerden. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Die Beschwerdeführer rügen, Art. 37 Abs. 1 Al. 3 GSchG lasse eine bloss abstrakte Gefährdung des Grundwassers zur Tatbestandsvollendung nicht genügen, sondern verlange eine konkrete Gefährdung, jedenfalls zumindest die Gefahr für eine Gewässerverunreinigung, welche vorliegend nicht nachgewiesen sei. Wenn in der Botschaft des Bundesrates ausgeführt werde, Grabungen in nutzbaren Gewässervorkommen seien "in jedem Fall geeignet, das Wasser zu beeinträchtigen" (BBl 1970 II, S. 474), so betreffe diese Meinungsäusserung einzig das direkte Graben im Grundwasser; vorliegend sei aber BGE 104 IV 135 S. 137 in der darüberliegenden Schutzschicht abgebaut worden. Während der parlamentarischen Beratung sei nicht mehr von einem abstrakten Gefährdungsdelikt die Rede gewesen, wie das aus den Voten von Ständerat HOFMANN als Berichterstatter im Ständerat klar hervorgehe (Sten. Bull., S 1971, S. 163 und 117); die Auffassung, Art. 37 Abs. 1 Al. 3 GSchG erfordere die konkrete Gefährdung des Grundwassers, sei in der Folge auch von seiten des Bundesrates unbestritten geblieben. Diese Bestimmung verweise zudem ausdrücklich auf Art. 32 GSchG , dessen Abs. 2 die Bewilligungserteilung zur Ausbeutung über dem nutzbaren Grundwasser unter der Bedingung gestatte, "dass über dem höchstmöglichen Grundwasserspiegel eine nach den örtlichen Gegebenheiten zu bemessende schützende Materialschicht belassen wird". Nach Auffassung des als Sachverständigen abgehörten Dr. K. wäre eine Schutzschicht von 2 m, wie sie vorliegend nie unterschritten worden sei, ausreichend gewesen; die von der kantonalen Baudirektion festgesetzte maximale Ausbeutungskote, welche eine zu belassende Schutzschicht von 7 bis 8 m vorgeschrieben habe, sei deshalb durch das GSchG nicht gedeckt, und es sei durch die Kiesausbeutung bis auf Kote 356.3 zudem keine Verunreinigungsgefahr geschaffen worden. a) Die von der Baudirektion, des Kantons Aargau erteilte Bewilligung zur Kiesausbeutung war der Kontrolle durch das kantonale Verwaltungsgericht zugänglich (§ 51 Abs. 1, 52 Ziff. 8 und 56 Abs. 1 VRPG). Von dieser Möglichkeit ist nicht Gebrauch gemacht worden. Die Überprüfung der Bewilligung durch den Strafrichter ist unter diesen Umständen auf offensichtliche Gesetzesverletzung einschliesslich Missbrauch oder Überschreitung des Ermessens eingeschränkt ( BGE 98 IV 266 E. 2 und 111 E. 3 f.). b) Gemäss Art. 32 Abs. 2 GSchG kann über dem nutzbaren Grundwasser die Ausbeutung von Kies, Sand oder anderem Material nur unter der Bedingung bewilligt werden, dass über dem höchstmöglichen Grundwasserspiegel eine nach den örtlichen Gegebenheiten zu bemessende schützende Materialschicht belassen wird. Sie wurde in der der H. AG erteilten Bewilligung, die einen Abbau bis auf Kote 361.00 gestattete, auf 7 bis 8 m bemessen. Dass darin eine offensichtliche Gesetzesverletzung, ein Missbrauch oder eine Überschreitung des behördlichen Ermessens liege, lässt sich mit den Aussagen des Sachverständigen BGE 104 IV 135 S. 138 nicht dartun; denn sie sind bloss allgemeiner Natur und zugestandenermassen ohne Kenntnis der örtlichen spezifischen Verhältnisse gemacht, auf welche es selbst nach ihnen entscheidend ankommt. Dr. K. erklärte, es werde als Norm eine Schutzschicht von 2 bis 5 m für genügend erachtet, wies aber darauf hin, bei starken Schwankungen des Grundwasserspiegels sei eine relativ grosse, bei kleineren Schwankungen eine dünnere Schutzschicht erforderlich, und bemerkte schliesslich, für das in Frage stehende Gebiet keine Schutzschichtberechnungen durchgeführt zu haben. Wenn selbst nach seinen Aussagen die in der Regel verlangte Schutzschicht 2 bis 5 m beträgt, das Birrfeld, an dessen östlichem Rand das Ausbeutungsgebiet liegt, eine geologisch kompliziert zusammengesetzte Schotterebene mit verschiedenen Grundwasserstockwerken ist, sich vom Ausbeutungsgelände in nur 600 bis 800 m Entfernung die Trinkwasserfassungen der Gemeinden Mülligen und Windisch befinden, und nach seinen weiteren Aussagen durch die Erstellung des Absetzbeckens III das Grundwasser im engsten Bereich "ein bisschen gefährdet" war, nicht aber direkt die Quellfassungen, so lag es nicht ausserhalb des behördlichen Ermessens, die nach der örtlichen Gegebenheiten erforderliche schützende Materialschicht mit der Festsetzung der maximalen Abbaukote auf 361.00 auf 7 bis 8 m zu bemessen. Es kann auch keine Rede davon sein, dadurch sei Art. 32 Abs. 2 GSchG offensichtlich verletzt worden, der die erforderliche Schutzschicht ausdrücklich nach den örtlichen Gegebenheiten, nicht nach starren allgemeinen Regeln zu bemessen vorschreibt. Die Festsetzung der Abbaukote auf 361.00 erweist sich daher im Rahmen der strafrichterlichen Überprüfungsbefugnis als rechtsbeständig. c) Die Auffassung, Art. 37 Abs. 1 Al. 3 GSchG verlange eine konkrete Gefährdung des Grundwassers, ist irrig. Nach der Botschaft des Bundesrates genügt die abstrakte Gefährdung, zumal "Grabungen in nutzbaren Grundwasservorkommen in jedem Fall geeignet sind, das Wasser zu beeinträchtigen" (BBl 1970 II, S. 474). Die Kennzeichnung des Straftatbestandes von Art. 37 Abs. 1 Al. 3 GSchG als abstraktes Gefährdungsdelikt kann sich schon deshalb nicht allein auf das direkte Graben im Grundwasser, d.h. unterhalb des Grundwasserspiegels beziehen, weil Art. 32 Abs. 2 Satz 1 GSchG ein solches Graben hinsichtlich nutzbarer Grundwasservorkommen generell BGE 104 IV 135 S. 139 untersagt. In der Beratung des Gesetzesentwurfes durch die eidgenössischen Räte ist dieser Deliktsqualifikation durch den Bundesrat nicht widersprochen worden. Ein Antrag von Ständerat MUNZ, Art. 32 Abs. 2 Satz 1 GSchG dahin zu ergänzen, unterhalb des Grundwasserspiegels seien Grabungen zur Ausbeutung von Kies, Sand und anderem Material nur verboten, sofern dabei eine Verunreinigung des Grundwassers nicht ausgeschlossen sei, wurde abgelehnt (Sten. Bull., S 1971, S. 148 ff.). Den von den Beschwerdeführern angerufenen Voten von Ständerat HOFMANN ist, sofern sie für die im Stände- und Nationalrat vorherrschende Auffassung überhaupt als repräsentativ zu betrachten wären, nichts für ihre Behauptung Schlüssiges zu entnehmen, es sei im Gegensatz zur Auffassung des Bundesrates in Art. 37 Abs. 1 Al. 3 GSchG eine konkrete Gefährdung des Grundwassers Tatbestandsvoraussetzung. Ständerat HOFMANN spricht an den genannten Stellen immer nur von einer Gefahr der Verunreinigung, ohne aber je zu erklären, im Gegensatz zur Auffassung des Bundesrates könne darunter nur eine konkrete Gefahr verstanden werden. Zu Art. 37 GSchG hielt er schliesslich ausdrücklich fest, die Abänderungsanträge der Kommission zu dieser Bestimmung - sie betrafen hinsichtlich Abs. 1 Al. 3 lediglich die Erweiterung der auf Kies und Sand beschränkten Ausbeutung auf anderes Material - entsprächen den früher akzeptierten Abänderungen der Art. 14, 26 und 30 des Entwurfs - bei der letzteren, Art. 32 Abs. 2 GSchG entsprechenden Bestimmung erfolgte die gleiche Erweiterung wie bei Art. 37 Abs. 1 Al. 3 GSchG -, "materiell" werde dadurch an der bundesrätlichen Vorlage nichts geändert (Sten. Bull., S 1971, S. 163). Das aber schliesst die seinen vorausgegangenen Voten durch die Beschwerdeführer gegebene Auslegung unverkennbar aus. d) Ist die Auflage in der erteilten Ausbeutungsbewilligung, nur bis auf Kote 361.00 abzubauen, rechtsbeständig, und handelt es sich beim Straftatbestand von Art. 37 Abs. 1 Al. 3 GSchG um ein abstraktes Gefährdungsdelikt, so ist dieser von den Beschwerdeführern dadurch erfüllt worden, dass bis auf Kote 356.3 abgebaut wurde.
null
nan
de
1,978
CH_BGE
CH_BGE_006
CH
Federation
df230840-60db-4f85-bca4-f2ac3bc1ec1b
Urteilskopf 104 Ib 95 17. Urteil vom 16. Juni 1978 i.S. F. gegen Regierungsrat des Kantons Luzern
Regeste Entzug des Führerausweises wegen Verwendung eines Fahrzeugs zu deliktischen Zwecken ( Art. 16 Abs. 3 lit. f SVG ). 1. Ein Charaktermangel wie Arbeitsscheu und gemeine Delikte rechtfertigen für sich allein einen Sicherungsentzug gemäss Art. 16 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 14 Abs. 2 lit. d SVG nicht, wenn keine für die Eignung im Verkehr erheblichen Hinweise vorliegen (Erw. 1). 2. Im vorliegenden Fall sind die Voraussetzungen für einen zeitlich beschränkten Entzug nach Art. 16 Abs. 3 lit. f SVG gegeben (Erw. 2 und 3).
Sachverhalt ab Seite 96 BGE 104 Ib 95 S. 96 F. beteiligte sich an zwei Einbruchdiebstählen und wirkte mehrmals beim Verkauf der Beute mit. Dabei betätigte er sich verschiedentlich als Fahrer, da einige seiner Komplizen keinen Führerausweis besassen. Auch wirkte er - teilweise mit seinem Wagen - beim Transport des Diebesgutes mit. Ein Teil der Beute wurde in seiner Garage gelagert. In der Folge verurteilte das Kriminalgericht des Kantons Luzern F. wegen bandenmässigen Diebstahls und fortgesetzten Betrugs zu 16 Monaten Gefängnis, bedingt vollziehbar bei einer Probezeit von zwei Jahren. Gestützt auf Art. 16 Abs. 3 lit. f SVG verfügte das Amt für Verkehr des Kantons Luzern am 21. Januar 1977, F. sei der Führerausweis wegen mehrmaliger Benützung eines Personenwagens zur Begehung von Verbrechen und Vergehen auf unbestimmte Zeit zu entziehen. Als Bedingung zur Wiedererteilung des Ausweises forderte das Amt absolut klagloses Verhalten in jeder Hinsicht während mindestens zwei Jahren und eine neue Führerprüfung nach Erwerb des Lernfahrausweises. Diese Verfügung wurde vom Regierungsrat des Kantons Luzern mit Entscheid vom 16. Mai 1977 bestätigt. Der Regierungsrat erachtet den Ausweisentzug vor allem als Sicherungsmassnahme wegen charakterlicher Nichteignung als gerechtfertigt. Er wirft F. einerseits allgemeine Charakterfehler wie Arbeitsscheu und Müssiggang vor. Andererseits folgert er daraus, dass F. ein Fahrzeug zur Mitwirkung bei Einbrüchen verwendet habe, dieser neige auch im Verkehr zu pflichtwidrigem und rücksichtslosem Verhalten. Gegen den regierungsrätlichen Entscheid erhob F. am 20. Juni 1977 Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht. Er bestreitet nicht, dass ihm aufgrund seines deliktischen Verhaltens der Führerausweis entzogen werden musste. Indessen macht er geltend, die lange Dauer des Entzuges treffe ihn unverhältnismässig hart, da er inzwischen ein Geschäft aufgebaut habe, für dessen Betrieb er auf die Benützung eines Wagens angewiesen sei. Er bestreitet ferner den Vorwurf der Vorinstanz, dass er wegen Arbeitsscheu und Müssiggangs als Motorfahrzeugführer nicht geeignet sei. Das sei nicht nachgewiesen BGE 104 Ib 95 S. 97 und treffe auch nicht zu. Er stellt den Antrag, der Führerausweis sei ihm nach Ablauf eines halben Jahres ohne Weiterungen zu erteilen. Eventuell sei ihm der Ausweis nach einem halben Jahr unter Auflage von Bedingungen zu erteilen. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Nach Art. 16 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 14 Abs. 2 lit. d SVG ist der Führerausweis zu entziehen, wenn der Führer nach seinem bisherigen Verhalten nicht Gewähr bietet, dass er als Motorfahrzeugführer die Vorschriften beachten und auf die Mitmenschen Rücksicht nehmen werde. Diese Sicherungsmassnahme wird auf unbestimmte Zeit angeordnet, da nicht voraussehbar ist, ob und wann sich der Charakter des Betroffenen zum Guten wandle. Der Zweck des Sicherungsentzugs ist in erster Linie, die Verkehrssicherheit zu gewährleisten. Somit kommt er nur in Betracht, wenn bei einer Person Charaktermerkmale, die für die Eignung im Verkehr erheblich sind, darauf hindeuten, dass sie als Motorfahrzeugführer die Vorschriften nicht beachten und auf ihre Mitmenschen keine Rücksicht nehmen werde (vgl. BGE 102 Ib 63 E. 3). Selbst wenn im vorliegenden Fall die Arbeitsscheu des Beschwerdeführers nachgewiesen wäre, liesse sich jedoch daraus nicht schliessen, ihm fehle die charakterliche Eignung zum Führen eines Motorfahrzeuges. Auch aus Verstössen gegen das Strafgesetz kann nicht in verallgemeinernder Weise gefolgert werden, dem Täter fehle die Eignung als Lenker im Verkehr. Aus verübten Straftaten lassen sich zwar Rückschlüsse auf bestimmte Charaktereigenschaften eines Täters ziehen; hinsichtlich dessen Eignung als Motorfahrzeugführer haben sie aber nur die Bedeutung von Indizien. Die dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Taten wiesen in keiner Weise darauf hin, dass er als Lenker eine Gefahr für den Verkehr darstellen werde. Ein Sicherungsentzug gemäss Art. 16 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 14 Abs. 2 lit. d SVG war deshalb nicht am Platz. 2. Allerdings bediente sich die frühere Praxis bei Verwendung eines Fahrzeugs zu deliktischen Zwecken regelmässig der Fiktion, beim Täter liege ein Charakterfehler im Sinne von Art. 14 Abs. 2 lit. d SVG vor. Auf den erwähnten Tatbestand kamen deshalb jeweils die Bestimmungen über den Sicherungsentzug zur Anwendung. Aus den in Erwägung 1 genannten BGE 104 Ib 95 S. 98 Gründen war diese Praxis fragwürdig. Dem wollte der Gesetzgeber abhelfen, indem er mit dem Bundesgesetz vom 20. März 1975 (Inkrafttreten am 1. August 1975) den in Art. 16 Abs. 3 SVG aufgezählten Entzugsgründen lit. f neu beifügte. Nach dieser Bestimmung muss der Ausweis entzogen werden, wenn der Führer ein Motorfahrzeug zur Begehung eines Verbrechens oder mehrmals zu vorsätzlichen Vergehen verwendet hat. Mit dieser ausdrücklichen Regelung wurde die frühere Praxis hinfällig. Der neu eingefügte Entzugstatbestand dient nicht in erster Linie der Förderung der Verkehrssicherheit, sondern bezweckt eine wirksamere Verbrechensbekämpfung (BBl 1973 II S. 1183). Es handelt sich somit um eine der strafrechtlichen Sanktion ähnliche, aber dennoch von ihr unabhängige Verwaltungsmassnahme, die mit Rücksicht auf ihre Stellung im System der Bestimmungen über den Führerausweisentzug anzuwenden ist (siehe dazu BGE 102 Ib 60 f.). Da nach der neuen Regelung die besonderen Voraussetzungen für den Sicherungsentzug nicht gegeben sein müssen, ist die Massnahme nach Art. 16 Abs. 3 lit. f SVG auch dann zu verhängen, wenn das Verhalten eines Delinquenten einen Sicherungsentzug nach Art. 16 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 14 Abs. 2 lit. d SVG nicht rechtfertigt, weil die Straftaten, welche unter Verwendung eines Fahrzeugs begangen worden sind, nicht darauf schliessen lassen, dass eine Neigung zu verkehrsgefährdendem Verhalten vorliege. In solchen Fällen müssen alsdann die Regeln über die zeitlich beschränkten Warnungsentzüge entsprechende Anwendung finden (vgl. BGE 102 Ib 61 ). Ein Sicherungsentzug bleibt selbstverständlich weiterhin möglich, wenn dessen besondere Voraussetzungen (Art. 14 Abs. 2 lit. d/ Art. 16 Abs. 1 SVG ) gegeben sind. 3. Im vorliegenden Fall sind die Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 16 Abs. 3 lit. f SVG ohne Zweifel gegeben. Ein befristeter Entzug des Führerausweises ist demnach unumgänglich. Nach Art. 17 Abs. 1 SVG ist der Entzug auf eine bestimmte Dauer festzusetzen; diese bemisst sich nach den Umständen. Bei deren Würdigung sind insbesondere die Schwere des Verschuldens, der Leumund als Motorfahrzeugführer sowie die berufliche Notwendigkeit, ein Motorfahrzeug zu führen, zu berücksichtigen ( Art. 33 Abs. 2 VZV ). BGE 104 Ib 95 S. 99 Da der Beschwerdeführer von Anfang an die Rechtswidrigkeit der gemeinsam mit seinen Komplizen begangenen Taten in ihrer ganzen Tragweite erkennen musste, wiegt sein Verschulden schwer. Anderseits ist zu beachten, dass der Strafrichter dem Beschwerdeführer aufgrund einer gründlichen Prüfung der persönlichen Verhältnisse den bedingten Strafvollzug gewährt hat. Damit stellt ihm der Richter eine günstige Prognose für die Zukunft; der spezialpräventiven Funktion der Strafe wird vorrangige Bedeutung eingeräumt. Da es sich hier um einen Führerausweisentzug wegen der Begehung gemeinrechtlicher Delikte und nicht um einen Entzug wegen Fehlverhaltens im Verkehr handelt, hat sich die Administrativbehörde in erhöhtem Masse vom Strafurteil leiten zu lassen. Wenn der Richter die Rechtswohltat des Strafaufschubs als angemessen erachtet, hat die Behörde dies bei der Festsetzung der Dauer des Ausweisentzugs angemessen zu berücksichtigen. Ausserdem fällt in Betracht, dass der automobilistische Leumund des Beschwerdeführers bisher durch keine verkehrsrechtlichen Massnahmen getrübt worden ist. 4. Daraus ergibt sich, dass die von den luzernischen Behörden angeordnete Massnahme ihrer Natur und Dauer nach Bundesrecht verletzt. Da die Festsetzung der Dauer eines Warnungsentzugs im Ermessen der Behörde liegt, ist die Sache zu neuer Entscheidung an das Amt für Verkehr zurückzuweisen. Zieht man in Betracht, dass die Dauer des Entzugs nunmehr ungefähr 16 Monate beträgt, wird sich ein längerer Entzug kaum mehr rechtfertigen lassen. Eine neue Fahrprüfung als Bedingung der Wiedererteilung des Ausweises kann nur angeordnet werden, wenn begründete Zweifel an der Eignung des Beschwerdeführers bestehen ( Art. 14 Abs. 3 SVG ). Auch darüber wird das Amt nach pflichtgemässem Ermessen zu entscheiden haben. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Beschwerde wird in dem Sinne gutgeheissen, dass die Sache zu neuer Verfügung gemäss den Erwägungen an das Amt für Verkehr des Kantons Luzern zurückgewiesen wird.
public_law
nan
de
1,978
CH_BGE
CH_BGE_003
CH
Federation
df278f80-8ef2-425b-b30a-b8038446a07b
Urteilskopf 91 II 457 63. Urteil der II. Zivilabteilung vom 16. Dezember 1965 i.S. Venerabile Arciconfraternità della Misericordia di Firenze gegen Ugo Persichelli und Konsorten.
Regeste Beerbung eines Schweizerbürgers mit letztem Wohnsitz im Ausland. 1. Bei letztem Wohnsitz in Italien gilt für die Beerbung eines Schweizerbürgers der Gerichtsstand des Heimatortes und daher auch das schweizerische Recht. Niederlassungs- und Konsularvertrag der Schweiz mit Italien vom 22. Juli 1868; Art. IV des Protokolls betreffend die Vollziehung dieses Staatsvertrages. Gleiche Lösung nach Art. 28 NAG in Verbindung mit der italienischen Gesetzgebung. Welcher von mehreren schweizerischen Heimatorten ist massgebend? Art. 22 Abs. 3 ZGB . (Erw. 1). 2. Unter dem Recht des Heimatkantons nach Art. 28 Ziff. 2 NAG ist das im Heimatkanton geltende Recht zu verstehen. An die Stelle des beim Erlass des NAG geltenden kantonalen ist nun das zur Hauptsache vereinheitlichte Recht des ZGB getreten. (Erw. 2 und 3). 3. Entstehungsgeschichte des Art. 59 Abs. 2 ZGB 'SchlT. Diese Bestimmung wurde als Bestandteil des Gesetzes in gültiger Form veröffentlicht und ist rechtsverbindlich (Erw. 4). Sie bezieht sich nur auf Erblasser mit letztem Wohnsitz in der Schweiz und räumt einem Schweizerbürger, der in einem andern Kanton als seinem Heimatkanton wohnhaft ist, das Recht ein, die Erbfolge in seinen Nachlass durch Verfügung von Todes wegen der allfällig von seinem Heimatkanton im Rahmen des Art. 472 ZBG aufgestellten Sonderregelung zu unterstellen. (Erw. 5). 4. Die Beerbung eines Auslandschweizers untersteht, sofern sie nicht dem ausländischen Recht unterworfen ist, dem eidgenössischen Recht und speziell in bezug auf den Pflichtteilsanspruch der Geschwister dem Art. 471 Ziff. 3 ZGB , nicht der allfällig von seinem Heimatkanton aufgestellten Sonderregelung. Ist dem Auslandschweizer gleichfalls eine auf Anwendung dieses Sonderrechts abzielende "professio juris" vorbehalten? Frage offen gelassen. (Erw. 6).
Sachverhalt ab Seite 459 BGE 91 II 457 S. 459 A.- Fräulein Hedwig Häusser-Stromboli, geboren am 2. Oktober 1875 in Basel, starb am 22. Januar 1962 in Florenz. Sie war Bürgerin von Zollikon (Kanton Zürich) und Basel. Nach ihrer Übersiedlung von Basel, dem bisherigen Wohnsitz, nach Florenz wurde sie am 16. Mai 1916 von einem in Florenz wohnhaften Ehepaar italienischer Nationalität, Professor Pietro Agostino Stromboli und Frau Bertha Stromboli geborenen Rohr, adoptiert, behielt jedoch ihr schweizerisches Bürgerrecht als ausschliessliches bei. Den Wohnsitz hatte sie hinfort bis zu ihrem Tode in Florenz. B.- Am 26. und 28. August 1949 errichtete Hedwig Häusser-Stromboli in Basel ein öffentliches Testament, wodurch sie ihr in Basel befindliches Vermögen der Gesellschaft zur Beförderung des Guten und Gemeinnützigen und der Freiwilligen Akademischen Gesellschaft vermachte. Mit einem eigenhändigen, am 25. August 1957 in Florenz errichteten Testament verfügte sie sodann über ihr in Italien gelegenes Vermögen, das sie von ihren Adoptiveltern erworben hatte. Als Erbin setzte sie die Venerabile Arciconfraternità della Misericordia di Firenze ein, eine Vereinigung mit juristischer Persönlichkeit zum Wohl der Armen und Kranken; das Testament enthält ferner Vermächtnisse, so deren drei zu Gunsten der Neffen Ugo Persichelli und Giovanni Persichelli sowie der Nichte Santina Saporiti-Persichelli. Es sind dies die Kinder der am 12. Dezember 1962 in Rom verstorbenen Frau Witwe Anna Helena Persichelli-Häusser, einer Schwester der Erblasserin. C.- Bereits diese die Erblasserin überlebende Schwester hatte sich gegenüber dem in Basel errichteten Testament auf ihre Eigenschaft als einzige Erbin berufen - was zutraf, da sowohl die Eltern wie auch zwei ledige Schwestern der Erblasserin vorverstorben waren - und ihren Pflichtteil von einem Viertel verlangt. Die betreffenden Vermächtnisnehmer anerkannten diesen Anspruch und schlossen am 10. Oktober 1962 mit der Ansprecherin einen Teilungsvertrag, wonach diese den verlangten Viertel der vermachten Vermögenswerte erhielt. D.- Am 18. Januar 1963 erhoben Ugo Persichelli, Giovanni BGE 91 II 457 S. 460 Persichelli und Santina Saporiti-Persichelli beim Zivilgericht des Kantons Basel-Stadt Klage gegen die Venerabile Arciconfraternità della Misericordia di Firenze, mit dem Begehren: "Es sei die letztwillige Verfügung des am 22. Januar 1962 verstorbenen Fräulein Hedwig Stromboli vom 25. Januar 1957 um den Pflichtteil der am 12. Dezember 1962 verstorbenen Mutter der Kläger um einen Viertel des Nachlasses herabzusetzen und demgemäss die Beklagte zur Auslieferung von ..., abzüglich ein Viertel der italienischen Erbschaftssteuer auf dem Gesamtnachlass, genaue Abrechnung vorbehalten, zu verurteilen unter o/e Kostenfolge für die Beklagte." Die beklagte testamentarische Erbin beantragte die Abweisung der Klage unter Kostenfolge. E.- Sowohl das Zivilgericht, mit Urteil vom 27. Mai 1964, wie auch das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt, mit Urteil vom 15. Januar 1965, haben die Klage dahin gutgeheissen, dass die letztwillige Verfügung der Hedwig Häusser-Stromboli vom 25. August 1957 um den Pflichtteil der am 12. Dezember 1962 verstorbenen Mutter der Kläger von einem Viertel auf drei Viertel des Nachlasses herabgesetzt werde. Die mit der Herabsetzungsklage verbundene Leistungsklage wurde in erster Instanz abgewiesen und in zweiter Instanz nicht aufrecht erhalten. F.- Mit vorliegender Berufung an das Bundesgericht hält die Testamentserbin am Antrag auf Abweisung der Herabsetzungsklage fest. Der Antrag der Kläger geht auf Bestätigung des die Klage gutheissenden Urteils. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Nach Art. 17 Abs. 4 des Niederlassungs- und Konsularvertrages zwischen der Schweiz und Italien vom 22. Juli 1868 in Verbindung mit Abs. 3 daselbst und nach der hiezu in Art. 1V des Protokolls betreffend die Vollziehung dieses Staatsvertrages angebrachten Ergänzung sind Streitigkeiten, welche zwischen den Erben eines in Italien verstorbenen Schweizers hinsichtlich seines Nachlasses entstehen könnten, vor dem Richter des Heimatortes des Erblassers auszutragen. Über das hiebei anwendbare materielle Recht sprechen sich die erwähnten internationalen Vereinbarungen nicht aus. Es ist jedoch allgemein anerkannt, dass die Zuständigkeit des Richters des schweizerischen Heimatortes die Anwendung des schweizerischen BGE 91 II 457 S. 461 Rechts nach sich zieht (vgl. Verwaltungsentscheide der Bundesbehörden 6/1932 Nr. 98 S. 121, 7/1933 Nr. 81 S. 101/2, 8/1934 Nr. 70 S. 100; A. SCHNITZER, Handbuch des internationalen Privatrechts, 4. A., Bd. II S. 552; R. ANLIKER, Die erbrechtlichen Verhältnisse der Schweizer im Ausland und der Ausländer in der Schweiz, S. 69; F. MASPOLI, Le successioni e il trattato italo-svizzero S. 62). Das gilt ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit und den Wohnsitz der Streitparteien ( BGE 42 I 108 ff.; SCHNITZER, a.a.O.). Die vorliegende Streitigkeit untersteht daher dem schweizerischen Recht. Es ist hiefür ohne Belang, dass sich die Klage gegen eine juristische Person des italienischen Rechtes mit Sitz in Florenz richtet und die Kläger italienische Staatsbürger mit Wohnsitz in Italien sind. Die gleiche Lösung würde sich übrigens beim Fehlen einer staatsvertraglichen Regelung zwischen der Schweiz und Italien bereits aus der in Art. 28 NAG getroffenen Regelung ergeben. Nach dessen Ziff. 2 unterstehen die Schweizer mit (letztem) Wohnsitz im Ausland (in bezug auf die Erbfolge in ihren Nachlass) dem Recht und der Gerichtsbarkeit des Heimatkantons, wenn sie nach der ausländischen Gesetzgebung nicht dem ausländischen Recht unterworfen sind. Hier fallen die dem italienischen Codice civile von 1942 vorausgehenden "Disposizioni sulla legge in generale" in Betracht. Nach ihrem Art. 23 untersteht die Erbfolge unabhängig vom Orte, wo sich die Vermögenswerte befinden, dem Gesetz des Staates, dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes angehörte. ("23. Legge regolatrice delle successioni per causa di morte. - Le successioni per causa di morte (456 s.) sono regolate, ovunque siano i beni, dalla legge dello Stato al quale apparteneva, al momento della morte, la persona della cui eredità si tratta"). Die Parteien sind denn auch darüber einig, dass der vorliegende erbrechtliche Streit von den schweizerischen Gerichten und zwar nach schweizerischem Rechte zu entscheiden ist, und dass, soweit dabei kantonales Recht zur Anwendung kommt, es dasjenige des Kantons Basel-Stadt ist. In der Tat ist nach Art. 22 Abs. 3 ZGB bei einer Mehrzahl schweizerischer Heimatorte derjenige für die Heimatangehörigkeit entscheidend, wo die betreffende Person ihren Wohnsitz hat oder zuletzt hatte, und beim Fehlen eines solchen Wohnsitzes der Ort, dessen Bürgerrecht sie oder ihre Vorfahren zuletzt erwarben. BGE 91 II 457 S. 462 Wie erwähnt, hatte die Erblasserin ihren Wohnsitz vor ihrer Übersiedlung nach Florenz in Basel. 2. Der Streit geht einzig darum, ob der Schwester der Erblasserin als der einzigen sie überlebenden gesetzlichen Erbin ein Pflichtteilsanspruch nach Art. 471 Ziff. 3 ZGB zustand. Trifft dies zu, so ist dieser Anspruch auf die Kläger, die Kinder und einzigen gesetzlichen Erben jener inzwischen verstorbenen Erbin, übergegangen. Auf diesen Sachverhalt stützt sich die vorliegende von den kantonalen Gerichten geschützte Herabsetzungsklage. Demgegenüber beruft sich die beklagte Testamentserbin auf die Sonderregelung, die der Kanton Basel-Stadt gestützt auf Art. 472 ZGB in Verbindung mit Art. 59 Abs. 2 ZGB 'SchlT und Art. 22 NAG in § 125 des EG zum ZGB getroffen hat. Diese Bestimmung lautet: "Geschwister eines Erblassers, der im Kanton Basel-Stadt heimatberechtigt war und entweder in dessen Gebiet seinen letzten Wohnsitz hatte oder, bei anderweitigem Wohnsitz, die Erbfolge in seinen Nachlass dem Rechte von Basel-Stadt unterstellt hatte, haben keinen Pflichtteilsanspruch." Die Beklagte übersieht nicht, dass weder die eine noch die andere der in diesem § 125 alternativ vorgesehenen Voraussetzungen zur Anwendung des heimatlichen kantonalen Sonderrechts erfüllt ist. Nach ständiger Rechtsprechung zu Art. 22 Abs. 2 NAG , auf welchen jener § 125 stillschweigend anspielt, kann der Erblasser die Erbfolge nur durch ausdrückliche dahingehende Verfügung, sog. professio juris, dem Recht des Heimatkantons unterstellen ( BGE 40 II 18 ). Indessen hält die Beklagte dafür, für die Beerbung eines Auslandschweizers gelte, sofern sie nicht dem ausländischen Recht unterworfen ist, nach Art. 28 Ziff. 2 NAG (allenfalls in Verbindung mit Art. 59 Abs. 2 ZGB 'SchlT) das Sonderrecht des Heimatkantons von Gesetzes wegen. 3. Die Beklagte beruft sich in erster Linie auf den Wortlaut des beim Erlass des schweizerischen ZGB unverändert gebliebenen Art. 28 Ziff. 2 NAG : "Sind diese Schweizer" ("Schweizer, welche im Ausland ihren Wohnsitz haben") "nach Massgabe der ausländischen Gesetzgebung dem ausländischen Rechte nicht unterworfen, so unterstehen sie dem Recht und dem Gerichtsstand des Heimatkantons". Danach gilt, sofern die Gesetzgebung des Wohnsitzstaates nicht entgegensteht, der Heimatgerichtsstand und das Heimatrecht BGE 91 II 457 S. 463 vorerst in internationaler Beziehung. Ausserdem ist festgelegt, dass sich der Gerichtsstand im Heimatkanton (und nicht etwa in einem andern Kanton) befindet und das im Heimatkanton geltende Recht (und nicht das Recht eines andern Kantons) anwendbar sei. Dagegen will die in Frage stehende Gesetzesnorm keineswegs kantonales gegenüber eidgenössischem Recht zur Geltung bringen. Unter dem "Recht des Heimatkantons" ist einfach das in diesem Kanton geltende Recht zu verstehen, das beim Erlass des NAG vorherrschend kantonales Recht war, seit Inkrafttreten des schweizerischen ZGB aber nun zur Hauptsache vereinheitlichtes Bundesprivatrecht ist. Daneben gilt kantonales Privatrecht nur noch, soweit das Bundesrecht ihm Raum lässt ( Art. 5 Abs. 1 ZGB ). Diese Abgrenzung der Geltungsbereiche von eidgenössischem und kantonalem Privatrecht ist auch für die Anwendung des Art. 28 Ziff. 2 NAG massgebend, wie bereits in BGE 46 II 218 /19 Erw. 2 ausgesprochen wurde und allgemein anerkannt ist (vgl. STAUFFER, N. 1 zu Art. 28 NAG ; D. AEBLI, Der Pflichtteil der Geschwister und ihrer Nachkommen im schweizerischen Recht, Diss. Zürich 1939/40 S. 95). Daraus folgt zunächst, dass die erbrechtliche Verfügungsfreiheit eines (nicht dem ausländischen Recht unterworfenen) Auslandschweizers sich jedenfalls insoweit nach Bundesprivatrecht, nämlich nach Art. 470/71 ZGB richtet, als das Bundesrecht nicht die Aufstellung kantonalen Sonderrechts vorbehält. Das frühere kantonale Erbrecht ist durch das eidgenössische Erbrecht ersetzt worden; dieses beherrscht, soweit kein Vorbehalt kantonalen Erbrechtes Platz greift, auch die Beerbung von Auslandschweizern, welche nach Art. 28 Ziff. 2 NAG dem Heimatrecht unterstehen. Hinsichtlich des Pflichtteilsanspruchs der Geschwister, wie ihn Art. 471 Ziff. 3 ZGB auf einen Viertel des gesetzlichen Erbanspruches bemisst, behält nun freilich Art. 472 ZGB kantonale Sonderregelungen vor. Diese können in verschiedener Weise von jener bundesrechtlichen Norm abweichen, nämlich entweder (wie § 125 des EG von Basel-Stadt) den Pflichtteilsanspruch der Geschwister aufheben oder ihn auf die Nachkommen der Geschwister ausdehnen. Eine solche Sonderregelung gilt aber nach Art. 472 ZGB nur für die Beerbung von Bürgern des betreffenden Kantons, die zudem ihren letzten Wohnsitz im Kantonsgebiete hatten. Diese zweite Voraussetzung BGE 91 II 457 S. 464 trifft bei Kantonsbürgern, die als Auslandschweizer (d.h. eben mit letztem Wohnsitz im Auslande) gestorben sind, offensichtlich nicht zu. Zu prüfen bleibt, ob, was die Beklagte ferner geltend macht, der Anwendungsbereich der auf Art. 472 ZGB beruhenden kantonalen Sonderregelungen durch Art. 59 (ursprünglich 61) des Schlusstitels des ZGB auf eine auch für den vorliegenden Erbfall massgebliche Weise erweitert wurde. 4. Die ersten zwei Absätze des Art. 59 ZGB 'SchlT lauten: "Das Bundesgesetz betreffend die zivilrechtlichen Verhältnisse der Niedergelassenen und Aufenthalter vom 25. Juni 1891 bleibt für die Rechtsverhältnisse der Schweizer im Auslande und der Ausländer in der Schweiz, und soweit kantonal verschiedenes Recht zur Anwendung kommt, in Kraft. Insbesondere wird das kantonale Pflichtteilsrecht betreffend die Geschwister und ihre Nachkommen als heimatliches Recht der Kantonsangehörigen anerkannt (Art. 22 des genannten Gesetzes)." Aus dem ersten Absatz lässt sich für die Ansicht der Beklagten nichts herleiten. Es ergibt sich daraus für den vorliegenden Fall nur die Weitergeltung des Art. 28 NAG , der, wie soeben dargetan (Erw. 3), in Ziff. 2 nun das vereinheitlichte schweizerische Privatrecht zur Anwendung kommen lässt, kantonales Privatrecht aber nur insoweit, als das ZGB es vorbehält. Der zweite Absatz, dessen Sinn und Tragweite sich aus dem Wortlaut nicht eindeutig ergibt, stand noch nicht in der Gesetzesvorlage, wie sie in der Sommersession 1907 der Bundesversammlung vorlag und im Sinn einer Bereinigung der Differenzen, jedoch mit Vorbehalt der redaktionellen Bereinigung, von beiden Räten genehmigt wurde (Sten. Bull. 1907 StR S. 322, NR S. 411; vgl. den entsprechenden Art. 1826 bis des damals zur Beratung stehenden Entwurfes). Dieser Absatz wurde (zunächst ohne den eingeklammerten Hinweis auf Art. 22 NAG ) durch die Redaktionskommission eingefügt (als zweiter Absatz des Art. 61 des Schlusstitels). Über den Grund dieser Textergänzung sprach sich der Bericht der Redaktionskommission vom 20. November 1907 an die Bundesversammlung nicht aus (BBl 1907 VI S. 367 ff. deutsch, 404/5 französisch). In den Schlussabstimmungen vom 10. Dezember 1907 genehmigten die beiden Räte den ganzen Gesetzestext in der bereinigten Fassung mit Einschluss des den erwähnten Abs. 2 enthaltenden Art. 61 (später 59) des Schlusstitels ohne Diskussion (Sten. BGE 91 II 457 S. 465 Bull. 1907 NR 755/56, StR 542/43). Im Hinblick auf die Veröffentlichung ergänzte dann die Redaktionskommission den Art. 61 Abs. 2 SchlT noch durch den eingeklammerten Hinweis auf Art. 22 NAG (der sich im deutschen und im französischen Texte vorfindet, jedoch im italienischen Texte fehlt). Urheber dieses Klammerzusatzes war (wie neulich erfolgte Archivstudien ergaben) der Präsident der Redaktionskommission, Nationalrat F.E. Bühlmann; Prof. EUGEN HUBER, welcher der Redaktionskommission ebenfalls angehörte, achtete den Zusatz einer Druckfehlerberichtigung gleich (vgl. die Mitteilungen des Bundesarchivars OSCAR GAUYE, La genèse de l'art. 59 tit. fin. CC, ZSR NF 84/I 1965 S. 127 ff.). Mit dem so gefassten Art. 61 (59) SchlT wurde das Gesetz veröffentlicht: zuerst im Bundesblatt (1907 VI S. 884 deutsch, S. 716 französisch) und nach Ablauf der Referendumsfrist in der amtlichen Sammlung der eidg. Gesetze (Bd. 1908 S. 528 deutsch, S. 540 französich, S. 528 italienisch). Der gleiche Text ging in die Bereinigte Sammlung 1848-1947 über (Bd. 2 S. 195 deutsch, S. 187 französisch, S. 191 italienisch). Es unterliegt keinem Zweifel, dass Art. 61 (59) des Schlusstitels trotz seiner ungewöhnlichen Entstehungsgeschichte volle Gesetzeskraft erlangt hat. Denn ein in gültiger Form verkündetes Gesetz ist für jedermann und insbesondere auch für den Richter verbindlich (vgl. BURCKHARDT, Komm. zur BV, 3. A. S. 788; FLEINER/GIACOMETTI, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, S. 931; MEIER-HAYOZ, Komm., N. 84 zu Art. 1 ZGB ). Gesetzesbestandteil ist auch der dem Art. 59 Abs. 2 SchlT in Klammer beigefügte Hinweis auf Art. 22 NAG , der bloss aus Versehen nicht auch im italienischen Text angebracht wurde. 5. In welchem Sinne das kantonale Pflichtteilsrecht der Geschwister und ihrer Nachkommen (also das in Art. 472 ZGB vorbehaltene, an bestimmte Schranken gebundene Pflichtteilsrecht) durch Art. 59 Abs. 2 ZGB 'SchlT "anerkannt" wird, ergibt sich aus der Stellung dieser Bestimmung im Gesetz und aus dem Hinweis auf Art. 22 NAG . Diese letztere Bestimmung galt von jeher nur für die Beerbung von Einwohnern der Schweiz, seien es Schweizerbürger (welche nach Art. 22 Abs. 1 NAG erbrechtlich dem Gesetz ihres Wohnsitzkantons unterstanden, jedoch nach Abs. 2 daselbst befugt waren, die Erbfolge in ihren Nachlass dem Recht ihres Heimatkantons BGE 91 II 457 S. 466 zu unterstellen), seien es Ausländer, denen in analoger Weise die Unterstellung der Erbfolge unter ihr ausländisches Heimatrecht zustand (und weiterhin zusteht, gemäss Art. 32 NAG , mit Vorbehalt von Staatsverträgen; vgl. TUOR, Komm., 2. A., Einleitung N. 35/36 und N. 18 zu Art. 472 ZGB ; ESCHER, 3. A., N. 8 zum gleichen Artikel). Die Beerbung eines Auslandschweizers fiel dagegen unter die spezielle Norm des Art. 28 NAG . Geht man bei der Auslegung des Art. 59 Abs. 2 SchlT hievon aus, so hat diese Bestimmung - da für Ausländer ein heimatliches kantonales Recht nicht in Frage kommt - nur Schweizerbürger mit letztem Wohnsitz in der Schweiz, aber ausserhalb ihres Heimatkantons, im Auge. Art. 59 Abs. 2 SchlT will somit die in einem Kanton getroffene Sonderregelung - wobei nur die dem Erblasser grössere Freiheit gewährende, den Pflichtteilsanspruch der Geschwister aufhebende in Betracht fällt - den Kantonsbürgern mit Wohnsitz in einem andern Kanton durch Einräumung des Rechtes einer professio juris zugänglich machen. Das ist denn auch herrschende Ansicht, wie sie die Kommentare Escher und Tuor schon in der ersten Auflage bei Art. 472 ZGB vertraten (ESCHER, Bem. Abs. 1 und 2; TUOR, N. 10 bis 17). Bei dieser Auslegung lässt sich Art. 59 Abs. 2 SchlT dem Art. 472 ZGB ohne Widerspruch angliedern; sie steht auch im Einklang mit dem von der Redaktionskommission der Bundesversammlung durch Einfügung des zweiten Absatzes in den Art. 61 (59) SchlT (und hernach durch den eingeklammerten Zusatz zu diesem Absatze) verfolgten Zweck (vgl. im Anhang der Abhandlung von F. GUISAN, La réserve des héritiers collatéraux de la deuxième parentèle, ZSR NF 49/1930 S. 307 ff., den Brief des Eidg. Justiz- und Polizeidepartements vom 18. Juli 1911 an die Conférence des Notaires de Genève und den Brief der Justizabteilung dieses Departements vom 26. März 1929 an Prof. F. Guisan; ferner die von O. GAUYE, a.a.O., mitgeteilten Schriftstücke, namentlich eine Notiz von Prof. EUGEN HUBER vom August 1907: "Hilft Art. 1826 bis? Ja, Art. 22, 2", a.a.O. S. 134, und ein Manuskript desselben Autors, a.a.O. S. 135). Es war weder Aufgabe noch Absicht der Redaktionskommission, den Beschlüssen der beiden Räte widersprechende materielle Änderungen an der Gesetzesvorlage vorzunehmen, was ihr Bericht vom 20. November 1907 noch ausdrücklich hervorhebt. Art. 61 (59) Abs. 2 SchlT wurde eingefügt, weil man sich davon Rechenschaft BGE 91 II 457 S. 467 gab, dass Art. 477 bis (nun Art. 472 ZGB ) dem über das Pflichtteilsrecht der Geschwister und ihrer Nachkommen zustande gekommenen Kompromiss nicht völlig Rechnung trage und durch Zulassung einer professio juris bei Wohnsitz des Erblassers in einem andern Kanton zu ergänzen sei. Abweichende Auffassungen, wonach die dem kantonalen Sonderrecht in Art. 472 ZGB aufgestellten Schranken überhaupt nicht mehr gelten würden - so dass ein in einem andern Kanton wohnhafter Erblasser von Gesetzes wegen nach dem Sonderrecht des Heimatkantons zu beerben wäre - sind abzulehnen. Denn eine solche Auslegung des Art. 59 Abs. 2 SchlT liefe auf eine Abänderung des eindeutigen Art. 472 ZGB hinaus. E. WOLF (Der Pflichtteil der Geschwister im interkantonalen Recht nach Art. 472 ZGB , SJZ 19/1922/23 S. 82/83) betrachtet den Art. 472 ZGB als blosse Kollisionsnorm; danach hätte bei übereinstimmender Sonderregelung des Wohnsitz- und des Heimatkantons immer dieses kantonale Recht zu gelten, ohne dass es einer professio juris bedürfte. Noch weiter entfernt sich von Art. 472 ZGB die Ansicht von R. RICKENBACHER (Zum Pflichtteilsrecht der Geschwister nach interkantonalem Recht, ZbJV 65/1929 S. 159 ff.), es gelte nach dem Domizil- oder Territorialprinzip des Art. 22 NAG "im Zweifel" das kantonale Recht des letzten Wohnsitzes des Erblassers. Danach käme der grundlegenden Norm des eidgenössischen Rechtes ( Art. 471 Ziff. 3 ZGB ) nur subsidiäre Bedeutung zu, und es würde dem kantonalen Sonderrecht ein die Grenzen des Art. 472 ZGB überschreitender Anwendungsbereich zugewiesen. Mit eingehender Begründung vertritt sodann F. GUISAN (in der bereits angeführten Abhandlung, ZSR NF 49/1930 S. 307 ff.) die Ansicht, die beiden Normen Art. 472 ZGB und Art 59 Abs. 2 SchlT liessen sich gar nicht miteinander in Einklang bringen. Die letztere Bestimmung setze die grundsätzliche Weitergeltung kantonalen Rechtes voraus, dessen Inhalt freilich nun durch Art. 472 ZGB bindend umschrieben sei. Von den beiden Bestimmungen verdiene diejenige des Schlusstitels als die (nach der Entstehungsgeschichte) neuere und zugleich als die sachlich bessere den Vorzug. Der zwischen den beiden Normen bestehende Widerspruch sei in dem Sinne zu beheben, dass grundsätzlich das kantonale Recht nach dem Domizilprinzip gelte und demgegenüber bloss eine auf Anwendung des Heimatrechtes gerichtete professio juris des Erblassers vorbehalten BGE 91 II 457 S. 468 bleibe. In Art. 472 ZGB seien somit die Worte "für die Beerbung ihrer Angehörigen, die in ihrem Gebiete den letzten Wohnsitz gehabt haben" (und ebenso die in entsprechendem Sinn einschränkenden Bestimmungen der kantonalen Gesetze) als nicht geschrieben zu betrachten (a.a.O. S. 344). Demgegenüber ist in erster Linie zu bemerken, dass Art. 472 ZGB und Art. 59 Abs. 2 SchlT Gesetzesbestimmungen gleichen Datums sind. Dem Gesetzgeber kann nicht der Wille zugeschrieben werden, er habe den in seinem wesentlichen Text unverändert gelassenen Art. 477 bis, wie er in der Sommersession 1907 vorlag (im entsprechenden Art. 472 sind nur die Worte "in ihren Einführungsgesetzen" weggelassen und ist das Wort "Pflichtteilsschutz" ersetzt durch "Pflichtteilsanspruch"), durch Annahme des Art. 61 (59) Abs. 2 SchlT in wesentlichen Teilen aufheben wollen. Zuzugeben ist, dass die durch diese letztere Norm dem Erblasser zugestandene professio juris anderer Art ist als die in Art. 22 Abs. 2 NAG vorgesehene. Während diese Vorschrift von einer Konkurrenz kantonaler Rechte ausging - desjenigen des Wohnsitz- und desjenigen des Heimatkantons -, soll nun eine professio juris zu Gunsten des heimatlichen kantonalen Sonderrechtes gegenüber dem an und für sich bei Wohnsitz des Erblassers in einem andern Kanton geltenden eidgenössischen Recht möglich sein. Gewiss hätte es sich gerechtfertigt, die neuartige professio juris selbständig zu formulieren statt sich des Hinweises auf Art. 22 NAG zu bedienen. Indessen ist trotz der (wie allgemein anerkannt ist) ungeschickten Fassung des Art. 59 Abs. 2 SchlT dem offensichtlichen Willen des Gesetzes Geltung zu verschaffen. In diesem Sinne haben denn auch mehrere Autoren gegenüber F. Guisan Stellung bezogen: so die Kommentare TUOR (2. A., N. 17 c zu Art. 472 ZGB ) und ESCHER (3. A., N. 6 a zum gleichen Artikel); D. AEBLI (a.a.O. S. 62/63 und 66); P. PIOTET (Droit fédéral et droit cantonal sur la réserve héréditaire des frères et soeurs et de leurs descendants. JdT 110/1962, dr. féd., S. 66 ff., namentlich 80 - 82). Nichts Entgegenstehendes ist aus dem (von F. GUISAN a.a.O. S. 334 ff. besprochenen) Urteil i.S. Erben Beltrami gegen Beltrami ( BGE 48 II 434 ff.) zu folgern. Es befasst sich gar nicht mit Art. 472 ZGB und sagt nichts über dessen Verhältnis zu Art. 59 Abs. 2 SchlT aus. In jenem Fall handelte es sich um den Nachlass eines Tessiners mit letztem Wohnsitz im Kanton Graubünden. Der BGE 91 II 457 S. 469 Erblasser hatte die Erbfolge nicht dem (den Pflichtteilsanspruch der Geschwister aufhebenden) Tessiner Recht unterstellt. Somit blieb es beim bundesrechtlichen Pflichtteilsanspruch des Bruders nach Art. 471 Ziff. 3 ZGB . Das Urteil kommt zum gleichen Ergebnis, indem es auf das (den Pflichtteilanspruch der Geschwister unberührt lassende, ja auf deren Nachkommen ausdehnende) Recht des Kantons Graubünden verweist. Diese kantonale Regelung war in Wahrheit nicht massgeblich, was mehrere Autoren mit Recht bemerken, ohne die Richtigkeit der Entscheidung als solcher in Zweifel zu ziehen (vgl. insbebesondere PIOTET, a.a.O. S. 71). 6. Was nun insbesondere die Beerbung eines Auslandschweizers betrifft - Geltung des Heimatrechts gemäss Art. 28 Ziff. 2 NAG vorausgesetzt -, so ergibt sich aus Erw. 3 und 5, dass die soeben erwähnte Bestimmung sich nicht in dem von der Beklagten vertretenen Sinne mit Art. 472 ZGB verbinden lässt, und dass Art. 59 Abs. 2 SchlT mit seinem Hinweis auf Art. 22 NAG sich nicht auf die Beerbung eines Auslandschweizers bezieht. In einem Teil der Literatur (namentlich in ältern Schriften) wird allerdings dieser Bestimmung des Schlusstitels der weitergehende Sinn beigelegt, dass ganz allgemein bei Anwendung des NAG, also auch des Art. 28 dieses Gesetzes, das auf Art. 472 ZGB beruhende Sonderrecht eines Kantons als heimatliches Recht eines Bürgers dieses Kantons zu gelten habe. So bemerkt A. REICHEL (Kommentar, 1916, Bem. 2 zu Art. 59 SchlT, S. 147/48), ein Auslandschweizer, dessen Heimatkanton den Pflichtteilsanspruch auf die Nachkommen der Geschwister ausgedehnt hat, sei in entsprechender Weise in seiner Verfügungsfreiheit eingeschränkt: "Nach Absatz 2 des Art. 59 SchlT haben die Geschwisterkinder einen Anspruch, da das kantonale Pflichtteilsrecht betr. die Geschwister und Geschwisterkinder als Heimatrecht gilt, was auch für Art. 28 gelten muss". Ebenso J. PILLER (La condition des Suisses à l'étranger d'après le droit civil suisse, thèse Fribourg 1918, S. 136/37) und die erste Auflage (1929) des Kommentars TUOR (N. 20 zu Art. 472 ZGB ): "Wenn in solchen Fällen das schweizerische Heimatrecht zur Anwendung kommt, denken wir, dass damit auch die im Heimatkanton des Erblassers etwa bestehende Sonderregelung des Pflichtteilsrechtes miteinzubegreifen ist, und zwar ungeachtet des etwa zu eng gefassten Wortlautes des kantonalen Gesetzes... Dies scheint BGE 91 II 457 S. 470 uns aus Art. 59 II ZGB (gemeint ist: SchlT) unzweifelhaft hervorzugehen." Dieselbe Ansicht vertritt ESCHER (der sich in der ersten Auflage des Kommentars noch nicht zur Frage geäussert hatte), Komm., 2. A., 1937, N. 9 zu Art. 472 ZGB . Indessen hatte bereits E. BECK, Komm. zum Schlusstitel, 1932 (N. 20 zu Art. 59) die gegenteilige Auffassung dargelegt: Schon der Wortlaut des Art. 472 ZGB lasse es nicht zu, die kantonale Sonderregelung auch bei Beerbung eines Auslandschweizers anzuwenden; die "neutrale" Fassung des Art. 59 SchlT besage nichts Gegenteiliges. Zum gleichen Schluss führe die Auslegung des Art. 472 ZGB nach seinem Zweck. Es handle sich dabei um eine einschränkend auszulegende Ausnahmebestimmung gegenüber der Regel des Art. 471 Ziff. 3 ZGB . "Und endlich ist zu berücksichtigen, dass die gegenteilige Lösung dazu führen würde, dass die im Ausland wohnhaften Schweizer, wenn schweizerisches Recht gilt, dem weitergehenden Pflichtteilsrecht ihres Heimatkantons in zwingender Weise unterstellt wären, während die in einem andern Kanton wohnhaften Landsleute nicht dem Recht des Heimatkantons unterstehen. Es liegt näher, sie den in einem andern Kanton wohnhaften Kantonsbürgern als den im Heimatkanton wohnhaften gleichzustellen". In gleichem Sinne äussern sich P. ANLIKER (Die erbrechtlichen Verhältnisse der Schweizer im Ausland und der Ausländer in der Schweiz, 1933, S. 2 - 4), D. AEBLI (a.a.O. S. 95 - 97) und nun auch die Kommentare TUOR (2. A., 1952, N. 20 zu Art. 472 ZGB ) und ESCHER (3. A., 1959, N. 9 zum gleichen Artikel, mit Hinweis auf ein Urteil des Kassationshofes des Kantons Neuenburg: SJZ 25 S. 139). Anderseits spricht sich in der neueren Literatur A. SCHNITZER (Handbuch des internationalen Privatrechts, 4. A., 1958, Bd. 2 S. 515/16) wiederum für die Anwendung des kantonalen Sonderrechts aus, wenn der Erblasser als Auslandschweizer dem Heimatrecht untersteht: "... Nur wenn die Rechtsordnung des Wohnsitzes ihr Wohnsitzrecht nicht auf die Erbfolge anwendet, ist gemäss Art. 28 Ziff. 2 die Erbfolge dem Recht der Heimat unterworfen. Infolge der Vereinheitlichung des Erbrechts bedeutet das sonst die Anwendung des Bundesrechts. Da hier jedoch ein kantonaler Vorbehalt ist, so wird durch Art. 59 klargestellt, dass das kantonale Heimatrecht anerkannt wird. Das hat zur Folge, dass in diesem Falle ohne professio juris das Geschwisterpflichtteilsrecht so zu behandeln ist, wie der BGE 91 II 457 S. 471 Heimatkanton es regelt. ... Der Auslandschweizer untersteht also ohne professio juris dem Recht des Heimatkantons bei Verweisung der ausländischen Rechtsordnung auf das Recht der Heimat, während der Schweizerbürger, der in einem andern Kanton als im Heimatkanton stirbt, zur Herbeiführung dieses Ergebnisses die professio juris ausnützen müsste. Dieses Ergebnis ist aber verständlich, da im letzteren Fall eine Konkurrenz zwischen Wohnsitz- und Heimatkanton besteht, die ja gerade dazu geführt hat, die unglücklich redigierten Bestimmungen zugunsten des Heimatkantons zu treffen. Diese Konkurrenz besteht bei Wohnsitz im Ausland nicht". Demgegenüber bekennen sich andere Autoren zur vorherrschend gewordenen Ansicht, wonach für die Beerbung eines Auslandschweizers (Geltung des Heimatrechts vorausgesetzt) das Sonderrecht des Heimatkantons nicht von Gesetzes wegen gilt, einem solchen Erblasser aber immerhin (wie allgemein angenommen wird) gleich wie bei Wohnsitz in einem andern Kanton als dem Heimatkanton die Unterstellung der Erbfolge unter das heimatliche kantonale Sonderrecht offensteht. So RATHGEB (Professio juris et convention internationale, Université de Lausanne, Recueil des Travaux 1958, S. 79, Fussnote 1), welcher die Begrenzung des kantonalen Rechtsbereiches durch Art. 472 ZGB in Verbindung mit Art. 22 Abs. 2 NAG hervorhebt, und PIOTET (a.a.O. S. 85), welcher namentlich der von A. SCHNITZER getroffenen Unterscheidung zwischen der Rechtslage des in einem andern Kanton wohnhaften Kantonsbürgers und derjenigen des Auslandschweizers entgegentritt. Der vorherrschenden Ansicht ist darin beizustimmen, dass es entgegen den Ausführungen von A. SCHNITZER seit Inkrafttreten des ZGB auf dem Gebiete des Pflichtteilsrechtes der Geschwister und ihrer Nachkommen keine Konkurrenz zwischen kantonalem Wohnsitzrecht und kantonalem Heimatrecht mehr gibt, sondern nur noch die Wahl zwischen kantonalem Heimatrecht und dem eidgenössischen Recht in Frage kommt. Von interkantonalen Gesetzeskonflikten kann auf diesem Rechtsgebiete nicht mehr gesprochen werden, weshalb eben die in Art. 59 Abs. 2 SchlT vorbehaltene professio juris einen neuartigen Charakter hat (Erw. 5). Im übrigen darf die unbestimmte Fassung dieser Bestimmung ("Insbesondere wird ... anerkannt") nicht dazu verleiten, ihr ausser dem Vorbehalt einer dem Art. 22 Abs. 2 NAG nachgebildeten, in entsprechender BGE 91 II 457 S. 472 Form abzugebenden professio juris auch noch eine für die Anwendung des Art. 28 NAG massgebliche Auslegungsregel zu entnehmen. Einmal lag es nicht in der Absicht der Redaktionskommission der Bundesversammlung, durch Einfügung des Art. 61 (59) Abs. 2 SchlT den gemäss Art. 472 ZGB begrenzten gesetzlichen Anwendungsbereich des kantonalen Sonderrechtes zu erweitern (Erw. 5). Sodann hätte eine Ausdehnung des Sonderrechts auf die dem Heimatrecht unterstehenden Auslandschweizer ihren Platz richtigerweise in Art. 472 ZGB selbst oder aber in Art. 28 NAG finden müssen. Jedenfalls darf eine das gesetzliche Geltungsgebiet kantonalen Sonderrechts nicht eindeutig in solchem Sinn erweiternde Regel nicht in eine Bestimmung des Schlusstitels hineingelegt werden, welche ihre einleuchtende und erschöpfende Erklärung in jener an Art. 22 Abs. 2 NAG anknüpfenden Einräumung eines Verfügungsrechts besonderer Art an den in einem andern Kanton wohnenden und darum nicht von Gesetzes wegen dem heimatlichen Sonderrecht unterstehenden Erblasser findet. Dem Aufbau der erbrechtlichen Normen des ZGB mit Einschluss des Art. 59 Abs. 2 SchlT entspricht es somit, es für die Beerbung von Auslandschweizern bei der eidgenössischen Regel des Art. 471 Ziff. 3 ZGB bewenden zu lassen. Es kann sich hiebei nur fragen, ob auch einem Auslandschweizer in analoger Anwendung jener Bestimmung des Schlusstitels eine auf Unterstellung der Erbfolge unter das allfällige Sonderrecht seines Heimatkantons gerichtete Verfügung zuzugestehen sei. Für die Bejahung dieser Frage (wofür sich die Vertreter der vorherrschenden Ansicht durchwegs aussprechen) lassen sich gewichtige Gründe anführen. Vor allem stehen in beiden Fällen die gleichen Interessen auf dem Spiel, und die von Art. 59 Abs. 2 SchlT zugelassene professio juris neuer Prägung beruht, wie gesagt, trotz dem (eben nicht ganz zutreffenden) Hinweis auf Art. 22 NAG nicht auf einem Konflikt kantonaler Gesetze. Über diese Frage braucht indessen hier nicht entschieden zu werden, da ja keine Unterstellungsverfügung vorliegt. Es genügt festzustellen, dass der von der Beklagten verfochtene Rechtssatz weder dem Art. 28 NAG in Verbindung mit dem nun zur Hauptsache vereinheitlichten Erbrecht des ZGB mit der Abgrenzungsregel des Art. 472 ZGB , noch dem an und für sich gar nicht die Beerbung von Auslandschweizern betreffenden, auf solche Erbfälle höchstens analog (im gleichen Sinne wie für BGE 91 II 457 S. 473 Kantonsbürger mit Wohnsitz in einem andern Kanton) anwendbaren Art. 59 Abs. 2 SchlT zu entnehmen ist. Nichts Abweichendes wurde im Falle Gilly und Konsorten gegen Bosio entschieden ( BGE 46 II 213 ff.). Damals war der auf kantonales Recht gestützte Pflichtteilsanspruch der Kläger (Nachkommen einer Schwester und eines Bruders des mit Wohnsitz in Italien verstorbenen Erblassers, eines Bürgers des Kantons Graubünden) vor Bundesgericht nicht mehr streitig (S. 223/24 daselbst). Diese Erwägungen führen zur Anwendung des Art. 471 Ziff. 3 ZGB , also zur Bejahung des auf die Kläger übergegangenen Pflichtteilsanspruchs ihrer Mutter und somit zur Gutheissung der Herabsetzungsklage. Von einer Gesetzeslücke, wie sie PIOTET (a.a.O. S. 84 Mitte) in bezug auf die Beerbung von Auslandschweizern (mit gleichem Endergebnis) annimmt, kann nicht mit gutem Grunde gesprochen werden. Es gilt eben das vereinheitlichte Erbrecht des ZGB, soweit keine vom Bundesrecht vorbehaltene Regel des kantonalen Rechtes innert der diesem gezogenen Schranken Platz greift ( Art. 5 Abs. 2 ZGB ). Nur dann könnte angesichts des grundsätzlich geltenden Bundesprivatrechts eine durch kantonales Recht auszufüllende Gesetzeslücke für den in Frage stehenden Erbfall angenommen werden, wenn unabweisliche Gründe die von der Beklagten verfochtene Lösung so gebieterisch erheischten, dass das Fehlen einer dahingehenden gesetzlichen Regel sich nur durch ein Versehen des Gesetzgebers erklären liesse. Das ist nun aber nicht der Fall. Gewiss ist mancher Auslandschweizer mit seinem Heimatkanton ebenso stark gefühlsmässig verbunden wie ein auf Schweizergebiet, in einem andern Kanton, wohnender Bürger desselben Kantons. Und im allgemeinen dürfte es jenem schwerer fallen als diesem, sich nach dem schweizerischen internationalen Erbrecht und nach dem Inhalt des allenfalls massgeblichen internen schweizerischen Rechtes zu erkundigen. Wenn man es deshalb als gerechtfertigt erachten möchte, den Auslandschweizer nicht auf eine (hier als ihm zustehend vorausgesetzte) professio juris zu verweisen, um sich die dem heimatlichen kantonalen Sonderrecht entsprechende Verfügungsfreiheit zu verschaffen, so erhebt sich jedoch die Frage, ob die nämliche Rechtsstellung nicht auch einem auf Schweizergebiet, in einem andern Kanton, wohnenden Bürger desselben Kantons eingeräumt werden sollte, was aber nur durch Änderung des Art. 472 ZGB geschehen könnte. Anderseits wäre BGE 91 II 457 S. 474 es nicht unbedenklich - und rechtfertigt sich daher nicht die Annahme einer in solchem Sinne auszufüllenden Gesetzeslücke -, den Angehörigen eines Kantons, welcher die entgegengesetzte Regelung getroffen, also den Pflichtteilsanspruch der Geschwister auf ihre Nachkommen ausgedehnt hat, bei letztem Wohnsitz im Ausland zwingend über Art. 472 ZGB hinaus dieser sonderrechtlichen Beschränkung der Verfügungsfreiheit zu unterwerfen, obwohl eine solche Beschränkung nach der soeben erwähnten Abgrenzungsnorm nicht gilt für seine Mitbürger mit letztem Wohnsitz auf Schweizergebiet in einem andern Kanton, und zwar selbst dann nicht, wenn dieser Kanton dieselbe Sonderregelung getroffen hat wie der Heimatkanton. Wie auch immer man diese Fragen vom gesetzgebungspolitischen Standpunkt aus betrachten mag, verbietet es nach geltendem Gesetz die beherrschende Stellung des Bundesprivatrechts, bei der Beerbung von Auslandschweizern kantonales Sonderrecht als gesetzliche Regel anzuwenden, da es an einem für solche Erbfälle aufgestellten Vorbehalt des kantonalen Rechtes fehlt. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 15. Januar 1965 bestätigt.
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Federation
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Urteilskopf 112 Ia 240 38. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 9. Dezember 1986 i.S. B. und Mitbeteiligte gegen Grosser Rat des Kantons St. Gallen (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste Art. 85 lit. a OG ; Initiative auf Abschaffung der Eigenmietwertbesteuerung; Art. 4, 22ter und 34sexies BV . Eine vollständige und undifferenzierte Abschaffung der Besteuerung des Eigenmietwertes verstösst gegen das Rechtsgleichheitsgebot (E. 3-5). Verhältnis der Initiative zu Art. 22ter BV (Eigentumsgarantie) und Art. 34sexies BV (Wohnungs- und Hauseigentumsförderung) (E. 6).
Sachverhalt ab Seite 240 BGE 112 Ia 240 S. 240 Die in Form einer allgemeinen Anregung gehaltene Gesetzesinitiative "Volksinitiative für breitere Streuung und massvolle BGE 112 Ia 240 S. 241 Besteuerung von Wohnungseigentum" umfasst die folgenden Begehren: 1. Sparförderung Der Kanton fördert eine stärkere Verankerung und breitere Streuung des selbstgenutzten Wohneigentums, indem er das Sparen zum Zweck des Erwerbs von Wohneigentum für den Eigenbedarf steuerlich entlastet. Dadurch sollen vermehrt einkommensschwächere und jüngere Familien Wohneigentum erwerben können. 2. Entlastungsmassnahmen Der Kanton verzichtet darauf, das Wohnen im eigenen Heim mit Einkommenssteuer zu belasten. Dafür können Schuldzinsen und Unterhaltskosten nur abgezogen werden, soweit sie einen im Gesetz festzulegenden Betrag oder Anteil übersteigen. In den ersten Jahren nach dem Erwerb von Wohnungseigentum für den Eigenbedarf wird auf die Vermögenssteuer verzichtet, soweit das Vermögen einen im Gesetz festzulegenden Betrag nicht übersteigt. Die Grundsteuer wird aufgehoben. 3. Wohneigentümer im Pensionsalter Bei der steuerlichen Veranlagung von selbstgenutztem Wohneigentum ist angemessen Rücksicht zu nehmen auf die persönlichen Verhältnisse von Eigenheimbesitzern und deren Ehegatten im Pensionsalter. Der Grosse Rat des Kantons St. Gallen erklärte mit Beschluss vom 7. Mai 1985 das Initiativbegehren wegen Verstosses gegen Art. 4 BV als rechtswidrig und schrieb es ab. Verschiedene Stimmbürger erhoben dagegen staatsrechtliche Beschwerde. Sie sind der Meinung, die Initiative könne in dem zu erlassenden Gesetz verfassungskonform konkretisiert werden, weshalb ihre Ungültigerklärung das Stimmrecht der Beschwerdeführer verletze. Das Bundesgericht weist die staatsrechtliche Beschwerde ab. Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Umstritten und zu prüfen ist lediglich die Frage, ob der Verzicht auf die Belastung des Wohnens im eigenen Heim mit der Einkommenssteuer gemäss Ziffer 2 des Initiativbegehrens die Rechtsgleichheit verletzt und gegen Art. 4 BV verstösst. a) Der Regierungsrat führt in seiner Botschaft vom 11. Dezember 1984 dazu aus, der Verzicht auf die Besteuerung des Eigenmietwertes bedeute eine Begünstigung des Grundeigentümers, der seine Liegenschaft bewohne. Werde davon ausgegangen, dass die Besteuerung des Eigenmietwertes der rechtsgleichen Behandlung des Mieters einerseits und des Haus- oder Wohnungseigentümers, der seine Liegenschaft selber nutze, anderseits diene, BGE 112 Ia 240 S. 242 so stelle deren Preisgabe die Allgemeinheit der Steuer, die Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und die Steuergerechtigkeit in Frage. Dies bedeute einen einschneidenden Einbruch in das heute in allen Kantonen verankerte System der Gesamtreineinkommensbesteuerung, wonach ohne Unterschied, ob das Einkommen dem Steuerpflichtigen in Form von Geld oder von Naturalien zufliesse, alle Einkünfte der Steuerpflicht unterstellt seien. Auch die Nutzung von Grundeigentum stelle aber eine Einkunft dar. b) Das Bundesgericht hat im Entscheid vom 13. April 1983 i.S. AVLOCA ausgeführt, die Besteuerung des Eigenmietwertes sei eine Besonderheit, weil andere Nutzungserträge nicht steuerrechtlich erfasst werden. Der Mietwert einer Liegenschaft sei jedoch nicht, wie von gewisser Seite behauptet werde, ein fiktives Einkommen. Der Eigentümer, der seine eigene Wohnung bewohne, ziehe daraus zwar kein Bareinkommen; er erhalte hingegen aus seinem Immobiliarvermögen ein Naturaleinkommen, das zu seinen übrigen Einkünften hinzukomme. Dabei handle es sich um einen Nutzungsertrag, der einen wirtschaftlichen Wert habe und der dem Mietzins entspreche, den der Eigentümer bei der Vermietung seiner Liegenschaft an einen Dritten hätte erzielen können. Mit der Benützung spare der Eigentümer eine unerlässliche Ausgabe - die Miete -, die jeder andere Steuerpflichtige aufwenden müsse. Die Besteuerung des Mietwertes stelle so einen integrierenden Bestandteil der Gesamtreineinkommensbesteuerung dar (Steuer Revue 1984, S. 139 ff. E. 5). Diese Ausführungen sind überzeugend, weshalb kein Anlass besteht, von dieser Beurteilung abzuweichen. Sie entspricht auch der herrschenden Lehre. Es sei hierfür verwiesen auf folgende Autoren und Publikationen: ERICH SUTER, Die Besteuerung der Selbstnutzung von Grundeigentum als Einkommen, Diss. Zürich 1958, namentlich S. 16 ff., 23 und 25; URS BÖLSTERLI, Die steuerliche Behandlung der Eigennutzung von Wohnliegenschaften in rechtsvergleichender Sicht, ASA Bd. 48 (1979/80) S. 225 ff.; HEINZ WEIDMANN, Besteuerung des Eigenmietwertes und Förderung des Wohneigentums, Steuer Revue 1980, S. 342 ff., insbesondere S. 345 f. mit Hinweisen auf weitere Autoren wie Höhn und Reimann/Zuppinger/Schärer; SILVIO GRAF, Einkommenssteuerliche Erfassung der Nutzung von Wohnraum durch den Eigentümer, ASA Bd. 54 (1985/86) S. 177 ff.; Gutachten F. Zuppinger von Ende August 1984, erstattet in dieser Sache, S. 16 ff.; BGE 112 Ia 240 S. 243 Gutachten Daniel Thürer vom 31. Mai 1985 an die Finanzdirektion des Kantons Bern zu Volksbegehren für Sparen und Wohneigentum, S. 19 ff. c) Das St. Galler Steuergesetz steht auf dem in der Schweiz herrschenden Standpunkt der Gesamtreineinkommensbesteuerung, nach welchem grundsätzlich alles Einkommen, sei es Bar- oder Naturaleinkommen, unabhängig von der Quelle, aus welcher es fliesst, der Einkommenssteuer unterliegt (Art. 20). Mit dem Verzicht auf die Besteuerung des Ertrages aus dem selbstbenutzten Wohnungseigentum wird in dieses System in nicht leicht zu nehmender Weise eingebrochen, was zu Ungleichheiten in der Besteuerung führt. Muss der Haus- oder Wohnungseigentümer den Nutzen, den er aus dem selbstbewohnten Heim zieht, nicht als Einkommen versteuern, so bleibt der Ertrag des investierten Eigentums unbelastet und wird der Eigentümer gegenüber dem Mieter, der seinen Wohnaufwand, den Mietzins, nicht von Einkommen abziehen kann, begünstigt. Dies gilt erst recht dann, wenn der Wohnungseigentümer, wie es die Initiative in Satz 2 von Ziffer 2 vorsieht, Schuldzinsen und Unterhaltskosten, welche einen bestimmten Betrag oder Anteil übersteigen, vom Einkommen abziehen darf (Gutachten Zuppinger, S. 18 ff.). Eine Ungleichbehandlung entsteht aber auch gegenüber dem Einkommen aus vermieteten Liegenschaften, deren Ertrag versteuert werden muss (Gutachten Thürer, S. 21 f.), ferner unter den Wohnungseigentümern selbst, je nachdem ob ihre Liegenschaften mehr oder weniger hypothekarisch belastet sind. Wird das Wohneigentum durch Eigenkapital und nicht durch Hypotheken finanziert, so entgeht dieses Eigenkapital der Ertragsbesteuerung, wogegen derjenige, der zur Finanzierung durch Aufnahme von Hypotheken gezwungen ist, von der Befreiung nicht profitiert. Der vorgeschlagene Besteuerungsverzicht begünstigt demnach vor allem den wohlhabenden Hauseigentümer (Gutachten Zuppinger, S. 18 und 20 mit Beispielen, S. 23 ff., Gutachten Thürer, S. 26 f.). 4. Im Hinblick auf die Beurteilung, ob die aufgezeigten Ungleichbehandlungen eine Art. 4 BV verletzende Rechtsungleichheit darstellen, ist auf die Tragweite des Grundsatzes der Rechtsgleichheit im Steuerrecht einzugehen. a) Ein Erlass verstösst gegen das Gebot der Rechtsgleichheit, wenn er rechtliche Unterscheidungen trifft, für die ein vernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen nicht ersichtlich ist, oder Unterscheidungen unterlässt, die sich aufgrund der Verhältnisse BGE 112 Ia 240 S. 244 aufdrängen, wenn also Gleiches nicht nach Massgabe seiner Gleichheit gleich und Ungleiches nicht nach Massgabe seiner Ungleichheit ungleich behandelt wird, wobei sich dies auf wesentliche Tatsachen beziehen muss. Die Frage, ob für eine rechtliche Unterscheidung ein vernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen ersichtlich ist, kann zu verschiedenen Zeiten verschieden beantwortet werden, je nach den herrschenden Anschauungen und Zeitverhältnissen. Dem Gesetzgeber bleibt damit im Rahmen der aufgeführten Grundsätze ein weiter Spielraum der Gestaltung, den das Bundesgericht nicht durch eigene Gestaltungsvorstellungen schmälert ( BGE 110 Ia 13 E. 2b mit Hinweisen). b) Bezüglich der Steuern wird Art. 4 BV konkretisiert durch die Grundsätze der Allgemeinheit und Gleichmässigkeit der Besteuerung sowie den Grundsatz der Verhältnismässigkeit der Steuerbelastung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Auch im Abgaberecht hat der Gesetzgeber weitgehende Gestaltungsfreiheiten. Er kann bis zu einem gewissen Grade schematische, auf Durchschnittserfahrungen abstellende Normen schaffen, die leicht zu handhaben sind ( BGE 110 Ia 14 mit Hinweisen). Nach dem Prinzip der Allgemeinheit der Besteuerung ist aber eine sachlich unbegründete Ausnahme einzelner Personen oder Personengruppen von der Besteuerung unzulässig, da der Finanzaufwand des Gemeinwesens für die allgemeinen öffentlichen Aufgaben grundsätzlich von der Gesamtheit der Bürger getragen werden soll. Nach den Grundsätzen der Gleichmässigkeit der Besteuerung und der Verhältnismässigkeit der Belastung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sind Steuerpflichtige bei gleichen wirtschaftlichen Verhältnissen gleich zu besteuern, wogegen verschiedenen tatsächlichen Verhältnissen, welche sich auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit auswirken, durch eine unterschiedliche Steuerbelastung Rechnung zu tragen ist ( BGE 110 Ia 14 /15; BGE 99 Ia 652 f.). Bezüglich der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ist die Vergleichbarkeit in vertikaler Richtung, d.h. zwischen Personen in verschiedenen finanziellen Verhältnissen, geringer als in horizontaler Richtung, d.h. bei Personen gleicher wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit. Bei den letzteren ist das Gleichbehandlungsgebot entsprechend zwingender und der Spielraum des Gesetzgebers enger ( BGE 110 Ia 14 /15). 5. a) Im Lichte dieser Grundsätze kann nicht zweifelhaft sein, dass die vollständige und undifferenzierte Abschaffung der Besteuerung des Eigenmietwertes ohne ausgleichende Massnahmen den BGE 112 Ia 240 S. 245 Wohnungseigentümer mit hohem Selbstfinanzierungsgrad gegenüber andern Steuerpflichtigen mit gleicher finanzieller Leistungsfähigkeit in einer Weise begünstigt, welche vor Art. 4 BV nicht standzuhalten vermag. Dies wird auch von den Beschwerdeführern nicht ernsthaft bestritten. Sie räumen ein, dass es zutreffen möge, dass der Verzicht auf die Belastung des Eigenmietwertes mit der Einkommenssteuer den Steuerpflichtigen begünstige, der sein Wohneigentum mit eigenen Mitteln finanziere. Es sei aber dem kantonalen Gesetzgeber unbenommen, bei der Besteuerung der Mieter Korrekturen vorzunehmen, soweit er die Begünstigung als zu weitgehend erachte. Auch stehe es im Ermessen des Gesetzgebers, zu entscheiden, ob und allenfalls in welcher Höhe Schuldzinsen und Unterhaltskosten abgezogen werden dürften. In ihrer Beschwerdeergänzung machen die Beschwerdeführer zusätzlich geltend, bei den Initiativbegehren handle es sich um Anregungen, welche die Anliegen der Initianten schlagwortartig umschrieben. Der angeregte Verzicht auf die Einkommensbesteuerung dürfe deshalb als "Verzicht soweit möglich und zulässig" interpretiert werden. b) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts sind Initiativen wegen der Unverletzlichkeit des Stimmrechts stets in der für die Initianten günstigsten Weise auszulegen ( BGE 111 Ia 118 E. 3a; BGE 105 Ia 154 E. 3a, 366 E. 4; BGE 104 Ia 348 E. 4; BGE 103 Ia 440 E. 3b; ALFRED KÖLZ, Die kantonale Volksinitiative in der Rechtsprechung des Bundesgerichts, ZBl 83 (1982) S. 24), wobei bei unformulierten Initiativen der Interpretationsspielraum grösser ist als bei formulierten ( BGE 105 Ia 366 E. 4; ALFRED KÖLZ, a.a.O., S. 24). Bei der Auslegung ist aber vom Initiativtext auszugehen und nicht vom subjektiven Willen der Initianten ( BGE 105 Ia 154 E. 3a, 366 E. 4). Wenn auch Unzulänglichkeiten des Initiativtextes im Rahmen der Ausführungsgesetzgebung korrigiert werden können, so gilt dies dann nicht mehr, wenn ein Initiativbegehren nur dadurch mit der Verfassung in Einklang gebracht werden kann, dass ihm Vorbehalte oder zusätzliche Bedingungen beigefügt werden, welche seine Natur tiefgreifend verändern. Dadurch würde der im Initiativbegehren zum Ausdruck kommende Wille der Unterzeichner in unzulässiger Weise verfälscht ( BGE 105 Ia 366 /67 E. 4). Eine nachträgliche Umdeutung einer Initiative, die dem ursprünglichen Textverständnis und den durch sie geweckten Erwartungen zuwiderläuft, ist abzulehnen ( BGE 109 Ia 145 ). c) Auf eine solche unzulässige Umdeutung des Initiativbegehrens würde es hinauslaufen, wenn man die Anregung, auf die BGE 112 Ia 240 S. 246 Eigenmietwertbesteuerung zu verzichten, so auslegen würde, dass dem Begehren auch mit einer Milderung der Besteuerung Rechnung getragen werden könnte. Auch wenn bei der gesetzgeberischen Konkretisierung einer als allgemeine Anregung formulierten Initiative ein gewisser Gestaltungsspielraum besteht, so heisst dies nicht, dass klar formulierte Begehren beliebig verwässert werden dürften. Dem Begehren der Initiative auf Besteuerungsverzicht kann nur eine vollständige Entlastung, nicht aber eine Teilentlastung im Rahmen des unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung noch Zulässigen Rechnung tragen. Aber auch die Kompensation der Steuerbegünstigung des Wohneigentümers durch eine steuerliche Entlastung der Mieter würde den Spielraum überschreiten, der dem Gesetzgeber bei der Konkretisierung der Initiative zusteht. Der Initiativtext sieht nicht vor, dass dem Mieter ein Abzug von Mietkosten zugestanden werden soll. Die Einfügung einer solchen Bestimmung käme einer zusätzlichen Bedingung gleich, welche die von den Initianten gewünschte steuerliche Förderung des Wohnungseigentums beeinträchtigen und die Natur der Initiative tiefgreifend verändern würde. Die Unterzeichner der Initiative durften damit rechnen, dass bei deren Annahme die Besteuerung des Wohnwertes als Einkommen vollständig entfallen werde, und sie gaben nicht ihr Einverständnis, dass diese Begünstigung durch eine entsprechende Entlastung der Mieter ganz oder teilweise ausgeglichen werde. Eine solche Entlastung der Mieter ist im Initiativbegehren in keiner Weise enthalten und darf daher bei der Beurteilung der Verfassungsmässigkeit nicht in Betracht gezogen werden. Gestützt auf die Initiative ist deshalb keine die Rechtsgleichheit wahrende und damit verfassungskonforme Regelung möglich. 6. Die Beschwerdeführer machen geltend, das Initiativbegehren dürfe nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Steuergerechtigkeit beurteilt werden. Das geltende Verfassungsrecht gewährleiste nicht nur die Allgemeinheit, Gleichmässigkeit und Verhältnismässigkeit der Besteuerung, sondern auch das Eigentum ( Art. 22ter Abs. 1 BV ) und ermächtige den Bundesgesetzgeber, Massnahmen zur Förderung des Erwerbs von Wohnungs- und Hauseigentum zu treffen und zwar unter Mitwirkung der Kantone ( Art. 34sexies BV ). Dass der Erwerb von Wohn- und Hauseigentum gefördert werden solle, entspreche demnach einer "durch die Bundesverfassung verkörperten herrschenden Rechtsanschauung", an der sich auch der kantonale Gesetzgeber orientieren solle, soweit er Differenzierungen BGE 112 Ia 240 S. 247 vornehme. Das in Frage stehende Initiativbegehren verstosse demnach nicht gegen das Verbot sachfremder Differenzierung. Die Beschwerdeführer behaupten damit nicht expressis verbis, die steuerliche Belastung des Wohnens im eigenen Heim verletzte die Eigentumsgarantie. Wohl kann die Eigentumsgarantie nach der neueren bundesgerichtlichen Rechtsprechung Schutz gegen eine konfiskatorische Besteuerung bieten ( BGE 105 Ia 140 ; ferner BGE 106 Ia 348 E. 6a). Weiter geht aber die Bedeutung dieser Verfassungsgarantie im Steuerwesen nicht. Von einem konfiskatorischen Charakter der Besteuerung des Eigenmietwertes als Einkommen kann aber keine Rede sein. Die Beschwerdeführer machen auch keine entsprechenden Ausführungen. Wenn der Bund durch Art. 34sexies BV beauftragt wird, Massnahmen zur Förderung des Erwerbs von Wohnungs- und Hauseigentum zu treffen, so heisst dies nicht, dass diese Zielsetzung Massnahmen zu rechtfertigen vermöchte, welche gegen die Rechtsgleichheit verstossen. Kantonale Förderungsmassnahmen haben sich vielmehr an die von Art. 4 BV gesetzten Schranken zu halten. Der Verzicht auf die Einkommensbesteuerung des Mietwertes der eigenen Wohnung käme zudem, wie oben festgestellt, hauptsächlich wohlhabenden Eigentümern zugute und wäre daher wenig geeignet, eine breitere Streuung des selbstgenutzten Wohneigentums zu fördern, wie es die Initianten nach Ziffer 1 ihrer Begehren anstreben.
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Urteilskopf 141 IV 132 16. Auszug aus dem Urteil der Strafrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Wallis und A. (Beschwerde in Strafsachen) 6B_818/2014 vom 8. April 2015
Regeste Unrechtmässiger Besitz von Waffen und Waffenzubehör; Verletzung der Meldepflicht; unberechtigtes Tragen von Waffen; Art. 4 ff., 27 Abs. 1, Art. 33 Abs. 1 lit. a, Art. 34 Abs. 1 lit. i, Art. 42 Abs. 5-7 WG . Eine Ausnahmebewilligung zum Erwerb von sog. verbotenen Waffen nach altem oder geltendem Recht berechtigt zum weiteren Besitz der betreffenden Waffe nach Inkrafttreten des revidierten Waffengesetzes am 12. Dezember 2008 (E. 2.4.3). Gleiches gilt für den rechtmässigen Erwerb von sog. bewilligungspflichtigen Waffen. Die am 12. Dezember 2008 neu in Kraft getretenen materiellen Anforderungen von Art. 8 WG an den Waffenerwerb entfalten keine Rückwirkung (E. 2.4.4). Die blosse Verletzung der Meldepflicht von Art. 42 Abs. 5 WG ist ausschliesslich nach Art. 34 Abs. 1 lit. i WG zu ahnden. Eine Bestrafung wegen unrechtmässigen Besitzes nach Art. 33 Abs. 1 lit. a WG kommt in Betracht, wenn die betroffene Person sowohl die dreimonatige Meldefrist von Art. 42 Abs. 5 WG als auch die Frist von Art. 42 Abs. 6 WG unbenutzt verstreichen liess (E. 2.5.2). Der Meldepflicht von Art. 42 Abs. 5 WG unterstehen verbotene Waffen im Sinne von Art. 5 Abs. 2 WG . Waffen, für deren Besitz keine kantonale Ausnahmebewilligung erforderlich ist, sondern ein Waffenerwerbsschein genügt, werden von der Bestimmung nicht erfasst (E. 2.7.2). Konkurrenz zwischen Art. 34 Abs. 1 lit. i WG und Art. 33 Abs. 1 lit. a WG (E. 2.7.3). Der seit der Revision des Waffengesetzes vom 22. Juni 2007 in Art. 27 WG neu verwendete Begriff der "öffentlich zugänglichen Orte" stellt keine Erweiterung des Anwendungsbereichs, sondern eine Präzisierung des Begriffs der "Öffentlichkeit" im Sinne von aArt. 27 Abs. 1 WG dar (E. 3.2.2). Begriff der "öffentlich zugänglichen Orte" (E. 3.2.2 und 3.2.3). Zu einem Haus gehörende Plätze, Höfe oder Gärten sind in Anlehnung an Art. 186 StGB und die dazu ergangene Rechtsprechung nicht "öffentlich" bzw. der "Öffentlichkeit nicht zugänglich" im Sinne von Art. 27 Abs. 1 WG , wenn sie umfriedet sind. Offene Plätze zählen, auch wenn sie zu einem Haus gehören, nicht zu den geschützten Objekten im Sinne von Art. 186 StGB und sind insofern öffentlich zugänglich (E. 3.2.4). Anforderungen an die Anklageschrift (E. 3.4).
Sachverhalt ab Seite 134 BGE 141 IV 132 S. 134 A. Das Kantonsgericht Wallis verurteilte X. am 6. Juni 2014 zweitinstanzlich wegen Sachbeschädigung (Art. 144 i.V.m. Art. 110 Abs. 3 bis StGB ) sowie mehrfachen unberechtigten Tragens und Besitzes von Waffen und Waffenzubehör ( Art. 33 Abs. 1 lit. a des Bundesgesetzes vom 20. Juni 1997 über Waffen, Waffenzubehör und Munition [Waffengesetz, WG; SR 514.54] ) zu einer bedingten Geldstrafe von 54 Tagessätzen zu Fr. 80.- und einer Busse von Fr. 1'020.-. Es verpflichtete ihn, A. für das erstinstanzliche Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 3'100.- und für das zweitinstanzliche Verfahren eine solche von Fr. 1'000.- zu bezahlen. BGE 141 IV 132 S. 135 Das Kantonsgericht hält folgende Sachverhalte für erwiesen: X. nahm in den Jahren 2006 bis 2009 auf dem Vorplatz auf der Westseite seines Stalls unter freiem Himmel und öffentlich zugänglich Hofschlachtungen vor. Am 20. August 2009 schoss er auf den Jagdhund von A. Das Tier musste aufgrund der erlittenen Verletzungen noch gleichentags eingeschläfert werden. X. trug anlässlich der Schlachtungen sowie am 20. August 2009 jeweils ohne Waffentragbewilligung eine Waffe auf öffentlichem Grund. Er besass zudem unberechtigt zwei Schalldämpfer, ein Laserzielgerät und drei Pistolen. B. X. beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, ihn von den Vorwürfen der Sachbeschädigung sowie des unberechtigten Tragens und Besitzes von Waffen und Waffenzubehör freizusprechen und A. keine Parteientschädigung zuzusprechen. Eventualiter sei die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen. C. Das Kantonsgericht reichte eine Stellungnahme ein. Die Staatsanwaltschaft liess sich nicht vernehmen. A. wurde nicht zur Stellungnahme aufgefordert. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen den Schuldspruch wegen mehrfachen unberechtigten Besitzes von Waffen und Waffenzubehör. 2.1 Die Vorinstanz führt aus, der Beschwerdeführer hätte die Waffen und das Waffenzubehör in seinem Besitz gemäss Art. 42 Abs. 5 WG innerhalb von drei Monaten nach Inkrafttreten dieser Bestimmung der für die Erteilung von Ausnahmebewilligungen zuständigen kantonalen Behörde melden müssen. Der Besitzer, der die in Art. 42 Abs. 5 WG vorgesehene Frist nicht einhalte, mache sich gemäss der bundesrätlichen Botschaft nach Art. 33 Abs. 1 lit. a WG strafbar. 2.2 Der Beschwerdeführer hält dem entgegen, es sei nicht ersichtlich, weshalb der Gesetzgeber in Art. 34 Abs. 1 lit. i WG die Verletzung der Meldepflicht von Art. 42 Abs. 5 WG unter Strafe stelle, wenn bei unbenutztem Ablauf der Meldefrist der Tatbestand des unberechtigten Besitzes gemäss Art. 33 Abs. 1 lit. a WG zur BGE 141 IV 132 S. 136 Anwendung gelange. Dadurch werde der Tatbestand der Meldepflichtverletzung seines Sinnes entleert. Anders als in Art. 42 Abs. 1 WG präzisiere der Gesetzgeber in Art. 42 Abs. 5 WG nicht, dass die Berechtigung zum Besitz der Waffe hinfällig werde, falls der Meldepflicht nicht nachgekommen werde. 2.3 Am 12. Dezember 2008 ist das revidierte Waffengesetz in der Fassung des Bundesgesetzes vom 22. Juni 2007 zur Änderung des Waffengesetzes und des Bundesbeschlusses vom 17. Dezember 2004 über die Genehmigung und die Umsetzung der bilateralen Abkommen zwischen der Schweiz und der EU über die Assoziierung an Schengen und Dublin (vgl. AS 2008 447 ff., 2008 5405 f., 2008 5499 ff.) in Kraft getreten. Die zwei Schalldämpfer, das Laserzielgerät und die drei Pistolen wurden anlässlich der Hausdurchsuchung beim Beschwerdeführer vom 15. Oktober 2009 und damit nach Inkrafttreten des neuen Waffengesetzes sichergestellt. Die Vorinstanz prüfte zu Recht, ob der Besitz dieser Gegenstände durch den Beschwerdeführer nach dem im Jahre 2009 geltenden Waffengesetz unrechtmässig war. 2.4 2.4.1 Art. 33 Abs. 1 lit. a WG stellt seit dem 12. Dezember 2008 nebst dem unrechtmässigen Erwerb auch den unrechtmässigen Besitz von Waffen und Waffenzubehör unter Strafe. Die Tat wird als Vergehen mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft ( Art. 33 Abs. 1 WG ). Zum Besitz einer Waffe oder eines Waffenzubehörs ist berechtigt, wer den Gegenstand rechtmässig erworben hat ( Art. 12 WG ). 2.4.2 Wer eine Waffe oder einen wesentlichen Waffenbestandteil erwerben will, benötigt einen Waffenerwerbsschein ( Art. 8 Abs. 1 WG ; sog. bewilligungspflichtige Waffen). Für gewisse, hier nicht zur Diskussion stehende Waffen genügt ein schriftlicher Vertrag ( Art. 10 ff. WG ; sog. privilegierte bzw. meldepflichtige Waffen). Der Erwerb und Besitz von Seriefeuerwaffen sowie Waffen, die einen Gebrauchsgegenstand vortäuschen, sind verboten ( Art. 5 Abs. 1 lit. a und f WG , Art. 5 Abs. 2 lit. a und b WG ) und nur mit einer Ausnahmebewilligung zulässig ( Art. 5 Abs. 4 WG ; sog. verbotene Waffen). 2.4.3 Das Waffenbesitzverbot von Art. 5 Abs. 2 WG wurde mit der auf den 12. Dezember 2008 in Kraft getretenen Revision des Waffengesetzes neu in das Gesetz aufgenommen (vgl. Botschaft vom 1. Oktober 2004 zur Genehmigung der bilateralen Abkommen zwischen der BGE 141 IV 132 S. 137 Schweiz und der Europäischen Union, einschliesslich der Erlasse zur Umsetzung der Abkommen [«Bilaterale II»], BBl 2004 5965 ff., 6264 zu Art. 5; Botschaft vom 11. Januar 2006 zur Änderung des Bundesgesetzes über Waffen, Waffenzubehör und Munition, BBl 2006 2713 ff., 2731 zu Art. 5). Wer die in Art. 5 Abs. 2 WG aufgeführten Waffen unter dem neuen Waffenrecht weiterhin besitzen möchte, hat dafür innerhalb von sechs Monaten nach Inkrafttreten des Verbots nach Art. 5 Abs. 2 WG ein Gesuch um eine Ausnahmebewilligung im Sinne von Art. 5 Abs. 4 WG einzureichen ( Art. 42 Abs. 6 Satz 1 und 3 WG ; BBl 2006 2731 zu Art. 5). Eine Ausnahmebewilligung zum Erwerb nach altem oder geltendem Recht berechtigt zum weiteren Besitz der betreffenden Waffe (BBl 2006 2731 zu Art. 5). Ausgenommen von der Pflicht zur Einreichung eines Gesuchs um eine Ausnahmebewilligung nach Art. 42 Abs. 6 WG ist daher, wer bereits eine gültige Ausnahmebewilligung zum Erwerb der Waffe hat ( Art. 42 Abs. 6 Satz 2 WG ). Ist dies nicht der Fall und wird keine Ausnahmebewilligung beantragt oder ein solches Gesuch abgelehnt, so muss der Besitzer die Waffe an eine berechtigte Person veräussern oder zur Aufbewahrung übertragen, ansonsten er wegen unberechtigten Besitzes nach Art. 33 Abs.1 lit. a WG belangt werden kann ( Art. 42 Abs. 6 Satz 3 und Abs. 7 WG ; BBl 2006 2731 zu Art. 5). 2.4.4 Auch bezüglich der bewilligungspflichtigen Waffen im Sinne von Art. 8 WG gilt, dass der rechtmässige Erwerb nach altem Recht (aArt. 8 f. WG) zum weiteren Besitz unter neuem Recht berechtigt. Gegenteiliges hätte einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung bedurft. Die am 12. Dezember 2008 neu in Kraft getretenen materiellen Anforderungen von Art. 8 WG an den Waffenerwerb entfalten daher keine "Rückwirkung", sondern finden ausschliesslich auf Besitzverhältnisse Anwendung, die auf eine Handänderung nach Inkrafttreten der Gesetzesänderungen zurückgehen. Der Besitzstand bleibt daher gewahrt (vgl. BBl 2004 6278 zu Art. 42a). 2.4.5 Der Erwerb von Waffenzubehör ist nach altem und neuem Recht nur mit einer Ausnahmebewilligung zulässig (Art. 5 Abs. 1 lit. g i.V.m. Art. 5 Abs. 4 WG ; aArt. 5 Abs. 1 lit. e i.V.m. aArt. 5 Abs. 3 lit. a WG). Das Gesetz definiert das Waffenzubehör abschliessend (BBl 2006 2730 zu Art. 4). Darunter fallen Schalldämpfer sowie Laser- und Nachtsichtzielgeräte ( Art. 4 Abs. 2 lit. a und b WG ; aArt. 4 Abs. 2 lit. a und b WG). Seit der Gesetzesänderung vom BGE 141 IV 132 S. 138 22. Juni 2007 werden als Waffenzubehör zudem auch jene Bestandteile erfasst, mit denen das Waffenzubehör mit wenigen Handgriffen hergestellt werden kann (besonders konstruierte Bestandteile), sowie Granatwerfer, die als Zusatz zu einer Feuerwaffe konstruiert wurden ( Art. 4 Abs. 2 lit. a-c WG ; BBl 2006 2730 zu Art. 5). 2.5 2.5.1 Wer bei Inkrafttreten des revidierten Waffengesetzes am 12. Dezember 2008 bereits im Besitz von Waffen, wesentlichen oder besonders konstruierten Waffenbestandteilen nach Art. 5 Abs. 2 WG oder Waffenzubehör nach Art. 5 Abs. 1 lit. g WG ist, muss diese gemäss Art. 42 Abs. 5 WG innerhalb von drei Monaten den für die Erteilung von Ausnahmebewilligungen zuständigen kantonalen Behörden melden. Wer der Meldepflicht von Art. 42 Abs. 5 WG nicht nachkommt, wird mit Busse bestraft ( Art. 34 Abs. 1 lit. i WG ). Die Meldepflichtverletzung wird demnach - anders als der unrechtmässige Besitz von Waffen (vgl. Art. 33 Abs. 1 lit. a WG ) - als blosse Übertretung geahndet. 2.5.2 Werden die in Art. 42 Abs. 5-7 WG vorgesehenen Fristen nicht eingehalten, so werden die Gegenstände gemäss der bundesrätlichen Botschaft nach Art. 31 WG wegen unerlaubten Besitzes von Waffen etc. beschlagnahmt. Der Besitzer wird zudem nach Art. 33 Abs. 1 lit. a WG bestraft (BBl 2006 2751 zu Art. 42). Eine solche Bestrafung kommt entgegen der Auffassung der Vorinstanz nur in Betracht, wenn die betroffene Person sowohl die dreimonatige Meldefrist von Art. 42 Abs. 5 WG als auch die Frist von Art. 42 Abs. 6 WG unbenutzt verstreichen liess. Die Verletzung der Meldepflicht von Art. 42 Abs. 5 WG wird in Art. 34 Abs. 1 lit. i WG ausdrücklich als Übertretung geahndet. Nach Art. 42 Abs. 6 WG , der eine Übergangsbestimmung zur Regelung der Besitzverhältnisse enthält (BBl 2006 2751 zu Art. 42), ist ein Gesuch um eine Ausnahmebewilligung zudem nicht erforderlich, wenn der Besitzer eine solche bereits hat. Die Botschaft hält dazu unmissverständlich fest, eine Ausnahmebewilligung zum Erwerb nach altem oder geltendem Recht berechtige zum weiteren Besitz der betreffenden Waffe (BBl 2006 2731 zu Art. 5; oben E. 2.4.3). Der Besitz erfolgt daher nicht ohne Berechtigung, wenn unter altem Recht eine gültige Ausnahmebewilligung zum Erwerb der Waffe erworben und nur die Meldepflicht von Art. 42 Abs. 5 WG missachtet wurde. Gleich verhält es sich, wenn vor Inkrafttreten des revidierten Waffengesetzes eine Ausnahmebewilligung für den Erwerb von BGE 141 IV 132 S. 139 Schalldämpfern, Laser- oder Nachtsichtzielgeräten eingeholt wurde. Die blosse Verletzung der Meldepflicht ist ausschliesslich nach Art. 34 Abs. 1 lit. i WG zu ahnden. 2.6 Bezüglich des Vorwurfs des unrechtmässigen Besitzes von Waffen und Waffenzubehör im Sinne von Art. 33 Abs. 1 lit. a WG hätte die Vorinstanz nach dem Gesagten prüfen müssen, ob der Beschwerdeführer die Pistolen, die Schalldämpfer und das Laserzielgerät nach den im Erwerbszeitpunkt anwendbaren Bestimmungen rechtmässig erwarb (vgl. Art. 12 WG ; oben E. 2.4). Der angefochtene Entscheid verletzt Bundesrecht, da die Vorinstanz dies unterliess und den Beschwerdeführer im Sinne von Art. 33 Abs. 1 lit. a WG mit der Begründung schuldig sprach, er habe die Meldepflicht von Art. 42 Abs. 5 WG nicht beachtet. 2.7 2.7.1 Eine Verletzung der Meldepflicht von Art. 42 Abs. 5 WG ist wie dargelegt nach Art. 34 Abs. 1 lit. i WG strafbar. Bezüglich der Schalldämpfer und des Laserzielgeräts bejaht die Vorinstanz zu Recht eine Meldepflicht nach Art. 42 Abs. 5 i.V.m. Art. 5 Abs. 1 lit. g und Art. 4 Abs. 2 lit. a und b WG . 2.7.2 Der Meldepflicht von Art. 42 Abs. 5 WG unterstehen verbotene Waffen im Sinne von Art. 5 Abs. 2 WG . Waffen, für deren Besitz keine kantonale Ausnahmebewilligung erforderlich ist, sondern ein Waffenerwerbsschein genügt, werden von der Bestimmung nicht erfasst. Eine Meldepflicht für bewilligungspflichtige Waffen, die vor dem 12. Dezember 2008 erworben wurden und noch in keinem kantonalen Informationssystem über den Erwerb von Feuerwaffen registriert sind, bildet Gegenstand einer derzeit im Parlament noch hängigen Vorlage des Bundesrates vom 13. Dezember 2013 (vgl. Botschaft vom 13. Dezember 2013 zum Bundesgesetz über Verbesserungen beim Informationsaustausch zwischen Behörden im Umgang mit Waffen, BBl 2014 303 ff., 315 ff. zu Ziff. 1.2.2; Art. 42b Abs. 1 WG des Entwurfs). Pistolen fallen grundsätzlich nicht unter Art. 5 Abs. 2 WG . Sie können mit einem Waffenerwerbsschein erworben werden ( Art. 8 ff. WG ) und bedürfen keiner kantonalen Ausnahmebewilligung (vgl. Schweizerisches Waffenrecht, Merkblatt des Bundesamtes für Polizei, Stand September 2014; BBl 2014 316). Entsprechend unterliegen sie keiner Meldepflicht im Sinne von Art. 42 Abs. 5 WG . Dem angefochtenen Entscheid kann nicht entnommen werden, weshalb bezüglich der BGE 141 IV 132 S. 140 Pistolen im Besitz des Beschwerdeführers von einer Waffe im Sinne von Art. 5 Abs. 2 WG auszugehen ist. Die Vorinstanz legt insbesondere nicht dar, es handle sich dabei um Seriefeuerwaffen (Maschinenpistolen). 2.7.3 Fraglich ist, ob Art. 34 Abs. 1 lit. i WG in echter Konkurrenz zu Art. 33 Abs. 1 lit. a WG zur Anwendung gelangen kann. Die gleichzeitige Missachtung von Art. 42 Abs. 5-7 WG ist nach der Botschaft zum revidierten Waffengesetz nach Art. 33 Abs. 1 lit. a WG strafbar (BBl 2006 2751 zu Art. 42; oben E. 2.5.2). Nach den Materialien soll in solchen Fällen folglich kein zusätzlicher Schuldspruch wegen Verletzung der Meldepflicht im Sinne von Art. 34 Abs. 1 lit. i i.V.m. Art. 42 Abs. 5 WG erfolgen. Die Frage braucht jedoch nicht abschliessend beantwortet zu werden, da vorliegend eine Bestrafung wegen Verletzung der Meldepflicht von Art. 42 Abs. 5 WG ( Art. 34 Abs. 1 lit. i WG ) zusätzlich zu einer solchen wegen unrechtmässigen Besitzes nach Art. 33 Abs. 1 lit. a WG bereits aufgrund des in Art. 391 Abs. 2 StPO verankerten Verbots der reformatio in peius nicht in Betracht kommt. Dieses untersagt nach der Rechtsprechung nicht nur eine Verschärfung der Sanktion, sondern auch eine härtere rechtliche Qualifikation der Tat. Letzteres ist der Fall, wenn der neue Straftatbestand eine höhere Strafdrohung vorsieht, sowie bei zusätzlichen Schuldsprüchen ( BGE 139 IV 282 E. 2.5). Massgebend ist das Dispositiv ( BGE 139 IV 282 E. 2.6). 2.7.4 Die Angelegenheit ist im Sinne dieser Erwägungen an die Vorinstanz zurückzuweisen. Diese wird bei der Neubeurteilung auch den Anklagegrundsatz zu beachten haben. Die Beschwerde ist in diesem Punkt gutzuheissen. 3. 3.1 Bezüglich des Schuldspruchs wegen unberechtigten Tragens von Waffen beanstandet der Beschwerdeführer, die Vorinstanz gehe willkürlich davon aus, der strittige Schlachthof sei öffentlich zugänglich gewesen. Davon sei in der Anklageschrift keine Rede. Die Wendung "unter freiem Himmel" und das Fehlen eines ausdrücklichen Betretungsverbots heisse noch lange nicht, dass dieser Ort öffentlich zugänglich sei. Die Vorinstanz ziehe aus seinen Aussagen falsche Schlüsse. 3.2 3.2.1 Wer vorsätzlich ohne Berechtigung Waffen trägt, erfüllt den Tatbestand von Art. 33 Abs. 1 lit. a WG . Das unberechtigte Tragen BGE 141 IV 132 S. 141 von Waffen war bereits vor Inkrafttreten des revidierten Waffengesetzes am 12. Dezember 2008 nach aArt. 33 Abs. 1 lit. a WG strafbar. 3.2.2 aArt. 27 Abs. 1 WG untersagte in der vor dem 12. Dezember 2008 gültigen Fassung das Tragen von Waffen "in der Öffentlichkeit" ohne Waffentragbewilligung. Nach dem am 12. Dezember 2008 in Kraft getretenen Wortlaut von Art. 27 Abs. 1 WG benötigt eine Waffentragbewilligung, wer eine Waffe an "öffentlich zugänglichen Orten" tragen oder sie transportieren will. Der seit der Revision des Waffengesetzes vom 22. Juni 2007 in Art. 27 WG neu verwendete Begriff der "öffentlich zugänglichen Orte" dient der Klarstellung. Er stellt keine Erweiterung des Anwendungsbereichs, sondern eine Präzisierung des Begriffs der "Öffentlichkeit" im Sinne von aArt. 27 Abs. 1 WG dar (GERHARD FIOLKA, Das Tragen von Waffen an öffentlich zugänglichen Orten unter Berücksichtigung des Revisionsentwurfes vom 20. September 2002, AJP 2003 S. 940 f.; DANIEL MEIER, Stellungnahme zum Aufsatz "Das Tragen von Waffen an öffentlich zugänglichen Orten" von G. Fiolka, AJP 2003 S. 1254). Mit dem Begriff der "öffentlich zugänglichen Orte" soll gemäss der Botschaft zum Ausdruck gebracht werden, dass das Tragen von Waffen auch diejenigen Bereiche von Lokalitäten einschliesst, die sich zwar im Eigentum von Privatpersonen befinden, die jedoch für eine nicht präzis definierbare Anzahl Personen (etwa die Kundschaft einer Bar) zugänglich sind. Damit wollte der Gesetzgeber dem häufig auftretenden Rechtsirrtum vorbeugen, Waffen dürften in einem privat geführten Lokal (z.B. Klub, Konzertlokal) bewilligungsfrei getragen werden (BBl 2006 2741 zu Art. 27). 3.2.3 Der Begriff der "Öffentlichkeit" bzw. der "öffentlich zugänglichen Orte" bezieht sich u.a. auf öffentlichen oder fremden Grund, Verkehrsmittel und öffentliche Lokale (HANS WÜST, Schweizer Waffenrecht, 1999, S. 158). Dazu gehören nebst den Strassen, Pärken, Bahnhöfen etc. auch die bereits erwähnten privat geführten Lokale wie Einkaufsläden, Restaurants, Kinos, Sportanlagen etc., die nicht nur einem präzis definierten Personenkreis offenstehen (BBl 2006 2741 zu Art. 27; FIOLKA, a.a.O., S. 938; MEIER, a.a.O., S. 1254). Nicht zum öffentlich zugänglichen Bereich gehört demgegenüber etwa der Bereich hinter Bartresen oder einem Ladentisch, da dieser nur dem Personal der Lokalität zugänglich ist (BBl 2006 2741 zu Art. 27). Unter Art. 27 Abs. 1 WG fallen zudem sowohl nach altem als auch nach neuem Recht Fahrzeuge auf öffentlichen Strassen oder Parkplätzen (Urteil 6B_336/2012 vom 29. Oktober 2012 E. 3.3). BGE 141 IV 132 S. 142 3.2.4 Ob ein Ort öffentlich zugänglich ist, beurteilt sich nicht nur nach rechtlichen (Privateigentum), sondern auch nach faktischen Gesichtspunkten. Zu einem Haus gehörende Plätze, Höfe oder Gärten sind in Anlehnung an Art. 186 StGB und die dazu ergangene Rechtsprechung nicht "öffentlich" bzw. der "Öffentlichkeit nicht zugänglich" im Sinne von Art. 27 Abs. 1 WG , wenn sie umfriedet sind (FIOLKA, a.a.O., S. 939 f.; zustimmend MEIER, a.a.O., S. 1253). Umfriedet bedeutet, dass solche Flächen umschlossen sein müssen, etwa durch Zäune, Mauern oder Hecken. Massgebend ist die Erkennbarkeit der Abgrenzung und nicht deren Lückenlosigkeit (Urteil 6B_1056/2013 vom 20. August 2014 E. 2.1; ANDREAS DONATSCH, Delikte gegen den Einzelnen, 10. Aufl. 2013, S. 476; DELNON/RÜDY, in: Basler Kommentar, Strafrecht, Bd. II, 3. Aufl. 2013, N. 16 zu Art. 186 StGB ). Offene Plätze zählen, auch wenn sie zu einem Haus gehören, nicht zu den geschützten Objekten im Sinne von Art. 186 StGB und sind insofern öffentlich zugänglich. An ihnen kann kein Hausrecht ausgeübt werden. 3.3 3.3.1 Der Schlachtort befand sich gemäss den vorinstanzlichen Feststellungen auf der Westseite des Stalls des Beschwerdeführers unter freiem Himmel. Die Vorinstanz erwägt, dieser Schlachtort sei zumindest im fraglichen Zeitpunkt öffentlich zugänglich gewesen. Sie stellt hierfür auf die Aussagen des Beschwerdeführers ab, der angab, ab dem 1. April 2012 sei sein Eigentum nicht öffentlich zu betreten. 3.3.2 Der Beschwerdeführer bestreitet dies nicht. Er behauptet nicht, der Vorplatz seines Stalls sei umschlossen gewesen. Nicht umfriedete Vorplätze sind wie dargelegt öffentlich zugänglich im Sinne von Art. 27 Abs. 1 WG . Das Tragen von Waffen ist am betreffenden Ort daher nur mit einer Waffentragbewilligung zulässig. Der Beschwerdeführer trug anlässlich der Hofschlachtungen demnach eine Waffe ohne die erforderliche Waffentragbewilligung. 3.4 3.4.1 Der Beschwerdeführer macht sinngemäss auch eine Verletzung des Anklageprinzips geltend. Nach diesem aus Art. 29 Abs. 2 und Art. 32 Abs. 2 BV sowie aus Art. 6 Ziff. 1 und 3 lit. a und b EMRK abgeleiteten und nunmehr in Art. 9 Abs. 1 StPO festgeschriebenen Grundsatz bestimmt die Anklageschrift den Gegenstand des Gerichtsverfahrens (Umgrenzungsfunktion). Die Anklage hat die der beschuldigten Person zur Last gelegten Delikte in ihrem Sachverhalt so BGE 141 IV 132 S. 143 präzise zu umschreiben, dass die Vorwürfe in objektiver und subjektiver Hinsicht genügend konkretisiert sind. Zugleich bezweckt das Anklageprinzip den Schutz der Verteidigungsrechte der angeschuldigten Person und garantiert den Anspruch auf rechtliches Gehör (Informationsfunktion; BGE 133 IV 235 E. 6.2 f.; BGE 126 I 19 E. 2a; je mit Hinweisen). Gemäss Art. 325 Abs. 1 lit. f StPO bezeichnet die Anklageschrift möglichst kurz, aber genau die der beschuldigten Person vorgeworfenen Taten mit Beschreibung von Ort, Datum, Zeit, Art und Folgen der Tatausführung. 3.4.2 Die Anklage wirft dem Beschwerdeführer u.a. vor, er habe die Tiere auf der Westseite seines Stalls auf dem betonierten Vorplatz geschlachtet. Er habe anlässlich der Schlachtungen mit Waffen auf öffentlichem Grund geschossen, ohne dafür eine Bewilligung gehabt zu haben. Daraus geht hervor, dass es sich beim Vorplatz auf der Westseite des Stalls des Beschwerdeführers um einen öffentlich zugänglichen Ort handelt. Der Beschwerdeführer wusste damit, was ihm vorgeworfen wird. Die Anklageschrift genügt den gesetzlichen Anforderungen. 3.4.3 Unbegründet ist der Einwand, die Staatsanwaltschaft gebe nicht genau an, wann vor dem 12. Dezember 2008 Verfehlungen gegen das Waffengesetz erfolgt seien, weshalb das Tragen von Waffen nicht strafbar sei. Die Zeitangaben in der Anklageschrift sind ausreichend präzise. Da die Rechtslage nach Inkrafttreten am 12. Dezember 2008 des revidierten Waffengesetzes trotz der Neuformulierung von Art. 27 Abs. 1 WG materiell keine Änderung erfuhr (oben E. 3.2.2), ist unerheblich, ob der Beschwerdeführer Waffen vor oder nach diesem Datum trug. Das alte Recht war nicht milder. 3.5 Der Schuldspruch wegen mehrfachen Tragens einer Waffe ohne Berechtigung (Art. 33 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 27 Abs. 1 WG ) in den Jahren 2006 bis 2009 verletzt kein Bundesrecht.
null
nan
de
2,015
CH_BGE
CH_BGE_006
CH
Federation
df2ae28e-3e67-4f5b-a355-bdd6fb781976
Urteilskopf 126 III 534 94. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour civile du 19 septembre 2000 dans la cause G. Ltd contre K. (recours de droit public)
Regeste Vollstreckbarkeitserklärung eines ausländischen Urteils; Lugano-Übereinkommen; Spieleinrede; Ordre public ( Art. 27 LugÜ , 513 ff. OR). Streitigkeiten über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile in der Schweiz; Zulässigkeit der staatsrechtlichen Beschwerde; Ausnahme von der grundsätzlich kassatorischen Natur der staatsrechtlichen Beschwerde (E. 1). In Grossbritannien entstandene Spielschuld; anwendbares materielles Recht (E. 2a); Anwendbarkeit des Lugano-Übereinkommens (LugÜ) auf die Vollstreckung eines in Grossbritannien gefällten Urteils in der Schweiz (E. 2b); Begriff und Tragweite des Vorbehaltes des Ordre public im Sinne von Art. 27 Ziff. 1 LugÜ ; massgebender Zeitpunkt; Vereinbarkeit eines englischen Urteils über eine in einer bewilligten Spielbank eingegangene Spielschuld mit dem schweizerischen Ordre public (E. 2c; Änderung der Rechtsprechung).
Sachverhalt ab Seite 535 BGE 126 III 534 S. 535 Le 2 décembre 1998, la High Court of Justice, Queen's Bench Division, à Londres, a condamné K. à payer à G. Ltd 768'273,88 £ représentant une dette de jeu. Ce jugement est exécutoire. Le 7 juin 1999, G. Ltd a fait notifier à K., à Genève, un commandement de payer auquel le poursuivi a formé opposition. La créancière a requis la mainlevée définitive, en demandant préalablement l'exequatur du jugement anglais rendu le 2 décembre 1998. K. s'est opposé à la requête, en faisant valoir l'exception de jeu. Par jugement du 10 février 2000, le Tribunal de première instance du canton de Genève a fait droit aux conclusions de G. Ltd, estimant que le jugement anglais n'était pas incompatible avec l'ordre public suisse, selon l'art. 27 ch. 1 de la Convention conclue à Lugano le 16 septembre 1988 concernant la compétence judiciaire et l'exécution des décisions en matière civile et commerciale (CL; RS 0.275.11). Saisie d'un appel du débiteur, la Cour de justice du canton de Genève, par arrêt du 4 mai 2000, a au contraire débouté la BGE 126 III 534 S. 536 requérante. Sur recours de droit public de K. le Tribunal fédéral a annulé cet arrêt et prononcé la mainlevée définitive de l'opposition. Erwägungen Extrait des considérants: 1. a) Le recours de droit public au Tribunal fédéral est en principe ouvert contre une décision cantonale pour violation des traités internationaux ( art. 84 al. 1 let . c OJ), à moins que la prétendue violation ne puisse être soumise par un autre moyen de droit quelconque au Tribunal fédéral ou à une autre autorité fédérale ( art. 84 al. 2 OJ ). Les litiges relatifs à la reconnaissance et l'exécution en Suisse des jugements étrangers ne sont pas des contestations civiles, de sorte que le recours en réforme est exclu ( ATF 120 II 270 consid. 1; ATF 118 Ia 118 consid. 1a; ATF 116 II 376 consid. 2; ATF 95 II 374 consid. 1; ATF 78 II 174 ). Ils ne peuvent pas davantage donner lieu à un recours en nullité ( ATF 118 Ia 118 p. 120; ATF 116 II 376 consid. 3), un recours du droit des poursuites ( ATF 118 Ia 118 p. 120; ATF 116 II 625 consid. 3b) ou à un recours de droit administratif ( ATF 118 Ia 118 p. 123). L' art. 37 ch. 2 CL prévoit expressément que les décisions prises en cette matière sur recours par un tribunal cantonal ne peuvent faire l'objet que d'un recours de droit public au Tribunal fédéral. La règle de la subsidiarité du recours du droit public ( art. 84 al. 2 OJ ) est donc respectée. b) Saisi d'un recours de droit public, le Tribunal fédéral n'examine que les griefs invoqués et suffisamment motivés dans l'acte de recours ( ATF 125 I 492 consid. 1b et les références). En conséquence, il appartenait à la recourante, en se fondant sur la décision attaquée, d'indiquer quelles dispositions du traité auraient été violées, en précisant en quoi consiste la violation (cf. art. 90 al. 1 let. b OJ ; ATF 110 Ia 1 consid. 2a). En l'espèce, elle a invoqué une violation de l' art. 27 ch. 1 CL , qui prévoit que la décision étrangère n'est pas reconnue si la reconnaissance est contraire à l'ordre public de l'Etat requis. Seule cette question sera examinée. c) En règle générale, le recours de droit public n'a qu'un caractère cassatoire ( ATF 124 I 327 consid. 4a et les références). Par exception, il a été admis notamment que le Tribunal fédéral, saisi d'un recours de droit public, pouvait décider lui-même de la mainlevée à l'exécution d'un jugement condamnatoire rendu par un tribunal étranger lorsque la situation était claire ( ATF 124 I 327 consid. 4b/aa; ATF 116 II 625 consid. 2; ATF 102 Ia 406 consid. 1c; ATF 101 Ia 154 consid. 4). En l'espèce, il ressort des observations de l'intimé BGE 126 III 534 S. 537 qu'il n'émet aucune objection quant à la procédure de poursuite, qu'il ne conteste pas le montant réclamé, qu'il admet l'application de la CL et qu'il reconnaît que les conditions posées par ce traité sont réunies, hormis la question litigieuse de l'ordre public suisse. En conséquence, seule la question de droit débattue devant l'autorité cantonale se pose, de sorte que le Tribunal fédéral serait en mesure de prononcer lui-même la mainlevée définitive s'il admettait le recours. Les conclusions prises à ce sujet par la recourante sont donc recevables. 2. a) Il est constant que la recourante fait valoir une dette de jeu. Selon la jurisprudence, le jeu est un contrat par lequel les parties, sans cause économique, se promettent réciproquement et sous une condition contraire une prestation déterminée - somme d'argent, objet en nature - de telle sorte qu'il y a nécessairement un gagnant et un perdant, désignés par l'accomplissement ou la défaillance de la condition ( ATF 77 II 45 consid. 3). Il y a jeu de hasard lorsque c'est ce dernier qui décide de l'obtention ou non d'un gain en argent ou d'un autre avantage matériel (cf. art. 3 al. 1 de la loi fédérale sur les jeux de hasard et les maisons de jeux du 18 décembre 1998 [LMJ; RS 935.52]). Sauf élection de droit, le contrat de jeu est régi par la loi du lieu où se déroule le jeu (KELLER/KREN KOSTKIEWICZ, IPRG-Kommentar, no 127 ad art. 117; BERNARD DUTOIT, Commentaire de la loi fédérale du 18 décembre 1987, 2ème éd., p. 327 no 44; GIOVANOLI, Commentaire bernois, Vorbemerkungen zu Art. 513-515 OR , no 3). En l'espèce, il ressort de l'arrêt cantonal et des explications des parties que le jeu à l'origine de la dette s'est déroulé dans un casino exploité par la recourante en Grande-Bretagne. A défaut d'élection de droit, la dette de jeu est donc régie par le droit anglais, en tant que droit du lieu où la maison de jeu a fourni la prestation caractéristique (cf. art. 117 de la loi fédérale du 18 décembre 1987 sur le droit international privé [LDIP; RS 291]). Le code des obligations ne régit par principe que les contrats soumis au droit suisse. Il n'est donc pas question d'appliquer directement l'art. 513 ou l' art. 515a CO . Dès lors, toute la discussion sur le moment déterminant pour décider d'appliquer ou non le nouvel art. 515a CO est dépourvue de pertinence. Au surplus, le juge suisse, chargé de statuer sur l'exécution d'un jugement étranger, n'a pas à réexaminer lui-même le fond, selon les règles applicables en vertu du droit international privé suisse. Il doit BGE 126 III 534 S. 538 se borner à examiner si le jugement au fond déjà intervenu à l'étranger est ou non susceptible d'être exécuté en Suisse, en vertu des dispositions topiques qui régissent cette question, en l'occurrence la CL. b) A juste titre, les parties ne contestent pas que l'exécution du jugement civil anglais doit être examinée à la lumière de la CL, qui est entrée en vigueur en 1992 pour la Suisse et le Royaume-Uni (RS 0.275.11 p. 39). Les parties admettent que le seul point qui puisse faire obstacle à la reconnaissance du jugement anglais serait son éventuelle incompatibilité avec l'ordre public au sens de l' art. 27 ch. 1 CL . c) De façon générale, la réserve de l'ordre public doit permettre au juge de ne pas apporter la protection de la justice suisse à des situations qui heurtent de manière choquante les principes les plus essentiels de l'ordre juridique, tel qu'il est conçu en Suisse ( ATF 125 III 443 consid. 3d). En adoptant un traité international qui prévoit, à certaines conditions, la reconnaissance et l'exécution en Suisse de jugements rendus à l'étranger, le législateur a nécessairement pris en compte et accepté l'éventualité que certaines décisions émanant d'autorités judiciaires étrangères ne correspondent pas, quant au fond, à celles qui seraient prises par un juge suisse en application du droit suisse. Il ne saurait donc être question d'en appeler à l'ordre public suisse chaque fois que la loi étrangère diffère, même sensiblement, du droit fédéral (cf. ATF 125 III 443 consid. 3d). Autrement dit, le problème à résoudre est de savoir si le jugement anglais, qui condamne à payer une dette de jeu, heurte de manière choquante les principes les plus essentiels de l'ordre juridique, tel qu'il est conçu en Suisse. Il est vrai que la jurisprudence ancienne, évoquant l' art. 513 CO , avait exclu de mettre à disposition la justice suisse pour le recouvrement d'une dette de jeu, même lorsque le jeu avait eu lieu à l'étranger, considérant qu'il s'agissait d'un principe d'ordre public. Cependant, les derniers arrêts publiés du Tribunal fédéral qui vont dans ce sens datent de 1935 (cf. ATF 61 I 271 consid. 2; ATF 61 II 114 consid. 1). L'ordre public est une notion relative dans le temps (cf. parmi d'autres: VISCHER, IPRG-Kommentar, no 5 ad art. 17; en Allemagne: IPRax 1992 p. 380; pour le domaine du jeu: MOUQUIN, La notion du jeu de hasard en droit public, thèse Lausanne 1980, p. 77 ss) et il faut se demander si cette conception est encore valable aujourd'hui. Il doit être tout d'abord rappelé que le peuple suisse avait adopté, le 21 mars 1920, une disposition constitutionnelle prononçant BGE 126 III 534 S. 539 l'interdiction d'ouvrir et d'exploiter des maisons de jeu (RO 37 p. 303; FF 1914 III 728, IV 360, 1916 III 1, 1919 V 771, 773, 775, 1007, 1920 161, II 425, III 595, IV 289, 1921 II 295). C'est manifestement dans cet état d'esprit qu'a été rendue l'ancienne jurisprudence citée. Par votation populaire du 7 mars 1993, le peuple suisse a cependant levé l'interdiction générale d'ouvrir et d'exploiter des maisons de jeu (cf. art. 35 aCst. , devenu art. 106 Cst. ). Il en résulte qu'il y a eu, en tout cas dans les années 1990, une évolution notable de l'opinion publique à l'égard des maisons de jeu, par rapport à l'opinion qui prévalait en 1935. Cela justifie un réexamen de la jurisprudence. Le 26 février 1997, le Conseil fédéral a présenté un projet de loi sur les jeux de hasard et les maisons de jeu (FF 1997 III 137). La nouvelle loi a été adoptée le 18 décembre 1998 et comporte l'introduction d'un nouvel art. 515a CO (RO 2000 p. 694). Selon cette disposition, les jeux de hasard dans les maisons de jeu donnent un droit de créance dans la mesure où ils se sont déroulés dans une maison de jeu autorisée par l'autorité compétente. Cette norme déroge donc à l' art. 513 al. 1 CO pour les dettes de jeu contractées dans une maison autorisée. Le délai référendaire a expiré le 9 avril 1999 sans avoir été utilisé et la loi est entrée en vigueur le 1er avril 2000 (RO 2000 p. 692). Il ressort de ces événements, en particulier du vote parlementaire, que les idées ont profondément évolué en cette matière par rapport à celles qui régnaient en 1935. Au moment où la cour cantonale devait examiner la question juridique de la compatibilité avec l'ordre public, elle devait tenir compte de cette évolution, concrétisée par l'entrée en vigueur récente du nouvel art. 515a CO . Dès lors que même le droit interne permettrait à un casino autorisé de recouvrer une dette de jeu, on ne voit pas ce qui permet d'affirmer, au moment de l'arrêt cantonal, qu'un jugement anglais parvenant au même résultat - même si les règles sont différentes - contredirait dans ses effets un principe essentiel de l'ordre juridique, tel qu'il est conçu en Suisse. Au moins lorsque la dette de jeu a été contractée dans une maison autorisée (comme c'est le cas en l'espèce), la mise à disposition de la justice et des voies d'exécution forcée ne heurte pas, selon les idées régnant depuis quelques années, l'ordre public suisse. Le recours doit donc être admis.
null
nan
fr
2,000
CH_BGE
CH_BGE_005
CH
Federation
df2b8f80-71fe-4f5c-9942-37f1721e4c99
Urteilskopf 141 IV 305 41. Auszug aus dem Urteil der Strafrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Luzern und Gemeinde Meggen (Beschwerde in Strafsachen) 6B_978/2014 vom 23. Juni 2015
Regeste Illegaler Abbruch eines schützenswerten Einfamilienhauses; Verjährung der Einziehung bei Übertretungen; Berechnung der Ersatzforderung; Art. 26 und 36 Abs. 3 BV ; Art. 97 Abs. 3, Art. 70 f. und 109 StGB. Verjährung der Einziehung bei Übertretungen (E. 1). Anwendung des Brutto- oder Nettoprinzips bei der Festlegung einer Ersatzforderung (Zusammenfassung und Bestätigung der Rechtsprechung; E. 6.3.3). Kognition des Bundesgerichts bei Ersatzforderungen in Anwendung kantonalen Rechts (E. 6.4). Der Beschwerdeführer liess das Einfamilienhaus im Wissen um die verweigerte Entlassung des Objekts aus dem kommunalen Inventar der schützenswerten Kulturobjekte abreissen, um darauf eine gewinnbringende Überbauung vornehmen zu können. Nicht als willkürlich oder unverhältnismässig zu beanstanden ist unter diesen Umständen, wenn die Kosten des Abbruchs, d.h. der eigentlichen Straftat, und der Wert des abgebrochenen Gebäudes bei der Berechnung der Ersatzforderung nicht zum Abzug zugelassen werden. Unerheblich war, dass im Zeitpunkt des Einziehungsentscheids noch nicht mit letzter Sicherheit feststand, ob das Immobilienprojekt mit der höheren Ausnutzung überhaupt verwirklicht werden kann (E. 6.5). Ermittlung des Verkehrswerts des unüberbauten Grundstücks nach der Lageklassenmethode (E. 6.6).
Sachverhalt ab Seite 306 BGE 141 IV 305 S. 306 A. Das Einfamilienhaus auf dem Grundstück Nr. x in Meggen wurde am 15. Mai 2003 in das kommunale Inventar der schützenswerten Kulturobjekte der Gemeinde Meggen aufgenommen. Die einfache Gesellschaft C., bestehend aus der Aktiengesellschaft A.Y., X., B.Y. sowie Z., übte am 19. Dezember 2007 ihr 2006 erworbenes Kaufrecht an der Liegenschaft Nr. x in Meggen aus. X. liess am 22. Januar 2008 die Sirene des Zivilschutzes auf dem Dach des Ein familienhauses abmontieren und das Einfamilienhaus abbrechen , ohne dies der Gemeinde ordentlich anzukündigen. B. Das damalige Amtsstatthalteramt Luzern erklärte X. am 9. Februar 2010 der Sachbeschädigung sowie der Widerhandlung gegen § 213 Abs. 1 und 2 i.V.m. § 187 des Planungs- und Baugesetzes des Kantons Luzern (PBG/LU) schuldig und verurteilte ihn zu einer BGE 141 IV 305 S. 307 bedingten Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu Fr. 100.-, zu einer Busse von Fr. 30'000.- sowie zu einer Ersatzforderung von Fr. 596'850.-. Gleichentags verpflichtete es die Aktiengesellschaft A.Y., B.Y. und Z., dem Staat eine Ersatzforderung von Fr. 1'241'448.-, Fr. 358'110.- bzw. Fr. 190'992.- zu bezahlen. Die Strafuntersuchungen gegen diese wegen Widerhandlung gegen das PBG/LU stellte es ein. Dagegen erhob X. Einsprache. Die Aktiengesellschaft A.Y., B.Y. und Z. führten gegen die Einziehungsverfügung bei der Kriminal- und Anklagekommission des Obergerichts des Kantons Luzern Re kurs. Diese trat darauf mit Entscheid vom 24. August 2010 nicht ein und überwies die Sache an das damalige Amtsgericht Luzern-Land zur Beurteilung zusammen mit der Strafsache. C. Das Bezirksgericht Kriens sprach X. am 2. Juli 2012 wegen Sach beschädigung schuldig und verurteilte ihn zu einer bedingten Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu Fr. 100.- sowie einer Ersatzforderung von Fr. 132'500.-. Das Strafverfahren gegen diesen wegen Widerhandlung gegen § 187 Abs. 1 i.V.m. § 213 Abs. 2 PBG /LU stellte es infolge Verjährung ein. Die Einziehungsverfahren gegen die Aktiengesellschaft A.Y., B.Y. und Z. stellte es ebenfalls ein. Die Zivilforderung der Gemeinde Meggen verwies es auf den Zivilweg. Zudem hob es die Grundbuchsperre auf dem Grundstück Nr. x in Meggen auf. Gegen diesen Entscheid erhoben X. und die Staatsanwaltschaft Berufung. D. Das Kantonsgericht Luzern verurteilte X. am 22. Mai 2014 wegen Sachbeschädigung ( Art. 144 Abs. 1 StGB ) und Widerhandlung gegen § 187 Abs. 1 i.V.m. § 213 Abs. 1 und 2 PBG /LU (in der bis 31. Dezember 2013 gültigen Fassung) zu einer bedingten Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu Fr. 100.- und einer Busse von Fr. 30'000.-. Es verpflichtete ihn sowie die Aktiengesellschaft A.Y., B.Y. und Z., dem Staat eine Ersatzforderung von Fr. 132'500.-, Fr. 275'600.-, Fr. 79'500.- bzw. Fr. 42'400.- zu leisten. Die Grundbuchsperre auf dem Grundstück Nr. x in Meggen erhielt es aufrecht. E. X. führt dagegen Beschwerde in Strafsachen mit den Anträgen, ihn von Schuld und Strafe freizusprechen und die Grundbuchsperre auf dem Grundstück Nr. x in Meggen aufzuheben. Eventualiter sei die Sache zur erneuten Beurteilung und Anordnung eines Obergutachtens an die Vorinstanz zurückzuweisen. F. Das Kantonsgericht und die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Luzern beantragen die Abweisung der Beschwerde. BGE 141 IV 305 S. 308 G. Die Beschwerden in Strafsachen der Aktiengesellschaft A.Y. so wie von B.Y. und Z. gegen den Entscheid vom 22. Mai 2014 bilden Gegenstand der separaten Verfahren 6B_988/2014, 6B_989/2014 und 6B_990/2014. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit darauf einzutreten ist. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. 1.1 Der Beschwerdeführer bringt vor, die Schuldsprüche seien zufolge Verjährung aufzuheben. Die Strafverfügung des Amtsstatthalters vom 9. Februar 2010 sei kein erstinstanzliches Urteil im Sinne von Art. 97 Abs. 3 StGB . Der Entscheid sei in krasser Verletzung seines rechtlichen Gehörs ergangen. Da die Widerhandlung gegen das Planungs- und Baugesetz des Kantons Luzern vom 7. März 1989 (PBG/LU; SRL 735) gemäss Art. 109 StGB in drei Jahren verjähre, bleibe kein Raum für die siebenjährige Verjährungsfrist von Art. 70 Abs. 3 StGB . Auch das Recht zur Einziehung sei daher verjährt, da auf die Verfolgungsverjährung der Anlasstat abzustellen sei. 1.2 Bezüglich der Sachbeschädigung prüft das Bundesgericht die Verjährung mit voller Kognition ( Art. 95 lit. a BGG ). Die Widerhandlung gegen § 187 Abs. 1 i.V.m. § 213 Abs. 1 und 2 PBG /LU ist eine Übertretung des kantonalen Strafrechts. Da diese Anlasstat für die Einziehung ist, richtet sich auch die Verjährung der Ersatzforderung nach kantonalem Recht. Der Allgemeine Teil des StGB kommt insoweit nur über den Verweis von § 1 des Übertretungsstrafgesetzes des Kantons Luzern vom 14. September 1976 (UeStG/LU; SRL 300) auf die Allgemeinen Bestimmungen des StGB zur Anwendung. Art. 97 und Art. 70 f. StGB sind auf die Verjährung der Strafverfolgung für die Widerhandlung gegen das PBG/LU und der Ersatzforderung damit als kantonales Ersatzrecht anwendbar (vgl. NIKLAUS SCHMID, Einziehung unrechtmässig erlangter Vorteile, in: Verwaltungsstrafrecht und sanktionierendes Verwaltungsrecht, 2010, S. 76). Das Bundesgericht überprüft die Anwendung kantonalen Gesetzesrechts - von hier nicht relevanten Ausnahmen abgesehen - nur auf Willkür (vgl. Art. 95 BGG ; BGE 140 III 385 E. 2.3; BGE 138 IV 13 E. 2). Willkür in der Rechtsanwendung liegt vor, wenn der angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem BGE 141 IV 305 S. 309 Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Das Bundesgericht hebt einen Entscheid jedoch nur auf, wenn nicht bloss die Begründung, sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist. Dass eine andere Lösung ebenfalls als vertretbar oder gar zutreffender erscheint, genügt nicht ( BGE 140 III 167 E. 2.1; BGE 138 IV 13 E. 5.1). Für die Rüge der Willkür gelten erhöhte Begründungsanforderungen ( Art. 106 Abs. 2 BGG ; BGE 140 III 385 E. 2.3; BGE 138 I 171 E. 1.4 mit Hinweisen). 1.3 Ist vor Ablauf der Verjährungsfrist ein erstinstanzliches Urteil ergangen, so tritt die Verjährung nicht mehr ein ( Art. 97 Abs. 3 StGB ). Eine Strafverfügung nach früherem kantonalem Strafprozessrecht ist nach der Rechtsprechung ein erstinstanzliches Urteil im Sinne von Art. 97 Abs. 3 StGB , wenn sie auf einer umfassenden Grundlage beruht und in einem kontradiktorischen Verfahren erlassen wurde (Urteil 6B_775/2009 vom 18. Februar 2010 E. 2.1). Dies gilt namentlich für begründete Strafverfügungen des Amtsstatthalteramtes im Sinne von §§ 131 ff. aStPO/LU, die ergingen, nachdem die beschuldigte Person untersuchungsrichterlich einvernommen und ihr Akteneinsicht gewährt worden war (Urteil 6B_927/2008 vom 2. Juni 2009 E. 1). Der Strafverfügung des Amtsstatthalters vom 9. Februar 2010 gingen eine untersuchungsrichterliche Einvernahme sowie die Gewährung der Akteneinsicht und des rechtlichen Gehörs voraus. Sie gilt nach der Rechtsprechung daher als erstinstanzliches Urteil im Sinne von Art. 97 Abs. 3 StGB . Ob das rechtliche Gehör des Beschwerdeführers verletzt wurde, weil die Drittbetroffenen nicht untersuchungsrichterlich einvernommen wurden, ist fraglich, zumal der Beschwerdeführer nicht geltend macht, er habe deren Befragung beantragt. Dies würde am kontradiktorischen Charakter des Untersuchungsverfahrens und der Anwendbarkeit von Art. 97 Abs. 3 StGB auf den Entscheid vom 9. Februar 2010 auf jeden Fall nichts ändern. Da dieser vor Ablauf der dreijährigen Frist von Art. 109 StGB erging, tritt die Verfolgungsverjährung nicht mehr ein. 1.4 Die Bestimmungen über die Verjährung der Einziehung gelten auch für Ersatzforderungen (vgl. Urteil 6S.184/2003 vom 16. September 2003 E. 3.1, nicht publ. in: BGE 129 IV 305 ). Art. 70 Abs. 3 StGB kommt auch bei Übertretungen zum Tragen, bezüglich welcher die Strafverfolgung gemäss Art. 109 StGB in drei Jahren verjährt. Vermögenswerte, die durch Übertretungen erlangt worden sind, können daher auch noch eingezogen werden, wenn die Straftat bereits verjährt ist (vgl. BGE 129 IV 305 E. 4.2.2). Soweit die BGE 141 IV 305 S. 310 Vorinstanz für die Verjährung der Ersatzforderung auf Art. 70 Abs. 3 StGB abstellt, kann von Willkür keine Rede sein. Auf den Beginn und das Ende der Verjährung des Einziehungsrechts sind die allgemeinen Bestimmungen betreffend die Verjährung der Strafverfolgung analog anwendbar. Ist ein erstinstanzliches Urteil im Sinne von Art. 97 Abs. 3 StGB ergangen, verjährt auch die Einziehung von Vermögenswerten nicht mehr (vgl. Urteil 6B_425/2011 vom 10. April 2012 E. 4.3). Die Vorinstanz verneint daher ohne Willkür auch die Verjährung der Ersatzforderung. Die Rügen des Beschwerdeführers sind unbegründet, soweit sie den Begründungsanforderungen überhaupt genügen (vgl. Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG ). (...) 6. 6.1 Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Ersatzforderung. Er beanstandet, das Grundstück Nr. x in Meggen habe zufolge des Abbruchs des Einfamilienhauses keine Wertsteigerung erfahren. Die beiden schlüssigen Privatgutachten E. und F. würden dies verneinen. Auch das vom Amtsstatthalteramt Luzern eingeholte Gutachten G. gehe lediglich von einer minimalen, angesichts der Schätzungsungenauigkeit vernachlässigbaren Wertsteigerung von Fr. 15'100.- aus. Das gerichtliche Gutachten H. weise verschiedene Mängel auf. Es stelle auf die bei konsumptiv genutzten Einfamilienhäusern unbrauchbare Lageklassenmethode ab. Der Gutachter vergleiche den Wert des Landes vor und nach dem Abbruch, obschon beim Wert vor dem Abbruch auch das frühere Einfamilienhaus mitzuberücksichtigen gewesen wäre. Er gehe für den Landwert "für die Altbaute" von einer zu tiefen Lageklassenzahl aus und lasse unberücksichtigt, dass der Eigentümer das bisherige Einfamilienhaus angesichts der Nutzungsreserve auch hätte ausbauen können. Ein Ausbau wäre zulässig gewesen, auch wenn das Einfamilienhaus rechtskräftig als schützenswert eingestuft worden wäre, und hätte bewilligt werden müssen. Die Vorinstanz verstosse gegen das Willkürverbot und ihre Begründungspflicht, da sie auf die beanstandeten Mängel des Gutachtens H. nicht eingehe. Angesichts der identischen Gutachten E., F. und G. hätte sie zumindest ein Obergutachten einholen müssen. Stattdessen habe sie auch die beantragte Einvernahme der Gutachter E. und H. abgelehnt. Sie begründe zudem nicht, weshalb sie auf das Bruttoprinzip abstelle und als nicht angemessen erachte, die BGE 141 IV 305 S. 311 Abbruchkosten und den Wert des zerstörten Gebäudes in die Berechnung des Mehrwerts miteinzubeziehen. 6.2 Die Vorinstanz stellt für die Berechnung der Ersatzforderung auf den vom gerichtlichen Gutachter H. ermittelten Mehrwert von Fr. 530'000.- ab. Die Ersatzforderung des Beschwerdeführers setzt sie in Berücksichtigung seiner Beteiligung von 25 % an der einfachen Gesellschaft C. gemäss Konsortialvertrag vom 18. August 2005 auf Fr. 132'500.- fest. Sie erwägt dazu im Wesentlichen, nicht ersichtlich sei, inwiefern bei der Wahl der Vergleichswert- bzw. Vergleichspreismethode anstelle der Lageklassenmethode ein zutreffenderes Resultat erzielt worden wäre. Auch das Bundesgericht bejahe die Anwendung der Lageklassenmethode zur Ermittlung des relativen Landwertes. Die Verwendung dieser Methode leuchte vorliegend ein, werde das Grundstück doch mit aller Wahrscheinlichkeit im Stil und Standard sämtlicher umliegender Grundstücke überbaut werden. Die einfache Gesellschaft C. habe von Beginn an nicht eine Selbstnutzung, sondern einen Abriss des Einfamilienhauses mit nachfolgender (maximal zulässiger) neuer Überbauung und anschliessendem Verkauf zur Erzielung eines grösstmöglichen Gewinns geplant. Einerseits sei kaum davon auszugehen, dass die Gemeinde einen umfangreichen Anbau an das Einfamilienhaus erlaubt hätte, nachdem dieses ausschliesslich wegen seines Äusseren als schutzwürdig erachtet worden sei. Andererseits sei offensichtlich, dass angesichts der bestehenden Baute, welche von den Mitgliedern der einfachen Gesellschaft C. als "nicht mehr bewohnbar", "praktisch unbewohnbar", "viele Baumängel" und "Hütte" erachtet worden sei, ein Ausbau in hohem Standard mittels Anbau zu keiner Zeit beabsichtigt gewesen sei. Gestützt auf Lehre und Rechtsprechung habe das Gericht im Einzelfall zu entscheiden, ob das Netto- oder das Bruttoprinzip angemessen sei. Vorliegend sei es nicht angemessen, den Abzug der Kosten der eigentlichen Tat (Abbruchkosten) wie auch den Wert der (willentlich) zerstörten Sache (Gebäudewert) zuzulassen. Es habe für den Beschwerdeführer beim Bruttoprinzip sein Bewenden. Bezüglich der Anträge des Beschwerdeführers auf Einholung eines Obergutachtens und Einvernahme der beiden Privatgutachter führt die Vorinstanz aus, es lägen mit dem vom Amtsstatthalter veranlassten Gutachten G., dem Privatgutachten E. des Beschwerdeführers, dem vom Bezirksgericht eingeholten Gutachten H. inklusive Beantwortung von Ergänzungsfragen und dem vom Beschwerdeführer im Berufungsverfahren aufgelegten Privatgutachten F. BGE 141 IV 305 S. 312 ausreichende Meinungsäusserungen von Sachverständigen vor, um die Frage eines allfälligen Mehrwerts im Sinne von Art. 71 StGB im Rahmen einer sorgfältigen Beweiswürdigung zu beantworten. Ein neues (Ober-)Gutachten vermöchte keine wesentlichen neuen Erkenntnisse in sachverhaltsmässiger Hinsicht zu bringen. Die Beantwortung von Rechtsfragen könne nicht an einen weiteren Sachverständigen delegiert werden, sondern sei Aufgabe des Gerichts. Die Vorinstanz verweist zudem auf die Ausführungen des Bezirksgerichts. Dieses legte u.a. dar, dass sich die auf den ersten Blick grossen Unterschiede zwischen den Gutachten bei genauerer Betrachtung weitgehend auflösen. Der grosse Unterschied des Gutachtens H. im Vergleich zu den Gutachten G. und E. ergebe sich daraus, dass Ersterer den relativen Landwert vor Abbruch (ohne abgebrochenes Gebäude) mit dem Landwert nach Abbruch verglichen habe. Die beiden anderen Gutachter hätten demgegenüber jeweils den Gebäudesubstanzwert vor Abbruch und auch die Abbruchkosten dazugezählt. Unter Berücksichtigung dieser Differenzierung würden alle drei Gutachten schlüssig erscheinen und stünden nicht im Widerspruch zueinander. Insbesondere werde der Landwert nach Abbruch von allen drei Gutachtern etwa gleich hoch eingeschätzt. 6.3 6.3.1 Nach Art. 70 Abs. 1 StGB verfügt das Gericht die Einziehung von Vermögenswerten, die durch eine Straftat erlangt worden sind oder dazu bestimmt waren, eine Straftat zu veranlassen oder zu belohnen, sofern sie nicht dem Verletzten zur Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes ausgehändigt werden. Lässt sich der Umfang der einzuziehenden Vermögenswerte nicht oder nur mit unverhältnismässigem Aufwand ermitteln, so kann das Gericht ihn schätzen ( Art. 70 Abs. 5 StGB ). Sind die der Einziehung unterliegenden Vermögenswerte nicht mehr vorhanden, so erkennt das Gericht auf eine Ersatzforderung des Staates in gleicher Höhe ( Art. 71 Abs. 1 StGB ). Das Gericht kann von einer Ersatzforderung ganz oder teilweise absehen, wenn diese voraussichtlich uneinbringlich wäre oder die Wiedereingliederung des Betroffenen ernstlich behindern würde ( Art. 71 Abs. 2 StGB ). 6.3.2 Einzuziehen sind nach der zu Art. 70 f. StGB ergangenen Rechtsprechung nicht nur die Vermögenswerte, die durch die strafbare Handlung unmittelbar erlangt worden sind, sondern auch gewisse Erträge, welche mit den durch die Straftat erlangten Vermögenswerten erzielt worden sind. Erforderlich ist allerdings, dass BGE 141 IV 305 S. 313 zwischen den Erträgen aus den Vermögenswerten und der Straftat ein hinreichend enger, adäquater Zusammenhang besteht (Urteil 6B_430/2012 vom 8. Juli 2013 E. 3.1.2). 6.3.3 Aus den Bestimmungen des StGB betreffend die Einziehung von Vermögenswerten und die Ersatzeinziehung durch Festlegung einer staatlichen Ersatzforderung ergibt sich nicht, ob bei der Berechnung des einzuziehenden Vermögenswerts nach dem Bruttoprinzip oder nach dem Nettoprinzip zu verfahren ist. Die Rechtsprechung des Bundesgerichts neigt zur Anwendung des Bruttoprinzips, verlangt aber die Beachtung des allgemeinen Grundsatzes der Verhältnismässigkeit ( BGE 124 I 6 E. 4b/bb mit Hinweisen; zum Ganzen auch Urteile 6B_56/2010 vom 29. Juni 2010 E. 3.2; 6B_697/2009 vom 30. März 2010 E. 2.2; 6P.236/2006 / 6S.555/2006 vom 23. März 2007 E. 11.3, nicht publ. in: BGE 133 IV 112 ). In der Lehre wird die Auffassung vertreten, dass bei generell verbotenen Handlungen das Bruttoprinzip anzuwenden ist, während bei an sich rechtmässigem, nur in seiner konkreten Ausrichtung rechtswidrigem Verhalten das Nettoprinzip gelten soll (NIKLAUS SCHMID, in: Kommentar Einziehung, organisiertes Verbrechen, Geldwäscherei, Bd. I, 2. Aufl. 2007, N. 57 f. zu Art. 70-72 StGB ; TRECHSEL/JEAN-RICHARD, in: Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, 2. Aufl. 2013, N. 6d zu Art. 70 StGB ). Andere Autoren raten von jeglichem Schematismus ab und treten dafür ein, in jedem Einzelfall unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände eine Wertung vorzunehmen und zu prüfen, ob und inwieweit der gesamte Bruttoerlös der strafbaren Handlung zugerechnet werden kann und inwieweit die Abschöpfung in diesem Umfang vor dem Verhältnismässigkeitsprinzip standhält (FLORIAN BAUMANN, in: Basler Kommentar, Strafrecht, Bd. I, 3. Aufl. 2013, N. 34 zu Art. 70/71 StGB; GREINER/AKIKOL, Grenzen der Vermögenseinziehung bei Dritten [ Art. 59 Ziff. 1 Abs. 2 StGB ] - unter Berücksichtigung von zivil- und verfassungsrechtlichen Aspekten, AJP 2005 S. 1351; ausführlich auch SIMONE NADELHOFER DO CANTO, Vermögenseinziehung bei Wirtschafts- und Unternehmensdelikten, 2008, S. 88 ff.). Das Bundesgericht sprach sich verschiedentlich für das Bruttoprinzip aus, dies namentlich bei generell verbotenen Verhaltensweisen wie dem illegalen Betäubungsmittelhandel (Urteil 6B_986/2008 vom 20. April 2009 E. 6.1.1), der gewerbsmässigen Hehlerei (Urteil 6B_728/2010 vom 1. März 2011 E. 4.6) oder Geldwäschereihandlungen (Urteil 6S.426/2006 vom 28. Dezember 2006 E. 5). Es BGE 141 IV 305 S. 314 betonte zudem, dass ein Abzug der Kosten der eigentlichen Straftat bei der Berechnung der Ersatzforderung ausser Betracht fällt (vgl. Urteil 6B_56/2010 vom 29. Juni 2010 E. 3.5 betreffend Kosten für die Anschaffung und den Einbau einer illegalen Software; gleich TRECHSEL/JEAN-RICHARD, a.a.O., N. 6d in fine zu Art. 70 StGB ). Das Nettoprinzip zur Festlegung einer staatlichen Ersatzforderung brachte es demgegenüber wiederholt bei blossen Übertretungen zur Anwendung (vgl. BGE 124 I 6 E. 4b/cc und dd; Urteil 6B_697/2009 vom 30. März 2010 E. 2.4.1). 6.4 Die Bestimmungen von Art. 70 f. StGB sind vorliegend wie bereits erwähnt nur als kantonales Ersatzrecht anwendbar, weshalb das Bundesgericht deren Verletzung nur unter dem Gesichtspunkt der Willkür prüft (oben E. 1.2). Es prüft hingegen mit freier Kognition, ob die Ersatzforderung in Anwendung kantonalen Rechts mit der Eigentumsgarantie ( Art. 26 BV ) und dem in Art. 36 Abs. 3 BV verankerten Verhältnismässigkeitsprinzip vereinbar ist (vgl. Art. 95 lit. a BGG ; BGE 138 IV 13 E. 2; BGE 124 I 6 E. 4b/aa). 6.5 Die Vorinstanz vergleicht für die Berechnung der Ersatzforderung den Landwert vor und nach dem illegalen Abbruch des Einfamilienhauses. Nicht als willkürlich oder unverhältnismässig zu beanstanden ist mit Blick auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung, wenn sie die Kosten des Abbruchs, d.h. der eigentlichen Straftat, nicht zum Abzug zulässt. Das Einziehungsrecht folgt dem Grundsatz, dass sich strafbares Verhalten nicht lohnen soll. Würde, wie vom Beschwerdeführer beantragt, der Wert des Landes inklusive Einfamilienhaus vor der Tat mit dem Wert des unbebauten Landes nach dem Abbruch verglichen, bliebe unberücksichtigt, dass infolge der Straftat möglicherweise ein gewinnbringendes Immobilienprojekt realisiert werden kann, was der Beschwerdeführer gerade bezweckte. Die Vorinstanz verfällt nicht in Willkür, wenn sie bei der Berechnung der Ersatzforderung den Wert des abgebrochenen Gebäudes nicht mitberücksichtigt. Dies ist auch mit dem in Art. 36 Abs. 3 BV verankerten Verhältnismässigkeitsprinzip vereinbar. Der Beschwerdeführer liess das Einfamilienhaus im Wissen um den ersten negativen Entscheid und den noch ausstehenden zweiten Entscheid abreissen, um darauf eine gewinnbringende Überbauung vornehmen zu können. Zwar steht derzeit noch nicht mit letzter Sicherheit fest, ob das Immobilienprojekt mit der höheren Ausnutzung überhaupt verwirklicht werden kann. Daran ändert jedoch nichts, dass das Land nach dem Abbruch des Einfamilienhauses aufgrund BGE 141 IV 305 S. 315 der besseren Ausnutzungsmöglichkeiten eine Wertsteigerung erfahren hat und insofern ein Mehrwert besteht. Das Risiko der ausstehenden Baubewilligung nahm der Beschwerdeführer im Zeitpunkt, als er das Einfamilienhaus willentlich zerstörte, in Kauf. 6.6 6.6.1 Ob ein Gericht die im Gutachten enthaltenen Erörterungen für überzeugend hält oder nicht und ob es dementsprechend den Schlussfolgerungen des Experten folgen oder ein Ergänzungsgutachten bzw. eine Oberexpertise einholen soll, ist eine Frage der Beweiswürdigung, die mit Beschwerde in Strafsachen wegen Verletzung des Willkürverbots aufgeworfen werden kann. Eine entsprechende Kritik muss substanziiert dargelegt werden (vgl. Art. 97 Abs. 1 i.V.m. Art. 106 Abs. 2 BGG ; BGE 138 III 193 E. 4.3.1; BGE 106 IV 236 E. 2a; je mit Hinweisen). Privatgutachten haben nicht den gleichen Stellenwert wie ein Gutachten, das von der Untersuchungsbehörde oder vom Gericht eingeholt wurde. Sie bilden bloss Bestandteil der Parteivorbringen. Die Qualität von Beweismitteln kommt ihnen nicht zu ( BGE 135 III 670 E. 3.3.1; BGE 132 III 83 E. 3.4; BGE 127 I 73 E. 3 f/bb; je mit Hinweisen). Das Abstellen auf ein nicht schlüssiges Gutachten kann gegen Art. 9 BV verstossen ( BGE 138 III 193 E. 4.3.1; BGE 133 II 384 E. 4.2.3 mit Hinweisen). Ein Parteigutachten ist nur geeignet, die Erstellung eines (zusätzlichen) Gutachtens zu rechtfertigen oder darzulegen, dass das gerichtliche oder amtliche Gutachten mangelhaft oder nicht schlüssig ist (Urteile 6B_829/2013 vom 6. Mai 2014 E. 4.1; 6B_215/2013 vom 27. Januar 2014 E. 1.2; je mit Hinweisen). 6.6.2 Das Gutachten H. bringt für die Ermittlung des Verkehrswerts des Grundstücks Nr. x in Meggen die Lageklassenmethode zur Anwendung. Die Lageklassenmethode berechnet den Landwert in Relation zum Gesamtwert eines Grundstücks. Sie beruht auf der Erkenntnis, dass ähnliche Objekte an gleicher Lage stets die gleichen Verhältniszahlen zwischen Grundstückswert und dem Wert der Bauten aufweisen (vgl. Urteil 2C_790/2008 vom 18. November 2009 E. 4.2). Dies erscheint hier eine angemessene oder zumindest nicht willkürliche Methode für die Berechnung der Ersatzforderung. Der Einwand, die Vergleichswert- bzw. Vergleichspreismethode wäre vorzuziehen gewesen oder die Bewertung nach der Lageklassenmethode sei gar falsch, reicht für die Annahme von Willkür nicht aus. Hierzu wäre erforderlich, dass die Vorinstanz bzw. der Gutachter den Ermessensspielraum bei der Methodenwahl offensichtlich BGE 141 IV 305 S. 316 missbraucht hätten oder deren Wahl geradezu unhaltbar wäre (vgl. Urteil 2C_790/2008 vom 18. November 2009 E. 4.2). Dies zeigt der Beschwerdeführer jedoch nicht auf. Die Vorinstanz stellt fest, die einfache Gesellschaft C. habe auf dem Grundstück Nr. x in Meggen von Beginn an eine Überbauung mit maximal zulässiger Ausnutzung und einen anschliessenden Verkauf zur Erzielung eines grösstmöglichen Gewinns beabsichtigt. Dass und weshalb dies schlechterdings unhaltbar sein könnte oder die Vorinstanz willkürlich eine grosse Wahrscheinlichkeit einer Überbauung mit maximal zulässiger Ausnutzung bejaht haben könnte, geht aus der Kritik des Beschwerdeführers nicht hervor. Dieser weist lediglich darauf hin, dass die einfache Gesellschaft Ende 2007/Anfang 2008 (d.h. nach dem Entscheid vom 6. August 2007) auch andere Optionen wie einen Verkauf des Grundstücks prüfte. Beim betroffenen Grundstück handelt es sich entgegen dem Beschwerdeführer daher um ein ertragswertorientiertes Objekt. 6.6.3 Weshalb der Gutachter von einer zu tiefen Lageklasse ausgegangen sein soll, legt der Beschwerdeführer ebenfalls nicht substanziiert dar. Er beruft sich dazu lediglich auf das Gutachten F., das ohne nähere Begründung einen höheren Wert annimmt. Dass der Wert des gerichtlichen Gutachters offensichtlich unhaltbar wäre, ist damit nicht dargetan. Ebenso wenig ergibt sich aus dem Gegengutachten, dass die angeblich zu tiefe Lageklasse nicht nur zu einem anderen, sondern zu einem geradezu willkürlichen Ergebnis geführt hätte. Nach der Vorinstanz wäre eine bessere Ausnutzung des bisherigen Einfamilienhauses durch einen Anbau angesichts der Schutzwürdigkeit des Gebäudes nicht bewilligt worden. Der Beschwerdeführer zeigt auch diesbezüglich nicht auf, dass der angefochtene Entscheid gegen das Willkürverbot verstossen oder aus anderen Gründen Bundesrecht verletzen könnte. 6.7 Die Vorinstanz setzt sich mit sämtlichen Einwänden des Beschwerdeführers auseinander. Ihr Entscheid ist entgegen dessen Kritik ausreichend begründet. Sie weist zutreffend darauf hin, dass die Frage, ob der Substanzwert des abgebrochenen Gebäudes und die Abbruchkosten bei der Berechnung der Ersatzforderung in Abzug gebracht werden können, rechtlicher Natur und daher vom Gericht zu beantworten ist. Die unterschiedlichen Ergebnisse der Gutachter lassen sich nach den vom Beschwerdeführer nicht beanstandeten Ausführungen des Bezirksgerichts, auf welche die Vorinstanz verweist, damit erklären, dass der Privatgutachter und der Gutachter BGE 141 IV 305 S. 317 G. bei der Berechnung der Ersatzforderung den Gebäudesubstanzwert und auch die Abbruchkosten in Abzug brachten. Diesbezüglich geht es jedoch wie dargelegt um eine Rechtsfrage, wobei die Vorinstanz auf entsprechende Abzüge verzichten durfte (oben E. 6.5). Weder die Kritik an der Methodenwahl noch an der zu tiefen Lageklasse musste die Vorinstanz an der Schlüssigkeit des gerichtlichen Gutachtens zweifeln lassen. Diese durfte den Antrag des Beschwerdeführers auf Einholung eines Obergutachtens in antizipierter Beweiswürdigung ohne Verletzung seines rechtlichen Gehör abweisen. Gleiches gilt für die beantragte Befragung der Privatgutachter E. und F., die ihren Standpunkt bereits in ihren Gutachten dargelegt haben. Der Beschwerdeführer begründet nicht, worauf er seine Behauptung stützt, er habe im vorinstanzlichen Verfahren eine mündliche Befragung des Gutachters H. verlangt. Ein solcher Beweisantrag kann weder seiner Berufungsbegründung vom 19. Mai 2013 noch dem angefochtenen Entscheid entnommen werden. Auf die Rüge, die Vorinstanz habe den Antrag auf Einvernahme des Gutachters H. zu Unrecht abgewiesen, ist mangels Begründung nicht einzutreten. 6.8 Die Einwände des Beschwerdeführers gegen die Ersatzforderung sind unbegründet, soweit sie den Begründungsanforderungen zu genügen vermögen.
null
nan
de
2,015
CH_BGE
CH_BGE_006
CH
Federation
df2c2ee7-cf1c-4c54-bb18-7d35229d6d2c
Urteilskopf 102 II 45 7. Auszug aus dem Entscheid der verwaltungsrechtlichen Kammer vom 13. Februar 1976 i.S. Witwe N. und Kind gegen Kanton Solothurn.
Regeste Beamtenhaftung (Verantwortlichkeitsgesetz des Kantons Solothurn). Gemäss den für das Kantonsspital Olten massgebenden kantonalrechtlichen Grundlagen stellt einerseits die gesamte Tätigkeit eines Chefarztes, gleichgültig, ob er diese haupt- oder nebenamtlich, an Patienten der allgemeinen oder der Privatabteilung ausübt, eine unter der Aufsicht des Kantons stehende amtliche Verrichtung dar und ist anderseits das Benutzungsverhältnis sämtlicher im Kantonsspital Olten hospitalisierter Patienten öffentlichrechtlicher Natur, umfasst also auch die Beziehungen zwischen den Patienten der Privatabteilung und den sie behandelnden Chefärzten.
Sachverhalt ab Seite 46 BGE 102 II 45 S. 46 N. trat als Privatpatient in die Ohren-Nasen-Hals-Abteilung des Kantonsspitals Olten ein. Er starb einen Tag später während einer durch Dr. X. durchgeführten Kieferhöhlen- und Siebbeinoperation. An der Operation wirkte als Narkosearzt Dr. Y. mit, der für diese Funktion am Kantonsspital hauptamtlich angestellt ist. Der Verstorbene hinterliess seine Ehefrau und eine Tochter. Diese reichen beim Bundesgericht - trotz der Einstellung der Strafuntersuchung gegen die beiden Ärzte wegen fahrlässiger Tötung - Klage ein. Sie vertreten die Ansicht, die beiden Ärzte hätten als Beamte des Kantons Solothurn ihnen in Ausübung ihrer amtlichen Verrichtungen widerrechtlich Schaden zugefügt, und begehren, der Kanton Solothurn sei zu verpflichten, ihnen Schadenersatz und Genugtuung zu leisten. Der Kanton Solothurn widersetzt sich der Klage. Anlässlich der Vorbereitungsverhandlung einigten sich aber die Parteien darauf, dass das Bundesgericht zunächst in einem sog. Vorurteil entscheiden solle, ob der Kanton Solothurn überhaupt hafte, wiewohl der Verstorbene Privatpatient von Dr. X. war. Das Bundesgericht stellt fest, dass der Kanton Solothurn gegenüber den Klägerinnen für eine allfällige Verletzung der ärztlichen Sorgfaltspflicht, die den Ärzten Dr. X. und Dr. Y. hinsichtlich der Operation des verstorbenen N. vorgeworfen wird, einzustehen hat. Erwägungen Erwägungen: 2. Das Kantonsspital Olten beruht auf dem Gründungsbeschluss des Kantonsrates vom 17. Mai 1878, der an der Volksabstimmung vom 16. Juni 1878 angenommen worden und am 22. Juni 1878 in Kraft getreten ist. Für den Betrieb gilt die Verordnung, die am 27. Mai 1893 gestützt auf § 6 des Gründungsbeschlusses durch den Regierungsrat erlassen worden und am 15. November 1893 in Kraft getreten ist. Aus diesen rechtlichen Grundlagen geht hervor, dass das Kantonsspital Olten eine vom öffentlichen Recht des Kantons Solothurn beherrschte unselbständige Anstalt ist. Die Beziehungen zwischen einer solchen öffentlich-rechtlichen Anstalt und ihren Benützern (oder deren Angehörigen) beruhen auf einem besondern Rechtsverhältnis. Ob dieses allein öffentlich-rechtlich ausgestaltet ist, oder ob es auch Elemente privatrechtlichen Charakters enthält, ergibt sich aus BGE 102 II 45 S. 47 den massgeblichen kantonalen Bestimmungen über den rechtlichen Status und die Organisation der staatlichen Krankenanstalt ( BGE 101 II 177 E. 3; BGE 98 Ia 508 E. 8; BGE 82 II 321 ; alle mit Hinweisen). Das selbe gilt für das Rechtsverhältnis zwischen dem Träger der öffentlich-rechtlichen Anstalt (hier dem Kanton) und den in der Anstalt beschäftigten personellen Kräften (hier Ärzte, Pflege- und anderes Personal). a) Nach Art. 61 Abs. 1 OR können die Kantone über die Pflicht ihrer Beamten und Angestellten, den in Ausübung ihrer amtlichen Verrichtungen verursachten Schaden zu ersetzen oder Genugtuung zu leisten, vom Bundeszivilrecht abweichende Bestimmungen aufstellen. Nach Abs. 2 des selben Artikels können jedoch die Regeln des Bundeszivilrechts für gewerbliche Verrichtungen von öffentlichen Beamten und Angestellten durch kantonale Gesetze nicht abgeändert werden. Unter gewerblichen Verrichtungen im Sinne dieser Vorschrift wird die Staatstätigkeit verstanden, die keinen hoheitlichen Charakter trägt ( BGE 101 II 183 ; auch BGE 89 II 271 ; OFTINGER, Schweizerisches Haftpflichtrecht, Bd. II/I, S. 121 ff., insbesondere S. 127 f.; OSER/SCHÖNENBERGER, N. 13 zu Art. 61 OR ). Die Krankenbetreuung in öffentlichen Krankenhäusern und namentlich die ärztliche Berufsausübung in öffentlichen Spitälern wird nach herrschender Ansicht nicht den gewerblichen Verrichtungen im Sinne von Art. 61 Abs. 2 OR zugerechnet, sondern als hoheitliche Staatstätigkeit betrachtet, soweit sie durch Ärzte in amtlicher Eigenschaft erfolgt ( BGE 101 II 183 ; auch BGE 82 II 324 ff.; BGE 70 II 208 ; BGE 56 II 200 f.; BGE 48 II 417 ; OFTINGER, a.a.O., S. 130; a.M. GAUTSCHI, N. 42 und 53c zu Art. 394 OR ; LOEFFLER, Die Haftung des Arztes aus ärztlicher Behandlung, Diss. Zürich 1945, S. 33). In den (bereits erwähnten) für das Kantonsspital Olten geltenden Rechtsgrundlagen finden sich keinerlei Anhaltspunkte, dass die Betreuung der in dieser öffentlich-rechtlichen Krankenanstalt hospitalisierten Patienten als gewerbliche Verrichtung im Sinne von Art. 61 Abs. 2 OR zu betrachten wäre; diese Tätigkeit untersteht daher grundsätzlich den Haftungsregeln des kantonalen Verantwortlichkeitsgesetzes (Gesetz vom 26. Juni 1966 über die Haftung des Staates, der Gemeinden, der öffentlich-rechtlichen Körperschaften und Anstalten und die Verantwortlichkeit der Behörden, Beamten und öffentlichen Angestellten und Arbeiter). Nach § 1 dieses Gesetzes unterstehen dessen Bestimmungen BGE 102 II 45 S. 48 alle Personen, denen die Ausübung eines öffentlichen Amtes des Staates, der Gemeinden, der öffentlich-rechtlichen Körperschaften und öffentlich-rechtlichen Anstalten des kantonalen Rechts übertragen ist, und zwar die Behörden, Beamten, Angestellten und Arbeiter sowie alle übrigen Arbeitskräfte, auch wenn sie nur nebenamtlich, provisorisch oder obligatorisch angestellt sind. Die Haftung des Gemeinwesens erstreckt sich nach § 2 des Verantwortlichkeitsgesetzes auf den Schaden, den öffentliche Funktionäre in Ausübung ihrer amtlichen Tätigkeit Dritten widerrechtlich mit oder ohne Verschulden zufügen. Die prinzipielle Haftbarkeit des Kantons Solothurn, deren Feststellung von den Klägerinnen im vorliegenden Verfahren begehrt wird, setzt demnach voraus, dass die beiden Ärzte, Dr. X. und Dr. Y, als sie N. im Kantonsspital Olten operiert haben, die Stellung von öffentlichen Funktionären im Sinne der eben erwähnten Bestimmungen des Verantwortlichkeitsgesetzes innehatten, mit andern Worten, dass das Rechtsverhältnis, in das N. bei seiner Aufnahme in die Privatabteilung des Kantonsspitals eingetreten ist, auch bezüglich seiner Beziehung zu dem ihn operierenden Chefarzt sowie zum Narkosearzt öffentlich-rechtlicher Natur war. Wie es sich mit letzterem verhält, beurteilt sich nach der Rechtsstellung dieser beiden Ärzte innerhalb der staatlichen Krankenanstalt. b) Hinsichtlich der Rechtsstellung der beiden Chefärzte, Dr. X. und Dr. Y., ergibt sich aus den Akten folgendes: Die Rechtsstellung von Dr. X. war festgelegt in zwei Beschlüssen des Regierungsrates vom 23. Januar und 4. Oktober 1968. Darnach wurde Dr. X. als "nebenamtlicher Chefarzt" gewählt. Er wurde mit der Leitung der am Kantonsspital bestehenden Abteilung für Ohren-Nasen- und Halskrankheiten betraut. Das medizinische Hilfspersonal wurde ihm in Bezug auf die dienstlichen Verrichtungen direkt unterstellt. Er hatte (alle) seine Patienten selbständig zu behandeln. Es wurde ihm das Recht eingeräumt, im Operationssaal des Kantonsspitals an Patienten, die nicht hospitalisiert werden mussten, ambulant Operationen auszuführen, wobei er die daraus dem Spital erwachsenden Unkosten gemäss spezieller Regelung zu vergüten hatte. Die Besoldungs- und Honoraransprüche des "nebenamtlichen Chefarztes der ONH-Abteilung" wurden wie folgt festgelegt: Es wurde ein Fixum bestimmt, in dem die BGE 102 II 45 S. 49 konsultative Inanspruchnahme des Chefarztes durch andere Spitalärzte für Patienten der allgemeinen Abteilung inbegriffen war. Aus den vom Chefarzt selbst ausgeführten oder unter seiner Aufsicht und Verantwortung vorgenommenen Operationen an Privatpatienten sowie aus der ärztlichen Behandlung dieser Patienten wurde ihm ein Anspruch auf 60% der Spitaleinnahmen eingeräumt, wobei dieser Anspruch bei Ferien, Krankheit, Militärdienstleistung oder bei Beurlaubung von mehr als einer Woche entfiel. Die Rechtsstellung von Dr. Y. gründet im Regierungsratsbeschluss vom 22. Dezember 1964. Darnach wurde Dr. Y. auf den 1. April 1965 zum Anästhesiearzt am Kantonsspital Olten gewählt und sein Anfangsgehalt festgelegt. Ferner wurde ihm ein Anspruch auf 60% der Spitaleinnahmen aus den von ihm selbst oder unter seiner Aufsicht und Verantwortung bei Patienten der Privatabteilungen ausgeführten Anästhesien eingeräumt. In der Folge wurde Dr. Y. durch den Regierungsratsbeschluss vom 5. Dezember 1967 zum hauptamtlichen Chefarzt für Anästhesie gewählt und gemäss dem durch die Sanitätsdirektion erlassenen Pflichtenheft vom 17. Mai 1968 den andern Chefärzten in allen Rechten und Pflichten gleichgestellt. c) Der seit dem 22. Juni 1878 in Kraft stehende Gründungsbeschluss für das Kantonsspital Olten bestimmt als Zweck der Krankenanstalt, "körperlich kranke Kantonsbewohner zu verpflegen". Die für den Spitalbetrieb ebenfalls immer noch gültige Verordnung vom 27. Mai 1893 umschreibt den Zweck insofern weiter, als das Kantonsspital Olten bestimmt ist, körperlich Kranke zur Behandlung und Pflege aufzunehmen; eine Einschränkung auf Kantonsbewohner besteht nach dieser Bestimmung nicht mehr. Was die Rechtsstellung des Chefarztes anbelangt, führt die Verordnung u.a. aus, dass diesem die Privatpraxis gestattet sei. Die Taxordnung vom 8. Juli 1971 regelte die Taxen sowohl für die Benutzung der allgemeinen als auch der "Privatabteilung", also auch der Abteilung, in der die Privatpatienten der Chefärzte untergebracht sind. Die Tagestaxen für die Benutzung der allgemeinen Abteilung schliessen - von Ausnahmen abgesehen - sämtliche Leistungen des Spitals ein. Für die Privatabteilung enthält der Tarif sowohl die Ansätze für die Unterkunft (Zimmertaxe) und die Benutzung von Operations- und Gebärsaal, als auch BGE 102 II 45 S. 50 die Ansätze für die Nebenleistungen, zu denen gemäss Tarifordnung auch die operativen Eingriffe gehören. Diese sind je nach Herkunft der Patienten verschieden. Der neuen Taxordnung vom 14. Dezember 1972 liegt das selbe System zugrunde; sie ist für die Patienten der Privatabteilung insofern differenzierter, als nicht mehr einzig zwischen Patienten, die innerhalb oder ausserhalb des Kantons Niederlassung oder Aufenthalt haben, unterschieden wird, sondern bei den ausserkantonalen Patienten noch zwischen jenen, die in der Schweiz, und jenen, die im Ausland wohnen. d) Diese kantonalrechtliche Ausgestaltung der Organisation des Kantonsspitals Olten lässt erkennen, dass das Rechtsverhältnis zwischen dem Träger der Anstalt und seinen Benutzern gänzlich vom öffentlichen Recht beherrscht wird. Wer als Patient der allgemeinen Abteilung in das Kantonsspital Olten eingewiesen wird, tritt in ein besonderes Rechtsverhältnis ein, das hinsichtlich seiner Ausgestaltung dem öffentlichen Recht des Kantons untersteht. Erleidet dieser Patient wegen Verletzung der ärztlichen Sorgfaltspflicht oder aus einem andern den Organen der Anstalt anzulastenden widerrechtlichen Verhalten einen Schaden, können er und allenfalls seine Angehörigen den Kanton nach Massgabe des Verantwortlichkeitsgesetzes belangen. Dies wird vom beklagten Kanton auch nicht bestritten. Die Haftung des Kantons entfällt aber auch nicht, wenn der Geschädigte Patient in der Privatabteilung, d.h. Privatpatient des Chefarztes ist und diesem hinsichtlich der Operation seines Patienten eine Verletzung der ärztlichen Sorgfaltspflicht vorgeworfen werden muss. Mit Ausnahme der unterschiedlichen Ansätze des zu entrichtenden Entgelts für die einzelnen Haupt- und Nebenleistungen der Anstalt unterscheidet sich nämlich die Stellung der Patienten der Privatabteilung von jener der allgemeinen Abteilung nach Massgabe der einschlägigen kantonalrechtlichen Normen nicht. Jeder Patient, gleich welcher Abteilung, tritt daher bei seiner Einweisung in das Kantonsspital Olten in das besondere, vom öffentlichen Recht des Kantons beherrschte Rechtsverhältnis; dieses umfasst auch die Beziehungen zwischen Patienten und Ärzteschaft. Sieht man von den ambulanten Operationen ab, d.h. von den operativen Eingriffen, welche Chefärzte an Patienten ausführen, die im Spital nicht hospitalisiert werden, ergibt sich aus BGE 102 II 45 S. 51 den massgeblichen kantonal-rechtlichen Bestimmungen keinerlei Hinweis dafür, dass bei den Patienten der Privatabteilung, welche durch Chefärzte ins Spital eingewiesen und hier operiert werden, ein sog. gespaltenes Rechtsverhältnis bestehen soll, d.h. ein vom öffentlichen Recht beherrschtes Benutzungsverhältnis gegenüber der Anstalt als solcher und ein privatrechtliches Auftragsverhältnis gegenüber dem Chefarzt, der die Operation durchführt. Für die rechtliche Qualifikation des Verhältnisses zwischen Privatpatient, Spital und Chefarzt kann es daher auch keine massgebliche Rolle spielen, von welchen persönlichen Motiven der Willensentschluss des Patienten, sich gerade von diesem Chefarzt als Patient der Privatabteilung des Kantonsspitals Olten behandeln und operieren zu lassen, getragen wird. Der Patient dürfte sich ohnehin meist über das Rechtsverhältnis, in das er bei seiner Einweisung in eine Krankenanstalt tritt, kaum völlig im klaren sein. Der Patient erwartet, wenn er die Einweisung in die Privatabteilung verlangt, eine bessere Betreuung, d.h. bessere Leistungen, insbesondere eine persönliche Betreuung durch den Chefarzt. Der Patient ist auch bereit, selbst oder über seine Versicherung für dieses "Bessere" ein höheres Entgelt zu entrichten. Er wünscht aber das Bessere innerhalb der öffentlich-rechtlichen Institution. Selbst wenn daher dieser Patient bereits vor seiner Einweisung ins Spital Privatpatient in der Privatpraxis des Chefarztes war und zu diesem in einem privatrechtlichen Auftragsverhältnis stand, ändert sich mit der Einweisung als Patient ins Kantonsspital Olten sein Rechtsverhältnis zu seinem Arzt. Dieser betreut ihn als Bediensteter des Spitals; das Rechtsverhältnis zum Chefarzt geht in jenem zur Anstalt auf. Welcher Teil des vom Privatpatienten zu entrichtenden Entgelts an den Chefarzt fliesst und wieviel von den Taxen dem Kanton verbleibt, ist für die rechtliche Qualifikation der Beziehung zwischen Anstalt und Patient bzw. Patient und Chefarzt umso weniger von Belang, weil im Kantonsspital Olten selbst die Operationstaxen für die Patienten der Privatabteilung in der Taxordnung festgelegt sind. 3. Zusammenfassend lässt sich somit feststellen, dass, gemäss den für das Kantonsspital Olten massgeblichen kantonalrechtlichen Grundlagen, einerseits die gesamte klinische Tätigkeit eines Chefarztes, gleichgültig, ob er diese haupt- BGE 102 II 45 S. 52 oder nebenamtlich, an Patienten der allgemeinen oder der Privatabteilung ausübt, eine unter der Aufsicht des Kantons stehende amtliche Verrichtung darstellt und anderseits das Benutzungsverhältnis sämtlicher im Kantonsspital Olten hospitalisierten Patienten öffentlich-rechtlicher Natur ist und auch die Beziehungen zwischen den Patienten der Privatabteilung und den sie behandelnden Chefärzten umfasst. Daraus folgt, dass der Kanton Solothurn nach Massgabe der Bestimmungen des Verantwortlichkeitsgesetzes gegenüber den Klägerinnen für eine allfällige Verletzung der ärztlichen Sorgfaltspflicht, die den beiden Ärzten Dr. X. und Dr. Y. hinsichtlich der Operation des verstorbenen N. vorgeworfen wird, einzustehen hat. 4. Nicht zu entscheiden ist im Rahmen des vorliegenden Verfahrens, wie weit sich die für das Kantonsspital Olten nach Massgabe des kantonalen Rechts ergebende Haftungsregelung grundsätzlich auch auf die Haftung anderer Kantone für die in ihren Spitälern hospitalisierten Privatpatienten übertragen liesse (vgl. BGE 82 II 321 , wo das Bundesgericht die Haftung des Kantons Aargau für die Behandlung, die ein Privatpatient im Kantonsspital durch den Stellvertreter des Chefarztes der chirurgischen Abteilung erfahren hatte, verneinte).
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1,976
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df2c9873-f752-4513-8fa6-9b0eaaa75ff8
Urteilskopf 110 Ib 208 36. Arrêt de la IIe Cour de droit public du 31 août 1984 en la cause Zawadzki c. Département fédéral de justice et police (recours de droit administratif).
Regeste Art. 41 Abs. 1 lit. b Asylgesetz. Diese Bestimmung erlaubt den Widerruf des Asyls und den Entzug der Flüchtlingseigenschaft, wenn der Flüchtling sich - auch nur für kurze Zeit - in sein Heimatland begeben hat, ohne dass er dort Verfolgungen ausgesetzt war, es sei denn, dass der Widerruf für ihn mit schweren Nachteilen verbunden ist.
Sachverhalt ab Seite 208 BGE 110 Ib 208 S. 208 Tadeusz Zawadzki, ressortissant polonais, né le 7 avril 1919, a enseigné l'histoire ancienne à l'Université de Poznan de 1954 à 1967. Engagé par l'Université de Fribourg comme professeur invité pour l'année académique 1967-68, Tadeusz Zawadzki est arrivé en Suisse le 2 octobre 1967. Sa femme Irena et sa fille Agate sont venues le rejoindre à Fribourg quelques mois plus tard. Au printemps 1969, le recourant a demandé aux autorités polonaises de le reconnaître comme professeur détaché à l'Université de Fribourg et a requis la prolongation de son passeport. N'ayant pas obtenu de réponse de la part des autorités polonaises, il a présenté, pour lui et sa famille, une demande d'asile le 9 juin 1969. Cette demande a été agréée par décision de la Division fédérale de police du 29 juillet 1969. Tadeusz Zawadzki occupe encore aujourd'hui la chaire d'histoire ancienne à la Faculté des lettres de Fribourg en qualité de professeur ordinaire. Il est titulaire d'un permis d'établissement et a introduit une procédure en vue d'obtenir la nationalité suisse. A la suite du décès de sa mère qui vivait en Pologne, le professeur Tadeusz Zawadzki s'est rendu, du 13 au 15 octobre 1981, en Pologne pour assister aux obsèques de sa mère, à Gliwice. L'Ambassade de Pologne à Berne lui avait délivré un visa d'entrée et de séjour en Pologne pour une durée de quatre jours. BGE 110 Ib 208 S. 209 Après avoir fait procéder à l'audition de l'intéressé, l'Office fédéral de la police a décidé, le 7 mai 1982, de révoquer l'asile qui avait été octroyé au recourant et de lui retirer la qualité de réfugié. Par décision motivée du 19 mars 1984, le Département fédéral de justice et police a rejeté le recours du professeur Tadeusz Zawadzki, considérant notamment que "selon une doctrine constante, il existe, entre la qualité de réfugié, d'une part, et le fait, pour la personne qui se prévaut de cette qualité, de retourner dans son pays d'origine, d'autre part - même pour un séjour temporaire - une antinomie si complète qu'il est impossible de l'éliminer". L'intéressé a recouru auprès du Tribunal fédéral contre cette décision. Erwägungen Extrait des considérants: 2. Au fond, la seule question litigieuse est de savoir si le voyage du recourant en Pologne constitue un motif suffisant pour révoquer son droit d'asile et retirer son statut de réfugié, en application de l'art. 41 de la loi fédérale sur l'asile du 5 octobre 1979 (RS 142.31). a) Dans sa demande d'asile du 9 juin 1969, le recourant a simplement déclaré qu'il craignait les mesures qui pourraient être prises contre lui, dès lors que les autorités polonaises n'avaient pas répondu à sa demande de prolongation de son passeport, ni à sa demande de reconnaissance de son statut de professeur détaché à l'Université de Fribourg. On ne saurait donc lui reprocher d'avoir fait de fausses déclarations ou d'avoir dissimulé des faits essentiels pour obtenir l'asile, même s'il semble avoir bénéficié d'une application assez généreuse de la loi. Il faut donc constater que l'art. 41 al. 1 lettre a de la loi est inapplicable en l'espèce; d'ailleurs, les autorités intimées ne se sont pas fondées sur cette disposition pour révoquer l'asile et retirer la qualité de réfugié. b) Aux termes de l'art. 41 al. 1 lettre b de la loi, l'asile est révoqué pour les motifs mentionnés à l'article 1er, section C, chiffres 1 à 6, de la Convention internationale du 28 juillet 1951 relative au statut des réfugiés (RS 0.142.30); cette disposition prévoit que la Convention cesse d'être applicable à toute personne considérée comme réfugiée: "1. Si elle s'est volontairement réclamée à nouveau de la protection du pays dont elle a la nationalité; ou BGE 110 Ib 208 S. 210 2. Si, ayant perdu sa nationalité, elle l'a volontairement recouvrée; ou 3. Si elle a acquis une nouvelle nationalité et jouit de la protection du pays dont elle a acquis la nationalité; ou 4. Si elle est retournée volontairement s'établir dans le pays qu'elle a quitté ou hors duquel elle est demeurée de crainte d'être persécutée; ou 5. Si, les circonstances à la suite desquelles elle a été reconnue comme réfugiée ayant cessé d'exister, elle ne peut plus continuer à refuser de se réclamer de la protection du pays dont elle a la nationalité; (...) 6. S'agissant d'une personne qui n'a pas de nationalité, si, les circonstances à la suite desquelles elle a été reconnue comme réfugiée ayant cessé d'exister, elle est en mesure de retourner dans le pays dans lequel elle avait sa résidence habituelle; (...)" Parmi ces motifs de révocation de l'asile, la doctrine de droit international public distingue deux groupes différents. Il y a d'abord les motifs énumérés aux ch. 1 à 4, qui se rapportent au fait que le réfugié n'a plus besoin de la protection particulière que lui assure la Convention parce que, d'une façon ou d'une autre, il peut se réclamer de la protection d'un Etat déterminé, autre que celui du pays d'accueil; viennent ensuite les deux cas prévus aux ch. 5 et 6, où les conditions d'octroi de l'asile n'existent plus par suite d'un changement intervenu dans le pays d'origine. Mais, d'une manière générale, on considère cette énumération comme exhaustive (voir notamment VIKTOR LIEBER, Die neuere Entwicklung des Asylsrechts im Völkerrecht und Staatsrecht, unter besonderer Berücksichtigung der schweizerischen Asylpraxis, thèse Zurich 1973, p. 109; WOLFGANG ECKERT, Begriff und Grundzüge des schweizerischen Flüchtlingsrechts, thèse Zurich 1977, p. 79). Théoriquement, cela devrait signifier que l'autorité compétente ne pourrait révoquer l'asile accordé à un réfugié que dans les conditions indiquées de manière précise à l'art. 1er section C de la Convention internationale relative au statut des réfugiés. En réalité, on ne peut cependant pas ignorer le fait qu'en proposant de reprendre, à l'art. 40 al. 1 lettre b de son projet (devenu l'art. 41 al. 1 lettre b de la loi fédérale sur l'asile), l'énumération figurant dans cette Convention, le Conseil fédéral a clairement indiqué le sens dans lequel il fallait interpréter les ch. 5 et 6. Il a ainsi admis qu'il y avait lieu de maintenir la pratique bien établie en Suisse, selon laquelle un étranger ne peut plus se prévaloir du statut de réfugié et de l'asile s'il s'est rendu volontairement, même pour peu de temps, dans son pays d'origine ou dans le pays de sa dernière résidence sans y être inquiété, une exception étant toutefois admise lorsque la révocation aurait des BGE 110 Ib 208 S. 211 conséquences trop rigoureuses pour le réfugié. Le Conseil fédéral a en effet relevé que cette pratique demeurait dans les limites de l'interprétation admissible de la Convention et qu'elle se justifiait pleinement dans les circonstances actuelles (voir FF 1977 III p. 142/143). Or, au cours des débats parlementaires, personne n'a soulevé la moindre objection à ce sujet (voir Bull.stén. CE 1978 p. 85, CN 1978 p. 1876); au contraire, plusieurs orateurs ont admis de consacrer la pratique des autorités suisses dans la loi en discussion (voir Bull. stén. CE 1978 p. 74 ss, CN 1978 p. 1814 ss). L'interprétation voulue par le Parlement est d'ailleurs conforme à l'esprit - sinon à la lettre - de la Convention internationale qui, selon la jurisprudence du Tribunal fédéral, suppose que le réfugié a rompu toutes les relations avec son pays d'origine et ne peut pas y retourner ou ne veut pas y retourner parce qu'il craint, avec raison, d'y être persécuté ( ATF 105 II 6 consid. 5). De plus, elle correspond effectivement à une pratique constante des autorités suisses (voir notamment JAAC 1970-71 vol. 35 No 8; VIKTOR LIEBER, thèse précitée, p. 282 ss; ROLAND BERSIER, Le statut juridique du réfugié en Suisse, 1983, p. 21) qui considèrent que la situation des réfugiés s'est modifiée depuis l'élaboration de la Convention du 28 juillet 1951 (voir FF 1977 III p. 143). On peut cependant regretter que, pour la clarté de l'application du texte international, elles n'aient pas jugé utile de faire une réserve sur l'interprétation qu'elles entendaient donner aux ch. 5 et 6 de l'art. 1er, section C. c) Quoi qu'en dise le recourant, il faut donc bien admettre que l'art. 41 al. 1 lettre b de la loi fédérale sur l'asile permet de révoquer l'asile et de retirer la qualité de réfugié à celui qui, volontairement, s'est rendu - même pour un voyage de courte durée - dans son pays d'origine sans y subir une quelconque persécution. Cette révocation et ce retrait ne sont toutefois pas obligatoires et l'Office fédéral de la police doit renoncer à ces mesures lorsqu'elles auraient des conséquences graves pour le réfugié. Pour éviter un contrôle qui serait souvent impossible à effectuer, on ne saurait, en revanche, imposer à l'autorité fédérale de prendre en considération les raisons humanitaires qui poussent un réfugié à se rendre dans son pays d'origine. d) Dans le cas particulier, la mesure prononcée contre le recourant ne va certainement pas lui causer de préjudices graves. Il paraît en effet très peu probable qu'en sa qualité de professeur à l'Université de Fribourg depuis 17 ans, il ait un jour besoin de BGE 110 Ib 208 S. 212 l'assistance de la Confédération. A ce titre, il est également titulaire d'un permis d'établissement et bénéficie donc d'une situation tout à fait privilégiée en Suisse. Le recourant relève certes que le retrait de son statut lui causerait des difficultés, tant pour les voyages qu'il doit accomplir à l'étranger que pour la procédure de naturalisation qu'il a introduite devant les autorités suisses. Ces craintes ne sont toutefois pas fondées puisque, dans ses observations sur le présent recours, le Département fédéral de justice et police affirme que le recourant obtiendra sans autre un passeport suisse pour étrangers, qui lui permettra de voyager comme précédemment. Le Tribunal fédéral peut dès lors se borner à prendre note de cette déclaration. Quant à la demande de naturalisation, elle est indépendante du statut de réfugié et on ne voit pas en quoi elle pourrait être compromise par le retrait de ce statut. Dans ces conditions, les autorités intimées n'ont pas violé l'art. 41 de la loi sur l'asile, ni commis un abus ou un excès de leur pouvoir d'appréciation en prononçant la révocation de l'asile et en retirant la qualité de réfugié du recourant. Le recours doit donc être rejeté, un émolument de justice réduit étant mis à la charge du recourant pour tenir compte des circonstances particulières du cas.
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Urteilskopf 108 Ib 139 26. Arrêt de la IIe Cour de droit public du 27 mai 1982 dans la cause Office fédéral de la police c. Tribunal administratif du canton de Genève et Weber (recours de droit administratif)
Regeste Art. 22 SVG ; örtliche Zuständigkeit bei Wohnsitzwechsel während des Administrativverfahrens. Im Falle eines Wohnsitzwechsels des Fahrzeugführers während des Administrativverfahrens auf Entzug des Führerausweises bleibt die bei dessen Einleitung begründete örtliche Zuständigkeit bestehen.
Sachverhalt ab Seite 139 BGE 108 Ib 139 S. 139 Le 18 janvier 1980, alors qu'il circulait sur l'autoroute No 12, à Bümpliz, Karl Weber a perdu la maîtrise de son véhicule, heurtant ainsi les barrières de sécurité, à gauche, puis à droite de la chaussée. A la suite de ces faits, le département a, par décision du 29 avril 1980, prononcé le retrait du permis de conduire de Weber pour une durée de deux mois. Saisi d'un recours de Weber, le Tribunal administratif du canton de Genève a, par arrêt du 18 juin 1980, annulé la décision du Département. Il a considéré en substance que l'autorité genevoise n'était pas compétente à raison du lieu pour prononcer une mesure administrative, Weber ayant quitté son domicile à Onex, le 1er avril 1980, pour aller s'installer dans le canton de Saint-Gall. L'Office fédéral de la police a formé contre cet arrêt un recours de droit administratif que le Tribunal fédéral a admis pour les motifs suivants: Erwägungen Considérant en droit: 1. Formé en temps utile contre une décision rendue par une autorité cantonale de dernière instance et fondée sur le droit BGE 108 Ib 139 S. 140 fédéral (art. 97 al. 1, 98 lettre g OJ, 5 PA), le présent recours est recevable. L'Office fédéral de la police a, par ailleurs, qualité pour recourir en vertu de l'art. 24 al. 5 lettre c LCR. 2. Le recourant s'en prend à l'opinion du Tribunal administratif selon laquelle l'autorité compétente pour prononcer une mesure administrative est, d'après l' art. 22 LCR , celle du canton où le conducteur est domicilié à la date où la décision de retrait du permis de conduire est prise. Il estime en effet que, si l' art. 22 al. 1 LCR prévoit que la compétence pour retirer un permis appartient au canton de domicile du conducteur, la loi ne règle cependant pas le cas où l'auteur de l'infraction change de domicile au cours de la procédure; il faudrait donc appliquer par analogie l'art. 22 al. 3 in fine LCR selon lequel le canton compétent est celui qui est saisi en premier du cas. Cette solution serait, au reste, conforme à l' art. 346 al. 2 CP . a) En l'occurrence, il est établi que le conducteur fautif a, le 1er avril 1980, quitté son domicile dans le canton de Genève pour aller s'établir à Saint-Gall, alors que la procédure était en cours, et qu'il avait été invité, le 12 février 1980, à se prononcer sur la mesure administrative que l'autorité genevoise avait l'intention de prendre contre lui. La décision de retrait du 29 avril 1980 lui a donc été notifiée moins d'un mois après son changement de domicile. Par ailleurs, toutes les parties au litige admettent que le canton de l'ancien domicile demeure compétent lorsque le conducteur fautif quitte son domicile seulement après le stade déterminant de la procédure. La seule question litigieuse est dès lors de savoir jusqu'où cette procédure doit être entamée pour déterminer le for de la poursuite de l'infraction. b) Le Tribunal administratif considère comme déterminante la date à laquelle la décision de retrait du permis de conduire est rendue. A son avis, il serait préférable que cette décision soit prise par le canton sur le territoire duquel elle déploiera principalement ses effets, c'est-à-dire où l'intéressé est dorénavant domicilié, de même qu'il serait plus pratique, en cas de recours, que celui-ci soit instruit dans le nouveau canton. Sur ce point, le Département de justice et police estime au contraire que la transmission d'une procédure déjà ouverte à un autre canton, où les autorités n'ont pas connaissance du dossier, entraînerait des complications. Il relève également à juste titre que les décisions du Département fédéral de justice et police et de la Commission de recours en matière administrative du canton de Saint-Gall, citées par les premiers BGE 108 Ib 139 S. 141 juges, ne considèrent pas comme déterminant le jour où le retrait du permis de conduire est prononcé, mais celui où l'infraction a été commise (voir JdT 1973 I p. 388; 1975 I p. 406 = RDAF 1975 p. 56). De plus, dans l'arrêt du Tribunal administratif du 9 novembre 1977, le conducteur était déjà domicilié dans un autre canton au moment de l'infraction, fait dont l'administration cantonale n'avait pas eu connaissance avant de rendre sa décision. Il faut aussi admettre avec l'autorité inférieure qu'on ne saurait, comme le suggère l'Office fédéral de la police, appliquer par analogie l'art. 22 al. 3 in fine LCR, qui vise uniquement le cas où le conducteur n'a pas de domicile connu en Suisse. Quant à la comparaison avec l' art. 346 CP , elle n'apporte pas davantage de solution, puisque le for pénal ne se détermine pas en fonction du domicile du prévenu, mais en fonction du lieu de l'infraction, éventuellement de son résultat ou du principe de la peine d'ensemble. Au demeurant, il n'existe, dans le cas particulier, aucun conflit de compétence qui permette de tenir compte des règles du CP ou du CPP. On peut ainsi conclure qu'en l'espèce, la loi ne donne pas une réponse sur la question précise du for de la procédure administrative en cas de changement de domicile du conducteur et que le droit matériel n'est pas non plus en mesure d'offrir une solution satisfaisante. Dans un tel cas, le juge doit interpréter la loi d'après le sens et le but qu'a voulu lui donner le législateur ( ATF 104 II 52 consid. d). c) En l'occurrence, le but de l' art. 22 LCR est, sans aucun doute, de fixer des règles de compétence strictes pour éviter que le conducteur fautif échappe à la mesure administrative qui doit être prise contre lui. On peut dès lors déduire de ces règles que le domicile du conducteur, lorsqu'il est connu, détermine le for de la procédure. Or celui-ci est précisément fixé au moment où l'on ouvre la procédure administrative, soit lorsque l'autorité compétente pour prononcer le retrait offre à l'intéressé l'occasion de consulter le dossier et de s'exprimer oralement ou par écrit sur la mesure envisagée. Dans le cas présent, Weber était domicilié à Onex/Genève, lorsque le Département de justice et police l'a invité, par lettre du 12 février 1980, à présenter ses observations. L'intéressé a eu ensuite deux entretiens téléphoniques avec le Service des automobiles de Genève, les 25 février et 17 mars 1980, au cours desquels il n'a d'ailleurs pas contesté la compétence des autorités genevoises, ni informé le service concerné de son BGE 108 Ib 139 S. 142 prochain changement de domicile. Il en résulte qu'à l'ouverture de la procédure administrative, Weber était domicilié dans le canton de Genève et que le Département de justice et police de ce canton était donc compétent pour prononcer le retrait du permis de conduire. Dans ces conditions, le recours doit être admis et l'arrêt du Tribunal administratif annulé pour violation du droit fédéral.
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Urteilskopf 86 IV 212 55. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 17. September 1960 i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau.
Regeste 1. Art. 191 StGB . Darunter fällt auch Unzucht mit einer ehemündigen Italienerin, die das 16. Altersjahr noch nicht erreicht hat (Erw. 2); 2. Art. 32, 20 StGB . Zureichende Gründe zur Annahme, der voreheliche Verkehr mit einer ehemündigen Italienerin unter 16 Jahren sei erlaubt? (Erw. 3 und 4); 3. Art. 41 Ziff. 5 StGB . Unzulässige Verweigerung des bedingten Aufschubes der Landesverweisung (Erw. 6).
Erwägungen ab Seite 212 BGE 86 IV 212 S. 212 Aus den Erwägungen: 2. Der Beschwerdeführer bestreitet mit Recht nicht, dass er als Ausländer für die in der Schweiz begangenen Straftaten gemäss Art. 3 Ziff. 1 Abs. 1 StGB den Bestimmungen des schweizerischen Strafgesetzbuches unterworfen ist. Er macht dagegen geltend, das 15 1/2-jährige Mädchen, mit dem er geschlechtlich verkehrte, sei als Italienerin heiratsmündig und daher kein Kind mehr gewesen, wie Art. 191 Ziff. 1 Abs. 1 StGB voraussetze, und infolgedessen habe er es auch nicht im Sinne dieser Bestimmung missbraucht. BGE 86 IV 212 S. 213 Es trifft zu, dass die Frage der Ehefähigkeit des Mädchens auf Grund des Haager Eheschliessungsabkommens vom 12. Juni 1902 sich nach dem Gesetz des Heimatstaates beurteilt und Art. 84 des italienischen Codice civile die Frau, die das 14. Altersjahr erfüllt hat, ehemündig erklärt ( BGE 75 I 84 ). Was unter Kind im Sinne von Art. 191 StGB zu verstehen ist, bestimmt jedoch ausschliesslich das schweizerische Strafgesetzbuch. Geschützt ist nach dem Wortlaut und Zweck dieser Bestimmung jeder Knabe und jedes Mädchen unter sechzehn Jahren. Das Gesetz will die geschlechtliche Integrität dieser Personen nicht bloss für den Fall wahren, dass sie noch körperlich unreif sind, sondern auch dann, wenn sie physiologisch bereits geschlechtsreif geworden sind, und dies aus der Erkenntnis, dass Jugendliche unter 16 Jahren geistig und sittlich noch nicht genügend entwickelt sind, um den ihnen bei frühzeitiger geschlechtlicher Betätigung drohenden Schädigungen körperlicher und psychischer Art gewachsen zu sein. Art. 191 stellt somit weder auf den Eintritt der Geschlechtsreife oder Ehefähigkeit, noch sonstwie auf den körperlichen oder sittlichen Zustand oder auf den Charakter des Opfers ab (vgl. BGE 72 IV 67 , BGE 73 IV 157 , BGE 78 IV 81 , BGE 82 IV 156 ); entscheidend für die Zuerkennung des strafrechtlichen Schutzes ist einzig die Altersgrenze von 16 Jahren. Wie der Kassationshof bereits entschieden hat, bedeutet schon der Beischlaf und die beischlafsähnliche Handlung mit einem Partner, der das 16. Altersjahr noch nicht überschritten hat, in allen Fällen Missbrauch des Kindes ( BGE 72 IV 67 ). Hätte der Ausdruck "missbrauchen" den vom Beschwerdeführer vertretenen Sinn, dass die fehlende körperliche oder sittliche Unreife des Kindes die Strafbarkeit des Täters ausschliesse, so müsste in jedem Einzelfall über den Reifegrad des Kindes Beweis geführt werden, was nicht nur unerwünscht und schwierig wäre, sondern auch den vom Gesetzgeber gewollten absoluten Kinderschutz wiederum in Frage stellen würde. Es wäre auch nicht einzusehen, weshalb die Strafbarkeit bei den Beischlafshandlungen BGE 86 IV 212 S. 214 (Art. 191 Ziff. 1) hätte eingeschränkt werden sollen, bei den andern unzüchtigen Handlungen (Ziff. 2) dagegen nicht. Dass eine solche unterschiedliche Behandlung des Täters nicht beabsichtigt war, ergibt sich sodann schlüssig aus dem französischen und italienischen Text, wo nur vom Vollzug des Beischlafes und beischlafsähnlicher Handlungen und nicht von Missbrauch des Kindes die Rede ist. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer das Mädchen nach Heimatrecht hätte heiraten können, nützt ihm daher nichts. Weder die Ehemündigkeit des Mädchens noch die Absicht des Beschwerdeführers, es später zu heiraten, vermögen an der Tatsache etwas zu ändern, dass das 15 1/2jährige Mädchen noch ein Kind gemäss Art. 191 StGB war und dass es der Beschwerdeführer durch den Vollzug des Geschlechtsverkehrs im Sinne von Ziff. 1 Abs. 1 dieser Bestimmung zur Unzucht missbraucht hat. Art. 191 wäre nur dann nicht anwendbar, wenn er das Mädchen vor Aufnahme der geschlechtlichen Beziehungen geheiratet hätte, da es in diesem Falle am Merkmal der Unzucht fehlte, die unter Ehegatten ausgeschlossen ist. 3. Art. 32 StGB , auf den sich der Beschwerdeführer beruft, ist nicht anwendbar. Der Geschlechtsverkehr mit einem noch nicht 16-jährigen Mädchen wird weder durch Gesetz noch durch eine Berufs- oder Amtspflicht geboten. Der Beschwerdeführer war nur berechtigt, mit dem Mädchen die Ehe einzugehen; einen Rechtssatz, der den vorehelichen Verkehr mit einem noch nicht 16 Jahre alten Kinde erlaubt oder straflos erklärt, vermag er selber nicht zu nennen. 4. Der Beschwerdeführer wusste, dass die Tochter noch nicht 16 Jahre alt war, als er mit ihr geschlechtlich zu verkehren begann, und es war ihm auch bekannt, dass in der Schweiz der Geschlechtsverkehr mit Mädchen, die im schutzwürdigen Alter stehen, verboten und strafbar ist. Wenn er trotzdem angenommen hat, er sei zur Tat berechtigt, so fehlten ihm hiefür zureichende Gründe im BGE 86 IV 212 S. 215 Sinne von Art. 20 StGB . Seine Annahme stützte sich einzig auf die Überlegung, dass der voreheliche Verkehr mit einer ehemündigen Italienerin nach italienischem Recht nicht strafbar sei. Er hat aber selber nie behauptet, geglaubt zu haben, dass er für sein Verhalten in der Schweiz dem italienischen und nicht dem schweizerischen Strafrecht unterstehe, und dafür, dass das schweizerische Strafrecht den Geschlechtsverkehr mit einer 15-jährigen Italienerin, die der Partner zu heiraten beabsichtigt, ausnahmsweise straflos lasse, hatte er keinerlei Anhaltspunkte. Vielmehr musste er mit der Möglichkeit, dass die Tat auch unter diesen Voraussetzungen unerlaubt sei, ernsthaft rechnen, nachdem die Mutter des Mädchens, die ja seine Heiratsabsichten kannte, ihn schon im Jahre 1957 und dann wieder unmittelbar vor dem ersten Geschlechtsverkehr mit der Tochter ausdrücklich auf die Strafbarkeit seines Vorhabens aufmerksam gemacht hatte. Nach dieser unmissverständlichen Warnung hätte er bei gehöriger Gewissenhaftigkeit, die auch von einem Südländer einfacher Herkunft zu erwarten ist, zum mindesten Zweifel haben müssen, ob er zum Geschlechtsverkehr berechtigt sei, und diese hätten ihn von der Tat abhalten müssen (vgl. BGE 85 IV 76 ). Hat er aber den Rechtsirrtum selber verschuldet, so kann er sich nicht auf Art. 20 StGB berufen. 6. Der Richter kann beim Zusammentreffen mehrerer Strafen den bedingten Vollzug auf einzelne derselben beschränken ( Art. 41 Ziff. 5 StGB ) und dementsprechend z.B. den Vollzug der Hauptstrafe bedingt aufschieben, die Nebenstrafe aber unbedingt aussprechen, namentlich dann, wenn die Prognose auf dem Gebiete, in das die Nebenstrafe eingreift, eine ungünstige, diejenige für die übrige Lebensführung des Verurteilten aber eine günstige ist ( BGE 77 IV 145 ). Die Vorinstanz verweigerte den bedingten Vollzug der Landesverweisung mit der Begründung, der Beschwerdeführer habe sich durch sein Verhalten des schweizerischen Gastrechtes unwürdig erwiesen und durch seine Verfehlung BGE 86 IV 212 S. 216 gezeigt, dass er nicht gewillt sei, sich schweizerischen Verhältnissen anzupassen und sich dem Recht des Gastlandes zu unterwerfen. Auf den ersten Teil dieser Begründung lässt sich jedoch die Verweigerung des bedingten Vollzuges der Nebenstrafe nicht stützen (vgl. BGE 68 IV 78 Erw. 5), denn der Beschwerdeführer ist für sein strafbares Verhalten zu Gefängnis und für seine an den Tag gelegte Unwürdigkeit des schweizerischen Gastrechtes zu Landesverweisung verurteilt worden. Die Gewährung des bedingten Vollzuges hängt vielmehr einzig von den Besserungsaussichten ab und könnte nach Art. 41 Ziff. 1 StGB nur versagt werden, wenn Vorleben und Charakter des Beschwerdeführers oder die besonderen Tatumstände nicht erwarten liessen, dass er durch den bedingten Aufschub der Nebenstrafe von weiteren Delikten abgehalten werde. Gerade die Frage, ob sich der Beschwerdeführer künftig wohlverhalten werde, hat aber die Vorinstanz im Zusammenhang mit dem Entscheid über die Gewährung des bedingten Vollzuges der Hauptstrafe günstig beurteilt, indem sie erklärte, dass im Hinblick auf das Vorleben des Angeklagten und die gesamten Umstände des Falles schon die Ausfällung einer bedingt aufgeschobenen Strafe eine Bewährung erwarten lasse. Diese Beurteilung ist unangefochten geblieben. Ist aber von einer günstigen Voraussage auszugehen, so hält auch der zweite Teil der vorinstanzlichen Begründung nicht stand, da das erwartete Wohlverhalten geradezu voraussetzt, dass der Beschwerdeführer sich den schweizerischen Gesetzen anpasst und sich ihnen unterwirft. Der bedingte Aufschub der Landesverweisung, der die an den bedingten Vollzug der Hauptstrafe geknüpften Erwartungen nur begünstigen kann, ist daher bei dieser Sachlage zu gewähren.
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Urteilskopf 110 Ia 211 41. Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 28. November 1984 i.S. Möbel Märki Immobilien AG gegen Gemeinde Hunzenschwil und Regierungsrat des Kantons Aargau (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste Art. 86 Abs. 2 OG ; Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges. Auf staatsrechtliche Beschwerden gegen Entscheide des aargauischen Regierungsrates über Einsprachen gegen Zonenpläne kann das Bundesgericht - nachdem zweifelsfrei feststeht, dass diese Nutzungspläne der abstrakten Normenkontrolle durch das Aargauer Verwaltungsgericht unterzogen werden können - nicht mehr eintreten (Änderung der in BGE 106 Ia 56 ff. publizierten Rechtsprechung) (E. 1, 2). Einhaltung einer bestimmten Frist im kantonalen Verfahren als Voraussetzung zur Anfechtung des kantonalen Normenkontrollentscheids mit staatsrechtlicher Beschwerde (E. 3).
Sachverhalt ab Seite 211 BGE 110 Ia 211 S. 211 Die Möbel Märki Immobilien AG erhob gegen den neuen Zonenplan der Gemeinde Hunzenschwil, der vom 17. September bis BGE 110 Ia 211 S. 212 17. Oktober 1979 öffentlich aufgelegt wurde, Einsprache, weil ihre Grundstücke im Gebiet "Oberer Wannenrain" der Bauzone zweiter Etappe zugewiesen worden seien, obwohl sie nach dem alten Zonenplan zur ersten Etappe des Baugebietes gehörten. Der Regierungsrat des Kantons Aargau hiess die Einsprache mit Beschluss vom 22. Februar 1982 gut und teilte jene Liegenschaften der Bauzone erster Etappe zu. Er hob diesen Entscheid am 20. Februar 1984 in Gutheissung eines Wiederaufnahmebegehrens des Gemeinderates Hunzenschwil auf und wies die betreffenden Parzellen wieder der Zone zweiter Etappe zu. Der Grosse Rat des Kantons Aargau genehmigte am 10. April 1984 den Zonenplan der Gemeinde Hunzenschwil und beliess die fraglichen Grundstücke in der zweiten Etappe des Baugebietes. Die Möbel Märki Immobilien AG hat mit Eingabe vom 23. März 1984 beim Bundesgericht staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid des Regierungsrates vom 20. Februar 1984 eingereicht. Mit Schreiben vom 9. August 1984 stellte der Präsident der I. öffentlichrechtlichen Abteilung die Beschwerde samt Akten dem Verwaltungsgericht des Kantons Aargau zu. Er verwies auf den in den aargauischen Gerichts- und Verwaltungsentscheiden (AGVE) 1981 S. 273 f. publizierten Meinungsaustausch und ersuchte das Gericht zu prüfen, ob es die Beschwerde als Normenkontrollbegehren im Sinne von § 68 des Aargauer Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege behandeln könne. Das Verwaltungsgericht teilte dem Bundesgericht mit Beschluss vom 22. August 1984 mit, dass es auf die Beschwerde nicht eintreten dürfte, und sandte das Dossier an das Bundesgericht zurück. Erwägungen Erwägungen: 1. Die Beschwerdeführerin beklagt sich über eine Verletzung der Art. 4 und 22ter BV . Staatsrechtliche Beschwerden, mit denen die Missachtung dieser Verfassungsvorschriften gerügt wird, sind erst zulässig, nachdem von den kantonalen Rechtsmitteln Gebrauch gemacht worden ist ( Art. 86 Abs. 2 OG ). Wie das Bundesgericht wiederholt festgestellt hat, ist das in § 68 des aargauischen Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege (VRPG) vorgesehene Begehren um abstrakte Normenkontrolle einem Rechtsmittel im Sinne von Art. 86 Abs. 2 OG gleichzusetzen ( BGE 106 Ia 57 ; BGE 110 Ia 211 S. 213 104 Ia 135; 103 Ia 362 ff.). Steht dieser kantonale Rechtsbehelf offen, so muss er, vorbehältlich der in Art. 86 Abs. 2 OG genannten Ausnahmen, ergriffen werden, bevor beim Bundesgericht staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte eingelegt werden kann. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts braucht ein kantonales Rechtsmittel unter dem Gesichtspunkt von Art. 86 Abs. 2 OG dann nicht ergriffen zu werden, wenn an seiner Zulässigkeit im konkreten Fall ernstliche Zweifel bestehen ( BGE 97 I 199 E. 2; BGE 96 I 644 E. 1 mit Hinweisen). 2. Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen einen Entscheid des Aargauer Regierungsrates, mit dem dieser (in Wiederaufnahme eines früheren Verfahrens) über eine Einsprache gegen einen Zonenplan befand. Die Beschwerdeführerin beanstandet die mit dem angefochtenen Entscheid bestätigte Einweisung ihrer Grundstücke in eine Bauzone zweiter Etappe. a) Das Bundesgericht hat bisher in Fällen, in denen Entscheide des aargauischen Regierungsrates über Einsprachen gegen Zonenpläne mit staatsrechtlicher Beschwerde angefochten wurden, angenommen, es bestünden ernstliche Zweifel, ob das Verwaltungsgericht einen Zonenplan als Erlass im Sinne von § 68 VRPG und daher das Begehren um abstrakte Normenkontrolle als zulässig betrachten würde. Aus diesem Grunde ist es - entsprechend der dargelegten Praxis - auf staatsrechtliche Beschwerden gegen Einspracheentscheide des Regierungsrates eingetreten ( BGE 106 Ia 57 f. E. 1b). b) Die Zulässigkeit des hier in Frage stehenden kantonalen Rechtsbehelfs ist heute nicht mehr zweifelhaft. Wie sich aus dem verwaltungsgerichtlichen Beschluss vom 22. August 1984 sowie aus der publizierten Rechtsprechung des Gerichts (AGVE 1983 S. 175; 1982 S. 100) ergibt, werden Zonen- und andere Nutzungspläne als "Erlasse" im Sinne von § 68 VRPG betrachtet; sie unterliegen daher der sogenannten prinzipalen Normenkontrolle durch das Verwaltungsgericht. Indessen nimmt das Gericht diese Prüfung erst nach Eintritt der Rechtskraft des Planes vor, welche bei Zonenplänen mit der Genehmigung durch den Grossen Rat erlangt wird. Den Entscheid des Regierungsrates über eine Einsprache gegen einen Zonenplan bezeichnet es nicht als "Verfügung" oder "Entscheid" im Sinne von § 52 VRPG, sondern als Teil des Normsetzungsverfahrens, das erst mit der grossrätlichen Genehmigung der Ortsplanung abgeschlossen ist. BGE 110 Ia 211 S. 214 Steht demnach fest, dass Zonenpläne im Anschluss an den Genehmigungsbeschluss des Grossen Rates der Normenkontrolle nach § 68 VRPG durch das Verwaltungsgericht unterzogen werden können, so kann das Bundesgericht auf staatsrechtliche Beschwerden gegen Entscheide des Aargauer Regierungsrates, die im Rahmen des Planauflageverfahrens über Einsprachen ergehen, nicht mehr eintreten. Im zu beurteilenden Fall kann die Beschwerdeführerin die beanstandete Planfestsetzung mit einem Begehren um abstrakte Normenkontrolle dem Verwaltungsgericht unterbreiten. Der kantonale Instanzenzug ist somit nicht erschöpft, weshalb auf die staatsrechtliche Beschwerde nicht eingetreten werden kann. 3. Gemäss § 68 VRPG kann das Begehren um abstrakte Normenkontrolle beim Verwaltungsgericht "jederzeit" eingereicht werden, d.h. es ist an keine Frist gebunden. Bei einer solchen Regelung tritt das Bundesgericht auf staatsrechtliche Beschwerden, die im Anschluss an ein kantonales Normenkontrollverfahren erhoben werden, nur dann ein, wenn das kantonale Verfahren innert der "üblichen" Rechtsmittelfrist eingeleitet worden ist ( BGE 106 Ia 320 ). Da bei dieser Rechtsprechung die Gefahr besteht, dass aargauische Beschwerdeberechtigte ihres Rechts, beim Bundesgericht staatsrechtliche Beschwerde zu führen, verlustig gehen, auch wenn sie die kantonalrechtlichen Formvorschriften einhalten, erklärte sich das Bundesgericht in einem Meinungsaustausch mit dem Aargauer Verwaltungsgericht bereit, alle staatsrechtlichen Beschwerden gegen Erlasse, die in den Anwendungsbereich von § 68 VRPG fallen könnten und die direkt bei ihm eingereicht werden, dem Verwaltungsgericht zu überweisen, welches sie als Normenkontrollbegehren behandelt, sofern die Voraussetzungen dazu erfüllt sind, oder sie dem Bundesgericht zurücksendet (AGVE 1981 S. 273 f.). Auch die vorliegende Beschwerde wurde dem Verwaltungsgericht überwiesen, das sie mit Beschluss vom 22. August 1984 an das Bundesgericht zurücksandte. Das Gericht anerkannte, dass die von der Beschwerdeführerin beanstandete Planfestsetzung im Normenkontrollverfahren überprüft werden könne, doch stellte es sich auf den Standpunkt, es könne deshalb nicht auf die Beschwerde eintreten, weil die grossrätliche Genehmigung des Zonenplanes weder im Zeitpunkt des Regierungsratsentscheids vom 20. Februar 1984 noch bei Einreichung der staatsrechtlichen Beschwerde vorgelegen habe. Zufolge dieser Praxis des Verwaltungsgerichts ist es der Beschwerdeführerin nicht mehr möglich, das kantonale Normenkontrollverfahren BGE 110 Ia 211 S. 215 innert der "üblichen" Rechtsmittelfrist einzuleiten. Es ist indes zu berücksichtigen, dass sie im Vertrauen auf die publizierte bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichts ( BGE 106 Ia 57 ) die staatsrechtliche Beschwerde innert 30 Tagen nach Zustellung des Regierungsratsbeschlusses vom 20. Februar 1984 eingereicht hat, und dass sie zudem aufgrund des erwähnten, ebenfalls publizierten Meinungsaustausches (AGVE 1981 S. 273 f.) erwarten durfte, das Verwaltungsgericht werde die ihm nach der grossrätlichen Genehmigung der Ortsplanung Hunzenschwil überwiesene Beschwerde als Normenkontrollbegehren behandeln. Bei dieser Sachlage ist der Beschwerdeführerin in Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben zuzusichern, dass das Bundesgericht auf eine allfällige staatsrechtliche Beschwerde gegen einen Entscheid des Verwaltungsgerichts eintritt, sofern sie das kantonale Normenkontrollverfahren innert 30 Tagen nach Erhalt des vorliegenden motivierten Urteils des Bundesgerichts einleitet. Die kantonalen Behörden werden ferner darauf achten, dass inskünftig Einsprecher sowohl vom Genehmigungsentscheid des Grossen Rates als auch davon Kenntnis erhalten, dass sie ein Normenkontrollverfahren innert 30 Tagen einleiten müssen, sofern sie sich die Möglichkeit vorbehalten wollen, den Entscheid des Verwaltungsgerichts mit staatsrechtlicher Beschwerde beim Bundesgericht anzufechten.
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Urteilskopf 142 I 10 2. Auszug aus dem Urteil der Strafrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt (Beschwerde in Strafsachen) 6B_218/2015 vom 16. Dezember 2015
Regeste Art. 29 Abs. 1 BV , Art. 3 Abs. 2 lit. a und b StPO ; überspitzter Formalismus bei fehlender gültiger Unterschrift. Die bundesgerichtliche Rechtsprechung zum überspitzten Formalismus bei nicht formgültig unterzeichneten Rechtsmitteleingaben (vgl. BGE 120 V 413 ) ist auch bei der Anwendung der Strafprozessordnung zu beachten. Ist eine Rechtsmittelschrift einer Partei nicht rechtsgültig von dieser oder ihrem Vertreter unterschrieben, hat das Gericht eine angemessene Frist zur Behebung des Mangels anzusetzen. Ausgenommen sind Fälle des offensichtlichen Rechtsmissbrauchs (E. 2.4).
Sachverhalt ab Seite 10 BGE 142 I 10 S. 10 A. Das Strafgericht des Kantons Basel-Stadt verurteilte X. am 20. Juni 2014 wegen mehrfachen Diebstahls zu einer bedingten Geldstrafe BGE 142 I 10 S. 11 von 150 Tagessätzen zu Fr. 20.-. Auf die dagegen gerichtete Berufung von X. trat das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt am 5. Januar 2015 nicht ein. B. X. beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, der Entscheid vom 5. Januar 2015 sei aufzuheben und das Obergericht (recte: Appellationsgericht) anzuweisen, auf die Berufung einzutreten. Sie ersucht um unentgeltliche Rechtspflege. C. Das Appellationsgericht und die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt beantragen die Abweisung der Beschwerde. X. nimmt dazu Stellung. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. (...) 2.4.1 Zu prüfen ist, ob die Vorinstanz berechtigt war, die Berufung wegen fehlender rechtsgültiger Unterzeichnung der Berufungserklärung mit Nichteintreten zu erledigen, ohne eine Nachfrist zur Verbesserung anzusetzen. 2.4.2 Art. 29 Abs. 1 BV verbietet überspitzten Formalismus als besondere Form der Rechtsverweigerung. Eine solche liegt vor, wenn für ein Verfahren rigorose Formvorschriften aufgestellt werden, ohne dass die Strenge sachlich gerechtfertigt wäre, wenn die Behörde formelle Vorschriften mit übertriebener Schärfe handhabt oder an Rechtsschriften überspannte Anforderungen stellt und den Rechtssuchenden den Rechtsweg in unzulässiger Weise versperrt. Wohl sind im Rechtsgang prozessuale Formen unerlässlich, um die ordnungsgemässe und rechtsgleiche Abwicklung des Verfahrens sowie die Durchsetzung des materiellen Rechts zu gewährleisten. Nicht jede prozessuale Formstrenge steht demnach mit Art. 29 Abs. 1 BV im Widerspruch. Überspitzter Formalismus ist nur gegeben, wenn die strikte Anwendung der Formvorschriften durch keine schutzwürdigen Interessen gerechtfertigt ist, zum blossen Selbstzweck wird und die Verwirklichung des materiellen Rechts in unhaltbarer Weise erschwert oder verhindert ( BGE 135 I 6 E. 2.1 S. 9; BGE 130 V 177 E. 5.4.1 S. 183 f.; Urteile 6B_730/2013 vom 10. Dezember 2013 E. 1.3.1; 6B_503/2011 vom 7. Februar 2012 E. 3.1; je mit Hinweisen). Im Strafprozessrecht ergibt sich das Verbot des überspitzten Formalismus aus Art. 3 Abs. 2 lit. a und b StPO , wonach die Strafbehörden namentlich den Grundsatz von Treu und Glauben sowie das Verbot des Rechtsmissbrauchs zu beachten haben (vgl. NIKLAUS BGE 142 I 10 S. 12 OBERHOLZER, Grundzüge des Strafprozessrechts, 3. Aufl. 2012, N. 578). 2.4.3 Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung bedeutet es keinen überspitzten Formalismus, vom Bürger zu verlangen, dass er seine Rechtsschriften eigenhändig unterzeichnet oder von einem bevollmächtigten und nach einschlägigem Verfahrensrecht zugelassenen Vertreter unterzeichnen lässt ( BGE 114 Ia 20 E. 2a S. 22; BGE 111 Ia 169 E. 3 und 4b S. 171 ff. mit Hinweisen). Jedoch ist zu beachten, dass die Vorschriften des Zivilprozess-, Strafprozess- und Verwaltungsverfahrensrechts der Verwirklichung des materiellen Rechts zu dienen haben, weshalb die zur Rechtspflege berufenen Behörden verpflichtet sind, sich innerhalb des ihnen vom Gesetz gezogenen Rahmens gegenüber den Rechtssuchenden so zu verhalten, dass deren Rechtsschutzinteresse materiell gewahrt werden kann. Behördliches Verhalten, das einer Partei den Rechtsweg verunmöglicht oder verkürzt, obschon auch eine andere gesetzeskonforme Möglichkeit bestanden hätte, ist mit Art. 29 Abs. 1 BV nicht vereinbar. Dementsprechend entschied das Bundesgericht, dass ein Gericht oder dessen Kanzlei verpflichtet ist, die betreffende Partei auf den Mangel aufmerksam zu machen und dessen Verbesserung zu verlangen, wenn bei einer Rechtsmittelerklärung ein sofort erkennbarer Formfehler wie das Fehlen einer gültigen Unterschrift festgestellt wird und die Rechtsmittelfrist noch nicht verstrichen ist. Wenn der Mangel der Unterschrift so früh erkannt worden ist, dass die betreffende Partei den Fehler bei entsprechendem Hinweis innert Frist hätte verbessern können, verletzt das Stillschweigen der Behörden Art. 29 Abs. 1 BV (noch zu Art. 4 aBV : BGE 111 Ia 169 E. 4c S. 174 f. mit Hinweisen). In BGE 114 Ia 20 präzisierte das Bundesgericht diese Praxis und hielt fest, es sei unerheblich, ob die Behörde den Mangel tatsächlich feststelle. Vielmehr sei sie grundsätzlich verpflichtet, den Verfasser einer Rechtsmittelschrift auf das Fehlen der Unterschrift aufmerksam zu machen, solange die noch verfügbare Zeit bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist ausreiche, um den Mangel zu beheben (a.a.O. E. 2b S. 24; zum Ganzen: BGE 120 V 413 E. 5a S. 417 f.). 2.4.4 Das Eidgenössische Versicherungsgericht vertrat demgegenüber die Auffassung, in gewissen Konstellationen sei es nicht willkürlich, dass das kantonale Gericht keine Nachfrist ansetzt, wenn auf einer Beschwerde eine rechtsgenügende Unterschrift fehlt. Grundlage dieser Rechtsprechung bildete der Umstand, dass gemäss dem BGE 142 I 10 S. 13 damals in Kraft stehenden Bundesgesetz vom 16. Dezember 1943 über die Organisation der Bundesrechtspflege (Bundesrechtspflegegesetz, OG; BS 3 531) alle für das Bundesgericht bestimmten Rechtsschriften die Unterschrift des Beschwerdeführers oder seines Vertreters zu enthalten hatten ( Art. 30 Abs. 1 OG ; Art. 108 Abs. 2 OG i.V.m. Art. 132 OG ) und dass Art. 108 Abs. 3 OG es nach Ablauf der Rechtsmittelfrist nicht zuliess, andere Mängel als Unklarheiten im Begehren oder in der Begründung zu beheben. Eine Nachfristansetzung zur Verbesserung war im Falle der fehlenden Unterschrift nicht möglich (vgl. BGE 120 V 413 E. 5a f. S. 418 mit zahlreichen Hinweisen). 2.4.5 Mit der auf den 15. Februar 1992 in Kraft gesetzten revidierten Bestimmung von Art. 30 Abs. 2 OG (AS 1992 288) wurde diese prozessuale Formstrenge für das Verfahren vor Bundesgericht gelockert (vgl. Botschaft vom 18. März 1991 zur Änderung des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege [...], BBl 1991 II 514 Ziff. 41). Fehlte auf einer Rechtsschrift die Unterschrift einer Partei oder eines zugelassenen Vertreters, fehlten dessen Vollmacht oder die vorgeschriebenen Beilagen, oder war der Unterzeichner als Vertreter nicht zugelassen, so war nach dieser revidierten Bestimmung eine angemessene Frist zur Behebung des Mangels anzusetzen mit der Androhung, dass die Rechtsschrift sonst unbeachtet bleibe. Demnach hatte das Bundesgericht den Verfasser einer nicht oder von einer nicht als Vertreter zugelassenen Person unterzeichneten Rechtsschrift in jedem Fall auf den Mangel aufmerksam zu machen; selbst wenn die gesetzliche Rechtsmittelfrist abgelaufen war, musste dem Verfasser der nicht gültig unterzeichneten Rechtsschrift eine Frist zur nachträglichen Unterzeichnung angesetzt werden. Diese Regelung gründete auf dem Gedanken, dass jeder rigorose Formalismus zu vermeiden ist, die erwähnten Mängel folglich nicht direkt zu einem Nichteintreten führen, sondern innert einer Nachfrist beseitigt werden können. Prozessuale Formstrenge sollte dort gemildert werden, wo sie sich nicht durch schutzwürdige Interessen rechtfertigt (zum Ganzen: BGE 120 V 413 E. 5c S. 418 f. mit Hinweisen). 2.4.6 Mit Blick auf die genannten Überlegungen, welche der erwähnten Gesetzesänderung zugrunde lagen, entschied das Bundesgericht, kantonale Gerichte handelten gegen Treu und Glauben, wenn sie ein nicht oder von einer nicht zur Vertretung berechtigten Person BGE 142 I 10 S. 14 unterzeichnetes Rechtsmittel als unzulässig beurteilten, ohne eine kurze, gegebenenfalls auch über die gesetzliche Rechtsmittelfrist hinausgehende Nachfrist für die gültige Unterzeichnung anzusetzen. Es sei nicht verfassungswidrig, wenn das kantonale Gericht bei Einlegung eines Rechtsmittels auf der Unterschrift des Beschwerdeführers oder seines Vertreters bestehe. Hingegen habe es bei fehlender gültiger Unterschrift eine angemessene Frist zur Behebung des Mangels anzusetzen. Denn die Möglichkeit der Nachfristansetzung, wie sie in Art. 30 Abs. 2 OG für das Verfahren vor Bundesgericht enthalten sei, sei Ausdruck eines aus dem Verbot des überspitzten Formalismus fliessenden allgemeinen prozessualen Rechtsgrundsatzes, der auch im kantonalen Verfahren Geltung habe (vgl. BGE 120 V 413 E. 6a S. 419 mit Hinweisen; vgl. auch Urteile 2D_64/2014 vom 2. April 2015 E. 5.3; 1C_39/2013 vom 11. März 2013 E. 2.3; 2P.278/1999 vom 17. April 2000 E. 4c). 2.4.7 In der Folge präzisierte das Bundesgericht, der Anspruch auf eine Nachfrist bestehe nur bei unfreiwilligen Unterlassungen, weil sonst eine andere Regelwidrigkeit in Form der Nichtbeachtung der Frist zugelassen würde ( BGE 121 II 252 E. 4b S. 255 f.). Ausgenommen von der Nachfristansetzung sind somit Fälle des offensichtlichen Rechtsmissbrauchs. Auf einen solchen Missbrauch läuft es etwa hinaus, wenn ein Anwalt eine bewusst mangelhafte Rechtsschrift einreicht, um sich damit eine Nachfrist für die Begründung zu erwirken (Urteil 1P.254/2005 vom 30. August 2005 E. 2.5 mit Hinweisen; vgl. auch Urteile 6B_51/2015 vom 28. Oktober 2015 E. 2; 6B_902/2013 vom 28. Oktober 2013 E. 3). 2.4.8 Das geltende Bundesgerichtsgesetz enthält eine Bestimmung, welche Art. 30 Abs. 2 OG im Wesentlichen entspricht. Fehlen die Unterschrift der Partei oder ihrer Vertretung, deren Vollmacht oder die vorgeschriebenen Beilagen oder ist die Vertretung nicht zugelassen, so wird eine angemessene Frist zur Behebung des Mangels angesetzt mit der Androhung, dass die Rechtsschrift sonst unbeachtet bleibt ( Art. 42 Abs. 5 BGG ; vgl. ANNETTE DOLGE, in: Bundesgerichtsgesetz [BGG], Praxiskommentar, Spühler/Aemisegger/Dolge/Vock [Hrsg.], 2. Aufl. 2013, N. 47 f. zu Art. 42 BGG ). 2.4.9 Es besteht keine Veranlassung, von der dargelegten bundesgerichtlichen Rechtsprechung abzuweichen und sie bei der Anwendung der Strafprozessordnung nicht zu beachten (vgl. Urteil 1B_194/2012 vom 3. August 2012 E. 2.1). BGE 142 I 10 S. 15 Dass sich der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin rechtsmissbräuchlich verhalten hätte, ist nicht ersichtlich. Der Formfehler bestand nicht in der fehlenden Begründung der Eingabe, sondern bloss in der fehlenden rechtsgültigen Unterschrift. Zudem reichte er die Berufungserklärung drei Tage vor dem Ablauf der Frist ein. Demnach liegen keine Hinweise vor, dass der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin bewusst von einer rechtsgültigen Unterschrift absah, um eine Nachfrist zu erwirken (vgl. oben E. 2.4.7). Folglich hätte die Vorinstanz ihn auf den Mangel aufmerksam machen müssen. Hierfür wäre genügend Zeit verblieben, weil die Berufungserklärung der Vorinstanz am 29. August 2014 zuging und die Frist erst am 1. September 2014 ablief. Andernfalls hätte die Vorinstanz dem Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin eine kurze über die gesetzliche Rechtsmittelfrist hinausgehende Nachfrist für die gültige Unterzeichnung der Berufungserklärung ansetzen müssen. Der kantonale Nichteintretensentscheid ist aufzuheben. Weil der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin bereits eine Rechtsschrift mit eigenhändiger Unterschrift nachgereicht hat, erübrigt sich die Ansetzung einer Nachfrist. Die Vorinstanz hat im neuen Verfahren zu prüfen, ob auch die übrigen Eintretensvoraussetzungen erfüllt sind, und gegebenenfalls auf die Berufung einzutreten. (...)
public_law
nan
de
2,015
CH_BGE
CH_BGE_001
CH
Federation
df4789ba-9924-4144-a401-ac067731732e
Urteilskopf 136 IV 117 17. Auszug aus dem Urteil der Strafrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Beschwerde in Strafsachen) 6B_202/2010 vom 31. Mai 2010
Regeste Art. 144 Abs. 3, aArt. 70 und Art. 97 StGB ; Begriff des grossen Schadens, Bestimmung der Verjährungsfrist beim grossen Schaden. Ein Schaden in der Höhe von mindestens Fr. 10'000.- gilt als gross im Sinne von Art. 144 Abs. 3 StGB (E. 4.3.1). Sieht der qualifizierte Tatbestand eine fakultative Strafschärfung vor, ist für die Bestimmung der Verjährungsfrist nicht auf den Grundtatbestand abzustellen. Verjährungsrechtlich relevant ist vielmehr die angedrohte Höchststrafe (E. 4.3.3).
Erwägungen ab Seite 117 BGE 136 IV 117 S. 117 Aus den Erwägungen: 4. 4.1 Dem Beschwerdeführer wird in der Anklageschrift unter anderem zur Last gelegt, ab Februar bis April 2002 zahlreiche Sachbeschädigungen verübt zu haben. Die Vorinstanz trat auf die Anklage infolge Verjährung grösstenteils nicht ein. Davon ausgenommen sind zwei Einbruchdiebstähle vom 9./10. März 2002 und 9. April 2002. Dem Beschwerdeführer wird vorgeworfen, in eine Liegenschaft in Zürich eingebrochen und dabei einen Sachschaden von Fr. 11'690.- verursacht zu haben. Einen Monat später sei er in ein Thermalbad eingedrungen und habe einen Sachschaden von rund Fr. 12'600.- herbeigeführt. BGE 136 IV 117 S. 118 Die Vorinstanz wendet die bis zum 30. September 2002 geltenden Verjährungsbestimmungen an, was der Beschwerdeführer zu Recht nicht beanstandet. Sie führt aus, dass für Taten, die damals mit Gefängnis bis zu drei Jahren oder mit Busse bedroht gewesen seien, eine relative Verjährungsfrist von 5 und eine absolute Verjährungsfrist von 7 1⁄2 Jahren gelte (aArt. 70 und 72 StGB). Deshalb seien unter anderem die vor dem 24. Mai 2002 verübten Sachbeschädigungen verjährt. Davon ausgenommen seien die im Sinne von Art. 144 Abs. 3 StGB grossen Sachbeschädigungen, die als Verbrechen noch nicht verjährt seien. 4.2 Der Beschwerdeführer beanstandet, die Vorinstanz habe die fraglichen zwei Sachbeschädigungen zu Unrecht als grossen Schaden im Sinne von Art. 144 Abs. 3 StGB qualifiziert. Auch sei die Höhe des Schadens bloss geschätzt worden. Schliesslich führe Art. 144 Abs. 3 StGB nicht zu einer Verlängerung der Verjährungsfrist. Beide Straftaten seien im Zeitpunkt des vorinstanzlichen Urteils bereits verjährt gewesen. 4.3 4.3.1 Gemäss Art. 144 Abs. 3 StGB kann auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren erkannt werden, wenn der Täter einen grossen Schaden verursacht. Zu prüfen ist, ob diese Bestimmung zur Anwendung gelangt. Dabei stellt sich die Frage nach einem allfälligen Gesamtwert mehrerer Sachbeschädigungen respektive nach einer Handlungseinheit nicht, da die Höhe der Sachbeschädigungen, auf welche die Vorinstanz nicht eintritt, für die Berechnung der Deliktssumme nicht herangezogen werden darf. Entgegen den Ausführungen in der Botschaft, wonach die Grenzziehung zwischen dem grossen und dem normalen Schaden durch eine langjährige Rechtsprechung geklärt worden sei (vgl. Botschaft vom 24. April 1991 über die Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches und des Militärstrafgesetzes, BBl 1991 II 1014 Ziff. 213.11), finden sich in der Rechtsprechung nur wenige Hinweise. Das Bundesgericht qualifizierte einen Schaden in der Höhe von Fr. 40'000.- ( BGE 106 IV 24 ) respektive von Fr. 82'000.- ( BGE 117 IV 437 E. 2 S. 440) als gross. In der Literatur wird mehrheitlich die Grenze bei Fr. 10'000.- gesetzt, wobei teilweise die Verhältnisse des Betroffenen herangezogen werden (ANDREAS DONATSCH, Delikte gegen den Einzelnen, 9. Aufl. 2008, S. 184; STRATENWERTH/WOHLERS, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Handkommentar, 2. Aufl. 2009, N. 6 zu BGE 136 IV 117 S. 119 Art. 144 StGB ; für die Berücksichtigung persönlicher Verhältnisse PHILIPPE WEISSENBERGER, in: Basler Kommentar, Strafrecht, Bd. II, 2. Aufl. 2007, N. 61 zu Art. 144 StGB ; CHRISTIAN FAVRE UND ANDERE, Code pénal annoté, 3. Aufl. 2007, N. 3.1. zu Art. 144 StGB ; TRECHSEL/CRAMERI, in: Schweizerisches Strafgesetzbuch, Praxiskommentar, 2008, N. 10 zu Art. 144 StGB ). Eine weitere Meinung stellt allein auf einen objektiven Massstab ab, ohne diesen zu beziffern (BERNARD CORBOZ, Les infractions en droit suisse, Bd. I, 2002, N. 32 zu Art. 144 StGB ; MARTIN SCHUBARTH, in: Delikte gegen das Vermögen: Art. 137-172, Kommentar, Bd. II, 1990, N. 40 zu Art. 145 StGB ). Nach NIGGLI sind die persönlichen Verhältnisse des Betroffenen heranzuziehen. Bei juristischen Personen soll hingegen ein objektiver Massstab (mehr als Fr. 10'000.-) gelten (MARCEL NIGGLI, Das Verhältnis von Eigentum, Vermögen und Schaden nach schweizerischem Strafgesetz, 1992, S. 233 ff.). Der Richter hat bei der Prüfung der Frage, ob im konkreten Fall ein Qualifikationsgrund vorliegt, stets auch die Höhe der angedrohten Mindeststrafe zu berücksichtigen. Denn bei der Auslegung von Straftatbeständen ist auch der angedrohten Strafe Rechnung zu tragen. Dafür sprechen bereits der Grundsatz der Verhältnismässigkeit, dem gerade auch im Strafrecht eine grosse Bedeutung zukommt, und das Schuldprinzip ( BGE 116 IV 319 E. 3b S. 329 f. mit Hinweisen). Während die einfache Sachbeschädigung mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit einer Geldstrafe bestraft wird, kann bei einem grossen Schaden auf eine Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren erkannt werden. Zudem erhebt Art. 144 Abs. 3 StGB den Grundtatbestand zu einem Offizialdelikt. Mit Blick auf die fakultative Strafschärfung sind die Konsequenzen eines grossen Schadens im Vergleich zur altrechtlichen obligatorischen Strafschärfung weniger einschneidend. Zu beachten ist überdies, dass der Richter auch im Rahmen des Grundtatbestands eine Strafe von beispielsweise über einem Jahr aussprechen kann, wenn Unrechts- und Schuldgehalt der Tat dies erfordern. Es scheint sachgerecht, einen Schaden von mindestens Fr. 10'000.- als gross im Sinne von Art. 144 Abs. 3 StGB zu bezeichnen. Ob bei geschädigten natürlichen oder juristischen Personen auch auf deren finanzielle Verhältnisse abzustellen ist, kann offenbleiben. Solche sind hier nicht bekannt. Der Hinweis des Beschwerdeführers auf die Höhe des Aktienkapitals der A. AG ist unbehelflich, da dieses keinerlei Rückschlüsse auf die Vermögenssituation erlaubt. BGE 136 IV 117 S. 120 4.3.2 Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, die exakte Schadenshöhe stehe nicht fest und die Anwendung des qualifizierten Tatbestands beruhe auf einer blossen Schadensschätzung, genügt die Beschwerde den Begründungsanforderungen nicht ( Art. 106 Abs. 2 BGG ). Da der Schaden im Rahmen eines Strafverfahrens regelmässig nicht exakt festgestellt werden kann, sind Schätzungen unvermeidbar. Der Beschwerdeführer kritisiert das angefochtene Urteil, ohne eine willkürliche Tatsachenfeststellung zu behaupten und aufzuzeigen. Er beschränkt sich vielmehr auf eine pauschale Kritik an der Schadensfeststellung. Dadurch vermag er keine Verfassungsverletzung darzutun. Im Übrigen wäre es ihm angesichts der in diesem Zusammenhang kleinen Zahl der Delikte zumutbar gewesen, seine Rüge für jedes Delikt und den entsprechenden Schadensbetrag zu substanziieren. Auf die Beschwerde ist in diesem Punkt nicht einzutreten. Selbst wenn das Vorbringen des Beschwerdeführers ausreichend substanziiert wäre, ist es in der Sache unzutreffend. Es ist nicht ersichtlich, dass der Schluss der Vorinstanz, wonach die Schäden jeweils Fr. 10'000.- übersteigen, auch im Ergebnis willkürlich wäre. 4.3.3 4.3.3.1 Der Beschwerdeführer bringt vor, beim Qualifikationstatbestand von Art. 144 Abs. 3 StGB liege lediglich eine Strafzumessungsregel vor. Zudem sei die Straferhöhung bloss fakultativ. In BGE 125 IV 74 habe das Bundesgericht entschieden, dass im Fall der fakultativen Möglichkeit einer Strafmilderung die Verjährungsfristen des Grund- und nicht des privilegierten Tatbestands zum Tragen kämen. Dasselbe müsse auch im umgekehrten Fall gelten, wo die Berücksichtigung des verschärften Strafrahmens fakultativer Natur sei. 4.3.3.2 Die Rüge ist unbegründet. Massgebend für die Bestimmung der Verjährungsfrist ist die vom Gesetz angedrohte Höchststrafe. Abzustellen ist somit auf ein rein formales Merkmal. Bei Strafnormen des Besonderen Teils des Strafgesetzbuches, welche neben einem Grundtatbestand qualifizierte oder privilegierte Tatbestände vorsehen, ist der Strafrahmen jenes Tatbestands massgeblich, dessen der Täter beschuldigt wird. Ebenso sind die "(besonders) schweren" oder die "(besonders) leichten" Fälle zu behandeln. Das Bundesgericht erwog in BGE 108 IV 41 , dass die abstrakte Betrachtungsweise nicht nur dort anwendbar sei, wo für ein und denselben Tatbestand wahlweise zwei verschiedene Arten von Strafen angedroht würden, BGE 136 IV 117 S. 121 sondern auch in den Fällen, wo neben einem Grundtatbestand durch eigens umschriebene Qualifikationen gekennzeichnete Tatbestände mit besonderen Strafdrohungen vorgesehen seien. Schärfungs- und Milderungsgründe des Besonderen Teils des Strafgesetzbuches seien bei der Ermittlung der angedrohten Höchststrafe zu berücksichtigen, sofern der Richter dabei in objektiver Weise unter Vernachlässigung aller den konkreten Fall berührender subjektiver Elemente den Gehalt der betreffenden Qualifikationen feststelle ( BGE 108 IV 41 E. 2 S. 42 ff.). Auch die leichten bzw. besonders leichten Fälle, welche Strafmilderungsgründe des Besonderen Teils des Strafgesetzbuches darstellen, sind für die Bestimmung der Verjährungsfrist massgebend. Dies gilt jedoch nur, wenn für die privilegierten Tatbestände ein besonderer Strafrahmen und nicht bloss die Möglichkeit einer Strafmilderung vorgesehen ist. Das Bundesgericht erwog, dass der privilegierte Tatbestand der Urkundenfälschung ( Art. 251 Ziff. 2 StGB ) eine fakultative Strafrahmenerweiterung nach unten vorsehe. Auszugehen sei (weiterhin) von der angedrohten Höchststrafe und somit vom Grundtatbestand ( BGE 125 IV 74 E. 2 S. 77 f.). Sieht der qualifizierte Tatbestand wie in Art. 144 Abs. 3 StGB eine fakultative Strafschärfung vor, so erweitert sich der Strafrahmen nach oben. Verjährungsrechtlich relevant ist die (neu) angedrohte Höchststrafe. Deshalb ist das Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach bei einer fakultativen Strafschärfung (wie richtigerweise bei einer fakultativen Strafmilderung) auf den Grundtatbestand abzustellen sei, unzutreffend. Hat der Täter einen grossen Schaden verursacht, gelten mithin längere Verjährungsfristen (vgl. aArt. 70 StGB [in der bis 30. September 2001 gültigen Fassung] und Art. 97 StGB ). Diese ergänzen somit die Regelung des alten und neuen Verjährungsrechts, wonach geringfügige Sachbeschädigungen ( Art. 172 ter StGB ) kürzeren Verjährungsfristen unterstehen (vgl. aArt. 109 und Art. 109 StGB ).
null
nan
de
2,010
CH_BGE
CH_BGE_006
CH
Federation
df4a3d9e-7a78-4d43-a142-40fb1bdb9b99
Urteilskopf 115 IV 187 42. Estratto della sentenza del 5 giugno 1989 della Corte di cassazione penale nella causa S. c. Procura pubblica sottocenerina (ricorso per cassazione)
Regeste Mord, Art. 112 StGB . Die Tötung eines Menschen zum Zwecke des Raubes ist ein typischer Fall des Mordes im Sinne von Art. 112 StGB . Es genügt, dass die Tötung im Rahmen der Verübung des Raubes stattgefunden hat; es ist insoweit unerheblich, ob der Räuber vor, während oder unmittelbar nach der Phase der Aneignung der Beute und ob er ohne besonderen Grund oder aus Angst vor einer (tatsächlichen oder vermuteten) Reaktion des Opfers getötet hat etc.
Sachverhalt ab Seite 187 BGE 115 IV 187 S. 187 Il 3 settembre 1984, verso le ore 04.00, S. uccideva a colpi di pistola, esplosi dall'alto verso il basso e da ravvicinata distanza, BGE 115 IV 187 S. 188 nell'angusto chiosco di una stazione di servizio, F. e P. S. aveva trovato F. e P. seduti a un tavolo e li aveva minacciati con la pistola carica. Mentre P. rimaneva immobile, F. si prostrava verosimilmente inanzi, voltandosi verso il calorifero dove erano appoggiate una mazza chiodata e una sbarra di ferro per misurare il livello della benzina. S. sparava allora sei colpi, quattro a F. e due a P. Appropriatosi della borsa a tracolla del benzinaro F., S. si allontanava con l'autovettura che era stata rubata per effettuare il colpo. Erwägungen Considerando in diritto: 2. Dall'univoco testo delle due sentenze cantonali emerge che il ricorrente ha ucciso consapevolmente e volontariamente due persone per portar a termine una rapina, senza che tale uccisione fosse giustificata da una legittima difesa o fosse avvenuta in uno stato d'irresponsabilità. Secondo l'unanime dottrina, l'uccisione di una persona a scopo di rapina costituisce un tipico caso di assassinio ai sensi dell'art. 112 CP (v. tra altri, HANS BINDER, Der Massstab bei der Beurteilung der Tötungsdelikte, in Schweizerische Zeitschrift für Strafrecht (ZStR), vol. 67 (1952), pag. 322; HANS WALDER, Vorsätzliche Tötung, Mord und Totschlag (StrGB art. 111-113) in ZStR vol. 96 (1979), pag. 148; GÜNTER STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Parte speciale, ad art. 112, pag. 86; JÖRG REHBERG, Strafrecht III, pag. 51; O. A. GERMANN, Schweizerisches Strafgesetzbuch, ad. art. 112 (pag. 203) e Das Verbrechen im neuen Strafrecht, ad art. 112 (pag. 15) e ad art. 139 (pag. 265); MARTIN SCHUBARTH, Kommentar zum schweizerischen Strafrecht, Parte speciale, ad art. 112 n. 23 (pag. 86). È all'uopo sufficiente che l'uccisione abbia luogo nel quadro della commissione della rapina, essendo irrilevante per la configurazione giuridica che il rapinatore abbia ucciso prima, durante o subito dopo la fase dell'appropriazione del bottino, che abbia ucciso senza una ragione particolare oppure per timore di una reazione (effettiva o presunta) della vittima, ecc. La particolare perversità e/o pericolosità risultano dal fatto stesso che, per appropriarsi del denaro della vittima della rapina, l'agente non esiti ad ucciderla. Nel caso concreto, la duplice uccisione commessa dal ricorrente per portare a termine la sua rapina integra compiutamente e in modo esemplare tutti gli elementi della fattispecie legale dell'art. 112 CP. BGE 115 IV 187 S. 189 3. Il ricorrente non mette in discussione circostanze particolari che obblighino il giudice a scostarsi dall'unica pena comminata per l'assassinio, la reclusione perpetua. A ragione egli si limita a chiedere la derubricazione dell'imputazione da assassinio ad omicidio intenzionale. Come già ribadito dalla Corte di cassazione e di revisione penale del Cantone Ticino, il momento di discontrollo del ricorrente, evocato dalle conclusioni psichiatriche e ritenuto attendibile dalla Corte di merito, e intervenuto alla verosimile reazione di F. dopo la sua intimazione, non esclude la particolare perversità accertata e rivelata dall'intero suo agire, teso solo ad impossessarsi ad ogni costo del denaro. Non v'è quindi motivo per la Corte di cassazione del Tribunale federale di rilevare una violazione del diritto federale in cui sarebbe incorsa la CCRP, e ciò neppure tenendo conto di eventuali implicite censure connesse con la motivazione tendente ad ottenere una dichiarazione di colpevolezza per omicidio intenzionale anziché per assassinio.
null
nan
it
1,989
CH_BGE
CH_BGE_006
CH
Federation
df4f6f23-9a48-416e-8f45-d09aee6f6e33
Urteilskopf 112 V 195 35. Urteil vom 16. Juni 1986 i.S. Schweizerische Grütli gegen Moussa und Versicherungsgericht des Kantons Bern
Regeste Art. 14 Abs. 4 und 6 KUVG : Krankengeld bei Mutterschaft. - Eine Krankenkasse darf ohne Einwilligung des Mitgliedes die Krankengeldversicherung aufheben oder die Deckung vermindern, wenn dieses die Erwerbstätigkeit endgültig aufgibt oder für dauernd reduziert und die Taggeldversicherung dadurch ganz oder teilweise gegenstandslos wird (Erw. 2a). - Für die Anwendbarkeit von Art. 14 Abs. 4 KUVG ist die Absicht einer endgültigen Erwerbsaufgabe oder einer definitiven Verminderung der Erwerbstätigkeit vorauszusetzen (Erw. 2b; Bestätigung der Rechtsprechung gemäss BGE 111 V 329 ). - Unter einer endgültigen Änderung der erwerblichen Verhältnisse ist nicht eine Aufgabe oder Verminderung der Erwerbstätigkeit für immer zu verstehen; gemeint ist eine Aufgabe oder Verminderung für längere Zeit (Erw. 2b). - Die Versicherte hat den Zeitpunkt der späteren Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit zu konkretisieren; dieser hat in näherer Zukunft zu liegen, andernfalls ist eine länger dauernde Erwerbsaufgabe und damit ein Grund für die Herabsetzung der Versicherungsdeckung gegeben (Erw. 2b und 3b).
Sachverhalt ab Seite 196 BGE 112 V 195 S. 196 A.- Susanne Moussa war bei der Krankenkasse Grütli für ein Krankengeld von Fr. 50.-- pro Tag versichert. Vom Sommer 1981 bis Ende Mai 1982 war sie im Restaurant M. als Aushilfserviertochter in Teilzeitarbeit tätig. Im März 1982 wurde sie schwanger und stand fortan beim Gynäkologen Dr. K. in Behandlung. Als dieser anfangs Juni 1982 ferienhalber abwesend war, begab sich Susanne Moussa, da sie unter Herzbeschwerden, Schwindelanfällen, Nervosität und Anämie litt, zu dessen Stellvertreter Dr. W., der ihr im Krankenschein für den Behandlungszeitraum vom 4. bis 18. Juni 1982 volle Arbeitsunfähigkeit attestierte. Gestützt hierauf erbrachte die Krankenkasse Grütli Taggeldleistungen im Betrage von Fr. 750.-- (15 Taggelder à Fr. 50.--). Susanne Moussa nahm die Arbeit nach dem 18. Juni 1982 nicht wieder auf. BGE 112 V 195 S. 197 Am 4. Januar 1983 gebar Susanne Moussa ihr Kind. Im Mai 1983 verlangte sie von der Kasse die Ausrichtung des versicherten Taggeldes für die Zeit vom 19. Juni 1982 bis 3. Januar 1983 unter dem Titel krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit und für die Zeit ab 4. Januar 1983 während zehn Wochen unter dem Titel Mutterschaft. Die Kasse lehnte die Begehren in der Hauptsache mit der Begründung ab, für die Arbeitsunfähigkeit bis zum 3. Januar 1983 fehle es an einer glaubwürdigen ärztlichen Bescheinigung und einer rechtzeitigen Krankmeldung; für die Zeit ab 4. Januar 1983 könne nur ein auf Fr. 4.-- reduziertes tägliches Taggeld ausgerichtet werden. Denn wenn die Erwerbstätigkeit früher als vier Wochen vor der Niederkunft aufgegeben werde, müsse die Krankengeldversicherung herabgesetzt werden ( Art. 14 Abs. 4 KUVG ). Am 12. Dezember 1983 erging die entsprechende Verfügung. B.- Hiegegen liess Susanne Moussa Beschwerde führen mit dem Antrag, die Kasse sei zu verpflichten, für die Zeit vom 19. Juni 1982 bis 20. März 1983 ein Krankengeld von Fr. 50.-- pro Tag auszurichten. Das Versicherungsgericht des Kantons Bern erkannte mit Entscheid vom 7. Februar 1985, dass für die Zeit vom 19. Juni 1982 bis 3. Januar 1983 keine anspruchsbegründende Arbeitsunfähigkeit ausgewiesen sei. Doch selbst wenn eine solche gegeben wäre, könnte das geforderte Krankengeld nicht ausgerichtet werden, da die Arbeitsunfähigkeit verspätet gemeldet worden sei. Demnach bestehe die Leistungsverweigerung der Kasse diesbezüglich zu Recht. Dagegen könne nicht gesagt werden, dass Susanne Moussa die Arbeit mehr als vier Wochen vor der Niederkunft unterbrochen habe, weil sie sich endgültig aus dem Erwerbsleben habe zurückziehen wollen, sondern weil sie sich aufgrund der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsatteste und vielleicht auch wegen gelegentlichen Unwohlseins als arbeitsunfähig gehalten habe. Unter diesen Umständen sei eine Rückversetzung in eine niedrigere Krankengeldklasse unzulässig gewesen. Die Kasse habe deshalb Susanne Moussa für die Dauer von 70 Tagen ( Art. 14 Abs. 6 KUVG ) das volle versicherte Taggeld von Fr. 50.-- auszurichten. C.- Die Kasse führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, der kantonale Entscheid sei aufzuheben und die Verfügung vom 12. Dezember 1983 zu bestätigen. Auf die Begründung wird, soweit erforderlich, in den Erwägungen einzugehen sein. Susanne Moussa lässt Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragen. Das Bundesamt für Sozialversicherung schliesst ebenfalls auf Abweisung. BGE 112 V 195 S. 198 Erwägungen Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 1. a) Streitig ist im vorliegenden Verfahren nur noch der Taggeldanspruch gemäss Art. 14 Abs. 6 KUVG . Nicht mehr streitig ist dagegen, ob der Beschwerdegegnerin Taggelder unter dem Titel "krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit" zuzusprechen seien. Nach Art. 14 Abs. 1 KUVG haben die Krankenkassen bei Schwangerschaft und Niederkunft die gleichen Leistungen wie bei Krankheit zu gewähren, sofern die Versicherte bis zum Tag ihrer Niederkunft während wenigstens 270 Tagen, ohne Unterbrechung von mehr als drei Monaten, Mitglied von Kassen gewesen ist. Nach Art. 14 Abs. 4 dürfen Versicherte, die ihre Erwerbstätigkeit nicht früher als vier Wochen vor ihrer Niederkunft aufgeben, vor Ablauf der Bezugsdauer gemäss Abs. 6 nicht in eine niedrigere Krankengeldklasse versetzt werden. Die Versicherte hat Anspruch auf das versicherte Krankengeld, sofern sie keine gesundheitsschädliche Arbeit verrichtet. Gemäss Art. 14 Abs. 6 KUVG erstrecken sich die Leistungen bei Mutterschaft auf zehn Wochen, wovon mindestens sechs nach der Niederkunft liegen müssen. b) Mit Art. 14 Abs. 4 KUVG wollte der Gesetzgeber das unbefriedigende Ergebnis vermeiden, dass eine Versicherte, die wegen einer bevorstehenden Niederkunft ihre Stelle aufgibt, unverzüglich in eine tiefere Taggeldklasse versetzt wird und damit eines höheren Taggeldanspruchs verlustig geht, obwohl möglicherweise jahrelang verhältnismässig hohe Krankengeldprämien bezahlt worden waren (BBl 1961 I 1437). 2. a) Im Urteil Güttinger vom 16. September 1985 ( BGE 111 V 329 ) hat das Eidg. Versicherungsgericht erkannt, Art. 14 Abs. 4 KUVG bestimme nicht, unter welchen Voraussetzungen die Krankenkassen bei Schwangeren eine Versicherungsdeckung herabsetzen dürfen; für diese Frage gelte der Grundsatz, dass eine Krankenkasse nur dann ohne Einwilligung des Mitgliedes die Krankengeldversicherung aufheben oder die Deckung vermindern dürfe, wenn dieses am Fortbestand oder am bisherigen Mass der Versicherung vernünftigerweise kein Interesse mehr haben könne. Wann das zutrifft, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Eine Rückstufung ist hauptsächlich dann möglich, wenn die Weiterführung der bestehenden Deckung eine dauernde Überversicherung begründen würde, so etwa, wenn die Erwerbstätigkeit endgültig aufgegeben oder für dauernd reduziert und die Taggeldversicherung BGE 112 V 195 S. 199 dadurch ganz oder teilweise gegenstandslos wird (RSKV 1982 Nr. 475 S. 34 und 1981 Nr. 455 S. 156; für die Ausnahmen BGE 107 V 162 Erw. 1 und RSKV 1982 Nr. 475 S. 34). Art. 14 Abs. 4 KUVG begründet eine Einschränkung zu dem in den genannten Grenzen bestehenden Gestaltungsrecht der Kasse und kann nur zum Zuge kommen, wenn die angeführten allgemeinen Voraussetzungen für die Herabsetzung der Versicherungsdeckung beim Krankengeld erfüllt sind. b) Für die Anwendbarkeit von Art. 14 Abs. 4 KUVG ist demnach die Absicht einer endgültigen Erwerbsaufgabe (so auch die juristische Kartothek des Konkordats der schweizerischen Krankenkassen in IIId 10/14/20 und RSKV 1972 S. 197) oder definitiven Verminderung der Erwerbstätigkeit vorauszusetzen. Unter einer endgültigen Änderung der erwerblichen Verhältnisse ist allerdings nicht eine Aufgabe oder Verminderung der Erwerbstätigkeit für immer zu verstehen, da sich eine Versicherte kaum jemals in so definitiver Weise für die Zukunft festlegen könnte. Gemeint ist vielmehr eine Aufgabe oder Verminderung der Erwerbstätigkeit für längere Zeit. Für die Beibehaltung der Versicherungsdeckung genügt es sodann nicht, dass die Versicherte bei der Aufgabe der Erwerbstätigkeit infolge Schwangerschaft gegenüber der Krankenkasse bloss die nicht näher bestimmte Absicht bekundet, später irgendwann wieder ins Erwerbsleben zurückkehren zu wollen. Sie hat vielmehr den späteren Zeitpunkt einer Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit zu konkretisieren; dieser hat sodann in näherer Zukunft zu liegen, da andernfalls von einer länger dauernden Erwerbsaufgabe gesprochen werden müsste, was die Kasse zur Herabsetzung der Versicherungsdeckung berechtigen würde. 3. a) Die Vorinstanz hat zutreffend erkannt und begründet, dass die Beschwerdegegnerin in der Zeit vom 19. Juni 1982 bis 3. Januar 1983 nicht arbeitsunfähig war. Für die Einzelheiten kann auf die vorinstanzlichen Ausführungen verwiesen werden, denen lediglich darin nicht gefolgt werden kann, dass sich die Beschwerdegegnerin trotz bestehender Arbeitsfähigkeit als arbeitsunfähig habe fühlen dürfen. Es verhält sich demnach nicht so, dass die Beschwerdegegnerin die Vierwochenfrist des Art. 14 Abs. 4 KUVG aus gesundheitlichen Gründen nicht hätte einhalten können. b) Nach den vorliegenden Akten ist sodann anzunehmen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen der Beschwerdegegnerin und dem Restaurant M. Ende Mai 1982 beendet und anfangs Mai 1984 neu BGE 112 V 195 S. 200 begründet worden ist. Eine Unterbrechung der Erwerbstätigkeit von rund zwei Jahren bzw. deren Wiederaufnahme erst 14 Monate nach der Niederkunft stellt eine länger dauernde Erwerbsaufgabe dar, welche nach dem oben Gesagten die Kasse zur Herabsetzung der Versicherungsdeckung berechtigte. Die Beschwerdegegnerin will zwar seit anfangs März 1983 stundenweise im Betrieb ihres Ehemannes ausgeholfen haben, ohne hiefür allerdings entschädigt worden zu sein. Das kann jedoch einer Erwerbstätigkeit nicht gleichgestellt werden. Nichts deutet schliesslich darauf hin, dass die Beschwerdegegnerin nicht von Anfang an die Absicht einer länger dauernden Erwerbsaufgabe gehabt hätte. Die Herabsetzung der Versicherungsdeckung auf Fr. 4.-- pro Tag durch die Kasse erweist sich mithin als Rechtens. c) Die Kasse hat nicht entschieden, ab welchem Zeitpunkt die Versicherungsdeckung als herabgesetzt zu betrachten sei. Sie hat sich jedoch in ihrem Schreiben vom 26. April 1983 bereit erklärt, die Reduktion auf den 1. Juli 1982 vorzunehmen, was nicht zu beanstanden ist. Hiebei ist die Kasse zu behaften. Sie wird demzufolge noch über die Prämienrückerstattung zu befinden haben. Dispositiv Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Bern vom 7. Februar 1985 aufgehoben, soweit der Beschwerdegegnerin darin ein Mutterschaftstaggeld von Fr. 50.-- pro Tag während 70 Tagen zugesprochen wird.
null
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de
1,986
CH_BGE
CH_BGE_007
CH
Federation
df4f8eba-75c0-4b61-afaf-c4a8836a1ba3
Urteilskopf 89 I 430 62. Extrait de l'arrêt du 20 novembre 1963 dans la cause Nouveaux Grands Magasins SA contre Conseil d'Etat du canton de Genève.
Regeste Willkür. Abänderung oder Widerruf einer suspensiv bedingten Verfügung. Erteilung einer Baubewilligung unter der Bedingung, dass der Adressat die Erlaubnis zum Abbruch des auf dem Baugrundstück stehenden Gebäudes erhalte. Verweigerung dieser Erlaubnis auf Grund eines nach der Erteilung der Baubewilligung erlassenen Gesetzes. Staatsrechtliche Beschwerde wegen angeblich willkürlichen Widerrufs der Baubewilligung. Die Rechtsprechung betreffend den Widerruf von Verwaltungsverfügungen ( BGE 88 I 227 /8) ist als solche nicht anwendbar. Die Baubewilligung stellt hier eine suspensiv bedingte Verfügung dar. Die kantonale Behörde kann, während noch die Bedingung schwebt, ohne Willkür auf Grund der gegenwärtigen Rechtslage die Nichterfüllung derselben feststellen, sofern sie dabei nur nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben und gegen das Gebot der Rechtssicherheit verstösst.
Sachverhalt ab Seite 431 BGE 89 I 430 S. 431 A.- Le 27 octobre 1961, le Conseil d'Etat du canton de Genève édicta un règlement qui restreignait le droit de démolir et de transformer les maisons d'habitation. Le 19 septembre 1962, le Tribunal fédéral annula ce règlement parce qu'il était dépourvu de base légale et, partant, contraire à la garantie de la propriété. Le 17 octobre 1962, BGE 89 I 430 S. 432 le Grand Conseil genevois en reprit les principes essentiels dans une "loi restreignant les démolitions et transformations de maisons d'habitation en raison de la pénurie de logements" (LD). D'après cette loi, "aussi longtemps que sévit la pénurie de logements, nul ne peut démolir ou faire démolir, en tout ou en partie, ni modifier ou faire modifier sensiblement la destination d'une maison d'habitation occupée ou inoccupée" (art. 1er). Des dérogations peuvent cependant être accordées "lorsqu'elles s'imposent pour des motifs de sécurité ou de salubrité ou sont justifiées par des motifs d'intérêt public ou d'intérêt général" (art. 3). Les constructions qui nécessitent des démolitions interdites ne sont pas autorisées (art. 6). Ces dispositions sont exécutées par le Département des travaux publics (art. 2) (ci-après le département), sous réserve de recours au Conseil d'Etat (art. 4). Elles sont applicables "à toutes les demandes de démolition actuellement pendantes devant l'autorité administrative" (art. 8). Elles ont fait l'objet d'un règlement d'exécution, promulgué par le Conseil d'Etat le 25 juin 1963. B.- En 1953 et 1955, les Nouveaux Grands Magasins SA ont acheté deux parcelles sises l'une à côté de l'autre à la rue de la Madeleine à Genève. La Société immobilière d'Entreprises commerciales est propriétaire d'un terrain contigu. Sur ces biens-fonds s'élèvent deux bâtiments comprenant des locaux commerciaux et des appartements. Le 28 septembre 1960, les Nouveaux Grands Magasins SA sollicitèrent du département l'autorisation de construire un immeuble commercial sur ces trois parcelles. Le 29 novembre 1960, ils donnèrent congé à leurs locataires pour le 30 avril 1961. Plusieurs de ces derniers s'opposèrent au congé. Les cas de sept d'entre eux sont encore pendants devant la Commission genevoise pour la limitation du droit de résiliation. Le 31 mai 1961, le département accorda l'autorisation requise, moyennant diverses conditions, dont l'une est ainsi précisée: "Une requête spéciale, établie en bonne et BGE 89 I 430 S. 433 due forme, devra être adressée au département pour la démolition des bâtiments actuels, accompagnée d'une attestation" (de dératisation?) "et d'un engagement écrit de l'adjudicataire de la construction d'entreprendre les travaux immédiatement après l'achèvement des démolitions". Le 12 juin 1962, l'autorisation fut prorogée au 31 mai 1963. Toutefois, le 12 décembre 1962, le département écrivit ce qui suit à l'architecte des Nouveaux Grands Magasins: "Vu les dispositions de la loi ... du 17 octobre 1962, votre projet ... ne pourra pas être réalisé, étant donné qu'il implique la démolition des immeubles ... rue de la Madeleine ... qui, vu leur état actuel, doivent être conservés. Au vu de ce qui précède, nous vous engageons à n'entreprendre ou à ne poursuivre aucune procédure en évacuation de locataires de ces immeubles ... Il vous est interdit d'entreprendre des travaux quelconques de démolition sous peine des sanctions prévues aux art. 198 et 206 de la loi sur les constructions ..." Les Nouveaux Grands Magasins recoururent contre cette décision au Conseil d'Etat, qui les débouta par un arrêté du 4 juin 1963 motivé en substance comme suit: Le département était fondé à accorder un permis de construire tout en se réservant d'examiner ultérieurement le problème des démolitions rendues nécessaires par les projets. Il pouvait aussi avertir les Nouveaux Grands Magasins que leur projet se heurtait à la loi du 17 octobre 1962 et ne pourrait être réalisé. Loin d'être illégal, ce procédé leur a rendu service. Bien qu'ils soient partiellement affectés à des usages commerciaux, les immeubles litigieux n'en sont pas moins des maisons d'habitation au sens de la loi précitée. Vu l'art. 1er in fine LD, il est sans importance que certains appartements soient vacants. Quant aux hypothèses où des dérogations sont possibles (art. 3 LD), elles ne sont pas réalisées. C.- Agissant par la voie du recours de droit public, les Nouveaux Grands Magasins requièrent le Tribunal fédéral d'annuler l'arrêté du Conseil d'Etat du 4 juin 1963. BGE 89 I 430 S. 434 Ils se plaignent notamment d'une violation de l'art. 4 Cst. Le Conseil d'Etat conclut au rejet du recours. Erwägungen Considérant en droit: 3. Selon la jurisprudence, les décisions administratives ne peuvent en principe revêtir l'autorité de la chose jugée. C'est pourquoi, lorsqu'elles ne sont pas conformes à la loi et à moins d'une disposition contraire de celle-ci, elles sont susceptibles d'être modifiées ou révoquées en particulier quand l'intérêt public l'exige et que la sécurité du droit ne s'y oppose pas. La sécurité du droit l'emporte sur l'intérêt public et la décision doit être en règle générale maintenue si elle engendre en faveur de l'administré des droits subjectifs, qu'elle ait été précédée d'une procédure permettant d'examiner sous tous leurs aspects l'ensemble des intérêts en cause, ou que le particulier ait déjà fait usage de la permission reçue (RO 88 I 267, 227/8 ; 87 I 282 , 511 ; 86 I 173 ; 84 I 11 ; 83 I 325 ; 79 I 6 ). Invoquant cette jurisprudence, les recourants soutiennent que la décision du 12 décembre 1962 équivaut à une révocation du permis de construire accordé le 31 mai 1961, et que cette révocation était exclue. Toutefois, les recourants ne pouvaient utiliser leur autorisation de construire que s'ils demandaient la permission de démolir les immeubles existants et si leur requête était accueillie. Leur permis de bâtir était donc soumis à une condition suspensive dont l'accomplissement dépendait d'une requête de démolition présentée par eux et d'une décision de l'autorité accueillant cette requête. Or, lorsqu'une telle condition affecte une décision administrative et qu'un événement survient qui en empêche absolument la réalisation, du moins pour une certaine durée, le problème qui se pose n'est pas celui de la révocation d'une décision administrative, qui subsiste peut-être, mais celui de la non-réalisation d'une condition dont cette décision est assortie. La jurisprudence concernant le retrait des actes administratifs n'est donc pas applicable comme telle. BGE 89 I 430 S. 435 En l'espèce, la condition ne peut plus actuellement se réaliser parce que la législation concernant la délivrance des permis de démolir a été modifiée et empêche pour le moment que l'autorisation soit octroyée. Il faut en principe reconnaître à l'Etat la faculté de tenir compte de cette modification. En effet, le Tribunal fédéral a déjà jugé qu'une demande de permis de construire peut sans arbitraire être examinée sur la base des règles en vigueur au moment de la décision cantonale définitive et non d'après celles applicables lors du dépôt de la requête (RO 87 I 510 ss, 89 I 24). Ce principe, valable pour l'autorisation de bâtir, doit l'être aussi quant aux conditions suspensives qui l'assortissent. L'autorité peut donc se prononcer sur la question de la réalisation d'une condition suspensive encore pendante en se conformant aux règles qui régissent le problème à la date où elle statue. Toutefois, les rapports entre l'administration et l'administré sont soumis au principe de la bonne foi (RO 88 I 148, 76 I 190, 72 I 81). Il s'ensuit notamment que l'administration ne saurait tromper la confiance que ses actes ont pu éveiller chez l'administré (cf. GIACOMETTI, Allgemeine Lehren des rechtsstaatlichen Verwaltungsrechts, p. 289 ss; MERZ, Commentaire, note 72 ad art. 2 CC). De même, l'administration est liée par l'obligation de se plier aux exigences de la sécurité du droit. Si, en considérant dans un cas particulier que la condition affectant le permis n'était pas réalisée, elle violait l'un ou l'autre de ces principes, sa décision serait arbitraire et devrait être annulée. En l'espèce, par son prononcé du 12 décembre 1962, rendu alors que la condition était encore pendante, le département a constaté que l'autorisation de démolir ne pourrait pas être accordée. Il l'a décidé en se fondant sur la loi nouvelle, du 17 octobre 1962. Il le pouvait sans tomber dans l'arbitraire car il n'a violé ni le principe de la bonne foi ni celui de la sécurité du droit. A aucun moment, en effet, l'administration genevoise n'a pu, par ses actes, faire croire aux recourants que la permission de démolir les immeubles existants leur serait accordée. Elle ne leur BGE 89 I 430 S. 436 a pas davantage donné d'assurances expresses dans ce sens. Depuis longtemps au contraire (cf. RO 88 I 178), elle se préoccupe du moyen d'empêcher la démolition d'immeubles encore utilisables. Elle y est poussée par la nécessité de remédier aux effets de la pénurie de logements. C'est sur cette considération que repose la loi du 17 octobre 1962. Celle-ci vise ainsi à satisfaire un besoin essentiel de la population. Elle n'a pas été promulguée à seule fin de prendre à l'égard des recourants une mesure à laquelle ils n'auraient pas pu s'attendre. Ces derniers connaissaient du reste parfaitement l'existence de la condition suspensive affectant le permis de construire. Ils savaient qu'ils n'obtiendraient peut-être pas l'autorisation de démolir. S'ils ont pris certaines mesures en vue de l'hypothèse où ils la recevraient, c'est à leurs risques et périls. 4. Les recourants ne sauraient reprocher à l'autorité cantonale d'avoir pris la décision attaquée avant d'être saisie d'une requête de démolition. Cette décision échappant au grief d'arbitraire, l'administration genevoise pouvait la prendre même en l'absence d'une démarche des recourants. Ceux-ci n'ont d'ailleurs pas été lésés par cette façon d'agir. Au contraire, mieux informés de leur situation juridique et pouvant ainsi éviter d'engager des frais pour l'instant inutiles, ils n'en conservent pas moins la faculté de demander une nouvelle autorisation de démolir en cas d'abrogation de la loi du 17 octobre 1962. Dispositiv Par ces motifs, le Tribunal fédéral Rejette le recours.
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1,963
CH_BGE
CH_BGE_001
CH
Federation
df50800e-695a-4b43-8d06-b8bb91268cf3
Urteilskopf 120 III 20 10. Arrêt de la Chambre des poursuites et des faillites du 9 février 1994 dans la cause commune de X. (recours LP)
Regeste Liegenschaftsverwertung; Bestreitung des Lastenverzeichnisses ( Art. 140 Abs. 2 SchKG , 43 Abs. 1 und 112 Abs. 1 VZG). Rechtsmittel und Frist zur Anfechtung des Lastenverzeichnisses; Abänderung eines rechtskräftigen Lastenverzeichnisses von Amtes wegen (E. 1). Prinzip der Gleichbehandlung der Gläubiger öffentlichen und privaten Rechts. Die Verfahrensvorschriften, die den Rang der Grundpfandrechte im Verhältnis zueinander festlegen, können nicht als nachgiebiges oder als zwingendes Recht betrachtet werden, je nach dem, ob die sichergestellten Forderungen auf privatem oder öffentlichem Recht beruhen (E. 2). Aufnahme privilegierter gesetzlicher Grundpfandrechte in das Lastenverzeichnis unter dem Titel rechtsgeschäftlich vereinbarter: leicht feststellbar könnte eine solche Ungenauigkeit auf rechtzeitig erhobene Beschwerde hin berichtigt werden; im Stadium der Verteilung ist dies nicht mehr möglich (E. 3).
Sachverhalt ab Seite 21 BGE 120 III 20 S. 21 A.- a) Le 10 août 1992, le Préposé de l'Office des poursuites de Martigny a fait publier un avis de vente aux enchères publiques de deux parcelles sises sur le territoire de la commune de X. Le 18 du même mois, celle-ci a produit ses créances contre les propriétaires des deux biens-fonds, en précisant qu'elles avaient fait l'objet d'une inscription hypothécaire légale privilégiée au registre foncier, au sens des art. 227 LF (loi BGE 120 III 20 S. 22 fiscale cantonale) et 78 LR (loi cantonale sur les routes), portant sur les deux parcelles mises en vente. L'état des charges a été communiqué à la commune de X. le 18 septembre 1992, avec indication du délai d'opposition de dix jours ( art. 140 al. 2 LP ). La rubrique "créances garanties par gage immobilier" de ce document était subdivisée en deux titres: "I. Hypothèques légales privilégiées, II. Hypothèques conventionnelles". Etait mentionné, au titre des hypothèques légales privilégiées, un gage de 30 fr. fondé sur l'art. 174 LF (impôts cantonaux 91 et 92); au titre des hypothèques conventionnelles figuraient deux gages de la Banque cantonale du Valais (l'un de 3'592'489 fr. en 1er rang, l'autre de 1'283'129 fr. 10 en 2ème rang) et les deux hypothèques légales de la commune de X., représentant un montant total de 49'357 fr., en 3ème rang. L'état des charges n'a fait l'objet d'aucune contestation dans le délai imparti. b) Lors des enchères, qui eurent lieu le 13 octobre 1992, les parcelles en question ont été adjugées à la Banque cantonale du Valais pour un montant de 3'600'000 fr. Le produit de la vente n'ayant pas suffi pour payer intégralement tous les créanciers, le découvert étant de 1'325'005 fr. 10, l'office des poursuites a dressé un tableau de distribution et transmis à la commune de X. un certificat d'insuffisance de gage pour le montant de sa créance. B.- La commune de X. s'est adressée en vain à l'autorité cantonale inférieure de surveillance, puis à l'autorité supérieure, aux fins de faire modifier l'état des charges dans le sens de l'inscription de sa créance sous la rubrique "hypothèque légale privilégiée". L'autorité cantonale supérieure a retenu, en substance, que l'état des charges était certes inexact et que le préposé avait commis une erreur, mais qu'un contrôle attentif aurait permis à la commune de la constater et de s'en plaindre dans le délai de l' art. 140 LP . C.- La commune de X. a recouru à la Chambre des poursuites et des faillites du Tribunal fédéral contre le jugement de l'autorité supérieure de surveillance. Elle estimait que le Tribunal cantonal aurait dû ordonner d'office, malgré l'échéance du délai de plainte, la modification de l'état des charges litigieux, car celui-ci avait été établi en violation d'une disposition légale - l'art. 227 LF val. - instituée dans l'intérêt public, donc impérative; en outre, le préposé n'aurait pas commis une simple erreur, mais se serait rendu coupable d'une omission fautive. La Chambre des poursuites et faillites a rejeté le recours. BGE 120 III 20 S. 23 Erwägungen Considérant en droit: 1. Un état des charges non conforme à l'extrait du registre foncier ou aux productions peut être attaqué par la voie de la plainte au sens de l' art. 17 LP (P.-R. GILLIÉRON, Poursuite pour dettes, faillite et concordat, 3e éd., Lausanne 1993, p. 233; KURT AMONN, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 5e éd., Berne 1993, § 28 n. 35). S'il n'est pas contesté dans le délai de dix jours de l' art. 140 al. 2 LP , il devient définitif et les droits qui y figurent sont considérés comme reconnus par tous les intéressés pour la poursuite en cours (art. 37 al. 2 ORI [RS 281.42]; GILLIÉRON, op.cit., p. 232; AMONN, op.cit., § 28 n. 28). Un état des charges définitif peut toutefois être modifié d'office, en tout temps, s'il a été établi en violation de règles de procédure impératives, parce qu'instituées dans l'intérêt public ou dans l'intérêt d'un nombre indéterminé de tiers ( ATF 96 III 74 consid. 2 p. 77). Une omission fautive du préposé peut aussi justifier un complément ultérieur de l'état des charges ( ATF 113 III 17 consid. 2 p. 18). 2. L'argument de la recourante, selon lequel le rang de l'inscription hypothécaire résultait en l'espèce d'une disposition légale impérative qui devait être appliquée d'office, ne saurait être suivi. La jurisprudence met en effet en doute le caractère impératif des dispositions de procédure destinées à fixer le rang des droits de gage immobilier les uns par rapport aux autres, car la fixation de ce rapport ne concerne que les créanciers hypothécaires et n'a donc d'importance que pour un nombre limité de personnes ( ATF 96 III 74 consid. 2 p. 78). Cette jurisprudence ayant été rendue à propos de créances hypothécaires de droit privé, la recourante conteste qu'elle soit aussi applicable aux créances garanties par des hypothèques légales de droit public. Elle a tort, car - comme l'a rappelé à juste titre l'autorité cantonale de surveillance - le droit fédéral de la poursuite repose sur le principe de l'égalité entre créanciers de droit public et de droit privé (ANTOINE FAVRE, Droit des poursuites, 3e éd., p. 88 ch. 1; GILLIÉRON, op.cit., p. 35 § 1 let. b et 313 let. A; AMONN, op.cit., § 1 n. 14, § 7 n. 4, § 42 n. 43; FRITZSCHE/WALDER, Schuldbetreibung und Konkurs nach schweizerischem Recht, vol. I, 3e éd., Zurich 1984, § 10 n. 2; DOMINIQUE RIGOT, Le recouvrement forcé des créances de droit public selon le droit de poursuite pour dettes et la faillite, thèse Lausanne 1991, p. 56 n. 48, p. 108 n. 86, p. 253 n. 241 et p. 301; cf. en outre le message du CF concernant la BGE 120 III 20 S. 24 révision de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, FF 1991 III 147 s.). En tant qu'il se fonde sur la jurisprudence précitée ( ATF 96 III 74 ) et considère qu'il est indifférent que le créancier hypothécaire soit une collectivité publique ou un particulier, le jugement attaqué ne contrevient donc nullement au droit fédéral. Et c'est à bon droit que le Tribunal cantonal retient que l'on ne saurait attribuer aux règles de procédure fixant le rang des droits de gage un caractère dispositif ou impératif suivant que les créances garanties sont de droit privé ou de droit public; ce serait en effet créer un privilège en faveur du créancier de droit public, absolument contraire - ainsi que cela vient d'être relevé - à l'esprit de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite. 3. Aux termes de l'art. 36 al. 2 ORI , l'office n'a pas le droit de refuser de porter à l'état des charges celles qui figurent dans l'extrait du registre foncier ou qui ont fait l'objet d'une production. En l'espèce, le préposé n'a pas formellement refusé d'inscrire à l'état des charges les hypothèques légales annoncées par la recourante; il les a simplement fait figurer au mauvais endroit. L'autorité cantonale de surveillance qualifie cette inexactitude d'erreur; la recourante, d'omission fautive au sens de la jurisprudence ( ATF 113 III 17 ). Il n'y a pas lieu de trancher entre les deux, car l'inexactitude en question était évidente et pouvait être aisément constatée à première lecture: clairement subdivisé en deux titres ("Hypothèques légales privilégiées" et "Hypothèques conventionnelles"), l'état des charges communiqué à la commune de X. mentionnait la production de celle-ci sous la rubrique "Hypothèques conventionnelles", en 3ème rang, alors que l'intéressée avait expressément signalé au préposé que ses créances avaient fait l'objet d'une "inscription hypothécaire légale privilégiée au Registre foncier " et qu'elle avait joint à sa production une copie des réquisitions à cet office. Or une telle irrégularité pouvait être corrigée par la voie d'une plainte déposée dans le délai de 10 jours à compter de la communication de l'état des charges (cf. consid. 1 ci-dessus). Faute d'avoir usé de ce moyen en temps utile, la recourante doit dès lors se voir opposer la règle prévue aux art. 43 al. 1 (par renvoi de l'art. 102) et 112 al. 1 ORI, en vertu de laquelle le rang et le montant des créances garanties par gage inscrites à l'état des charges ne peuvent plus être contestés, lors de la distribution des deniers, par ceux qui auraient eu l'occasion de le faire dans la procédure d'épuration de l'état des charges.
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df56e667-d79c-4a86-a9bc-23a1801bfe8d
Urteilskopf 98 V 216 53. Auszug aus dem Urteil vom 4. Juli 1972 i.S. Lipp gegen AHV-Ausgleichskasse des Kantons Zürich und AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich
Regeste Art. 35 Abs. 1 IVG . Voraussetzungen des Anspruchs der nicht invaliden geschiedenen Frau auf direkte Auszahlung der Kinderzusatzrente.
Sachverhalt ab Seite 217 BGE 98 V 216 S. 217 A.- Die seit 1967 gerichtlich getrennten Ehegatten Rosa und Marcel Lipp wurden am 3. Juli 1970 durch das Bezirksgericht Zürich geschieden. Das Gericht stellte den 1956 geborenen Sohn Christoph Marcel unter die elterliche Gewalt seiner Mutter und verpflichtete den Ehemann, dieser "an die Kosten der Erziehung und des Unterhalts des Sohnes Christoph Marcel monatliche Beiträge von Fr. 150.--, zuzüglich allfällige gesetzliche oder vertragliche Kinderzulagen, zu entrichten...". B.- Der geschiedene Marcel Lipp bezog seit dem 1. Juni 1968 eine halbe einfache Invalidenrente. Seit dem 1. September 1970 erhält er wegen 70%iger Invalidität eine ganze Rente. Rosa Lipp und dem Sohn Christoph gewährte die Ausgleichskasse des Kantons Zürich halbe einfache Zusatzrenten. Am 2. April 1969 ordnete die Kasse an, dass die Zusatzrenten rückwirkend ab 1. Juni 1968 Rosa Lipp ausgerichtet würden. Aber am 21. Dezember 1970 verfügte sie, dass die Zusatzrente für den Sohn Christoph ab 1. Dezember 1970 seinem Vater Marcel Lipp ausbezahlt werde, wie dieser im November 1970 verlangt hatte. Mit Verfügung vom 13. Januar 1971 eröffnete die Ausgleichskasse Rosa Lipp, dass die ihr gewährte Zusatzrente gestützt auf Art. 34 Abs. 2 IVG wegen der am 3. Juli 1970 erfolgten Ehescheidung auf den 31. Juli 1970 aufgehoben und dass die Zusatzrente für den Sohn Christoph dessen Vater Marcel Lipp direkt überwiesen würden. C.- Rosa Lipp beschwerte sich gegen diese Verfügung. Am 5. November 1971 hob die AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich die angefochtene Verfügung auf. Sie entschied, dass die Kinderzusatzrente ab 1. Dezember 1970 weiterhin Rosa Lipp auszurichten sei und dass diese ihre eigene Zusatzrente auch noch für den Monat August 1970 erhalte. Die seit dem 1. Dezember 1970 an Marcel Lipp ausbezahlten Kinderzusatzrenten sowie die Differenz zwischen der halben und der ganzen Kinderzusatzrente für die Monate September bis November 1970 müssten Rosa Lipp noch ausgerichtet werden. BGE 98 V 216 S. 218 D.- Marcel Lipp zieht diesen Entscheid mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Eidg. Versicherungsgericht weiter. Er beantragt, es sei die Kinderzusatzrente weiterhin ihm auszurichten, da er für deren richtige Verwendung jede Gewähr biete. Der Anspruch eines invaliden Rentenbezügers auf Kinderzusatzrente habe den Sinn, ihm zu ermöglichen, seiner Unterhaltspflicht nachzukommen. Rosa Lipp und die Ausgleichskasse tragen auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an. Das Bundesamt für Sozialversicherung beantragt ebenfalls die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde bezüglich der Kinderzusatzrente. Erwägungen Aus den Erwägungen: a) Die Art. 34 und 35 IVG ordnen den Anspruch auf Zusatzrente für die Ehefrau und für Kinder. Sie enthalten aber keine Bestimmung darüber, an wen Kinderzusatzrenten im Sinn des Art. 35 IVG bei geschiedener Ehe auszuzahlen sind, wenn die elterliche Gewalt dem rentenberechtigten invaliden Mann entzogen wurde, die Kinder nicht bei ihm wohnen und seine allgemeine Unterhaltspflicht ( Art. 272 ZGB ) sich in einem Kostenbeitrag erschöpft. Anderseits stellt Art. 34 Abs. 2 IVG die geschiedene Frau bezüglich des Zusatzrentenanspruchs der Ehefrau gleich, "sofern sie für die ihr zugesprochenen Kinder überwiegend aufkommt und selbst keine Invalidenrente beanspruchen kann". Und Art. 34 Abs. 3 IVG räumt der getrennten oder geschiedenen Frau das Recht ein, die Zusatzrente an sich überweisen zu lassen. In EVGE 1964 S. 268 Erw. 4 hat das Gericht auf diese gesetzestechnisch bedingte Inkonsequenz aufmerksam gemacht und erklärt, dass es logisch gewesen wäre, für die Kinderzusatzrenten eine den Absätzen 2 und 3 des Art. 34 IVG analoge Regelung zu treffen. Im Rahmen der AHV hat dann das Gericht in dem in ZAK 1969 S. 124 publizierten Urteil darauf hingewiesen, dass das Gesetz die zweckgebundene Verwendung der Kinderzusatzrenten selbst für jene Fälle ausdrücklich vorschreibt, in denen der geschiedene Vater die elterliche Gewalt noch innehat; umso stärker müsse die Sicherung für das Kind sein, wenn der Vater die elterliche Gewalt nicht mehr auszuüben oder keine aktuelle Unterhaltspflicht mehr habe. Zwar sei die Kinderzusatzrente, welche dem Vater ausbezahlt werde, dem Kind nicht immer summenmässig zuzuwenden; sie sei dies aber dann, wenn der BGE 98 V 216 S. 219 Vater keinen Naturalunterhalt mehr leisten müsse und auch keinen mehr leiste oder wenn er bloss zu Unterhaltsbeiträgen in bar verpflichtet oder davon sogar befreit sei. Zu dem damals zu beurteilenden Fall eines geschiedenen Altersrentners, welcher für den in der elterlichen Gewalt der Mutter befindlichen Sohn Unterhaltsbeiträge bezahlen musste, führte das Gericht insbesondere aus, es wäre "sinnlos, die summenmässig zu vollziehende Zuwendung der Kinderzusatzrente derart zu gewährleisten, dass diese zunächst dem Vater ausbezahlt würde, der sie in der Folge ungeschmälert an das Kind bzw. den Inhaber der elterlichen Gewalt überweisen müsste". Es gehe nicht an, lediglich auf den (unvollkommenen) Wortlaut des Gesetzes abzustellen. Vielmehr habe der Richter auch im Bereich des Sozialversicherungsrechts vor allem auf den Sinn der gesetzlichen Ordnung zu achten (vgl. IMBODEN, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, Bd. 1, 4. Aufl., S. 120 ff.; ferner EVGE 1968 S. 142 Erw. 2b). Damit hiess das Gericht die Auszahlung der Kinderzusatzrente an die Mutter gut. b) Diese im Bereich der AHV angestellten Überlegungen gelten sinngemäss auch in der Invalidenversicherung, denn eine unterschiedliche Behandlung ein und desselben Problems, je nachdem ob es um AHV- oder IV-Renten geht, lässt sich sachlich nicht rechtfertigen. Die in EVGE 1964 S. 268 offen gelassene Frage nach der Auszahlung der Kinderzusatzrenten ist demnach dahin zu beantworten, dass diese auf Verlangen der getrennten oder geschiedenen Frau auszuzahlen sind, wenn sie die elterliche Gewalt besitzt, die Kinder nicht beim rentenberechtigten invaliden Mann wohnen und sich dessen Unterhaltspflicht in einem Kostenbeitrag erschöpft. Im vorliegenden Fall hat der Scheidungsrichter die elterliche Gewalt über Christoph Lipp dessen Mutter übertragen. Mutter und Sohn leben zusammen. Der Beschwerdeführer hat an den Unterhalt von Christoph lediglich einen monatlichen Unterhaltsbeitrag zu leisten. Mit Recht hat daher die Vorinstanz entschieden, dass die Kinderzusatzrente vom 1. Dezember 1970 hinweg weiterhin direkt Rosa Lipp auszurichten und dass ihr die Rentenbetreffnisse, welche der Beschwerdeführer seit September 1970 als Kinderzusatzrente erhalten hat, nachzuzahlen seien. Dispositiv Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
null
nan
de
1,972
CH_BGE
CH_BGE_007
CH
Federation
df5a3fb1-aa2b-4544-a65b-31da2eb36cab
Urteilskopf 117 IV 90 21. Auszug aus dem Urteil der Anklagekammer vom 30. Januar 1991 i.S. D. gegen Juge d'instruction du canton de Vaud, Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau, Verhöramt des Kantons Obwalden
Regeste Art. 350 und Art. 351 StGB ; Art. 264 BStP ; Inhalt des Gesuches; Anerkennung des Gerichtsstandes; Schwergewicht der deliktischen Handlungen. 1. Anforderungen an die Begründung des Gesuches eines Beschuldigten (Präzisierung der Rechtsprechung) (E. 2b). 2. Prüfung durch die Anklagekammer bei anerkanntem Gerichtsstand (E. 4a). 3. Einer Anerkennung des Gerichtsstandes entgegenstehende berechtigte Interessen des Beschuldigten (E. 4b). 4. Die Frage des Schwergewichts stellt sich, wenn gleichartige bzw. gleichgelagerte deliktische Handlungen zur Diskussion stehen oder verschiedene Tatbestände, deren Strafdrohungen sich nicht wesentlich unterscheiden (E. 4c).
Sachverhalt ab Seite 91 BGE 117 IV 90 S. 91 A.- P. D. wurde wegen verschiedener Delikte, die er in Engelberg verübt hatte, gestützt auf einen Haftbefehl des Verhörrichteramtes Obwalden am 15. Oktober 1990 in Zürich angehalten und wegen Fortsetzungsgefahr in Stans in Untersuchungshaft genommen. Es wird ihm zur Last gelegt, von April 1989 bis Juni 1990 in den Kantonen Aargau, Zürich, Bern, Neuenburg, Obwalden, Waadt, Schaffhausen und St. Gallen, zum Teil zusammen mit (in wechselnder Besetzung) M. B., D. J., Ch. G. und/oder T. Sch., zahlreiche Delikte begangen zu haben. Den erwähnten Tatbeteiligten werden insgesamt 119 Delikte zugeschrieben. Die Untersuchung wurde bis zur Verhaftung von P. D. in den Kantonen Waadt, Zürich, Aargau und Obwalden geführt. Die bereits seit einiger Zeit zwischen den beteiligten Kantonen geführten Gerichtsstandsverhandlungen führten zu keinem Ergebnis, bis der Untersuchungsrichter des Kantons Waadt am 28. November 1990 die Zuständigkeit der Behörden dieses Kantons anerkannte. Gestützt auf diese Anerkennung verfügte die Strafkommission des Kantons Obwalden am 6. Dezember 1990, P. D. sei den Strafbehörden des Kantons Waadt zu übergeben. Diese Verfügung focht P. D. mit Beschwerde vom 17. Dezember an. Noch bevor die Rechtsmittelfrist abgelaufen war, wurde P. D. auf Ersuchen der Behörden dieses Kantons in den Kanton Waadt überführt. Dies veranlasste den Präsidenten der Anklagekammer des Bundesgerichts, mit Schreiben vom 19. Dezember 1990 die Behörden des Kantons Waadt ausdrücklich darauf hinzuweisen, dem Verhafteten die erforderliche medizinische (psychiatrische) Betreuung zukommen zu lassen, welche bereits im Entscheid der Strafkommission erwähnt werde. B.- Mit Gesuch vom 17. Dezember 1990 beantragt P. D., es seien die Behörden des Kantons Zürich, eventuell jene des Kantons Aargau berechtigt und verpflichtet zu erklären, die ihm zur BGE 117 IV 90 S. 92 Last gelegten strafbaren Handlungen zu verfolgen und zu beurteilen. Der Untersuchungsrichter des Kantons Waadt macht in seiner Vernehmlassung geltend, die durch ihn erfolgte Anerkennung des Gerichtsstandes beruhe auf seiner irrtümlichen Annahme, die zwei Hauptbeteiligten hätten ihre deliktische Tätigkeit im Kanton Waadt begonnen; dies sei indessen - wie er nun habe feststellen müssen - nicht der Fall, da den beiden in diesem Kanton lediglich ein am 4. April 1989 aus einem Geldautomaten begangener Diebstahl zur Last gelegt werde. Im übrigen unterzieht er sich dem Entscheid der Anklagekammer. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau beantragt unter anderem, auf das Gesuch nicht einzutreten oder dieses abzuweisen; eventuell seien die Behörden des Kantons Zürich, Obwalden oder Aargau (in dieser Reihenfolge) zuständig zu erklären. Die Staatsanwaltschaft Zürich beantragt, den Kanton Aargau zuständig zu erklären, falls der Untersuchungsrichter des Kantons Waadt nicht bei seiner Übernahmeerklärung behaftet werden sollte. Das Verhöramt Obwalden nahm insbesondere Stellung zu dem in den Vernehmlassungen erwähnten Tötungsdelikt. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. a) Dem Gesuchsteller werden gemäss dem durch die Waadtländer Behörden erstellten Delikteverzeichnis zahlreiche, an verschiedenen Orten verübte strafbare Handlungen zur Last gelegt: - Kanton Aargau: 17 Delikte (Diebstahl, wovon 16 bandenmässig, Sachbeschädigung, Hausfriedensbruch, SVG-Delikte); - Kanton Bern: 4 Diebstähle; - Kanton Neuenburg: 7 bandenmässige Diebstähle (teilweise mit Sachbeschädigung und Hausfriedensbruch); - Kanton Obwalden: 16 Delikte (10 Diebstähle, meist mit Sachbeschädigung und Hausfriedensbruch, 6 SVG-Delikte, zum Teil mit Sachbeschädigung); - Kanton Waadt: 1 Diebstahl (bandenmässig) und Sachbeschädigung; - Kanton Schaffhausen: 2 Delikte (Diebstahl und Erschleichen einer Leistung); - Kanton St. Gallen: 1 Diebstahl; BGE 117 IV 90 S. 93 - Kanton Zürich: 61 Delikte (49 Diebstähle, meist mit Sachbeschädigung und Hausfriedensbruch, Hehlerei, 8 SVG-Delikte, 4 Betäubungsmitteldelikte); - Kantone Aargau/Zürich: 2 Betäubungsmitteldelikte; - Kantone Zürich/Schaffhausen: 3 Delikte (Erschleichen einer Leistung). b) Um das Verfahren im Interesse des Gesuchstellers nicht noch weiter zu verlängern, ist der Gerichtsstand ohne Verzug in einem der dafür überhaupt in Frage kommenden Kantone zu bestimmen, was beim Kanton Waadt nicht der Fall ist (E. 4b); es ist deshalb vom vorliegenden Delikteverzeichnis auszugehen, welches nicht grundsätzlich angefochten wird. Dass die Deliktsbeträge und Sachschäden darin nicht enthalten sind, ist für den vorliegenden Entscheid ohne Bedeutung, lässt sich doch die Frage des Gerichtsstandes unabhängig davon entscheiden. c) Mit Erklärung vom 28. November 1990 anerkannte der Untersuchungsrichter des Kantons Waadt gegenüber den Kantonen Zürich und Aargau (mit Mitteilung an die Untersuchungsrichter von Schaffhausen und Obwalden) die Zuständigkeit der Behörden dieses Kantons. 2. a) Die Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau beantragt, auf das Gesuch nicht einzutreten, weil dieses den Begründungsanforderungen nicht zu genügen vermöge. b) Die Anforderungen an die Begründung des Gesuches um Bestimmung des Gerichtsstandes sind insbesondere in Fällen mit umfangreichen Akten hoch anzusetzen ( BGE 116 IV 175 ). Diese Anforderungen gelten in erster Linie für die Behörden der am Verfahren beteiligten Kantone. Stellt indessen - wie hier - ein Beschuldigter das Gesuch, so können nicht dieselben Anforderungen gestellt werden, da der Beschuldigte sich in der Regel nicht auf Gerichtsstandsverhandlungen zwischen den Kantonen stützen kann und schon deshalb über weniger Angaben verfügt. Was der Gesuchsteller im Gesuch vorbringt, genügt im vorliegenden Fall zusammen mit den eingereichten Vernehmlassungen und Akten, um den Gerichtsstand zu bestimmen. Auf das Gesuch ist daher einzutreten. 3. Wird jemand wegen mehrerer, an verschiedenen Orten verübter strafbarer Handlungen verfolgt, so sind gemäss Art. 350 Ziff. 1 Abs. 1 StGB die Behörden des Ortes, wo die mit der schwersten Strafe bedrohte Tat verübt wurde, auch für die Verfolgung und Beurteilung der übrigen Taten zuständig. BGE 117 IV 90 S. 94 a) Wie sich aus der Vernehmlassung des Verhöramtes Obwalden vom 21. Januar 1991 ergibt, wurde der Gesuchsteller im Zusammenhang mit dem am 13./14. August 1990 in X. erfolgten Tötungsdelikt lediglich befragt, weil er zu jener Zeit als Kochgehilfe im Hotel A. beschäftigt war; er sei wie alle Gäste und das Personal der beiden Hotels B. und A. befragt worden; er sei indessen nie dieser Tat verdächtigt worden und einzig wegen der übrigen Delikte später zur Verhaftung ausgeschrieben worden; die Ermittlungen betreffend das Tötungsdelikt richteten sich gegen eine andere Person aus dem Hotel B., welche bereits zur Verhaftung ausgeschrieben sei. Es besteht kein Anlass, auch ohne eingehende Einsicht in die Akten, an diesen Angaben zu zweifeln; das fragliche Delikt ist deshalb für die Bestimmung des Gerichtsstandes im vorliegenden Fall ohne Bedeutung. b) Der Gesuchsteller beging, meist zusammen mit M. B., allein in der Zeit vom 2. bis 6. April 1989 im Kanton Aargau 14 Diebstähle, wobei in fünf Fällen noch Ch. G. beteiligt war. Diese strafbaren Handlungen sind als bandenmässige Diebstähle und damit als schwerste, dem Gesuchsteller zur Last gelegte Straftaten zu qualifizieren. Damit kann offenbleiben, ob auch gewerbsmässige Begehung vorliegt, da Art. 137 Ziff. 1bis StGB eine geringere Mindeststrafe androht. Der gesetzliche Gerichtsstand ist somit der Kanton Aargau. c) Auch wenn die dem Gesuchsteller zur Last gelegten Straftaten als Kollektivdelikt betrachtet werden, indem die bandenmässigen und nicht bandenmässigen Delikte eine deliktische Einheit bilden und somit als mit der gleichen Strafe bedroht zu gelten haben (vgl. SCHWERI, Gerichtsstandsbestimmung, N 83 f. und N 269; vgl. auch BGE 86 IV 63 E. 2 betreffend gewerbsmässigen Betrug), wäre der Gerichtsstand gemäss Art. 350 Ziff. 1 Abs. 2 StGB der Kanton Aargau, da dort die Untersuchung bezüglich dieser Delikte zuerst angehoben wurde. 4. Der Gesuchsteller räumt selber ein, diese verschiedenen bandenmässigen Diebstähle verübt zu haben, weshalb gemäss Art. 350 Ziff. 1 StGB die Zuständigkeit des Kantons Aargau gegeben sei. Er ist indessen der Auffassung, das Schwergewicht der Delikte liege im Kanton Zürich, wo er mindestens 63 Straftaten verübt habe; es lägen daher wichtige Gründe vor, um ausnahmsweise vom gesetzlichen Gerichtsstand abzuweichen. a) Ein in Abweichung vom gesetzlichen Gerichtsstand durch Vereinbarung (bzw. Anerkennung) der Kantone bestimmter BGE 117 IV 90 S. 95 Gerichtsstand kann durch den Beschuldigten nur dann mit Erfolg angefochten werden, wenn eine Ermessensüberschreitung und damit eine Rechtsverletzung vorliegt (SCHWERI, a.a.O., N 410). Dies ist dann der Fall, wenn die Abweichung nicht auf triftigen Gründen (Prozessökonomie; Versehen der beteiligten Behörden; Wahrung neu ins Gewicht fallender Interessen; veränderte Verhältnisse) beruht (vgl. BGE 107 IV 159 E. 1 mit Hinweis; BGE 98 IV 208 E. 2 mit Hinweisen). b) Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt, besteht doch offensichtlich kein Anknüpfungspunkt, welcher die Zuständigkeit der Behörden des Kantons Waadt zu rechtfertigen vermag: Im Kanton Waadt liegt weder der gesetzliche Gerichtsstand, noch ist in bezug auf diesen Kanton ein triftiger Grund ersichtlich, der ein Abweichen vom gesetzlichen Gerichtsstand rechtfertigen könnte. Die Anerkennung des Gerichtsstandes durch den Instruktionsrichter des Kantons Waadt beruht vielmehr offenkundig auf einem Versehen, dessen Ursachen hier nicht zu untersuchen sind. Die Behörden des Kantons Waadt auf dieser versehentlich erfolgten Anerkennung zu behaften, widerliefe den berechtigten Interessen des Beschuldigten, welcher in Zürich seinen Lebensmittelpunkt hat und - wobei diesem Gesichtspunkt keine bestimmende Bedeutung zukommt - zwar nicht mehr Jugendlicher im Sinne von Art. 372 StGB , aber doch noch jugendlichen Alters ist. Aufgrund seiner Deutschsprachigkeit könnte sich der Gesuchsteller nicht in seiner Muttersprache verständigen. Für die Behörden aber müssten unter Umständen die Ergebnisse der in ihrer überwiegenden Mehrzahl in der deutschsprachigen Schweiz zu führenden Ermittlungen übersetzt werden, was prozessökonomisch kaum vertretbar ist. An diesem Gerichtsstand kann deshalb nicht festgehalten werden. c) Es ist somit weiter zu prüfen, ob das Schwergewicht der deliktischen Tätigkeit ein Abweichen vom gesetzlichen Gerichtsstand im Sinne der Anträge des Gesuchstellers zu rechtfertigen vermag. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich hält diesem Argument entgegen, das Schwergewicht der deliktischen Tätigkeit komme nur dann zum Tragen, wenn Tatbestände mit gleich hoher Strafdrohung gegeben seien, was hier nicht der Fall sei, da im Kanton Zürich kein bandenmässiges Handeln vorliege. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Die Frage nach dem Schwergewicht kann sich immer dann stellen, wenn gleichartige BGE 117 IV 90 S. 96 (vgl. BGE 86 IV 64 ) bzw. gleich gelagerte (SCHWERI, a.a.O., N 422) deliktische Handlungen zur Diskussion stehen. Diebstahl und bandenmässiger Diebstahl sind in diesem Sinn ohne weiteres als gleichartig oder gleich gelagert zu betrachten, denn die Rechtsprechung nimmt solche Gleichartigkeit an bei Handlungen, die teils einer leichteren, teils einer schwereren Form desselben Verbrechens oder Vergehens angehören ( BGE 91 IV 66 ; vgl. auch TRECHSEL, Kurzkommentar StGB, Art. 68 N 5 , Art. 148 N 35 ). Auf das Schwergewicht kann sogar dann abgestellt werden, wenn verschiedene Tatbestände in Frage stehen, deren Strafdrohung sich indessen nicht wesentlich unterscheidet ( BGE 72 IV 41 E. 2); dies ist hier der Fall, unterscheiden sich doch der bandenmässige und der gewerbsmässige Diebstahl (der im Kanton Zürich zumindest nicht auszuschliessen ist) lediglich in der Mindeststrafdrohung um drei Monate. d) Nach dem Delikteverzeichnis verübte der Gesuchsteller den im Vergleich zu den anderen Kantonen weitaus grössten Teil der ihm bzw. auch ihm zur Last gelegten strafbaren Handlungen im Kanton Zürich, während auf die übrigen Kantone jeweils höchstens 19 (Aargau), 4 (Bern), 7 (Neuenburg), 16 (Obwalden), 1 (Waadt), 2 (Schaffhausen) und 1 (St. Gallen) Delikt(e) entfallen. Unter diesen Umständen ist offensichtlich ein überwiegendes Schwergewicht der deliktischen Tätigkeit im Kanton Zürich gegeben, was ein Abweichen vom gesetzlichen Gerichtsstand rechtfertigt.
null
nan
de
1,991
CH_BGE
CH_BGE_006
CH
Federation
df5cfd0a-927a-4e72-b583-48c2727a4ca7
Urteilskopf 111 II 16 4. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 6. Juni 1985 i.S. A. und Erben der B. gegen G. M. (Berufung)
Regeste Legitimation im Herabsetzungsprozess ( Art. 522 ff. ZGB ). Der Willensvollstrecker ist für Herabsetzungsstreitigkeiten nicht passivlegitimiert und bedarf daher einer Vollmacht (E. 2). Formerfordernisse bei einer professio iuris im internationalen Verhältnis (Art. 22 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 32 NAG ). Frage offengelassen (E. 3). Rechtswirkungen eines brasilianischen "desquite" (Ehetrennung) mit Rücksicht auf schweizerisches Erbrecht ( Art. 462 ZGB ). Der brasilianische "desquite" ist im Hinblick auf die Anwendung schweizerischen Erbrechts einer Scheidung gleichzustellen. Eine in "desquite" lebende Ehefrau ist daher nicht als überlebende Ehegattin im Sinne von Art. 462 ZGB zu betrachten und bleibt demnach auch dann ohne Erbrecht, wenn schweizerisches Erbrecht anwendbar wäre (E. 4).
Sachverhalt ab Seite 17 BGE 111 II 16 S. 17 A.- Am 7. Juni 1939 heirateten der Erblasser E. R. und G. M. vor dem Standesamt Berlin-Wilmersdorf. Sie wanderten in der Folge nach Brasilien aus und erwarben die brasilianische Staatsbürgerschaft. Am 3. Februar 1959 wurden die Parteien vom zuständigen Amtsgericht im gegenseitigen Einverständnis durch "desquite" getrennt. 1961 nahm E. R. in Boniswil Wohnsitz, wo er am 11. Juli 1978 starb. Er hatte am 2. Oktober 1959 in New York ein Testament errichtet und darin seine Tochter aus erster Ehe, A. geborene R., sowie seine Lebensgefährtin B. je zur Hälfte als Erben über sein ganzes Vermögen eingesetzt. Am 10. August 1966 errichtete er in Boniswil ein weiteres Testament, worin er ausführte, die Liegenschaft und das Wohnhaus in Boniswil seien von ihm und seiner Lebensgefährtin B. als Gesamteigentümer erworben, jedoch ausschliesslich von ihm bezahlt worden. Das Inventar sei von beiden Gesamteigentümern eingebracht worden. Hinsichtlich seiner Vermögensanteile an Liegenschaft, Wohnhaus und Inventar setzte er seine Lebensgefährtin B. als Alleinerbin ein. Im übrigen bestätigte er ausdrücklich das am 2. Oktober 1959 in New York errichtete Testament. B.- Mit Klage vom 14. Juli 1980 machte G. M. als Ehefrau des Erblassers den Pflichtteil von 1/4 am Nachlass geltend. Hierzu stellte sie beim Bezirksgericht Lenzburg die folgenden Anträge: "1. Es sei richterlich festzustellen, dass die Klägerin am Nachlass des am 11.7.1978 verstorbenen Herrn E. R., brasilianischer Staatsangehöriger, geb. 25.10.1902, wohnhaft gewesen in Boniswil, erbberechtigt ist. 2. Es sei richterlich festzustellen, dass der Nettonachlass des Erblassers E. R. Fr. 600'000.-- beträgt, Ergebnis des Beweisverfahrens und Nachklagerecht ausdrücklich vorbehalten. 3. Es sei richterlich festzustellen, dass der Erbanspruch der Klägerin 1/4 des Nettonachlasses, also Fr. 150'000.--, beträgt, Ergebnis des Beweisverfahrens und Nachklagerecht ausdrücklich vorbehalten. Die beiden letztwilligen Verfügungen des Erblassers vom 2. Oktober 1959 und 10. August 1966 seien ungültig zu erklären resp. in dem Umfang herabzusetzen, als der Pflichtteilsanspruch der Klägerin verletzt wird. 4. Die Beklagten seien zu verurteilen, der Klägerin deren Erbanspruch gemäss Ziffer 3 herauszugeben und ihr somit den Betrag von BGE 111 II 16 S. 18 Fr. 150'000.--, Ergebnis des Beweisverfahrens und Nachklagerecht ausdrücklich vorbehalten, zu bezahlen, unter solidarischer Haftbarkeit." Mit Urteil vom 25. November 1982 hat das Bezirksgericht Lenzburg die Klage gutgeheissen, dabei den Nachlass mit Fr. 779'326.44 berechnet und den Erbteil der Klägerin auf Fr. 194'834.60 festgelegt. C.- Gegen dieses Urteil erhoben die Beklagten Appellation und die Klägerin Anschlussappellation an das Obergericht des Kantons Aargau. Mit Urteil vom 19. Januar 1984 hiess die II. Zivilabteilung des Obergerichts die Appellation der Beklagten teilweise gut, legte den Nachlass auf Fr. 592'677.44 fest und ermässigte den Erbanspruch der Klägerin auf Fr. 148'169.35. Die Anschlussappellation der Klägerin wurde abgewiesen. D.- Die Parteien wenden sich gegen dieses Urteil des Obergerichts mit Berufung und Anschlussberufung an das Bundesgericht. Die Beklagten beharren auf der Abweisung der Klage und der Feststellung, dass die Klägerin am Nachlass des am 11. Juli 1978 verstorbenen E. R. nicht erbberechtigt sei. Die Klägerin verlangt dagegen die Abweisung der Berufung und einen Nachlassanteil von Fr. 194'831.86 zuzüglich Zins zu 5% seit dem 25. November 1982. Eventuell soll ein Viertel der Kapitalerträge des gesamten Nachlasses an die Stelle des Zinses treten. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Am 2. Juni 1984 ist die eine Beklagte, nämlich die Lebensgefährtin B., während des Verfahrens vor dem Bundesgericht verstorben. In einem öffentlichen Testament vom 7. Februar 1984 hatte sie ihre Vermögensrechte an der Liegenschaft in Boniswil der ebenfalls Beklagten A. vermacht. Den übrigen Nachlass teilte sie unter drei Enkel auf. Zum Willensvollstrecker ernannte sie Fürsprecher M., welcher die Verstorbene im vorliegenden Prozess vertreten hatte. Dieser erklärte in seiner Rechtsschrift vom 25. Juni 1984, dass er als Willensvollstrecker für den Nachlass der Verstorbenen in den Rechtsstreit eintrete. Beim vorliegenden Rechtsstreit handelt es sich jedoch um eine Herabsetzungsklage, welche grundsätzlich nur unter den beteiligten Erben ausgetragen wird. Es geht weder um den Nachlass als solchen noch um Recht und Pflicht des Willensvollstreckers, die Interessen des Nachlasses bzw. die Rechte und Pflichten des Erblassers zu wahren. Der Willensvollstrecker kann sich daher im BGE 111 II 16 S. 19 vorliegenden Fall nicht auf die Rechtsprechung in BGE 94 II 142 ff. E. 1 berufen und ist nicht passivlegitimiert ( BGE 85 II 601 f.; PIOTET, Schweizerisches Privatrecht IV/1, 165). Er bedarf demzufolge in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt seitens der in den Rechtsstreit eintretenden Erben der verstorbenen Prozesspartei einer Vollmacht (vgl. Art. 18 und 6 Abs. 2 und 3 BZP ). Diese ist nachträglich beigebracht worden. 3. a) In materiellrechtlicher Hinsicht ist zunächst strittig, ob der Erblasser eine Rechtswahl (professio iuris) zugunsten seines brasilianischen Heimatrechts vorgenommen hat oder nicht. Von der Beantwortung dieser Frage hängt ab, ob sich die Erbfolge gestützt auf Art. 22 Abs. 1 NAG oder gemäss Art. 22 Abs. 2 NAG - je in Verbindung mit Art. 32 NAG - nach schweizerischem oder nach brasilianischem Recht richtet. Nach brasilianischem Recht wäre eine Erbberechtigung der Klägerin zum vornherein ausgeschlossen, während sie nach schweizerischem Recht mit Rücksicht auf Art. 462 ZBG unter der Voraussetzung zu bejahen wäre, dass die Klägerin als Ehefrau des Erblassers zu betrachten ist. b) Die Vorinstanz verneinte die Annahme einer professio iuris im Zusammenhang mit dem folgenden Wortlaut im Testament vom 2. Oktober 1959: "I hereby expressly state that my former wife, G. M., shall not be entitled to any part of portion of my estate; my marriage to her has been terminated by a separation decree pursuant to the laws of Brazil, pursuant to which said G. M. is not entitled to any share of my estate." Eine professio iuris müsse ausdrücklich oder zumindest unmissverständlich sein und eindeutig erfolgen. Dies treffe hier nicht zu. c) In der Doktrin ist umstritten, welche Anforderungen an eine Rechtswahl zu stellen sind (vgl. HOTZ, Die Rechtswahl im Erbrecht, Diss. Zürich 1969, 51 ff.; STAUFFER, Praxis zum NAG, Bereinigter Nachdruck 1975, Anm. 10 zu Art. 22 NAG ; GUTZWILLER, in: SJZ 70/1974, 357 ff.). Das Bundesgericht hatte in BGE 109 II 403 ff. erneut Gelegenheit, zu dieser Frage Stellung zu nehmen. Dabei hat es seine bisherige Rechtsprechung ( BGE 40 II 18 ) im interkantonalen Verhältnis insofern geändert, als das Erfordernis einer ausdrücklichen Erklärung fallengelassen wurde. Auch eine nur andeutungsweise, indirekte oder gar stillschweigende Berufung des heimatlichen Rechts reicht jetzt für eine Rechtswahl gemäss Art. 22 Abs. 2 NAG aus. Das Bundesgericht hat jedoch auch in seiner neuen Rechtsprechung keinen Zweifel daran gelassen, BGE 111 II 16 S. 20 dass eine Rechtswahl selbst im interkantonalen Verhältnis, wo es nur um den Umfang des Pflichtteilsschutzes gemäss Art. 472 ZGB geht, nicht leichthin zu bejahen ist. Der Wortlaut der letztwilligen Verfügung muss den entsprechenden Willen des Erblassers eindeutig erkennen lassen. Dies gilt um so mehr im internationalen Verhältnis, wo die gesetzliche Ordnung der Erbfolge überhaupt auf dem Spiel steht. Das allem Anschein nach in New York verfasste Testament vom 2. Oktober 1959, welches der Erblasser in seinem zweiten, in der Schweiz verfassten Testament vom 10. August 1966 ausdrücklich bestätigt hat, lässt einen Rechtswahlwillen nicht klar erkennen. Insbesondere lässt sich ihm nicht unzweifelhaft entnehmen, ob sich der Erblasser überhaupt bewusst war, dass verschiedene Rechtsordnungen zur Wahl standen. Wie die Vorinstanz zu Recht vermerkt, ist nicht auszuschliessen, dass der Erblasser irrtümlicherweise davon ausging, dass die Klägerin schon allein aufgrund der in Brasilien ergangenen "desquite"-Entscheidung jeder Erbberechtigung verlustig gehe. Ohne das Bewusstsein der Notwendigkeit einer Rechtswahl zugunsten des brasilianischen Rechts müsste es aber bereits am Willen fehlen, eine Rechtswahl zu treffen. Es bliebe daher die Frage, ob unter solchen Umständen ein bloss hypothetischer Wille des Erblassers für die Wahl seines brasilianischen Heimatrechts als ausreichend anerkannt werden könnte, wenn er sich der Rechtswahlmöglichkeit gemäss Art. 22 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 32 NAG bewusst gewesen wäre. Diese Gesetzesbestimmungen konnten zudem auf den Erblasser bis zu seiner Wohnsitznahme in der Schweiz zum vornherein keine Anwendung finden, so dass für die in Frage stehende Rechtswahl auf jeden Fall auf das zweite, in der Schweiz verfasste Testament zurückgegriffen werden müsste. In diesem Testament vom 10. August 1966 hat der Erblasser das frühere Testament bestätigt, gleichzeitig aber auch ausdrücklich festgehalten, für seinen Anteil an der Liegenschaft in Boniswil und am dazugehörenden Mobiliar solle schweizerisches Erbrecht zur Anwendung kommen. Es bliebe daher die weitere Frage zu entscheiden, ob eine Rechtswahl im Sinne von Art. 22 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 32 NAG auch eine Nachlassspaltung zum Gegenstand haben könnte, wie sie aufgrund der Kollision mehrerer Rechtsordnungen zwar hinzunehmen ist ( Art. 28 Ziff. 1 NAG ; VISCHER/VON PLANTA, Internationales Privatrecht, 2. A. 1982, 139 f.; offengelassen in bezug auf Art. 5 Abs. 1 des Gerichtsstandsvertrages mit Frankreich vom 15. Juni 1869 in BGE 99 II 25 f.), BGE 111 II 16 S. 21 aber nicht ohne weiteres als wünschbar bezeichnet werden kann. Diese Fragen können indessen offenbleiben, wenn sich ergeben sollte, dass der Klägerin auch bei Anwendung schweizerischen Erbrechts kein Erbrecht zusteht. 4. a) Soweit als Erbstatut gemäss Art. 22 Abs. 1 NAG in Verbindung mit Art. 32 NAG schweizerisches Erbrecht Anwendung findet, bleibt vorfrageweise zu prüfen, ob die Klägerin gemäss Art. 462 ZGB als überlebender Ehegatte anzusehen ist oder nicht. Dabei ist von Bedeutung, dass die Ehe der Klägerin am 3. Februar 1959 in Brasilien durch "desquite" gerichtlich getrennt wurde. Die familienrechtlichen Auswirkungen dieses "desquite" beurteilen sich nach brasilianischem Recht, sofern der in Brasilien ergangene "desquite"-Entscheid nach schweizerischem Recht anzuerkennen ist. Das kann indessen nicht zweifelhaft sein, da dieser Entscheid von einer international zuständigen Behörde stammt, in Rechtskraft erwachsen und offensichtlich in einem fairen Verfahren zustande gekommen ist und auch nicht gegen Grundsätze des schweizerischen Ordre public verstösst (vgl. Art. 7g Abs. 3 NAG ; BGE 99 Ib 241 ). b) Die Vorinstanz hat die Rechtsfolgen des brasilianischen "desquite" wie folgt umschrieben: Der "desquite" hebt das Zusammenleben und den Güterstand der Eheleute auf. Die Ehefrau kann wieder ihren Mädchennamen annehmen, bzw. ist bei "Verurteilung im Prozess" dazu verpflichtet. In erbrechtlicher Hinsicht wird das Erbrecht zwischen den Ehegatten aufgehoben. Dennoch wird das eheliche Band nicht vollständig aufgelöst. Die Ehegatten können jederzeit das eheliche Zusammenleben wieder aufnehmen, und es besteht für sie ein Wiederverheiratungsverbot. Diese dem Grundsatz nach tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz sind unbestritten geblieben. Es kann daher offenbleiben, ob diese Rechtsfolgen vom Bundesgericht im Lichte seiner neueren Rechtsprechung zu Art. 7h NAG ( BGE 108 II 174 ) überprüft werden könnten. c) Ob diese Rechtsfolgen es rechtfertigen, eine durch "desquite" von ihrem Ehemann getrennt lebende Ehefrau als überlebenden Ehegatten im Sinne von Art. 462 ZGB zu betrachten, ist eine Frage des Bundesrechts und damit gemäss Art. 43 OG durch das Bundesgericht frei überprüfbar ( BGE 99 Ib 242 , BGE 99 II 4 E. 3). Die Vorinstanz bejahte diese Frage, weil die Klägerin trotz des "desquite" im Zeitpunkt des Todes mit dem Erblasser immer noch BGE 111 II 16 S. 22 verheiratet gewesen sei. Die Tatsache, dass nach brasilianischem Recht kein Erbrecht mehr bestand, betrachtete die Vorinstanz nicht als eine Frage des Familienrechts, sondern des Erbrechts. Diese erbrechtliche Wirkung des brasilianischen "desquite" müsse aber zum vornherein ausser Betracht fallen, soweit gemäss Art. 22 Abs. 1 NAG in Verbindung mit Art. 32 NAG schweizerisches Erbrecht Anwendung finde. Diese Überlegung der Vorinstanz vermag jedoch nicht zu überzeugen. Wenn es das Rechtsinstitut des brasilianischen "desquite" zu beurteilen gilt, um letztlich darüber zu entscheiden, ob die "desquitada" im Hinblick auf Art. 462 Abs. 1 ZGB noch als Ehefrau anzusehen ist, sind die Rechtswirkungen dieses Rechtsinstitutes insgesamt zu würdigen. Es entspricht einem allgemein anerkannten Grundsatz, dass ein ausländischer Entscheid durch die Anerkennung möglichst nicht verfälscht werden soll ( BGE 99 Ib 241 f.; KELLER/SIEHR, Einführung in die Eigenart des Internationalen Privatrechts, 3. A. 1984, 35 f.; VISCHER/VON PLANTA, Internationales Privatrecht, 2. A. 1982, 16 f., 143; VPB 43/1979, S. 52). Durch eine gesamtheitliche Würdigung des ausländischen Rechtsinstituts wird auch keineswegs das schweizerische Erbrecht durch das ausländische ersetzt. Denn es geht lediglich darum, den "desquite" gestützt auf all seine Rechtsfolgen daraufhin zu prüfen, ob noch von einem hinreichenden Eheband gesprochen werden kann, das gemäss Art. 462 Abs. 1 ZGB zu einem Erbanspruch führt. Die Berücksichtigung des brasilianischen Erbrechts im Zusammenhang mit dem "desquite"-Entscheid ist daher nicht ein ersatzweiser Rückgriff auf das brasilianische Erbrecht als solches, sondern nur ein Umstand neben anderen, um die Rechtsbeziehungen beurteilen zu können, die nach einem richterlichen "desquite"-Entscheid noch bestehen. d) Der brasilianische "desquite" kann nun insofern nicht einer schweizerischen Scheidung gleichgestellt werden, als der Weiterbestand des Ehebandes eine Wiederverheiratung ausschliesst. Ein Begehren um Eintragung der Auflösung der Ehe im Zivilstandsregister müsste daher abgewiesen werden ( BGE 99 Ib 240 ). Andererseits gehen der Zwang zur Annahme des Mädchennamens und die vermögensrechtlichen Folgen - inklusive der Verlust des Erbrechts - über die Wirkungen einer richterlichen Trennung gemäss Art. 146 ff. ZGB hinaus. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass das brasilianische Recht keinen Pflichtteilsschutz kennt wie das schweizerische Recht. Entscheidend fällt hier nicht die unterschiedliche BGE 111 II 16 S. 23 Qualität des Erbanspruchs unter Ehegatten ins Gewicht, sondern umgekehrt die Tatsache, dass nach brasilianischem Recht die rechtlichen Beziehungen zwischen den "desquitados" derart gelockert werden, dass ein Erbanspruch überhaupt verlorengeht. Wenn aber dem "desquite" praktisch nur mehr die Bedeutung eines zwingenden Wiederverheiratungsverbotes zukommt und keine Rechtswirkungen erhalten bleiben, welche über eine nacheheliche Solidarität im Sinne der Nebenfolgen einer schweizerischen Scheidung hinausgehen, so ist der "desquite" wenigstens im Zusammenhang mit Art. 462 ZGB eben doch einer Scheidung gleichzusetzen. Dies hat zur Folge, dass der brasilianische "desquite" im Hinblick auf die Möglichkeit einer Wiederverheiratung einer schweizerischen Trennung gleichgestellt wird, im Erbfalle hingegen einer schweizerischen Scheidung. Dieser Widerspruch ist unvermeidbar, weil ein Rechtsinstitut einer fremden Rechtsordnung möglichst unverfälscht im schweizerischen Recht Beachtung finden soll. Dabei mag es für die schweizerische Rechtsordnung überraschen, dass ein Ehegatte ohne Erbrecht bleibt. Ausländische Rechtsordnungen zeigen jedoch, dass diese Rechtsfolge international gesehen keineswegs aussergewöhnlich ist (vgl. § 1933 BGB; Art. 765 Ccfr; Art. 585 Ccit u.a.). Im übrigen ist es auch für das schweizerische Recht nichts Aussergewöhnliches, dass eine ausländische Trennung in bezug auf bestimmte Rechtswirkungen in der Schweiz wie eine Scheidung behandelt werden muss (vgl. z.B. BGE 95 II 72 f.). e) Es ergibt sich somit, dass der Klägerin auch dann kein Erbrecht zustände, wenn gestützt auf Art. 22 Abs. 1 NAG in Verbindung mit Art. 32 NAG auf den ganzen Nachlass schweizerisches Erbrecht anwendbar wäre. Dies muss aber zur Gutheissung der Berufung und zur Abweisung der Klage führen. Damit entfällt die Grundlage für die Anschlussberufung, welche abzuweisen ist.
public_law
nan
de
1,985
CH_BGE
CH_BGE_004
CH
Federation
df5dc45b-5523-43e6-b1ea-e0dd4b8286f5
Urteilskopf 136 III 288 43. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit civil dans la cause A. contre Banque B. (recours en matière civile) 5A_122/2009 du 2 février 2010
Regeste Bestreitung des Lastenverzeichnisses ( Art. 140 Abs. 2 SchKG ; Art. 39 VZG ); Berücksichtigung eines Schuldbriefes ( Art. 842 ZGB ), welcher dem Gläubiger sicherungsübereignet worden ist ( Art. 35 Abs. 2 VZG ). Erhält der Gläubiger einen Schuldbrief zur Sicherung übereignet, ist zwischen der durch das Grundpfand gesicherten abstrakten Forderung (Titelforderung) und der sich aus dem Grundverhältnis ergebenden kausalen Forderung (Grundforderung) zu unterscheiden. In der Grundpfandbetreibung, welche die Titelforderung zum Gegenstand hat, muss das Betreibungsamt im Lastenverzeichnis des betreffenden Grundstücks den effektiv geschuldeten Betrag des Kapitals und der Zinsen der Grundforderung aufnehmen, wenn diese Forderung weniger beträgt als die sich, vermehrt um die aus dem Grundpfand gedeckten Zinsen im Sinn von Art. 818 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB , aus dem Schuldbrief ergebende; im umgekehrten Fall hat es den Betrag der Titelforderung mit ihren Zinsen aufzunehmen (E. 3.1-3.3). Die im Lastenverzeichnis berücksichtigten Zinsen der Titelforderung können höher sein als die im Stadium der Rechtsöffnung gewährten (E. 3.4).
Sachverhalt ab Seite 289 BGE 136 III 288 S. 289 Le 16 janvier 1996, la Banque B. (ci-après: la banque) a accordé à A. une avance de 940'000 fr., reportant de 460'000 fr. à 1'400'000 fr. la limite d'un crédit octroyé précédemment, cela sous la forme d'un prêt hypothécaire à taux fixe. En relation avec ce crédit, A. a cédé à la banque "en propriété et à fin de garantie", deux cédules hypothécaires, l'une d'un montant de 1'040'000 fr., intérêt maximum 8 %, et l'autre d'un montant de 370'000 fr., intérêt maximum 10 %, grevant BGE 136 III 288 S. 290 une parcelle respectivement en premier et deuxième rangs. Les deux cessions prévoyaient, dans leurs conditions spéciales, que "la créance incorporée dans le titre cédé porte intérêt au taux maximum mentionné dans le titre hypothécaire" (...) et que "(la banque) ne peut toutefois faire valoir la créance incorporée dans le titre hypothécaire que jusqu'à concurrence du montant total déterminé et déterminable de ses prétentions garanties par la cession" (...). Après avoir dénoncé au remboursement le crédit garanti par les cédules hypothécaires précitées et mis en demeure A. de lui payer les sommes de 370'000 fr. et 1'040'000 fr., la banque a fait notifier à celle- ci deux poursuites en réalisation de gage immobilier. Les oppositions à ces poursuites ont été levées provisoirement à concurrence, respectivement, de 370'000 fr. avec intérêt à 10 % dès le 1 er janvier 2001 et de 1'040'000 fr. avec intérêt à 5 % dès le 6 juin 2001. La banque a requis la réalisation des gages les 10 janvier et 30 juin 2003. Dans l'état des charges de l'immeuble mis aux enchères le 14 mai 2004, la poursuivante a été inscrite, conformément à sa production, comme créancière en premier rang de 1'402'867 fr. 75, dont 361'457 fr. 75 d'intérêts à 8 % du 10 janvier 2000 au 14 mai 2004, et comme créancière en deuxième rang de 513'872 fr. 25, dont 143'272 fr. 25 d'intérêts à 10 % du 30 juin 2000 au 14 mai 2004. Il y était mentionné que les cédules hypothécaires garantissaient, outre l'engagement résultant du prêt hypothécaire, qui s'élevait à 1'261'073 fr. 25, les engagements résultant de deux autres comptes sur lesquels la poursuivante avait fait valoir l'extension de son droit de gage et dont le montant s'élevait à 2'091'814 fr. 20, soit en tout 3'352'887 fr. 45. L'office des poursuites a porté à l'état des charges la valeur totale des cédules hypothécaires, soit 1'916'740 fr. (1'402'867.75 + 513'872.25). Le 17 mars 2004, la poursuivie a introduit devant la Cour civile du Tribunal cantonal vaudois une action en contestation de l'état des charges ( art. 140 al. 2 LP et 39 ORFI), concluant à ce que les créances incorporées dans les cédules hypothécaires en question soient réduites. Elle faisait notamment valoir que les intérêts portés à l'état des charges étaient erronés et qu'ils auraient dû être calculés selon les taux et périodes retenus dans les décisions de mainlevée. Par jugement du 18 juin 2008, la Cour civile cantonale a rejeté l'action. Le recours en matière civile interjeté au Tribunal fédéral par la demanderesse a été rejeté dans la mesure où il était recevable. (résumé) Erwägungen BGE 136 III 288 S. 291 Extrait des considérants: 3. 3.1 La cédule hypothécaire est une créance personnelle garantie par un gage immobilier ( art. 842 CC ). Il s'agit d'un papier-valeur qui incorpore à la fois la créance et le droit de gage immobilier, qui en est l'accessoire. Lorsque le créancier l'a reçue comme propriétaire fiduciaire aux fins de garantie (garantie fiduciaire; Sicherungsübereignung), il n'y a pas novation de la créance garantie (ou causale ou de base; ATF 134 III 71 consid. 3 et les références). On distingue alors la créance abstraite garantie par le gage immobilier, incorporée dans la cédule hypothécaire, et la créance causale résultant de la relation de base, en général un contrat de prêt, pour laquelle la cédule a été remise en garantie, ces deux créances étant indépendantes l'une de l'autre. La créance abstraite constatée dans la cédule est destinée à doubler la créance causale aux fins d'en faciliter et d'en garantir le recouvrement. Seule la créance abstraite incorporée dans la cédule hypothécaire et garantie par gage immobilier doit faire l'objet d'une poursuite en réalisation de gage immobilier, tandis que la créance causale peut faire l'objet d'une poursuite ordinaire ( ATF 119 III 105 consid. 2a; arrêts 5A_226/2007 du 20 novembre 2007 consid. 5.1 et les références citées, 7B.175/2001 du 11 octobre 2001 consid. 1a). 3.2 Dans le cas particulier, les deux cédules ont fait l'objet d'un acte de cession en propriété et à fin de garantie. La cour cantonale en déduit, sans que la recourante la critique sur ce point, que les parties ont renoncé à la novation et que les deux créances cédulaires (abstraites) se sont juxtaposées aux créances garanties (créances causales). Les contrats de fiducie du 17 janvier 1996 indiquaient d'ailleurs que la banque ne pourrait faire valoir les créances incorporées dans les titres que jusqu'à concurrence du montant total déterminé et déterminable de ses prétentions garanties par la cession. L'art. 35 al. 2 de l'ordonnance du Tribunal fédéral du 23 avril 1920 sur la réalisation forcée des immeubles (ORFI; RS 281.42), applicable par analogie à la réalisation dans la poursuite en réalisation de gage en vertu de l' art. 102 ORFI , prévoit que les titres de gage créés au nom du propriétaire et donnés en nantissement doivent figurer à leur rang dans l'état des charges pour le montant du titre ou, si la somme pour laquelle le titre a été donné en nantissement est inférieure, pour cette somme. Cela signifie a fortiori, en l'espèce, que si la créance résultant du rapport contractuel de base était inférieure au BGE 136 III 288 S. 292 montant de la créance incorporée dans les cédules, la banque ne pouvait agir dans la poursuite en réalisation de gage immobilier que pour la somme équivalant à ce qui était effectivement dû en capital et intérêts en vertu de la créance causale (arrêt 5A_226/2007 déjà cité consid. 5.1). Si, au contraire, la créance résultant du rapport de base était supérieure au montant nominal des créances cédulaires majoré de leurs intérêts couverts par le droit de gage au sens de l' art. 818 al. 1 ch. 3 CC (intérêts de trois années échus et intérêts ayant couru depuis la dernière échéance aux taux des conventions de fiducie), la banque pouvait faire valoir dans la poursuite spéciale l'intégralité des créances cédulaires augmentées de leurs intérêts, le solde de sa créance devant faire l'objet d'une poursuite ordinaire (DIETER ZOBL, Zur Sicherungsübereignung von Schuldbriefen, RNRF 68/1987 p. 292 let. b et d/bb; NICOLAS DE GOTTRAU, Transfert de propriété et cession à fin de garantie, in Sûretés et garanties bancaires, 1997, p. 213 s.; DANIEL STAEHELIN, Betreibung und Rechtsöffnung beim Schuldbrief, PJA 1994 p. 1255 ss, en particulier p. 1267). Selon les constatations du jugement attaqué et l'expertise sur laquelle elles s'appuient, la créance totale produite par l'intimée sur la base du rapport contractuel de base s'élevait à 3'352'887 fr. 45, y compris ses intérêts, soumis à évolution, convenus pour cette créance, alors que le montant total des créances cédulaires s'élevait à 1'916'740 fr., y compris leurs intérêts calculés aux taux fixés dans les conventions de fiducie de 8 % et 10 % (cf. les faits ci-dessus). L'office des poursuites s'est donc conformé aux principes qui viennent d'être exposés en portant à l'état des charges le montant total des créances cédulaires, par 1'916'740 fr. 3.3 La recourante ne reproche pas à la cour cantonale de s'être trompée en entérinant le procédé de l'office des poursuites; elle lui fait simplement grief d'avoir confirmé, à tort au regard de l' art. 104 al. 2 CO , l'application des taux d'intérêts de 8 % et 10 % aux deux créances cédulaires. A son avis, seul le taux légal de 5 %, à titre d'intérêt moratoire, était applicable après la dénonciation des cédules. En l'espèce, les parties sont convenues, aux termes des actes de cession en propriété et à fin de garantie des titres hypothécaires du 17 janvier 1996, que les créances cédulaires porteraient intérêt aux taux maximum mentionnés dans les titres, soit respectivement 8 % et 10 %. Au stade de la réalisation, la créancière pouvait donc, en vertu de l' art. 818 al. 1 ch. 1 et 3 CC , requérir la prise en compte à l'état des BGE 136 III 288 S. 293 charges de l'intégralité des créances cédulaires avec leurs intérêts aux taux convenus de 8 % et 10 % (cf. ZOBL, op. cit., exemple cité sous let. d/bb). La cour cantonale a donc confirmé à bon droit ces taux. Les réquisitions de vente ayant été présentées, respectivement, le 10 janvier 2003 et le 30 juin 2003, et la réalisation ayant eu lieu le 14 mai 2004, jour auquel prenait fin la garantie hypothécaire(PAUL-HENRI STEINAUER, Les droits réels, tome III, 3 e éd. 2003, n. 2795), la production d'intérêts, soit 8 % sur 1'040'000 fr. du 10 janvier 2000 au 14 mai 2004, et 10 % sur 370'000 fr. du 30 juin 2000 au 14 mai 2004, pouvait ainsi être inscrite à l'état des charges, d'éventuels intérêts supplémentaires au titre des intérêts courus ( art. 818 al. 1 ch. 3 CC ) ne pouvant être pris en considération dès lors que la production de la créancière, portée à l'état des charges, ne les réclamait pas. 3.4 La recourante fait valoir que les intérêts des créances cédulaires à prendre en compte dans l'état des charges auraient plutôt dû être ceux alloués par les décisions de mainlevée d'opposition. Ce point de vue ne peut pas être partagé. Selon la jurisprudence, en effet, le créancier gagiste poursuivant peut produire d'autres ou de plus amples droits que ceux réclamés dans la réquisition de poursuite, par exemple des intérêts supplémentaires. Comme tout tiers créancier, il peut exiger que ses droits, pour lesquels il n'a pas requis la poursuite, soient pris en considération dans l'état des charges; pour le même motif, il peut aussi produire la partie de la créance pour laquelle la mainlevée de l'opposition lui a été refusée (arrêt 5C.266/ 2005 du 2 février 2006 consid. 3.2 et les références citées). En outre, au stade de la mainlevée, le juge qui la prononce ne connaît pas encore le jour de la réquisition de vente et n'est donc pas en mesure d'allouer les intérêts courants (art. 818 al. 1 ch. 3 in fine CC).
null
nan
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CH_BGE
CH_BGE_005
CH
Federation
df601696-0090-4a71-9225-fbdffca2328a
Urteilskopf 121 IV 230 37. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 21. September 1995 i.S. S. gegen Generalprokurator des Kantons Bern (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste Art. 90 Ziff. 2 und 32 Abs. 1 SVG , Art. 4a Abs. 1 lit. b VRV ; Überschreiten der allgemeinen Höchstgeschwindigkeit ausserorts, grobe Verkehrsregelverletzung. Eine übersetzte Geschwindigkeit stellt auch ausserorts eine erhebliche Gefahr dar. Zu einer Milderung der Rechtsprechung, wonach bei Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um deutlich mehr als 30 km/h ungeachtet der konkreten Umstände eine grobe Verkehrsregelverletzung anzunehmen ist, besteht kein Anlass. Fragen kann man sich höchstens, ob die Praxis zu verschärfen und angesichts der insoweit teilweise abweichenden Gefahrenlage künftig danach zu unterscheiden sei, ob die Geschwindigkeitsvorschriften innerorts, ausserorts oder auf der Autobahn missachtet wurden (E. 2c).
Sachverhalt ab Seite 231 BGE 121 IV 230 S. 231 S. überschritt am 6. April 1991 um 16.17 Uhr mit seinem Personenwagen auf der Hauptstrasse zwischen Gümmenen und Laupen die allgemeine Höchstgeschwindigkeit ausserorts von 80 km/h um 43 km/h (nach Abzug der Sicherheitsmarge von 6 km/h). Am 20. Oktober 1994 verurteilte ihn der Gerichtspräsident VIII von Bern wegen grober Verletzung von Verkehrsregeln gemäss Art. 90 Ziff. 2 SVG (SR 741.01) zu einer Busse von Fr. 940.--, löschbar bei Bewährung nach einer Probezeit von 1 Jahr. Auf Appellation von S. hin bestätigte das Obergericht des Kantons Bern am 14. Februar 1995 diesen Entscheid. S. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts aufzuheben. Das Obergericht hat auf Gegenbemerkungen verzichtet. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab Erwägungen aus folgenden Erwägungen: 1. a) Die Vorinstanz legt dar, der Beschwerdeführer habe eine für die Verkehrssicherheit grundlegende Verkehrsregel krass verletzt. Dadurch habe er eine erhöhte abstrakte Gefahr für die Sicherheit anderer geschaffen. Bei einer derartigen Geschwindigkeitsüberschreitung sei die naheliegende Möglichkeit einer konkreten Gefährdung oder Verletzung und damit die ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer im Sinne von Art. 90 Ziff. 2 SVG selbst bei günstigsten Verkehrsverhältnissen zu bejahen, ohne dass die konkreten Umstände näher abzuklären seien. Der Beschwerdeführer habe mindestens grobfahrlässig gehandelt. Seine Fahrweise sei rücksichtslos gewesen, zumal jedem vernünftigen Automobilisten die Gefahren und Unfallträchtigkeit einer derart massiven Geschwindigkeitsüberschreitung bekannt seien oder zumindest sein müssten. b) Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe sich lediglich nach Art. 90 Ziff. 1 SVG strafbar gemacht. Die Voraussetzungen von Art. 90 Ziff. 2 SVG seien nicht gegeben. 2. a) aa) Die Geschwindigkeit ist stets den Umständen anzupassen, namentlich den Besonderheiten von Fahrzeug und Ladung sowie den Strassen-, Verkehrs- und Sichtverhältnissen. Wo das Fahrzeug den Verkehr stören BGE 121 IV 230 S. 232 könnte, ist langsam zu fahren und nötigenfalls anzuhalten, namentlich vor unübersichtlichen Stellen, vor nicht frei überblickbaren Strassenverzweigungen sowie vor Bahnübergängen ( Art. 32 Abs. 1 SVG ). Die allgemeine Höchstgeschwindigkeit für Fahrzeuge beträgt unter günstigen Strassen-, Verkehrs- und Sichtverhältnissen 80 km/h ausserhalb von Ortschaften, ausgenommen auf Autobahnen (Art. 4a Abs. 1 lit. b der Verkehrsregelnverordnung [VRV; SR 741.11]). bb) Gemäss Art. 90 Ziff. 1 SVG wird mit Haft oder mit Busse bestraft, wer Verkehrsregeln dieses Gesetzes oder der Vollziehungsvorschriften des Bundesrates verletzt. Nach Art. 90 Ziff. 2 SVG wird mit Gefängnis oder mit Busse bestraft, wer durch grobe Verletzung der Verkehrsregeln eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft oder in Kauf nimmt. Gemäss Art. 16 Abs. 2 SVG kann der Führer- oder Lernfahrausweis entzogen werden, wenn der Führer Verkehrsregeln verletzt und dadurch den Verkehr gefährdet oder andere belästigt hat (Satz 1). In leichten Fällen kann eine Verwarnung ausgesprochen werden (Satz 2). Der Führer- oder Lernfahrausweis muss entzogen werden, wenn der Führer den Verkehr in schwerer Weise gefährdet hat ( Art. 16 Abs. 3 lit. a SVG ). b) aa) Art. 90 Ziff. 2 SVG ist nach der Rechtsprechung objektiv erfüllt, wenn der Täter eine wichtige Verkehrsvorschrift in objektiv schwerer Weise missachtet und die Verkehrssicherheit abstrakt oder konkret gefährdet hat. Subjektiv erfordert der Tatbestand, dass dem Täter aufgrund eines rücksichtslosen oder sonstwie schwerwiegend regelwidrigen Verhaltens zumindest eine grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist ( BGE 118 IV 197 E. 2, 84 E. 2a mit Hinweisen). Eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer im Sinne von Art. 90 Ziff. 2 SVG ist bereits bei einer erhöhten abstrakten Gefährdung gegeben. Die erhöhte abstrakte Gefahr setzt die naheliegende Möglichkeit einer konkreten Gefährdung oder Verletzung voraus ( BGE 118 IV 285 E. 3). Wer durch grobe Verletzung der Verkehrsregeln im Sinne von Art. 90 Ziff. 2 SVG eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft oder in Kauf nimmt, gefährdet in schwerer Weise den Verkehr im Sinne von Art. 16 Abs. 3 lit. a SVG . Diese beiden Vorschriften stimmen inhaltlich miteinander überein ( BGE 120 Ib 285 ). bb) Wird die zulässige Höchstgeschwindigkeit um deutlich mehr als 30 km/h überschritten, sind die Voraussetzungen von Art. 90 Ziff. 2 bzw. Art. 16 BGE 121 IV 230 S. 233 Abs. 3 lit. a SVG ungeachtet der konkreten Umstände erfüllt ( BGE 118 IV 188 E. 2b; BGE 119 Ib 154 E. 2a). Eine solche deutliche Überschreitung der Grenze von 30 km/h hat das Bundesgericht bejaht bei einem Fahrzeuglenker, der auf der Autobahn die Höchstgeschwindigkeit um 37 km/h überschritten hatte ( BGE 118 IV 188 E. 2b). In BGE 121 II 127 schützte das Bundesgericht den Entscheid der kantonalen Behörde, die einen mittelschweren Fall nach Art. 16 Abs. 2 Satz 1 SVG annahm bei einer Fahrzeuglenkerin, welche die zulässige Höchstgeschwindigkeit innerorts um 27 km/h überschritten hatte. Es liess offen, ob nicht sogar ein schwerer Fall nach Art. 16 Abs. 3 lit. a SVG anzunehmen gewesen wäre, da eine Erhöhung der Dauer des Führerausweisentzugs aus prozessualen Gründen ausser Betracht fiel (E. 4d). c) Der Beschwerdeführer hat die allgemeine Höchstgeschwindigkeit ausserorts um 43 km/h überschritten. Diese 43 km/h liegen deutlich über der Grenze von 30 km/h. Der Beschwerdeführer hat sich deshalb im Lichte der Rechtsprechung ungeachtet der konkreten Umstände der groben Verkehrsregelverletzung nach Art. 90 Ziff. 2 SVG schuldig gemacht. Bei den Vorschriften über die Geschwindigkeit handelt es sich um grundlegende Verkehrsregeln. Sie sind wesentlich für die Gewährleistung der Sicherheit des Strassenverkehrs. Der Beschwerdeführer hat die allgemeine Höchstgeschwindigkeit ausserorts in schwerwiegender Weise missachtet. Wie die Vorinstanz verbindlich feststellt ( Art. 277bis Abs. 1 BStP ), gab es bei der Messstelle eine Privatausfahrt und rund 80 m danach eine Einmündung links. Der Beschwerdeführer musste somit gewärtigen, dass Fahrzeuge auf die Fahrbahn einbiegen würden. Er musste ausserdem mit Fussgängern und Velofahrern rechnen, zumal nach den verbindlichen Feststellungen im angefochtenen Entscheid rechts der Strasse eine lockere Überbauung bestand. Diese anderen Verkehrsteilnehmer durften sich, auch soweit sie wartepflichtig waren, auf den Vertrauensgrundsatz berufen ( BGE 120 IV 252 E. 2d/aa). Sie mussten sich nicht darauf einstellen, dass ein Fahrzeug mit einer derart übersetzten Geschwindigkeit wie hier herannahen würde. Wie das Bundesgericht in BGE 118 IV 277 dargelegt hat, muss auf Hauptstrassen ausserorts generell mit Geschwindigkeiten von über rund 90 km/h nicht gerechnet werden. Vom Vertrauensgrundsatz ausgehen durften auch die Fahrzeuglenker aus der Gegenrichtung. Diese mussten - namentlich vor der Einleitung eines Überholmanövers - nicht gewärtigen, dass ihnen ein Auto BGE 121 IV 230 S. 234 mit einer Geschwindigkeit von 123 km/h entgegenkommt. Zumindest die konkrete Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer lag bei dieser Sachlage nahe. Die Vorinstanz hat deshalb zu Recht eine erhöhte abstrakte Gefahr bejaht. Zutreffend wirft sie dem Beschwerdeführer Rücksichtslosigkeit vor. Wer die Höchstgeschwindigkeit ausserorts derart massiv überschreitet, tut das in der Regel vorsätzlich, mindestens aber grobfahrlässig. Ob sich der Beschwerdeführer korrekt verhalten hätte, wenn er mit 80 km/h gefahren wäre, kann offenbleiben. Wie bereits in BGE 121 II 127 E. 4a hervorgehoben wurde, kann eine Geschwindigkeit auch dann den Verhältnissen nicht angepasst und deshalb gemäss Art. 32 Abs. 1 SVG vorschriftswidrig sein, wenn sie im Rahmen der allgemeinen Höchstgeschwindigkeit nach Art. 4a Abs. 1 VRV liegt. Die allgemeine Höchstgeschwindigkeit gemäss Art. 4a Abs. 1 VRV ist nicht die Geschwindigkeit, die unter allen Umständen ausgefahren werden kann; es ist die Geschwindigkeit, mit der unter günstigen Strassen-, Verkehrs- und Sichtverhältnissen gefahren werden darf. So hat das Bundesgericht in BGE 120 Ib 312 sogar eine schwere Verkehrsgefährdung nach Art. 16 Abs. 3 lit. a SVG angenommen bei einem Fahrzeuglenker, der trotz starkem Regen auf der Autobahn mit einer Geschwindigkeit von ca. 120 km/h fuhr und infolge Aquaplanings ins Schleudern geriet (E. 4c). Der Kassationshof hat in BGE 121 II 127 auf die besonderen Gefahren von Geschwindigkeitsüberschreitungen innerorts hingewiesen (E. 4b). Die Gefahrenlage stellt sich ausserorts teilweise anders dar. Die Zahl der vom Lenker zu verarbeitenden Reize ist ausserorts geringer als innerorts. Auch ausserorts sind jedoch schwache Verkehrsteilnehmer (Velofahrer, Fussgänger) vorhanden. Zudem besteht hier ebenfalls die Gefahr von Seitenkollisionen. Welche Risiken bei der Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit ausserorts bestehen, zeigen physikalische Berechnungen: Fährt ein Auto mit einer Bremsausgangsgeschwindigkeit von 90 km/h statt mit einer solchen von 80 km/h, hat es dort, wo es bei einer Vollbremsung mit 80 km/h stillstehen würde, immer noch eine Geschwindigkeit von 47,3 km/h; bei einer Bremsausgangsgeschwindigkeit von 100 km/h noch eine solche von 68,4 km/h; bei einer Bremsausgangsgeschwindigkeit von 110 km/h noch eine solche von 85,6 km/h; bei einer Bremsausgangsgeschwindigkeit von 120 km/h noch eine solche von 100,8 km/h (Bericht von Prof. Dr. Felix Walz, Institut für Rechtsmedizin, Universität Zürich, zu Handen des Kassationshofes). Solche BGE 121 IV 230 S. 235 Aufprallgeschwindigkeiten können insbesondere bei Kollisionen mit Fussgängern und Zweiradfahrern schwerste Folgen haben. Wie in BGE 121 II 127 bereits dargelegt, sind bei Fahrzeug-Fussgänger-Kollisionen ab einer Kollisionsgeschwindigkeit von 45 km/h tödliche Verletzungen sehr wahrscheinlich. Aber auch bei Kollisionen zwischen Fahrzeugen, insbesondere bei Seiten- und Frontalkollisionen, können die genannten Aufprallgeschwindigkeiten gravierende Auswirkungen haben. Zu einer Änderung der Rechtsprechung im Sinne einer Milderung besteht kein Anlass. Fragen kann man sich höchstens, ob die Praxis zu verschärfen und angesichts der insoweit teilweise abweichenden Gefahrenlage künftig danach zu unterscheiden sei, ob die Geschwindigkeitsvorschriften innerorts, ausserorts oder auf der Autobahn missachtet wurden. 3. (Kostenfolgen).
null
nan
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Federation
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Urteilskopf 113 II 450 80. Estratto della sentenza 22 gennaio 1987 della I Corte civile nella causa E. contro K. e Autorità cantonale di sorveglianza per l'applicazione del decreto federale concernente l'acquisto di fondi da parte di persone all'estero (ricorso per riforma)
Regeste Grundstückerwerb durch Personen im Ausland: Vertragsnichtigkeit als Folge des Bewilligungswiderrufs ( Art. 22 Abs. 1 und 1bis BewB ; heutiger Art. 27 Abs. 1 lit. a und Abs. 2 BewG ). 1. Folgen der Vertragsnichtigkeit (E. 2). 2. Die gestützt auf Art. 22 BewB erhobene Klage der Behörde hat sich gleichzeitig gegen Veräusserer und Erwerber als notwendige Streitgenossen zu richten (E. 3a). 3. Wann geht die Zwangsverwertung des Grundstückes gemäss Art. 22 Abs. 1bis BewB der Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes nach Art. 22 Abs. 1 vor? (E. 3b und 3c). 4. Die Voraussetzungen für eine Zwangsverwertung fehlen, wenn der Veräusserer weder einen aus der Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes resultierenden Schaden glaubhaft macht, noch bestreitet, dass er im kantonalen Verfahren die Möglichkeit gehabt habe, ihm zustehende Gegenansprüche geltend zu machen (E. 3d). 5. Der im Falle der Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes zurückzuerstattende Betrag umfasst die Verzugszinsen, die auf dem vom Erwerber bezahlten Kapital aufgelaufen sind (E. 4).
Sachverhalt ab Seite 451 BGE 113 II 450 S. 451 A.- L'Autorità di prima istanza del Distretto di Locarno per l'applicazione del decreto federale concernente l'acquisto di fondi da parte di persone all'estero ha autorizzato il 14 novembre 1979 K., cittadina tedesca residente nella Repubblica Federale di Germania, a comperare "circa 550 m2" della particella n. 340 RFD di Sant'Abbondio con l'onere - tra l'altro - di costruire lo stabile ivi progettato entro 18 mesi dall'iscrizione nel registro fondiario. Il 9 ottobre 1980 K. ha acquistato dall'arch. E., cittadino tedesco domiciliato in Svizzera, la particella n. 527 RFD, originata da un frazionamento della particella n. 340 promosso da E. medesimo. Il prezzo del terreno, un'area di 526 m2, ammontava a Fr. 68'830.--; il contratto specificava che la compratrice aveva "affidato al venditore i lavori di architettura della casa d'abitazione prevista sul fondo". Quest'ultima non è mai stata costruita, sicché il 20 dicembre 1982 l'Autorità di prima istanza ha revocato l'autorizzazione. Insorta alla Commissione cantonale di ricorso, il 28 dicembre 1983 K. si è vista respingere il gravame. Tale decisione è passata in giudicato. B.- Il 12 novembre 1984 l'Autorità cantonale di sorveglianza per l'applicazione del decreto federale concernente l'acquisto di fondi da parte di persone all'estero ha convenuto K. e E. davanti BGE 113 II 450 S. 452 al Pretore di Locarno-Campagna, postulando in virtù dell' art. 22 DAFE che il contratto del 9 ottobre 1980 fosse dichiarato nullo e - in via principale - che fosse ripristinata l'iscrizione del venditore nel registro fondiario con rimborso all'acquirente del prezzo corrisposto, in subordine che il terreno fosse realizzato secondo le norme sull'esecuzione forzata dei fondi e il ricavo trasmesso all'acquirente fino a concorrenza del prezzo pagato. Le due parti contrattuali non si sono opposte alla constatazione di nullità; K. ha avversato tuttavia gli estremi per un'asta pubblica mentre E. ha rifiutato di tornare in possesso del fondo. Il Pretore, statuendo il 4 febbraio 1986, ha accolto l'azione e ordinato la vendita all'asta della particella con versamento dell'introito a K. nei limiti di Fr. 68'830.-- oltre interessi al 5% dal 21 dicembre 1983 previa deduzione delle spese giudiziarie, delle ripetibili e dei costi relativi all'incanto; un'eventuale eccedenza sarebbe spettata al Cantone Ticino. La II Camera civile del Tribunale di appello, adita da K., ha deciso altrimenti e disposto la retrocessione del terreno all'arch. E., la conseguente modifica del registro fondiario e il rimborso all'acquirente di Fr. 68'830.-- più interessi al 5% dal 28 dicembre 1983. C.- E. ha esperito il 15 settembre 1986 al Tribunale federale un ricorso per riforma in cui propone di ripristinare il giudizio di primo grado, salvo gli interessi a favore di K. (la stessa non essendo in buona fede), e - subordinatamente - di rinviare la causa alla corte cantonale perché sia dato modo alle parti di far valere le reciproche pretese in esito alla accertata nullità della compravendita. L'Autorità cantonale di sorveglianza, chiamata a esprimersi, si rimette alla decisione del Tribunale federale e senza formulare appunti espliciti si dice indifferente all'esito della controversia. K. conclude per il rigetto del gravame nella misura in cui questo fosse ricevibile e per la conferma della sentenza impugnata. Erwägungen Dai considerandi: 2. È fuori dubbio che la revoca definitiva di un'autorizzazione d'acquisto implica la nullità della compravendita cui l'autorizzazione si riferisce ( art. 20 cpv. 1 lett. b DAFE , analogo all'attuale art. 26 cpv. 2 lett. b LAFE ). L'unico punto litigioso è di sapere se, nel caso precipuo, le parti debbano restituirsi vicendevolmente le prestazioni come se il contratto non fosse sorto ( art. 22 cpv. 1 DAFE con richiamo agli BGE 113 II 450 S. 453 art. 62 segg. CO) oppure se - è la tesi del ricorrente - il fondo vada realizzato d'ufficio e il ricavo dell'incanto trasmesso all'acquirente una volta dedotte le spese ( art. 22 cpv. 1bis DAFE ). a) La corte cantonale ha giudicato che la riconsegna delle reciproche prestazioni costituisce la regola e la vendita agli incanti un provvedimento subordinato del tutto eccezionale, che il principio "attitatorio" insito negli art. 88 e 322 CPC ticinese fa carico alla parte venditrice di provare per quali ragioni il ripristino dello stato anteriore sarebbe impossibile o inopportuno, che in concreto l'alienante non aveva confortato affatto tale ipotesi e che in ogni modo i motivi da lui esposti non permettevano di optare per una licitazione scartando il mutuo reintegro delle parti nello stato precontrattuale. b) Il ricorrente afferma che la soluzione adottata dalla corte sarebbe inopportuna, sproporzionata e abusiva poiché la revoca dell'autorizzazione sarebbe dovuta all'inosservanza deliberata di un onere da parte della compratrice e non del venditore, esente da colpe, che lo scopo del decreto federale non è quello di privilegiare l'acquirente straniero, che nel caso specifico la compratrice uscirebbe arricchita dalla vicenda per la "caduta strepitosa" del valore del terreno, la ridotta quotazione del marco tedesco in rapporto al franco svizzero e la decadenza dei vantaggi fiscali concessi dalla Repubblica Federale di Germania ai propri cittadini per l'acquisto di beni immobili all'estero. c) La resistente obietta - in sintesi - che il ritardo nella presentazione dei piani sarebbe imputabile al ricorrente medesimo, il quale non era solo venditore, ma anche architetto e rappresentante del nuovo proprietario nelle pratiche amministrative connesse ai lavori edilizi; competeva al ricorrente, quindi, valutare il tempo presumibile per conseguire la licenza di costruzione e far prorogare il termine di 18 mesi al momento in cui questo si fosse rivelato troppo breve. Sostenere che la ricorrente si sarebbe arricchita quando la stessa ha dovuto pagare due progetti con le spese legali e notarili derivanti dall'operazione sarebbe inoltre fuori luogo. 3. L' art. 22 DAFE prescrive, nella versione applicabile alla fattispecie (RU 1974 pag. 90 seg.; cfr. art. 38 LAFE ), che "l'autorità cantonale legittimata a ricorrere promuove un'azione per il ripristino dello stato anteriore se un diritto il cui acquisto soggiace ad autorizzazione è stato acquisito sul fondamento di un BGE 113 II 450 S. 454 negozio giuridico inefficace o nullo per mancanza d'autorizzazione" (cpv. 1 prima frase). "Se il ripristino dello stato anteriore di diritto è impossibile o inopportuno, il giudice ordina i pubblici incanti conformemente alle prescrizioni sulla realizzazione forzata dei fondi; l'acquirente può esigere soltanto il rimborso delle sue spese, mentre l'eventuale eccedenza spetta al Cantone" (cpv. 1bis). L'odierno art. 27 cpv. 1 lett. a e cpv. 2 LAFE istituisce una disciplina identica. a) Preliminarmente la corte di appello ha osservato che l'azione dell' art. 22 DAFE dev'essere diretta contro entrambe le parti al contratto, venditore e acquirente dovendo essere convenuti alla stregua di litisconsorti necessari ( art. 41 cpv. 2 CPC ticinese). Ora, l'esistenza di un litisconsorzio necessario dipende dal diritto sostanziale, non dagli ordinamenti di procedura (GULDENER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3a edizione, pag. 296; WALDER, Zivilprozessrecht, 3a edizione, pag. 159 n. 24; VOGEL, Grundriss des Zivilprozessrechts, Berna 1984, pag. 92 n. 48; più sfumato, ma concorde: Habscheid, Droit judiciaire privé suisse, 2a edizione, pag. 181). L'assunto dei giudici riguarda dunque l'applicazione dell' art. 22 DAFE e può essere vagliato nell'ambito di un ricorso per riforma ( art. 43 cpv. 2 OG ). Ciò premesso, è bene riconoscere che - finora - la giurisprudenza non ha sempre posto l'imperativo di un litisconsorzio necessario in casi simili (v. DTF 111 II 186 , DTF 107 II 251 ). Tale requisito è consono tuttavia al diritto federale ove appena si pensi che un ripristino dello stato anteriore, consistente di solito in una modifica del registro fondiario ( art. 975 CC ; cfr. DTF 109 II 430 ), esplica effetti simultanei nei confronti del venditore e dell'acquirente, come pure sui rapporti di natura civile tra venditore e acquirente. Basti rilevare, d'altro lato, che l'azione dell'autorità si esime qualora le parti annullino spontaneamente il contratto restituendosi le prestazioni e facendo emendare i pubblici registri ( DTF 111 II 199 consid. 4c, DTF 109 II 430 con rinvio). Quando l'azione volta alla modifica del registro fondiario è esercitata da una persona lesa nei suoi diritti, inoltre, attore è il soggetto medesimo e convenuto è il titolare dell'iscrizione indebita (DTF DTF 110 II 449 consid. 1, DTF 98 II 22 consid. 4, DTF 84 II 192 consid. 2, DTF 51 II 289 consid. 3). Giovi rammentare, infine, che per principio una causa tendente ad accertare o a far eseguire un contratto dev'essere promossa necessariamente contro tutte le parti, nessuna esclusa ( DTF 109 II 403 consid. 2, DTF 97 II 205 consid. 3, DTF 89 II 433 consid. 3 e 4). Il processo BGE 113 II 450 S. 455 intentato dall'autorità secondo l' art. 22 DAFE dev'essere diretto quindi contro l'insieme delle persone che, senza l'intervento dell'autorità medesima, si troverebbero in lite. Che il venditore non sia parte alla procedura di autorizzazione, come assevera il ricorrente, è senza rilievo: l'autorità agisce infatti a tutela dell'ordine pubblico e non in qualità di parte. L'azione pubblica rimedia solo all'inattività dei contraenti, per evitare che una persona domiciliata all'estero e sprovvista dell'autorizzazione d'acquisto rimanga iscritta nel registro fondiario come titolare di un diritto di proprietà o di un diritto a esso parificato. La causa, in altri termini, mira unicamente alla soppressione del trapasso immobiliare, in genere attraverso una modifica del registro fondiario ( art. 975 CC ), non alla resa delle prestazioni contrattuali. Il testo e il fine dell' art. 22 DAFE sono coerenti per di più con la genesi legislativa: a sostegno del primo decreto che contemplava una disposizione equivalente, il Consiglio federale aveva addotto di ispirarsi al decreto del 19 gennaio 1940 che istituiva misure contro le speculazioni fondiarie (CS 9 pag. 159); in quest'ultimo si precisava che l'azione dell'autorità ha lo scopo di far reinscrivere la particella a nome dell'alienante, eventualmente di far radiare il diritto di pegno o l'onere fondiario (FF 1960 pag. 1644). La soluzione di un litisconsorzio necessario trova conforto, del resto, in motivi di ordine pratico. Non vi è dubbio intanto che venditore e acquirente hanno entrambi un interesse concreto all'esito del giudizio, quanto meno perché la scelta tra ripristino dello stato anteriore ( art. 22 cpv. 1 DAFE ) e licitazione della sostanza immobiliare ( art. 22 cpv. 1bis DAFE ) può incidere diversamente nei loro rapporti economici. La nullità del contratto poi comporta l'obbligo di restituire le vicendevoli prestazioni per intero e contemporaneamente ( art. 82 CO per analogia; v. DTF 111 II 197 consid. 3, 109 II 29 consid. 3a): ciò presuppone che le parti possano far valere i reciproci crediti; ove sia in causa una sola di esse, si renderebbe indispensabile un giudizio separato, la liquidazione delle pretese patrimoniali non esaurendosi con la semplice riconsegna dell'immobile o del bene che gli è assimilato. L'esigenza di un giudizio separato fa correre il rischio infine che il giudice, pronunciato il ripristino dello stato anteriore, ravvisi nel quadro del secondo processo l'impossibilità o l'inopportunità della retrocessione immobiliare e si veda costretto a ordinare la vendita all'asta ( DTF 107 II 251 e la successiva sentenza inedita del 26 novembre 1985 sempre in re S.I. G. S.A.). BGE 113 II 450 S. 456 Deve concludersi una volta di più che venditore e acquirente formano, nei confronti dell'autorità abilitata ad agire giusta l' art. 22 DAFE , un litisconsorzio necessario. b) La corte cantonale ha argomentato rettamente che la norma dell' art. 22 cpv. 1bis DAFE ha natura sussidiaria rispetto a quella dell' art. 22 cpv. 1 dal momento che si applica solo ove il ripristino dello stato anteriore sia "impossibile o inopportuno". Mancando tale presupposto il giudice ordina il ritorno alla situazione precedente; tale disciplina corrisponde a quella istituita dal diritto ordinario nelle ipotesi di nullità contrattuale (art. 20 e 62 segg. CO, art. 641 e 919 segg. CC). L'azione dell' art. 22 DAFE non influisce sui rapporti giuridici fra contraenti, che sono e rimangono di natura privatistica, né l'obiettivo di eliminare trapassi immobiliari sforniti della debita autorizzazione conferisce carattere di ordine pubblico ai disposti sulla resa delle prestazioni reciproche (cfr. DTF 111 II 197 consid. 3). La causa prevista dall' art. 22 DAFE resta soggetta così alle forme della procedura civile cantonale. La necessità di attuare il diritto federale non impone deroghe. Non è contrario quindi all' art. 22 DAFE ritenere che sia compito della parte interessata provare e allegare i fatti onde risulti tanto l'impossibilità o l'inopportunità di un ripristino allo stato anteriore quanto l'ammontare delle eventuali pretese verso l'altro contraente, il principio "attitatorio" essendo regolato dal diritto cantonale (WALDER, op.cit., pag. 210 n. 12; GULDENER, op.cit., pag. 74) e simile ripartizione dell'onere della prova non ledendo in alcun modo l' art. 8 CC . Nel caso specifico gli accertamenti della corte cantonale non avvalorano l'impossibilità di un ripristino né il ricorrente asserisce che lo stato anteriore non possa essere reintegrato per motivi d'ordine materiale, economico o giuridico. In effetti il fondo non ha subito modifiche e nulla osta da questo profilo alla retrocessione del medesimo nel patrimonio dell'alienante, che del resto è domiciliato in Svizzera e - come tale - non è soggetto al regime autorizzativo ( art. 1 DAFE ). Non consta neppure (e non è preteso nel gravame) che al ricorrente manchi la possibilità di restituire alla compratrice il prezzo di vendita, ciò che non impedirebbe la reinscrizione della proprietà anteriore nel registro fondiario ma renderebbe inattuabile il rimborso della controprestazione. Litigiosa è, per converso, la prospettata inopportunità del ripristino sulla base dei fatti assodati nella sentenza di appello, eventualmente integrabili BGE 113 II 450 S. 457 dal Tribunale federale a norma dell' art. 64 cpv. 2 OG . Si tratta di un problema che concerne l'applicazione dell' art. 22 cpv. 1bis DAFE e che dunque, di carattere giuridico, ha la sua sede in un ricorso per riforma (art. 43 cpv. 2 e 63 cpv. 3 OG). c) Dai lavori legislativi si evince che un ripristino dello stato anteriore è "inopportuno" quando le circostanze non permettono ragionevolmente di imporlo all'alienante (FF 1964 II 2352; HUBER, Die Anwendung des Bundesbeschlusses über die Bewilligungspflicht für den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland, in: SJZ 60/1964 pag. 155; BRÜESCH, Aufdeckung und Verfolgung von Umgehungsgeschäften, in: Das Bundesgesetz über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland, San Gallo 1985, pag. 87; MÜHLEBACH/GEISSMANN, Kommentar zum Bundesgesetz über den Erwerb von Grundstükken durch Personen im Ausland, Brugg/Baden 1986, nota 7 all'attuale art. 27 LAFE ). Spetta al giudice ponderare gli opposti interessi valutando tutti gli elementi oggettivi e soggettivi, comprese le condizioni economiche dell'alienante e l'incidenza finanziaria che un ripristino dello stato anteriore avrebbe per lui. Il giudice pronuncerà la vendita agli incanti, per esempio, ove stimerà che in ragione del tempo trascorso appaia iniquo far sopportare al compratore le conseguenze di una retrocessione immobiliare, essendo questi in buona fede ed estraneo al motivo di nullità contrattuale. Secondo i criteri appena enunciati risulterebbe senza dubbio iniquo far subire all'alienante gli effetti di una nullità contrattuale dovuta alla revoca dell'autorizzazione qualora ciò fosse imputabile solo al mancato rispetto di un onere da parte dell'acquirente. In tal caso la vendita all'asta costituirebbe una soluzione adeguata, che mette il compratore di fronte al rischio derivante dalla sua mancanza, dispensando il venditore dal riprendersi il fondo (o il diritto assimilato), dal restituirne il prezzo e dal promuovere causa contro il compratore stesso nell'intento di far accertare la responsabilità di costui. Rimane da chiarire se in concreto si verifichi un'ipotesi del genere. d) È pacifico che nella fattispecie la revoca dell'autorizzazione si riconduce unicamente all'inosservanza del noto onere edilizio che gravava la compratrice come persona domiciliata all'estero ( art. 8 DAFE ). Questa circostanza non basta tuttavia per affermare la perfetta estraneità del ricorrente all'accaduto. Dagli atti si desume ch'egli non era un semplice BGE 113 II 450 S. 458 venditore: a lui si deve il frazionamento della particella n. 340 in tre fondi destinati a compratori stranieri con cui avrebbe stipulato un contratto di architetto, a lui si devono effettivamente i piani della casa da erigere sulla nuova particella n. 527 e a lui incombeva la rappresentanza della committente davanti alle autorità amministrative (contratto del 7 dicembre 1981, art. 11 n. 4); se si considera dipoi che il suo patrocinatore ha assistito l'acquirente fino al 15 dicembre 1983 (lettera alla Commissione cantonale di ricorso), sembra quanto meno singolare ch'egli sia del tutto estraneo alla vicenda. Sia come sia, la questione può restare irrisolta ai fini del giudizio. Di rilievo appare che, secondo gli accertamenti dell'autorità cantonale, il venditore non ha nemmeno reso verosimile il danno a lui derivante in caso di retrocessione immobiliare; la deliberata inosservanza dell'onere imputata alla compratrice e il preteso arricchimento di cui questa fruirebbe sono adduzioni di fatto che non trovano riscontro nella sentenza impugnata e che si rivelano perciò inammissibili davanti alla giurisdizione per riforma (art. 55 cpv. 1 lett. c OG). Si supponesse, in ogni modo, che il ricorrente abbia diritto a essere risarcito del danno nell'eventualità di un ripristino conforme all' art. 22 cpv. 1 DAFE , la compratrice essendo in tutto o in parte all'origine dell'annullamento contrattuale, non si vede perché la relativa pretesa non sia stata fatta valere nell'ambito della causa odierna o di un processo separato. È fuori questione infatti che il venditore ha la possibilità di compensare il proprio credito nella stessa procedura con cui l'acquirente esige il rimborso del prezzo corrisposto (art. 120 segg. CO). Il ricorrente non sostiene che la corte cantonale gli avrebbe sottratto l'occasione di avanzare pretese di risarcimento; accenna soltanto alle difficoltà di promuovere una causa separata contro la compratrice nella Repubblica Federale di Germania. Certo, egli chiede in subordine che l'attuale vertenza sia rinviata ai giudici di secondo grado perché le parti possano rivendicare i vicendevoli crediti. Conclusioni nuove però sono inammissibili sul piano federale ( art. 55 cpv. 1 lett. b OG ) e l'alienante non dimostra di aver proposto una domanda simile alla corte di appello (v. DTF 107 II 224 consid. 3); del resto le sue osservazioni del 14 aprile 1986 non contenevano niente del genere. Ritenuto che il venditore non contesta di dover restituire il prezzo del fondo, ch'egli non sostanzia eventuali pregiudizi economici BGE 113 II 450 S. 459 né lamenta l'impossibilità di opporre contropretese in sede cantonale e ritenuto altresì che l'asserito arricchimento della compratrice in esito alla nullità del contratto non è oggetto di alcuna constatazione, non può dirsi che il ripristino dello stato anteriore sia iniquo per il ricorrente. Mancano dunque le premesse per far capo all' art. 22 cpv. 1bis DAFE . 4. L'ultimo punto litigioso riguarda gli interessi maturati sulla somma da restituire. Il ricorrente opina che la compratrice non ne abbia diritto "perché non è possessore in buona fede". Non illustra tuttavia il suo assunto e ciò rende la censura inammissibile (art. 55 cpv. 1 lett. c OG). Per altro non si scorgono le ragioni che legittimerebbero un diniego degli interessi moratori ove il ripristino dello stato anteriore non sia né impossibile né inopportuno a mente dell' art. 22 cpv. 1bis DAFE , il venditore avendo già modo di chiedere la rifusione di tutti i danni patiti.
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Urteilskopf 116 V 80 15. Auszug aus dem Urteil vom 17. April 1990 i.S. B. gegen Ausgleichskasse des Kantons Zürich und AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich
Regeste Art. 8 Abs. 1 und Art. 18 Abs. 1 IVG : Arbeitsvermittlung. - Wann liegt eine anspruchsbegründende Invalidität vor (Erw. 6)? - Wann ist die IV-Regionalstelle, wann das Arbeitsamt für die Arbeitsvermittlung zuständig? Soweit Rz. 64.3 des Kreisschreibens des BSV über die Eingliederungsmassnahmen beruflicher Art die Arbeitsvermittlung invalider arbeitsloser Versicherter in die Zuständigkeit der Arbeitsämter verweist, ist die Regelung gesetzeswidrig (Erw. 7).
Erwägungen ab Seite 80 BGE 116 V 80 S. 80 Aus den Erwägungen: 6. Zu prüfen ist, ob Ausgleichskasse und Vorinstanz den Anspruch auf Arbeitsvermittlung richtigerweise verneint haben. a) Gemäss Art. 8 Abs. 1 IVG haben invalide oder von einer Invalidität unmittelbar bedrohte Versicherte Anspruch auf Eingliederungsmassnahmen, soweit diese notwendig und geeignet sind, die Erwerbsfähigkeit wieder herzustellen, zu verbessern, zu erhalten oder ihre Verwertung zu fördern. Art. 18 Abs. 1 Satz 1 BGE 116 V 80 S. 81 IVG bestimmt, dass eingliederungsfähigen invaliden Versicherten nach Möglichkeit geeignete Arbeit vermittelt wird. Die Durchführung der Arbeitsvermittlung ist Aufgabe der Regionalstellen für berufliche Eingliederung ( Art. 63 Abs. 1 lit. b IVG ). Die im Zusammenhang mit dem Anspruch auf Arbeitsvermittlung relevante Invalidität besteht darin, dass der Versicherte bei der Suche nach einer geeigneten Arbeitsstelle aus gesundheitlichen Gründen Schwierigkeiten hat (MEYER-BLASER, Zum Verhältnismässigkeitsgrundsatz im staatlichen Leistungsrecht, Diss. Bern 1985, S. 190 f.). Eine drohende Invalidität bezüglich des Anspruchs auf Arbeitsvermittlung liegt vor, wenn in absehbarer Zeit mit dem Verlust der bisherigen Arbeitsstelle und mit nachfolgenden behinderungsbedingten Schwierigkeiten bei der Suche einer neuen Erwerbsmöglichkeit zu rechnen ist. Anders als im Rentenrecht ( Art. 28 Abs. 1 IVG ) nennt das Gesetz keinen Mindestgrad der Invalidität, damit Eingliederungsmassnahmen gewährt werden können. Aus dem Verhältnismässigkeitsgrundsatz ergibt sich aber, dass das Mass der für den Leistungsanspruch erforderlichen erwerblichen Beeinträchtigung in Relation zu dem mit einer bestimmten Eingliederungsmassnahme verbundenen finanziellen Aufwand stehen muss (MEYER-BLASER, a.a.O., S. 86 und S. 124 f.). Da die Arbeitsvermittlung keine besonders kostspielige Eingliederungsmassnahme darstellt, genügt zur Anspruchsbegründung bereits ein relativ geringes Mass an gesundheitlich bedingten Schwierigkeiten bei der Suche einer neuen Arbeitsstelle. b) Die Regionalstelle für berufliche Eingliederung ist davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer selber eine seiner Behinderung angepasste Arbeit suchen könne (Bericht vom 22. April 1988). Gestützt auf diese Beurteilung haben Ausgleichskasse und Vorinstanz den Anspruch auf Arbeitsvermittlung verneint, da sich der Beschwerdeführer aufgrund der allgemeinen Schadenminderungspflicht "primär" selbst um eine geeignete Arbeitsstelle zu bemühen habe. Damit haben sie sinngemäss das Vorliegen einer anspruchsbegründenden Invalidität in Abrede gestellt, weil der Beschwerdeführer zumutbarerweise in der Lage sei, die erwerbliche Beeinträchtigung selbst zu überwinden (vgl. BGE 113 V 28 Erw. 4 mit Hinweisen). Dieser Beurteilung kann vorliegend nicht beigepflichtet werden. Aus dem Gutachten der MEDAS vom 11. März 1988 ergibt sich, dass der Beschwerdeführer sowohl im angestammten Beruf als Schlosser als auch bei leichteren Tätigkeiten auf Rücksichtnahme BGE 116 V 80 S. 82 des Arbeitgebers angewiesen ist, da er weder schwere Gewichte heben noch dauernd in stereotyper Körperhaltung arbeiten kann. Die körperlich bedingten Einschränkungen in der Leistungsfähigkeit wirken sich bei den in Frage kommenden Tätigkeiten zweifellos negativ auf das Finden einer Arbeitsstelle aus. Als weiteres Erschwernis treten die von der MEDAS festgestellten Auffälligkeiten in der Persönlichkeit hinzu. Im Gegensatz zu Verwaltung und Vorinstanz kann daher nicht gesagt werden, der Beschwerdeführer sei in der Lage, die behinderungsbedingten Schwierigkeiten im Rahmen der Selbsteingliederung ohne weiteres selbst zu überwinden. Dies erschien auch den Gutachtern der MEDAS unwahrscheinlich, so dass sie die Mithilfe der Regionalstelle bei der Wiedereingliederung als notwendig erachteten. Die Richtigkeit dieser Einschätzung zeigt sich denn auch in der Erfolglosigkeit der getätigten Arbeitsbemühungen. Seit der Meldung bei der Arbeitslosenversicherung am 16. August 1988 bewarb sich der Beschwerdeführer bis am 31. Januar 1989 insgesamt 35mal um eine Ganztagesarbeit, wobei er erst im Dezember 1988 eine Teilzeitanstellung fand. Diese Entwicklung der tatsächlichen Verhältnisse nach Verfügungserlass am 11. August 1988, welche im vorliegenden Fall mitzuberücksichtigen ist, weil sie für die zurückliegende Zeit aussagekräftig ist ( BGE 99 V 102 mit Hinweisen), weist um so mehr auf behinderungsbedingte Schwierigkeiten bei der Stellensuche, als die vom Beschwerdeführer getätigten Arbeitsbemühungen in eine Zeit der Hochkonjunktur fielen. Die schwierige Vermittelbarkeit des Beschwerdeführers beruht somit wesentlich auch auf invaliditätsbedingten Gründen. 7. a) Es stellt sich allerdings die Frage, ob und inwieweit die Arbeitsvermittlung für einen bei der Arbeitslosenversicherung gemeldeten, vermittlungsfähigen Versicherten in die Zuständigkeit des Arbeitsamtes statt der Regionalstelle der Invalidenversicherung fällt. Weder das IVG noch das AVIG enthalten diesbezügliche Bestimmungen; die im Arbeitslosenversicherungsrecht enthaltenen Koordinationsregelungen ( Art. 15 Abs. 2 AVIG ; Art. 15 AVIV ) beziehen sich nur auf die Feststellung der Vermittlungsfähigkeit eines Versicherten, nicht aber auf die Zusammenarbeit der Verwaltungsorgane bei der Arbeitsvermittlung. Hingegen hat das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) im Kreisschreiben über die Eingliederungsmassnahmen beruflicher Art, gültig ab 1. Januar 1983, entsprechende Weisungen erlassen. Danach fällt BGE 116 V 80 S. 83 die Arbeitsvermittlung in den Zuständigkeitsbereich der Regionalstelle bei Versicherten (Rz. 64.2): "- deren Invalidität entweder besondere Einrichtungen am Arbeitsplatz erfordert oder denen voraussichtlich während der Einarbeitszeit IV-Taggelder gemäss Art. 20 IVV auszurichten sind; - die wegen eines Gesundheitsschadens bei der Vermittlung und der Einführung am neuen Arbeitsort einer besonderen Betreuung bedürfen, wie dies insbesondere für Geistesschwache und Psychischkranke der Fall sein kann; - die mit Hilfe der IV ausgebildet oder umgeschult werden, sofern sie nach den Vorschriften der Arbeitslosenversicherung nicht als vermittlungsfähig gelten. Dies ist insbesondere der Fall bei Behinderten, die ausschliesslich eine Tätigkeit in einer geschützten Werkstätte ausüben können". Hingegen ist die Arbeitsvermittlung gemäss Rz. 64.3 des erwähnten Kreisschreibens Sache der öffentlichen Arbeitsämter, an welche die betreffenden Versicherten durch die Regionalstelle zu weisen sind, bei: "- Arbeitslose(n) mit einem Gesundheitsschaden, bei denen die Vermittlungsfähigkeit ohne weiteres als gegeben erscheint und die (noch keine Leistungen der IV beziehen; - Personen mit einem Gesundheitsschaden, die von Arbeitslosigkeit bedroht sind; - arbeitslos gewordene(n) Invalide(n), die mit Hilfe der IV ausgebildet oder umgeschult wurden, sofern sie nach dieser Ausbildung nach den Vorschriften der Arbeitslosenversicherung vermittlungsfähig sind; - Personen, die zwar zum Teil arbeitsunfähig sind, jedoch nach den Vorschriften der IV keinen Anspruch auf Eingliederungsmassnahmen haben oder hatten und denen offensichtlich auch noch keine IV-Rente zusteht, beispielsweise weil eine langdauernde Krankheit noch nicht ausgewiesen ist (Wartezeit nicht abgelaufen); - Personen, die neben einer Leistung der IV (insbesondere halbe IV-Rente) eine Arbeitsvermittlung durch das Arbeitsamt benötigen". Sodann enthält die Wegleitung des BSV über Invalidität und Hilflosigkeit (WIH), gültig ab 1. Januar 1985, folgende, mit den vorstehenden weitgehend übereinstimmende Weisungen über die Zusammenarbeit der Invalidenversicherungs-Kommission mit Organen der Arbeitslosenversicherung (Rz. 23.5): "Die IV-Kommissionen sorgen für die erforderliche Koordination mit der ALV. Sie weisen folgende Versicherten sofort an die Arbeitsämter: - Personen, die offensichtlich nicht invalid, jedoch arbeitslos sind; - Personen, die zwar teilweise arbeitsunfähig sind, jedoch keinen >Anspruch auf Eingliederungsmassnahmen haben und denen offensichtlich auch noch keine Rente zusteht, beispielsweise weil die Wartezeit noch nicht abgelaufen ist (soweit sie nicht offensichtlich vermittlungsunfähig BGE 116 V 80 S. 84 sind); - Personen, die neben einer Leistung der IV (insbesondere halbe Rente) eine Arbeitsvermittlung durch das Arbeitsamt benötigen." b) Diese von der Aufsichtsbehörde erlassenen Weisungen sind keine Rechtsnormen. Sie sind wohl für die Durchführungsorgane, nicht aber für den Richter verbindlich. Die Weisungen sind eine im Interesse der gleichmässigen Gesetzesanwendung abgegebene Meinungsäusserung der sachlich zuständigen Aufsichtsbehörde. Der Richter soll sie bei seiner Entscheidung mitberücksichtigen, sofern sie eine dem Einzelfall angepasste und gerecht werdende Auslegung der anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen zulassen. Er weicht anderseits insoweit von Weisungen ab, als sie mit den anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen nicht vereinbar sind ( BGE 115 V 6 Erw. 1b, BGE 112 V 233 Erw. 2a mit Hinweisen). c) Die zitierten Weisungen des BSV beruhen auf dem Grundgedanken, dass die Arbeitsvermittlung in erster Linie Aufgabe der öffentlichen Arbeitsämter ist. Die Regionalstellen der Invalidenversicherung sollen nur bei zwei Kategorien von Versicherten zuständig sein, bei denen die Arbeitsvermittlung besondere Schwierigkeiten bietet; nämlich bei Versicherten, - deren Invalidität besondere Einrichtungen oder eine besondere Betreuung am Arbeitsplatz erfordert; - die trotz Ausbildung bzw. Umschulung zu Lasten der Invalidenversicherung arbeitslosenversicherungsrechtlich als vermittlungsunfähig gelten (Rz. 64.2 des Kreisschreibens über die Eingliederungsmassnahmen beruflicher Art). Die Vermittlung aller andern Versicherten hingegen soll durch das Arbeitsamt erfolgen. Diese Zuständigkeitsordnung ist richtig, soweit es sich um Versicherte handelt, die nicht oder nicht in anspruchsbegründendem Ausmass invalid bzw. von Invalidität bedroht sind. Diese Versicherten hat denn auch Rz. 23.5 Abs. 1 WIH im Auge; bei ihnen fällt nur eine Arbeitsvermittlung durch die kommunalen oder regionalen Arbeitsämter in Betracht. Hingegen erscheint es fragwürdig, die Vermittlung auch jener Versicherten ausschliesslich den Arbeitsämtern zuzuweisen, die sowohl invalid im Sinne von Art. 18 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 8 Abs. 1 IVG als auch arbeitslos oder von Arbeitslosigkeit bedroht sind. Die Arbeitsvermittlung ist in der Invalidenversicherung eine versicherte Leistung, auf deren Gewährung bei erfüllten Voraussetzungen ein durchsetzbarer Anspruch besteht. Demgegenüber ist die Arbeitsvermittlung in der Arbeitslosenversicherung keine versicherte BGE 116 V 80 S. 85 Leistungsart (vgl. Art. 7 AVIG ); der Arbeitslose hat keinen durchsetzbaren Anspruch auf Arbeitsvermittlung. Diese ist arbeitslosenversicherungsrechtlich lediglich eine Verwaltungsaufgabe der kantonalen Durchführungsorgane ( Art. 85 Abs. 1 lit. a AVIG ), und sie wird vom Bund als Präventivmassnahme durch Beiträge unterstützt ( Art. 74 und 75 AVIG ). Wird von den Organen der Arbeitslosenversicherung tatsächlich Arbeitsvermittlung gewährt, stellt sie für den Versicherten eine Last dar, welcher er sich im Rahmen der Schadenminderungspflicht nicht entziehen darf, ohne dass ihn die dafür vorgesehene Sanktion trifft (Art. 17 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 30 Abs. 1 lit. d AVIG ). Diese gegenüber der Invalidenversicherung völlig verschiedene Rechtsnatur der arbeitslosenversicherungsrechtlichen Arbeitsvermittlung beruht darauf, dass Invalidenversicherung und Arbeitslosenversicherung keine komplementären Versicherungszweige sind, deren Leistungen für ein und dasselbe versicherte Risiko einander notwendigerweise ergänzen würden; vielmehr erfolgt die Beurteilung der versicherten Leistung in jedem der beiden Versicherungszweige grundsätzlich unabhängig voneinander ( BGE 109 V 29 unten; ZAK 1984 S. 349 Erw. 2b; vgl. auch MEYER-BLASER, a.a.O., S. 101 f.). Durch die zitierten Verwaltungsweisungen wird die Arbeitsvermittlung invalider Versicherter Aufgabe eines Durchführungsorgans der Arbeitslosenversicherung. Dadurch verschiebt sich die gesetzliche Zuständigkeitsordnung in unzulässiger Weise, zumal die Arbeitsvermittlung durch das Arbeitsamt keine versicherte Leistung, sondern bloss ein faktisches Verwaltungshandeln darstellt, mit dem eine Schadenminderungspflicht des Versicherten und die für deren Verletzung vorgesehene Sanktion verknüpft sind. Die Übertragung der Zuständigkeit für die Arbeitsvermittlung an die Arbeitsämter lässt sich weder mit der materiellen noch mit der formellen Regelung des IVG vereinbaren. Mit dieser Kompetenzverschiebung ist weder Gewähr dafür geboten, dass der Anspruch auf Arbeitsvermittlung gemäss Art. 18 Abs. 1 IVG tatsächlich erfüllt wird, noch sind die Arbeitsämter in der Lage, die Arbeitsvermittlung in gleich sachgerechter, der Behinderung des einzelnen Versicherten adäquater Weise zu gewähren, wie es mit der Zuständigkeit der Regionalstellen der Invalidenversicherung gemäss Art. 63 Abs. 1 lit. b IVG bezweckt wird. Insofern sind die erwähnten Verwaltungsweisungen nicht gesetzeskonform. BGE 116 V 80 S. 86 d) Da im vorliegenden Fall die invaliditätsbedingte Notwendigkeit für Arbeitsvermittlung besteht (Erw. 6b), ist die Ablehnung dieser Eingliederungsleistung gesetzwidrig.
null
nan
de
1,990
CH_BGE
CH_BGE_007
CH
Federation
df6aa200-eedc-4494-bb9c-a032a8f2658d
Urteilskopf 110 Ib 196 33. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit public du 24 septembre 1984 dans la cause Administration cantonale de la taxe militaire du canton de Neuchâtel contre Tribunal administratif du canton de Neuchâtel et Claude Fontaine (recours de droit administratif)
Regeste Legitimation zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde ( Art. 103 OG ). Eine kantonale Militärpflichtersatzbehörde ist nicht befugt gegen den Entscheid einer kantonalen Rekursbehörde Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu erheben.
Erwägungen ab Seite 196 BGE 110 Ib 196 S. 196 Extrait des considérants: 2. Aux termes de l' art. 103 OJ , la qualité pour former un recours de droit administratif appartient à "quiconque est atteint par la décision attaquée et a un intérêt digne de protection à ce qu'elle soit annulée ou modifiée" (lettre a), au "département compétent lorsque le droit fédéral le prévoit ..." (lettre b), et à "toute autre personne, organisation ou autorité à laquelle la législation fédérale accorde le droit de recours" (lettre c). Les lettres b et c de l' art. 103 OJ ne sauraient s'appliquer en l'espèce, parce que l'Administration cantonale de la taxe militaire du canton de Neuchâtel n'est pas une autorité fédérale (lettre b; ATF 108 Ib 208 et les arrêts cités) et qu'aucune règle spéciale de droit fédéral ne donne le droit de recourir à l'autorité cantonale de perception en matière de taxe militaire (lettre c). Dès lors, seule pourrait entrer en ligne de compte la disposition de la lettre a. BGE 110 Ib 196 S. 197 Selon la jurisprudence, cette disposition ne concerne pas les autorités ou les collectivités publiques, sauf dans les cas où elles ont, comme un simple particulier, un intérêt propre et digne de protection à ce que cette décision soit annulée ou modifiée ( ATF 108 Ib 207 , 170 consid. 2a et les arrêts cités, ATF 107 Ib 173 consid. 2a). Il a ainsi été admis que l'Administration cantonale de l'impôt fédéral direct pouvait former un recours de droit administratif contre les décisions prises par la Commission cantonale de recours ( ATF 108 Ib 228 consid. 1a et les arrêts cités), le canton étant directement touché dans ses intérêts fiscaux dans la mesure où il reçoit le 30% de cet impôt ( art. 136 al. 1 AIFD ; ATF 98 Ib 279 ). Aucune disposition équivalente n'existe en matière de taxe militaire. Il s'agit d'une taxe fédérale que les cantons doivent verser à la Confédération, après déduction d'une commission de perception qui tend uniquement à couvrir les frais ( art. 45 al. 1 LTM ). Les cantons n'étant ainsi chargés que de la perception ( art. 22 LTM ), ils ne sont pas directement touchés dans leurs intérêts patrimoniaux. Enfin, la lettre b ou c de l' art. 103 OJ ne s'appliquant pas à la recourante, celle-ci ne peut - en qualité d'autorité inférieure désavouée - invoquer l'intérêt public à une application correcte et uniforme du droit fédéral ( ATF 108 Ib 207 /208 et les arrêts cités, 108 Ib 170). Faute de qualité pour recourir, le recours de l'Administration cantonale formé contre le jugement du Tribunal administratif neuchâtelois - agissant comme Commission cantonale de recours - est irrecevable.
public_law
nan
fr
1,984
CH_BGE
CH_BGE_003
CH
Federation
df6c861c-563d-4ff1-b056-9e407f31a376
Urteilskopf 120 V 121 16. Urteil vom 14. April 1994 i.S. Christlich-Soziale der Schweiz (CSS) gegen Z. und Versicherungsgericht des Kantons Zürich
Regeste Art. 12 Abs. 2 KUVG , Art. 21 Abs. 1 Vo III. Pflichtleistungscharakter in bezug auf eine im Universitätsspital Zürich durchgeführte Lebertransplantation bejaht, obwohl daselbst im Jahr zuvor nur sechs derartige Eingriffe ausgeführt wurden und insofern die im Beschluss der Eidg. Fachkommission (sowie nunmehr in der Vo 9 des EDI) erwähnte Mindestfrequenz nicht erfüllt war.
Sachverhalt ab Seite 121 BGE 120 V 121 S. 121 A.- Z. (geb. 1953) ist seit 1978 Mitglied der Christlich-Sozialen der Schweiz (nachfolgend: CSS oder Kasse) und bei dieser u. a. der Krankenpflege-, der Spitalzusatz- und der kombinierten Spitalversicherung (halbprivate Abteilung) angeschlossen. Nachdem sich der Versicherte am 3. Februar 1992 im Universitätsspital Zürich einer Lebertransplantation unterziehen musste, verfügte die CSS am 12. Oktober 1992, dass dafür kein Anspruch auf Versicherungsleistungen BGE 120 V 121 S. 122 bestehe. Zur Begründung führte sie sinngemäss an, dass im betreffenden Spital während des Jahres 1991 lediglich sechs derartige Eingriffe durchgeführt worden seien, womit es an der für die Anerkennung als Pflichtleistung vorausgesetzten Mindestmenge fehle. B.- Das Versicherungsgericht des Kantons Zürich hiess die dagegen erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 27. April 1993 gut, indem es die CSS in grundsätzlicher Hinsicht verpflichtete, im Zusammenhang mit der am 3. Februar 1992 durchgeführten Lebertransplantation die versicherten Leistungen zu erbringen. Soweit indes mit der Beschwerde zugleich die Zusprechung eines bezifferten Betrages beantragt worden war, trat das Gericht mangels Anfechtungsobjekts nicht darauf ein. C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die CSS die Aufhebung des kantonalen Gerichtsentscheides. Z. schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während das Bundesamt für Sozialversicherung auf eine Stellungnahme verzichtet. Auf die Begründung des angefochtenen Gerichtsentscheides und der Anträge wird, soweit erforderlich, in den Erwägungen eingegangen. Erwägungen Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 1. a) Die Leistungen der Krankenpflegeversicherung haben nach Art. 12 Abs. 2 KUVG u. a. die ärztliche Behandlung zu umfassen. Die zur gesetzlichen Pflichtleistung gehörende ärztliche Behandlung umfasst gemäss Art. 21 Abs. 1 Vo III über die Krankenversicherung die vom Arzt vorgenommenen wissenschaftlich anerkannten diagnostischen und therapeutischen Massnahmen. Ferner schreibt die zitierte Verordnungsbestimmung in der seit dem 1. Januar 1986 geltenden Fassung vor, dass diese Massnahmen zweckmässig und wirtschaftlich sein sollen. Diese Grundsätze gelten sowohl bei ambulanter Behandlung als auch bei Behandlung in einer Heilanstalt ( BGE 118 V 109 Erw. 2 mit Hinweisen). Nach der Rechtsprechung gilt eine Behandlungsmethode dann als wissenschaftlich anerkannt, wenn sie von Forschern und Praktikern der medizinischen Wissenschaft auf breiter Basis anerkannt ist. Entscheidend sind dabei das Ergebnis der Erfahrungen und der Erfolg einer bestimmten Therapie ( BGE 119 V 28 Erw. 3a mit Hinweisen). BGE 120 V 121 S. 123 Ist umstritten, ob eine diagnostische oder therapeutische Massnahme wissenschaftlich, zweckmässig und wirtschaftlich ist, so entscheidet das Eidg. Departement des Innern (EDI) nach Anhören der Eidg. Fachkommission für allgemeine Leistungen der Krankenversicherung, ob die Massnahme als Pflichtleistung von den Krankenkassen übernommen werden muss ( Art. 12 Abs. 5 KUVG in Verbindung mit Art. 21 Abs. 2 Vo III). Die Meinungsäusserungen dieser Kommission sind für den Richter grundsätzlich nicht verbindlich. Wenn es allerdings darum geht, einen Sachverhalt zu würdigen, der ausschliesslich medizinische Überlegungen beschlägt, so ist der Richter im allgemeinen nicht in der Lage zu beurteilen, ob die Schlussfolgerungen der Fachleute stichhaltig sind. Er muss sich deshalb deren Meinung anschliessen, sofern sie nicht unhaltbar scheint ( BGE 119 V 31 Erw. 4b mit Hinweisen). b) Am 31. August 1989 unterstellte die Eidg. Fachkommission die Lebertransplantation ebenso wie die Herztransplantation den Pflichtleistungen der anerkannten Krankenkassen, erstere jedoch nur unter der Voraussetzung, dass sie in einem Zentrum durchgeführt wird, das über die nötige Infrastruktur und Erfahrung verfügt (Mindesthäufigkeit: 10-15 Lebertransplantationen pro Jahr). Für die Lungentransplantation, die kombinierte Herz-Lungen-Transplantation und die Transplantation der Bauchspeicheldrüse wurde der Pflichtleistungscharakter verneint (RKUV 1990 S. 35 f.). Dieser Beschluss wurde am 23. Dezember 1992, mithin nach Erlass der dem vorliegenden Verfahren zugrunde liegenden Verfügung, auf den 1. Januar 1993 in den Anhang der Verordnung 9 des EDI über die Leistungspflicht der anerkannten Krankenkassen für bestimmte diagnostische und therapeutische Massnahmen (Ziff. 1.2 "Transplantationschirurgie") aufgenommen (AS 1993 I S. 351 ff.). 2. Nach dem Gesagten steht ausser Frage, dass die Lebertransplantation als wissenschaftliche Heilmethode anerkannt ist. Mit Recht wird denn auch in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nichts Gegenteiliges behauptet, weshalb sich weitere Ausführungen hiezu erübrigen. Streitig und zu prüfen ist indes, wie es sich mit den Vorbehalten gemäss dem - nunmehr vom EDI in den Anhang der Verordnung 9 überführten - Beschluss der Eidg. Fachkommission vom 31. August 1989 verhält, wonach die Lebertransplantation - um als Pflichtleistung anerkannt zu werden - in einem Zentrum durchgeführt werden muss, das über die nötige Infrastruktur und Erfahrung verfügt. Dabei geht es namentlich darum, ob sich die von der beschwerdeführenden Kasse vertretene Auffassung halten lässt, wonach diese BGE 120 V 121 S. 124 qualitative Voraussetzung ausschliesslich nach der Zahl der durchgeführten Eingriffe zu beurteilen, mithin die verlangte Mindesthäufigkeit von jährlich 10-15 Lebertransplantationen gleichsam als Leistungsvoraussetzung zu werten ist. 3. Ausgehend von einem Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts, wonach die relative Seltenheit von Herztransplantationen in der Schweiz nicht als taugliches Kriterium gelten kann, um diese wissenschaftlich anerkannte Operation von den Pflichtleistungen auszuschliessen ( BGE 114 V 258 , 264 Erw. 4c/aa), ist die Vorinstanz zur Auffassung gelangt, dass das Unterschreiten einer bestimmten jährlichen Mindestzahl in einer die erforderliche Infrastruktur und Erfahrung aufweisenden Klinik kein Grund darstelle, um die Leistungspflicht der Krankenkasse zu verneinen. Dass das Universitätsspital Zürich nicht nur über die nötigen Einrichtungen, sondern auch über beträchtliche Erfahrungen auf dem fraglichen Gebiet verfüge, werde nicht bestritten, und es sei nicht einsehbar, weshalb die erworbenen Fertigkeiten nicht mehr vorhanden sein sollten, wenn das von der Eidg. Fachkommission festgelegte Minimum an Operationen in einem bestimmten Jahr (mangels Nachfrage oder Angebotes an Spenderlebern) nicht mehr erreicht werde. In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird dagegen im wesentlichen eingewendet, dass sich die Lebertransplantation als besonders schwieriger Eingriff nicht einfach mit Herz- oder anderen Organverpflanzungen vergleichen lasse. Die beteiligten Ärzte müssten über hinreichende Erfahrung verfügen, weshalb eine minimale Anzahl von Transplantationen unerlässlich sei. Da im Universitätsspital Zürich 1991 (und 1992) lediglich sechs solche Eingriffe durchgeführt worden seien, erfordere es einen viel grösseren Aufwand, um den Erfolg zu gewährleisten, was der gebotenen Wirtschaftlichkeit zuwiderlaufe. 4. a) Den Akten lässt sich entnehmen, dass im Universitätsspital Zürich bis Ende 1992 insgesamt 41 Lebertransplantationen durchgeführt worden waren, mithin etwas weniger als am HCUG Genf (46), indes bedeutend mehr als am Berner Inselspital (25) und am CHUV Lausanne (11). Ferner geht aus mehreren beigezogenen Rundschreiben (Nrn. 28/1991, 20/1992 und 17/1993) des Konkordates der Schweizerischen Krankenkassen hervor, dass es im Universitätsspital Zürich zwischen Januar 1989 und 1990 zu genau zehn Lebertransplantationen kam, 1990 zu acht und im Folgejahr sowie 1992 noch zu sechs derartigen Eingriffen, womit die im betreffenden Spital durchgeführten Lebertransplantationen zwar ab 1. Februar 1990, jedoch nicht BGE 120 V 121 S. 125 mehr ab 1. Januar 1992 als Pflichtleistungen anerkannt waren (für die Situation nach Verfügungserlass vgl. sodann das KSK-Rundschreiben Nr. 6/1994, wonach Lebertransplantationen am Universitätsspital Zürich ab dem 1. Dezember 1993 wiederum als Pflichtleistungen gelten). Einem Bericht des Schweizerischen Instituts für Gesundheits- und Krankenhauswesen (SKI) vom März 1989 kann endlich entnommen werden, dass sich die "realisierbare Transplantationshäufigkeit" wegen des begrenzten Spenderangebotes für die ganze Schweiz auf jährlich 30 bis maximal 70 Eingriffe beläuft. b) Aufgrund des Beschlusses der Eidg. Fachkommission, die Lebertransplantation unter bestimmten Voraussetzungen als Pflichtleistung anzuerkennen, steht fest, dass die Wirtschaftlichkeit solcher Eingriffe nicht generell - unter Berufung auf die dadurch bedingten hohen Kosten - verneint wird. Dies zu Recht, müssen doch die Krankenkassen auch kostspielige Massnahmen übernehmen, wenn entweder überhaupt keine andere oder jedenfalls keine kostengünstigere Methode zur Verfügung steht und die Massnahme sich unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismässigkeit noch rechtfertigen lässt ( BGE 114 V 160 Erw. 4b in fine, 168 Erw. 4 und 265 Erw. 4c/cc, je mit Hinweisen). Das Bestreben der Eidg. Fachkommission und des verordnungsgebenden Departements scheint vielmehr dahin zu gehen, derart anspruchsvolle, jedoch eher seltene Eingriffe nur durch wenige, entsprechend eingerichtete Leistungszentren ausführen zu lassen, die sich personell und instrumentell jederzeit in der Lage sehen, den verlangten qualitativen Anforderungen zu genügen. Eine solche Konzentration wirkt sich auf die Erfahrung der beteiligten Zentren zweifellos förderlich aus. Darüber hinaus mag sie aus gesundheits- und spitalpolitischer Sicht insofern als sinnvoll erscheinen, als Operationen der hier in Frage stehenden Art nebst besonders geschulten Fachkräften ein hohes Mass an technischem Aufwand voraussetzen, mithin nach einer Infrastruktur verlangen, die nicht allenthalben verfügbar sein kann. So gesehen besteht mit der verlangten Mindesthäufigkeit von jährlich 10 bis 15 Lebertransplantationen und der damit bezweckten Konzentration durchaus ein gewisser Bezug zum krankenversicherungsrechtlichen Gebot der wirtschaftlichen Behandlungsweise ( Art. 23 KUVG ). c) Es besteht kein Anlass, die für die Anerkennung der Lebertransplantation als Pflichtleistung verlangte qualitative Voraussetzung (Durchführung in einem Zentrum mit der nötigen Infrastruktur und Erfahrung) in Zweifel zu BGE 120 V 121 S. 126 ziehen, und zwar selbst dann nicht, wenn die Stellungnahme der Eidg. Fachkommission in dieser Hinsicht nicht auf streng medizinischen Überlegungen beruhen mag (vgl. BGE 119 V 31 Erw. 4b mit Hinweisen). Anders verhält es sich freilich mit der von der beschwerdeführenden Kasse - anscheinend im Verein mit dem Konkordat der Schweizerischen Krankenkassen (vgl. die erwähnten KSK-Rundschreiben) - vertretenen Lesart des fraglichen Fachkommissionsbeschlusses, wonach es an der erforderlichen Infrastruktur und Erfahrung eines Zentrums stets dann gebrechen soll, wenn darin pro Jahr nicht mindestens 10 bis 15 Lebertransplantationen ausgeführt werden. Denn ob die genannte qualitative Voraussetzung erfüllt ist, kann - wie die Vorinstanz treffend ausgeführt hat - nicht entscheidend von der Anzahl der durchgeführten Eingriffe abhängig gemacht werden, wobei sich gerade auch die Anknüpfung an die Verhältnisse im Vorjahr als fragwürdig erweist. Eine solche Auslegung lässt sich weder mit dem zuvor angesprochenen Wirtschaftlichkeitsgebot noch mit Zweckmässigkeitsüberlegungen anderer Art rechtfertigen. Sie erscheint jedenfalls dann als unhaltbar und geradezu willkürlich, wenn eine Klinik - wie im vorliegenden Fall das Universitätsspital Zürich - der verlangten Anzahl während einer gewissen Zeit sogar genügt hatte. Unter diesen Umständen kann es namentlich aus Sicht der für die soziale Krankenversicherung wesentlichen Grundsätze der Gleichbehandlung und Gegenseitigkeit ( BGE 115 V 393 Erw. 4b, 113 V 298 Erw. 2 mit weiteren Hinweisen; vgl. ferner MAURER, Bundessozialversicherungsrecht, 1993, § 12 B I 1c, S. 254) nicht angehen, dass später ausgeführte Lebertransplantationen - ohne dass sich hinsichtlich Infrastruktur oder personeller Besetzung des betroffenen Zentrums irgendwelche wesentlichen Änderungen ergeben hätten - einzig deshalb nicht mehr als Pflichtleistungen anerkannt werden, weil die erforderliche Mindestzahl im Jahr zuvor unerreicht geblieben war. Davon abgesehen geht mit festen numerischen Grenzen der hier in Frage stehenden Art zwangsläufig die Gefahr des Missbrauchs einher - zumal dann, wenn damit ein sich auf das Ansehen der Klinik auswirkendes Qualitätsurteil verbunden wird -, weshalb sich das Konkordat der Schweizerischen Krankenkassen offenbar auch veranlasst sieht, die medizinische Indikation der vorgenommenen Eingriffe jeweilen durch eine vertrauensärztliche Delegation zu überprüfen. 5. Nach dem Gesagten und nachdem weder dargetan noch ersichtlich ist, dass das Universitätsspital Zürich den verlangten qualitativen BGE 120 V 121 S. 127 Anforderungen im hier fraglichen Zeitraum konkret nicht genügt hätte, hält der angefochtene Gerichtsentscheid stand. 6. Soweit im Rahmen der Beschwerdeantwort das bereits im vorinstanzlichen Verfahren gestellte (bezifferte) Leistungsbegehren erneuert wird, kann darauf nicht eingetreten werden, nachdem das Institut der Anschlussbeschwerde dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren fremd ist ( BGE 114 V 245 Erw. 4 mit Hinweisen) und eine spezialgesetzliche Ausnahme für den Bereich der Krankenversicherung nicht besteht. Insofern wäre der Beschwerdegegner gehalten gewesen, den vorinstanzlichen Nichteintretensentscheid seinerseits mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde anzufechten.
null
nan
de
1,994
CH_BGE
CH_BGE_007
CH
Federation
df6e30fa-ef35-4816-b1c5-086eb74cb675
Urteilskopf 105 Ib 416 61. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 11. September 1979 i.S. Depositen- und Effektenbank AG gegen Staatsanwaltschaft und Obergericht des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste Internationale Rechtshilfe in Strafsachen. Europäisches Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. April 1959. Entsiegelung von im Rahmen eines Rechtshilfeverfahrens beschlagnahmten Akten. Verhältnis zwischen Entsiegelungsverfahren und Rechtshilfeverfahren im Kanton Zürich.
Sachverhalt ab Seite 416 BGE 105 Ib 416 S. 416 Die Staatsanwaltschaft Mannheim führt gegen verschiedene deutsche Staatsangehörige ein Ermittlungsverfahren wegen Betrugs. Im Rahmen dieses Verfahrens ersuchte sie die Eidg. Polizeiabteilung um Durchsuchung der Geschäftsräume der Depositen- und Effektenbank AG in Zürich (DEB) sowie um Beschlagnahme und Herausgabe aufgefundener Geschäftsunterlagen in bezug auf verschiedene Firmen. Der zuständige Zürcher Bezirksanwalt beschlagnahmte daraufhin in analoger Anwendung der kantonalen Strafprozessordnung (StPO) bei der DEB über 600 abgelichtete Aktenstücke, die er anschliessend auf Begehren der Bank versiegelte ( § 101 StPO ). Gleichzeitig BGE 105 Ib 416 S. 417 lud er die Staatsanwaltschaft Mannheim ein, das Rechtshilfeersuchen rechtsgenügend zu ergänzen. In der Folge stellte die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich stellvertretend für die Staatsanwaltschaft Mannheim bei der Anklagekammer des Obergerichts des Kantons Zürich das Gesuch um Entsiegelung, welchem die Anklagekammer mit Beschluss vom 23. November 1978 stattgab. Sie ordnete an, dass die versiegelten Akten von ihr geöffnet und durchgesehen würden und die DEB der Entsiegelung beiwohnen könne, damit die mit dem Rechtshilfegesuch in keinem Zusammenhang stehenden Akten an sie herausgegeben werden könnten. Gleichzeitig wies sie einen Antrag der DEB auf Sistierung des Entsiegelungsverfahrens bis nach rechtskräftigem Entscheid über Gewährung oder Verweigerung der Rechtshilfe ab. Gegen diesen Beschluss erhob die DEB beim Obergericht des Kantons Zürich Rekurs, der am 16. Januar 1979 abgewiesen wurde. Das Bundesgericht weist eine gestützt auf das Europäische Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. April 1959 (SR 0.351.1; EÜR) und Art. 4 BV erhobene staatsrechtliche Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt. Erwägungen Aus den Erwägungen: 4. a) Aus einem grundsätzlichen Entscheid des Obergerichts des Kantons Zürich vom 20. September 1977 (ZR 76/1977 Nr. 74), auf welchen sich auch der angefochtene Entscheid stützt, ergibt sich, dass die mit dem Entsiegelungsverfahren befassten gerichtlichen Behörden lediglich den Zwischenentscheid über die Entsiegelung zu fällen haben, hingegen nicht auch darüber zu befinden haben, ob dem Rechtshilfeersuchen zu entsprechen sei. Vielmehr bleibt es Aufgabe der zuständigen Untersuchungsbehörde, nach der Entsiegelung zu prüfen, ob das Rechtshilfegesuch hinreichend ergänzt worden ist, ob Rechtshilfe namentlich unter dem Gesichtspunkt des Art. 2 lit. a EÜR gewährt werden muss und ob die entsiegelten Akten den ausländischen Strafuntersuchungsbehörden nach den in Art. 3 des BB über die Genehmigung von sechs Übereinkommen des Europarats vom 27. September 1966 (AS 1967, 805) festgehaltenen Vorbehalten ausgehändigt werden können. b) Das von den Zürcher Strafbehörden bzw. dem Obergericht gewählte Vorgehen wäre fragwürdig, wenn dadurch die BGE 105 Ib 416 S. 418 ausländische Behörde, die nach Art. 4 EÜR die Teilnahme an den in der Schweiz vorgenommenen Untersuchungshandlungen verlangen kann, Kenntnis vom Inhalt der Unterlagen erhielte, bevor feststünde, ob das Rechtshilfeverfahren begründet ist. Gegen eine solche Gefahr bestehen indessen hinreichende Garantien. Im Entsiegelungsverfahren vor der Anklagekammer, in welchem es darum geht zu entscheiden, ob die Durchsuchung der Papiere der Untersuchungsbehörde bewilligt werden kann, ist eine Gefahr von vornherein ausgeschlossen. Denn der Entsiegelung kann nur der Einsprecher beiwohnen; ferner sind die Mitglieder der Anklagekammer, die dabei die Akten durchsehen, an das Amtsgeheimnis gebunden. Nach der Entsiegelung bleibt es Aufgabe der zuständigen Untersuchungsbehörde zu prüfen, ob das Rechtshilfegesuch hinreichend ergänzt worden ist. Allenfalls können die Betroffenen eine solche Ergänzung von der Untersuchungsbehörde verlangen bzw. entsprechende Einwendungen erheben (vgl. BGE 103 Ia 214 E. 7). Im übrigen ist bei der Durchsuchung durch die Untersuchungsbehörde § 102 Abs. 1 StPO zu beachten. Danach ist die Durchsuchung mit möglichster Schonung der Privatgeheimnisse vorzunehmen (ZR 76/1977 Nr. 74 E. 3; RASCH, Die Beschlagnahme von Beweismitteln im Gewahrsam Dritter im schweizerischen Strafprozess, Diss. Zürich 1975, S. 46 f.). Die Untersuchungsbehörde kann daher auf jeden Fall die nötigen Massnahmen vorkehren, damit allfällige ausländische Behördevertreter vom Inhalt der Unterlagen nicht in einer Weise Kenntnis erhalten, die ihnen erlauben würde, die Angaben für ihre Ermittlungen zu verwenden, auch wenn die Akten im Rechtshilfeverfahren nicht herausgegeben werden.
public_law
nan
de
1,979
CH_BGE
CH_BGE_003
CH
Federation
df6ef79c-cae2-476b-b351-9f94f141fba5
Urteilskopf 117 II 415 77. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 10. Dezember 1991 i.S. U. und Y. Z. gegen M. (Berufung)
Regeste Art. 272a Abs. 1 lit. a OR . Ausschluss der Mieterstreckung. Der Erstreckungsausschluss wegen Zahlungsrückstand des Mieters setzt eine gültige, bei Familienwohnungen überdies dem Ehegatten des Mieters separat zugestellte ( Art. 266n OR ) Fristansetzung mit Kündigungsandrohung nach Art. 257d OR voraus (E. 3-5). Der Erstreckungsausschluss kommt indessen auch zugunsten desjenigen Vermieters zum Tragen, der nicht von seinem Recht zur vorzeitigen Vertragsauflösung Gebrauch gemacht, sondern erst auf den nächsten ordentlichen Termin hin gekündigt hat (E. 4).
Sachverhalt ab Seite 415 BGE 117 II 415 S. 415 A.- Im Mai 1989 mietete U. Z. eine Wohnung im Mehrfamilienhaus des M. in Amriswil. Der Mietvertrag war kündbar auf Ende März, Ende Juni und Ende September mit einer Frist von drei Monaten. M. machte Z. und seine Frau wiederholt auf Zinsrückstände aufmerksam. Mit Brief vom 13. Januar 1991 forderte er die beiden auf, bis zum 24. Januar 1991 ausstehende Mietzinse und Nebenkosten zu bezahlen, andernfalls er das Inkasso einleite und die gerichtliche Ausweisung verlange. Am 20. Februar 1991 folgte ein weiterer Brief, in dem die Eheleute Z. erneut zur Zahlung offener Beträge bis zum 1. März 1991 aufgefordert wurden unter Hinweis darauf, dass der Vermieter sonst rechtliche Schritte unternehme. Am 8. März 1991 kündigte M. den Mietvertrag auf Ende Juni 1991. BGE 117 II 415 S. 416 B.- Die Eheleute Z. (Kläger) verlangten Mieterstreckung um zwei Jahre, die von der Schlichtungsbehörde Amriswil, vom Gerichtspräsidium Bischofszell und schliesslich mit Entscheid vom 22. Juli 1991 von der Rekurskommission des Thurgauer Obergerichts verweigert wurde. Dagegen führen die Kläger mit Erfolg Berufung beim Bundesgericht. Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Gemäss Art. 272a Abs. 1 lit. a OR des vorliegend anwendbaren neuen Mietrechts (Art. 5 SchlB zu Tit. VIII und VIIIbis OR) ist die Erstreckung ausgeschlossen bei Kündigungen, die der Vermieter "wegen Zahlungsrückstand des Mieters (Art. 257d)" ausgesprochen hat. Unter dem Randtitel "Zahlungsrückstand des Mieters" sieht Art. 257d OR vor, dass der Vermieter von Wohn- und Geschäftsräumen unbekümmert um die vertraglichen und gesetzlichen Fristen und Termine, die für ordentliche Kündigungen gelten, mit einer Frist von mindestens 30 Tagen auf Monatsende kündigen kann, nachdem er den Mieter erfolglos zur Zahlung fälliger Mietzinse oder Nebenkosten innert einer Frist von mindestens 30 Tagen aufgefordert hat. Diese Aufforderung muss schriftlich erfolgt sein und neben der Fristansetzung die Androhung enthalten haben, dass bei unbenütztem Fristablauf das Mietverhältnis gekündigt werde. Dient die vermietete Sache als Wohnung der Familie ( Art. 266m Abs. 1 OR ), so hat der Vermieter nicht nur die Kündigung, sondern schon die Fristansetzung mit Kündigungsandrohung dem Mieter und seinem Ehegatten separat zuzustellen ( Art. 266n OR ). Die Formalitäten, die gemäss Art. 257d OR einer vorzeitigen Kündigung wegen Zahlungsrückstand hätten vorausgehen müssen, sind vom Beklagten, der den Mietvertrag erst auf den ordentlichen Termin des 30. Juni 1991 hin gültig aufgelöst hat, nicht eingehalten worden. Denn weder sein Brief vom 13. Januar 1991 noch derjenige vom 20. Februar 1991 enthält eine Zahlungsfrist von mindestens 30 Tagen und die vom Gesetz vorgeschriebene Androhung; ob diese Briefe der Ehefrau des Mieters ausserdem separat zugestellt worden sind, geht aus dem Urteil der Rekurskommission nicht hervor, kann jedoch offenbleiben, weil der Beklagte jedenfalls die anderen Formalitäten nicht beachtet hat. Trotzdem hält die Rekurskommission die von den Klägern verlangte Erstreckung aufgrund von Art. 272a Abs. 1 lit. a OR für BGE 117 II 415 S. 417 ausgeschlossen und prüft daher nicht, ob die auf Ende Juni 1991 ausgesprochene Kündigung für die Kläger eine Härte zur Folge habe, die nach Art. 272 OR eine Erstreckung rechtfertigen würde. Laut Vorinstanz beschränkt sich nämlich der Erstreckungsausschluss nach Art. 272a Abs. 1 lit. a OR nicht auf diejenigen Fälle, wo ein Vermieter den Vertrag unter Beobachtung der Formalitäten des Art. 257d OR wegen Zahlungsrückstand des Mieters auflöse. Vielmehr müsse jeder Zahlungsrückstand, der ein "vernünftiges Mittelmass" überschreite, als "rechtlich erheblich" gelten und daher einer Erstreckung entgegenstehen. 4. Von den Klägern zu Recht nicht beanstandet wird der angefochtene Entscheid insoweit, als die Rekurskommission den Ausschlussgrund des Zahlungsverzugs nach Art. 272a Abs. 1 lit. a OR nicht auf Fälle beschränkt, wo der gesetzeskonformen Fristansetzung mit Kündigungsandrohung auch tatsächlich eine ausserordentliche Kündigung folgt. Den Ausschluss nicht mehr beanspruchen könnte sonst derjenige Vermieter, der aus Nachsicht oder im Bestreben, Auseinandersetzungen und leerstehende Wohnungen zu vermeiden, trotz erfolgloser Fristansetzung und Androhung nicht vorzeitig kündigt, sondern den nächsten ordentlichen Termin abwartet (SVIT-KOMMENTAR MIETRECHT, N. 5 f. zu Art. 272a OR ; LACHAT/STOLL, Das neue Mietrecht für die Praxis, 2. A. 1991, S. 359 Fn. 8; THANEI, Die Erstreckung des Mietverhältnisses, S. 11; RONCORONI, Der Kündigungsschutz bei der Miete von Wohn- und Geschäftsräumen, in: Hangartner, Das neue Mietrecht, Veröffentlichungen des Schweizerischen Instituts für Verwaltungskurse an der Hochschule St. Gallen, Neue Reihe Bd. 33, S. 111 ff., 154). Hätte der Beklagte daher die Formalitäten der vorzeitigen Kündigung wegen Zahlungsrückstand eingehalten, so wäre ihm die Berufung auf den Ausschlussgrund des Art. 272a Abs. 1 lit. a OR nicht bereits deswegen verwehrt, weil er trotzdem ordentlich auf Ende Juni 1991 gekündigt hat. Zu prüfen ist jedoch, ob der Erstreckungsausschluss deshalb nicht zum Tragen kommen kann, weil die in Art. 257d OR vorgeschriebene Fristansetzung mit Kündigungsandrohung unterblieben ist, wie die Kläger in der Berufung geltend machen. 5. Vor der Gesetzesrevision brauchten keine besonderen Formalitäten beachtet zu werden. Permanenter Zahlungsrückstand des Mieters genügte, um die Erstreckung aufgrund von Art. 267c aOR auszuschliessen (zuletzt nicht publiziertes Urteil der I. Zivilabteilung vom 9. März 1989 i.S. L. AG gegen W., E. 3c; BGE 117 II 415 S. 418 THANEI, a.a.O. und Fn. 42 mit weiteren Hinweisen auf Lehre und Rechtsprechung). Diese Vorschrift beschränkte die Unzulässigkeit der Erstreckung denn auch nicht auf bestimmt umschriebene Tatbestände, sondern enthielt eine beispielhafte Aufzählung von zum Teil allgemeinen Ausschlussgründen. So war die Erstreckung "insbesondere" dann unzulässig, wenn der Mieter zu berechtigten Klagen Anlass gegeben hatte, was namentlich dann zutraf, wenn er trotz schriftlicher Mahnung vertragliche Abmachungen verletzt hatte (Art. 267c lit. a aOR). Als weitere Ausschlussgründe nannte das Gesetz den Fall der betriebseigenen Wohnung (Art. 267c lit. b aOR) und den Eigenbedarf des Vermieters (Art. 267c lit. c aOR). Unter welchen Voraussetzungen die Erstreckung nach der neuen Vorschrift des Art. 272a OR ausgeschlossen ist, muss durch Gesetzesauslegung ( BGE 116 II 578 mit Hinweisen) ermittelt werden: a) Zwar bestimmt Art. 272a Abs. 1 lit. a OR nach seinem Wortlaut nicht ausdrücklich, dass die Erstreckung nur zugunsten desjenigen Vermieters ausgeschlossen ist, der die Formalitäten für eine vorzeitige Kündigung nach Art. 257d OR einhält. Indessen zeigt die Übernahme des Randtitels von Art. 257d OR und der Verweis auf diese Vorschrift, dass die Auffassung des Beklagten, wonach für den Ausschluss jeder Zahlungsrückstand ausreiche, nicht zutreffen kann. Denn hätte die Bezugnahme auf Art. 257d OR bloss den Zweck, den Begriff des Zahlungsrückstandes zu umschreiben, wie sowohl die Vorinstanz als auch der Beklagte annehmen, so wäre sie überflüssig und ausserdem untauglich. Art. 257d OR enthält nämlich keine Definition des Zahlungsrückstandes; dieser Begriff wird als bekannt vorausgesetzt und bloss als eine der Bedingungen genannt, die erfüllt sein müssen, damit der Vermieter zur vorzeitigen Vertragsauflösung berechtigt ist. Sinnvoll kann die Bezugnahme auf Art. 257d OR daher nur sein, wenn sie sämtliche Voraussetzungen der vorzeitigen Vertragsauflösung erfasst. Zu diesen gehören aber neben dem Zahlungsrückstand auch die erfolglose Fristansetzung mit Kündigungsandrohung. Bestätigt wird diese Auslegung durch den Kontext, in dem der Ausschlussgrund des Zahlungsrückstandes steht. Als weitere Gründe für einen Erstreckungsausschluss nennt das Gesetz die schwere Verletzung der Pflicht des Mieters zu Sorgfalt und Rücksichtnahme ( Art. 272a Abs. 1 lit. b OR ), den Konkurs des Mieters (lit. c) und den Fall, dass im Hinblick auf einen Umbau oder Abbruch der Mietvertrag auf beschränkte Zeit abgeschlossen worden ist (lit. d). Aus dieser Aufzählung geht hervor, dass das BGE 117 II 415 S. 419 Gesetz nur sehr gewichtige Umstände, die eine Erstreckung für den Vermieter schlechterdings unzumutbar machen würden, als Ausschlussgründe anerkennt. Soweit es um Vertragsverletzungen durch den Mieter geht, verlangt Art. 272a Abs. 1 lit. a OR ausdrücklich gravierende Verstösse gegen grundlegende Pflichten. Obwohl auch die rechtzeitige Bezahlung des Mietzinses zu den grundlegenden Pflichten gehört, ergibt der Vergleich mit den anderen Ausschlussgründen, dass nicht irgendein Zahlungsrückstand des Mieters ausreichen kann, um die Erstreckung auszuschliessen. Eine solche Auslegung von Art. 272a Abs. 1 lit. a OR bliebe sogar hinter dem alten Recht zurück (E. 5 vor a sowie ZIHLMANN, Das neue Mietrecht, S. 206 und Fn 52; zum alten Recht SCHMID, N. 2 zu Art. 267c aOR). b) Die Beschränkung des Erstreckungsausschlusses auf einige wenige Tatbestände von elementarer Bedeutung für die Vertragserfüllung entspricht dem Willen des Gesetzgebers. Ebenso wie der Gesetzestext äussern sich zwar auch die Materialien nicht unmittelbar zur Frage, ob der Erstreckungsausschluss aufgrund von Art. 272a Abs. 1 lit. a OR von der Einhaltung des für fristlose Vertragsauflösungen vorausgesetzten Vorgehens nach Art. 257d OR abhängig sei. Indessen war es ein Hauptziel der Mietrechtsrevision, den Mieter wirksamer vor Kündigungen zu schützen und den Schutz gegen die Härten gültiger Kündigungen zu verbessern. Dem sollte einerseits die neu eingeführte Kündigungsanfechtung ( Art. 271 OR ) und anderseits ein revidiertes Erstreckungsrecht dienen (Botschaft zur Revision des Miet- und Pachtrechts vom 27. März 1985, BBl 1985 I S. 1389 ff., insbesondere S. 1416 f.). Entsprechend dieser Zielsetzung sah der Gesetzgeber von einer Übernahme der früheren Ausschlussgründe des Art. 267c aOR ab. Diese Gründe sollten die Erstreckung nicht mehr ausschliessen, sondern lediglich als Elemente bei der Abwägung der Parteiinteressen im Rahmen des Erstreckungsentscheids ( Art. 272 OR ) mitberücksichtigt werden. Demgegenüber wurde der Erstreckungsausschluss in Art. 272a OR neu auf einzelne konkrete und abschliessend aufgezählte Ausnahmefälle beschränkt, bei denen der Gesetzgeber davon ausging, dem Vermieter dürfe eine Erstreckung ungeachtet der Parteiinteressen und der Härte für den Mieter unter keinen Umständen zugemutet werden (RONCORONI, a.a.O. S. 153 f. mit Hinweisen auf die Materialien). Wie zurückhaltend der Gesetzgeber bei der Zulassung von Ausschlussgründen war, erhellt aus der Tatsache, dass selbst die vorzeitige Vertragsauflösung BGE 117 II 415 S. 420 aus wichtigen Gründen, die dem Kündigenden die Fortsetzung unzumutbar machen ( Art. 266g OR ), nicht als Ausschlussgrund in Art. 272a OR erscheint. Sogar in diesen Fällen sollte der Richter die Erstreckung nicht ohne Prüfung der Parteiinteressen und der Härte verweigern dürfen (Botschaft a.a.O. S. 1462 und Art. 274g Abs. 2 OR ). c) Hat Art. 272a OR die Funktion eines Katalogs von Fällen, in denen der Richter ausnahmsweise davon absehen darf, das Vorliegen eines Erstreckungsgrundes nach Art. 272 OR zu prüfen, kann die Bezugnahme in Art. 272a Abs. 1 lit. a auf Art. 257d OR nur bedeuten, was bereits der Gesetzeswortlaut und der Kontext nahelegen. Der Ausschlussgrund des Zahlungsrückstandes knüpft nicht an irgendeinen, sondern an den Zahlungsrückstand an, wie er in Art. 257d OR als Voraussetzung für eine vorzeitige Vertragsauflösung umschrieben ist, weil der Gesetzgeber einzig diesen qualifizierten Zahlungsrückstand für ausreichend hält, um den Ausschluss jeder Interessenabwägung und Härteprüfung zu rechtfertigen. Die Erstreckung kann daher allein dann ausgeschlossen sein, wenn der Vermieter aufgrund von Art. 257d OR berechtigt ist, den Mietvertrag wegen Zahlungsrückstand vorzeitig aufzulösen. Das setzt aber eine erfolglose Fristansetzung mit Zahlungsandrohung voraus, die den Anforderungen von Art. 257d OR entspricht (SVIT-KOMMENTAR MIETRECHT, N. 8 zu Art. 272 a OR ; LACHAT/MICHELI, Le nouveau droit de bail, S. 338 Fn. 5; ZIHLMANN, a.a.O. S. 206 f.; THANEI, a.a.O. S. 11; TRACHSEL, Leitfaden zum Mietrecht, S. 134 f.). d) Darf der Richter somit nur unter den Voraussetzungen von Art. 257d OR und nicht bereits bei Rückständen, die über ein "vernünftiges Mittelmass" hinausgehen, die Erstreckung ohne Prüfung der Voraussetzungen nach Art. 272 OR verweigern, ist das Urteil der Rekurskommission aufzuheben, nachdem eine gesetzeskonforme Fristansetzung mit Kündigungsandrohung durch den Beklagten unterblieben ist. Die Auffassung der Rekurskommission verkennt, dass in einem durch Formstrenge gekennzeichneten Rechtsgebiet auch der Entscheid über den Erstreckungsausschluss nicht dem richterlichen Ermessen anheimgestellt sein kann. Die Formstrenge dient dabei nicht nur der Rechtssicherheit, sondern stellt auch die Mitwirkung des Ehegatten des Mieters sicher, was einem weiteren Grundanliegen des Gesetzgebers entspricht. Denn hätte dem Erstreckungsausschluss keine erfolglose Fristansetzung mit Kündigungsandrohung durch den Vermieter BGE 117 II 415 S. 421 vorauszugehen, so wäre bei der Kündigung von Familienwohnungen ( Art. 266m Abs. 1 OR ) auch nicht gewährleistet, dass der Ehegatte von der bevorstehenden Vertragsauflösung durch die separate Zustellung eines Exemplars der Fristansetzung mit Kündigungsandrohung Kenntnis erlangt ( Art. 266n OR ) und dadurch in die Lage versetzt wird, die zum Erhalt der Familienwohnung erforderlichen Massnahmen zu treffen (Amtl.Bull. N 1989 S. 510; LACHAT/STOLL, a.a.O. S. 298; vgl. Urteil des Bundesgerichts vom 31. Oktober 1989, publiziert in: Pra 1990 S. 147 ff. Nr. 37). e) Da kein Ausschlussgrund nach Art. 272a OR vorliegt, ist die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit sie prüft, ob die Kündigung für die Kläger eine Härte zur Folge hat, die auch durch die Interessen des Beklagten nicht gerechtfertigt wird ( Art. 272 OR ). Dabei bleibt ihr unbenommen, den Zahlungsrückständen im Rahmen der Interessenabwägung Rechnung zu tragen; verwehrt ist es ihr nur, unter Hinweis auf die Zahlungsrückstände von einer Interessenabwägung überhaupt abzusehen.
public_law
nan
de
1,991
CH_BGE
CH_BGE_004
CH
Federation
df71028d-c48c-488f-bd5e-3a53311ccf96
Urteilskopf 81 II 38 6. Arrêt de la Ire Cour civile du 8 février 1955 dans la cause Lauper contre Ed. Laurens "Le Khédive" S. A.
Regeste Versorgerschaden, Art. 45 Abs. 3 OR . 1. Die Höhe des zukünftigen Lohnes des Verunfallten ist im wesentlichen Tatfrage (Erw. 1). 2. Für die Berechnung der Entschädigungssumme ist beim Fehlen konkreter Unterlagen der auf ein Jahr entfallende Schadensbetrag auf zwei verbundene Leben zu kapitalisieren unter Zugrundelegung des Mittels zwischen den aus den Lebenserwartungstafelneinerseits und den Aktivitätstabellen von Stauffer-Schaetzle anderseits sich ergebenden Zahlen (Erw. 2). 3. Anrechnung der SUVAL-Rente, insbesondere wenn die Anspruchsberechtigte eine Witwe ist (Erw. 3 u. 4).
Sachverhalt ab Seite 39 BGE 81 II 38 S. 39 A.- Au printemps 1950, Alphonse Lauper, né le 22 juillet 1921, est entré comme manoeuvre au service de l'entrepreneur Jérôme Gini. Le 14 juillet 1950, alors qu'il travaillait pour le compte de son employeur dans les bâtiments de la société anonyme Ed. Laurens "Le Khédive", Extension suisse (ci-après Laurens SA), il entra en contact avec une conduite électrique sous tension et fut tué sur le coup. La Caisse nationale suisse d'assurance en cas d'accidents attribua à sa veuve, née le 18 septembre 1916, une rente mensuelle de 140 fr. 65, calculée sur la base d'un salaire annuel de 5626 fr. B.- Par exploit du 24 mai 1951, dame Lauper a actionné Laurens SA devant les tribunaux genevois. Elle concluait à ce que la défenderesse fût condamnée à lui payer 584 fr. 40 pour les frais funéraires, 23 678 fr. 20 pour la perte de soutien non couverte par la rente de la Caisse nationale et une indemnité de 8000 fr. à titre de réparation morale. Laurens SA a reconnu sa responsabilité et, le 21 novembre 1951, a payé à la demanderesse les frais funéraires réclamés, 8228 fr. pour la perte de soutien et 5000 fr. comme indemnité pour tort moral. Pour le reste, elle a conclu au rejet de l'action de dame Lauper. Par jugement du 11 novembre 1953, le Tribunal de première instance de Genève a alloué à la demanderesse une somme de 6119 fr. 45 à titre de dommages-intérêts BGE 81 II 38 S. 40 pour perte de soutien. Il a rejeté la demande pour le surplus. Les deux parties ayant recouru contre ce jugement dans la mesure où il concernait les dommages-intérêts, la Cour de justice de Genève a, le 21 septembre 1954, débouté dame Lauper de ses conclusions. Cet arrêt est, en bref, motivé comme suit: Le sinistré eût effectué 2400 heures de travail par année. Jusqu'au 13 juillet 1951, il aurait eu un gain de 2 fr. 47 à l'heure, lequel eût été porté ensuite à 2 fr. 59. Pour la période postérieure à l'arrêt cantonal, dame Lauper allègue qu'on doit se fonder sur un salaire de 2 fr. 91 à l'heure, qui est celui d'un maçon; en effet, dit-elle, si le sinistré est entré au service de l'entreprise Gini comme manoeuvre, c'est qu'il avait le dessein de faire un apprentissage de maçon. Mais cette argumentation n'est pas fondée. Si Lauper "a eu l'intention de devenir maçon, il n'est cependant ni établi ni même probable qu'il le serait devenu". La perte de soutien future doit donc être calculée sur la base d'un salaire de manoeure de 2 fr. 59 à l'heure. On peut admettre que le sinistré aurait consacré à son épouse 40% de son gain. D'autre part, l'indemnité à laquelle dame Lauper a droit pour la perte de soutien future doit être réduite de 20% pour tenir compte de ses chances de remariage. On arrive dès lors au résultat suivant: "Rente temporaire du 14 juillet 1950 au 13 juillet 1951. 2400 heures à 2,47 fr. = fr. 5928 dont le 40% = fr. 2371.20 - fr. 1687.80 payés par la Caisse nationale, fr. 683.40 Rente temporaire du 14 juillet 1951 au 21 septembre 1954, jour du prononcé de l'arrêt, soit 3 ans 2 mois et 8 jours sur la base de 2400 heures par an à 2.59 fr. = fr. 19 822.-- dont le 40% = fr. 7928.80 - fr. 5382.20 payés par la Caisse nationale, fr. 2546.60 Perte de soutien capitalisée au 21 septembre 1954, Ages: Dame Lauper 38 ans Sieur Lauper 33 ans. Table 14 Stauffer /Schaetzle coefficient 1747, 2400 heures à fr. 2.59 = fr. 6216 dont le 40% = fr. 2486.40 - 20% pour chances de remariage BGE 81 II 38 S. 41 de Dame Lauper = fr. 1989.10 x 1747 soit fr. 34 749.57 moins valeur capitalisée de la rente de la Caisse nationale (1687.80 x coefficient 1963) fr. 33 131.50, soit: fr. 34 749.57 - fr. 33 131.50 = fr. 1618.07, fr. 1618.07 soit au total fr. 4848.17, montant du dommage non couvert par la Caisse nationale. Ed. Laurens SA ayant versé fr. 8228 le 21 novembre 1951, toutes sommes dues à Dame Lauper en capital et intérêts sont ainsi payées et le susdit versement est satisfactoire." C.- Contre cet arrêt, dame Lauper recourt en réforme au Tribunal fédéral. Elle admet les montants fixés par la Cour de justice pour la période du 14 juillet 1950 au 21 septembre 1954. Elle conclut en revanche, pour la perte de soutien future, à ce que Laurens SA soit condamnée à lui payer 16 125 fr. 51, somme sur laquelle il y a lieu d'imputer les 8228 fr. versés le 21 novembre 1951. Sur ce point, elle fait trois reproches à la juridiction cantonale. En premier lieu, dit-elle, c'est à tort que la Cour de justice n'a pas tenu compte du salaire que Lauper aurait obtenu comme maçon; secondement, pour établir la perte de soutien non couverte par la Caisse nationale, les premiers juges auraient dû capitaliser la différence annuelle des deux rentes et non prendre simplement la différence de leurs valeurs actuelles; enfin si, en raison des chances de remariage de dame Lauper, on a réduit les dommagesintérêts dus pour la perte de soutien, on devait opérer une même soustraction sur la valeur actuelle de la rente servie par la Caisse nationale. Laurens SA conclut au rejet du recours et à la confirmation du jugement attaqué. Elle reproche cependant à la juridiction cantonale de s'être fondée uniquement sur la vie probable du sinistré et de sa veuve, sans considérer que l'activité du premier aurait sans doute cessé avant son décès. Elle expose en outre que si, pour tenir compte des chances de remariage, on opère une déduction sur la valeur actuelle de la rente de la Caisse nationale, il faut retrancher du montant à soustraire l'indemnité que la veuve reçoit en cas de nouveau mariage (art. 88 LAMA). Enfin, elle relève que, dès le moment où l'on calcule le BGE 81 II 38 S. 42 dommage au jour de l'arrêt cantonal, on doit lui bonifier jusqu'à cette date l'intérêt des sommes qu'elle a versées le 21 novembre 1951. Erwägungen Considérant en droit: 1. La question du gain futur de la victime relève essentiellement du fait. Le Tribunal fédéral ne la revoit que si le juge cantonal est parti de prémisses erronées en droit ou s'il a commis une inadvertance manifeste dans la constatation des faits. En l'espèce, ni l'une ni l'autre de ces conditions ne sont remplies. La juridiction de réforme ne saurait donc, comme le voudrait la recourante, calculer le montant de la perte de soutien en se fondant sur le salaire que le sinistré aurait obtenu s'il était devenu maçon. Subsidiairement, dame Lauper demande que le Tribunal fédéral tienne compte d'une augmentation de salaire dont les manoeuvres auraient bénéficié à partir du 30 juillet 1954. Mais elle n'a jamais invoqué cette hausse de salaire devant les juges cantonaux. Il s'agit donc d'un fait nouveau, que la juridiction de réforme ne saurait retenir (art. 55 al. 1 litt. c OJ). 2. Pour établir le dommage causé par la perte de soutien future,laCour de justice a calculé lavaleur actuelle d'une rente viagère de 1989 fr. 10 constituée sur la tête de deux personnes de sexes différents (selon STAUFFER/SCHAETZLE, Barwerttafeln für das Schadenersatzrecht, 1948, table 14). Elle s'est conformée ainsi à la jurisprudence que le Tribunal fédéral a inaugurée par l'arrêt Lorétan et Helvétia contre Hoirs Monnier (RO 77 II 40). Mais, en appliquant sans correction cette méthode de calcul, on se fonde uniquement sur la probabilité de vie des deux personnes en cause. Or cet élément n'est pas seul décisif. La personne assistée a uniquement droit aux montants que le soutien lui aurait consacrés. Lorsque, comme en l'espèce, ils consistent dans une part de salaire, ils dépendent de celui-ci et cessent avec lui. Dès que le gain BGE 81 II 38 S. 43 du soutien diminue, il en est de même des montants affectés à l'entretien de la personne assistée - du moins si le salaire est modeste - et toute prestation du soutien cesse lorsqu'il ne travaille plus. Ce qui est déterminant, ce n'est donc pas la vie probable qu'aurait eue le sinsitré, mais la durée de son activité économique. Or c'est un fait d'expérience qu'on cesse généralement de travailler avant de cesser de vivre. En tout cas, à la fin d'une vie active, il y a presque toujours une période décroissante où les revenus du travail sont moindres. Sans doute n'est-ce pas certain dans tous les cas particuliers. Mais, dès le moment où l'on applique au calcul des indemnités pour perte de soutien les règles de la probabilité, il n'y a aucune raison de ne pas tenir compte de tous les facteurs qui influencent cette probabilité et de ne pas recourir aux correctifs fournis par les données de l'expérience. Aussi les tribunaux de nombreux pays se fondent-ils, pour flxer l'indemnité due aux personnes assistées, sur le moment où l'activité du soutien aurait probablement cessé (cf. par exemple, pour l'Allemagne, GEIGEL, Der Haftpflichtprozess, 1949, p. 22, et, pour la Belgique, GÉRARD, Des accidents survenus aux personnes, 1916, p. 479 et suiv.). Le Tribunal fédéral s'est occupé de cette question depuis longtemps. Mais, jusqu'en 1948, il n'a tenu compte de la durée probable de l'activité du sinistré que si des éléments concrets permettaient de l'estimer. Dans les autres cas, il a refusé de faire des réductions schématiques tant qu'on n'aurait pas, en Suisse, des tables de probabilité sérieuses au sujet de la durée de l'activité des individus (RO 55 II 147, 60 II 47, 61 II 132, 65 II 234). Or STAUFFER et SCHAETZLE ont publié, en 1948, des "Barwerttafeln für das Schadenersatzrecht", qui comprennent des tables d'activité (tables 1 à 7 et 9 à 11). Comme celles-ci étaient fondées sur des statistiques suédoises, le Tribunal fédéral s'est adressé, en 1949, au Bureau fédéral de statistique, pour lui demander si les données que les auteurs des nouvelles tables avaient prises pour base pouvaient être utilisées en BGE 81 II 38 S. 44 Suisse. En attendant la réponse de cet office, le Tribunal fédéral a déjà tenu compte, dans la fixation des indemnités, de la durée probable de l'activité de la victime; il a, en effet, opéré par appréciation des réductions sur les dommages-intérêts, lorsque le sinistré, dans le cours ordinaire des choses, aurait dû réduire ou cesser son activité professionnelle avant la date présumée de son décès (cf. arrêts du 17 avril 1951 dans la cause Zocer c/Darbellay, du 3 juin 1952 dans la cause Rogger c/Horisberger et du 16 juin 1953 dans la cause Maggetti c/Compagnie d'assurances Union SA). Le 30 novembre 1954, le Bureau fédéral consulté a répondu que, faute de statistiques suisses, il était impossible, du moins pour le moment, de juger si les tables d'activité de STAUFFER/SCHAETZLE correspondaient à la durée moyenne de la vie professionnelle sur le territoire de la Confédération. Ainsi, l'applicabilité de ces tables en Suisse reste incertaine. En tout cas, il subsiste sur ce point un doute dont on ne saurait faire abstraction, de peur que les personnes lésées n'obtiennent pas la pleine réparation du dommage qu'elles ont subi. D'autre part, il est certain qu'en se fondant simplement sur la probabilité de vie de la victime, on alloue des indemnités trop fortes. Quant à opérer des réductions par appréciation lorsqu'on ne peut se fonder sur des éléments concrets, cette méthode n'est pas satisfaisante, car elle ouvre la porte à l'insécurité et à l'arbitraire; il est préférable de calculer, autant que possible, ces réductions selon les règles de la probabilité. Dans ces conditions, la meilleure solution consiste à prendre la moyenne entre les chiffres fournis par les tables de longévité et ceux qui ressortent des tables d'activité. On a ainsi une méthode de calcul fondée sur des données objectives et qui permet d'établir le dommage de façon plus exacte et plus équitable. Sans doute n'obtient-on qu'un résultat approximatif, mais la marge de doute n'est pas supportée par les lésés. Il suffit d'évoquer quelques cas pratiques pour s'en convaincre. Si la victime est une femme de 30 ans; on considère, quand on se fonde uniquement sur sa vie probable (42, BGE 81 II 38 S. 45 32 ans) qu'elle travaillera jusqu'à plus de 72 ans. Or on ne saurait évidemment admettre qu'en moyenne l'activité des femmes âgées actuellement de 30 ans ne décroîtra pas avant qu'elles aient atteint l'âge de 72 ans. Si, en revanche, on prend la moyenne entre les indications fournies par les tables de mortalité et celles qui découlent des tables d'activité, on obtient 67 ans et 3 mois comme âge-limite, ce qui s'approche davantage de la réalité, tout en paraissant encore favorable aux lésés. Un homme de 50 ans peut compter vivre encore 22,08 ans. Mais il est clair que selon les règles de la probabilité il ne pourra travailler en plein jusqu'à 72 ans. Ici encore, l'âge indiqué par la moyenne des deux tables, savoir 69 ans, est plus juste et n'avantage certainement pas le débiteur des dommages-intérêts. On arrive à des conclusions semblables pour une femme de 55 ans. Il est exclu que les femmes de cet âge puissent, en moyenne, travailler jusqu'à 75 ans et demi, âge qu'on obtient en se fondant sur les tables de longévité. Mais si l'on prend la moyenne entre l'âge indiqué par ces tables et celui qui ressort des tables d'activité, on obtient approximativement 71 ans et demi, chiffre qui semble encore élevé. De même, les indemnités auxquelles on arrive en appliquant cette nouvelle méthode de calcul sont bien supérieures à celles qu'on obtiendrait en se fondant sur les tables d'activité publiées en 1932 par le Bureau fédéral des assurances. La comparaison donne le tableau suivant, pour les individus du sexe masculin: Age Proportion de la durée probable de l'activité par rapport à la durée probable de la vie, en % Selon les tables du En prenant comme durée d'activité Bureau fédéral des assurances probable la moyenne entre les (cf. JdT 1934 I 395) indications des tables de longévité et celles des tables d'activité de Stauffer/Schaetzle 26 76,1 91,1 40 66,5 88,8 55 50,4 83,7 70 27,6 70,8 BGE 81 II 38 S. 46 Si donc, pour calculer la perte de gain future ou le préjudice pour perte de soutien future, on prend la moyenne entre les chiffres fournis par les tables de longévité et ceux qui ressortent des tables d'activité de STAUFFER/SCHAETZLE, les lésés obtiennent en tout cas la réparation entière du dommage qu'ils ont subi. La règle demeure cependant, ici comme ailleurs, que les circonstances du cas particulier l'emportent sur les critères mathématiques lorsqu'elles permettent, mieux que ces derniers, d'estimer la durée probable de l'assistance. On devra donc faire abstraction de la méthode abstraite de calcul ou en rectifier le résultat si, grâce à des éléments concrets tels que l'âge, la santé ou la profession de la victime, on peut fixer avec plus d'exactitude le moment où sa vie active aurait probablement cessé. En l'espèce, de pareils éléments concrets font défaut, de sorte que le dommage pour perte de soutien doit être calculé uniquement selon les règles de la probabilité. 3. La recourante admet que la rente qu'elle reçoit de la Caisse nationale doit être déduite du montant que l'intimée lui doit pour réparer la perte de soutien. Mais elle critique la manière dont la Cour de justice a procédé à cette imputation. A son avis, il faut soustraire des dommages-intérêts pour perte de soutien afférents à une année le montant d'une annuité de la rente servie par la Caisse nationale; on devrait ensuite capitaliser la différence comme une rente viagère constituée sur deux têtes (table 14 de STAUFFER/SCHAETZLE). a) Ce mode de calcul, qui a été adopté par le Tribunal de première instance, ne saurait être admis, car il consiste à déduire l'une de l'autre des valeurs de nature différente. En effet, la rente de la Caisse nationale est viagère: sa durée dépend uniquement de la vie du bénéficiaire. Les dommages-intérêts pour perte de soutien, en revanche, sont fonction de la durée probable de la vie et de l'activité de la victime, ainsi que de la vie probable de l'ayant droit. Aussi cette méthode peut-elle conduire à des résultats BGE 81 II 38 S. 47 inadmissibles, ce qu'illustre l'exemple suivant: Une femme de 39 ans perd son mari âgé de 60 ans; l'indemnité pour perte de soutien se monte à 1200 fr. par année et la veuve reçoit de la Caisse nationale une rente annuelle de 1000 fr.; en capitalisant la différence de 200 fr. selon la table 14 de STAUFFER/SCHAETZLE, on arrive à un préjudice non couvert de 2104 fr. Or, si l'on prend la moyenne entre les tables d'activité et les tables de longévité, le dommage pour perte de soutien est de 10 434 fr.; mais la valeur actuelle de la rente servie par la Caisse nationale se monte à 19 350 fr.; la veuve reçoit donc de la Caisse des prestations bien supérieures à son préjudice effectif, de sorte qu'elle ne saurait réclamer encore la réparation d'un dommage "non couvert" de 2104 fr. b) La Cour de justice, en revanche, a capitalisé d'abord le dommage pour perte de soutien, puis la rente de la Caisse nationale, et elle a mis la différence à la charge de l'intimée. Par ce mode de calcul, on ramène les deux rentes à des valeurs de même nature, savoir leur valeur actuelle, de sorte qu'elles peuvent être déduites l'une de l'autre. Aussi est-ce à cette méthode que le Tribunal fédéral a recouru dans ses derniers arrêts (RO 63 II 345 consid. 3, arrêts du 17 avril 1951 dans la cause Zocer c/Darbellay, consid. 4 d'et du 7 novembre 1951 dans la cause Perrin c/Pillonel, consid. 2 a). Il est vrai que la valeur de la rente de la Caisse nationale n'est fonction que de la vie probable du bénéficiaire, tandis que le calcul du dommage pour perte de soutien est fondé sur une durée inférieure; dès lors, si les deux prestations sont effectuées sous forme de rente, l'ayant droit a plus de chances de recevoir tous les termes de la rente pour perte de soutien que ceux de la rente de la Caisse nationale. La première a donc une valeur théorique plus grande que la seconde. Mais ce n'est pas une raison suffisante pour ne déduire du dommage pour perte de soutien qu'un montant inférieur à la valeur capitalisée de la rente de la Caisse nationale. Car cette correction ne porterait que sur des montants relativement BGE 81 II 38 S. 48 minimes et serait très difficile à apprécier dans chaque cas particulier. D'autre part, la différence est compensée dans une certaine mesure par l'avantage qu'a le bénéficiaire à toucher une rente qui ne cessera de toute façon qu'à sa mort; du point de vue social, en effet, une rente qui n'est servie que pendant une époque fixe a un prix inférieur, même si, selon les règles de la probabilité, sa valeur capitalisée est la même. Enfin, en vertu de l'art. 100 LAMA, la Caisse nationale a un droit de recours contre les personnes responsables du dommage; or il serait inéquitable qu'elle ne puisse réclamer intégralement la valeur actuelle de la rente qu'elle sert, lorsque cette valeur ne dépasse pas le dommage résultant de la perte de soutien; il y a donc lieu d'imputer sur le préjudice subi tout l'avantage économique représenté par les versements de la Caisse nationale, sinon les personnes responsables seraient tenues au delà du préjudice provoqué par la perte de soutien. Aussi est-ce avec raison que la Cour de justice a déduit de la valeur actuelle de la rente due par l'intimée celle de la rente servie par la Caisse nationale. 4. Pour tenir compte des chances de remariage de la recourante, la juridiction cantonale a réduit de 20% le capital représenté par la rente due pour la perte de soutien. Dame Lauper ne critique ni le principe ni le taux de la déduction. Mais elle soutient qu'une diminution semblable aurait dû être opérée sur la valeur actuelle de la rente servie par la Caisse nationale. Elle a raison. Selon l'art. 84 LAMA, en effet, la veuve n'a droit à une rente que durant sa viduité. Ses chances de remariage diminuent donc la valeur économique actuelle de ce revenu. En principe, cette réduction doit être de 20%, comme celle qui est opérée sur la valeur actuelle de la rente pour perte de soutien. Toutefois, l'intimée relève avec raison que, en cas de remariage, la veuve reçoit une indemnité du triple du montant annuel de la rente (art. 88 LAMA). Or, si l'on réduit celle-ci de 20%, cela signifie que la veuve a approximativement une chance sur cinq de se remarier; elle a donc BGE 81 II 38 S. 49 aussi une chance sur cinq de recevoir l'indemnité prévue par l'art. 88 LAMA. En définitive, pour établir la valeur actuelle de la rente servie par la Caisse nationale, on doit capitaliser cette rente sur la tête de dame Lauper, réduire de 20% le montant ainsi obtenu et y ajouter trois cin quièmes d'une annuité. 5. - Le dommage est calculé au jour du jugement cantonal, c'est-à-dire au 21 septembre 1954. A l'indemnité allouée, il faut donc ajouter l'intérêt moratoire à 5% jusqu'à cette date et dès le moment où les différents éléments des dommages-intérêts étaient échus. Mais, de son côté, l'intimée doit également bénéficier d'un intérêt à 5% sur la somme de 8228 fr. qu'elle a payée le 21 novembre 1951. 6. Dès lors, dame Lauper a droit aux montants suivants pour sa perte de soutien: a) Rente du 14 juillet 1950 au 13 juillet 1951: fr. 683.40 Intérêt à 5% dès le 14 janvier 1951 (échéance moyenne): " 125.85 b) Rente du 14 juillet 1951 au 21 septembre 1954: " 2546.60 Intérêt à 5% dès le 17 février 1953 (échéance moyenne): " 202.90 c) Valeur actuelle d'une rente de 2486 fr. 40 calculée selon le consid. 2 ci-dessus; coefficient table 14 de Stauffer /Schaetzle (âge de la femme: 38 ans; âge du mari: 33 ans): 1747; coefficient selon table 9: 1610; coefficient moyen: 1678.5. Capital: fr. 41 734.25 Réduction de 20% pour chances de remariage:" 8 346.85: fr. 33 387.40 Rente de la Caisse nationale capitalisée: fr. 33 131.50 moins 20%: " 6 626.30 = fr. 26 505.20 plus 3 /5 d'une annuité fr. 1687.80: = 1 012.70 = 27 517.90 " 5869.50 = fr. 9428.25 Or dame Lauper a déjà reçu l'intimée: fr. 8228.-- Intérêt de cette somme à 5% du 21 novembre 1951 au 21 septembre 1954 : 1165.65: " 9393.65 fr. 34.60 BGE 81 II 38 S. 50 7. Selon ces calculs, la recourante aurait encore droit à 34 fr. 60. Mais ce résultat n'est qu'approximatif. Dès lors un montant aussi faible peut être négligé, d'autant plus qu'en calculant le dommage au 21 septembre 1954, on ne tient pas compte du risque de décès qui existait pour Lauper avant cette date et l'on obtient un résultat trop favorable à la recourante. Dispositiv Par ces motifs, le Tribunal fédéral prononce: Le recours en réforme est rejeté et l'arrêt attaqué est confirmé.
public_law
nan
fr
1,955
CH_BGE
CH_BGE_004
CH
Federation
df73b14b-e11e-48d4-a9da-5bdd3e0c7817
Urteilskopf 102 Ia 50 11. Auszug aus dem Urteil vom 4. Februar 1976 i.S. Sozialdemokratische Partei der Stadt Zürich gegen Stadtrat von Zürich und Regierungsrat des Kantons Zürich.
Regeste Benützung öffentlichen Grundes zu politischen Zwecken; Art. 85 lit. a OG , Meinungsäusserungsfreiheit, Versammlungsfreiheit. 1. Für die Zulassung einer den Gemeingebrauch übersteigenden Benützung öffentlichen Grundes können, selbst wenn es um die Ausübung ideeller Freiheitsrechte geht, neben rein polizeilichen Gesichtspunkten auch andere öffentliche Interessen massgebend sein; doch hat die Behörde bei der Interessenabwägung dem besonderen Gehalt der berührten Freiheitsrechte Rechnung zu tragen. Kognition des Bundesgerichtes. Verhältnis der Meinungsäusserungsfreiheit und der Versammlungsfreiheit zu den durch Art. 85 lit. a OG geschützten Befugnissen politischer Betätigung (E. 3). 2. Überprüfung der Verfassungsmässigkeit einzelner Bestimmungen der vom Stadtrat von Zürich am 5. Juli 1972 erlassenen "Vorschriften über die Benützung öffentlichen Grundes zu politischen Zwecken": a) Es ist zulässig, an öffentlichen Ruhetagen sowie an den übrigen Tagen in der Zeit zwischen 22.00 und 07.00 Uhr politische Veranstaltungen auf öffentlichem Grund allgemein auszuschliessen; hingegen ist es verfassungswidrig, das für die öffentlichen Ruhetage vorgesehene Verbot auf die Vortage hoher Feiertage auszudehnen (E. 4). b) Es ist zulässig, die Errichtung von Zeichnungsstellen für Initiativ- und Referendumsbegehren sowie für Petitionen auf öffentlichem Grund auf die Dauer von längstens sechs Monaten zu beschränken (E. 5). c) Es ist verfassungswidrig, Veranstaltungen zu Wahlen und Abstimmungen auf öffentlichem Grund generell erst in den letzten beiden Wochen vor dem Wahl- oder Abstimmungswochenende zuzulassen (E. 6).
Sachverhalt ab Seite 52 BGE 102 Ia 50 S. 52 Der Stadtrat der Stadt Zürich erliess am 5. Juli 1972 Vorschriften über die Benützung des öffentlichen Grundes zu politischen Zwecken (im folgenden: Vorschriften). Durch diesen Erlass wurde jede über den Gemeingebrauch hinausgehende Benützung des öffentlichen Grundes zu politischen Zwecken der Bewilligungspflicht unterstellt. Gemäss Art. 1 Abs. 2 der Vorschriften fallen unter diese Bewilligungspflicht "insbesondere das Sammeln von Unterschriften, Darbietungen, das Durchführen von Versammlungen, Umzügen und Demonstrationen und die damit in Zusammenhang stehenden Werbeaktionen". Die sozialdemokratische Partei der Stadt Zürich sowie ihre geschäftsleitenden Mitglieder, auf deren Rekurs hin bereits der Bezirksrat zwei Bestimmungen dieses Erlasses aufgehoben hatte, führen im Anschluss an den abweisenden letztinstanzlichen Rekursentscheid des zürcherischen Regierungsrates staatsrechtliche Beschwerde, mit der sie folgende Bestimmungen der stadträtlichen Vorschriften anfechten: Art. 5: "An öffentlichen Ruhetagen, mit Ausnahme des 1. Mai und des 1. August, an Vortagen hoher Feiertage und an den übrigen Tagen in der Zeit von 22.00 bis 07.00 Uhr steht der öffentliche Grund für politische Zwecke nicht zur Verfügung." Art. 8: "Die Errichtung von Zeichnungsstellen für Initiativ- und Referendumsbegehren sowie für Petitionen in Angelegenheiten des Bundes, des Kantons und der Stadt Zürich ist an geeigneten Örtlichkeiten bis auf die Dauer von längstens sechs Monaten zu bewilligen. Vorbehalten bleiben die Bestimmungen über das Sammeln von Unterschriften bei den Wahl- und Abstimmungslokalen." Art. 9: Abs. 1 "Veranstaltungen zu Wahlen und Abstimmungen sind auf dem öffentlichen Grund frühestens zwei Wochen vor dem Wahl- bzw. Abstimmungswochenende gestattet." BGE 102 Ia 50 S. 53 Die Beschwerdeführer rügen u.a. eine Verletzung der Meinungsäusserungsfreiheit, der Versammlungsfreiheit sowie der politischen Rechte ( Art. 85 lit. a OG ). Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut. Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Im vorliegenden Verfahren ist die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Bewilligungspflicht für jede über den Gemeingebrauch hinausgehende Benützung des öffentlichen Grundes zu politischen Zwecken nicht bestritten (vgl. BGE 100 Ia 398 ff., BGE 97 I 896 ff., BGE 96 I 225 ff.). Es wird auch nicht in Frage gestellt, dass die angefochtenen Beschränkungen auf einer genügenden gesetzlichen Grundlage beruhen. Nach der Argumentation der Beschwerdeführer verletzen die beanstandeten Vorschriften jedoch die betroffen verfassungsmässigen Rechte, weil eine ausreichende polizeiliche Motivation fehle und die angeordneten allgemeinen Beschränkungen unverhältnismässig seien. Wie aus BGE 100 Ia 401 ff. hervorgeht, können für die Zulassung einer den Gemeingebrauch übersteigenden Benützung öffentlichen Grundes, selbst wenn es um die Ausübung ideeller Freiheitsrechte geht, neben rein polizeilichen Gesichtspunkten auch andere öffentliche Interessen massgebend sein, z.B. das Bestreben einer zweckmässigen Nutzung der vorhandenen öffentlichen Anlagen im Interesse der Allgemeinheit und der Anwohner (vgl. auch BGE 101 Ia 222 E. 6). Das gilt nicht nur für die Bewilligung im Einzelfall, sondern auch für eine generell-abstrakte Reglementierung der Bewilligungsvoraussetzungen, wie sie hier in Frage steht. Der angefochtene Erlass verfolgt, wie aus Art. 4 hervorgeht, in erster Linie ein polizeiliches Ziel (Verkehrspolizei, Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit). Er muss, um vor der Verfassung standzuhalten, nicht nur mit Art. 4 BV vereinbar sein, sondern darüber hinaus dem besonderen Gehalt der berührten Freiheitsrechte Rechnung tragen ( BGE 100 Ia 402 ). Ob die von den Beschwerdeführern beanstandeten Vorschriften diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprechen, prüft das Bundesgericht grundsätzlich frei. Doch setzt es nicht sein Ermessen anstelle desjenigen der kantonalen und kommunalen Behörden, und es übt auch Zurückhaltung, soweit es um BGE 102 Ia 50 S. 54 die Würdigung der besonderen örtlichen Verhältnisse geht ( BGE 100 Ia 403 mit Hinweisen). Ob die angefochtenen Vorschriften durch ein ausreichendes öffentliches Interesse gedeckt sind und dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit entsprechen, braucht nicht für jedes der hier angerufenen Freiheitsrechte gesondert geprüft zu werden. Im Vordergrund steht eindeutig der Schutz der aus der Stimmberechtigung sich ergebenden Möglichkeiten politischer Betätigung (gemäss Art. 85 lit. a OG ) unter Einschluss der mit Initiative, Referendum und Petitionsrecht zusammenhängenden Benützung öffentlichen Grundes ( BGE 97 I 895 E. 2). Aus den durch ungeschriebenes Bundesrecht gewährleisteten Freiheitsrechten der Meinungsäusserung und der Veranstaltung von Versammlungen ergeben sich keine zusätzlichen Wertungsgesichtspunkte, die im vorliegenden Fall geeignet wären, eine unter dem Aspekt der Wahrung der politischen Rechte zulässige Beschränkung doch als verfassungswidrig erscheinen zu lassen. 4. Der angefochtene Art. 5 der Vorschriften schliesst die Bewilligung irgendwelcher politischer Veranstaltungen auf öffentlichem Grund an bestimmten Tagen (öffentlichen Ruhetagen ausser 1. Mai und 1. August, Vortagen hoher Feiertage) und allgemein zu bestimmten Zeiten - 22.00 bis 07.00 Uhr - aus. In der Beschwerde wird geltend gemacht, diese Errichtung von "Sperrzeiten" sei unverhältnismässig, die Bewilligungspflicht an sich genüge. Die Beschwerdeführer gehen davon aus, dass nur die Verhinderung tumultähnlicher Auseinandersetzungen die polizeiliche Motivation für die Verweigerung der Bewilligung politischer Veranstaltungen auf öffentlichem Grund bilden könne. In bezug auf die öffentlichen Ruhetage weisen die Beschwerdeführer darauf hin, dass bei einzelnen Initiativen oder Referenden (z.B. Waffenausfuhrverbot, Erhaltung eines Sonntagsspazierweges) das Zielpublikum am besten an einem Sonntag erreicht werden könne. Was die Vortage hoher Feiertage betreffe, so seien sie durch keine andern Vorschriften in besonderer Weise geschützt; ein polizeiliches Motiv, um beispielsweise am 24. Dezember Demonstrationen gegen den Warenhausrummel zu untersagen, bestehe nicht. Auch der generelle Ausschluss jeder politischen Veranstaltung von 22.00 Uhr bis 07.00 Uhr wird als sachlich nicht begründet BGE 102 Ia 50 S. 55 bezeichnet; damit werde vor allem das Sammeln von Unterschriften vor Arbeitsbeginn (07.00 Uhr) verhindert, ohne dass für eine solche Beschränkung eine polizeiliche Notwendigkeit bestehe. a) Es gehört seit jeher zu den Aufgaben des Staates, nicht nur eigentliche Unruhen, Tumulte usw. zu verhindern, sondern der Bevölkerung durch besondere Vorschriften auch Zeiten erhöhter Ruhe zu sichern. Durch die Gesetzgebung der Kantone werden - unter Berücksichtigung der örtlichen Usanzen - die Sonntage und eine Reihe speziell bezeichneter Feiertage in dieser Weise geschützt. Zur Wahrung der Sonntagsruhe untersagen die einschlägigen kantonalen Erlasse verschiedene Tätigkeiten, die im allgemeinen keineswegs gegen die öffentliche Ruhe und Ordnung verstossen, wie etwa die Ausführung von Arbeiten, Übungen und Inspektionen von Feuerwehren, das Hausieren, die Jagd usw. (vgl. z.B. Zürcher Gesetz über die öffentlichen Ruhetage und über die Verkaufs- und Arbeitszeit im Detailhandel vom 3. April 1949, Zuger Gesetz über die öffentlichen Ruhetage und die Öffnungszeiten der Verkaufsgeschäfte vom 4. November 1974, Schwyzer Polizeiverordnung betreffend Sonn- und Feiertagsruhe vom 12. Januar 1884). In vielen kantonalen Erlassen wird unterschieden zwischen gewöhnlichen Ruhetagen und hohen Feiertagen (vgl. Zürcher Gesetz § 1 Abs. 3: "Karfreitag, Ostersonntag, Pfingstsonntag, eidgenössischer Bettag und Weihnachtstag sind hohe Feiertage"), wobei den hohen Feiertagen durch zusätzliche Verbote (etwa von Sportveranstaltungen, Tanz, Schiessübungen) ein besonderer Grad feiertäglicher Ruhe gesichert wird. Diese Feiertagsgesetzgebung hat man ursprünglich wohl vorwiegend aus religiösen Motiven geschaffen; im Laufe der Zeit wurde sie in unterschiedlichem Mass von Überlegungen des Arbeitnehmerschutzes beeinflusst. Unabhängig von den historischen Grundlagen darf aber festgestellt werden, dass auch heute ein Bedürfnis besteht, durch das Verbot bestimmter Tätigkeiten der Bevölkerung an Sonn- und Feiertagen ein Mindestmass an erhöhter Ruhe zu sichern. Die Auffassungen darüber, was an Ruhetagen zulässig sein soll, dürften von Region zu Region unterschiedlich sein. Zulässigkeit oder Verbot hängen auch nicht allein von der Lautstärke des zu erwartenden Lärms ab; so werden Sportveranstaltungen und BGE 102 Ia 50 S. 56 Schiessübungen gemäss altem Herkommen weitgehend toleriert, weil man darin offenbar eine ruhetagskonforme Betätigung sieht, während Arbeitslärm und jede mit dem Geschäftsalltag zusammenhängende Aktivität grundsätzlich als ruhetagsstörend empfunden wird. - Massnahmen, welche in sachlich haltbarer Weise der Wahrung einer speziellen Sonn- und Feiertagsruhe dienen, sind polizeilich begründet; denn auch die Gewährleistung der Sonn- und Feiertagsruhe ist eine polizeiliche Aufgabe. Durch Art. 5 der Vorschriften werden an öffentlichen Ruhetagen politische Veranstaltungen nicht untersagt; sie sind auf privatem Boden ohne weiteres zulässig. Ausgeschlossen wird lediglich, dass an Sonn- und Feiertagen öffentlicher Grund für politische Zwecke zur Verfügung gestellt werden kann. Würdigt man diese Vorschrift im Rahmen der gesamten Ruhetagsgesetzgebung, so erscheint es auf jeden Fall nicht als verfassungswidrig, dass eine Stadt an Ruhetagen den öffentlichen Boden nicht für politische Umzüge, Demonstrationen, Sammeln von Unterschriften usw. zur Verfügung stellt. Die Auffassung, solche politischen Aktivitäten auf öffentlichem Grund seien geeignet, die Sonntagsruhe zu beeinträchtigen, ist mit guten Gründen vertretbar. Zur Sonntagsruhe gehört auch, dass der Einzelne nicht in unerwünschter Weise durch Vertreter irgendeiner politischen Forderung behelligt wird. Mag das Sammeln von Unterschriften vor Kirchen oder auf Spazierwegen bei einzelnen Aktionen auch besonders erfolgversprechend sein, so hat dies doch nicht zur Folge, dass ein Verbot sonntäglicher Sammelaktionen auf öffentlichem Grund verfassungswidrig wäre. Das zuständige Rechtsetzungsorgan darf den Schutz der Sonntagsruhe höher einstufen und diese verhältnismässig geringfügige Beschränkung der politischen Betätigungsmöglichkeit als tragbar erachten. Aus diesen Erwägungen hält Art. 5 der Vorschriften, soweit er sich auf die öffentlichen Ruhetage bezieht, der verfassungsrechtlichen Überprüfung stand. b) Ein gleicher Ausschluss jeder Bewilligung für die Benützung öffentlichen Grundes zu politischen Zwecken gilt gemäss Art. 5 auch für die Vortage hoher Feiertage. Diese zeitliche Ausdehnung des Verbots mag praktisch von geringer Bedeutung sein, weil sie nur fünf Tage pro Jahr betrifft; es ist trotzdem zu prüfen, ob diese Gleichstellung der Vortage mit öffentlichen Ruhetagen sachlich gerechtfertigt ist. BGE 102 Ia 50 S. 57 Die Vortage hoher Feiertage geniessen nach zürcherischem Recht keinen besonderen Schutz. Was oben über die Gewährleistung einer erhöhten Ruhe gesagt wurde, trifft auf diese Vortage daher nicht zu. Die Argumentation des Regierungsrates, der Durchschnittsbürger wolle sich in Ruhe auf die hohen Feiertage vorbereiten und dabei nicht durch politische Auseinandersetzungen gestört werden, vermag nicht zu überzeugen. Es fehlt jeder rechtliche oder tatsächliche Anhaltspunkt dafür, dass die hier in Frage stehende Benützung öffentlichen Grundes an Vortagen hoher Feiertage - anders als an den übrigen Werktagen - in besonderem Masse als störend empfunden werden könnte. Es erscheint daher nicht als gerechtfertigt, diese Vortage in bezug auf das Ruhebedürfnis und die Zulässigkeit politischer Veranstaltungen den gesetzlichen Ruhetagen gleichzustellen. Nachdem sie nach Ruhetagsgesetz als gewöhnliche Werktage gelten, fehlt ein ausreichender Grund, um die Möglichkeit der Bewilligung politischer Veranstaltungen auf öffentlichen Strassen und Plätzen ex lege auszuschliessen. Die staatsrechtliche Beschwerde ist in dieser Beziehung gutzuheissen. c) Für die Nachtzeit besteht - ähnlich wie für die Ruhetage - ein erhöhtes Bedürfnis nach Vermeidung von Lärm und irgendwelchen Störungen. Zur Gewährleistung des legitimen Anspruchs auf Nachtruhe dürfen Tätigkeiten während der Nachtstunden verboten werden, die tagsüber zulässig sind. Politische Veranstaltungen auf öffentlichem Grund sind geeignet, die in der Nacht erwünschte Ruhe auf Strassen und Plätzen zu stören. Mag auch die Gefahr solcher Störungen - je nach der Art der Veranstaltung - nicht sehr gross sein, so besteht anderseits unter dem Aspekt der Ausübung politischer Rechte kein ernstlicher Grund dafür, dass Strassen, Plätze und Anlagen gerade in der Nacht für Versammlungen, Umzüge, Werbeaktionen usw. zur Verfügung gestellt werden müssten. Der legitime Bedarf nach Durchführung solcher politischer Veranstaltungen kann während der Tageszeit bis 22.00 Uhr sicher in ausreichendem Masse befriedigt werden. Dass Art. 5 für die Nachtstunden eine "Sperrzeit" enthält, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die genaue Abgrenzung der "Sperrzeit" ist weitgehend Ermessenssache. Gegen den Beginn der "Sperre" um 22.00 Uhr wird von den Beschwerdeführern nichts Konkretes vorgebracht. Dass ein dem Interesse an der Nachtruhe vorgehendes BGE 102 Ia 50 S. 58 Bedürfnis bestehe, auch nach 22.00 Uhr öffentlichen Boden für politische Zwecke zu benützen, wird nicht behauptet. Die spezielle Kritik richtet sich gegen die Ausdehnung der Sperre bis 07.00 Uhr. Diese Begrenzung hat zur Folge, dass bei Fabriken mit Arbeitsbeginn um 07.00 Uhr eine vorangehende Werbeaktion oder Unterschriftensammlung auf öffentlichem Grund nicht bewilligt werden kann. Dass andere politische Veranstaltungen sinnvollerweise schon vor 07.00 Uhr stattfinden könnten, ist nicht anzunehmen. Obschon die Festlegung der Grenze auf 07.00 Uhr eine gewisse, praktisch nicht sehr bedeutsame Beschränkung der Möglichkeiten politischer Aktivität zur Folge hat, erscheint es doch als naheliegend und angemessen, den besonderen Schutz der Nachtruhe im Bereich der Bewilligung politischer Veranstaltungen auf öffentlichem Grund zeitlich gleich zu begrenzen wie in der städtischen Lärmschutzverordnung vom 2. Juni 1971. Würde man die generelle Grenze etwa auf 06.00 oder 06.30 Uhr verlegen, so müsste im einzelnen Bewilligungsverfahren die Gefahr einer Störung der Nachtruhe jeweilen stets unter Berücksichtigung der gesamten Situation (allfällige Nähe von Wohnhäusern, Altersheimen, Kinderheimen) genau abgeklärt werden. Indem Stadtrat und Regierungsrat durch das Festlegen der "Sperrzeit" bis 07.00 Uhr solche Zweifelsfälle von vornherein zu vermeiden suchten, verletzten sie kein verfassungsmässiges Recht; denn der Ausschluss der Benützung öffentlichen Grundes zu politischen Zwecken vor 07.00 Uhr stellt eine geringfügige Beschränkung der Möglichkeit politischer Betätigung dar und lässt sich im Interesse einer praktikabeln, mit den allgemeinen Lärmschutzvorschriften übereinstimmenden Regelung hinreichend rechtfertigen. Überdies ist jene Form politischer Propaganda, die wohl am ehesten vor Arbeitsbeginn in Frage kommen kann, nämlich das Verteilen von Flugblättern, gemäss Art. 9 Abs. 2 der Vorschriften jederzeit möglich. 5. In Art. 8 der Vorschriften wird die Errichtung von Zeichnungsstellen für Initiativ- und Referendumsbegehren sowie für Petitionen (auf öffentlichem Grund) auf die Dauer von längstens sechs Monaten beschränkt. Während ein Referendumsbegehren stets innert einer bestimmten Frist (auf Bundesebene: 3 Monate) einzureichen ist, kennt das Bundesrecht bei Initiativen und Petitionen keine BGE 102 Ia 50 S. 59 Limitierung des für die Unterschriftensammlung zur Verfügung stehenden Zeitraumes. Gemäss Art. 5 Abs. 1 lit. a des eidg. Initiativengesetzes vom 23. März 1962 dürfen aber Unterschriften, die nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten, vom Tage des Eingangs der Initiative zurückgerechnet, durch die zuständige Amtsstelle bescheinigt worden sind, bei der Ermittlung der Unterschriftenzahl nicht berücksichtigt werden. Im Kanton Zürich sind Unterschriftenbogen für kantonale Volksinitiativen ungültig, wenn sie erst nach Ablauf von sechs Monaten seit Beginn der Unterschriftensammlung dem Büro des Kantonsrates eingereicht werden (§ 13 Abs. 2 des Gesetzes über das Vorschlagsrecht des Volkes vom 1. Juni 1969). Für die Beurteilung der Frage, ob die angefochtene zeitliche Begrenzung der Bewilligung von Zeichnungsstellen vor der Verfassung standhält, sind die erwähnten gesetzlichen Fristen nicht von entscheidender Bedeutung. Auch soweit die Sammlung von Unterschriften an sich ohne zeitliche Begrenzung möglich ist, ergibt sich daraus keine Pflicht, Zeichnungsstellen auf öffentlichem Grund zeitlich unbeschränkt zu bewilligen. Soweit eine solche Limitierung sich aus sachlichen Gründen aufdrängt, ist sie nicht verfassungswidrig. - In der Stadt Zürich gibt es unbestrittenermassen nur eine beschränkte Zahl von Plätzen, die sich für das Sammeln von Unterschriften eignen. Um zu verhindern, dass eine günstige Zeichnungsstelle dauernd von der gleichen Organisation besetzt und damit für andere Interessenten blockiert werden kann, ist die angemessene Limitierung der Bewilligung dieser Art der Benützung öffentlichen Grundes durchaus sachgemäss. Die Festlegung eines Maximums von sechs Monaten ist eher grosszügig; es wird damit eine den erwähnten gesetzlichen Fristen analoge Begrenzung getroffen. Weshalb die politischen Rechte oder irgendwelche Freiheitsrechte einen Anspruch auf unbefristete Errichtung solcher Zeichnungsstellen gewährleisten sollen, lässt sich der Beschwerde nicht entnehmen. Die getroffene Regelung trägt den in Frage stehenden Interessen der Öffentlichkeit und der politischen Gruppierungen gebührend Rechnung, erleichtert eine angemessene Aufteilung der möglichen Benützung öffentlichen Grundes unter die Gesuchsteller und enthält keine sachlich ungerechtfertigte Einschränkung der politischen Aktivität. 6. Gemäss Art. 9 Abs. 1 der Vorschriften sind Veranstaltungen BGE 102 Ia 50 S. 60 zu Wahlen und Abstimmungen auf dem öffentlichen Grund nur in den letzten zwei Wochen vor dem Wahl- oder Abstimmungswochenende möglich. Dies gilt gemäss Absatz 2 von Art. 9 nicht für die Verteilung von Flugblättern. - Die Frist von zwei Wochen wählte der Stadtrat offenbar in Anlehnung an die Praxis der Parteien beim Plakataushang, der sich in der Regel in Zürich auf die letzten beiden Wochen vor dem Abstimmungs- oder Wahltermin konzentriere. Zur Begründung der knappen zeitlichen Begrenzung wird im Entscheid des Regierungsrates ausgeführt, derartige Veranstaltungen überstiegen in der Regel den zulässigen Gemeingebrauch und es würden dadurch Rechte anderer Strassenbenützer berührt; es sei deshalb vertretbar, diese Veranstaltungen "infolge ihrer relativ starken Beeinträchtigung der übrigen Strassenbenützer" auf eine verhältnismässig kurze Zeit zu beschränken. Die der Bewilligungspflicht unterstellten Arten der Benützung öffentlichen Grundes sind gemäss Art. 1 Abs. 1 der Vorschriften ganz allgemein dadurch charakterisiert, dass sie über den Gemeingebrauch hinausgehen. Inwiefern Veranstaltungen zu Wahlen und Abstimmungen die übrigen Strassenbenützer stärker stören sollen als andere politische Veranstaltungen auf öffentlichem Grund (Versammlungen, Umzüge, Demonstrationen), wird im Entscheid des Regierungsrates nicht dargetan. Selbst wenn eine vergleichsweise besonders starke Beeinträchtigung wahrscheinlich wäre, so würde dies an sich noch kein genügendes polizeiliches Motiv bilden, um derartige Veranstaltungen, die in erwünschter Weise das Interesse der Stimmbürger an einer bevorstehenden Wahl oder Abstimmung wecken können, auf den Zeitraum von zwei Wochen zu beschränken. Veranstaltungen, die früher - z.B. in der dritten oder vierten Woche vor der Abstimmung - stattfinden, bringen ja keine grössere Beeinträchtigung des Verkehrs als eine gleichartige Veranstaltung in den letzten zwei Wochen. Bei einer längern Frist oder beim Fehlen einer solchen zeitlichen Begrenzung wäre es dem einzelnen Veranstalter allerdings eher möglich, eine Manifestation oder Werbeaktion auf öffentlichem Grund zu wiederholen; dadurch könnte der Wegfall der Befristung eine gewisse zusätzliche Benützung und Belastung des öffentlichen Grundes zur Folge haben. Auch mit diesem Argument, das von Stadtrat und Regierungsrat nicht geltend gemacht wird, liesse sich aber die BGE 102 Ia 50 S. 61 in Art. 9 Abs. 1 angeordnete Konzentration auf zwei Wochen nicht rechtfertigen. Die Bewilligungsbehörde hat es stets in der Hand, - unter Wahrung des Gleichheitsprinzips - die Anzahl und die zeitliche Ausdehnung solcher Veranstaltungen so zu begrenzen, dass die Erfordernisse des öffentlichen Verkehrs in angemessener Weise gewahrt bleiben. Hingegen fehlt eine ausreichende Motivation für den generellen Ausschluss aller Wahl- und Abstimmungsveranstaltungen auf öffentlichem Grund, welche früher als zwei Wochen vor dem Wahl- oder Abstimmungstermin durchgeführt werden sollen. Art. 9 Abs. 1 enthält somit eine Beschränkung, die in dieser allgemeinen Form die verfassungsmässigen Rechte auf politische Betätigung verletzt und daher aufzuheben ist. Nur beiläufig sei bemerkt, dass die Unterscheidung zwischen Veranstaltungen zu Wahlen und Abstimmungen einerseits und andern politischen Veranstaltungen anderseits in einzelnen Fällen recht schwierig sein dürfte. Umgehungen der aufzuhebenden Begrenzung wären leicht möglich. Abgesehen vom - verfassungsrechtlich entscheidenden - Fehlen des Nachweises eines wirklichen sachlichen Bedürfnisses empfiehlt sich daher die Beseitigung der Bestimmung auch unter dem Aspekt der Rechtssicherheit und Praktikabilität.
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Urteilskopf 115 Ib 446 61. Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 28. Juni 1989 i.S. B. gegen Sportbetriebe Brünnli AG, Einwohnergemeinde Hasle bei Burgdorf und Verwaltungsgericht des Kantons Bern (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
Regeste Art. 15 USG , Art. 8, 13, 36 und 40 Abs. 3 LSV; Lärmschutz bei Erweiterung einer Kunsteisbahn. Ist schon die bestehende Sportanlage sanierungsbedürftig? Diese Frage ist nur ungenügend abgeklärt worden (E. 2 und 3). - Art. 36 LSV verleiht nicht nur einen Anspruch auf rechtliches Gehör, sondern statuiert eine Ermittlungspflicht der Behörden (E. 3a). - Grundsätze zur Beurteilung von Lärmimmissionen direkt gestützt auf Art. 15 USG , wenn Belastungsgrenzwerte fehlen (E. 3b). - Bei der Abklärung der Sanierungspflicht gemäss Art. 13 Abs. 1 LSV sind keine speziellen Massstäbe anzulegen (E. 3c). Kann die Baubewilligung für die Erweiterungsbaute nur erteilt werden, wenn vorgängig die Sanierungspflicht abgeklärt und allenfalls die Sanierung angeordnet worden ist? Frage verneint (E. 4). - Sowohl Art. 8 Abs. 2 LSV als auch Art. 15 USG verlangen nur bei wesentlichen, für die Lärmbelastung erheblichen Änderungen von Anlagen eine sofortige Sanierung (E. 4b, c).
Sachverhalt ab Seite 447 BGE 115 Ib 446 S. 447 Die Sportbetriebe Brünnli AG betreibt seit 1982 auf der Parzelle Nr. 1455 in der Gemeinde Hasle bei Burgdorf eine Eisbahn bzw. in den Sommermonaten Tennisplätze. Mit den Sportanlagen war seinerzeit ein kleineres Betriebsgebäude erstellt worden, dessen Flachdach als Tribüne dient. Am 16. Dezember 1986 reichten die Sportbetriebe Brünnli AG und die Einwohnergemeinde Hasle als Grundeigentümerin ein Baugesuch für ein zweites Betriebsgebäude ein, in welchem weitere Garderoben und Duschräume, ein Aufenthaltsraum sowie zwei Materialmagazine untergebracht werden sollen. Gegen das Bauvorhaben erhoben die Eheleute B., deren Wohnhaus in einer Entfernung von rund 120 m von der Eisbahn steht, Einsprache. Diese wurde am 11. August 1987 vom Regierungsstatthalter von Burgdorf abgewiesen und die Baubewilligung erteilt. Die Eheleute B. wandten sich hierauf an die Baudirektion des Kantons Bern und verlangten, dass die Baubewilligung aufgehoben werde oder allenfalls Massnahmen zur Lärmbekämpfung und Verkehrsberuhigung ergriffen würden. Im Verfahren vor der Baudirektion gaben die Baugesuchsteller die Erklärung ab, dass auf eine Benützung des Flachdachs des neuen Gebäudes als Tribüne verzichtet werde. Die Baudirektion nahm von diesem Verzicht Vormerk und wies die Beschwerde am 5. Juli 1988 ab. Diesen Entscheid der Baudirektion fochten die Eheleute B. beim Verwaltungsgericht des Kantons Bern an. Sie machten im wesentlichen BGE 115 Ib 446 S. 448 geltend, die Erweiterung der Sportanlage verstosse gegen verschiedene Bestimmungen des Bundesgesetzes über den Umweltschutz und sei daher nicht zu bewilligen; allenfalls seien bauliche Schallschutzmassnahmen zu ergreifen und Betriebsbeschränkungen anzuordnen. Mit Urteil vom 31. Oktober 1988 wies das bernische Verwaltungsgericht die Beschwerde ab, soweit es auf sie eintrat. Hiegegen haben die Eheleute B. beim Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereicht und verlangt, dass der angefochtene Entscheid aufgehoben und die Streitsache zur Neubeurteilung an die Vorinstanzen zurückgewiesen werde. Das Bundesgericht weist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde im Sinne der Erwägungen ab. Erwägungen Erwägungen: 1. a) Der angefochtene Entscheid des Verwaltungsgerichtes stützt sich - soweit er hier in Frage steht - auf das Bundesgesetz über den Umweltschutz vom 7. Oktober 1983 (USG) sowie die Lärmschutzverordnung vom 15. Dezember 1986 (LSV). Gegen das Urteil ist, da Art. 54 Abs. 1 USG auf die allgemeine bundesrechtliche Rechtsmittelordnung verweist und keiner der in den Art. 99-101 OG umschriebenen Ausschlussgründe gegeben ist, richtigerweise Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben worden, werden doch ausschliesslich Bundesrechtsverletzungen gerügt ( Art. 97 und 104 OG ; BGE 114 Ib 347 ff. E. 1, BGE 113 Ib 396 ff. E. 1). b) Die Beschwerdeführer werden als Nachbarn der Kunsteisbahn und Einsprecher im Baubewilligungsverfahren vom angefochtenen Entscheid berührt, haben ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung und sind daher zur Einreichung einer Verwaltungsgerichtsbeschwerde befugt ( Art. 103 lit. a OG ). 2. a) Die Beschwerdeführer haben im kantonalen Verfahren und in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde geltend gemacht, der Betrieb auf der Eisbahn und auf den Zufahrtsstrassen zur Sportanlage sei bereits heute - unabhängig von der geplanten Erweiterung - mit derart starkem Lärm verbunden, dass Sanierungsmassnahmen angeordnet werden müssten. Die nach Art. 15 USG zulässigen Immissionsgrenzwerte seien bei weitem überschritten. Das Verwaltungsgericht habe den Sachverhalt offensichtlich unvollständig und teilweise unrichtig festgestellt: Es seien weder Messungen durchgeführt noch Gutachten eingeholt und auch die BGE 115 Ib 446 S. 449 massgebenden Immissionsgrenzwerte nicht festgelegt worden. Die Feststellung, die Anwohner würden durch den Lärm in ihrem Wohlbefinden nicht wesentlich gestört, sei wirklichkeitsfremd. b) Das Verwaltungsgericht hat die Sanierungsbedürftigkeit der bestehenden Eisbahn- und Tennisanlage im angefochtenen Entscheid verneint. Hiezu wird ausgeführt, Sanierungsmassnahmen seien nur anzuordnen, falls die Anlage wesentlich zur Überschreitung des Immissionsgrenzwertes beitrage und soweit die Sanierung technisch und betrieblich möglich sowie wirtschaftlich tragbar sei, wobei allerdings die Immissionsgrenzwerte in der Regel nicht überschritten werden sollten ( Art. 13 Abs. 1 und 2 LSV ). Nun habe zwar der Verordnungsgeber in den Anhängen zur Lärmschutzverordnung die Belastungsgrenzwerte für verschiedene Lärmarten festgelegt, doch gebe es keine Werte für Sport- und Freizeitanlagen. Fehlten Belastungsgrenzwerte, so beurteile die Vollzugsbehörde die Lärmimmissionen nach der Vorschrift von Art. 15 USG , gemäss welcher der Lärm die Bevölkerung in ihrem Wohlbefinden nicht erheblich stören dürfe. Da eine Sanierung nach Art. 13 Abs. 1 LSV nur dann angezeigt sei, wenn die bestehende Anlage "wesentlich" zur Überschreitung der Grenzwerte beitrage, dürften an die Erheblichkeit der Störung des Wohlbefindens der Bevölkerung strengere Massstäbe angelegt werden, als wenn es um die Zulässigkeit einer neuen Anlage ginge. Im vorliegenden Fall sei, wie das Verwaltungsgericht weiter darlegt, keine solche wesentliche Störung des Wohlbefindens der Anwohner anzunehmen. Die Sportbetriebe Brünnli AG habe sich verpflichtet, die Sportanlage um 22 Uhr und den Parkplatz ab 22.30 Uhr zu schliessen. Musik über Lautsprecher ertöne nur am Mittwoch, Samstag und Sonntag von 14-16 Uhr. Der bestehende Kiosk werde in den Aufenthaltsraum verlegt und bleibe nur bis 20 Uhr offen, sofern keine Hockeyspiele stattfänden. Durch diese Betriebsbeschränkungen werde ein emissionsarmer Betrieb gewährleistet und bleibe insbesondere die Nachtruhe gewahrt. Auch aus dem Umstand, dass nur die Einsprache der Beschwerdeführer gegen die Erweiterungsbaute aufrechterhalten worden sei, ergebe sich, dass der Betrieb von den Anwohnern im allgemeinen akzeptiert werde und die Immissionen sie in ihrem Wohlbefinden nicht erheblich störten. Im übrigen fiele als wirksame Sanierungsmassnahme vor allem eine Überdeckung der gesamten Anlage in Betracht und solle später einmal eine solche vorgenommen werden. Es wäre indessen unverhältnismässig, eine derart kostspielige BGE 115 Ib 446 S. 450 Massnahme bereits heute anzuordnen. Das gleiche gelte für die lärmdämmenden neuen Banden, die von den Beschwerdeführern verlangt würden. Dass die Parzelle der Beschwerdeführer in der Zone W2 liege, was wohl der Empfindlichkeitsstufe II entsprechen dürfte, bedeute schliesslich nicht, dass diese von der nah gelegenen Sportanlage überhaupt keine Immissionen hinzunehmen hätten. Vielmehr ergebe eine Würdigung der gesamten Umstände, dass der Sportbetrieb zu keiner unzulässigen Lärmbelastung führe und für die Anlage keine Sanierungspflicht gemäss Art. 13 LSV bestehe. 3. Die Frage, ob eine bestehende Anlage sanierungsbedürftig sei, beurteilt sich, wie das Verwaltungsgericht zu Recht festgestellt hat, gemäss Art. 13 Abs. 1 LSV in erster Linie danach, ob die Anlage wesentlich zur Überschreitung der Immissionsgrenzwerte beitrage oder nicht. Die Aussenlärmimmissionen ortsfester Anlagen - zu deren Ermittlung die Vollzugsbehörde verpflichtet ist, falls eine Überschreitung der massgebenden Belastungsgrenzwerte anzunehmen ist ( Art. 36 Abs. 1 LSV ) - werden durch Berechnungen oder Messungen bestimmt und als Beurteilungspegel Lr oder Lmax umschrieben ( Art. 38 Abs. 1 LSV ). Dieser ist nach Art. 40 Abs. 1 LSV den in den Anhängen zur Lärmschutzverordnung festgelegten Belastungsgrenzwerten gegenüberzustellen. Fehlen Belastungsgrenzwerte, so beurteilt gemäss Art. 40 Abs. 3 LSV die Vollzugsbehörde die Lärmimmissionen nach Art. 15 USG , wonach die Immissionsgrenzwerte für Lärm so festzulegen sind, dass nach dem Stand der Wissenschaft oder der Erfahrung Immissionen unterhalb dieser Werte die Bevölkerung in ihrem Wohlbefinden nicht erheblich stören. a) Zur Ermittlungspflicht hat das Verwaltungsgericht im Zusammenhang mit dem Begehren der Beschwerdeführer um zusätzliche Beweiserhebungen ausgeführt, die Vorschrift von Art. 36 LSV gewährleiste lediglich den Anspruch auf rechtliches Gehör. Sie verpflichte die Behörde oder das Gericht, die form- und fristgerecht angebotenen, sich auf wesentliche Tatsachen beziehenden Beweise abzunehmen oder solche von Amtes wegen zu erheben, verbiete es indessen nicht, das Beweisverfahren zu schliessen, wenn aufgrund der Lage der Akten, der eigenen Kenntnis oder der bereits abgenommenen Beweise der rechtlich erhebliche Sachverhalt für genügend geklärt erachtet werde. Bei der antizipierten Beweiswürdigung stehe den Behörden und Gerichten ebenso wie bei der Würdigung von bereits erhobenen Beweisen ein weiter Spielraum des Ermessens zu. BGE 115 Ib 446 S. 451 Mit dieser einschränkenden Auslegung wird das Verwaltungsgericht jedoch der Vorschrift von Art. 36 LSV nicht gerecht. Wohl verlangt die Frage, ob Grund zur Annahme bestehe, dass die massgebenden Belastungsgrenzwerte überschritten würden, eine vorweggenommene Würdigung der Lärmsituation und spielt bei dieser das Ermessen eine gewisse Rolle. Ist diese Frage aber einmal bejaht, so schreibt die Lärmschutzverordnung insbesondere in den Art. 38-40 sowie in den Anhängen 2-7 im einzelnen vor, wie die Aussenlärmimmissionen zu ermitteln sind; insofern verbleibt der Behörde bei der Durchführung des Beweis- bzw. Ermittlungsverfahrens grundsätzlich kein Ermessensspielraum. Im angefochtenen Entscheid wird die Ermittlungspflicht im Sinne von Art. 36 LSV für den vorliegenden Fall weder ausdrücklich bejaht noch verneint. Da sich das Verwaltungsgericht jedoch selbst in Anwendung von Art. 40 Abs. 3 LSV gestützt auf Art. 15 USG mit der Lärmsituation auseinandergesetzt hat, ist anzunehmen, dass es an sich vom Bestehen der Ermittlungspflicht ausging. In der Tat kann wohl nicht ausgeschlossen werden, dass die Aussenlärmimmissionen einer ungedeckten Eisbahn, die in den Wintermonaten täglich bis 22 Uhr in Betrieb ist und auf der rund 80 Meisterschaftsspiele stattfinden, die für Wohnzonen massgebenden Immissionsgrenzwerte erreichen oder überschreiten. b) Dass der Verordnungsgeber für Sport- und Freizeitanlagen keine Belastungsgrenzwerte und keine Grundsätze zur Bemessung des Beurteilungspegels festgesetzt, sondern auf Art. 15 USG verwiesen hat, bedeutet nicht, dass über die Störwirkung einer solchen Anlage nur aufgrund des subjektiven Empfindens der Behörde oder einzelner Personen entschieden werden könne. Zwar sind nach Art. 15 USG die Immissionsgrenzwerte für Lärm so festzulegen, dass die sie nicht erreichenden Immissionen nach dem Stand der Wissenschaft "oder nach der Erfahrung" das Wohlbefinden der Bevölkerung nicht erheblich stören. Da jedoch auf das Wohlbefinden der Bevölkerung abzustellen ist, wobei gemäss Art. 13 Abs. 2 USG auch auf Personengruppen mit erhöhter Empfindlichkeit Rücksicht zu nehmen ist, können nur allgemeine Erfahrungswerte und nicht bloss Meinungen einzelner als Massstab beigezogen werden. Das heisst, dass auch bei der Beurteilung von Lärmimmissionen direkt gestützt auf Art. 15 USG objektivierte Kriterien anzuwenden sind (vgl. Entscheid vom 17. Mai 1988 E. 3c, publ. in ZBl 90/1989 S. 226). Zwar kann der Behörde nicht zugemutet werden, in jedem Einzelfall - ähnlich wie bei der Festlegung BGE 115 Ib 446 S. 452 der Belastungsgrenzwerte und Beurteilungspegel durch den Verordnungsgeber - zahlreiche Messungen, umfangreiche Befragungen und aufwendige Auswertungen der Ergebnisse durchzuführen oder durchführen zu lassen (s. hiezu CHRISTOPH ZÄCH, Kommentar zu Art. 15 USG ; BGE 114 Ib 37 E. 3b). Andererseits wird eine rechtsgleiche Handhabung der Sanierungsvorschriften, die eine direkte Anwendung von Art. 15 USG voraussetzen, nur gewährleistet werden können, falls bei der Beurteilung der Lärmsituation möglichst weitgehend auf bereits bekannte Grössen abgestellt wird. So vermögen etwa die in den Anhängen 3-6 LSV festgelegten Immissionsgrenzwerte - obschon sie nicht direkt anwendbar sind - und die je nach Lärmart unterschiedlichen Korrekturformeln für die Beurteilungspegel wertvolle Anhaltspunkte zu vermitteln. Stehen genügend Erfahrungswerte zur Verfügung, darf allerdings auch auf Messungen verzichtet werden, beispielsweise wenn auf die Aussagen einer repräsentativen Zahl der vom Lärm betroffenen Personen über die Störwirkung abgestellt werden kann oder wenn die Ergebnisse früherer Untersuchungen über andere Anlagen bekannt sind, die mit der in Frage stehenden verglichen werden können. Im Hinblick auf diese Grundsätze erscheinen die Sachverhaltsfeststellungen, die das Verwaltungsgericht seinem Entscheid über die Sanierungsbedürftigkeit der Eisbahn zugrunde gelegt hat, als ungenügend. Es sind weder Messungen noch Befragungen vorgenommen, noch ist auf Untersuchungen bei anderen Sportanlagen abgestellt worden. Das vom Verwaltungsgericht mitberücksichtigte Parteigutachten sagt nichts über die heutige Lärmsituation aus. Dass einzig die Beschwerdeführer Einsprache gegen die Erweiterungsbaute erhoben haben, erlaubt für sich allein den Schluss noch nicht, die übrigen Anwohner fühlten sich durch den von der Eisbahn ausgehenden Lärm nicht gestört. Ebenso bedeutet der Umstand, dass die Nachtruhe gewahrt bleibt, nicht unbedingt, dass die Belästigung tagsüber nicht zu einer erheblichen Störung des Wohlbefindens führen könnte. Wenn schliesslich das Verwaltungsgericht von unverhältnismässig hohen Kosten einer Überdeckung der Eisbahn oder der Ersetzung der Banden spricht, so ist dies eine Frage, die nicht bei der Prüfung der Sanierungsbedürftigkeit, sondern nach deren Feststellung bei der Auswahl der geeigneten Sanierungsmassnahmen abzuklären ist. Die im angefochtenen Urteil angestellten Überlegungen lassen jedenfalls einen Entscheid darüber, ob die Immissionsgrenzwerte überschritten werden, nicht zu. BGE 115 Ib 446 S. 453 c) Übrigens hat das Verwaltungsgericht bei der Untersuchung der heutigen Lärmbelastung auf den Wortlaut von Art. 13 Abs. 1 LSV hingewiesen, wonach Sanierungen bei Anlagen anzuordnen sind, die wesentlich zur Überschreitung der Immissionsgrenzwerte beitragen, und aus diesem geschlossen, dass an die Erheblichkeit der Störung des Wohlbefindens strengere Massstäbe anzulegen seien, wenn die Sanierungspflicht in Frage stehe als wenn eine Neuanlage zu beurteilen sei. Dem ist zum einen entgegenzuhalten, dass bei der Errichtung neuer ortsfester Anlagen in der Regel die Planungs- und nicht die Immissionsgrenzwerte einzuhalten sind ( Art. 23 und Art. 25 Abs. 1 USG ). Zum anderen ergibt sich aus den Artikeln 13 und 15 USG klar, dass der nach diesen Bestimmungen festgelegte Immissionsgrenzwert für die Beurteilung aller schädlichen oder lästigen Einwirkungen gelten soll und keine unterschiedlichen Werte für Sanierungsmassnahmen einerseits und Vorsorge- oder Planungsmassnahmen andererseits Anwendung finden sollen. Allfällige Erleichterungen für Sanierungen im Einzelfall sind entsprechend den Bestimmungen von Art. 17 USG und Art. 14 LSV und nicht durch unterschiedliche Festlegung des Immissionsgrenzwertes zu gewähren. Aus dem Text von Art. 13 Abs. 1 LSV lässt sich denn auch nichts anderes ableiten: Es ist hier nicht von einer wesentlichen Überschreitung der Immissionsgrenzwerte die Rede, sondern von Anlagen, die wesentlich zur Überschreitung der Immissionsgrenzwerte beitragen; das bedeutet, dass nach dieser Vorschrift auch Anlagen sanierungsbedürftig sein können, die zusammen mit anderen bestehenden Anlagen schädlichen oder lästigen, d.h. den Immissionsgrenzwert überschreitenden Lärm verursachen und wesentlich zum Gesamtlärm beitragen. d) Erweist sich somit, dass die Frage der Sanierungsbedürftigkeit der bestehenden Sportanlage im Sinne von Art. 13 LSV nur ungenügend abgeklärt worden ist, so steht den Beschwerdeführern weiterhin das Recht zu, Sanierungsmassnahmen zu verlangen, und wird die Vollzugsbehörde die entsprechenden notwendigen Ermittlungen vornehmen müssen. Ergeben diese Ermittlungen, dass der massgebende Immissionsgrenzwert nicht überschritten wird, so darf daraus noch nicht geschlossen werden, dass nichts gegen den Lärm zu unternehmen sei. Wie das Bundesgericht in BGE 113 Ib 400 E. 3 hervorgehoben hat, sind Schutzmassnahmen nicht erst zu ergreifen, wenn die Umweltbelastung schädlich oder lästig wird, sondern sollen auch die bloss unnötigen Emissionen vermieden werden. Unabhängig BGE 115 Ib 446 S. 454 von der bestehenden Umweltbelastung werden daher direkt gestützt auf Art. 11 Abs. 2 und Art. 12 Abs. 2 USG Betriebs- oder andere Beschränkungen zu erlassen sein (wie Verbot des Einsatzes von Lärminstrumenten bei Eishockeyspielen, frühere Schliessung der Eisbahn am Sonntagabend usw.), falls sich erweist, dass diese technisch und betrieblich möglich und wirtschaftlich tragbar sind. Stellt sich dagegen nach weiteren Abklärungen heraus, dass die Lärmbelastung den Immissionsgrenzwert übersteigt, sind Sanierungsmassnahmen im Sinne von Art. 13 ff. LSV anzuordnen. Je nach Dringlichkeit werden diese sofort oder erst später, spätestens aber vor Ablauf von 15 Jahren nach Inkrafttreten der Lärmschutzverordnung durchgeführt werden müssen ( Art. 17 LSV ). 4. Zu prüfen bleibt, welchen Einfluss das Ermittlungs- und eventuelle Sanierungsverfahren auf das Erweiterungsprojekt habe, insbesondere ob - wie die Beschwerdeführer geltend machen - die zusätzlichen Ermittlungen bereits im Rahmen des Baubewilligungsverfahrens vorgenommen werden müssten und die Erteilung der Baubewilligung für das zusätzliche Betriebsgebäude von der allfälligen Sanierung abhängig zu machen sei. a) Für die Änderung bestehender lärmerzeugender Anlagen wird in Art. 8 Abs. 1 LSV in erster Linie vorausgesetzt, dass die Lärmemissionen der neuen oder geänderten Anlageteile so weit begrenzt werden, als dies technisch und betrieblich möglich sowie wirtschaftlich tragbar ist. Unter diesem Gesichtswinkel steht, was auch die Beschwerdeführer nicht bestreiten, dem Bauvorhaben nichts entgegen. Das neue Betriebsgebäude erzeugt selbst keinen Lärm; es wird sogar die von der Eisbahn ausgehenden Emissionen in geringem Masse abzuschirmen vermögen. Die Benutzer werden sich vor allem im Innern des neuen Gebäudes aufhalten und keinen zusätzlichen Aussenlärm verursachen. Etwas anderes gälte, wenn - wie ursprünglich vorgesehen - das Dach des Neubaus ebenfalls als Tribüne ausgestaltet würde. Nachdem aber auf dieses Vorhaben verzichtet worden ist, sind aufgrund von Art. 8 Abs. 1 LSV keine weiteren vorsorglichen Lärmschutzmassnahmen erforderlich. b) Wird eine ortsfeste Anlage wesentlich geändert, so müssen nach Art. 8 Abs. 2 LSV die Lärmemissionen der gesamten Anlage mindestens so weit begrenzt werden, dass die Immissionsgrenzwerte nicht überschritten werden. Änderungen gelten als wesentlich, wenn zu erwarten ist, dass durch die Anlage selbst oder durch die Mehrbeanspruchung bestehender Verkehrsanlagen BGE 115 Ib 446 S. 455 wahrnehmbar stärkere Lärmimissionen erzeugt werden ( Art. 8 Abs. 3 LSV ). Zur Prüfung der Frage, ob die Änderung einer Anlage wesentlich sei, ist somit die zukünftige Lärmentwicklung abzuschätzen. Solche Prognosen sind vor allem dann, wenn der bestehende Lärmpegel (noch) nicht ermittelt worden ist, nicht leicht zu stellen. Im vorliegenden Fall sind jedoch keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass das Verwaltungsgericht in dieser Hinsicht offensichtlich falsche, unrichtig zustande gekommene oder unvollständige Sachverhalts-Feststellungen getroffen ( Art. 105 Abs. 2 OG ) oder Schlüsse gezogen hätte, durch welche der ihm zustehende Beurteilungsspielraum überschritten und dadurch Recht verletzt worden wäre (vgl. BGE 112 Ib 519 E. 3b). Das Verwaltungsgericht weist zu Recht darauf hin, dass die Eisbahn selbst nicht vergrössert wird und sie schon heute weitgehend ausgelastet ist. Auf die Zusicherungen des Gemeinderates von Hasle, dass der Spielbetrieb nach dem Bau des zusätzlichen Gebäudes nicht intensiviert werde, durfte abgestellt werden. Die Annahme des Gerichtes, dass der Grund für eine allfällige Zunahme der Benützer- und Zuschauerzahl nicht in den durch die zusätzlichen Garderoben und den Aufenthaltsraum gebotenen Annehmlichkeiten zu finden, sondern auf die steigende Beliebtheit der noch relativ neuen Sportanlage und des örtlichen Eishockey- Clubs zurückzuführen sei, vermag zu überzeugen. Demnach kann mit dem Verwaltungsgericht davon ausgegangen werden, dass die Änderung der Sportanlage nicht zu wahrnehmbar stärkeren Lärmimmissionen führen wird - sei es durch die Anlage selbst oder durch eine Mehrbeanspruchung der Zufahrtsstrassen ( Art. 8 Abs. 3 LSV ) - und daher nicht als wesentlich im Sinne von Art. 8 LSV gilt. Damit entfällt die Pflicht, eine eventuell erforderliche Sanierung schon heute, gleichzeitig mit der Projektierung und Erstellung des zusätzlichen Betriebsgebäudes, durchzuführen. c) Dieses Ergebnis hält entgegen der Meinung der Beschwerdeführer auch vor Art. 18 USG stand. Wohl könnte aus dem Wortlaut von Art. 18 USG geschlossen werden, dass sanierungsbedürftige Anlagen bei jedem Umbau und jeglicher Erweiterung gleichzeitig saniert werden müssten, doch wird nach dem klaren Sinn und Zweck dieser Vorschrift eine sofortige Sanierung nur bei wesentlichen, für die Lärmbelastung erheblichen Änderungen verlangt (Botschaft des Bundesrates zum Bundesgesetz über den Umweltschutz vom 31. Oktober 1979, BBl 1979 III S. 798; ANDRE SCHRADE, Kommentar zu Art. 18 USG N 14 ff.). Da hier das BGE 115 Ib 446 S. 456 zusätzliche Betriebsgebäude weder die Lärmsituation beeinflusst noch allfällige Sanierungsmassnahmen erschwert, steht dessem Bau aus der Sicht von Art. 18 USG nichts entgegen, abgesehen davon, dass die Frage der Sanierungsbedürftigkeit der Sportanlage noch offen ist. 5. Müssen nach dem Gesagten die zusätzlichen Ermittlungen und allfälligen Lärmschutzmassnahmen nicht schon im Rahmen der Erweiterung der Sportanlage getroffen werden, so ist die sich gegen die Baubewilligung richtende Beschwerde abzuweisen. Dementsprechend sind die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens den Beschwerdeführern aufzuerlegen und sind diese zu verpflichten, den Beschwerdegegnern eine Parteientschädigung zu entrichten ( Art. 156 Abs. 1 und Art. 159 Abs. 2 OG ).
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Urteilskopf 115 Ib 202 28. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 16. Juni 1989 i.S. G. SA gegen Eidg. Zollverwaltung und Eidg. Zollrekurskommission (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
Regeste Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ( Art. 100 lit. h OG ). Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist hinsichtlich der zollrechtlichen Tarifierung selbst dann unzulässig, wenn diese zu andern Zwecken als zur Zollerhebung erfolgt (Änderung der Rechtsprechung).
Sachverhalt ab Seite 202 BGE 115 Ib 202 S. 202 Im Auftrag der G. SA deklarierte die Speditionsfirma W. am 29. April 1986 dem Zollamt Stein-Bad Säckingen eine Sendung Weizenkroketten nach der Tarif-Nr. 1905.01 (Nahrungsmittel) zur Einfuhrverzollung. Das Zollamt revidierte die Sendung und zog davon ein Muster. Zwei weitere Sendungen wurden am 14. Mai und am 1. August 1986 im Auftrag der G. SA von der Speditionsfirma R. beim Zollamt Stein-Bad Säckingen nach der Tarif-Nr. 1905.01 zur Einfuhrverzollung angemeldet. Das Zollamt nahm die Deklarationen an, revidierte die Sendungen und zog davon Muster, die es dem chemisch-technischen Dienst der Oberzolldirektion zur Überprüfung der Tarifeinreihung vorlegte. Gestützt auf die Untersuchungsberichte des chemisch-technischen Dienstes der Oberzolldirektion verfügte die Zollkreisdirektion Basel am 16. Juni 1986, dass die am 29. April 1986 eingeführte Ware nach der Tarif-Nr. 2307.10 (Tierfutter) zu verzollen und nachträglich eine Verzollungsermächtigung der Genossenschaft BGE 115 Ib 202 S. 203 für Getreide und Futtermittel einzuverlangen sei. Zwei weitere Verfügungen bezüglich der Einfuhren vom 14. Mai und vom 1. August 1986 mit im wesentlichen gleichlautendem Inhalt erliess die Zollkreisdirektion Basel am 2. Juli und am 18. August 1986. Die Oberzolldirektion bestätigte die drei Verfügungen mit Entscheid vom 22. Januar 1987. Eine Beschwerde an die Eidg. Zollrekurskommission blieb erfolglos. Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 14. September 1988 stellt die G. SA den Antrag, der Entscheid der Eidg. Zollrekurskommission vom 20. Mai 1988 sei aufzuheben und es sei zu erkennen, dass die deklarierten Waren nach Tarif-Nr. 1905.01 zu verzollen seien und es folglich einer Verzollungsermächtigung der Genossenschaft für Getreide und Futtermittel nicht bedürfe. Das Bundesgericht tritt auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht ein. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. a) Der angefochtene Entscheid stützt sich auf öffentliches Recht des Bundes und unterliegt daher grundsätzlich gemäss Art. 97 f. OG der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, soweit diese nicht ausdrücklich ausgeschlossen wird. Gemäss Art. 100 lit. h OG ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde unzulässig "auf dem Gebiete der Zölle: (gegen) Verfügungen über deren Veranlagung, soweit diese von der Tarifierung oder von der Gewichtsbemessung abhängt." Aus dem Wortlaut dieser Bestimmung schloss das Bundesgericht in BGE 102 Ib 229 e contrario, die Verwaltungsgerichtsbeschwerde sei zulässig gegen Entscheide der Eidg. Zollrekurskommission, die nicht "das Gebiet der Zölle" beschlagen, namentlich Entscheide über die Tarifierung zu andern Zwecken als der Zollerhebung (vgl. Art. 109 Abs. 1 lit. c Ziff. 2 Zollgesetz; SR 631.0). b) Das Bundesgericht hat die Ausschlussbestimmung hinsichtlich der Tarifierung auch in anderer Hinsicht - allerdings ohne nähere Begründung - eng gehandhabt, indem es die Sachverhaltsfeststellungen der Eidg. Zollrekurskommission, welche Grundlage für die Einreihung in den Zolltarif bilden, in verschiedenen nicht veröffentlichten Entscheiden überprüfte (allerdings mit den sich aus Art. 105 Abs. 2 OG ergebenden Einschränkungen). Diese Praxis hat das Bundesgericht im - ebenfalls unveröffentlichten - BGE 115 Ib 202 S. 204 Urteil i.S. D. Metallhandel AG vom 31. Oktober 1985 verlassen. Bei der Tarifierung geht es um die Subsumtion eines Tatbestandes unter eine Position des Zolltarifes. Die Sachverhaltsfeststellung lässt sich von der rechtlichen Qualifikation vernünftigerweise nicht trennen. Wenn schon die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ausgeschlossen ist, weil sich die Tarifierung für die Überprüfung durch das Bundesgericht nicht eignet ( BGE 106 Ib 271 ), gilt dies erst recht für die darauf bezügliche Sachverhaltsfeststellung. Die Frage nach der Beschaffenheit einer Ware ist in der Regel die "technischere" Seite der Tarifierung: häufig steht mit der Bestimmung der Ware auch die anwendbare Tarifposition bereits fest und kann nicht mehr ernsthaft in Zweifel gezogen werden. Anderseits lässt sich die Beschaffenheit einer Ware nur im Hinblick auf eine konkrete Zollposition ermitteln, da sich erst aus dieser ergibt, nach welchen (v.a. naturwissenschaftlichen) Gesichtspunkten eine Ware zu untersuchen bzw. zu bestimmen ist. Die Bestimmung der Beschaffenheit einer Ware und der entsprechend anwendbaren Tarifposition lassen sich somit nur schwer auseinanderhalten; folglich kann die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht in einem Fall gegeben und im andern unzulässig sein; sie ist in beiden Fällen unzulässig. Eine solche Auslegung von Art. 100 lit. h OG findet ihre Stütze auch in den Materialien (zur Entstehungsgeschichte der Bestimmung vgl. BGE 102 Ib 229 /30): Während der Nationalrat vorschlug, die Verwaltungsgerichtsbeschwerde sei auszuschliessen "auf dem Gebiete der Zölle: gegen deren Festsetzung, soweit es sich um die Zolltarifierung handelt" (Amtl.Bull. 1967 N 35), wurde durch den Ständerat schliesslich auch die Gewichtsbemessung - welche die Feststellung der Warenmenge zum Gegenstand hat - der Tarifierung gleichgestellt (Amtl.Bull. 1967 S 351/2). Daraus erhellt die Absicht, ausgesprochen "technische" Fragen (wie die der Gewichtsbemessung) der endgültigen Beurteilung durch ein mit Fachleuten aus verschiedenen Wirtschaftszweigen besetztes Spezialgericht zu überlassen. c) Im genannten Urteil i.S. D. Metallhandel AG (und in einem weiteren Urteil gleichen Datums i.S. K. & Cie AG) warf das Bundesgericht die Frage auf, ob an der Praxis festgehalten werden könne, wonach der Ausschluss der Verwaltungsgerichtsbeschwerde zur Überprüfung der Tarifierung dann nicht gilt, wenn sie zu andern Zwecken als zur Zollerhebung erfolgt (BGE 102 BGE 115 Ib 202 S. 205 Ib 227 ff.). Denn die vorwiegend "technische" Frage, um was für eine Ware es sich handelt und unter welche Tarifposition sie einzureihen ist, behält ihren "technischen" Charakter unverändert, wenn davon die Bewilligungspflicht für Ein- und Ausfuhr und nicht nur der geschuldete Zollbetrag abhängt. Die damals offengelassene Frage ist heute zu entscheiden. d) Auf dem ganzen Gebiet der Zölle ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde grundsätzlich zulässig (und zwar sowohl gegenüber Entscheiden der Oberzolldirektion wie auch der Eidg. Zollrekurskommission und des Eidg. Finanzdepartements; vgl. Art. 109 Abs. 1 lit. e i.V.m. lit. c und d Zollgesetz). Der Gesetzgeber wollte die Materie der Zölle als solche nicht von der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ausnehmen. Wenn er den Ausschluss auf Verfügungen über Zollveranlagungen beschränkte, soweit diese von der Tarifierung (oder Gewichtsbemessung) abhängen, tat er dies nicht deswegen, weil es "nur" um die Veranlagung von Zöllen geht, sondern weil er die Tarifierung nicht für justitiabel hielt. Das ergibt sich, wie dargelegt (E. 2b), aus den Materialien. Etwas anderes lässt sich daraus nicht ableiten. In BGE 102 Ib 230 /31 legte das Bundesgericht Gewicht auf die Feststellung, schon der Bundesrat habe im Revisionsentwurf von der "Festsetzung des Zollbetrages" gesprochen, wie auch der schliesslich verabschiedete Gesetzestext vom "Gebiet der Zölle" und "deren Veranlagung" spreche. Das bedeutet aber nicht, dass die Tarifierung zu andern Zwecken als der Zollerhebung nicht unter die Ausschlussbestimmung fällt. Vielmehr erscheint der Wortlaut gemessen an der gesetzgeberischen Absicht, nicht justitiable Fragen von der Verwaltungsgerichtsbeschwerde auszunehmen, als zu eng, auch noch in der vom Parlament modifizierten Fassung von Art. 100 lit. h OG . Auch wenn die Tarifierung zu andern Zwecken als der Zollerhebung erfolgt, geht es um die Anwendung des Zolltarifs, also von Zollrecht. Entsprechend ist auch die Zuständigkeit der Zollbehörden, insbesondere der Eidg. Zollrekurskommission als Spezialverwaltungsgericht gegeben (Art. 109 Abs. 1 lit. c Ziff. 2 Zollgesetz). Es handelt sich also nicht nur um eine zollrechtliche Vorfrage, die bei der Handhabung von wirtschaftspolitischen Massnahmen von Bedeutung und durch die hiefür zuständigen Behörden (Genossenschaft für Getreide und Futtermittel, Eidg. Volkswirtschaftsdepartement) zu entscheiden ist; vielmehr ist nach der gesetzlichen Regelung auch in diesen Fällen über die Zolleinreihung separat BGE 115 Ib 202 S. 206 und durch die Zollbehörden selbst zu befinden. Insofern geht es in einem weiteren Sinne um Verfügungen "auf dem Gebiet der Zölle" und "deren Veranlagung": eben um eine zollrechtliche Tarifierung, d.h. den Entscheid darüber, welche Zolltarifposition auf eine Ware anzuwenden ist. Diese Entscheide müssen stets von der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ausgeschlossen sein. e) Eine andere Auslegung könnte im übrigen zu praktisch unhaltbaren Zuständen führen. Häufig stellt sich nämlich die Tarifierungsfrage sowohl im Zusammenhang mit der Zollveranlagung als auch für andere Zwecke. So zum Beispiel im vorliegenden Fall, wo die angefochtene neue Tarifeinreihung einerseits zu einer Reduktion des Zollansatzes führt, anderseits aber Preiszuschläge und Kontingentsunterstellung zur Folge hat. Wollte man nun den Ausschluss der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nur für die Zollveranlagung im engen Sinn annehmen, hätte dies zur Folge, dass das Bundesgericht die Tarifierung in diesem Zusammenhang nicht überprüfen, aber im Zusammenhang mit der Ausfuhrbewilligung überprüfen könnte. Wenn das Bundesgericht zu einem andern Resultat gelangte als die Zollrekurskommission, bestünden über die gleiche konkrete Situation - aber je in einem andern Kontext - sich widersprechende rechtskräftige Entscheide. Wenn schon der Gesetzgeber die Zollbehörden zur Tarifierung für andere Zwecke als die Zollerhebung für zuständig erklärt (Art. 109 Abs. 1 lit. c Ziff. 2 Zollgesetz), die Verwaltungsgerichtsbeschwerde aber gegen die Tarifierung bei der Zollveranlagung ausschliesst, muss dieser Ausschluss auf sämtliche Tarifverfügungen bezogen werden. Damit ergibt sich, dass an der Praxis gemäss BGE 102 Ib 227 ff. nicht festgehalten werden kann.
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Urteilskopf 137 IV 312 45. Auszug aus dem Urteil der Strafrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich und Y. (Beschwerde in Strafsachen) 6B_1090/2010 vom 14. Juli 2011
Regeste Art. 89 Abs. 6 StGB ; Bildung einer Gesamtstrafe. Eine Gesamtstrafe nach Art. 89 Abs. 6 StGB kann nur ausgefällt werden, wenn sowohl bei der neuen Strafe als auch bei der Reststrafe die Voraussetzungen des unbedingten Vollzugs gegeben sind. Da beide Strafen zusammen vollzogen werden, ist auf ihre Gesamtdauer abzustellen. Beträgt die Gesamtstrafe mindestens sechs Monate, findet Art. 41 StGB , der eine gesetzliche Prioritätsordnung zugunsten nicht freiheitsentziehender Sanktionen vorsieht, keine Anwendung (E. 2.3 und 2.4).
Erwägungen ab Seite 312 BGE 137 IV 312 S. 312 Aus den Erwägungen: 2. 2.3 Gemäss Art. 89 Abs. 6 StGB bildet das Gericht in Anwendung von Artikel 49 eine Gesamtstrafe, wenn auf Grund der neuen Straftat die Voraussetzungen für eine unbedingte Freiheitsstrafe erfüllt sind und diese mit der durch den Widerruf vollziehbar gewordenen BGE 137 IV 312 S. 313 Reststrafe zusammentrifft. Zu prüfen ist, ob die Vorinstanz vorliegend zu Recht eine Gesamtstrafe gebildet hat. 2.4 Die Vorbringen des Beschwerdeführers, in denen er die Ausfällung einer Geldstrafe oder von gemeinnütziger Arbeit verlangt, gehen fehl. Mit Art. 41 StGB hat der Gesetzgeber zwar für Strafen unter sechs Monaten eine gesetzliche Prioritätsordnung zugunsten nicht freiheitsentziehender Sanktionen eingeführt. Dahinter steckt das zentrale Anliegen des reformierten Sanktionenrechts, die sozial desintegrierenden kurzen Freiheitsstrafen zurückzudrängen ( BGE 134 IV 97 E. 4.2.2 mit weiteren Hinweisen). Eine Gesamtstrafe nach Art. 89 Abs. 6 StGB kann nur ausgefällt werden, wenn im konkreten Fall sowohl bei der neuen Strafe als auch bei der Reststrafe die Voraussetzungen des unbedingten Vollzugs gegeben sind. Da diese zusammen vollzogen werden, ist auf die Gesamtlänge der Strafe abzustellen, die der Täter zu verbüssen hat. Eine Strafe ab sechs Monaten fällt nicht mehr in den Anwendungsbereich von Art. 41 StGB . Dies gilt auch, wenn es sich um eine Gesamtstrafe handelt. Führen die Reststrafe und die neue Strafe zu einer Gesamtstrafe von sechs Monaten oder mehr, steht daher Art. 41 StGB nicht mehr zur Diskussion.
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Urteilskopf 98 IV 41 8. Urteil des Kassationshofes vom 11. Februar 1972 i.S. Rieder gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich.
Regeste Art. 285 Ziff. 1 StGB . 1. Widersetzlichkeit gegen Amtshandlungen bleibt straflos, wenn die Amtshandlung offensichtlich rechtswidrig ist, die Rechtsmittel keinen wirksamen Schutz erwarten lassen und der Widerstand zur Bewahrung oder Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes dient (Erw. 4 b). 2. Begriff der rechtswidrigen Amtshandlung (Erw. 4 b). Art. 285 Ziff. 2 Abs. 1 StGB . 1. Weite Auslegung der Gewalttat des zusammengerotteten Haufens (Erw. 5). 2. Umschreibung des Teilnehmers an der Zusammenrottung (Erw. 6). Art. 64, 34, 20 und 19 StGB. Voraussetzungen für mildernde Umstände, Notstand, Rechts- und Tatirrtum (Erw. 7-8).
Sachverhalt ab Seite 41 BGE 98 IV 41 S. 41 A.- Nachdem der Stadtrat von Zürich am 27. Juni 1968 die ultimative Forderung einer Gruppe "Fortschrittlicher Arbeiter, BGE 98 IV 41 S. 42 Schüler und Studenten" sowie des "Aktions-Komitees Autonomes Jugendzentrum" um Überlassung des Globus-Provisoriums an der Bahnhofbrücke (oder eines entsprechenden anderen Gebäudes im Stadtzentrum) abgelehnt hatte, ereigneten sich in der Nacht vom 29. auf den 30. Juni 1968 im Raume Bahnhofplatz - Bahnhofbrücke - Central und im Raume Bellevue - Bürkliplatz schwere Zusammenstösse zwischen meist jugendlichen Demonstranten und den Ordnungskräften der Polizei. Hans-Rudolf Rieder wurde am Samstag abend auf der Heimfahrt durch die Menschenmenge beim Central zur Umkehr gezwungen. Er parkierte seinen Wagen im Niederdorf und begab sich aus Neugierde gegen 23.00 Uhr von der Zähringerstrasse her zu den Demonstranten auf der Bahnhofbrücke und am Central. Er schloss sich der Menge an, drängte sich nach vorn und verweilte rund eine halbe Stunde in der Masse der Demonstranten. Dabei beobachtete er, wie die Menge in Auseinandersetzungen mit der anwesenden Polizei begriffen war und wie gegen die Ordnungskräfte, die Wasser spritzten und Ausfälle in den Haufen unternahmen, feste und gefährliche Gegenstände geworfen wurden, um ihnen die befohlene Räumung des Platzes zu verunmöglichen. Er hatte gehört, dass es bei der Demonstration um das Globus-Provisorium gehe, welches die kommunistische Jugend übernehmen wolle. Als Rieder einen Wasserstrahl erhielt, begab er sich in ein Restaurant, um sich zu trocknen. Etwa um 24.00 Uhr steckte er am Hirschengraben einige Steine in die Taschen, um sie allenfalls gegen Polizisten werfen zu können. Darauf näherte er sich beim Central erneut dem Haufen der Demonstranten, die sich immer noch in tätlicher Auseinandersetzung mit der Polizei befanden. Als einige Polizisten einem Teilnehmer der Zusammenrottung am Eingang des Niederdorfes nachliefen, um ihn zu verhaften, stellte Rieder einem von ihnen das Bein und versuchte so, den Beamten zu Fall zu bringen. B.- Die I. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich sprach Rieder mit Urteil vom 8. September 1970 der Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte im Sinne von Art. 285 Ziff. 2 Abs. 1 StGB schuldig und verurteilte ihn zu einer bedingt aufgeschobenen Gefängnisstrafe von 14 Tagen unter Ansetzung einer Probezeit von zwei Jahren. Eine vom Verteidiger eingereichte kantonale Nichtigkeitsbeschwerde BGE 98 IV 41 S. 43 wurde vom Kassationsgericht des Kantons Zürich mit Urteil vom 12. März 1971 abgewiesen. C.- Gegen das Urteil des Obergerichts erhob der Angeklagte Nichtigkeitsbeschwerde an das Bundesgericht und beantragte, es sei der angefochtene Entscheid wegen Verletzung von Art. 285 Ziff. 2, Art. 64, Art. 34, Art. 20 und Art. 19 StGB aufzuheben und zu neuer Entscheidung an die kantonale Behörde zurückzuweisen. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: 4. Als Verletzung von Art. 285 Ziff. 2 StGB rügt der Beschwerdeführer zunächst die Auffassung der Vorinstanz, es komme nicht darauf an, ob die durch Art. 285 StGB geschützte Amtshandlung materiell berechtigt, sachlich gerechtfertigt und zweckmässig sowie verhältnismässig gewesen sei. Seiner Ansicht nach geniesst nur die rechtmässige und angemessene, eventuell nicht grob unangemessene Amtshandlung den Schutz von Art. 285 StGB . Da die Polizei im vorliegenden Fall unverhältnismässig und rechtswidrig vorgegangen sei, habe die Vorinstanz eidgenössisches Recht verletzt, indem sie Rieder wegen Taten verurteilte, die sich gegen Handlungen der Polizei ausserhalb ihrer Amtsbefugnis gerichtet hätten. a) Wie die Vorinstanz zutreffend erwähnt, kommt es nach der älteren bundesgerichtlichen Rechtsprechung nicht darauf an, ob die Handlung, an welcher der Täter den Beamten durch Gewalt oder Drohung hindert oder während deren Vornahme er ihn tätlich angreift, materiell berechtigt ist. Es genügt, dass sie Amtshandlung ist, d.h. innerhalb der Amtsbefugnis des Beamten liegt. Innerhalb seiner Amtsbefugnis handelt der Beamte nach jener Auffassung, wenn er den Befehl einer ihm vorgesetzten Behörde ausführt, die an sich zur Anordnung der fraglichen Tat zuständig ist, oder wenn ihm selbst eine solche Befugnis zukommt. Trifft das zu, so hat der Betroffene sich der Amtshandlung zu unterziehen, unter Vorbehalt des Rechtsweges, der ihm allenfalls zusteht, um ihre Gesetzmässigkeit abklären zu lassen. Er darf sich ihr nicht mit Gewalt oder Drohung widersetzen oder den Beamten bei ihrer Vornahme tätlich angreifen. Tut er das trotzdem, macht er sich nach Art. 285 StGB strafbar, und der Strafrichter hat nicht zu entscheiden, ob die Handlung des Beamten materiell rechtmässig gewesen sei, sondern nur, ob sie innerhalb der Amtsbefugnis BGE 98 IV 41 S. 44 des Beamten gelegen habe, d.h. ob dieser zuständig gewesen sei ( BGE 74 IV 61 , BGE 78 IV 118 ). Im Gegensatz zu ausländischen Rechtsordnungen erfüllte somit in der Schweiz nach dieser Praxis auch Widerstand gegen nicht formgerechtes Handeln des Beamten den Straftatbestand (SCHWANDER, Das Schweizerische Strafgesetzbuch, 2. A. S. 489). Auch nach der älteren deutschen Gesetzgebung und Rechtsprechung war jeder staatliche Befehl, selbst der erkanntermassen rechtswidrige, im Bereiche, wo nur die Ordnung des öffentlichen Verkehrs im Verhältnis zur Versammlungsfreiheit in Frage stand, vom Betroffenen zunächst zu befolgen. Solche Befehle deckten die Beamten auch dann, wenn die nachträgliche Prüfung ergab, dass der Vorgesetzte die Rechtslage verkannt hatte. Zur Prüfung der Rechtmässigkeit des Befehls waren die Beamten weder berechtigt noch verpflichtet (BGHSt 4, 1954, S. 162). Anders verhält es sich seit der Revision des § 113 des deutschen Strafgesetzbuches vom 20. Mai 1970. b) Zur Begründung seiner Auffassung beruft sich der Beschwerdeführer vor allem auf HEGNAUER, Zur Strafbarkeit der Widersetzlichkeit gegen Amtshandlungen, 52 SJZ 1956 S. 104, wonach eine Amtshandlung nur dann innerhalb der Amtsbefugnis liegt, wenn sie durch Gesetz und Amtspflicht geboten ist und keinen unrechtmässigen Angriff auf den Bürger darstellt. Im Falle der unmittelbaren Gesetzesvollziehung müssen dabei nach diesem Autor die im Gesetz im einzelnen umschriebenen Voraussetzungen erfüllt sein. Irrt sich der Beamte in den Voraussetzungen, die von ihm eine wertende Tätigkeit erfordern, so wird seine Amtshandlung allerdings noch nicht unrechtmässig, solange sie auf pflichtgemässer und sachlich vertretbarer Prüfung der gesetzlichen Voraussetzungen beruht. Erst wenn die Grenzen des Ermessens eindeutig überschritten sind, kann nach Hegnauer von einer unrechtmässigen Amtshandlung gesprochen werden. Das Bundesgericht hat sich dieser Auffassung genähert. Nachdem schon der Gesetzgeber die Möglichkeit ins Auge gefasst hatte, im Falle sachlich ungerechtfertigter Amtshandlungen die Strafe nach freiem Ermessen zu mildern oder von einer Bestrafung ganz abzusehen (Prot. 2. ExpKom V 163 und VI 77), hat der Kassationshof in BGE 74 IV 63 zunächst die Frage aufgeworfen, ob der Schutz von Amtshandlungen gegen Hinderung vorbehaltlos auch dann zu gewähren sei, wenn die BGE 98 IV 41 S. 45 Massnahme, zu deren Vollzug der Beamte befohlen ist, offenkundig widerrechtlich ist. In BGE 95 IV 175 E 3 führte das Bundesgericht sodann aus, der Betroffene habe sich ihr zu unterziehen, jedenfalls dann, wenn ihre Rechtswidrigkeit nicht offensichtlich sei. An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten. Rechtswidrig ist somit eine Amtshandlung, wenn die Behörde oder der Beamte zu ihrer Vornahme sachlich oder örtlich unzuständig ist, wenn wesentliche Formvorschriften nicht beachtet werden oder wenn bei Ermessenentscheidungen das Ermessen missbraucht oder überschritten wird, also beispielsweise wenn der Grundsatz der Verhältnismässigkeit polizeilicher Eingriffe missachtet wird ( BGE 91 I 321 , BGE 92 I 35 und dort zitierte Entscheide). Gegen solche Amtshandlungen stehen dem Betroffenen in erster Linie die Rechtsmittel zur Verfügung. Nur wo von diesen von vorneherein kein wirksamer Schutz zu erwarten ist, lässt sich - ähnlich wie beim Notstand nach Art. 34 StBG - der gewalttätige Widerstand rechtfertigen (vgl. JOSEF BRUNNER, Widersetzlichkeit und Aufreizung zur Widersetzlichkeit nach den Gesetzgebungen der Kantone Basel-Stadt und -Landschaft und der Eidgenossenschaft, S. 64; BVerfGE 5, 1956, S. 377). Voraussetzung ist aber in jedem Falle, dass die Widerrechtlichkeit der Amtshandlung offensichtlich sei und dass der Widerstand der Bewahrung oder Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes diene. Gebricht es daran oder ist die Widerrechtlichkeit der Amtshandlung auch bloss zweifelhaft, so fehlt es an der besonderen Ausnahmesituation, die den gewalttätigen Widerstand zu rechtfertigen vermag. Diese Rechtslage gilt für jede Art polizeilicher Eingriffe. Es besteht kein Anlass, Teilnehmern einer Demonstration ein weitergehendes Widerstandsrecht zuzubilligen als Personen, die in ihrer persönlichen Freiheit (Verhaftung) oder in ihrem Hausrecht (Hausdurchsuchung) usw. betroffen werden. c) Der Beschwerdeführer macht geltend, beim Globuskrawall hätten die Demonstranten sich den Anordnungen der Polizei widersetzen dürfen, weil die Aktion von den Verwaltungsspitzen direkt geleitet worden sei. Demgegenüber räumt die Beschwerde selbt ein, dass ein Bürger sich nicht tätlich widersetzen dürfe, wenn ein Polizist einfach seine Pflicht erfülle und gar nicht in der Lage sei, die rechtliche und tatsächliche Begründetheit eines ihm von der vorgesetzten BGE 98 IV 41 S. 46 Behörde erteilten Befehls zu überprüfen. Damit wird sinngemäss anerkannt, dass die einzelnen Polizisten, die am 29. und 30. Juni 1968 befehlsgemäss durch Wasserwerfer und Brachialgewalt die Menge vertreiben wollten, innerhalb ihrer Amtsbefugnis gehandelt haben. Gewalttätigkeiten, die sich gegen die ausführenden Polizeileute richteten, waren demnach gemäss Art. 285 StGB strafbar. Dabei ist gleichgültig, ob die Polizei ihre Befehle im voraus erhalten hatte, ob sie ihr im Laufe der Aktion durch Funk oder andere Übertragungsmittel von einer Zentrale aus erteilt wurden oder ob die Polizeioffiziere und allenfalls der zuständige Stadtrat den Einsatz von einem Balkon aus durch Lautsprecher leiteten. Bei jeder dieser Möglichkeiten beschränkten sich die Führungsspitzen auf die Befehlsausgabe und die Polizei auf deren pflichtgemässe Ausführung. Nicht gedeckt sind dabei selbstverständlichjene unentschuldbaren Brutalitäten, die einige Polizisten bei den Globuskrawallen in Überschreitung der Befehlsvollziehung begingen. Aber auch wenn man die gegen die Führungsspitzen selbst gerichteten Handlungen in Betracht zieht oder den ganzen gewaltsamen Widerstand als gegen die Anordnung des Stadtrates und der Polizeioflìziere gerichtet betrachten wollte, erweist sich die Beschwerde als unbegründet. Die Vorinstanz hat für den Kassationshof verbindlich festgestellt, dass der Stadtrat und die Stadtpolizei kantonalrechtlich im Rahmen ihrer Zuständigkeit gehandelt haben und dass ihre Kompetenzen nach zürcherischem Recht nicht durch ein behauptetes Demonstrationsrecht des Bürgers beschränkt waren. Das Obergericht verwies im weitern zutreffend auf die bundesgerichtliche Praxis, wonach die durch die Bundesverfassung geschützten Freiheitsrechte, wie die Meinungs- und die Versammlungsfreiheit, nur im Rahmen der gesetzlichen Ordnung garantiert sind und kein Recht zur Störung der öffentlichen Sicherheit, des öffentlichen Verkehrs und des privaten Eigentums gewähren ( BGE 91 I 321 , BGE 92 I 31 und dort zitierte Entscheide). Hinsichtlich der Angemessenheit der polizeilichen Massnahmen stellte die Vorinstanz fest, dass die Handlungen der Polizei, mit Ausnahme jener einzelnen Übergriffe, angesichts der gespannten Lage verhältnismässig gewesen seien. Zwar waren die Meinungen darüber sowohl im zürcherischen Parlament wie in Kommentaren der Massenmedien und des Publikums geteilt. Noch während des Gerichtsverfahrens bestand eine gewisse BGE 98 IV 41 S. 47 Unsicherheit in dieser Richtung. Daraus ergibt sich jedoch, dass die Frage der behaupteten Unverhältnismässigkeit zumindest zu Zweifeln Anlass gab. Dann aber war das Verhalten der Zürcher Polizei nicht offensichtlich rechtswidrig. 5. Als Verletzung von Art. 285 Ziff. 2 StGB rügt der Beschwerdeführer sodann die Auffassung der Vorinstanz, wonach die Tat des Haufens nicht eng zu umschreiben sei, wenn sie als objektive Strafbarkeitsbedingung verstanden werde, und Art. 285 StGB keine Koordination und Geschlossenheit der Menge voraussetze. Seiner Ansicht nach handelte es sich bei der Menschenmenge, die um 23.00 und 24.00 Uhr in der Nähe der Bahnhofbrücke stand, nicht mehr um einen zusammengerotteten Haufen im Sinne des Gesetzes. In BGE 70 IV 220 hat das Bundesgericht ausgeführt, es hängevon den Umständenab, wieviele PersonendieAnsammlung umfassen müsse, damit die Tat als von einem Haufen begangen erscheine. In seinem Entscheid vom 22./25. Februar 1971 in Sachen Ackermann et cons. ("Groupe Bélier") erklärte das Bundesstrafgericht sodann, die Gewalttat, die von einem Haufen verübt oder angedroht wird, müsse weit ausgelegt werden, weil die Zusammenrottung an sich schon eine Bedrohung für den öffentlichen Frieden darstelle. Ob die ganze vieltausendköpfige Ansammlung jenes Abends als einheitlicher Haufen im Sinne des Art. 285 Ziff. 2 StGB zu betrachten ist, kann somit dahingestellt bleiben. Sicher ist, dass der Beschwerdeführer sich an Stellen aufgehalten hat, wo die Menge der Polizei gewalttätigen Widerstand leistete. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung waren jedenfalls in diesem Bereiche die Voraussetzungen des Art. 285 Ziff. 2 StGB erfüllt. 6. Die Beschwerde rügt ferner die Auffassung der Vorinstanz, wonach Rieder auch dann zur Menge gezählt werden müsste, wenn er nur kurze Zeit und nur am Rande der gewalttätigen Menschenansammlung gestanden wäre. Nach der Meinung des Beschwerdeführers geht es im übrigen nicht an, vereinzelte Gewaltakte einem Personenkreis von mehreren tausend Leuten zuzurechnen, die wie Rieder erst hinzugekommen seien, als die ursprünglich geplante Demonstration nach stundenlangen Auseinandersetzungen in einem Chaos geendet hatte. Begeht ein zusammengerotteter Haufen die in Art. 285 Ziff. 1 StGB umschriebenen Handlungen, so macht sich nach Art. 285 BGE 98 IV 41 S. 48 Ziff. 2 Abs. 1 jeder Teilnehmer an der Zusammenrottung strafbar. Nicht erforderlich ist, dass er selbst aktiv gehandelt hat. Die Gewalttätigkeit ist nur Strafbarkeitsbedingung, braucht also vom Vorsatz nicht erfasst zu werden (HAFTER, Bes. Teil S. 722; LOGOZ, Commentaire, partie spéciale S. 662; PETRZILKA, Zürcher Erläuterungen zum Schweizerischen Strafgesetzbuch, S. 399). Das Bundesgericht hat in BGE 70 IV 221 und seither in ständiger Rechtsprechung erklärt, Teilnehmer sei, wer bewusst und gewollt sich der Zusammenrottung zugesellt oder in ihr verbleibt, obschon er die vom Haufen begangene Tat kennt und sie als Tat des Haufens billigt. Die Anwesenheit als solche werde bestraft, weil sie zum mindesten die Psyche der Masse nachteilig beeinflussen und damit gefährlich wirken könne. Ob sie im einzelnen Falle wirklich die Tat des Haufens physisch und psychisch fördere, sei unerheblich. Daher sei es auch nicht nötig, dass der Teilnehmer mit seiner Anwesenheit eine solche Förderung bezwecke. Die Billigung genüge. Diese Begründung wurde von der Literatur kommentarlos übernommen (LOGOZ, a.a.O. 662; SCHWANDER, a.a.O. 490; GERMANN, Textausgabe des StGB zu Art. 285). Auch die kantonale Praxis hält sich im allgemeinen daran, insbesondere die Vorinstanz. Eine abweichende Meinung vertritt das Geschworenengericht des Kantons Zürich im Urteil vom 18. Dezember 1970 gegen Werner Strebel. Danach wären nur solche Personen strafbar, die durch ihre besondere Aktivität den Widerstand fördern. Diese Auffassung widerspricht dem Wortlaut des Art. 285 StGB . Selbst wenn man aber von ihr ausginge, so wäre im vorliegenden Fall die Teilnahme zu bejahen, weil die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich nur gegen solche Personen Anklage erhoben hat, die entweder selbst Gewalt anwandten oder durch ihr Verhalten in anderer Weise zum Ausdruck brachten, dass sie die Tat des Haufens billigten. Das trifft auch für den Beschwerdeführer zu. Die Vorinstanz stellt fest, dass Rieder um 24.00 Uhr mehr als kurze Zeit sich dem Haufen beigesellte, aus dem heraus nach wie vor Gewalttätigkeiten gegen die Polizei verübt wurden und dass er zugegebenermassen das Gefühl gehabt habe, als Glied einer Menge zu handeln. Die Umstände, dass der Beschwerdeführer Steine mit sich nahm, um sie nötigenfalls gegen die Polizei zu schleudern und dass er einem Polizisten das Bein stellte, bekunden hinreichend BGE 98 IV 41 S. 49 die Billigung der Gewalttätigkeiten des Haufens durch ihn. Im übrigen betrifft die Billigung einer Handlung einen inneren Tatbestand. Die entsprechende Feststellung der Vorinstanz ist somit für den Kassationshof verbindlich. Sie kann vom Beschwerdeführer nicht angefochten werden ( Art. 273 Abs. 1 lit. b, Art. 277bis BStP ). Die Vorinstanz hat kein Bundesrecht verletzt, wenn sie das Verhalten Rieders als Teilnahme im Sinne des Art. 285 Ziff. 2 Abs. 1 StGB würdigte, zumal zu seinen Gunsten das Beinstellen nicht als eigentliche Gewalthandlung gemäss Art. 285 Ziff. 2 Abs. 2 betrachtet wurde. 7. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 64 StGB , weil die Vorinstanz ihm zu Unrecht den Strafmilderungsgrund des Zornes über eine ungerechte Reizung nicht zugebilligt habe. Es erscheint zunächst fraglich, ob der Angeklagte sich im kantonalen Verfahren rechtsgenüglich auf Art. 64 StGB berufen hat oder dies unzulässigerweise erst mit der Nichtigkeitsbeschwerde an das Bundesgericht tut. Jedenfalls ist die Rüge materiell unbegründet. Selbst wenn die Voraussetzungen dieser Bestimmung im vorliegenden Fall erfüllt wären, d.h. wenn die Polizei durch ungerechte Reizung oder Kränkung so ernstlich zu der strafbaren Handlung des Täters Anlass gegeben hätte, dass Rieder dafür nicht die volle Verantwortung treffen würde, stellen Art. 64/65 StGB es ins Ermessen des Richters, ob er die Strafe mildern will (nicht veröffentlichter Entscheid des Kassationshofes vom 2. Mai 1968 i.S. Marciello). Das muss nicht jedesmal schon dann geschehen, wenn eine der in Art. 64 StGB genannten Voraussetzungen erfüllt ist, sondern nur, wenn sich ausserdem die mildere Strafe, welche dann ausgefällt werden muss, rechtfertigt (vgl. BGE 92 IV 203 f, BGE 83 IV 189 , BGE 71 IV 79 ). Nach BGE 90 IV 154 E. 4 kann der Richter dem Strafmilderungsgrund auch bloss innerhalb des angedrohten ordentlichen Strafrahmens Rechnung tragen, wenn er findet, dass die Umstände des Falles eine Milderung nicht rechtfertigen. Die Vorinstanz hat von diesem Ermessen Gebrauch gemacht, ohne es zu überschreiten, indem sie entgegen dem Strafantrag der Staatsanwaltschaft, lautend auf 21 Tage Gefängnis, die Strafe auf 14 Tage festsetzte. Art. 64/65 StGB wären nur verletzt, wenn das Urteil die Voraussetzungen einer Milderung in einer mit dem Gesetz unvereinbaren Weise begründet oder verneint oder wenn es trotz Bejahung der Voraussetzungen die Milderung BGE 98 IV 41 S. 50 in Überschreitung des pflichtgemässen Ermessens verweigert hätte ( BGE 95 IV 63 E. 2). Da dies im vorliegenden Fall nicht zutrifft, hält die Beschwerde auch in diesem Punkt nicht stand. 8. Die Beschwerde macht ferner geltend, das Urteil verletze Art. 34, 20 und 19 StGB . Da Rieder in guten Treuen angenommen habe, es werde jemand zu Unrecht verfolgt und brutal behandelt, seien die Bestimmungen des Notstandes, andernfalls der irrigen Vorstellung über den Sachverhalt sowie des Rechtsirrtums auf seinen Fall anzuwenden, was die Vorinstanz nicht getan habe. a) Nach Art. 34 StGB besteht eine Notstandslage dann, wenn die Gefahr, die dem zu rettenden Gut droht, unmittelbar, d.h. weder vergangen noch künftig, sondern gegenwärtig und nicht anders abzuwenden ist ( BGE 75 IV 51 ). Damit die Notstandstat straflos bleibe, darf die Gefahr nicht vom Täter verschuldet und die Preisgabe des gefährdeten Gutes diesem nicht zuzumuten sein, was voraussetzt, dass letzteres ebenso wertvoll sei wie das Gut, in welches eingegriffen wird (GERMANN, a.a.O. zu Art. 34 StGB ). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Rieder beobachtete nur, dass die Polizisten einen Dritten verhaften wollten; er hatte aber weder Anhaltspunkte für eine Widerrechtlichkeit der Verhaftung noch dafür, dass dem Flüchtling Brutalitäten drohten. Von einer Gefahr für den Dritten, die nicht anders als durch das Dazwischentreten Rieders abzuwenden und bei welcher die Preisgabe des Gutes dem Dritten nach Art. 34 Ziff. 2 StGB unzumutbar war, kann nicht die Rede sein ( BGE 94 IV 70 ). b) Der Beschwerdeführer beruft sich auf Rechtsirrtum. Er sei erst am späten Abend zur Menschenansammlung gestossen und habe nicht wissen können, dass die Polizei die Strassen für den Verkehr habe frei machen wollen. Nachdem Tausende von Leuten am Ort des Geschehens weilten, und die Polizei in jüngster Zeit auch gegen nicht bewilligte Demonstrationen nicht mit Gewalt eingeschritten sei, habe er annehmen dürfen, nichts Unrechtes zu tun, wenn er am Eingang der Niederdorfstrasse als Zuschauer stehen bleibe. Die Vorinstanz hat zutreffend auf Art. 20 StGB verwiesen, wonach nur derjenige sich auf Rechtsirrtum berufen kann, der aus zureichenden Gründen annimmt, er sei zur Tat berechtigt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts ist Art. 20 BGE 98 IV 41 S. 51 StGB nicht schon dann anwendbar, wenn der Täter tatsächlich oder vermeintlich Gründe hatte, die Tat nicht für strafbar zu halten, sondern nur dann, wenn seine Gründe die Annahme, er tue überhaupt kein Unrecht, zu entschuldigen vermögen ( BGE 90 IV 208 , BGE 81 IV 196 und dort zitierte Entscheide). Solche Gründe sind nicht nachgewiesen. Die Vorinstanz hat verbindlich festgestellt, dass Rieder sich um 23.00 und 24.00 Uhr während einiger Zeit in einem Menschenhaufen aufhielt, der den Versuchen der Polizei zur Räumung des Platzes hartnäckig Widerstand leistete und aus dem heraus zahlreiche Gewalttätigkeiten gegen die Polizei verübt wurden. Der Beschwerdeführer konnte deshalb nicht aus zureichenden Gründen annehmen, er sei berechtigt, zusammen mit dem gewalttätigen Haufen der Polizei Widerstand zu leisten, sie gegebenenfalls mit Steinen zu bewerfen und einem Polizisten das Bein zu stellen, um ihn an der Verhaftung eines Flüchtigen zu hindern ( BGE 86 IV 212 ). c) Der Beschwerdeführer behauptet schliesslich eine Verletzung von Art. 19 StGB . Danach muss der Richter die Tat zugunsten des Täters nach dem Sachverhalt beurteilen, den sich der Täter irrtümlich vorgestellt hat (vgl. SCHULTZ, Zur bundesgerichtlichen Rechtsprechung über den Sachverhaltsirrtum, StGB Art. 19, in ZStrR, 1961, S. 82 und dort zitierte Literatur). Im vorliegenden Fall ist keine irrige Vorstellung des Beschwerdeführers über den Sachverhalt dargetan. Rieder gibt zu, dass er nicht wusste, wie sich der von der Polizei verfolgte Demonstrant vorher verhalten hatte. Er konnte also nicht einfach annehmen, es handle sich um einen Unschuldigen. Ebensowenig hatte der Beschwerdeführer Anhaltspunkte dafür, dass die Polizisten den Mann verprügeln würden oder dass er nach der Festnahme polizeilichen Brutalitäten ausgesetzt sein werde; er behauptet selbst nicht, von solchen Vorkommnissen im fraglichen Zeitpunkt Kenntnis gehabt zu haben. Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
null
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1,972
CH_BGE
CH_BGE_006
CH
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Urteilskopf 139 III 263 38. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit civil dans la cause X. contre Y. SA (recours en matière civile) 4A_702/2012 du 18 mars 2013
Regeste Art. 46 Abs. 1 VVG ; Art. 131 OR . Die aus einem Verdienstausfallversicherungsvertrag geschuldeten Renten verjähren je nach zwei Jahren, entsprechend der in Art. 46 Abs. 1 VVG vorgesehenen Frist. Diese Bestimmung regelt die besondere Frage des Erlöschens des Grundverhältnisses, das dem Rentenanspruch zugrunde liegt, nicht. Dafür ist einzig der Art. 131 OR einschlägig, wobei das Grundverhältnis der zehnjährigen Frist nach Art. 127 OR unterliegt (E. 1 und 2, insb. 2.5).
Erwägungen ab Seite 263 BGE 139 III 263 S. 263 Extrait des considérants: 1. Le recourant se plaint d'une violation de l' art. 46 LCA (loi fédérale sur le contrat d'assurance; RS 221.229.1) relatif à la prescription des créances dérivant du contrat d'assurance. Il convient de rappeler les règles du Code des obligations, avant d'exposer le régime spécial institué par l' art. 46 LCA . BGE 139 III 263 S. 264 1.1 Sauf disposition contraire, les créances se prescrivent par dix ans ( art. 127 CO ). Ce délai court dès que la créance est exigible ( art. 130 al. 1 CO ). A défaut de terme stipulé ou résultant de la nature de l'affaire, l'obligation est exigible immédiatement (cf. art. 75 ss CO ). Un délai de prescription plus court, soit cinq ans, s'applique aux redevances périodiques ( art. 128 ch. 1 CO ). Sont visées les prestations dont le débiteur est tenu à époques régulières, en vertu du même rapport d'obligation. Chacune des prestations doit pouvoir être exigée de façon indépendante; il n'est toutefois pas nécessaire que les prestations soient toutes de la même importance et que leur montant soit par avance exactement déterminé ( ATF 124 III 370 consid. 3c). Les rentes viagères sont des redevances périodiques au sens de l' art. 128 ch. 1 CO et se prescrivent donc par cinq ans dès qu'elles sont exigibles. En outre, l' art. 131 CO prévoit que le rapport juridique de base ( Stammrecht, Grundforderung, Forderungsrecht im Ganzen ) qui fonde ces rentes viagères ou "autres prestations périodiques analogues" est lui-même sujet à prescription, laquelle commence à courir dès le jour d'exigibilité de la première prestation impayée; le délai est celui de l' art. 127 CO , soit dix ans ( ATF 124 III 449 consid. 3b; STEPHEN V. BERTI, Zürcher Kommentar, 3 e éd. 2002, n os 6-8 et 25-26 ad art. 131 CO ). Il s'agit ainsi d'éviter que le rapport juridique générant le droit à de telles prestations périodiques, chacune prescriptible par cinq ans, continue à exister alors même qu'il n'est l'objet d'aucune exécution pendant plusieurs années ( ATF 111 II 501 consid. 2 p. 502). La prescription du rapport de base supprime le droit à toute prestation périodique, y compris celles qui n'étaient pas encore prescrites en vertu de l' art. 128 CO (cf. art. 131 al. 2 CO ; ATF 124 III 449 consid. 3b p. 452). 1.2 En matière de contrat d'assurance, l'exigibilité revêt un sens particulier: la créance qui résulte d'un tel contrat est échue quatre semaines après le moment où l'assureur a reçu les renseignements de nature à lui permettre de se convaincre du bien-fondé de la prétention ( art. 41 al. 1 LCA ). Le législateur a considéré qu'ainsi définie, l'exigibilité ne pouvait constituer le point de départ adéquat de la prescription (ERNST A. THALMANN, Die Verjährung im Privatversicherungsrecht, 1940, p. 110 s.; JEAN-BENOÎT MEUWLY, La durée de la couverture d'assurance privée [ci-après: Durée], 1994, p. 252-254). Il s'agissait notamment d'éviter que l'assuré puisse influer sur le processus de prescription (arrêt 5C.237/2004 du 23 mars 2005 BGE 139 III 263 S. 265 consid. 2.1; MEUWLY, Durée, op. cit., p. 238). En conséquence, le législateur a adopté un autre critère comme point de départ de la prescription: selon l' art. 46 al. 1 LCA , "les créances qui dérivent du contrat d'assurance se prescrivent par deux ans à dater du fait d'où naît l'obligation" ("nach Eintritt der Tatsache, welche die Leistungspflicht begründet", "dal fatto su cui è fondata l'obbligazione"). La créance peut ainsi se prescrire avant d'être exigible (STEPHAN FUHRER, Schweizerisches Privatversicherungsrecht [ci-après: Privatversicherungsrecht], 2011, p. 394 ss n. 15.7 ss). La LCA renvoie par ailleurs au Code des obligations pour toutes les questions qu'elle ne règle pas ( art. 100 al. 1 LCA ). La doctrine déplore l'imprécision du dies a quo tel que défini à l' art. 46 al. 1 LCA , tout en reconnaissant qu'il est difficile d'appréhender en une seule formule diverses créances (prestations d'assurance, primes de l'assuré, etc.) de contrats concernant des types d'assurances très variés (MEUWLY, Durée, op. cit., p. 249; cf. aussi THALMANN, op. cit., p. 107). Elle observe, entre autres, qu'il est fait référence à un seul "fait" dont découle l'obligation, alors qu'en soi, de nombreuses étapes conduisent à la prise en charge du cas d'assurance; se pose en outre la question de savoir si l'expression "obligation" ( Leistungspflicht, obbligazione ) vise le rapport d'obligation en tant que tel ou l'objet de ce rapport, soit les prestations d'assurance (MEUWLY, Durée, op. cit., p. 223-225). Au terme d'une évolution, la jurisprudence a précisé que le "fait d'où naît l'obligation" ne se confond pas nécessairement avec la survenance du sinistre - même s'il s'agit de la cause première de l'obligation d'indemnisation. Selon le type d'assurance envisagée, la prestation de l'assureur n'est due que si le sinistre engendre un autre fait précis. Ainsi, en matière d'assurance accident, le contrat peut prévoir une couverture en cas d'invalidité; ce n'est alors pas l'accident comme tel, mais la survenance de l'invalidité qui donne lieu à l'obligation de payer des prestations ( ATF 126 III 278 consid. 7a; ATF 118 II 447 consid. 2b p. 454). Seule une prétention qui a déjà pris naissance peut être atteinte par la prescription ( ATF 100 II 42 consid. 2d p. 48). Le moment déterminant pour le départ de la prescription est donc celui où sont réunis tous les éléments constitutifs fondant le devoir de prestation ( Leistungspflicht ) de l'assureur ( ATF 127 III 268 consid. 2b p. 271). Il s'ensuit que la notion de "fait d'où naît l'obligation" varie selon les diverses catégories d'assurances, et selon le type de BGE 139 III 263 S. 266 prétention en cause ( ATF 127 III 268 consid. 2b p. 270; arrêt 4A_645/2010 du 23 février 2011 consid. 2.2.2, résumé in JdT 2012 II p. 135). Dans l'assurance invalidité, la prescription commence à courir lorsque l'invalidité est acquise, sans égard au moment où l'assuré en a eu connaissance ( ATF 118 II 447 consid. 2b p. 455). En bref, pour connaître le "fait d'où naît l'obligation", et partant le point de départ de la prescription, il faut analyser le contrat d'assurance et déterminer quel est le sinistre assuré, respectivement quels éléments constitutifs doivent être réunis pour que l'assureur ait l'obligation d'indemniser l'assuré - sans égard aux déclarations et actes que doit faire la partie qui invoque une prétention (cf. par ex. KARL SPIRO, Die Begrenzung privater Rechte durch Verjährungs-, Verwirkungs- und Fatalfristen [ci-après: Begrenzung], vol. I, 1975, p. 67 s.). 1.3 1.3.1 Dans le cas concret, les conditions contractuelles telles qu'énoncées dans l'arrêt attaqué sont les suivantes: Le recourant a souscrit une assurance en cas d'incapacité de gain qui lui confère, à l'issue d'un délai d'attente de 24 mois, le droit à une rente annuelle de 36'000 fr. jusqu'au 1 er avril 2021. Selon les conditions générales d'assurance (CGA), - il y a incapacité de gain lorsque, par suite de maladie - pouvant être constatée sur la base de signes objectifs médicaux - ou d'accident, l'assuré est hors d'état d'exercer sa profession ou toute autre activité conforme à sa position sociale, à ses connaissances et à ses aptitudes (art. 50). - les rentes sont accordées proportionnellement au degré de l'incapacité de gain, pour autant que l'assuré subisse à cause de son incapacité de gain une perte de gain ou un autre préjudice pécuniaire équivalent. Si l'incapacité de gain est d'au moins deux tiers, les prestations entières sont accordées. Une incapacité de moins d'un quart ne donne droit à aucune prestation (art. 55). 1.3.2 La Cour de justice s'est fondée sur la prémisse que l'assuré avait souscrit une assurance invalidité, après avoir rappelé que l'invalidité, au sens de l' art. 88 LCA , est une atteinte définitive à l'intégrité corporelle, qui diminue la capacité de travail. En conséquence, elle a déterminé à quel moment l'invalidité était acquise, retenant la date d'un rapport de l'expert médical, soit le 4 septembre 2003. Elle a considéré que cet instant marquait le point de départ de la prescription. BGE 139 III 263 S. 267 1.3.3 Le recourant reproche aux juges cantonaux d'avoir fait une interprétation erronée du type d'assurance convenue. Selon lui, l'obligation d'indemniser découlerait non pas de l'invalidité, mais de la conjonction d'autres éléments, à savoir l'incapacité d'exercer sa profession en raison d'une maladie ou d'un accident, une perte de gain découlant de cette incapacité, et l'écoulement d'un délai d'attente de deux ans. Or, ces conditions n'auraient été réunies que le 23 mars 2009, date à laquelle le Tribunal fédéral a validé la méthode utilisée par le Tribunal cantonal des assurances sociales pour fixer la perte de gain. Le délai de prescription n'aurait commencé à courir qu'à cette date. 1.3.4 Le recourant a raison sur le premier point: ce n'est pas l'invalidité comme telle qui était assurée. D'après les conditions contractuelles mentionnées dans l'arrêt attaqué, l'obligation de verser la rente naît objectivement lorsque l'assuré, par suite d'un accident ou d'une maladie, se trouve hors d'état d'exercer sa profession ou une autre activité analogue (art. 50 CGA) et qu'il subit de ce fait une perte de gain ou un autre préjudice pécuniaire équivalent (art. 55 CGA). Un délai d'attente de deux ans doit en outre être respecté. La perte de gain n'a toutefois pas d'incidence sur l'étendue de l'indemnité, fixée forfaitairement, et susceptible de varier en proportion du degré d'incapacité. Ceci dit, l'exigence d'une perte de gain effective n'a pas pour effet de repousser le point de départ de la prescription au 23 mars 2009. L'obligation d'indemniser ne prend naissance, au sens de l' art. 46 LCA , que si l'assuré subit objectivement une perte de gain; en revanche, le moment auquel cette perte est démontrée et chiffrée est sans importance. La preuve de la perte de gain dépend en particulier du comportement de l'assuré; cet élément ne saurait influer sur le départ de la prescription. Or, le recourant lui-même ne nie pas que la perte de gain existait objectivement dès avant sa constatation dans la procédure AI; il fait observer, en se référant à l'arrêt du Tribunal cantonal des assurances sociales, qu'il a subi une perte de gain de 50 % dès mars 1998, puis de 80 % dès l'automne 2002. Il s'ensuit que la réalisation des éléments générant l'obligation d'indemniser se situe à une date encore antérieure à celle du 4 septembre 2003, retenue par la Cour de justice; les éléments constitutifs - y compris la perte de gain - étaient vraisemblablement déjà réalisés au mois de septembre 2002, lorsque la compagnie d'assurance a commencé à verser des indemnités. BGE 139 III 263 S. 268 1.4 Quoi qu'il en soit, la cour cantonale a considéré que l'écoulement d'un délai de deux ans entre octobre 2006 et octobre 2008 éteignait tout droit à des prestations d'assurance. C'est en définitive ce raisonnement qui a conduit à l'admission de l'exception de prescription; or, une telle analyse ne saurait être suivie. Le Tribunal fédéral appliquant le droit d'office, il n'est pas lié par les motifs invoqués par le recourant pour contester la prescription ( art. 106 al. 1 LTF ; ATF 133 III 545 consid. 2.2). La question qui va être discutée ci-dessous (consid. 2) a fait l'objet de publications récentes, que les parties, singulièrement l'intimée en tant que professionnelle de la branche, ne sauraient ignorer; il n'y a donc pas lieu de leur donner une nouvelle possibilité de se déterminer. 2. 2.1 Dans un arrêt de 1985 ( ATF 111 II 501 consid. 2), le Tribunal fédéral a dû se prononcer sur la prescription d'une action intentée le 27 octobre 1980, tendant au paiement d'une rente dès le 1 er mars 1978, date à laquelle avait débuté une incapacité de gain pour cause d'invalidité. L'assureur soutenait, en se référant à l' art. 131 CO , que le rapport juridique donnant droit aux rentes était prescriptible, et que la LCA fixait le délai de prescription à deux ans. L'autorité de céans a souligné que dans le régime ordinaire du Code des obligations, le rapport juridique de base se prescrivait par dix ans ( art. 127 CO ), et que l'assimilation de la police d'assurance à un contrat de rentes périodiques au sens de l' art. 131 CO ne serait donc d'aucun secours à l'assureur. L'application d'un délai de prescription absolue de deux ans, dans des cas d'assurances pour incapacité de gain dans des limites de temps définies, aboutirait à un traitement de faveur injustifié, même au regard de l' art. 46 LCA . En définitive, le Tribunal fédéral a confirmé la décision cantonale, qui allouait la rente à compter du 27 octobre 1978, soit deux ans avant l'introduction de l'action. Cet arrêt a été interprété de diverses façons. Il fait en tout cas clairement apparaître que chaque rente pour incapacité de gain se prescrit par deux ans et qu'il est exclu d'appliquer ce bref délai à la prescription du rapport de base. En 2004 (arrêt 5C.168/2004 du 9 novembre 2004), le Tribunal fédéral a été saisi d'un litige où l'assuré, après avoir souscrit une assurance en cas d'incapacité de gain, prétendait au paiement de rentes d'invalidité dès le 1 er janvier 1999, alors qu'il avait ouvert action le 21 septembre 2001. Le Tribunal fédéral a distingué deux types de BGE 139 III 263 S. 269 prescription: celle concernant le rapport de base, qui fondait le droit à percevoir des rentes, et celle touchant les rentes périodiques elles-mêmes. Comme créances, ces dernières étaient soumises à la prescription biennale de l' art. 46 al. 1 LCA . En revanche, cette disposition, vu sa lettre claire, ne visait pas le rapport de base, qui n'était techniquement pas une créance. Celui-ci était dès lors soumis au délai ordinaire décennal de l' art. 127 CO , qui commençait à courir dès le premier arriéré ( art. 131 al. 1 CO ). Dans le cas jugé, ce délai n'était de loin pas écoulé lorsque l'action avait été introduite. 2.2 Parallèlement, le Tribunal fédéral a dû se prononcer sur la prescription d'indemnités journalières. L' ATF 127 III 268 se rapportait à une assurance prévoyant le versement d'indemnités journalières à deux conditions: d'une part, l'existence d'une incapacité de travail causée par une maladie et attestée par un médecin; d'autre part, l'écoulement d'un délai d'attente de 14 jours. Le Tribunal fédéral, en se référant à THALMANN (op. cit., p. 169), a jugé que le moment où ces deux éléments constitutifs étaient réalisés marquait le départ du délai de prescription biennal de l' art. 46 al. 1 LCA et ce, pour l'ensemble des indemnités journalières dues pendant la période d'incapacité assurée. Sauf solution divergente découlant clairement du contrat, il fallait considérer le système des indemnités journalières comme un tout, soumis à un délai de prescription unique. L'ATF 127 a été confirmé dans un arrêt de 2010 concernant également une assurance d'indemnités journalières en cas de maladie (arrêt 4A_532/2009 du 5 mars 2010 consid. 2.4). 2.3 La solution retenue en matière d'indemnités journalières a été critiquée en doctrine. D'aucuns soulignent que THALMANN (op. cit., p. 169), auquel se réfère l' ATF 127 III 268 , entendait effectivement traiter les indemnités comme un tout, mais faisait débuter la prescription à la fin de la période de couverture. Plusieurs auteurs font en outre observer que les conditions contractuelles prévues pour le versement de la première indemnité doivent aussi être réalisées pour les indemnités suivantes, et que cet élément reste à vérifier quotidiennement. L'incapacité est sujette à des variations; en outre, l'assuré peut mourir. Il serait préférable de considérer que les indemnités journalières se prescrivent de manière individuelle, chaque jour constituant un fait nouveau dont découle l'obligation de l'assureur de verser l'indemnité prévue (MEUWLY, La prescription des créances BGE 139 III 263 S. 270 d'assurance privée [ art. 46 al. 1 LCA ] au regard de la dernière jurisprudence du Tribunal fédéral [ci-après: Prescription], PJA 2003 p. 312 s.; SPIRO, Verjährung von Krankentaggeldansprüchen [ci-après: Verjährung], REAS 2002 p. 121; VINCENT BRULHART, Justification de l' art. 46 LCA [...], PJA 2001 p. 1105; cf. aussi ROLAND BREHM, L'assurance privée contre les accidents, 2001, p. 365 n. 840). Il est aussi relevé qu'en pratique, la solution adoptée à l' ATF 127 III 268 revient à consacrer une prescription de deux ans du rapport de base, ce qui est contradictoire avec les ATF 111 II 501 et 5C.168/2004 (CHRISTOPH K. GRABER, in Basler Kommentar, Versicherungsvertragsgesetz, Nachführungsband, 2012, p. 163 s.; FUHRER, Anmerkungen zu privatversicherungsrechtlichen Entscheiden des Bundesgerichts [ci-après: Anmerkungen], REAS 2010 p. 262 s.). S'agissant précisément de la prescription du rapport de base, des auteurs admettent que cette question n'est pas réglée par la LCA et qu'en vertu du renvoi de l' art. 100 al. 1 LCA , la règle générale de l' art. 131 CO , assortie du délai de prescription décennal de l' art. 127 CO , peut trouver application (FUHRER, Privatversicherungsrecht, op. cit., p. 402 n os 15.37-15.39; SPIRO, Verjährung, op. cit., p. 122 [après avoir soutenu que le rapport de base se prescrivait par deux ans, in Begrenzung, p. 802 note infrapaginale 17]; THALMANN, op. cit., p. 123 s. et p. 169 [en matière de rentes uniquement, à l'exclusion des indemnités journalières en cas d'incapacité temporaire]). Plusieurs commentateurs de l' art. 131 CO évoquent la jurisprudence sans véritablement se prononcer, en faisant des interprétations divergentes de l' ATF 111 II 501 (KILLIAS/WIGET, in Handkommentar zum Schweizer Privatrecht, 2 e éd. 2012, n° 5a ad art. 131 CO ; PASCAL PICHONNAZ, in Commentaire romand, Code des obligations, vol. I, 2 e éd. 2012, n° 4 i.f. ad art. 131 CO ; ROBERT K. DÄPPEN, in Basler Kommentar, Obligationenrecht, vol. I, 5 e éd. 2011, n° 2 ad art. 131 CO ; BERTI, op. cit., n° 18 ad art. 131 CO ; cf. aussi BREHM, op. cit., p. 364 n. 836). D'autres, non sans appeler une réforme de la LCA, estiment qu'il est critiquable de réintroduire le délai décennal de l' art. 127 CO en recourant à l' art. 100 LCA (GRABER, op. cit., p. 163 s.; BRULHART, Droit des assurances privées, 2008, p. 399 s.), ou que l'application de l' art. 131 CO conduit à des solutions inadéquates (MEUWLY, Durée, op. cit., p. 414-416; le même , Prescription, op. cit., p. 321 s.). 2.4 Il faut encore relever que dans le cadre d'un projet de révision totale de la LCA, le Conseil fédéral a fait la proposition de réforme suivante en matière de prescription: chaque prestation d'assurance BGE 139 III 263 S. 271 périodique devait se prescrire par cinq ans à compter de la date de son échéance, tandis que la créance totale se prescrivait par dix ans à compter de la date du sinistre (cf. art. 64 al. 2 du projet, FF 2011 7216). Le Message (FF 2011 7152) se référait expressément à l' art. 41 al. 2 LPP (RS 831.40), lequel soumet les prestations périodiques à un délai de prescription quinquennal et les autres créances à un délai décennal, tout en déclarant applicables les art. 129 à 142 CO; la jurisprudence en déduit que le droit de percevoir les rentes comme tel se prescrit dans le délai ordinaire de dix ans dès le jour de l'exigibilité du premier terme demeuré impayé, conformément à l' art. 131 al. 1 CO ( ATF 132 V 159 consid. 3 et les réf. citées). Cela étant, au mois de décembre 2012, le Conseil national a renvoyé le projet au Conseil fédéral, en l'invitant à élaborer une nouvelle réforme de la LCA limitée aux points nécessaires, incluant une prolongation appropriée des délais de prescription (BO 2012 CN 2203-2213). 2.5 Dans le cas concret, sont en cause des rentes versées en cas d'incapacité de gain après un délai d'attente de 24 mois, et susceptibles de l'être jusqu'à ce que l'assuré ait atteint l'âge de 65 ans et demi. Il n'y a pas de motif de déroger à la jurisprudence rendue dans des cas semblables, selon laquelle chaque rente découlant du contrat d'assurance contre l'incapacité de gain se prescrit par deux ans (supra, consid. 2.1). Ces rentes sont des prestations périodiques au sens de l' art. 128 CO , qui prévoit une prescription individuelle pour chaque redevance. En outre, l'incapacité de gain, qui fonde le droit à la rente, doit être réalisée constamment; or, elle est susceptible de varier ou de disparaître (cf. ATF 111 II 501 consid. 2 p. 503, qui fait une réflexion semblable à propos de l'invalidité). Ainsi, le "fait d'où naît l'obligation" de l'assureur se répète constamment. Ces considérations vont dans le même sens que la doctrine récente. En l'occurrence, le recourant prétend au paiement d'une demi-rente complémentaire pour la période du 1 er septembre 2002 au 30 septembre 2006, puis d'une rente complète dès le 1 er octobre 2006, date à laquelle la compagnie d'assurance a interrompu tout versement. L'action a été introduite le 6 août 2010. Il n'est pas nécessaire d'examiner si le versement d'une demi-rente entre 2002 et 2006 a éventuellement interrompu la prescription à l'égard du solde de rente qui est réclamé pour cette même période - ce que conteste l'intimée. De toute façon, les paiements ont cessé le BGE 139 III 263 S. 272 1 er octobre 2006. Il n'est pas établi qu'entre cette date et l'ouverture de l'action le 6 août 2010, il y ait eu un acte interruptif pertinent. Il faut dès lors conclure que le recourant peut tout au plus prétendre à une rente pour les deux ans qui précèdent l'ouverture de l'action, ainsi que pour la période postérieure. Le recourant a donc partiellement raison, en ce sens que ses prétentions - pour autant qu'elles existent - n'étaient pas entièrement prescrites quand l'action a été introduite. Quant à la prescription du rapport de base, il faut également s'en tenir au principe que si le mécanisme particulier de l' art. 131 CO doit trouver application, on ne saurait lui appliquer le délai très court de l' art. 46 al. 1 LCA , mais bien celui de l' art. 127 CO (cf. ATF 111 II 501 consid. 2). Dans l'ensemble, la doctrine ne contredit pas ce point de vue. L'extinction du rapport de base est une question particulière, qui ne découle pas ex lege de l' art. 127 CO et a nécessité l'introduction d'une règle spéciale dans le CO; de la même manière, il faut admettre que cette question n'est pas non plus traitée par l' art. 46 LCA , qui énonce une règle générale. Pour le surplus, il n'y a pas à discuter plus avant la question de savoir si les rentes d'incapacité de gain, notamment celle du cas concret, sont assimilables à des rentes viagères. Il apparaît en effet que de toute façon, le délai de prescription de dix ans depuis le premier arriéré n'était pas atteint lorsque l'action a été introduite. Cela étant, l'on ne peut que rejoindre la doctrine lorsqu'elle appelle une clarification de la question dans la loi.
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dfb519c7-5c00-4528-9071-42208b7aa507
Urteilskopf 107 III 49 12. Entscheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 15. Juni 1981 i.S. Gläubigergemeinschaft der 6 1/2% Obligationen-Anleihe 1973-88 der Rheintalischen Gas-Gesellschaft sowie alle einzelnen Gläubiger dieser Anleihe (Rekurs)
Regeste Betreibungsbegehren eines vollmachtlosen Stellvertreters. Das Betreibungsbegehren eines vollmachtlosen Stellvertreters ist gültig, wenn es im Beschwerdeverfahren durch den Vertretenen genehmigt wird. Muss dem Stellvertreter oder dem Vertretenen Frist zur Beibringung der Genehmigung angesetzt werden? Frage offen gelassen (E. 1, 2). Gläubigergemeinschaft bei Anleihensobligationen. Eine Betreibung im Namen sowohl der Gläubigergemeinschaft als auch sämtlicher einzelner Anleihensgläubiger ist unzulässig (E. 2).
Sachverhalt ab Seite 49 BGE 107 III 49 S. 49 A.- Namens der Gläubigergemeinschaft sowie aller Gläubiger der 6 1/2% Obligationen-Anleihe 1973-1988 der Rheintalischen BGE 107 III 49 S. 50 Gas-Gesellschaft, St. Margrethen, betrieb Rechtsanwalt Dr. S. zwecks Unterbrechung der Verjährung die Bank X. für einen Forderungsbetrag von Fr. 4'000'000.-- nebst Zins und Kosten aus Prospekthaftung gemäss Art. 752 OR . Das Betreibungsamt der Stadt St. Gallen nahm das Betreibungsbegehren unter der Nr. 39'262 entgegen und stellte der Betriebenen den Zahlungsbefehl zu. Hiegegen führte diese beim Bezirksgerichtspräsidium St. Gallen als unterer kantonaler Aufsichtsbehörde im Betreibungswesen Beschwerde mit dem Antrag, die Betreibung aufzuheben und die Zustellung des Zahlungsbefehls zu annullieren. Sie machte geltend, die Gläubigerbezeichnung lasse die handlungs- und parteifähigen wirklichen Gläubiger nicht erkennen und sei daher mangelhaft; ferner sei der Vertreter nicht von allen Gläubigern der Anleihe bevollmächtigt. Während das Bezirksgerichtspräsidium die Beschwerde abwies, hiess sie die kantonale Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 18. Mai 1981 gut und hob demgemäss die Betreibung auf. B.- Gegen den Entscheid der kantonalen Aufsichtsbehörde rekurrierte Rechtsanwalt Dr. S. namens der Gläubigergemeinschaft sowie sämtlicher einzelner Gläubiger an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts mit dem Antrag, die Beschwerde der Betriebenen sei abzuweisen; eventuell sei sie insoweit abzuweisen, als sie sich gegen die Betreibung seitens der Anleihensgläubigergemeinschaft richte. Erwägungen Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung: 1. Rechtsanwalt Dr. S. ist unbestrittenermassen weder gemäss Art. 1158 OR zum Vertreter der Gemeinschaft der Anleihensgläubiger bestellt noch von den einzelnen Anleihensgläubigern direkt bevollmächtigt worden. Zwar kann die Betreibungshandlung eines vollmachtlosen Stellvertreters vom Vertretenen nachträglich genehmigt werden (vgl. BGE 97 III 115 unten bezüglich eines von einem nicht bevollmächtigten Vertreter für den Schuldner erhobenen Rechtsvorschlags). Eine solche Genehmigung hat Dr. S. im vorliegenden Beschwerdeverfahren indessen nicht beigebracht, obwohl die Betriebene seine Vertretungsbefugnis schon in ihrer Beschwerde an die untere kantonale Aufsichtsbehörde bestritten hatte. Unter diesen Umständen muss die Betreibung mangels Vertretungsbefugnis des Gläubigervertreters als BGE 107 III 49 S. 51 ungültig aufgehoben werden, da entgegen der im Rekurs vertretenen Ansicht nicht unbestimmte Zeit auf eine allfällige Genehmigung der Betreibungshandlung gewartet werden kann, mit der Folge, dass das Schicksal der Betreibung möglicherweise jahrelang in der Schwebe bliebe. Im vorliegenden Fall gilt dies umso mehr, als die in erster Linie als Gläubigerin genannte Gläubigergemeinschaft, solange ihr kein Vertreter bestellt worden ist, gar nicht als Partei im Betreibungsverfahren auftreten kann. 2. Fragen kann sich bloss, ob die Vorinstanz verpflichtet gewesen wäre, dem Vertreter oder allenfalls den Vertretenen selbst eine Frist zur Beibringung der Genehmigungen bzw. der Vollmachtserklärungen anzusetzen. Wie es sich damit verhält, kann indessen dahingestellt bleiben, da zum vornherein feststeht, dass nicht sämtliche Gläubiger, die Dr. S. vertreten will, mit der Betreibung einverstanden sind. Aus dem bei den Akten liegenden Kollokationsplan geht nämlich hervor, dass die Betriebene selbst Inhaberin von Obligationen im Betrag von Fr. 251'000.-- ist. Sie wird zweifellos nicht gegen sich selbst Betreibung führen wollen. Schon deswegen ist die Betreibung ungültig. Sie kann nicht einfach mit einer anderen Gläubigerbezeichnung und für einen anderen Forderungsbetrag fortgesetzt werden. Weil die Schadenersatzforderungen der einzelnen Gläubiger ein verschiedenes Schicksal haben können, wie dieses Beispiel zeigt, können sie im übrigen ohnehin nicht in einer gemeinschaftlichen Betreibung zusammengefasst werden ( BGE 71 III 164 ff.). Auch von der Gläubigergemeinschaft als Ganzes könnte wohl innert nützlicher Frist keine Genehmigung beigebracht werden, da eine Gläubigerversammlung, die einen Vertreter der Gemeinschaft zu wählen hätte, noch nicht einmal angekündigt ist, obwohl der von der Anleihensschuldnerin vorgeschlagene Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung bereits am 13. Januar 1979 genehmigt worden ist und somit schon lange Anlass bestanden hätte, in entsprechender Anwendung von Art. 1183 Abs. 1 OR eine solche Versammlung einzuberufen. Würde aber die Gläubigerversammlung nachträglich einen Vertreter zur Geltendmachung der Rechte der Gläubiger gegen die Betriebene ermächtigen, so hätte dies übrigens nach Art. 1159 Abs. 3 OR zur Folge, dass die einzelnen Gläubiger zur selbständigen Ausübung ihrer Rechte nicht mehr befugt wären. Daraus ergibt sich, dass die Betreibung an einem weiteren Ungültigkeitsgrund leidet: Da sich die Gläubigergemeinschaft und die einzelnen Anleihensgläubiger als Betreibungsgläubiger gegenseitig BGE 107 III 49 S. 52 ausschliessen, liegt eine unzulässige alternative Gläubigerbezeichnung vor (vgl. BGE 80 III 10 /11). Die Betreibung ist somit als ungültig aufzuheben, ohne dass geprüft werden müsste, ob die einzelnen Gläubiger im Betreibungsbegehren namentlich hätten aufgeführt werden müssen (vgl. BGE 80 III 9 /10). 3. Da der Rekurs abgewiesen wird und keine Kosten auferlegt werden, erübrigt es sich, von Dr. S. Vollmachten für das Rekursverfahren einzuverlangen. Dispositiv Demnach erkennt die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer: Der Rekurs wird abgewiesen.
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1,981
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Urteilskopf 109 Ia 332 56. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 1. Dezember 1983 i.S. K. gegen Regierungsrat des Kantons Luzern (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste Art. 6 Ziff. 1 EMRK . Gerichtliche Überprüfung des Entscheides einer Verwaltungsbehörde im Bereich des Adoptionsrechts. Die letztinstanzliche Überprüfung der Verweigerung einer Adoption durch das Bundesgericht als erstes und einziges Gericht genügt den Anforderungen des in Übereinstimmung mit der Schweizer Erklärung ausgelegten Art. 6 Ziff. 1 EMRK .
Sachverhalt ab Seite 332 BGE 109 Ia 332 S. 332 Am 7. November 1980 stellte K. ein Adoptionsgesuch, das der Regierungsstatthalter des Amtes Luzern am 21. Juni 1982 ablehnte. Eine gegen diesen Entscheid erhobene Verwaltungsbeschwerde wies der Regierungsrat des Kantons Luzern am 16. Mai 1983 ab. Mit staatsrechtlicher Beschwerde beantragt K. die Aufhebung dieses Entscheides. BGE 109 Ia 332 S. 333 Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Schliesslich macht die Beschwerdeführerin auch eine Verletzung von Art. 6 Ziff. 1 EMRK geltend. Fraglich bleibt, ob die Beschwerde diesbezüglich im Sinne von Art. 90 Abs. 1 lit. b OG hinreichend begründet ist. Indessen ist die Rüge des fehlenden Richters in jedem Fall materiell unbegründet. Bei der Ratifikation der EMRK (SR 0.101) hat der Bundesrat zu Art. 6 Ziff. 1 folgende auslegende Erklärung abgegeben: "Für den Schweizerischen Bundesrat bezweckt die in Absatz 1 von Art. 6 der Konvention enthaltene Garantie eines gerechten Prozesses, sei es in bezug auf Streitigkeiten über zivilrechtliche Rechte und Pflichten, sei es in bezug auf die Stichhaltigkeit der gegen eine Person erhobenen strafrechtlichen Anklage, nur, dass eine letztinstanzliche richterliche Prüfung der Akte oder Entscheidungen der öffentlichen Gewalt über solche Rechte und Pflichten oder über die Stichhaltigkeit einer solchen Anklage stattfindet." (SR 0.101, S. 26 f.) Der Bundesrat gab diese Erklärung ab, weil er sich bewusst war, dass zivilrechtliche Streitigkeiten gerade auch im Bereiche des Familienrechts aufgrund von Art. 64 Abs. 3 BV und des Bundeszivilrechts in verschiedenen Kantonen weiterhin von Verwaltungsbehörden entschieden werden und das Bundesgericht auf eine staatsrechtliche Beschwerde oder eine zivilrechtliche Berufung hin den Streit als erstes und einziges Gericht beurteilt. Der Bundesrat trug sich vorerst mit den Gedanken zu einem entsprechenden formellen Vorbehalt (Ergänzungsbericht vom 23. Februar 1972, BBl 1972 I 996 f.). Indessen gaben ihm Äusserungen des Delegierten der Europäischen Kommission für Menschenrechte vor dem Gerichtshof im Falle Ringeisen (Urteil vom 16. Juli 1971, in EGMR Serie B Bd. II, S. 242-244) Anlass zur Annahme, dass eine letztinstanzliche Überprüfungsmöglichkeit durch den Richter den Anforderungen von Art. 6 Ziff. 1 EMRK genüge (Botschaft vom 4.3.1974, BBl 1974 I 1045 ff.). So oder so kommt jedoch der auslegenden Erklärung gestützt auf die konkrete Abwicklung der Ratifikation der EMRK durch den Schweizerischen Bundesrat die Bedeutung eines formellen Vorbehaltes im Sinne von Art. 64 EMRK zu. Entsprechend hat das Bundesgericht in seinem Entscheid 106 Ia 214 die weitere auslegende Erklärung des Schweizerischen Bundesrates zu Art. 6 Ziff. 3 lit. c und e betreffend die Garantie der Unentgeltlichkeit des Beistandes eines amtlichen Verteidigers und eines Dolmetschers qualifiziert. Es ist kein Grund BGE 109 Ia 332 S. 334 ersichtlich, die auslegende Erklärung zu Art. 6 Ziff. 1 EMRK anders zu würdigen ( BGE 108 Ia 313 ; vgl. auch WAGNER und WILDHABER, Der Fall Temeltasch und die auslegenden Erklärungen der Schweiz, in EuGRZ 1983, S. 145 ff., insbesondere S. 149).
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Urteilskopf 104 Ia 470 69. Auszug aus dem Urteil vom 11. Oktober 1978 i.S. Zen Ruffinen und Loretan gegen Gemeinde Leukerbad und II. Schätzungskommission des Kantons Wallis
Regeste Kantonales Enteignungsrecht; werkbedingte Vor- und Nachteile. Der Grundsatz, dass werkbedingte Vor- und Nachteile bei der Festsetzung der Enteignungsentschädigung nicht zu berücksichtigen sind, gilt auch im kantonalrechtlichen Enteignungsverfahren. Werkbedingte Vor- und Nachteile können die Grundstückspreise schon lange vor der Verwirklichung des Werkes beeinflussen.
Erwägungen ab Seite 470 BGE 104 Ia 470 S. 470 Aus den Erwägungen: 5. b) Zu Recht macht der Beschwerdeführer Zen Ruffinen geltend, dass bei der Bestimmung des Verkehrswertes werkbedingte Vor- und Nachteile nicht zu berücksichtigen seien. Dieser Grundsatz ist unabhängig davon zu beachten, ob er im kantonalen Recht - gleich wie in Art. 20 Abs. 3 des Bundesgesetzes BGE 104 Ia 470 S. 471 über die Enteignung (EntG) - ausdrücklich statuiert werde oder nicht, da er generelle Bedeutung hat und sich aus dem verfassungsrechtlichen Prinzip der vollen Entschädigung ableiten lässt. Würde nämlich der Enteigner dazu verpflichtet, im Rahmen der Enteignungsentschädigung für Vorteile aufzukommen, die er durch sein Werk selbst geschaffen hat, so bedeutete dies, dass der Enteignete mehr als die durch Art. 22ter BV gewährleistete volle Entschädigung erhielte und dadurch bereichert würde. Müsste andererseits der Enteigner, dessen Werk sich nachteilig auf die Grundstückspreise auswirkt, lediglich den des Werkes wegen gesunkenen Preis bezahlen, so würde dem Enteigneten nicht der ihm zustehende volle Verkehrswert ersetzt (vgl. zur Anwendung von Art. 20 Abs. 2 EntG die nicht publ. Entscheide i.S. La Dixence S.A. vom 12. März 1937 E. 1, i.S. Schnyder vom 25. April 1956 E. 2, i.S. Grogg vom 20. März 1962 E. 1, i.S. Meschler vom 11. Februar 1965, S. 6; s.a. BURCKHARDT, Die Entschädigungspflicht im schweiz. Recht, ZSR N.F. 32/1913, S. 150, HESS, Das Enteignungsrecht des Bundes, N. 9 und 10 zu Art. 20 EntG , DUBACH, Die Berücksichtigung der besseren Verwendungsmöglichkeit und der werkbedingten Vor- und Nachteile bei der Festsetzung der Enteignungsentschädigung nach Bundesrecht, ZBl 79/1978, S. 1; Botschaft des Bundesrates zum Entwurfe eines Bundesgesetzes über die Enteignung, BBl 1926 II, S. 30). Die heikle Frage der Anwendung des Grundsatzes der Nichtberücksichtigung von werkbedingten Vor- und Nachteilen im Falle der Teilenteignung (vgl. Art. 19 lit. b und Art. 22 EntG ; DUBACH, a.a.O., S. 6) stellt sich hier nicht, da einerseits die Parzelle Loretan gemäss Entscheid der Schätzungskommission II vollständig enteignet worden ist und andererseits der Beschwerdeführer Zen Ruffinen nicht einmal behauptet hat, dass für den nicht enteigneten Teil seines Grundstückes eine Wertverminderung eingetreten sei. c) Beeinflusst ein Werk die Grundstückspreise, so steigen oder sinken die Verkehrswerte nicht notwendigerweise erst im Zeitpunkt der Errichtung oder nach der Erstellung des Werkes. Die Erfahrung zeigt, dass sich schon die Projektierung eines öffentlichen Werkes auf den Grundstücksmarkt auswirken kann, noch bevor feststeht, ob dieses überhaupt gebaut werde. Sogar nur die Bekanntgabe, es werde ein gewisses Projekt studiert, oder die Möglichkeit, dass unter verschiedenen Projekten BGE 104 Ia 470 S. 472 ein bestimmtes ausgewählt werden könnte, kann einen bis anhin ruhigen Immobilienmarkt beleben oder gegenteils einen vorher regen Grundstückshandel zum Erliegen bringen. Auch solche - günstigen oder ungünstigen - Vorwirkungen des Werkes müssen bei der Bestimmung des Verkehrswertes der für das Werk enteigneten Grundstücke ausser acht bleiben (HESS, a.a.O. N. 9 und 10 zu Art. 20 EntG und bereits zit. Entscheide).
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Urteilskopf 140 III 433 63. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A. AG gegen B. und Mitb. (Beschwerde in Zivilsachen) 4A_565/2013 vom 8. Juli 2014
Regeste Art. 269 und 269a OR ; Mietzinsfestsetzung; Kostenmiete; Orts- oder Quartierüblichkeit; Verzinsung des für ausserordentlichen Unterhalt aufgewendeten Kapitals. Es verletzt kein Bundesrecht, eine 26- bzw. 27-jährige Liegenschaft nicht als Altliegenschaft zu qualifizieren, bei der die Mietzinsanpassung an die Orts- oder Quartierüblichkeit gegenüber der Kostenmiete im Vordergrund stünde, und die Einrede des übersetzten Ertrages zuzulassen (E. 3.1). Bestimmung des Satzes für die Verzinsung des für ausserordentlichen Unterhalt aufgewendeten Kapitals bzw. der Kosten für den werterhaltenden Teil von umfassenden Sanierungen (E. 3.5).
Erwägungen ab Seite 434 BGE 140 III 433 S. 434 Aus den Erwägungen: 3. Nach Art. 269 OR sind Mietzinse u.a. missbräuchlich, wenn damit ein übersetzter Ertrag aus der Mietsache erzielt wird. Dagegen sind Mietzinse in der Regel insbesondere dann nicht missbräuchlich, wenn sie im Rahmen der orts- oder quartierüblichen Mietzinse liegen ( Art. 269a lit. a OR ) oder durch Kostensteigerungen oder Mehrleistungen des Vermieters begründet sind ( Art. 269a lit. b OR ). Die kantonalen Instanzen stellten fest, dass die Beschwerdeführerin aufgrund der wertvermehrenden Investitionen im Zusammenhang mit der umfassenden Überholung der Liegenschaft an und für sich zu einem monatlichen Mietzinsaufschlag von Fr. 2.45 pro Monat und Quadratmeter vermieteter Wohnungsfläche berechtigt wäre. Die Beschwerdegegner wendeten dagegen ein, die Beschwerdeführerin erwirtschafte bei einer entsprechenden Erhöhung der Nettomietzinse aus den Liegenschaften einen übersetzten Ertrag. Die Beschwerdeführerin hielt dem wiederum entgegen, dass hier eine Altliegenschaft vorliege, bei der die Zulässigkeit des erzielten Ertrags nicht mit einer Nettorenditenberechnung, sondern durch einen Vergleich mit orts- und quartierüblichen Mietzinsen zu bestimmen sei. Unbestritten ist vorliegend, dass sowohl Mieter als auch Vermieter gegenüber einem auf einen relativen Grund gestützten Mietzinsanpassungsbegehren (wie hier auf Erhöhung wegen wertvermehrender Aufwendungen) ohne Weiteres einredeweise einen absoluten Anpassungsgrund vorbringen können ( BGE 121 III 163 ; WEBER, in: Basler Kommentar, Obligationenrecht, Bd. I, 5. Aufl. 2011, N. 18 f. zu Art. 269 OR ). 3.1 Auch wenn sich ein Vermieter für eine Mietzinsanpassung auf das Kriterium der orts- oder quartierüblichen Mietzinse ( Art. 269a lit. a OR ) beruft, kann der Mieter in der Regel den Nachweis des übersetzten Ertrags ( Art. 269 OR ) erbringen, mithin die Vermutung nach Art. 269a lit. a OR widerlegen ( BGE 124 III 310 ; Urteile 4A_276/2011 vom 11. Oktober 2011 E. 5.2.1 und 5.2.3; 4A_669/2010 BGE 140 III 433 S. 435 vom 28. April 2011 E. 4.1; je mit Hinweisen). Bei Grundstücken, die vor mehreren Jahrzehnten gebaut oder erworben worden sind, steht allerdings nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts die Mietzinsanpassung an die Orts- oder Quartierüblichkeit im Vordergrund. Denn bei solchen Liegenschaften fehlen oft die Belege zur Feststellung des investierten Eigenkapitals im Hinblick auf die Nettorenditeberechnung oder sie führen zu wirtschaftlich unrealistischen Ergebnissen. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollten langjährige Eigentümer von Altbauten durch die Missbrauchsgesetzgebung gegenüber Neuerwerbern nicht benachteiligt und daher eine gewisse Angleichung von Alt- und Neuzinsen ermöglicht werden ( BGE 124 III 310 E. 2b in fine; BGE 122 III 257 E. 4a/bb S. 261; Urteile 4A_276/2011 vom 11. Oktober 2011 E. 5.2.3 und 5.5; 4A_669/2010 vom 28. April 2011 E. 4.1; 4C.176/2003 vom 13. Januar 2004 E. 3.3; vgl. auch den unter altem Recht ergangenen BGE 112 II 149 E. 3d S. 155). Die Beschwerdeführerin rügt, die Vorinstanz sei zu Unrecht und unter Verletzung von Art. 269 f. OR zur Auffassung gelangt, dass es sich bei den streitbetroffenen Liegenschaften nicht um Altbauten, sondern um Neubauten handle und damit bei der Beurteilung der Missbräuchlichkeit der Mietzinse auf das Kriterium der Kostenmiete bzw. auf die Nettorendite und nicht auf die orts- und quartierüblichen Mietzinse abzustellen sei. Die Zulässigkeit des erzielten Mietertrages dürfe vorliegend nicht anhand einer Berechnung der Nettorendite ermittelt werden, sondern ausschliesslich durch einen Vergleich der Mieterträge mit orts- und quartierüblichen Mietzinsen. Die Beschwerdegegner bestreiten, dass es sich hier um Altliegenschaften handle. Um den nach Gesetz und Rechtspraxis anerkannten Vorrang der Kostenmiete gegenüber der Marktmiete zu gewährleisten und einer opportunistischen Vermischung von Marktmiete und Kostenmiete zu begegnen, sei eine enge Auslegung des Begriffs des Altbaus erforderlich. 3.1.1 Wie die Vorinstanz zutreffend festhielt, äusserte sich das Bundesgericht bisher nicht explizit dazu, wie alt eine Liegenschaft mindestens sein muss, um als Altliegenschaft (immeuble ancien) zu gelten. Das Bundesgericht legte sich insoweit nicht zahlenmässig fest, sondern hielt bloss fest, es müsse sich um Liegenschaften handeln, die "vor mehreren Jahrzehnten gebaut oder erworben worden sind" ("immeubles construits ou acquis il y a quelques décennies") (vgl. die in der vorstehenden E. 3.1 zitierten Urteile; ferner die Urteile BGE 140 III 433 S. 436 4C.285/2005 vom 18. Januar 2006 E. 2.4; 4C.236/2004 vom 12. November 2004 E. 3.2, in: Droit du bail 2005 S. 36 f. Nr. 17; 4C.323/2001 vom 9. April 2002 E. 3a in fine, in: SJ 2002 I S. 434). Wie die Vorinstanz richtig ausführte, qualifizierte das Bundesgericht Liegenschaften in drei beurteilten Fällen als Altliegenschaften, in denen das Baujahr der Liegenschaft vor 1900 lag und der Erwerb 37 Jahre zurück lag (Urteile 4A_669/2010 vom 28. April 2011 E. 4.2) bzw. das Grundstück vor über 100 Jahren erworben und 40 Jahre vor der strittigen Mietzinserhöhung überbaut (Urteil 4C.176/2003 vom 13. Januar 2004 E. 3.3) bzw. die Liegenschaft 42 Jahre vor der Mietzinserhöhung erworben wurde (Urteil 4C.323/2001 vom 9. April 2002 E. 3a, SJ 2002 I S. 434 ff., wo auf BGE 122 III 257 E. 4 hingewiesen wurde, nach dem bei einer vor mehr als vierzig Jahren erworbenen Liegenschaft die Berufung auf die Quartier- und Ortsüblichkeit zuzulassen sei; vgl. immerhin auch der unter altem Recht ergangene BGE 112 II 149 E. 3, wo das Bundesgericht bereits bei einer im Zeitpunkt der Mietzinserhöhung erst 23-jährigen Liegenschaft von einer Altbaute ausging [kritisch dazu: HEINRICH, in: Vertragsverhältnisse, 2. Aufl. 2012, in: Handkommentar zum Schweizer Privatrecht, N. 4 zu 269-269a OR]). Sodann wies die Vorinstanz auf das Urteil 4A_505/2010 vom 20. Januar 2011 E. 6.3 hin, wo das Bundesgericht festhielt, dass nicht nur ältere Liegenschaften einer umfassenden Überholung im Sinne von Art. 14 der Verordnung vom 9. Mai 1990 über die Miete und Pacht von Wohn- und Geschäftsräumen (VMWG; SR 221.213.11) zugänglich seien und eine solche auch bei einer 23 Jahre alten Liegenschaft nicht ausgeschlossen sei. Daraus könne geschlossen werden, dass eine erst 23-jährige Liegenschaft nicht als Altbaute gelten könne. Gestützt darauf und auf verschiedene Literaturstellen, auf die einzugehen sich hier erübrigt, kam die Vorinstanz zum Schluss, dass Bauten, die weniger als dreissig Jahre alt seien, mit Sicherheit nicht unter den Begriff der Altbauten fielen, so dass bei den vorliegend streitbetroffenen Häusern, die 26- bzw. 27-jährig seien, nicht von Altbauten gesprochen werden könne. 3.1.2 Es genügt hier festzuhalten, dass die Vorinstanz kein Bundesrecht verletzte, indem sie die vorliegenden, 26- bzw. 27-jährigen Liegenschaften bei der Sanierung nicht als Altliegenschaften qualifizierte. Es kann in einem solchen Fall nicht von einer "vor mehreren Jahrzehnten" gebauten oder erworbenen Liegenschaft im Sinne der bundesgerichtlichen Praxis gesprochen werden. BGE 140 III 433 S. 437 Die Beschwerdeführerin zeigt überdies nicht auf, dass hier eine Nettorenditeberechnung aufgrund der Investitionsbelege zu einem wirtschaftlich nicht realistischen Ergebnis und damit zu einer Benachteiligung von ihr als langjähriger Eigentümerin der streitbetroffenen Liegenschaften führen müsste, wie sie der Gesetzgeber vermeiden wollte. Dazu müsste sie darlegen, dass die Investitionsbelege insgesamt , d.h. auch unter Einbezug der Belege über die ursprünglichen Anlagekosten, keinen sachgerechten Bezug zur Realität mehr haben und deren Berücksichtigung zu unrealistischen zulässigen Mieterträgen führte ( BGE 122 III 257 E. 4a/bb). Dies tut sie indessen nicht, sondern sie begnügt sich damit zu monieren, die Vorinstanz sei hinsichtlich der zulässigen Mietzinse für die einzelnen Wohnungen zu einem unrealistischen Ergebnis gekommen, indem ihre Berechnungen dazu führten, dass bei unbestrittenen umfassenden Investitionen (zur umfassenden Überholung der Liegenschaften im Jahre 2009) von Fr. 5'425'682.- bei 11 von 16 Mietern eine Mietzinsreduktion und nur bei fünf Mietern eine Erhöhung erfolge. Überdies trifft ihre Behauptung nicht zu, dass bei 11 Mietern eine Mietzinsreduktion erfolge, sondern die Vorinstanz verweigerte insoweit aufgrund der Einrede des übersetzten Ertrages lediglich eine Erhöhung der Mietzinse. Die Beschwerdeführerin hält weiter dafür, sie werde als langjährige Eigentümerin offensichtlich gegenüber Eigentümern benachteiligt, die eine Liegenschaft erst kürzlich erworben hätten, weil sie nicht mehr in der Lage sei, die für die korrekte Berechnung der Nettorendite erforderlichen detaillierten Unterlagen beizubringen. Die Feststellung der Vorinstanz, wonach die Anlagekosten belegt seien, sei offensichtlich falsch und es sei festzustellen, dass die Anlagekosten aufgrund des Alters der Liegenschaft nicht lückenlos belegt werden könnten. Die Beschwerdeführerin unterlässt es aufzuzeigen, weshalb die von ihr gerügte Feststellung der Vorinstanz entscheiderheblich sein soll. Dies ist denn auch nicht ersichtlich, weshalb auf die Rüge der offensichtlich unrichtigen Feststellung nicht eingetreten werden kann. Ob die Belege im vorliegenden Fall tatsächlich nicht beigebracht werden können, wie die Beschwerdeführerin behauptet, und ob die Anlagekosten tatsächlich belegt sind, ist nicht dafür entscheidend, ob von einer Altliegenschaft auszugehen ist. Dass wegen Schwierigkeiten zur Beibringung von Investitionsbelegen von einer BGE 140 III 433 S. 438 Altliegenschaft ausgegangen werden kann, ist erforderlich, dass es aufgrund des Alters oder der Geschichte einer Liegenschaft abstrakt gesehen wahrscheinlich ist, dass die Belege nicht mehr greifbar sind. Solches hat das Bundesgericht beispielsweise in einem Fall angenommen, in dem eine Liegenschaft vor fast einem Jahrhundert durch Schenkung erworben wurde und der Wert der Liegenschaft im Schenkungszeitpunkt ebenso unbekannt war wie der Preis, zu dem der Schenker die Liegenschaft gekauft hatte (Urteil 4C.285/2005 vom 18. Januar 2006 E. 2.6). Von einem solchen Fall ist man bei den vorliegenden, vor 26 bzw. 27 Jahren erstellten und professionell verwalteten Liegenschaften weit entfernt. Der Beschwerdeführerin kann nicht gefolgt werden, wenn sie dafür hält, es sei notorisch, dass nach einer solchen Zeitdauer Belege einer Investition nicht mehr lückenlos beschafft werden können. In den Jahren 1982 und 1983, als die Liegenschaften gebaut wurden, war bekannt, dass die Nettoertragsberechnung, und damit die dazu erforderlichen Belege für die Mietzinsfestsetzung von Bedeutung sind (vgl. dazu z.B. BGE 106 II 356 ). Es ist demzufolge zu erwarten, dass diese wichtigen Belege im Rahmen einer professionellen Liegenschaftenverwaltung sorgfältig aufbewahrt werden und nicht bereits nach 26 oder 27 Jahren verschwunden sind. Es ist unbehelflich, wenn die Beschwerdeführerin dagegen einwendet, die gesetzliche Aufbewahrungsfrist für Unterlagen sei längstens abgelaufen. Die Vorinstanz hat nach dem Ausgeführten kein Bundesrecht verletzt, indem sie die streitbetroffenen Liegenschaften nicht als Altliegenschaften qualifizierte, bei der die Mietzinsbestimmung nach der Orts- und Quartierüblichkeit im Vordergrund stünde, und die Einrede der Mieter zuliess, der erzielte Mietertrag sei übersetzt. (...) 3.5 Schliesslich macht die Beschwerdeführerin geltend, die Vorinstanz gehe bei der Verzinsung der ausserordentlichen Unterhaltskosten im Rahmen des werterhaltenden Teils der Investitionen für die Heizungserneuerung, die Fassadensanierung und die Renovation im Jahr 2009 zu Unrecht von einem gemittelten Zinssatz von 1,75 % für den gesamthaft anzurechnenden Betrag von Fr. 3'594'633.60 aus. Die Anwendung eines gemittelten Zinssatzes sei aufgrund der Systematik der Berechnung der Nettorendite nicht korrekt und verstosse gegen die Art. 269 und 269a OR . Richtigerweise seien die ausserordentlichen Unterhaltskosten jährlich mit 5 % auf dem noch nicht BGE 140 III 433 S. 439 amortisierten Restbetrag zu verzinsen und in die Unterhaltsrechnung einzustellen. 3.5.1 Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung sind von den Mietzinseinnahmen als Unterhaltskosten die Aufwendungen in Abzug zu bringen, die dem Vermieter für die Instandhaltung des Mietobjekts zum vorausgesetzten Gebrauch entstehen. Um die Zufälligkeiten anfallender Unterhaltsarbeiten auszugleichen, ist auf die durchschnittlichen Aufwendungen der letzten fünf - eventuell mindestens drei - Jahre abzustellen ( BGE 117 II 77 E. 3c/bb S. 85; Urteil 4C.293/2000 vom 24. Januar 2001 E. 1b mit Hinweisen). Ausserordentlich hohe Unterhaltskosten sind auf die Lebensdauer der damit finanzierten Einrichtungen zu verteilen. Die entsprechenden Teilbeträge können jährlich bis zur vollständigen Amortisation in die Unterhaltsrechnung eingestellt werden und sind mit 5 % auf dem jeweils noch nicht amortisierten Restbetrag zu verzinsen (Urteil 4C.293/2000 vom 24. Januar 2001 E. 1b, in: MietRecht aktuell [MRA] 2001 S. 116 ff., u.a. mit Hinweis auf Urteil 4C.107/1995 vom 26. Juli 1995 E. 4). Die Vorinstanz kam zum Schluss, das Bundesgericht sei in den beiden Entscheiden vom 24. Januar 2001 und vom 26. Juli 1995 in Bezug auf ausserordentliche Unterhaltskosten von einem Zinssatz von 5 % ausgegangen, ohne eine Begründung dafür zu liefern. Aus den beiden Urteilen könne nicht abgeleitet werden, dass es sich beim Zinssatz von 5 % um den allgemein gültigen Durchschnittszinssatz handle. Die Anwendung eines allgemein gültigen Durchschnittszinssatzes von 5 % erscheine zur Verzinsung des für ausserordentliche Investitionen verwendeten Kapitals nicht sachgerecht, da der Vermieter das dafür notwendige Kapital gewöhnlich mittels einer Hypothek beschaffe. Selbst wenn der Vermieter das Kapital mit Eigenmitteln finanzieren sollte, erscheine ein Zinssatz von 5 % zu hoch. Es sei zudem nicht ersichtlich, weshalb für die Verzinsung von ausserordentlichen Investitionen andere Grundsätze gelten sollten als für die Verzinsung des wertvermehrenden Anteils. Aus diesen Gründen folgte die Vorinstanz der Auffassung von LACHAT/BRUTSCHIN (in: Das Mietrecht für die Praxis, Lachat und andere [Hrsg.], 8. Aufl. 2009, S. 375 Ziff. 19/4.8), nach welcher der Referenzzinssatz (derzeit 3 %), erhöht um ein halbes Prozent, zur Verzinsung der ausserordentlichen Unterhaltskosten anzuwenden sei. Ein Verzicht auf die Verzinsung - wie von den Beschwerdegegnern gefordert - wäre demgegenüber nicht sachgerecht. Analog der Verzinsung des BGE 140 III 433 S. 440 wertvermehrenden Anteils von Sanierungen sei bei den ausserordentlichen Unterhaltskosten (hier unbestrittenermassen Fr. 3'594'633.60) ein gemittelter Zinssatz anzuwenden, der vorliegend 1,75 % betrage. 3.5.2 Was die Höhe des Zinssatzes angeht, trifft es zu, dass das Bundesgericht in seinen Urteilen 4C.107/1995 vom 26. Juli 1995 E. 4 (Übersetzung in: mp 1996 S. 140 f.) und 4C.293/2000 vom 24. Januar 2001 E. 1b nicht näher begründete, weshalb es für die Verzinsung der ausserordentlichen Unterhaltskosten einen Zinssatz von 5 % anwendete. Dies lässt sich damit erklären, dass die Höhe des Zinssatzes in den beiden betreffenden Bundesgerichtsverfahren nicht umstritten war. Das Bundesgericht verwies dazu im ersten Urteil bloss auf die Lehrmeinung von LACHAT/MICHELI (Le nouveau droit du bail, 2. Aufl. 1992, S. 229 Ziff. 3.3.3 und S. 213 Ziff. 2.8.4), in seinem zweiten Urteil auf LACHAT/STOLL/BRUNNER (Mietrecht für die Praxis, 4. Aufl. 1999, S. 293 [recte S. 301] Ziff. 6.5) sowie auf CORBOZ (Le loyer abusif au sens de l'AMSL, BR 1992 S. 32), der sich an der zitierten Stelle allerdings nicht zur Höhe des Zinssatzes äusserte. Da das Bundesgericht keine eingehenden Erwägungen zur Frage anstellte, wie hoch der Zinssatz zu bemessen sei, kann entgegen der Auffassung von BÄTTIG (Die Überwälzung der Kosten von umfassenden Überholungen auf den Mietzins, MRA 1-2/2009 S. 1 ff., S. 16 f.) aus dem Entscheid vom 24. Januar 2001 nicht abgeleitet werden, dass es sich beim "vom Bundesgericht gewählten" Satz von 5 % in Anbetracht der Tatsache, dass der massgebliche Zinssatz im fraglichen Zeitpunkt (Dezember 1997) bei 4,25 % lag, um einen gewollt festgelegten, allgemein gültigen Durchschnittssatz handelt und nicht um einen vom jeweiligen Hypothekar- bzw. Referenzzinssatz abhängigen Wert. Gestützt auf die beiden Urteile des Bundesgerichts sprechen sich auch weitere Autoren ohne nähere Begründung für einen Zinssatz von 5 % aus (RAYMOND BISANG UND ANDERE, Das schweizerische Mietrecht, Kommentar, 3. Aufl. 2008, N. 30 zu Art. 269 OR , N. 82 zu Art. 269a OR ; HIGI, Zürcher Kommentar, 4. Aufl. 1998, N. 95 zu Art. 269 OR und N. 244 zu Art. 269a OR ; POLIVKA, Berechnung der Nettorendite, MRA 4/2001 S. 121; BOHNET, in: Droit du bail à loyer, Bohnet und andere [Hrsg.], 2010, N. 67 zu Art. 269 OR ; HEINRICH, a.a.O., N. 13 zu Art. 269-269a OR ). Neuerdings vertreten nun aber LACHAT/STOLL/BRUNNER (Mietrecht für die Praxis, 6. Aufl. 2005, N. 19/4.8 S. 331 und N. 19./5.2 S. 337 ff. und N. 18/6.5 S. 302) und LACHAT/ BGE 140 III 433 S. 441 BRUTSCHIN (a.a.O., N. 19/4.8 und N. 19/5.2.1) die Auffassung, es sei nur dann von einem Zinssatz von 5 % auszugehen, wenn der Referenzzinssatz 4,5 % beträgt, d.h. sie gehen von einem variablen Zinssatz aus, der sich aus dem Referenzzinssatz, erhöht um ein halbes Prozent, errechnet. Für eine entsprechende Bestimmung des Zinssatzes spricht sich auch WEBER aus (a.a.O., N. 11a zu Art. 269 OR ; s. auch der Hinweis auf die betreffende Literaturstelle bei BOHNET, a.a.O., N. 67 zu Art. 269 OR ). Nachdem LACHAT und Mitautoren, auf die allein sich das Bundesgericht in seinen Urteilen vom 26. Juli 1995 und vom 24. Januar 2001 ohne weitere Erwägungen gestützt hat, ihre Meinung geändert haben, rechtfertigt sich ohne weiteres eine Überprüfung der betreffenden Rechtsprechung. Es ist dabei der Vorinstanz beizupflichten, dass kein Grund dafür ersichtlich ist, das für ausserordentliche Unterhaltsaufwendungen eingesetzte Kapital anders zu verzinsen als das für den wertvermehrenden Teil von Renovationen eingesetzte, mithin zum als angemessen beurteilten Zinssatz, der 0,5 % über dem Referenzzinssatz für Hypotheken im Zeitpunkt der Mitteilung der Mietzinserhöhung liegt (vgl. dazu BGE 118 II 415 E. 3c/aa; Urteil 4A_470/2009 vom 18. Februar 2010 E. 6; je mit Hinweisen; CORBOZ, a.a.O., S. 32). Ein fixer Zinssatz von 5 % würde dagegen der Entwicklung der Kapitalmarktverhältnisse nicht Rechnung tragen und könnte je nach Marktsituation zu einer ungerechtfertigten Schlechter- oder Besserstellung einer Mietvertragspartei führen. Die Vorinstanz verletzte damit kein Bundesrecht, indem sie eine Verzinsung der Kosten für den werterhaltenden Teil der Gebäudesanierungen bloss zu einem Satz gewährte, der ein halbes Prozent über dem Referenzzinssatz für Hypotheken zum Zeitpunkt der Mietzinserhöhung liegt. Dem Risiko, das der Vermieter mit solchen Investitionen eingeht und das nach Meinung der Beschwerdeführerin einen Zinssatz von 5 % rechtfertigt, trägt die Rechtsprechung mit der Erhöhung des Referenzzinssatzes um ein halbes Prozent Rechnung (vgl. WEBER, a.a.O., N. 7 zu Art. 269 OR ; LACHAT/BRUTSCHIN, a.a.O., N. 18/5.1 S. 337). 3.5.3 Die Vorinstanz erwog, es sei bei den ausserordentlichen Unterhaltskosten analog der Verzinsung des wertvermehrenden Anteils ein gemittelter Zinssatz anzuwenden. 3.5.3.1 Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin hat die Vorinstanz mit dieser kurzen Erwägung ihrer aus dem BGE 140 III 433 S. 442 verfassungsmässigen Anspruch auf rechtliches Gehör folgenden Pflicht, ihren Entscheid zu begründen, Genüge getan (vgl. dazu BGE 138 I 232 E. 5.1; BGE 136 I 184 E. 2.2.1 S. 188; vgl. auch BGE 139 V 496 E. 5.1 S. 503 f.). Sie erwähnte mit hinreichender Deutlichkeit, weshalb sie die Anwendung eines gemittelten Zinssatzes befürwortete, nämlich in Analogie zur Praxis betreffend Verzinsung von wertvermehrenden Investitionen. Der Beschwerdeführerin war danach eine sachgerechte Anfechtung des Entscheides möglich und ihre betreffende Gehörsrüge ist unbegründet. 3.5.3.2 Die Beschwerdeführerin stösst sich daran, dass die Vorinstanz eine Verzinsung zu einem gemittelten Zinssatz von 1,75 % (die Hälfte des um ein halbes Prozent erhöhten Referenzzinssatzes von 3 %) gewährte, anstelle einer Verzinsung von 5 % (bzw. nach dem in vorstehender Erwägung 3.5.2 Ausgeführten: von 3,5 %) auf dem jeweils noch nicht amortisierten Restbetrag, wie im erwähnten Urteil 4C.293/2000 vom 24. Januar 2001 E. 1b festgehalten wurde. Hierzu gilt Ähnliches wie betreffend der Höhe des Zinssatzes. Das Bundesgericht entschied erstmals im Urteil 4C.107/1995 vom 26. Juli 1995 E. 4a, es sei eine Verzinsung zu 5 % auf dem jeweils nicht amortisierten Betrag zu gewähren. Es stützte sich dabei ohne eingehende Begründung auf die Lehrmeinung von LACHAT/MICHELI (a.a.O., S. 213 Rz. 8.4), in der eine Verzinsung "calculé sur la part non encore amortie" befürwortet wurde. Im angerufenen Urteil vom 24. Januar 2001 verwies das Bundesgericht ohne weitere Begründung auf diesen Entscheid und auf LACHAT/STOLL/BRUNNER (a.a.O., S. 301 f. Rz. 6.5), die von einem Zins "für den noch nicht amortisierten Anteil" der ausserordentlichen Unterhaltskosten sprachen (in diesem Sinn unter Berufung auf die Urteile vom 26. Juli 1995 und vom 24. Januar 2001 auch: RAYMOND BISANG UND ANDERE, a.a.O., N. 82 zu Art. 269a OR und BOHNET, a.a.O., N. 67 zu Art. 269 OR ). CORBOZ (a.a.O., S. 32), den das Bundesgericht an der betreffenden Urteilsstelle weiter zitierte, äusserte sich nicht zu dieser Frage. LACHAT und seine Mitautoren änderten seit dem Urteil vom 24. Januar 2001 auch in diesem Punkt ihre Meinung und vertreten heute die Auffassung, um der Amortisierung des investierten Kapitals Rechnung zu tragen, habe die Verzinsung während der ganzen Amortisationsdauer entweder zum vollen Zinssatz für die Hälfte des investierten Kapitals oder zum halben Zinssatz für das ganze investierte Kapital zu erfolgen (LACHAT/BRUTSCHIN, a.a.O., S. 375 BGE 140 III 433 S. 443 Rz. 19/4.8, S. 383 Rz. 19/5.2.1; LACHAT/STOLL/BRUNNER, a.a.O., S. 331 Rz. 4.8; so auch WEBER, a.a.O., N. 11a zu Art. 269 OR , der von einer Verzinsung zu durchschnittlich 2,5 % [auf einem vollen Satz von 5 %] spricht, sowie HIGI, a.a.O., N. 245 zu Art. 269a OR [s. immerhin auch N. 95 zu Art. 269 OR , wo von einer Verzinsung auf dem nicht amortisierten Teil der ausserordentlichen Unterhaltskosten die Rede ist]; BÄTTIG, a.a.O., S. 16). Dies entspricht dem Verzinsungsmodus, den die Rechtsprechung für wertvermehrende Investitionen anwendet (vgl. BGE 118 II 415 E. 3c/aa). Dabei fällt auf, dass das Bundesgericht in BGE 118 II 415 auch insoweit von der Verzinsung (rémunération) des nicht amortisierten Restbetrags ("montant de l'investissement non amorti") spricht und damit die Verzinsung zum halben Satz meint. Die Verwendung der gleichen Terminologie im Urteil vom 26. Juli 1995 deutet darauf hin, dass das Bundesgericht schon im damaligen Entscheid für die nicht wertvermehrenden, ausserordentlichen Unterhaltskosten keine andere Verzinsungslösung statuieren wollte, als für die wertvermehrenden Investitionen. Die entsprechende Methode erscheint denn auch als sachgerecht und einzig praktikabel. Bei diesem Vorgehen resultiert anfänglich eine zu niedrige Verzinsung des investierten Kapitals, die aber durch die höhere Verzinsung in der zweiten Hälfte der Amortisationsdauer aufgefangen wird (RAYMOND BISANG UND ANDERE, a.a.O., N. 74 zu Art. 269a OR ). Mit einer entsprechenden Festsetzung des Mietzinses am massgebenden Stichtag wird dem für dieses Jahr und alle Folgejahre bis zur vollständigen Amortisation eingesetzten Kapital, das zu verzinsen ist, Rechnung getragen, auch wenn eine Investition bzw. das für ausserordentliche Unterhaltskosten "bevorschusste" Kapital bloss ein einziges Mal für eine Mietzinserhöhung herangezogen werden kann, wie die Beschwerdeführerin geltend macht. Dagegen würde eine Festlegung des Mietzinses im Zeitpunkt der Beendigung der Renovation unter Berücksichtigung einer Verzinsung des vollen, für ausserordentliche Unterhaltsaufwendungen investierten Kapitals zum vollen Satz infolge der allmählichen Amortisation des investierten Kapitals in den Folgejahren zu einem zunehmend übersetzten Mietzins bzw. einer zunehmenden Nettorendite führen. Darauf könnten sich die Mieter mangels Änderung von relativen Kostenfaktoren nicht als Angriffsmittel berufen, um eine Herabsetzung des Mietzinses zu verlangen, sondern nur einredeweise, falls sie sich gegen eine allfällige weitere Mietzinserhöhung des Vermieters zur Wehr setzen können (vgl. dazu BGE 121 III 163 E. 2d; WEBER, a.a.O., N. 16 und 18 zu Art. 269 OR mit zahlreichen BGE 140 III 433 S. 444 Hinweisen). Es wäre denn auch nicht praktikabel, den Mietzins jedes Jahr erneut unter Berücksichtigung der noch nicht amortisierten und zu verzinsenden Restbeträge zu errechnen, wie die Beschwerdeführerin sinngemäss postuliert. Die Vorinstanz verletzte demnach Art. 269 und 269a OR nicht, indem sie die Verzinsung des für ausserordentlichen Unterhalt aufgewendeten Kapitals bloss zu einem gemittelten Satz zuliess.
null
nan
de
2,014
CH_BGE
CH_BGE_005
CH
Federation
dfc0fd38-2c35-464c-a1a3-23014be4297e
Urteilskopf 117 IV 139 29. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 17. Mai 1991 i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste Art. 148 StGB . Betrug beim Verkauf von Betäubungsmitteln. 1. Arglist beim Verkauf von übermässig gestrecktem Heroin zum "handelsüblichen" Preis für durchschnittlich gestrecktes Heroin (E. 1). 2. Ein Vermögensschaden im Sinne von Art. 148 StGB ist nur insoweit gegeben, als der arglistig Getäuschte einen rechtlich geschützten Anspruch auf Ausgleich des erlittenen Nachteils hat. Diesen Ausgleich kann der arglistig getäuschte Betäubungsmittelkäufer nach Art. 41 OR beanspruchen (E. 3; Änderung der Rechtsprechung, BGE 69 IV 75 , hinsichtlich der Begründung). 3. Strafzumessung. Anforderung an die Begründung (E. 4).
Sachverhalt ab Seite 140 BGE 117 IV 139 S. 140 A.- Das Obergericht des Kantons Luzern verurteilte X. am 18. September 1990 in Bestätigung des Entscheides des Kriminalgerichts des Kantons Luzern vom 27. Oktober 1989 wegen fortgesetzten Betrugs ( Art. 148 Abs. 1 StGB ) und wegen fortgesetzter Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz im Sinne von dessen Art. 19 Ziff. 1 und 2 (unter anderem durch Verkauf von insgesamt 234 g Heroin) zu 4 Jahren und 9 Monaten Zuchthaus, abzüglich 126 Tage Untersuchungshaft. Es verwies ihn für die Dauer von 15 Jahren des Landes und widerrief den ihm gewährten bedingten Strafvollzug hinsichtlich der einjährigen Gefängnisstrafe gemäss Urteil des Obergerichts des Kantons Luzern vom 28. Januar 1987. Zudem wurde unter anderem der beschlagnahmte Drogenerlös von Fr. 11'402.65 eingezogen. Die Verurteilung wegen fortgesetzten Betrugs beruht auf folgendem Sachverhalt: X. streckte im August 1988 40 g Heroin mit 15 g Milchpulver und verkaufte den gestreckten Stoff mit einem Gewinn von Fr. 9'500.-- zum Teil direkt, zum Teil durch einen Mittelsmann an Z. X. streckte zudem am 14. Oktober 1988 40 g Heroin mit 59 g Milchpulver und übergab den gestreckten Stoff einem Mittelsmann zum Verkauf an Z. Dieser Stoff konnte noch beim Mittelsmann sichergestellt werden. BGE 117 IV 139 S. 141 Aus der Begründung des Obergerichtsurteils ergibt sich, dass die Vorinstanz im zweiten Fall entgegen dem durch das Urteilsdispositiv erweckten Anschein lediglich einen vollendeten Versuch des Betrugs angenommen hat. B.- Der Verurteilte ficht den Entscheid des Obergerichts sowohl mit staatsrechtlicher Beschwerde als auch mit eidgenössischer Nichtigkeitsbeschwerde an. Mit der letzteren stellt er den Antrag, der Schuldspruch wegen fortgesetzten Betrugs sei aufzuheben und die Sache sei insoweit zu seiner Freisprechung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Er beantragt zudem, das Strafmass sei zu überprüfen und es sei keine oder allenfalls eine bedingt vollziehbare Landesverweisung auszusprechen. Er ersucht um die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege. C.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern beantragt die Abweisung der Nichtigkeitsbeschwerde. Erwägungen Auszug aus den Erwägungen: 1. Die Vorinstanz hält im angefochtenen Urteil fest, dass der Beschwerdeführer den Vorwurf des Betrugs einzig mit der Begründung bestritten habe, es fehle an einer arglistigen Täuschung. Nach den Feststellungen im angefochtenen Entscheid hat der Beschwerdeführer überdurchschnittlich gestrecktes Heroin zum Preis von durchschnittlich gestrecktem Heroin verkauft bzw. zu verkaufen versucht. Diese Feststellung ist tatsächlicher Natur und daher für den Kassationshof im Verfahren der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde verbindlich ( Art. 273 Abs. 1 lit. b, Art. 277bis BStP ). a) Gemäss den Ausführungen im angefochtenen Entscheid erweckte der Beschwerdeführer dadurch, dass er den handelsüblichen Preis für durchschnittlich gestreckten Stoff verlangte, beim Käufer den falschen Eindruck, es handle sich beim fraglichen Stoff um solchen durchschnittlicher Qualität. Diese Täuschung des - gemäss den Feststellungen der Vorinstanz preis- und qualitätsbewussten - Käufers über den Reinheitsgehalt bzw. den Streckungsgrad des Stoffes ist nach den weiteren Erwägungen im angefochtenen Urteil arglistig. Die Vorinstanz begründet die Arglist unter praktisch wörtlicher Übernahme einer in BGE 111 IV 58 f. E. 2d enthaltenen Erwägung damit, dass der Reinheitsgehalt des Stoffes bei Abwicklung des Kaufgeschäfts nicht sogleich und mühelos überprüft werden konnte, da die Beimischung von BGE 117 IV 139 S. 142 Milchpulver weder farblich noch am Geruch erkennbar war und die Qualität der Droge somit erst beim Konsum, d.h. nach dem Erwerb derselben, festgestellt werden konnte. b) Die Ausführungen der Vorinstanz zur arglistigen Täuschung stimmen mit den Erwägungen in BGE 111 IV 55 ff. überein und verstossen nicht gegen Bundesrecht. Die diesbezüglichen Einwände in der Nichtigkeitsbeschwerde gehen an der Sache vorbei und stützen sich auf einen Sachverhalt, der im Widerspruch zu den für den Kassationshof im Verfahren der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde verbindlichen tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz steht. Die Täuschung über den Reinheitsgehalt des vom Beschwerdeführer verkauften bzw. zum Kauf angebotenen Heroins ist im übrigen nicht nur deshalb im Sinne von Art. 148 StGB arglistig, weil, wie die Vorinstanz unter Bezugnahme auf BGE 111 IV 58 /59 ausführt, die Beimischung des Milchpulvers weder farblich noch am Geruch, sondern erst beim Konsum und damit nach dem Kauf des Stoffes erkannt werden konnte; die Täuschung ist zudem auch deshalb arglistig, weil der Beschwerdeführer und Z. schon seit einiger Zeit einen regen Drogenhandel miteinander betrieben, der, von einem einzigen Fall abgesehen, offenbar bestens geklappt hatte, so dass zwischen dem Beschwerdeführer und Z. - trotz den im Drogenhandel herrschenden rauheren Sitten - im Zeitpunkt der Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildenden Geschäfte ein besonderes Vertrauensverhältnis bestand, aufgrund dessen der Beschwerdeführer voraussehen konnte, dass der betäubungsmittelabhängige Z. eine Überprüfung der Droge vor dem Kauf durch Konsum einer Probe des Stoffes unterlassen werde. c) Es ist allerdings nicht zu übersehen, dass einerseits die Ermittlung eines "handelsüblichen" Preises für Drogen von bestimmten Reinheitsgehalten und anderseits die Ermittlung eines üblichen durchschnittlichen Streckungsgrades schwierig ist (siehe dazu eingehend MARKUS BOOG, Die Rechtsprechung des Bundesgerichts zum Begriff des Vermögensschadens beim Betrug, Diss. Basel 1989, S. 115 ff.). Das bedeutet aber nur, dass die Beantwortung der Fragen, ob die tatsächlichen Voraussetzungen einer vorsätzlichen arglistigen Täuschung auf seiten des Verkäufers einerseits und die tatsächlichen Voraussetzungen eines täuschungsbedingten Irrtums bzw. einer irrtumsbedingten Zahlung des verlangten Kaufpreises auf seiten des Käufers anderseits gegeben seien und ob zwischen Leistung und Gegenleistung ein BGE 117 IV 139 S. 143 Missverhältnis bestehe, schwierig ist. Diese Schwierigkeiten tatsächlicher Natur lassen aber als solche nicht die Schlussfolgerung zu, dass die Möglichkeit von Betrug im Rahmen von Betäubungsmittelgeschäften auszuschliessen sei. Eine andere, von BOOG ebenfalls eingehend erörterte Frage ist aber, ob ein festgestelltes Missverhältnis zwischen der Leistung des Drogenverkäufers und der Gegenleistung des Drogenkäufers als Vermögensschaden im Sinne von Art. 148 StGB qualifiziert werden könne. Dazu wird nachfolgend Stellung genommen. 2. Der Beschwerdeführer macht geltend, der Käufer Z. habe "für das durchschnittlich gestreckte Heroin kein überhöhtes Entgelt leisten müssen"; somit fehle es am zur Erfüllung des Betrugstatbestandes erforderlichen Vermögensschaden. Die Behauptung des Beschwerdeführers, der Käufer habe ihm für das durchschnittlich gestreckte Heroin kein überhöhtes Entgelt leisten müssen, steht im Widerspruch zu den für den Kassationshof im Verfahren der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde verbindlichen tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz. Danach hat der Beschwerdeführer überdurchschnittlich gestrecktes Heroin zum Preis von durchschnittlich gestrecktem Heroin verkauft bzw. zu verkaufen versucht. Damit hält die Vorinstanz auch fest, dass der vom Beschwerdeführer gelieferte Stoff den verlangten Preis nicht wert war, dass der Käufer also durch die Zahlung des verlangten Kaufpreises für den fraglichen Stoff einen Nachteil erlitt beziehungsweise, im zweiten Fall, erlitten hätte. Es stellt sich die Frage, ob dieser tatsächliche Nachteil rechtlich als Vermögensschaden im Sinne von Art. 148 StGB qualifiziert werden kann. Der Beschwerdeführer setzt sich zwar mit dieser Rechtsfrage nicht auseinander; sie ist aber von Amtes wegen zu prüfen, nachdem der Beschwerdeführer das Vorliegen eines Vermögensschadens - zwar mit einer untauglichen, sich in einer Kritik am Sachverhalt erschöpfenden Begründung - bestreitet ( BGE 102 IV 106 E. a; BGE 101 IV 411 E. 2). 3. a) Das Bundesgericht hat im bereits zitierten BGE 111 IV 55 ff. erkannt, dass dem Käufer der Droge objektiv ein Vermögensschaden entstehe, wenn Leistung und Gegenleistung in einem ungünstigeren Wertverhältnis stehen, als sie nach der vorgespiegelten Sachlage hätten stehen müssen (E. 3). Damit bejaht das Bundesgericht die Möglichkeit des Betrugs im Bereich rechtswidriger Rechtsgeschäfte. Es hat sich mit dieser Frage und insbesondere mit dem Problem des Vermögensschadens im Rahmen BGE 117 IV 139 S. 144 verbotener Rechtsgeschäfte schon in BGE 69 IV 75 (betreffend zur Zeit des Zweiten Weltkriegs widerrechtliche Kaufverträge über Zucker) eingehend befasst. Gemäss den Erwägungen in diesem Entscheid ist eine Vermögensschädigung im Sinne von Art. 148 StGB auch möglich, wenn das Verhalten des Irrenden im Abschluss eines widerrechtlichen Rechtsgeschäfts besteht und er vorleistet, ohne die Gegenleistung zu erhalten; sein Vermögen werde dadurch um den Wert seiner Leistung vermindert. Die Schädigung könne nicht schon deshalb verneint werden, weil der Vorleistende wegen der Widerrechtlichkeit des Geschäfts keinen Anspruch auf Gegenleistung habe bzw. seine eigene Leistung nicht zurückfordern könne. Da im erlaubten Geschäft trotz der Möglichkeit des rechtlichen Ausgleichs der Schaden bejaht werde, liege es im Gegenteil umso näher, ihn auch zu bejahen, wenn ein Anspruch auf dem Rechtswege nicht durchgesetzt werden könne. Der Irrende sei nicht deshalb geschädigt, weil er angesichts der Widerrechtlichkeit des Geschäfts weder die Gegenleistung fordern noch die eigene Leistung zurückverlangen könne, sondern er sei vielmehr deshalb geschädigt, weil er geleistet hat. Das Bundesgericht hielt im zitierten Entscheid sodann fest, in Wirklichkeit komme es jedoch auf die rechtliche Möglichkeit oder Unmöglichkeit des Ausgleichs gar nicht an, sondern auf den wirtschaftlichen Einfluss, welchen das Verhalten des Irrenden auf sein Vermögen habe. Es führte im weiteren aus, durch diese Betrachtungsweise entstehe nicht ein Widerspruch zwischen dem Zivilrecht einerseits und dem Strafrecht anderseits. Dass das Zivilrecht nicht die Mittel an die Hand gebe, den betrügerischen Erfolg rückgängig zu machen, heisse nicht, dass das Strafrecht auch von Strafe absehen müsse. Dieses bestrafe nicht um des Geschädigten, sondern um der öffentlichen Ordnung willen. Die Bereicherung, die sich der Betrüger arglistig verschaffe, sei unrechtmässig auch dann, wenn der Betrogene sie nicht zurückfordern könne (S. 78). b) In der Lehre ist umstritten, ob und inwieweit im Rahmen rechtswidriger Rechtsgeschäfte Betrug möglich sei; umstritten ist dabei insbesondere, ob in solchen Konstellationen von einem Vermögensschaden im Sinne von Art. 148 StGB gesprochen werden könne. Denn kann es angehen, dass das Vermögensstrafrecht Positionen schützt, die zivilrechtlich wegen der Rechtswidrigkeit des Vertragsinhaltes nicht geschützt werden ( Art. 20 OR ) und wo insbesondere eine Rückforderung aufgrund gesetzlicher Anordnung ( Art. 66 OR ) ausgeschlossen ist? BGE 117 IV 139 S. 145 Die Frage wird von mehreren Autoren bejaht. Nach der Auffassung von HAFTER (Strafrecht Besonderer Teil, S. 269) bestraft der Staat "den Betrüger nicht um des Geschädigten willen, sondern um einen Täter zu treffen, der mit Lug und Trug in fremdes Vermögen eingreift". Daher brauche "ein Schaden, den das Privatrecht auf sich beruhen lässt, ... nicht auch im Strafrecht unbeachtlich zu sein". Auch nach Ansicht von ARDINAY (Der Betrug nach dem Schweizerischen Strafgesetzbuch, ZStrR 86/1970, S. 241) kann der Täter "nicht deshalb privilegiert werden, weil das Betrugsopfer auch unsauber ist". Es gebe "um der öffentlichen Ordnung willen kein gegen Betrug ungeschütztes Vermögen" (mit Hinweis auf BGE 93 IV 14 ). Gemäss SCHWANDER (Das Schweizerische Strafgesetzbuch, 2. Aufl., S. 353) ist trotz Art. 20 und 66 OR Betrug auch im Rahmen rechtswidriger Rechtsgeschäfte möglich. Auch STRATENWERTH bejaht Betrug in den Fällen, in denen im Rahmen rechtswidriger Rechtsgeschäfte eine Partei durch arglistige Täuschung zu einer Geldleistung zwecks Erfüllung des Vertrages veranlasst wird; denn der Betroffene verfüge dadurch über sein (rechtlich geschütztes) Vermögen (Strafrecht Besonderer Teil I, 3. Aufl., § 10 N 52 ). Dass der Getäuschte seine Leistung nicht zurückfordern könne ( Art. 20 und 66 OR ), mache die Schädigung nur umso nachhaltiger (N 50). NOLL (Strafrecht Besonderer Teil, S. 201) ist der Auffassung, dass zwischen dem Verkäufer und dem Käufer von verbotenen Drogen Betrug möglich sei. Verschiedene Autoren sind demgegenüber der Ansicht, dass Betrug im Sinne von Art. 148 StGB im Rahmen von wegen ihres Inhalts rechtswidrigen und damit nichtigen Rechtsgeschäften ausser Betracht falle, und zwar auch in den Fällen, in denen der Betroffene durch arglistige Täuschung zu einer Geldleistung aus seinem Vermögen zwecks Erfüllung des rechtswidrigen Vertrages veranlasst wird. Diese Auffassung wird einmal damit begründet, dass derjenige, welcher sein Geld für ein rechtswidriges Geschäft einsetzt, aus dem er keine Ansprüche auf Gegen- oder Rückleistung geltend machen kann, auf eigene Gefahr handle (vgl. SCHUBARTH, Kommentar Strafrecht, Art. 148 N 73 ) bzw. nicht durch den arglistig täuschenden Partner zu Schaden gebracht werde, sondern sich selbst schädige (siehe die bei HAFTER, op.cit., S. 268/9 Fn. 1, genannten Autoren). Die Auffassung, dass in solchen Konstellationen mangels eines Vermögensschadens im Sinne von Art. 148 StGB Betrug ausser Betracht falle, wird aber BGE 117 IV 139 S. 146 vor allem damit begründet, dass das Strafrecht als "ultima ratio" keinen Rechtsschutz gewähren könne, wo das Zivilrecht diesen dem Opfer gerade ausdrücklich versagt (siehe SCHUBARTH, op.cit., Art. 148 N 76 in fine, TRECHSEL, Kurzkommentar, Art. 148 N 20 , eingehend insbesondere MARKUS BOOG, op.cit., S. 89 ff., 97 ff., 109 ff.). BOOG hält unter Berufung auf verschiedene deutsche Autoren fest, dass ein rein wirtschaftlich orientierter Vermögensbegriff in unlösbare Wertungswidersprüche mit dem Strafrecht gerate, wenn er Positionen schützt, die von andern Teilen der Rechtsordnung nicht anerkannt werden (S. 110 f.). Es könne nicht die Aufgabe des Strafrechts sein, dort Schutz zu gewähren, wo die Rechtsordnung an anderer Stelle diesen Schutz gerade versagt; einen strafrechtlichen Schutz schutzunwürdiger Güter könne es nicht geben (S. 111). Das Vermögen stelle im Bereich rechtswidriger Rechtsgeschäfte kein schutzwürdiges Gut mehr dar und könne somit durch arglistiges Verhalten gar nicht angegriffen oder gar verletzt werden (S. 111). Das strafwürdige Unrecht, so BOOG unter Hinweis auf verschiedene deutsche Autoren weiter, liege nicht allein im Handlungsunwert, also, beim Betrug, in der (arglistigen) Täuschung, sondern in der zusätzlich erforderlichen Rechtsgutverletzung, also, beim Betrug, in der Vermögensschädigung. Art. 148 StGB bestrafe den Täter nicht um der öffentlichen Ordnung, sondern um der Vermögensschädigung willen (S. 111). BOOG weist zudem darauf hin, dass der Einsatz von Geld zum Drogenerwerb nicht nur (im Sinne von Art. 20 OR ) rechtswidrig, sondern darüber hinaus gemäss Art. 19 BetmG strafbar ist (S. 116); durch die Bejahung der Möglichkeit von Betrug im Rahmen von Drogengeschäften, begangen etwa durch Verkauf von übermässig gestreckten Drogen zu übersetzten Preisen - der übrigens unter Berücksichtigung der Realitäten des Drogenmarktes an der Tagesordnung sei (S. 116) -, werde der getäuschte Käufer, der ja unter dem Gesichtspunkt des Betäubungsmittelgesetzes auch Täter sei, gewissermassen - überspitzt formuliert - in der ungestörten Ausübung einer strafbaren Handlung (nämlich des Drogenerwerbs) geschützt (S. 117). Auch in der deutschen Lehre ist umstritten, ob und inwieweit Betrug im Rahmen von wegen ihres Inhalts rechtswidrigen Rechtsgeschäften möglich sei. Verschiedene Autoren und die Rechtsprechung bejahen die Frage jedenfalls in den Fällen, in denen der Getäuschte eigene Vermögensbestandteile - "gutes Geld" - hingibt, ohne eine entsprechende - sei es auch rechtlich BGE 117 IV 139 S. 147 missbilligte - Gegenleistung zu erhalten. Andere Autoren verneinen, wie die frühere deutsche Rechtsprechung, um der Einheit der Rechtsordnung willen und zur Vermeidung von unauflösbaren Wertungswidersprüchen im System der Gesamtrechtsordnung die Möglichkeit von Betrug in Fällen, in denen die Rechtsordnung die Verfügung über ein Gut untersagt oder dem Inhaber dieses Gutes keinen Rechtsschutz gewährt; ihres Erachtens ist nicht entscheidend, dass der Getäuschte an sich "gutes Geld" aus seinem Vermögen hingibt, sondern ist vielmehr massgebend, dass das Zivilrecht weder einen Anspruch auf die Gegenleistung noch einen Anspruch auf Rückgabe der erbrachten eigenen Leistung einräumt (siehe zum Ganzen die Hinweise bei LACKNER, Leipziger Kommentar, 10. Aufl., § 263 N 122 f., 132, 241 f., sowie bei SCHÖNKE/SCHRÖDER/CRAMER, Kommentar, 23. Aufl., § 263 N 78 ff., 93, 150). c) Die erhöhten Risiken bei Abschluss und Erfüllung von inhaltlich rechtswidrigen Rechtsgeschäften im allgemeinen und von Betäubungsmittelgeschäften im besonderen sowie die damit zusammenhängende Mitverantwortung des Opfers hindern als solche die Annahme von Betrug nicht. Sie sind aber (vgl. schon vorn E. 1c) insoweit von Bedeutung, als das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen einer arglistigen Täuschung auf seiten des Täters und eines täuschungsbedingten Irrtums bzw. einer irrtumsbedingten Vermögensverfügung auf seiten des Opfers sowie eines objektiven Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung besonders sorgfältig zu prüfen sind. Ob der Abschluss bzw. die Erfüllung eines wegen seines Inhalts rechtswidrigen und daher nichtigen Rechtsgeschäfts zudem auch strafbar ist (so der Betäubungsmittelhandel) oder nicht, ist für die Beantwortung der Frage, ob im Rahmen des rechtswidrigen Rechtsgeschäfts Betrug im Sinne von Art. 148 StGB möglich sei, grundsätzlich belanglos. d) Der Betrug gemäss Art. 148 StGB ist eingeordnet bei den strafbaren Handlungen gegen das Vermögen überhaupt. Dieser strafrechtliche Schutz des Vermögens des einzelnen vor Angriffen durch arglistige Täuschungen besteht zwar gerade auch aus Gründen der öffentlichen Ordnung, doch ist das durch Art. 148 StGB geschützte Rechtsgut nicht die öffentliche Ordnung, sondern das Vermögen. Soweit in BGE 69 IV 75 eine andere Auffassung vertreten worden ist (S. 78), kann an diesem Entscheid nicht festgehalten werden. Beim Betrug liegt das strafwürdige Unrecht nach den insoweit zutreffenden Ausführungen von BOOG (op.cit., BGE 117 IV 139 S. 148 S. 111) und der von ihm genannten deutschen Autoren nicht allein im Handlungsunwert, d.h. in der (arglistigen) Täuschung, sondern auch in der zusätzlich erforderlichen Rechtsgutverletzung, also in der Vermögensschädigung. aa) Unter "Vermögen" im Sinne von Art. 148 StGB ist Vermögen zu verstehen, das zivilrechtlich geschützt ist. Das Strafrecht als "ultima ratio" kann nicht Vermögen schützen, welches zivilrechtlich nicht geschützt ist. Ein Vermögensschaden gemäss Art. 148 StGB ist nur dann und insoweit gegeben, wenn und als der arglistig Getäuschte einen rechtlich geschützten Anspruch auf Ausgleich des erlittenen Nachteils hat. Wenn und soweit ein solcher Anspruch dem Betroffenen vom Gesetz ausdrücklich versagt wird, kommt Betrug mangels eines Vermögensschadens nicht in Betracht. Es ist somit entgegen der in BGE 69 IV 77 und von verschiedenen Autoren - in der Schweiz u.a. von STRATENWERTH (op.cit., § 10 N 52 ) - vertretenen Auffassung nicht entscheidend, dass der Getäuschte durch seine irrtumsbedingte Vermögensverfügung, etwa die Hingabe von Geld zwecks Erfüllung des inhaltlich rechtswidrigen und damit nichtigen Vertrages, "sein (rechtlich geschütztes) Vermögen" vermindert. Massgebend ist nach der insoweit zutreffenden Auffassung von BOOG (op.cit., S. 111) und der von ihm genannten deutschen Autoren vielmehr, ob der Betroffene einen rechtlich geschützten Anspruch auf Ausgleich des erlittenen Nachteils habe. bb) Der Vertrag über die Lieferung von Betäubungsmitteln gegen Bezahlung von Geld ist wegen seines Inhalts rechtswidrig und damit gemäss Art. 20 OR nichtig. Dem Käufer, der in Erfüllung eines solchen Vertrages den Kaufpreis vorgeleistet hat, steht wegen der Nichtigkeit des Vertrages kein vertraglicher Anspruch auf die Gegenleistung (Lieferung von Betäubungsmitteln) zu. Der Käufer hat auch keinen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung auf Rückleistung der von ihm geleisteten Kaufpreiszahlung. Denn gemäss Art. 66 OR kann nicht zurückgefordert werden, was in der Absicht, einen rechtswidrigen oder unsittlichen Erfolg herbeizuführen, gegeben worden ist; dass auch der Verkäufer mit seiner Willensäusserung, Betäubungsmittel zu liefern, die Herbeiführung eines rechtswidrigen Erfolges beabsichtigte, ändert daran nichts, denn es gilt insoweit das Sprichwort: "In pari turpitudine melior est causa possidentis." cc) Das Zivilrecht anerkennt prinzipiell die Möglichkeit, dass vertragliche und ausservertragliche Haftung miteinander konkurrieren BGE 117 IV 139 S. 149 (vgl. BGE 112 II 138 ff., ferner GAUCH/SCHLUEP, OR Allgemeiner Teil, 4. Aufl., Nrn. 1719 ff., mit Hinweisen). dd) Die arglistige Täuschung gemäss Art. 148 StGB stellt eine unerlaubte Handlung im Sinne von Art. 41 OR dar. Dem arglistig getäuschten Betäubungsmittelkäufer, der vorgeleistet hat, steht gegen den Verkäufer ein Schadenersatzanspruch aus unerlaubter Handlung nach Art. 41 OR zu. Daran ändert nichts, dass der Betäubungsmittelkäufer den von ihm in Erfüllung des wegen seines widerrechtlichen Inhalts nichtigen Vertrages gezahlten Kaufpreis gemäss Art. 66 OR nicht zurückfordern kann. Die in Art. 66 OR enthaltene Regelung, die je nach den Umständen zu moralisch unbefriedigenden Ergebnissen führen kann und daher als fragwürdig empfunden wird (siehe BGE 84 II 184 ; BUCHER, Schweizerisches Obligationenrecht Allgemeiner Teil, 2. Aufl., S. 678 ff., GAUCH/SCHLUEP, op.cit., Nrn. 1167 ff., BRUNO VON BÜREN, Schweizerisches Obligationenrecht Allgemeiner Teil, S. 301 ff.), schliesst nur den Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung aus, lässt aber den konkurrierenden Anspruch aus unerlaubter Handlung gemäss Art. 41 OR unberührt (BECKER, Kommentar, N 10 zu Art. 66 OR , ROBERT JAKOB MUNZ, Artikel 66 des Obligationenrechts, Diss. Zürich 1958, S. 114; zum deutschen Recht vgl. Kommentar zum BGB, herausgegeben von Mitgliedern des Bundesgerichtshofes, 12. Aufl., § 817 N 13 , J. VON STAUDINGERS Kommentar zum BGB, 12. Aufl., § 817 N 14 , SOERGEL-MÜHL, BGB, 11. Aufl., § 817 N 29 ). Das ergibt sich schon aus der systematischen Einordnung von Art. 66 OR im dritten Abschnitt betreffend Entstehung der Obligation aus ungerechtfertigter Bereicherung. Für eine Beschränkung der Tragweite von Art. 66 OR auf Forderungen aus ungerechtfertigter Bereicherung spricht aber insbesondere der Ausnahmecharakter der fragwürdigen Bestimmung, weswegen ohnehin deren möglichst restriktive Anwendung befürwortet wird. Art. 66 OR findet sodann rechtspolitisch seine Rechtfertigung gerade in der Parömie "in pari turpitudine melior est causa possidentis". Die Anwendung von Art. 66 OR ist daher nicht gerechtfertigt, wenn die "turpitudo" der Vertragsparteien nicht im wesentlichen gleich schwer wiegt, sondern der Empfänger der Vorleistung über die Mitwirkung am inhaltlich rechtswidrigen Geschäft hinaus eine arglistige Täuschung begangen hat und ihm somit quasi eine zusätzliche "turpitudo" vorzuwerfen ist. Der Umstand, dass sich der Betäubungsmittelkäufer durch den Abschluss und die Erfüllung des Kaufvertrages selber ausserhalb BGE 117 IV 139 S. 150 die Rechtsordnung gestellt hat, ist in diesem Fall nicht mehr entscheidend. Dem Betäubungsmittelkäufer, der vorgeleistet hat, steht somit gegen den Verkäufer, der ihn arglistig getäuscht hat, trotz Art. 20 und 66 OR grundsätzlich ein Anspruch auf Schadenersatz aus unerlaubter Handlung gemäss Art. 41 OR zu. In dem Umfang, in welchem dem Käufer ein solcher Schadenersatzanspruch zusteht, liegt ein Vermögensschaden im Sinne von Art. 148 StGB vor. e) Es ergibt sich somit zusammenfassend folgendes: Der Betäubungsmittelverkäufer, der den Käufer über den Reinheitsgehalt der Droge arglistig täuscht, erfüllt dadurch den Tatbestand des Betrugs im Sinne von Art. 148 StGB , wenn der Käufer bei Kenntnis der wahren Sachlage die Droge nicht oder jedenfalls nicht zum verlangten Preis gekauft hätte und Leistung und Gegenleistung in einem ungünstigeren Wertverhältnis stehen, als sie nach der vorgespiegelten Sachlage hätten stehen müssen. BGE 111 IV 55 ff. ist demnach im Ergebnis zu bestätigen. Ein Vermögensschaden im Sinne von Art. 148 StGB ist allerdings nur insoweit gegeben, als das Zivilrecht dem arglistig getäuschten Käufer einen Anspruch auf Ausgleich des erlittenen Nachteils einräumt. An BGE 69 IV 75 ff. kann daher nicht festgehalten werden, soweit darin das Vorliegen eines Vermögensschadens unabhängig vom Bestehen eines rechtlichen Anspruchs auf Ausgleich des Nachteils bejaht und zudem festgehalten wird, Art. 148 StGB bestrafe nicht um des Geschädigten, sondern um der öffentlichen Ordnung willen. Dem über den Reinheitsgehalt der Droge arglistig getäuschten Betäubungsmittelkäufer, der zwecks Erfüllung des Kaufvertrages vorgeleistet hat, steht zwar gemäss Art. 20 und 66 OR kein Anspruch auf die Gegenleistung oder auf Rückgabe seiner eigenen Vorleistung zu, doch hat er angesichts der in der arglistigen Täuschung auf seiten des Verkäufers liegenden unerlaubten Handlung grundsätzlich einen Schadenersatzanspruch gemäss Art. 41 OR . Die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Betrugs, begangen durch Verkauf übermässig gestreckten Heroins zum "handelsüblichen" Preis für durchschnittlich gestrecktes Heroin an den nach den Feststellungen der Vorinstanz preis- und qualitätsbewussten X., verstösst demnach nicht gegen Bundesrecht. 4. Der Beschwerdeführer macht geltend, die von der Vorinstanz ausgefällte Strafe von 4 Jahren und 9 Monaten Zuchthaus verstosse gegen Bundesrecht. Die Rüge ist unbegründet. BGE 117 IV 139 S. 151 a) Dem kantonalen Sachrichter steht - innerhalb des ordentlichen und gegebenenfalls ausserordentlichen Strafrahmens - bei der Gewichtung der einzelnen zu beachtenden Strafzumessungskriterien von der Natur der Sache her ein erheblicher Spielraum des Ermessens zu. Der Kassationshof des Bundesgerichts kann daher auf Nichtigkeitsbeschwerde hin, mit der ausschliesslich eine Verletzung von Bundesrecht geltend gemacht werden kann ( Art. 269 BStP ), in die Strafzumessung nur eingreifen, wenn der kantonale Richter den gesetzlich vorgeschriebenen Strafrahmen über- oder unterschritt, wenn er von sachfremden Gesichtspunkten ausging oder wesentliche Kriterien ausser acht liess oder in Überschreitung bzw. Missbrauch seines Ermessens unrichtig gewichtete ( BGE 116 IV 6 E. 2b, 285 E. 2a, 290 E. 2b). Der Kassationshof hat im Urteil vom 23. April 1991 i.S. K. ( BGE 117 IV 114 ) dargelegt, welche Anforderungen an die Begründung der Strafzumessung im Urteil des Sachrichters zu stellen sind. Damit das Bundesgericht überprüfen kann, ob die ausgefällte Strafe im Einklang mit den Zumessungsregeln des Bundesrechts stehe und ob der Sachrichter sein Ermessen überschritten habe oder nicht, müssen alle wesentlichen Strafzumessungskriterien in der schriftlichen Urteilsbegründung Erwähnung finden. Die Begründung der Strafzumessung muss in der Regel den zur Anwendung gelangenden Strafrahmen nennen und die Tat- und Täterkomponenten so erörtern, dass festgestellt werden kann, ob alle rechtlich massgeblichen Gesichtspunkte Berücksichtigung fanden und wie sie gewichtet wurden, d.h. ob und in welchem Grade sie strafmindernd oder straferhöhend in die Waagschale fielen. Dabei müssen aber die einzelnen Strafzumessungsfaktoren nicht in allen Einzelheiten ausgebreitet werden, und über Umstände ohne oder von ausgesprochen untergeordneter Bedeutung darf auch mit Stillschweigen hinweggegangen werden. Je höher die Strafe ist, desto strengere Anforderungen sind im übrigen an die Darlegung der Gründe, die die Strafe rechtfertigen, zu stellen. b) Die Begründung der Strafzumessung im angefochtenen Urteil genügt gesamthaft betrachtet den vom Bundesgericht im zitierten Entscheid gestellten Anforderungen. Sie erlaubt jedenfalls im Rahmen der erhobenen Rügen dessen Überprüfung. Die Vorinstanz hat alle wesentlichen Strafzumessungsfaktoren berücksichtigt. Der Beschwerdeführer hat mit dem fortgesetzten Verkauf und der Abgabe von insgesamt 234 g Heroin(gemisch) eine grosse Betäubungsmittelmenge umgesetzt. Dass er die BGE 117 IV 139 S. 152 Drogen nicht selber direkt an eine Vielzahl von Konsumenten, sondern bloss an eine bzw. zwei Personen verkaufte, ist entgegen einem Einwand in der Nichtigkeitsbeschwerde unerheblich. Entscheidend ist insoweit vielmehr, dass mit der umgesetzten Heroinmenge die Gesundheit sehr vieler Menschen gefährdet werden kann. Die Strafe ist indessen nicht allein nach der Menge und der Gefährlichkeit der umgesetzten Droge, sondern auch und in erster Linie nach dem Verschulden des Täters zu bemessen, wobei dessen Beweggründe, Vorleben und persönliche Verhältnisse zu berücksichtigen sind ( BGE 107 IV 62 E. 2c). Der Beschwerdeführer war selber nicht drogenabhängig. Es ging ihm allein darum, mit den Gewinnen aus dem Drogenhandel einen vergleichsweise hohen Lebensstandard zu finanzieren; so kaufte er einen PW Toyota Supra, ein Autotelefon Natel C sowie eine TV-Video-Stereo-Compactanlage. Der Beschwerdeführer ist im schweizerischen Zentralstrafregister mit 9 Vorstrafen seit 1980 eingetragen. Neben mehreren Verurteilungen wegen Widerhandlungen gegen das SVG sind darin auch Verurteilungen wegen Diebstahls, Raubes, Sachbeschädigung, Drohung sowie Gewalt und Drohung gegen Beamte verzeichnet. Der Beschwerdeführer wurde vom Obergericht des Kantons Luzern mit Urteil vom 28. Januar 1987 wegen Raubes zu einer einjährigen Gefängnisstrafe verurteilt, wobei ihm das Gericht im Sinne einer "letzten Chance" den bedingten Strafvollzug gewährte. Noch während der Probezeit verübte er die Gegenstand des vorliegend angefochtenen Urteils bildenden Straftaten. Nach der Ausfällung des erstinstanzlichen Urteils vom 27. Oktober 1989 in dieser Angelegenheit machte sich der Beschwerdeführer der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit schuldig, wofür er mit 1'000 Franken gebüsst wurde. Die Vorinstanz hat verschiedene zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechende Umstände bei der Strafzumessung berücksichtigt, nämlich, dass er geständig war, als guter Arbeiter geschätzt wird, an seinem Arbeitsort in letzter Zeit zu keinerlei Klagen Anlass gab und die Alimente für seine Tochter aus der 1989 geschiedenen Ehe offenbar pünktlich bezahlt. Der Beschwerdeführer wurde im Jahre 1958 in Saigon/Vietnam geboren und wuchs als ältester Sohn eines höheren Polizeioffiziers in geordneten Familienverhältnissen auf. Er flüchtete gemeinsam mit einem Onkel im Sommer 1976 aus dem damaligen Südvietnam und gelangte über Malaysia im März 1977, im Alter von 19 Jahren, BGE 117 IV 139 S. 153 in die Schweiz, wo er seither lebt. Der Beschwerdeführer macht geltend, die Vorinstanz habe die Assimilierungschwierigkeiten und den unausweichlichen Kulturschock durch die völlig andere Lebensweise und Mentalität in der Schweiz, welche seine darauffolgenden Jahre prägten, nicht ausreichend berücksichtigt. Der Einwand ist unbegründet. Der Beschwerdeführer war im Alter von 19 Jahren in die Schweiz gekommen und lebte hier - von 1981 bis 1989 verheiratet - seit rund 9 Jahren, als er die Gegenstand des angefochtenen Urteils bildenden Straftaten verübte. Unter diesen Umständen kann keine Rede davon sein, dass das Verschulden des Beschwerdeführers in bezug auf diese Taten infolge von Auswirkungen eines allenfalls einmal erlebten Kulturschocks vermindert sei.
null
nan
de
1,991
CH_BGE
CH_BGE_006
CH
Federation
dfc788a9-ea85-41c3-ac24-d56e7f6fd3ec
Urteilskopf 139 III 475 68. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Obergericht Appenzell Ausserrhoden (Beschwerde in Zivilsachen) 4A_314/2013 vom 6. August 2013
Regeste Art. 29 Abs. 3 BV , Art. 117 lit. b ZPO ; unentgeltliche Rechtspflege, Voraussetzung der Nichtaussichtslosigkeit. Einfluss der Parteirolle des um unentgeltliche Rechtspflege Ersuchenden auf die Beurteilung der Prozessaussichten. Gesuch des Rechtsmittelbeklagten in einem Fall, bei dem der angefochtene Entscheid an einem offensichtlichen, krassen Verfahrensfehler leidet (E. 2).
Erwägungen ab Seite 476 BGE 139 III 475 S. 476 Aus den Erwägungen: 2. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 117 ZPO sowie von Art. 9 und 29 BV (Willkürverbot und Gehörsanspruch). 2.1 Nach Art. 117 ZPO hat eine Person Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn sie nicht über die erforderlichen Mittel verfügt (lit. a) und ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint (lit. b). Sofern es zur Wahrung der Rechte notwendig ist, umfasst die unentgeltliche Rechtspflege die Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistands ( Art. 118 Abs. 1 lit. c ZPO ). 2.2 Strittig ist vorliegend die Voraussetzung der Aussichtslosigkeit ( Art. 117 lit. b ZPO ). Die vom Bundesgericht zum Begriff der Aussichtslosigkeit gemäss Art. 29 Abs. 3 BV entwickelte Praxis ist auch für die Auslegung von Art. 117 lit. b ZPO zu berücksichtigen. Als aussichtslos sind demnach Begehren anzusehen, bei denen die Gewinnaussichten beträchtlich geringer sind als die Verlustgefahren und die deshalb kaum als ernsthaft bezeichnet werden können. Dagegen gilt ein Begehren nicht als aussichtslos, wenn sich Gewinnaussichten und Verlustgefahren ungefähr die Waage halten oder jene nur wenig geringer sind als diese. Massgebend ist, ob eine Partei, die über die nötigen Mittel verfügt, sich bei vernünftiger Überlegung zu einem Prozess entschliessen würde. Eine Partei soll einen Prozess, den sie auf eigene Rechnung und Gefahr nicht führen würde, nicht deshalb anstrengen können, weil er sie nichts kostet. Ob im Einzelfall genügende Erfolgsaussichten bestehen, beurteilt sich aufgrund einer vorläufigen und summarischen Prüfung der BGE 139 III 475 S. 477 Prozessaussichten, wobei die Verhältnisse im Zeitpunkt der Einreichung des Gesuchs massgebend sind ( BGE 138 III 217 E. 2.2.4 mit Hinweisen). 2.3 Die Anspruchsvoraussetzung der Nichtaussichtslosigkeit ist grundsätzlich unabhängig von der Parteirolle zu prüfen. Sofern das Verfahren nicht eine besondere Rücksichtnahme auf die Parteirolle verlangt, beurteilt sich im Grundsatz die Aussichtslosigkeit der Rechtsbegehren des Beklagten nicht anders als für den Kläger; auch vom Beklagten kann erwartet werden, dass er offensichtlich berechtigte Ansprüche anerkennt und nicht sinnlos prozessiert (Urteil 5A_590/2009 vom 6. Januar 2010 E. 3.1.3; ALFRED BÜHLER, in: Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2012, N. 233b zu Art. 117 ZPO ; VIKTOR RÜEGG, in: Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2010, N. 18 zu Art. 117 ZPO ; BEAT RIES, Die unentgeltliche Rechtspflege nach der aargauischen Zivilprozessordnung vom 18. Dezember 1984, 1990, S. 113; STEFAN MEICHSSNER, Das Grundrecht auf unentgeltliche Rechtspflege, 2008, S. 111 f.). Im Rechtsmittelverfahren freilich präsentiert sich die Situation anders: Hier kann die Rechtsposition des Rechtsmittelbeklagten kaum als aussichtslos bezeichnet werden, wenn sie in erster Instanz vom Gericht geschützt worden ist; in der Regel ist daher die Nichtaussichtslosigkeit der Begehren des Rechtsmittelbeklagten zu bejahen (MEICHSSNER, a.a.O., S. 112; für das Beschwerdeverfahren vor Bundesgericht: BERNARD CORBOZ, in: Commentaire de la LTF, Corboz und andere [Hrsg.], 2009, N. 40 zu Art. 64 BGG ; THOMAS GEISER, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2011, N. 22 zu Art. 64 BGG ). Von diesem Grundsatz rechtfertigt es sich jedoch abzuweichen, wenn der angefochtene Entscheid an einem offensichtlichen Mangel, namentlich an einem krassen Verfahrensfehler leidet, der für sich allein zur Aufhebung des Entscheids führen muss. Hier darf vom Rechtsmittelbeklagten erwartet werden, dass er sich dem Rechtsmittel des Gegners unterzieht und nicht unnötige Kosten generiert. Die von GEISER (a.a.O., N. 22 zu Art. 64 BGG ) für seine abweichende Ansicht angeführte Begründung, dass es dazu regelmässig der anwaltlichen Beratung bedürfe, sticht nicht, weil sonst die Anspruchsvoraussetzung der Nichtaussichtslosigkeit praktisch aus den Angeln gehoben würde. Denn der juristische Laie wird meist sagen können, er brauche anwaltlichen Rat, um die Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels abzuschätzen. Am wenigsten wird dies allerdings BGE 139 III 475 S. 478 zutreffen, wenn der angefochtene Entscheid an krassen Mängeln leidet, die ins Auge springen. Schliesslich greift auch das Argument des Beschwerdeführers nicht, wonach es dem Beschwerdebeklagten nicht zuzumuten sei, die einen Formmangel des Vorderrichters rügende Beschwerde zu anerkennen, weil er sonst kostenpflichtig würde. Die Frage der Kostenverlegung sei juristisch sehr anspruchsvoll und erfordere unbedingt Rechtsbeistand. Wiederum kann der Umstand, dass zur Abschätzung der Kostenfolgen möglicherweise anwaltlicher Rat wünschbar wäre, bei der Anspruchsvoraussetzung der Nichtaussichtslosigkeit nicht ausschlaggebend sein. Ohnehin vermag der Rechtsmittelbeklagte unter Umständen den Kostenfolgen zu entgehen, wenn er sich mit dem angefochtenen Entscheid, der an einem nicht auf Parteiantrag beruhenden Verfahrensmangel leidet, nicht identifiziert (vgl. Art. 107 Abs. 2 ZPO , dazu MARTIN H. STERCHI, in: Berner Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2012, N. 26a zu Art. 107 ZPO ; BGE 138 III 471 E. 7). Demnach führt die Tatsache, dass im vorliegenden Fall dem Beschwerdeführer als der beschwerdebeklagten Partei die unentgeltliche Rechtspflege wegen Aussichtslosigkeit verweigert wurde, noch nicht zu einer Verletzung von Art. 117 ZPO . Denn der von der Gegenseite angefochtene Entscheid vom 15. August 2012 leidet offensichtlich an einer Gehörsverletzung, was Z. in seiner Beschwerde allein rügte.
null
nan
de
2,013
CH_BGE
CH_BGE_005
CH
Federation
dfd066a5-edf1-478e-88fe-3e8c9413e2d4
Urteilskopf 97 II 116 18. Urteil der II. Zivilabteilung vom 13. Mai 1971 i.S. L. und H. gegen H.
Regeste Anfechtung der Ehelichkeit ( Art. 254 ZGB ). Genügt eine nach kantonalem Recht als Beweismittel zugelassene Aussage in der Parteibefragung den strengen Anforderungen, welche Art. 254 ZGB an den Nachweis der Unmöglichkeit der Vaterschaft stellt? Frage offen gelassen. Eine solche Aussage darf aber nach Bundesrecht jedenfalls dann bei der Beweiswürdigung berücksichtigt werden, wenn sie noch durch weitere gewichtige Indizien gestützt wird.
Sachverhalt ab Seite 117 BGE 97 II 116 S. 117 A.- H., geb. 1918, heiratete im Oktober 1956 die im Jahre 1936 geborene W. Dieser Ehe entsprossen fünf Kinder. Seit dem 28. Mai 1965 leben die Ehegatten getrennt, der Ehemann in Bern und die Ehefrau in Basel. Am 4. Juli 1967 gebar die Ehefrau ein sechstes Kind, M., welches im Zivilstandsregister als eheliches Kind der Eheleute H. eingetragen wurde. B.- Am 5. Mai 1965 hatte der Ehemann beim Zivilamtsgericht Bern eine Scheidungsklage eingereicht, die am 21. Juni 1968 gestützt auf Art. 137 ZGB gutgeheissen wurde; die Widerklage der Ehefrau wurde abgewiesen. Diese trug sich im Jahre 1965 mit der Absicht, den Franzosen G. zu heiraten. In der Folge konnte sie diese Absicht nicht verwirklichen. Nach der Scheidung verheiratete sie sich in zweiter Ehe mit L. C.- H. klagte am 8. August 1967 in seinem Heimatkanton Solothurn auf Aberkennung der Ehelichkeit des Kindes M. Er machte geltend, er habe seit März 1965 keinen intimen Verkehr mit seiner von ihm getrennt lebenden Ehefrau gehabt, während diese seit der Trennung zahlreiche ehewidrige Verhältnisse unterhalten habe. Zum Beweis seiner Vorbringen beantragte er u.a. die Anordnung einer Blutuntersuchung und den Beizug eines anthropologisch-erbbiologischen Gutachtens. Demgegenüber behauptete die Beklagte, zwischen den Ehegatten hätten auch nach dem 28. Mai 1965 noch intime Beziehungen stattgefunden. Der Amtsgerichtspräsident ordnete am 24. Oktober 1968 die Durchführung einer Blutexpertise an. Auf einen gegen diese Verfügung erhobenen Rekurs trat das Obergericht des Kantons Solothurn am 22. November 1968 nicht ein. In der Folge verweigerte die Mutter eine Blutentnahme bei sich selber und liess auch beim Kind keine Blutuntersuchung zu. Das Amtsgericht stellte am 8. Juli 1969 in Gutheissung der Ehelichkeitsanfechtungsklage fest, dass M. das aussereheliche Kind der beklagten Mutter sei. D. - Die Beklagte und das Kind M. erhoben gegen dieses BGE 97 II 116 S. 118 Urteil Appellation an das Obergericht des Kantons Solothurn. Mit Beschluss vom 19. Februar 1970 trat das Obergericht auf die Appellation des Kindes nicht ein, da dessen Beistand der Appellation nicht zugestimmt hatte. Die Appellation der Beklagten wurde vom Obergericht am 2. Juli 1970 abgewiesen und das Urteil der ersten Instanz bestätigt. Zur Begründung führte das Obergericht im wesentlichen aus, auf die Aussage des Klägers im Parteiverhör, es hätten nach der Trennung der Ehegatten am 28. Mai 1965 keine intimen Beziehungen mehr stattgefunden, könne gemäss § 155 der ZPO des Kantons Solothurn abgestellt werden, da diese Aussage im Hinblick auf den Charakter des Klägers als glaubwürdig erscheine. Demgegenüber habe die Beklagte nachgewiesenermassen mehrmals gelogen. Entgegen ihren Behauptungen habe sie vor dem 28. Mai 1965 dreimal Ehebruch begangen; zudem habe sie während der kritischen Zeit einen unseriösen Lebenswandel geführt. Dass sie die Blutprobe verweigert habe, könne keinen andern Grund haben, als dass sie während der kritischen Zeit mit einem Dritten intim verkehrt habe. Wenn sie dies im Prozess verneine, so sage sie nicht die Wahrheit. Im übrigen habe sie sich durch weitere prozesstaktische Lügen als unglaubwürdig gezeigt. Dass zwischen den Parteien in der kritischen Zeit eine Beiwohnung stattgefunden habe, sei aber auch in psychischer Hinsicht unwahrscheinlich. Dies ergebe sich einmal aus der Tatsache, dass die Ehegatten einen ganz ausserordentlich heftigen Scheidungsprozess geführt hätten, der in der zweiten Hälfte des Jahres 1966, insbesondere im Monat Oktober, seinen Höhepunkt erreicht habe. Darüber hinaus hätten die Parteien noch gegeneinander mehrere Strafprozesse geführt, so der Kläger mit dem Vorwurf eines vorsätzlichen Tötungsversuchs durch die Beklagte. Die Trennung im Mai 1965 sei von den Parteien als endgültig betrachtet worden. Selbst nach den Aussagen der Beklagten wäre es nur einmal, nämlich im Oktober 1966, zu einer Begegnung und zu Geschlechtsverkehr gekommen. Sie habe aber keinen Grund für diesen einmaligen intimen Kontakt mit dem Kläger angeben können. E.- Gegen dieses Urteil des Obergerichts hat die Beklagte für sich und namens des Kindes M. Berufung an das Bundesgericht eingereicht mit dem Antrag, die Ehelichkeitsanfechtungsklage abzuweisen. BGE 97 II 116 S. 119 F.- Der Kläger beantragt, auf die Berufung nicht einzutreten, eventuell die Berufung der Beklagten abzuweisen, subeventuell die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Mit Zwischenentscheid vom 19. Februar 1970 hat das Obergericht des Kantons Solothurn entschieden, die von der beklagten Mutter im Namen des Kindes M. erklärte Appellation sei nicht gültig, weil allein der gemäss Art. 392 ZGB ernannte Beistand des Kindes berechtigt gewesen wäre, das erstinstanzliche Urteil im Namen des Kindes weiterzuziehen, was dieser jedoch nicht getan habe. Wer legitimiert ist, im Namen des Kindes ein Rechtsmittel zu erheben, ist eine Frage des materiellen Bundesrechts, die grundsätzlich gemäss Art. 43 OG mit der Berufung an das Bundesgericht weiterziehbar ist. Da es sich beim Entscheid vom 19. Februar 1970 um einen selbständigen Zwischenentscheid im Sinne von Art. 49 OG handelt, hätte die Beklagte, wenn sie mit der Auffassung des Obergerichts nicht einig ging, diesen Entscheid binnen 30 Tagen beim Bundesgericht anfechten sollen. Die Berufung vom 10. November 1970 ist daher, soweit sie im Namen des Kindes erhoben wurde, verspätet, weshalb auf sie in dieser Beziehung nicht einzutreten ist. 2. Ist ein Kind wenigstens 180 Tage nach Abschluss der Ehe geboren, so dringt der Ehemann gemäss Art. 254 ZGB mit der Anfechtungsklage nur durch, wenn er nachweist, dass er unmöglich der Vater des Kindes sein könne. Absolute Unmöglichkeit der Vaterschaft liegt zunächst in jenen Fällen vor, in denen während der Zeit, da die Empfängnis stattgefunden haben kann, ein ehelicher Verkehr unmöglich war. Ausser der physischen Unmöglichkeit der Beiwohnung hat die Rechtsprechung ferner die sog. "moralische" oder psychische Unmöglichkeit einer Beiwohnung als genügend anerkannt. Da das Gesetz indessen nicht einen Nachweis der Unmöglichkeit der Beiwohnung, sondern nur der Vaterschaft des Ehemannes verlangt, ist auch der Nachweis tauglich, dass trotz erfolgtem Geschlechtsverkehr der Ehegatten ein Dritter der Erzeuger sein muss. Endlich lässt die Rechtsprechung die Anwendung von Art. 254 ZGB auch dann zu, wenn bewiesen wird, dass zwischen den Ehegatten um die Zeit der Empfängnis trotz allfällig vorhandener BGE 97 II 116 S. 120 Möglichkeit tatsächlich kein Geschlechtsverkehr stattgefunden hat; denn auch in diesem Fall ist die Vaterschaft des Ehemannes physisch unmöglich. Der Ehemann kann daher die Anfechtungsklage auch dadurch begründen, dass er ganz allgemein und schlechthin nachweist, dass zwischen ihm und der Ehefrau in der kritischen Zeit kein Geschlechtsverkehr stattgefunden hat ( BGE 83 II 3 und BGE 82 II 502 ). Diese Frage ist eine rein tatsächliche; die Feststellung der letzten kantonalen Instanz hierüber ist daher für das Bundesgericht verbindlich ( Art. 63 Abs. 2 OG ). Für diesen Nachweis gelten nach der Rechtsprechung die für den Scheidungsprozess aufgestellten bundesrechtlichen Verfahrensgrundsätze von Art. 158 Ziff. 1 und 3 ZGB analog; danach sind Parteierklärungen für den Richter nicht verbindlich, und er darf behauptete Tatsachen nur dann als erwiesen annehmen, wenn er sich von deren Vorhandensein überzeugt hat ( BGE 83 II 4 Erw. 1 und BGE 85 II 175 Erw. 4). 3. Das Kind M. wurde nach über zehnjähriger Dauer der Ehe der Parteien geboren. Die Ehegatten waren zur Zeit der Empfängnis nicht durch richterliches Urteil getrennt, weshalb Art. 255 ZGB nicht in Betracht kommt. Der Kläger versucht, die Unmöglichkeit seiner Vaterschaft mit dem Vorbringen darzutun, er habe während der vom 7. September 1966 bis zum 5. Januar 1967 dauernden kritischen Zeit keinen ehelichen Verkehr mit der Beklagten gehabt. Dass er trotz allfälliger geschlechtlicher Beziehungen mit der Beklagten als Vater des Kindes nicht in Betracht komme, konnte er vor den kantonalen Instanzen nicht nachweisen, da die Beklagte die entsprechenden Abklärungen - nämlich die Durchführung einer Blutexpertise und den Beizug eines anthropologisch-erbbiologischen Gutachtens - vereitelte. Die Vorinstanz hat angenommen, der Kläger habe den Nachweis erbracht, dass zur Zeit der Empfängnis des Kindes M. zwischen den Ehegatten kein Geschlechtsverkehr stattgefunden habe. Es ist zu prüfen, ob die Vorinstanz dabei gegen die in Art. 158 Ziff. 1 und 3 ZGB enthaltenen bundesrechtlichen Verfahrensgrundsätze verstossen hat oder nicht. a) Die Beklagte hatte in der Klageantwortschrift vor erster Instanz noch behauptet, die Parteien hätten während des Getrenntlebens intime Beziehungen unterhalten. In dem von der Vorinstanz durchgeführten Parteiverhör verdeutlichte sie indessen BGE 97 II 116 S. 121 diese Ausführungen mit der Aussage, während des seit dem 28. Mai 1965 andauernden Getrenntlebens habe sie der Kläger ein einziges Mal anfangs Oktober 1966 in ihrer Wohnung in Basel besucht, wobei es zum Geschlechtsverkehr gekommen sei. Die Vorinstanz nahm gestützt auf diese Aussage und die Erklärungen des Klägers sowie in Berücksichtigung der weitern Umstände an, wenn es überhaupt zum Geschlechtsverkehr zwischen den Parteien gekommen sei, dann sei dies höchstens ein einziges Mal und zwar zu Beginn des Monats Oktober 1966 geschehen. Mit dieser Annahme verletzte das Obergericht kein Bundesrecht und insbesondere nicht die Beweisregeln von Art. 158 ZGB . b) Demgegenüber behauptete der Kläger, es sei anfangs Oktober 1966 weder zu einem Besuch bei der Beklagten in Basel noch zu Geschlechtsverkehr gekommen. Beide Parteien haben ihre Aussagen im Parteiverhör gemacht. Die Parteibefragung, wie sie § 155 ff. der ZPO des Kantons Solothurn vorsieht, ist grundsätzlich ein nach Bundesrecht zulässiges Beweismittel (vgl. BGE 80 II 295 ff. undBGE 71 II 127f.). Ob dieses Beweismittel aber auch den strengen Anforderungen, welche Art. 254 ZGB an den Nachweis der Unmöglichkeit der Vaterschaft stellt, genügt, hat das Bundesgericht bisher offen gelassen ( BGE 82 II 506 f. undBGE 62 II 80). Indessen ist mit der Vorinstanz anzunehmen, dass eine in der Parteibefragung gemachte Aussage jedenfalls dann berücksichtigt werden soll, wenn sie noch durch weitere gewichtige Indizien gestützt wird. Das Obergericht hat die Aussagen beider Parteien gewürdigt und ist zum Schluss gelangt, dass die Darstellung des Klägers glaubwürdig sei; denn er habe sich in den zahlreichen Prozessen zwischen den Parteien stets als wahrheitsliebend erwiesen. Die Aussage der Beklagten wurde dagegen als unglaubwürdig befunden, weil die Beklagte nicht nur zu prozesstaktischen Bestreitungen Zuflucht genommen hatte, sondern auch eigentlicher Lügen überführt werden konnte. Die Vorinstanz hat aber nicht nur auf die als glaubwürdig erachtete Aussage des Klägers abgestellt, sondern noch zahlreiche Indizien berücksichtigt, welche ebenfalls für die Richtigkeit der Darstellung des Klägers sprechen. So haben die Parteien seit ihrer Trennung vom 28. Mai 1965 die persönlichen Beziehungen abgebrochen und nur noch über ihre Rechtsvertreter miteinander Kontakt gehabt. Wie das Beweisverfahren ergeben hat, BGE 97 II 116 S. 122 erreichten die Spannungen im Scheidungsprozess der Parteien ausgerechnet im Oktober 1966 ihren Höhepunkt. Der Kläger stellte damals aus Wut über die Beklagte, die er eines liederlichen Lebenswandels verdächtigte, seine Unterhaltsleistungen ein. Die Beklagte drohte daraufhin mit einer Strafklage wegen Vernachlässigung der Unterstützungspflichten, die sie später auch tatsächlich einreichte. Zwischen dem 15. September und dem 7. Oktober 1966 besprach der Kläger mit seinem Anwalt eine Eingabe in einem hängigen Strafverfahren, mit welcher der Vorwurf gegenüber der Beklagten, sie habe ihn zu töten versucht, erhärtet werden sollte. Schliesslich widerlegte das Obergericht die These der Beklagten, sie habe im Oktober 1966 eine Versöhnung mit dem Kläger gewünscht und zu diesem Zwecke den einmaligen Geschlechtsverkehr erstrebt. Wenn das Obergericht auf Grund seiner Würdigung der Parteiaussagen und gestützt auf die angeführten Indizien den Schluss gezogen hat, der von der Beklagten behauptete einmalige Geschlechtsverkehr mit dem Kläger anfangs Oktober 1966 habe nicht stattgefunden, so verstiess es nicht gegen Beweisregeln des eidgenössischen Rechts. Das Obergericht hat die Aussagen der Parteien nach seiner freien Überzeugung ( § 153 ZPO ), aber mit äusserster Vorsicht gewürdigt und auf die Darlegungen des Klägers nur deshalb abgestellt, weil sie durch zahlreiche Indizien gestützt wurden. Dieses Vorgehen ist nicht bundesrechtswidrig. c) Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass der Kläger um die Zeit der Empfängnis des Kindes M. mit der Beklagten keinen Geschlechtsverkehr hatte. Zudem hat die Vorinstanz für das Bundesgericht verbindlich festgestellt, dass die Beklagte in der kritischen Zeit einen unseriösen Lebenswandel führte. Das Obergericht hat daraus zu Recht den Schluss gezogen, der Kläger könne unmöglich der Vater des am 4. Juli 1967 geborenen Kindes der Beklagten sein. Die Frage, ob die weitere Feststellung der Vorinstanz, der Kläger habe auch den Nachweis erbracht, dass die psychische Einstellung der Ehegatten eine Beiwohnung trotz bestehender Gelegenheit als ausgeschlossen erscheinen lasse, gegen eine bundesrechtliche Beweisregel verstosse, kann unter diesen Umständen offen bleiben. Die Berufung ist nach dem Ausgeführten abzuweisen. BGE 97 II 116 S. 123 Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: 1.- Auf die von der Berufungsklägerin namens des Kindes M. eingereichte Berufung wird nicht eingetreten. 2.- Die Berufung wird abgewiesen und das angefochtene Urteil bestätigt.
public_law
nan
de
1,971
CH_BGE
CH_BGE_004
CH
Federation
dfd2c2a7-e456-460b-881b-4e9b116ed63a
Urteilskopf 108 V 37 10. Urteil vom 12. Mai 1982 i.S. Schweizerische Krankenkasse Helvetia gegen P. und Versicherungsgericht des Kantons Appenzell AR
Regeste Art. 19bis Abs. 3 KUVG . Als Grundlage für die Leistungsbemessung fallen im Rahmen von Art. 19bis Abs. 3 KUVG nur diejenigen Heilanstalten in Betracht, die zur Behandlung jener Kategorie von Kranken bestimmt sind, zu denen der Versicherte vom medizinischen Standpunkt aus gehört. In dieser Hinsicht können Trinkerheilanstalten im Sinne von Art. 23 Abs. 2 Vo III KUVG in der Regel psychiatrischen Kliniken nicht gleichgestellt werden.
Sachverhalt ab Seite 38 BGE 108 V 37 S. 38 A.- Richard P. wurde am 21. Mai 1979 in die Heilstätte für alkoholkranke Männer "Mühlhof" in Tübach SG eingewiesen. Die Tagespauschale der Heilstätte betrug damals Fr. 30.50. Mit Verfügung vom 16. Juli 1979 teilte die Schweizerische Krankenkasse Helvetia (nachstehend Kasse genannt) dem den Versicherten vertretenden Gemeindefürsorgeamt mit, dass sie für den fraglichen Aufenthalt die Kosten für Arzt und Arznei sowie einen täglichen Beitrag von Fr. 6.-- für die übrige Pflege übernehme. Daneben gelange das versicherte Krankengeld zur Auszahlung. B.- Gegen diese Verfügung erhob das Fürsorgeamt für den Versicherten Beschwerde und verlangte die Vergütung der vollen Tagespauschale von Fr. 30.50, abzüglich eines allfälligen Verpflegungskostenbeitrages. Am 3. Februar 1981 hiess das Versicherungsgericht des Kantons Appenzell AR die Beschwerde gut und verpflichtete die Kasse, Richard P. für die Dauer seines Aufenthaltes in der Trinkerheilstätte "Mühlhof" in Tübach aus der Krankenpflegeversicherung eine Tagespauschale von Fr. 30.50 auszurichten. C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die Kasse die Aufhebung des kantonalen Entscheides und die Bestätigung der Verfügung vom 16. Juli 1979. Richard P. lässt auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen. Das Bundesamt für Sozialversicherung spricht sich für Gutheissung aus. Erwägungen Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 1. a) Gemäss Art. 12 Abs. 2 KUVG haben die Kassen bei Aufenthalt in einer Heilanstalt die zwischen dieser und der Kasse vertraglich festgelegten Leistungen, mindestens aber die ärztliche Behandlung, einschliesslich der wissenschaftlich anerkannten Heilanwendungen, der Arzneimittel und Analysen nach den Taxen der allgemeinen Abteilung sowie einen täglichen Mindestbeitrag an die übrigen Kosten der Krankenpflege zu erbringen. Diesen Mindestbeitrag setzt Art. 24 Abs. 1 Vo III KUVG mit Fr. 9.-- pro Tag fest. Diese Bestimmungen wurden mit Art. 73 Abs. 1 und Art. 73 Abs. 1 lit. a in die Statuten der Kasse übernommen. Nach Art. 23 Abs. 2 Vo III KUVG gelten Anstalten oder Abteilungen von solchen, in denen ausschliesslich Entwöhnungskuren für Trunksüchtige auf ärztliche Verordnung und unter ärztlicher Leitung durchgeführt werden, ebenfalls als Heilanstalten. In BGE 108 V 37 S. 39 diesem Fall beläuft sich gemäss Art. 24 Abs. 1 Vo III KUVG der tägliche Mindestbeitrag an die übrigen Kosten der Krankenpflege auf Fr. 6.--. Die Statuten der Kasse sehen in Art. 75 Abs. 1 den gleichen Tagesansatz vor. b) Begibt sich der Versicherte in ein Nichtvertragsspital, so kann die Kasse ihre Leistungen nach den Taxen der allgemeinen Abteilung der nächstgelegenen Heilanstalt am Wohnort des Versicherten oder in dessen Umgebung bemessen, mit der sie einen Vertrag abgeschlossen hat ( Art. 19bis Abs. 3 KUVG ). Die Kasse bestimmt in Art. 73 Abs. 1 lit. b ihrer Statuten, dass sie ihre Krankenpflegeleistungen diesfalls nach dieser Regel erbringe. Muss sich der Versicherte aus medizinischen Gründen in eine bestimmte Heilanstalt begeben, so hat die Kasse ihre Leistungen nach den Taxen der allgemeinen Abteilung dieser Heilanstalt zu bemessen ( Art. 19bis Abs. 5 KUVG ). Diese Norm findet sich im wesentlichen in Art. 73 Abs. 1 lit. d der Statuten wieder. 2. Nach den Akten musste sich der Beschwerdegegner aus medizinischen Gründen einer Entwöhnungstherapie in einer Trinkerheilanstalt unterziehen. Eine psychiatrische Klinik wurde als hiefür ungeeignet erachtet. Daher ist Art. 19bis Abs. 5 KUVG bzw. Art. 73 Abs. 1 lit. d der Statuten anwendbar. Das heisst indessen nicht, dass die Kasse aus der Krankenpflegeversicherung die von der Anstalt "Mühlhof" in Rechnung gestellte Tagespauschale von Fr. 30.50 voll zu vergüten hätte. Die Kasse hat vielmehr lediglich die Kosten für die ärztliche Behandlung, einschliesslich der wissenschaftlich anerkannten Heilanwendungen, der Arzneimittel und Analysen nach den Taxen der allgemeinen Abteilung dieser Anstalt sowie einen täglichen Mindestbeitrag an die übrigen Kosten der Krankenpflege von Fr. 6.-- zu entschädigen. Einen darüber hinausgehenden Anspruch räumt Art. 19bis Abs. 5 bzw. Art. 73 Abs. 1 lit. d der Statuten nicht ein (RSKV 1980 Nr. 412 S. 131 Erw. 2). Ein Vertrag zwischen der Kasse und der Trinkerheilanstalt "Mühlhof" besteht nicht. Insbesondere kann die Kasse - abweichende statutarische Regelungen sind nicht gegeben - nicht dazu verhalten werden, aus der Grundversicherung Leistungen für Unterkunft und Verpflegung zu erbringen. Diese Kosten sind in Art. 12 Abs. 2 Ziff. 2 KUVG nicht erfasst, so dass diesbezüglich auch keine Pflichtleistung der Kassen besteht (RSKV 1980 Nr. 412 S. 131 Erw. 2, 1980 Nr. 417 S. 166 Erw. 2, 1980 Nr. 428 S. 246). Die gegenteilige Auffassung der Vorinstanz erweist sich demnach als verfehlt. BGE 108 V 37 S. 40 Aus dem Gesagten folgt, dass die Kasse in ihrer Verfügung vom 16. Juli 1979 die dem Beschwerdegegner nach Gesetz und Statuten geschuldeten Leistungen im wesentlichen zutreffend umschrieben hat. Auf die Frage nach der Berechnung und Höhe der auszurichtenden Zahlungen wird in Erwägung 4 hienach einzugehen sein. Leistungen aus Zusatzversicherungen sind nicht streitig. 3. Die Vorinstanz vertritt demgegenüber offenbar die Rechtsauffassung, dass im vorliegenden Falle Art. 19bis Abs. 3 KUVG bzw. Art. 73 Abs. 1 lit. b der Kassenstatuten zum Tragen komme. Als massgebliches Vertragsspital am Wohnort des Beschwerdegegners bezeichnete sie die Kantonale Psychiatrische Klinik in Herisau. Die von der Kasse zu erbringende Tagespauschale belaufe sich dort auf Fr. 41.--. Diesem Rechtsstandpunkt kann indessen nicht beigepflichtet werden. Als Grundlage für die Leistungsbemessung fallen im Rahmen von Art. 19bis Abs. 3 KUVG lediglich diejenigen Anstalten oder Abteilungen in Betracht, die zur Behandlung jener Kategorie von Kranken bestimmt sind, zu denen der Versicherte vom medizinischen Standpunkt aus gehört (RSKV 1977 Nr. 298 S. 171 f.). In dieser Hinsicht können Trinkerheilanstalten in der Regel psychiatrischen Kliniken nicht gleichgestellt werden, obwohl bestimmte Fälle von Trunksucht auch in psychiatrischen Spitälern betreut werden und sich eine zunehmende Annäherung zwischen beiden Heilanstaltskategorien abzeichnen mag. Die Behandlungskosten in einer Trinkerheilstätte können sinnvollerweise nur mit denjenigen einer gleichen oder ähnlichen Einrichtung verglichen werden. Da es am Wohnort des Beschwerdegegners oder in dessen Umgebung keine unter einem Vertrag mit der Kasse stehende Trinkerheilanstalt gibt, können die Leistungen im vorliegenden Fall demzufolge nicht nach Massgabe von Art. 19bis Abs. 3 KUVG bzw. Art. 73 Abs. 1 lit. b der Kassenstatuten ermittelt werden. Eine Verpflichtung zur Übernahme der vollen Tagespauschale von Fr. 30.50 lässt sich sodann auch nicht mit der Überlegung begründen, bei einer Entwöhnungsbehandlung des Beschwerdegegners in der Kantonalen Psychiatrischen Klinik Herisau hätte die Kasse pro Tag Fr. 41.-- bezahlen müssen. Der Beschwerdegegner musste aus medizinischen Gründen in eine Trinkerheilanstalt eintreten. Er kann daher nicht die Leistungen für die teurere Spitalkategorie der Kantonalen Psychiatrischen Klinik beanspruchen ( BGE 101 V 72 , RSKV 1977 Nr. 298 S. 171 f.). Eine unzulässige Benachteiligung des Beschwerdegegners ist darin ebensowenig zu BGE 108 V 37 S. 41 erblicken wie in allfälligen Tarifunterschieden bei der Abgeltung der gesetzlichen und statutarischen Pflichtleistungen der Kasse. Es bleibt den Krankenkassen unbenommen, bei Aufenthalt eines ihrer Mitglieder in einer Trinkerheilanstalt statutarisch Ansprüche einzuräumen, die über das gesetzliche Soll hinausgehen. Das begründet aber kein Recht auf höhere Leistungen gegenüber andern Krankenkassen, die ihre Pflicht - wie hier - auf das gesetzliche Minimum beschränken. Die diesbezüglichen Ausführungen des Fürsorgeamtes Herisau erweisen sich daher als unbehelflich. Der Kasse ist im vorliegenden Fall auch keine unstatthafte Ungleichbehandlung des Beschwerdegegners gegenüber den kantonalzürcherischen Patienten und Mitgliedern in der Heilstätte Ellikon ZH anzulasten. Mit Schreiben vom 2. August 1979 an das Fürsorgeamt hatte sich die Kasse bereit erklärt, dem Beschwerdegegner wie im Falle der Heilstätte Ellikon in Abgeltung der gesetzlichen Pflichtleistungen eine Tagespauschale von Fr. 15.-- zu bezahlen. 4. Festzustellen bleibt, wie der von der Kasse dem Beschwerdegegner zu vergütende Betrag zu berechnen ist und wie hoch dieser ausfällt. Für die Ermittlung des Rechnungsbetrags hat die Kasse in den Statuten verschiedene Regeln aufgestellt. Werden sämtliche Heilanstaltskosten in einer Tagespauschale fakturiert, so übernimmt die Kasse die Leistungen gemäss Ziff. 1 des Art. 73 der Statuten, wobei der Zentralvorstand Mindestbeiträge festsetzen kann (Art. 73 Ziff. 2 der Statuten). Sind in einer Anstaltsrechnung die Kosten für die von der Kasse zu übernehmenden Leistungen nur ungenügend ausgeschieden, nimmt die Kasse die Ausscheidung selbst vor und setzt die Leistungen nach Art. 73 Ziff. 2 fest (Art. 73 Ziff. 3 der Statuten). Hält sich ein Mitglied auf ärztliche Verordnung in einer unter ärztlicher Leitung stehenden Trinkerheilanstalt auf, so entrichtet die Kasse im Anwendungsfall von Art. 73 Ziff. 2 und 3 jedoch nur eine Tagespauschale von Fr. 8.-- (Art. 75 Ziff. 2 der Statuten). Mit diesem Tagesansatz will die Kasse die gesetzlichen bzw. statutarischen Pflichtleistungen pauschal abgelten. Dagegen ist an sich nichts einzuwenden, sofern mit diesen Fr. 8.-- pro Tag die Kosten für die ärztliche Behandlung, einschliesslich der wissenschaftlich anerkannten Heilanwendungen, der Arzneimittel und Analysen nach den für die Heilstätte "Mühlhof" massgeblichen Taxen sowie der tägliche Mindestbeitrag an die übrigen Kosten der BGE 108 V 37 S. 42 Krankenpflege von Fr. 6.-- vollumfänglich gedeckt sind. Trifft das nicht zu, so wird die Kasse auch die über die Tagespauschale von Fr. 8.-- hinausgehenden Kosten zu übernehmen haben. Da die Frage aufgrund der vorliegenden Akten nicht entschieden werden kann, geht die Sache an die Kasse zurück, damit sie die erforderlichen Abklärungen treffe und anschliessend den betragsmässigen Anspruch des Beschwerdegegners für den Aufenthalt in der Trinkerheilstätte "Mühlhof" bestimme. Allenfalls wird sie hierüber verfügungsmässig zu befinden haben. Dispositiv Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Appenzell AR vom 3. Februar 1981 aufgehoben. Die Sache wird an die Krankenkasse Helvetia überwiesen, damit sie im Sinne der Erwägungen verfahre.
null
nan
de
1,982
CH_BGE
CH_BGE_007
CH
Federation
dfd58880-f1d2-4a39-8a4f-8b3af310888b
Urteilskopf 90 IV 265 56. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 4. Dezember 1964 i.S. Nikles gegen Eheleute Bonnet.
Regeste 1. Art. 271 Abs. 2 BStP , Art. 55 Abs. 1 lit. a OG . Nichtigkeitsbeschwerde im Zivilpunkt. Erfordernis der Angabe des Streitwertes in der Beschwerdeschrift (Erw. 1). 2. Art. 59 Abs. 1 SVG . Ausschluss der Halterhaftung. Der Umstand, dass zur Ausbesserung des Strassenbelages von Hand aufbereitetes Kaltteer-Mischgut verwendet wurde, dessen Baustoffe zu wenig genau abgewogen und dem zu feines Gesteinsmaterial beigegeben worden war, begründet kein grobes Verschulden der staatlichen Strassenbauorgane. Die Glätte der Flickstelle, auf der das Fahrzeug ins Schleudern geriet, stellt keine höhere Gewalt dar (Erw. 2).
Sachverhalt ab Seite 265 BGE 90 IV 265 S. 265 Als sich Nikles am 14. Juli 1961 gegen 18 Uhr auf der Heimfahrt vor Frutigen der Ortstafel näherte, wo eine langgezogene Rechtsbiegung beginnt, setzte er durch leichtes Bremsen seine Geschwindigkeit von 70-80 km/Std. auf 60 km/Std. herab. Da er unmittelbar darauf die Stoplichter eines vor ihm fahrenden Volkswagens aufleuchten sah, bremste er erneut und stärker. Dieses zweite Bremsen hatte zur Folge, dass sein Wagen (Opel Rekord) auf der nassen, 5,7 m breiten Asphaltstrasse ins Schleudern geriet, trotz Gegensteuer mit dem Vorderteil in die linke Fahrbahn BGE 90 IV 265 S. 266 abgedreht wurde und in Querstellung mit einem gleichzeitig aus der Gegenrichtung kommenden Personenauto (Citroen 2 CV) zusammenstiess. Durch die Kollision wurden die im Citroen fahrenden Eheleute Jean Pierre und Andrée Bonnet schwer verletzt und beide Fahrzeuge stark beschädigt. B.- Das Obergericht des Kantons Bern sprach am 12. Februar 1964 Nikles von der Anschuldigung der fahrlässigen Störung des öffentlichen Verkehrs frei, wogegen es das Verfahren wegen Widerhandlung gegen Verkehrsvorschriften zufolge Verjährung einstellte. Es führte aus, der Unfall sei einzig auf die beim Bremsmanöver aufgetretene Linksdrehung des Opels und diese auf die Ungleichheit des Strassenbelages im Bereiche der rechten und linken Räder zurückzuführen. Der 1947 angebrachte Durit-Asphaltbelag sei im Frühjahr 1961 am rechten Rand der bergseitigen Fahrbahn auf einer Breite von rund 1,4 m mit einem Kaltteermischgut überholt worden, das mit der Zeit Bindemittel ausgeschieden habe, wodurch die Flickstelle weich und ausserordentlich glatt geworden sei und die darauf fahrenden Räder weniger gebremst worden seien als die linken, die auf dem härteren und griffigeren Durit-Belag rollten. Objektiv sei daher die Geschwindigkeit nicht dem Strassenzustand angepasst gewesen, und es hätte der Angeschuldigte die Schleuderbewegung auch nicht bloss durch Gegensteuer korrigieren, sondern zudem sofort die Bremsen lösen sollen. Diese Fehler könnten ihm aber nicht zum Verschulden angerechnet werden, da er die Wirkungen der ungewöhnlichen Beschaffenheit des Bodenbelages nicht habe voraussehen können und es einer überdurchschnittlichen Fahrkunst bedurft hätte, um in einer solchen Lage richtig zu reagieren. Die adhäsionsweise geltend gemachten Zivilklagen der Eheleute Bonnet auf Ersatz des Körperschadens wurden vom Obergericht dem Grundsatze nach dahin gutgeheissen, dass es Nikles verpflichtete, Frau Andrée Bonnet als Halterin des Citroen 70%, Jean Pierre Bonnet, den als Fahrzeugführer BGE 90 IV 265 S. 267 kein Verschulden treffe, 100% des erlittenen Schadens zu bezahlen, im letztern Falle unter Vorbehalt eines allfälligen Regressanspruches gegen die als Halterin bis zu höchstens 30% solidarisch mithaftende Frau Andrée Bonnet. Zur zahlenmässigen Festsetzung der Ansprüche verwies es die Kläger auf den Zivilweg. Die Abweichung von der Haftung der Halter zu gleichen Teilen begründete das Obergericht mit der höheren Betriebsgefahr des Opels, der erheblich schwerer als der Citroen gewesen sei, und mit den besondern Umständen, die zum Zusammenstoss führten. Es verneinte das Vorliegen von Umständen, welche die Haftpflicht des Beklagten ausschliessen. C.- Nikles führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, die Zivilklagen der Eheleute Bonnet seien abzuweisen. Er macht unter anderem geltend, die mangelhafte Beschaffenheit des Strassenbelages sei auf grobe Fahrlässigkeit der staatlichen Strassenbauorgane zurückzuführen, und sie habe sich als höhere Gewalt ausgewirkt. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: 1. Das obergerichtliche Urteil wird nur insoweit angefochten, als es den im Strafpunkt freigesprochenen Beschwerdeführer als Motorfahrzeughalter dem Grundsatze nach schadenersatzpflichtig erklärt. Der Kassationshof ist also bloss mit dem Zivilpunkt befasst, und dieser betrifft nicht einen vermögensrechtlichen Anspruch, der nach Art. 45 OG ohne Rücksicht auf den Streitwert der Berufung unterläge. Gemäss Art. 271 Abs. 2 BStP ist daher die Nichtigkeitsbeschwerde nur zulässig, wenn der Streitwert der Zivilforderung wenigstens Fr. 8'000.-- beträgt. Nach Art. 55 Abs. 1 lit. a OG ist bei Streitigkeiten vermögensrechtlicher Natur, deren Streitgegenstand nicht in einer bestimmt bezifferten Geldsumme besteht, die Höhe des Streitwertes in der Berufungsschrift anzugeben. Diese Vorschrift gilt, obwohl Art. 271 BStP nicht ausdrücklich auf Art. 55 OG verweist, auch für die Nichtigkeitsbeschwerde, welche in den Fällen gleichzeitiger Beurteilung BGE 90 IV 265 S. 268 des Straf- und Zivilpunktes durch die kantonale Instanz an die Stelle der Berufung tritt (nicht veröffentlichte Urteile des Kassationshofes vom 19. Oktober 1951 i.S. Marty gegen Kallen und vom 11. Dezember 1962 i.S. Schmid gegen Piccirilli). In der Beschwerdeschrift des Beschwerdeführers fehlt jede Angabe über den Streitwert. Normalerweise hat dieser Formfehler zur Folge, dass auf die Beschwerde nicht eingetreten werden kann (erwähnte Urteile des Kassationshofes, fernerBGE 71 II 252ff., BGE 76 II 112 , BGE 83 II 247 ). Eine Ausnahme macht jedoch die Rechtsprechung, wenn der Streitwert ohne weiteres mit Sicherheit erkennbar ist ( BGE 81 II 310 , BGE 82 II 593 , BGE 83 II 247 , BGE 87 II 114 ). Diese Voraussetzung trifft hier zu. Aus dem obergerichtlichen Urteil ergibt sich, dass jeder der beiden Kläger für Schadenersatz und Genugtuung mehr als Fr. 15'000.-- eingeklagt hat und dass sie die Genugtuungsforderung, auf die sie im Berufungsverfahren verzichteten, vor erster Instanz auf je Fr. 5'000.-- bezifferten. Der Streitwert betrug somit nach Massgabe der Rechtsbegehren, wie sie vor der letzten kantonalen Instanz noch streitig waren ( Art. 46 OG ), immer noch mindestens je Fr. 10'000.--. Auf die Beschwerde ist demnach einzutreten. 2. Nach Art. 59 Abs. 1 SVG kann sich der Beschwerdeführer auf den Entlastungsgrund des Drittverschuldens und der höheren Gewalt nur berufen, wenn ihn selber kein Verschulden trifft und wenn auch keine fehlerhafte Beschaffenheit seines Fahrzeuges zum Unfall beigetragen hat. Nach den Feststellungen des Obergerichts sind diese beiden Voraussetzungen erfüllt. Es hat sich freilich nur zur strafrechtlichen Schuld des Beschwerdeführers geäussert, sich mit dem zivilrechtlichen Verschulden aber nicht ausdrücklich auseinandergesetzt. Die Frage kann jedoch offen bleiben, da keiner der angerufenen Haftbefreiungsgründe vorliegt. a) Es steht fest, dass die mangelhafte Beschaffenheit der Flickstelle in der Glätte der Belagsoberfläche bestand, die darauf zurückzuführen ist, dass die im verwendeten Kaltteer BGE 90 IV 265 S. 269 enthaltenen weichen Bindemittel unter der Wirkung des Strassenverkehrs allmählich an die Oberfläche gestiegen sind und dort zusammen mit feinen Mineralstoffen eine glatte, fast kornlose Schicht bildeten. Die Verwendung von Kaltteermischgut, mit dem die Flickstelle 3-4 cm stark überzogen wurde, ist nicht zu beanstanden. Dieses Verfahren ist, namentlich bei blossen Ausbesserungen schadhafter Strassenstellen, heute noch allgemein üblich. Fehlerhaft war dagegen die Wabl des Gesteinsmaterials, das dem Kaltteer beigemischt wurde, und in einem nicht näher feststellbaren Masse auch die Art, wie die aus Kaltteer, Split, Sand und Bindemitteln zusammengesetzte Mischung aufbereitet worden ist. Nach Auffassung des Strassensachverständigen Dr. Rodel hätte die Verwendung weniger feinen Gesteinsmaterials einen offeneren und hohlraumreicheren Belag ergeben und den Vorteil gehabt, dass der Bedarf an Bindemitteln geringer gewesen und das Verdunsten flüchtiger Lösungsmittelbestandteile nicht verzögert worden wäre, was das Ausschwitzen von Bindemitteln begünstigt habe. Sodann ist das Mischgut nicht in einer besondern Aufbereitungsanlage, sondern von Hand vorbereitet worden, ein Verfahren, das die Gefahr in sich schliesst, dass die mengenmässige Abstimmung der einzelnen Teile des Mischgutes nicht mit der wünschbaren Genauigkeit vorgenommen wird. Der Experte räumt indessen ein, dass die Anwendung des Handbereitungsverfahrens gerechtfertigt gewesen sei, weil die Verwendung einer Aufbereitungsanlage zur Herstellung bloss kleinerer Verbrauchsmengen sich kostenmässig nicht lohne. Den mit den Ausbesserungsarbeiten betrauten staatlichen Organen kann somit lediglich vorgeworfen werden, dass sie der Grösse des verwendeten Gesteinsmaterials nicht genügend Beachtung schenkten und dass sie möglicherweise bei der Vorbereitung des Mischgutes die Mengen der einzelnen Baustoffe zu wenig genau abwogen, z.B. mehr Bindemittel beigaben, als notwendig war. Es kann ihnen also nicht die Verletzung einer grundlegenden Vorschrift oder technischen Regel oder die BGE 90 IV 265 S. 270 Widerhandlung gegen ein elementares Gebot der Vorsicht zur Last gelegt werden. Der Umstand, dass bloss die Wahl der Korngrösse des Gesteinsmaterials nicht ganz zutreffend war und die mengenmässige Zusammensetzung des von Hand aufbereiteten Mischgutes nicht mit der erforderlichen Genauigkeit vorgenommen wurde, begründet kein grobes Verschulden. Die begangenen Fehler haben sich denn auch nur im vorliegenden Falle nachteilig ausgewirkt, und auch in diesem nur, weil sich der Belag in nassem Zustande befand, wobei zudem nicht abgeklärt ist, ob zur Glätte des Belages nicht auch noch Ursachen anderer Art, wie z.B. Ölrückstände, Verschmutzungen usw., beigetragen haben. In diesem Zusammenhang ist ferner zu beachten, dass auch nach der Rechtsprechung zu Art. 58 OR in bezug auf Anlage und Unterhalt von Strassen nicht zu hohe Anforderungen gestellt werden dürfen und es nicht angeht, eine geradezu technische Vollkommenheit des Strassenbelages zu verlangen ( BGE 58 II 360 , BGE 59 II 395 ; OFTINGER, Schweiz. Haftpflichtrecht, 2. Aufl., Band II/1, S. 47, 73). b) Die Glätte der Flickstelle kann auch nicht als höhere Gewalt gelten, nämlich als unvorhersehbares und unvermeidliches Ereignis, das unabhängig vom Betrieb des Motorfahrzeuges mit unabwendbarer Gewalt von aussen hereinbricht (OFTINGER, a.a.O., Bd. I, S. 101). Wirkungen, die sich als Folgen der Beschaffenheit oder des Unterhaltes des benutzten Verkehrsweges darstellen, sind nicht höhere Gewalt (STREBEL, N. 102/c zu Art. 37 MFG). Jeder Motorfahrzeugführer hat mit Mängeln des Strassenbelages zu rechnen und kann die Folgen durch entsprechende Fahrweise abwenden. Wie die Vorinstanz feststellt, wäre es auch im vorliegenden Falle objektiv möglich gewesen, die Schleudergefahr durch Herabsetzung der Geschwindigkeit auszuschalten oder doch die Schleuderbewegung durch Loslassen der Bremsen aufzufangen.
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nan
de
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Federation
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Urteilskopf 136 III 209 32. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Y. (Beschwerde in Zivilsachen) 5A_733/2009 vom 10. Februar 2010
Regeste Art. 204 Abs. 2, Art. 207 Abs. 1 und Art. 214 Abs. 1 ZGB ; massgebende Zeitpunkte für den Bestand der Errungenschaft und für deren Bewertung; Sonderfälle. Voraussetzungen, unter denen nach Auflösung des Güterstandes getätigte Investitionen in einen Vermögenswert der Errungenschaft in der güterrechtlichen Auseinandersetzung berücksichtigt werden können (E. 5). Bewertung und Methoden der Bewertung eines kaufmännischen Unternehmens; Berücksichtigung von Forderungen des zur Errungenschaft gehörenden Unternehmens gegen dessen Inhaber als Schulden der Errungenschaft (E. 6).
Sachverhalt ab Seite 210 BGE 136 III 209 S. 210 X. (Beschwerdeführer) und Y. (Beschwerdegegnerin) heirateten 1982. Sie wurden Eltern zweier Söhne. Der Beschwerdeführer ist alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Firma X. GmbH. Zwischen 1984 und 1998 wurde das Gewerbe als Einzelfirma betrieben. Die Beschwerdegegnerin besorgte den Haushalt und betreute die Kinder. Sie arbeitete zusätzlich im Betrieb des Beschwerdeführers mit und führte das Büro und die Buchhaltung. Die Ehegatten reichten am 27. Mai 2003 ihr gemeinsames Scheidungsbegehren ein. Für die Dauer des Scheidungsverfahrens wurde der Beschwerdeführer zu Unterhaltsbeiträgen verpflichtet, die er nicht oder nur teilweise zahlte. Das Kreisgericht K. schied die Ehe der Parteien. In güterrechtlicher Hinsicht ordnete es an, dass der Beschwerdeführer einen Ausgleichsbetrag von Fr. 94'847.- an die Beschwerdegegnerin bezahlt, dass seine Versicherung den hälftigen Rückkaufswert aus mehreren Policen von Fr. 71'839.55 auf das Vorsorgekonto der Beschwerdegegnerin überweist und dass jede Partei zu Eigentum erhält, was sie besitzt bzw. auf ihren Namen lautet, und die Schulden begleicht, die auf ihren Namen lauten. Das Kantonsgericht wies die vom Beschwerdeführer eingelegte Berufung ab, was die güterrechtliche Auseinandersetzung angeht. Der Beschwerdeführer hat dagegen Beschwerde erhoben, die das Bundesgericht abweist, soweit es darauf eintritt. (Zusammenfassung) Erwägungen Aus den Erwägungen: 5. In güterrechtlicher Hinsicht ist streitig, wie Schulden zu erfassen sind, die der Beschwerdeführer während des Scheidungsverfahrens zur Deckung von Investitionen in seine Wohnung begründet hat. Die kantonalen Gerichte haben von den geltend gemachten Fr. 127'000.- lediglich die wertsteigernden Investitionen von Fr. 67'000.- berücksichtigt und auf den Wert der Wohnung angerechnet. Die Nichtberücksichtigung seiner Investitionen im vollen Betrag rügt der Beschwerdeführer als bundesrechtswidrig. 5.1 In tatsächlicher Hinsicht steht unangefochten fest, dass die Wohnung im Eigentum des Beschwerdeführers steht, zu seiner Errungenschaft gehört, während der Ehe als Familienwohnung genutzt wurde und heute von ihm und seiner neuen Lebenspartnerin bewohnt wird. Die Wohnung hat einen gutachterlich festgelegten Verkehrswert von BGE 136 III 209 S. 211 Fr. 558'000.- (per März 2008) und ist mit Fr. 390'183.- (Stand Ende 2004) hypothekarisch belastet. Das Kantonsgericht hat festgestellt, die geltend gemachten Investitionen beträfen den Zeitraum von Mai 2003 bis zum Wohnungsbrand im November 2006 (recte: 2005). Der Beschwerdeführer will die Investitionen heute auf den Brandschaden zurückführen. Das Vorbringen ist unlauter. Der Beschwerdeführer hat in seiner Stellungnahme zum Beweisergebnis vom 14. November 2008 ausdrücklich festgehalten, dass die nach dem Brandfall vom 6. November 2005 vorgenommenen Investitionen in der güterrechtlichen Auseinandersetzung nicht zu berücksichtigen seien, da sie grossmehrheitlich durch Versicherungsleistungen hätten gedeckt werden können. Er hat diesen Standpunkt bereits in seiner erstmaligen Darstellung, er habe 2005 Hypotheken erhöht und die Mittel in die Wohnung investiert, vertreten und in seiner Zusammenstellung der Renovationskosten vom Mai 2003 bis November 2006 über Fr. 127'092.60 bekräftigt, dass nicht aufgeführt sei, was nach dem Brandfall renoviert und erneuert worden sei. Die eingegangene Schuld und die Investition der aufgenommenen Mittel stehen in tatsächlicher Hinsicht in keinem Zusammenhang mit dem Brandfall, so dass daraus rechtlich nichts abgeleitet werden kann (vgl. zum zufälligen Untergang eines Vermögenswertes: STECK, in: FamKommentar Scheidung, 2005, N. 8 zu Art. 207 ZGB , mit Hinweisen). 5.2 Nach der gesetzlichen Regelung werden Errungenschaft und Eigengut jedes Ehegatten nach ihrem Bestand im Zeitpunkt der Auflösung des Güterstandes ausgeschieden ( Art. 207 Abs. 1 ZGB ). Als Zeitpunkt der Auflösung des Güterstandes gilt bei Scheidung der Ehe der Tag, an dem das Begehren eingereicht worden ist ( Art. 204 Abs. 2 ZGB ). Massgebend für die Bewertung ist hingegen der Zeitpunkt der Auseinandersetzung (vgl. Art. 214 Abs. 1 ZGB ). Die für den Bestand und für die Bewertung massgebenden Zeitpunkte sind klar zu unterscheiden. Dass zwischen der Einreichung des Scheidungsbegehrens am 27. Mai 2003 und der güterrechtlichen Auseinandersetzung mit Entscheid vom 5. Oktober 2009 eingetretene Wertveränderungen berücksichtigt werden mussten, ist nach der gesetzlichen Regelung gewollt. Grundsätzlich ausgeschlossen ist hingegen, dass Veränderungen der Vermögensmassen in ihrem Bestand nach der Auflösung des Güterstandes die güterrechtliche Auseinandersetzung noch beeinflussen können. Nach der Auflösung des Güterstandes entsteht - und zwar auf der Aktiv- und der Passivseite - keine BGE 136 III 209 S. 212 Errungenschaft mehr, die unter den Ehegatten zu teilen wäre (vgl. BGE 135 III 241 E. 4.1 S. 243). 5.3 Gegenüber dem Grundsatz bleiben Sonderfälle vorbehalten (z.B. Unternehmen: Urteile 5C.229/2002 vom 7. Februar 2003 E. 3.2 und 5C.3/2004 vom 14. April 2004 E. 5.4.2, in: FamPra.ch 2003 S. 653 f. und 2005 S. 121 f.). Einen derartigen Sonderfall betreffen auch Schulden, die nach Auflösung des Güterstandes, aber vor der güterrechtlichen Auseinandersetzung eingegangen werden, um einen Vermögensgegenstand der Errungenschaft zu verbessern oder zu erhalten. Sie können berücksichtigt werden, falls der Errungenschaft ein Gegenwert zugeflossen ist. Die Voraussetzung ist somit nicht erfüllt, wenn die eingegangene Schuld und die verwendeten Mittel lediglich das Entgelt für den Gebrauch des Vermögensgegenstandes darstellen. Diesfalls bleibt es beim Grundsatz, dass der Nutzen wie auch die Kosten nach Auflösung des Güterstandes beim Ehegatten anfallen, dem der Vermögensgegenstand gehört (zit. Urteil 5C.229/2002 E. 3.1, in: FamPra.ch 2003 S. 652 f., mit Hinweis auf HAUSHEER/REUSSER/GEISER, Berner Kommentar, 1992, N. 21-22 zu Art. 207 ZGB ; gl.M. STETTLER/WAELTI, Le régime matrimonial, [Droit civil, Bd. IV], 2. Aufl. 1997, S. 198 N. 367). 5.4 Der Beschwerdeführer erhebt gegen die Berücksichtigung nur der wertsteigernden Investitionen und damit gegen die Vorgehensweise der kantonalen Gerichte mehrere Einwände: 5.4.1 Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, jede Investition sei bis zur güterrechtlichen Auseinandersetzung zu berücksichtigen, weil der andere Ehegatte auch von blosser Werterhaltung profitiere, ist sein Einwand unbegründet. Zum einen steht der Erhaltung des Vermögensgegenstandes dessen bisherige und künftige Nutzung durch den Beschwerdeführer selbst gegenüber (E. 5.3 soeben). Zum anderen wird auch kein falscher Anreiz geschaffen. Denn der Aufwand für die Erhaltung der Liegenschaft, den jeder Eigentümer leistete, der Eigentümerehegatte aber während des Scheidungsverfahrens bewusst vernachlässigt bzw. auf die Zeit nach der güterrechtlichen Auseinandersetzung verschiebt, um den Wert der Liegenschaft zu vermindern und den anderen Ehegatten zu benachteiligen, ist bei der Bewertung der Liegenschaft zu berücksichtigen. Es verhält sich gleich wie mit der während des Scheidungsverfahrens verkauften Liegenschaft. In der güterrechtlichen Auseinandersetzung ist der tatsächlich erzielte Nettoerlös massgebend, es sei denn, die Parteien hätten den BGE 136 III 209 S. 213 Kaufpreis zu niedrig angesetzt. Diesfalls müsste die Differenz zwischen tatsächlichem Verkaufserlös und höherem Verkehrswert berücksichtigt werden ( BGE 135 III 241 E. 5.3 S. 246). 5.4.2 Der Beschwerdeführer wendet ferner ein, der Renovationsbedarf sei während der Ehe entstanden und bereits im Zeitpunkt der Auflösung des Güterstandes vorhanden gewesen. Werde seine Investition nicht berücksichtigt, bezahle er gleich "doppelt", nämlich einmal für die Behebung eines Minderwertes und ein zweites Mal, indem er die Hälfte des behobenen Minderwertes mit der Beschwerdegegnerin zu teilen habe. Der Einwand ist unbegründet. Der Beschwerdeführer macht damit keine güterrechtliche, sondern eine unterhaltsrechtliche Forderung geltend, d.h. einen Anspruch auf Entschädigung für das Zurverfügungstellen und die Nutzung seines Grundeigentums als Familienwohnung während der Ehe. Es handelt sich dabei um einen Tatbestand gemäss Art. 165 Abs. 2 ZGB (vgl. Urteil 5C.137/2001 vom 2. Oktober 2001 E. 3b/cc, in: Fam Pra.ch 2002 S. 120 f.; Urteil 5A_822/2008 vom 2. März 2009 E. 7). Dass er die Voraussetzungen gemäss Art. 165 Abs. 2 ZGB in diesem Zusammenhang erfüllte, ist weder ersichtlich noch dargetan. 5.4.3 Die Vorgehensweise der kantonalen Gerichte kann hier nicht beanstandet werden, wirft aber allgemein heikle Fragen auf. Stammten die Mittel für die Investitionen in die Errungenschaft - anders als hier - aus dem Eigengut, könnte sich die Frage nach einer Mehr- oder Minderwertbeteiligung stellen ( Art. 209 Abs. 3 ZGB ), die nach Auflösung des Güterstandes an sich ausgeschlossen ist (vgl. HAUSHEER/REUSSER/GEISER, a.a.O., N. 30 zu Art. 204 ZGB ; STETTLER/WAELTI, a.a.O., S. 198 Anm. 728). Die Rechtsprechung lehnt eine Anwendung der Regeln, die während des Güterstandes gelten, nach dessen Auflösung im Grundsatz ab (z.B. Ersatzanschaffungen: BGE 135 III 241 E. 4.2 S. 243; z.B. gesetzliche Vermutungen: Urteil 5C.52/2006 vom 30. Mai 2006 E. 2.4, in: FamPra.ch 2006 S. 945 f.). Vorzuziehen wäre deshalb gewesen, die nach Auflösung des Güterstandes begründete Schuld nicht zu berücksichtigen und im Gegenzug auch den Vermögensgegenstand nur mit dem Wert in die güterrechtliche Auseinandersetzung einzubeziehen, den er gehabt hätte, wenn die aufgenommenen Mittel nicht investiert worden wären (vgl. HAUSHEER/REUSSER/GEISER, a.a.O., N. 21 zu Art. 207 ZGB , S. 677). 5.5 Gegen den Anteil der Investitionen, die die kantonalen Gerichte berücksichtigt haben, wendet der Beschwerdeführer in BGE 136 III 209 S. 214 tatsächlicher Hinsicht nichts ein. Die Annahme, rund Fr. 67'000.- der Investitionen seien wertsteigernd gewesen, kann das Kantonsgericht willkürfrei auf die angeführten Belege stützen, ergibt sich aber auch indirekt aus den Steuerschätzungen vor den Investitionen (2002/2004: Fr. 516'000.-) und nach den Investitionen (2006: Fr. 577'000.-). Die Bewertung der Liegenschaft des Beschwerdeführers in der güterrechtlichen Auseinandersetzung kann insgesamt nicht beanstandet werden. 6. In der güterrechtlichen Auseinandersetzung hat der Beschwerdeführer weiter eine Kontokorrentschuld von Fr. 213'923.- bei der Firma X. GmbH seiner Errungenschaft belasten wollen. Die kantonalen Gerichte haben den Abzug nicht zugelassen. Der Beschwerdeführer verlangt die Berücksichtigung seiner Kontokorrentschuld bei der Firma als Teil der Passiven seiner Errungenschaft. Er beantragt dem Bundesgericht, eventuelle Ergänzungsfragen an den Gutachter zu stellen und eine Auskunft beim kantonalen Steueramt einzuholen. 6.1 Das Kantonsgericht hat festgehalten, bei Sachgesamtheiten wie Geschäftsbetrieben würden die Aktiven und Passiven im Rahmeneiner Gesamtbewertung auf den Zeitpunkt der güterrechtlichen Auseinandersetzung bestimmt. Das sei mit einer Expertise vom 7. August 2008 gemacht und dabei ein Unternehmenswert per Ende 2007 von Fr. 75'000.- festgestellt worden. Gemäss Expertise seien künftige Veränderungen des Nettoumlaufvermögens in der Bewertung mitberücksichtigt und damit auch die Kontokorrentschuld des Beschwerdeführers gegenüber seiner Firma. Die Firma sei unbestritten seiner Errungenschaft zuzuordnen. Diese Schuld könne demnach dort nichterneut in Abzug gebracht werden, weil sie in der güterrechtlichen Auseinandersetzung sonst doppelt berücksichtigt würde. Inhaltlich übereinstimmend hat das Kreisgericht erwogen, in der (zukunftsorientierten) Bewertung des Gutachtens sei die geltend gemachte Kontokorrentschuld enthalten und damit nicht mehr abziehbar. Anlass zur Stellung von Ergänzungsfragen und weiteren Beweisanträgen hätte somit bereits der kreisgerichtliche Entscheid gegeben und nicht erst der inhaltlich gleichlautende Entscheid des Kantonsgerichts. Die vor Bundesgericht gestellten Beweisanträge lassen sich deshalb entgegen der Darstellung des Beschwerdeführers nicht auf Art. 99 Abs. 1 BGG stützen. Danach dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz - hier: des Kantons- und nicht des Kreisgerichts - dazu Anlass gibt (vgl. BGE 135 III 121 E. 3 S. 124). Es ist zudem nicht die BGE 136 III 209 S. 215 Aufgabe des Bundesgerichts, Beweise abzunehmen und Tatsachen festzustellen, über die sich das kantonale Sachgericht nicht ausgesprochen hat ( BGE 134 III 379 E. 1.3 S. 384; BGE 135 III 31 E. 2.2 S. 33). 6.2 Der Wert der Firma X. GmbH wird im Gerichtsgutachten nach drei Methoden ermittelt und auf Fr. 159'492.- (Substanzwert), auf Fr. 130'441.- (Ertragswert nach der Brutto- oder Gesamtkapitalmethode) und auf Fr. 73'606.- (Ertragswert nach der "Discounted Cash Flow"-Methode) beziffert. Das Gerichtsgutachten misst der "Discounted Cash Flow"-Methode klar das höchste Gewicht bei, weil der danach ermittelte Wert die Zukunft des Unternehmens am exaktesten abbilde. Zukünftige Investitionen im Anlagevermögen und Veränderungen des Nettoumlaufvermögens würden mitberücksichtigt. Auf den im Gerichtsgutachten festgesetzten Unternehmenswert von Fr. 75'000.- per 31. Dezember 2007 haben die kantonalen Gerichte abgestellt. 6.2.1 Für die Wertbestimmung sieht Art. 211 ZGB vor, dass die Vermögensgegenstände bei der güterrechtlichen Auseinandersetzung zu ihrem Verkehrswert einzusetzen sind. Eine Sonderregelung besteht in Art. 212 f. ZGB für landwirtschaftliche Gewerbe, die unter bestimmten Voraussetzungen zum Ertragswert angerechnet werden. Vermögensgegenstand im Sinne des Gesetzes können Unternehmen oder Gewerbe sein, die als rechtlich finanzielle Einheit bewertet werden ( BGE 125 III 1 E. 4c S. 5), und Verkehrswert im Sinne des Gesetzes ist der Wert, der bei einem Verkauf auf dem freien Markt realisierbar wäre ( BGE 125 III 1 E. 5b S. 6). Massgebend ist damit im Streitfall eine objektive Bewertung ungeachtet des Wertes, den der betreffende Vermögensgegenstand für den Eigentümerehegatten hat. Es verhält sich insoweit nicht anders als im Erbrecht (vgl. HAUSHEER/REUSSER/GEISER, a.a.O., N. 11 zu Art. 211 ZGB ). 6.2.2 Ein Geschäftsbetrieb oder ein kaufmännisches Gewerbe ist nach anerkannten Grundsätzen der Betriebswirtschaftslehre zu bewerten. Ausgangspunkt ist die Frage, ob das Unternehmen weitergeführt wird oder nicht. Je nach Antwort ist der Fortführungswert oder der Liquidationswert zu ermitteln (vgl. BGE 121 III 152 E. 3c S. 155). Letzternfalls ist der Jahresabschluss, der normalerweise auf Fortführungswerten und damit Preisen des Beschaffungsmarktes (abzüglich notwendige Abschreibungen) beruht, auf Liquidationswerte, d.h. auf Preise des Veräusserungsmarktes umzustellen (vgl. CARL HELBLING, 25 Grundsätze für die Unternehmensbewertung, in: Der BGE 136 III 209 S. 216 Schweizer Treuhänder [ST] 76/2002 S. 735 ff., 738 Ziff. 10). Der Fortführungswert wird in der Regel aufgrund einer zukunftsbezogenen Ertragsbewertung verbunden mit einer aktuellen Substanzbewertung bestimmt (vgl. HAUSHEER/AEBI-MÜLLER, in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, Bd. I, 3. Aufl. 2006, N. 16 zu Art. 211 ZGB , und BADDELEY, L'entreprise dans le contexte du droit matrimonial, FamPra.ch 2009 S. 289 ff., 302 ff., je mit Hinweisen). 6.2.3 In der Betriebswirtschaftslehre werden vermögenswert-, gewinn- und marktorientierte Bewertungsmethoden unterschieden (vgl. KIM LUDVIGSEN, Wie bewertet man ein Unternehmen?, AJP 2004S. 1285 ff.). Anerkannt ist der Grundsatz der Zukunftsbezogenheit aller Bewertungsfaktoren. Die Vergangenheit liefert nur Erfahrungswerte. Wichtig, aber auch schwierig ist die Einschätzung der Zukunft, d.h. die Schätzung, ob die Zahlenreihe gleichbleibend, steigend oder sinkend ist (vgl. HELBLING, a.a.O., S. 736 Ziff. 6). Im Ehegüterrecht hat das Bundesgericht nicht ausgeschlossen, dass der Fortführungswert eines Unternehmens anhand der zukünftig zu erwartenden Gewinne bestimmt wird und dass eine überwiegende oder gänzliche Bewertung zum Ertragswert sinnvoll sein kann, wenn der aus güter- oder erbrechtlicher Auseinandersetzung hervorgehende Eigentümer voraussichtlich über längere Zeit das Gut nicht veräussern wird ( BGE 125 III 1 E. 5c S. 6 f.). Mit Rücksicht auf sämtliche Umstände des konkreten Einzelfalls kann der Verkehrswert auch dem Ertragswert entsprechen und die im Gesetz angelegte strikte Unterscheidung von Ertragswert und Verkehrswert insoweit dahinfallen. Nichts Abweichendes zeigt die Unternehmensbewertung im Gesellschaftsrecht. Der Fortführungswert ist in der Regel ebenfalls unter Einschluss von Ertrags- und Substanzwert zu bestimmen, wobei die Gewichtung von den konkreten Gegebenheiten abhängt. Namentlich bei kleinen und mittleren Unternehmen kann davon jedoch abgewichen und allein auf den Ertragswert abgestellt werden, wenn der Ertragswert und der Substanzwert so stark auseinanderklaffen, dass das Unternehmen offensichtlich ausserstande ist, aus den im Anlagevermögen gebundenen Aktiven einen angemessenen Ertrag zu erwirtschaften, die Fortführung des Unternehmens aber gleichwohl ausser Frage steht (Urteil 4C.363/2000 vom 3. April 2001 E. 2c). Daraus wird ein Trend zum Vorrang des Ertragswertes abgeleitet (vgl. ANDREAS FLÜCKIGER, Richtlinien des Bundesgerichts für die Aktienbewertung, ST 77/2003 S. 263 ff., 265 Ziff. 2.3). Weitergehend kommtder Bundesrat in seinem Bericht vom 1. April 2009 betreffend BGE 136 III 209 S. 217 "Unternehmensbewertung im Erbrecht" zum Schluss: Verkehrswert ist Ertragswert, richtet sich der Wert doch danach, was das Unternehmen künftig einbringen wird (vgl. PAUL EITEL, Unternehmensbewertung im Erbrecht - ein Bericht des Bundesrats, Jusletter vom 8. Juni 2009, Rz. 7; Unternehmensbewertung im Erbrecht. Bericht des Bundesrates vom 1. April 2009, http://www.bj.admin.ch unter Startseite/Dokumentation/Berichte [besucht am 10. Februar 2010]). 6.2.4 Eine rein gewinnorientierte Bewertung kann im Falle kleiner Unternehmen, die beispielsweise über eine Betriebsliegenschaft verfügen (Werkstatt, Ausstellungsräume o.ä.), dazu führen, dass der Ertragswert geringer ist als der Liquidationswert. Für das Ehegüterrecht wird angenommen, dass der Liquidationswert als Wertuntergrenze gilt; vorbehalten bleibt der Wert eines unrentablen Unternehmens, das aus gesetzlichen oder ähnlichen Gründen weitergeführt werden muss (vgl. HAUSHEER/REUSSER/GEISER, a.a.O., N. 19 Abs. 2 zu Art. 211ZGB; allgemein: HELBLING, a.a.O., S. 741 f. Ziff. 24). Die im Gesellschaftsrecht abweichende Praxis (vgl. BGE 120 II 259 E. 2c S. 262 ff.) lässt sich auf die güterrechtliche Auseinandersetzung nicht übertragen, kann es doch hier nicht im Belieben des unternehmerisch tätigen Ehegatten stehen, allein durch seine subjektiv gewollte Geschäftspolitik die Höhe der Errungenschaft und damit den Vorschlagsanteildes anderen Ehegatten zu bestimmen. Massgebend ist eine objektive Bewertung und deshalb auch ein gegebenenfalls über dem Ertragswert liegender Liquidationswert ungeachtet der Frage, ob das Unternehmen tatsächlich liquidiert oder weitergeführt wird (vgl. EITEL, a.a.O., Rz. 5, mit Hinweis auf Ziff. 9 und 10.1 S. 20 f. des zitierten Berichts; HAUSHEER/DRUEY, Erb- und güterrechtliche Hindernisse in der Nachfolgeplanung des Unternehmers, Schweizerische Aktiengesellschaft [SAG] 54/1982 S. 70 ff., 76). 6.2.5 Die im Gerichtsgutachten verwendete "Discounted Cash Flow"-Methode ist als gewinnorientierte Bewertungsmethode anerkannt.Die Abschätzung der Zukunftsentwicklung setzt voraus, dass verlässliche und objektive Wirtschaftszahlen (Bilanzen, Erfolgsrechnungen und Investitionsplanungen) für den Zeitraum nach dem Bewertungsstichtag vorhanden sind (vgl. LUDVIGSEN, a.a.O., S. 1286 ff. Ziff. 2.3.2 und S. 1290 Ziff. 4.2). Daran kann es bei kleinen und mittleren Unternehmen fehlen, weshalb die "Discounted Cash Flow"-Methode nicht empfohlen wird (vgl. MICHAEL LEYSINGER, Unternehmensbewertung und Steuern für KMU, 4. Aufl. Solothurn 2006, S. 90 f. Ziff. 3.2) und eine Bewertung nach der sog. BGE 136 III 209 S. 218 Praktikermethode vorgezogen wird, die den Ertragswert im Verhältnis zum Substanzwert doppelt gewichtet und den Verkehrswert mit der Formel "(1 x Substanzwert + [2 x Ertragswert]) : 3" errechnet (vgl. CARL HELBLING, Unternehmensbewertung und Steuern, 9. Aufl. Düsseldorf 1998, S. 132 und 167). Dass ausreichende Grundlagen für die Anwendung der "Discounted Cash Flow"-Methode bei der Firma X. GmbH gefehlt hätten, wird nicht geltend gemacht. Ob der Liquidationswert allenfalls höher als der Ertragswert wäre, muss mangels Weiterziehung des angefochtenen Entscheids durch die Beschwerdegegnerin letztlich offenbleiben. Die Bewertung der Firma auf der Grundlage des zukünftig zu erwartenden Ertrags kann insgesamt nicht beanstandet werden. 6.3 Unter den Aktiven der Firma X. GmbH verzeichnet das Gerichtsgutachten ein "Kontokorrent X. im Betrag von Fr. 213'923.-". Gestützt darauf macht der Beschwerdeführer geltend, dieser Betrag sei seiner übrigen Errungenschaft zu belasten. Die Firma habe eine Forderung gegen ihn, die er wie jeder andere gewöhnliche Schuldner zahlen müsse. Zu beurteilen ist vorweg die Höhe der behaupteten Errungenschaftsschuld. 6.3.1 Ein Gewerbe oder ein kaufmännisches Unternehmen wird - nach welcher Methode auch immer (E. 6.2 soeben) - als rechtlich finanzielle Einheit bewertet und nur mit seinem Wert als Saldo im Zeitpunkt der güterrechtlichen Auseinandersetzung erfasst. In die Bewertung werden folglich auch Aktiven und Passiven einbezogen, die erst nach der Auflösung des Güterstandes entstehen. Es handelt sich um einen der in E. 5.3 erwähnten Sonderfälle (vgl. die dort zitierten Urteile sowie die Urteile 5P.82/2004 vom 7. Oktober 2004 E. 2.2.2 und 5C.201/2005 vom 2. März 2006 E. 2.2, in: FamPra.ch 2005 S. 318 und 2006 S. 696). Zutreffend nimmt das Gutachten eine Bewertung anhand der Erfolgsrechnung und den in der Bilanz verzeichneten Aktiven und Passiven per Ende 2007 vor und nicht per Ende Mai 2003 (Auflösung des Güterstandes). 6.3.2 Die Bewertung der zur Errungenschaft gehörenden Firma ist von der Bewertung anderer Vermögensgegenstände der Errungenschaft des Beschwerdeführers zu unterscheiden. Während bei der Firma der Stand der Aktiven und Passiven im Zeitpunkt der güterrechtlichen Auseinandersetzung massgebend ist, gilt für gewöhnliche Forderungen und Schulden die Regel, dass sich die Errungenschaft nach der Auflösung des Güterstandes in ihrem Bestand BGE 136 III 209 S. 219 grundsätzlich nicht mehr verändert (E. 5.2 hiervor). Daraus folgt, dass der im Gutachten per Ende 2007 bilanzierten Forderung der Firma von Fr. 213'923.- gegen den Beschwerdeführer nicht zwingend eine Schuld des Beschwerdeführers in gleicher Höhe entsprechen muss und hier auch nicht entspricht. Denn wenige Monate vor Einreichung des Scheidungsbegehrens am 27. Mai 2003 hat der Beschwerdeführer seine Schuld gegenüber der Firma noch mit Fr. 41'575.- angegeben. Während des Scheidungsverfahrens ist die Schuld auf Fr. 151'195.-, dann auf Fr. 199'076.- bis schliesslich auf die bilanzierte Forderung von Fr. 213'923.- Ende 2007 angewachsen. Die Behauptung des Beschwerdeführers, seine Errungenschaft sei mit einer Schuld gegenüber der Firma in der Höhe von Fr. 213'923.- belastet, findet bezogen auf den massgebenden Zeitpunkt der Auflösung des Güterstandes keine Stütze in den Akten. 6.3.3 Aus welchem Grund die Schuld gegenüber der Firma während des Scheidungsverfahrens derart angewachsen ist, wurde ebenso wenig zum Beweis verstellt wie ihre genaue Höhe im Zeitpunkt der Auflösung des Güterstandes. Kein Grund für das Anwachsen der Schuld ist in den Investitionen in sein Wohneigentum zu sehen, die der Beschwerdeführer durch Erhöhung von Bankdarlehen bezahlt haben will (E. 5.1 hiervor). Nicht dargetan ist, die Schuld gegenüber der Firma habe zur Bezahlung des Unterhalts während des Scheidungsverfahrens erhöht werden müssen und sei deshalb güterrechtlich zu berücksichtigen (vgl. Urteil 5C.54/1995 vom 13. Juni1995 E. 3a, mit Hinweis auf HAUSHEER/REUSSER/GEISER, a.a.O., N. 20 und 21 zu Art. 207 ZGB ; seither: STETTLER/WAELTI, a.a.O., S. 198 N.364; STECK, a.a.O., N. 9 zu Art. 207 ZGB , mit Hinweisen). Denn zum einen hat der Beschwerdeführer den Unterhalt während des Scheidungsverfahrens nicht oder nur teilweise bezahlt, und zum anderen hätte er für die Bezahlung über ausreichend Einkommen verfügt. Das Anwachsen der Schuld nach Auflösung des Güterstandes kann insgesamt nicht berücksichtigt werden. Die Höhe der Schuld darf mangels anderer Belege willkürfrei bei Fr. 41'575.- per Ende 2002 angesetzt werden, was dem letzten durch Beweisurkunden belegten Betrag vor Auflösung des Güterstandes im Mai 2003 entspricht. 6.4 Die kantonalen Gerichte haben es abgelehnt, die Forderung der Firma X. GmbH gegen den Beschwerdeführer als dessen Errungenschaftsschuld zu berücksichtigen. Sie sind davon ausgegangen, in der Bewertung der Firma seien künftige Veränderungen des BGE 136 III 209 S. 220 Nettoumlaufvermögens mitberücksichtigt worden und damit auch die Kontokorrentschuld des Beschwerdeführers bei der Firma. Der Beschwerdeführer rügt diese Beurteilung als offensichtlich falsch. 6.4.1 Entgegen der Darstellung des Beschwerdeführers hat das Kantonsgericht den vorliegenden nicht mit dem im Urteil 5A_708/2008 vom 17. Dezember 2008 entschiedenen Fall verwechselt, wo ein Ehegatte und Geschäftsinhaber ein Bankdarlehen, das in der Bilanz unter den Passiven des zur Errungenschaft gehörenden Geschäfts verzeichnet war, nochmals als Errungenschaftsschuld berücksichtigt wissen wollte (E. 3.1). Das Kantonsgericht hat auch nicht angenommen, es sei ganz allgemein ausgeschlossen, dass einer zur Errungenschaft gehörenden Firma eine Forderung gegen ihren Inhaber zustehen könne, die wiederum als persönliche Schuld seiner Errungenschaft zu belasten sei. Es hat vielmehr anerkannt, dass ein Geschäftsbetrieb als ein einziger Vermögensgegenstand bewertet werden muss mit der Folge, dass Forderungen des Vermögensgegenstandes "Geschäftsbetrieb" gegen andere Vermögensgegenstände der Errungenschaft bestehen können (z.B. nach Privatentnahmen) und abgerechnet werden müssen. Das Kantonsgericht ist davon ausgegangen, die Kontokorrentschuld sei nicht als Errungenschaftsschuld zu berücksichtigen, weil sie bereits in die Bewertung der Firma eingeflossen sei. Mit Bezug auf die Errungenschaftsschuld von Fr. 41'575.- (E. 6.3 hiervor) ist weder ersichtlich noch dargetan, inwiefern die kantonsgerichtliche Auffassung offensichtlich falsch sein soll. 6.4.2 Das Gerichtsgutachten führt die Forderung "Kontokorrent X." mit Fr. 213'923.- im Umlaufvermögen unter den Aktiven auf. Es erachtet die Forderung der Firma gegenüber dem Beschwerdeführer als werthaltig in der Annahme, der Beschwerdeführer werde seine Kontokorrentschuld gegenüber der Firma gemäss der im November 2007 unterzeichneten Vereinbarung mit dem kantonalen Steueramt in jährlichen Raten von Fr. 15'000.- bis zum Betrag von Fr. 50'000.- (per 31. Dezember 2017) reduzieren können. Die Vereinbarung mit dem Steueramt steht fraglos vor dem Hintergrund des zulässigen Abzugs für Zinsen auf Privatschulden des Beschwerdeführers gegenüber der eigenen Firma. Auf Grund dieser Vereinbarung ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer die Forderung der Firma langfristig (nach 2017) und wegen der Möglichkeit und Zulässigkeit der Steuerersparnis wohl überhaupt nicht zurückzahlen wird. Betriebswirtschaftlich mag auch dieser Teil der Forderung der Firma gegen den Beschwerdeführer als werthaltig BGE 136 III 209 S. 221 bezeichnet werden, güterrechtlich ist eine derart unsichere oder zweifelhafte Forderung hingegen abzuschreiben. Es rechtfertigt sich deshalb auch nicht eine entsprechende Schuld von Fr. 50'000.- oder hiervon Fr. 41'575.- (E. 6.3 hiervor) der Errungenschaft zu belasten. Die Beträge heben sich wechselseitig auf (vgl. zur güterrechtlichen Bewertung von Forderungen und Schulden: Urteil 5C.90/2004 vom 15. Juli 2004 E. 3.1, in: FamPra.ch 2005 S. 125 mit Hinweisen; HAUSHEER/REUSSER/GEISER, a.a.O., N. 20 und 24, und STECK, a.a.O., N. 13, je zu Art. 211 ZGB ). 6.4.3 Zum gleichen Ergebnis führt eine Beurteilung der Bilanz unter dem Blickwinkel des Liquidationswertes, der als Wertuntergrenze der Firma gilt, unabhängig davon, ob die Firma tatsächlich liquidiert oder fortgeführt wird (E. 6.2.4 hiervor; vgl. zur Liquidationsbilanz und den Bewertungen: KÄFER, Berner Kommentar, 1981, N. 443 ff. zu Art. 960 OR ; ausführlich: RUDOLF LANZ, Kapitalverlust, Überschuldung und Sanierungsvereinbarung, 1985, S. 113 ff., mit Hinweisen). Der Gerichtsgutachter hat den Fortführungswert bestimmt und deshalb auch eine Fortführungsbilanz erstellt. Von einer tatsächlichen Fortführung der Firma gilt es auch unter dem Blickwinkel der Ermittlung von Liquidationswerten auszugehen, ist doch die Firma die Existenzgrundlage des Beschwerdeführers als Firmeninhaber und seiner Lebenspartnerin als Teilzeitangestellten mit entsprechenden Lohnbezügen von brutto Fr. 120'000.- bzw.Fr. 33'000.-. In Anbetracht dessen kann die Forderung der Firma gegen den Beschwerdeführer von Fr. 213'923.-, die der Gutachter als werthaltig bezeichnet hat (E. 6.4.2 soeben), in der Liquidationsbewertung berücksichtigt bleiben. Überschlagsmässig wäre somit bei Aktiven von Fr. 273'716.- abzüglich Fremdkapital von Fr. 140'122.- von einem Liquidationswert von rund Fr. 133'000.- auszugehen. Die Berechnung zeigt, dass die Kontokorrentschuld des Beschwerdeführers von Fr. 41'575.-, die seine Errungenschaft belasten soll, mit dem gutachterlich festgelegten Verkehrswert von aufgerundet Fr. 75'000.- im Vergleich zum Liquidationswert von rund Fr. 133'000.- (selbst unter Einbezug von Liquidationskosten) berücksichtigt bzw. abgegolten ist. 6.5 Die güterrechtliche Beurteilung des Kontokorrentverhältnisses zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Firma kann im Ergebnis nicht beanstandet werden.
null
nan
de
2,010
CH_BGE
CH_BGE_005
CH
Federation
dfdacfbb-bebb-4342-8dbf-8e7efb8a3765
Urteilskopf 134 III 166 30. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. Documed AG gegen A. und ywesee GmbH (Beschwerde in Zivilsachen) 4A_404/2007 vom 13. Februar 2008
Regeste a Art. 2 URG ; urheberrechtlicher Schutz für ein Sprachwerk; Werk-Individualität, statistische Einmaligkeit. Verneinung des Schutzes für ein Kompendium mit Arzneimittelinformationen, weil die sprachliche Gestaltung der Texte die erforderliche Individualität nicht erreicht (E. 2). Regeste b Art. 5 lit. c UWG ; unlauterer Wettbewerb; Übernahme eines Arbeitsergebnisses "ohne angemessenen eigenen Aufwand". Bei der Beurteilung, ob die Übernahme ohne angemessenen eigenen Aufwand erfolgte, ist auch zu berücksichtigen, ob der Erstkonkurrent seinen Aufwand im Zeitpunkt der Übernahme bereits amortisiert hat. Der "Amortisationsgedanke" ist sowohl bei der zeitlichen Beschränkung des aus Art. 5 lit. c UWG fliessenden Schutzes als auch bei der Aufwandbemessung von Bedeutung (E. 4.2 und 4.3).
Sachverhalt ab Seite 167 BGE 134 III 166 S. 167 A. Die Documed AG (Beschwerdeführerin) ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Basel. Ihr Geschäftszweck ist unter anderem der Betrieb eines medizinisch-pharmazeutischen Verlags. Sie gibt seit dem Jahre 1979 das "Arzneimittel-Kompendium der Schweiz" heraus. Das Arzneimittelkompendium enthält einerseits Fachinformationen, das heisst Informationen über die Medikamente, die sich an die Abgabeberechtigten richten, andererseits Patienteninformationen, die den Informationen auf den Beipackzetteln der Arzneimittel entsprechen. Es wird von der Beschwerdeführerin in Zusammenarbeit mit den Arzneimittelherstellern bzw. -importeuren publiziert, die damit einer gemäss Art. 13 Abs. 2 und Art. 14 Abs. 1 der Verordnung des Schweizerischen Heilmittelinstituts vom 9. November BGE 134 III 166 S. 168 2001 über die Anforderungen an die Zulassung von Arzneimitteln (Arzneimittel-Zulassungsverordnung, AMZV; SR 812.212.22) bestehenden Pflicht nachkommen. Das Kompendium ist seit 1998 auf den Websites www.documed.ch sowie www.kompendium.ch aufgeschaltet und dort unentgeltlich abrufbar. Daneben erscheint es weiterhin in Buchform, in der es unentgeltlich an die zur Abgabe von Medikamenten berechtigten Personen abgegeben wird. A. (Beschwerdegegner 1) ist Inhaber und Geschäftsführer der Firma ywesee GmbH (Beschwerdegegnerin 2) in Zürich. Zweck der Firma bildet die Gestaltung, Programmierung sowie das Hosting von Internetlösungen. Die Beschwerdegegnerin 2 betreibt unter der Domain "oddb.org" eine Datenbank mit Arzneimittelinformationen. Über diese Website sind die im Kompendium der Beschwerdeführerin enthaltenen Fach- und Patienteninformationen ebenfalls abrufbar. Die Beschwerdeführerin wirft den Beschwerdegegnern vor, sie hätten dadurch, dass sie systematisch die von ihr betriebene Datenbank aufgerufen und dieselben Patienten- und Fachinformationen wie die Beschwerdeführerin für ihre Datenbank verwendet hätten, deren Urheberrechte sowie lauterkeitsrechtlichen Schutzansprüche verletzt. B. Am 16. Januar 2004 erhob die Beschwerdeführerin beim Zivilgericht Basel-Stadt Klage wegen Verletzung von Art. 10 URG und Art. 5 lit. c UWG gegen den Beschwerdegegner 1, wobei später die Ausdehnung des Verfahrens auf die Beschwerdegegnerin 2 bewilligt wurde. Mit Urteil vom 8. Mai 2007 wies das Zivilgericht Basel-Stadt die Klage ab. C. Die Beschwerdeführerin stellt mit Beschwerde in Zivilsachen folgende Rechtsbegehren: 1. Es sei das Urteil des Zivilgerichts Basel-Stadt vom 8. Mai 2007 (Aktenzeichen P 2004/7) vollumfänglich aufzuheben. 2. Es seien die Rechtsbegehren der Beschwerdeführerin gemäss Klagebegründung vom 11. Februar 2005 gutzuheissen, d.h. 2.1 Es sei festzustellen, dass die Übernahme der Daten und der Anordnung der Daten des Arzneimittelkompendiums der Schweiz ohne Zustimmung der Beschwerdeführerin durch die Beschwerdegegner und die Festlegung, öffentliche entgeltliche oder unentgeltliche Vertreibung, das Anbieten oder die sonst wie BGE 134 III 166 S. 169 geartete Nutzung das Urheberrecht der Beschwerdeführerin verletzt sowie unlauteren Wettbewerb darstellt. 2.2 Es sei den Beschwerdegegnern zu untersagen, in Verletzung von Art. 10 URG und Art. 5 Bst. c UWG die Daten und die Anordnung der Daten des Arzneimittelkompendiums der Schweiz ohne Zustimmung der Beschwerdeführerin auf Datenträger zu übertragen, in irgendwelcher Form festzulegen und öffentlich entgeltlich oder unentgeltlich zu verbreiten, anzubieten oder sonst wie zu nutzen. 2.3 Das Urteil sei auf Kosten der Beschwerdegegner in solidarischer Verbundenheit in den folgenden pharmazeutischen und medizinischen Zeitschriften zu publizieren: - Schweizerische Ärztezeitung - Rx-World - Supplementa zum Schweizerischen Arzneimittelkompendium Documed AG. 2.4 Es seien die Beschwerdegegner in solidarischer Verbundenheit zur Zahlung von Schadenersatz in der Höhe von CHF 20'000.- an die Beschwerdeführerin, zusätzlich Verzugszinsen von 5 % ab Datum der Klageanhebung, zu verurteilen. Mehrforderung wird durch die Beschwerdeführerin ausdrücklich vorbehalten. 3. Eventualiter zu 2. sei die Sache an die Vorinstanz zur Neubeurteilung zurückzuweisen." A. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Umstritten ist, ob es sich bei den Texten des Arzneimittelkompendiums um ein urheberrechtlich geschütztes Werk handelt. 2.1 Werke sind, unabhängig von ihrem Wert oder Zweck, geistige Schöpfungen der Literatur und Kunst, die individuellen Charakter haben ( Art. 2 Abs. 1 URG [SR 231.1]). Dazu gehören insbesondere literarische, wissenschaftliche und andere Sprachwerke ( Art. 2 Abs. 2 lit. a URG ). Bei den Texten des Arzneimittelkompendiums handelt es sich um Sprachwerke im Sinne von Art. 2 Abs. 2 lit. a URG . Sprachwerke geniessen urheberrechtlichen Schutz, wenn sie als geistige Schöpfungen mit individuellem Charakter anzusehen sind. Der urheberrechtliche Schutz hängt gemäss der Legaldefinition vom individuellen Charakter der geistigen Schöpfung ab. Originalität im Sinne einer persönlichen Prägung durch den Urheber oder BGE 134 III 166 S. 170 die Urheberin ist nach dem revidierten Gesetz nicht erforderlich. Vorausgesetzt wird, dass der individuelle Charakter im Werk selbst zum Ausdruck kommt. Massgebend ist die Werk-Individualität und nicht die Urheber-Individualität ( BGE 130 III 168 E. 4.4 S. 172, BGE 130 III 714 E. 2.1; ROLAND VON BÜREN/MICHAEL A. MEER, Urheberrecht und verwandte Schutzrechte, in: Schweizerisches Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht [SIWR], Bd. II/1, 2. Aufl., Basel 2006, S. 70 ff.). 2.2 Die Vorinstanz stellte zunächst klar, dass es nicht um den Inhalt der Texte der Arzneimittelinformationen gehe. Dieser sei offensichtlich urheberrechtlich nicht schützbar, weil es sich dabei um Informationen handle, die nicht monopolisierbar seien. Dies werde von den Parteien nicht bestritten. Nicht geltend gemacht werde sodann, dass eine bestimmte äusserliche, grafische Gestaltung der Texte die Schutzwürdigkeit begründen würde. Umstritten sei jedoch, ob die Formulierung der Texte, also deren sprachliche Gestaltung Urheberrechtsschutz erlangen könne. Die Vorinstanz bejahte, dass es sich dabei um eine "geistige Schöpfung" im Sinne von Art. 2 Abs. 1 URG handle, sie verneinte aber den individuellen Charakter derselben. Bei der Beurteilung des individuellen Charakters ging die Vorinstanz von den beiden Bundesgerichtsentscheiden BGE 130 III 168 und BGE 130 III 714 aus, in denen sich das Bundesgericht zur Schutzfähigkeit von Fotografien geäussert und namentlich auf die von MAX KUMMER geprägte Theorie der "statistischen Einmaligkeit" Bezug genommen hatte. Gestützt auf die Erwägung im zweitgenannten Entscheid, wonach das Bundesgericht den individuellen Charakter der dort zu beurteilenden Fotografie verneinte, weil ihre Gestaltung nicht vom "allgemein Üblichen" abweiche ( BGE 130 III 714 E. 2.3 S. 720), folgerte die Vorinstanz, dass die statistische Einmaligkeit in dem Sinn nicht ausreiche, dass die gleiche Kombination der Wortfolgen sich zufällig kein zweites Mal ereignen könne. Zusätzlich müsse verlangt werden, dass diese Einmaligkeit einer Unterscheidbarkeit in wesentlichen Merkmalen entspreche. Diese Voraussetzung sei dann nicht gegeben, wenn die Gestaltung in allen Teilen dem Alltäglichen, Üblichen entspreche. 2.3 Die Beschwerdeführerin rügt, die Vorinstanz stelle damit Anforderungen an die Schutzvoraussetzung der Individualität, die dem Bundesrecht und namentlich der höchstrichterlichen Rechtsprechung widersprächen. 2.3.1 Auf den ersten Blick könnte das Kriterium der statistischen Einmaligkeit dahingehend verstanden werden, dass die rein BGE 134 III 166 S. 171 statistische Einmaligkeit des Vorhandenseins eines Ereignisses oder einerSache genüge, um die Werk-Individualität zu bejahen (vgl. dagegen BGE 130 III 714 E. 2.3 S. 719). So will offenbar die Beschwerdeführerin das Kriterium der statistischen Einmaligkeit verstehen und zur alleinigen Voraussetzung der Werkindividualität erheben. Indessen ist nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung für das Vorliegen der statistischen Einmaligkeit als Voraussetzung der Werk-Individualität nicht die rein statistische Einmaligkeit "des Vorhandenseins eines Ereignisses oder einer Sache" gefordert, sondern die statistische Einmaligkeit der Werk gestaltung , die sich vom allgemein Üblichen abheben muss ( BGE 130 III 714 E. 2.3 S. 719 f. bezüglich der Gestaltung einer Fotografie, insbesondere mit Hinweis auf Alois Troller, Immaterialgüterrecht, Bd. I, 3. Aufl., Basel 1983, S. 387; vgl. dazu den Urteilskommentar von HANS PETER WALTER in: ZBJV 141/2005 S. 795 ff., 797). Danach mangelt es einer Fotografie am individuellen Charakter, wenn ihre Gestaltung sich nicht vom allgemein Üblichen abhebt. Dann ist sie nicht einmalig, weil die Wahrscheinlichkeit gross ist, dass bei gleicher Aufgabenstellung die gleiche bzw. im Wesentlichen gleiche Fotografie resultierte. Auf Sprachwerke übertragen bedeutet dies, dass die sprachliche Gestaltung eines Textes, die nicht vom allgemein Üblichen abweicht, die erforderliche Individualität nicht erreicht. Entsprechendes wird auch in der Literatur ausgeführt: So entfällt nach Denis Barrelet/ Willi Egloff ein Urheberrechtsschutz, wenn der Text zwar statistisch einmalig ist, insgesamt aber doch als banale Zusammenstellung von Alltagsredewendungen oder als durch die Sachlogik vorgegeben erscheint (Barrelet/Egloff, Das neue Urheberrecht, 2. Aufl., Bern 2000, N. 13 zu Art. 2 URG ; ähnlich Kamen Troller, Grundzüge des schweizerischen Immaterialgüterrechts, 2. Aufl., Basel 2005, S. 134 und 146). Es sind die Vielzahl persönlicher Entscheidungen des Urhebers, überraschende und ungewöhnliche Kombinationen, welche die Individualität des Werks ausmachen. Individualität grenzt sich ab von der Banalität oder routinemässiger Arbeit (IVAN CHERPILLOD, in: Müller/Oertli [Hrsg.], Urheberrechtsgesetz, Kommentar, Bern 2006, N. 30 und 31 zu Art. 2 URG ). 2.3.2 Die Vorinstanz schloss, die statistische Einmaligkeit allein genüge für den urheberrechtlichen Schutz nicht und es müsse als zusätzliche Voraussetzung verlangt werden, dass diese Einmaligkeit in einer Unterscheidbarkeit in wesentlichen Merkmalen BGE 134 III 166 S. 172 entspreche, was nicht gegeben sei, wenn die Gestaltung in allen Teilen dem Alltäglichen, Üblichen entspreche. Damit hat sie nach dem in vorstehender Erwägung 2.3.1 Ausgeführten keine zusätzliche Voraussetzung zum Vorliegen der statistischen Einmaligkeit im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung aufgestellt, sondern erläutert, wie das Kriterium der statistischen Einmaligkeit von ihr verstanden wird. Im Ergebnis decken sich ihre Anforderungen an die Schutzvoraussetzung der Individualität des Werks mit denen nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, die verlangt, dass die Gestaltung des Sprachwerks sich vom Alltäglichen, allgemein Üblichen abhebt, so dass es als ausgeschlossen erscheint, dass bei gleicher Aufgabenstellung von einem Dritten das gleiche oder im Wesentlichen gleiche Werk geschaffen würde. Dies verkennt die Beschwerdeführerin, wenn sie der Vorinstanz vorwirft, Art. 2 URG verletzt zu haben, indem sie neben dem von der bundesgerichtlichen Rechtsprechung verlangten Kriterium der statistischen Einmaligkeit zusätzliche und erhöhte Anforderungen an die Individualität gestellt habe. Die Rüge erweist sich daher als unbegründet. 2.4 Die Vorinstanz erwog, bei den strittigen Fach- und Patienteninformationen handle es sich um wissenschaftliche Texte, die zum Zweck hätten, Fachpersonen beziehungsweise Patienten über die wesentlichen Eigenschaften eines Arzneimittels aufzuklären. Der Inhalt der betreffenden Informationen sei im Anhang zur Arzneimittel-Zulassungsverordnung detailliert geregelt (Anhang 4 Ziff. 3, Anhang 5.1 Ziff. 3, Anhang 5.2 Ziff. 3 und Anhang 5.3 Ziff. 4 AMZV). In den genannten Bestimmungen werde in Bezug auf die Fachinformationen detailliert der Aufbau derselben geregelt einschliesslich der Reihenfolge der zu nennenden Eigenschaften; in Bezug auf die Patienteninformation seien darüber hinaus sogar die Formulierungen der Überschriften wie auch einzelne Textblöcke vorgegeben. Während die Fachinformationen zum Teil nur aus stichwortartigen Aufzählungen bestünden, seien die Patienteninformationen stets als vollständige Sätze formuliert, enthielten aber im Wesentlichen dieselben Informationen. Die sogenannten "Pseudo-Fachinformationen" stellten freiwillige Informationen dar, welche die Beschwerdeführerin auf Wunsch der Zulassungsinhaber des Medikaments erstelle. Dabei handle es sich jedoch um eine reine Umgestaltung der Patienteninformationen, welche ebenfalls nach festen Regeln vorzunehmen sei. Auch hier sei der Inhalt durch Regelungen, allgemeinen medizinischen BGE 134 III 166 S. 173 Sprachgebrauch und wissenschaftliche Fakten weitestgehend vorgegeben. Die strittigen Texte seien nach festen Regeln zu formulieren. Die Autoren hätten kaum je eine Einzelentscheidung zu fällen. Sie hätten sich vielmehr an die Vorgaben zu halten und den Text so zu formulieren, wie dies von der zuständigen Behörde und den Benutzern der Textsammlung erwartet werde. Den Texten gehe somit der individuelle Charakter ab. 2.5 Dieser Beurteilung ist beizupflichten. Mit Blick auf die detaillierten gesetzlichen Vorgaben zu Inhalt und Aufbau der Informationen und aufgrund der Zweckgebundenheit der Informationen, des allgemeinen medizinischen Sprachgebrauchs sowie der sachlichen Logik ist der gestalterische Spielraum sowohl bezüglich der Auswahl und Anordnung der Textbestandteile als auch in sprachlicher Hinsicht derart gering, dass den Fach- und Patienteninformationen kein selbständiges, vom Üblichen abweichendes sprachliches Gepräge gegeben werden kann. Diesen muss daher ein urheberrechtlicher Schutz selbst bei niedrigen Anforderungen an die Individualität versagt bleiben. Der Beschwerdeführerin gelingt es denn auch nicht, ein selbständiges, vom Üblichen abweichendes sprachliches Gepräge der Informationen aufzuzeigen. Sie verweist zur Illustration der angeblichen statistischen Einmaligkeit lediglich auf den Vergleich der Texte für Originalpräparate und Generika und führt das Beispiel der Fachinformationen zu Ponstan und Mephadolor an, das zeige, dass die Arzneimitteltexte bereits in Bezug auf einzelne Abschnitte voneinander fundamental differierten. Indessen genügt dieser Vergleich nicht, um die Individualität der Arzneimittelinformationen zu begründen. Die Behauptung der Beschwerdeführerin, Generika und Originalpräparate seien hinsichtlich ihrer Zusammensetzung, Eigenschaften und Indikationen (stets) identisch, findet in den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz keine Stütze, sodass die Beschwerdeführerin damit mangels Sachverhaltsrüge im Sinne von Art. 105 Abs. 2 und Art. 97 Abs. 1 BGG nicht zu hören ist (vgl. dazu BGE 133 II 249 E. 1.4.3; BGE 133 III 350 E. 1.3, BGE 133 III 393 E. 7.1, 462 E. 2.4). Auch lässt sich nicht aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung sagen, dass es sich beim Originalpräparat und dem Generikum stets exakt um identische Medikamente handelt, auch wenn sie auf den gleichen Wirkstoffen beruhen mögen. Vor allem aber ist nicht dargetan, dass die angeführten Texte aus dem gleichen Jahr stammen, bei gleichen Vorgaben und gleichem Wissensstand. Vielmehr wird BGE 134 III 166 S. 174 im Kompendium, das bei den Akten liegt (25. Aufl. 2004), angemerkt, dass die Informationen zu Ponstan auf dem Stand November 1994 und diejenigen zu Mephadolor auf dem Stand Juli 2000 beruhen. Die Vergleichbarkeit ist daher nicht gegeben, und das Beispiel vermag die sprachlich eigenständige Gestaltung der Texte nicht zu belegen. Im Ergebnis folgt, dass den Texten der Arzneimittelinformationen die erforderliche Individualität abgeht, weshalb ihnen kein urheberrechtlicher Schutz zukommt (zustimmend von Büren/Meer, a.a.O., S. 95; das Beispiel ohne Kritik erwähnend CHERPILLOD, a.a.O., N. 44 zu Art. 2 URG ). (...) 4. (...) 4.2 Vorliegend stand für die Vorinstanz fest, dass die übernommenen Texte der Arzneimittelinformationen ein marktreifes Arbeitsergebnis sind, und dass der Download der Daten ein technisches Reproduktionsverfahren im Sinne von Art. 5 lit. c UWG (SR 241) darstellt. Hingegen verneinte sie die Voraussetzung, dass die Übernahme und Verwertung der Daten durch die Beschwerdegegner "ohne angemessenen eigenen Aufwand" erfolgt sei. Dabei ging sie von den vom Bundesgericht in BGE 131 III 384 E. 4.4 zum Kriterium des "angemessenen eigenen Aufwands" dargestellten Grundsätzen aus und hielt insbesondere fest, dass danach auch die Amortisierung des Aufwands des Erstkonkurrenten zu berücksichtigen sei. Sie erwog, die Vertriebsberechtigten, die gegenüber der Swissmedic verpflichtet seien, die Arzneimittelinformationen in einer vollständigen Sammlung publizieren zu lassen, kämen nicht darum herum, mit der Beschwerdeführerin einen Vertrag abzuschliessen, in welchem sie sich zu Zahlungen an Letztere verpflichteten. Durch diese Zahlungen würden die Bemühungen der Beschwerdeführerin abgegolten, welche diese mit der Aufbereitung der Sammlung der Arzneimittelinformationen habe. Weil die Swissmedic verlange, dass die Sammlung in Buchform den daran hauptsächlich Interessierten gratis abgegeben werde und dass die auf dem Internet einsehbaren Daten unentgeltlich konsultiert werden könnten, könne davon ausgegangen werden, dass die Beschwerdeführerin mit den entsprechenden Zahlungen ihre gesamten Entwicklungskosten von den Lieferanten der Daten, den Vertriebsberechtigten der Medikamente, erhältlich machen könne. Wohl sei anzunehmen, dass sie mit dem Verkauf von Büchern und BGE 134 III 166 S. 175 Datenträgern zusätzlich gewisse Erträge erzielen könne. Jedoch sei nicht anzunehmen, dass diese Einkünfte derart ins Gewicht fielen, dass sie die Höhe der von den Datenlieferanten erhobenen Beiträge massgeblich beeinflussten. Sei aber anzunehmen, dass die Beschwerdeführerin ihre Entwicklungskosten zum Zeitpunkt der Übernahme bereits angemessen habe amortisieren können, so seien diese Kosten bei der Gegenüberstellung des Aufwands der Parteien im Sinne von Art. 5 lit. c UWG nicht zu berücksichtigen. Dann aber stünde der Aufwand für die Übernahme der Daten durch die Beschwerdegegner nicht in einem unangemessenen Verhältnis zum Aufwand der Beschwerdeführerin beziehungsweise zu Kosten auf ihrer Seite, die noch nicht amortisiert seien. 4.3 Die Beschwerdeführerin rügt in grundsätzlicher Hinsicht, die von der Vorinstanz praktizierte Ausdehnung des Amortisationsgedankens zur Aufwandbemessung verletze Art. 5 lit. c UWG . Soweit die Amortisationstheorie nicht gänzlich abzulehnen sei, müsse ihre Bedeutung auf eine Befristung des lauterkeitsrechtlichen Schutzes beschränkt werden. Es trifft zu, dass der Amortisationsgedanke vorab im Zusammenhang mit der Frage einer zeitlichen Beschränkung des aus Art. 5 lit. c UWG fliessenden Schutzes diskutiert wird, und einzelne Autoren eine Befristung ablehnen (Pedrazzini/Pedrazzini, Unlauterer Wettbewerb, 2. Aufl., Bern 2002, S. 201 Rz. 9.45.; Alois Troller, Immaterialgüterrecht, Bd. II, 3. Aufl., Basel 1985, S. 958). Andere sprechen sich hingegen mit guten Gründen für eine zeitliche Beschränkung aus, wobei für die Schutzdauer auf die ausreichende Gelegenheit zur Amortisation zurückgegriffen wird (Carl Baudenbacher, Lauterkeitsrecht, Kommentar zum UWG, Basel 2001, N. 69-75 zu Art. 5 UWG ; MARKUS FIECHTER, Der Leistungsschutz nach Art. 5 lit. c UWG , Diss. St. Gallen 1992, S. 172 ff., insbes. S. 198 m.w.H.) und ebenso das Bundesgericht ( BGE 118 II 459 E. 4b S. 466; vgl. auch E. 3d S. 464 f., wo es die Frage noch offenliess). Ein ungerechtfertigter Wettbewerbsvorteil des Übernehmers und damit die Unlauterkeit seines Handelns entfallen, wenn es dem Erstkonkurrenten möglich war, die getätigte Investition zu amortisieren. Der Amortisationsgedanke findet aber auch seine Berechtigung bei der Frage der Aufwandbemessung. Bereits die Botschaft zum UWG hält dies fest: "Das Kriterium des angemessenen Aufwands BGE 134 III 166 S. 176 ermöglicht danach auch die Berücksichtigung der Amortisierung des Aufwands des Erstkonkurrenten für die Schaffung des übernommenen Produkts" (Botschaft vom 18. Mai 1983 zu einem Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, BBl BGE 1983 II 1071 ). Das Bundesgericht hat diese Aussage übernommen ( BGE 131 III 384 E. 4.4.1 S. 392). Ein offensichtliches Missverhältnis zwischen dem Aufwand des Erstkonkurrenten und demjenigen des Übernehmers besteht nicht mehr, wenn der Erstkonkurrent seine Kosten bereits abschreiben konnte. Dann endet der aus Art. 5 lit. c UWG fliessende Schutz, und es ist nicht unlauter, wenn ein solches Arbeitsergebnis übernommen wird (vgl. LUCAS DAVID, Ist der Numerus clausus der Immaterialgüterrechte noch zeitgemäss-, AJP 1995 S. 1403 ff., 1408). Mit anderen Worten fällt die Berücksichtigung des Amortisationsgedankens bei der Aufwandbemessung mit der Bestimmung des zeitlichen Schutzes zusammen, wenn anzunehmen ist, dass der Erstkonkurrent seine Investition im Zeitpunkt der Übernahme bereits amortisiert hat. Die Vorinstanz hat mithin Art. 5 lit. c UWG nicht verletzt, indem sie bei der Aufwandgegenüberstellung berücksichtigte, dass die Beschwerdeführerin die Kosten für ihre Tätigkeit bereits angemessen amortisiert hatte.
null
nan
de
2,008
CH_BGE
CH_BGE_005
CH
Federation
dfdb5921-bd14-4329-8bba-445f53f907d3
Urteilskopf 88 I 240 40. Urteil vom 28. November 1962 i.S. Scintilla AG gegen Kantone Solothurn und Wallis.
Regeste Art. 46 Abs. 2 BV . Aufteilung des Gewinns eines interkantonalen Fabrikationsunternehmens. Voraussetzungen der Zuweisung eines Vorausanteils an den Kanton, in dem sich Sitz und Betriebsleitung befinden.
Sachverhalt ab Seite 240 BGE 88 I 240 S. 240 A.- Die Beschwerdeführerin Scintilla AG befasst sich mit der Herstellung und dem Verkauf von Apparaten verschiedener Art. Sie hat ihren Sitz in Solothurn, ihren Hauptfabrikbetrieb in der Gemeinde Zuchwil, einem Vorort von Solothurn, und ein kleines Lager in der Nachbargemeinde Derendingen. Ferner betreibt sie seit 1947 eine weitere Fabrik in St.Niklaus (Kt. Wallis), wo sie zunächst die Räume eines alten Hotels mietete und dann im Jahre 1956 ein eigenes Gebäude erstellte. Die gesamte kaufmännische und technische Leitung mit zwei Direktoren an der BGE 88 I 240 S. 241 Spitze befindet sich in Zuchwil, wo die Bücher geführt werden und der Geschäftsverkehr mit den Lieferanten und Abnehmern erfolgt. Der Fabrikationsbetrieb in St. Niklaus, der nicht als Zweigniederlassung im Handelsregister eingetragen ist und von einem nicht einzeln zeichnungsberechtigten Prokuristen geleitet wird, liefert alle seine Erzeugnisse an den Hauptbetrieb in Zuchwil ab und erhält von dort das Geld für die Lohnzahlungen. Ende Dezember 1960 beschäftigte die Beschwerdeführerin in Solothurn 357 monatlich sowie 937 stündlich bezahlte Arbeitskräfte und in St. Niklaus 29 monatlich und 378 stündlich bezahlte Arbeitskräfte. Der Durchschnitt der Netto-Gehälter und -Löhne ohne Gratifikationen und Sozialleistungen betrug im Jahre 1960 für das gesamte Personal in Zuchwil Fr. 7780.-- und für dasjenige in St. Niklaus Fr. 5671.--. B.- In den Jahren 1947-1960 haben die Kantone Solothurn und Wallis die ihnen zur Besteuerung zukommenden Quoten am Gesamtreingewinn der Beschwerdeführerin jeweils übereinstimmend in der Weise berechnet, dass dem Sitzkanton Solothurn ein Vorausanteil von 20% zugewiesen und der Rest auf Grund der sog. Erwerbsfaktoren verteilt wurde. Für die Veranlagung im Jahre 1961 bestimmte die Steuerverwaltung des Kantons Solothurn die Erwerbsfaktoren auf Grund der Gewinn- und Verlustrechnung für 1960 und der Bilanz per 31. Dezember 1960 wie folgt: Solothurn Wallis Total Örtlich gebundene Aktiven Fr. Fr. Fr. (Immobilien, Maschinen, Mobilien, Waren) 6.854.304 1.492.288 8.346.592 Beteiligungen 4.035.571 --- 4.035.571 Mobile Konti (Kassa, Postcheck, Wertschriften, Darlehen), verteilt im Verhältnis der örtlich gebundenen Aktiven 15.111.997 2.070.490 17.182.487 Gehälter und Löhne, mit 10% kapitalisiert 100.679.944 23.447.774 124.127.718 Mieten, mit 7% kapitalisiert 208.785 94.100 302.885 ------------------------------------ zusammen 126.890.601 27.104.652 153.995.253 in Prozenten 82.40% 17.60% 100% BGE 88 I 240 S. 242 Auf Grund dieser Erwerbsfaktoren setzte die Steuerverwaltung des Kantons Solothurn den Anteil dieses Kantons am steuerbaren Gesamtertrag des Jahres 1960 von Fr. 2.763.387 auf 85,92% (Vorausanteil von 20% + 82,40 % des Restes) = Fr. 2.374.302, - fest und überliess dem Kanton Wallis (17,60% von 80% =) 14,08% oder Fr. 389.085, - zur Besteuerung (Veranlagung zur Kantonssteuer vom 21. August 1961 und entsprechende Steuerrechnungen der Gemeinden Solothurn, Zuchwil und Derendingen). Die Steuerverwaltung des Kantons Wallis anerkannte die vom Kanton Solothurn bestimmten Erwerbsfaktoren, lehnte aber (wie sie der solothurn. Steuerverwaltung schon am 25. Oktober 1961 mitteilte) den Abzug eines Vorausanteils für den Sitzkanton ab und setzte demnach den im Kanton Wallis steuerbaren Anteil am Gewinn der Beschwerdeführerin auf 17,60% von Fr. 2.763.387, - = Fr. 486.356, - fest (provisorische Veranlagung vom 13. Juli 1962, als endgültig erklärt am 24. August 1962). C.- Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 12. September 1962 ersucht die Scintilla AG das Bundesgericht, die erwähnten Veranlagungen der Kantone Solothurn und Wallis (sowie der Gemeinden Solothurn, Zuchwil und Derendingen) mit Bezug auf die Ertrags- bzw. Gewinnsteuer für 1961 wegen Doppelbesteuerung aufzuheben und das Verhältnis der Berechtigungen der beiden Kantone zur Steuererhebung festzusetzen. Zur Begründung wird im wesentlichen auf den bereits geschilderten Sachverhalt verwiesen und beigefügt, dass die Beschwerdeführerin zur Frage, ob der vom Kanton Solothurn beanspruchte Vorausanteil von 20% ganz oder teilweise gerechtfertigt sei, nicht Stellung beziehe, sondern lediglich bemerke, dass die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse in ihrem Betrieb sich im Jahre 1961 gegenüber 1960 in keiner Weise geändert haben, sodass die Haltung des Kantons Wallis, der den Vorausanteil von Solothurn jahrelang anerkannt habe, als nicht motiviert erscheine. BGE 88 I 240 S. 243 D.- Der Regierungsrat des Kantons Solothurn beantragt Abweisung der Beschwerde, soweit sie sich gegen diesen Kanton richtet. Er macht geltend, dass der Fabrikbetrieb in St. Niklaus ein reines Zulieferwerk ohne jede Selbständigkeit sei und die Bedeutung der im Sitzkanton befindlichen Geschäftsleitung in den Erwerbsfaktoren, d.h. in den höheren Löhnen im Sitzkanton sowie in den diesem Kanton ganz zugewiesenen Beteiligungen, nicht genügend berücksichtigt werde. Das ergebe sich eindeutig daraus, dass dann, wenn man bei den Erwerbsfaktoren für den Kanton Solothurn die niedrigeren Durchschnittslöhne von St. Niklaus einsetze und die Beteiligungen im Verhältnis der örtlich gebundenen Aktiven verteile, der Anteil des Kantons Solothurn 77,45% statt 82,40% und derjenige des Kantons Wallis 22,55% statt 17,40% betragen, die Differenz also nur rund 5% ausmachen würde, wovon 3,9% auf die Gehälter und Löhne und 1,1% auf die Beteiligungen entfielen. Ein Vorausanteil von 20% zugunsten des Sitzkantons sei daher vollauf gerechtfertigt und nicht übersetzt (LOCHER, § 8 II C 6 Nr. 12 und 19). E.- Der Staatsrat des Kantons Wallis beantragt die Abweisung der Beschwerde, soweit sie sich gegen diesen Kanton richtet. Er ist der Auffassung, dass die Bedeutung der Geschäftsleitung in den Erwerbsfaktoren genügend zum Ausdruck komme. F.- Dem Regierungsrat jedes Kantons ist Gelegenheit gegeben worden, zur Beschwerdeantwort des andern Stellung zu nehmen. Dabei hat jeder an seinen früheren Ausführungen festgehalten. G.- Die Beschwerdeführerin erklärt in der Replik, dass sie die im September 1960 erworbenen Beteiligungen im Jahre 1962 bereits wieder veräussert habe und dass sie nicht nur eigene Erzeugnisse verkaufe, sondern in den Jahren 1960 und 1961 auch Generalvertreterin für die Schweiz für den Vertrieb gewisser von der Robert Bosch G.m.b.H. in Stuttgart hergestellter Erzeugnisse gewesen sei. BGE 88 I 240 S. 244 Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Da die Beschwerdeführerin für das Jahr 1961 vom Kanton Solothurn für 85,92% und vom Kanton Wallis für 17,60%, zusammen also für mehr als 100% ihres Reingewinns besteuert wird, liegt offensichtlich eine nach Art. 46 Abs. 2 BV unzulässige Doppelbesteuerung vor. Ferner ist unbestritten, dass bei einem interkantonalen Unternehmen wie der Beschwerdeführerin, die sich in erster Linie mit der Fabrikation und mit dem Verkauf eigener Erzeugnisse und nur nebenbei mit dem Vertrieb fremder Produkte befasst, die Quote des Gesamtreingewinns, die jeder Kanton besteuern darf, nach der indirekten Methode auf Grund der sog. Erwerbsfaktoren zu bestimmen ist. Streitig ist einzig, ob die Quoten ausschliesslich auf Grund der Erwerbsfaktoren zu berechnen seien, oder ob vom Gesamtreingewinn ein Vorausanteil zugunsten des Sitzkantons Solothurn abzuziehen und nur der Rest nach Massgabe jener Faktoren zu verteilen sei. 2. Der Umstand, dass der Kanton Wallis mit dem Abzug eines Vorausanteils von 20% für den Sitzkanton seit der Eröffnung des Fabrikbetriebs in St. Niklaus bis zum Jahre 1960 einverstanden war, hindert ihn nicht, sich diesem Abzug im Jahre 1961 zu widersetzen. Bei periodischen Steuern kommt einer Veranlagungsverfügung nur für die betreffende Periode Rechtskraft zu, und zwar auch insoweit, als sich der Entscheid auf die interkantonale Steuerausscheidung bezieht. Jeder Kanton ist daher frei, in einer spätern Periode tatsächliche oder rechtliche Verhältnisse anders als früher zu würdigen (vgl. die von LOCHER, Doppelbesteuerungsrecht, § 2 IV C Nr. 2 und 3 zitierten Urteile). 3. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist bei einem interkantonalen Unternehmen der Sitzkanton dann berechtigt, einen Teil des Gesamtgewinns vorweg zu besteuern, wenn die Tätigkeit der in diesem Kanton befindlichen Zentralleitung und deren Einfluss auf das Geschäftsergebnis BGE 88 I 240 S. 245 infolge der für die Steuerausscheidung gewählten Methode nicht hinlänglich zum Ausdruck kommt (statt vieler BGE 58 I 24 , BGE 61 I 343 , BGE 71 I 341 , BGE 81 I 265 sowie die bei LOCHER a.a.O. § 8 II C 6 angeführten Urteile). Das trifft insbesondere bei Anwendung der direkten Methoden, der Gewinnverteilung nach Massgabe des Umsatzes oder der Gewinn- und Verlustrechnungen des Hauptsitzes und der einzelnen Niederlassungen, häufig zu, da die Tätigkeit der Zentralleitung sich nicht nur auf den Umsatz oder das Geschäftsergebnis des Hauptsitzes auswirkt, sondern einen wesentlichen Einfluss auch auf den Geschäftsgang der Niederlassungen ausübt. Bei der Steuerausscheidung nach Massgabe der Erwerbsfaktoren wird dagegen häufig nur ein kleiner Vorausanteil zuzusprechen oder ein solcher überhaupt abzulehnen sein, da in diesen Fällen die Tätigkeit der Zentralleitung oft im Faktor Kapital (durch ausschliessliche Zuweisung von Beteiligungen an den Hauptsitz) oder im Faktor Arbeit (durch Kapitalisierung der am Hauptsitz ausgerichteten Löhne des leitenden Personals, eventuell auch der Tantièmen) vollständig oder doch teilweise zum Ausdruck kommt (Urteil vom 20. September 1940 i.S. Sturzenegger AG, im Auszug bei LOCHER a.a.O. § 8 II C 6 Nr. 21; vgl. auch BGE 71 I 341 ). Im vorliegenden Falle besteht kein Grund, die sich aus den Erwerbsfaktoren ergebende Gewinnverteilung durch Zusprechung eines Vorausanteils an den Sitzkanton Solothurn zu berichtigen. Da die Fabrik in St. Niklaus keinerlei Selbständigkeit geniesst und vom Hauptsitz aus geleitet wird, kommt der dort befindlichen kaufmännischen und technischen Leitung im Rahmen des Gesamtbetriebs freilich erhöhte Bedeutung zu. Dieser tragen jedoch die Erwerbsfaktoren hinreichend Rechnung, da die kapitalisierten Gehälter und Löhne ein verhältnismässig hoher Posten (rund 4/5) in den Erwerbsfaktoren sind und der Sitzkanton überdies durch Zuweisung der gesamten (inzwischen allerdings wieder veräusserten) Beteiligungen begünstigt ist. BGE 88 I 240 S. 246 Der Einwand des Kantons Solothurn, mit den höheren Gehältern und Löhnen im Sitzkanton und der Zuweisung der Beteiligungen werde die Bedeutung der Geschäftsleitung nicht genügend berücksichtigt, hält nicht stich. Nach der von ihm angestellten Rechnung würde der Anteil des Kantons Solothurn immer noch 77,45% betragen, wenn man bei den Erwerbsfaktoren auch für den Hauptsitz die niedrigeren Durchschnittslöhne von St.Niklaus einsetzt und die Beteiligungen im Verhältnis der örtlich gebundenen Aktiven verteilt, was zeige, dass die höheren Gehälter und Löhne des leitenden Personals und die dem Hauptsitz zugewiesenen Beteiligungen nur eine Erhöhung des Anteils von Solothurn von 77,45% auf 82,40%, also nur um rund 5% zur Folge habe. Diese 5% sind jedoch, wie sich bei näherer Prüfung ergibt, mehr als ein Vorausanteil von 20%. Wenn man nämlich von einem Anteil des Kantons Solothurn nach Massgabe der Erwerbsfaktoren von 77,45% ausgeht und ihm einen Vorausanteil von 20% einräumt, so berechnet sich sein Anteil am Gesamtreingewinn wie folgt: Vorausanteil 20,00% 77,45% des Restes 61,96% zusammen 81,96% Bei gleichen Löhnen und Verteilung der Beteiligungen, aber Zuweisung eines Vorausanteils von 20% an den Sitzkanton ist dessen Anteil am Gesamtreingewinn somit niedriger als auf Grund der tatsächlichen, höheren Löhne des Hauptsitzes und der ihm zugewiesenen Beteiligungen, jedoch ohne Vorausanteil, sodass anzunehmen ist, die Bedeutung des Hauptsitzes komme in den Erwerbsfaktoren genügend zur Geltung und die Zusprechung eines Vorausanteils erübrige sich. Nicht viel anders verhält es sich, wenn die inzwischen wieder veräusserten Beteiligungen beim Hauptsitz belassen und nur die Gehälter und Löhne ausgeglichen werden. In diesem Falle berechnet sich die Quote Solothurns, da dann BGE 88 I 240 S. 247 der Anteil nach Massgabe der Erwerbsfaktoren, wie der Regierungsrat ausführt, 3,9% weniger, d.h. 78,50% statt 82,40% betragen würde, wie folgt: Vorausanteil 20,00% 78,50% des Restes 62,80% zusammen 82,80% Die Differenz zwischen diesen 82,80% und der unkorrigierten Quote von 82,40% ist so geringfügig, dass sich eine Berichtigung durch Zuweisung eines Vorausanteils von auch nur 5 oder 10% keinesfalls rechtfertigt. Bei Fabrikationsunternehmen, deren Verhältnisse sich mit denjenigen der Beschwerdeführerin vergleichen lassen, ist denn auch in der bisherigen Rechtsprechung jeweils von der Zusprechung eines Vorausanteils an den Sitzkanton abgesehen worden ( BGE 36 I 19 /20 und 26/27; nicht veröffentlichtes Urteil vom 22. Dezember 1937 i.S. Gebrüder Meier, Erw. 8, abgedruckt in ZBl 1938 S. 361). In den vom Regierungsrat des Kantons Solothurn angerufenen Fällen (LOCHER a.a.O. § 8 II C 6 Nr. 12 und 19), wo Vorausanteile von 20% zugesprochen wurden, lagen die Verhältnisse anders als hier, denn im Falle Mido SA (Urteil vom 8. April 1927) handelte es sich um ein Unternehmen, bei dem sich im Sitzkanton nur die Leitung, der gesamte Fabrikationsbetrieb dagegen im andern Kanton befand, während es sich im Falle Genossenschaft "Elektra Fraubrunnen" (Urteil vom 4. März 1938) um ein Elektrizitätswerk handelte. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Beschwerde wird gegenüber dem Kanton Solothurn in dem Sinne gutgeheissen, dass dieser Kanton bei der Besteuerung des Gewinns im Jahre 1961 kein Präzipuum beanspruchen darf. Die Beschwerde gegenüber dem Kanton Wallis wird abgewiesen.
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Federation
dfdd084e-8e7e-4739-b034-41192e0c2bea
Urteilskopf 80 I 272 45. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 13. Juli 1954 i.S. Spiesshofer gegen Firma Spiesshofer & Braun und Justizdirektion des Kantons Aargau.
Regeste Art. 554 und 937 OR , 59 Abs. 1 HRegV. Schrittweise Bereinigung des Handelsregister-Eintrages einer Kollektivgesellschaft bei Ausscheiden eines Gesellschafters durch Tod und Streit über die Nachfolgerechte.
Sachverhalt ab Seite 272 BGE 80 I 272 S. 272 Seit 1935 besteht mit Sitz in Zurzach die Kollektivgesellschaft Spiesshofer & Braun. Im Handelsregister sind nachstehende Gesellschafter verzeichnet: Paul Spiesshofer, Kurt Braun, Herbert Braun und Fritz Spiesshofer jun., alle deutsche Staatsangehörige und wohnhaft in Heubach (Württemberg). Fritz Spiesshofer fiel am 25. August 1944 an der Ostfront. Sein testamentarischer Alleinerbe ist der Sohn Wolfgang Georg Spiesshofer, gesetzlich vertreten BGE 80 I 272 S. 273 durch die Mutter Hedi Spiesshofer-Grimminger in Heubach. Am 12. Dezember 1952 starb auch Paul Spiesshofer, der neben Kurt Braun die Befugnis zur Einzelunterschrift für die Gesellschaft besass. Er hinterliess als Alleinerbin seine Witwe Frieda Spiesshofer-Wagner, in Heubach. Nach vorausgegangenen Vorkehren und Korrespondenzen wurden am 22. Juli 1953 dem Handelsregisteramt des Kantons Aargau zwei Anmeldungen für Änderungen des Registereintrages der Kollektivgesellschaft unterbreitet, die eine betreffend Tod und Ausscheiden der Gesellschafter Fritz und Paul Spiesshofer, die zweite betreffend den Eintritt des minderjährigen Wolfgang Georg Spiesshofer als neuer Gesellschafter ohne Vertretungsermächtigung. Sie waren unterzeichnet von den verbliebenen Gesellschaftern Kurt und Herbert Braun sowie von Frau Hedi Spiesshofer. Die Witwe und Erbin Paul Spiesshofers, Frau Frieda Spiesshofer-Wagner, wurde am 16. Oktober 1953 vom Handelsregisteramt vorschriftsgemäss eingeladen, bei der Löschung der Eintragung ihres Ehemannes als Kollektivgesellschafter mitzuwirken. Sie lehnte es ab, die Anmeldung zu unterschreiben und verlangte, es sei zur Zeit von der Eintragung des Ausscheidens von Paul Spiesshofer Umgang zu nehmen. Daraufhin wies das Handelsregisteramt die Akten zum Entscheid an die Aufsichtsbehörde. Mit Verfügung vom 4. Februar 1954 erliess die Justizdirektion des Kantons Aargau an Frau Frieda Spiesshofer-Wagner die Aufforderung, binnen 10 Tagen die Anmeldung über das Ausscheiden ihres Gatten als Kollektivgesellschafter zu unterzeichnen, und ermächtigte das Handelsregisteramt für den Weigerungsfall zur selbständigen Vornahme einer formulierten Eintragung. Die hiegegen erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Begehren, "es sei ... die Eintragung des Ausscheidens von Paul Spiesshofer aus der Kollektivgesellschaft Spiesshofer & Braun so lange aufzuschieben, bis die Frage des Nachfolgerechtes der Beschwerdeführerin als Kollektivgesellschafterin, event. als Kommanditistin geklärt ist BGE 80 I 272 S. 274 und ihr Eintritt in die Gesellschaft gleichzeitig eingetragen werden kann", wird vom Bundesgericht abgewiesen. Erwägungen Erwägungen: 1. Laut Art. 20 HRegV in Verbindung mit Art. 554 OR hat die Eintragung einer Kollektivgesellschaft im Handelsregister u.a. den Namen, den Wohnort und die Staatszugehörigkeit jedes Gesellschafters zu enthalten. Das ist schon darum geboten, weil das Handelsregister die Klarlegung der Haftungsverhältnisse zumindest mitbezweckt (vgl. Art. 110-112 HRegV über die Vormerkung des ehelichen Güterstandes). Ist aber eine Tatsache im Register eingetragen, so muss auch jede Änderung dieser Tatsache eingetragen werden. So bestimmt ausdrücklich Art. 937 OR . Die HRegV wiederholt den Grundsatz in Art. 59 Abs. 1 und ordnet anschliessend das zu seiner Durchsetzung dienende Verfahren. Die Eintragung des Ausscheidens eines gestorbenen Gesellschafters ist somit, auch abgesehen von dem durch das Eidg. Justizdepartement herangezogenen Art. 38 HRegV , von Gesetzes wegen unumgänglich. 2. Eine bezügliche und ihr als Erbin obliegende Meldepflicht (vgl. Art. 24 HRegV und 938 OR) bestreitet die Beschwerdeführerin an sich nicht. Was sie erreichen will, ist die Rückstellung der Registeränderung bis zur Klärung ihrer Nachfolgerechte. Nun trifft zwar zu, dass das Handelsregister unvollständigen Aufschluss über die wirklichen Verhältnisse vermittelt, wenn beim Tode eines Gesellschafters zunächst lediglich sein Ausscheiden und nicht auch der Eintritt eines ihn ersetzenden Erben eingetragen wird. Solange die Rechtsstellung eines Erben in der Kollektivgesellschaft und überhaupt dessen Beziehung zu ihr ungewiss sind, ergibt sich ein Schwebezustand. Im Hinblick darauf schlägt gegenüber den Beschwerdevorbringen die Berufung auf das in Art. 38 HRegV niedergelegte sogenannte Wahrheitsprinzip nicht schlechtweg durch. Indessen fragt sich, ob das BGE 80 I 272 S. 275 Gesetz jenen Schwebezustand besonders berücksichtige. Das ist nach dem vorstehend Dargelegten zu verneinen. Das Ausscheiden eines Gesellschafters durch Tod und der Eintritt des Erben für ihn hängen wohl unter sich als Ursache und Wirkung zusammen, sind jedoch nichtsdestoweniger Tatsachen eigener Art und als solche getrennter Eintragung fähig. Ein gesetzlicher Zwang zu gemeinsamer Aufnahme ins Register besteht nicht. Entgegen der Beschwerdebehauptung wird durch die Eintragung des Ausscheidens eines Gesellschafters wegen Ablebens über die künftige Gestaltung der Gesellschaft und die Stellung des Erben nichts ausgesagt noch diese präjudiziert. Die Tatsachenänderung, welche der Tod eines Gesellschafters in Hinsicht auf die persönliche Zusammensetzung der Gesellschaft mit sich bringt, muss jedenfalls eingetragen werden. Insoweit droht keine Notwendigkeit zu nachträglicher Berichtigung. Bliebe aber der verstorbene Gesellschafter bis zur Erledigung einer hängigen Auseinandersetzung über die Erbnachfolge eingetragen, so gäbe das Register nicht bloss ein unvollständiges, sondern ein falsches Bild der Verhältnisse, und das in einem Belange, der jeglicher Unsicherheit entrückt ist. Die schrittweise Bereinigung des Registers in der Weise, dass das Ausscheiden eines verstorbenen Gesellschafters vorweg und der Eintritt des Erben - die von ihm gesuchte Zubilligung des Nachfolgerechts vorausgesetzt - später eingetragen werden, ist nach Massgabe der anwendbaren Vorschriften zulässig und deckt sich übrigens mit der alten Praxis (vgl. SJZ 14 S. 159 Nr. 123 und HARTMANN, Kommentar zu Art. 556 OR N. 3). Eine im Wege der Rechtsprechung auszufüllende Gesetzeslücke ist nicht vorhanden. Die Übergangslösung, welche § 139 des deutschen HGB durch kurzfristige Beibehaltung des unveränderten Registereintrages gestattet (vgl. COHN, Handelsregister und Genossenschaftsregister, 3. Aufl., S. 212; STAUB-PINNER, 12. und 13. Aufl., Kommentar zu § 139 HGB N. 25 und 26), kennt das schweizerische Recht nicht.
public_law
nan
de
1,954
CH_BGE
CH_BGE_001
CH
Federation
dfe01121-6d17-4940-98b0-80cd2631e9d0
Urteilskopf 103 II 84 13. Urteil der II. Zivilabteilung vom 4. Mai 1977 i.S. C. gegen X. und Y.
Regeste Klage auf Ungültigerklärung eines Testamentes ( Art. 520 ZGB ); Zeugenbescheinigung bei der öffentlichen letztwilligen Verfügung ( Art. 501 Abs. 2 ZGB ). 1. Passivlegitimation des Willensvollstreckers bei der Ungültigkeitsklage (E. 1). 2. In der Zeugenbescheinigung braucht weder eine Bestätigung enthalten zu sein, wonach der Testator die Urkunde vor den Zeugen und der Urkundsperson unterschrieben habe (E. 2a), noch bezeugt zu werden, dass der Testator die in Art. 501 Abs. 1 ZGB vorgeschriebene Erklärung in Gegenwart der Urkundsperson abgegeben habe (E. 2b).
Sachverhalt ab Seite 85 BGE 103 II 84 S. 85 Am 21. März 1969 errichtete der ledige Arnold E., geb. 1877, eine öffentliche letztwillige Verfügung. Er wies verschiedene Liegenschaften zum Ertragswert seinem Neffen Josef X. zu und bestimmte Rechtsanwalt Y. zum Willensvollstrecker. Das Testament wurde durch Gemeindeschreiber Z. verurkundet. Als Zeugen wirkten Margrith A. und Marie B. mit. Die in der letztwilligen Verfügung enthaltene Zeugenbescheinigung lautet wie folgt: "Die unterzeichneten Zeugen... bezeugen, dass der Erblasser Arnold E. vor Ihnen die Erklärung abgegeben hat, dass er, der Testator, die vorstehende letztwillige Verfügung gelesen habe, und dass diese seinen letzten Willen enthalte. Sie erklärten ferner, dass sich der Erblasser nach ihrer Wahrnehmung bei der Abgabe dieser Erklärung im Zustande der Verfügungsfähigkeit befunden hat." Arnold E. starb am 26. November 1972. Als gesetzliche Erben hinterliess er eine grosse Zahl von Nachkommen vorverstorbener Geschwister. Das Testament wurde am 23. Oktober 1973 eröffnet. Mit Eingabe vom 18. Juli 1974 erhob die gesetzliche Erbin C. beim Kantonsgericht gegen den Begünstigten und den als Willensvollstrecker eingesetzten Rechtsanwalt Klage auf Ungültigerklärung des Testaments. Zur Begründung machte sie geltend, die darin enthaltene Zeugenbescheinigung entspreche den gesetzlichen Anforderungen nicht; es fehle die Bestätigung, dass der Erblasser die Urkunde vor den Zeugen und der Urkundsperson unterschrieben sowie dass er jenen in Gegenwart des Beamten erklärt habe, das Schriftstück enthalte seinen letzten Willen. Mit Urteilen vom 24. September/29. Oktober 1975 und vom 3. Dezember 1976 wiesen Kantons- und Obergericht die Klage ab. Gegen den zweitinstanzlichen Entscheid hat die Klägerin unter Erneuerung ihres im kantonalen Verfahren gestellten Begehrens beim Bundesgericht Berufung erhoben. Die Beklagten beantragen deren Abweisung. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Wie schon in den kantonalen Verfahren bestreitet der Zweitbeklagte, passivlegitimiert zu sein, indem er darauf hinweist, BGE 103 II 84 S. 86 dass er lediglich als Willensvollstrecker in die Klage einbezogen worden sei. Allein, dies vermag seine Passivlegitimation nicht auszuschliessen. Denn bei einer Gutheissung müsste auch die Anordnung über die Willensvollstreckung dahinfallen, da sich die Klage gegen das Testament als Ganzes richtet (vgl. TUOR, N. 31, und ESCHER, N. 28 zu Art. 518 ZGB ). 2. Die angefochtene letztwillige Verfügung wurde nach Massgabe der Art. 500 und 501 ZGB errichtet. Danach gibt die Urkundsperson dem Erblasser das von ihr anhand der Mitteilung des letzten Willens aufgesetzte Testament zu lesen, worauf dieser die Urkunde zu unterzeichnen hat ( Art. 500 Abs. 1 und 2 ZGB ). Weiter ist vorgeschrieben, dass der Erblasser unmittelbar im Anschluss daran den beiden beizuziehenden Zeugen in Gegenwart des Beamten erkläre, er habe die Urkunde gelesen und sie enthalte seinen letzten Willen ( Art. 501 Abs. 1 ZGB ). Dass dies im vorliegenden Fall tatsächlich so geschah, ist unbestritten. Gemäss Art. 501 Abs. 2 ZGB haben die Zeugen sodann mit ihrer Unterschrift auf der Urkunde zu bestätigen, "dass der Erblasser vor ihnen diese Erklärung abgegeben und dass er sich nach ihrer Wahrnehmung dabei im Zustande der Verfügungsfähigkeit befunden habe". Es ist zu prüfen, ob die Zeugenbescheinigung im angefochtenen Testament dieser Vorschrift genügt. a) Von vornherein nicht zu der von den Zeugen abzugebenden Bestätigung gehört die Erklärung, der Erblasser habe die Urkunde vor ihnen und der Urkundsperson unterschrieben. Der Grund liegt darin, dass jene bei der Unterzeichnung des Schriftstücks durch den Erblasser gar nicht anwesend zu sein brauchen ( BGE 60 II 275 ; TUOR, N. 1, und ESCHER, N. 1 zu Art. 501 ZGB ; TUOR/SCHNYDER, Das schweiz. Zivilgesetzbuch, 9. Aufl., S. 377; PIOTET, Droit successoral, S. 212). Mit ihrer gegenteiligen Auffassung verkennt die Klägerin, dass es sich beim Lesen und Unterzeichnen der Urkunde durch den Erblasser einerseits und der Mitwirkung der Zeugen andererseits um zwei getrennte Akte handelt, die lediglich zeitlich in einem engen Zusammenhang stehen, weil sie unmittelbar aufeinander folgen müssen. b) In zweiter Linie wird geltend gemacht, die im angefochtenen Testament enthaltene Zeugenbescheinigung sei auch BGE 103 II 84 S. 87 deshalb mangelhaft, weil eine Bestätigung darüber fehle, dass der Erblasser die in Art. 501 Abs. 1 ZGB vorgeschriebene Erklärung in Anwesenheit der Urkundsperson abgegeben habe. Richtig ist, dass letzteres vom Gesetz verlangt wird ( BGE 60 II 276 ; ESCHER, N. 3 zu Art. 501 ZGB ). Eine andere Frage ist es jedoch, ob die Zeugenbestätigung die Erfüllung dieser Voraussetzung erwähnen muss. Nach dem Gesetzeswortlaut ist dies nicht erforderlich, denn in Art. 501 Abs. 2 ZGB heisst es lediglich, die Zeugen hätten zu bestätigen, dass der Erblasser die Erklärung "vor ihnen" ("en leur présence", "in loro presenza"), also vor den Zeugen selber, abgegeben habe. Es fragt sich, ob über diesen klaren Wortlaut hinaus verlangt werden könne, dass die Zeugen ausserdem bestätigen, auch der Urkundsbeamte sei anwesend gewesen. Gegen die Bejahung dieser Frage spricht zunächst das Gebot der Rechtssicherheit. Die Einhaltung der für die Testamentserrichtung vorgeschriebenen Form ist von so grosser Tragweite, dass die am Rechtsakt Beteiligten in ihrem Vertrauen auf eine möglichst wörtliche Befolgung des Gesetzes zu schützen sind. Die Formerfordernisse dürfen schon aus diesem Grunde nicht über den Gesetzeswortlaut hinaus ausgedehnt werden. Dazu kommt, dass der Zweck der gesetzlichen Regelung dies gar nicht erfordert. Mit dem Beizug zweier Zeugen und ihrer Bescheinigung auf der Testamentsurkunde soll nämlich eine klare Feststellung darüber erwirkt werden, dass der Erblasser sich von der Übereinstimmung des Urkundeninhalts mit dem von ihm kundgegebenen Willen Gewissheit verschafft und darüber eine ausdrückliche Erklärung abgegeben hat ( BGE 89 II 367 E. 2) sowie dass er sich dabei - soweit ersichtlich - im Zustande der Verfügungsfähigkeit befand. Auf diese Wahrnehmungen muss sich deshalb die Bestätigung der Zeugen vernünftigerweise beschränken können. Der Hinweis der Klägerin auf Anregungen, die verschiedene Autoren für die Formulierung der Zeugenbescheinigung gemacht haben, ist unbehelflich. Diese Vorschläge sind zum Teil weiter gefasst als unbedingt notwendig, sei es aus Vorsicht, sei es im Bestreben, möglichst viele Tatsachen dem erleichterten Beweis durch eine öffentliche Urkunde ( Art. 9 Abs. 1 ZGB ) zuzuführen. TUOR weist in seinem Kommentar ausdrücklich darauf hin, dass in der von ihm vorgeschlagenen Bestätigungsformel BGE 103 II 84 S. 88 die Worte "in Gegenwart von Notar..." streng genommen fehlen dürften (N. 11 zu Art. 501 ZGB ). Auch aus den andern einschlägigen Werken geht mindestens indirekt hervor, dass sich der notwendige Inhalt der Bestätigung der Zeugen auf deren Wahrnehmung über die vom Erblasser abzugebende Anerkennungserklärung und dessen Geisteszustand beschränkt (ESCHER, N. 5/6 zu Art. 501 ZGB ; TUOR/SCHNYDER, a.a.O. S. 378; PIOTET, a.a.O. S. 212: vgl. auch BGE 42 II 204 E. 1). Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichts vom 3. Dezember 1976 bestätigt.
public_law
nan
de
1,977
CH_BGE
CH_BGE_004
CH
Federation
dfe044a7-239b-4d74-aa7e-378bc9789a33
Urteilskopf 113 IV 47 14. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 26. Februar 1987 i.S. L. c. Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste Art. 277ter BStP . Diese Bestimmung verbietet dem kantonalen Richter nicht, einen bestimmten Strafzumessungsgrund im Rückweisungsverfahren nach teilweiser Gutheissung einer eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde unter Berücksichtigung neu hinzugekommener Strafmilderungs- oder Strafminderungsgründe anders zu gewichten als im ersten Verfahren (E. 4a).
Erwägungen ab Seite 47 BGE 113 IV 47 S. 47 Aus den Erwägungen: 4. In der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde wird sodann unter Berufung auf die Art. 11, 63, 64, 68 StGB und Art. 277ter BStP die Strafzumessung angefochten. a) Der Beschwerdeführer vermag nicht darzulegen, inwiefern die Vorinstanz im zweiten Entscheid vom 7. Februar 1986 mit ihrer rechtlichen Würdigung der teilweisen Schuldenabzahlung an die durch die Betrüge gemäss Punkt II der Anklage vom 14. Februar 1983 geschädigte Fa. Amexco Art. 63 und 64 StGB verletzt habe. Aus dem ersten Urteil des Zürcher Obergerichts vom 3. Oktober 1983 geht nicht hervor, ob und in welchem Masse die "zugunsten" des Beschwerdeführers sprechende teilweise Wiedergutmachung des Schadens strafmildernd oder strafmindernd berücksichtigt wurde; Art. 64 StGB wird jedenfalls nicht erwähnt. Art. 277ter BStP verbietet dem kantonalen Richter im übrigen nicht, einen bestimmten Strafzumessungsgrund im Rückweisungsverfahren nach teilweiser Gutheissung einer eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde unter Berücksichtigung neu hinzugekommener Strafmilderungs- oder Strafminderungsgründe anders zu gewichten als im ersten Verfahren. Der Richter hat diejenige Strafe auszufällen, die ihm unter Berücksichtigung der gesamten Umstände als angemessen erscheint, und es kann daher das Gewicht eines bestimmten Strafzumessungsgrundes nicht losgelöst von den übrigen Strafzumessungsfaktoren bestimmt werden.
null
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1,987
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CH_BGE_006
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dfe21c6f-e504-4ad3-8086-6284573f9222
Urteilskopf 90 IV 86 19. Urteil des Kassationshofes vom 5. Juni 1964 i.S. Oberli gegen Generalprokurator des Kantons Bern.
Regeste Art. 36 Abs. 2 SVG , Art. 14 und 15 VRV . Vortritt auf Nebenstrassen. Auf Verzweigungen von Nebenstrassen bleibt es bei der Regel, dass der von rechts kommende Fahrer den Vortritt hat, mögen die sich kreuzenden Srrassen noch so unterschiedlichen Verkehr aufweisen. Der Vortrittsberechtigte hat sich zumindest durch einen raschen Blick auch nach links zu vergewissern, dass er freie Fahrt habe, und zwar muss dies in einem Zeitpunkt geschehen, in dem er sich diese Sicherheit wirklich verschaffen kann. Auf Fahrer, die gleichzeitig von links kommen, sein Fahrzeug aber sehen können, bevor sie die Strassenverzweigung erreichen, braucht er weiter keine besondere Rücksicht zu nehmen.
Sachverhalt ab Seite 87 BGE 90 IV 86 S. 87 A.- Die Strasse von Ins nach Biel kreuzt sich in Brüttelen nahezu rechtwinklig mit der von diesem Dorfe nach Treiten und Finsterhennen führenden Strasse. Beides sind Nebenstrassen mit einer Fahrbahnbreite von 7,10 m; jene wird aber viel mehr befahren als diese. Dem Fahrer, der von Finsterhennen oder Treiten her gegen die Kreuzung fährt, wird die Sicht nach links zunächst durch Gebäulichkeiten völlig verdeckt. Eine Bäckerei gibt ihm den Blick in die Strasse nach Ins erst im Einmündungsgebiet allmählich frei. Gegen rechts ist seine Sicht dagegen erheblich weniger beeinträchtigt. Er kann die Strasse nach Biel schon aus einer grösseren Entfernung 40 m weit gut überblicken. Am 16. Juni 1963, gegen 18 Uhr 45, fuhr Heidi Oberli am Steuer eines Volkswagens von Finsterhennen her mit 10-15 km/Std. auf die erwähnte Kreuzung. Sie beabsichtigte, nach links abzubiegen und Richtung Ins weiterzufahren. Sie hatte die Mitte der Kreuzung noch nicht erreicht, als ihr Fahrzeug von einem Volkswagen, der mit 30-40 km/Std. von Ins her kam und von Aebischer gesteuert war, seitlich gerammt wurde. B.- Der Gerichtspräsident von Erlach verurteilte Heidi Oberli in Anwendung der Art. 26 Abs. 1, 31 Abs. 1, 32 Abs. 1 und 90 Ziff. 1 SVG zu einer Busse von Fr. 30.-. Das Obergericht des Kantons Bern bestätigte dieses Urteil am 12. März 1964. Es wirft der Gebüssten vor, nicht mit der nach den Umständen gebotenen Vorsicht auf die Hauptverkehrsader Ins-Biel, deren Bedeutung ihr nicht habe entgehen können, eingeschwenkt zu sein. Vor allem aber habe sie die Geschwindigkeit den Sichtverhältnissen an der Kreuzung nur ungenügend angepasst. BGE 90 IV 86 S. 88 C.- Die Verurteilte führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag auf Freisprechung. D.- Der Generalprokurator des Kantons Bern beantragt, die Beschwerde abzuweisen. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: 1. Das Obergericht wirft der Beschwerdeführerin nicht vor, sie wäre ausserstande gewesen, einem von rechts kommenden Fahrzeug den Vortritt zu lassen, und sie hätte aus diesem Grunde ihre Geschwindigkeit noch mehr herabsetzen sollen. Es sagt im Gegenteil, dass Heidi Oberli der Sorgfaltspflicht nach rechts genügte; sie habe etwa drei Sekunden vor dem Zusammenstoss einen kurzen Blick nach links geworfen, vorher und nachher aber ausschliesslich nach vorn und nach rechts beobachtet. Ihre Geschwindigkeit hätte ihr zudem erlaubt, ein gleichzeitig von rechts nahendes Fahrzeug durchzulassen. Das Obergericht führt ferner aus, nach dem Urteil in BGE 89 IV 100 ff. müsse angenommen werden, dass die Beschwerdeführerin in der Zeitspanne von 2-3 Sekunden noch ein zweites Mal hätte nach links blicken sollen, was ihr auch möglich gewesen wäre. Es fügt aber bei, dass Heidi Oberli angesichts der Geschwindigkeit der beiden Fahrzeuge den Zusammenstoss auch diesfalls nicht mehr hätte vermeiden können. 2. Die Feststellung, dass es trotzdem zum Zusammenstoss gekommen wäre, hätte gemäss BGE 89 IV 101 /2 dazu führen müssen, die ganze Verantwortung dem Vortrittsbelasteten aufzuerlegen. Das Obergericht scheute diese Folgerung. Es findet, wenn zwei Nebenstrassen mit ganz unterschiedlicher Bedeutung einander kreuzten, wie hier, dann dränge sich eine andere Lösung auf. Erfahrungsgemäss sei der Verkehr auf der Hauptverkehrsader flüssiger, und darauf müsse auch der vortrittsberechtigte Fahrer, der aus einer verkehrsarmen Nebenstrasse komme, Rücksicht nehmen. Er habe diesem Verkehr gegenüber ebenfalls eine erhöhte Sorgfaltspflicht und dürfe, solange innerorts BGE 90 IV 86 S. 89 keine entsprechende Signalisierung bestehe, sein Vortrittsrecht nur im Rahmen dieser Pflicht ausüben. Wo die Sicht nach links so stark beeinträchtigt werde wie hier, habe er seine Geschwindigkeit nicht nur den Sichtverhältnissen nach rechts anzupassen, sondern seine Fahrweise in gleichem Masse nach den Strassen- und Verkehrsverhältnissen vortrittsbelasteter Fahrer auf der Hauptverkehrsader auszurichten, die Fahrt folglich so zu mässigen, dass er notfalls sogleich anhalten könne. Dies dürfe ihm insbesondere dann zugemutet werden, wenn er sich des ungenügenden Überblicks wegen sagen müsse, dass es ohne sein Anhalten zum Zusammenstoss kommen könnte. Er habe sich daher den Sichtverhältnissen nach links entsprechend sorgfältig, unter Umständen im Schrittempo in die Hauptverkehrsader hineinzutasten. a) Die Annahme des Obergerichts, dass sich bei Nebenstrassen eine Unterscheidung nach ihrer Beanspruchung aufdränge, wenn es um das Vortrittsrecht geht, entbehrt schon der gesetzlichen Grundlage. Die Strassenverkehrsgesetzgebung ordnet den Verkehr auf den öffentlichen Strassen ( Art. 1 Abs. 1 SVG ), die sie in folgende Kategorien unterteilt: a) Autobahnen und Autostrassen ( Art. 1 Abs. 3 VRV ), b) Strassen, die als Hauptstrassen gekennzeichnet sind ( Art. 36 Abs. 2 Satz 2 SVG , 5 Abs. 4 und 15 VRV), c) Nebenstrassen ( Art. 5 Abs. 4 und 15 VRV ) und d) Feldwege ( Art. 1 Abs. 8 VRV ). Wo das Gesetz die Anwendung gewisser Verkehrsregeln auf alle Haupt- und Nebenstrassen nicht für angebracht hält, sagt es dies selber. So beziehen sich die Art. 45 SVG und 38 VRV nur auf Strassen mit starkem Gefälle und auf Bergstrassen, die sowohl zu den Hauptstrassen wie zu den Nebenstrassen zählen können. Ebenso gelten die Art. 44 SVG und 8 VRV bloss für Strassen mit mehreren Fahrstreifen. Fahrer, welche Strassen dieser Art benützen, haben in bezug auf den Kolonnenverkehr besondere Regeln zu beachten, gleichviel, ob es sich um Haupt- oder Nebenstrassen handelt. Die Verkehrsvorschriften, die sich auf den Vortritt an BGE 90 IV 86 S. 90 Strassenverzweigungen beziehen ( Art. 36 Abs. 2 SVG , 14 und 15 VRV), sehen eine besondere Regelung nur zugunsten der Benützer der Hauptstrasse vor. Für Fahrer auf Nebenstrassen, deren Bahnen sich überschneiden, bleibt es bei der allgemeinen Regel, dass der von rechts Kommende den Vortritt hat, mögen die Strassen noch so unterschiedlichen Verkehr aufweisen. b) Die Auffassung der Vorinstanz widerspricht nicht nur dem Gesetz, sondern auch dem Sinn des Vortrittsrechtes. Das angefochtene Urteil kann nur dahin verstanden werden, dass Heidi Oberli, die mit der sehr mässigen Geschwindigkeit von 10 km/Std. in die Kreuzung einfuhr, ihre Fahrt zugunsten von links Kommender noch mehr hätte verlangsamen sollen. Gerade um solcher Folgen willen hat der Kassationshof schon öfters Auffassungen wie die vorinstanzliche als unzutreffend verworfen. Gewiss darf der Berechtigte den Vortritt an Strassenverzweigungen nicht mit beliebiger Geschwindigkeit beanspruchen und es auch nicht bei der Beobachtung nach rechts bewenden lassen. Er hat trotz seines Vortrittsrechtes die Geschwindigkeit den Strassen- und Verkehrsverhältnissen anzupassen, aufmerksam zu sein und sich zumindest auch durch einen raschen Blick nach links zu vergewissern, dass er freie Fahrt habe, und zwar muss dies in einem Zeitpunkt geschehen, in dem er sich diese Sicherheit wirklich verschaffen kann. Wenn er dabei sieht oder bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit sehen könnte, dass ihm jemand den Vortritt nicht lassen will, oder nicht mehr lassen kann, darf er ihn nicht erzwingen, sondern muss seinerseits alles Zumutbare vorkehren, um einen Zusammenstoss zu verhüten ( BGE 77 IV 221 , BGE 79 II 216 , BGE 81 IV 137 f., BGE 83 IV 172 ). Das heisst nicht, dass er zum vorneherein mit der Missachtung seines Vortrittsrechtes zu rechnen und sich darnach zu verhalten habe. Das Vortrittsrecht gehört zu den grundlegenden Verkehrsregeln. Es würde unweigerlich entwertet, ja ins Gegenteil verkehrt, wenn der Berechtigte bei schlechter Sicht gegen links so langsam in die Kreuzung BGE 90 IV 86 S. 91 einfahren müsste, dass er jederzeit anhalten und nötigenfalls auch einen von links nahenden Fahrer durchlassen könnte. Soll das Vortrittsrecht seinen Sinn und Wert behalten, so kann vom Berechtigten nicht verlangt werden, dass er sich in die Kreuzung vortaste, wenn für ihn die Sicht nach links erst im Einmündungsgebiet beginnt. Er soll und darf diesfalls wegen seines Vortrittsrechtes voraussetzen können, dass der von links Kommende dem beschränkten Überblick Rechnung trage ( BGE 84 IV 59 f., BGE 89 IV 100 ff.). c) Die Auffassung des Obergerichts müsste sich zudem sehr nachteilig auswirken. Das Gesetz und die Verordnung haben klare Verhältnisse geschaffen. Wo Signale fehlen, hat der Fahrer sich innerorts auf Strassenverzweigungen an die allgemeine Regel zu halten ( Art. 36 Abs. 2 SVG ). Das gleiche gilt für Verzweigungen von Nebenstrassen ausserorts. Diese Regelung enthebt den Fahrer der Sorge, sich über die Bedeutung der sich kreuzenden Strassen Gedanken zu machen. Dass dies im Interesse der Sicherheit und Flüssigkeit des Verkehrs liegt, kann nicht zweifelhaft sein. Wollte man der Auffassung des Obergerichts folgen, so müsste der ortsunkundige Fahrer, der keine Anhaltspunkte für die gegenteilige Annahme hat und sich keinem Vorwurf aussetzen will, stets davon ausgehen, dass der Querstrasse die grössere Verkehrsbedeutung zukomme. Die Folge davon wäre, dass er bei beschränkter Sicht nach links im Schritttempo auf die Kreuzung fahren müsste, selbst wenn er sich, ohne es zu wissen, auf der verkehrsreicheren Strasse der Verzweigung nähert. Dass damit gerade auf stark befahrenen Nebenstrassen der Flüssigkeit des Verkehrs nicht gedient wäre, kann wiederum nicht zweifelhaft sein. Gewiss wird einem aufmerksamen Fahrer die grössere Verkehrsbedeutung einer Strasse, in die er einzubiegen oder die er zu überqueren gedenkt, nicht entgehen, wenn auf dieser Kolonnenverkehr herrscht. Aber selbst auf der verkehrsreichsten Strasse kann bisweilen Stille eintreten. Der Fahrer, der auf die Kreuzung zufährt und keinen BGE 90 IV 86 S. 92 Querverkehr feststellt, liefe dann Gefahr, sich über die Bedeutung der Strassen zu täuschen, zumal wenn sie, wie hier, die gleiche Breite aufweisen. Der Umstand, dass die Strasse von Ins nach Biel eine viel befahrene Durchgangsstrasse, diejenige von Brüttelen nach Treiten und Finsterhennen dagegen eine verkehrsarme Verbindungsstrasse ist, vermag deshalb am Vortrittsrecht der Beschwerdeführerin nichts zu ändern. Wo unterschiedliche Verkehrsverhältnisse den Vortritt aus einer Seitenstrasse untragbar machen, ist es Sache der Behörden, ihn durch das Signal Nr. 116 oder 217 aufzuheben. Fehlten solche Signale, so konnte Heidi Oberli davon ausgehen, dass sich von links Kommende an die Vorschriften der Art. 36 Abs. 2 SVG und 14 und 15 VRV halten und ihr den Vortritt lassen. 3. Die Beschwerdeführerin ist nach den Feststellungen des Obergerichts so langsam auf die Kreuzung gefahren, dass sie dem gleichzeitig von links nahenden, die Umstände jedoch berücksichtigenden Fahrer nicht verunmöglichte, ihr den Vortritt zu lassen. Sie darf deshalb nicht wegen Übertretung von Art. 32 Abs. 1 SVG bestraft werden. Fragen kann sich nur, ob sie sich dadurch strafbar machte, dass sie nicht ein zweites Mal nach links schaute, obschon ihr dies möglich gewesen wäre. Die Vorinstanz scheint ihr das zwar nicht vorzuwerfen, weil Heidi Oberli den Zusammenstoss trotzdem nicht mehr hätte vermeiden können. Allein darauf käme so oder anders nichts an. Gegen Art. 31 Abs. 1 SVG verstösst nicht nur, wer tatsächlich und unvermeidbar einen Unfall verursacht. Die bloss abstrakte Möglichkeit von Unfällen oder Verkehrsstörungen als Folge mangelhafter Aufmerksamkeit genügt, damit der schuldhaft handelnde Fahrer strafbar sei ( BGE 76 IV 55 , 131; BGE 81 IV 131 , 297 f.). Die Strafe darf indes nicht davon abhängig gemacht werden, dass die Beschwerdeführerin ein zweites Mal gegen links hätte blicken können; entscheidend ist vielmehr einzig, ob sie das hätte tun sollen. BGE 90 IV 86 S. 93 Unter der Herrschaft des alten Rechts leitete die Rechtsprechung die Pflichten des Vortrittsberechtigten gegenüber andern Strassenbenützern aus Art. 25 Abs. 1 MFG ab. Nach dem neuen Recht bilden sie Gegenstand einer besondern Bestimmung. Gemäss Art. 14 Abs. 2 VRV hat der Vortrittsberechtigte auf Strassenbenützer Rücksicht zu nehmen, welche die Strassenverzweigung erreichten, bevor sie ihn erblicken konnten. Damit wird zugleich gesagt, dass der Berechtigte sich um vortrittsbelastete Strassenbenützer, die sein Fahrzeug sehen können, bevor sie die Strassenverzweigung erreichen, nicht weiter zu kümmern braucht. Eine solche Regelung hat ihren guten Sinn. Sie gibt dem Vortrittsrecht ihren vollen Wert, ohne indes die besondere Lage des vortrittsbelasteten Fahrers, der die Kreuzung (der Nebenstrassen) erreicht, von rechts kommende Fahrzeuge aber nicht sehen kann, ausser acht zu lassen. Warum der Vortrittsberechtigte auf solchen Strassen besondere Rücksicht nehmen sollte auf Fahrer, die von links kommen, sein Fahrzeug aber rechtzeitig wahrnehmen können, ist nicht zu ersehen. Sie brauchen sich nur pflichtgemäss zu verhalten, um ihm den Vortritt zu lassen. Diesen gegenüber besondere Rücksicht nehmen, hiesse für ihn, die Fahrt zugunsten Nichtberechtigter verlangsamen, womit sein Vortrittsrecht illusorisch würde. Hat der Berechtigte sich aber nicht um Fahrer zu kümmern, die gleichzeitig von links kommen, ihn jedoch beizeiten sehen können, so kann von ihm auch nicht verlangt werden, dass er gegen diese Seite blicke, um sich über ihr Herannahen weiter Rechenschaft zu geben. Aebischer hat den Wagen der Beschwerdeführerin gesehen, bevor er selber die Kreuzung erreichte. Heidi Oberli ihrerseits schaute etwa 10,5 m vor der Kreuzungsmitte gegen Imks, wobei sie die Strasse nach Ins 27 m weit frei überblicken konnte. Da sie auf diese Entfernung keine Strassenbenützer nahen sah, durfte sie davon ausgehen, dass kein Fahrer von links her die Kreuzung erreichen werde, ohne ihr Fahrzeug wahrzunehmen. Sie war folglich BGE 90 IV 86 S. 94 nicht verpflichtet, noch ein zweites Mal in diese Richtung zu blicken, sondern konnte sich darauf beschränken, nach rechts und nach vorn zu beobachten. Heidi Oberli ist deshalb freizusprechen. Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil der I. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Bern vom 12. März 1964 aufgehoben und die Sache zur Freisprechung der Beschwerdeführerin an die Vorinstanz zurückgewiesen.
null
nan
de
1,964
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CH_BGE_006
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Federation
dfe52317-5394-400c-b063-26b59b98d84d
Urteilskopf 82 I 297 42. Sentenza della II Corte civile 11 dicembre 1956 nella causa Demetrio Ferrari SA contro lo Stato del Cantone Ticino.
Regeste Art. 954 ZGB und Art.21und 30 lit. a des tessinischen Tarifs für grundbuchliche Vorkehrungen. Abgrenzung zwischen Gebühr und Steuer bei der sog. gemischten Abgabe.
Sachverhalt ab Seite 298 BGE 82 I 297 S. 298 A.- La SA Demetrio Ferrari chiedeva all'Ufficio dei registri di Mendrisio l'iscrizione di quattordici cartelle ipotecarie al portatore, per un importo complessivo di 2 393 904 fr. sul proprio immobile a Chiasso. Per queste operazioni l'Ufficio dei registri, in applicazione del decreto legislativo 9 settembre 1941 sulla tariffa per le operazioni nel registro fondiario (TRF) e della legge cantonale sul bollo 9 gennaio 1931 (LCB), chiedeva a titolo di tasse e spese la somma di 36 002 fr. 20. La tassazione avveniva sulle seguenti basi: a) 11 ‰ tassa per l'iscrizione di pegni immobiliari (art. 21 TRF); b) 3 ‰ tassa addizionale per l'iscrizione (emissione) di cartelle ipotecarie (art. 30 lett. a TRF); c) 1 ‰ tassa di bollo (art. 6 LCB) oltre la tassa per la controfirma delle cartelle da parte del Pretore (1 fr. 50 per cartella), le spese di scritturazione di 0 fr. 50 per pagina e quelle postali. B.- La SA Demetrio Ferrari ricorreva al Dipartimento cantonale di giustizia, quale autorità di vigilanza sul registro fondiario, adducendo che la tassazione era esorbitante e, come tale, lesiva del diritto federale. Essa concludeva chiedendone la riduzione a 10 000 fr. Con decisione 29 febbraio 1956 il Dipartimento cantonale di giustizia respingeva il ricorso. C.- La SA Demetrio Ferrari ha interposto ricorso di diritto amministrativo al Tribunale federale. La ricorrente chiede che la querelata decisione sia riformata nel senso che le tasse d'iscrizione a registro fondiario vengano ridotte dal 14‰ al 4 ‰, subordinatamente che gli atti siano rinviati all'istanza cantonale per nuovo giudizio. A sostegno del suo gravame la ricorrente adduce in sostanza BGE 82 I 297 S. 299 quanto segue: Le tasse d'iscrizione a registro fondiario previste dagli art. 21 e 30 lett. a TRF sono esorbitanti e non reggono il confronto con quelle degli altri Cantoni. Esse hanno per conseguenza di rendere impossibile o eccessivamente gravosa una istituzione di diritto federale. Tale eccessiva onerosità costituisce una violazione del principio della forza derogatoria del diritto federale (art. 2 disp. trans. CF). Secondo la inequivocabile formulazione del decreto legislativo 9 settembre 1941 e gli intendimenti del legislatore ticinese le tasse litigiose sono "tasse amministrative" in senso stretto, che devono essere commisurate alle spese per la tenuta del registro fondiario. Orbene i dati statistici più aggiornati stanno a dimostrare la sproporzione esistente tra le entrate costituite dalle tasse e le spese degli uffici del registro fondiario del Cantone Ticino. In realtà, le tasse d'iscrizione sono abbinate ad un'imposta indiretta, con la conseguenza che l'onere complessivo diventa manifestamente abusivo. La possibilità d'un siffatto abbinamento non dovrebbe essere confermata se il provvido ed indispensabile principio, secondo cui il diritto cantonale non può rendere troppo onerosa un'istituzione di diritto federale, deve mantenere la sua reale efficacia. Degli altri argomenti della ricorrente si dirà, per quanto occorra, nei considerandi. D.- Il Dipartimento cantonale di giustizia ha proposto la reiezione del ricorso, adducendo in compendio quanto segue: Dottrina e giurisprudenza sono concordi nell'ammettere la facoltà del Cantone di congiungere con la tassa di registro in senso stretto un'imposta di mutazione, che attiene esclusivamente al diritto cantonale. Incontroversa è altresì l'ammissibilità d'una siffatta imposizione per le iscrizioni ipotecarie. Le tasse previste dall'art. 21 TRF non sono sproporzionate all'onere che risulta allo Stato dall'istituzione del registro fondiario. Il rapporto non dev'essere fatto in base alle entrate e spese degli uffici del registro fondiario di un anno particolarmente favorevole, ma di un periodo più lungo (quinquennio). Le tasse BGE 82 I 297 S. 300 d'iscrizione ticinesi, comprese quelle di emissione delle cartelle ipotecarie (art. 30 lett. a TRF) e di bollo (art. 6 LCB), non risultano eccessivamente onerose e non sono, ad ogni modo, tra le più elevate della Svizzera. Il Dipartimento federale di giustizia e polizia, richiamato il principio che le tasse cantonali per le iscrizioni a registro fondiario non devono essere - anche nella forma di contribuzioni miste - talmente elevate da rendere illusoria un'istituzione del diritto federale, si è astenuto dal formulare una proposta concreta. Esso ha tuttavia aggiunto che, a suo modo di vedere, la chiesta riduzione dal 14‰ al 4‰ non sarebbe giustificata. E.- Contro la decisione dipartimentale 29 febbraio 1956 la ricorrente ha anche interposto un ricorso di diritto pubblico, che sarà trattato in sede separata. Erwägungen Considerando in diritto: 1. Da esaminare nella procedura di diritto amministrativo è soltanto l'ammissibilità dell'ammontare della tassa d'iscrizione a registro fondiario. La questione se per la stessa operazione a registro possano essere prelevati anche altri tributi (tassa di bollo o imposte indirette) non si pone in questa procedura, ma si porrà e sarà esaminata in quella di diritto pubblico *). Siccome la ricorrente non ha impugnato la tassa per la controfirma delle cartelle ipotecarie da parte del Pretore, le spese di scritturazione e postali, queste poste non debbono essere sindacate dal Tribunale federale. 2. Il registro fondiario è un'istituzione di diritto federale. L'art. 954 cp. 1 CC lascia tuttavia ai Cantoni il diritto di stabilire delle tasse per le iscrizioni a registro. La tassa riscossa dal Cantone Ticino per l'iscrizione delle cartelle litigiose, calcolata conformemente alle disposizioni cantonali vigenti in materia, consta di due contribuzioni: l'una ordinaria dell'11‰ per l'iscrizione vera e propria del pegno immobiliare (art. 21 TRF), l'altra addizionale *) Cfr. pag. 281. BGE 82 I 297 S. 301 del 3 ‰, per l'iscrizione delle cartelle ipotecarie al portatore (art. 30 lett. a TRF). Anche se il termine "iscrizione" di quest'ultimo disposto appaia improprio, in quanto si riferisce in realtà all'operazione dell'"emissione" delle cartelle, la riscossione di una tassa addizionale a tale titolo non è contraria al diritto federale. Sebbene parli d'"iscrizioni", l'art. 954 cp. 1 CC autorizza il prelevamento di tasse per tutte le prestazioni dell'Ufficiale del registro fondiario, così anche per gli estratti, i certificati, ecc. (HOMBERGER commentario, nota 1 all'art. 954 CC). Per la maggior utilizzazione dell'istituzione del registro fondiario, rappresentata dall'emissione delle cartelle ipotecarie, il Cantone ben può quindi esporre un supplemento nella forma d'una tassa addizionale. Questa non è del resto, in via di massima, impugnata nel ricorso. 3. Con riferimento alle tariffe per le operazioni a registro fondiario di altri Cantoni, la ricorrente sostiene che le tasse confermate dall'istanza cantonale non rivestono più il carattere d'una "tassa" in senso tecnico del termine, bensì quello d'una vera e propria imposta progressiva. La questione sollevata va esaminata nella procedura di diritto amministrativo (RU 48 I 540). Poichè l'opinione giuridica comunemente ammessa fa una distinzione tra la tassa e l'imposta, il prelevamento di un'imposta invece d'una tassa a'sensi dell'art. 954 cp. 1 CC violerebbe infatti il diritto federale (art. 104 cp. 1 OG). a) A differenza dell'imposta, la tassa è un tributo causale, ossia il corrispettivo dell'utente per una prestazione concreta dell'amministrazione (E. BLUMENSTEIN, Sistema di diritto delle imposte, p. 2; IM HOF, Beitrag, Gebühr, Steuer und ihre Unterscheidung, Zentralblatt für Staats- und Gemeindeverwaltung, vol. 52 p. 393 sgg.; RU 47 I 299, 63 I 152, 72 I 86, 75 I 111 e 81 I 187). A motivo di questa sua funzione di corrispettivo, la tassa dev'essere adeguata al servizio per il quale è dovuta. Ciò non significa tuttavia che essa non possa eccedere il valore oggettivo della prestazione statale (RUCK, Verwaltungsrecht, vol. I p. 154). Se non può essere riscossa senza alcun BGE 82 I 297 S. 302 riguardo alla spesa complessiva che occasiona allo Stato l'insieme del servizio istituito per adempiere la funzione, la tassa non diventa già illegale quando il suo gettito, oltre che coprire le spese, lascia un certo utile allo Stato (IM HOF, op.cit. p. 406). Nella commisurazione della tassa si può tener conto, a norma della giurisprudenza: in primo luogo, accanto all'elemento spesa dello Stato, del profitto per l'utente, vale a dire dell'interesse che rappresenta per lui l'operazione; in secondo luogo, della necessità di compensare l'insufficienza delle tasse previste per operazioni analoghe nel caso in cui l'interesse in causa sia minimo. Le tasse possono quindi essere non soltanto proporzionali, ma, entro certi limiti, anche progressive (RU 72 I 396). b) Sempre secondo la giurisprudenza, i Cantoni possono inoltre prelevare, a titolo di tasse per le operazioni a registro fondiario, contribuzioni miste, aventi contemporaneamente il carattere di una tassa e quello di un'imposta indiretta sull'atto. La ricorrente insorge contro l'ammissibilità d'un siffatto abbinamento; le sue critiche non debbono però essere vagliate in questa procedura, ma in quella a dipendenza del ricorso di diritto pubblico. Chiamato a pronunciarsi sulla tariffa ticinese in tema di tasse per l'iscrizione del trapasso d'immobili (art.11), il Tribunale federale ha dichiarato che si era in presenza d'una contribuzione mista, e che solo la metà poteva essere considerata quale tassa amministrativa (RU 72 I 391 sgg.; sentenza non pubblicata 23 novembre 1955 nella causa Soldati). Di massima, la stessa conclusione s'imporrebbe nella fattispecie, atteso che le tasse previste per l'iscrizione delle cartelle ipotecarie al portatore (art. 21 TRF) sono identiche a quelle previste per l'iscrizione del trapasso di immobili (art. 11 TRF). A motivo delle obiezioni di principio della ricorrente, che mettono in dubbio la natura stessa degli emolumenti riscossi, occorre tuttavia ancora esaminare se, anche solo nella misura della metà (7 ‰), essi possano essere considerati come una tassa amministrativa. Non è difatto così, come sostiene il Dipartimento BGE 82 I 297 S. 303 cantonale, che nella citata sentenza Soldati il Tribunale federale abbia statuito, una volta per tutte, che le tasse previste dalla tariffa ticinese in materia di registro fondiario non sono eccessive e non sono tra le più alte in Svizzera. 4. Come già si è esposto, gli emolumenti riscossi per le operazioni a registro perdono il carattere di una tassa vera e propria segnatamente quando per l'iscrizione di trapassi o pegni immobiliari di valore particolarmente elevato l'aliquota soggiaccia ad una progressione eccessiva e quando, a motivo di questa progressione, detti emolumenti fruttino allo Stato più che il corrispettivo della spesa generale per l'istituzione amministrativa e un modico utile. Nella sentenza RU 53 I 488 fu sollevata la questione se l'aliquota del 4 ‰ della tariffa vallesana per l'iscrizione di un'ipoteca di 25 milioni fosse ammissibile. La questione potè rimanere insoluta perchè il Cantone ridusse volontariamente l'aliquota all'1,75 ‰. Quest'aliquota fu confermata, sebbene l'importo delle tasse di 43 750 fr. fosse apparso "straordinariamente elevato". Considerata solo da questo punto di vista, la progressione della tariffa ticinese che per l'iscrizione delle cartelle ipotecarie di 2 393 904 fr. prevede una "tassa" in senso lato del 14 ‰ e una tassa propriamente detta del 7‰ con un corrispettivo di 33 500 fr., rispettivamente di 16 750 fr., dovrebbe essere dichiarata eccessiva. Quest'aspetto non può tuttavia essere disgiunto da quello relativo alla copertura della spesa generale per l'istituzione del registro fondiario. In questo connesso il Dipartimento rileva anzitutto che non si tratta d'una sola operazione per un valore di 2 393 904 fr., ma dell'iscrizione ed emissione di 14 diverse cartelle ipotecarie. Ciò è irrilevante, poichè per iscrizioni siffatte, chieste contemporaneamente dal medesimo interessato, è applicabile l'aliquota corrispondente al valore complessivo. L'amministrazione deve di conseguenza anche considerarle come una sola operazione. Maggior peso ha BGE 82 I 297 S. 304 invece l'argomento del Dipartimento cantonale che la tassa vera e propria copre appena, in media, le spese amministrative, senza lasciare un utile notevole. È accertato che attualmente dette spese ammontano a 773 000 fr. in cifra tonda all'anno, mentre le entrate complessive a titolo di tasse si aggirarono nel 1955 sui 2 230 000 fr. e nella media degli ultimi cinque anni (1951/1955) a circa 1 496 000 fr. La metà di queste entrate medie (imputabile alle tasse vere e proprie) corrisponde press'a poco all'ammontare medio delle spese. È vero che in questi ultimi anni le entrate sono accresciute considerevolmente. La media del triennio 1953/1955 dà un importo di 1 780 000 fr., costituito per metà (890 000 fr.) dalle tasse amministrative. Per tale periodo le entrate hanno non solo coperto la spesa degli uffici del registro fondiario, ma lasciato un utile di circa 117 000 fr. all'anno. Tuttavia, come già si è visto, nella commisurazione delle tasse può essere tenuto conto di un certo utile in favore dell'erario, e quello di cui si tratta non appare eccessivo. D'altra parte, in un'epoca caratterizzata dal rincaro della vita e dall'aumento dei salari è da attendersi anche ad una maggiore spesa per le istituzioni amministrative. Determinante non può quindi essere il risultato di pochi anni favorevoli, ma quello medio di un periodo più lungo. Non si può quindi affermare che il rapporto tra la prestazione amministrativa e il corrispettivo costituito dalla tassa propriamente detta sia nella fattispecie inconciliabile con il concetto della tassa in senso tecnico. Nonostante la forte progressione delle aliquote, gli emolumenti impugnati, sempre nella misura della metà (7 ‰), possono quindi ancora essere considerati come una tassa e non come un'imposta. 5. Contraria al diritto federale è altresì una tariffa cantonale, quando le tasse previste per le operazioni a registro hanno carattere proibitivo, in altri termini quando rendono impossibile o oltremodo gravoso un istituto del diritto federale (HOMBERGER, nota 1 all'art. 954 CC; RU 48 I 541 e 73 I 383/4). Questo è difatto l'addebito principale mosso dalla ricorrente alla tassazione impugnata. BGE 82 I 297 S. 305 Sennonchè, una tassa amministrativa del 7 ‰ del valore delle cartelle ipotecarie non può ancora essere considerata come proibitiva. Se si conta con un reddito medio delle cartelle del 3%, l'importo unico riscosso a titolo di tassa non raggiunge un quarto del reddito annuo. L'interesse di garantire con pegno immobiliare un credito di circa fr. 2,4 milioni e di mobilizzarlo nella forma di cartelle ipotecarie al portatore è considerevole; non si può pretendere che una tassa amministrativa di tale ammontare, riscossa una sola volta, renda impossibile o eccessivamente onerosa l'utilizzazione del registro fondiario. 6. Dalla tabella contenuta nel ricorso risulta invero che le tasse previste dagli art. 21 e 30 lett. a TRF per l'iscrizione ed emissione di cartelle ipotecarie d'un valore elevato sono di molto superiori a quelle di altri Cantoni. Se siffatta tabella illustra bene la diversità della "politica tariffale" cantonale, essa richiama però delle riserve per quanto riguarda l'onere effettivo imposto agli utenti del registro fondiario in altri Cantoni. La base sicura per un raffronto potrebbe essere fornita infatti soltanto da informazioni ufficiali sull'onere complessivo per un'iscrizione dell'importo concreto che interessa, inclusi eventuali altri tributi fiscali. Occorre inoltre considerare che il costo del servizio amministrativo può variare da Cantone a Cantone, segnatamente in relazione alle condizioni topografiche e d'ordine personale, all'impianto degli uffici e ad altre possibilità di razionalizzare i servizi. Per queste considerazioni e avuto riguardo alle condizioni peculiari del Cantone Ticino, le tasse previste dalla sua tariffa agli art. 21 e 30 lett. a non appaiono - sempre nella misura ridotta in cui hanno carattere di tassa amministrativa (7‰) - manifestamente eccessive e contrarie al diritto federale. Dispositiv Il Tribunale federale pronuncia: In quanto ricevibile, il ricorso è respinto.
public_law
nan
it
1,956
CH_BGE
CH_BGE_001
CH
Federation
dfe71e27-cdc6-490c-b77e-f48db1ce10a9
Urteilskopf 117 II 231 46. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour civile du 23 mai 1991 dans la cause B. contre dame M. et consorts (recours en réforme)
Regeste Art. 8, 16, 467, 519 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB. Gültigkeit eines eigenhändigen Testamentes, das durch eine Person abgefasst wurde, die an einer Geisteskrankheit leidet. 1. Fähigkeit, Verfügungen von Todes wegen zu treffen: Zusammenfassung der anwendbaren Grundsätze (E. 2). 2. Im vorliegenden Fall ist die Testierunfähigkeit im massgebenden Zeitpunkt nicht mit genügender Gewissheit nachgewiesen (E. 3b).
Erwägungen ab Seite 232 BGE 117 II 231 S. 232 Extrait des considérants: 2. Pour disposer valablement par testament, il faut être capable de discernement ( art. 467 CC ); en est privé celui qui ne peut agir raisonnablement par suite de maladie mentale ou de faiblesse d'esprit ( art. 16 CC ); une disposition pour cause de mort faite par une personne incapable de disposer au moment de l'acte peut être annulée ( art. 519 al. 1 ch. 1 CC ), a) Est capable de discernement au sens du droit civil suisse celui qui a la faculté d'agir raisonnablement ( art. 16 CC ). Le discernement ainsi défini comporte deux éléments: un élément intellectuel, la capacité d'apprécier le sens, l'opportunité et les effets d'un acte déterminé, et un élément volontaire ou caractériel, la faculté d'agir en fonction de cette compréhension raisonnable, selon sa libre volonté ( ATF 111 V 61 consid. 3a, ATF 90 II 11 /12 consid. 3, ATF 77 II 99 /100 consid. 2; cf. GROSSEN, Les personnes physiques, Traité de droit civil suisse, II/2, p. 36; DESCHENAUX/STEINAUER, Personnes physiques et tutelle, 2e éd., p. 22, n. 79-81; WERRO, La capacité de discernement et la faute dans le droit suisse de la responsabilité, Fribourg, 2e éd., 1986, p. 28 ss, n. 144-174). De plus, en droit suisse, la capacité de discernement est relative: elle ne doit pas être appréciée dans l'abstrait, mais concrètement, par rapport à un acte déterminé, en fonction de sa nature et de son importance ( ATF 109 II 276 consid. 3, ATF 102 II 367 /368, consid. 4), les facultés requises devant exister au moment de l'acte (ATF 111 BGE 117 II 231 S. 233 V 61 consid. 3a, 108 V 128 consid. 4b, 90 II 12, consid. 3; SJ 1988 p. 286; cf. GROSSEN, op.cit., p. 38; DESCHENAUX/STEINAUER, op.cit., p. 22/23, n. 82/82a; WERRO, op.cit., p. 38/39, n. 194/195). La capacité de disposer pour cause de mort doit donc exister eu égard à l'acte en question et au moment où il est fait ( ATF 44 II 118 ss; TUOR, n. 2 ad art. 467 CC ). Si l'incapacité existait avant ou après ce moment décisif, il faut qu'on en puisse déduire l'état mental du testateur lorsqu'il a rédigé ses dispositions. La question à résoudre est dès lors de savoir si dame R. n'était pas privée de la faculté d'agir raisonnablement non pas d'une manière toute générale, mais en considération du testament litigieux et au moment où il a été confectionné (arrêts S. c. Z., du 14 mars 1957, et J. c. P., du 19 décembre 1957). Un tel acte peut comporter, suivant la situation financière et les désirs du testateur, des dispositions simples et d'une portée facile à saisir, ou se révéler malaisé à rédiger, comme c'était le cas dans les arrêts Krummenacher c. Eiholzer ( ATF 39 II 196 ss) et Bruggisser-Zehnder et Isler c. Seiler et consorts ( ATF 44 II 114 ss). Dans l'une et l'autre hypothèse, on ne demande pas que le disposant ait en fait agi raisonnablement, de façon juste et équitable; une disposition absurde peut tout au plus être tenue pour l'indice d'un défaut de discernement ( ATF 39 II 198 consid. 3; TUOR, n. 3 ad art. 467 CC ). L'annulabilité existe en revanche non seulement lorsque le de cujus n'a pas saisi raisonnablement ce qu'il faisait, mais aussi lorsque, l'ayant vu et compris, il n'était pas capable de résister normalement à une influence à laquelle il était effectivement soumis ( ATF 39 II 200 , ATF 55 II 229 consid. 4, 77 II 99/100 consid. 2, ATF 90 II 11 /12 consid. 3 et les arrêts cités). On inclinera donc, si l'acte considéré est déraisonnable, à admettre l'absence de discernement. Mais une personne n'est privée de discernement au sens de la loi que si sa faculté d'agir raisonnablement est altérée, en partie du moins, par l'une des causes énumérées à l' art. 16 CC , dont la maladie mentale et la faiblesse d'esprit, à savoir des états anormaux suffisamment graves pour avoir effectivement altéré la faculté d'agir raisonnablement dans le cas particulier et le secteur d'activité considérés ( ATF 88 IV 114 ). Par maladie mentale, il faut entendre des troubles psychiques durables et caractérisés qui ont sur le comportement extérieur de la personne atteinte des conséquences évidentes, qualitativement et profondément déconcertantes pour un profane averti ( ATF 85 II 460 consid. 3, ATF 62 II 264 ; DESCHENAUX/STEINAUER, p. 24 n. 88, qui citent BGE 117 II 231 S. 234 SCHNYDER/MAURER, n. 26 ad art. 369 CC ). Il en est ainsi souvent des idées fixes irrationnelles et des illusions (Zwangsvorstellungen, Wahnideen), dont la maladie de la persécution (arrêt S. du 9 mars 1972, consid. 3a). b) La capacité de discernement est la règle. Elle est présumée: il incombe à celui qui prétend qu'elle fait défaut de le prouver ( ATF 108 V 126 consid. 4, ATF 98 Ia 325 , ATF 90 II 12 consid. 3 et les références). Mais cette preuve n'est soumise à aucune prescription particulière ( ATF 98 Ia 325 , ATF 91 II 338 consid. 8, ATF 90 II 12 consid. 3 et les arrêts cités); une très grande vraisemblance excluant tout doute sérieux suffit, notamment quand il s'agit de l'état mental d'une personne décédée, car la nature même des choses rend alors impossible une preuve absolue ( ATF 91 II 338 consid. 8, ATF 90 II 12 consid, 3, ATF 78 II 199 , 74 II 205 consid. 1 et les arrêts cités; SJ 1988 p. 286). S'agissant d'un adulte, chez qui le discernement est généralement donné, il incombe donc à celui qui attaque le testament pour en déduire un droit à la succession d'établir des faits permettant de conclure au défaut de capacité ( ATF 56 II 161 consid. 2). L' art. 8 CC , en effet, s'applique dans tous les cas où, comme en l'espèce, la loi ne prévoit pas une règle de preuve spéciale. Il va de soi que, parmi les indices, les jugements portés par des personnes conscientes de leurs responsabilités, ayant l'expérience des hommes et connaissant bien le testateur, ont autant de poids que l'avis des médecins. Dans l'intérêt du maintien du testament, la preuve de l'absence de discernement doit être appréciée avec rigueur (arrêt C. du 19 novembre 1958 consid. 1). Cependant, elle n'est pas pour autant soumise à des exigences particulières (arrêt C. cité). Ainsi, par exemple, le juge n'est pas lié par les déclarations des témoins instrumentaires qui certifient, conformément aux art. 501 et 502 CC , que le testateur leur a paru capable de disposer. Dans ce sens, le Tribunal fédéral a jugé ( ATF 39 II 199 /200 consid. 5) que, sous l'empire de la loi fédérale sur la capacité civile du 22 juin 1881, il était inadmissible, comme l'avait fait l'autorité cantonale, d'attacher une importance décisive aux déclarations de l'officier public et des témoins d'un testament pour décider de la capacité du disposant. Une expertise médicale peut s'imposer en vertu de l' art. 8 CC , en l'absence de disposition spéciale (ATF ATF 108 V 126 consid. 4, ATF 98 Ia 325 ); elle est nécessaire lorsque le juge n'est pas à même de résoudre, à la lumière de ses propres connaissances, la BGE 117 II 231 S. 235 question qui lui est soumise ( ATF 47 II 126 ). Mais il incombe au juge de vérifier si l'expert est parti d'une juste notion de l'incapacité et s'il a tenu compte de son caractère relatif ( ATF 98 Ia 325 ), ainsi que de décider quelles preuves sont idoines. Une surexpertise peut se révéler nécessaire, exceptionnellement. D'autres moyens probatoires peuvent en revanche être tenus pour suffisants, s'ils permettent de déterminer l'état mental de la personne décédée, au moment de la confection de son acte, avec une vraisemblance confinant à la certitude (dans ce sens: ESCHER, n. 9 ad art. 467 CC ; dans un sens différent: TUOR, n. 9b ad art. 467 CC ). En cas de maladie mentale, il se peut fort bien que la faculté d'agir raisonnablement existe malgré la cause d'altération: ainsi, dans l'éventualité d'un malade mental qui aurait agi au cours d'un intervalle lucide ( ATF 108 V 126 consid. 4; DESCHENAUX/STEINAUER, op.cit., p. 26 n. 94a; BUCHER, n. 137 et 131 ad art. 16 CC ; GROSSEN, op.cit., p. 38). Mais la maladie mentale à dire d'expert n'exclut pas nécessairement tout discernement, car la notion médicale est plus large que le concept juridique. De plus, l'atteinte peut ne pas porter sur tous les domaines d'activité, en sorte que la constatation purement médicale n'emporte pas toujours le renversement du fardeau de la preuve, les cas manifestement graves étant réservés (BUCHER, n. 73 à 75 et 130 ss ad art. 16 CC et les arrêts cités, dont ATF 88 IV 114 et ATF 44 II 449 ; SCHNYDER/MAURER, n. 65 à 67 ad art. 369 CC ; PEDRAZZINI/OBERHOLZER, Grundriss des Personenrechts, 3e éd., p. 73, n. 3.2.3.4.2). c) Le juge du fait constate souverainement l'état dans lequel se trouvait une personne au moment où elle a accompli l'acte litigieux, ainsi que la nature et les effets d'éventuels dérangements ( ATF 91 II 338 ). La juridiction fédérale de réforme peut revoir la conclusion qu'il en a tirée dans la mesure où elle dépend de la notion même de capacité de discernement ou de l'expérience générale de la vie et du haut degré de vraisemblance exigé pour exclure cette capacité: en d'autres termes, elle examine s'il a posé le problème d'une manière conforme au droit ( ATF 91 II 338 , ATF 90 II 12 consid. 3 et les arrêts cités). En revanche, le recours de droit public est ouvert - et lui seul - pour violation de l' art. 4 Cst. lorsque le justiciable prétend que le juge du fait a apprécié le résultat de l'administration des preuves d'une manière arbitraire. 3. b) La cour cantonale constate que la testatrice, durablement atteinte d'une maladie mentale et sujette à des idées de persécution, "n'avait pas la faculté d'apprécier raisonnablement la BGE 117 II 231 S. 236 signification, l'opportunité et la portée d'une action déterminée": c'est en raison de cette gravité suffisante de la détérioration que le recourant eût dû tenter de démontrer que le testament des 4 et 22 mars 1985 a été rédigé dans un intervalle de lucidité. Ce considérant de droit incite à penser que la cour cantonale a estimé que la maladie dont souffrait la défunte lui enlevait le discernement pour n'importe quelle action, et donc aussi pour tester. Tel ne paraît pas être le cas quand on lit le jugement déféré dans son ensemble. L'exposé des faits pertinents sur ce point est très fouillé: la vie de la défunte est longuement décrite et le rapport des experts est analysé en détail; puis les constatations retenues sont énumérées expressément. Or, ce résumé mentionne certes une aggravation de l'état de santé défaillant de dame R. "dès le mois de mars 1985", et relève qu'elle était influençable, mais la cour cantonale ne constate jamais l'effet de la maladie sur la "faculté d'agir raisonnablement par rapport à l'acte considéré", et au moment déterminant ( ATF 108 V 129 in fine). La lecture de l'exposé des faits dans son ensemble n'est pas plus convaincante, au contraire. Les experts eux-mêmes admettent l'impossibilité de se déterminer avec certitude sur la capacité de tester en mars 1985. Dame R. n'était pas l'objet d'une mesure de tutelle. Elle a maintenu ses dispositions pendant les huit mois qui lui restaient à vivre. Elle avait confié elle-même la gestion de ses affaires durant un séjour à l'étranger, puis a opéré en 1984 l'achat d'un appartement dont la validité n'est pas contestée. La révocation d'un testament éventuel en faveur de M. était tout à fait compréhensible. Le choix du droit neuchâtelois et l'indication du motif de cette élection démontrent que la testatrice savait ce qu'elle faisait. Quant au contenu des autres dispositions de mars 1985, dont l'interprétation ressortit au droit, il a certes été disputé, notamment pour savoir qui était héritier ou légataire (par un avocat et dans trois avis de droit); mais c'était une question d'expressions utilisées par un profane, non pas l'indice d'une perception déréglée de la situation. Une fois la portée juridique établie, les décisions prises sont ordonnées logiquement et tout à fait raisonnables: elles ne laissent en rien apparaître les obsessions et les phobies de la testatrice; il n'était pas aberrant de favoriser le fils d'une amie très chère, d'autant que la défunte paraît bien s'être éloignée de sa famille, qui ignorait même son état, au point de ne pas avoir songé d'abord à une éventuelle incapacité. Au demeurant, les membres de la famille n'ont pas été oubliés: La testatrice BGE 117 II 231 S. 237 a pris des dispositions en leur faveur et ils devenaient ses légataires. Bien plus, dame R. s'était fait conseiller par un notaire, ce qui a une double portée: elle avait conscience qu'il fallait faire les choses sérieusement et légalement; elle a en outre reçu et compris les avis de son conseil. Ainsi, il y a incertitude des experts et indices d'un comportement normal. Reste à examiner ce qu'on peut déduire des preuves administrées, telles que le résultat en est relaté dans le jugement déféré, aa) L'expertise du centre psycho-social de Lausanne n'est effectivement guère concluante, dans le résumé qui en est donné, en regard des exigences de droit de la jurisprudence et de la doctrine. Comme l'assurée dans l'arrêt ATF 108 V 126 ss, dame R. se croyait persécutée, et depuis longtemps. Mais si elle souffrait de schizophrénie paranoïde chronique et a dû être soignée, voire hospitalisée en service psychiatrique, et si son état de santé s'est aggravé dès mars 1985, elle "n'était pas altérée dans ses fonctions intellectuelles et cognitives"; "intelligente et fine", elle manifestait une adaptation sociale minimale, perturbée seulement "dans sa perception affective de la réalité". "Vulnérable et influençable dans ses rapports avec de tierces personnes", son jugement "pourrait" avoir été altéré - lors de la rédaction du testament - "en ce qui concerne la perception de ses relations à sa famille". Elle pourrait ainsi avoir été influencée par une personne même et surtout de bonne foi, qui lui aurait montré de la sollicitude (mais aucune pression n'est alléguée en l'espèce: ATF 77 II 100 ; les intimés se bornent à semer le doute en invoquant un fait non constaté). Parfois contradictoires dans leurs avis, les experts sont donc pour le moins hésitants et dubitatifs en ce qui concerne la capacité d'apprécier la portée d'un testament et d'agir en fonction de cette compréhension en mars 1985. Ils s'expriment au conditionnel lorsqu'ils en viennent à la question précise qui se pose en l'espèce. Dans ces conditions, le seul constat d'une santé mentale déficiente dans certains domaines ne saurait conduire au renversement du fardeau de la preuve en ce qui concerne l'incapacité de tester, à tel moment, avec discernement. bb) S'agissant des témoins entendus, la cour cantonale opère un choix, sur la base d'un seul critère: six témoignages sont écartés quoiqu'ils émanent de gens qui ont bien connu la défunte, parce que les auteurs l'auraient rencontrée occasionnellement et qu'elle BGE 117 II 231 S. 238 pouvait maintenir une apparence d'adaptation sociale minimale dans le cadre de relations de voisinage superficielles. Pour l'une de ces personnes au moins, le notaire, cette appréciation ne correspond pas à l'expérience générale de la vie, qui ressortit au droit, donc au recours en réforme (cf. POUDRET/SANDOZ-MONOD, Commentaire de la loi fédérale d'organisation judiciaire, II, p. 537 ss, n. 4.2.4). Le notaire a traité deux affaires avec la défunte: l'achat de l'appartement de V. en 1984, puis la confection du testament en mars 1985. A chaque fois, a-t-il dit, sa cliente s'est présentée avec une certaine distinction et lui a fait une excellente impression, Il lui a donné en tout cas des conseils sur la manière formelle de rédiger son testament. S'il a concédé que ses souvenirs pouvaient être imprécis, il n'en déclare pas moins que dame R. vint lui parler en vue de prendre des dispositions pour cause de mort: "Nous avons discuté; elle m'a posé diverses questions; nous avons plus ou moins mis au point ce testament." A son avis, le texte même du document montre qu'il a sans doute dû donner des informations en ce qui concerne la "professio juris." Le notaire étant intervenu en 1984 et 1985, et précisément au moment de la rédaction du testament, l'expérience générale de la vie ne permet pas de faire fi du témoignage de cet homme de loi, habitué à juger ses clients, quand bien même ses déclarations ne sauraient être décisives à elles seules. La juridiction fédérale de réforme devrait se fonder sur l'appréciation de l'autorité cantonale si elle reposait sur les circonstances particulières propres à la personne du notaire; tel n'est pas le cas. cc) Il suit de là que l'incapacité de tester avec discernement n'est pas prouvée avec une certitude suffisante pour le moment déterminant, ni par les experts, ni par les témoignages. La maladie mentale et les faiblesses psychiques constatées ne sont donc pas telles qu'elles justifiaient un renversement du fardeau de la preuve: il n'y avait pas lieu de poser la question d'un intervalle lucide, qui aurait interrompu momentanément un état de santé tel que la défunte ne pouvait normalement prendre en pleine capacité des dispositions pour cause de mort. La preuve qui incombait aux intimés, contre la présomption de discernement, n'a pas été apportée.
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Urteilskopf 119 Ia 332 39. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 23. September 1993 i.S. X. gegen Generalprokurator-Stellvertreterin und Obergericht (Anklagekammer) des Kantons Bern (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste Art. 4 BV , Art. 6 Ziff. 2 EMRK : Unschuldsvermutung. Kostenauflage an den wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand Beschuldigten trotz Einstellung des Verfahrens. Ergibt die Blutprobe einen massgeblichen Wert von weniger als 0,8%o Blutalkoholgehalt und bestehen keine weiteren Anzeichen für die Angetrunkenheit des Beschuldigten, so dürfen ihm die Kosten der Untersuchung nicht auferlegt werden (E. 1).
Sachverhalt ab Seite 333 BGE 119 Ia 332 S. 333 In der Nacht vom 10. auf den 11. Februar 1993 wurde X. auf der Autobahn N 1 in Bern zur Kontrolle angehalten. Weil er nach Alkohol roch, musste er sich einem Blastest unterziehen, der 0,75 Gewichtspromille ergab. Die Blutprobe führte zu einem Ergebnis von 0,73 bis 0,83 Gewichtspromille. Der geschäftsleitende Untersuchungsrichter von Bern-Mittelland und der Staatsanwalt Bern-Mittelland gingen zugunsten von X. vom unteren Wert von 0,73 Gewichtspromille aus und gaben der Anzeige der Kantonspolizei wegen Führens eines Personenwagens in angetrunkenem Zustand mit Beschluss vom 17./18. März 1993 keine Folge. X. wurde keine Entschädigung zugesprochen. Ausserdem wurden ihm die Verfahrenskosten von Fr. 400.-- auferlegt. Ein von X. dagegen erhobener Rekurs an die Anklagekammer des Obergerichts des Kantons Bern blieb erfolglos. Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 3. Mai 1993 stellte X. den Antrag, der Beschluss der Anklagekammer sei aufzuheben. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. a) Das Gesetz vom 20. Mai 1928 über das Strafverfahren des Kantons Bern (StrV) bestimmt über die Verfahrenskosten unter anderem folgendes: Staatskosten Art. 200 1 Wird die Untersuchung aufgehoben, so trägt der Staat in der Regel die Kosten des Verfahrens. Wurde der Strafantrag zurückgezogen, so gilt Art. 264. 2 Dem Privatkläger und dem Anzeiger, der nicht Angestellter der gerichtlichen Polizei ist, können im Falle von Arglist oder Fahrlässigkeit die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise auferlegt werden. 3 Hat der Angeschuldigte die Verdachtgründe, durch die das Verfahren veranlasst wurde, durch sein eigenes, ihm zum Verschulden anzurechnendes Verhalten erregt, so können ihm die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise auferlegt werden. Die Anklagekammer verweist zunächst auf das nicht veröffentlichte Urteil des Bundesgerichts vom 29. Dezember 1992 i.S. H. c. Anklagekammer des Obergerichts des Kantons Bern. Die Anklagekammer hält fest, dass sie sich durch dieses Urteil nicht veranlasst sehe, die jahrzehntelange Praxis zur Kostenauflage in derartigen Fällen zu ändern. Für die verfahrensmässigen Kostenfolgen von BGE 119 Ia 332 S. 334 (erheblichem) Alkoholkonsum vor Antritt einer Fahrt habe nicht der Staat, sondern der Fahrzeuglenker selber einzustehen. Nach Auffassung des Durchschnittsbürgers sei riskantes Verhalten zu vermeiden; es dürfe nicht zu Lasten des Steuerzahlers gehen. Der Beschwerdeführer macht demgegenüber geltend, die Argumentation der Anklagekammer verletze das Rechtsgleichheitsgebot von Art. 4 BV und die Unschuldsvermutung nach Art. 6 Ziff. 2 EMRK . b) Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichts dürfen einem Angeschuldigten bei Freispruch oder Einstellung des Verfahrens nur dann Kosten auferlegt werden, wenn er durch ein unter rechtlichen Gesichtspunkten vorwerfbares Verhalten die Einleitung des Strafverfahrens veranlasst oder dessen Durchführung erschwert hat. Bei der Kostenpflicht des freigesprochenen oder aus dem Verfahren entlassenen Angeschuldigten handelt es sich nicht um eine Haftung für ein strafrechtliches Verschulden, sondern um eine zivilrechtlichen Grundsätzen angenäherte Haftung für ein fehlerhaftes Verhalten, durch das die Einleitung oder Erschwerung eines Prozesses verursacht wurde. Gemäss Art. 41 Abs. 1 OR ist zum Ersatz verpflichtet, wer einem andern widerrechtlich Schaden zufügt, sei es mit Absicht, sei es aus Fahrlässigkeit. Im Zivilrecht wird demnach eine Haftung dann ausgelöst, wenn jemandem durch ein widerrechtliches und - abgesehen von den Fällen der Kausalhaftung - ausserdem schuldhaftes Verhalten ein Schaden zugefügt wird. Widerrechtlich im Sinne von Art. 41 Abs. 1 OR ist ein Verhalten dann, wenn es gegen Normen verstösst, die direkt oder indirekt Schädigungen untersagen bzw. ein Schädigungen vermeidendes Verhalten vorschreiben. Solche Verhaltensnormen ergeben sich aus der Gesamtheit der schweizerischen Rechtsordnung, unter anderem aus Privat-, Verwaltungs- und Strafrecht, gleichgültig, ob es sich um eidgenössisches oder kantonales, geschriebenes oder ungeschriebenes Recht handelt ( BGE 116 Ia 168 E. c, mit zahlreichen Hinweisen). Wie das Bundesgericht festgehalten hat, ist es mit Verfassung und Konvention vereinbar, einem nicht verurteilten Angeschuldigten die Kosten dann zu überbinden, wenn er in zivilrechtlich vorwerfbarer Weise gegen eine solche Verhaltensnorm klar verstossen und dadurch das Strafverfahren veranlasst oder dessen Durchführung erschwert hat ( BGE 116 Ia 171 E. d und 175 E. e). c) Gemäss Art. 91 Abs. 1 SVG wird bestraft, wer in angetrunkenem Zustand ein Motorfahrzeug führt. Unter dem Marginale "Angetrunkenheit" bestimmt Art. 55 Abs. 1 SVG , dass der Bundesrat BGE 119 Ia 332 S. 335 festlegt, bei welcher Blutalkoholkonzentration unabhängig von weiteren Beweisen und individueller Alkoholverträglichkeit Angetrunkenheit im Sinne dieses Gesetzes angenommen wird. Aus dieser gesetzlichen Ordnung geht hervor, dass nicht jeder bestraft werden soll, der eine noch so geringe Menge Alkohol zu sich nimmt und anschliessend ein Motorfahrzeug führt. Soweit nicht andere Beweise für eine Beeinträchtigung der Fahrfähigkeit vorliegen, ist nur strafbar, wer vor der Fahrt soviel Alkohol zu sich nimmt, dass er im Sinne des Gesetzes angetrunken ist. Das Strassenverkehrsgesetz erlaubt es dem Fahrzeugführer somit ausdrücklich, auch dann ein Motorfahrzeug zu führen, wenn er vorher eine geringe Menge Alkohol zu sich genommen hat, sofern er fahrfähig ist (vgl. Art. 31 Abs. 2 SVG ). Der Bundesrat legte in Art. 2 Abs. 2 VRV fest, dass Fahrunfähigkeit wegen Alkoholeinflusses - vorbehältlich anderer Beweise - nur dann in jedem Fall als erwiesen gilt, wenn die Blutalkoholkonzentration 0,8 Gewichtspromille beträgt. Mit dieser Regelung haben der Gesetz- und der Verordnungsgeber in Kauf genommen, dass in Grenzfällen verhältnismässig teure Untersuchungen (Blutprobe) durchgeführt werden müssen und dem Fahrzeugführer nachher doch keine Angetrunkenheit nachgewiesen werden kann. Weil es grundsätzlich erlaubt ist, nach geringem Alkoholkonsum ein Fahrzeug zu führen, darf es einem Fahrzeuglenker auch nicht zum Vorwurf gemacht werden, wenn eine Blutprobe erforderlich ist, um festzustellen, dass der Blutalkoholgehalt 0,8%o nicht erreicht. In diesem Fall ist eine Haftung des Fahrzeuglenkers für die Untersuchungskosten entsprechend den Grundsätzen von Art. 41 OR ausgeschlossen. d) Der Beschwerdeführer hat mit einer massgeblichen Alkoholkonzentration von 0,73 Gewichtspromille ein Motorfahrzeug geführt. Das ist in der schweizerischen Rechtsordnung nicht verboten. Irgendein Hinweis, dass der Beschwerdeführer wegen der Alkoholeinwirkung nicht mehr fahrfähig gewesen wäre, liegt nicht vor. Da die Rechtsordnung das Verhalten des Beschwerdeführers nicht verbietet, war es mit Art. 4 BV unvereinbar, ihm die Kosten der eingestellten Strafuntersuchung zu überbinden. Die staatsrechtliche Beschwerde ist gutzuheissen, und der angefochtene Entscheid ist aufzuheben. Offen bleiben kann unter diesen Umständen, ob der angefochtene Beschluss auch die Unschuldsvermutung nach Art. 6 Ziff. 2 EMRK verletzt.
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Urteilskopf 113 Ib 340 54. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 16. September 1987 i.S. Wasserverbund Region Bern AG gegen Eidgenössisches Departement des Innern (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
Regeste Rodungsbewilligung zur Erstellung eines Grundwasserwerkes in einem Wald, der sich in einem zum BLN gehörenden Gebiet befindet und der Auenvegetation im Sinne von Art. 21 NHG darstellt: Interessenabwägung nach Art. 26 FPolV . Bei der Beurteilung eines Rodungsgesuches müssen insbesondere auch die geplanten Werke und deren Auswirkungen unter dem Gesichtspunkt des Natur- und Heimatschutzes ( Art. 26 Abs. 4 FPolV ) gewürdigt werden. Abwägung insbesondere des Interesses an einer Revitalisierung (Überflutung) des betroffenen BLN-Gebietes gegenüber dem Interesse einer bedeutenden Region wie Bern an einer hinreichenden Wasserversorgung. Rückweisung der Sache an das EDI zur Erteilung der Rodungsbewilligung unter Vorbehalt von Bedingungen bzw. Auflagen, so dass das in Frage stehende BLN-Objekt in seiner Gesamtheit höchstens unerhebliche Beeinträchtigungen erleidet, sowie unter Vorbehalt der naturschutzrechtlichen Bewilligung gemäss Art. 22 NHG .
Sachverhalt ab Seite 341 BGE 113 Ib 340 S. 341 Die Wasserverbund Region Bern AG wurde 1974 mit dem Zweck gegründet, die regionale Wasserversorgung durch den Bau eines neuen Grundwasserwerkes im Aaretal für die Zukunft sicherzustellen. Das seit 1950 bestehende Aaretalwerk I in Kiesen liefert im Sommer 50% des Wasserbedarfs der angeschlossenen 11 Gemeinden und sollte dringend überholt werden. Es soll nunmehr ein Grundwasserwerk Aaretal II errichtet werden. Das Projekt sieht den Bau von zwei Brunnen und einem Pumpwerk mit einer Kapazität von 25000 l/min vor. Der Bau des neuen Werkes soll insbesondere zur Sicherstellung des künftigen Wasserbedarfs der Region, zum Ersatz von nitrathaltigem Quellwasser durch nitratarmes Grundwasser (Mischung) und zur Sicherstellung des Wasserbedarfs im Hinblick auf die Sanierung des Werkes Aaretal I erfolgen. Die Standortfrage wurde auf Grund langjähriger Untersuchungen in Zusammenarbeit mit dem Wasser- und Energiewirtschaftsamt und der Forstdirektion des Kantons Bern abgeklärt. Man kam zum Schluss, einzig in der Au oberhalb von Belp falle Wasser von guter Qualität und genügender Menge an. Der Regierungsrat des Kantons Bern erteilte der Wasserverbund Region Bern AG am 22. Juni 1983 die erforderliche Konzession zur Entnahme einer Wassermenge von 25000 l/min. Die Konzessionsdauer beträgt 40 Jahre. Das Raumplanungsamt des BGE 113 Ib 340 S. 342 Kantons Bern stellte gleichzeitig die Erteilung der Bewilligung für das Bauen ausserhalb der Bauzonen gemäss Art. 24 des Bundesgesetzes über die Raumplanung vom 22. Juni 1979 (RPG) in Aussicht. Zur Verwirklichung des Grundwasserwerkes ersuchte die Wasserverbund Region Bern AG am 10. Mai 1984 im Einvernehmen mit der Burgergemeinde Belp als Grundeigentümerin um Rodung von 7455 m2 Wald auf der Parzelle Nr. 87 in der Au, Gemeinde Belp. Von der Rodungsfläche werden 2615 m2 für die Installation von technischen Anlagen und 4840 m2 für die Einleitung von Giessen, Tümpeln und Infiltrationsgräben für die Wasseranreicherung benötigt. Als Ersatz sollen an Ort und Stelle 1455 m2 und in der Gemeinde Uetendorf 6000 m2 aufgeforstet werden. Die Rodung betrifft einen Teil des Auenwaldgebietes in der Belp-Au. Die Rodungsfläche befindet sich im kantonalen Naturschutzgebiet "Aarelandschaft Thun-Bern", welches im Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung (BLN, SR 451.11) als Objekt Nr. 1314 aufgeführt ist. Angesichts der besonderen Lage im Auenwaldgebiet liess die Wasserverbund Region Bern AG durch die Beratungsgemeinschaft für Umweltfragen, Zurich, ein Gutachten "über die Folgen einer Grundwasserentnahme im Auwald Belp für Forstwirtschaft und Natur" erstellen (Gutachten Dr. J. Burnand/M. Küper vom 30. September 1981). Gestützt darauf erstellte eine Arbeitsgruppe - Dr. Ch. Haefeli, Geologe, Dr. K. Grossenbacher, Biologe, und Ch. Küchli, Forstingenieur - ein Schutzkonzept über die Folgen einer Grundwasserentnahme im Auwald Belp (Berichte vom 1. Juli und 1. November 1982). Dieses Schutzkonzept sieht die Reaktivierung der alten Giessenläufe durch Ausbaggerung und die individuelle Anreicherung des Grundwassers von der Au her durch Anlegen von Gräben und Becken (Infiltration) vor. Damit sollen die Nachteile der Grundwasserabsenkung möglichst behoben werden. Nach Zusicherung des Regierungsrates, die Ausnahmebewilligung gemäss dem Regierungsratsbeschluss vom 30. März 1977 betreffend das Naturschutzgebiet Aarelandschaft Thun-Bern zu erteilen, stellte die kantonale Forstdirektion dem Eidgenössischen Departement des Innern (EDI) den Antrag, das Rodungsgesuch sei gutzuheissen. Die Zuständigkeit lag trotz der geringen Fläche beim EDI, da schon am 7. November 1973 im selben zusammenhängenden Waldstück zur Verstärkung und Erhöhung des Aaredammes BGE 113 Ib 340 S. 343 Rodungen von 34863 m2 bewilligt wurden (vgl. Art. 25bis und Art. 25ter der Verordnung betreffend die eidgenössische Oberaufsicht über die Forstpolizei vom 1. Oktober 1965, FPolV; BGE 113 Ib 149 E. 2). Das EDI holte zur Abklärung der Interessen des Natur- und Heimatschutzes ( Art. 26 Abs. 4 FPolV ) ein Gutachten bei der Eidgenössischen Natur- und Heimatschutzkommission (ENHK) ein. Diese stellte am 9. Mai 1985 den Antrag, das Rodungsgesuch sei abzuweisen. Gestützt darauf wurde bei der Bürogemeinschaft für angewandte Ökologie, Zürich, welche unabhängig vom vorliegenden Projekt im Auftrag des Kantons Bern an einer praxisorientierten ökologischen Studie der Aarelandschaft Thun-Bern arbeitet, ein Bericht beigezogen. In diesem Bericht vom November 1985 wurde festgehalten, das Projekt sei mit einer Revitalisierung (Überflutung) der Belp-Au unvereinbar, doch würden sich Trinkwassergewinnung und Überflutung keineswegs ausschliessen; allerdings bestehe gegenwärtig kein Projekt zur Überflutung des Auenwaldes. Mit Entscheid vom 11. Juni 1986 lehnte das EDI das Rodungsgesuch ab. Zur Begründung führte es im wesentlichen aus, drei der vier Voraussetzungen für eine Rodungsbewilligung gemäss Art. 26 FPolV seien zu bejahen, nämlich das Bedürfnis, die relative Standortgebundenheit und das Fehlen entgegenstehender polizeilicher Gründe. Hingegen sei das Rodungsgesuch gestützt auf Art. 26 Abs. 4 FPolV , wonach dem Natur- und Heimatschutz gebührend Rechnung zu tragen sei, abzuweisen. Ein Rodungseingriff für das vorliegende Projekt, mit der Konsequenz, dass eine spätere Revitalisierung der sogenannten Hunzigenau verunmöglicht werde, sei nicht zu verantworten, solange nicht feststehe, dass ein Nebeneinander von Trinkwassergewinnung und Überflutung möglich sei. Das Kerngebiet des BLN-Objektes Aarelandschaft Thun-Bern sei das grösste der gemäss Art. 18 und 21 des Bundesgesetzes über den Natur- und Heimatschutz vom 1. Juli 1966 (NHG) hochgradig schützenswerten Flussauenobjekte. Die vom Menschen bloss geringfügig beeinflussten Auenreste müssten unbedingt erhalten werden, und die von ihm starker veränderten Auenstandorte seien wenn immer möglich zu verbessern und wieder zu revitalisieren. Zwischen Thun und Bern würden sich nur zwei Auenstandorte für eine Revitalisierung eignen, darunter die Belp-Au, wo die Wasserfassungen geplant seien. Eine Kombination von Überflutung und Trinkwassergewinnung würde allerdings eine Anpassung des BGE 113 Ib 340 S. 344 aktuellen Projektes bedingen. Nach Ansicht des EDI sollte deshalb noch untersucht werden, ob und gegebenenfalls wie das Projekt angepasst werden könnte, um eine periodische Revitalisierung der Hunzigenau durch Überflutung zu ermöglichen. Nur wenn es sich zeigen sollte, dass sich die von der Bürogemeinschaft für angewandte Ökologie vorgeschlagene Alternative nicht oder nur mit hohen Kosten verwirklichen liesse, könnte eine Rodung gemäss vorliegendem Projekt in Frage kommen. Gegen die Verweigerung der Rodungsbewilligung durch das EDI erhob die Wasserverbund Region Bern AG am 14. Juli 1986 Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht. Sie beantragt, die Verfügung des EDI vom 11. Juni 1986 sei aufzuheben, und das Rodungsgesuch vom 10. Mai 1984 sei zu bewilligen. Am 23. Juni 1987 führte eine bundesgerichtliche Delegation einen Augenschein durch. Anschliessend erfolgten durch umfassende Befragungen weitere Abklärungen. Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Gemäss Art. 31 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 11. Oktober 1902 betreffend die eidgenössische Oberaufsicht über die Forstpolizei (FPolG) soll das Waldareal der Schweiz nicht vermindert werden. Art. 24 Abs. 1 FPolV führt diesen Grundsatz dahin aus, dass das Waldareal im Hinblick auf seine Nutz-, Schutz- und Wohlfahrtsaufgaben in seinem Bestand und in seiner regionalen Verteilung zu erhalten ist. Sollen Rodungen vorgenommen werden, so bedürfen sie einer Bewilligung. Nach der Bestimmung von Art. 26 Abs. 1 FPolV , die in ständiger Rechtsprechung als gesetzeskonform anerkannt worden ist ( BGE 108 Ib 180 E. Ia mit Hinweisen), darf die Bewilligung nur erteilt werden, wenn sich hierfür ein gewichtiges, das Interesse an der Walderhaltung überwiegendes Bedürfnis nachweisen lässt ( BGE 108 Ib 268 f. E. 3a), was nur zutrifft, wenn das Werk, wofür die Rodung begehrt wird, auf den vorgesehenen Standort angewiesen ist; finanzielle Interessen, wie die möglichst einträgliche Nutzung des Bodens oder die preisgünstige Beschaffung von Land, gelten nicht als gewichtige Bedürfnisse ( Art. 26 Abs. 3 FPolV ; BGE 108 Ib 174 E. 5b; BGE 104 Ib 224 E. 3). Das Erfordernis der Standortgebundenheit ist dabei nicht absolut aufzufassen, besteht doch fast immer eine gewisse Wahlmöglichkeit; indessen fallen die Gründe der Wahl eines BGE 113 Ib 340 S. 345 Standortes bei der Interessenabwägung ins Gewicht ( BGE 112 Ib 200 E. 2a mit Hinweisen). Der Rodung dürfen sodann keine polizeilichen Gründe entgegenstehen ( Art. 26 Abs. 2 FPolV ; BGE 108 Ib 172 E. 4). Auch ist dem Natur- und Heimatschutz gebührend Rechnung zu tragen ( Art. 26 Abs. 4 FPolV ; BGE 108 Ib 183 E. 5c). Diese Grundsätze gelten ebenfalls für Körperschaften des öffentlichen Rechts bzw. für öffentliche Werke (BGE vom 18. Februar 1987 i.S. EDI und SBN c. Ortsgemeinde Haag, E. 2b, in ZBl 88/1987, S. 500, und BGE 113 Ib 152 E. 3b mit weiteren Hinweisen). Dabei kann es in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem an die Stelle der zu rodenden Waldfläche Bauwerke treten sollen, nicht genügen, die Auswirkungen der Rodung als solcher auf das Landschaftsbild zu beurteilen, tritt doch die Rodung als solche praktisch gar nie für sich allein in Erscheinung. Vielmehr müssen von der zuständigen Bewilligungsbehörde - hier also vom EDI - bei der Beurteilung eines Rodungsgesuches insbesondere auch die geplanten Werke und deren Auswirkungen unter dem Gesichtspunkt des Natur- und Heimatschutzes ( Art. 26 Abs. 4 FPolV ) gewürdigt werden ( BGE 108 Ib 177 ; 98 Ib 500 E. 8). Nur die letztgenannte der vier Voraussetzungen von Art. 26 FPolV ist vom EDI als nicht gegeben erachtet worden; die Voraussetzungen gemäss Art. 26 Abs. 1-3 FPolV sind unbestrittenermassen erfüllt. Im Rahmen der umfassenden Interessenabwägung nach Art. 26 FPolV ist nachfolgend also einzig zu prüfen, ob das Rodungsgesuch auch dem Natur- und Heimatschutz gebührend Rechnung trägt, wie dies von Art. 26 Abs. 4 FPolV verlangt wird. 4. a) Die Beschwerdeführerin rügt zunächst, das EDI habe den Sachverhalt unrichtig und unvollständig festgestellt. Es habe zu Unrecht angenommen, das geplante Wasserfassungswerk könne so angepasst werden, dass es sich mit einer Überflutung (Revitalisierung) des Auenwaldes Belp vertrage. Die am Augenschein getroffenen Abklärungen ergaben, dass ein vernünftig ausgestaltetes Wasserfassungsnetz in der Belp-Au sich - entgegen der vom EDI getroffenen Annahme - mit einer Revitalisierung des gesamten Auengebietes nicht vertragen kann. Eine Öffnung des Dammes käme grundsätzlich nur auf der Höhe des "Entengülls" in Frage. Gestützt darauf kam Geologe Dr. Ch. Haefeli zum Schluss, es könnten oberhalb dieser Stelle BGE 113 Ib 340 S. 346 noch vier Brunnen (mit den auf den massgebenden Plänen bezeichneten Standorten R, S, T und U) errichtet werden. Es hat sich gezeigt, dass nur die Brunnen R und S mit einer maximalen Fördermenge zwischen 12000 und 16000 l/min unbedenklich sind. Die beiden weiter südlich liegenden Brunnen T und U kommen jedoch aus verschiedenen Gründen nicht in Betracht. Weil die Aare im Sommer eine Temperatur bis ca. 20 Grad erreichen kann, würde das dort - also bei T und U - gefasste Wasser bis ca. 18 Grad warm, da sich pro 40 m Flussabstand eine Temperaturabsenkung von erfahrungsgemäss 1 bis 2 Grad ergibt. Das Schweizerische Lebensmittelbuch, das gemäss Bundesratsbeschluss vom 14. Dezember 1964 (SR 817.021. 1) Verordnungscharakter hat, bezeichnet jedoch die Idealtemperatur für Trinkwasser auf 8 bis 12 Grad, keinesfalls sollte das Trinkwasser bei seiner Fassung eine Temperatur von 15 Grad übersteigen, weil bei höheren Temperaturen die Gefahr nachträglicher Aufkeimung des Wassers in erheblichem Ausmass besteht. Da bei den Brunnen R und S im Sommer eine Temperatur von minimal 15 Grad zu erwarten ist, kann das Wasser der vier erwähnten Brunnen auch nicht durch Mischung auf eine tiefere Temperatur gesenkt werden. Kommen die beiden oberen Brunnen aber somit nicht in Betracht, so kann eine Wasserfassung von 25000 l/min nicht erreicht werden. Dazu kommt, dass auch die beiden unteren (nördlichen) Brunnen kaum in Frage kommen. Bei einer Öffnung des Aaredamms beim "Entengüll" besteht nämlich - wie am Augenschein festgestellt werden konnte - wegen des im betreffenden Gebiet sehr kleinen Gefälles die Gefahr einer Rückflutung und damit einer Verschmutzung der Brunnen. Demnach ist festzustellen, dass eine Revitalisierung - jedenfalls eine solche des gesamten Auenwaldgebietes - und eine Wasserentnahme von 25000 l/min sich gegenseitig ausschliessen, zumal die Brunnen infolge des Belpberges nicht mehr weiter südlich verschoben werden können. b) Die Beschwerdeführerin rügt sodann, die Vorinstanz habe bei der Sachverhaltsfeststellung übersehen, dass kaum kommunale und kantonale Bewilligungen für eine Dammöffnung zu Revitalisierungszwecken erhältlich gemacht werden könnten. Das EDI habe auch nicht berücksichtigt, dass eine Dammöffnung als unabdingbare Voraussetzung für eine Revitalisierung der Belp-Au eine ganze Anzahl von Objekten gefährden würde. Am Augenschein wurde in der Tat festgestellt, dass von seiten des Kantons und der Gemeinden eine starke Abneigung gegen eine Dammöffnung besteht. BGE 113 Ib 340 S. 347 Kanton und Gemeinden befürchten, dass bei einer Dammöffnung der schon mehr als 100 Jahre verfolgte tatkräftige Schutz vor Hochwasser illusorisch gemacht würde. Gemäss einem schriftlichen Bericht des Kantonsingenieurs vom 19. Dezember 1986 wäre bei einer uneingeschränkten Revitalisierung im betreffenden Gebiet auf einer Länge von 6,5 km mit nicht absehbaren Gefährdungen und Beeinträchtigungen zu rechnen. Die Richtigkeit dieser Feststellung bestätigte sich am Augenschein. Vor allem würden die Staatsstrasse Münsingen-Belp, das Restaurant Campagna, verschiedene landwirtschaftliche Siedlungen beim Weiler "Viehweide" und allenfalls sogar Teile des Flughafens Belpmoos gefährdet. Die Gefährdung würde insbesondere auch Land betreffen, welches der Kanton Bern zur Sicherstellung der Fruchtfolgeflächen benötigt. Wollten die Gefährdungen auch nur einigermassen in Schranken gehalten werden, müsste ein neuer Damm weiter westlich mit immensen Kosten errichtet werden. Alle diese Umstände zeigen, dass aus tatsächlichen und politischen Gründen in absehbarer Zeit kaum mit einer Dammöffnung zwecks einer Revitalisierung der Belp-Au gerechnet werden kann. c) Die Beschwerdeführerin rügt ferner Art. 6 NHG als verletzt und macht geltend, diese Bestimmung habe nur die ungeschmälerte Erhaltung, nicht aber eine Verbesserung des bestehenden Zustandes im Auge. Die Revitalisierung der Belp-Au durch Dammöffnung sei nun aber nicht nur ungeschmälerte Erhaltung, handle es sich doch bei dieser Au heute nicht mehr um eine ursprüngliche Au, sondern bloss noch um einen ausgetrockneten Auenwald. Diese Einwendungen sind nicht stichhaltig. Auch wenn die Belp-Au schon seit einiger Zeit nicht mehr periodisch natürlich überflutet wird, handelt es sich hier - wie die am Augenschein getroffenen Abklärungen ergaben - um einen von einzelnen Bachläufen und kleinen Gewässern durchzogenen Wald, der auf Schotter steht und von dem im Einzugsgebiet des Aarelaufes befindlichen Grundwasser und damit von dessen Schwankungsbereich abhängig ist. Entsprechend handelt es sich dabei auch heute noch um eine eigentliche Auenvegetation. Als solche geniesst sie den Schutz der Bestimmungen gemäss Art. 18 Abs. 1bis und 1ter sowie Art. 21 NHG (in der am 1. Januar 1985 mit dem Umweltschutzgesetz - USG - in Kraft getretenen Fassung des Gesetzes vom 7. Oktober 1983). Dies geht denn auch aus dem Gutachten der ENHK vom 9. Mai 1985 hervor. Ohnehin ist der fragliche Wald BGE 113 Ib 340 S. 348 aber bereits als solcher, ohne Rücksicht auf Zustand, Wert und Funktion, schützenswert (s. BGE vom 18. Februar 1987 i.S. EDI und SBN c. Ortsgemeinde Haag, E. 3b, in ZBl 88/1987, S. 501) und nach den bereits erwähnten massgebenden forstrechtlichen Bestimmungen grundsätzlich ungeschmälert zu erhalten bzw. grösstmöglich zu schonen. An sich könnte zum Ausgleich einer Rodung - selbst über Art. 6 NHG (s. hiezu auch nachf. E. 5) hinausgehend - eine Revitalisierung verlangt werden, wobei hier, zumal ein auch nur einigermassen konkretes Projekt hiezu fehlt, offenbleiben kann, in welcher Form und in welchem Ausmass eine solche vorzunehmen wäre; mit den Bestimmungen gemäss Art. 18 Abs. 1bis und 1ter NHG (in der Fassung des Gesetzes vom 7. Oktober 1983) wäre jedenfalls eine ausreichende Rechtsgrundlage dafür vorhanden. Allerdings ist festzustellen, dass die Revitalisierungsmöglichkeit nur eines der verschiedenen Elemente darstellt, die es im Rahmen der gemäss Art. 26 FPolV vorzunehmenden umfassenden Interessenabwägung zu beachten gilt. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Belp-Au laut den Studien der Bürogemeinschaft für angewandte Ökologie nicht an erster Stelle unter den Gebieten steht, die sich für eine Überflutung eignen. Überdies wird in der erwähnten Studie ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das Gebiet heute verschiedene ebenfalls für den Naturschutz wertvolle Objekte enthält, die bei einer Überflutung zerstört würden. Somit sprechen zumindest teilweise auch Grunde des Naturschutzes gegen eine Überflutung zwecks Revitalisierung der Belp-Au. Hinzu kommt, dass unter den gegebenen Umständen in einigermassen absehbarer Zeit nicht mit einer Dammöffnung zum Zwecke einer Revitalisierung des betreffenden Gebietes gerechnet werden kann, da eine solche - wie erwähnt - sowohl von seiten des Kantons als auch von seiten der Gemeinden abgelehnt wird und da - wie am Augenschein deutlich zu Tage getreten ist - heute erst sehr unbestimmte Vorstellungen einer Revitalisierung bestehen, die sich noch lange nicht zu einem provisorischen Vorprojekt verdichtet haben. Angesichts der Komplexität der sich bei einer Revitalisierung stellenden Probleme dürfte es ohne weiteres 20 Jahre oder sogar noch länger dauern, bis eine projektreife Vorlage dafür bestehen dürfte. Dabei ist in Betracht zu ziehen, dass der Beschwerdeführerin keine zeitlich unbefristete Konzession erteilt worden ist, sondern dass diese auf höchstens 40 Jahre beschränkt ist. Gesetzliche Bestimmungen zwingen die Beschwerdeführerin BGE 113 Ib 340 S. 349 ferner dazu, die Kosten der projektierten Anlage in der Höhe von ca. Fr. 35 Mio. innert 20 Jahren zu amortisieren. Aus diesen Gründen ist die vom EDI getroffene Annahme, die Erstellung des Grundlage des Rodungsbegehrens bildenden Wasserwerkes Aaretal II stehe einer späteren Dammöffnung und Revitalisierung für alle Zeiten entgegen, nicht richtig. Vielmehr wird bei den gegebenen Verhältnissen schon der nächsten Generation die Möglichkeit wieder offenstehen, auch zugunsten einer Revitalisierung entscheiden zu können. Demnach erscheint die Erhaltung des fraglichen Waldstückes im Interesse einer allenfalls in späteren Jahren für das Gebiet der Belp-Au zu beschliessenden Revitalisierung als nicht derart gewichtig, dass sie das Interesse einer so bedeutenden Region wie Bern an einer hinreichenden Wasserversorgung (s. hiezu auch nachf. E. 5) zu überwiegen vermöchte. Die Rodungsbewilligung einzig mit dem Argument die Revitalisierung des Gebietes der Belp-Au zu verweigern, wäre bei den gegebenen Verhältnissen, wie sie soeben geschildert worden sind, und in Anbetracht dessen, dass die zu rodende Waldfläche mit insgesamt rund 7000 m2 relativ klein ist, unverhältnismässig. 5. a) Zu prüfen ist somit nur noch, ob die Auswirkungen der Rodung bzw. der zu errichtenden Werke vor Art. 26 Abs. 4 FPolV bestehen können. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass sich die zu rodende Fläche in einem Gebiet befindet, das vom BLN-Inventar erfasst wird. Durch die Aufnahme eines Objektes von nationaler Bedeutung in dieses Inventar wird dargetan, dass es in besonderem Masse die ungeschmälerte Erhaltung oder jedenfalls grösstmögliche Schonung verdient ( Art. 6 Abs. 1 NHG ). Die Aufnahme in das Verzeichnis bedeutet allerdings nicht, dass sich am bestehenden Zustand überhaupt nichts mehr ändern darf, doch soll der Zustand eines Objektes gesamthaft betrachtet unter dem Gesichtspunkt des Natur- und Heimatschutzes nicht verschlechtert werden. Allfällige geringfügige Nachteile einer Veränderung müssen durch anderweitige Vorteile mindestens ausgeglichen werden (BBl 1965 III 103). Darüber hinaus sind - wie ausgeführt - nebst den massgebenden forstrechtlichen Vorschriften die besonderen Schutzbestimmungen gemäss Art. 18 Abs. 1bis und 1ter und Art. 21 NHG (in der Fassung des Gesetzes vom 7. Oktober 1983) zu beachten, da es sich bei dem vom Rodungsgesuch betroffenen Wald um Auenvegetation im Sinne dieser Bestimmungen handelt (oben E. 4c). BGE 113 Ib 340 S. 350 Anderseits dürfen nach der Lehre auch in vom BLN-Inventar erfassten Gebieten unter besonderen Verhältnissen Rodungsbewilligungen für Wasserversorgungsanlagen erstellt werden (vgl. ROBERT IMHOLZ, Die Zuständigkeit des Bundes auf dem Gebiete des Natur- und Heimatschutzes, Diss. Zürich 1975, S. 68 mit Hinweis). b) Im Lichte der vorstehend genannten Grundsätze ist im weiteren auch das von Dr. J. Burnand und M. Küper von der Beratungsgemeinschaft für Umweltfragen im September 1981 erstattete Gutachten über die Folgen einer Grundwasserentnahme in der Belp-Au in die Interessenabwägung für die Beurteilung des Rodungsgesuches im Sinne von Art. 26 Abs. 4 FPolV einzubeziehen. Das Gutachten kam zum Schluss, auf einer Fläche von ca. 7 ha komme es bei einer Wasserentnahme von 13000 l/min zu einer Grundwasserabsenkung von 0,5 m. Auf dieser Fläche würden mit höchster Wahrscheinlichkeit die Altbäume früher oder später eingehen. Die Bäume müssten nämlich zukünftig unabhängig vom Grundwasser leben und hätten nur eine relativ geringe Zuwachsrate zu verzeichnen. Für Neuanpflanzungen wären sodann nur wenige Arten wie Föhren und Traubeneichen geeignet. Es komme somit zu einer Verarmung der Pflanzengesellschaft. Gestützt auf dieses Ergebnis des Gutachtens vom September 1981 wurde von den Beteiligten eine "Arbeitsgruppe Schutzkonzept Hunzigenau" eingesetzt, welche aus drei ausgewiesenen Fachleuten bestand (Dr. K. Grossenbacher, Biologe, Spezialist für Moore und Amphibienstandorte; Forstingenieur Ch. Küchli, Spezialist für Pflanzensoziologie; Dr. Ch. Haefeli, Geologe). Diese Arbeitsgruppe erstattete zwei Berichte, welche vom 1. Juli und vom 1. November 1982 datieren. Sie schlug zur Geringhaltung der Eingriffe geeignete Schutzmassnahmen vor, so eine Grundwasseranreicherung durch Erweiterung des "Entengülls" und weiterer Tümpel, durch Öffnen von Gräben und durch Vornahme von Ausholzungen um kleine Gewässer herum. Ferner schlug die Arbeitsgruppe die Erstellung Beobachtungsnetzes vor, um jederzeit die tatsächlichen Auswirkungen auf die Lage des Grundwasserspiegels überprüfen und mittels geeigneter Massnahmen Korrekturen vornehmen zu können. In der Folge wurde durch das Geologenbüro Dr. P. Kellerhals/Dr. Ch. Haefeli eine Optimierung der Standorte der beiden erforderlichen Brunnen vorgenommen, wodurch - laut einem vom 1. März 1984 datierten Bericht - die negativen biologischen und forstwirtschaftlichen Folgen wesentlich geringer als gemäss BGE 113 Ib 340 S. 351 den früheren Annahmen sein sollten. Es wird nun zu prüfen sein, wie verhindert werden kann, dass der Grundwasserspiegel bei der vorgesehenen Entnahmemenge von 25000 l/min (und nicht etwa nur bei der Grundlage des Gutachtens vom September 1981 bildenden Menge von 13000 l/min) nicht über ein Mass hinaus absinkt, dessen Überschreitung für den Pflanzenwuchs im Rahmen der Interessenabwägung nicht mehr angängige Schädigungen zur Folge hätte. Dieser Mindestgrundwasserspiegel dürfte je nach Jahreszeit bzw. Vegetationsstand unterschiedlich sein. Für den Fall seines Unterschreitens wären die Wasserentnahmen aus den beiden projektierten Brunnen bis zum Wiedererreichen des Mindestgrundwasserspiegels zu beschränken oder, wenn nötig, sogar zu unterlassen. Es kann allerdings nicht Aufgabe des Bundesgerichts als Verwaltungsgerichtsbeschwerdeinstanz sein, die hiezu notwendigen einlässlichen fachlichen Abklärungen zu tätigen und genaue Bedingungen bzw. Auflagen einer Rodungsbewilligung festzulegen. Vielmehr ist dies Sache der Bewilligungsbehörde, welcher die hiefür geeigneten Fachleute zur Verfügung stehen. c) In Rahmen einer Interessenabwägung bestehen sodann einige weitere Gründe, welche einer Verweigerung der Rodungsbewilligung entgegenstehen. Im Vordergrund steht dabei eine gewisse zeitliche und sachliche Dringlichkeit des Projektes der Beschwerdeführerin. In erster Linie ist in diesem Zusammenhang festzuhalten, dass im Wasser des Einzugsbereichs der Beschwerdeführerin die Nitratwerte eindeutig zu hoch sind und die Grenzwerte teilweise in gesundheitsschädigender Weise überschreiten. Demgegenüber haben Untersuchungen ergeben, dass das in der Belp-Au zu fassende Grundwasser nitratarm ist und dass es deshalb dazu dienen könnte, auf dem Wege der Mischung mit dem übrigen Wasser den Nitratgehalt entscheidend zu senken. Sodann konnte am Augenschein festgestellt werden, dass das Wasser im Bereich der Beschwerdeführerin auch einen zu hohen Atrazingehalt auf weist. Auch diesbezüglich ist die Beschwerdeführerin zwecks Mischung aus gesundheitspolizeilichen Gründen auf das Wasser aus der Belp-Au angewiesen. Das Interesse einer so bedeutenden Region wie Bern an einer hinreichenden Wasserversorgung ist unter den gegebenen Verhältnissen, wie dargelegt, höherrangig als dasjenige an der Erhaltung der in Frage stehenden relativ geringen Waldfläche. Bei Einhaltung der noch festzulegenden Bedingungen bzw. Auflagen werden die Rodung und die Auswirkungen des vorgesehenen Grundwasserwerkes das vom Gesuch betroffene BGE 113 Ib 340 S. 352 BLN-Objekt in seiner Gesamtheit nicht in erheblichem Ausmass beeinträchtigen. d) Der Vollständigkeit halber ist schliesslich festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin sich zu Unrecht auf eine Verletzung von Art. 20 des Bundesgesetzes vom 8. Oktober 1982 über die wirtschaftliche Landesversorgung (SR 531) beruft. Daraus kann für den vorliegenden Fall nichts angeleitet werden, handelt es sich doch bei der erwähnten Gesetzesbestimmung um eine blosse Kompetenznorm, gemäss welcher der Bundesrat Vorschriften über die Sicherstellung der Versorgung mit Trinkwasser in Notzeiten erlassen kann. Dennoch ist im Rahmen der Interessenabwägung festzuhalten, dass auch die Versorgungssicherheit des über 200000 Einwohner umfassenden Gebietes mit möglichst nicht gesundheitsschädigendem Trinkwasser zu berücksichtigen ist. Ferner wie die Beschwerdeführerin nicht zu Unrecht darauf hin, dass ihr aus dem Jahre 1950 stammendes Aaretalwerk I sanierungsbedürftig ist, wobei das in der Belp-Au zu gewinnende Wasser die Sanierungszeit des bestehenden Werkes überbrücken sollte. 6. Die vorstehende umfassende Interessenabwägung führt dazu, dass das EDI die Rodungsbewilligung unter von ihm noch genau festzulegenden Bedingungen bzw. Auflagen - vor allem mit Bezug auf den Mindestgrundwasserspiegel - zu erteilen hat. Nebstdem hat es in der Rodungsbewilligung die durch die zuständige Behörde auszustellende, allenfalls von zusätzlichen Bedingungen bzw. Auflagen abhängig zu machende Ausnahmebewilligung gemäss Art. 22 NHG vorzubehalten (s. BGE 112 Ib 431 f.; BGE 113 Ib 152 E. 3b mit weiteren Hinweisen), da es sich bei der zu rodenden Fläche im Auwald Belp - wie ausgeführt (oben E. 4c) - um Ufervegetation im Sinne dieser Bestimmung (i.V.m. Art. 18 Abs. 1bis und 1ter sowie Art. 21 NHG in der Fassung des Gesetzes vom 7. Oktober 1983) handelt. Demnach ist die Verfügung des EDI vom 11. Juni 1986 in Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung im Sinne der vorstehenden Erwägungen an dieses zurückzuweisen.
public_law
nan
de
1,987
CH_BGE
CH_BGE_003
CH
Federation
dfec3e9a-5e67-468b-b3b2-8e721f269f46
Urteilskopf 108 IV 120 30. Urteil des Kassationshofes vom 18. August 1982 i.S. X. gegen Polizeirichteramt der Stadt Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste 1. Art. 20a ff. UWG ; Art. 8 Abs. 2 der Verordnung über die Bekanntgabe von Preisen vom 11. Dezember 1978 (SR 942.211). Die Vorschrift, wonach die in den Schaufenstern ausgestellten Gegenstände mit von aussen gut lesbaren Preisanschriften an der Ware selbst oder unmittelbar daneben zu versehen sind (Art. 8 Abs. 2 der Verordnung), hält sich im Rahmen der dem Bundesrat in Art. 20a Abs. 2 UWG erteilten Kompetenz zur Regelung der Preisbekanntgabe und ist auch in bezug auf Luxusgüter geeignet, der Lauterkeit des Wettbewerbs und dem Schutz der Konsumenten zu dienen. Sie ist daher gesetzmässig (E. 2). 2. Art. 7 Abs. 2 der Verordnung über die Bekanntgabe von Preisen vom 11. Dezember 1978. Keine "technischen Gründe" im Sinne dieser Bestimmung sind: - der Luxuscharakter eines Gegenstandes (E. 3); - der Umstand, dass von aussen gut lesbare Preisanschriften an den in den Schaufenstern ausgestellten Gegenständen den Dieben die Auswahl gerade der teuersten Objekte erleichtern (E. 3); - die Vielzahl der ausgestellten Waren (E. 4); - Umtriebe und praktische Schwierigkeiten zufolge Auflagen der Versicherung (E. 4). 3. Notstand ( Art. 34 StGB ) verneint (E. 5). 4. Gleichbehandlung aller Geschäftsinhaber (E. 6).
Sachverhalt ab Seite 121 BGE 108 IV 120 S. 121 A.- A.- Am 17. September 1981 verurteilte der Einzelrichter in Strafsachen des Bezirkes Zürich X. in Anwendung von Art. 20a UWG sowie Art. 3 und 8 Abs. 2 der Verordnung über die Bekanntgabe von Preisen vom 11. Dezember 1978 (SR 942.211) gestützt auf Art. 20e Ziff. 1 lit. a UWG zu einer Busse von Fr. 40.--. Die I. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich wies die von X. gegen diesen Entscheid erhobene kantonale Nichtigkeitsbeschwerde am 2. April 1982 ab. X. wurde vorgeworfen, er habe einen grossen Teil der in den Schaufenstern seiner Geschäfte in BGE 108 IV 120 S. 122 Zürich ausgestellten Uhren und Bijouteriewaren nicht mit einer von aussen gut lesbaren Preisanschrift versehen. B.- X. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, der Entscheid des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache im Sinne der Aufhebung der Busse, Kostenauflage auf die Staatskasse und Zusprechung einer Umtriebsentschädigung an den Beschwerdeführer an die Vorinstanz zurückzuweisen, unter Kosten- und Entschädigungsfolge. Das Polizeirichteramt der Stadt Zürich beantragt in seiner Vernehmlassung unter Hinweis auf die Erwägungen im angefochtenen Beschluss die Abweisung der Nichtigkeitsbeschwerde. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. a) Gemäss Art. 7 der Verordnung über die Bekanntgabe von Preisen vom 11. Dezember 1978 (nachfolgend "Verordnung") müssen Detail- und Grundpreise durch Anschrift an der Ware selbst oder unmittelbar daneben (Anschrift, Aufdruck, Etikette, Preisschild, usw.) bekanntgegeben werden (Abs. 1). Sie können in anderer leicht zugänglicher und gut lesbarer Form bekanntgegeben werden (Regalschrift, Anschlag von Preislisten, Auflage von Katalogen, usw.), wenn die Anschrift an der Ware selbst wegen der Vielzahl preisgleicher Waren oder aus technischen Gründen nicht zweckmässig ist (Abs. 2). Art. 8 der Verordnung bestimmt, dass Detail- und Grundpreise leicht sichtbar und gut lesbar sein müssen und in Zahlen bekanntzugeben sind (Abs. 1). Insbesondere müssen in Schaufenstern die Detailpreise, bei Waren, die offen verkauft werden, die Grundpreise von aussen gut lesbar sein (Abs. 2). Art. 7 und 8 der Verordnung stützen sich auf Art. 20a UWG . Danach ist für die Waren, die dem Letztverbraucher zum Kauf angeboten werden, der tatsächlich zu bezahlende Preis bekanntzugeben, soweit der Bundesrat keine Ausnahmen vorsieht (Abs. 1); der Bundesrat regelt die Bekanntgabe von Preisen und Trinkgeldern (Abs. 2). Art. 20a bis 20f UWG wurden durch Bundesgesetz vom 23. Juni 1978 (AS 1978 2057) als fünfter Abschnitt ("Preisbekanntgabe") in das UWG eingefügt. Dadurch wurde die im Jahre 1973 geschaffene Preisbekanntgabepflicht, die sich auf Notrecht, nämlich den Bundesbeschluss vom 20. Dezember 1972 betreffend Überwachung der Preise, Löhne und Gewinne (AS 1972 3059) und den Bundesbeschluss vom 19. Dezember 1975 über die Preisüberwachung (AS 1975 2552) stützte, ins ordentliche Recht übergeführt. BGE 108 IV 120 S. 123 Nachdem die Preisanschreibepflicht anfänglich als Instrument der Preisüberwachung hauptsächlich der Sichtbarmachung von Preisbewegungen diente, kam ihr im Lauf der Jahre eine zusätzliche Bedeutung zu als Beitrag zur Lauterkeit der Werbung, zum Schutz der Wettbewerber und der Konsumenten (siehe Botschaft des Bundesrates, BBl 1978 I 166 f.). Die Preise sollen klar sein und miteinander verglichen werden können (vgl. auch Art. 1 der Verordnung). b) Bereits die auf die erwähnten dringlichen Bundesbeschlüsse gestützten bundesrätlichen Verordnungen vom 12. Juni 1973 über Anschrift der Detailpreise (AS 1973 998) bzw. vom 31. März 1976 über die Bekanntgabe von Detailpreisen (AS 1976 846) sahen Ausnahmen vom Grundsatz vor, wonach die Preisanschrift an der Ware selbst oder unmittelbar daneben angebracht werden muss. So bestimmte Art. 7 2 . Satz der Verordnung von 1973: "Ist dies aus technischen Gründen nicht möglich oder wegen der Grosszahl gleicher oder ähnlicher Waren oder mit Rücksicht auf deren Luxuscharakter nicht zweckmässig, kann die Preisanschrift in anderer leicht zugänglicher und lesbarer Weise am Ort des Verkaufes erfolgen (Preisschild am Regal, Auflage von Katalogen, Anschlag von Preislisten)." In Art. 5 der Verordnung von 1976 hiess es: "Die Bekanntgabe kann in anderer leicht zugänglicher und gut lesbarer Form erfolgen (Regalanschrift, Anschlag von Preislisten, Auflage von Katalogen, usw.), wenn die Anschrift nach Absatz 1 wegen der Grosszahl preisgleicher Waren nicht zweckmässig oder aus technischen Gründen nicht möglich ist" (Abs. 2). "Die Bekanntgabe nach Abs. 2 ist auch zulässig für Antiquitäten, Kunstgegenstände, Orientteppiche, Pelzwaren, Uhren, Schmuck und andere Gegenstände aus Edelmetallen, wenn der Preis 2'000 Franken übersteigt" (Abs. 3). Anlässlich der Beratungen über Art. 20a UWG im Ständerat führte der Berichterstatter Guntern aus, dass Ausnahmen schon nach der bisherigen Praxis möglich waren. Er verwies auf die in Art. 5 der Verordnung von 1976 erwähnten Luxusartikel, deren Preise seines Erachtens "nicht gut in den Vitrinen bekanntgegeben werden können. Dafür sollen besondere Regelungen möglich sein" (Amtl.Bull. StR 1978 S. 57). Nach der heute geltenden Verordnung ist die Preisbekanntgabe in anderer Form (durch Preislisten etc.) nur zulässig, wenn die Anschrift an der Ware selbst (oder unmittelbar daneben, siehe Art. 7 Abs. 1) wegen der Vielzahl preisgleicher Waren oder aus technischen Gründen nicht zweckmässig ist. Die Luxusqualität der BGE 108 IV 120 S. 124 angebotenen Ware wird mithin, anders als in den Verordnungen von 1973 und 1976, nicht mehr erwähnt. 2. Der Beschwerdeführer macht zunächst geltend, Art. 8 Abs. 2 der Verordnung sei durch Art. 20a UWG nicht gedeckt. Der Bundesrat habe nicht die Kompetenz, den Verkaufsgeschäften vorzuschreiben, die in Schaufenstern ausgestellte Ware ausnahmslos mit Preisschildern zu versehen, die von der Strasse aus gut lesbar seien. Massgebend könne nur sein, dass dem Käufer vor dem Kauf klare Angaben gemacht werden. Das könne auch durch Kataloge, Preislisten, Preisetiketten an der Ware selbst oder Preisangaben durch das Verkaufspersonal geschehen. Der Beschwerdeführer habe unbestrittenermassen alle Gegenstände mit (von aussen allerdings nicht gut lesbaren) Preisetiketten versehen und zusätzlich neben zahlreiche in den Schaufenstern ausgestellte Waren von aussen gut lesbare Preistäfelchen gesetzt. Das Obergericht hält in diesem Zusammenhang einzig fest, Art. 8 der Verordnung, der gestützt auf Art. 20f Abs. 2 UWG erlassen worden sei, führe lediglich eine Regelung aus, die in grundsätzlicher Weise schon in Art. 20a Abs. 1 UWG Gestalt angenommen habe. Der Einwand, der Bundesrat habe mit dem Erlass von Art. 8 Abs. 2 der Verordnung die ihm erteilte Ermächtigung überschritten und die Verordnungsvorschrift sei daher gesetzwidrig, wurde sinngemäss bereits im kantonalen Verfahren erhoben. Der damals noch nicht von einem Anwalt verbeiständete X. hatte in der kantonalen Nichtigkeitsbeschwerde unter anderem folgendes geltend gemacht: Der Preis allein gebe dem Käufer über den Wert des Gegenstandes keine Information. Es sei unmöglich, durch das Schaufenster die Qualität, das Goldgewicht, den Goldgehalt, die Karate der Steine, die Echtheit und vieles mehr festzustellen. Praktisch gleich aussehende Schmuckstücke könnten einen völlig verschiedenen Wert haben. Stets sei eine Erklärung durch den Fachmann erforderlich. Der Beschwerdeführer machte somit bereits im kantonalen Verfahren geltend, die Vergleichbarkeit der Preise und damit der Schutz der Konsumenten und Konkurrenten, den Art. 20a UWG bezweckt, könne durch die Vorschrift, wonach die in den Schaufenstern ausgestellten Gegenstände mit von aussen gut lesbaren Preisangaben zu versehen sind, nicht erreicht werden. Art. 20a Abs. 2 UWG enthält keine konkreten Richtlinien über die Art und Weise der Preisbekanntgabe, die vom Bundesrat zu regeln ist. Dem Bundesrat steht somit bei der Regelung der Formen BGE 108 IV 120 S. 125 der Preisbekanntgabe ein weiter Ermessensspielraum zu. Der Richter darf nicht sein Ermessen an die Stelle desjenigen des Bundesrates treten lassen, sondern er hat lediglich zu prüfen, ob die vom Verordnungsgeber erlassenen Vorschriften objektiv dem Zweck des Gesetzes dienen und zur Erreichung dieses Zweckes überhaupt geeignet sind ( BGE 108 IV 73 E. b; BGE 107 IV 202 E. c; BGE 104 IV 273 , 101 IV 343 E. 4). Es trifft gewiss zu, dass ein Interessent nicht allein aufgrund der Preisangaben im Schaufenster und nach einem Vergleich der Preise der in den Schaufenstern ausgestellten Gegenstände sich zum Kauf eines bestimmten Schmuckstücks oder einer Luxusuhr in Einzelausfertigung entschliesst. Es ist allgemein bekannt, dass äusserlich praktisch gleich aussehende Bijouteriewaren sich im Wert erheblich unterscheiden können. Der Interessent wird sich daher immer zunächst über Material und Verarbeitung usw. beraten lassen, bevor er seinen Kaufentscheid trifft. Aufgrund der Betrachtung eines Schmuckstücks oder einer Luxusuhr durch das Schaufenster kann nicht zuverlässig erkannt werden, ob das angebotene Stück seinen Preis wert bzw. im Vergleich mit den Angeboten der Konkurrenten allenfalls zu teuer ist. Dies gilt indessen nicht nur in bezug auf Bijouteriewaren und andere Luxusgüter, sondern auch für zahlreiche Gebrauchsartikel. Der Umstand, dass die Preisangaben in den Schaufenstern und damit ein Preisvergleich für sich allein wenig informativ sind und der Interessent sich nicht einzig gestützt darauf zum Kauf eines bestimmten Gegenstandes entschliesst, bedeutet jedoch nicht, dass Art. 8 Abs. 2 der Verordnung (von aussen gut lesbare Preisanschrift an oder unmittelbar neben den in den Schaufenstern ausgestellten Gegenständen) überhaupt nicht geeignet sei, der Lauterkeit des Wettbewerbs und dem Schutz der Konsumenten zu dienen. Es ist eine Erfahrungstatsache, dass Schaufensterauslagen Einfluss auf das Konsumverhalten haben, indem sie das Interesse an bestimmten Gegenständen überhaupt wecken und den Entschluss des Interessenten, das Geschäft zu betreten, um sich zumindest zu informieren, beeinflussen und dass dabei auch die Preisangaben bei den in den Schaufenstern ausgelegten Gegenständen eine - fördernde oder hemmende - Rolle spielen können. Art. 8 Abs. 2 der Verordnung ist daher, auch soweit er Schmuckstücke betrifft, prinzipiell geeignet, den durch Art. 20a UWG verfolgten Zwecken (Lauterkeit des Wettbewerbs, Schutz der Konsumenten) zu dienen. Dass ein Preisvergleich allein bei Luxusgütern weniger informativ ist als bei zahlreichen andern BGE 108 IV 120 S. 126 Waren, ist unerheblich und verpflichtete den Bundesrat nicht, insoweit andere Formen der Preisbekanntgabe zu gestatten, selbst wenn das Parlament gerade bei Schmuckstücken und andern Luxusgütern an andere Formen der Preisbekanntgabe gedacht haben mag (siehe das schon erwähnte Votum des Berichterstatters im Ständerat, Amtl.Bull. StR 1978 S. 57). ob die Bestimmungen in den bereits zitierten früheren Verordnungen von 1973 und 1976, wonach die Preisbekanntgabe bei gewissen Luxusartikeln in anderer Form als durch Anschrift an oder unmittelbar neben der Ware selbst erfolgen konnte, genügten oder gar zweckmässiger waren, hat das Bundesgericht nicht zu untersuchen. 3. Der Beschwerdeführer macht wie sinngemäss bereits im kantonalen Verfahren im weiteren geltend, es lägen in seinem Fall "technische Gründe" (im Sinne von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung) vor, welche die Angabe des Preises auf von aussen gut lesbaren Schildchen unmittelbar neben der Ware als unzweckmässig erscheinen lassen. Zur Begründung beruft er sich auf einen (andere Bijoutiers betreffenden) Entscheid eines Zürcher Einzelrichters, der unter Hinweis auf die parlamentarischen Beratungen zu Art. 20a UWG die Auffassung vertrat, dass die Wendung "aus technischen Gründen nicht zweckmässig" weit zu fassen sei. Der Beschwerdeführer weist auf die Gefahr von Raubüberfällen und Diebstählen hin, die durch von aussen gut lesbare Preisanschriften erhöht werde. Er macht geltend, die Diebe seien dank solcher Preisanschriften in den Schaufenstern in der Lage, in kürzester Zeit gerade die wertvollsten Schmuckstücke zu behändigen. Den Ladeninhabern könne nicht zugemutet werden, die Diebe auf die wertvollsten Objekte aufmerksam machen zu müssen. Gerade in jüngster Zeit hätten Täter mittels feiner Drahtschlingen, die durch einen schmalen Spalt in die Schaufensterauslage geschoben wurden, gezielt die teuersten Schmuckstücke herausgefischt. Dass der Luxuscharakter eines Gegenstandes als solcher kein "technischer Grund" im Sinne von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung ist, ergibt sich schon daraus, dass er in den bereits zitierten früheren Verordnungen (von 1973 und 1976) neben den technischen Gründen erwähnt wurde. Selbst wenn man mit dem Beschwerdeführer annehmen wollte, dass zwischen der Preisanschrift in der vom Bundesrat vorgeschriebenen Form einerseits und der Zahl der Diebstähle in Bijouteriegeschäften und/oder dem von den Dieben angerichteten Schaden andererseits ein Zusammenhang besteht, so läge darin kein BGE 108 IV 120 S. 127 "technischer" Grund im Sinne von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung. Es ist eine unvermeidliche Folge der Preisanschriftspflicht an sich, dass auch Diebe den Preis der von ihnen ins Auge gefassten Objekte sofort erkennen können und allenfalls danach ihre Wahl treffen. Diese unerwünschte Konsequenz, die nicht nur bei Luxusgütern, sondern bei allen Gegenständen besteht, ist kein technischer Grund im Sinne von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung. 4. Der Beschwerdeführer hatte im kantonalen Verfahren mehrfach darauf hingewiesen, er sei gar nicht in der Lage, sämtliche in den Schaufenstern seiner Geschäfte ausgestellten Schmuckstücke und Uhren mit von aussen gut lesbaren Preisanschriften zu versehen. Er wies auf Auflagen der Versicherung hin, denen zufolge er gehalten sei, einen Teil der ausgestellten Stücke über Nacht aus den Schaufenstern zu entfernen. Die an sich schon zeitraubende Tätigkeit, diese Schmuckstücke am Morgen wieder in die Schaufenster zu stellen, werde noch erheblich kompliziert, wenn neben sämtliche Gegenstände ein von aussen gut lesbares Preistäfelchen gesetzt werden müsse. Es bestehe die Gefahr von Verwechslungen und es lasse sich kein für solche Aufgaben genügend qualifiziertes Personal finden. So habe er einmal ein versehentlich mit Fr. 3'000.-- angeschriebenes Collier zu diesem Preis verkaufen müssen, obschon dessen tatsächlicher Preis bei Fr. 6'000.-- lag. In der Nichtigkeitsbeschwerde werden diese Einwände nicht mehr erhoben. Sie sind im übrigen unbegründet. Die Vielzahl der ausgestellten Schmuckstücke und Uhren ist kein technischer Grund im Sinne der Verordnung. Gemäss deren Art. 7 Abs. 2 ist bei "Vielzahl preisgleicher Waren" eine Preisbekanntgabe in anderer Form als durch Anschrift an oder unmittelbar neben der Ware selbst gestattet, woraus deutlich hervorgeht, dass die Vielzahl preislich unterschiedlicher Waren keine Ausnahme von der Regel begründen soll und daher auch kein "technischer Grund" im Sinne von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung ist. Hätte der Bundesrat schon bei einer Vielzahl von Waren andere Formen der Preisbekanntgabe zulassen wollen, dann wäre in der Verordnung nicht ausdrücklich von der Vielzahl preisgleicher Waren die Rede. Bereits in der Verordnung von 1976 wurde neben den technischen Gründen die "Grosszahl preisgleicher Waren" erwähnt, wohingegen in der Verordnung von 1973 neben den technischen Gründen die "Grosszahl gleicher oder ähnlicher Waren" genannt wurde. Daraus muss der Schluss gezogen werden, dass die Vielzahl preislich unterschiedlicher Waren nach der heutigen Rechtslage selbst BGE 108 IV 120 S. 128 dann keine Ausnahme von der Regel begründet, wenn die Waren ähnlich sind. Dies ergibt sich übrigens schon daraus, dass sich in den meisten Geschäften eine Vielzahl ähnlicher, preislich unterschiedlicher Waren befindet. Ob diese Waren im Ladeninnern oder in den Schaufenstern aufgestellt sind, ist unerheblich. Im letzteren Fall müssen die an oder unmittelbar neben den Gegenständen angebrachten Preisanschriften "von aussen" leicht sichtbar und gut lesbar sein, weil die Schaufensterauslagen gerade auch für die aussenstehenden potentiellen Käufer bestimmt sind. Die Gefahr, dass neben einen bestimmten im Schaufenster ausgestellten Gegenstand ein falsches Preisschild gesetzt wird, kann etwa dadurch behoben werden, dass die Preisanschrift mittels Preisschildchen, die mit dem Gegenstand durch einen Draht oder einen Faden usw. verbunden sind, erfolgt (wie man dies in Schaufensterauslagen häufig antreffen kann), wodurch übrigens auch beim morgendlichen Hinstellen der am Abend weggeräumten Schmuckstücke Arbeitsgänge eingespart werden können. Dass schliesslich die Auflagen der Versicherung und der Personalmangel keine technischen Gründe im Sinne von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung sind, liegt auf der Hand. Die kantonalen Instanzen wiesen zutreffend darauf hin, dass der Beschwerdeführer seine Schaufensterauslagen so zu gestalten hat, dass er die Bestimmungen über die Preisbekanntgabepflicht einhalten kann. Die dem Beschwerdeführer bei der Befolgung dieser Vorschriften erwachsenden Umtriebe und Mehrkosten sind keine technischen Gründe im Sinne von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung. 5. Der Beschwerdeführer weist auf die Verluste von über 2 Millionen Franken hin, die er allein in den Jahren 1980 und 1981 infolge von Diebstählen erlitten habe. Er macht wie sinngemäss bereits im kantonalen Verfahren geltend, er handle in Notstand ( Art. 34 StGB ), wenn er "einzelne teure Stücke im Schaufenster nicht anschreibt". Nachdem die Zürcher Polizei nicht mehr in der Lage sei, einen genügenden Schutz vor den zunehmenden Einbruchsdiebstählen zu bieten, könne es dem Geschäftsmann nicht verwehrt werden, einen gewissen (harmlosen) Schutz vorzukehren. Die Berufung auf Notstand ist verfehlt. Weder ist die Gefahr "unmittelbar", noch ist sie "nicht anders abwendbar" (siehe dazu BGE 101 IV 4 ). Auch die Voraussetzungen der erlaubten Selbsthilfe ( Art. 52 Abs. 3 OR in Verbindung mit Art. 32 StGB ) sind nicht erfüllt; das Interesse des Eigentümers, nicht bestohlen zu werden, ist kein "Anspruch" im Sinne von Art. 52 Abs. 3 OR . BGE 108 IV 120 S. 129 6. Der Beschwerdeführer rügt schliesslich eine Verletzung von Art. 4 BV und macht geltend, dass zahlreiche Ladenbesitzer die ausgestellten Verkaufswaren nicht mit Preisschildern versehen und dennoch nicht bestraft werden. Der Einwand hätte mit staatsrechtlicher Beschwerde erhoben werden müssen ( Art. 269 Abs. 2 BStP ). Er ist im übrigen unbegründet; der Beschwerdeführer vermag keine Anhaltspunkte dafür zu nennen, dass die Behörden willkürlich stets nur einen ganz bestimmten Kreis von Ladenbesitzern wegen Widerhandlung gegen die Preisbekanntgabeverordnung strafrechtlich verfolgen und andere Geschäftsinhaber, die in gleicher Weise gegen die Vorschriften verstossen, systematisch verschonen. Fehl geht schliesslich der Einwand des Beschwerdeführers, dass auch die gewerblichen Bundesbetriebe (bspw. SBB und PTT) "sich nicht an Art. 8 und 10 der VO halten" und dass weder die Streckenpreise noch die Gesprächstaxen gut sichtbar angeschlagen seien. Die vom Beschwerdeführer erwähnten Leistungen dieser Betriebe werden in Art. 10 der Verordnung, der die Bereiche aufzählt, in welchen für Dienstleistungen die Preise gut lesbar bekanntzugeben sind, nicht genannt. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
null
nan
de
1,982
CH_BGE
CH_BGE_006
CH
Federation
dff6b34d-3c0d-48e0-b75c-c7ff6d3c3135
Urteilskopf 134 I 125 14. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. Thommen und Verein Referendum BWIS gegen Regierungsrat des Kantons Zürich (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) 1C_158/2007 vom 31. März 2008
Regeste a Kantonale Zuständigkeitsordnung zum Vollzug des Bundesgesetzes über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit (BWIS), Art. 49 Abs. 1 BV . Die kantonale Zuständigkeitsordnung, wonach die Kantonspolizei und die Stadtpolizeien von Zürich und Winterthur zur Anordnung von Massnahmen gemäss BWIS befugt sind, hält vor dem Bundesrecht stand (E. 2). Regeste b Erfordernis einer formell-gesetzlichen Grundlage für die Bestimmung der gerichtlichen Zuständigkeitsordnung; Art. 30 Abs. 1 BV , Art. 73 und 38 KV/ZH . Der Regierungsrat ist nicht befugt, die gerichtliche Zuständigkeitsordnung zur richterlichen Überprüfung von Massnahmen gemäss BWIS in Abweichung von der allgemeinen Gerichtsorganisation durch eine blosse Verordnung festzulegen (E. 3). Regeste c Vereinbarkeit der gerichtlichen Zuständigkeitsordnung mit dem Bundesgerichtsgesetz und dem Bundesgesetz über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit. Die in der angefochtenen Einführungsverordnung vorgesehene Gerichtsorganisation steht mit dem Bundesgerichtsgesetz im Widerspruch (E. 3.5). Soweit die allgemeinen Regeln der kantonalen Verwaltungsrechtspflege anwendbar sind, steht die Ordnung im Einklang mit dem Bundesgerichtsgesetz und dem BWIS; hinsichtlich des Polizeigewahrsams bedarf es aufgrund des BWIS einer ergänzenden Regelung (E. 4 und 5).
Sachverhalt ab Seite 126 BGE 134 I 125 S. 126 Das Bundesgesetz vom 21. März 1997 über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit (BWIS; SR 120; im Folgenden auch Bundesgesetz) ist mit Beschluss der Eidg. Räte vom 24. März 2006 ergänzt worden. Die Änderung verfolgt das Ziel, Gewalt und insbesondere Gewalt an Sportveranstaltungen vorbeugend besser zu erkennen und zu bekämpfen (vgl. Art. 2 Abs. 1 BWIS ; Botschaft vom 17. August 2005, BBl 2005 S. 5613). Sie soll das Sicherheitsdispositiv für die Durchführung der Fussballeuropameisterschaft EURO BGE 134 I 125 S. 127 08 in der Schweiz und in Österreich im Speziellen und von Sportveranstaltungen im Allgemeinen ergänzen. Vorgesehen werden namentlich Informationen über Gewalttätigkeiten anlässlich von Sportveranstaltungen ( Art. 24a BWIS ), Rayonverbote ( Art. 24b BWIS ), Ausreisebeschränkungen ( Art. 24c BWIS ), Meldeauflagen ( Art. 24d BWIS ) und Polizeigewahrsam ( Art. 24e BWIS ). Die Neuerungen im Bundesgesetz sind am 1. Januar 2007 in Kraft getreten. Die Geltung von Art. 24b, 24d und 24e BWIS ist zeitlich beschränkt bis zum 31. Dezember 2009 (vgl. Botschaft, a.a.O., S. 5637 ff.). Gestützt auf diese Änderungen des Bundesgesetzes hat der Bundesrat die Verordnung vom 27. Juni 2001 über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit am 30. August 2006 ergänzt (VWIS; SR 120.2). In Ausführung dieser bundesrechtlichen Vorgaben hat der Regierungsrat des Kantons Zürich am 2. Mai 2007 die Einführungsverordnung zum Bundesgesetz über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit (Massnahmen gegen Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen) erlassen (EV BWIS/ZH; LS 551.19; im Folgenden: Einführungsverordnung). Diese enthält folgende Bestimmungen: § 1 - Zuständige Behörden 1 Die Stadtpolizeien Zürich und Winterthur a. legen auf dem Gebiet ihrer Stadt Rayons im Sinne von Art. 24b Abs. 1 BWIS fest, b. verfügen ein Rayonverbot gemäss Art. 24b Abs. 1 BWIS , wenn der Rayon auf dem Gebiet ihrer Stadt liegt, c. verfügen eine Meldeauflage gemäss Art. 24d BWIS , wenn die betroffene Person in ihrer Stadt wohnt, d. verfügen einen Polizeigewahrsam gemäss Art. 24e BWIS , wenn die betroffene Person in ihrer Stadt wohnt oder die Gewalttätigkeit auf dem Gebiet ihrer Stadt befürchtet wird, e. beantragen eine Ausreisebeschränkung gemäss Art. 24c BWIS , wenn die betroffene Person in ihrer Stadt wohnt, f. erstatten in ihrem Zuständigkeitsbereich gemäss lit. a-d Meldungen gemäss Art. 24h Abs. 3 BWIS . 2 Auf dem übrigen Kantonsgebiet ist die Kantonspolizei zuständig. Diese ist auch im Zuständigkeitsbereich der Stadtpolizeien Zürich und Winterthur gemäss Abs. 1 lit. b-e zum Handeln befugt. § 2 - Gerichtliche Beurteilung, Mitteilung der Strafentscheide 1 Die betroffene Person kann gegen Verfügungen betreffend Rayonverbot, Meldeauflage oder Polizeigewahrsam innert zehn Tagen seit BGE 134 I 125 S. 128 deren Mitteilung schriftlich das Begehren um gerichtliche Beurteilung stellen. 2 Zuständiges Gericht ist die Haftrichterin oder der Haftrichter des Bezirksgerichts Zürich. 3 Für das Verfahren gelten sinngemäss die Verfahrensbestimmungen von §§ 9-12 des Gewaltschutzgesetzes vom 19. Juni 2006. 4 Die Strafbehörden melden der zuständigen Polizei Strafbescheide gemäss Art. 24h Abs. 3 lit. b BWIS . § 3 - Inkrafttreten Diese Verordnung tritt am 1. Juni 2007 in Kraft und gilt bis 31. Dezember 2009." Gegen diese Verordnung hat Christian Thommen beim Bundesgericht am 10. Juni 2007 in eigenem Namen und im Namen des Vereins Referendum BWIS staatsrechtliche Beschwerde erhoben. Die Beschwerdeführer beantragen die vollumfängliche Aufhebung der Einführungsverordnung. Sie machen Verletzungen von Art. 30 und 49 BV sowie von Art. 31 BV und Art. 5 EMRK geltend. Im Wesentlichen bringen sie vor, die vorgesehene Zuständigkeit von mehreren kommunalen Behörden stehe im Widerspruch zum BWIS. Ferner fehle dem Regierungsrat für die Bezeichnung von Haftrichter und Haftrichterin als richterliche Behörde zur Überprüfung der vorgesehenen Massnahmen die formell-gesetzliche Grundlage. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut und hebt die Bestimmungen von § 2 Abs. 1-3 der regierungsrätlichen Einführungsverordnung auf. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden kann. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des Vorrangs von Bundesrecht im Sinne von Art. 49 Abs. 1 BV und macht geltend, die in § 1 EV BWIS/ZH vorgesehene Zuständigkeitsordnung stehe mit dem Bundesgesetz im Widerspruch. 2.1 Der Grundsatz des Vorrangs von Bundesrecht nach Art. 49 Abs. 1 BV schliesst in Sachgebieten, welche die Bundesgesetzgebung abschliessend regelt, eine Rechtssetzung durch die Kantone aus. In Sachgebieten, die das Bundesrecht nicht abschliessend ordnet, dürfen die Kantone nur solche Vorschriften erlassen, die nicht gegen Sinn und Geist des Bundesrechts verstossen und dessen Zweck nicht beeinträchtigen oder vereiteln. Der Grundsatz der BGE 134 I 125 S. 129 derogatorischen Kraft des Bundesrechts kann als verfassungsmässiges Individualrecht angerufen werden. Das Bundesgericht prüft mit freier Kognition, ob die kantonale Norm mit dem Bundesrecht in Einklang steht ( BGE 133 I 286 E. 3.1 S. 290 mit Hinweisen). 2.2 Nach Art. 24b Abs. 1 BWIS bestimmt die zuständige kantonale Behörde die Rayons, in denen einer Person, die sich nachweislich an Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen beteiligt hat, der Aufenthalt verboten werden kann. Gemäss Art. 24h Abs. 1 BWIS bezeichnen die Kantone allgemein die zuständige Behörde für die Massnahmen im Sinne von Art. 24b, 24d und 24e BWIS . Die angefochtene Einführungsverordnung sieht in § 1 vor, dass die Stadtpolizeien Zürich und Winterthur für das Gebiet ihrer Städte (Abs. 1) und die Kantonspolizei auf dem übrigen Kantonsgebiet (Abs. 2) die entsprechenden Massnahmen treffen. Der Beschwerdeführer erblickt in der Regelung der Einführungsverordnung zum einen insofern einen Verstoss gegen das Bundesgesetz, als dieses in Art. 24b Abs. 1 die kantonale Behörde nennt und der Regierungsrat u.a. die Stadtpolizeien Zürich und Winterthur als kommunale Behörde einsetzt. Zum andern darin, dass nach Art. 24h Abs. 1 BWIS die zuständige Behörde (im Singular) zu bestimmen ist und der Regierungsrat mit den Stadtpolizeien Zürich und Winterthur sowie der Kantonspolizei mehrere Behörden betraut. Die Rüge der Verletzung von Art. 49 Abs. 1 BV erweist sich von vornherein als unbegründet. Das BWIS weist die Kantone in genereller Weise an, die Zuständigkeiten für den Vollzug der neu eingeführten Massnahmen festzulegen. Die Kantone sind grundsätzlich frei, diese Zuständigkeiten vor dem Hintergrund der kantonalen Besonderheiten und ihrer Organisations- und Verfassungsordnung zu bestimmen und dabei auch kommunale Behörden einzusetzen. Nur in Ausnahmefällen wird die kantonale Vollzugsordnung durch das Bundesrecht mitbestimmt (vgl. BGE 128 I 254 zum Erfordernis einer einzigen kantonalen Behörde nach Art. 25 Abs. 2 RPG [SR 700]). Im vorliegenden Fall kann dem BWIS keineswegs entnommen werden, dass der Bund in die Organisationsfreiheit der Kantone eingreifen und den Kantonen in dem Sinne eine bestimmte Zuständigkeitsordnung vorschreiben wollte, als nur eine einzige Behörde mit dem Vollzug betraut werden dürfte oder kommunale Organe davon ausgeschlossen werden sollten. Daran ändern die BGE 134 I 125 S. 130 Ausführungen des Beschwerdeführers in der Replik mit Hinweisen auf die Botschaft und weitere Bestimmungen im Bundesgesetz nichts. Das Bundesgesetz nennt an verschiedenen Orten kantonale Behörden (im Plural), so etwa in Art. 24b Abs. 3 oder Art. 24e BWIS . Ferner sieht die - nicht erst mit der Änderung des Bundesgesetzes vom 24. März 2006 eingeführte - Bestimmung von Art. 6 Abs. 2 BWIS Aufgabenübertragungen an Gemeinden ausdrücklich vor. Es ist nicht ersichtlich, dass der Bundesgesetzgeber die Organisationsautonomie der Kantone hätte einschränken und den Kantonen untersagen wollen, mehrere und auch kommunale Behörden mit dem Vollzug zu betrauen. Die Beschwerde ist daher in diesem Punkte abzuweisen. 3. Weiter rügt der Beschwerdeführer, dass der Regierungsrat mit § 2 EV BWIS/ZH ohne formell-gesetzliche Grundlage lediglich auf Verordnungsstufe den Rechtsschutz geordnet und die gerichtliche Prüfung der verschiedenen Massnahmen der Haftrichterin bzw. dem Haftrichter des Bezirksgerichts Zürich zugewiesen hat. Er macht insbesondere geltend, diese gerichtsorganisatorische Regelung durch eine blosse Verordnung verstosse gegen den Anspruch auf ein durch ein Gesetz geschaffenes Gericht nach Art. 30 Abs. 1 BV und stehe mit Art. 73 Abs. 1 der Zürcher Kantonsverfassung (KV/ZH) im Widerspruch, wonach die Gerichte Streitigkeiten entscheiden, die ihnen das Gesetz zuweist. Er weist darauf hin, dass der Einzelrichter nach § 24a des Gerichtsverfassungsgesetzes vom 13. Juni 1976 (GVG; LS 211.1) lediglich als Haftrichter im Sinne der Strafprozessordnung und bei ausländerrechtlichen Zwangsmassnahmen amtet und dass der Rechtsweg ohne die angefochtene Bestimmung ans Verwaltungsgericht führen würde; zusätzlich ist der Einzelrichter aufgrund des Gewaltschutzgesetzes zur richterlichen Prüfung entsprechender Schutzmassnahmen zuständig (vgl. § 24a GVG in der Fassung gemäss GSG/ZH). Schliesslich fügt der Beschwerdeführer an, dass der Regierungsrat selber in seinem Bericht zur Einführungsverordnung auf die Problematik der Regelung auf Verordnungsstufe hingewiesen habe. Der Beschwerdeführer beschränkt seine diesbezügliche Rüge auf die Frage der Erlassstufe und unterzieht die Einführungsverordnung keiner materiellen Kritik. 3.1 Zur Beurteilung der vorgebrachten Rügen ist vorerst die materielle Ausgangslage nachzuzeichnen sowie die Bedeutung von § 2 EV BWIS/ZH festzuhalten. BGE 134 I 125 S. 131 Das Bundesgesetz über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit sieht die von den Kantonen zu vollziehenden Massnahmen der Rayonverbote (Art. 24b), der Meldeauflagen (Art. 24d) und des Polizeigewahrsams (Art. 24e) vor. Es umschreibt insbesondere die materiellen Voraussetzungen für die Anordnung der entsprechenden Massnahmen. Hinsichtlich der Rayonverbote und Meldeauflagen enthält es keine Bestimmungen zum Rechtsschutz. Hingegen räumt es in Bezug auf den Polizeigewahrsam den Anspruch ein, dass die Rechtmässigkeit der Massnahme auf Antrag der betroffenen Person gerichtlich überprüft wird ( Art. 24e Abs. 5 BWIS ). Auf die Bedeutung der letzteren Bestimmung im Einzelnen ist unten einzugehen (E. 4.4). § 2 der Einführungsverordnung regelt in prozessualer Hinsicht die gerichtliche Beurteilung von Rayonverboten, Meldeauflagen und Polizeigewahrsam in einheitlicher Weise. Die von einer solchen Massnahme betroffene Person kann gegen Verfügungen innert zehn Tagen schriftlich das Begehren um gerichtliche Beurteilung stellen (Abs. 1). Als zuständiges Gericht für diese Prüfung wird die Haftrichterin oder der Haftrichter des Bezirksgerichts Zürich bezeichnet (Abs. 2). Für das Verfahren gelten nach Abs. 3 sinngemäss die Verfahrensbestimmungen des Gewaltschutzgesetzes (GSG/ZH; LS 351). Daraus folgt, dass Haftrichterin und Haftrichter rasch sowie endgültig und unter Ausschluss eines innerkantonalen Rechtsmittelweges entscheiden (vgl. § 9 Abs. 1 und § 10 Abs. 2 GSG /ZH); der Richter stellt den Sachverhalt von Amtes wegen fest, hört die betroffene Person nach Möglichkeit an und nimmt Beweise ab, soweit solche das Verfahren nicht verzögern (vgl. § 9 Abs. 2 und 4 GSG /ZH). Gesamthaft betrachtet haben diese Bestimmungen von § 2 EV BWIS/ZH für die betroffene Sachmaterie die Bedeutung einer eigenständigen und umfassenden Regelung der Zuständigkeitsordnung und Gerichtsorganisation. Es wird abschliessend umschrieben, in welcher Form der Richter angerufen werden kann, welcher Richter in welchem Verfahren in funktionaler und örtlicher Sicht die Prüfung vornimmt, dass ein kantonaler Rechtszug ausgeschlossen ist und wie die Kosten zu verlegen sind. Umgekehrt bedeutet diese Ordnung, dass die allgemeinen Bestimmungen der Verwaltungsrechtspflege und des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht zur Anwendung kommen (vgl. im Einzelnen unten E. 4.1); insbesondere kommt dem Einzelrichter am Bezirksgericht nach der Einführungsverordnung eine Zuständigkeit zu, die im Gerichtsverfassungsgesetz nicht BGE 134 I 125 S. 132 vorgesehen ist (vgl. § 19 ff. GVG und insbes. § 24a GVG in der Fassung gemäss GSG/ZH); es kommt hinzu, dass nach § 2 Abs. 2 EV BWIS/ZH ausschliesslich und für den ganzen Kanton die Haftrichterin und der Haftrichter des Bezirkes Zürich eingesetzt sind. Zu prüfen ist, ob diese Zuständigkeits- und Gerichtsorganisationsordnung einer formell-gesetzlichen Grundlage bedürfte oder ob sie auf Verordnungsebene erlassen werden durfte. Hierfür ist einerseits das kantonale Verfassungs- und Organisationsrecht, andererseits das Bundesverfassungsrecht in Betracht zu ziehen. 3.2 Nach Art. 73 Abs. 1 KV/ZH entscheiden Gerichte Streitsachen und Straffälle, die ihnen das Gesetz zuweist; das Gesetz kann ihnen weitere Aufgaben übertragen. Für die Bestimmung, was unter "Gesetz" zu verstehen ist, ob formelles Gesetzesrecht erforderlich ist oder ob dazu auch Verordnungsrecht des Regierungsrates gehört, ist auf die Grundnorm zur Rechtssetzung gemäss Art. 38 KV/ZH Bezug zu nehmen. Nach Abs. 1 werden alle wichtigen Rechtssätze in der Form des Gesetzes erlassen; dazu gehören namentlich die wesentlichen Bestimmungen über die Organisation und Aufgaben der Behörden (lit. c). Demgegenüber werden gemäss Abs. 2 weniger wichtige Rechtssätze, namentlich solche über den Vollzug von Gesetzen, in der Form der Verordnung erlassen. Der Begriff des Gesetzes gemäss Art. 38 Abs. 1 KV/ZH ist sowohl formell wie materiell umschrieben (vgl. MATTHIAS HAUSER, in: Isabelle Häner et al. [Hrsg.], Kommentar zur Zürcher Kantonsverfassung, Zürich 2007, N. 1 ff. zu Art. 38 KV/ZH ). Zu den Bereichen, die in Form eines Gesetzes zu regeln sind, gehören Organisation und Aufgaben der Behörden (lit. c). Dies gilt für sämtliche Behörden, auch für die Gerichte. Zu den wesentlichen Bestimmungen im Bereiche der Justiz zählen insbesondere die wesentlichen Verfahrensbestimmungen und die Festlegung der Rechtsmittelinstanzen (HAUSER, a.a.O., N. 26 zu Art. 38 KV/ZH [mit Fn. 58]; vgl. allgemein zur Verordnungskompetenz des Regierungsrates KÖLZ/BOSShart/Röhl, Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, 2. Aufl. 1999, § 50 Rz. 134 f.). Vor diesem Hintergrund ergibt sich, dass Bestimmungen über die Gerichtsorganisation, die sachliche Zuständigkeit und den Rechtsmittelweg in die Form des formellen Gesetzes zu kleiden sind. Davon ausgenommen sind nach Art. 38 Abs. 2 KV/ZH lediglich weniger wichtige Rechtssätze, namentlich über den Vollzug von BGE 134 I 125 S. 133 Gesetzen, und im Falle des Notstandes Notverordnungen des Regierungsrates gemäss Art. 72 KV/ZH . Die umstrittene Einführungsverordnung stützt sich auf kein kantonales formelles Gesetz ab. Wie dargelegt, hat § 2 EV BWIS/ZH für die betroffene Sachmaterie die Bedeutung einer umfassenden gerichtsorganisatorischen Regelung. Die Bestimmung betrifft keinen bloss untergeordneten Bereich im Sinne von Art. 38 Abs. 2 KV. Damit hält die auf Verordnungsstufe getroffene Regelung des Rechtsweges vor dem kantonalen Verfassungs- und Organisationsrecht nicht stand. 3.3 Art. 30 Abs. 1 BV garantiert den Anspruch auf ein durch Gesetz geschaffenes, zuständiges, unabhängiges und unparteiisches Gericht. Zur Verhinderung von Missbrauch und Manipulation bzw. zum Ausschluss jeglichen entsprechenden Anscheins oder Verdachts sollen Gerichte und ihre Zuständigkeiten (in persönlicher, zeitlicher, örtlicher und sachlicher Hinsicht) durch generell-abstraktes Verfahrensrecht im Voraus bestimmt sein ( BGE 131 I 31 E. 2.1.2.1 S. 34; BGE 129 V 196 E. 4.1 S. 198; BGE 123 I 49 E. 2b S. 51; REGINA KIENER, Richterliche Unabhängigkeit, Bern 2001, S. 375 f.). Nach dem Wortlaut der Verfassungsbestimmung muss sich die Gerichtsorganisation auf ein formelles Gesetz stützen; untergeordnete Fragen können der Exekutive zur Regelung delegiert werden ( BGE 129 V 196 E. 4.1 S. 198; vgl. JÖRG P. MÜLLER, Grundrechte in der Schweiz, 3. Aufl. 1999, S. 573; KIENER, a.a.O., S. 378 ff.; REGINA KIENER/WALTER KÄLIN, Grundrechte, Bern 2007, S. 441). Auch vor dem Hintergrund des Bundesverfassungsrechts ist für die Regelung der grundlegenden Gerichtsorganisation eine formell-gesetzliche Grundlage erforderlich. Die angefochtene Ordnung betrifft nicht bloss untergeordnete Fragen, welche von der Exekutive geregelt werden könnten. In Anbetracht ihrer Bedeutung hält somit § 2 EV BWIS/ZH auch vor den Anforderungen von Art. 30 Abs. 1 BV nicht stand. 3.4 Im vorliegenden Fall ist nicht ersichtlich, dass das Bundesgesetz die Kantonsregierungen ermächtigt, den Vollzug im Allgemeinen und die Gerichtsorganisation im Speziellen auf dem Verordnungsweg zu regeln. Insbesondere hat der Bundesgesetzgeber davon abgesehen, den Kantonsregierungen förmlich eine Verordnungskompetenz einzuräumen (vgl. demgegenüber Art. 36 Abs. 2 RPG ; Art. 130 Abs. 4 BGG ; Art. 1 Abs. 2 der Schlussbestimmungen der BGE 134 I 125 S. 134 Änderung des ANAG vom 18. März 1994). Auch kann nicht gesagt werden, dass Art. 24e Abs. 5 BWIS , wonach die Rechtmässigkeit des Polizeigewahrsams auf Antrag der betroffenen Person richterlich zu überprüfen ist, dem Regierungsrat eine Verordnungszuständigkeit einräumen würde; Art. 21g Abs. 4 VWIS bringt ohne näheren Hinweis lediglich zum Ausdruck, dass die Kantone die richterliche Instanz bezeichnen, welche für die Überprüfung der Rechtmässigkeit des Polizeigewahrsams zuständig ist. In der Vernehmlassung verweist der Regierungsrat auf das neue kantonale Polizeigesetz vom 23. April 2007 (PolG) und vertritt die Auffassung, dass dieses Gesetz eine hinreichende formell-gesetzliche Grundlage für die gerichtsorganisatorische Bestimmung der Einführungsverordnung darstelle. Das Polizeigesetz sieht gewisse Massnahmen vor, die denjenigen nach dem BWIS nahekommen. Es ordnet in § 25 ff. den Polizeigewahrsam und in § 33 f. die Wegweisung und Fernhaltung von Personen. Zur richterlichen Prüfung werden die Haftrichterin und der Haftrichter eingesetzt (§ 27 Abs. 2 und § 34 Abs. 4). Der Regierungsrat hat sich in der Einführungsverordnung offenbar an den Rechtsschutzbestimmungen des Polizeigesetzes orientiert. Gleichwohl kann dieses nicht als formell-gesetzliche Grundlage für die umstrittene Einführungsverordnung dienen. Im Zeitpunkt des Erlasses der Einführungsverordnung war das Polizeigesetz noch nicht formell zustande gekommen; auf Referendum hin ist es erst am 24. Februar 2008 in der Volksabstimmung angenommen worden; dem Vernehmen nach soll es erst auf Anfang 2009 in Kraft gesetzt werden. Bei dieser Sachlage kann das Polizeigesetz nicht als formell-gesetzliche Grundlage für § 2 EV BWIS/ZH betrachtet werden. Schliesslich kann auch aus der beschränkten zeitlichen Geltungsdauer der vom Bundesgesetz vorgesehenen Massnahmen - Rayonverbote, Meldeauflagen und Polizeigewahrsam - nicht geschlossen werden, dass dem Regierungsrat die Zuständigkeit zur Bestimmung der gerichtsorganisatorischen Fragen zukäme und aus diesem Grunde von den genannten kantonalen und eidgenössischen Vorgaben abgerückt werden könnte. 3.5 Ungeachtet dieser verfassungsrechtlichen Betrachtungsweise verbleibt zu prüfen, ob der von § 2 EV BWIS/ZH vorgesehene kantonale Rechtsschutz mit den Anforderungen des Bundesgerichtsgesetzes im Einklang steht. BGE 134 I 125 S. 135 Das Bundesgerichtsgesetz enthält in Art. 86 für den Bereich der öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten eine Regelung über die Vorinstanzen des Bundesgerichts. Nach Art. 86 Abs. 2 BGG setzen die Kantone als unmittelbare Vorinstanzen grundsätzlich obere Gerichte ein, soweit nicht nach einem Bundesgesetz Entscheide anderer richterlicher Behörden der Beschwerde ans Bundesgericht unterliegen. Was unter Gerichten zu verstehen ist, ergibt sich aus Art. 30 Abs. 1 BV , Art. 6 Ziff. 1 EMRK sowie Art. 191c BV , allenfalls aus kantonalem Verfassungs- und Justizorganisationsrecht. Erforderlich ist nach dem Wortlaut von Art. 86 Abs. 2 BGG , dass ein oberes kantonales Gericht den beim Bundesgericht anfechtbaren Entscheid trifft. Als obere kantonale Gerichte werden kantonale Verwaltungsgerichte betrachtet. Soweit andere Gerichtsinstanzen eingesetzt sind, wird in der Doktrin gefordert, dass diese hierarchisch keiner andern Gerichtsinstanz unterstellt und für den ganzen Kanton zuständig sind (vgl. zum Ganzen ESTHER TOPHINKE, Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, Rz. 13 f. zu Art. 86 BGG , mit Hinweisen). Vor diesem Hintergrund erweist sich die angefochtene Einführungsverordnung als fragwürdig. Es kann nicht gesagt werden, dass der - entsprechend dem kantonalen Gewaltschutzgesetz - eingesetzte Einzelrichter am Bezirksgericht Zürich eine obere Gerichtsbehörde darstellt und die Vorinstanzenregelung den genannten Anforderungen genügt. In zeitlicher Hinsicht gilt es zu beachten, dass das Bundesgesetz in Bezug auf die strittigen Massnahmen bis Ende 2009 gilt und dass dementsprechend auch die Verordnung auf diese Dauer angelegt ist (§ 3 EV BWIS/ZH). Die Ordnung deckt somit einen Zeitraum ab, der über die Übergangsfrist von Art. 130 Abs. 3 BGG hinausreicht. Mit dem Ablauf der Übergangsfrist Ende 2008 ist die Regelung von § 2 EV BWIS/ZH demnach nicht mehr bundesrechtskonform. Weiter fragt sich, ob die Kantone vor Ablauf der Übergangsfrist befugt sind, dem Sinn und Geist des Bundesgerichtsgesetzes widersprechendes Recht zu schaffen. Eine ähnliche Frage stellte sich nach dem Inkrafttreten des Steuerharmonisierungsgesetzes (StHG; SR 642.14). Das Bundesgericht befand, dass während der achtjährigen Übergangsfrist geschaffenes neues kantonales Recht den Anforderungen des Bundesrechts zu genügen habe und sog. BGE 134 I 125 S. 136 disharmonisierendes kantonales Recht bundesrechtswidrig sei ( BGE 124 I 101 ; vgl. zur Aufrechterhaltung einer dem Steuerharmonisierungsgesetz widersprechenden Praxis BGE 123 II 588 E. 2c S. 591). In vergleichbarer Weise wurde in der Doktrin hinsichtlich des Art. 98a OG die Auffassung vertreten, dass die Kantone während der Übergangsfrist von fünf Jahren kein Verfahrensrecht schaffen dürften, welches dem Sinn und Geist von Art. 98a OG widerspreche (vgl. CLAUDE ROUILLER, La protection juridique en matière d'aménagement du territoire par la combinaison des art. 6 par. 1 CEDH, 33 LAT et 98a OJ: complémentarité ou plénitude?, in: SJZ 90/1994 S. 21/29). Daraus ergibt sich, dass die angefochtene Regelung ab dem 1. Januar 2009 in Bezug auf den gerichtlichen Instanzenzug mit Bundesrecht im Widerspruch steht. Darüber hinaus ist festzustellen, dass die Regelung bereits heute mit den Anforderungen nach Art. 86 Abs. 2 BGG nicht vereinbar ist. 3.6 Damit erweist sich die Rüge als begründet, § 2 EV BWIS/ZH beruhe nicht auf einer hinreichenden formell-gesetzlichen Grundlage und verletze kantonales und eidgenössisches Verfassungs- und Organisationsrecht. Die Beschwerde ist daher in diesem Punkte gutzuheissen und § 2 Abs. 1-3 EV BWIS/ZH sind aufzuheben. Von der Aufhebung ausgenommen ist die Bestimmung von § 2 Abs. 4 EV BWIS/ZH, die nicht in einer den Anforderungen von Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG genügenden Form angefochten worden ist. Es verbleibt zu prüfen, welche Folgen die Aufhebung der genannten Normen zeitigt. 4. Folge der Aufhebung von § 2 Abs. 1-3 EV BWIS/ZH ist, dass die allgemeinen Bestimmungen des kantonalen Verwaltungsrechtspflegerechts Platz greifen. Diese sind nachfolgend kurz aufzuzeigen, um anschliessend die sich daraus ergebende Prozessrechtslage auf ihre Vereinbarkeit mit dem Bundesrecht prüfen zu können. 4.1 Die fraglichen Massnahmen - Rayonverbote, Meldeauflagen und Polizeigewahrsam - stellen verwaltungsrechtliche Anordnungen dar; sie können insbesondere nicht als Massnahmen strafprozessualer Natur verstanden werden. Damit findet nunmehr grundsätzlich das Gesetz über den Rechtsschutz in Verwaltungssachen (Verwaltungsrechtspflegegesetz vom 24. Mai 1959 [VRG; LS 175.2) Anwendung. BGE 134 I 125 S. 137 Das Verwaltungsgericht kann nach § 43 VRG im hier betroffenen Bereich mit Beschwerde angerufen werden. Ein Ausschlussgrund gemäss § 43 Abs. 1 VRG ist nicht ersichtlich; die Zulässigkeit der Beschwerde ans Verwaltungsgericht ergibt sich aus § 43 Abs. 2 VRG (vgl. auch § 5 der Verordnung über die Anpassung des kantonalen Rechts an das Bundesgesetz über das Bundesgericht [VO BGG; OS 61 S. 480] ). Vorinstanz ist die Sicherheitsdirektion, die über Rekurse gegen die Kantonspolizei entscheidet (vgl. § 19 Abs. 1 und § 19b Abs. 1 VRG sowie § 57 der Verordnung über die Organisation des Regierungsrates und der kantonalen Verwaltung mit Anhang 2 [VOG RR; LS 172.11]; vgl. auch TOBIAS JAAG, Staats- und Verwaltungsrecht des Kantons Zürich, 3. Aufl. 2005, Rz. 2004). Ferner ist bei Anordnungen durch die Stadtpolizeien der Bezirksrat Vorinstanz des Verwaltungsgerichts (vgl. § 19c Abs. 2 VRG, § 10 des Gesetzes über die Bezirksverwaltung [LS 173.1]; ferner TOBIAS JAAG, in: Isabelle Häner et al. [Hrsg.], Kommentar zur Zürcher Kantonsverfassung, Zürich 2007, N. 22 f. zu Art. 94 KV/ZH ; derselbe , Staats- und Verwaltungsrecht, a.a.O., Rz. 2914 ff. sowie Schema Rz. 2146; KÖLZ/BOSSHART/RÖHL, a.a.O., § 41 Rz. 28). 4.2 Diese Rechtsmittelwege stehen im Einklang mit den Anforderungen des Bundesgerichtsgesetzes. Art. 86 Abs. 2 BGG verlangt für das öffentliche Recht als Vorinstanz des Bundesgerichts ein oberes kantonales Gericht, das den Sachverhalt und die Rechtsanwendung umfassend prüft (vgl. TOPHINKE, a.a.O., Rz. 13 zu Art. 86 BGG ). Das Verwaltungsgericht genügt diesen Vorgaben klarerweise (vgl. § 50 VRG). 4.3 Das Bundesgesetz über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit enthält in Bezug auf Rayonverbote ( Art. 24b BWIS ) und Meldeauflagen ( Art. 24d BWIS ) keine Vorgaben über die gerichtliche Anfechtung von entsprechenden Massnahmen. In Bezug auf die Rayonverbote und die Meldeauflagen entspricht der aufgezeichnete kantonale Rechtsmittelweg gemäss dem Verwaltungsrechtspflegegesetz somit dem BWIS wie auch dem Bundesgerichtsgesetz. 4.4 Umgekehrt sieht Art. 24e Abs. 5 BWIS zum Polizeigewahrsam vor, dass die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzuges auf Antrag der betroffenen Person soll richterlich überprüft werden können. Insoweit stellt sich die Frage, ob der aufgezeichnete Rechtsmittelweg, der erst nach einer administrativen Rechtsmittelinstanz BGE 134 I 125 S. 138 (Sicherheitsdirektion und Bezirksrat) an ein Gericht führt, mit der genannten Bestimmung des Bundesgesetzes im Einklang steht. Dem Bundesgesetz kann nicht unmittelbar entnommen werden, welcher Sinn dem Antrag auf gerichtliche Prüfung des Polizeigewahrsams unter dem Gesichtswinkel des Rechtsmittelzuges zukommt. Denkbar ist, dass der Bundesgesetzgeber die unmittelbare Anrufung eines Richters vorsehen und eine zwischengeschaltete administrative Rechtsmittelinstanz ausschliessen wollte; ebenso liesse sich die Auffassung vertreten, dass der Bundesgesetzgeber die Anrufung eines Gerichts mit einer zwischengeschalteten Administrativinstanz zulassen wollte. Die Botschaft zur Änderung und Ergänzung des Bundesgesetzes spricht sich dazu nicht direkt aus. Sie bezeichnet den Polizeigewahrsam als Massnahme im Sinne von Art. 5 Ziff. 1 lit. b EMRK (Botschaft, a.a.O., S. 5633 f.). Danach ist rechtmässige Festnahme oder rechtmässiger Freiheitsentzug wegen Nichtbefolgung einer rechtmässigen gerichtlichen Anordnung oder zur Erzwingung der Erfüllung einer gesetzlichen Verpflichtung zulässig. Auf eine Freiheitsbeschränkung gemäss Art. 5 Ziff. 1 lit. b EMRK kommt die Bestimmung von Art. 5 Ziff. 3 EMRK nicht zur Anwendung. Massgebend ist vielmehr Art. 5 Ziff. 4 EMRK . Diese Bestimmung schliesst es im Grundsatz nicht aus, dass vor der Beurteilung durch ein Gericht zusätzlich eine Administrativbehörde die Freiheitsentziehung prüft, soweit gesamthaft dem Erfordernis der kurzen Frist zur Anrufung eines Gerichts im Sinne von Art. 5 Ziff. 4 EMRK Rechnung getragen wird (vgl. Urteil 1B_115/2007 vom 12. Juli 2007, E. 2, mit Hinweisen). Für eine direkte Anrufung einer gerichtlichen Behörde spricht indes der Wortlaut von Art. 24e Abs. 5 BWIS . Dieser legt es nahe, dass die richterliche Überprüfung direkt und ohne zwischengeschaltete Administrativbehörde verlangt werden kann. In den Beratungen der Eidgenössischen Räte war die Frage nicht ausdrücklich aufgeworfen worden. Verschiedene Votanten gingen in der Debatte unwidersprochen davon aus, dass der richterliche Rechtsschutz innert 24 Stunden soll verlangt werden können (vgl. Votum Aeschbacher, AB 1995 N S. 1950, Votum Stahl und Votum Burkhalter AB 1995 N S. 1951). Es bedarf keiner weitern Ausführung, dass eine richterliche Prüfung innert 24 Stunden nicht möglich wäre, wenn vorgängig eine Administrativbehörde die Rechtmässigkeit des BGE 134 I 125 S. 139 Polizeigewahrsams prüfen würde. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass eine Rechtsmittelordnung, welche vor der richterlichen Prüfung des Polizeigewahrsams noch eine Administrativbehörde vorsieht, mit der Bestimmung von Art. 24e Abs. 5 BWIS im Widerspruch stünde. Von dieser Auffassung geht auch der Regierungsrat sowohl in seinem Bericht zur Einführungsverordnung wie in seiner Vernehmlassung aus. Daraus ergibt sich in Bezug auf den Polizeigewahrsam, dass die aufgezeigte Rechtsmittelordnung gemäss den allgemeinen Bestimmungen des Verwaltungsrechtspflegegesetzes zwar den Anforderungen des Bundesgerichtsgesetzes entsprechen würde, indes mit dem Bundesgesetz über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit im Widerspruch stünde. 4.5 Bei dieser Sachlage ist es in Anbetracht der Aufhebung von § 2 Abs. 1-3 EV BWIS/ZH Sache der kantonalen Behörden, das Verfahren nach dem kantonalen Verfassungs- und Organisationsrecht neu zu ordnen. Wie aufgezeigt, ist eine Neuordnung in Bezug auf die Rayonverbote und die Meldeauflagen vor dem Hintergrund des Bundesrechts (BGG und BWIS) nicht erforderlich. Hingegen bedarf der Polizeigewahrsam einer Ordnung, die sowohl dem Bundesgesetz über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit (E. 4.4) wie dem Bundesgerichtsgesetz (oben E. 3.5) Rechnung trägt. Offen ist, wie mit beim Bundesgericht eingereichten Beschwerden gegen Entscheide des Einzelrichters zu verfahren wäre, solange eine - allenfalls auch erst provisorische - neue Regelung hinsichtlich des Polizeigewahrsams fehlt. Denkbar ist, dass solche Beschwerden an das Verwaltungsgericht zur Beurteilung weitergeleitet würden.
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Urteilskopf 96 IV 64 16. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 1. Mai 1970 i.S. Bosshard gegen Generalprokurator des Kantons Bern.
Regeste 1. Art. 269 Abs. 1 BStP . Der Angeschuldigte, der einer strafbaren Handlung schuldig erklärt, aber von Strafe befreit wird, kann den Schuldspruch, der Bestandteil des Urteils ist, mit der Nichtigkeitsbeschwerde anfechten (Erw. 1; Änderung der Rechtsprechung). 2. Art. 204 Ziff. 1 StGB . a) Die Vorführung eines Films in einem Kinotheater fällt unter den Begriff der öffentlichen Ausstellung (Abs. 1). Öffentlich ist die Vorführung auch, wenn nur Personen über 18 Jahren zugelassen und die Besucher vor gewagten Szenen gewarnt werden (Erw. 2). b) Der Film "Ich bin neugierig" in der Fassung, die in Biel gezeigt wurde, ist nicht unzüchtig (Erw. 3 und 4).
Sachverhalt ab Seite 65 BGE 96 IV 64 S. 65 A.- Der vom schwedischen Filmregisseur Vilgot Sjöman gedrehte Film "Ich bin neugierig" (gelbe Fassung) hat Politik und Sexualität zum Gegenstand und will die Verhältnisse in der schwedischen Wohlfahrtgesellschaft kritisch beleuchten. Der Hauptteil des Filmes besteht in einer unzusammenhängenden Folge von Reportagen, in denen eine junge Schwedin, Lena Nyman, den Mann auf der Strasse, Gewerkschaftsfunktionäre, Politiker usw. aufprovozierende Fragen über Krieg und Gewaltlosigkeit, Diktatur und Monarchie, Rassenhass und Sozialpolitik antworten lässt, ferner in Bildszenen mit Meinungsäusserungen amerikanischer Negerführer, russischer Dichter und Demonstrationen gegen die Atombombe, die Politik der USA usw. Zwischenhinein wird die Neugier des jungen Mädchens auf sexuellem Gebiet gezeigt, das sich mit Börje Ahlstedt intim einlässt und den Geschlechtsakt zum Teil auf ausgefallenen Schauplätzen vollzieht. Der Film ist von der schwedischen Zensurbehörde trotz gewissen Bedenken, die hauptsächlich den politischen Teil betrafen, ungekürzt freigegeben worden, während er in Norwegen verboten und in Deutschland sowie Frankreich nach Vornahme verschiedener Kürzungen öffentlich vorgeführt wurde. B.- Beat Bosshard zeigte den Film "Ich bin neugierig" vom 15. Mai 1968 an in dem von ihm geleiteten Kino "Studio" in Biel. Zuvor waren von der schweizerischen Verleihfirma im sozialkritischen Teil wie auch in Sexualszenen des Filmes einige Kürzungen vorgenommen worden. Bosshard schnitt eine weitere Beischlafsszene heraus und setzte auf den Rat des Gerichtspräsidenten und des Untersuchungsrichters, die er zu einer Vorbesichtigung eingeladen hatte, die Altersgrenze der Kinobesucher auf 18 Jahre fest. In der Presse und auf Anschlägen vor dem Kino warnte er ausserdem unreife und empfindliche Personen vor dem Besuch des Films, der schockieren wolle und gewagte Szenen zeige. Am 17. Juni 1968 wurde der Film auf Weisung des stellvertretenden Generalprokurators des Kantons Bern beschlagnahmt und gegen Bosshard eine Strafuntersuchung wegen unzüchtiger Veröffentlichung ( Art. 204 StGB ) eingeleitet. BGE 96 IV 64 S. 66 C.- Der Gerichtspräsident II von Biel sprach Bosshard am 14. März 1969 von der Anschuldigung frei und hob die Beschlagnahme des Films auf. Gegen diesen Freispruch appellierte der Generalprokurator. Die II. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Bern erklärte daraufhin Bosshard am 16. September 1969 der unzüchtigen Veröffentlichung schuldig, nahm jedoch wegen Rechtsirrtums ( Art. 20 StGB ) von einer Bestrafung Umgang. Ferner verfügte das Obergericht, dass die als unzüchtig betrachteten Darstellungen des Geschlechtsaktes beim Königsschloss, im Teich und auf dem Baum herauszuschneiden und zu vernichten seien, sofern für die unverzügliche Rücksendung der Filmkopie an den schwedischen Verleiher keine Gewähr bestehe. D.- Der Generalprokurator und der Angeschuldigte Bosshard führen Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag auf Aufhebung des obergerichtlichen Urteils. Der Generalprokurator verlangt die Bestrafung des Angeschuldigten, dieser seine Freisprechung und die Freigabe des beschlagnahmten Films. Jeder der Beschwerdeführer beantragt die Abweisung der Beschwerde des andern. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: 1. Nach ständiger Rechtsprechung des Kassationshofes hat der Schuldspruch, durch den ein Angeklagter einer strafbaren Handlung schuldig erklärt wird, keine selbständige Bedeutung, sondern ist lediglich Begründung für die im Urteilsspruch ausgesprochenen Rechtsfolgen (Strafen, Massnahmen) und deshalb der Rechtskraft nicht fähig. Dementsprechend wurde dem Angeklagten, der vom kantonalen Richter schuldig gesprochen, aber von Strafe befreit wird, die Berechtigung, mit der Nichtigkeitsbeschwerde einen Freispruch zu verlangen, abgesprochen, einerseits unter Hinweis darauf, dass der Schuldspruch als blosser Urteilsgrund für sich allein nicht anfechtbar sei, anderseits mit der Begründung, dass ein Angeschuldigter, dem gegenüber keine Sanktion ausgesprochen wird, durch das Urteil nicht beschwert werde ( BGE 70 IV 50 , BGE 73 IV 262 , BGE 79 IV 89 , BGE 80 IV 276 , BGE 81 IV 76 , BGE 91 IV 172 und dort zitierte weitere Entscheidungen). An dieser Rechtsprechung ist, soweit sie den Urteilscharakter des Schuldspruches verneint und die Nichtigkeitsbeschwerde in den Fällen der Strafbefreiung ausschliesst, nicht festzuhalten. BGE 96 IV 64 S. 67 Der Zweck des Strafverfahrens besteht nicht allein darin, über Gutheissung oder Abweisung des von der Anklage gestellten Begehrens um Ausfällung einer Strafe oder Verhängung einer Massnahme zu entscheiden. Der Strafrichter hat - im Gegensatz zum Zivilrichter - vielmehr auch die klagebegründenden Tatsachen zu prüfen und von Amtes wegen festzustellen, ob die eingeklagte Tat den Tatbestand einer der im Gesetz abschliessend umschriebenen strafbaren Handlungen objektiv und subjektiv erfülle oder nicht. Mit der rechtlichen Würdigung des Sachverhaltes und der Feststellung, dass der Angeklagte eines bestimmten Deliktes schuldig ist oder nicht, wird ein für die Frage der Freisprechung oder Verurteilung des Angeklagten und damit für den Ausgang des Verfahrens bestimmender Vorentscheid getroffen, der nicht, wie in unzulässiger Analogie zum Zivilrecht angenommen wurde ( BGE 70 IV 51 ), blosse Urteilserwägung ist, sondern im Rahmen der Urteilsfindung selbständige Bedeutung hat (SCHULTZ, ZStR 1956 S. 290 Anmerkung 3). Der Schuldspruch ist daher unabhängig davon, ob er nach kantonalem Prozessrecht in die Urteilsformel aufgenommen oder nur in den Erwägungen festgehalten wird, unerlässlicher und wesentlicher Bestandteil des Strafurteils und nimmt als solcher auch an dessen Rechtskraft teil (WAIBLINGER, Der rechtliche Charakter und die Bedeutung der Schuldigerklärung im Strafprozess, in Festschrift für Pfenninger S. 162; PFENNINGER, Eidg. Strafrecht und kantonales Strafprozessrecht, in SJZ 1955 S. 204 ff.). Die Nichtigkeitsbeschwerde ist nach ständiger Rechtsprechung nur zulässig, wenn der Beschwerdeführer durch die angefochtene Entscheidung beschwert wird und ein rechtliches Interesse an ihrer Aufhebung oder Abänderung hat. Diese Voraussetzung ist entgegen der früheren Annahme auch dann erfüllt, wenn der Richter den Angeklagten nach der Schuldigerklärung von Strafe befreit oder von Strafe Umgang nimmt (nicht hieher gehören die Fälle, in denen das Gesetz selber wie z.B. in Art. 33 Abs. 2 StGB ein Verhalten als straflos erklärt und deshalb richtigerweise auf Freisprechung zu erkennen ist). Die bisher vertretene Auffassung, dass der Angeklagte bei einer Schuldigerklärung, die ohne Strafsanktion bleibt, nicht schlechter gestellt sei als im Falle der Freisprechung ( BGE 80 IV 277 ), verkennt die Tragweite des Schuldspruches, der feststellt, dass der Angeschuldigte eine strafbare Handlung begangen hat. BGE 96 IV 64 S. 68 Dieser Vorwurf, zumal in einer Gerichtsurkunde festgehalten, kann nicht nur den Ruf des Angeschuldigten schädigen, sondern auch rechtliche Nachteile nach sich ziehen und für den Betroffenen unter Umständen ebenso belastend wirken wie eine Bestrafung. Er hat daher ein rechtlich schützenswertes Interesse an der Aufhebung des Schuldspruches und ist zur Nichtigkeitsbeschwerde zuzulassen, um geltend machen zu können, dass er freizusprechen sei (ebenso nach der Rechtsprechung des Eidg. Militärkassationsgerichts: Entscheid vom 23. Februar 1954, abgedruckt in ZS 1954 S. 280; auf dem gleichen Boden steht die deutsche Praxis: LÖWE-ROSENBERG, Kommentar zur deutschen Strafprozessordnung, § 296, Anm. 4, S. 1186). Auf die Beschwerde des Angeschuldigten, den die Vorinstanz der unzüchtigen Veröffentlichung nach Art. 204 Ziff. 1 StGB schuldig erklärte, jedoch gestützt auf Art. 20 StGB wegen Rechtsirrtums von Strafe befreite, ist somit einzutreten. 2. Nach Art. 204 Ziff. 1 Abs. 3 StGB wird mit Gefängnis oder Busse bestraft, wer Schriften, Bilder, Filme oder andere Gegenstände, die im Sinne von Abs. 1 unzüchtig sind, öffentlich oder geheim verkauft, verbreitet, öffentlich ausstellt oder gewerbsmässig ausleiht. Die hier allein in Frage kommende Vorführung eines Films in einem Kinotheater fällt unter den Begriff der öffentlichen Ausstellung (LOGOZ, Art. 204 StGB , Ziff. 3, S. 355; Botschaft des Bundesrates vom 25. November 1924 in BBl 1924 III 1027). Öffentlich ist die Vorführung, wenn die Wahrnehmung der Filmbilder einem unbestimmten Personenkreis zugänglich gemacht wird ( BGE 89 IV 134 ), eine Voraussetzung, die im vorliegenden Falle erfüllt ist. Das Merkmal der Öffentlichkeit entfällt nicht schon durch die Anordnung irgendeiner Begrenzung des Zuschauerkreises, sondern erst, wenn dieser eindeutig umschrieben und überprüfbar wird (vgl. BGE 87 IV 84 ). Es genügte daher nicht, dass nur Personen über 18 Jahren zugelassen wurden und unter diesen, wie in der Beschwerde geltend gemacht wird, bloss solche, die einen Film von der Art des gezeigten ansehen wollten, indem das Publikum in der Reklame und in Anschlägen vor den gewagten Szenen gewarnt wurde. Durch Massnahmen solcher Art wird der Kreis der Besucher entgegen der Meinung des Beschwerdeführers Bosshard nicht bestimmbar und die Vorstellung nicht zur geschlossenen. 3. Als unzüchtig im Sinne von Art. 204 StGB gilt nach BGE 96 IV 64 S. 69 der Rechtsprechung des Bundesgerichts ein Gegenstand, wenn er in nicht leicht zu nehmender Weise gegen das Sittlichkeitsgefühl in geschlechtlichen Dingen verstösst. Diese allgemeine Umschreibung wurde in verschiedenen Einzelentscheidungen dahin verdeutlicht, dass eine sexualbezogene Darstellung nicht notwendig eine geschlechtlich aufreizende Wirkung haben müsse, sondern den geschlechtlichen Anstand auch verletzen könne, wenn sie bloss Abscheu oder Widerwillen errege ( BGE 86 IV 19 ), ferner dass bei der Beantwortung der Frage, ob die Grenzen dieses Anstandes überschritten seien, weniger auf Einzelheiten - bestimmte Bilder, Szenen oder Textstellen - als vielmehr auf den Gesamteindruck des zu beurteilenden Gegenstandes, das Werk als ganzes, abzustellen sei und dass es nicht auf die Absichten ankomme, die der Hersteller oder Verbreiter mit der Veröffentlichung verfolgte, sondern allein darauf, welche Wirkung objektiv von ihr ausgehe ( BGE 86 IV 20 , BGE 87 IV 74 , BGE 89 IV 198 ). Den Entscheidungen des Kassationshofes liegt im allgemeinen die Auffassung zugrunde, dass für die Grenzziehung zwischen unzüchtigen Gegenständen und solchen, die gewagt, aber noch erlaubt sind, das Sittlichkeits- und Schamgefühl des normal empfindenden Bürgers, der weder besonders empfindsam noch sittlich verdorben ist, massgebend sei ( BGE 83 IV 24 , BGE 86 IV 19 , BGE 87 IV 74 und 83, BGE 89 IV 200 ). Wiederholt hat der Kassationshof, namentlich bei Werken der Kunst und Literatur, aber darauf hingewiesen, dass bei der Beurteilung des Charakters einer Veröffentlichung auch die gesamten Begleitumstände wie der Ort und die Art der Veröffentlichung sowie der Kreis der Personen, für den sie bestimmt ist, zu berücksichtigen seien. So wurde bereits in einem nicht veröffentlichten Urteil vom 9. Oktober 1953 i.S. Spillmann erklärt, dass es auf die Anschauungen der Kreise, denen das Werk angeboten oder vorgeführt wird, ankomme. In dem in BGE 86 IV 21 veröffentlichten Entscheid hat sodann der Kassationshof anerkannt, dass es nicht das gleiche sei, ob ein Aktbild in einem allgemein zugänglichen Schaufenster eines Verkaufsladens oder in einer Kunstgalerie für Kunstinteressenten ausgestellt wird. In einer weiteren Entscheidung vom 14. Juli 1961 wurde von der Auffassung ausgegangen, dass erotische Werke der Literatur, die das Schamgefühl des Durchschnittsbürgers verletzen können, unter Umständen dann nicht unter das Verbot des Art. 204 StGB fallen, wenn BGE 96 IV 64 S. 70 dafür gesorgt wird, dass die Veröffentlichung nur an bestimmte Personen, z.B. an Künstler, Wissenschafter, reifere Menschen, abgegeben wird, von denen angenommen werden kann, dass sie am Inhalt des Werkes keinen Anstoss nehmen und es nicht an Unberufene weitergeben ( BGE 87 IV 84 ). Filmvorführungen in Kinotheatern unterscheiden sich von Druckerzeugnissen, Skulpturen u. dgl. schon dadurch, dass die Gefahr der Weiterverbreitung der Bilder an Unbefugte nicht besteht. Zudem stellt sich die Frage des Jugendschutzes immer dann nicht, wenn zur Vorführung nur Personen im Alter von mindestens 18 Jahren zugelassen werden und die Einhaltung dieser Begrenzung einer Kontrolle unterzogen wird. Im Gegensatz zu allgemein zugänglichen Schriften und Bildern entfällt bei Filmvorführungen auch weitgehend die Gefahr, dass das Publikum gegen seinen Willen mit Darstellungen sexuellen Inhalts konfrontiert wird, namentlich wenn die Kinobesucher durch entsprechende Anzeigen zum voraus auf Gegenstand und Charakter des Filmes aufmerksam gemacht werden. Erwachsene Personen, die unter solchen Voraussetzungen wissentlich der Vorführung eines Filmes mit gewagten Szenen beiwohnen, finden sich in der Regel damit ab oder nehmen doch keinen Anstoss daran und sind infolgedessen auch weniger schutzbedürftig, so dass in derartigen Fällen die Toleranzgrenze weitergezogen werden darf als bei Veröffentlichungen, bei denen Möglichkeiten der Sicherung und Kontrolle fehlen. In Betracht zu ziehen ist auch die Tatsache, dass die zeitbedingten Anschauungen der Allgemeinheit über Moral und Sitte sich in der jüngsten Vergangenheit geändert haben. Abgesehen davon, dass Sexualität in ständig steigendem Masse in den Dienst der Werbung, Anregung und Unterhaltung einbezogen wird und sexuell betonte Darstellungen nicht mehr als ungewöhnlich empfunden werden, ist unverkennbar, dass auf dem Gebiete der Sexualmoral, wie Meinungsäusserungen von Moraltheologen, Pädagogen, Sexualforschern usw. zeigen, eine Neubesinnung im Gange ist, die sich darin auswirkt, dass geschlechtliche Vorgänge offen und frei erörtert werden und in Sexualfragen eine versachlichte und natürliche Betrachtungsweise Platz gegriffen hat. Diesem allgemeinen Wandel in der Einstellung zur Sexualität und der damit verbundenen Herabsetzung der Empfindlichkeit kann sich auch die Rechtsprechung nicht verschliessen. Der Strafrichter hat demnach in Fällen, die nicht BGE 96 IV 64 S. 71 unter die eigentliche Pornographie fallen, Art. 204 Ziff. 1 StGB mit Zurückhaltung und erst anzuwenden, wenn die Darstellung geschlechtlicher Vorgänge eindeutig den von der überwiegenden Mehrheit des Volkes getragenen sittlichen Vorstellungen zuwiderläuft und somit als Störung oder Belästigung der sozialen Ordnung angesehen werden muss. 4. Die im Film "Ich bin neugierig" vorgeführten Beischlafsszenen unterscheiden sich von solchen in andern Filmen durch die realistische, freie und unbeschönigende Art der Darstellung und dadurch, dass vereinzelt der ganze Körper beider Partner nackt gezeigt wird. Diese ungewöhnlich freimütige Schaustellung sexueller Belange erscheint, auch wenn beim Geschlechtsverkehr die Genitalien unsichtbar bleiben, zum mindesten sehr gewagt. Der Verzicht auf raffinierte technische Kunstgriffe und andere die Phantasie anregende Andeutungen sowie die nüchterne Sachlichkeit der Darstellung tragen indessen dazu bei, den anstössigen Charakter der Liebesszenen in einem Masse abzuschwächen, dass von einer aufdringlich erotisierenden oder sexuell aufreizenden Wirkung auf erwachsene Beschauer kaum gesprochen werden kann. Das gilt in verstärktem Masse für die Szene im Teich, die, gemessen an dem, was sichtbar wird, eher harmlos wirkt und entgegen der Auffassuug der Vorinstanz nicht als unzüchtig zu bezeichnen ist. Weniger eindeutig trifft dies bei den Liebesszenen auf dem Baum und namentlich auf der Balustrade vor dem Königsschloss zu, die wegen der in der Wahl der Örtlichkeiten liegenden Geschmacklosigkeit geeignet sind, Widerwillen oder Abscheu zu erregen. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass beide Szenen nur kurze Zeit dauern und dass die auf der alten Eiche vorgeführte Akrobatik und das im zweiten Fall eingeblendete Minenspiel eines Wachtsoldaten, der das Paar beobachtet, den Darstellungen eine humoristische Note geben, wodurch deren abstossende Wirkung gemildert wird. Aus dem Gesamtzusammenhang ergibt sich zudem, dass die Balustradenszene vor allem als Verulkung der Monarchie aufzufassen ist, also neben dem sexuellen auch politischen Charakter hat. Die Vorinstanz, die zutreffend davon ausgeht, dass die Vorführung von Beischlafsszenen in Filmen nicht zum vorneherein unerlaubt ist, erachtet die beanstandeten Szenen hauptsächlich deswegen als gegen das sittliche Empfinden verstossend, weil sie sich in der freien Natur abspielen und nach unserer Rechtsauffassung BGE 96 IV 64 S. 72 als öffentliche unzüchtige Handlungen strafbar wären. Diesem letztern Gesichtspunkt kann jedoch keine ausschlaggebende Bedeutung zukommen, zumal dem Publikum bekannt ist, dass in dieser Beziehung in nordischen Ländern andere Anschauungen als hierzulande vorherrschen. Wäre die Vorführung von Sexualszenen, die an sich nicht unzüchtig sind, bereits unerlaubt, weil sie, wenn sie sich in der Wirklichkeit zutrügen, nach Art. 203 StGB strafbar wären, so müssten sämtliche Filme, in denen sich ein Mord, Raub oder dergleichen ereignet, verboten werden. Wird der Film in der Bieler Fassung, in dem der gesellschaftskritische Teil trotz gewissen Kürzungen immer noch überwiegt, nach den in Ziff. 3 dargelegten Überlegungen beurteilt und dem Wandel der allgemeinen Anschauungen wie auch den Wirkungen der getroffenen Sicherungsvorkehren Rechnung getragen, so führt die Gesamtwürdigung zum Schluss, dass die eingeklagten Vorführungen den in geschlechtlichen Dingen zu wahrenden Anstand nicht in grober Weise verletzen und infolgedessen nicht als unzüchtig zu bewerten sind. Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben und der Angeschuldigte von der Anklage der unzüchtigen Veröffentlichung freizusprechen mit der Folge, dass der beschlagnahmte Film freizugeben ist. Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde des Beat Bosshard wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts des Kantons Bern vom 16. September 1969 aufgehoben und die Sache zur Freisprechung des Angeschuldigten und zur Freigabe des beschlagnahmten Films an die Vorinstanz zurückgewiesen.
null
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1,970
CH_BGE
CH_BGE_006
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Urteilskopf 138 III 471 69. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. AG und Y. AG gegen Z. AG und Mitb. (Beschwerde in Zivilsachen) 4A_66/2012 vom 29. Mai 2012
Regeste a Handelsgericht, Ausnahme vom Grundsatz der "double instance cantonale" ( Art. 75 Abs. 1 und 2 lit. b BGG ; Art. 6 ZPO ). Zulässigkeit der direkten Beschwerde gegen Entscheide eines Fachgerichts für handelsrechtliche Streitigkeiten (E. 1). Regeste b Sachliche Zuständigkeit, Parteivereinbarung ( Art. 4 ff., 17 und 406 ZPO ); handelsrechtliche Streitigkeit ( Art. 6 Abs. 2 ZPO ); einfache Streitgenossenschaft ( Art. 71 ZPO ). Art. 17 und 406 ZPO beziehen sich nur auf Vereinbarungen über die örtliche, nicht jedoch auf solche über die sachliche Zuständigkeit (E. 3). Definitive Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts als handelsrechtliche Streitigkeit (E. 4). Die einfache passive Streitgenossenschaft setzt unter anderem die gleiche sachliche Zuständigkeit für alle eingeklagten Ansprüche voraus. Wäre für gewisse Beklagte das Handelsgericht, für andere das ordentliche Gericht zuständig, kann der Kanton eine einheitliche Zuständigkeit des ordentlichen Gerichts für die einfache passive Streitgenossenschaft vorsehen (E. 5). Regeste c Rechtshängigkeit, Rechtskraft, Fristwahrung ( Art. 63 Abs. 1 ZPO ). Die Regel von Art. 63 Abs. 1 ZPO gilt auch, wenn sich nach einem ersten Nichteintretensentscheid das als zweites angerufene Gericht ebenfalls unzuständig erklärt. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens gegen die Verneinung der sachlichen Zuständigkeit durch das zweite Gericht besteht keine Bindung an den Nichteintretensentscheid des ersten Gerichts. Frage des Fristbeginns für die neue Einreichung der Eingabe offengelassen (E. 6). Regeste d Verteilung der Prozesskosten ( Art. 107 Abs. 2 ZPO ; Art. 66 Abs. 4 und Art. 68 Abs. 4 BGG ). Auferlegung von Prozesskosten an den Kanton (E. 7).
Sachverhalt ab Seite 473 BGE 138 III 471 S. 473 A. Die Z. AG als Bestellerin schloss am 22. März 2010 mit der X. AG und mit der Y. AG einen Werkvertrag, der namentlich folgende Klausel enthielt: "Gerichtsstand ist das Bezirksgericht Zürich". Die beiden Unternehmerinnen verpflichteten sich im Vertrag, für die Bestellerin Arbeiten auf einem Grundstück auszuführen, das im Miteigentum von A., der Pensionskasse Q., der Pensionskasse R., der Pensionskasse S. und der Personalvorsorgestiftung T. stand. Infolge Divergenzen mit der Bestellerin über die Leistung von Akontozahlungen an den Werklohn erwirkten die Unternehmerinnen die provisorische Eintragung von Bauhandwerkerpfandrechten auf den Grundstücksanteilen der fünf Miteigentümer. Es wurde den Unternehmerinnen Frist gesetzt, um Klage auf Feststellung der Forderung als Pfandsumme und definitive Eintragung der Pfandrechte zu erheben. B. Am 26. Mai 2011 reichten die Unternehmerinnen beim Bezirksgericht Zürich Klage gegen die Bestellerin und die fünf Drittpfandeigentümer ein; die Klägerinnen schlossen dahin, es sei die Bestellerin zu verurteilen, ihnen Fr. 560'000.- plus Verzugszins zu bezahlen, und es seien die fünf provisorischen Bauhandwerkerpfandrechte definitiv einzutragen. Mit Urteil und Beschluss vom 22. August 2011 lehnte es das Bezirksgericht ab, auf die Forderungsklage gegen die Bestellerin (Beklagte 1) sowie auf die Klage auf definitive Eintragung gegen die vier Pensionskassen (Beklagte 3-6) einzutreten. Es setzte den beiden Klägerinnen sodann Frist zur Mitteilung an, ob sie an der Klage gegen den fünften Drittpfandeigentümer A. (Beklagter 2) festhielten oder diese zurückzögen, und stellte ansonsten eine Sistierung in Aussicht bis zur definitiven Erledigung der Hauptklage und der andern Prosequierungsklagen durch das Handelsgericht; die Klage gegen A. wurde in der Folge zurückgezogen. Das Bezirksgericht hielt fest, die sachliche Zuständigkeit liege ausserhalb der Dispositionsfreiheit der Parteien; für die Prorogation eines sachlich unzuständigen Gerichts bleibe nach der neuen BGE 138 III 471 S. 474 eidgenössischen Zivilprozessordnung kein Raum. Für die Forderungsklage gegen die Bestellerin sei nach dem neuen Recht ausschliesslich das Handelsgericht zuständig; der unter dem alten Recht geschlossenen anderslautenden Prorogationsklausel komme keine Rechtswirkung mehr zu. Sodann seien die vier beklagten Pensionskassen institutionelle Anleger, weshalb die Klage auf Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts gegen sie ebenfalls zwingend in die Zuständigkeit des Handelsgerichts falle. C. Am 30. August 2011 reichten die Unternehmerinnen beim Handelsgericht Klage ein gegen die Bestellerin auf Bezahlung von Fr. 560'000.- plus Verzugszins und gegen die fünf Drittpfandeigentümer auf definitive Eintragung der Bauhandwerkerpfandrechte für Pfandsummen zwischen Fr. 67'200.- und Fr. 201'600.-. Die sechs Beklagten äusserten die Auffassung, das Bezirksgericht sei zuständig. Mit Beschluss vom 11. Dezember 2011 lehnte es das Handelsgericht unter Kosten- und Entschädigungsfolge ab, auf die Klage einzutreten. Das Handelsgericht ging zunächst davon aus, dass die im Werkvertrag vereinbarte Gerichtsstandsklausel weiterhin gültig und das Handelsgericht folglich für die Forderungsklage gegen die Bestellerin sachlich nicht zuständig ist. Es folgerte, dass an sich das Bezirksgericht für die Klage gegen die Bestellerin sowie gegen die Drittpfandeigentümer A. und Pensionskasse S. (mangels Eintrags im Handelsregister) zuständig wäre und es selber für die Klage gegen die drei andern (im Handelsregister eingetragenen) Drittpfandeigentümer. Doch dränge es sich auf, für (einfache und notwendige) Streitgenossen von einer einheitlichen sachlichen Zuständigkeit auszugehen. Deshalb müsse die sachliche Zuständigkeit bei passiver einfacher (und wohl auch notwendiger) Streitgenossenschaft beim ordentlichen Bezirksgericht liegen, sobald für mindestens einen passiven Streitgenossen die sachliche Zuständigkeit des Bezirksgerichts, nicht aber jene des Handelsgerichts gegeben ist. D. Die beiden Unternehmerinnen (nachfolgend gemeinsam: Beschwerdeführerinnen) reichten Beschwerde in Zivilsachen ein. Sie schliessen hauptsächlich dahin, es sei der Beschluss vom 11. Dezember 2011 vollständig aufzuheben und das Handelsgericht für die Durchführung des Prozesses gegen die Bestellerin und gegen alle fünf Drittpfandeigentümer (nachfolgend gemeinsam: Beschwerdegegner) zuständig zu erklären; subsidiär schliessen sie dahin, es sei BGE 138 III 471 S. 475 der Beschluss soweit aufzuheben, als ihnen Kosten und Parteientschädigungen auferlegt werden. Sodann ersuchen sie um die Anweisung an das Grundbuchamt, die vorläufig eingetragenen Bauhandwerkerpfandrechte bis zum rechtskräftigen Entscheid des zuständigen kantonalen Gerichts nicht zu löschen. Das Bundesgericht erteilt der Beschwerde aufschiebende Wirkung. Es bestätigt den angefochtenen Beschluss vom 11. Dezember 2011, soweit die Zuständigkeit des Handelsgerichts verneint wird. Der angefochtene Beschluss wird dahin gehend geändert, dass die Gerichtskosten und die Parteientschädigung an die Beschwerdegegner dem Kanton Zürich auferlegt werden. (Zusammenfassung) Erwägungen Erwägungen: 1. Das Bundesgericht prüft die Zulässigkeit bei ihm eingereichter Beschwerden von Amtes wegen ( Art. 29 Abs. 1 BGG ; BGE 137 III 417 E. 1 S. 417 mit Hinweisen). 1.1 Die Beschwerde in Zivilsachen steht grundsätzlich nur gegen Entscheide offen, die von einem oberen kantonalen Gericht auf Rechtsmittel hin in zweiter Instanz gefällt werden (Grundsatz der "double instance cantonale"). Dieses Erfordernis der doppelten kantonalen Instanz gilt aber nicht ausnahmslos; so steht es den Kantonen namentlich offen, Fachgerichte für handelsrechtliche Streitigkeiten, sogenannte Handelsgerichte, als einzige kantonale Instanz einzusetzen (Art. 75 Abs. 1 und Abs. 2 lit. b BGG; Art. 6 Abs. 1 ZPO [SR 272]). Was eine handelsrechtliche Streitigkeit in diesem Sinn ist, bestimmt allein das Bundesrecht. Eine Streitigkeit gilt als handelsrechtlich, wenn die geschäftliche Tätigkeit mindestens einer Partei betroffen ist - womit die charakteristische Leistung im Rahmen der geschäftlichen Tätigkeit der Partei gemeint ist (ALEXANDER BRUNNER, in: Schweizerische Zivilprozessordnung ZPO, Kommentar, Brunner und andere [Hrsg.], 2011, N. 20 zu Art. 6 ZPO ) - , gegen den Entscheid die Beschwerde in Zivilsachen an das Bundesgericht offensteht und die Parteien im schweizerischen Handelsregister oder in einem vergleichbaren ausländischen Register eingetragen sind ( Art. 6 Abs. 2 ZPO ). Ist nur die beklagte Partei im schweizerischen Handelsregister oder in einem vergleichbaren ausländischen Register eingetragen, sind aber die übrigen Voraussetzungen erfüllt, hat die (im Handelsregister nicht eingetragene) klagende Partei die Wahl zwischen dem BGE 138 III 471 S. 476 Handelsgericht oder dem ordentlichen Gericht ( Art. 6 Abs. 3 ZPO ). Die Kantone können das Handelsgericht überdies zuständig erklären für Streitigkeiten, für die das Bundesrecht eine einzige kantonale Instanz vorschreibt (Art. 6 Abs. 4 lit. a i.V.m. Art. 5 Abs. 1 ZPO ), sowie für Streitigkeiten aus dem Recht der Handelsgesellschaften und Genossenschaften ( Art. 6 Abs. 4 lit. b ZPO ). Der Kanton Zürich hat von der Möglichkeit, in diesem Rahmen ein Handelsgericht zu schaffen, Gebrauch gemacht. Er hat es zuständig erklärt sowohl für handelsrechtliche Streitigkeiten (im Sinn von Art. 6 Abs. 2 und 3 ZPO ) als auch für Streitigkeiten aus dem Recht der Handelsgesellschaften und Genossenschaften (im Sinn von Art. 6 Abs. 4 lit. b ZPO ), sofern deren Streitwert mindestens Fr. 30'000.- beträgt (§ 44 lit. b des Zürcher Gesetzes vom 10. Mai 2010 über die Gerichts- und Behördenorganisation im Zivil- und Strafprozess [GOG/ZH; LS 211.1]), ferner - mit Ausnahme der Klagen gegen den Bund ( Art. 5 Abs. 1 lit. f ZPO ) - für Streitigkeiten, für die das Bundesrecht eine einzige kantonale Instanz vorschreibt (Art. 5 Abs. 1 lit. a-e und h ZPO; § 44 lit. a GOG/ZH; vgl. auch Art. 5 Abs. 1 lit. g ZPO i.V.m. § 45 lit. a GOG/ZH). Es ist somit ein Handelsgericht im Sinn des Bundesrechts ( Art. 75 Abs. 2 lit. b BGG , Art. 6 Abs. 1 ZPO ), dessen Entscheide direkt an das Bundesgericht weitergezogen werden können. 1.2 Der angefochtene Beschluss beendet das Verfahren vor dem Handelsgericht; der Streitwert liegt bei Fr. 560'000.-. Die formellen Voraussetzungen an eine Beschwerde sind erfüllt. Auf die vorliegende Beschwerde in Zivilsachen ist damit grundsätzlich einzutreten. 1.3 Die Beschwerdeführerinnen ersuchen um Anweisung an das Grundbuchamt, die vorläufig eingetragenen Pfandrechte bis zum rechtskräftigen Entscheid des zuständigen kantonalen Gerichts nicht zu löschen. Darin ist ein Gesuch um aufschiebende Wirkung für die vorliegende Beschwerde zu sehen. Da bei Ablauf der Klagefrist der Verlust des Pfandrechts droht, ist dem Gesuch stattzugeben. 2. Die Beschwerdeführerinnen haben mehrere Klagen gegen verschiedene Beklagte gehäuft. Einerseits verlangen sie Werklohn von der Bestellerin (werkvertraglicher Anspruch), andererseits ersuchen sie um die Eintragung von Bauhandwerkerpfandrechten gegen die Miteigentümer des Grundstücks, auf welchem sie die bestellten Arbeiten geleistet haben (sachenrechtlicher Anspruch). Diese Klagen müssen von Gesetzes wegen nicht verbunden werden: So kann der Gläubiger BGE 138 III 471 S. 477 gegen den Drittpfandeigentümer auf definitive Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts klagen, ohne gleichzeitig den Schuldner auf Bezahlung des Werklohns einzuklagen ( BGE 126 III 467 E. 3 S. 469 ff.). Es ist im Folgenden zu prüfen, welche kantonale Instanz zur Beurteilung der einzelnen Klagebegehren je zuständig wäre und, falls es nicht dieselbe Instanz ist, ob eine Klagenhäufung möglich ist und gegebenenfalls mit welchen Folgen hinsichtlich der Zuständigkeit. 3. Die Beschwerdeführerinnen verlangen von der Bestellerin Fr. 560'000.- Werklohn aus dem am 22. März 2010 geschlossenen Werkvertrag. 3.1 Die Beschwerdeführerinnen und die Bestellerin sind im Handelsregister eingetragen und im Baugewerbe tätig. Die Streitigkeit um die eingeklagte Forderung aus Werkvertrag ist damit offensichtlich handelsrechtlicher Natur; das ist im Übrigen unbestritten. Ein solches Klagebegehren fällt in die Zuständigkeit des Handelsgerichts ( Art. 6 Abs. 2 ZPO ). Die sachliche Zuständigkeit der Gerichte (vgl. Art. 4 ff. ZPO ) ist der Disposition der Parteien entzogen (vgl. FABIENNE HOHL, Procédure civile, Bd. II, 2. Aufl. 2010, Rz. 130; LEUENBERGER/UFFER-TOBLER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 2010, Rz. 2.129). Diese können nicht vereinbaren, einen Streit einem andern als dem vom Gesetz bezeichneten staatlichen Gericht zu unterbreiten, es sei denn, das Gesetz sehe eine Wahlmöglichkeit vor, was für den vorliegenden Fall, in dem alle Parteien im Handelsregister eingetragen sind, nicht zutrifft (vgl. Art. 6 Abs. 3 ZPO ). Zwar können die Parteien gemäss Art. 17 ZPO Gerichtsstandsvereinbarungen schliessen ( élection de for , proroga di foro ); diese Bestimmung steht unter dem Titel "Örtliche Zuständigkeit" ( Art. 9 ff. ZPO ) und wurde wörtlich von Art. 9 Abs. 1 GestG (Bundesgesetz vom 24. März 2000 über den Gerichtsstand in Zivilsachen [AS 2000 2355]) übernommen (Botschaft vom 28. Juni 2006 zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, BBl 2006 7264 Ziff. 5.2.2 zu Art. 16 E-ZPO), welcher sich nur auf die örtliche Zuständigkeit bezog (vgl. Art. 1 Abs. 1 GestG ); Vereinbarungen über die sachliche Zuständigkeit der Gerichte lassen sich nicht darauf stützen (vgl. HAAS/SCHLUMPF, in: ZPO, Oberhammer [Hrsg.], 2010, N. 1 zu Art. 4 und N. 2 zu Art. 17 ZPO ; DOMINIK VOCK, in: Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2010, N. 5 zu Art. 4 ZPO ; RAINER WEY, in: Kommentar zur Schweizerischen BGE 138 III 471 S. 478 Zivilprozessordnung [ZPO], Sutter-Somm und andere [Hrsg.], 2010, N. 7 zu Art. 4 ZPO ; THEODOR HÄRTSCH, in: Schweizerische Zivilprozessordnung, Stämpflis Handkommentar, 2010, N. 8 zu Art. 4 und N. 26 zu Art. 6ZPO; DANIEL FÜLLEMANN, in: Schweizerische Zivilprozessordnung ZPO, Kommentar, Brunner und andere [Hrsg.], 2011, N. 8 zu Art. 17 ZPO ; JACQUES HALDY, in: CPC, Code de procédure civile commenté, Bohnet und andere [Hrsg.], 2011, N. 2 zu Art. 17 ZPO ). 3.2 Die Beschwerdeführerinnen und die Bestellerin haben im Werkvertrag vom 22. Mai 2010 vereinbart, Gerichtsstand sei das Bezirksgericht Zürich. Das Handelsgericht ist - wie auch das Bezirksgericht - der Auffassung, unter der Geltung des bei Vertragsabschluss noch anwendbaren kantonalen Prozessrechts sei es zulässig gewesen, die grundsätzlich gegebene Kompetenz des damaligen Handelsgerichts wegzubedingen; es hat demzufolge festgehalten, die Vertragsparteien hätten bei Vertragsabschluss rechtsgültig die sachliche Kompetenz des Bezirksgerichts begründet. Diesen auf kantonalem Recht fussenden Schluss stellen die Beschwerdeführerinnen nicht in Frage; sie erheben in diesem Zusammenhang insbesondere keine Rüge einer Verletzung des verfassungsmässigen Willkürverbots. Die Frage ist damit der Überprüfung durch das Bundesgericht entzogen ( Art. 95 und 106 Abs. 2 BGG ; BGE 133 III 462 E. 2.3 und 4.4.1). 3.3 Das Handelsgericht ist der Auffassung, die unter dem alten Recht vereinbarte Wegbedingung seiner Kompetenz sei nach Inkrafttreten der Schweizerischen Zivilprozessordnung weiterhin gültig. Es beruft sich auf Art. 406 ZPO , wonach sich die Gültigkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung nach dem Recht bestimmt, das zur Zeit ihres Abschlusses gegolten hat; es bezieht diese Regel nicht nur auf Vereinbarungen über die örtliche, sondern auch auf solche über die sachliche Zuständigkeit. Das Bezirksgericht war in Anlehnung an einen Entscheid des Zürcher Obergerichts anderer Auffassung. Die Beschwerdeführerinnen rügen eine Verletzung von Art. 406 ZPO ; nach ihrem Dafürhalten bezieht sich diese Bestimmung ausschliesslich auf die örtliche Zuständigkeit. Art. 406 ZPO hat nach dem klaren Willen des Gesetzgebers die zuvor geltende Regelung des Art. 39 GestG übernommen (BBl 2006 7407 Ziff. 5.26.2 zu Art. 403 E-ZPO); diese galt nur für Vereinbarungen über die örtliche Zuständigkeit ( Art. 1 Abs. 1 GestG ). Nichts deutet darauf hin, dass der Begriff Gerichtsstandsvereinbarung ( élection de for, proroga di foro ) in den Art. 406 und 17 ZPO BGE 138 III 471 S. 479 verschieden sein sollte und in Art. 406 ZPO einen über die gewöhnliche Bedeutung hinausgehenden Sinn hätte. Entgegen der Auffassung des Handelsgerichts erheischt das Bedürfnis der Parteien nach Vertragstreue, nach Vertrauen in die Rechtsordnung und nach Rechtssicherheit keine andere Auslegungvon Art. 406 ZPO ; denn es ist nicht ersichtlich,inwiefern dieses Bedürfnis der Parteien dadurch in Frage gestellt wäre, dass sie eine Klage vor jenem staatlichen Gericht einreichen müssen, das gemäss neuem Recht zuständig ist. Anders liegen die Dinge in Bezug auf Klagen, die noch unter dem alten Rechteingereicht worden sind und für welche das angerufene staatlicheGericht auch unter dem neuen Recht weiterhin zuständig bleibt ( Art. 404 ZPO ), sowie bei Schiedsvereinbarungen, durch welche ein Streit der staatlichen Gerichtsbarkeit entzogen wurde ( Art. 407 ZPO ); darum geht es vorliegend nicht. 3.4 Die Rüge einer falschen Auslegung von Art. 406 ZPO ist begründet. Es ist somit festzuhalten, dass das Handelsgericht grundsätzlich zuständig wäre, die Klage der Beschwerdeführerinnen gegen die Bestellerin auf Bezahlung von Fr. 560'000.- zu beurteilen. 4. Die Beschwerdeführerinnen beantragen sodann gegen die fünf Miteigentümer des Grundstücks, das sie im Rahmen der Erfüllung des Werkvertrags mit der Bestellerin überbaut haben, die definitive Eintragung von Bauhandwerkerpfandrechten. Die Zuständigkeit des Handelsgerichts setzt voraus, dass die zu beurteilende Streitigkeit die geschäftliche Tätigkeit mindestens einer Partei betrifft ( Art. 6 Abs. 2 lit. a ZPO ). Bauarbeiten sind charakteristische Leistung eines Bauunternehmers, weshalb Streitigkeiten um den Werklohn des Bauunternehmers dessen geschäftliche Tätigkeit betreffen. Dasselbe muss auch in Bezug auf das Bauhandwerkerpfandrecht gelten, da dieses bloss eine akzessorische Sicherheit für den Werklohnanspruch ist; das Bauhandwerkerpfandrecht hängt eng mit der Werklohnforderung und damit mit der typischen geschäftlichen Tätigkeit des Bauunternehmers zusammen (RAINER SCHUMACHER, Das Bauhandwerkerpfandrecht, 3. Aufl., Ergänzungsband, 2011, Rz. 568 und 699; vgl. VOCK, a.a.O., N. 8 zu Art. 6 ZPO ; offengelassen in BGE 137 III 563 E. 3.4 S. 568). Es ist im Übrigen aus prozessökonomischen Überlegungen gerechtfertigt, die Zuständigkeit des gleichen Gerichts zur Beurteilung beider Ansprüche des Bauunternehmers gegen Besteller und Drittpfandeigentümer nicht ohne zwingenden Grund zu verunmöglichen. BGE 138 III 471 S. 480 Das Handelsgericht ist allerdings nur zuständig, wenn die beklagte Partei im Handelsregister eingetragen ist ( Art. 6 Abs. 2 lit. c und Abs. 3 ZPO ). Nach den nicht angefochtenen und damit für das Bundesgericht verbindlichen tatsächlichen Feststellungen des Handelsgerichts ist das nur für die Pensionskasse Q., die Pensionskasse R. und die Personalvorsorgestiftung T. (Beklagte 3, 4 und 6) der Fall, nicht aber für A. (den Beklagten 2) und die Pensionskasse S. (Beklagte 5). 5. Das Handelsgericht ist damit an sich für die Klage gegen die Bestellerin und drei Drittpfandeigentümer zuständig, nicht aber für die Klagen gegen die zwei übrigen Drittpfandeigentümer. 5.1 Die Klage gegen die Bestellerin auf Bezahlung des Werklohns und die Klagen gegen die Drittpfandeigentümer auf definitive Eintragung der Bauhandwerkerpfandrechte können getrennt eingereicht werden ( BGE 126 III 467 E. 3 S. 469 ff.), genauso wie die einzelnen Klagen auf definitive Eintragung der Teilpfandsummen (SCHUMACHER, a.a.O., Rz. 742). Es liegt somit keine notwendige passive Streitgenossenschaft vor. Eine einfache passive Streitgenossenschaft setzt voraus, dass Rechte und Pflichten zu beurteilen sind, die auf gleichartigen Tatsachen oder Rechtsgründen beruhen ( Art. 71 Abs. 1 ZPO ); das ist vorliegend der Fall. Sodann muss für die einzelnen Klagen die gleiche Verfahrensart anwendbar sein ( Art. 71 Abs. 2 ZPO ); auch diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt, da der Streitwert der einzelnen Klagen über Fr. 30'000.- liegt und folglich das ordentliche Verfahren für alle gilt (vgl. Art. 243 Abs. 1 ZPO ). Schliesslich muss die gleiche sachliche Zuständigkeit für alle eingeklagten Ansprüche gelten. Das setzt Art. 71 ZPO stillschweigend voraus; was für die Klagenhäufung gegen dieselbe Partei gilt (vgl. Art. 90 lit. a ZPO ), muss umso mehr für Klagen gegen eine einfache Streitgenossenschaft gelten (vgl. PETER RUGGLE, in: Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2010, N. 17 zu Art. 71 ZPO ; NICOLAS JEANDIN, in: CPC, Code de procédure civile commenté, Bohnet und andere [Hrsg.], 2011, N. 8 zu Art. 71 ZPO ; STAEHELIN/SCHWEIZER, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], Sutter-Somm und andere [Hrsg.], 2010, N. 9 zu Art. 71 ZPO ; a.M. ISAAK MEIER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 2. Aufl. 2012, S. 62). Im Rahmen seiner Kompetenz zur Regelung der sachlichen Zuständigkeit der Gerichte ( Art. 4 ZPO ) muss dem Kanton erlaubt sein, aus prozessökonomischen Gründen und zur Vermeidung BGE 138 III 471 S. 481 widersprüchlicher Urteile(vgl. BGE 129 III 80 E. 2.1) eine einheitliche sachliche Zuständigkeit für einfache passive Streitgenossenschaften vorzusehen. Wäre für gewisse Streitgenossen das Handelsgericht sachlich zuständig und für andere das ordentliche Gericht, kann er die Zuständigkeit zwar nicht gesamthaft dem Handelsgericht übertragen; denn dessen Zuständigkeit ist durch das Bundesrecht begrenzt und kann nicht auf weitere Fälle (insbesondere auf beklagte Personen, die nicht im Handelsregister eingetragen sind) ausgedehnt werden ( Art. 4 Abs. 1 und Art. 6 ZPO ; a.M. ANNE-CATHERINE HAHN, in: Schweizerische Zivilprozessordnung, Stämpflis Handkommentar, 2010, N. 7 zu Art. 71 ZPO ). Hingegen spricht nichts dagegen, die Zuständigkeit des Handelsgerichts für solche Fälle aufzuheben und das ordentliche Gericht für alle Klagen zuständig zu erklären (TANJA DOMEJ, in: ZPO, Oberhammer [Hrsg.], 2010, N. 6 zu Art. 71 ZPO ; vgl. auch MEIER, a.a.O., S. 62; a.M. wohl DAVID RÜETSCHI, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], Sutter-Somm und andere [Hrsg.], 2010, N. 42 zu Art. 6 ZPO ). Die Regelung der handelsgerichtlichen Zuständigkeit nach Art. 6 ZPO bezweckt nicht, in ihrem Anwendungsbereich die einfache Streitgenossenschaft ( Art. 71 ZPO ) zu verhindern. Es ist dem Kanton - dem es freisteht, die Handelsgerichtsbarkeit überhaupt einzuführen ( Art. 6 Abs. 1 ZPO ) - vielmehr zuzugestehen, mit seiner Regelung der sachlichen Zuständigkeit der Gerichte zu ermöglichen, Streitgenossen vor dem gleichen Gericht einzuklagen. 5.2 Das Handelsgericht hat eine (stillschweigende) kantonale Regelung angenommen, nach welcher das Bezirksgericht sachlich zuständig ist, alle vorliegenden Klagen zu beurteilen. Die Beschwerdeführerinnen rügen keine Verletzung des verfassungsmässigen Willkürverbots bei der Auslegung des kantonalen Rechts, sodass die Frage der Überprüfung durch das Bundesgericht entzogen ist ( Art. 95 und 106 Abs. 2 BGG ; BGE 133 III 462 E. 2.3 und 4.4.1). 6. Der Nichteintretensentscheid des Handelsgerichts ist damit im Ergebnis nicht zu beanstanden. Das Bezirksgericht hat sich zu Unrecht sachlich unzuständig erklärt. Wird eine Eingabe, auf die mangels örtlicher oder sachlicher Zuständigkeit nicht eingetreten wurde, innert eines Monats seit dem Nichteintretensentscheid beim zuständigen Gericht neu eingereicht, so gilt als Zeitpunkt der Rechtshängigkeit das Datum der ersten Einreichung ( Art. 63 Abs. 1 ZPO ). Diese Regel gilt - Fälle von Rechtsmissbrauch vorbehalten - auch, wenn sich nach einem ersten BGE 138 III 471 S. 482 Nichteintretensentscheid das als zweites angerufene Gericht ebenfallsunzuständig erklärt (MARKUS MÜLLER-CHEN, in: Schweizerische Zivilprozessordnung ZPO, Kommentar, Brunner und andere [Hrsg.], 2011, N. 16 zu Art. 63 ZPO ; vgl. BGE 130 III 202 E. 3.3.2 S. 210 f., in demdie Frage offengelassen wurde, ob der Gläubiger ein zweites Mal den Schutz von Art. 139 OR beanspruchen kann). Jede Person hat bei Rechtsstreitigkeiten einen grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Anspruch auf Beurteilung durch eine richterliche Behörde ( Art. 29a BV ). Im vorliegenden Fall hat das sachlich zuständige Bezirksgericht seine Zuständigkeit zu Unrecht verneint und die Beschwerdeführer dazu gebracht, vor dem unzuständigen Handelsgericht zu klagen, welches aber nicht verpflichtet werden kann, auf eine Klage einzutreten, zu deren Behandlung es nicht zuständig ist. Damit stünde kein Gericht zur Verfügung, um die Klage zu beurteilen. Einem Kläger kann kein Vorwurf gemacht werden, wenn er den Nichteintretensentscheid des ersten Gerichts nicht systematisch weiterzieht, um seinen verfassungsrechtlichen Anspruch auf Zugang zu einem Gericht zu sichern für den Fall, dass das vom ersten Gericht als zuständig erachtete zweite Gericht doch nicht zuständig wäre. Art. 63 ZPO ist verfassungsmässig auszulegen in dem Sinn, dass im Rahmen des Beschwerdeverfahrens gegen die Verneinung der sachlichen Zuständigkeit durch das zweite Gericht eine Bindung an den Nichteintretensentscheid des ersten Gerichts nicht besteht, dass dem Entscheid des ersten Gerichts keine Rechtskraft zukommt (vgl. Art. 100 Abs. 5 BGG ; BGE 135 V 153 E. 1). Es stellt sich sodann die Frage, ob die dreissigtägige Frist ab formeller Rechtskraft des Nichteintretensentscheids (MÜLLER-CHEN, a.a.O., N. 19 zu Art. 63 ZPO ; FRANÇOIS BOHNET, in: CPC, Code de procédure civile commenté, Bohnet und andere [Hrsg.], 2011, N. 21 ff. zu Art. 63 ZPO ; DOMINIK INFANGER, in: Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 2010, N. 15 zu Art. 63 ZPO ; vgl. auch SUTTER-SOMM/HEDINGER, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung [ZPO], Sutter-Somm und andere [Hrsg.], 2010, N. 11 zu Art. 63 ZPO ) oder nicht vielmehr ab Zustellung des letzten, nicht angefochtenen oder nicht mehr anfechtbaren Entscheids (STEPHEN V. BERTI, in: ZPO, Oberhammer [Hrsg.], 2010, N. 13 zu Art. 63 ZPO ) läuft. Da der Nichteintretensentscheid des Handelsgerichts mit Beschwerde angefochten und dieser aufschiebende Wirkung erteilt wurde, kann die Frage mangels formeller Rechtskraft des angefochtenen Entscheids offengelassen werden und es braucht auch diejenige nach BGE 138 III 471 S. 483 der Rechtsnatur der Beschwerde in Zivilsachen nicht weiter vertieft zu werden. Die dreissigtägige Frist läuft damit ab Zustellung des vorliegenden Entscheids. Die Klage kann folglich wieder beim Bezirksgericht eingereicht werden. Beschwerdeführerinnen und Beschwerdegegner stimmen dem im Ergebnis zu für den Fall, dass das Handelsgericht nicht zuständig ist. 7. Die Beschwerdeführerinnen ersuchen für den Fall, dass das Bezirksgericht als zuständig erachtet würde, die ihnen im angefochtenen Beschluss auferlegten Partei- und Gerichtskosten dem Kanton Zürich zu überbinden. Das Verfahren vor Handelsgericht und die entsprechenden Gerichts- und Parteikosten von Fr. 11'000.- und Fr. 6'700.- sind die Folge des unzutreffenden Entscheids des Bezirksgerichts, den dieses von Amtes wegen gefällt hat. Die beklagten Parteien haben weder vor Bezirksgericht noch vor Handelsgericht unbegründete Anträge gestellt. Die Gerichts- und Parteikosten im kantonalen Verfahren sind somit nicht von den Parteien veranlasst worden. Es rechtfertigt sich folglich, sie dem Kanton aufzuerlegen ( Art. 107 Abs. 2 ZPO ). Infolge des negativen Kompetenzkonflikts waren die Beschwerdeführerinnen gezwungen, den Beschluss des Handelsgerichts vor Bundesgericht anzufechten; die Beschwerdegegner haben hier obsiegt. Der Kanton Zürich hat die beteiligten Parteien für das Verfahren vor Bundesgericht zu entschädigen (Art. 68 Abs. 4 i.V.m. Art. 66 Abs. 3 BGG ). Dagegen sind ihm keine Kosten aufzuerlegen ( Art. 66 Abs. 4 BGG ).
null
nan
de
2,012
CH_BGE
CH_BGE_005
CH
Federation
e00340ac-9c8b-48c4-aa00-06d4f702aef7
Urteilskopf 101 V 144 29. Auszug aus dem Urteil vom 17. September 1975 i.S. Jungen gegen Schweizerische Krankenkasse Helvetia und Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen
Regeste Art. 12bis Abs. 1 KUVG . Anspruch auf das Krankengeld wegen vollständiger Arbeitsunfähigkeit hat auch der Versicherte, dessen restliche geringe Arbeitsfähigkeit praktisch nicht verwertbar ist.
Erwägungen ab Seite 144 BGE 101 V 144 S. 144 Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 1. a) Nach Art. 12bis Abs. 1 KUVG haben die Krankenkassen in der Krankengeldversicherung bei vollständiger Arbeitsunfähigkeit ein tägliches Krankengeld von mindestens Fr. 2.-- zu gewähren. Auf Grund dieser Bestimmung sind die Krankenkassen nicht verpflichtet, bei nur teilweiser Arbeitsunfähigkeit ein (reduziertes) Krankengeld auszurichten. Kassenstatuten, mit welchen der Krankengeldanspruch auf vollständig arbeitsunfähige Versicherte beschränkt wird, gelten daher als gesetzeskonform ( BGE 97 V 129 ). b) Art. 80 Abs. 1 und 2 der Statuten der Krankenkasse Helvetia lauten: 1. Bei nur teilweiser Arbeitsunfähigkeit haben die Mitglieder keinen Anspruch auf Krankengeld. Dies gilt auch bei teilweiser Wiederaufnahme der Arbeit während der Krankheit. Es kann jedoch in besonderen Fällen ein reduziertes Krankengeld bewilligt werden. 2. In allen Fällen von teilweiser Arbeitsunfähigkeit, in denen das Krankengeld beansprucht wird, hat der Sektionsvorstand der Zentralverwaltung sofort Mitteilung zu machen mit Angabe der näheren Verhältnisse und Antragstellung. Ohne Bewilligung der Zentralverwaltung darf ein reduziertes Krankengeld nicht ausbezahlt werden. Gestützt hierauf war die Kasse grundsätzlich berechtigt, die Ausrichtung des Krankengeldes auf die Zeit zu beschränken, für welche eine vollständige Arbeitsunfähigkeit ausgewiesen war. BGE 101 V 144 S. 145 2. Im vorliegenden Verfahren ist das Krankengeld nurmehr ab 1. November 1973 streitig. Es ist daher zu prüfen, ob der Beschwerdeführer in der Zeit nach dem 31. Oktober 1973 weiterhin vollständig arbeitsunfähig war. a) In seinem Bericht vom 13. November 1973 an die Krankenkasse stellte Dr. med. J. fest, seitens der Bronchopneumonie, der Otitis und der Angina sei der Versicherte ab 1. November 1973 wieder voll arbeitsfähig gewesen. In einem weiteren Bericht an die Invalidenversicherung erklärte er den Beschwerdeführer zu zwei Dritteln arbeitsunfähig zufolge der degenerativen Veränderungen an der Wirbelsäule und den Gelenken. Dr. med. St., welcher mit Zeugnis vom 28. September 1973 eine dauernde vollständige Arbeitsunfähigkeit bescheinigt hatte, führte in einem Bericht an die Vorinstanz vom 16. Februar 1974 hiezu aus, es bestehe medizinisch gesehen eine Arbeitsunfähigkeit von 75%; praktisch sei der Versicherte jedoch zu 100% arbeitsunfähig und werde es auch bleiben. Nach diesen ärztlichen Angaben ist eine volle Arbeitsunfähigkeit für die Zeit nach dem 31. Oktober 1973 medizinisch nicht ausgewiesen, weshalb grundsätzlich auch kein Anspruch auf Weiterausrichtung des Krankengeldes bestanden hat. b) Der Beschwerdeführer macht indessen geltend, der medizinisch festgestellte Grad der Arbeitsunfähigkeit könne nicht massgebend sein, da die Teilarbeitsfähigkeit von 25% nicht verwertbar und er im bisherigen Beruf voll arbeitsunfähig sei. Wie das Eidg. Versicherungsgericht wiederholt ausgeführt hat, ist der Grad der Arbeitsunfähigkeit unter Berücksichtigung des bisherigen Berufes festzusetzen, solange man vom Versicherten vernünftigerweise nicht verlangen kann, seine restliche Arbeitsfähigkeit in einem andern Berufszweig zu verwerten. Der Versicherte, welcher seine restliche Arbeitsfähigkeit nicht verwertet, obgleich er hiezu unter Berücksichtigung der Arbeitsmarktlage und gegebenenfalls einer bestimmten Anpassungszeit in der Lage wäre, ist nach der beruflichen Tätigkeit zu beurteilen, die er bei gutem Willen ausüben könnte; das Fehlen des guten Willens ist nur dort entschuldbar, wo es auf einer Krankheit beruht (EVGE 1969 S. 127 sowie RSKV 1971 S. 11). Daraus ergibt sich, dass eine volle Arbeitsunfähigkeit auch dann vorliegt, wenn die Arbeitsfähigkeit zufolge Krankheit in einem Masse eingeschränkt ist, dass BGE 101 V 144 S. 146 die verbleibende Teilarbeitsfähigkeit selbst unter Berücksichtigung zumutbarer anderer Tätigkeiten wirtschaftlich nicht mehr verwertbar ist. Der Auffassung des Beschwerdeführers, wonach unter solchen Umständen nicht auf die "medizinisch-theoretische" Beurteilung der Arbeitsfähigkeit abzustellen sei, ist daher grundsätzlich beizupflichten. Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers kann es jedoch nicht auf die Arbeitsunfähigkeit im bisherigen Beruf ankommen; vielmehr sind auch andere Tätigkeiten in Betracht zu ziehen, soweit sie dem Beschwerdeführer nach den konkreten Verhältnissen zumutbar sind.
null
nan
de
1,975
CH_BGE
CH_BGE_007
CH
Federation
e0098663-e59f-432f-b87e-d6e4d3efdb21
Urteilskopf 141 V 25 5. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S.A. gegen CSS Kranken-Versicherung AG und Mitb. (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) 9C_535/2014 vom 15. Januar 2015
Regeste Art. 56 Abs. 2 und Art. 59 Abs. 1 lit. b KVG ; Rückerstattung der Honorare bei Überarztung; anwendbares Recht; Voraussetzungen für eine Rückforderung unter der Herrschaft von Art. 59 Abs. 1 lit. b KVG . Auf jene Überarztungsfälle, welche sich nach dem 23. Februar 2005 ereignet haben, gelangt ausschliesslich Art. 59 Abs. 1 lit. b KVG zur Anwendung (E. 8.3). Obschon die Rückerstattung der Honorare ( Art. 59 Abs. 1 lit. b KVG ) neu unter dem Begriff "Sanktionen" ( Art. 59 Abs. 1 Satz 1 KVG ) steht, bleibt die zu Art. 56 Abs. 2 KVG ergangene Rechtsprechung anwendbar, wonach (namentlich) kein Verschulden des Leistungserbringers vorausgesetzt wird (E. 8.4).
Sachverhalt ab Seite 26 BGE 141 V 25 S. 26 A. Am 15. Juli 2008 reichten 47 Krankenversicherer Klage beim Schiedsgericht des Kantons Appenzell Ausserrhoden gegen Dr. med. A., Facharzt für Ophthalmologie FMH, ein mit dem Rechtsbegehren, der Beklagte sei zu verpflichten, ihnen vom Jahresumsatz 2006 einen gerichtlich zu bestimmenden Betrag nebst Zins zu 5 % seit Klageeinleitung zurückzuerstatten. In verfahrensrechtlicher Hinsicht wurde die Sistierung des Klageverfahrens bis zum Abschluss des Schlichtungsverfahrens vor der Paritätischen Vertrauenskommission beantragt. In der Folge sistierte das Schiedsgericht das Verfahren bis auf Weiteres. Am 12. November 2009 hob das Schiedsgericht die Sistierung auf, nachdem die Krankenversicherer über das Scheitern des Schlichtungsverfahrens informiert und die Fortsetzung des Verfahrens beantragt hatten. Gleichzeitig gab es den Parteien Gelegenheit, je einen Schiedsrichter zu benennen, wovon diese am 25. bzw. 26. November 2009 Gebrauch machten. Am 25. Mai 2010 ernannte das Schiedsgericht lic. iur. Traudi Reimann-Forstner und lic. oec. Martin Rutishauser als Schiedsrichter. Ein Gesuch des Dr. med. A. auf Sistierung des Verfahrens wies es ab (Verfügung vom 14. Oktober 2011). Am 12. September 2012 führte das Schiedsgericht eine mündliche Verhandlung durch und forderte die Klägerinnen mit gleichentags ergangenem Beschluss zur Einreichung weiterer Beweismittel auf. Mit Entscheid vom 28. Mai 2014 hiess das Schiedsgericht die Klage teilweise gut. Es verpflichtete Dr. med. A., den Krankenversicherern Fr. 520'423.60 zurückzuzahlen (Dispositiv-Ziffer 1). Überdies verpflichtete das Schiedsgericht Dr. med. A. zur teilweisen Tragung der Entscheidgebühr, ausmachend Fr. 6'400.- (Dispositiv-Ziffer 2), sowie zur Bezahlung einer reduzierten Parteientschädigung (einschliesslich Barauslagen und Mehrwertsteuer) von Fr. 5'000.- an die Krankenversicherer (Dispositiv-Ziffer 3). B. Dr. med. A. erhebt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und beantragt, der Entscheid des Schiedsgerichts vom 28. Mai 2014 sei aufzuheben. Eventualiter sei die Bestellung eines neuen, unabhängigen Schiedsgerichts anzuordnen und die Sache an dieses zurückzuweisen; subeventualiter sei die Angelegenheit an die BGE 141 V 25 S. 27 Vorinstanz zur Beweisergänzung und Neubeurteilung zurückzuweisen. Zudem sei der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu erteilen. Während das Bundesamt für Gesundheit auf eine Stellungnahme verzichtet, tragen die Beschwerdegegner auf Abweisung der Beschwerde an. C. Mit Verfügung vom 25. August 2014 hat die Instruktionsrichterin der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkannt. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. Erwägungen Aus den Erwägungen: 8. 8.1 Die Vorinstanz erachtete Art. 56 Abs. 2 KVG als massgebende gesetzliche Grundlage für die von ihr verfügte Rückforderung betreffend das Jahr 2006, ohne jedoch auf das Verhältnis zu der seit 23. Februar 2005 anwendbaren Bestimmung von Art. 59 Abs. 1 lit. b KVG (nicht publ. E. 5.1) einzugehen. Gemäss dem überwiegenden Teil der Lehre ist - seit Inkrafttreten des geänderten Art. 59 KVG (am 1. Januar 2005) - für Rückerstattungsforderungen wegen unwirtschaftlicher Behandlung nicht mehr Art. 56 Abs. 2 KVG sedes materiae, sondern Art. 59 Abs. 1 lit. b KVG (GEBHARD EUGSTER, Überarztung aus juristischer Sicht [nachfolgend: Überarztung], in: Rechtsfragen zum Krankheitsbegriff, Gächter/Schwendener [Hrsg.], 2009, S. 138 Rz. 120; ders. , Bundesgesetz über die Krankenversicherung [KVG; nachfolgend: Rechtsprechung], 2010, N. 3 zu Art. 59 KVG ; ders. , Statistische Wirtschaftlichkeitsprüfung im Wandel [nachfolgend: Wirtschaftlichkeitsprüfung], Jusletter 25. Juni 2012, Rz. 97; SIMON HAEFELI, Ruinöse Unrechtsprechung, Jusletter 18. August 2008, Rz. 47 [auch veröffentlicht in: Zeitschrift für Gesundheitsrecht (SZG), 2009 S. 55 ff.]; gl.M. offenbar auch Arbeitsgruppe WZW der FMH, Wirtschaftlichkeitsverfahren unter KVG Art. 59 [nachfolgend: Sanktionsrecht], Positionspapier von Juli 2010 [abrufbar unter www.fmh.ch ]; a.M. EDOUARD ISELIN, Polypragmasie et étendue de l'obligation de restitution au sens de l'art. 56 al. 2 LAMal, SZS 2006 S. 120). Das Bundesgericht hat sich zu dieser Frage bisher nicht (explizit) geäussert. Immerhin hat es in BGE 137 V 43 , welchem eine im Jahr 2004 stattgefundene Überarztung zugrunde lag, namentlich die (noch nicht anwendbare) Bestimmung von Art. 59 Abs. 1 lit. b KVG herangezogen, um die BGE 141 V 25 S. 28 Frage des Umfangs (nicht publ. E. 5.4) der Rückerstattungspflicht gemäss Art. 56 Abs. 2 KVG zu präzisieren (E. 2.5.3 des erwähnten Urteils). 8.2 Das Gesetz muss in erster Linie aus sich selbst heraus, das heisst nach dem Wortlaut, Sinn und Zweck und den ihm zugrunde liegenden Wertungen auf der Basis einer teleologischen Verständnismethode ausgelegt werden. Die Gesetzesauslegung hat sich vom Gedanken leiten zu lassen, dass nicht schon der Wortlaut die Norm darstellt, sondern erst das an Sachverhalten verstandene und konkretisierte Gesetz. Gefordert ist die sachlich richtige Entscheidung im normativen Gefüge, ausgerichtet auf ein befriedigendes Ergebnis der ratio legis. Dabei befolgt das Bundesgericht einen pragmatischen Methodenpluralismus und lehnt es namentlich ab, die einzelnen Auslegungselemente einer hierarchischen Ordnung zu unterstellen. Insbesondere bei jüngeren Gesetzen sind auch die Gesetzesmaterialien zu beachten, wenn sie auf die streitige Frage eine klare Antwort geben und dem Gericht damit weiterhelfen ( BGE 140 V 8 E. 2.2.1 S. 11 mit Hinweisen). 8.3 Gesetzgeberische Absicht hinter der Änderung des Art. 59 KVG war es, die Zahl und die Tragweite der möglichen Sanktionen gegen Leistungserbringer, die sich nicht an die Regeln der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Leistungen halten ("schwarze Schafe"), zu verstärken, mithin das Sanktionensystem des KVG wirkungsvoller auszugestalten (Botschaft vom 26. Mai 2004 zur Änderung des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung [Vertragsfreiheit; BBl 2004 4293, 4295, 4315]). Hierzu sollten zum einen - nebst der bisher schon bestehenden Möglichkeit von Rückerstattungen gemäss Art. 56 KVG sowie des Ausschlusses von der Kassenpraxis gemäss aArt. 59 KVG - weitere Sanktionen (Verwarnung, Busse; Art. 59 Abs. 1 lit. a und c KVG ) ausgefällt werden können, womit der Entscheidungsspielraum der zuständigen Schiedsgerichte vergrössert würde. Zum anderen sollte die Möglichkeit, das kantonale Schiedsgericht anzurufen, auf die Verbände der Versicherer ausgeweitet werden ( Art. 59 Abs. 2 KVG ), um die Tragweite der Sanktionen zu vergrössern (BBl 2004 4315 erstes und zweites Lemma). Ferner wurden die gröbsten Verstösse gegen die Wirtschaftlichkeit und die Qualitätssicherung, welche als sanktionswürdig befunden wurden, in einer nicht abschliessenden Liste konkretisiert (Abs. 3). Deren lit. a ("Nichtbeachtung des Wirtschaftlichkeitsgebotes nach Artikel 56 Abs. 1") ersetzte den Begriff der "Überarztung" (BBl 2004 4315 BGE 141 V 25 S. 29 drittes Lemma). Eingedenk der dargelegten gesetzgeberischen Intention und der expliziten Erwähnung der Überarztung in den Materialien ist mit der Lehre davon auszugehen, dass beabsichtigt war, sämtliche "Sanktionen" (vgl. E. 8.4 hiernach) - darunter auch jene der Honorarrückerstattung - gegen fehlbare Leistungserbringer in einer einzigen, wirkungsvoller ausgestalteten (BBl 2004 4295) Norm zu vereinen. Dies spricht gegen die parallele Anwendbarkeit von Art. 56 Abs. 2 und Art. 59 Abs. 1 lit. b KVG bzw. für die ausschliessliche Anwendbarkeit letzterer Bestimmung auf jene Überarztungsfälle, die sich nach dem 23. Februar 2005 ereignet haben (nicht publ. E. 5.1). 8.4 Bei der Rückforderung gemäss Art. 56 Abs. 2 KVG ging es nach Lehre und Praxis um die Rückerstattung eines Indebitums (EUGSTER, Wirtschaftlichkeitskontrolle ambulanter ärztlicher Leistungen mit statistischen Methoden [nachfolgend: Wirtschaftlichkeitskontrolle], 2003, S. 288 Rz. 850) bzw. primär um die Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes (EUGSTER, Rechtsprechung, a.a.O., N. 1 zu Art. 59 KVG ). Die Honorarrückerstattung nach unwirtschaftlicher Behandlungsweise wurde weder als Strafe noch als Sanktion qualifiziert, womit kein Verschulden des Arztes vorausgesetzt war (EUGSTER, Wirtschaftlichkeitskontrolle, a.a.O., S. 288 Rz. 851 mit Hinweisen). Die Rückerstattung der Honorare ( Art. 59 Abs. 1 lit. b KVG ) steht neu unter dem Begriff "Sanktionen" ( Art. 59 Abs. 1 Satz 1 KVG ). Angesichts des Gesetzeswortlauts ist EUGSTER (Rechtsprechung, a.a.O., N. 1 zu Art. 59 KVG ; ders. , Die obligatorische Krankenpflegeversicherung, in: Soziale Sicherheit, SBVR Bd. XIV, 2. Aufl. 2007, S. 672 Rz. 819 ff.; offengelassen jedoch ders. , Überarztung, a.a.O., S. 138 Rz. 121) der Ansicht, im Gegensatz zur bisherigen Praxis bedürfe eine Honorarrückerstattung unter der Geltung des revidierten Art. 59 KVG u.a. den Nachweis eines Verschuldens des Leistungserbringers. Die hievor dargelegte Entstehungsgeschichte der Bestimmung steht indes der Annahme klar entgegen, der Gesetzgeber habe restriktivere Voraussetzungen für eine Honorarrückforderung schaffen wollen. Im Gegenteil hebt die Botschaft die Steigerung der Wirksamkeit bzw. die Vermeidung einer relativen Straffreiheit für "schwarze Schafe" als Ziele hervor (BBl 2004 4295, 4315). Zudem wird in der nationalrätlichen Diskussion erwähnt, der vorgeschlagene Art. 59 sei nichts anderes als "une synthèse des dispositions existantes avec quelques détails supplémentaires" (Votum von Nationalrat Yves Guisan in AB 2004 N 1510). Somit erhellt sowohl aus der BGE 141 V 25 S. 30 Botschaft als auch der parlamentarischen Beratung, dass keine grundlegende Änderung bzw. Einschränkung der Rückforderungsmöglichkeit beabsichtigt war, sondern der Gesetzgeber davon ausging, die bisherige Rechtspraxis werde im Wesentlichen weitergeführt. Mithin lässt sich nicht sagen, dass die Bezeichnung "Sanktionen" in Art. 59 Abs. 1 KVG - zumindest was lit. b betrifft - automatisch ein Verschulden mitumfasst. Vielmehr bleibt die zu Art. 56 Abs. 2 KVG ergangene Rechtsprechung auch unter der Herrschaft von Art. 59 Abs. 1 lit. b KVG anwendbar, womit bei der Rückforderung weiterhin kein Verschulden des Leistungserbringers vorausgesetzt wird.
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Urteilskopf 113 V 71 12. Auszug aus dem Urteil vom 30. Januar 1987 i.S. W. gegen Arbeitslosenkasse des Schweizerischen Metall- und Uhrenarbeiterverbandes und Kantonale Rekurskommission für die Arbeitslosenversicherung, Zürich
Regeste Art. 45 Abs. 3 AlVV , Art. 30 Abs. 3 AVIG : Einstellung in der Anspruchsberechtigung. Die Fristen in Art. 45 Abs. 3 Satz 2 AlVV bzw. Art. 30 Abs. 3 Satz 4 AVIG beziehen sich auf die Vollstreckung bereits verfügter Einstellungen. Sie stehen der nachträglichen Anordnung einer Einstellung nicht entgegen.
Sachverhalt ab Seite 71 BGE 113 V 71 S. 71 A.- Der Versicherte wurde am 25. März 1983 von seiner Arbeitgeberin fristlos entlassen und besuchte vom 28. März bis BGE 113 V 71 S. 72 15. April 1983 die Stempelkontrolle. Am 16. April 1983 trat er eine neue Stelle an. Die Arbeitslosenkasse des Schweizerischen Metall- und Uhrenarbeiterverbandes richtete vorerst keine Arbeitslosenentschädigung aus, da der Versicherte die fristlose Entlassung als ungerechtfertigt betrachtete und eine Klage gegen die ehemalige Arbeitgeberin in Aussicht stellte. Mitte September 1985 liess der Versicherte der Arbeitslosenkasse mitteilen, er habe auf die Einleitung einer Klage gegen die Arbeitgeberin verzichtet. Daraufhin stellte ihn die Arbeitslosenkasse mit Verfügung vom 30. September 1985 wegen selbstverschuldeter Arbeitslosigkeit ab 28. März 1983 für die Dauer von 14 Tagen in der Anspruchsberechtigung ein. B.- Die hiegegen erhobene Beschwerde wies die Kantonale Rekurskommission für die Arbeitslosenversicherung, Zürich, mit Entscheid vom 10. April 1986 ab. C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt der Versicherte beantragen, vorinstanzlicher Entscheid und Kassenverfügung seien unter Kosten- und Entschädigungsfolge aufzuheben. Die Arbeitslosenkasse schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit (BIGA) auf eine Stellungnahme verzichtet. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. / 2.- / 3.- (Die Fallbeurteilung richtet sich nach der bis Ende 1983 in Kraft gewesenen arbeitslosenversicherungsrechtlichen Ordnung. Die Nichtauszahlung der Arbeitslosenentschädigung erweist sich als richtig, sei es dass mit der Arbeitslosenkasse selbstverschuldete Arbeitslosigkeit wegen fristloser Entlassung und damit ein Grund für die Einstellung in der Anspruchsberechtigung bejaht wird, sei es dass - für den Fall der Annahme einer ungerechtfertigten Entlassung - der Verdienstausfall wegen Verzichts auf die Durchsetzung von Lohnansprüchen nicht angerechnet werden kann.) 4. a) Zu prüfen ist, ob im vorliegenden Fall eine Einstellung überhaupt noch zulässig war. Nach Art. 45 Abs. 3 Satz 2 AlVV werden die am Ende des Kalenderjahres nicht bestandenen Einstellungstage auf das folgende Kalenderjahr übertragen; nach Ablauf desselben fällt die Einstellung dahin. Es stellt sich dabei insbesondere die Frage, ob die genannte Frist das Recht der Arbeitslosenkasse bzw. der kantonalen BGE 113 V 71 S. 73 Amtsstelle zur verfügungsweisen Anordnung einer Einstellung, d.h. zur Geltendmachung des Sanktionsanspruchs zeitlich begrenzt oder ob sie sich bloss auf die Vollstreckung einer verfügten Einstellung bezieht (vgl. in diesem Zusammenhang BGE 111 V 95 zu Art. 16 Abs. 1 und 2 AHVG ). b) Art. 45 Abs. 3 Satz 2 AlVV spricht von "nicht bestandenen Einstellungstagen" und davon, dass die "Einstellung" dahinfalle. Daraus geht unmissverständlich hervor, dass eine bereits verfügte Einstellung vorausgesetzt wird. Die zeitliche Begrenzung in der erwähnten Bestimmung beschlägt mithin nicht das Recht der Verwaltung, eine Einstellung zu verfügen, sondern bloss die Vollstreckung einer Einstellung. Denn "dahinfallen" kann nur eine verfügte Einstellung. In diesem Sinne hat das Eidg. Versicherungsgericht bereits im nicht veröffentlichten Urteil B. vom 21. August 1984 zu Art. 45 Abs. 3 Satz 2 AlVV entschieden, indem es festgestellt hat, die Möglichkeit der Anordnung einer Einstellung in der Anspruchsberechtigung sei zeitlich grundsätzlich nicht befristet, weshalb eine solche Massnahme auch rückwirkend getroffen werden könne; die Befristung betreffe nur das Recht der Verwaltung auf Vollstreckung der Sanktion, so dass demzufolge bei Ablauf der Frist nach Art. 45 Abs. 3 Satz 2 AlVV ein Vollzug nicht mehr möglich sei. Diese Grundsätze werden auch unter der Herrschaft des neuen Rechts anzuwenden sein. Einerseits sagt Art. 30 Abs. 3 Satz 4 AVIG ebenfalls: "Die Einstellung fällt dahin." Anderseits wollte der Gesetzgeber mit dem Erlass des AVIG bei der Durchführung von Einstellungen keine grundlegenden Neuerungen einführen; er beschränkte sich im wesentlichen darauf, den Verfall von nicht bestandenen Einstellungstagen grosszügiger zu regeln (BBl 1980 III 590), indem er die Verfallsfrist von bisher bis zu zwei Jahren auf sechs Monate verkürzte. Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass es sich bei den in Art. 45 Abs. 3 Satz 2 AlVV bzw. Art. 30 Abs. 3 Satz 4 AVIG genannten Fristen um Vollstreckungsfristen handelt. Es geht um bereits verfügte Einstellungen, die nach Ablauf der erwähnten Fristen nicht mehr "bestanden" werden können mit der Folge, dass die Einstellung dahinfällt und der Anspruch auf Vollstreckung mit dem unbenützten Ablauf der Frist infolge Verwirkung untergeht (vgl. in diesem Zusammenhang BGE 112 V 7 Erw. 4c zu Art. 82 AHVV ). BGE 113 V 71 S. 74 c) Der Beschwerdeführer besuchte vom 28. März bis zum 15. April 1983 die Stempelkontrolle. Für diese Zeitspanne wurde ihm keine Arbeitslosenentschädigung ausbezahlt, da die Arbeitslosenkasse die Taggelder im Hinblick auf die in Aussicht gestellte Klage gegen die ehemalige Arbeitgeberin wegen fristloser Auflösung des Arbeitsverhältnisses zurückbehielt. Dies bedeutet, dass der Beschwerdeführer die am 30. September 1985 nachträglich verfügte Einstellung von 14 Tagen in der Anspruchsberechtigung ab 28. März 1983 in der fraglichen Stempelperiode bereits bestanden hat und der Vollzug der Einstellung rechtzeitig erfolgt ist. Die in Art. 45 Abs. 3 Satz 2 AlVV und in der übergangsrechtlichen Bestimmung des Art. 131 Abs. 3 AVIV genannten Vollstreckungsfristen stehen der nachträglich verfügten Einstellung somit nicht im Wege.
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Urteilskopf 139 IV 89 12. Extrait de l'arrêt de la Cour de droit pénal dans la cause A.X. contre Ministère public de la République et canton de Genève, Y. et B.X. (recours en matière pénale) 6B_591/2012 du 21 décembre 2012
Regeste Art. 116 Abs. 2, Art. 117 Abs. 3 und Art. 122 Abs. 2 StPO ; Angehörige des Opfers als Privatklägerschaft. Im Unterschied zur geschädigten Person und zum Opfer kann sich der Angehörige des Opfers als Privatklägerschaft nur konstituieren, wenn er im Strafverfahren eigene Zivilansprüche geltend macht. Hiefür genügt es nicht, dass er frei erfundene Zivilforderungen ohne jede Grundlage einbringt. Die Zivilansprüche müssen mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit begründet sein. Ein strikter Nachweis ist nicht erforderlich. Dies ist vielmehr Gegenstand des Prozesses (E. 2.2).
Sachverhalt ab Seite 89 BGE 139 IV 89 S. 89 A. Il est reproché à Y. d'avoir violé le 22 novembre 2009 la mineure B.X., née le 25 janvier 1995. A l'ouverture des débats devant le Tribunal correctionnel du canton de Genève, la mère de l'enfant, A.X., a déposé des conclusions civiles en son propre nom à concurrence de 26'835 fr. 25 tendant au paiement par Y. du dommage et du tort moral qu'elle prétendait avoir elle-même subis. Par décision du 31 mai 2011, le Tribunal correctionnel du canton de Genève a constaté que A.X n'avait pas qualité de partie plaignante. BGE 139 IV 89 S. 90 Les débats se sont poursuivis sans A.X. Par jugement du 3 juin 2011, le Tribunal correctionnel a reconnu Y. coupable de viol ( art. 190 al. 1 CP ), l'a acquitté de l'infraction d'actes d'ordre sexuel avec des enfants ( art. 187 CP ) et l'a condamné à une peine privative de liberté de 3 ans, sous déduction de 380 jours de détention avant jugement, cette peine étant prononcée sans sursis à raison de 12 mois, le sursis partiel lui étant accordé pour le surplus avec délai d'épreuve de 4 ans. Le tribunal a accordé à l'enfant B.X. une indemnité de 15'000 fr. pour tort moral. Les parties ont déposé des déclarations d'appel contre ce jugement auprès de la Chambre d'appel et de révision de la Cour de justice genevoise. A.X. a formé un recours contre la décision du 31 mai 2011. Par arrêt du 16 septembre 2011, la Chambre pénale de recours de la Cour de justice de la République et canton de Genève a déclaré ce recours irrecevable, considérant qu'aucune voie de droit n'était ouverte à ce stade de la procédure. Par arrêt du 21 mai 2012 ( ATF 138 IV 193 ), le Tribunal fédéral a admis le recours formé par A.X. dans la mesure de sa recevabilité et renvoyé la cause en instance cantonale pour nouvelle décision. En bref, il a considéré qu'une voie de droit immédiate devait être ouverte au plan cantonal. B. Par arrêt du 28 août 2012, la Chambre pénale de recours de la Cour de justice genevoise a rejeté le recours formé par A.X. contre la décision du 31 mai 2011. C. A.X. interjette un recours en matière pénale au Tribunal fédéral contre cet arrêt. Elle conclut, sous suite de frais et dépens, à son annulation, à ce que sa qualité de partie plaignante soit reconnue, à ce que la cause soit renvoyée au Tribunal correctionnel et à ce que la direction de la procédure statue sur ses conclusions civiles, subsidiairement à ce que la Chambre pénale d'appel et de révision de la Cour de justice genevoise statue sur ses conclusions civiles. Elle sollicite par ailleurs l'assistance judiciaire. Le Ministère public conclut au rejet du recours. L'intimée B.X. s'en rapporte à justice. L'intimé Y. s'en rapporte à justice et sollicite par ailleurs l'assistance judiciaire. Erwägungen BGE 139 IV 89 S. 91 Extrait des considérants: 2. Se prévalant d'une violation de l' art. 122 al. 2 CPP , la recourante est d'avis que la qualité de partie plaignante lui a été déniée à tort. 2.1 La cour cantonale a admis que la recourante était une proche de la victime au sens de l' art. 116 al. 2 CPP et qu'elle avait expressément déclaré vouloir participer à la procédure, à tout le moins sur le plan civil. En instance cantonale, la recourante a fait valoir qu'elle avait subi des atteintes propres en raison des actes commis sur sa fille, soit un préjudice moral et un dommage matériel. La cour cantonale a considéré d'une part qu'il n'était pas possible de retenir que la souffrance endurée par la recourante avait été suffisamment intense pour admettre qu'étaient réalisées les conditions d'une indemnisation du tort moral, d'autre part que le dommage matériel allégué ne se trouvait pas en relation de causalité naturelle et adéquate avec les infractions reprochées. Elle a ainsi confirmé la décision du 31 mai 2011 déniant la qualité de partie plaignante de la recourante. 2.2 Selon l' art. 116 al. 1 CPP , on entend par victime, le lésé qui, du fait d'une infraction, a subi une atteinte directe à son intégrité physique, psychique ou sexuelle. Le proche de la victime est défini à l' art. 116 al. 2 CPP . Il s'agit notamment des parents de celle-ci. En vertu de l' art. 117 al. 3 CPP , les proches de la victime jouissent des mêmes droits que celle-ci lorsqu'ils se portent partie civile contre les prévenus. Les termes "se portent partie civile" de la version française doivent s'interpréter dans le sens de faire valoir des prétentions civiles, comme en attestent les versions allemande et italienne ("Machen die Angehörigen des Opfers Zivilansprüche geltend"; "se fanno valere pretese civili"). Par "mêmes droits", il faut entendre notamment le droit pour le proche de se constituer partie plaignante comme demandeur au civil, le cas échéant aussi au pénal. Toutefois, le droit du proche de se constituer partie plaignante implique, ce que confirme la combinaison des art. 117 al. 3 et 122 al. 2 CPP, qu'il fasse valoir des prétentions civiles propres dans la procédure pénale (cf. MAZZUCCHELLI/POSTIZZI, in Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2011, n° 11 ad art. 115 CPP et n os 6 et 7 ad art. 117 CPP ). Autrement dit, le proche de la victime ne peut se constituer partie plaignante que s'il fait valoir des prétentions civiles propres dans la procédure pénale. Cette exigence est spécifique au proche de la victime et ne vaut pas pour le lésé ou la victime, lesquels peuvent en effet se BGE 139 IV 89 S. 92 constituer partie plaignante au pénal indépendamment de conclusions civiles (cf. art. 119 al. 2 CPP ). Les art. 117 al. 3 et 122 al. 2 CPP sont une reprise de l'ancien art. 2 al. 2, respectivement de l'ancien art. 39 de la loi du 23 mars 2007 sur l'aide aux victimes d'infractions (LAVI; RS 312.5; NIKLAUS SCHMID, Schweizerische Strafprozessordnung [StPO], Praxiskommentar, 2009, n° 4 ad art. 117 CPP et n° 5 ad art. 122 CPP ). Conformément à ce qui prévalait sous l'égide de la LAVI, le proche bénéficie des droits procéduraux, dorénavant conférés par le CPP, si les prétentions qu'il invoque apparaissent crédibles au vu de ses allégués. Il n'y a pas lieu d'exiger une preuve stricte, laquelle est justement l'objet du procès au fond. Il ne suffit cependant pas d'articuler des prétentions civiles sans aucun fondement, voire fantaisistes pour bénéficier des droits procéduraux. Il faut une certaine vraisemblance que les prétentions invoquées soient fondées (cf. arrêts 6P.30/2005 du 3 juin 2005 consid. 3; 6B_627/2007 du 11 août 2008 consid. 2.2.3). 2.3 En l'espèce, la fille de la recourante est une victime au sens de l' art. 116 al. 1 CPP , de sorte que la recourante est une proche selon l' art. 116 al. 2 CPP . Il n'est pas contesté que la recourante a valablement déclaré vouloir participer à la procédure (cf. art. 118 al. 3 CPP ) après avoir été interpellée par la direction de la procédure, étant rappelé que la phase d'instruction de la cause s'est en l'occurrence déroulée en 2010, avant l'entrée en vigueur du CPP. La cour cantonale a relevé que la recourante avait déclaré à la direction de la procédure vouloir participer à la procédure comme demanderesse, à tout le moins au plan civil. En outre, la recourante a articulé des prétentions propres et a pris à ce titre des conclusions civiles devant le tribunal correctionnel. Dans les circonstances précitées, la qualité de partie plaignante de la recourante ne pouvait être exclue que s'il apparaissait d'emblée, conformément à la jurisprudence précitée rendue sous l'égide de l'ancienne LAVI, que les prétentions émises étaient dépourvues de tout fondement voire fantaisistes. 2.4 2.4.1 S'agissant des prétentions en tort moral émises par la recourante, la cour cantonale a exposé qu'il n'était pas possible de retenir, même sous l'angle de la vraisemblance, que la souffrance endurée par celle-ci puisse être comparée à celle qu'elle aurait endurée en cas de mort de sa fille. Selon la cour, la recourante n'avait pas démontré avoir été touchée plus fortement ou de la même manière qu'en cas de décès, son état dépressif d'intensité moyenne n'étant pas suffisant. BGE 139 IV 89 S. 93 La jurisprudence est restrictive quant à l'allocation d'une indemnité pour tort moral aux parents d'un enfant abusé sexuellement, exigeant qu'ils soient touchés avec la même intensité qu'en cas de décès de l'enfant (arrêt 6B_646/2008 du 23 avril 2009 consid. 7). Il ressort en l'espèce du dossier ( art. 105 al. 2 LTF ) que la recourante a allégué dans son écriture du 31 mai 2011 déposée à l'appui de ses conclusions civiles qu'elle nécessitait toujours un soutien psychiatrique et psychothérapeutique 18 mois après les faits, qu'elle souffrait énormément d'être quotidiennement confrontée au stress post-traumatique de sa fille (troubles du sommeil, incapacité de se déplacer sans être accompagnée, attaques de panique), qu'elle était sans cesse préoccupée par sa fille animée d'idées suicidaires, qu'elle avait le sentiment que sa souffrance allait durer pour le restant de sa vie, comme si elle avait perdu sa fille. Au vu des éléments ainsi exposés, la cour cantonale ne pouvait pas d'emblée, même au regard d'exigences jurisprudentielles restrictives, considérer les prétentions comme dépourvues de tout fondement. La recourante avait suffisamment articulé ses prétentions, sans qu'une preuve stricte n'ait à être exigée d'elle à l'ouverture des débats. C'est ainsi à tort que la qualité de partie plaignante lui a été déniée et le recours doit être admis à cet égard. 2.4.2 Ce qui précède vaut aussi pour les prétentions en réparation du dommage invoquées par la recourante. La cour cantonale a exposé que pour le dommage matériel, aucun lien de causalité naturelle et adéquate ne pouvait être retenu avec les infractions en cause. Selon la cour, la recourante n'avait pas prouvé que les frais extraordinaires qu'elle avait assumés en raison de son obligation d'entretien (frais de séjour à l'étranger, frais d'ambulance et frais médicaux) étaient en lien avec les infractions. Dans son écriture du 31 mai 2011, la recourante a exposé qu'un éloignement de Genève avait médicalement été recommandé pour sa fille, ce qui avait entraîné différents frais (1'096 fr. 75 et 9'986 fr. 50) pour que celle-ci puisse se rendre en Belgique et au Canada, qu'elle avait également dû assumer des frais d'ambulance (768 fr. 50) à la suite d'une crise de sa fille ainsi que des frais médicaux (722 fr. 40) correspondant à la quote-part non prise en charge par l'assurance-maladie. Au regard en particulier des frais d'ambulance et des frais médicaux, la cour cantonale ne pouvait pas d'entrée de cause considérer les prétentions émises comme sans fondement. Ce faisant, elle s'est muée en juge du fond, ce qu'elle n'avait pas à faire à ce stade de BGE 139 IV 89 S. 94 l'examen des prétentions. Une vraisemblance suffisante existe que les frais engagés puissent résulter des séquelles des infractions reprochées. Cela suffit pour reconnaître la qualité de partie plaignante de la recourante. Le recours est bien fondé.
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Urteilskopf 114 Ib 305 46. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 14. September 1988 i.S. X. gegen Gemeinde Ingenbohl und Verwaltungsgericht (Kammer III) des Kantons Schwyz (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
Regeste Art. 5 Abs. 2 RPG ; materielle Enteignung. 1. Ob eine Eigentumsbeschränkung eine materielle Enteignung bewirkt, hängt nicht von der Bewilligungsfähigkeit eines konkreten Bauprojekts ab. Es ist vielmehr zu prüfen, ob und wie weit durch die in Frage stehende Massnahme generell das Recht zur baulichen Nutzung eines Grundstücks geschmälert wird (E. 2a). 2. Die Frage nach der Zulässigkeit einer Eigentumsbeschränkung ist von jener nach deren enteignungsähnlicher Wirkung zu unterscheiden. Prozessuale Folgen (E. 2b). 3. Tragweite der durch den Regierungsrat des Kantons Schwyz vorgenommenen Ausscheidung von vorläufigen Bauzonen: Die Bauzonen scheinen zwar den Dimensionierungsvorschriften des Bundesrechts zu genügen. Da sie indessen nicht durch den letztlich für die Nutzungsplanung zuständigen Planungsträger ausgeschieden wurden und das Verfahren bei ihrem Erlass nicht den demokratischen Anforderungen von Art. 4 RPG genügt, kann die Ausscheidung dieser Zonen nicht als die erstmalige Schaffung einer den bundesgesetzlichen Anforderungen genügenden raumplanerischen Grundordnung angesehen werden (E. 5c).
Sachverhalt ab Seite 306 BGE 114 Ib 305 S. 306 A.- X. ist Eigentümer des in der Gemeinde Ingenbohl gelegenen sogenannten "Schiller-Areals". Zu diesem zählt auch die westlich der Badeanstalt der Gemeinde Ingenbohl gelegene sogenannte "Schillermatte" (Parzellen GB Nrn. 460 und 546), die südwestlich an den Vierwaldstättersee angrenzt und im Norden durch die Strasse Brunnen Gersau begrenzt wird. Die ersten planerischen Massnahmen in der Gemeinde Ingenbohl gehen auf das Jahr 1965 zurück. Als erste Planung schuf die Gemeinde damals ein generelles Kanalisationsprojekt (GKP), das im wesentlichen noch heute gilt. Die nach dem Inkrafttreten des GschG zunächst vorgesehene Aufnahme der Schillermatte in ein provisorisches Schutzgebiet nach dem BMR kam nicht zustande. Auf Einsprache des damaligen Eigentümers hin entliess der Regierungsrat am 29. Juli 1974 die Schillermatte aus der provisorischen Schutzzone. Dagegen setzte der Regierungsrat im Hinblick auf das Inkrafttreten des RPG am 17. Dezember 1979 in einer Verordnung über vorläufige Regelungen der Raumplanung (VzRPG; in der ursprünglichen Fassung vom 17. Dezember 1979) für die Gemeinde Ingenbohl eine vorläufige Bauzone fest. Zu dieser gehörte auch das Gebiet der Schillermatte. Parallel zu den planerischen Massnahmen des Regierungsrats arbeitete man in der Gemeinde Ingenbohl am erstmaligen Erlass eines Zonenplans. Eine entsprechende Vorlage wurde am 27. April 1975 verworfen, diente indessen immerhin dem Regierungsrat als Grundlage für die erwähnte Abgrenzung der vorläufigen Bauzone. Ein neuer Entwurf für Zonenplan und Baureglement der Gemeinde Ingenbohl wurde 1981 öffentlich aufgelegt. Darin war vorgesehen, südlich der Strasse Brunnen Gersau maximal fünfgeschossige BGE 114 Ib 305 S. 307 Hotelbauten nach Massgabe eines Quartiergestaltungsplanes zuzulassen. B.- Bereits Ende der sechziger Jahre hatte der damalige Eigentümer des Schiller-Areals dem Regierungsrat ein Projekt für dessen Gesamtüberbauung zur Genehmigung unterbreitet. Der Regierungsrat hatte damals gegenüber dem auf der Schillermatte vorgesehenen Projektteil Hotelneubau grundsätzlich keine Bedenken geäussert, jedoch entschieden, über die Bewilligungserteilung könne erst aufgrund der Ausführungspläne für das Hotelbauvorhaben entschieden werden. Während der Arbeiten am neuen Zonenplan bemühte sich X. weiter um die Erteilung einer Baubewilligung. Nachdem der Gemeinderat in einer Stellungnahme vom 6. September 1979 zum Vorprojekt "Hotel Schiller am See" auf die im Baureglementsentwurf vorgesehenen Bestimmungen, die namentlich einen Quartiergestaltungsplan verlangten, hingewiesen hatte, unterbreitete X. im Oktober 1979 einen Entwurf für einen solchen. Der Gemeinderat nahm dazu grundsätzlich positiv Stellung, verlangte allerdings eine Stellungnahme der Fachstelle für Natur- und Heimatschutz des Kantons. Diese gelangte zum Schluss, das Vorhaben sei an den Gesuchsteller zurückzuweisen. Das überarbeitete Quartiergestaltungsplanprojekt vom 11. September 1980 genehmigte der Regierungsrat am 23. Dezember 1980 mit dem Vorbehalt einer Genehmigung des weiteren (Detail-)Projekts und des ordentlichen Baubewilligungsverfahrens. Gestützt auf den Beschluss des Regierungsrats vom 23. Dezember 1980 schrieb der Gemeinderat am 15. Januar 1982 das Baugesuch von X. für ein "Hotel Schiller am See mit Bootshafen" öffentlich aus. Über das Baugesuch wurde bisher nicht entschieden. C.- Der 1981 öffentlich aufgelegte Zonenplanentwurf kam an der Gemeindeversammlung vom 18. Juni 1984 zur Beratung. Auf Antrag eines Bürgers wurde der Teil "Zone Schiller" südlich der Strasse Brunnen Gersau dem übrigen Gemeindegebiet zugewiesen. Der neue Zonenplan erwuchs mit dem Entscheid des Verwaltungsgerichts vom 23. April 1985 über eine von X. gegen die Zuweisung der Schillermatte zum übrigen Gemeindegebiet gerichtete Beschwerde in Rechtskraft. D.- Am 18. Januar 1986 klagte X. beim Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz gegen die Gemeinde Ingenbohl im wesentlichen mit dem Hauptantrag, es sei festzustellen, dass die Auszonung BGE 114 Ib 305 S. 308 der Schillermatte eine materielle Enteignung darstelle. Mit Teilurteil vom 30. Juni 1987 wies das Verwaltungsgericht den Hauptantrag ab. Gegen dieses Teilurteil gelangte X. mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Bundesgericht. Das Bundesgericht bejaht das Vorliegen einer materiellen Enteignung und heisst die Verwaltungsgerichtsbeschwerde im Sinne der Erwägungen gut. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. a) Das Verwaltungsgericht hat die Entschädigungspflicht hauptsächlich mit der Begründung abgelehnt, das konkrete Projekt, für welches der Beschwerdeführer um eine Baubewilligung nachgesucht habe, habe nicht den gesetzlichen Anforderungen genügt und sei daher nicht bewilligungsfähig gewesen. Das Gericht klärte lediglich ab, ob die beabsichtigten Hotelbauten hätten errichtet werden dürfen. Es beschäftigte sich hingegen nicht mit dem vom Beschwerdeführer am 1. Juli 1987 eingereichten Situationsplan, mit welchem dieser dartun wollte, dass die Parzelle unabhängig von der Bewilligungsfähigkeit des konkreten Bauprojekts überbaubar sei. Dieser Ansatzpunkt ist unrichtig. Ob eine Eigentumsbeschränkung eine materielle Enteignung bewirkt, hängt nicht von der Bewilligungsfähigkeit eines konkreten Bauprojekts ab. Bei der Beantwortung der Frage nach dem Vorliegen einer materiellen Enteignung ist vielmehr zu prüfen, ob und wie weit durch die in Frage stehende Eigentumsbeschränkung das Recht zur baulichen Nutzung generell geschmälert wird. Bei dieser Prüfung kommt dem Umstand, dass ein bestimmtes, nicht bewilligungsfähiges Projekt vorliegt, für sich allein keine entscheidende Bedeutung zu. Daraus ergibt sich, dass - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts - der Situationsplan vom 31. Juli 1987 (und zum Teil auch das Alternativprojekt, das am 17. November 1982 behandelt wurde) für die Beurteilung der Frage nach dem Vorliegen einer materiellen Enteignung durchaus von Belang ist. Daran ändert auch der von der Gemeinde erhobene Einwand nichts, der Beschwerdeführer habe dieses Argument in prozessual unzulässiger Weise vorgebracht. Das Verwaltungsgericht hätte die genannten Unterlagen nämlich ihrer Relevanz für die Bestimmung der Baulandqualität der Schillermatte wegen von Amtes wegen berücksichtigen müssen. BGE 114 Ib 305 S. 309 b) Das Verwaltungsgericht hat im angefochtenen Entscheid ausgeführt, gemäss seinem im Streit um den Zonenplan der Gemeinde Ingenbohl ergangenen Urteil vom 23. April 1985 stelle die Zuweisung der Schillermatte zum übrigen Gemeindegebiet eine Nichteinzonung im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung dar. Da dieses Urteil nicht angefochten worden sei, dürfe an diesem Ergebnis nicht mehr gerüttelt werden. Die Frage nach der Zulässigkeit einer Eigentumsbeschränkung ist von derjenigen nach deren enteignungsähnlicher Wirkung zu unterscheiden. Diese materiellrechtliche Unterscheidung spiegelt sich prozessrechtlich darin wider, dass die beiden Fragen in verschiedenen verwaltungsrechtlichen Streitverfahren beantwortet werden. Auf den zu beurteilenden Fall bezogen bedeutet dies, dass dem Urteil des Verwaltungsgerichts vom 23. April 1985 die Antwort auf die Frage, ob eine materielle Enteignung vorliegt, nicht abschliessend entnommen werden kann. Das Verwaltungsgericht konnte daher im angefochtenen Entscheid nicht einfach auf in diesem Urteil getroffene Feststellungen abstellen, sondern hätte die Frage nach dem Vorliegen einer materiellen Enteignung umfassend untersuchen müssen. 5. (Behandlung der Frage, ob eine Nichteinzonung oder eine Auszonung im Sinn der bundesgerichtlichen Rechtsprechung vorliegt.) (a, b) (Für das GKP von 1965 und die kantonale Gesetzgebung bis 1979 Funktion der Baulandausscheidung verneint.) c) Eine planerische Ausscheidung zwischen Bauland und Nichtbauland erfolgte in der Gemeinde Ingenbohl erstmals im Jahre 1979, als der Regierungsrat mit Wirkung auf den 1. Januar 1980 in der VzRPG eine vorläufige Bauzone festlegte, zu welcher auch die Schillermatte gehörte. Es fragt sich, ob damit eine den bundesgesetzlichen Anforderungen genügende raumplanerische Grundordnung geschaffen wurde und die spätere Einweisung der Schillermatte ins übrige Gemeindegebiet demnach als Auszonung zu behandeln ist. aa) Das Verwaltungsgericht sieht in der vorläufigen Bauzone keine gesetzesgerechte Bauzone, da sie nur vorläufigen Charakter gehabt und das bei ihrem Erlass eingeschlagene Verfahren den Anforderungen des RPG (insbes. Art. 4 Abs. 2 RPG ) nicht genügt habe. Die Gemeinde, die diese Auffassung teilt, führt zu deren Begründung in ihrer Vernehmlassung weiter an, der Regierungsrat habe in erster Linie die künftige Nutzungsplanung vor Schaden BGE 114 Ib 305 S. 310 bewahren wollen; es sei jedoch weder in seiner Absicht noch in seiner Kompetenz gelegen, dadurch "gewissermassen wohlerworbene Überbauungsrechte zu begründen". Der Beschwerdeführer hält diese Auffassung für unrichtig. Er sieht in der vorläufigen Bauzone eine den Anforderungen des RPG genügende Baulandausscheidung. bb) In der VzRPG sah der Regierungsrat für Gemeinden ohne rechtskräftige Zonenplanungen folgendes Regime vor: In zwei Gemeinden "bestimmt das Justizdepartement das weitgehend überbaute Gebiet" (§ 4 VzRPG). In den andern Gemeinden schied der Regierungsrat "als vorläufige Bauzone die in den Plänen ausgeschiedenen Gebiete" aus (§ 5 Abs. 1 VzRPG). Dabei bestimmte er für die Gemeinde Ingenbohl die vorläufige Bauzone "gemäss Plan vom 17. Dezember 1979, Massstab 1:2000 (Grundlage: Zonenplan Abstimmungsvorlage vom 27. April 1975)", d.h. nach der 1975 vom Volk verworfenen Zonenplanvorlage. Gemäss § 6 VzRPG dürfen in den vorläufigen Bauzonen "keine Bauten und Anlagen bewilligt werden, welche der künftigen Nutzungsordnung offensichtlich widersprechen". cc) Die "vorläufige Bauzone" ist ein Begriff des Bundesrechts. Gemäss Art. 36 Abs. 3 RPG gilt, solange keine Bauzonen bestehen, das weitgehend überbaute Gebiet als vorläufige Bauzone; dies allerdings nur, wenn das kantonale Recht nichts anderes vorsieht. Das kantonale Recht kann somit selbst eine Regelung für die Ausscheidung vorläufiger Bauzonen aufstellen. Eine solche Ausscheidung hat der Regierungsrat des Kantons Schwyz mit dem Erlass der VzRPG vorgenommen. Dabei hat er die Grundstücke des Beschwerdeführers einer vorläufigen Bauzone zugewiesen. dd) Bei der Beurteilung der Wirkung dieser vorläufigen Bauzone ist davon auszugehen, dass historisch Baubeschränkungen nach dem Vorbild von Planungszonen, d.h. lediglich negativ wirksame planerische Anordnungen im Vordergrund standen, wie sie der BMR vorsah (Botschaft zum RPG, BBl 1978 I S. 1034; EJPD/BRP, Erläuterungen zum Bundesgesetz über die Raumplanung, Bern 1981, N 11 zu Art. 36; vgl. § 6 VzRPG). Die vorläufigen Bauzonen müssen sich aber nicht in bloss negativ wirksamen Anordnungen erschöpfen ( BGE 108 Ib 481 f.; HEINZ AEMISEGGER, Leitfaden zum Raumplanungsgesetz, Bern 1980, S. 126 f., EJPD/BRP, a.a.O., N 12 zu Art. 36), bestünde ihr Zweck nämlich lediglich in der Vermeidung von Präjudizierungen, hätte nicht neben der Planungszone das besondere Institut der vorläufigen BGE 114 Ib 305 S. 311 Bauzone geschaffen werden müssen. Durch die vorläufige Bauzone soll den Kantonen vielmehr eine - wenn auch nur vorläufige - positive planerische Gestaltung ermöglicht werden (vgl. AEMISEGGER, a.a.O., S. 128). Der Regierungsrat des Kantons Schwyz hat denn auch mit der Ausscheidung zwar vorläufiger, nichtsdestoweniger aber eigentlicher Bauzonen einen positiv wirksamen planerischen Entscheid getroffen. ee) In eine vorläufige Bauzone darf kein Land aufgenommen werden, das nicht den in Art. 15 RPG genannten materiellen Einzonungsvoraussetzungen genügt (EJPD/BRP, a. a. O., N 28 zu Art. 36): Die vorläufige Bauzone darf kein Land umfassen, das weder weitgehend überbaut ist, noch voraussichtlich innert 15 Jahren benötigt und erschlossen wird. Diese Grenze hielt die vorläufige Bauzone der Gemeinde Ingenbohl ein. Indem sich der Regierungsrat an den Zonenplanentwurf 1975 hielt, bezeichnete er ungefähr dasselbe Gebiet als Bauland, das der Zonenplan 1984 heute umschliesst, ja er war sogar restriktiver. ff) Die vorläufige Bauzone für die Gemeinde Ingenbohl, welcher die Grundstücke des Beschwerdeführers zugewiesen waren, scheint somit den Anforderungen von Art. 15 RPG zu genügen. Dennoch spricht gegen die Annahme einer Auszonung, dass über die definitive Zuweisung der in eine vorläufige Bauzone eingewiesenen Liegenschaften zu einer bundesrechtskonformen Bauzone erst mit der Ausarbeitung der definitiven Nutzungspläne und Zonenreglemente entschieden wird. Die Ausarbeitung der definitiven Nutzungspläne und Zonenreglemente fällt jedoch in den Zuständigkeitsbereich der Gemeinden. Diese sind zwar bei der ihnen obliegenden Ausarbeitung von Nutzungsplan und Zonenreglement wie der Regierungsrat an Art. 15 RPG gebunden, doch steht ihnen trotz der bereits erfolgten Ausscheidung vorläufiger Bauzonen ein erheblicher Ermessensspielraum zu (nicht publizierter Entscheid vom 30. Dezember 1983 i.S. K., E. 3). Wie das Verwaltungsgericht zutreffend feststellt, genügte das bei Erlass der vorläufigen Bauzonen im Kanton Schwyz eingeschlagene Verfahren namentlich den demokratischen Anforderungen nicht, die das RPG an ein ordentliches Nutzungsplanverfahren stellt ( Art. 4 RPG ). Auch dies spricht wesentlich dagegen, die zu beurteilende Planungsmassnahme als Auszonung zu behandeln. Obwohl die vorläufige Bauzone, in welcher sich das Grundstück des Beschwerdeführers befand, materiell den Anforderungen zu BGE 114 Ib 305 S. 312 genügen scheint, die das Bundesrecht an eine vorläufige Bauzone stellt, ist somit wegen des Erlasses dieser vorläufigen Bauzone durch einen anderen als den letztlich für die Nutzungsplanung zuständigen Planungsträger und der demokratischen Defizite des Erlassverfahrens vom Fehlen einer den bundesrechtlichen Anforderungen genügenden Bauzone auszugehen. Der vorliegend zu beurteilende Fall stellt sich daher nach der bundesgerichtlichen Terminologie als Nichteinzonungsfall dar.
public_law
nan
de
1,988
CH_BGE
CH_BGE_003
CH
Federation
e0157a29-ca2c-417b-a19f-40bee322ad9a
Urteilskopf 83 I 72 12. Urteil vom 20. Februar 1957 i.S. Cottoferm AG gegen Schweiz. Bundesbahnen.
Regeste Enteignung. Alle Posten der Enteignungsentschädigung im Sinne von Art. 19 EntG sind gleichzeitig zu beurteilen. Die Schätzungskommission darf nicht die Vergütung für den Verkehrswert der enteigneten Liegenschaft (Art. 19 lit. a) vorweg festsetzen, den Entscheid über die weitern Nachteile (Art. 19 lit. c) auf später verschieben und anordnen, dass gegen Zahlung der Verkehrswertentschädiädigung das Eigentum an der enteigneten Liegenschaft auf den Enteigner übergehe.
Sachverhalt ab Seite 73 BGE 83 I 72 S. 73 A.- Zur Erweiterung des Bahnhofs Horgen enteignen die Schweiz. Bundesbahnen die 2080 m2 umfassende Liegenschaft der Cottoferm AG., auf der diese ihre chemische Fabrik betreibt. Das Enteignungsverfahren wurde im Frühjahr 1955 eröffnet. Im Dezember 1955 einigten sich die Parteien ausseramtlich dahin, dass die enteignete Liegenschaft am 1. April 1957 geräumt sein und den SBB zum Abbruch zur Verfügung stehen solle. Im März 1956 begann die Enteignete mit dem Bau eines neuen Fabrikgebäudes in Horgen-Oberdorf. Für die laufenden Bauauslagen leisteten ihr die SBB vorschussweise freiwillige Zahlungen. Der Betrieb soll im Laufe des März 1957 stufenweise an den neuen Ort verlegt werden. B.- Neben der Vergütung des vollen Verkehrswertes der enteigneten Liegenschaft ( Art. 19 lit. a EntG ), dessen Hauptposten (Wert der Liegenschaft ohne besondere Einrichtungen wie Leitungen nsw.) von der Enteigneten auf Fr. 1'035,549.--, von den SBB dagegen nur auf Fr. 473'043.-- beziffert wurde, verlangte die Enteignete eine Entschädigung für alle weitern ihr durch die Enteignung verursachten Nachteile ( Art. 19 lit. c EntG ; sog. Inkonvenienzen). Als solche machte sie geltend die Kosten des von der Baudirektion des Kantons Zürich abgelehnten Projekts für einen Neubau in Au-Wädenswil, die Kosten der Verlegung des Betriebes nach Horgen-Oberdorf (Planungskosten, Umtriebe für den Landerwerb, Mehrkosten der Vorproduktion für die Umzugszeit, Produktionsausfall während dieser Zeit, Kosten des Umzugs und der Neueinrichtung), die durch die Lage der neuen Fabrik bedingte Verteuerung der Transporte und den Schaden aus der Erhöhung der Kapitalzinslasten und der Verminderung der Mietzinseinnahmen, die mit der Preisgabe der alten und der Erstellung einer neuen Fabrik verbunden seien, schliesslich die Kosten der Berechnung der Ansprüche auf Enteignungsentschädigung. Weitere Begehren der Enteigneten BGE 83 I 72 S. 74 bezogen sich auf den Ersatz allfälliger Wertzuwachssteuern durch die SBB und auf allfällig beim Abbruch und bei den Grabungen auf der enteigneten Liegenschaft zum Vorschein kommende Wertgegenstände (Schatzfund). C.- Obwohl die Enteignete die gesamthafte Beurteilung ihrer Begehren verlangte, beschränkte die Schätzungskommission VI das Verfahren entsprechend dem Antrag der SBB auf die Feststellung des Verkehrswertes der enteigneten Liegenschaft. Die weitern Enteignungsnachteile waren bei Gelegenheit des Augenscheins und der Schätzungsverhandlung vom 2. Oktober 1956 Gegenstand einer Einigungsverhandlung, die gemäss dem Protokoll hierüber nicht zu einer endgültigen Erledigung führte, wenn sich auch hinsichtlich einzelner Posten die Möglichkeit einer Verständigung abzeichnete. Das Dispositiv des den Parteien am 23. November 1956 zugestellten Entscheides der Schätzungskommission vom 2. Oktober 1956 lautet wie folgt: "beschlossen: 1.:... (Nichteintreten auf das Begehren betr. Schatzfund). 2. Über die der Enteigneten zustehende Inkonvenienzentschädigung ( Art. 19 lit. c EntG ) wird später entschieden. und erkannt: 1. Die Liegenschaft ... geht auf den 1. April 1957 ... in das Eigentum der SBB über. 2. Die SBB haben hiefür den Berechtigten als Verkehrswert ( Art. 19 lit. a EntG ) Fr. 588'000.-- zu bezahlen. 3. Die Verfahrenskosten tragen die SBB. Sie haben der Enteigneten eine Parteientschädigung zu bezahlen. Über die Höhe der Kosten und der Parteientschädigung wird annlässlich der Erledigung der Inkonvenienzansprüche durch die Schätzungskommission entschieden. 4. ... (Zustellung). 5. ... (Rechtsmittelbelehrung)." Zur Begründung der Teilung des Verfahrens wird in den Erwägungen im wesentlichen ausgeführt, ordentlicherweise urteile die Schätzungskommission gleichzeitig über alle streitigen Begehren. Dies sei prozessökonomisch und erleichtere den Parteien bzw. dem Enteigner die Entschliessung darüber, ob das Bundesgericht anzurufen bzw. nachträglich auf die Enteignung zu verzichten sei. Das BGE 83 I 72 S. 75 Gesetz enthalte jedoch keine Bestimmung, die unter allen Umständen eine Gesamterledigung fordern würde. Eine Teilung des Verfahrens sei deshalb statthaft, "wenn besondere Verhältnisse sie aufdrängen". So verhalte es sich hier. Die Nachteile infolge der Enteignung ( Art. 19 lit. c EntG ) seien zur Zeit nicht abschätzbar, da die Kosten der Betriebsverlegung noch nicht feststünden und die tatsächlichen Anlagekosten der neuen Fabrik noch unbekannt seien und genügende Unterlagen fehlten, um die mit der Inkonvenienzentschädigung zu verrechnenden produktionsmässigen Vorteile der neuen Anlage zu bestimmen. Auf der andern Seite sei die Schätzung des Verkehrswertes der enteigneten Liegenschaft spruchreif. Werde sie bis zum Entscheid über die Nachteile aus der Enteignung (Inkonvenienzen) aufgeschoben, so entstehe die Gefahr, dass eine allfällige Bewertung der alten Liegenschaft durch Mitglieder der Oberschätzungskommission im bundesgerichtlichen Verfahren nicht vor Beginn des Abbruchs der Gebäude am 1. April 1957 erfolgen könne. Für eine Schätzung dieser Gebäude bedürfe es aber des Augenscheins; eine durch Pläne und Photographien verdeutlichte Beschreibung des Zustandes könne diesen hier nicht ersetzen. Der sofortige Entscheid über den Verkehrswert dränge sich daher auf. Über die Inkonvenienzbegehren einschliesslich des Antrags auf Ausgleich der mit der Aufgabe der alten Liegenschaft verbundenen Steuern werde die Schätzungskommission entscheiden, sobald dies möglich sei. Über den Vollzug der Enteignung sagen die Erwägungen der Schätzungskommission, die Parteien hätten die Räumung der Liegenschaft auf Ende März 1957 vereinbart. Dem Wunsche der Enteigneten, bis dahin Eigentümerin des Grundstücks zu bleiben, stehe nichts entgegen. Die SBB seien zur Übernahme der Liegenschaft auf einen frühern Zeitpunkt nicht berechtigt, weil sie diese erst vom erwähnten Datum an benötigten. Sollte der Entscheid der Schätzungskommission dann noch nicht rechtskräftig sein, so könnten die SBB die vorzeitige Besitzeinweisung verlangen. BGE 83 I 72 S. 76 D.- Mit ihrem Rekurs an das Bundesgericht beantragt die Enteignete, der angefochtene Entscheid sei "nichtig zu erklären", weil die Schätzungskommission in unzulässiger Weise nur einen einzigen der geltend gemachten Ansprüche (nämlich den Anspruch auf Ersatz des Verkehrswerts der enteigneten Liegenschaft) und auch diesen nur unvollständig beurteilt habe; eventuell sei der angefochtene Entscheid aufzuheben, die Entschädigung gemäss den Eingaben der Enteigneten an die Schätzungskommission einschliesslich der Inkonvenienzen auf Fr. 1'506,987.90 zu bestimmen und die Enteignerin zu verpflichten, der Enteigneten die Wertzuwachssteuern zu ersetzen und die beim Abbruch der Gebäude und bei den Grabarbeiten allfällig zu Tage geförderten Gegenstände von Wert auszuhändigen. Die SBB haben sich der Weiterziehung angeschlossen mit dem Begehren, der (von der Schätzungskommission) auf Fr. 90.- pro m2 bemessene Landwert sei auf Fr. 60.- pro m2 anzusetzen und im übrigen sei der Entscheid der Schätzungskommission zu bestätigen. E.- Am 5. Februar 1957 bestätigten die Parteien vor der bundesgerichtlichen Instruktionskommission ihre frühere Vereinbarung, wonach die enteignete Liegenschaft den SBB am 1. April 1957 zum Abbruch zur Verfügung stehen soll, und einigten sich dahin, dass das bundesgerichtliche Schätzungsverfahren auch im Falle einer Rückweisung der Sache an die Schätzungskommission noch vor dem Abbruch durchgeführt werden soll. Die SBB erklärten, dass sie auf den Rücktritt vom eingeleiteten Enteignungsverfahren ( Art. 14 EntG ) verzichten. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. (Zur Rüge, dass die Schätzungskommission den Anspruch auf Ersatz des Verkehrswerts der enteigneten Liegenschaft nicht vollständig beurteilt habe.) 2. Die Enteignung kann gemäss Art. 16 EntG (wo der in Art. 23 Abs. 2 BV aufgestellte allgemeine Grundsatz bestätigt wird) nur gegen volle Entschädigung erfolgen. BGE 83 I 72 S. 77 Der Enteigner erwirbt das Eigentum am enteigneten Grundstück (oder das auf dem Enteignungsweg eingeräumte Recht an einem Grundstück) gemäss Art. 91 EntG erst durch die Bezahlung der "Entschädigungen". Darunter ist unzweifelhaft die Gesamtheit der dem Enteigneten nach Art. 19 EntG zukommenden Leistungen zu verstehen. Das ergibt sich nicht nur aus dem im gleichen Unterabschnitt (über die Bezahlung der Entschädigung) stehenden Art. 89 EntG , der in Abs. 1 die Entschädigungen gemäss Art. 19 lit. a und b und in Abs. 2 diejenige gemäss Art. 19 lit. c erwähnt, sondern vor allem auch daraus, dass allein diese Auslegung gewährleistet, dass der Enteignete sein Eigentum wirklich nur gegen volle Entschädigung preiszugeben hat. Vor Bezahlung der gesamten Entschädigung erwirbt der Enteigner das Eigentum am enteigneten Grundstück nur in den hier nicht gegebenen Ausnahmefällen von Art. 88 Abs. 1 Satz 2 und Art. 86 Abs 2 EntG , nämlich dann, wenn als Entschädigung für den Verkehrswert eines noch nicht endgültig vermessenen Grundstücks neunzig vom Hundert der nach den Massen im aufgelegten Plan berechneten Summe bezahlt sind oder wenn der bundesgerichtliche Instruktionsrichter nach Durchführung des Schriftenwechsels auf Verlangen des Enteigneten die sofortige Bezahlung der nicht mehr streitigen Entschädigung anordnet und gegen Sicherstellung des noch streitigen Betrags verfügt, dass die Wirkung der Enteignung schon mit der Bezahlung der Teilentschädigung (d.h. des nicht mehr streitigen Betrags) eintrete. Im vorliegenden Fall umfasst die vom Enteigner zu bezahlende volle Entschädigung neben dem von der Vorinstanz festgesetzten Verkehrswert im Sinne von Art. 19 lit. a EntG unstreitig auch eine Entschädigung für Enteignungsnachteile im Sinne von Art. 19 lit. c. Indem die Vorinstanz erkannte, dass die enteignete Liegenschaft auf den 1. April 1957 in das Eigentum der SBB übergehe und dass diese dafür (wenigstens einstweilen) nur die auf Fr. 588'000.-- bezifferte Verkehrswertentschädigung zu bezahlen haben, hat sie also die klaren Bestimmungen von BGE 83 I 72 S. 78 Art. 16 und 91 EntG verletzt. Mit der Zuweisung des Eigentums auf den 1. April 1957 gegen blosse Zahlung des Verkehrswerts wäre übrigens, selbst wenn dieser bis zum angegebenen Tag endgültig festgesetzt werden könnte, für die SBB auch rein praktisch nichts gewonnen; denn die bei Bemessung der Enteignungsnachteile zu berücksichtigenden Vorteile der neuen Anlage gegenüber der alten lassen sich so wenig wie der Verkehrswert der enteigneten Liegenschaft ohne Besichtigung der alten Gebäude richtig schätzen, so dass den SBB der Abbruch trotz dem Eigentumsübergang verboten werden müsste, wenn es nicht möglich wäre, die alten Gebäude noch vor dem 1. April 1957 durch die mit der Schätzung der Enteignungsfolgen betrauten Sachverständigen beider Instanzen besichtigen zu lassen. Daher muss auf jeden Fall das den Eigentumsübergang anordnende Dispositiv 1 des Erkenntnisses der Vorinstanz aufgehoben werden. 3. Das angefochtene Erkenntnis lässt sich aber auch insoweit nicht aufrechterhalten, als es im Sinne eines Teilentscheids über einen von mehreren Posten der Enteignungsentschädigung den Verkehrswert der enteigneten Liegenschaft festsetzt (Dispositiv 2) und den Entscheid über die Enteignungsfolgen auf später verschiebt. Die Art. 64. lit. a, 72, 73 Abs. 1 lit. g, 73 Abs. 2, 74 Abs. 1, 75, 76, 88 Abs. 1 und 116 EntG sprechen von der "Entschädigung" bzw. vom "Entscheid" der Schätzungskommission in der Einzahl. Von einem Teilentscheid über einzelne Entschädigungsposten und einer Trennung des Verfahrens ist im Gesetz nirgends die Rede. Schon deshalb liegt die Annahme nahe, dass die Schätzungskommission die gesamte Entschädigung in einem einzigen Entscheide festzusetzen hat. Der entscheidende Grund für diese Auslegung des Gesetzes liegt aber nicht im Wortlaut, sondern in sachlichen Erwägungen. Die Entschädigung für eine und dieselbe Enteignung bildet ihrer Natur nach eine Einheit, auch wenn sie aus verschiedenen Bestandteilen besteht. Sie ist das Entgelt für das Interesse, das der Enteignete hatte, nicht enteignet zu werden (vgl. W. BURCKHARDT, BGE 83 I 72 S. 79 Die Entschädigungspflicht nach schweizerischem Expropriationsrecht, ZSR 1913 S. 145 ff.). Wenn der Enteignete eine aus verschiedenen Posten zusammengesetzte Entschädigungsforderung stellt, hat man es nicht etwa mit einer Klagenhäufung im Sinne von Art. 24 BZP zu tun, so wenig wie dort, wo ein Verunfallter im Prozess die Unfallfolgen einklagt und hierbei z.B. Ersatz für Heilungskosten, für eingetretenen Verdienstausfall und für Verminderung der künftigen Erwerbsfähigkeit sowie eine Genugtuungssumme verlangt. Eine Teilung des Verfahrens nach Art. 24 Abs. 3 des Gesetzes über den Bundeszivilprozess (das gemäss Art. 3 der Verordnung für die eidgenössischen Schätzungskommissionen vom 22. Mai 1931 auf das Verfahren dieser Kommissionen entsprechende Anwendung findet, soweit sich aus Gesetz und Verordnung nichts anderes ergibt und die Natur des Verfahrens nicht entgegensteht) kommt also keinesfalls in Frage. So wie der Zivilrichter die Beurteilung eines nicht ziffernmässig nachweisbaren Schadenspostens nicht einfach verweigern oder auf die Zukunft verschieben darf, sondern gemäss Art. 42 OR den Schaden nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge "abschätzen" muss, so muss der Richter auch im Enteignungsverfahren alle Posten der einheitlichen Enteignungsentschädigung auf einmal erledigen. Die Beurteilung der verschiedenen Bestandteile der Enteignungsentschädigung in getrennten Verfahren ist zudem deswegen abzulehnen, weil sie unvermeidlich auch zu praktischen Schwierigkeiten führt. Zu wissen, wieviel die Entschädigung insgesamt ausmacht, ist für die Parteien weit wichtiger als die Kenntnis der Einzelposten. Solange ihnen nicht bekannt ist, auf welchen Betrag die Schätzungskommission die Gesamtentschädigung bemisst, können sie also nicht richtig beurteilen, ob eine Weiterziehung an das Bundesgericht sich lohne. Ausserdem kann die Teilung des Verfahrens dazu führen, dass die Erledigung der ganzen Sache sich verzögert; denn wenn der auf einen einzelnen Posten bezügliche Teilentscheid weitergezogen wird, so ist es aus technischen Gründen (weil die Akten immer nur BGE 83 I 72 S. 80 einer der beiden Instanzen zur Verfügung stehen können) oft nicht möglich, das bei der Schätzungskommission verbliebene und das beim Bundesgericht hängige Verfahren gleichzeitig zu fördern, sondern die eine oder andere Instanz muss unter Umständen den Fall ruhen lassen, obwohl er für sie spruchreif geworden ist. Schliesslich können sich aus der Teilung des Verfahrens auch Kompetenzkonflikte ergeben. Wird wie hier vorweg über den Verkehrswert entschieden und gegen diesen Entscheid der Rekurs ans Bundesgericht ergriffen, während die Schätzungskommission mit der Frage der Inkonvenienzen befasst bleibt, so weiss man nicht, ob fortan diese Behörde oder aber der bundesgerichtliche Instruktionsrichter über allfällige Gesuche um vorzeitige Besitzeinweisung im Sinne von Art 76 EntG zu befinden habe. (Zur Anwendung dieser Bestimmung im Verfahren vor Bundesgericht vgl. BGE 80 I 109 f.) Alle diese Schwierigkeiten und Unzukömmlichkeiten lassen sich nur dadurch verhindern, dass man eine derartige Teilung des Verfahrens ausschliesst. Der angefochtene Teilentscheid ist daher aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen zur Festsetzung der Gesamtentschädigung in einem einzigen Entscheide. Hätte die Vorinstanz das Verfahren nicht geteilt und zur Abschätzung der im Gefolge der Enteignung entstehenden Nachteile ( Art. 19 lit. c EntG ) die entsprechenden Sachverständigen beigezogen, so läge wohl heute, da die Schätzung aller Inkonvenienzen spätestens zu Beginn dieses Jahres (zwei oder drei Monate vor der Betriebsverlegung) möglich geworden war, bereits ein erstinstanzlicher Entscheid über alle Entschädigungsposten vor. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Der Entscheid der Schätzungskommission VI vom 2. Oktober 1956 wird aufgehoben und die Sache im Sinne der Erwägungen zur Feststellung der Gesamtentschädigung an die Schätzungskommission VI zurückgewiesen.
public_law
nan
de
1,957
CH_BGE
CH_BGE_001
CH
Federation
e01b86df-d93e-4958-a5fe-105bfeda3036
Urteilskopf 124 I 6 2. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 20. Januar 1998 i.S. X. gegen Kantonsgericht St. Gallen (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste Art. 4 BV und Art. 22ter BV , Art. 59 StGB , Legalitätsprinzip, Ersatzforderung für unrechtmässigen Vorteil. Hinreichende gesetzliche Grundlage im kantonalen Recht für die Einziehung eines unrechtmässigen Vorteils (E. 4a). Rechtsprechung zur Bemessung der Ersatzforderung (E. 4b/bb); Abweichungen vom Bruttoprinzip (E. 4b/cc). Verfassungswidrigkeit der Anwendung des Bruttoprinzips in Anbetracht des kantonalen Rechts, des Verhältnismässigkeitsprinzips und der Natur der Widerhandlung (E. 4b/dd).
Sachverhalt ab Seite 7 BGE 124 I 6 S. 7 X. ist Tierarzt im Kanton St. Gallen. In seiner Tierarztpraxis verwendete er während Jahren zwei bei der IKS nicht registrierte tiermedizinische Heilmittel. Für die Abgabe dieser Medikamente wurde X. vom Kantonsgericht St. Gallen im Berufungsverfahren der Widerhandlung gegen die kantonale Gesundheitsgesetzgebung für schuldig befunden, mit einer Busse von Fr. 5'000.-- bestraft und zur Herausgabe des dem gesamten Umsatz mit den nicht registrierten Heilmitteln entsprechenden unrechtmässigen Vorteils von Fr. 695'000.-- verpflichtet. Gegen dieses Urteil des Kantonsgerichts hat X. beim Bundesgericht staatsrechtliche Beschwerde erhoben und u.a. die Ersatzforderung und deren Höhe beanstandet. Er rügt eine Verletzung von Art. 4 und Art. 22ter BV ; er macht insbesondere geltend, es fehle an einer hinreichenden gesetzlichen Grundlage für die Einziehung in der Form der Ersatzforderung und deren Bemessung nach dem sog. Bruttoprinzip halte vor der Verfassung nicht stand. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde in diesem Punkte gut und hebt die angefochtene Ersatzforderung auf. Erwägungen Aus den Erwägungen: 4. Der Beschwerdeführer ficht schliesslich Ziff. 3 des Dispositivs des kantonsgerichtlichen Urteils an, wonach er dem Staat als Ersatz für den unrechtmässigen Vorteil aus der Verwendung der beiden Medikamente den Gesamtbetrag von Fr. 695'000.-- abzuliefern hat. Dieser Betrag entspricht dem Umsatz, den der Beschwerdeführer mit den beiden nicht zugelassenen Medikamenten erzielt hat. In diesem Zusammenhang beanstandet er zur Hauptsache, dass bei der Festsetzung der Ersatzforderung das sog. Bruttoprinzip angewendet worden ist. Er macht insbesondere eine Verletzung des Legalitätsprinzips, eine Verletzung der Eigentumsgarantie sowie eine willkürliche bzw. unrichtige Anwendung des kantonalen Rechts geltend. Für die Behandlung dieser Punkte ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer mit der gewerbsmässigen Abgabe der beiden Heilmittel gegen Art. 2 Abs. 1 der Heilmittelverordnung des Kantons St. Gallen (HMV, Gesetzessammlung 314.3) verstossen hat. Eine eigentliche Einziehung dieser Mittel ist heute in Anbetracht der erfolgten Verwendung nicht mehr möglich. Es kann sich daher lediglich die Frage nach einer Ersatzforderung stellen. Das Kantonsgericht stützte seinen Entscheid in dieser Hinsicht auf Art. 58 Abs. 4 BGE 124 I 6 S. 8 aStGB bzw. Art. 59 Ziff. 2 Abs. 1 StGB , welche nach dem Übertretungsstrafgesetz des Kantons St. Gallen (Gesetzessammlung 921.1) als kantonales Recht Anwendung finden. a) An erster Stelle rügt der Beschwerdeführer, für das im vorliegenden Fall bei der Bemessung der Ersatzforderung angewandte Bruttoprinzip fehle es an einer hinreichenden gesetzlichen Grundlage. Es kann offen gelassen werden, ob diese Rüge den Begründungsanforderungen von Art. 90 Abs. 1 lit. b OG überhaupt genügt. Das kantonale Übertretungsstrafgesetz ist ein formelles Gesetz. Es legt fest, dass die allgemeinen Bestimmungen des StGB für das Strafrecht des Kantons (als kantonales Recht) Anwendung finden. Das Übertretungsstrafgesetz enthält damit eine (sog. dynamische) Verweisung. Allgemein werden Verweisungen nicht als verfassungswidrig betrachtet (vgl. BGE 123 I 112 E. 7c S. 127 ff.). Die Verweisung im Übertretungsstrafgesetz auf das StGB ist klar und eindeutig. Klarerweise bezieht sie sich u.a. auf Art. 58 Abs. 4 aStGB bzw. Art. 59 Ziff. 2 Abs. 1 StGB und umschliesst damit auch Ersatzforderungen des Gemeinwesens gegen einen Straftäter. Ebenso eindeutig ist, dass die Verweisung - den kantonalen Zuständigkeiten im Bereiche des Strafrechts entsprechend - lediglich Übertretungen umfasst. In bezug auf die Einziehung bzw. auf die Ersatzforderung erweist sich daher das kantonale Recht als hinreichend bestimmt und klar. Es ist mithin davon auszugehen, dass das kantonale Recht die Einziehung und die Ersatzforderung bei Straftaten klar vorsieht. Insoweit ist die Rüge der Verletzung des Legalitätsprinzips unbegründet. Die Frage aber, wie die Ersatzforderung berechnet wird bzw. ob das Bruttoprinzip oder allenfalls andere Grundsätze angewendet werden, betrifft nicht die gesetzliche Grundlage, sondern deren Anwendung. b) aa) Die im vorliegenden Fall festgelegte Ersatzforderung stellt einen schweren Eingriff in das Eigentum des Beschwerdeführers dar. Aus diesem Grunde ist die Anwendung des kantonalen Rechts frei zu prüfen. bb) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts soll Art. 58 Abs. 4 aStGB bzw. Art. 59 Ziff. 2 Abs. 1 StGB verhindern, dass der Täter im Genuss eines durch eine strafbare Handlung erlangten Vermögensvorteils bleibt; strafbares Verhalten soll sich nicht lohnen ( BGE 117 IV 107 S. 110, mit Hinweisen). Im einzelnen führt der Kassationshof des Bundesgerichts aus, bei der Einziehung bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass die Gestehungskosten abgezogen werden könnten. Die Anordnung einer Ersatzforderung BGE 124 I 6 S. 9 wolle den Straftäter, der die an sich einzuziehenden Gegenstände nicht mehr besitzt, gleichstellen mit demjenigen, der sie noch hat. Es widerspräche daher der ratio legis, wenn bei der Berechnung der Ersatzforderung die Gestehungskosten in Abzug gebracht werden könnten ( BGE 109 IV 121 E. 2b S. 124; BGE 105 IV 21 S. 24; BGE 103 IV 142 S. 145, mit Hinweisen). Aus diesen Gründen sei bei der Bemessung der Ersatzforderung grundsätzlich vom Bruttoprinzip auszugehen ( BGE 103 IV 142 E. 2 S. 143; BGE 109 IV 121 E. 2b S. 124; BGE 119 IV 17 E. 2a S. 20; BGE 123 IV 70 E. 3 S. 73, mit Hinweisen). Dabei gelte es immerhin das Verhältnismässigkeitsprinzip zu beachten; insbesondere sei die Ersatzforderung zu reduzieren, soweit die Wiedereingliederung des Betroffenen gefährdet erscheine oder die Forderung zum vornherein uneinbringlich sei ( BGE 123 IV 55 S. 57; BGE 122 IV 299 E. 3 S. 302; BGE 119 IV 17 S. 20 f.; BGE 106 IV 9 E. 2 S. 9; 106 IV 336 ; BGE 105 IV 21 E. 2 S. 23; BGE 103 IV 142 S. 146); diese Reduktionsmöglichkeiten sind nunmehr in Art. 59 Ziff. 2 Abs. 2 StGB verankert. Diese Rechtsprechung ist in der Doktrin hinsichtlich der Anwendung des Bruttoprinzips teilweise auf Kritik, teilweise auf Zustimmung gestossen (vgl. die Hinweise bei GÜNTHER STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil II, Bern 1989, S. 497 ff., STEFAN TRECHSEL, Kurzkommentar zum Schweizerischen Strafgesetzbuch, 2. Auflage 1997, Rz. 10 ff. zu Art. 59). cc) Im Jahre 1991 hatte der Kassationshof des Bundesgerichts im Zusammenhang mit einer Widerhandlung gegen das Kriegsmaterialgesetz über eine Einziehung von Kriegsmaterial zu befinden. Er hielt dafür, dass die Rückerstattung eines allfälligen Verwertungserlöses an den Straftäter als bisherigen Eigentümer mit dem Bundesrecht im Einklang stehe. Das Gericht hat zudem auf Spezialgesetze hingewiesen, welche ausdrücklich vorsehen, dem Straftäter - nach Abzug von Busse und Kosten - einen allfälligen Reinerlös zurückzugeben ( BGE 117 IV 345 ). Im gleichen Sinne bestimmt Art. 56 des Gesundheitsgesetzes des Kantons St. Gallen (GesG, Gesetzessammlung 311.1) ausdrücklich, dass der bisherige Eigentümer den Erlös aus der Verwertung der eingezogenen Gegenstände nach Abzug der Kosten erhält. Diese Vorschrift über die Rückerstattung eines Verwertungserlöses bedeutet einen Einbruch in das reine Bruttoprinzip. Schon bei der Einziehung soll demnach das Bruttoprinzip nicht absolut zur Anwendung kommen. Daraus ist zu schliessen, dass auch die Ersatzforderung nicht rein nach dem Bruttoprinzip zu bemessen ist, da die Ersatzforderung, wie dargelegt, bezweckt, den Straftäter, der die an sich einzuziehenden BGE 124 I 6 S. 10 Gegenstände nicht mehr besitzt, gleichzustellen mit demjenigen, der sie noch hat. Die ausdrückliche Regelung im kantonalen Recht ermöglicht daher ein Abgehen vom Bruttoprinzip. In einer Waadtländer Angelegenheit ist ein Grundeigentümer, der anstelle von drei bewilligten Wohnungen sechs Studios errichtet und sie ohne Bewilligung vermietet hatte, bestraft und zur Leistung einer Ersatzforderung verurteilt worden. Ausgehend von Mietzinseinnahmen von Fr. 110'000.-- und der Annahme, dass die Zinsen nicht ohne Gegenleistung eingenommen worden sind, wurde die Ersatzforderung auf Fr. 50'000.-- festgelegt. Die dagegen erhobene staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV hat das Bundesgericht abgewiesen (Urteil vom 7. August 1991 i.S. B., 1P.27/1991). Schliesslich gilt nach der Rechtsprechung ganz allgemein, dass die Einziehung dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit verpflichtet ist. Was insofern für die Einziehung gilt, hat auch für die Ersatzforderung Gültigkeit. Die Ersatzforderung muss sich daher als verhältnismässig erweisen und - wie nunmehr in Art. 59 Ziff. 2 Abs. 2 StGB festgehalten - die Einbringlichkeit und die Wiedereingliederung berücksichtigen. Der Verhältnismässigkeit ist allgemein Rechnung zu tragen, auch wenn im vorliegenden Fall die spezifischen Gründe von Art. 59 Ziff. 2 Abs. 2 StGB nicht gegeben sind. Die Verhältnismässigkeit der Ersatzforderung erlaubt es daher ebenfalls in Fällen wie dem vorliegenden, vom reinen Bruttoprinzip abzugehen. Es braucht unter diesem Gesichtswinkel nicht abstrakt entschieden zu werden, ob bei Übertretungen die Anwendung des Bruttoprinzips grundsätzlich unverhältnismässig sei, wie der Beschwerdeführer meint. Es darf aber berücksichtigt werden, dass Ersatzforderungen bei blossen Übertretungen selten sind und das reine Bruttoprinzip kaum je angewendet wird. Der Beschwerdeführer verweist denn auch auf Beispiele wie die Missachtung von Laden- oder Restaurantöffnungszeiten oder die Anstellung von Schwarzarbeitern; solche Sachverhalte dürften wohl - wie auch das Beispiel aus dem Kanton Waadt zeigt - kaum je zur Abschöpfung des gesamten Umsatzes führen. dd) Im vorliegenden Fall hat das Kantonsgericht eingeräumt, der Beschwerdeführer habe die von ihm verschriebenen Medikamente für sehr wirksam eingestuft, damit die Kosten seiner Kunden stark vermindert und daher nicht in erster Linie aus Gewinnstreben gehandelt. Dieser macht glaubhaft, dass er im Vergleich zu IKS-registrierten Medikamenten bei den rechtswidrig verordneten Mitteln nur BGE 124 I 6 S. 11 eine geringe(re) Marge bezogen hatte. Die Ersatzforderung von Fr. 695'000.-- ist sehr hoch und stellt für den Beschwerdeführer einen schwerwiegenden Eingriff dar. Bei dieser Sachlage erscheint es gesamthaft gesehen als stossend und mit Art. 4 BV und Art. 22ter BV unvereinbar, wenn der Beschwerdeführer zur Rückbezahlung des gesamten Umsatzes verpflichtet wird. Die Anwendung des reinen Bruttoprinzips berücksichtigt in einem Fall wie dem vorliegenden weder die kantonalrechtlich vorgesehene Möglichkeit der Erstattung des Verwertungserlöses noch den Grundsatz der Verhältnismässigkeit und nimmt auch nicht Rücksicht auf die bei andern Übertretungen geübte Praxis. Aus diesem Grunde ist die Beschwerde in diesem Punkte gutzuheissen. Das Kantonsgericht wird die Ersatzforderung demnach neu festzulegen haben. Bei der Bemessung wird es vom reinen Bruttoprinzip absehen müssen und nicht allein auf den Umsatz abstellen dürfen.
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Urteilskopf 105 Ib 148 23. Sentenza della II Corte di diritto pubblico dell'11 luglio 1979 nella causa Rordorf c. Consiglio di Stato del Cantone Ticino (ricorso di diritto amministrativo)
Regeste Schweizer Bürgerrecht: Art. 5 Abs. 1, Art. 57 Abs. 6 BüG ; Art. 1 der Übereinkunft zwischen der Schweiz und Frankreich betreffend die Nationalität der Kinder und den Militärdienst der Söhne von in der Schweiz naturalisierten Franzosen vom 23. Juli 1879. Art. 5 Abs. 1 und Art. 57 Abs. 6 BüG finden auch Anwendung auf das Kind, dessen Mutter von Abstammung Schweizer Bürgerin ist und dessen ursprünglich französischer Vater nach der Geburt des Kindes in der Schweiz naturalisiert wurde. Die in diesen Bestimmungen enthaltene selbständige Regelung verletzt nicht Art. 1 der erwähnten Übereinkunft, welche während des zweiundzwanzigsten Altersjahres das Optionsrecht des Kindes vorsieht, wenn die französischen Eltern nach der Geburt des Kindes in der Schweiz naturalisiert wurden.
Sachverhalt ab Seite 148 BGE 105 Ib 148 S. 148 Albert Paul René Rordorf, cittadino francese, contraeva matrimonio il 22 aprile 1961 a Mendrisio con Eliana Gobbi, attinente BGE 105 Ib 148 S. 149 di Stabio (Ticino). Essa dichiarava in tale occasione di voler conservare la cittadinanza svizzera. Dal matrimonio nascevano tre figli: Guy Albert Paul, nato a Mendrisio l'11 febbraio 1962. Corinne Gisèle, nata a Mendrisio il 7 marzo 1963. Alain Daniel, nato a Mendrisio il 13 ottobre 1965. Il 27 ottobre 1966 Albert Paul Rordorf diveniva cittadino svizzero per naturalizzazione, acquistando l'attinenza di Mendrisio. A causa della sua cittadinanza francese (rilevante ai fini dell'applicazione della Convenzione tra la Svizzera e la Francia per regolare la nazionalità e il servizio militare dei figli di Francesi naturalizzati nella Svizzera, del 23 luglio 1879, SR 0.141.134.91, chiamata in seguito: la Convenzione), i figli non venivano inclusi nella naturalizzazione del padre, potendo invece optare per la nazionalità svizzera al loro ventiduesimo anno di età. Essi rimanevano pertanto Francesi. Alla nascita dei figli, i genitori erano domiciliati a Mendrisio. Essi vivevano con i figli sino al 19 gennaio 1967 e da allora sono domiciliati a Besazio (TI). Il 20 Gennaio 1978, i tre figli, rappresentati dai genitori, chiedevano d'essere riconosciuti come cittadini svizzeri, in applicazione dell'art. 57 cpv. 6 della legge federale sull'acquisto e la perdita della cittadinanza svizzera, del 29 settembre 1952 (LCit). Il 15 giugno 1978 il Dipartimento di Giustizia del Cantone Ticino respingeva la domanda e il 6 febbraio 1979 il Consiglio di Stato respingeva il gravame presentato contro tale rifiuto. Esso rilevava che, in diritto francese, i figli di Francesi naturalizzati Svizzeri rimangono Francesi. L'accoglimento della domanda sarebbe contraria all'art. 1 della Convenzione, che riserva ai figli di Francesi naturalizzati Svizzeri il diritto di opzione. L' art. 17 LCit tende anch'esso a evitare, nei limiti del possibile, la doppia cittadinanza. Dal canto suo, l' art. 57 cpv. 6 LCit si applica soltanto al figlio di padre straniero e di madre d'origine svizzera; determinante al proposito è il momento della domanda; orbene, nelle fattispecie ambedue i genitori erano a quel momento cittadini svizzeri, di guisa che la domanda dev'essere respinta. I figli Rordorf sono insorti con ricorso di diritto amministrativo contro tale decisione, chiedendo il suo annullamento e il riconoscimento della loro cittadinanza svizzera. BGE 105 Ib 148 S. 150 Erwägungen Considerando in diritto: 1. Oggetto della causa è una questione meramente giuridica che il Tribunale federale esamina liberamente nell'ambito di un ricorso di diritto amministrativo ( art. 104 lett. a OG ). Poiché le norme del diritto internazionale prevalgono, di regola, su quelle del diritto interno ( DTF 99 Ib 43 seg.), è d'uopo analizzare dapprima la portata del diritto interno in materia di cittadinanza e, successivamente, la questione se esso sia compatibile con la Convenzione e con altri eventuali fonti del diritto internazionale. 2. Ai sensi dell' art. 57 cpv. 6 LCit , il figlio di padre straniero e di madre svizzera d'origine, che, al momento dell'entrata in vigore della legge federale del 25 giugno 1976 che modifica il Codice civile svizzero, non ha ancora compiuto il ventiduesimo anno di età e i cui genitori erano domiciliati in Svizzera al momento della nascita, può, entro un anno, proporre all'autorità competente del Cantone d'origine della madre di essere riconosciuto cittadino svizzero. Contenuta nel titolo V (Disposizioni finali e transitorie) della LCit, trattasi di una norma di diritto transitorio, che corrisponde a quella dell' art. 5 cpv. 1 lett. a LCit , secondo cui il figlio di madre svizzera e di padre straniero uniti in matrimonio acquista dalla nascita la cittadinanza cantonale e l'attinenza comunale della madre, e con ciò la cittadinanza svizzera, se la madre è svizzera d'origine e i genitori sono domiciliati in Svizzera al momento della nascita. a) S'impone in primo luogo di accertare in quale momento il padre del figlio richiedente debba essere cittadino straniero. Nel fondarsi sulla lettera della legge, il Consiglio di Stato ritiene che, essendo il momento determinante indicato espressamente soltanto con riferimento al domicilio dei genitori ("i cui genitori erano domiciliati in Svizzera al momento della nascita"), occorre far capo, per gli altri elementi costitutivi richiesti, al momento della domanda. Nondimeno, il metodo dell'interpretazione "a contrario" può essere utilizzato solo se esistono serie ragioni per reputare che il legislatore abbia inteso risolvere, con il proprio silenzio, un determinato problema ( DTF 104 Ia 245 ); deve quindi preliminarmente essere chiarito il senso da attribuire alla norma in discussione. BGE 105 Ib 148 S. 151 Orbene, il testo dell' art. 57 cpv. 6 LCit riprende, in sostanza, le condizioni poste dall' art. 5 cpv. 1 lett. a LCit . Anche in quest'ultima disposizione il legislatore localizza nel tempo soltanto il domicilio dei genitori ("al momento della nascita"); appare inoltre evidente che, trattandosi di un acquisto della cittadinanza al momento della nascita che ha luogo direttamente per effetto della legge, i relativi presupposti devono essere adempiuti a quel momento. Quanto all' art. 57 cpv. 6 LCit , il suo scopo è di conferire la cittadinanza svizzera a figli che l'avrebbero senz'altro acquistata al momento della nascita se a quel momento la legge modificata fosse stata già in vigore. Per l'applicazione della norma di diritto transitorio devesi quindi pure considerare come determinante, in linea di principio, il momento della nascita. Ci si potrebbe chiedere se tale regola sia parimenti applicabile laddove, dopo la nascita, siano venute meno le circostanze su cui si basa il vincolo con la Svizzera (così, ad esempio, nel caso di svincolo o di perdita della cittadinanza da parte della madre, art. 42-48 LCit ); tale questione può tuttavia rimanere indecisa nella fattispecie, nella quale le circostanze su cui si fonda il vincolo con la Svizzera, anziché venir meno, sono aumentate, dato che il padre dei figli richiedenti è divenuto nel frattempo svizzero per naturalizzazione. b) Il fine dell' art. 5 cpv. 1 lett. a LCit è d'incorporare nella popolazione svizzera i figli nati da un padre straniero ma da una madre d'origine svizzera, allorché i genitori siano domiciliati in Svizzera al momento della nascita; l'adempimento di tali condizioni lascia infatti presumere in un gran numero di casi che questi figli continueranno a vivere in un ambiente svizzero e prova l'esistenza di stretti vincoli con la Svizzera. È evidente che l'addove il padre sia divenuto svizzero dopo la nascita del figlio (senza che la cittadinanza svizzera sia stata estesa in pari tempo ai figli), i legami del figlio con la Svizzera si accrescono, dato che egli viene ad avere così una doppia ascendenza svizzera. Si giustifica quindi pienamente di far beneficiare anche tale figlio della disciplina dell' art. 57 cpv. 6 LCit . L'applicazione dell'art. 5 cpv. 1 lett. a, come pure quella dell' art. 57 cpv. 6 LCit , possono certamente comportare casi di doppia o plurima cittadinanza, con tutti i relativi inconvenienti. Ma detta conseguenza è stata consapevolmente accettata dal legislatore, che ha ritenuto preponderante l'interesse del figlio ad assumere la cittadinanza corrispondente tanto alla sua ascendenza materna, quanto al suo domicilio BGE 105 Ib 148 S. 152 al momento della nascita, ovvero, verosimilmente, all'ambiente nel quale si svolgerà la sua esistenza. Questo interesse è prevalente in misura ancora maggiore quando il figlio possa richiamarsi anche ad un'ascendenza paterna svizzera, sia pure divenuta tale solo dopo la sua nascita. 3. Come lo indica il suo preambolo, la Convenzione con la Francia del 1879 ha per scopo di "regolare la situazione dei figli di Francesi naturalizzati Svizzeri, per riguardo alla nazionalità e al servizio militare". L'art. 1 stabilisce il principio: "I figliuoli di Francesi che si fanno naturalizzare Svizzeri, i quali al momento di questa naturalizzazione dei genitori sono in età minore, giunti al ventiduesimo anno d'età e durante tutto il detto anno, avranno il diritto di scegliere tra la nazionalità svizzera e la francese. Sino a che non abbiano optato per la nazionalità svizzera, essi saranno considerati come Francesi." La Convenzione è pertanto destinata soltanto a disciplinare gli effetti che la naturalizzazione svizzera di genitori francesi ha, sotto il profilo della cittadinanza, per i figli minori. b) Ne segue che la Svizzera non rispetterebbe l'obbligo assunto internazionalmente ove le autorità svizzere accordassero unilateralmente con una propria decisione la cittadinanza svizzera ai figli minori di Francesi naturalizzati Svizzeri. Per converso, la Convenzione non impedisce alla Svizzera di attribuire la propria cittadinanza per il solo effetto della legge, secondo criteri di sua scelta (per esempio, "jure sanguinis" o "jure soli"), anche se ne derivino casi di doppia o plurima cittadinanza. Con ragione, quindi, il Dipartimento non contesta che la Svizzera possa, in applicazione dell' art. 5 cpv. 1 lett. a LCit , conferire la propria cittadinanza ai figli di genitori coniugati, di cui il padre sia francese e la madre svizzera di origine, senza che ciò implichi una violazione della Convenzione. Orbene, l' art. 57 cpv. 6 LCit , quale norma di diritto transitorio, attua lo stesso principio. In modo generale, esso è altresì applicabile nelle relazioni con la Francia, il che non è contestato. In caso di matrimonio misto tra un cittadino francese e una cittadina svizzera, allorquando il figlio abbia acquistato la cittadinanza svizzera in virtù dell'art. 5 cpv. 1 lett. a oppure dell' art. 57 cpv. 6 LCit , una naturalizzazione svizzera ulteriore del padre non comporterà alcun effetto BGE 105 Ib 148 S. 153 sulla cittadinanza del figlio e la Convenzione non sarà (quanto meno direttamente) applicabile. Non può essere diversa la soluzione laddove la naturalizzazione svizzera del padre sia intervenuta prima che i figli avessero la possibilità di chiedere il riconoscimento della loro cittadinanza svizzera in base alla norma transitoria dell' art. 57 cpv. 6 LCit . Sia nell'ipotesi regolata dall'art. 5 cpv. 1 lett. a, sia in quella regolata dall' art. 57 cpv. 6 LCit , la causa giuridica dell'acquisto della cittadinanza svizzera non è d'altronde data da una naturalizzazione, bensì da un acquisto della cittadinanza svizzera fondata esclusivamente sulla filiazione materna e dal domicilio al momento della nascita. Ne discende chiaramente che l'applicazione da parte della Svizzera dell' art. 57 cpv. 6 LCit a figli di madre svizzera e di padre francese al momento della nascita, ma naturalizzato svizzero in un'epoca successiva, non viola la lettera né lo spirito della Convenzione. 4. Il Dipartimento ha invocato a favore della propria tesi la risoluzione (77) 13 concernente la nazionalità dei figli nati nel matrimonio, adottata il 27 maggio 1977 dal Comitato dei Ministri del Consiglio d'Europa. Contrariamente a ciò che è il caso per una convenzione ratificata, la risoluzione non ha effetti obbligatori; essa contiene soltanto raccomandazioni all'intenzione dei legislatori nazionali. Il giudice può quindi prenderle in considerazione solo se si trova in presenza di una lacuna della legge o di una disposizione poco chiara di quest'ultima che gli incombe d'interpretare. Per le ragioni sopra esposte, la legge non è, per quanto attiene alla questione di cui trattasi, lacunosa né poco chiara. La risoluzione invocata raccomanda, in sostanza, agli Stati membri, da un lato, di accordare ai figli nati nel matrimonio la cittadinanza sia del padre che della madre o quanto meno la possibilità di acquistarla, e, dall'altro, di prevedere norme che consentano, per esempio mediante un'opzione, di evitare il cumulo di più cittadinanze. Modificando la propria legge sulla cittadinanza, la Svizzera ha precisamente attuato il primo di questi due postulati. Il secondo è realizzato, nelle relazioni tra la Svizzera e la Francia, mediante la Convenzione, per ciò che riguarda la soluzione del problema risultante dallo "jus sanguinis" francese del figlio e dalla naturalizzazione svizzera dei suoi genitori. Per converso, la BGE 105 Ib 148 S. 154 Convenzione non risolve il problema risultante dal concorso della cittadinanza francese acquistata alla nascita "jure sanguinis" a causa della cittadinanza del padre, e della cittadinanza svizzera acquistata anch'essa con riferimento alla nascita in ragione della cittadinanza della madre. Il secondo postulato della risoluzione del Consiglio d'Europa potrebbe essere attuato dalla Svizzera soltanto in via legislativa; all'amministrazione e al giudice non è consentito di applicare la Convenzione ad un'ipotesi non prevista nella stessa. Dispositiv Il Tribunale federale pronuncia: Il ricorso è accolto, la decisione impugnata è annullata, ed è riconosciuta la cittadinanza svizzera dei ricorrenti, con l'attinenza della madre.
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