decision_id
stringlengths 36
36
| header
stringlengths 59
550
| regeste
stringlengths 7
5.41k
| text
stringlengths 350
179k
| law_area
stringclasses 1
value | law_sub_area
stringclasses 1
value | language
stringclasses 3
values | year
int32 1.95k
2.02k
| court
stringclasses 1
value | chamber
stringclasses 7
values | canton
stringclasses 1
value | region
stringclasses 1
value |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
c6aa9b8a-7b1d-42fe-89b2-c7b0d7f870f8 | Urteilskopf
103 Ib 372
59. Auszug aus dem Urteil vom 25. November 1977 i.S. Lewidomo AG gegen Rekurskommission für Grunderwerb durch Personen im Ausland des Kantons Zürich | Regeste
Verfahren; Begriff der "Rekurskommission" im Sinne von
Art. 105 Abs. 2 OG
.
Die von einem Regierungsrat präsidierte Rekurskommission für Grunderwerb durch Personen im Ausland des Kantons Zürich kann nicht als "Rekurskommission" im Sinne von
Art. 105 Abs. 2 OG
betrachtet werden. | Erwägungen
ab Seite 372
BGE 103 Ib 372 S. 372
Aus den Erwägungen:
1.
Der Kanton Zürich hat als Beschwerdeinstanz im Sinne von
Art. 10 lit. c und 12 BewB
eine Rekurskommission bestellt, die von einem Regierungsrat präsidiert werden muss (Zürcher Verordnung zum BewB vom 25. Mai 1961, § 7). Es ist in erster Linie zu prüfen, ob diese "Rekurskommission" als eine Rekurskommission im Sinne von
Art. 105 Abs. 2 OG
zu betrachten ist oder nicht. Je nach der Antwort ist das Bundesgericht an die tatbeständlichen Feststellungen der Vorinstanz im Rahmen von
Art. 105 Abs. 2 OG
gebunden oder es hat Rechts- und Tatfragen frei zu prüfen. Liegt eine Vorinstanz im Sinne von
Art. 105 Abs. 2 OG
vor, so ist zudem die Möglichkeit der Beibringung neuer Beweismittel weitgehend eingeschränkt, andernfalls können sie noch uneingeschränkt nachgebracht werden (
BGE 102 Ib 127
).
Für die Frage, ob eine Beschwerdeinstanz als "Rekurskommission" im Sinne von
Art. 105 Abs. 2 OG
betrachtet werden kann, kann nicht auf deren Namen abgestellt werden. Entscheidend ist vielmehr, ob es sich um eine gerichtsähnliche Vorinstanz
BGE 103 Ib 372 S. 373
handelt (Botschaft über den Ausbau der Verwaltungsgerichtsbarkeit im Bunde vom 24. September 1965, BBl 1965 II 1324;
BGE 97 I 479
f.). Als gerichtsähnlich können Rekurskommissionen betrachtet werden, wenn sie eine hinreichende Unabhängigkeit von der Verwaltung, insbesondere von der Verwaltungsspitze haben. Wohl können solche Rekurskommissionen von der Kantonsregierung bestellt werden, sie müssen aber weisungsungebunden entscheiden können. Wird eine Beschwerdeinstanz von einem Regierungsrat präsidiert, so ist diese Ungebundenheit gegenüber der Verwaltungsspitze auch dann zu verneinen, wenn der präsidierende Regierungsrat nicht dem Departement vorsteht, das Beschwerde geführt hat. Zwar ist es durchaus möglich, dass die Zürcher Rekurskommission mit gleicher Sorgfalt arbeitet wie die von der Verwaltungsspitze unabhängigen Rekurskommissionen anderer Kantone, allein vom rechtsuchenden Bürger aus gesehen können Entscheide einer solchen Kommission doch nicht eine wesentlich höhere Autorität beanspruchen als gewöhnliche verwaltungsinterne Beschwerdeentscheide. Der Beschwerdeführerin muss daher das Recht zuerkannt werden, noch vor Bundesgericht neue Beweismittel einzureichen, und das Bundesgericht ist verpflichtet, den Sachverhalt von Amtes wegen soweit notwendig abzuklären. | public_law | nan | de | 1,977 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
c6abd3c6-5a3e-4a6b-8d17-8df8b31554f4 | Urteilskopf
125 I 431
40. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 16. November 1999 i.S. X. u. Mitb. gegen Kanton Zürich (staatsrechtliche Beschwerde) | Regeste
Art. 4 BV
und
Art. 31 BV
; Art. 2 ÜbBest. BV;
Art. 18 ArG
; Gleichbehandlung der Gewerbegenossen; Ladenöffnungszeiten in den Zürcher "Zentren des öffentlichen Verkehrs".
Eine kantonale Ruhetagsordnung verstösst nicht schon deswegen gegen das Arbeitsgesetz (Sonntagsarbeitsverbot) und damit Art. 2 ÜbBest. BV, weil sie eine Öffnung von Geschäften an Sonn- und Feiertagen zulässt. Die beiden Gesetzgebungen verfolgen unterschiedliche Zielsetzungen und gelten für die dem Arbeitsgesetz unterstellten Betriebe kumulativ (E. 3).
Die Möglichkeit, Betriebe in "Zentren des öffentlichen Verkehrs" ausserhalb der üblichen Geschäftszeiten offen zu halten, beruht auf sachlich vertretbaren, systemimmanenten Gründen, weshalb die damit verbundene Wettbewerbsverzerrung vor
Art. 31 BV
standhält (E. 4). | Sachverhalt
ab Seite 432
BGE 125 I 431 S. 432
Die Stimmberechtigten des Kantons Zürich genehmigten am 15. März 1998 mit 197'456 gegen 51'072 Stimmen eine Änderung des Gesetzes vom 14. März 1971 über die öffentlichen Ruhetage und über die Verkaufszeit im Detailhandel (im Weitern: Ruhetagsgesetz; RuhetagsG). Danach dürfen "in Zentren des öffentlichen Verkehrs [...] Verkaufsgeschäfte, die sich in Bahnhofliegenschaften und damit verbundenen Einkaufspassagen befinden", seit dem 1. Juni 1998 nunmehr "an Werktagen und öffentlichen Ruhetagen von 6 Uhr bis 20 Uhr" offen gehalten werden; kommunale Beschränkungen dieses Grundsatzes sind unzulässig (§ 8a RuhetagsG).
Verschiedene im Kanton Zürich Stimmberechtigte (Beschwerdeführer 1 - 5), drei im Verkauf tätige Personen (Beschwerdeführer 6 -8) sowie vier Geschäftsbetriebe (Beschwerdeführerinnen 9 - 12) haben hiergegen staatsrechtliche Beschwerde eingereicht. Sie machen geltend, diese Regelung verletze mit Blick auf das bundesrechtliche Sonntagsarbeitsverbot Art. 2 ÜbBest. BV sowie wegen der damit verbundenen Ungleichbehandlung der Gewerbegenossen
Art. 31 und
Art. 4 BV
.
Am 7. Juli 1999 verpflichtete das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich den Regierungsrat, den Rekurs verschiedener Gewerkschaften gegen ein Schreiben des kantonalen Amtes für Wirtschaft und Arbeit an die Hand zu nehmen, worin dieses die unter § 8a RuhetagsG fallenden Geschäfte informiert hatte, dass sie ohne besondere arbeitsgesetzliche Bewilligung Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an Sonntagen beschäftigen dürften. Indem der Regierungsrat "den verfügungsmässigen Charakter" der Gleichstellung der Verkaufsgeschäfte im Sinne von § 8a RuhetagsG mit den Reisebedürfnisbetrieben nach Art. 65 der Verordnung II vom 14. Januar 1966 zum Bundesgesetz über die Arbeit in Industrie, Gewerbe und Handel (ArGV 2; SR 822.112) verkannt habe, sei er zu Unrecht auf den Rekurs nicht eingetreten. Im neuen Entscheid werde davon auszugehen sein, dass die Bahnnebenbetriebe im Sinne von Art. 39 Abs. 2 des (eidgenössischen) Eisenbahngesetzes vom 20. Dezember 1957 (SR 742.101) den Vorschriften des Kantons und der Gemeinden über die Öffnungs- und Schliessungszeiten zum Vornherein nicht unterstünden (
Art. 65 Abs. 4 ArGV 2
). Sodann werde einzeln zu prüfen sein, ob neben den Reisebedürfnisbetrieben im Sinne von
Art. 65 ArGV 2
noch andere Gruppen von Betrieben gemäss der Arbeitsverordnung II ohne besondere Bewilligung von den Vorschriften über die Sonntagsarbeit nach dem Arbeitsgesetz (Bundesgesetz vom 13. März 1964 über die Arbeit in Industrie,
BGE 125 I 431 S. 433
Gewerbe und Handel, ArG; SR 822.11) ausgenommen werden könnten. Schliesslich werde zu berücksichtigen sein, dass die Arbeitsverordnung II zurzeit revidiert und voraussichtlich auf den 1. Januar 2000 zusammen mit den geänderten Bestimmungen des Arbeitsgesetzes vom 20. März 1998 in Kraft gesetzt werde.
Das Bundesgericht weist die staatsrechtliche Beschwerde gegen § 8a des Zürcher Ruhetagsgesetzes ab
Erwägungen
aus folgenden Erwägungen:
3.
a) Die Beschwerdeführer machen geltend, die angefochtene Bestimmung verletze Art. 2 ÜbBest. BV. Der kantonale Gesetzgeber dürfe keine Regelungen treffen, die dem Schutz des Personals, der ausschliesslich durch das eidgenössische Arbeitsgesetz garantiert werde, zuwiderlaufe. Sonntagsarbeit sei für die dem Arbeitsgesetz unterstellten Beschäftigten grundsätzlich verboten (
Art. 18 Abs. 1 ArG
). Vorliegend bestehe im Rahmen des Arbeitsgesetzes weder ein "dringendes Bedürfnis" für vorübergehende Sonntagsarbeit, noch lägen "unentbehrliche" Gründe vor, welche eine dauernde Sonntagsarbeit zu rechtfertigen vermöchten. Die beanstandete Regelung beziehe sich erklärtermassen auf die grösseren Verkaufsgeschäfte im Hauptbahnhof Zürich, welche vom Bundesgericht nicht als Nebenbetriebe anerkannt worden seien (vgl.
BGE 123 II 317
ff.). Dabei handle es sich nicht um Familienunternehmen, sondern um Geschäfte, die zahlreiches Personal beschäftigten und unter das Arbeitsgesetz fielen. Der angefochtene Erlass laufe damit Bundesrecht zuwider und verstosse gegen die zwingenden Bestimmungen des Arbeitsgesetzes, indem er an öffentlichen Ruhetagen ständige Sonntagsarbeit zulasse.
b) Der Grundsatz der derogatorischen Kraft des Bundesrechts (Art. 2 ÜbBest. BV) schliesst in Sachgebieten, welche die Bundesgesetzgebung abschliessend regelt, kantonales Recht aus. In jenen, die das Bundesrecht nicht umfassend ordnet, dürfen die Kantone nur Vorschriften erlassen, die nicht gegen den Sinn und Geist des Bundesrechts verstossen und dessen Zweck nicht beeinträchtigen oder vereiteln (
BGE 125 II 56
E. 2b S. 58;
BGE 123 I 313
E. 2b S. 316 f. mit Hinweis).
aa) Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer steht § 8a RuhetagsG, wie das Bundesgericht bereits hinsichtlich einer ähnlichen Regelung im Kanton Tessin festgestellt hat (Urteil vom 21. März 1997 i.S. X. SA c. RR TI, E. 2, veröffentlicht in: Pra 87/1998 Nr. 1
BGE 125 I 431 S. 434
S. 1 ff.), einer bundesrechtskonformen Auslegung ohne weiteres offen. Die kantonalen Regelungen über die Ladenöffnungszeiten dienen ausschliesslich dem Schutz der Nacht- und Sonntagsruhe bzw. der dem Arbeitsgesetz nicht unterstellten Beschäftigten (Urteil vom 21. März 1997, E. 2b/bb). Die beiden Gesetzgebungen verfolgen unterschiedliche Ziele und gelten für die dem Arbeitsgesetz unterworfenen Betriebe kumulativ. Wie sich aus
Art. 68 Abs. 1 ArGV 2
ergibt, darf der Arbeitgeber von Kiosken und Betrieben, die den Bedürfnissen der Reisenden dienen, Arbeitnehmer ohne behördliche Bewilligung zu Sonntagsarbeit nur heranziehen, soweit das Offenhalten an Sonntagen gemäss den (kantonalen bzw. kommunalen) Vorschriften über den Ladenschluss bzw. gestützt auf das Eisenbahngesetz gestattet ist und zusätzlich die bundesrechtlichen Voraussetzungen des Arbeitsgesetzes erfüllt sind (Urteil vom 21. März 1997, E. 2b/bb; vgl. Rehbinder/Müller, Arbeitsgesetz, 5. Aufl., Zürich 1998, Art. 10 Abs. 2 für die Grenzen der Tagesarbeit; Art. 18 für die Sonntagsarbeit; Walther Hug, Kommentar zum Arbeitsgesetz, Bern 1971, Rz. 16, cc zu Art. 19; Kreisschreiben des Bundesamts für Industrie, Gewerbe und Arbeit vom Juni 1995 zum Arbeitsgesetz, 3. Abschnitt letzter Satz).
bb) Hieran ändert das Schreiben des kantonalen Amts für Wirtschaft und Arbeit vom 14. Mai 1998 nichts, wonach sämtliche Betriebe, die unter § 8a RuhetagsG fallen, ohne besondere arbeitsgesetzliche Bewilligung Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigen dürfen: Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich hat in seinem Urteil vom 7. Juli 1999 inzwischen klargestellt, dass die arbeitsgesetzlichen Voraussetzungen für die Öffnung an Sonn- und Feiertagen jeweils einzeln zu prüfen sind und nicht generell und undifferenziert bejaht werden können. Es hat insofern für eine bundesrechtskonforme Auslegung von § 8a RuhetagsG gesorgt. Dass der Kanton Zürich sich der Anwendbarkeit des Arbeitsgesetzes auf die von ihm für Öffnungen an Sonn- und Feiertagen vorgesehenen Geschäfte bewusst ist, ergibt sich aus § 10 RuhetagsG, wenn dort die Berücksichtigung der Arbeits- und Ruhezeitbestimmungen des Arbeitsgesetzes gerade ausdrücklich vorbehalten bleibt. Das Gleiche gilt hinsichtlich der vom Regierungsrat am 10. März 1999 vorgeschlagenen, mit einer weiteren Liberalisierung verbundenen Totalrevision des Ruhetags- und Ladenöffnungsgesetzes (Amtsblatt Nr. 12 vom 26. März 1999); § 6 dieses Entwurfs unterstreicht wiederum den Vorrang der "Vorschriften des Arbeitsgesetzes" sowie der weiteren gesetzlichen Bestimmungen über die Ruhe und Ordnung
BGE 125 I 431 S. 435
an öffentlichen Ruhetagen. Zur Auslegung des Arbeitsgesetzes hat sich das Bundesgericht im Rahmen der vorliegenden Beschwerde nicht weiter zu äussern. Zur Prüfung von dessen richtiger Anwendung im Einzelfall stehen die entsprechenden Rechtswege offen.
4.
a) Die Beschwerdeführer rügen weiter eine Verletzung der Handels- und Gewerbefreiheit, insbesondere des Gleichbehandlungsgebots unter Konkurrenten, sowie des allgemeinen Rechtsgleichheitsgebots. Nach der Rechtsprechung zum Arbeitsgesetz sei Sonntagsarbeit rechtsgleich zu bewilligen und dürfe zu keinen Wettbewerbsverzerrungen führen (
BGE 116 Ib 270
E. 4c S. 277, 284 E. 4c S. 289). Nach dem angefochtenen Beschluss könnten Geschäfte in Zentren des öffentlichen Verkehrs auch sonntags und abends bis 20.00 Uhr offen halten. Anders als bei den übrigen Geschäften stehe den Gemeinden keine Kompetenz mehr zu, diese Geschäftszeiten einzuschränken. Die Beschwerdeführer 9 bis 12 betrieben Geschäfte in der engeren Umgebung des Hauptbahnhofs/Shop-Ville und des Bahnhofs Stadelhofen. Sie sprächen mit demselben Angebot dasselbe Publikum an wie die von § 8a RuhetagsG profitierenden Läden, zu denen sie deshalb in einem direkten Konkurrenzverhältnis stünden. Die Geschäfte in Zentren des öffentlichen Verkehrs erführen mit den grosszügigeren Öffnungszeiten ohne spezifischen Grund einen wesentlichen Wettbewerbsvorteil. Eine sachliche Rechtfertigung für die vorgenommene Abgrenzung fehle. Ein allfälliges Konsumbedürfnis vermöge die Privilegierung einer beschränkten Anzahl von Geschäften nicht zu rechtfertigen. Konsumbedürfnisse seien private Interessen, die der Staat nicht einseitig zu regulieren habe. Mit der angefochtenen Regelung werde eine ganz spezielle Kategorie von Geschäften (solche, die auf dem Gebiet von Bahnhöfen betrieben würden, aber nicht kioskartig organisiert seien und nicht den Bedürfnissen der Reisenden dienten, sowie die Geschäfte im Bereich des "Shop-Ville") in "krasser Weise" gegenüber den anderen Verkaufsgeschäften der Stadt und des Kantons Zürich begünstigt.
b) aa) Nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung der Gewerbegenossen sind Massnahmen verboten, die den Wettbewerb unter direkten Konkurrenten verzerren bzw. nicht wettbewerbsneutral sind (
BGE 123 II 16
E. 10 S. 35, 385 E. 11 S. 401;
BGE 121 I 129
E. 3b S. 132 mit weiteren Hinweisen), namentlich wenn sie bezwecken, in den Wettbewerb einzugreifen, um einzelne Konkurrenten oder Konkurrentengruppen gegenüber anderen zu bevorzugen oder zu
BGE 125 I 431 S. 436
benachteiligen (
BGE 121 I 129
E. 3d S. 135). Als direkte Konkurrenten gelten Angehörige der gleichen Branche, die sich mit dem gleichen Angebot an dasselbe Publikum richten, um das gleiche Bedürfnis zu befriedigen. Die Gleichbehandlung der Gewerbegenossen geht weiter als das allgemeine Rechtsgleichheitsgebot: Sie gewährt einen Schutz vor staatlichen Ungleichbehandlungen, die zwar auf ernsthaften, sachlichen Gründen beruhen mögen, gleichzeitig aber, ohne in der Hauptstossrichtung wirtschaftspolitisch motiviert zu sein, einzelne Konkurrenten namentlich durch unterschiedliche Belastungen oder staatlich geregelten Marktzugang bzw. -ausschluss begünstigen oder benachteiligen (BGE
BGE 121 I 129
E. 3d S. 135). Der Grundsatz der Gleichbehandlung der Gewerbegenossen ist selbst dann zu beachten, wenn zulässigerweise wirtschaftspolitische Massnahmen getroffen werden (
BGE 121 I 129
E. 3c S. 132). Er gilt aber nicht absolut und schliesst gewisse Differenzierungen etwa aus Gründen des Umweltschutzes oder der Kulturpolitik nicht aus. Vermögen in diesem Rahmen haltbare öffentliche Interessen und Anliegen eine Abweichung vom Gebot der Gleichbehandlung in Grenzen zu rechtfertigen, muss eine entsprechend begründete Ungleichbehandlung doch verhältnismässig sein; zudem darf sie das Gleichbehandlungsgebot nicht geradezu seiner Substanz entleeren (
BGE 121 I 279
E. 6c/bb S. 288). Zu vermeiden sind spürbare Wettbewerbsverzerrungen, was eine Abwägung der widerstreitenden Interessen voraussetzt (
BGE 125 II 129
E. 10b S. 150 mit Hinweisen).
bb) Bei den beschwerdeführenden Betrieben handelt es sich zumindest virtuell - teilweise aber auch konkret (vgl.
BGE 123 II 317
ff.) - um Geschäfte, die von ihrem Angebot und Kundenkreis her in einem Konkurrenzverhältnis zu solchen im Sinne von § 8a RuhetagsG stehen können oder stehen. Zwar befinden sie sich nicht im privilegierten Perimeter selber, jedoch in unmittelbarer Nähe zu diesem. Sie können sich deshalb nicht nur auf
Art. 4 BV
, sondern auch auf den weitergehenden Schutz von
Art. 31 BV
berufen, um geltend zu machen, die von den Stimmbürgern angenommene Lösung führe zu einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung unter direkten Konkurrenten.
c) Der Kantonsrat wendet ein, § 8a RuhetagsG beabsichtige keine Bevorzugung gewisser Verkaufsgeschäfte; mit der Revision seien keinerlei wirtschaftspolitische Überlegungen verbunden. Er verkennt dabei indessen, dass nach der Rechtsprechung wettbewerbsverzerrende Marktzugangsregelungen generell in den Anwendungsbereich
BGE 125 I 431 S. 437
des Gleichbehandlungsgebots der Gewerbegenossen fallen, selbst wenn damit - wie hier - nur indirekt eine Beeinflussung des Konkurrenzverhältnisses verbunden ist (
BGE 121 I 129
E. 4b S. 137 [Taxifunk]: "Die angefochtene Regelung greift somit in den Wettbewerb ein und hat insofern, auch wenn dies nicht ihre Hauptstossrichtung ist, wirtschaftspolitische Auswirkungen"). Des Weiteren verweist der Kantonsrat auf die geänderten Konsumbedürfnisse. Die wachsende Nachfrage nach Einkaufsgelegenheiten auch an öffentlichen Ruhe- und Feiertagen bilde ein gewichtiges öffentliches Interesse, was die verschiedenen politischen Vorstösse nach dem Bundesgerichtsurteil vom 17. Juni 1997 belegten. Die Änderung des Ruhetagsgesetzes bedeute eine Liberalisierung der kantonalen Ruhetagsordnung. Diese Lockerung auf Gebiete zu beschränken, in denen auch an Ruhetagen wegen der sehr guten Erschliessung mit öffentlichen Verkehrsmitteln grosser Publikumsverkehr herrsche, sei legitim. Mit der Beschränkung der liberalisierten Ladenöffnungszeiten auf Zentren des öffentlichen Verkehrs sei ferner zu erwarten, dass der private Verkehr an öffentlichen Ruhe- und Feiertagen nicht wesentlich zunehme. Schliesslich sei die mit der angefochtenen Gesetzesrevision geschaffene Ungleichbehandlung der Gewerbegenossen auch mit den bestehenden Unterschieden der Ladenlokale im Allgemeinen gegenüber den in Zentren des öffentlichen Verkehrs betriebenen Geschäften zu rechtfertigen. Letztere verfügten definitionsgemäss über einen optimalen Zugang mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Es dürfe daher angenommen werden, dass sie zu einem bedeutenden Teil von Reisenden mit spezifischen Konsumbedürfnissen aufgesucht würden.
d) Diese Argumente überzeugen nur teilweise:
aa) Soweit der Kantonsrat auf die spezifischen Bedürfnisse der Reisenden Bezug nimmt, übersieht er, dass diese bezüglich der Bahnhöfe abschliessend im Eisenbahngesetz geregelt sind. Das Bundesgericht hat in diesem Zusammenhang den Kiosk- und Verkaufsstellenbegriff umschrieben und die im Hauptbahnhof und im Bahnhof Stadelhofen damit verbundenen Folgen beurteilt; der Kanton kann insofern nicht einen eigenen Begriff der "Bedürfnisse von Reisenden" schaffen, ohne mit Blick auf die anderen mit den betreffenden Betrieben in Konkurrenz stehenden Unternehmen eine inhaltlich nicht gerechtfertigte Rechtsungleichheit zu schaffen.
bb) Der Hinweis, die Bevorzugung der Betriebe in Verkehrsknotenpunkten sei umweltpolitisch motiviert, erscheint fragwürdig, muss der Kantonsrat doch selber einräumen, es sei zu erwarten, dass
BGE 125 I 431 S. 438
der private Verkehr an öffentlichen Ruhe- und Feiertagen durch die Konsumenten zumindest "nicht wesentlich" zunehme. Wohl sind die fraglichen Zentren mit öffentlichen Verkehrsmitteln erschlossen; das heisst aber - wie die Erfahrung zeigt - nicht, dass sie nicht trotzdem auch mit privaten Verkehrsmitteln aufgesucht werden. Worauf der Kantonsrat seine Einschätzung stützt, der Privatverkehr werde nicht "wesentlich" zunehmen, ist nicht ersichtlich. Insbesondere in nicht städtischen Verhältnissen, wo es keine oder nur wenige öffentliche Verkehrsmittel gibt, dürfte wohl eher das Gegenteil der Fall sein. In den Städten sind die Verkehrsfrequenzen an Sonn- und Ruhetagen umgekehrt ihrerseits in der Regel wesentlich geringer und der Verkehr deshalb flüssiger, so dass der an Werktagen wegen der schwierigen Verkehrsverhältnisse bestehende Anreiz, die öffentlichen Verkehrsmittel zu nutzen, ebenfalls weitgehend entfallen dürfte. Verkehrs- bzw. umweltpolitische Gründe sprechen daher eher gegen eine zentrale Befriedigung der Konsumentenbedürfnisse. Jedenfalls in den Städten ist angesichts des dichten öffentlichen Verkehrsnetzes nicht einzusehen, weshalb die Konsumenten wohl zum Aufsuchen der unter Umständen weit entfernten "Zentren des öffentlichen Verkehrs" öffentliche Verkehrsmittel benützen sollten, nicht aber zum Besuch dezentralisiert bzw. näher gelegener Geschäfte.
cc) Soweit der Kantonsrat auf das wachsende Bedürfnis nach Einkäufen auch an Sonn- und Feiertagen verweist, mag hierin ein gewisses öffentliches Interesse und allenfalls auch ein sachlicher Grund für eine grosszügigere Ausgestaltung der Ruhetagsordnung im Sinne von
Art. 4 BV
liegen; dies hat aber dennoch an sich wettbewerbsneutral zu geschehen. Das Gleiche gilt hinsichtlich der geltend gemachten organisatorischen Unterschiede (vgl. hierzu
BGE 120 Ia 236
E. 2c S. 240) zwischen den traditionellen Geschäften und jenen in Bahnhöfen und damit verbundenen Einkaufspassagen, zumal diesem Aspekt bereits im Rahmen der eisenbahnrechtlichen Regelung Rechnung getragen wird. Das Bundesgericht hat gerade mit Blick auf die Wettbewerbsneutralität festgestellt, dass die Gleichbehandlung der Bahnnebenbetriebe mit gleicher Angebotspalette eine alternierende Offenhaltung notwendig machen könne (
BGE 123 II 317
E. 3c in fine S. 322).
e) Trotz dieser Bedenken hält § 8a RuhetagsG aber vor
Art. 31 BV
stand:
aa) Ungleichbehandlungen unter direkten Konkurrenten sind nur unzulässig, soweit sie sich als systemwidrig erweisen (vgl. etwa
BGE 125 I 431 S. 439
MARC D. VEIT, Die Gleichbehandlung der Gewerbegenossen, in: AJP 1998 S. 569 ff., insbesondere S. 573; RHINOW/SCHMID/BIAGGINI, Öffentliches Wirtschaftsrecht, Basel 1998, S. 123 ff.). Das grundsätzliche Verbot der Ladenöffnung an Sonn- und Feiertagen hat bereits bisher praktisch überall gewisse Ausnahmen erfahren. Regelmässig knüpfen diese zwar mit Blick auf die Verderblichkeit oder die mehr oder weniger grosse Unentbehrlichkeit der Ware auch an Sonn- und Feiertagen an die Natur des verkauften Guts an (vgl. etwa § 8 RuhetagsG: Milchgeschäfte, Sennereien, Bäckereien, Konditoreien, Fotografenateliers, Blumenverkaufsgeschäfte usw.). Teilweise wird aber auch auf geographische Besonderheiten Rücksicht genommen, so etwa wenn das kantonale Recht angebotsunabhängig für gewisse touristische Gebiete Ausnahmeregelungen vorsieht (vgl.
Art. 41 ff. ArGV 2
). Auch in diesen Fällen profitieren Konkurrenten, die sich im entsprechenden Gebiet befinden, von allenfalls besseren Geschäftsbedingungen. Diese systemimmanenten Ungleichbehandlungen sind verfassungsrechtlich insoweit hinzunehmen, als sie auf überwiegenden sachlichen Gründen und entsprechenden schutzwürdigen Bedürfnissen beruhen; gewisse beschränkte Wettbewerbsverzerrungen sind dabei in Kauf zu nehmen.
bb) Bei der verfassungsrechtlichen Überprüfung der geographischen Umschreibung von Sonderregelungen hinsichtlich der Öffnungszeiten ist eine gewisse Zurückhaltung geboten, kennen die kantonalen Instanzen die lokalen Verhältnisse und Bedürfnisse doch in der Regel besser als das Bundesgericht (
BGE 118 Ia 175
E. 3a S. 181 mit Hinweis). Die kantonalen Ruhetagsgesetze dienen heute - wie bereits dargelegt - in erster Linie noch dem Schutz der Nacht- und Sonntagsruhe. Wenn der Kanton Zürich davon ausgeht, diese Bedürfnisse seien in Zentren des öffentlichen Verkehrs nicht mehr in gleicher Weise schützenswert wie früher oder wie in ausgeprägten Wohngebieten, ist dies sachlich vertretbar, zumal die Ausnahmeregelung von § 8a RuhetagsG lediglich an Orten gilt, an denen schon die eisenbahnrechtlichen Ausnahmebestimmungen Abweichungen ermöglichen und von der Natur der Sache her (Reisen) eine gewisse Hektik herrscht. Wie das Bundesgericht wiederholt festgestellt hat, sollen als unzulänglich und überholt empfundene kantonale oder kommunale Ladenöffnungszeiten nicht durch eine überdehnte Auslegung eisenbahnrechtlicher Regelungen ausgehöhlt werden (vgl.
BGE 123 II 317
ff.; in diesem Sinne auch TOBIAS JAAG, in: AJP 1998 S. 220 f.); es kann dem Kanton umgekehrt deshalb nicht verwehrt sein, seine entsprechende Gesetzgebung insofern zu
BGE 125 I 431 S. 440
liberalisieren. Im Vergleich zu anderen an Sonn- und Feiertagen ebenfalls belebten Gebieten unterscheiden sich die in § 8a RuhetagsG ausgeschiedenen dadurch, dass beispielsweise die Geschäfts-tätigkeit im Hauptbahnhof und im Bahnhof Stadelhofen weitgehend unterirdisch und in Verbindungsgängen zum Bahnhof erfolgt, womit von ihr eine weniger starke Beeinträchtigung der Sonntagsruhe ausgeht als etwa bei einer generellen, weitgehenden Sonntagsöffnung im Gebiet um die Bahnhöfe.
cc) Ob eine Lösung aufgrund anderer Kriterien - z.B. einer allgemeinen Freigabe der Öffnungszeiten, sofern vom Geschäftsbetrieb auf Wohnquartiere keine störenden Auswirkungen ausgehen - praktikabel wäre und im Ergebnis zu einer geringeren Wettbewerbsverzerrung führen würde, erscheint zweifelhaft; auf jeden Fall wäre sie mit grossem administrativem Aufwand verbunden. Weil die polizeilichen Auswirkungen einer vollständigen Liberalisierung auf die lokal unterschiedlichen Ruhebedürfnisse schwierig abzuschätzen sind, erscheint es auch problematisch, eine solche im Sinne einer "conditio sine qua non" generell zur Voraussetzung der Befriedigung der Konsumbedürfnisse an Sonn- und Feiertagen zu machen. Die angefochtene Regelung führt somit zwar zu einer gewissen Wettbewerbsverzerrung, doch erweist sie sich mit Blick auf den verfolgten Zweck (beschränkte Lockerung des Öffnungsverbots an öffentlichen Ruhetagen an Orten, an denen das mit dem Gesetz verfolgte Schutzbedürfnis reduziert erscheint) im Rahmen der Interessenabwägung zwischen den Bedürfnissen der Konsumenten und dem polizeilichen Anliegen der Wahrung einer gewissen Sonntagsruhe verfassungsrechtlich noch als haltbar. Auch mit dem Bestehen von Bahnnebenbetrieben ist eine Beeinträchtigung des Wettbewerbs verbunden, die im Interesse der Reisenden hingenommen wird. | public_law | nan | de | 1,999 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
c6acf8e4-ba10-4a58-ba18-47be5da340e4 | Urteilskopf
126 III 524
92. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour civile du 2 novembre 2000 dans la cause Philipp Holzmann AG et Nord France S.A. contre l'Entreprise Industrielle S.A. (recours de droit public) | Regeste
Internationales Schiedsgerichtsverfahren; Berichtigung eines Versehens.
Das schweizerische Recht erlaubt einem Schiedsgericht, falls es um ein internationales Verfahren in der Schweiz geht, den Schiedsentscheid zu erläutern und ein Versehen zu berichtigen (E. 2b). | Sachverhalt
ab Seite 524
BGE 126 III 524 S. 524
A.-
Dans le contexte de la réalisation du parc d'attractions Eurodisneyland à Marne-la-Vallée (France), les sociétés Philipp Holzmann AG, à Francfort (Allemagne) et Nord France S.A., à Montlhéry (France), formant entre elles une société en participation, ont sous-traité les études, la fabrication et l'exécution de travaux de chauffage, ventilation et climatisation de divers bâtiments à l'Entreprise Industrielle S.A., Département EI-Seitha, à Paris (France), par lettre d'intention du 9 août 1990, confirmée par la conclusion d'un contrat daté du 5 novembre 1990.
A la suite de l'exécution des travaux, le décompte entre les parties donna lieu à un litige.
Se fondant sur la clause compromissoire contenue dans le contrat, l'Entreprise Industrielle S.A. déposa devant le Tribunal arbitral une demande en paiement, à laquelle ses parties adverses opposèrent une
BGE 126 III 524 S. 525
demande reconventionnelle. Le siège du Tribunal arbitral fut fixé à Genève.
Par sentence du 15 mars 2000, le Tribunal arbitral statua sur l'ensemble des conclusions prises devant lui; il admit la demande principale à concurrence de 6'212'154 Ffr. avec intérêts (ch. 2 du dispositif) et accueillit également la demande reconventionnelle par 1'743'658 Ffr. avec intérêts (ch. 3 du dispositif). Après avoir donné l'occasion aux parties de s'exprimer, le Tribunal arbitral a rendu une sentence additionnelle le 25 mai 2000, rectifiant le ch. 2 du dispositif de la sentence du 15 mars 2000. Il était désormais indiqué que les intérêts sur la somme due à raison de la demande principale (6'212'154 Ffr.) devaient être "capitalisés dans les conditions de l'art. 1154 du Code civil français".
B.-
Philipp Holzmann AG et Nord France S.A. ont déposé un recours de droit public au Tribunal fédéral en vue d'obtenir l'annulation de la sentence additionnelle du 25 mai 2000. Invoquant l'art. 190 al. 2 let. b de la loi fédérale du 18 décembre 1987 sur le droit international privé (LDIP; RS 291), elles soutiennent, en substance, que le Tribunal arbitral a épuisé sa saisine en statuant le 15 mars 2000 de manière finale sur toutes les conclusions prises devant lui, de sorte qu'il n'était pas compétent pour rendre une sentence additionnelle le 25 mai 2000, par laquelle il s'est érigé en instance de recours contre sa propre décision.
Le Tribunal fédéral rejette le recours.
Erwägungen
Extrait des considérants:
1.
a) Le recours de droit public au Tribunal fédéral est ouvert contre une sentence arbitrale aux conditions des
art. 190 ss LDIP
(
art. 85 let
. c OJ).
Comme le siège du Tribunal arbitral a été fixé en Suisse et que l'une des parties au moins n'avait, au moment de la conclusion de la convention d'arbitrage, ni son domicile, ni sa résidence habituelle en Suisse (
art. 176 al. 1 LDIP
), les
art. 190 ss LDIP
sont applicables, puisque les parties n'en ont pas exclu l'application par écrit et qu'elles ne sont pas convenues d'appliquer exclusivement les règles de la procédure cantonale en matière d'arbitrage (
art. 176 al. 2 LDIP
).
BGE 126 III 524 S. 526
Le recours au Tribunal fédéral contre la sentence arbitrale est ouvert (
art. 191 al. 1 LDIP
), dès lors que les parties ne l'ont en rien exclu conventionnellement (
art. 192 LDIP
), ni n'ont choisi, en lieu et place, le recours à l'autorité cantonale (
art. 191 al. 2 LDIP
).
Le recours ne peut être formé que pour l'un des motifs énumérés de manière exhaustive à l'
art. 190 al. 2 LDIP
(
ATF 119 II 380
consid. 3c p. 383).
La procédure est régie par les dispositions de la loi fédérale d'organisation judiciaire relatives au recours de droit public (
art. 191 al. 1 2
ème phrase LDIP).
b) Condamnées à payer un intérêt composé en faveur de l'intimée, les recourantes sont personnellement touchées par la décision additionnelle attaquée, de sorte qu'elles ont un intérêt personnel, actuel et juridiquement protégé à ce que la sentence n'ait pas été rendue en violation des garanties découlant de l'
art. 190 al. 2 LDIP
; en conséquence, elles ont qualité pour recourir (
art. 88 OJ
).
Interjeté en temps utile (
art. 89 al. 1 OJ
), dans la forme prévue par la loi (
art. 90 al. 1 OJ
), le recours est en principe recevable.
Hormis certaines exceptions qui ne sont pas réalisées en l'espèce, il n'a qu'un caractère cassatoire (
ATF 122 I 120
consid. 2a, 351 consid. 1f;
ATF 121 I 225
consid. 1b, 326 consid. 1b).
c) Dès lors que les règles de procédure sont celles du recours de droit public (
art. 191 al. 1 2
ème phrase LDIP), les parties recourantes doivent invoquer leurs griefs conformément aux exigences de l'
art. 90 al. 1 let. b OJ
(
ATF 117 II 604
consid. 3 p. 606). Saisi d'un recours de droit public, le Tribunal fédéral n'examine que les griefs admissibles qui ont été invoqués et suffisamment motivés dans l'acte de recours (cf.
ATF 125 I 492
consid. 1b p. 495;
ATF 122 I 70
consid. 1c;
ATF 121 IV 317
consid. 3b p. 324). Les recourantes devaient donc indiquer quelles hypothèses de l'
art. 190 al. 2 LDIP
étaient réalisées à leurs yeux et, en partant de la sentence attaquée, montrer de façon circonstanciée en quoi consistait, selon elles, la violation du principe invoqué (cf.
ATF 110 Ia 1
consid. 2a); ce n'est qu'à ces conditions qu'il sera possible d'entrer en matière.
2.
a) Les recourantes soutiennent que le Tribunal arbitral était incompétent pour rendre la sentence additionnelle, ayant épuisé sa compétence en rendant la sentence finale du 15 mars 2000; elles invoquent ainsi le motif de recours prévu par l'
art. 190 al. 2 let. b LDIP
.
b) Le Tribunal arbitral rétorque qu'il n'a pas complété ou modifié sa sentence du 15 mars 2000, mais qu'il s'est borné à mieux rédiger le dispositif de celle-ci, de manière à le rendre conforme à ce qui résulte clairement de la motivation contenue dans ladite sentence.
Il convient d'examiner, en premier lieu, si le Tribunal arbitral avait compétence pour corriger une inadvertance dans le dispositif de sa
BGE 126 III 524 S. 527
décision ou pour interpréter la sentence afin d'en rendre le dispositif conforme à ses motifs. En effet, si même cette possibilité était exclue, le recours devrait être admis sans autre examen.
Le règlement d'arbitrage adopté par les parties (dans sa teneur de l'époque) ne prévoit pas cette éventualité. On ne peut cependant pas en déduire que la compétence soit exclue, puisqu'il est possible que ce cas de figure n'ait tout simplement pas été envisagé. La doctrine - citée par le Tribunal arbitral - admet qu'une telle possibilité est ouverte si la loi applicable au siège du tribunal arbitral le permet (CRAIG/PARK/PAULSSON, International Chamber of Commerce Arbitration, 2e éd., Paris 1990, p. 368 s.). En tout cas lorsque la convention d'arbitrage (en l'occurrence le règlement adopté par les parties) n'exclut pas clairement une telle éventualité, il n'y a pas de raison d'écarter l'idée que les clauses contractuelles puissent être complétées par les dispositions qui régissent l'arbitrage international au siège du tribunal.
Il est vrai que la LDIP - applicable au siège du Tribunal arbitral - ne prévoit pas expressément l'hypothèse de l'interprétation ou de la rectification d'une inadvertance. Cependant, les auteurs qui ont étudié la question admettent de manière concordante que le droit suisse permet au tribunal arbitral, en cas d'arbitrage international en Suisse, d'interpréter sa sentence et de rectifier une inadvertance (ANTON HEINI, IPRG Kommentar, n. 59 ad
art. 190 LDIP
; STEPHEN V. BERTI/ANTON K. SCHNYDER, Commentaire bâlois, Internationales Privatrecht, n. 97 ad
art. 190 LDIP
; BERNARD DUTOIT, Commentaire de la loi fédérale du 18 décembre 1987, 2e éd., n. 12 ad
art. 191 LDIP
; LALIVE/POUDRET/REYMOND, Le droit de l'arbitrage interne et international en Suisse, ch. 6 ad
art. 191 LDIP
). Même l'auteur invoqué par les recourantes ne dit pas autre chose lorsqu'il affirme: "on peut, dans une certaine mesure, admettre que le tribunal arbitral puisse rétablir, par une décision, la signification réelle de la sentence originelle, en corrigeant des erreurs de rédaction ou de calcul ou en interprétant un prononcé obscur ou équivoque" (ANDREAS BUCHER, Le nouvel arbitrage international en Suisse, p. 134 n. 410). Il n'y a pas de raison de s'écarter de l'opinion de la doctrine. Le Tribunal fédéral tomberait d'ailleurs dans l'excès de formalisme s'il interdisait à un tribunal arbitral de rectifier une inadvertance manifeste, ce qui reviendrait à l'empêcher de dégager le sens de ce qu'il avait compétence pour décider (sur la notion d'excès de formalisme: cf.
ATF 125 I 166
consid. 3a;
ATF 121 I 177
consid. 2b/aa;
ATF 120 II 425
consid. 2a et les références).
BGE 126 III 524 S. 528
Il faut donc en conclure que le Tribunal arbitral avait compétence pour interpréter sa sentence et pour rectifier une inadvertance.
c) Il reste à examiner si le Tribunal arbitral est resté dans les limites de la compétence qui vient d'être définie.
Les recourantes soutiennent, en effet, que le Tribunal arbitral a joué le rôle d'une instance de recours et qu'il a modifié pour des raisons de droit le contenu même de ce qu'il avait décidé dans sa sentence du 15 mars 2000.
A la page 130 de la sentence du 15 mars 2000, le Tribunal arbitral a certes, sous ch. 10, déterminé à partir de quelle date l'intérêt était dû. Cependant, sous ch. 11, il a procédé à une récapitulation de toutes les sommes admises dans le cadre de la demande principale. S'agissant du calcul de l'intérêt, il a ajouté (dernière phrase de la page): "la capitalisation des intérêts se fera conformément à l'
art. 1154 CC
". Il n'est donc pas douteux que la somme admise au titre de la demande principale devait porter intérêts et que ces intérêts devaient être capitalisés conformément à l'art. 1154 du Code civil français. C'est manifestement par inadvertance que cette précision n'a pas été apportée au ch. 2 du dispositif. Au vu de la contestation née entre les parties à ce sujet, le Tribunal arbitral, dans sa sentence additionnelle, n'a fait que répéter dans le dispositif, au ch. 2, ce qu'il avait déjà décidé et dit clairement à la page 130 de la sentence originelle. Celle-ci n'a donc pas été matériellement corrigée, de sorte que le Tribunal arbitral est resté dans les limites de sa compétence, telle qu'elle a été admise ci-dessus.
Pour soutenir le contraire, les recourantes invoquent la page 156 de la sentence du 15 mars 2000. Elles tentent cependant, en exploitant la longueur de la sentence, de créer une confusion entre la demande principale et la demande reconventionnelle. La page 156 se réfère expressément à la demande reconventionnelle, parlant d'ailleurs "des intérêts dus à la demanderesse". Ce passage se rattache à un ch. 4 qui commence à la page 152 et traite de l'action directe que l'intimée avait introduite. Il ressort des explications données dans ce contexte que l'intimée s'était adressée directement au maître de l'ouvrage pour faire bloquer les sommes dues aux entrepreneurs, à savoir les recourantes; le Tribunal arbitral a admis que cette action avait causé un certain préjudice financier aux recourantes; s'agissant de l'intérêt dû sur la somme admise au titre de la demande reconventionnelle, le Tribunal arbitral a estimé, à la page 156, que cet intérêt ne devait pas être capitalisé. C'est d'ailleurs bien pourquoi le ch. 3 du dispositif, qui concerne la demande reconventionnelle,
BGE 126 III 524 S. 529
ne mentionne pas de capitalisation et n'a fait l'objet d'aucune rectification dans ce sens.
Le Tribunal arbitral n'a donc fait qu'expliciter clairement dans son dispositif rectifié ce qui résultait déjà indubitablement des motifs de la décision originelle. Il n'a ainsi pas excédé les limites de sa compétence telles qu'elles ont été admises ci-dessus.
Savoir si c'est à juste titre qu'un intérêt capitalisé a été admis pour la demande principale, mais non pour la demande reconventionnelle, est une question qui touche le fond de la décision et ne peut être examinée ici, le recours ne pouvant être formé que pour les griefs énoncés à l'
art. 190 al. 2 LDIP
. | null | nan | fr | 2,000 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
c6aec28d-7b26-4b74-89c6-8d91d0e5fa68 | Urteilskopf
115 IV 81
17. Extrait de l'arrêt de la Cour de cassation pénale du 20 mars 1989 dans la cause Procureur général du canton du Jura c. C. (pourvoi en nullité) | Regeste
Art. 41 Ziff. 1 Abs. 1 StGB
; bedingter Strafvollzug.
Die Gewährung des bedingten Strafvollzugs bei Fahren in angetrunkenem Zustand ist gegenüber einem einschlägig vorbestraften Fahrzeuglenker nicht notwendigerweise ausgeschlossen. | Sachverhalt
ab Seite 81
BGE 115 IV 81 S. 81
A.-
Le 1er avril 1988, vers 23 h 50, C., garagiste né en 1962, circulait à Porrentruy au volant d'une voiture. Il a ralenti mais ne s'est pas arrêté à un stop (il l'a "coulé"), ce qui a attiré l'attention de la police. L'analyse de son sang a révélé un taux d'alcoolémie de 1,18g 0/00.
Il est admis que C., qui n'avait pas consommé d'alcool au cours de la journée, s'est rendu vers 18 heures dans un établissement public où il a rencontré des clients. Il y a consommé six bières - de 2 dl selon ses dires - puis une autre dans un second café. Vers 23 h 30, il a repris le volant afin de regagner son domicile de Courtedoux distant de moins de 2 km.
En 1987, C. avait été condamné à une amende de 650 francs, notamment pour conduite sous l'influence de l'alcool.
B.-
Le tribunal de première instance a condamné C. à une peine de dix jours d'emprisonnement avec sursis pendant trois ans et à une amende de 300 francs pour avoir circulé au volant d'un véhicule automobile en étant pris de boisson, utilisé illicitement des plaques de contrôle et circulé alors qu'il n'était pas couvert par une assurance responsabilité civile.
BGE 115 IV 81 S. 82
Le Procureur général du canton du Jura ayant interjeté un appel limité à la question de l'octroi du sursis, la Cour pénale du Tribunal cantonal jurassien a maintenu la condamnation à dix jours d'emprisonnement, ainsi que le sursis, mais a porté le délai d'épreuve de trois à cinq ans. L'amende de 300 francs a aussi été confirmée.
C.-
Le Procureur général du canton du Jura a formé un pourvoi en nullité limité à la question du sursis.
Erwägungen
Extrait des considérants:
2.
a) Aux termes de l'
art. 41 ch. 1 al. 1 CP
, le sursis pourra être octroyé si la peine n'excède pas 18 mois et si les antécédents et le caractère du condamné font prévoir que cette mesure le détournera de commettre d'autres crimes ou délits.
Dans cette matière, comme dans celle de la fixation de la peine, un large pouvoir d'appréciation est laissé aux autorités cantonales. Le Tribunal fédéral annule leurs décisions sur ces points seulement si elles reposent sur des considérations étrangères à la disposition appliquée ou si elles apparaissent comme insoutenables (
ATF 105 IV 292
consid. 3 et jurisprudence citée,
ATF 96 IV 103
).
Importent avant tout pour l'octroi du sursis les perspectives d'amendement durable du condamné, telles qu'on peut les déduire de ses antécédents et de son caractère. Le pronostic doit être posé sur la base des éléments propres à éclairer l'ensemble du caractère de l'accusé (
ATF 101 IV 330
lettre d et les arrêts cités). De vagues espoirs quant à la conduite future du délinquant ne suffisent pas pour poser un pronostic favorable. Une nouvelle infraction commise dans le même domaine qu'une précédente infraction, alors sanctionnée par une peine assortie du sursis, constitue à elle seule un motif de prévision défavorable (voir
ATF 105 IV 228
consid. b; LOGOZ/SANDOZ partie générale p. 233).
b) La jurisprudence relative à l'octroi du sursis en matière d'ivresse au volant a été modifiée dans deux arrêts de principe (
ATF 95 IV 49
et 55). Antérieurement, il était donné plus d'importance aux circonstances de l'acte avec cette conséquence que les antécédents les plus favorables et les plus propres à écarter le reproche d'absence d'égards n'étaient plus pris en considération. Une appréciation d'ensemble, comprenant la situation personnelle de l'auteur d'une part et les circonstances particulières de l'acte d'autre part, est de nature à y remédier. En d'autres termes, la
BGE 115 IV 81 S. 83
prévision dont il est question à l'
art. 41 ch. 1 CP
n'est pas divisible. Pour que l'on puisse admettre qu'une peine avec sursis provoquera une amélioration durable, il faut que le pronostic soit favorable tant d'après la situation personnelle de l'auteur que d'après les circonstances. Lorsque la prévision est favorable sous l'angle des antécédents, mais non sous celui de l'acte, il faut donner la préférence à une appréciation générale.
Dans l'arrêt publié aux
ATF 105 IV 291
, il est indiqué que celui qui, par insouciance, prend le volant sous l'influence de l'alcool et accepte le risque d'exposer la vie et la sécurité d'autrui à un sérieux danger, montre ainsi, en général, un manque du sens des responsabilités dénotant un défaut de caractère. Toutefois, cela ne doit pas conduire à un refus systématique du sursis, lequel a été institué pour des raisons qui tiennent avant tout de la prévention spéciale. Au contraire, à côté des circonstances de l'acte, il y a lieu de tenir compte des antécédents et de toutes les autres circonstances permettant de tirer des conclusions sur le caractère de l'auteur ainsi que sur ses chances de faire ses preuves; fondé sur ces éléments, qui feront l'objet d'une appréciation d'ensemble, on décidera si un pronostic favorable ou non peut être posé.
En général, la consommation exagérée de boissons alcooliques par un conducteur, qui sait qu'il va reprendre le volant, aggrave nettement son cas. Certes, des circonstances imprévues et contraignantes ou un état qui ne lui permettait pas d'apprécier la portée de ses actes, lorsqu'il s'est décidé à reprendre le volant, peuvent être invoqués à sa décharge; cependant, il n'en ira pas ainsi lorsque - par exemple - il y a des circonstances qui, même dans son état, auraient dû le détourner de conduire.
Le taux d'alcoolémie peut également jouer un rôle sur ce plan; en effet, plus il est élevé plus on se montrera sévère dans l'appréciation de l'absence de scrupules, donc du pronostic favorable (
ATF 100 IV 134
consid. 1 et jurisprudence citée).
Saisie d'un pourvoi relatif à l'octroi du sursis en matière d'ivresse au volant, la cour de céans examine si l'autorité cantonale a tenu compte des principes jurisprudentiels précités et si elle n'a pas abusé du large pouvoir d'appréciation qui lui est reconnu.
3.
a) Sur le plan de la faute de circulation reprochée à l'accusé, soit d'avoir seulement ralenti à un stop, on doit admettre qu'elle est bénigne. Le conducteur n'a pas causé d'accident ni même de risque d'accident. Quant à la gravité, cette faute n'a rien de comparable avec une inattention manifeste ou avec une perte
BGE 115 IV 81 S. 84
de maîtrise du véhicule due à un important excès de vitesse. L'alcoolémie de 1,18 g 0/00, relevée dans le sang de l'intimé n'a donc pas eu pour conséquence une mise en danger concrète de la sécurité des usagers de la route.
b) Concernant les antécédents et la situation personnelle de l'auteur, il est vrai que l'amende de 650 francs prononcée en mai 1987, notamment pour conduite sous l'influence de l'alcool, aggrave le cas de l'intimé. Cependant, on l'a vu, la récidive ne doit pas automatiquement exclure l'octroi du sursis. Au demeurant, on peut admettre qu'une première sanction, sous forme d'amende, ne constitue pas un avertissement du même poids qu'un antécédent puni par une peine privative de liberté (voir
art. 38 ch. 4 CP
en matière de libération conditionnelle par exemple).
Sans être exceptionnelles, les circonstances qui ont entraîné l'intimé à boire exagérément ne dénotent pas un mépris de la sécurité d'autrui dû au seul égoisme. Il s'est trouvé avec des clients qu'il avait rencontrés au café; il a été quelque peu poussé à consommer de la bière avec eux.
L'accusé a également fait preuve d'insouciance en circulant avec les plaques de contrôle de son employé, ce qui le privait de la couverture de l'assurance responsabilité civile. Cela ne constitue cependant pas une faute compromettant directement la sécurité d'autrui.
Le refus du sursis à cause de ces deux éléments aggravants équivaudrait presque à en exclure l'octroi dès qu'il existe une récidive, quelle qu'en soit la gravité. Ce serait diminuer la portée du changement de jurisprudence précité (
ATF 95 IV 49
et 55).
c) L'autorité cantonale s'est conformée à l'interprétation jurisprudentielle de l'
art. 41 ch. 1 al. 1 CP
en se fondant sur une appréciation d'ensemble des facteurs pertinents. Après avoir entendu l'accusé, elle a considéré que les bons renseignements recueillis sur son compte, le fait qu'il n'a jamais causé d'accident malgré le kilométrage important parcouru en raison de son métier, la distance peu élevée qui le séparait de son domicile et le taux d'alcoolémie relativement bas ne justifiaient pas une appréciation sévère des circonstances particulières influant sur la question du sursis. Cependant, le délai d'épreuve a été fixé à 5 ans, soit au maximum légal.
Dans ces circonstances, compte tenu avant tout du large pouvoir d'appréciation laissé à l'autorité cantonale, l'on ne saurait admettre que celle-ci a violé le droit fédéral. Le pourvoi doit être rejeté. | null | nan | fr | 1,989 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
c6ba01e5-f40f-4327-bd15-d548ce12b206 | Urteilskopf
134 IV 241
25. Auszug aus dem Urteil der Strafrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Schaffhausen (Beschwerde in Strafsachen)
6B_538/2007 vom 2. Juni 2008 | Regeste
Bildung einer Gesamtstrafe bei Widerruf des bedingten Strafvollzugs (
Art. 46 Abs. 1 Satz 2 StGB
).
Die Bildung einer Gesamtstrafe in sinngemässer Anwendung von
Art. 49 StGB
kommt nicht in Betracht, wenn die widerrufene Strafe und die neue Strafe gleichartig sind (E. 4). | Sachverhalt
ab Seite 241
BGE 134 IV 241 S. 241
Das Obergericht des Kantons Schaffhausen sprach X. am 13. Juli 2007 in Bestätigung des Entscheids des Kantonsgerichts Schaffhausen vom 30. März 2005 der mehrfachen qualifizierten Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz (Art. 19 Ziff. 1 und Ziff. 2 lit. b und c BetmG), der mehrfachen, zum Teil qualifizierten Geldwäscherei, der mehrfachen Urkundenfälschung, der falschen Anschuldigung sowie des Fahrens in angetrunkenem Zustand schuldig. Es verurteilte ihn in teilweiser Gutheissung der Berufung der Staatsanwaltschaft in Anwendung des bis 31. Dezember 2006 in Kraft stehenden alten Rechts unter Anrechnung der Untersuchungshaft von 91 Tagen zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren, teilweise
BGE 134 IV 241 S. 242
als Zusatzstrafe zum Strafbefehl des Untersuchungsrichteramts des Kantons Schaffhausen vom 14. August 2001, sowie zu einer Busse von 20'000 Franken. Es widerrief den mit Strafbefehl des Untersuchungsrichteramts des Kantons Schaffhausen vom 14. August 2001 dem Verurteilten gewährten bedingten Vollzug für eine Gefängnisstrafe von 45 Tagen bei einer Probezeit von 3 Jahren und erklärte diese Strafe für vollziehbar. Es stellte fest, dass der Vollzug der mit Strafbefehl des Verkehrsstrafamts des Kantons Schaffhausen vom 23. Februar 1996 ausgefällten bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von 21 Tagen infolge der seit Ablauf der dreijährigen Probezeit verstrichenen Zeit (Art. 41 Ziff. 3 Abs. 5 aStGB) nicht mehr angeordnet werden kann. Das Obergericht ordnete sodann unter anderem die Einziehung von sichergestellten Vermögenswerten im Gesamtbetrag von rund Fr. 900'000.- an. Es verpflichtete den Verurteilten darüber hinaus gestützt auf Art. 59 Ziff. 2 aStGB zur Bezahlung einer Ersatzforderung von Fr. 750'000.- und ordnete zur Sicherung dieser staatlichen Ersatzforderung in Bezug auf drei Grundstücke eine Grundbuchsperre an. Mit Verfügung des Obergerichts des Kantons Schaffhausen vom 17. August 2007 wurde das Obergerichtsurteil im Kostenpunkt berichtigt.
X. führt Beschwerde in Strafsachen mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts des Kantons Schaffhausen vom 13. Juli 2007 sei aufzuheben und die Sache im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückzuweisen. Er ficht insbesondere das Strafmass, die Verweigerung des (teil-)bedingten Strafvollzugs sowie die Höhe der staatlichen Ersatzforderung an.
Das Obergericht des Kantons Schaffhausen weist in seiner Stellungnahme darauf hin, dass der Verkehrswert von zwei mit einer Grundbuchsperre belegten Grundstücken gemäss einer aktuellen Schätzung des Schweizerischen Bauernverbands vom Februar 2008 Fr. 1'175'000.- beträgt. Im Übrigen hat das Obergericht unter Hinweis auf die Erwägungen im angefochtenen Urteil auf Gegenbemerkungen verzichtet.
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Schaffhausen stellt in ihrer Vernehmlassung den Antrag, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
4.
Der Beschwerdeführer ficht den Widerruf des bedingten Vollzugs der Vorstrafe von 45 Tagen gemäss Strafbefehl vom
BGE 134 IV 241 S. 243
14. August 2001 nicht an. Er macht aber geltend, dass aus dieser für vollziehbar erklärten Vorstrafe und der neuen Strafe in Anwendung des neuen, milderen Rechts gemäss Art. 46 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit
Art. 49 StGB
eine Gesamtstrafe nach dem Asperationsprinzip zu bilden sei.
4.1
Art. 46 Abs. 1 StGB
bestimmt Folgendes:
"Begeht der Verurteilte während der Probezeit ein Verbrechen oder Vergehen und ist deshalb zu erwarten, dass er weitere Straftaten verüben wird, so widerruft das Gericht die bedingte Strafe oder den bedingten Teil der Strafe. Es kann die Art der widerrufenen Strafe ändern, um mit der neuen Strafe in sinngemässer Anwendung von Artikel 49 eine Gesamtstrafe zu bilden. Dabei kann es auf eine unbedingte Freiheitsstrafe nur erkennen, wenn die Gesamtstrafe mindestens sechs Monate erreicht oder die Voraussetzungen nach Artikel 41 erfüllt sind."
Art. 46 Abs. 1 des bundesrätlichen Entwurfs sah Folgendes vor:
"Begeht der Verurteilte während der Probezeit ein Verbrechen oder Vergehen und ist deshalb zu erwarten, dass er weitere Straftaten verüben wird, so widerruft das Gericht die ausgesetzte Strafe oder die bedingte Freiheitsstrafe. Verhängt es für beide Taten eine Strafe gleicher Art, so bildet es in sinngemässer Anwendung von Art. 49 eine Gesamtstrafe. Dabei kann es auf eine Freiheitsstrafe nur erkennen, wenn die Gesamtstrafe mindestens 6 Monate erreicht oder die Voraussetzungen nach Artikel 41 erfüllt sind."
Dazu wird in der Botschaft des Bundesrates Folgendes ausgeführt (BBl 1999 S. 1979 ff., 2057):
"Sind die Voraussetzungen erfüllt, so widerruft das Gericht die ausgesetzte Strafe oder die bedingte Freiheitsstrafe. Im Falle des Aussetzens der Strafe bestimmt es sodann die Art der Strafe nach den allgemeinen Grundsätzen, es beachtet insbesondere Artikel 41 E. Verhängt es für Rückfalltat und Anlasstat zweimal eine Strafe gleicher Art, so bildet es in sinngemässer Anwendung von Artikel 49 E eine Gesamtstrafe, wiederum mit der Einschränkung nach Artikel 41 E bezüglich der Freiheitsstrafe."
Daraus ergibt sich, dass eine Gesamtstrafe in sinngemässer Anwendung von Art. 49 einzig im Falle des Widerrufs einer
ausgesetzten Strafe
, nicht aber im Falle des Widerrufs einer
bedingten Strafe
gebildet werden sollte. Entsprechend sah Art. 46 Abs. 1 Satz 2 des bundesrätlichen Entwurfs die Bildung einer Gesamtstrafe in sinngemässer Anwendung von Art. 49 für den Fall vor, dass das Gericht "für beide Taten eine Strafe gleicher Art" "verhängt". "Für beide Taten", d.h. für die neue Tat und für die Gegenstand des früheren Urteils bildende frühere Tat, konnte das Gericht eine Strafe aber überhaupt
BGE 134 IV 241 S. 244
nur "verhängen", wenn im früheren Urteil die Strafe für die Gegenstand jenes Entscheids bildende Tat im Sinne von Art. 42 des bundesrätlichen Entwurfs ausgesetzt worden war.
Art. 42 des bundesrätlichen Entwurfs ("Aussetzen der Strafe") sah in den Absätzen 1 und 4 Folgendes vor:
"Hat der Täter die Voraussetzungen für eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe von weniger als 1 Jahr erfüllt, erscheint jedoch deren Vollzug nicht notwendig, um den Täter von weiteren Straftaten abzuhalten, so spricht ihn das Gericht schuldig, legt die Strafe in Strafeinheiten fest und setzt den Vollzug der Strafe aus.
Das Gericht bestimmt die Art der Strafe bei Widerruf infolge Nichtbewährung (Art. 46). 1 Strafeinheit entspricht 1 Tagessatz Geldstrafe, 4 Stunden gemeinnütziger Arbeit oder 1 Tag Freiheitsstrafe."
Nur im Falle des Widerrufs einer
ausgesetzten
Strafe, offensichtlich nicht auch im Falle des Widerrufs einer
bedingten
Strafe konnte das Gericht in die Lage kommen, "die Art der Strafe" zu "bestimmen". Denn bei der ausgesetzten Strafe waren lediglich die "Strafeinheiten" festgelegt, die Art der Strafe aber gerade noch nicht bestimmt. Demgegenüber ist bei der auch schon im Entwurf vorgesehenen bedingten Strafe die Art der Strafe im Entscheid, in welchem die bedingte Strafe ausgefällt wurde, bereits bestimmt. In den Verhandlungen der eidgenössischen Räte wurde das Institut des "Aussetzens der Strafe" im Sinne des bundesrätlichen Entwurfs fallengelassen. Folgerichtig hätte Art. 46 Abs. 1 Satz 2 des bundesrätlichen Entwurfs ersatzlos gestrichen werden müssen. Stattdessen haben die eidgenössischen Räte aus schwer nachvollziehbaren Gründen eine nunmehr auf den Fall des Widerrufs des bedingten Strafvollzugs quasi angepasste, im bundesrätlichen Entwurf noch nicht vorgesehene Bestimmung kreiert, wonach das Gericht die Art der widerrufenen Strafe "ändern" kann, "um" in sinngemässer Anwendung von
Art. 49 StGB
eine Gesamtstrafe zu bilden (siehe AB 1999 S S. 1118; AB 2001 N S. 563).
4.2
Art. 46 Abs. 1 Satz 2 StGB
ist in mehrfacher Hinsicht problematisch. Die Bestimmung stösst auch in der Lehre auf Kritik. Es sei sehr eigenartig, dass die Art der Vorstrafe und damit auch ein rechtskräftiges Urteil überhaupt geändert werden kann, und es sei rechtsstaatlich höchst bedenklich, beispielsweise eine (mildere) Geldstrafe in eine (schwerere) Freiheitsstrafe abzuändern (GÜNTER STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil II, 2. Aufl. 2006, § 5 N. 96; CHRISTIAN SCHWARZENEGGER/MARKUS HUG/DANIEL JOSITSCH,
BGE 134 IV 241 S. 245
Strafrecht II, 8. Aufl. 2007, S. 145/146; ROLAND M. SCHNEIDER/ROY GARRÉ, Basler Kommentar, StGB I, 2. Aufl. 2007,
Art. 46 StGB
N. 30). Sonderbar sei zudem, dass ausgerechnet bei Gleichartigkeit der Vorstrafe und der neuen Strafe nach dem Wortlaut der Bestimmung die Bildung einer Gesamtstrafe nicht möglich ist, was offensichtlich auf einem Versehen des Gesetzgebers beruhe (SCHNEIDER/GARRÉ, a.a.O.,
Art. 46 StGB
N. 31; auch STRATENWERTH, a.a.O., § 5 N. 96). Zur Frage, wie im Falle des Widerrufs des bedingten Vollzugs der Vorstrafe die Bildung einer Gesamtstrafe in sinngemässer Anwendung von
Art. 49 StGB
vorzunehmen und ob dies überhaupt sachgerecht ist, äussert sich die Lehre so weit ersichtlich nicht.
4.3.
Art. 46 Abs. 1 Satz 2 StGB
scheint zum Ausdruck zu bringen, dass der Richter für die Gegenstand der früheren Verurteilung bildenden Taten und für die während der Probezeit verübten neuen Taten eine Gesamtstrafe bilden kann, wie wenn er alle Straftaten gleichzeitig zu beurteilen hätte. Eine ähnliche Regelung enthält
Art. 89 StGB
für den Fall des Widerrufs der bedingten Entlassung bei Verübung von Straftaten während der Probezeit. Nach
Art. 89 Abs. 6 StGB
bildet das Gericht "in Anwendung von Artikel 49 eine Gesamtstrafe", wenn auf Grund der neuen Straftat die Voraussetzungen für eine unbedingte Freiheitsstrafe erfüllt sind und diese mit der durch den Widerruf vollziehbar gewordenen Reststrafe zusammentrifft. Diese Vorschrift entspricht Art. 89 Abs. 3 des bundesrätlichen Entwurfs. Dazu wird in der Botschaft des Bundesrates lediglich ausgeführt, die vorgeschlagene Bestimmung regle das Zusammentreffen eines durch Widerruf vollziehbaren Strafrests mit einer neuen Freiheitsstrafe "sachgerechter" als das bisherige Recht: Der Richter kumuliere nicht einfach wie bisher beide Strafen, sondern bilde aus ihnen eine Gesamtstrafe, auf welche die Regeln der bedingten Entlassung erneut anwendbar seien (Botschaft, a.a.O., S. 2123).
Soweit Art. 46 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit
Art. 49 StGB
zum Ausdruck bringen sollte, dass der Richter für die Gegenstand der früheren Verurteilung bildenden Straftaten einerseits und die während der Probezeit begangenen neuen Straftaten andererseits eine Gesamtstrafe nach dem Asperationsprinzip bilden kann, wie wenn er alle Straftaten gleichzeitig zu beurteilen hätte, erscheint dies als wenig sachgerecht. Der Fall, dass ein Täter
nach
einer rechtskräftigen Verurteilung zu einer bedingten Freiheitsstrafe während der Probezeit weitere Delikte verübt, unterscheidet sich wesentlich vom
BGE 134 IV 241 S. 246
Fall eines Täters, der sämtliche Taten begangen hatte,
bevor
er wegen dieser Taten (siehe
Art. 49 Abs. 1 StGB
) beziehungsweise zumindest wegen eines Teils dieser Taten (vgl.
Art. 49 Abs. 2 StGB
betreffend die retrospektive Konkurrenz) verurteilt worden ist. Eine Gleichstellung dieser Fälle bei der Strafzumessung erscheint als sachfremd, weil damit der straferhöhend zu wertende Umstand, dass der Täter einen Teil der Taten während der Probezeit nach einer rechtskräftigen Verurteilung zu einer bedingten Strafe begangen hat, bei der Strafzumessung zu Unrecht unberücksichtigt bliebe. Wie es sich damit im Einzelnen verhält, muss indessen im vorliegenden Fall aus nachstehenden Gründen nicht abschliessend beurteilt werden.
4.4
Das Verfahren nach
Art. 46 Abs. 1 Satz 2 StGB
ist nach dem klaren Wortlaut der Bestimmung ("[...] kann [...]") fakultativ. Es findet nach dem klaren Wortlaut der Vorschrift nur Anwendung, wenn die bedingte Vorstrafe und die neue Strafe nicht gleichartig sind und daher das Gericht die Art der Vorstrafe ändert. Diese Voraussetzung ist vorliegend nicht erfüllt, da beide Strafen gleichartig sind.
Die Vorinstanz hat somit Bundesrecht nicht verletzt, indem sie nicht gestützt auf
Art. 46 Abs. 1 Satz 2 StGB
in sinngemässer Anwendung von
Art. 49 StGB
eine Gesamtstrafe gebildet hat. Die Beschwerde ist daher in diesem Punkt abzuweisen. | null | nan | de | 2,008 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
c6ba0ef0-b286-480d-b89e-9067bffea77d | Urteilskopf
102 Ia 368
53. Auszug aus dem Urteil vom 3. November 1976 i.S. Wasserfallen Transport AG gegen Einwohnergemeinde Liestal und Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft | Regeste
Art. 22ter BV
; Zonenplanung.
Öffentliches Interesse als Voraussetzung für die Zuteilung einer Liegenschaft zur Zone für öffentliche Werke und Anlagen; zukünftiges Raumbedürfnis des Gemeinwesens. | Sachverhalt
ab Seite 368
BGE 102 Ia 368 S. 368
Die Wasserfallen Transport AG (im folgenden: Wasserfallen AG) ist Eigentümerin der Parzelle Nr. 1558 am Gestadeckplatz
BGE 102 Ia 368 S. 369
in Liestal. Die Liegenschaft misst 1526 m2 und ist überbaut. Die Gebäulichkeiten sind an die Autobus AG, eine Tochtergesellschaft der Wasserfallen AG, vermietet. Die Autobus AG befasst sich mit dem Transport von Gütern und Personen.
Die Einwohnergemeindeversammlung von Liestal stimmte am 7. und 15. September 1971 einer neuen Ortsplanung zu. Nach dieser wurde die Parzelle Nr. 1558 der Wohn-/Geschäftszone 3 (WG 3) zugeteilt. In der Folge beantragte der Gemeinderat dem Einwohnerrat von Liestal verschiedene Änderungen der im September 1971 angenommenen Zonenordnung. Eine davon betraf die Parzelle Nr. 1558. Der Gemeinderat führte dazu aus, die seit 1971 eingetretenen neuen Verhältnisse liessen es als ratsam erscheinen, auf die Zuweisung dieser Parzelle zur WG 3-Zone zurückzukommen. Es zeige sich heute, dass die Liegenschaft schon im Jahre 1971 der Zone für öffentliche Werke und Anlagen (OeW-Zone) hätte zugeteilt werden sollen. Mit Beschluss vom 24. Oktober 1973 strich der Einwohnerrat von Liestal die Parzelle Nr. 1558 aus der WG 3-Zone und teilte sie der Zone für öffentliche Werke und Anlagen zu.
Diese Umzonung und weitere Änderungen machten ein neues Planauflage- und Einspracheverfahren notwendig. Mit Einsprache vom 18. Dezember 1973 beantragte die Wasserfallen AG, die Parzelle Nr. 1558 sei aus der Zone für öffentliche Werke und Anlagen zu streichen und wie ursprünglich vorgesehen der WG 3-Zone zuzuteilen. Mit Beschluss vom 20. Mai 1975 erteilte der Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft der Ortsplanung der Gemeinde Liestal teilweise die Genehmigung und wies die Einsprache der Wasserfallen AG ab.
Das Bundesgericht hat die staatsrechtliche Beschwerde der Wasserfallen AG gutgeheissen.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts kann sich das öffentliche Interesse für eine Eigentumsbeschränkung und insbesondere für ein Bauverbot, wie es die Zuteilung einer Liegenschaft zur Zone für öffentliche Werke und Anlagen zur Folge hat, auch aus einem zukünftigen Bedürfnis des Gemeinwesens ergeben. Es muss sich jedoch, wie das Bundesgericht
BGE 102 Ia 368 S. 370
wiederholt ausgeführt hat, um ein Bedürfnis handeln, das vom Gemeinwesen möglichst genau anzugeben und dessen Eintritt mit einiger Sicherheit zu erwarten ist (
BGE 94 I 136
;
BGE 88 I 295
f.; nicht veröffentlichtes Urteil Zocchetti vom 7. März 1973, E. 2).
a) Die Gemeinde Liestal hat im bundesgerichtlichen Beschwerdeverfahren, in welchem sie auf eine selbständige Vernehmlassung verzichtet hat, nicht dargelegt, welche Gründe eine Zuweisung der Parzelle Nr. 1558 zur Zone für öffentliche Bauten und Anlagen verlangen. Auch im Antrag des Gemeinderates an den Einwohnerrat von Liestal zur nachträglichen Änderung der Zonenordnung finden sich hierüber keine näheren Ausführungen. Lediglich der Vernehmlassung des Regierungsrates ist zu entnehmen, dass die Liegenschaft möglicherweise für den Bau einer Autoeinstellhalle benötigt werde. Diese Angabe ist jedoch zu allgemein und ausschliesslich hypothetischer Natur. Überdies würde die Fläche der Parzelle Nr. 1558 die Verwirklichung eines solchen Vorhabens kaum gestatten.
b) Der Regierungsrat räumt in seiner Vernehmlassung ein, dass die genaue Verwendung der Parzelle Nr. 1558 im heutigen Zeitpunkt noch ungewiss ist. Er rechtfertigt ihre Zuweisung zur Zone für öffentliche Werke und Anlagen jedoch damit, dass bereits heute die Notwendigkeit einer Erweiterung des jetzigen OeW-Areals mit Sicherheit feststehe. Es trifft zu, dass auch Eigentumsbeschränkungen und Bauverbote im öffentlichen Interesse liegen können, welche die spätere Erweiterung einer bestehenden oder auch erst geplanten öffentlichen Anlage ermöglichen sollen (vgl.
BGE 94 I 136
). Auch in diesem Fall gilt jedoch, dass das künftige Bedürfnis vom Gemeinwesen möglichst genau anzugeben und dass dessen Eintritt, hier also die Notwendigkeit einer Erweiterung der bestehenden Anlagen, mit einiger Sicherheit zu erwarten ist.
In der Zone für öffentliche Werke und Anlagen, an deren nordwestlicher Ecke die Parzelle Nr. 1558 liegt, befinden sich öffentliche Anlagen, die teils dem Kanton, teils der Gemeinde Liestal gehören. Wie der Regierungsrat ausgeführt hat, beschäftigt sich eine aus Vertretern des Kantons und der Gemeinde gebildete Kommission mit einer neuen Gesamtplanung für dieses Gebiet. Eine Neuaufteilung des Areals auf den Kanton und die Gemeinde Liestal bedingt jedoch, dass vorgängig
BGE 102 Ia 368 S. 371
die militärischen Bauten (Kaserne) aus der Zone verlegt werden. Schon diese Umstände allein lassen das öffentliche Interesse an einer Zuteilung der Parzelle Nr. 1558 zur OeW-Zone als zu vage und unbestimmt erscheinen. Wenn sodann die OeW-Zone, wie der Regierungsrat geltend macht, in ihrer jetzigen Grösse nicht genügt, so ist schwer verständlich, warum im Zentrum des Areals, zwischen der Kaserne und dem Stadtkern, eine grosse Fläche in der WG 3-Zone belassen wurde, die Parzelle Nr. 1558 jedoch eingezont wurde. Diese befindet sich an der äussersten Ecke der bestehenden OeW-Zone und liegt im Gegensatz zur erwähnten Fläche tiefer als das übrige Areal. Hinzukommt, dass sich die Liegenschaft der Beschwerdeführerin für eine Neuverteilung der OeW-Zone schlecht eignen würde. Die peripher gelegene Parzelle wäre vom übrigen Areal nicht nur durch den erwähnten Niveauunterschied, sondern auch durch die bestehenden Schulhäuser abgetrennt. Dass diese erweitert oder einer andern Verwendung zugeführt werden sollten, wird von niemandem geltend gemacht.
Diese Umstände lassen das Bedürfnis nach einer Zuteilung der Parzelle Nr. 1558 zur OeW-Zone als unbestimmt und dessen Verwirklichung als ungewiss erscheinen. Die notwendige Bestimmtheit würde ihm selbst dann fehlen, wenn man an dieses Erfordernis weniger hohe Anforderungen stellen und wenn man insbesondere annehmen wollte, die Freihaltung eines Grundstückes liege schon dann im öffentlichen Interesse, wenn dies lediglich zur Sicherstellung einer künftigen Planung notwendig sei. Über eine solche Erweiterung der Rechtsprechung ist hier jedoch nicht zu entscheiden.
c) Dem Interesse an einer Freihaltung der Parzelle Nr. 1558 steht das private Interesse der Beschwerdeführerin gegenüber, über ihre Liegenschaft frei verfügen zu können, sei es durch eine Erweiterung und Erneuerung der baulichen Einrichtungen, die zumindest teilweise erneuerungsbedürftig sind, sei es durch eine vollständige Neuüberbauung der Liegenschaft. Dieses Interesse überwiegt das dargelegte vage und unbestimmte öffentliche Interesse. Die Zuteilung der Liegenschaft zur Zone für öffentliche Werke und Anlagen ist deshalb mit der Eigentumsgarantie nicht vereinbar. | public_law | nan | de | 1,976 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
c6bd4091-b1db-4c26-8476-6b64d5360e6d | Urteilskopf
107 V 239
56. Auszug aus dem Urteil vom 1. Oktober 1981 i.S. Tratzi gegen Schweizerische Unfallversicherungsanstalt und Versicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt | Regeste
Art. 82 KUVG
.
Anspruch auf Abfindung bei Neurosen: Bestätigung und Präzisierung der Rechtsprechung. | Erwägungen
ab Seite 240
BGE 107 V 239 S. 240
Aus den Erwägungen:
2.
a) Die Vorschrift des
Art. 82 KUVG
hat nicht nur für Neurosen Geltung, auch wenn die Bestimmung dem Sinne nach in erster Linie auf diese Fälle zugeschnitten ist und es sich dabei um den wichtigsten Anwendungsfall handelt. Das Eidg. Versicherungsgericht hat es in
BGE 103 V 83
ff. daher abgelehnt, der Auffassung der SUVA zu folgen, wonach der Hinweis in
Art. 82 KUVG
auf die Wiedererlangung der Erwerbsfähigkeit nach Aufnahme der Arbeit lediglich bedeute, dass nach KUVG die Abfindung die Therapie der Wahl für Neurosen darstelle und blosser Ausfluss der Erfahrung sei, dass der Abfindung dieser Erfolg an sich schon eigne, weshalb in der Wiedererlangung der Erwerbsfähigkeit keine selbständige Voraussetzung für die Zusprechung einer Abfindung erblickt werden dürfe. Das Gericht stellte demgegenüber fest, dass es sich bei der Annahme, der Versicherte werde nach Erledigung der Versicherungsansprüche und bei Wiederaufnahme der Arbeit die Erwerbsfähigkeit wieder erlangen, um eine vom Gesetz verlangte Voraussetzung für den Abschluss des Versicherungsfalles durch Abfindung handle. Im übrigen äusserte es sich mit Bezug auf die Abfindung bei Neurosen wie folgt: "Im häufigsten Anwendungsfall der Neurose ist erfahrungsgemäss die Abfindung in der Regel das geeignete therapeutische Mittel, um dem Versicherten zur Wiedererlangung der Erwerbsfähigkeit zu verhelfen. Eine Ausnahme von dieser Regel in dem Sinne, dass die Abfindung diesen Zweck nicht erreichen werde, dürfte nur angenommen werden, wenn sie im konkreten Fall durch eine ganz eindeutige, allgemein geltender Lehrmeinung entsprechende Beurteilung eines Psychiaters bestätigt würde."
b) Die SUVA erachtet die für die Abfindung bei Neurosen geltende Rechtsprechung insofern als ergänzungsbedürftig, als offen geblieben sei, ob es zur Abklärung der Frage, ob von der Abfindung die Wiedererlangung der Erwerbsfähigkeit erwartet werden könne, in jedem Fall eines vorsorglichen psychiatrischen Gutachtens bedürfe oder ob in der Regel auf die allgemeine ärztliche bzw. unfalladministrative Erfahrung abgestellt werden dürfe. Wenn letzteres zutreffe, stelle sich für den Fall, dass vom Betroffenen eine Ausnahme von der Erfahrungsregel geltend gemacht werde, die Frage, ob das psychiatrische Gutachten durch den Versicherten, die SUVA oder allenfalls durch den Richter einzuholen sei.
BGE 107 V 239 S. 241
Nach der genannten Rechtsprechung ist bei Neurosen erfahrungsgemäss davon auszugehen, dass die Abfindung in der Regel das geeignete therapeutische Mittel darstellt, um dem Versicherten zur Wiedererlangung der Erwerbsfähigkeit zu verhelfen. Aufgrund dieser Erfahrungsregel, welche sich - wie die medizinische Abteilung der SUVA ausführt - auf immer wieder bestätigte ärztliche und unfalladministrative Erkenntnisse stützt, braucht nicht in jedem Einzelfall näher geprüft zu werden, ob die Abfindung tatsächlich geeignet ist, den gesetzlich vorausgesetzten Zweck zu erreichen. Es bedarf daher auch nicht in jedem Fall einer entsprechenden psychiatrischen Begutachtung.
Ob eine Ausnahme von der Erfahrungsregel vorliegt, ist nur dann näher abzuklären, wenn erhebliche Zweifel darüber bestehen, ob die Erledigung der Versicherungsansprüche tatsächlich zu einer Wiedererlangung der Erwerbsfähigkeit zu führen vermag. Trifft dies zu, so sind die erforderlichen Abklärungen gemäss Untersuchungsmaxime von Amtes wegen vorzunehmen. Die für Neurosen geltende Erfahrungsregel beinhaltet nicht eine Beweisführungslast des Versicherten in dem Sinne, dass dieser den Nachweis dafür zu erbringen hätte, dass unter den gegebenen Umständen nicht mit einer Wiedererlangung der Erwerbsfähigkeit gerechnet werden könne. Sie bedeutet in beweismässiger Hinsicht lediglich, dass von der auf ärztlicher und unfalladministrativer Erfahrung beruhenden Annahme, wonach der Abfindung diese Wirkung in der Regel zukommt, nur abzuweichen ist, wenn im Einzelfall durch eine "ganz eindeutige, allgemein geltender Lehrmeinung entsprechende Beurteilung eines Psychiaters" (
BGE 103 V 88
/89) bestätigt wird, dass die Abfindung den erwähnten therapeutischen Zweck nicht erreichen wird. | null | nan | de | 1,981 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
c6be5ece-6ba8-43cf-963c-0caf838ce335 | Urteilskopf
107 V 167
35. Extrait de l'arrêt du 4 juin 1981 dans la cause L'Avenir, Société romande d'assurance-maladie et accidents contre Emonet et Cour de justice du canton de Genève | Regeste
Art. 12 Abs. 2 Ziff. 1 lit. a und c KUVG, Art. 21 Abs. 1 und Art. 22 Vo III.
- Anwendbare Kriterien, wenn zu entscheiden ist, ob die Krankenversicherung ein Arzneimittel zu übernehmen hat (Erw. 1).
- Zuständigkeit der Kantone und paritätischen Kommissionen, die Kassen zur Übernahme von Arzneimitteln zu verpflichten (Erw. 2 und 3)? | Sachverhalt
ab Seite 167
BGE 107 V 167 S. 167
A.-
Thérèse Emonet est assurée contre la maladie - notamment pour les frais médicaux et pharmaceutiques - auprès de l'Avenir, caisse-maladie reconnue. Durant un traitement, son médecin lui prescrivit un médicament dont il arrêta la composition.
La caisse refusa de prendre en charge ce médicament, parce qu'il contenait des hormones thyroïdiennes ou des dérivés de telles hormones. Or, affirmait-elle, ces substances ne figurent ni dans la liste des médicaments avec tarif ni dans celle des spécialités, mais au contraire dans la liste négative de produits et accessoires qui ne doivent pas être facturés aux caisses-maladie.
BGE 107 V 167 S. 168
B.-
Le 8 mai 1980, la Cour de justice de Genève admit le recours formé par Thérèse Emonet, pour le motif que le médicament en cause ne contenait pas d'hormones thyroïdiennes, seules substances de nature à le faire exclure - selon les prescriptions de l'Office fédéral des assurances sociales - du traitement.
C.-
La caisse-maladie a formé un recours de droit administratif contre le jugement cantonal. Elle allègue que le remède litigieux contenait des hormones thyroïdiennes ou des dérivés de ces hormones, associés dangereusement à des anorexigènes.
L'intimée arguë de l'efficacité et de l'innocuité du médicament contesté; elle conclut au rejet du recours.
Dans son préavis, l'Office fédéral des assurances sociales propose d'admettre le recours.
D.-
Selon les pièces produites devant le Tribunal fédéral des assurances et les constatations faites par le Service pharmaceutique de l'Office fédéral des assurances sociales, le médicament prescrit à l'intimée contenait des extraits de thyroïde, sous la forme de Triacana ou Triac, associés à des substances anorexigènes; il faisait partie des remèdes appelés du nom de leur inventeur "gélules de Moron".
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
a) Suivant la jurisprudence relative aux art. 12 al. 2 ch. 1 let. a et 12 al. 5 LAMA ainsi que 21 al. 1 Ord. III, les mesures diagnostiques ou thérapeutiques appliquées par le médecin qui ne sont pas reconnues ou qui sont contestées, scientifiquement, ne constituent pas des prestations obligatoires, sauf décision contraire du Département fédéral de l'intérieur (
ATF 106 V 36
).
Par ailleurs, en vertu des
art. 12 al. 2 ch. 1 let
. c et 12 al. 6 LAMA ainsi que 22 Ord. III, les médicaments dont la prise en charge est obligatoire pour les caisses figurent dans la liste des médicaments avec tarif; les spécialités et les médicaments confectionnés dont la prise en charge est recommandée aux caisses sont mentionnés dans la liste des spécialités.
Lorsqu'un traitement médical comportant l'administration de médicaments n'est pas scientifiquement reconnu ou est scientifiquement contesté, cela suffit pour que les caisses-maladie n'aient pas à prendre en charge les remèdes ainsi prescrits; il n'est donc pas nécessaire d'examiner la question sous l'angle des règles
BGE 107 V 167 S. 169
applicables aux médicaments (
ATF 106 V 36
). Mais, s'il est établi qu'une préparation ne figure pas dans la liste des médicaments et que les dispositions internes des caisses n'en prévoient pas la prise en charge, cela exclut déjà toute obligation de ces dernières de l'assumer; il est alors superflu de vérifier si le traitement dispensé est scientifiquement reconnu, voire incontesté.
b) Si l'on se fonde sur le seul droit fédéral, il ne fait pas de doute que la mesure thérapeutique prescrite à l'intimée par son médecin n'est pas à la charge de la caisse recourante: le traitement... au moyen d'hormones thyroïdiennes et de leurs dérivés est scientifiquement contesté, notamment parce qu'il comporte des risques excessifs au regard du résultat espéré (expertise du professeur W. Stauffacher, médecin consulté par la Commission fédérale des prestations générales de l'assurance-maladie - voir RJAM 1974 p. 49). L'Avenir a du reste versé au dossier en cours de procédure une note du professeur E. J. attirant notamment l'attention sur les complications cardiaques graves que peut entraîner la préparation en cause. Dans ces circonstances, il faudrait une décision du Département fédéral de l'intérieur - qui fait défaut en l'occurrence - pour qu'un tel traitement constitue une prestation obligatoire, ainsi qu'il a été exposé plus haut.
2.
Dans ses statuts, l'Avenir déclare se soumettre notamment aux lois cantonales concernant l'assurance-maladie. Toutefois, en légiférant en matière d'assurance-maladie régie par la LAMA, les cantons et les communes ne peuvent violer des dispositions impératives du droit fédéral. La législation genevoise ne saurait donc obliger les caisses reconnues, dans la pratique de l'assurance-maladie au sens du premier titre de la LAMA, à prendre en charge des traitements tels que celui en cause. Car, s'il n'impose aux caisses-maladie que des prestations minimales, dans un souci indéniable d'économie, le droit fédéral entend toutefois garantir un haut niveau de qualité des traitements fournis aux frais de l'assurance. Qu'on songe à cet égard, p.ex., aux exigences relatives à la formation professionnelle que les fournisseurs de soins doivent avoir reçue (
art. 21 LAMA
). Dans cette optique, imposer aux caisses la prise en charge de traitements scientifiquement non reconnus, voire contestés, reviendrait à porter atteinte à la qualité des soins fournis pour le compte de l'assurance-maladie, du moins si le traitement en cause - comme en l'espèce - présente de l'avis d'experts de graves dangers, jugés excessifs au regard des résultats escomptés.
BGE 107 V 167 S. 170
Il n'est en revanche pas nécessaire d'examiner aujourd'hui la question que soulèverait dans d'autres circonstances l'application de la prescription cantonale imposant aux caisses d'assumer tous les médicaments ordonnés par le médecin (à l'exception de ceux figurant sur une liste spéciale; art. 10 de la loi genevoise sur le subventionnement des caisses-maladie du 3 octobre 1969). On se contentera de relever que l'admission d'un médicament dans l'une des deux listes officielles n'est pas subordonnée à la réalisation de conditions de nature scientifique seulement.
3.
La Commission paritaire instituée par la convention liant l'Association des pharmacies du canton de Genève et la Fédération genevoise des caisses-maladie ne saurait pour sa part, vu les motifs évoqués ci-dessus, imposer à ces dernières la prise en charge des médicaments prescrits dans le cadre du traitement litigieux.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral des assurances prononce:
Le recours est admis, le jugement attaqué étant annulé. | null | nan | fr | 1,981 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
c6bffcf5-e598-47b9-b867-a94b603ee4d5 | Urteilskopf
111 IV 48
13. Extrait de l'arrêt de la Chambre d'accusation du 18 février 1985 dans la cause P. et H. contre le Juge d'instruction du canton de Vaud et OFP | Regeste
Art. 48 Abs. 2 IRSG
,
Art. 33 Abs. 1 OG
.
Die Beschwerdefrist von 10 Tagen gemäss
Art. 48 Abs. 2 IRSG
kann nicht erstreckt werden; eine Fristverlängerung zur Beweisführung über Tatsachen, welche die Unzulässigkeit der angefochtenen Untersuchungshandlungen dartun sollen, ist ausgeschlossen. | Erwägungen
ab Seite 48
BGE 111 IV 48 S. 48
Extrait des considérants:
2.
Les deux recourants demandent un délai de 10 semaines pour compléter leur recours par des preuves démontrant que leurs avoirs bloqués dans les banques et les objets séquestrés ne sont pas d'origine délictueuse (producta sceleris). Ce chef de conclusions ne peut être admis. Le délai prévu à l'
art. 48 al. 2 EIMP
(RS 351.1) est un délai fixé par la loi qui ne peut être prolongé (
art. 33 al. 1 OJ
). De plus, le fait que les recourants soutiennent disposer d'un temps trop limité pour réunir les preuves qu'ils souhaitent apporter est dépourvu de pertinence. Ils oublient en effet que la procédure devant la Chambre de céans doit seulement permettre d'examiner si le bien-fondé des moyens soulevés à l'encontre des actes d'instruction critiqués, telles l'arrestation de l'accusé et la saisie d'objets ou de valeurs, peut être établi sans délai et sans procédure probatoire de quelque durée (voir
ATF 109 IV 176
). Cela découle non seulement de la brièveté du délai de recours, limité à 10 jours par le législateur, mais encore de l'
art. 47 al. 1 lettre b EIMP
prévoyant que la preuve par alibi doit être fournie "sans délai", lors même que cette disposition vise la mesure d'instruction la plus contraignante, soit l'arrestation en vue de l'extradition. | null | nan | fr | 1,985 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
c6c351bd-324a-4f0f-950a-f9a00a8eebf8 | Urteilskopf
126 I 203
25. Extrait de l'arrêt de la Ie Cour de droit public du 26 juin 2000 dans la cause Epoux X. contre commune de Luins, Département des infrastructures et Tribunal administratif du canton de Vaud (recours de droit public) | Regeste
Zulässigkeit der staatsrechtlichen Beschwerde, Zwischenentscheid, Ablehnung;
Art. 30 BV
(
Art. 58 aBV
),
Art. 87 OG
.
Aufgrund von
Art. 87 OG
- sowohl in seiner neuen, seit 1. März 2000 in Kraft getretenen, als auch in seiner alten Fassung - ist die staatsrechtliche Beschwerde gegen einen Endentscheid insoweit unzulässig, als sie sich gegen die Zusammensetzung der entscheidenden Behörde richtet, nachdem vorgängig ein gesonderter Zwischenentscheid über ein Ausstandsbegehren ergangen ist; es oblag den Beschwerdeführern, direkt diesen Zwischenentscheid anzufechten. | Sachverhalt
ab Seite 204
BGE 126 I 203 S. 204
Dans une contestation relative à un projet de construction d'un de leurs voisins, les époux X. ont recouru au Tribunal administratif du canton de Vaud contre un plan routier communal destiné à assurer la desserte du terrain litigieux. Les parties ont été informées le 22 juillet 1999 de la composition de la Cour du Tribunal administratif qui traiterait cette affaire. Les époux X. ont alors demandé la récusation du président ainsi que des deux assesseurs, en invoquant leur participation à une décision précédente du Tribunal administratif concernant le même projet immobilier.
Le 19 novembre 1999, le président de la Cour plénière du Tribunal administratif a déclaré irrecevable la demande de récusation, l'avance de frais demandée pour cette procédure incidente n'ayant pas été effectuée.
Le Tribunal administratif, dans la composition précédemment annoncée, a rejeté le recours des époux X. par un arrêt rendu le 1er février 2000. Les époux X. ont formé un recours de droit public contre cet arrêt, en critiquant la composition de la cour cantonale et en qualifiant d'illégale l'exigence du dépôt d'une avance de frais pour la procédure de récusation. A l'encontre du projet de route communale, ils se sont plaints d'une violation de la garantie de la propriété.
Le Tribunal fédéral a déclaré irrecevables les griefs se rapportant à la composition de la cour cantonale et il a, pour le reste, rejeté le recours de droit public.
Erwägungen
Extrait des considérants:
1.
Dans un premier moyen, les recourants invoquent les garanties de procédure judiciaire (
art. 30 Cst.
) pour se plaindre de la partialité du Tribunal administratif.
a) En dernière instance cantonale, les recourants ont soulevé leurs griefs relatifs à la composition du tribunal dès que celle-ci leur a été communiquée. Aussi une procédure incidente a-t-elle été d'emblée ouverte, qui a pris fin par la décision du 19 novembre 1999 du président de la Cour plénière. Ce prononcé d'irrecevabilité de la demande de récusation, ne pouvant faire l'objet d'un recours auprès d'une autorité cantonale (cf. notamment art. 50 LJPA), n'a pas été directement attaqué devant le Tribunal fédéral par la voie du recours de droit public, dans les trente jours dès sa communication (
art. 89 al. 1 OJ
). Les recourants n'ont en effet présenté leurs critiques contre
BGE 126 I 203 S. 205
la décision incidente qu'à l'occasion de leur recours de droit public contre l'arrêt final, du 1er février 2000.
b) Il convient d'examiner si les recourants n'auraient pas dû, pour critiquer l'absence de récusation des membres de la cour cantonale, recourir directement au Tribunal fédéral contre la décision du 19 novembre 1999. La nature incidente de cette décision du Tribunal administratif est manifeste. C'est pourquoi la question doit être traitée sous l'angle de l'
art. 87 OJ
.
Dans le délai légal de recours dès la communication de cette décision incidente, cette question aurait été résolue sur la base de l'ancien
art. 87 OJ
, en vigueur jusqu'au 29 février 2000. Il avait la teneur suivante:
"Le recours de droit public pour violation de l'article 4 de la constitution fédérale [= aCst.] n'est recevable que contre les décisions finales prises en dernière instance; il n'est recevable contre des décisions incidentes prises en dernière instance que s'il en résulte un dommage irréparable pour l'intéressé."
Si les recourants avaient formé immédiatement un recours de droit public contre la décision du 19 novembre 1999, en développant les mêmes arguments que dans leur actuel recours au Tribunal fédéral, ils se seraient plaints principalement de la violation de l'
art. 58 aCst.
, encore en vigueur à ce moment-là (cf.
ATF 125 I 119
consid. 3a p. 122, 209 consid. 8a p. 217 et les arrêts cités; depuis le 1er janvier 2000, la garantie d'un tribunal indépendant et impartial figure à l'
art. 30 al. 1 Cst.
), et accessoirement d'une application arbitraire, ou contraire à l'
art. 4 aCst.
, du droit cantonal de procédure. Vu le grief principal, l'
art. 87 OJ
n'aurait donc pas été applicable et le recours, dirigé contre une décision prise en dernière instance cantonale (cf.
art. 86 al. 1 OJ
), aurait été jugé recevable de ce point de vue. En d'autres termes, aucune règle de procédure n'empêchait les recourants de saisir le Tribunal fédéral, au sujet de leur demande de récusation, avant la décision finale du Tribunal administratif.
On ne voit du reste pas pourquoi les recourants ont renoncé, à ce stade-là, à recourir directement auprès du Tribunal fédéral. Il importe que les contestations relatives à la composition du tribunal soient définitivement tranchées aussitôt que possible, pour permettre la poursuite de la procédure sur des bases sûres (cf.
ATF 124 I 255
consid. 1b/bb p. 259 et les arrêts cités). Il découle du principe de la bonne foi que la partie qui entend faire valoir une cause de récusation doit, en règle générale, utiliser sans délai les voies de droit disponibles (cf. JEAN-FRANÇOIS EGLI, La protection de la bonne foi dans
BGE 126 I 203 S. 206
le procès, in: Juridiction constitutionnelle et juridiction administrative, Zurich 1992 p. 240); à défaut, elle est forclose (cf. notamment
ATF 121 I 225
consid. 3 p. 229 et les arrêts cités). C'est pourquoi celui qui a obtenu une décision incidente, en dernière instance cantonale, sur sa demande de récusation, ne saurait attendre la décision finale pour recourir au Tribunal fédéral contre le rejet de cette demande. Il ne doit pas davantage être admis à contester, dans son recours de droit public contre la décision finale, la composition de la cour qui a statué sur le fond, puisque cette contestation a fait l'objet d'une procédure incidente close par une décision attaquable. En conséquence, sur la base de l'ancien
art. 87 OJ
et des principes que l'on vient de rappeler, il n'y aurait en l'état pas lieu d'entrer en matière sur les griefs du recours de droit public concernant la demande de récusation.
Cela étant, le recours de droit public a été déposé après l'entrée en vigueur, le 1er mars 2000, de la novelle du 8 octobre 1999 modifiant l'
art. 87 OJ
(RO 2000 p. 416). L'
art. 87 al. 1 OJ
a désormais la teneur suivante:
"Le recours de droit public est recevable contre les décisions préjudicielles et incidentes sur la compétence et sur les demandes de récusation, prises séparément. Ces décisions ne peuvent être attaquées ultérieurement."
Il découle clairement de cette disposition que le recours de droit public est irrecevable en tant que, dirigé contre la décision finale, il met en cause la composition de l'autorité qui a statué, alors qu'une décision incidente sur une demande de récusation avait été prise séparément au préalable. En l'absence de disposition transitoire dans la novelle du 8 octobre 1999, il n'est a priori pas exclu d'appliquer le nouvel
art. 87 al. 1 OJ
aux actes de procédure - le dépôt du recours de droit public en l'occurrence - accomplis après son entrée en vigueur (cf. arrêt non publié du 28 mai 1997 reproduit in RDAF 1998 I 312 consid. 4); il en résulterait l'irrecevabilité des moyens du présent recours relatifs à la demande de récusation. Dans son résultat, cette solution est identique à celle à laquelle on parviendrait par l'application de l'ancien
art. 87 OJ
- encore en vigueur lorsque l'arrêt attaqué a été rendu - et des règles précitées sur la péremption du droit de demander la récusation. Aussi n'y a-t-il pas lieu d'examiner plus en détail ces questions de droit transitoire, les griefs des recourants sur ce point étant de toute manière irrecevables. | public_law | nan | fr | 2,000 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
c6c48669-450f-466a-a5ff-0e106b0b4595 | Urteilskopf
137 V 295
31. Auszug aus der Verfügung der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. P. AG gegen Bundesamt für Gesundheit BAG (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
9C_69/2011 vom 11. Juli 2011 | Regeste
Art. 52 Abs. 1 lit. b, Art. 1a Abs. 2 lit. a und
Art. 25 Abs. 1 und 2 lit. b KVG
;
Art. 3 ATSG
; Aufnahme von Arzneimitteln in die Spezialitätenliste (Champix).
Gesichtspunkte für die Beurteilung der Rechtsfrage, wann Nikotinsucht behandlungsbedürftig ist und eine Krankheit im Sinne der obligatorischen Krankenpflegeversicherung darstellt (E. 2-6). | Sachverhalt
ab Seite 295
BGE 137 V 295 S. 295
A.
Im September 2006 ersuchte die Firma P. AG um Aufnahme des Präparates Champix mit dem Wirkstoff Vareniclin in der
BGE 137 V 295 S. 296
galenischen Form und Dosierung Filmtabletten/0,5 mg und 1 mg in verschiedenen Packungsgrössen, mit der Indikation "Raucherentwöhnung bei Erwachsenen" in die Spezialitätenliste (nachfolgend: SL). Nachdem das Schweizerische Heilmittelinstitut (Swissmedic) die Zulassung von Champix in Tablettenform als Arzneimittel für dieselbe Indikation unter Auflagen erteilt hatte (Verfügung vom 21. Dezember 2006), teilte das Bundesamt für Gesundheit (BAG) mit Schreiben vom 15. Januar 2008 mit, mangels Beleg der Wirksamkeit in Bezug auf langjährige Nikotinabstinenz und damit einer nur sehr bedingt möglichen Kosten-/Nutzenanalyse für eine Vergütung durch die obligatorische Krankenpflegeversicherung müsse das Gesuch abgelehnt werden. Nach einer Unterredung mit der Gesuchstellerin am 3. März 2008 erliess das BAG am 3. April 2008 eine Verfügung, mit welcher es die Aufnahme von Champix in die SL mangels Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit der Leistung abwies.
B.
Die Beschwerde der P. AG wies das Bundesverwaltungsgericht mit Entscheid vom 1. Dezember 2010 mit der Begründung ab, die Nikotinabhängigkeit sei nicht als eigenständige, behandlungsbedürftige gesundheitliche Störung mit Krankheitswert einzustufen und es bestehe dafür auch keine Vergütungspflicht im Rahmen der Präventionsleistungen.
C.
Die P. AG lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Rechtsbegehren, der Entscheid vom 1. Dezember 2010 sei aufzuheben und Champix Filmtabletten 0,5/1 mg in verschiedenen Packungsgrössen zu entsprechenden (Fabrikabgabe- und Publikumshöchst-)Preisen in die SL aufzunehmen, allenfalls unter Limitationen; eventualiter sei die Sache zu neuer Entscheidung an das Bundesverwaltungsgericht zurückzuweisen.
Das BAG beantragt die Abweisung der Beschwerde. Das Bundesverwaltungsgericht hat auf eine Vernehmlassung verzichtet.
Die P. AG hat eine Stellungnahme zur Vernehmlassung des Bundesamtes eingereicht.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Das BAG lehnte die Aufnahme von Champix in die SL (
Art. 52 Abs. 1 lit. b KVG
) mangels nachgewiesener Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit der Leistung ab (
Art. 32 Abs. 1
BGE 137 V 295 S. 297
KVG
;
Art. 65 Abs. 3 KVV
[SR 832.102];
Art. 30 Abs. 1 lit. a sowie
Art. 32 ff. KLV
[SR 832.112.31], je in den bis 30. September 2009 gültig gewesenen Fassungen). Die Vorinstanz hat offengelassen, ob eine Behandlung mit Champix wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich ist. Sie hat die Nichtaufnahme dieses von Swissmedic als Arzneimittel zugelassenen Präparates in die SL mit der Begründung bestätigt, bei der Nikotinabhängigkeit handle es sich nicht um eine selbständige Krankheit im Sinne von
Art. 1a Abs. 2 lit. a KVG
und die medikamentöse Nikotinentwöhnung sei nicht in der Positivliste der durch die obligatorische Krankenpflegeversicherung zu übernehmenden präventiven Massnahmen aufgeführt (
Art. 26 und 33 Abs. 5 KVG
;
Art. 33 lit. d KVV
in Verbindung mit
Art. 12 ff. KLV
und dazugehörigem Anhang I).
3.
Es ist eine allgemein bekannte Tatsache, dass (übermässiger) Tabakkonsum zu Gesundheitsschädigungen, u.a. zu Herzkreislauf-, Atemwegs-, (verschiedenen Formen von) Krebs- und chronisch obstruktiven Lungenerkrankungen, ferner auch Gonarthrose, Diabetes mellitus, Hypertonie oder Psoriasis führen kann (Bundesamt für Gesundheit, Nationales Programm Tabak 2008-2012, S. 4; MATHIAS BERGER, Psychische Erkrankungen. Klinik und Therapie, 3. Aufl. 2009, S. 369 f.; THONACK/HOFFMANN, Nikotin - für den Hausarzt eine wichtige Substanz, Primary Care 10/2010 S. 180; vgl. auch
BGE 111 V 186
E. 3 S. 189 ff.). Tabakmissbrauch stellt die häufigste vermeidbare Todesursache dar, wobei die Betroffenen in relativ jungem Alter sterben (Bundesamt für Statistik, Tabakbedingte Todesfälle in der Schweiz. Schätzung für die Jahre 1995-2007, 2009, S. 4 f.; ANDREAS ZELLER, Medikamentöse Behandlung bei Nikotinentzug, Therapeutische Umschau 8/2010 S. 419; KARL GRONER, Die Raucher/Nichtraucher-Segmentierung in der Lebensversicherung, Medinfo 1/2009 S. 18; CAHILL UND ANDERE, Nicotine receptor partial agonists for smoking cessation, 2007, in: Cochrane Database of Systematic Reviews 2007, Issue 1, S. 2). Trotz der mit dem Tabakkonsum verbundenen gesundheitlichen Risiken stellt die Behandlung mit Champix zur "Raucherentwöhnung bei Erwachsenen" unbestrittenermassen keine durch die obligatorische Krankenpflegeversicherung zu vergütende Leistung der medizinischen Prävention dar.
4.
4.1
Die soziale Krankenversicherung gewährt Leistungen u.a. bei Krankheit (
Art. 3 ATSG
[SR 830.1];
Art. 1a Abs. 2 lit. a KVG
). Die obligatorische Krankenpflegeversicherung übernimmt die Kosten
BGE 137 V 295 S. 298
für die Leistungen, die der Diagnose und Behandlung einer Krankheit und ihrer Folgen dienen. Diese Leistungen umfassen u.a. die ärztlich verordneten Arzneimittel der SL (Art. 52 Abs. 1 lit. b und
Art. 25 Abs. 1 und 2 lit. b KVG
).
4.2
4.2.1
Krankheit ist jede Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Gesundheit, die nicht Folge eines Unfalles ist und die eine medizinische Untersuchung oder Behandlung erfordert oder eine Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat (
Art. 3 Abs. 1 ATSG
). Dieser Gesetzeswortlaut stimmt bis auf die mit der 4. IV-Revision (in Kraft seit 1. Januar 2004) eingefügte ausdrückliche Erwähnung der psychischen Gesundheit mit
Art. 2 Abs. 1 KVG
(in Kraft gestanden bis 31. Dezember 2002) überein, sodass auf die dazu ergangene Rechtsprechung abgestellt werden kann (
BGE 130 V 343
E. 2.2 S. 344; Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts K 92/05 vom 3. November 2005 E. 2.2.1).
4.2.2
Wesentliche Begriffsmerkmale einer Krankheit sind demnach die Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Gesundheit, verstanden als ein von der Norm abweichender Körper- oder Geisteszustand, sowie das Erfordernis einer medizinischen Untersuchung oder Behandlung (
BGE 129 V 32
E. 4.2.1 S. 38). Nicht jede Abweichung von einem idealen ("normalen") Körperzustand ist als Krankheit im Rechtssinne (
BGE 124 V 118
E. 3b S. 121 mit Hinweisen) zu qualifizieren. Die Beeinträchtigung muss eine gewisse Schwere aufweisen, damit ihr "Krankheitswert" zukommt. Auf übliche und erträgliche Abweichungen von Ideal- oder Normvorstellungen trifft dies nicht zu (Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts K 92/05 vom 3. November 2005 E. 2.2.2). Behandlungsbedürftigkeit im Sinne von
Art. 3 Abs. 1 ATSG
liegt vor, wenn die Beeinträchtigung der Gesundheit die körperlichen und geistigen Funktionen in so beträchtlichem Masse einschränkt, dass die versicherte Person ärztlicher Hilfe bedarf, die Gesundung ohne medizinische Hilfe wahrscheinlich nicht oder nicht mit Aussicht auf Erfolg innert angemessener Zeit zu erreichen wäre, oder wenn ihr nicht zugemutet werden kann, ohne wenigstens den Versuch einer Behandlung zu leben (SJ 2011 I S. 209, 9C_465/2010 E. 4.1; Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts K 1/05 vom 16. August 2005 E. 1.2).
4.2.3
Die Beschwerdeführerin weist insoweit richtig darauf hin, dass eine behandlungsbedürftige Krankheit auch gegeben ist, wenn ein gefährdeter Gesundheitszustand unbehandelt sich wahrscheinlich
BGE 137 V 295 S. 299
verschlimmerte und dem mit der grössten Aussicht auf Erfolg durch eine möglichst frühzeitige Therapie entgegengewirkt werden kann, wenn also einer nicht ganz entfernten, ernst zu nehmenden Gesundheitsschädigung durch zweckmässige medizinische Behandlung zuvorgekommen werden kann (Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts K 5/06 vom 21. August 2006 E. 3.2; GEBHARD EUGSTER, Krankenversicherung, in: Soziale Sicherheit, SBVR Bd. XIV, 2. Aufl. 2007, S. 502 Rz. 324 f.). Diese Regel ist indessen auf den konkreten Einzelfall zugeschnitten und im Bereich der SL grundsätzlich nicht anwendbar. Die statistische Wahrscheinlichkeit für eine erfolgreiche Applikation eines Medikamentes ist in der Regel zu gering. Gemäss Protokoll der Sitzung der Eidgenössischen Arzneimittelkommission (EAK) vom 20. September 2007 beträgt sie bei Champix 21 %. Die gesundheitlichen Folgen des Tabakkonsums sind denn auch lediglich im Einzelfall nachweisbar (
BGE 111 V 186
E. 3 S. 189 ff.).
5.
5.1
Ausgehend von dem in E. 4.2.2 umschriebenen Krankheitsbegriff hat die Vorinstanz erwogen, die blosse Nikotinabhängigkeit bringe keine derart schweren körperlichen und sozialen Nebenerscheinungen mit sich, wie etwa eine Alkohol- oder Drogenabhängigkeit. Bei der Alkoholsucht werde ein behandlungsbedürftiger Krankheitswert ab dem Zeitpunkt des Kontrollverlustes bejaht. Raucher und Raucherinnen zeigten in der Regel kein sozial unverträgliches Verhalten, welches mit Veränderungen der Persönlichkeit verbunden sei und ein Funktionieren in der Gesellschaft erschwere oder gar verunmögliche. Die Nikotinabhängigkeit sei damit nicht als Krankheit im Sinne von
Art. 1a Abs. 2 KVG
und
Art. 3 ATSG
zu qualifizieren.
5.2
Die Beschwerdeführerin bringt vor, eine Verneinung des Krankheitscharakters der Nikotinsucht und eine Unterscheidung in dieser Beziehung zur Alkohol- und Drogensucht lasse sich weder aus medizinischer Sicht noch im gesellschaftlichen Kontext rechtfertigen. Das BAG habe die grundsätzliche Vergütbarkeit von Nikotinentwöhnungspräparaten durch die obligatorische Krankenpflegeversicherung anerkannt und damit den Krankheitscharakter der Nikotinsucht bejaht. Dies gelte zumindest unter bestimmten einschränkenden Bedingungen, insbesondere bei Vorliegen anderer Erkrankungen.
5.3
5.3.1
Nach der auch von der Vorinstanz erwähnten, unter dem KUVG ergangenen Rechtsprechung ist die Alkoholsucht an sich schon
BGE 137 V 295 S. 300
prinzipiell als Krankheit zu betrachten und nicht erst dann, wenn sie Symptom oder Ursache einer anderen Erkrankung ist (
BGE 101 V 77
E. 1a S. 79 und EVGE 1969 S. 11 E. 1b S. 12). Ebenfalls gilt die Heroinsucht als Krankheit (
BGE 118 V 107
E. 1b S. 109). Voraussetzung ist jedoch - auch hier - eine Behandlungsbedürftigkeit. Ist eine solche nicht erst dann gegeben, wenn die Sucht Symptom oder Ursache einer anderen Erkrankung ist, stellt sich die Frage nach dem Zweck der Behandlung. Die Vorinstanz spricht in diesem Zusammenhang von sozial unverträglichem Verhalten bzw. erschwertem oder nicht mehr möglichem "Funktionieren in der Gesellschaft", was es zu verhindern gelte. Dies liegt indessen nicht mehr im rechtlichen Zielbereich medizinischer Behandlung der möglichst vollständigen Beseitigung der körperlichen oder psychischen Beeinträchtigung (
BGE 130 V 299
E. 6.2.1.1 S. 305;
BGE 127 V 138
E. 5 S. 146; RKUV 2003 S. 226, K 79/02 E. 3.1). Die Erfahrungstatsache, dass regelmässiger Tabakkonsum von einer gewissen Intensität in der Regel - wenn überhaupt - später als Alkohol- oder Drogenkonsum zu einem sozial auffälligen oder sogar unverträglichen Verhalten führt, stellt somit keinen hinreichenden Grund dar, in Bezug auf den Krankheitswert zwischen Nikotinsucht einerseits, Alkohol- und Drogensucht anderseits zu differenzieren.
5.3.2
In
BGE 118 V 107
E. 1b S. 109 wurde im Zusammenhang mit Drogenkonsum Sucht als unbezwingbares Verlangen zur fortgesetzten Einnahme mit Entziehungserscheinungen nach Absetzen, Tendenz zur Steigerung der Dosis, Schäden für Individuum und Gesellschaft charakterisiert. Diese Begriffsumschreibung gilt im Wesentlichen auch heute noch (vgl. etwa PSCHYREMBEL, Klinisches Wörterbuch, 262. Aufl. 2011, S. 4), und zwar in gleicher Weise für Nikotinabhängigkeit und Abhängigkeit von anderen psychoaktiven Substanzen wie Drogen und Alkohol (Neurowissenschaften und Sucht, November 2009 [elektronische Broschüre, herausgegeben vom Collège Romand de Médecine de l'Addiction, im Auftrag des BAG,
http://www.ssam.ch
]; vgl. zur Quantifizierung der Nikotinsucht THONACK/HOFFMANN, a.a.O., S. 181, und ZELLER, a.a.O., S. 419 f.). Gemäss Beschwerdeführerin bestehen sodann auch keine wesentlichen Unterschiede in Bezug auf die Wirkung auf die Hirnfunktionen, das Abhängigkeitspotenzial im Sinne eines ständig steigenden Konsumverlangens, die Schwierigkeit aufzuhören, insbesondere wegen der Entzugserscheinungen (u.a. verminderte Herzfrequenz, Senkung des diastolischen Blutdrucks, Hungergefühl, Gewichtszunahme, Schlaf- und
BGE 137 V 295 S. 301
Konzentrationsstörungen, Reizbarkeit, Depressionen; BERGER, a.a.O., S. 369; THONACK/HOFFMANN, a.a.O.; ZELLER, a.a.O.; JACQUES CORNUZ, Rauchentwöhnung - die zentrale Rolle der Ärztinnen und Ärzte, Therapeutische Umschau 9/2005 S. 657), sowie die gesellschaftliche Wahrnehmung von Rauchen als gesundheitsschädigendes Verhalten. Ebenfalls differenzieren die anerkannten internationalen Klassifikationssysteme ICD-10 der WHO sowie DSM IV der American Psychiatric Association hinsichtlich der "Krankheitseigenschaft" nicht zwischen Nikotinsucht und Drogen- und Alkoholsucht.
5.3.3
Abgesehen von den - krankenversicherungsrechtlich allerdings nicht relevanten - Auswirkungen auf das soziale Verhalten resp. den Folgen für das "Funktionieren der Gesellschaft", ist kein Grund ersichtlich, mit Bezug auf den Krankheitswert zwischen der Nikotinsucht einerseits, Alkohol- und Drogensucht anderseits zu unterscheiden. Daraus ergibt sich indessen nicht, dass Nikotinabhängigkeit als solche eine Krankheit im Sinne der obligatorischen Krankenpflegeversicherung darstellt. Die Sucht muss aus medizinischer Sicht behandlungsbedürftig sein, damit ihr Krankheitswert zukommt. Unter welchen Bedingungen das der Fall ist, hat die Vorinstanz zu Unrecht nicht geprüft. Jedenfalls kann die Aufnahme von Champix in die SL nicht mit der Begründung, die Nikotinsucht stelle keine Krankheit im Sinne der Krankenversicherungsgesetzgebung dar, abgelehnt werden.
5.4
5.4.1
Gemäss BAG ist der Krankheitswert der Nikotinsucht zu bejahen, insbesondere wenn das Rauchen psychischen Ursprungs ist und wenn sehr häufig eine Zigarette benötigt wird, um sich laufend Nikotin zuzuführen. Vor allem bei Rauchern mit bereits eingetretenen gesundheitlichen Folgeschäden könne der Krankheitswert bejaht werden. Notwendig seien also Begleiterkrankungen.
5.4.2
Das Bundesamt misst somit der Nikotinsucht dann Krankheitswert zu, wenn sie genügend stark im Sinne eines hohen täglichen Konsums von Tabakwaren ist (was sich negativ auf das soziale Verhalten und die Integration ins Arbeitsleben auswirke) oder vor allem wenn sie Ursache oder Folge einer Erkrankung ist. Diese Umschreibung ist jedoch zu allgemein und erscheint auch wenig praktikabel. Es wird Aufgabe des Bundesamtes sein, nach Konsultation der Eidgenössischen Kommission für allgemeine Leistungen und Grundsatzfragen (
Art. 37a lit. a KVV
) Bedingungen zu formulieren, unter
BGE 137 V 295 S. 302
denen die Behandlungsbedürftigkeit der Nikotinsucht und damit deren Krankheitswert zu bejahen ist. Dabei geht es vorab darum, einen Mindestgrad an Nikotinabhängigkeit festzulegen, beispielsweise nach Massgabe des international anerkannten Fagerström-Tests (BERGER, a.a.O., S. 368; THONACK/HOFFMANN, a.a.O., S. 181, und ZELLER, a.a.O., S. 419) unter Berücksichtigung der Expositionsdauer (pack-years) und der Art des Konsums (GRONER, a.a.O., S. 22 f.), welcher erreicht werden muss, um überhaupt von einer Krankheit sprechen zu können. Nicht jedes Rauchverhalten ist als behandlungsbedürftige Sucht zu betrachten. Mit Bezug auf (Begleit-)Erkrankungen sodann kann nicht vorausgesetzt werden, dass diese bereits ein Stadium erreicht haben, wo auch ein sofortiger Rauchstopp weder zu einer Verbesserung noch wenigstens zu einer Stabilisierung des Gesundheitszustandes beitragen kann. Erste Anzeichen von wahrscheinlich mit dem (übermässigen) Tabakkonsum in Zusammenhang stehenden körperlichen Veränderungen etwa pulmonaler oder kardiovaskulärer Art oder diesbezügliche Manifestationen wie etwa Zittern, Hustenanfälle mit Auswurf oder Atemprobleme, Herzstiche oder -schmerzen bei körperlicher Anstrengung, Schmerzen in den Beinen beim Gehen (vgl. etwa
http://www.netdoktor.de/Gesund-Leben/Rauchen/Krank- durch-Rauchen/Rauchen-und-Gesundheit-417.html
; THONACK/HOFFMANN, a.a.O.) müssen genügen (in diesem Sinne auch VALÉRIE JUNOD, Le fumeur est-il un malade-, Jusletter vom 7. März 2011 Rz. 19). Ist die Nikotinsucht Symptom resp. Folge einer Erkrankung - in Betracht fallen insbesondere psychische Leiden (vgl. KHAZAAL/ZULLINO, Dépendances aux substances et comorbidités psychiatriques: Tendances actuelles, Medinfo 2/2009 S. 50 ff. und JEAN-PAUL HUMAIR, Arrêt du tabac chez les patients avec un trouble psychiatrique, Revue Médicale Suisse [RMS] 5/2009 S. 1472 ff. sowie BERGER, a.a.O., S. 370) -, stellt sich im Sinne einer den Krankheitswert bestimmenden medizinischen Limitation (
BGE 129 V 32
E. 4.2.2 S. 39) etwa die Frage, ob die betreffende Person den Willen aufbringen kann, mit dem (übermässigen) Tabakkonsum aufzuhören.
6.
Die Aufnahme eines Arzneimittels in die SL (
Art. 52 Abs. 1 lit. b KVG
) setzt u.a. voraus, dass es wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich ist und eine gültige Zulassung des Schweizerischen Heilmittelinstituts (Swissmedic) vorliegt (Art. 65 Abs. 1 und 2 [seit 1. Oktober 2009: Abs. 3] KVV und
Art. 30 Abs. 1 KLV
). Die zweite Bedingung ist vorliegend erfüllt. Champix ist seit 21. Dezember 2006 im Sinne des Bundesgesetzes vom 15. Dezember 2000 über Arzneimittel und
BGE 137 V 295 S. 303
Medizinprodukte (Heilmittelgesetz [HMG]; SR 812.21) für die Indikation "Raucherentwöhnung bei Erwachsenen" zugelassen.
6.1
Ein Arzneimittel ist wirksam, wenn dessen Einsatz geeignet ist, das angestrebte diagnostische oder therapeutische Ziel zu erreichen. Für die Beurteilung der Wirksamkeit ist somit entscheidend, welcher medizinische Erfolg damit erzielt werden soll (
BGE 128 V 159
E. 5c/aa S. 165; vgl. auch
BGE 130 V 299
E. 6.1 und 6.2.1.1 S. 304 f. sowie
BGE 133 V 115
E. 3.1 S. 116). Auch beim Nachweis der Wirksamkeit als Voraussetzung für die Zulassung nach
Art. 10 Abs. 1 lit. a HMG
ist von den Therapiezielen auszugehen. Dabei wird (auch) vom Nutzen-Risiko-Verhältnis gesprochen, welches günstig sein muss (Urteil 2A.243/2006 vom 22. Dezember 2006 E. 2.2, 3.2 und 3.4).
Das BAG stützt sich bei der Prüfung der Wirksamkeit eines Arzneimittels auf die Unterlagen, die für die Registrierung durch Swissmedic massgebend waren und allenfalls weitere, die einverlangt werden können (
Art. 32 KLV
). Die Beurteilung der Wirksamkeit muss sich in jedem Fall auf klinisch kontrollierte Studien abstützen (
Art. 65 Abs. 3 Satz 2 KVV
[seit 1. Oktober 2009:
Art. 65a KVV
]; im gleichen Sinne
Art. 11 Abs. 1 HMG
und Art. 2 ff. der Verordnung des Schweizerischen Heilmittelinstituts vom 9. November 2001 über die Anforderungen an die Zulassung von Arzneimitteln [AMZV; SR 812.212. 22]). Weiter hat das Bundesamt die Meinungsäusserungen und Empfehlungen der beratenden Kommissionen (
Art. 37a KVV
in Verbindung mit
Art. 33 Abs. 4 KVG
), insbesondere der EAK (
Art. 37e KVV
) zu berücksichtigen (vgl.
BGE 129 V 32
E. 3.2.2 S. 35).
6.1.1
Das BAG erachtete in der Verfügung vom 3. April 2008 die Wirksamkeit von Champix nicht als genügend nachgewiesen. Die Zielsetzung des Einsatzes dieses Arzneimittels sei im Grundsatz eine dauerhafte Nikotinabstinenz. Das Verlangen zu rauchen komme bei ehemaligen Rauchern erwiesenermassen immer wieder auf. Die eingereichten Studien belegten lediglich einen statistisch signifikanten "Rauchstopp" nach längstens 52 Wochen, was für den Nachweis der Langzeitwirkung von Champix nicht genüge. In der Vernehmlassung vor Bundesgericht bringt das Bundesamt überdies vor, damit eine Therapie mit Champix wirksamer wäre, müsse der Patient den Willen zum "Rauchstopp" aufbringen und es sei eine ärztliche Begleitung erforderlich. Die Verschreibung dieses Medikamentes sollte demnach nur im Rahmen eines therapeutischen Gesamtkonzeptes erfolgen, wozu auch eine ausführliche Diagnostik in Bezug auf eine
BGE 137 V 295 S. 304
vorbestehende oder begleitende psychiatrische Erkrankung gehöre. Das Erfordernis einer zusätzlichen psychiatrischen Begleittherapie durch einen Spezialisten zeige ebenfalls, dass die Wirksamkeit einer Therapie mit Champix alleine eingeschränkt sei.
Die Beschwerdeführerin bringt im Wesentlichen vor, eine Rauchabstinenz von mindestens einem Jahr sei gemäss internationalem Standard, insbesondere auch nach der WHO, ein hinreichender Beleg für die Langzeitwirkung einer Raucherentwöhnungsbehandlung. Die Rückfallquote sei erwiesenermassen im ersten Jahr am höchsten. Auch bei Medikamenten gegen die Alkoholsucht hätten für das BAG (und Swissmedic) Studien von 52 Wochen zum Wirksamkeitsnachweis genügt. Ebenfalls habe die EAK die Wirksamkeit von Champix nicht in Frage gestellt. Neuere Studien hätten sodann die Überlegenheit von Champix auch gegenüber Nikotinersatztherapie nach einer Dauer von 52 Wochen gezeigt. Schliesslich rügt die Beschwerdeführerin, das BAG habe sich bei der Wirksamkeitsbeurteilung in keiner Weise auf die Unterlagen gestützt, welche für die Registrierung bei Swissmedic massgebend gewesen seien.
6.1.2
6.1.2.1
Entgegen der Auffassung des BAG schliessen allenfalls notwendige begleitende Massnahmen von Anfang an oder über die Behandlung mit Champix hinaus die Wirksamkeit der Anwendung dieses Arzneimittels nicht aus (vgl. auch Urteil 2A.243/2006 vom 22. Dezember 2006 E. 3.4.3-4). Solche zusätzlichen Behandlungen sind aber unter dem Gesichtspunkt der Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit zu berücksichtigen. Im Weitern ergibt sich aus dem Protokoll der Eidgenössischen Kommission für allgemeine Leistungen (ELK [
Art. 37a lit. a KVV
]; seit 1. Januar 2008: Eidgenössische Komission für allgemeine Leistungen und Grundsatzfragen [
Art. 37a lit. a KVV
]) vom 11. September 2007 nichts Entscheidendes zur Frage der Wirksamkeit einer Behandlung mit Champix. Im Protokoll der EAK vom 20. September 2007 sodann wurde festgehalten, dass die Kommission vor allem für die Frage der Wirtschaftlichkeit zuständig sei. Es wurde eine auf zwei Jahre befristete Aufnahme ("Die Firma muss nach 2 Jahren eine Auswertung der Patientendaten im Sinne einer Kohortenstudie liefern. Sie muss die Daten von mindestens 80 % der behandelten Patienten liefern.") vorgeschlagen, was die Zustimmung der Kommissionsmehrheit fand. Das BAG ist dieser Meinungsäusserung nicht gefolgt, was insofern nicht zu beanstanden ist, als die Aufnahme von Arzneimitteln in die SL, deren
BGE 137 V 295 S. 305
Wirksamkeit sich noch in Abklärung befindet, d.h. nicht hinreichend (nach wissenschaftlichen Methoden) nachgewiesen ist, dem Gesetz widerspricht (
BGE 128 V 159
E. 5c/bb/bbb S. 167). Eine im Hinblick auf den Nachweis der Wirksamkeit zeitlich befristete (suspensiv bedingte) Aufnahme ist grundsätzlich unzulässig. Anderseits kann die Aufnahme in die SL mit Bedingungen und Auflagen verbunden werden (Art. 65 Abs. 1
bis
[seit 1. Oktober 2009: Abs. 5] KVV). Schliesslich sind die Aufnahmebedingungen alle drei Jahre zu überprüfen (
Art. 65d KVV
und
Art. 35b KLV
). Im dargelegten Sinne wäre der erwähnte Vorschlag der Mehrheit der Mitglieder der EAK für eine "auf zwei Jahre befristete Aufnahme" von Champix in die SL zulässig.
6.1.2.2
Im Zulassungsentscheid von Swissmedic vom 21. Dezember 2006 wurde der Nachweis der Wirksamkeit einer Behandlung mit Champix in der galenischen Form von Filmtabletten zu 0,5 oder 1 mg zur Raucherentwöhnung aufgrund der eingereichten Studien als erbracht erachtet, am Ende der Behandlung (Wochen 9-12) und auch nach dem Aufrechterhalten der Abstinenz bis zur Woche 52, wobei sich ein zusätzlicher Behandlungszyklus von 12 Wochen als vorteilhaft erwiesen habe. Die Zulassung durch Swissmedic stellt zwar lediglich eine notwendige, nicht aber hinreichende Bedingung für die Aufnahme eines Arzneimittels mit der entsprechenden medizinischen Indikation in die SL dar (
BGE 136 V 395
E. 4.2 in fine S. 398;
BGE 133 V 115
E. 3.3 in fine S. 120;
BGE 130 V 532
E. 3.3 S. 539). Indessen legt das BAG nicht dar und noch weniger begründet es, welchen Zeitraum (grösser als 52 Wochen) die klinischen Studien für den genügenden Nachweis der Langzeitwirkung von Champix abzudecken hätten. Im Unterschied dazu konnte sich Swissmedic zur Begründung der von ihm als notwendig erachteten längeren Zeitspanne für den Wirksamkeitsnachweis eines Medikamentes gegen Adipositas auf wissenschaftliche Empfehlungen und Leitlinien stützen (Urteil 2A.243/2006 vom 22. Dezember 2006 E. 3.4.4). Vorliegend beruhen jedoch - soweit ersichtlich und etwas anderes wird nicht geltend gemacht - alle Studien zur Wirksamkeit von Massnahmen zur Raucherentwöhnung auf einer Beobachtungszeit von 52 Wochen. Im Lebensversicherungsbereich gilt eine Person, die früher geraucht hat, als Nichtraucher, sobald sie während 12 Monaten nicht mehr geraucht hat (GRONER, a.a.O., S. 22 ff.). Unter diesen Umständen hat der Nachweis der Wirksamkeit von Champix grundsätzlich als erbracht zu gelten. Allerdings soll laut HUMAIR (a.a.O., S. 1474)
BGE 137 V 295 S. 306
der Wirkstoff Varenicline von Champix an depressiven und schizophrenen Personen nicht getestet worden sein. Trifft dies zu, könnte mit Bezug auf diese Kategorie von Versicherten der Wirksamkeitsnachweis nicht als erbracht gelten. Gemäss dem mit dem Zulassungsgesuch bei Swissmedic eingereichten Begleitbericht ('Clinical Overview') waren Personen mit einer "serious or unstable disease" während der sechs vorangehenden Monate von einer Teilnahme an den Studien ausgeschlossen.
6.2
Die Zweckmässigkeit eines Arzneimittels in Bezug auf seine Wirkung und Zusammensetzung wird nach klinisch-pharmakologischen und galenischen Erwägungen, nach unerwünschten Wirkungen sowie nach der Gefahr missbräuchlicher Verwendung beurteilt (
Art. 33 Abs. 1 KLV
). Entscheidend ist der diagnostische oder therapeutische Nutzen der Anwendung im Einzelfall unter Berücksichtigung der damit verbundenen Risiken, gemessen am angestrebten Heilerfolg der möglichst vollständigen Beseitigung der körperlichen oder psychischen Beeinträchtigung (
BGE 130 V 299
E. 6.1 S. 304) sowie an der Missbrauchsgefahr (
BGE 129 V 32
E. 4.1 S. 37). Nach der Verwaltungspraxis erfolgt die Beurteilung der Zweckmässigkeit aufgrund des Verhältnisses von Erfolg und Misserfolg (Fehlschlägen) einer Anwendung sowie der Häufigkeit von Komplikationen (
BGE 127 V 138
E. 5 S. 146). Zweckmässigkeit der durch die obligatorische Krankenpflegeversicherung zu vergütenden Leistung setzt deren Wirksamkeit voraus (
BGE 133 V 115
E. 2.2 S. 116).
Das BAG stützt sich bei der Prüfung der Zweckmässigkeit eines Arzneimittels auf die Unterlagen, die für die Registrierung durch Swissmedic massgebend waren und allenfalls weitere, die einverlangt werden können (
Art. 33 Abs. 2 KLV
). Weiter hat das Bundesamt die Meinungsäusserungen und Empfehlungen der beratenden Kommissionen, insbesondere der EAK zu berücksichtigen.
6.2.1
Das BAG verneinte in der Verfügung vom 3. April 2008 auch die Zweckmässigkeit von Champix zur Raucherentwöhnung. Zwar verhindere Nikotinabstinenz kostenintensive Folgeerkrankungen, welche das Rauchen nach sich ziehen könne. Voraussetzung sei jedoch eine Abstinenz über längere Zeit, im Idealfall für den Rest des Lebens. Dieser Wirksamkeitsnachweis sei jedoch nicht erbracht. Es lägen zwar vergleichende "Cost-Effectiveness"-Analysen vor, welche die Kosten der Behandlung den Konsequenzen gegenüberstellten. Für "rauchstoppwillige" Personen existierten indessen
BGE 137 V 295 S. 307
zahlreiche alternative Behandlungsprogramme. In der Vernehmlassung vor Bundesgericht führt das Bundesamt überdies an, falls eine ärztlich begleitete Raucherentwöhnung stattfinde, könnten Arzneimittel der SL zur Linderung der Entzugssymptome eingesetzt werden.
Die Beschwerdeführerin bringt hauptsächlich vor, es gebe kein geeigneteres Medikament, um das Ziel der Raucherentwöhnung zu erreichen, als der Einsatz von Champix, auch unter dem Gesichtspunkt von Nebenwirkungen und Missbrauchsgefahr. Die Behandlung sei mindestens so zweckmässig wie die (Listen-)Präparate gegen Alkohol- und Opiatsucht.
6.2.2
6.2.2.1
Es kommen - neben dem Einsatz von Champix - weitere Behandlungsformen zur Anwendung, um von Tabakabhängigkeit loszukommen (Nikotinersatztherapie [NET], insbesondere Nikotin- Pflaster, -Kaugummi, -Inhaler und Lutschtabletten sowie Nasal-Spray, Antidepressiva, namentlich Bupropion SR [Slow Release, Zyban], Akupunktur, psychologisch unterstützende Verhaltensänderung; ZELLER, a.a.O.; THONACK/HOFFMANN, a.a.O., S. 180; BERGER, a.a.O., S. 370 ff.; CORNUZ, a.a.O., S. 655 ff., 658 f.; PING WU UND ANDERE, Effectiveness of smoking cessation therapies: a systematic review and meta-analysis, in: BMC Public Health, 2006
http://www.biomedcentral.com/1471-2458/6/300
). Ziel der Therapie ist es, die bei (sofortigem) Aufhören mit Rauchen regelmässig auftretenden Entzugssymptome (vorne E. 5.3.2), welche allenfalls der medizinischen Behandlung bedürfen (THONACK/HOFFMANN, a.a.O., S. 180; vgl. auch HUMAIR, a.a.O., und MARIA DOBRINAS UND ANDERE, Aspects génétiques de la consommation de tabac et prise en charge clinique, Revue Médicale Suisse [RMS] 5/2009 S. 1463 ff.), entscheidend zu mildern und so den Rückfall zu vermeiden (CORNUZ, a.a.O., S. 658; ZELLER, a.a.O., S. 420). Mit einer (unterstützenden) medikamentösen Behandlung wird zudem das Craving nach Nikotin, d.h. das nahezu unbezwingbare Verlangen zu rauchen, durch Auslösen entsprechender chemischer Prozesse gelindert (ZELLER, a.a.O., S. 422; BERGER, a.a.O., S. 371).
6.2.2.2
Gemäss dem Begleitbericht ('Clinical Overview') zum bei Swissmedic eingereichten Zulassungsgesuch zeigen die klinischen Studien eine statistisch signifikante Überlegenheit von Champix gegenüber Bupropion und Placebo nach einer 12-wöchigen Behandlung und gegenüber Placebo nach weiteren 12 Wochen Behandlung
BGE 137 V 295 S. 308
bis Woche 52 in Bezug auf Rauchabstinenz (vorne E. 6.1.2.2). Soweit es sich bei den beobachteten gesundheitlichen Beeinträchtigungen - vorab in der ersten Woche auftretende Übelkeit - um Nebenwirkungen von Champix und nicht um Entzugssymptome infolge des "Rauchstopps" handelte, waren sie gering und in den meisten Fällen nicht Anlass, die Therapie abzubrechen und wieder mit Rauchen anzufangen (ZELLER, a.a.O., S. 423 f.; CAHILL, a.a.O., S. 7). Ebenfalls wurden ein erhöhtes kardio-vaskuläres Risiko und aufgrund der (klinischen) Daten ein Missbrauchspotenzial, insbesondere eine Suchtwirkung, verneint. Insoweit stellt der Einsatz von Champix zur Raucherentwöhnung grundsätzlich eine zweckmässige Behandlung dar. Kontraindikationen, wie etwa Schwangerschaft und Stillen (ZELLER, a.a.O., S. 424; CORNUZ, a.a.O., S. 659), oder die Notwendigkeit einer Beschränkung der Medikamentendosis, wie bei Niereninsuffizienz gemäss Verfügung der Swissmedic vom 21. Dezember 2006 ist durch eine entsprechende Limitierung Rechnung zu tragen (
Art. 73 KVV
; vgl.
BGE 130 V 532
). Im Zulassungsentscheid wurde als zu erfüllende Auflage u.a. verlangt, dass in den einzureichenden Berichten über die Unbedenklichkeit von Champix (Periodic Safety Update Report [PSUR]) das Augenmerk speziell auf die insbesondere pharmakodynamischen Interaktionen mit psychotropen und kardiovaskulären Medikamenten gerichtet werden müsse (
Art. 16 Abs. 1 HMG
und
Art. 4 Abs. 2 AMZV
).
6.2.2.3
Aufgrund der Akten ist sodann davon auszugehen, dass beim gegenwärtigen Wissensstand andere medizinische Massnahmen nicht ebenso wirksam oder sogar noch wirksamer sind und gleichzeitig weniger Nebenwirkungen zeigen als eine Behandlung mit Champix. Das BAG bringt nichts Gegenteiliges vor. Gemäss drei von der Beschwerdeführerin im vorinstanzlichen Verfahren eingereichten Fachartikeln ist Champix auch wirksamer (more effectiv) als Nikotinersatztherapie (WU, a.a.O.; The NHS Information Centre, Statistics on NHS Stop Smoking Services in England, April to September 2007, 2008; HENRI-JEAN AUBIN UND ANDERE, Varenicline versus transdermal nicotine patch for smoking-cessation: Results from a randomised, open-label trial, Thorax 2008 S. 717 ff.). Anderseits scheint auch das Bundesamt davon auszugehen, dass eine - von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung zu vergütende - Therapie zur Raucherentwöhnung grundsätzlich im Rahmen ärztlicher Unterstützung und Begleitung durchzuführen ist (vgl. THONACK/HOFFMANN, a.a.O., und CORNUZ, a.a.O.). Insoweit eine solche allein nicht genügt, vermag
BGE 137 V 295 S. 309
das BAG nicht plausibel zu machen, weshalb die Verwendung von Arzneimitteln der SL zur Linderung der Entzugssymptome zweckmässiger sein soll als der Einsatz eines Medikamentes gegen die (behandlungsbedürftige) Nikotinsucht. In diesem Zusammenhang ist davon auszugehen, dass in allen klinischen Studien zum Nachweis der Wirksamkeit (effectiveness) einer Raucherentwöhnungstherapie die Probanden der Placebo-Gruppe die aufgetretenen gesundheitlichen Störungen, soweit notwendig, ärztlich behandeln liessen.
Im dargelegten Sinne kann somit auch die Zweckmässigkeit einer Behandlung mit Champix nicht verneint werden.
6.3
6.3.1
Ein Arzneimittel gilt als wirtschaftlich, wenn es die indizierte Heilwirkung mit möglichst geringem finanziellem Aufwand gewährleistet (
Art. 34 Abs. 1 KLV
[seit 1. Oktober 2009:
Art. 65a Abs. 1 KVV
]). Für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit eines Arzneimittels werden u.a. dessen Fabrikabgabepreis im Ausland, dessen Wirksamkeit im Verhältnis zu anderen Arzneimitteln gleicher Indikation oder ähnlicher Wirkungsweise und dessen Kosten pro Tag oder Kur im Verhältnis zu den Kosten von Arzneimitteln gleicher Indikation oder ähnlicher Wirkungsweise berücksichtigt (
Art. 34 Abs. 2 lit. a-c KLV
in Verbindung mit
Art. 65 Abs. 3
bis
KVV
[seit 1. Oktober 2009: Art. 65bAbs. 2 KVV]).
6.3.2
Die Wirtschaftlichkeit eines Arzneimittels beurteilt sich somit teils unter dem Gesichtspunkt der vergleichenden Wertung mehrerer zum gleichen Behandlungszweck zur Verfügung stehender Heilmittel, teils nach der Höhe des Preises des in Frage stehenden Präparates an sich. Darüber hinaus muss der Preis auch in einem vernünftigen Verhältnis zum angestrebten Nutzen stehen. Je schwerer eine Krankheit (und gegebenenfalls deren Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit) im Allgemeinen einzustufen ist, desto höhere Kosten dürfen für das indizierte Arzneimittel verantwortet werden. Anderseits setzt der Begriff der Wirtschaftlichkeit voraus, dass sich der Preis eines Arzneimittels auch mit Bezug auf dessen Kosten in vertretbarem Rahmen hält. Bei der vergleichenden Wertung im Besonderen kommt dem Kriterium der Wirksamkeit massgebende Bedeutung zu. Lässt ein Arzneimittel, durch wissenschaftliche Studien nachgewiesen, den Heilerfolg in kürzerer Zeit, mit weniger Nebenwirkungen und geringerer Rückfallrate erwarten als ein anderes Arzneimittel gleicher Indikation oder ähnlicher Wirkungsweise, ist dem beim
BGE 137 V 295 S. 310
Preisvergleich, allenfalls unter dem Gesichtspunkt der Kosten der Anwendung, Rechnung zu tragen. Auch kann sich unter Umständen der Preisvergleich auf ein einziges (Konkurrenz-)Präparat beschränken (
BGE 127 V 275
E. 2b S. 280; SVR 2002 KV Nr. 7 S. 21, K 39/99 E. 4a/bb, nicht publ. in:
BGE 127 V 149
). Wo es nur eine einzige (medikamentöse) Behandlungsmöglichkeit gibt, ist nach dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit die Aufnahme des betreffenden Arzneimittels in die SL zu verweigern, wenn zwischen Aufwand und Heilerfolg ein grobes Missverhältnis besteht (
BGE 136 V 395
E. 7.4 S. 407).
6.3.3
Das BAG verneinte in der Verfügung vom 3. April 2008 die Wirtschaftlichkeit einer Behandlung mit Champix im Wesentlichen aus denselben Gründen wie die Zweckmässigkeit (vorne E. 6.2.1). Nikotinabstinenz verhindere zwar kostenintensive Folgeerkrankungen, welche das Rauchen nach sich ziehen könne. Vorausgesetzt sei jedoch eine Abstinenz über längere Zeit, im Idealfall für immer. Dieser Wirksamkeitsnachweis sei jedoch nicht erbracht. Im Weitern lägen zwar vergleichende 'Cost-Effectiveness'-Analysen vor. Für "rauchstoppwillige" Personen existierten indessen zahlreiche alternative Behandlungsprogramme. Abgesehen davon stellten die Kosten einer Behandlung mit Champix keine zusätzliche finanzielle Belastung dar, da der Einkauf des Tabakproduktes wegfalle. In der Vernehmlassung vor Bundesgericht führt das Bundesamt überdies an, die medikamentöse Therapie mit Champix sei kostenintensiv und unter Betrachtung des Kosten-Nutzen-Effektes für eine Vergütung durch die obligatorische Krankenpflegeversicherung (OKP) als nicht geeignet einzustufen.
Die Beschwerdeführerin bringt u.a. vor, die beantragten Preise, zu denen Champix in die SL aufzunehmen sei, entsprächen dem Auslandpreisvergleich und hielten einem Quervergleich auf Tagestherapiekostenbasis (mit Zyban) Stand. Es existierten keine wirtschaftlicheren Alternativbehandlungen zur Raucherentwöhnung. Im Übrigen würden auch bei einer Therapie von Alkohol- und Drogensüchtigen der Einkauf der übermässig konsumierten Substanzen wegfallen, ohne dass die betreffenden Personen die medikamentöse Behandlung selber bezahlen müssten.
6.3.4
6.3.4.1
Dem BAG kann nicht beigepflichtet werden, soweit es die Wirtschaftlichkeit von Champix mangels nachgewiesener Wirksamkeit verneint (vorne E. 6.1.2.2). Weiter legt das Bundesamt nicht dar,
BGE 137 V 295 S. 311
inwiefern alternative Behandlungsmethoden zur Raucherentwöhnung unter Berücksichtigung von Wirksamkeit und Zweckmässigkeit ein günstigeres Kosten-/Nutzen-Verhältnis aufweisen als eine Therapie mit Champix. In diesem Zusammenhang bringt die Beschwerdeführerin richtig vor, dass das BAG ihren Auslandpreisvergleich und den Quervergleich mit Zyban im vorinstanzlichen Verfahren nicht beanstandete. Der Umstand, dass Zyban kein Listenpräparat ist und die SL kein anderes Arzneimittel mit gleicher Indikation oder ähnlicher Wirkungsweise enthält, spricht nicht gegen die Wirtschaftlichkeit einer Behandlung mit Champix (vorne E. 6.3.2). Schliesslich trifft zwar zu, dass bei (erfolgreicher) Therapie mit diesem Arzneimittel der Einkauf des Tabakproduktes dahinfällt. Die Wirtschaftlichkeit (und Zweckmässigkeit) der Therapie kann indessen nicht mit der Begründung verneint werden, die Kosten stellten für die betreffende Person keine Zusatzbelastung dar, weil sie entsprechend weniger Auslagen habe. Die obligatorische Krankenpflegeversicherung differenziert in Bezug auf die Leistungspflicht weder nach der Ursache der behandlungsbedürftigen Krankheit, insbesondere ob ein (bewusst oder unbewusst) gesundheitsschädigendes Verhalten vorliegt, noch nach den finanziellen Ressourcen der Versicherten. Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit können allenfalls die Aufnahme eines Arzneimittels in die SL mit einer auf die Menge bezogenen Limitierung erfordern (
Art. 73 KVV
; RKUV 2004 S. 109, K 156/01 E. 3.2.2 in fine; EUGSTER, a.a.O., S. 597 Rz. 596; vgl. auch
BGE 131 V 349
E. 1 S. 350). In diesem Sinne beantragt die Beschwerdeführerin eventualiter die Vergütung von Champix für maximal einen Therapiezyklus innerhalb von zwei Jahren.
6.3.4.2
Gemäss Protokoll der EAK vom 20. September 2007 ist mit dem beantragten Preis für Champix bei einer Behandlungsdauer von 12 Wochen mit Kosten von Fr. 450.- bzw. Fr. 900.- bei weiteren 12 Wochen zu rechnen. Dieser Betrag ist mit Blick auf die schon kurze Zeit nach Behandlungsbeginn feststellbaren positiven Auswirkungen eines Rauchstopps auf die Gesundheit (vgl. THONACK/HOFFMANN, a.a.O., S. 181 f.; HUGO SANER, Herz und Gefäss, Therapeutische Umschau 12/2005 S. 829) nicht zu hoch. Bei der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit eines Arzneimittels, welches in die SL aufgenommen werden will, sind indessen, soweit hinreichend quantifizierbar, auch die gesamten Kosten für die soziale Krankenversicherung zu berücksichtigen (vgl.
BGE 136 V 395
E. 7.6-8 S. 410 ff.). An der Sitzung der EAK vom 20. September 2007 wurden diese Kosten bei
BGE 137 V 295 S. 312
einer Aufnahme von Champix in die SL auf Fr. 45 Mio. in drei Jahren beziffert, was bei einer Erfolgsquote von lediglich 21 % eine enorme Summe darstellt, zumal wenn mit einer verbesserten ärztlichen Beratung und Unterstützung ("counselling") eine Abstinenz nach einem Jahr von 13 % sollte erreicht werden können. Dem steht gegenüber, dass 27 % der Bevölkerung zwischen 14 und 65 Jahren in der Schweiz rauchen, 40-60 % der Raucher an sich damit aufhören wollten, es aber allein nicht schafften (vgl. die neuesten Ergebnisse zum Tabakkonsum 2010 im Rahmen des seit 2001 vom Psychologischen Institut der Universität Zürich, Sozial- und Gesundheitspsychologie, im Auftrag des BAG durchgeführten Tabakmonitoring Schweiz [TMS; seit 2011: Suchtmonitoring Schweiz]) und der Tabakkonsum enorme (Folge-)Kosten für das Gesundheitswesen und die öffentliche Hand verursacht.
Die Frage der Wirtschaftlichkeit von Champix kann erst dann abschliessend beurteilt werden, wenn feststeht, unter welchen Bedingungen die Nikotinsucht Krankheitswert hat, d.h. eine behandlungsbedürftige Krankheit im Sinne der sozialen Krankenversicherung darstellt (vgl. E. 5.4.2), und unter welchen indikations- und mengenmässigen Limitierungen eine Aufnahme dieses Arzneimittels in die SL erfolgen kann (vgl. E. 6.2.2.2 und 6.3.4.1). Die Sache ist zu diesem Zweck und zu anschliessender neuer Verfügung über das Aufnahmegesuch an das BAG zurückzuweisen. | null | nan | de | 2,011 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
c6c5daaa-6df2-48f4-b38c-d1853e5030d2 | Urteilskopf
137 II 152
12. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit public dans la cause Association Charcuterie Vaudoise IGP contre Office fédéral de l'agriculture (recours en matière de droit public)
2C_53/2010 du 10 décembre 2010 | Regeste
Art. 3 Abs. 1 lit. b und Art. 14 Abs. 1 der GUB/GGA-Verordnung; geschützte geographische Angabe (GGA), Gesuch um Änderung des Pflichtenheftes für den "Waadtländer Saucisson".
Übersicht über die rechtlichen Grundlagen der GUB und der GGA (E. 4).
Die Auslegung von Art. 14 Abs. 1 der GUB/GGA-Verordnung über die Änderung des Pflichtenhefts ergibt, dass die Änderung verschiedene Herstellungsphasen eines Erzeugnisses betreffen kann. Sie unterliegt jedoch in zweierlei Hinsicht einer Einschränkung: Einerseits müssen die materiellen Voraussetzungen der Verordnung, namentlich in Bezug auf die Herkunft aus einem bestimmten Gebiet, die typischen Eigenschaften und die Herstellung des Erzeugnisses, immer erfüllt sein; andererseits ist den Interessen der Konsumenten genügend Rechnung zu tragen (E. 5.1-5.3).
Im vorliegenden Fall wurde das Gesuch um Zulassung von Schweineschnauze in der Herstellung des Waadtländer Saucisson zu Recht abgelehnt (E. 5.4). | Sachverhalt
ab Seite 153
BGE 137 II 152 S. 153
Le 24 septembre 2004, l'Office fédéral de l'agriculture (ci-après: l'Office fédéral) a enregistré l'appellation "Saucisson vaudois" comme indication géographique protégée (ci-après: IGP) et l'a inscrite, avec le cahier des charges, dans le registre des appellations d'origine et des indications géographiques.
Le 23 décembre 2004, l'Association Charcuterie Vaudoise IGP (ci-après: l'Association) a déposé une demande portant sur différentes modifications du cahier des charges du saucisson vaudois. L'une d'elles tendait à autoriser le museau de porc dans la fabrication de ce saucisson. Après avoir consulté la Commission des appellations d'origine et des indications géographiques (ci-après: la Commission), l'Office fédéral, par décision du 21 juin 2007, a rejeté la requête sur deux points, dont celui concernant l'autorisation du museau de porc, et l'a admise pour le surplus.
Par arrêt du 1
er
décembre 2009, le Tribunal administratif fédéral a rejeté le recours de l'Association en tant qu'il avait trait à la
BGE 137 II 152 S. 154
modification du cahier des charges visant à autoriser le museau de porc. Il a rappelé que l'art. 7 ch. 1 du cahier des charges, intitulé "Tri de la viande", excluait l'utilisation de couennes dans la fabrication du saucisson. Or, le museau de porc en contenait. Les premiers juges ont encore estimé que l'Association ne pouvait rien tirer du fait que le principal spécialiste, appelé à rédiger le cahier des charges dans le cadre de la demande d'IGP, ignorait que certains charcutiers mettaient du museau de porc dans leur saucisson.
Le Tribunal fédéral a rejeté le recours.
(résumé)
Erwägungen
Extrait des considérants:
4.
4.1
Le recours porte sur la modification de l'art. 7 ch. 1 du cahier des charges du saucisson vaudois en tant que cette disposition a trait à la composition de ce saucisson. L'art. 7 dudit cahier, intitulé "Fabrication du Saucisson vaudois", prévoit:
"La fabrication comporte les étapes suivantes:
1. Tri de la viande: le tri doit exclure les tendons, les couennes, les parties sanglantes et les ganglions ainsi que les autres parties étrangères. Le rapport entre la quantité de viande maigre et celle de lard est de 3 pour 2. (...)"
La recourante demande la suppression du mot "couennes" et l'adjonction d'une phrase autorisant l'utilisation de museau de porc dans la fabrication du saucisson, laquelle aurait la teneur suivante:
"L'incorporation dans la pâte d'un maximum de 6 % de museau de porc cuit et haché à 2 mm est admise à condition que les proportions de gras, de maigre et de collagène soient respectées. Toute adjonction de couenne hormis celle recouvrant les tissus du museau est exclue."
La recourante explique qu'il aurait fallu plusieurs années, après l'élaboration du cahier des charges, au chef expert de la charcuterie vaudoise pour découvrir que certains fabricants mettaient du museau de porc dans leur saucisson vaudois. En outre, ces fabricants ne se cantonneraient pas à la région de Payerne mais seraient disséminés dans tout le canton de Vaud. Ces personnes n'auraient pas fait savoir, lors de l'élaboration du cahier des charges, que leur recette du saucisson comprenait du museau de porc car ils ne se sentaient pas concernés par la démarche visant à obtenir une IGP et n'avaient pas conscience des conséquences que l'obtention d'une IGP n'autorisant pas le museau de porc aurait pour eux. En outre, contrairement à ce qu'aurait
BGE 137 II 152 S. 155
retenu le Tribunal administratif fédéral, ce serait involontairement que l'utilisation du museau de porc aurait été exclue lors de la rédaction du cahier des charges.
4.2
Bien qu'elle ne le mentionne pas expressément et que son grief se contente d'exprimer des considérations générales, la recourante s'en prend, tout d'abord, à la détermination des faits par le Tribunal administratif fédéral. En effet, savoir si les personnes en charge de l'élaboration du cahier des charges ont volontairement ou non exclu le museau de porc de la fabrication du saucisson vaudois est une question de fait.
Selon la recourante, pour les bouchers "il est évident que museau de porc et couenne sont deux notions - et deux matières premières de fabrication - clairement différentes, même si les tissus du museau sont recouverts de couenne". Partant, en excluant la couenne de la fabrication, il n'entendait pas en faire de même pour le museau. L'argumentation de l'intéressée sur ce point ne répond pas aux exigences de motivation (cf.
art. 105 LTF
et
ATF 136 II 101
consid. 3 p. 104). En demandant de "mettre le groupement demandeur et son expert au bénéfice de la bonne foi" qui veut qu'ils n'entendaient pas exclure le museau de la fabrication du saucisson, elle se contente, en effet, d'opposer sa version des faits à celle retenue par les premiers juges. En outre, ses arguments sont en partie contradictoires, puisque, d'une part, comme susmentionné, elle prétend qu'en excluant la couenne les fabricants ne voulaient pas en faire de même avec le museau et, que, d'autre part, elle avance que ces fabricants ne savaient pas que certains d'entre eux utilisaient du museau. Partant, le Tribunal de céans devra se fonder sur les faits constatés par le Tribunal administratif fédéral, soit que les personnes appelées à élaborer le cahier des charges ont volontairement exclu le museau comme matière première pouvant être utilisée pour la fabrication.
4.3
Afin de trancher le grief relatif à la modification du cahier des charges, il convient d'examiner le système légal régissant les AOP et IGP.
4.3.1
L'art. 3 de l'ordonnance du 28 mai 1997 concernant la protection des appellations d'origine et des indications géographiques des produits agricoles et des produits agricoles transformés (ordonnance sur les AOP et les IGP ou ci-après: l'ordonnance; RS 910.12) prévoit:
"
1
Peut être enregistré comme indication géographique le nom d'une région, d'un lieu ou, dans des cas exceptionnels, d'un pays, qui sert à désigner un produit agricole ou un produit agricole transformé:
BGE 137 II 152 S. 156
a. originaire de cette région, de ce lieu ou de ce pays;
b. dont une qualité déterminée, la réputation ou une autre caractéristique peut être attribuée à cette origine géographique; et
c. qui est produit, transformé ou élaboré dans une aire géographique délimitée.
2
Les dénominations traditionnelles des produits agricoles ou des produits agricoles transformés qui remplissent les conditions fixées à l'al. 1 peuvent être enregistrées comme indications géographiques."
La procédure d'enregistrement est fixée aux art. 5 à 14 de l'ordonnance. Selon l'art. 5 al. 1 de l'ordonnance, tout groupement de producteurs représentatif d'un produit peut déposer une demande d'enregistrement auprès de l'Office fédéral. L'art. 6 de l'ordonnance prescrit que la demande doit prouver que les conditions fixées par l'ordonnance pour l'obtention de l'appellation d'origine ou de l'indication géographique sont remplies (al. 1) et qu'elle doit être assortie d'un cahier des charges (al. 3).
Le cahier des charges est l'élément central de l'IGP puisqu'il sert de base au contrôle de production, transformation ou élaboration du produit par les bénéficiaires de l'IGP (art. 18 al. 1 de l'ordonnance). A ce sujet, l'art. 7 al. 1 de l'ordonnance dispose:
"
1
Le cahier des charges comprend:
a. le nom du produit comprenant l'appellation d'origine ou l'indication géographique;
b. la délimitation de l'aire géographique;
c. la description du produit, notamment ses matières premières et ses principales caractéristiques physiques, chimiques, microbiologiques et organoleptiques;
d. la description de la méthode de l'obtention du produit;
e. la désignation d'un ou plusieurs organismes de certification ainsi que les exigences minimales relatives au contrôle;"
S'il admet une demande, après consultation de la Commission (art. 8 de l'ordonnance), l'Office fédéral la publie dans la Feuille officielle suisse du commerce (art. 9 de l'ordonnance). Ce n'est qu'après avoir statué sur d'éventuelles oppositions (art. 10 et 11 de l'ordonnance) que la dénomination est inscrite dans le registre des appellations d'origine et des indications géographiques (art. 12 de l'ordonnance).
Selon l'art. 14 al. 1 de l'ordonnance, les modifications du cahier des charges font l'objet de la même procédure que celle prévue pour les enregistrements, soit les art. 5 à 14 de l'ordonnance.
BGE 137 II 152 S. 157
4.3.2
L'Office fédéral de l'agriculture a édité un guide, daté d'août 2009, pour le dépôt d'une demande d'enregistrement ou d'une demande de modification de cahier des charges (ci-après: le guide). Ce guide, qui n'a pas force de loi et ne lie pas le Tribunal fédéral, souligne que les critères fixés dans les cahiers des charges lors de l'enregistrement ne sont pas forcément définitifs et qu'ils peuvent être modifiés à la demande des filières lorsqu'elles le jugent nécessaire. Il précise, toutefois, qu'une demande de modification de ce cahier ne constitue pas une simple formalité puisqu'elle fait l'objet de la même procédure que celle prévue pour les enregistrements. Toujours selon le guide, les "exigences requises doivent correspondre aux conditions fixées par la base légale et être suivies par l'ensemble des acteurs d'une même filière concernés par les modifications demandées". Il s'agit donc d'une démarche collective et il est important, dès lors, que la procédure soit bien comprise de l'intérieur de la filière. En outre, l'Office fédéral relève que si la nature de la demande de modification vise à affaiblir le cahier des charges au point que les critères destinés à forger la typicité du produit ne seraient plus remplis, le groupement demandeur doit s'attendre à un rejet de la demande. En effet, l'Office fédéral examine si de manière générale la demande ne remet pas en question la dénomination protégée (guide p. 16).
A titre indicatif, on peut aussi se référer aux rapports d'activité édités chaque année par la Commission. Cette Commission est instituée par le Département fédéral de l'économie et elle conseille l'Office fédéral dans l'exécution de l'ordonnance sur les AOP et les IGP (art. 22 de l'ordonnance). Dans son rapport 2006, la Commission mentionne que les cas qui lui sont soumis ont évolué au fil des ans. En effet, les demandes portaient, au début de son activité, sur la reconnaissance de nouveaux cahiers des charges; par la suite, les requêtes ont touché de plus en plus à la modification de ces cahiers. A cet égard, le rapport 2006 souligne qu'il s'agit de garder le "haut niveau exigé au moment de l'enregistrement et non de le baisser après coup. En même temps, il ne faut pas mettre en danger la fabrication de produits enregistrés en posant des exigences surfaites". Le rapport 2007 souligne qu'il faut "concilier les souhaits de modification présentés par les groupements avec les dispositions de l'ordonnance sur les AOP et IGP. La question se pose souvent de savoir s'il s'agit de pur opportunisme ou de revendications justifiées qui, si elles n'étaient pas prises en compte, mettraient en cause l'existence du
BGE 137 II 152 S. 158
produit proposé. Cette pondération exige des connaissances techniques approfondies du procédé de fabrication et du produit final, car il convient de tenir compte à la fois des besoins du groupement et de ceux du marché, pour autant qu'ils ne sortent pas du cadre de l'ordonnance sur les AOP et IGP". Le rapport 2008 précise que dans la mesure où les changements demandés sont des changements formels qui conduisent à une épuration du cahier des charges, la Commission n'a rien à objecter. Par contre, lorsque le changement requis "pourrait conduire à un amoindrissement de la qualité ou de la typicité du produit, la Commission est beaucoup moins disposée à accepter de tels changements. Partant du principe que les cahiers des charges ont été soigneusement examinés par le groupement concerné avant d'être présentés, elle estime qu'ils ne nécessitent pas de changements notables peu de temps après leur enregistrement". A titre d'exemples, la Commission a refusé la modification proposant que les boîtes contenant le Vacherin Mont-d'Or soient fabriquées à l'extérieur de l'aire géographique. Elle s'est également prononcée contre celle qui voulait, d'une part, réduire la durée d'affinage du Berner Alpkäse et, d'autre part, ajouter de la crème dans sa composition. La Commission a, par contre, accepté d'ajouter à la protection du fromage Tête de Moine, la rosette obtenue en tournant la girolle.
5.
5.1
L'art. 14 al. 1 de l'ordonnance relatif à la modification du cahier des charges se contente de renvoyer à la procédure prévue pour les enregistrements.
5.2
Le Message du 27 juin 1995 concernant le paquet agricole 95 (FF 1995 IV 621; ci-après: le Message) ne donne pas beaucoup plus d'indications sur les conditions auxquelles sont soumises les modifications du cahier des charges. Il précise que ce cahier, que s'imposent volontairement les partenaires de la filière, "décrit le produit, c'est-à-dire les matières premières et les principales caractéristiques dudit produit. Ce cahier indique également la méthode d'élaboration et précise s'il existe des méthodes locales et constantes. Ces critères servent à éviter une banalisation du produit doté d'une appellation d'origine ou d'une indication géographique. Par contre, ils ne fixent pas définitivement un mode de production, le cahier des charges pouvant toujours être adapté en fonction de l'évolution technique" (FF 1995 IV 651 ch. 212).
Ainsi, le Message ne parle que de la modification du mode de production arrêté dans le cahier des charges. On pourrait en conclure
BGE 137 II 152 S. 159
qu'en ne citant que cet exemple le Conseil fédéral a voulu limiter les modifications aux cas où une IGP doit pouvoir s'adapter à l'évolution technique, faute de quoi elle deviendrait désuète et risquerait de ne plus être utilisée. Aucun autre élément ne vient pourtant corroborer une telle interprétation restrictive. L'interprétation historique ne permet donc pas de cerner plus précisément l'art. 14 al. 1 de l'ordonnance.
5.3
5.3.1
L'art. 14 al. 1 de l'ordonnance renvoie à la procédure prévue pour les enregistrements. La section 2 de l'ordonnance, intitulée "Procédure d'enregistrement", contient les art. 5 à 14 qui ne traitent pas uniquement de la procédure au sens formel du terme mais qui font également référence aux conditions de fond que doit remplir une demande d'enregistrement. En effet, l'art. 6 al. 1 de l'ordonnance décrète que la demande d'enregistrement doit prouver que les conditions fixées par l'ordonnance pour l'obtention de l'appellation d'origine ou de l'indication géographique sont remplies. Ces conditions de fond concernent plusieurs éléments de la requête d'enregistrement (cf., à cet égard, MEISSER/ASCHMANN, Herkunftsangaben und andere geographische Bezeichnungen, in SIWR vol. III/2, von Büren/David [éd.], 2
e
éd. 2005, p. 298 ss; LORENZ HIRT, Der Schutz schweizerischer Herkunftsangaben, 2003, p. 126 ss; SIMON HOLZER, Geschützte Ursprungsbezeichnungen (GUB) und geschützte geographische Angaben (GGA) landwirtschaftlicher Erzeugnisse, 2005, n° 4.2 p. 249 ss) comme, par exemple, la représentativité du groupement qui dépose la demande (cf. art. 5 de l'ordonnance). Les conditions matérielles ayant trait au produit lui-même, qui est seul ici en cause, sont les suivantes:
- le produit doit venir d'une certaine région, lieu ou pays (art. 3 al. 1 let. a de l'ordonnance et
art. 6 al. 2 let
. d de l'ordonnance),
- le produit doit avoir une qualité déterminée, une réputation ou une autre caractéristique, soit un élément qui définit la typicité dont il doit faire preuve, qui peut être attribuée à cette origine (
art. 3 al. 1 let. b et
art. 6 al. 2 let
. e et g de l'ordonnance),
- le produit doit être fabriqué dans une aire géographique délimitée (
art. 3 al. 1 let
. c de l'ordonnance).
En outre, l'art. 17a al. 2 de l'ordonnance, traitant des produits non conformes au cahier des charges, prévoit que lorsque ce cahier est modifié selon l'art. 14 al. 1, les produits agricoles et les produits
BGE 137 II 152 S. 160
agricoles transformés peuvent encore être fabriqués, conditionnés, étiquetés et commercialisés selon l'ancien droit pendant deux ans à compter de la date de publication des modifications. Il ressort donc de cette disposition que la modification peut toucher les différentes étapes de production d'un produit, soit la fabrication, le conditionnement, l'étiquetage et la commercialisation.
5.3.2
Il s'agit encore de relever que les prescriptions en matière d'IGP ont, entre autres buts, celui de garantir une certaine authenticité des produits, notamment leur qualité et leur provenance. Ainsi, les intérêts en cause ne sont pas uniquement ceux des producteurs qui utilisent l'IGP mais également ceux des consommateurs qui s'attendent à avoir un produit d'une certaine qualité (YVES DONZALLAZ, Traité de droit agraire suisse: droit public et droit privé, tome 1, 2004, p. 194 ss).
5.3.3
Ainsi, il ressort d'une interprétation systématique et téléologique que, si la modification peut toucher les différentes étapes de production d'un produit (cf. art. 17a al. 2 de l'ordonnance), elle est limitée à deux égards. D'une part, les intérêts des consommateurs doivent être pris en compte. D'autre part, les conditions de fond fixées dans l'ordonnance doivent toujours être remplies (art. 6 al. 1 de l'ordonnance) et ces conditions englobent celles relatives au produit lui-même décrites à l'art. 3 de l'ordonnance. Il ne faut, à cet égard, pas oublier que, lors d'une demande de modification, la situation est différente de celle existant au moment d'une demande d'enregistrement, puisqu'une IGP existe déjà, qu'un cahier des charges a préalablement été élaboré et enregistré et que ce cahier définit, notamment, la qualité et la typicité du produit.
5.4
5.4.1
En l'espèce, la modification requise consiste à autoriser le museau de porc comme ingrédient entrant dans la composition du saucisson vaudois. Pour ce saucisson, la matière première est un mélange de viande de porc dont les caractéristiques chimiques sont décrites à l'art. 4 du cahier des charges: il doit comprendre au minimum 60 % de viande maigre, dont la quantité de protéines totales est de 14 % au minimum et celle du collagène représente au maximum 20 % des protéines totales. La fabrication (art. 7 du cahier des charges) du saucisson comprend, notamment, les étapes du tri de la viande (ch. 1) et de la préparation (ch. 2). L'art. 7 ch. 1 précise que les tendons, les couennes, les parties sanglantes, les ganglions, ainsi que les autres parties étrangères du porc doivent être exclus de la
BGE 137 II 152 S. 161
préparation. Cet article définit ainsi la qualité du saucisson vaudois au sens de l'art. 3 al. 1 let. b de l'ordonnance pour laquelle l'IGP a été octroyée. Il a été rédigé par l'Association et a, en quelque sorte, été entériné par l'Office fédéral lorsque l'IGP a été enregistrée.
En élaborant le cahier des charges, qui est l'élément central d'une demande d'IGP (HIRT, op. cit., p. 137; HOLZER, op. cit., p. 315), la recourante a expressément exclu la couenne de la composition du saucisson vaudois. Ce point est important car il ressort du procès-verbal de la séance du 15 janvier 2007 de l'Office fédéral de l'agriculture, durant laquelle ledit Office a décidé de suivre la recommandation de la Commission de rejeter la demande relative au museau, qu'il "n'est techniquement pas possible de déterminer si les couennes qui se trouveraient dans le saucisson proviendraient de museaux de porc ou seraient d'autres couennes". La qualité du saucisson pourrait ainsi être mise en danger par l'autorisation du museau puisque le saucisson pourrait contenir de la couenne autre que celle du museau sans que cela soit détectable et alors qu'il est admis par tous qu'il ne doit pas en comporter.
De plus, la station de recherche Agroscope Liebefeld-Posieux ALP a procédé à une étude quant à l'impact de l'ajout de museau dans le saucisson vaudois. Son rapport du 26 juin 2009 arrive à la conclusion qu'un tel ajout de 8 % modifie légèrement ("nur vereinzelt signifikant") les propriétés sensorielles du saucisson. En outre, il mentionne une différence de la composition chimique du saucisson puisque l'adjonction de museau entraîne une augmentation significative des protéines du collagène. Ainsi, le museau de porc a des conséquences sur la qualité du saucisson. Or, la Commission ainsi que l'Office fédéral, qui sont les plus à même d'évaluer l'impact du museau sur la qualité du saucisson, ont jugé qu'une telle altération de la qualité ne pouvait être entérinée par une modification du cahier des charges. Ce cahier est, en effet, la garantie d'un certain standard, lequel pourrait ne plus être atteint si le cahier était changé. Tel serait le cas en l'espèce puisque le museau altère la qualité du saucisson. La recourante reconnaît d'ailleurs elle-même qu'il résulte d'une dégustation comparative effectuée que, si le "saucisson avec museau se pèle mieux et tient mieux à la coupe ... son goût est légèrement moins bien évalué". A cet égard, il est révélateur, comme le relève le rapport d'activité 2006 de la Commission, que, selon la recourante, la pratique consistant à utiliser le museau dans le saucisson aurait toujours existé mais qu'elle n'avait pas été communiquée aux
BGE 137 II 152 S. 162
consommateurs "afin d'éviter tout risque en matière d'image". Compte tenu de ces éléments, on ne peut considérer que l'utilisation de museau serait dans l'intérêt des consommateurs.
A titre de comparaison, on peut signaler que la demande de modification de la recourante portait également sur l'art. 7 ch. 2 du cahier des charges relatif à la préparation du saucisson vaudois. Cet article mentionne que "les épices de base sont le sel de cuisine et le poivre. Les épices pouvant être prises en considération sont l'ail, la coriandre, la lie de vin et le vin blanc. Les additifs pouvant être pris en considération sont le sel nitrité (E 250), les acidifiants (E 331 ou E 575), les antioxydants (E 300 ou E 301), le lactose, le glucose, le saccharose et l'exhausteur de goût (E 621)...". L'Association souhaitait également autoriser l'utilisation, dans la préparation, de sel de cuisine additionné de salpêtre et de deux antioxydants (E 304 et E 307). La modification de l'art. 7 ch. 2 du cahier des charges a été admise dans ce sens. A la différence du museau de porc, il a été jugé que le sel additionné de salpêtre et les antioxydants n'altéraient pas la qualité du saucisson. En outre, ces ingrédients ne sont que secondaires en comparaison de la matière première qu'est le porc et le tri de la viande. Finalement, la rédaction même de l'art. 7 ch. 2 du cahier des charges marque une différence avec l'art. 7 ch. 1 de ce cahier puisque le ch. 2 a le caractère d'une norme potestative ("Kann-Vorschrift"), qui laisse le choix au fabricant d'utiliser les ingrédients mentionnés ou non, alors que le ch. 1, relatif au tri de la viande, est impératif.
Comme susmentionné, l'Office fédéral, soit une autorité dont le Tribunal fédéral - qui fait preuve de retenue sur des questions d'ordre technique (
ATF 134 III 193
consid. 4.4 p. 199;
ATF 125 II 643
consid. 4a p. 651 ss.) - prend en compte le pouvoir d'appréciation étendu en la matière, sur proposition de la Commission, n'a pas voulu une modification du cahier des charges sur un point touchant à la qualité du produit et qui pourrait la modifier. Dès lors que, d'une part, l'IGP a été enregistrée pour un saucisson ne contenant pas de couenne et que le museau en contient et que, d'autre part, cet ingrédient modifie la qualité du saucisson, en admettre l'adjonction dans le saucisson vaudois reviendrait à violer l'art. 3 al. 1 let. b de l'ordonnance. Partant, les conditions fixées par l'ordonnance (art. 6 al. 1 de l'ordonnance), auxquelles l'art. 14 de l'ordonnance soumet les demandes de modification, ne seraient pas respectées.
BGE 137 II 152 S. 163
5.4.2
La recourante prétend que l'adjonction du museau est une pratique locale, loyale et constante (cf.
art. 6 al. 2 let
. f et g de l'ordonnance) et qu'à ce titre la modification du cahier des charges devrait être admise.
Le cahier des charges ne mentionne pas que le saucisson vaudois peut facultativement contenir du museau de porc et cet ingrédient en a été volontairement exclu (cf. consid. 4.2). Ces faits suffisent à démontrer que l'utilisation du museau n'est pas une pratique locale, loyale et constante. Ceci est d'ailleurs corroboré par la demande d'IGP pour la saucisse aux choux vaudoise que la recourante a déposée parallèlement à celle du saucisson vaudois. En effet, l'art. 7 du cahier des charges de la saucisse aux choux, intitulé "Etapes de fabrication", sous sa lettre b "Tri de la viande", prévoit:
"Le tri doit exclure les tendons, les parties sanglantes, les ganglions et les autres parties étrangères. Le mélange de viande de porc maigre, de lard, de couennes cuites et de choux blanchis doit permettre de respecter les valeurs d'analyse. Ce mélange peut contenir facultativement du foie, du museau cuit, du coeur, de la langue, de la tête désossée ou de la bordure de lard."
Ainsi, non seulement cette disposition ne mentionne pas les couennes comme matière première à exclure de la fabrication, contrairement à l'art. 7 ch.1 du cahier des charges du saucisson vaudois, mais elle précise que le mélange de viande peut contenir facultativement, entre autres parties du porc, du museau cuit. Ces éléments confirment que la recourante a jugé que le saucisson vaudois, dans sa typicité (cf. consid. 5.3.1 et art. 3 al. 1 let. b de l'ordonnance), au contraire de la saucisse au choux, ne contenait ni couenne ni museau. Au demeurant, selon le recourante elle-même, seuls certains fabricants mettent du museau dans leur saucisson. Il ne s'agit donc pas d'une pratique généralisée. Si tel avait été le cas, et compte tenu du fait qu'une demande d'IGP doit être déposée par un groupement représentatif, le museau aurait été mentionné comme partie entrant dans la fabrication du saucisson. Par conséquent, l'utilisation de museau ne peut être considérée comme une pratique locale, loyale et constante.
5.4.3
Les considérations susmentionnées, ajoutées au fait que la demande de modification est survenue que très peu de temps après l'enregistrement de l'IGP - celui-ci date du 29 septembre 2004 et la demande du 23 novembre 2004 - suffisent à sceller le sort du recours et le Tribunal fédéral ne se prononcera pas sur l'argument de la recourante tendant à prouver qu'il est possible d'ajouter du museau
BGE 137 II 152 S. 164
au saucisson tout en restant dans "la plage de conformité, représentée en vert sur le modèle de rapport de test du produit tiré des paramètres du cahier des charges".
5.5
En conclusion, c'est à bon droit que le Tribunal administratif fédéral a rejeté la demande de modification tendant à autoriser le museau de porc dans la composition du saucisson vaudois. Le grief de la recourante tiré d'une mauvaise application du droit fédéral doit dès lors être rejeté. | public_law | nan | fr | 2,010 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
c6ca8a2b-0eec-4cfa-90ba-51bf58b64115 | Urteilskopf
124 III 297
54. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 16. April 1998 i.S. Musikvertrieb AG gegen Motor-Columbus AG (Berufung) | Regeste
Haftung im Konzern.
Eine Haftung der Muttergesellschaft aus unerlaubtem Verhalten von Doppelorganen setzt Widerrechtlichkeit oder zumindest Sittenwidrigkeit voraus (E. 5a). Die Widerrechtlichkeit von Unterlassungen lässt sich weder aus dem Gefahrensatz noch aus
Art. 2 ZGB
ableiten (E. 5b und c). Sittenwidrigkeit kommt nur ausnahmsweise in Betracht (E. 5e).
Allgemeine Hinweise auf eine bestehende Konzernverbindung vermögen keine Vertrauenshaftung der Muttergesellschaft zu begründen. Schutzwürdiges Vertrauen setzt ein Verhalten der Muttergesellschaft voraus, das geeignet ist, hinreichend konkrete und bestimmte Erwartungen zu wecken (E. 6). | Sachverhalt
ab Seite 298
BGE 124 III 297 S. 298
A.-
Die Musikvertrieb AG begann in den Jahren 1986 und 1987 mit der Planung eines neuen Lager- und Verteilzentrums in Schlieren, dem sogenannten «Dispodrom», in welchem Wareneingang, Warenausgang, Entgegennahme von Kundenbestellungen und Auftragsabwicklung computergesteuert bewältigt werden sollten. Mit Totalunternehmervertrag vom 26. Juni 1987 übertrug sie die bauliche Erstellung des Lager- und Verteilzentrums der Mobag Generalunternehmung AG. Am 18. November 1987 schloss sie zudem einen Vertrag über Ingenieurleistungen mit der Mobag Systems Engineering (MSE), einer Abteilung der Mobag Generalunternehmung AG, ab. Die Firma EOP AG EDV-Organisation und Programmierung unterbreitete mit Schreiben vom 29. September 1987 eine «Grob-Offerte» für die Realisierung des EDV-Projekts. Am 27. Januar 1989 reichte die EOP AG der Musikvertrieb AG eine neue Offerte für die Entwicklung und Einführung der EDV-Applikation ein, auf deren Verbindlichkeit sich die Parteien in der Folge unterschriftlich einigten. Im Mai 1990 fusionierte die EOP AG mit der Infocall AG. Sowohl die EOP AG als auch die Infocall AG waren Tochtergesellschaften der Telecolumbus AG, die ihrerseits eine Tochtergesellschaft der Motor-Columbus AG war.
Das «Dispodrom» nahm Anfang Januar 1991 den Betrieb auf. Bei der Betriebsaufnahme kam es zu einem Zusammenbruch des EDV-Systems. Nach der Darstellung der Musikvertrieb AG war es infolgedessen nicht einmal mehr möglich, die bisherigen Auftraggeber zu beliefern. Dadurch sei der Musikvertrieb AG bzw. ihrer Schwestergesellschaft, der Dispodrom AG, ein enormer Schaden entstanden.
B.-
Am 7. Oktober 1994 reichte die Musikvertrieb AG beim Handelsgericht des Kantons Aargau Klage gegen die Motor-Columbus AG ein, mit dem Begehren, die Beklagte sei zu verpflichten, Fr. 7'081'102.-- nebst Zins zu 5% seit 10. Februar 1992 an die Dispodrom AG und Fr. 100'000.-- nebst Zins zu 5% seit 14. Oktober 1993 an die Klägerin zu bezahlen. Auf Antrag der Beklagten beschränkte der Instruktionsrichter mit Verfügung vom 3. März 1995 das Verfahren vorerst auf die Frage, ob die Beklagte dem Grundsatz nach hafte, ob sie mithin überhaupt passivlegitimiert sei.
BGE 124 III 297 S. 299
Mit Urteil vom 20. August 1997 verneinte das Handelsgericht die Passivlegitimation der Beklagten und wies demzufolge die Klage ab.
C.-
Das Bundesgericht weist die Berufung der Klägerin ab, soweit es darauf eintritt, und bestätigt das Urteil des Handelsgerichts.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
5.
Die Klägerin wirft den Herren Franz-Anton Glaser, Ulrich Dietiker und Kurt Meier, die angeblich als Doppelorgane der EOP/Infocall AG und der Telecolumbus AG aufgetreten seien, unerlaubtes Verhalten im Sinne von
Art. 41 OR
vor. Sie macht geltend, die genannten Personen hätten die schwerwiegenden Probleme gekannt, die bei anderen Kunden mit analogen EDV-Applikationen entstanden seien, und wären deshalb zum Eingreifen verpflichtet gewesen, um einen Zusammenbruch des EDV-Systems des «Dispodroms» zu verhindern. Das Handelsgericht hält der Klägerin entgegen, dass es einerseits an einer Widerrechtlichkeit des beanstandeten Verhaltens fehle und dass anderseits die fraglichen Personen auch nicht als Doppelorgane beider Gesellschaften gehandelt hätten. Zudem geht die Vorinstanz auch davon aus, dass Schadenersatzforderungen aus unerlaubter Handlung ohnehin verjährt wären. Mit diesen Erwägungen hat das Handelsgericht nach Auffassung der Klägerin Bundesrecht verletzt.
a) Nach
Art. 722 OR
haftet die Aktiengesellschaft für den Schaden aus unerlaubten Handlungen (
Art. 41 OR
), die eine zur Geschäftsführung oder zur Vertretung befugte Person in Ausübung ihrer geschäftlichen Verrichtungen begeht. Aufgrund dieser Vorschrift hat die Konzern-Muttergesellschaft unter Umständen für Eingriffe ihrer Organe in die Geschäftsführung der Tochtergesellschaft einzustehen (ROLAND VON BÜREN, Der Konzern, in: Schweizerisches Privatrecht, Basel, Bd. VIII/6, S. 178 und 183; FORSTMOSER, Die aktienrechtliche Verantwortlichkeit, 2. Aufl. 1987, S. 224 Rz. 713 ff.; MAX ALBERS-SCHÖNBERG, Haftungsverhältnisse im Konzern, Diss. Zürich 1980, S. 152 ff.). Eine derartige Organhaftung setzt allerdings voraus, dass die fraglichen Handlungen unerlaubt im Sinne von
Art. 41 OR
, mithin widerrechtlich oder zumindest sittenwidrig (
Art. 41 Abs. 2 OR
) sind (VON BÜREN, a.a.O., S. 182 f.; WOLFGANG ZÜRCHER, Der Gläubigerschutz im schweizerischen Aktienrechts-Konzern, Diss. Zürich 1993, S. 219 ff.), und dass die Personen, von denen die Handlungen ausgegangen sind, sowohl als Organe der Muttergesellschaft als auch als Organe der Tochtergesellschaft
BGE 124 III 297 S. 300
gehandelt haben (ALBERS-SCHÖNBERG, a.a.O., S. 157 ff.; ANDREAS VON PLANTA, Doppelorganschaft im aktienrechtlichen Verantwortlichkeitsrecht, in: FS Vischer 1983, S. 600 ff.; KARL HOFSTETTER, Sachgerechte Haftungsregeln für Multinationale Konzerne, S. 201 f.).
b) Der Vorwurf der Klägerin an die Herren Glaser, Dietiker und Meier geht in erster Linie dahin, dass sie es trotz Kenntnis der Probleme unterlassen hätten einzugreifen. Die Widerrechtlichkeit dieser Unterlassung versucht die Klägerin zunächst aus dem Gefahrensatz abzuleiten. Nach diesem ungeschriebenen haftpflichtrechtlichen Grundsatz hat, wer Gefahren schafft, die nötigen Schutzmassnahmen zu treffen (
BGE 116 Ia 162
E. 2c S. 169, mit Hinweisen; vgl. auch
BGE 121 III 358
E. 4a S. 360). Der Gefahrensatz ist einerseits heranzuziehen, wenn der Kausal- bzw. der Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen einer Unterlassung und dem eingetretenen Schaden zu beurteilen ist (vgl. HONSELL, Schweizerisches Haftpflichtrecht, 2. Aufl. 1996, S. 50 f. Rz. 35; SCHNYDER, in: Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Basel, 2. Aufl. 1996, N. 38 zu
Art. 41 OR
). Anderseits begründet die Verletzung des Gefahrensatzes Verschulden; wer die gebotenen Schutzmassnahmen unterlässt, verletzt seine Sorgfaltspflicht (REY, Ausservertragliches Haftpflichtrecht, S. 173 f. Rz. 866 ff., insbes. Rz. 869; KELLER/GABI, Haftpflichtrecht, 2. Aufl. 1988, S. 43, 59 und 62; OFTINGER/STARK, Schweizerisches Haftpflichtrecht, Bd. II/1, 4. Aufl. 1987, S. 11 ff. Rz. 26 ff.). Nicht geeignet ist der Gefahrensatz nach in der neueren Lehre überwiegender - und zutreffender - Auffassung demgegenüber zur Begründung der Widerrechtlichkeit einer Unterlassung (BREHM, Berner Kommentar, N. 51 zu
Art. 41 OR
; OFTINGER/STARK, Schweizerisches Haftpflichtrecht, Bd. I, 5. Aufl. 1995, S. 182 f. Rz. 44, und Bd. II/1, 4. Aufl. 1987, S. 39 Rz. 107; STARK, Ausservertragliches Haftpflichtrecht, 2. Aufl. 1988, S. 57 Rz. 240 und S. 62 f. Rz. 271 ff.; REY, a.a.O., S. 148 Rz. 756). Dieser Auffassung hat sich das Bundesgericht in
BGE 119 II 127
(E. 3 S. 129) angeschlossen. Insoweit ist die von der Klägerin zitierte frühere Rechtsprechung (
BGE 116 Ia 162
E. 2c S. 169, mit Hinweisen; vgl. auch
BGE 116 Ib 367
E. 6a S. 376) überholt (WERRO, Die Sorgfaltspflichtsverletzung als Haftungsgrund nach
Art. 41 OR
, ZSR 116/1997, S. 364 f.). Aus
BGE 121 III 358
, auf den sich die Klägerin ebenfalls beruft, ergibt sich nichts zugunsten ihres Rechtsstandpunktes. Der dort beurteilte Fall betraf einen Skiunfall, der zu einer schweren Körperverletzung geführt hatte. Die Schädigung war deshalb bereits als Eingriff in ein
BGE 124 III 297 S. 301
absolut geschütztes Rechtsgut widerrechtlich (vgl. SCHNYDER, a.a.O., N. 38 zu
Art. 41 OR
). Die dortigen Erwägungen beziehen sich folglich nicht auf die Widerrechtlichkeit, sondern auf die Frage, ob und wieweit dem beklagten Bergbahnunternehmen Unterlassungen von Schutzvorkehren auf der Skipiste zur Last fielen, die als Verletzungen der vertraglichen oder sich aus dem Gefahrensatz ergebenden Pistensicherungspflicht in dem Sinne eine Haftungsgrundlage abzugeben vermochten, dass sie es dem Grundsatz nach erlaubten, dem Bergbahnunternehmen den Schaden unter dem Gesichtspunkt des Rechtswidrigkeitszusammenhangs zuzurechnen. Im vorliegenden Fall geht es dagegen nicht um einen Eingriff in absolut geschützte Rechtsgüter der Klägerin, sondern um einen reinen Vermögensschaden. Zur Begründung der Widerrechtlichkeit bedarf es daher eines Verstosses gegen eine Norm, die vor Schädigungen von der Art der eingetretenen schützen soll (OFTINGER/STARK, a.a.O., Bd. II/1, S. 35 f. Rz. 101; vgl. auch
BGE 121 III 350
E. 6b S. 354, mit Hinweisen). Der Gefahrensatz bildet jedoch nach dem Gesagten für sich allein keine solche Schutznorm.
c) Als Rechtsnorm, aus der sich eine Pflicht der Herren Glaser, Dietiker und Meier zum Eingreifen ergeben haben soll, führt die Klägerin weiter
Art. 2 ZGB
an, wonach jedermann in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln hat. Diese Vorschrift knüpft jedoch, wie schon aus ihrem Wortlaut hervorgeht, an bereits bestehende Rechte und Pflichten einer Person an. Wo jemand weder nach Vertrag noch nach Gesetz zu einem bestimmten Verhalten verpflichtet ist, kann eine solche Pflicht höchstens in eng umgrenzten Ausnahmefällen aus dem Grundsatz von Treu und Glauben abgeleitet werden (
BGE 108 II 305
E. 2b S. 311, bestätigt in
BGE 116 Ib 367
E. 6c S. 376 und
BGE 121 III 350
E. 6b S. 354). Einen solchen Ausnahmefall stellt namentlich die Haftung aus treuwidriger Enttäuschung erweckten Vertrauens dar. Darauf ist zurückzukommen (E. 6 hienach). Im vorliegenden Zusammenhang bleibt festzuhalten, dass es das Handelsgericht entgegen der Auffassung der Klägerin mit Recht abgelehnt hat,
Art. 2 ZGB
als «haftpflichtrechtliche Grundschutznorm» aufzufassen (HONSELL, a.a.O., S. 21 Rz. 7; BREHM, a.a.O., N. 53 zu
Art. 41 OR
; OFTINGER/STARK, a.a.O., Bd. II/1, 4. Aufl. 1987, S. 39 ff. Rz. 108 ff.; HOFSTETTER, a.a.O., S. 213 f.).
d) Schliesslich beruft sich die Klägerin zur Begründung der Widerrechtlichkeit auf Art. 2 und insbesondere auf
Art. 3 lit. b des Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG; SR 241)
.
BGE 124 III 297 S. 302
Sie macht geltend, die EOP/Infocall AG bzw. ihre Organe hätten immer wieder beteuert, dass alles planmässig verlaufe, es keine gravierenden EDV-Probleme gebe, und zudem ständig wiederholt, dass der Produktiv-Start per Anfang 1991 ohne weiteres möglich sei; dies alles, obwohl sie gewusst hätten, dass sie ein Entwicklungsprogramm verwendet hätten, das nicht funktioniert habe, nicht praxiserprobt gewesen sei und bereits bei anderen Kunden massive Performance-Probleme verursacht habe. Mit dieser Argumentation verkennt die Klägerin Stossrichtung und Tragweite des UWG. Nach
Art. 3 lit. b UWG
, dessen Tatbestandsmerkmale die Klägerin im Verhalten der Beklagten verwirklicht sehen will, handelt zwar unlauter, wer über seine Waren, Werke oder Leistungen unrichtige oder irreführende Angaben macht. Wie sich bereits aus der Generalklausel von
Art. 2 UWG
ergibt, setzt der Tatbestand des unlauteren Wettbewerbs jedoch stets ein Verhalten voraus, welches das Verhältnis zwischen Mitbewerbern oder zwischen Anbietern und Abnehmern beeinflusst. Das UWG bezweckt nicht etwa allgemein den Schutz von Treu und Glauben, sondern nur den Schutz des lauteren Wettbewerbs (
Art. 1 UWG
). Widerrechtlich im Sinne des UWG kann deshalb zum vornherein nur wettbewerbsgerichtetes, marktrelevantes Verhalten sein. Das Verhalten muss mithin objektiv geeignet sein, den Wettbewerb zu beeinflussen (
BGE 120 II 76
E. 3a S. 78, mit Hinweisen). Im vorliegenden Fall kann aber keine Rede davon sein, dass die Klägerin durch eine derartige Wettbewerbsbeeinflussung geschädigt worden wäre. Die Äusserungen, aus denen die Klägerin den Vorwurf des unlauteren Wettbewerbs ab-leiten will, fielen im Rahmen der Abwicklung eines bereits bestehenden Vertrages. Sie waren einerseits weder bestimmt noch geeignet, sich auf die Marktverhältnisse auszuwirken. Anderseits hatte die Klägerin auch die Wahl ihrer Vertragspartnerin längst getroffen. Unter diesen Umständen ist nicht einzusehen, inwiefern sie Opfer einer unlauteren Beeinflussung des Verhältnisses zwischen Mitbewerber oder zwischen Anbietern und Abnehmern geworden sein soll.
e) Fehl geht auch der Vorwurf, das Handelsgericht habe zu Unrecht nicht geprüft, ob eine absichtliche sittenwidrige Schädigung im Sinne von
Art. 41 Abs. 2 OR
vorliege. Dieser Haftungsgrund ist nur ausnahmsweise und mit grösster Zurückhaltung als gegeben anzunehmen (
BGE 95 III 83
E. 6a S. 92). Die Sittenwidrigkeit darf nicht dazu dienen, das Erfordernis der Widerrechtlichkeit auszuhöhlen. Wenn das Gesetz den Verstoss gegen die «guten Sitten» mit
BGE 124 III 297 S. 303
Schädigungsabsicht zum Haftungstatbestand erhebt, bedeutet dies nicht, dass es eine allgemeine Verpflichtung der Rechtsgenossen auf eine hohe Ethik anstreben würde. Das Recht will nur ein ethisches Minimum gewährleisten.
Art. 41 Abs. 2 OR
erfasst in erster Linie die Schikane: Gegen die guten Sitten verstösst im Sinne dieser Bestimmung ein Verhalten, das nicht der Wahrnehmung eigener Interessen dient, sondern ausschliesslich oder primär darauf abzielt, andere zu schädigen (HONSELL, a.a.O., S. 64; SCHNYDER, a.a.O., N. 43 zu
Art. 41 OR
). Im Lichte dieser Erwägungen kann im vorliegenden Fall von Sittenwidrigkeit keine Rede sein. Dass eine Aufklärung über angeblich voraussehbare EDV-Probleme unterblieben ist, stellt möglicherweise eine Vertragsverletzung seitens der EOP/Infocall AG dar; eine unerlaubte Handlung von Organpersonen lässt sich darin aber nicht erblicken. Ein Deliktstatbestand lässt sich namentlich auch nicht auf dem Umweg über
Art. 41 Abs. 2 OR
konstruieren. Dass es den fraglichen Organpersonen ausschliesslich oder primär darauf angekommen wäre, die Klägerin zu schädigen, behauptet diese selbst nicht. Inwiefern ein schikanöses oder sonstwie vergleichbar verwerfliches Verhalten von Organpersonen vorliegen soll, ist weder dargetan noch ersichtlich.
f) Ein aus unerlaubtem Verhalten von Doppelorganen abgeleiteter Schadenersatzanspruch scheitert somit bereits daran, dass die Haftungsvoraussetzung der Rechts- oder Sittenwidrigkeit nicht gegeben ist. Es erübrigt sich daher, die weiteren Haftungsvoraussetzungen und die Frage der Verjährung näher zu prüfen.
6.
Eine Verletzung von Bundesrecht erblickt die Klägerin schliesslich auch darin, dass das Handelsgericht eine Haftung der Beklagten aus erwecktem Konzernvertrauen verneint hat.
a) Die Klägerin stützt ihre Argumentation auf
BGE 120 II 331
. In diesem Urteil hält das Bundesgericht fest, dass erwecktes Vertrauen in das Konzernverhalten der Muttergesellschaft unter Umständen auch bei Fehlen einer vertraglichen oder deliktischen Haftungsgrundlage haftungsbegründend sein kann. Eine derartige Vertrauenshaftung kommt jedoch nur unter strengen Voraussetzungen in Betracht. Der Geschäftspartner einer Tochtergesellschaft hat deren Kreditwürdigkeit grundsätzlich selbst zu beurteilen und kann das Bonitätsrisiko nicht einfach generell auf die Muttergesellschaft abwälzen. Die Muttergesellschaft hat nicht unbesehen für den Erfolg des Tochterunternehmens einzustehen und haftet bei dessen Scheitern den Geschäftspartnern nicht ohne weiteres für allfälligen Schaden, der ihnen aus dem Misserfolg erwächst.
BGE 124 III 297 S. 304
Schutz verdient nicht, wer bloss Opfer seiner eigenen Unvorsichtigkeit oder der Verwirklichung allgemeiner Geschäftsrisiken wird, sondern nur, wessen berechtigtes Vertrauen missbraucht wird. Eine Haftung entsteht nur, wenn die Muttergesellschaft durch ihr Verhalten bestimmte Erwartungen in ihr Konzernverhalten und ihre Konzernverantwortung erweckt, später aber in treuwidriger Weise enttäuscht (
BGE 120 II 331
E. 5a S. 335 f.; vgl. auch 121 III 350 E. 6c S. 355 f.). Das blosse Bestehen einer Konzernverbindung vermag somit keine Grundlage für eine Vertrauenshaftung abzugeben. Ebensowenig genügen Werbeaussagen, in denen bloss in allgemeiner Form auf eine bestehende Konzernverbindung hingewiesen wird. Schutzwürdiges Vertrauen setzt ein Verhalten der Muttergesellschaft voraus, das geeignet ist, hinreichend konkrete und bestimmte Erwartungen zu wecken (vgl. MARKUS LUTTER, Haftung aus Konzernvertrauen?, in: Gedächtnisschrift für Brigitte Knobbe-Keuk, Köln 1997, S. 232 ff., insbes. 240 f.; DRUEY, SZW 1995, S. 96).
b) Als Grundlage für ihr Vertrauen in das Konzernverhalten der Telecolumbus AG macht die Klägerin namentlich geltend, auf dem Briefpapier der EOP/Infocall AG sei der Hinweis «Ein Unternehmen der Telecolumbus-Gruppe» aufgedruckt gewesen und in den Werbeunterlagen sei die EOP/Infocall AG als ein «schnellwachsendes Unternehmen der Telecolumbus-Gruppe» vorgestellt worden. Aus solchen allgemeinen Hinweisen durfte sie jedoch in guten Treuen keine konkreten Zusicherungen in Bezug auf ein bestimmtes Konzernverhalten der Telecolumbus AG ableiten. Entgegen der Auffassung der Klägerin lässt sich der vorliegende Fall nicht mit dem Sachverhalt vergleichen, den das Bundesgericht in
BGE 120 II 331
beurteilt hat. Dort war entscheidend, dass nicht bloss allgemein auf die Konzernstrukturen hingewiesen, sondern die Einbindung der Tochtergesellschaft in den Konzern der Muttergesellschaft werbemässig stark herausgestrichen und in den Werbeunterlagen vor allem auch ausdrücklich zugesichert worden war, dass die Tochtergesellschaft nach den «gleichen unternehmerischen Maximen wie ihre Mutter» arbeite und dass der Konzern hinter dem Tochterunternehmen stehe, was sich von Anfang an auf dessen Zuverlässigkeit auswirke. Im vorliegenden Fall fehlen vergleichbar ausgeprägte und bestimmte Werbeaussagen. In den allgemeinen Angaben über die Konzernverhältnisse, welche Geschäftspapier und Werbeunterlagen der EOP/Infocall AG enthielten, kann keine Grundlage für berechtigtes Vertrauen der Klägerin darauf gesehen werden, dass die
BGE 124 III 297 S. 305
Telecolumbus AG für eine korrekte Vertragsabwicklung ihrer Tochtergesellschaft und insbesondere für eine korrekte Aufklärung über allfällig auftretende Probleme sorgen werde. | null | nan | de | 1,998 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
c6cb3b0a-608d-412b-beca-1817bbd176e9 | Urteilskopf
113 IV 87
24. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 19. Oktober 1987 i.S. L. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zug (Nichtigkeitsbeschwerde) | Regeste
Art. 91 Abs. 3 SVG
. Vereitelung einer Blutprobe.
Wurde auf die amtliche Anordnung der Blutprobe verzichtet, fehlt es an einer objektiven Voraussetzung der Strafbarkeit. | Sachverhalt
ab Seite 88
BGE 113 IV 87 S. 88
A.-
Am Aschermittwoch, 12. Februar 1986, ca. 02.20 Uhr, fuhr L. Mit seinem Pw in Cham auf der Sinserstrasse in Richtung Bärenplatz. Dabei fiel er zwei Beamten einer Polizeipatrouille durch seine unsichere Fahrweise auf. Sie setzten daher zur Verfolgung an, konnten aber den Pw nicht mehr einholen. Dieser bog ausgangs Cham ab und hielt vor einer Liegenschaft an der Dersbachstrasse (Wohnort des Fahrzeuglenkers). Die Polizeibeamten, die dem Pw gefolgt waren, verlangten vom Fahrzeuglenker die Ausweise und bemerkten dabei auch Alkoholgeruch. In der Folge forderten sie L. zweimal auf, sich einem Atemlufttest zu unterziehen, den dieser beide Male verweigerte. Die Polizeibeamten begaben sich hierauf zu ihrem Patrouillenwagen, um mit der vorgesetzten Dienststelle Verbindung aufzunehmen und das weitere Vorgehen abzuklären. Vom Brandtourchef wurden sie aufgefordert, nichts weiteres zu unternehmen. In der Zwischenzeit ging L. in sein Haus, schloss die Türe und löschte das Licht.
B.-
Der Polizeirichter des Kantons Zug sprach L. am 29. April 1987 von der Anklage der Verletzung von Verkehrsregeln (
Art. 27 Abs. 1 SVG
) frei, büsste ihn aber wegen Vereitelung einer Blutprobe gemäss
Art. 91 Abs. 3 SVG
mit Fr. 800.--. Das Strafgericht des Kantons Zug bestätigte am 24. Juli 1987 im Berufungsverfahren das Urteil des Polizeirichters im Schuld- und Strafpunkt.
C.-
Mit eidgenössischer Nichtigkeitsbeschwerde beantragt der Gebüsste, er sei von Schuld, Strafe und Kosten freizusprechen; allenfalls sei die Sache zu seiner Freisprechung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Gemäss
Art. 91 Abs. 3 SVG
ist strafbar, wer sich vorsätzlich einer amtlich angeordneten Blutprobe widersetzt oder entzieht oder den Zweck der Massnahme vereitelt. Objektive Voraussetzung für die Anwendung dieser Bestimmung ist, dass eine Blutprobe amtlich angeordnet wurde oder nach den konkreten Umständen des Falles mit hoher Wahrscheinlichkeit angeordnet worden wäre. Die Voraussetzung für eine Bestrafung gemäss
Art. 91 Abs. 3 SVG
ist indessen nicht erfüllt, wenn auf die amtliche Anordnung einer Blutprobe verzichtet wurde, z.B. weil der Polizeibeamte
BGE 113 IV 87 S. 89
dieses Beweismittel nicht für erforderlich hielt (
BGE 110 IV 94
). Gleiches gilt auch im vorliegenden Fall, wo die vorgesetzte Dienststelle die beiden Beamten auf deren Anfrage hin ausdrücklich anwies, sie "sollen keine weiteren Massnahmen treffen, lediglich die Personalien aufnehmen, den Führerausweis zurücklegen und L. zur Verzeigung bringen". Diese Anweisung wurde von den Beamten befolgt. Gemäss den unwiderlegten Ausführungen in der Beschwerdeschrift begaben sie sich nach den erwähnten Abklärungen zur Haustüre des Beschwerdeführers zurück, warfen den von diesem zurückgelassenen Ausweis in den Briefkasten und fuhren anschliessend weg, ohne auch nur versucht zu haben, zu klingeln oder sich sonstwie bemerkbar zu machen. Damit brachten sie ihren Verzicht auf eine Blutprobe klar zum Ausdruck. Durch diesen Verzicht kam das Verfahren formell nie in jenes Stadium, in welchem die Sondernorm von
Art. 91 Abs. 3 SVG
eingreifen konnte (
BGE 110 IV 94
).
Fehlt es an einer objektiven Voraussetzung für eine Bestrafung im Sinne von
Art. 91 Abs. 3 SVG
, kommt nichts darauf an, ob der Beschwerdeführer im Moment, als er sich in sein Haus begab, mit der Anordnung einer Blutprobe gerechnet habe oder nicht. Auf die entsprechenden Ausführungen der Vorinstanz muss deshalb nicht eingetreten werden.
Der Umstand, dass der Beschwerdeführer es trotz polizeilicher Aufforderung zweimal ablehnte, sich einem Atemlufttest zu unterziehen, ändert am Ergebnis nichts. Der Atemlufttest dient gemäss
Art. 138 Abs. 3 VZV
der Vorprobe; er ist eine (fakultative) Vorstufe bei der Feststellung der Angetrunkenheit, welche aber durch Blutprobe zu erfolgen hat (
Art. 138 Abs. 1 VZV
). Nur die amtlich angeordnete (oder anzuordnende) Blutprobe ist durch
Art. 91 Abs. 3 SVG
geschützt (
BGE 110 IV 94
). Da auf eine solche verzichtet wurde, darf der Beschwerdeführer nicht im Sinne von
Art. 91 Abs. 3 SVG
schuldig gesprochen werden, was zur Gutheissung der Beschwerde führt. | null | nan | de | 1,987 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
c6cce362-a2be-4e5f-a865-f2c553b6a6f9 | Urteilskopf
137 III 433
65. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. Konsumenteninfo AG und Editions Plus S.à.r.l. gegen ÖKK Kranken- und Unfallversicherungen AG (Beschwerde in Zivilsachen)
5A_275/2011 / 5A_276/2011 vom 8. August 2011 | Regeste
Art. 28g ff. ZGB
; Berichtigung des Medienunternehmens.
Voraussetzungen, unter denen eine Berichtigung des Medienunternehmens das schutzwürdige Interesse an einer Gegendarstellung entfallen lässt (E. 3-7). | Sachverhalt
ab Seite 433
BGE 137 III 433 S. 433
A.
A.a
Der "K-Tipp" ist ein deutschsprachiges Konsumentenmagazin und erscheint alle vierzehn Tage mit insgesamt zwanzig Ausgaben im Jahr als Zeitschrift und auf Internet ("www.ktipp.ch"). Er wird von der Konsumenteninfo AG (Beschwerdeführerin 1) herausgegeben. Das vergleichbare Konsumentenmagazin in französischer Sprache heisst "Bon à savoir". Die Editions Plus S.à.r.l. (Beschwerdeführerin 2) ist die Herausgeberin der Zeitschrift "Bon à savoir" mit
BGE 137 III 433 S. 434
jährlich elf Ausgaben und die Betreiberin der Website "www.bonasavoir.ch". Die Beschwerdeführerinnen beauftragten das Link-Institut in Luzern mit einer repräsentativen Umfrage zur Zufriedenheit der Versicherten mit ihren Krankenkassen.
A.b
Die Ergebnisse der Umfrage wurden im "K-Tipp" vom 8. September 2010 (Ausgabe Nr. 14) unter der Rubrik "Aktuell" (S. 6 f.) und auf der Website jeweilen mit dem Titel "Service: Die Assura auf dem letzten Platz" veröffentlicht. Unter dem Zwischentitel "Grösste Absteigerin ist die Sympany/ÖKK" heisst es, was folgt:
Dagegen rutschte die letztjährige Siegerin Visana auf den siebten Platz ab. Auch die Sympany/ÖKK kam bei ihren Kunden schlechter weg als im Vorjahr und landete auf dem zehnten Rang. Allerdings ist zu beachten, dass gerade die beiden grössten Absteigerinnen bei den ziemlich zufriedenen Kunden markant zugelegt haben (Visana 15 Prozentpunkte, Sympany/ÖKK 26 Prozentpunkte).
In einer Rangliste der Krankenkassen mit der Bewertung "sehr zufrieden" wurden die Firmenlogos "Sympany/ÖKK" mit 49 % auf dem zweitletzten von elf Plätzen verzeichnet.
A.c
Unter dem Titel "Certaines caisses vous ont déçus" wurden die Ergebnisse der Umfrage im "Bon à savoir" vom 10. September 2010 (Ausgabe Nr. 9, S. 19) und auf der Website veröffentlicht. Unter dem Zwischentitel "Classement des caisses" steht Folgendes geschrieben:
En revanche, Visana et Sanitas, qui étaient en tête de peloton l'an dernier, n'apparaissent qu'en 7
e
et 6
e
positions. De même, ÖKK/Sympany passe de la 5
e
à la 10
e
position.
In einer Rangliste der Krankenkassen mit der Bewertung "très satisfait" wurden die Firmenlogos "Sympany/ÖKK" mit 49 % (Vorjahr: 67 %) auf dem zweitletzten von elf Plätzen verzeichnet.
B.
Die ÖKK Kranken- und Unfallversicherungen AG (ÖKK oder Beschwerdegegnerin) verlangte am 10. und 14. September 2010 von den Beschwerdeführerinnen eine Gegendarstellung. Sie reichte einen zu veröffentlichenden Text ein und machte insbesondere geltend, ÖKK und Sympany seien zwei unabhängige Unternehmen und dürften bei der Umfrage und/oder Auswertung über die Kundenzufriedenheit nicht gleichgesetzt werden. Die Beschwerdeführerinnen schlugen vor, dass die jeweilige Redaktion die Sache von sich aus mit einem eigens verfassten Text präzisiere. Die Beschwerdegegnerin lehnte den Vorschlag ab. Die Berichtigung der
BGE 137 III 433 S. 435
Beschwerdeführerin 1 erfolgte auf der Website und wurde im "K-Tipp" vom 22. September 2010 (Ausgabe Nr. 15) am Schluss der Rubrik "Leserbriefe" (S. 37) abgedruckt. Die Beschwerdeführerin 2 veröffentlichte eine Berichtigung auf der Website und druckte in der Ausgabe Nr. 10 von "Bon à savoir" (Oktober 2010) unter der Rubrik "Courrier des Lecteurs" (S. 9) eine "Précision" ab. Die Beschwerdegegnerin beharrte auf der Veröffentlichung einer Gegendarstellung, die von beiden Beschwerdeführerinnen abgelehnt wurde.
C.
Mit Gesuchen vom 30. September 2010 beantragte die Beschwerdegegnerin die gerichtliche Anordnung ihrer Gegendarstellungen. Die Beschwerdeführerinnen stellten die Anträge, auf die jeweiligen Gesuche nicht einzutreten, eventuell die Gesuche abzuweisen. Das Bezirksgericht hiess die Gesuche gut. Es verpflichtete die Beschwerdeführerin 1, in der nächstfolgenden Ausgabe des "K-Tipp" unter der Rubrik "Aktuell" sowie auf der Website "www.ktipp.ch" zum Artikel "Service: Die Assura auf dem letzten Platz" vom 8. September 2010 die verlangte Gegendarstellung zu publizieren. Das Bezirksgericht verpflichtete auch die Beschwerdeführerin 2, in der nächstfolgenden Ausgabe des "Bon à savoir" sowie auf der Website "www.bonasavoir.ch" zum Artikel "Certaines caisses vous ont déçus" vom 10. September 2010, den eingereichten Gegendarstellungstext zu publizieren. Die Beschwerdeführerinnen rekurrierten an das Kantonsgericht, das die Rekurse abwies. Mit Beschwerden in Zivilsachen erneuern die Beschwerdeführerinnen ihre im kantonalen Verfahren gestellten Anträge. Das Bundesgericht weist die Beschwerde der Beschwerdeführerin 1 ab, heisst hingegen die Beschwerde der Beschwerdeführerin 2 teilweise gut, was die gerichtlich angeordnete Veröffentlichung einer Gegendarstellung auf der Website "www.bonasavoir.ch" anbetrifft.
(Zusammenfassung)
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
Die Beschwerdeführerinnen machen geltend, dass sie als Medienunternehmen mit der raschen Veröffentlichung einer Berichtigung ("Präzisierung der Redaktion") den Gegendarstellungsanspruch der Beschwerdegegnerin erfüllt hätten. Damit sei das schutzwürdige Interesse der Beschwerdegegnerin an der Veröffentlichung einer Gegendarstellung entfallen. Beharre sie gleichwohl darauf, verhalte sich die Beschwerdegegnerin rechtsmissbräuchlich. Die Beschwerdegegnerin entgegnet, eine redaktionelle Berichtigung, die nach
BGE 137 III 433 S. 436
Anmeldung der Gegendarstellung gegen den Willen des Betroffenen veröffentlicht werde, könne nicht zum Erlöschen des Gegendarstellungsanspruchs führen.
4.
Die rechtliche Ausgangslage zeigt sich fallbezogen wie folgt:
4.1
Nach der gesetzlichen Regelung hat einen Anspruch auf Gegendarstellung, wer durch Tatsachendarstellungen in periodisch erscheinenden Medien in seiner Persönlichkeit unmittelbar betroffen ist (
Art. 28g Abs. 1 ZGB
). Der Betroffene muss den Text der Gegendarstellung, der bestimmten formellen und inhaltlichen Anforderungen zu genügen hat (vgl.
Art. 28h ZGB
), innert Frist an das Medienunternehmen absenden, das ihm unverzüglich mitteilt, wann es die Gegendarstellung veröffentlicht oder weshalb es sie zurückweist (vgl.
Art. 28i ZGB
). Die Gegendarstellung ist sobald als möglich zu veröffentlichen, als solche zu kennzeichnen und so zu veröffentlichen, dass sie den gleichen Personenkreis wie die beanstandete Tatsachendarstellung erreicht (vgl.
Art. 28k ZGB
). Verhindert das Medienunternehmen die Ausübung des Gegendarstellungsrechts, verweigert es die Gegendarstellung oder veröffentlicht es diese nicht korrekt, so kann der Betroffene das Gericht anrufen (vgl.
Art. 28l ZGB
). Gegendarstellungen werden in der Praxis häufig nicht einfach zurückgewiesen, sondern in anderer Form veröffentlicht, sei es als Berichtigung oder Präzisierung der Redaktion oder sei es zum Beispiel als Leserbrief. Einzelne Medienunternehmen sollen bis zu 30 % aller Begehren um Gegendarstellung auf diesem Weg erledigen (vgl. DENIS MASMEJAN, Le droit de réponse vingt ans après: une fausse bonne idée-, Medialex 2005 S. 27 ff., 28 f. Ziff. II/4).
4.2
Wie sich die Veröffentlichung einer Berichtigung durch das Medienunternehmen auf den Gegendarstellungsanspruch auswirkt, ist in der Lehre und der kantonalen Rechtsprechung umstritten.
4.2.1
Veröffentlicht das Medienunternehmen eine Berichtigung erst nach Eintreffen der Gegendarstellung, wird darin teilweise eine Umgehung des Gegendarstellungsrechts erblickt. Nach dieser Auffassung bezweckt das Recht auf Gegendarstellung, dass die betroffene Person auch ihren Standpunkt zur Geltung bringen kann. Allein schon aus dieser Zwecksetzung wird geschlossen, dass der Gegendarstellungsanspruch nicht durch eine eigene Berichtigung des Medienunternehmens unterlaufen werden kann. Die blosse Berichtigung durch das Medienunternehmen ist auch nicht als Gegendarstellung gekennzeichnet, wie das
Art. 28k Abs. 2 ZGB
vorschreibt.
BGE 137 III 433 S. 437
Dass das Medienunternehmen von sich aus eine Berichtigung veröffentlicht, macht das Gegendarstellungsrecht deshalb nicht hinfällig (vgl. Urteil des Obergerichts des Kantons Obwalden vom 9. Juli 1986 E. 1, in: SJZ 82/1986 S. 319; PEDRAZZINI/OBERHOLZER, Grundriss des Personenrechts, 4. Aufl. 1993, S. 170; FRANK/STRÄULI/MESSMER, Kommentar zur zürcherischen Zivilprozessordnung, 3. Aufl. 1997, N. 3 zu
§ 215 ZPO
/ZH; BARRELET/WERLY, Droit de la communication, 2. Aufl. 2011, N. 1727, 4. Lemma, S. 518; OLIVIER RODONDI, Le droit de réponse dans les médias, 1991, S. 249).
4.2.2
Die gegenteilige Ansicht sieht den Zweck des Rechts auf Gegendarstellung ausschliesslich darin, dass die veröffentlichte Tatsachendarstellung im Sinn der betroffenen Person berichtigt wird. Hat das Medienunternehmen bereits eine Berichtigung veröffentlicht, die die Sicht der betroffenen Person beinhaltet und die für die Gegendarstellung geltenden Veröffentlichungsvorschriften gemäss
Art. 28k Abs. 1 ZGB
erfüllt, entfällt der Gegendarstellungsanspruch mangels schutzwürdigen Interesses. Der Zweck der Gegendarstellung ist erreicht, auch wenn sich die betroffene Person nicht mit eigenen Worten an die Öffentlichkeit wenden konnte. Nach dieser Betrachtungsweise kann es letztlich keine Rolle spielen, ob die Berichtigung des Medienunternehmens vor oder erst nach Eintreffen der Gegendarstellung veröffentlicht wird (ausführlich: BEATRICE BÄNNINGER, Die Gegendarstellung in der Praxis, 1998, S. 164 ff., mit Hinweisen; seither allgemein: SCHWAIBOLD, in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, Bd. I, 4. Aufl. 2010, N. 7 zu
Art. 28l ZGB
; JEANDIN, in: Commentaire romand, Code civil, Bd. I, 2010, N. 32 zu
Art. 28g ZGB
; BARRELET/WERLY, a.a.O., N. 1702 S. 511; TUOR/SCHNYDER/SCHMID, Das schweizerische Zivilgesetzbuch, 13. Aufl. 2009, § 11 N. 49 S. 117; DESCHENAUX/STEINAUER, Personnes physiques et tutelle, 4. Aufl. 2001, N. 697a S. 247).
4.3
Aus der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ergibt sich zur Streitfrage, was folgt:
4.3.1
Auszugehen ist vom Zweck des Institutes. Im Unterschied zum allgemeinen Schutz der Persönlichkeit gemäss
Art. 28 Abs. 1 ZGB
ist das Gegendarstellungsrecht nicht an den Nachweis einer widerrechtlichen Verletzung gebunden. Es soll dem Betroffenen ermöglichen, unabhängig von einem solchen Nachweis und wenn immer möglich ohne Anrufung des Gerichts einer Tatsachendarstellung, die ihn in seiner Persönlichkeit berührt, eine eigene Version
BGE 137 III 433 S. 438
entgegenzustellen. Im Sinne des Rechtsschutzes durch Verfahren soll eine Art "Waffengleichheit" herbeigeführt werden (vgl.
BGE 112 Ia 398
E. 4b S. 403 f.;
BGE 113 II 213
E. 2c S. 217;
BGE 117 II 115
E. 2a S. 116). Das Ziel der Gegendarstellung, nämlich im Bereich der öffentlichen Medien in einem gewissen Umfang gleich lange Spiesse zu schaffen, ist erreicht, wenn die Gegendarstellung publiziert wurde und damit an das gleiche Publikum gelangt ist wie der ursprüngliche Artikel. Der Betroffene wird sie allerdings häufig als eine Art Genugtuung empfinden. Einen Anspruch auf eine solche hat er aber nicht (vgl.
BGE 135 III 385
E. 2.2 S. 387, zum Anspruch auf Zustellung eines Belegexemplars).
4.3.2
Von diesem Zweck her kann das Begehren auf gerichtliche Anordnung einer Gegendarstellung als offenbar rechtsmissbräuchlich erscheinen, wenn der Betroffene bereits die Gelegenheit erhalten hat, seine Entgegnung - z.B. in der Form eines Interviews - veröffentlichen zu lassen, und diese Veröffentlichung den gesetzlichen Anforderungen an eine Gegendarstellung genügt hat. Vorausgesetzt ist somit, dass die veröffentlichte Entgegnung innert nützlicher Frist erfolgt ist, mit grösster Wahrscheinlichkeit wiederum auch den Leser des beanstandeten Artikels angesprochen hat und in direkter Verbindung mit dem beanstandeten Artikel gestanden oder diese Verbindung durch geeignete Mittel hergestellt hat. Schliesslich darf ihr nicht erneut ein Kommentar des Medienunternehmens gefolgt sein, der sie entwertet haben könnte (vgl.
BGE 120 II 273
E. 4b S. 275). Der beurteilte Fall betraf ein ausführliches Interview, das das Medienunternehmen dem Betroffenen zum Gegenstand des beanstandeten Zeitungsartikels gewährt und im Anschluss daran veröffentlicht hatte.
4.4
Ob und unter welchen Voraussetzungen eine Berichtigung des Medienunternehmens ein Beharren des Betroffenen auf seinem Gegendarstellungsrecht als offenbar rechtsmissbräuchlich erscheinen lassen kann, ist anhand sämtlicher Umstände des konkreten Einzelfalls zu beurteilen. Allerdings ist offenbarer Rechtsmissbrauch nur mit Zurückhaltung anzunehmen und im Zweifel das formelle Recht zu schützen (allgemein: Urteil 5A_655/2010 vom 5. Mai 2011 E. 2.2.1, mit Hinweis insbesondere auf HAUSHEER/JAUN, Die Einleitungsartikel des ZGB, 2003, N. 90 zu
Art. 2 ZGB
; vgl.
BGE 123 III 145
E. 3b S. 150). Berücksichtigt werden muss dabei, dass die Berichtigung des Medienunternehmens im Unterschied zu den vorgenannten "Interview-Fällen" nicht den Standpunkt des Betroffenen wiedergibt
BGE 137 III 433 S. 439
und insofern nicht als "Gegendarstellung", d.h. als eigene Version des Betroffenen erkennbar ist. Die Frage stellt sich zudem unterschiedlich, je nachdem, ob das Medienunternehmen von sich aus und aus eigenem Antrieb eine Berichtigung veröffentlicht, bevor der Betroffene förmlich eine Gegendarstellung verlangt hat, oder ob das Medienunternehmen erst nach dem Eintreffen der Gegendarstellung eine Berichtigung veröffentlicht und damit auf das Gegendarstellungsbegehren des Betroffenen gleichsam erst reagiert. Denn vorab in letzterem Fall besteht die Gefahr, das Gegendarstellungsrecht könnte entwertet und unterlaufen werden. Gleichwohl dürfen auch in diesem Bereich die Fälle offenbaren Rechtsmissbrauchs nicht völlig ausgeschlossen werden. Wer vor Gericht begehrt, was er bereits erhalten hat, verdient keinen Rechtsschutz. Im Einzelfall ist jedoch streng darauf zu achten, dass die Berichtigung des Medienunternehmens die Sachdarstellung des Betroffenen zum einen inhaltlich richtig und vollständig wiedergibt und zum anderen den übrigen für die Gegendarstellung geltenden Veröffentlichungsvorschriften gemäss
Art. 28k Abs. 1 ZGB
entspricht. Der Einwand der Beschwerdeführerinnen, dem Betroffenen sei stets besser gedient, wenn das Medienunternehmen ausdrücklich berichtige und nicht bloss die Gegenmeinung des Betroffenen veröffentliche, ist in dieser allgemeinen Form unzutreffend. Das kann je nach Art der beanstandeten Tatsachendarstellung zutreffen, muss aber nicht. Entscheidend bleibt der Einzelfall.
4.5
Gemäss
Art. 28k Abs. 1 ZGB
ist die Gegendarstellung sobald als möglich zu veröffentlichen, und zwar so, dass sie den gleichen Personenkreis wie die beanstandete Tatsachendarstellung erreicht. Auch wenn sich daraus - im Gegensatz zur entsprechenden Bestimmung des Vorentwurfs - nicht eine starre Pflicht ergibt, die Gegendarstellung in der gleichen Rubrik beziehungsweise auf der gleichen Seite wie die ursprüngliche Mitteilung abzudrucken, so muss es sich doch um eine vom gleichen Publikum ebenso berücksichtigte Veröffentlichungsweise handeln. Je auffälliger die beanstandete Darstellung zur Geltung gekommen ist, desto mehr rechtfertigt es sich, der Gegendarstellung die gleichen Modalitäten der Veröffentlichung zuzugestehen (vgl.
BGE 123 III 145
E. 2 S. 147 ff.). Diese Voraussetzung erfüllt eine Veröffentlichung auf der Leserbriefseite nicht, wenn der beanstandete Beitrag in einer Rubrik der Sachberichterstattung erfolgt ist (vgl.
BGE 119 II 97
E. 2a S. 99 f.;
BGE 122 III 209
E. 2a S. 211). Neben den inhaltlichen hat diesen formellen
BGE 137 III 433 S. 440
Anforderungen an die Veröffentlichung auch die Berichtigung des Medienunternehmens zu genügen, soll sie bewirken, dass das schutzwürdige Interesse an der Beurteilung eines bereits eingereichten oder späteren Gegendarstellungsbegehrens entfällt.
5.
Die Beschwerdeführerinnen haben ihre Berichtigung zwei Wochen ("K-Tipp") bzw. rund vier Wochen ("Bon à savoir") nach der beanstandeten Tatsachendarstellung veröffentlicht und auf der jeweiligen Website aufgeschaltet. Es hat sich dabei um die nächstfolgende Ausgabe gehandelt, da der "K-Tipp" alle vierzehn Tage und der "Bon à savoir" einmal im Monat erscheint (vgl. Bst. A hiervor). Die Veröffentlichung ist damit im Sinne von
Art. 28k Abs. 1 ZGB
"sobald als möglich" erfolgt (vgl. SCHWAIBOLD, a.a.O., N. 2 f., und JEANDIN, a.a.O., N. 2, je zu
Art. 28k ZGB
).
6.
In den gedruckten Ausgaben des "K-Tipp" und des "Bon à savoir" haben die Beschwerdeführerinnen ihre Berichtigungen auf der Leserbriefseite veröffentlicht.
6.1
Gestützt auf die Rechtsprechung (E. 4.5) hat das Kantonsgericht angenommen, die Veröffentlichung der Berichtigung genüge den Anforderungen gemäss
Art. 28k Abs. 1 ZGB
nicht. Der beanstandete Beitrag sei im Redaktionsteil erschienen, so dass die Berichtigung im thematischen Zusammenhang und nicht einfach auf der Leserbriefseite hätte veröffentlicht werden sollen. Ungeachtet seiner Wortwahl ist klar, was das Kantonsgericht gemeint hat, auch wenn die Leserbriefseiten zum redaktionellen Teil der beiden Konsumentenmagazine gehören, wie das die Beschwerdeführerinnen hervorheben.
6.2
Die Beschwerdeführerinnen halten die Veröffentlichung der "Präzisierung der Redaktion" unter der Rubrik "Leserbriefe" gleichwohl für gerechtfertigt, weil in Printmedien die Leserbriefe zu den meistgelesenen Rubriken zählten (mit Hinweis auf SCHWAIBOLD, a.a.O., N. 8 zu
Art. 28k ZGB
; vgl. JEANDIN, a.a.O., N. 3 zu
Art. 28k ZGB
). Entscheidend ist indessen nach der gesetzlichen Konzeption, dass die Veröffentlichung nicht irgendeinen oder den grösstmöglichen Leserkreis erreicht, sondern die Personen, die zuvor auch die beanstandete Tatsachendarstellung gelesen haben. Wie die Beschwerdeführerinnen hervorheben, verfügt ein Konsumentenmagazin als spezialisierte Zeitschrift über eine sachthemenbezogen interessierte und damit über eine aufmerksamere und kritischere Leserschaft als eine gewöhnliche Tageszeitung (vgl. Urteil 4C.170/2006 vom 28. August
BGE 137 III 433 S. 441
2006 E. 3.3, in: sic! 2007 S. 219 f.). Es darf deshalb angenommen werden, dass eine redaktionelle Berichtigung von den Lesern einer spezialisierten Zeitschrift auch eher im themenbezogenen Sachzusammenhang erwartet und wahrgenommen werden wird als auf der Leserbriefseite, die der Verbreitung subjektiver Meinungen und Erfahrungen dient und die die auf Sachthemen ausgerichtete fachkundige Leserschaft weniger interessieren dürfte.
6.3
Zutreffend hat das Kantonsgericht somit einen überzeugenden Grund für ein Abweichen von der bundesgerichtlichen Rechtsprechung verneint. Die Berichtigung des Medienunternehmens im Leserbriefteil genügt in formeller Hinsicht nicht, wenn der zu berichtigende Beitrag als Sachthema des Konsumentenmagazins abgedruckt war. Bei diesem Ergebnis kann dahingestellt bleiben, ob die veröffentlichte "Präzisierung der Redaktion" inhaltlich zweifelsfrei berichtigt hat, was von der Beschwerdegegnerin beanstandet und zur Gegendarstellung beantragt worden war. Aus den dargelegten Gründen kann nicht beanstandet werden, dass das Kantonsgericht ein schutzwürdiges Interesse der Beschwerdegegnerin an der Gegendarstellung bejaht hat, was den "K-Tipp" und den "Bon à savoir" in der gedruckten Ausgabe angeht.
7.
Die Beschwerdeführerinnen haben die Berichtigung auch auf der jeweiligen Website von "K-Tipp" und "Bon à savoir" aufgeschaltet.
7.1
Der "K-Tipp" und der "Bon à savoir" gehören beide zu den periodisch erscheinenden Medien im Sinne von
Art. 28g Abs. 1 ZGB
. Sie sind in Papierform als Zeitschriften erhältlich, doch wird ihr Inhalt regelmässig auch auf der Website gleichen Namens aufgeschaltet. Es kann deshalb nicht beanstandet werden, dass die kantonalen Gerichte eine Gegendarstellung auf der Website als zulässig erachtet haben (vgl. SCHWAIBOLD, a.a.O., N. 3, und JEANDIN, a.a.O., N. 20, je zu
Art. 28g ZGB
). Die Modalitäten der Veröffentlichung gemäss
Art. 28k ZGB
sind in diesem Fall internetspezifisch, d.h. auf der Website umzusetzen (vgl. JEANDIN, a.a.O., N. 4 zu
Art. 28k ZGB
; zu einzelnen Möglichkeiten: COTTIER/AGUET, Droit de réponse en ligne: quo vadis-, Medialex 2004 S. 203 ff., 208 f.).
7.2
Was die Berichtigung auf der Website "www.ktipp.ch" angeht, betont die Beschwerdeführerin 1, sie habe ihre "Präzisierung der Redaktion" unmittelbar unter dem beanstandeten Artikel platziert und erst noch mit dem Zusatz "Wichtig: ÖKK und Sympany sind zwei verschiedene Versicherungsunternehmen" ergänzt. Auf Grund der
BGE 137 III 433 S. 442
verwiesenen Belege trifft die Darstellung zu. Berichtigt werden muss allerdings (
Art. 105 Abs. 2 BGG
), dass die "Präzisierung der Redaktion" nicht unmittelbar an den beanstandeten Artikel anschliesst, sondern sich darunter in der Rubrik "Kommentare" befindet. Wer sich einloggt bzw. registrieren lässt, kann auf der Website unter dieser Rubrik einen eigenen Kommentar hinzufügen. Darauf verweist zutreffend auch die Beschwerdegegnerin. Es handelt sich somit um eine Art "Leserbriefseite" auf Internet. Auf das hiervor Gesagte (E. 6) kann deshalb auch für die Berichtigung auf der Website des "K-Tipp" verwiesen werden. Die Veröffentlichung genügt den Anforderungen gemäss
Art. 28k Abs. 1 ZGB
nicht.
7.3
Die Beschwerdeführerin 2 macht geltend, dass die Berichtigung der Redaktion auf der Website "www.bonasavoir.ch" unmittelbar unterhalb des beanstandeten Beitrags aufgeschaltet worden sei. Es werde darin zusätzlich hervorgehoben, dass es sich bei ÖKK und Sympany um zwei völlig verschiedene Krankenkassen ("totalement distinctes") handle. Daselbst könne ausserdem direkt eine korrigierte Rangliste aufgerufen werden, die neu je die Zufriedenheitswerte für die ÖKK (50,9 %) und für die Sympany (47,6 %) aufzeige. Auf Grund der verwiesenen Belege trifft die Darstellung zu.
7.3.1
Die Beanstandung der Beschwerdegegnerin, dass sie im Text und in der Bewertung mit der Krankenkasse "Sympany" gleichgesetzt worden sei, kommt in der Berichtigung (zwei unabhängige Unternehmen / getrennte Bewertung) vollständig und richtig zum Ausdruck. Die Gegenüberstellung der Zahlen für ÖKK und Sympany gemeinsam (49 %) und je allein für ÖKK (50,9 %) und Sympany (47,6 %) belegen, dass die Ergebnisse je nach Art der Darstellung (zusammen / getrennt) verschieden sind. Von ihrem Inhalt her gibt die Berichtigung des Medienunternehmens den Standpunkt der Beschwerdegegnerin somit im Wesentlichen zutreffend wieder.
7.3.2
Der Ausdruck aus der Website "www.bonasavoir.ch" vom 5. Oktober 2010 widerlegt die Behauptung der Beschwerdegegnerin, die Berichtigung befinde sich ebenfalls unter der Rubrik "Kommentare" und genüge deshalb nicht. Die Beschwerdeführerin 2 hat ihre Berichtigung vielmehr unmittelbar im Anschluss an den beanstandeten Beitrag veröffentlicht und diesen ergänzt, wie das die Beschwerdegegnerin ihr gegenüber verlangt hatte ("à le compléter"). Mehr oder Anderes hat die Beschwerdegegnerin auch im gerichtlichen Verfahren nicht verlangt und darf ihr auch nicht zugesprochen
BGE 137 III 433 S. 443
werden (vgl.
BGE 130 III 1
E. 3.2 S. 8 f.). Unter dem Blickwinkel von
Art. 28k Abs. 1 ZGB
darf die Veröffentlichung der Berichtigung hier deshalb nicht beanstandet werden. Wie die Veröffentlichung auf einer Website im Allgemeinen zu gestalten ist, damit sie den gleichen Personenkreis erreicht wie die beanstandete Tatsachendarstellung, kann damit dahingestellt bleiben.
7.3.3
Aus den dargelegten Gründen muss die Beschwerde gutgeheissen werden, soweit sie sich gegen die gerichtliche Anordnung der Gegendarstellung auf der Website "www.bonasavoir.ch" richtet. Die "Präzisierung der Redaktion" gibt den Standpunkt der Beschwerdegegnerin richtig wieder und entspricht auf Grund der Vorbringen und Begehren der Beschwerdegegnerin den massgebenden Veröffentlichungsvorschriften. | null | nan | de | 2,011 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
c6d0aa09-1e6e-431a-bfc4-9f555a79a0e3 | Urteilskopf
109 II 256
56. Urteil der I. Zivilabteilung vom 31. Mai 1983 i.S. Janssen Pharmaceutica N.V. gegen Bundesamt für geistiges Eigentum (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Eintragung einer international registrierten Marke.
Art. 14 Abs. 1 Ziff. 2 MSchG
,
Art. 6quinquies lit. B Ziff. 2 PVÜ
.
Schutzfähigkeit der Wortmarke "OKT" für chemische Erzeugnisse. Es handelt sich weder um ein Zahlwort (E. 2) noch um eine allgemeine oder spezifisch chemische Beschreibung (E. 3 u. 4). | Sachverhalt
ab Seite 257
BGE 109 II 256 S. 257
A.-
Die Janssen Pharmaceutica N.V. in Beerse (Belgien) ist Inhaberin der international unter Nr. 455901 hinterlegten Wortmarke "OKT", bestimmt für verschiedene Chemikalien und chemische Erzeugnisse. Mit Verfügung vom 25. November 1981 verweigerte das Bundesamt für geistiges Eigentum vorläufig der Marke den Schutz für die Schweiz, weil sie der nötigen Unterscheidungskraft entbehre. Auf Einsprache der Markeninhaberin hielt das Amt daran fest, dass "OKT" eine geläufige Vorsilbe mit der Bedeutung von "acht" und damit eine simple Zahlenangabe sei, für die ein Freihaltebedürfnis bestehe. Am 22. Oktober 1982 wurde daher die vorläufige Schutzverweigerung als endgültig bestätigt.
B.-
Die Janssen Pharmaceutica N.V. führt gegen diese Verfügung Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, sie aufzuheben und das Amt anzuweisen, der Markeneintragung den Schutz in der Schweiz zu gewähren. Das Amt beantragt Abweisung der Beschwerde. Da es sich in seiner Vernehmlassung erstmals ausführlich auf den chemischen Sprachgebrauch berief, wurde der Beschwerdeführerin Gelegenheit zu einer Replik gegeben.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Zwischen den Benelux-Staaten und der Schweiz gelten das Madrider Abkommen über die internationale Registrierung von Marken (MMA) sowie die Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutze des gewerblichen Eigentums (PVÜ) gemäss den am 14. Juli 1967 in Stockholm revidierten Fassungen (SR 0.232.112.3; 0.232.04). Nach
Art. 5 Abs. 1 MMA
in Verbindung mit
Art. 6quinquies lit. B Ziff. 2 PVÜ
darf die Eintragung in der Schweiz insbesondere verweigert werden, wenn die Marke jeder Unterscheidungskraft entbehrt oder ausschliesslich aus Zeichen oder Angaben zusammengesetzt ist, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des
BGE 109 II 256 S. 258
Wertes, des Ursprungsortes der Erzeugnisse oder der Zeit der Erzeugung dienen können, oder die im allgemeinen Sprachgebrauch oder in den redlichen und ständigen Verkehrsgepflogenheiten der Schweiz üblich sind. Dieser zwischenstaatlichen Regelung entspricht
Art. 14 Abs. 1 Ziff. 2 MSchG
, wonach die Eintragung u.a. dann zu verweigern ist, wenn die Marke als wesentlichen Bestandteil ein als Gemeingut anzusehendes Zeichen enthält (
BGE 104 Ib 65
E. 1 mit Hinweisen).
2.
Als Gemeingut gelten Zeichen, die nicht unterscheidungskräftig sind, wie einfache geometrische Figuren, einzelne Buchstaben und Zahlen (Urteil des Bundesgerichts vom 21. November 1975 E. 1 mit Hinweisen, in PMMBl. 1976 I S. 26). Das Bundesgericht hat deshalb den Marken "61" und "3x3" den Schutz versagt (Urteil vom 12. November 1974, in PMMBl. 1975 I S. 9; Urteil vom 21. November 1975, in PMMBl. 1976 I S. 25). Das müsste ebenfalls für die Ziffer "8" oder auch das Zahlwort "acht" gelten. Anders aber wenn wie hier auf ein lateinisches oder griechisches Wort zurückgegriffen (octo, okto) und dieses überdies verstümmelt wird. BUSSE, Kommentar zum deutschen Warenzeichengesetz (5. A. S. 126), auf den das Amt in diesem Zusammenhang verweist, stellt Zahlwörter wie "Null" der Ziffer gleich, verneint aber schon für das französische "Zéro" ein Freihaltebedürfnis. Für schweizerische Verhältnisse mag sich das mit französischen Begriffen anders verhalten; wegen eines lateinischen oder griechischen Anklangs aber auch "OKT" als reines Zahlwort zu verstehen, geht indes zu weit.
3.
Nach der Rechtsprechung gelten Hinweise auf Eigenschaften oder die Beschaffenheit der Erzeugnisse, für welche die Marke bestimmt ist, als Gemeingut. Blosse Gedankenassoziationen oder Anspielungen, die nur entfernt auf eine Ware hindeuten, genügen dafür aber nicht, vielmehr muss der gedankliche Zusammenhang derart sein, dass er ohne besondere Denkarbeit oder besonderen Phantasieaufwand zu erkennen ist (
BGE 106 II 246
E. 2 mit Hinweisen).
Das Amt belegt an zahlreichen Beispielen die Verwendung von "Okt..." bzw. häufiger "Okto..." oder "Okta..." in Ausdrücken wie "Oktett", "Oktogon", "Oktave", "Oktober" usw. Dabei handelt es sich indes stets um eine Vorsilbe, deren Zahlenbedeutung aus der Verbindung mit dem Stammwort erkennbar wird. Wird dagegen "OKT" für sich allein als Warenzeichen verwendet, so entfällt eine derartige Verbindung und ist ein beschreibender
BGE 109 II 256 S. 259
Charakter des Zeichens, selbst wenn darin ein Zahlwort erkannt wird, nicht mehr ersichtlich. Es verhält sich hier nicht anders als mit den Silben "VER" oder "ENT", die zwar als Vorsilben sehr häufig auftreten, als Wortmarke aber zweifellos Phantasiecharakter haben.
4.
Die Marke "OKT" richtet sich unbestrittenermassen in erster Linie an Fachleute der Chemie. Der Schutz ist ihr daher schon dann zu verweigern, wenn sie in diesem Kreis als beschreibend verstanden wird (
BGE 104 Ib 66
E. 1).
Das Amt belegt die zentrale Bedeutung der Silbe "Okt" mit der Bezeichnung "Oktan" für bestimmte Kohlenwasserstoffe und mit Beispielen wie "Octafluorocyclobutan" als Hinweis auf acht Fluoratome. Noch zahlreicher seien allerdings die chemischen Benennungen, bei welchen "Okt" nicht am Anfang, sondern in der Mitte der Formel stehe, z.B. "Cyclooktaschwefel".
Die Beschwerdeführerin anerkennt das an sich, lässt es aber nicht gelten für die Bezeichnung "OKT", die alleinstehend in der Chemie nicht vorkomme und für sich allein auch vom Chemiker als Phantasiezeichen empfunden werde. Aufgrund der vorliegenden Unterlagen ist dem zuzustimmen. Massgebend ist dabei weniger, dass die chemischen Bezeichnungen durchwegs "octo" oder "octa" lauten. Entscheidend ist vielmehr auch hier, dass sie stets in einem bestimmten Zusammenhang verwendet und nur so verständlich werden. Das gilt sogar beim Beispiel von "Octan", wo erst durch die Endung "-an" ersichtlich wird, dass es sich dabei um das achte Glied der Kohlenwasserstoffreihe handelt. Erst recht gilt das für die andern, weit komplizierteren Formeln, in welchen die Silbe "octo/octa" für den Chemiker aus dem Zusammenhang ihren Sinn bekommt. Dass ein Chemiker aber "OKT", wenn es für sich allein steht und als Warenzeichen verwendet wird, im spezifischbeschreibenden Sinn der chemischen Nomenklatur versteht, ist mit den Unterlagen des Amtes nicht belegt. Die Beschwerde ist deshalb gutzuheissen.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird gutgeheissen, die Verfügung des Bundesamtes für geistiges Eigentum vom 22. Oktober 1982 aufgehoben und das Amt angewiesen, der internationalen Wortmarke Nr. 455901 "OKT" den Schutz in der Schweiz zu gewähren. | public_law | nan | de | 1,983 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
c6e07497-0c17-46b7-84ff-c8f0c25d4b50 | Urteilskopf
122 III 287
51. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 14. Mai 1996 i.S. W. AG gegen Bodenrechtskommission und Regierungsrat des Kantons Obwalden (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Bewilligung eines Tausches von landwirtschaftlichen Grundstücken unter Nichtselbstbewirtschaftern; wichtiger Grund; Verweigerungsgründe (
Art. 63 und 64 Abs. 1 BGBB
).
Unter den Begriff des wichtigen Grundes als Ausnahme zum Prinzip der Selbstbewirtschaftung fallen nicht nur die in
Art. 64 Abs. 1 lit. a-f BGBB
aufgezählten Sondertatbestände. Beim wichtigen Grund dieser Bestimmung handelt es sich vielmehr um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles konkretisiert werden muss; dabei ist auf die agrarpolitische Zielsetzung des BGBB zurückzugreifen. Unter die bewusst offen gewählte Formulierung des wichtigen Grundes fallen Umstände, die in der Person des oder der Erwerber liegen. Doch gilt es auch andere Umstände zu berücksichtigen, sofern sie nur auf der Linie der gesetzgeberischen Zielvorstellung sind (E. 3a-d).
Liegt ein wichtiger Grund im Sinne von
Art. 64 Abs. 1 BGBB
vor, so ist zu prüfen, ob das Tauschgeschäft allenfalls gestützt auf Art. 63 lit. b (übersetzter Preis) oder lit. c BGBB (Güteraufkauf) verweigert werden muss (E. 3e). | Sachverhalt
ab Seite 288
BGE 122 III 287 S. 288
A.-
Am 3. März 1995 ersuchte die W. AG bei der Bodenrechtskommission des Kantons Obwalden um Bewilligung des Tausches der ihr gehörenden Parzelle 1., in Y., gegen die Parzelle 2., welche im Eigentum der Korporation Y. steht. Diesem Gesuch gab die Bodenrechtskommission mit Beschluss vom 10. April 1995 nicht statt. Eine von der W. AG und der Korporation Y. dagegen eingereichte Beschwerde wies der Regierungsrat des Kantons Obwalden am 19. September 1995 ab.
B.-
Die W. AG gelangt mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht und beantragt, den Beschluss des Regierungsrates vom 19. September 1995 und den Beschluss der Bodenrechtskommission vom 10. April 1995 aufzuheben; ferner sei festzustellen, dass gestützt auf
Art. 64 BGBB
die Bewilligung zum Tausch der Parzelle 2. gegen die Parzelle 1. zu erteilen sei. Weiter stellt sie den Antrag, die Bodenrechtskommission zu beauftragen, den Erwerbspreis gemäss
Art. 66 BGBB
zu prüfen und allenfalls zu genehmigen.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut und weist die Angelegenheit zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurück,
Erwägungen
aus folgender Erwägung:
3.
a) Vorliegend steht fest, dass zwei Nichtselbstbewirtschafter Grundstücke tauschen wollen. Nichtselbstbewirtschafter können auf dem
BGE 122 III 287 S. 289
freien Markt landwirtschaftliche Grundstücke nur erwerben, wenn der Erwerb entweder nicht bewilligungspflichtig ist oder eine Ausnahmebewilligung von der Anforderung der Selbstbewirtschaftung erteilt werden kann. Gegenstand des geplanten Tausches sind zwei Grundstücke, welche für die landwirtschaftliche Nutzung geeignet sind, weshalb deren Erwerb der Bewilligungspflicht unterliegt (Art. 61 i.V.m. Art. 6 des Bundesgesetzes über das bäuerliche Bodenrecht BGBB; SR 211.412.11). Als Eigentumserwerb gilt die Eigentumsübertragung und jedes andere Rechtsgeschäft, das wirtschaftlich einer Eigentumsübertragung gleichkommt, mithin auch der Tausch (MÜLLER, Übersicht, öffentlichrechtliche Beschränkungen des Grundstückverkehrs und Pfandbelastungsgrenze des neuen Bundesgesetzes über das bäuerliche Bodenrecht, in: ZBGR 74/1993, S. 168 f.; STALDER in: Das bäuerliche Bodenrecht, Kommentar zum Bundesgesetz über das bäuerliche Bodenrecht vom 4. Oktober 1991, Brugg 1995, N. 15 zu
Art. 61 BGBB
[nachstehend: Kommentar zum BGBB]). Für den hier geplanten Tausch bedarf es demnach einer Ausnahmebewilligung. Unter welchen Voraussetzungen eine solche erteilt werden kann, ist in
Art. 64 Abs. 1 BGBB
bestimmt. Diese Vorschrift enthält einerseits einen nicht abschliessenden Katalog von Ausnahmetatbeständen (lit. a-f) und anderseits eine generalklauselartige Formulierung ("wichtiger Grund").
Auf den vorliegenden Fall trifft keiner der in lit. a-f aufgezählten Sondertatbestände zu, weshalb einzig zu prüfen ist, ob der geplante Tausch unter dem Gesichtswinkel des wichtigen Grundes bewilligt werden kann. Was darunter zu verstehen ist, wird in
Art. 64 Abs. 1 BGBB
nicht näher ausgeführt. Es handelt sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles konkretisiert werden muss. Dabei ist auf die agrarpolitische Zielsetzung des BGBB zurückzugreifen, ist es doch Ziel der Bewilligungspflicht, durch Überprüfung des Verpflichtungsgeschäftes sicherzustellen, dass die von den Parteien beabsichtigte Eigentumsübertragung bzw. ein ihr wirtschaftlich gleichkommendes Rechtsgeschäft mit den Zielsetzungen des bäuerlichen Bodenrechts in Einklang steht (STALDER, a.a.O., N. 8 der Vorbemerkungen zu
Art. 61-69 BGBB
).
b) Hauptzweck der Revision des bäuerlichen Bodenrechts bildet die Stärkung der Stellung des Selbstbewirtschafters beim Erwerb von landwirtschaftlichem Boden in Gestalt von landwirtschaftlichen Gewerben oder Grundstücken. Beim Eigentumsübergang soll der Selbstbewirtschafter privilegiert werden; zu
BGE 122 III 287 S. 290
seinem Schutz wurde ein Bewilligungsverfahren geschaffen, welches für ihn den Zugang zu landwirtschaftlichem Boden zu erleichtern hat (Botschaft zum Bundesgesetz über das bäuerliche Bodenrecht, BBl 1988 III 1035 ff.; ZIMMERLI, Das neue bäuerliche Bodenrecht - Die Grundzüge der Gesetzesrevision, in: ZBGR 74/1993 S. 143 f. und S. 150; PFÄFFLI, Die praktischen Auswirkungen im neuen bäuerlichen Bodenrecht, in: ZBGR 74/1993 S. 180). Freilich konnte und wollte der Gesetzgeber das Prinzip des Selbstbewirtschafters nicht ausnahmslos durchführen, zumal nicht beabsichtigt war, ein Erwerbsmonopol für Selbstbewirtschafter zu schaffen. Aus politischen und verfassungsrechtlichen Überlegungen durfte das bäuerliche Bodenrecht nicht zu einem ausschliesslichen Standesrecht für Landwirte werden (ZIMMERLI, a.a.O., S. 150; STALDER, Der Erwerb von landwirtschaftlichem Boden durch den Nichtbewirtschafter, in: Blätter für Agrarrecht 29/1995 S. 52). Entsprechend mussten Ausnahmen vom Prinzip des Selbstbewirtschafters zugelassen werden, soweit sich solche als sachlich gerechtfertigt erwiesen.
Vor dem Hintergrund dieser gesetzgeberischen Konzeption stellt sich vorweg die Frage, ob Fälle der vorliegenden Art nicht schon aus grundsätzlichen Überlegungen unter die erwähnte Ausnahmeregelung fallen. Wenn nämlich zwei Nichtselbstbewirtschafter in derselben Ortschaft gelegene landwirtschaftliche Grundstücke austauschen, so bewirkt dieser Vorgang keine Änderung in bezug auf Bestand und Umfang von Boden, der Selbstbewirtschaftern gehört, und von Land, das andere Personen besitzen. Insbesondere führt ein derartiger Eigentumsübergang zu keiner Benachteiligung von Selbstbewirtschaftern und gehört deshalb nicht zu den aus der Sicht des Gesetzgebers unerwünschten Rechtsgeschäften. Insoweit wird ein Tauschgeschäft, wie es hier zur Diskussion steht, von der agrarpolitischen Zielsetzung des BGBB, Selbstbewirtschafter beim Erwerb von landwirtschaftlichem Boden zu privilegieren, nicht erfasst. Dies führt zur Frage, ob vorliegend nicht schon aus dieser Sicht das Erfordernis des wichtigen Grundes erfüllt ist. Diese Frage braucht indessen nicht endgültig entschieden zu werden, wenn sich zeigt, dass das Vorhandensein eines wichtigen Grundes noch aus andern Überlegungen bejaht werden kann.
c) Im vorliegenden Fall will die Beschwerdeführerin ein landwirtschaftlich nutzbares Grundstück von rund 23'000 m2 tauschweise an die Korporation Y. abtreten gegen Übernahme einer Parzelle von rund 7'600 m2. Die Korporation erwirbt also beim Zustandekommen des Tausches ein Grundstück mit einer
BGE 122 III 287 S. 291
dreimal grösseren Fläche als jenes, das sie im Gegenzug an die Beschwerdeführerin abgibt. Es ist davon auszugehen, dass die Korporation das neu erworbene Grundstück ebenfalls wieder der landwirtschaftlichen Nutzung zuführen wird. Dafür spricht einerseits ihr Schreiben vom 4. Januar 1995 an die Beschwerdeführerin, worin verlangt wird, dass diese das zum Abtausch vorgesehene Grundstück mit Strassen so zu erschliessen habe, dass die landwirtschaftliche Nutzung ermöglicht werde. Im weiteren haben die Beschwerdeführerin und die Korporation im kantonalen Beschwerdeverfahren geltend gemacht, dass die Korporation ihr Land parzellenweise an die Korporationsbürger verpachte. Dies ist weder durch das Schreiben der Korporation vom 7. Juli 1995 widerlegt noch vom Regierungsrat als unzutreffend bezeichnet worden. Im Endergebnis führt der geplante Tausch also dazu, dass die Korporation drei mal mehr Land erhält als bisher, wobei anzunehmen ist, dass dieses Land, weil in der Landwirtschaftszone gelegen, auf Dauer oder jedenfalls auf längere Zeit hinaus landwirtschaftlich genutzt werden wird.
Ob die Korporation Y. Selbstbewirtschafterin ist, steht dahin. Eine juristische Person kann zwar Selbstbewirtschafterin sein, wenn ihre Mitglieder oder Gesellschafter sich in wesentlichem Umfang auf dem Grundstück betätigen, d.h. den Boden bearbeiten (
BGE 115 II 181
E. 2b, S. 185; ZIMMERLI, a.a.O., S. 147 und 150). Ob dies hier zutrifft, kann aufgrund der derzeitigen Aktenlage nicht entschieden werden. Indessen ist davon auszugehen, dass die Korporation das tauschweise erworbene Land selbstbewirtschaftenden Korporationsmitgliedern zur Nutzung überlassen werde. Anteile an Nutzungsrechten von Allmenden, die im Eigentum einer Korporation stehen, gelten als landwirtschaftliche Grundstücke im Sinne des BGBB, auch wenn sie nicht als selbständige Rechte im Grundbuch eingetragen sind (
Art. 6 Abs. 2 BGBB
; vgl. HOFER in: Kommentar zum BGBB, N. 3 zu
Art. 6 BGBB
).
Gesamthaft bewirkt der geplante Tausch für die Korporation, dass sie einen erheblichen Zuwachs an landwirtschaftlichem Boden erhält, der letztlich Selbstbewirtschaftern zur Verfügung steht. Dies steht nicht im Gegensatz zur agrarpolitischen Zielsetzung des BGBB. Aus dieser Sicht kann im angestrebten Eigentumswechsel kein unerwünschter Erwerb von landwirtschaftlichem Boden erblickt werden, der durch das Bewilligungsverfahren verhindert werden müsste.
d) Das Grundstück, welches die Beschwerdeführerin tauschweise erwerben möchte, ist Bauerwartungsland. Dass mit einer gelegentlichen Umzonung
BGE 122 III 287 S. 292
dieser Parzelle in die Bauzone zu rechnen ist, gibt die Beschwerdeführerin selbst zu. Der Regierungsrat hat die Bewilligung für den geplanten Tausch auch deshalb verweigert, weil bei der angestrebten Arrondierung nichtlandwirtschaftliche Motive im Vordergrund stünden und deshalb das geplante Rechtsgeschäft den Zielsetzungen des bäuerlichen Bodenrechts widerspräche. Zu prüfen ist deshalb, ob die Erteilung einer Ausnahmebewilligung allenfalls daran scheitern kann, dass die Beweggründe für den Abschluss des Tauschvertrages auf seiten der Beschwerdeführerin im Erwerb von Bauerwartungsland bestehen.
Nach dem ursprünglichen Revisionskonzept des Bundesrates wurde der Erwerb landwirtschaftlicher Grundstücke namentlich dann als unerwünscht bezeichnet, wenn er überwiegend aus spekulativen Überlegungen oder zum Zweck der Kapitalanlage erfolgte. Derartige Geschäfte sollten durch ein Einspracheverfahren unterbunden werden (vgl. BBl 1988 III 970 und 1037). Bei der parlamentarischen Beratung wurde dieses Konzept jedoch aufgegeben und an die Stelle der Einsprachegründe des Erwerbs zwecks Kapitalanlage oder aus Spekulationsgründen der Verweigerungsgrund der fehlenden Selbstbewirtschaftung gesetzt; dieser soll aber - wie bereits ausgeführt - nicht absolut durchgeführt, sondern in begründeten Ausnahmefällen durchbrochen werden können (vgl. dazu Amtl.Bull. SR 1991 S. 151 ff.).
Im Blick darauf lässt sich die Bewilligung für das hier zur Diskussion stehende Rechtsgeschäft nicht einfach mit dem Hinweis verweigern, die Beschwerdeführerin wolle Bauerwartungsland erwerben; ausschlaggebend ist vielmehr, ob ein wichtiger Grund im Sinne von
Art. 64 Abs. 1 BGBB
vorliegt. Dabei stellt sich die weitere Frage, ob bei einem Grundstücktausch, wo naturgemäss zwei Landerwerbe stattfinden, auch für beide Vertragspartner ein wichtiger Grund nachgewiesen werden muss. Dafür könnte sprechen, dass der Gesetzgeber das Bewilligungsverfahren auf den Erwerber bezogen ausgestaltet hat (BANDLI/STALDER in: Kommentar zum BGBB, N. 5 zu
Art. 64 BGBB
) und deshalb auch die wichtigen Gründe in der Person des Erwerbers, bei einem Tausch also folgerichtig bei beiden Vertragsparteien, nachgewiesen werden müssen. Vor dem Hintergrund der agrarpolitischen Zielsetzung des BGBB muss es indessen genügen, wenn bei einem Tauschgeschäft insgesamt ein dieser Zielsetzung konformes Ergebnis erreicht wird, zumal auch wichtige Gründe beachtet werden müssen, die nicht in der Person des Erwerbers bzw. der Erwerber liegen, sondern auf objektiven
BGE 122 III 287 S. 293
Umständen des Einzelfalles beruhen (BANDLI/STALDER in: Kommentar zum BGBB, N. 6 zu
Art. 64 BGBB
). Zwar wird im Schrifttum die Meinung vertreten, bei einem Tauschgeschäft sei die Bewilligung zu erteilen, wenn insgesamt eine strukturelle Verbesserung landwirtschaftlicher Art eintrete (STALDER, in: Kommentar zum BGBB, N. 15 zu
Art. 61 BGBB
); doch müssen ausserdem auch andere Umstände unter die bewusst offen gewählte Formulierung des wichtigen Grundes fallen, sofern sie nur auf der Linie der gesetzgeberischen Zielvorstellung liegen. Unter diesem Gesichtswinkel ist zu beachten, dass das hier aktuelle Tauschgeschäft im Endergebnis dazu führt, dass eine dreimal grössere Fläche als bisher auf Dauer der landwirtschaftlichen Nutzung zugeführt und dass dieses Land zumindest indirekt in die Hand von Selbstbewirtschaftern gelangt. Insoweit sind die Voraussetzungen für die Bejahung eines wichtigen Grundes im Sinne von
Art. 64 Abs. 1 BGBB
erfüllt.
e) Damit ist freilich noch nicht gesagt, dass die Bewilligung für den geplanten Tausch auch tatsächlich erteilt werden müsse. Zu prüfen bleibt nämlich noch, ob allenfalls ein Verweigerungsgrund gemäss
Art. 63 BGBB
vorliegen könnte. Dabei kann von vornherein derjenige von
Art. 63 lit. d BGBB
nicht zum Tragen kommen, weil Nichtselbstbewirtschafter, die ein landwirtschaftliches Grundstück gestützt auf einen Ausnahmegrund von
Art. 64 Abs. 1 BGBB
erwerben, nicht unter das Prinzip der Arrondierung fallen (STALDER, in: Kommentar zum BGBB, N. 30 zu
Art. 63 BGBB
) und die hier zum Abtausch vorgesehenen Grundstücke ohnehin nicht zu einem landwirtschaftlichen Gewerbe gehören. Hingegen wird selbst angesichts des Tauschgeschäftes zu prüfen sein, ob kein übersetzter Preis vereinbart worden ist (
Art. 63 lit. b BGBB
; HOTZ, in: Kommentar zum BGBB, N. 26 zu
Art. 66 BGBB
). Sodann ist auch
Art. 63 lit. c BGBB
ins Auge zu fassen, weil der Verweigerungsgrund des sogenannten "Güteraufkaufs" absolut gilt (STALDER, in: Kommentar zum BGBB, N. 15 zu
Art. 63 BGBB
). Die ursprünglich einmal vorgesehene Möglichkeit, Korporationen fakultativ durch die Kantone vom Einsprache- bzw. Bewilligungsverfahren befreien zu lassen (vgl. dazu BBl 1988 III 980), ist nicht Gesetz geworden; vielmehr wurden die Korporationen grundsätzlich privaten Erwerbern gleichgestellt. Eine Ausnahme gilt nur für das Gemeinwesen, soweit es zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben auf landwirtschaftlichen Boden angewiesen ist, was hier freilich nicht zur Diskussion steht.
Ob die Voraussetzungen der auf den konkreten Fall anwendbaren Verweigerungsgründe des übersetzten Preises (
Art. 63 lit. b BGBB
) sowie des
BGE 122 III 287 S. 294
"Güteraufkaufs" (
Art. 63 lit. c BGBB
) vorliegend gegeben sind oder nicht, haben die kantonalen Instanzen nicht untersucht. Die entsprechende Prüfung muss deshalb nachgeholt werden. Dies führt dazu, dass das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen werden muss. Bei ihrer neuen Entscheidung wird die kantonale Instanz zu berücksichtigen haben, dass für das von den Parteien geplante Tauschgeschäft ein wichtiger Grund im Sinne von
Art. 64 Abs. 1 BGBB
gegeben ist. Davon ausgehend wird nunmehr noch zu prüfen sein, ob der Tausch allenfalls unter dem Gesichtswinkel der auf den konkreten Fall anwendbaren Verweigerungsgründe (
Art. 63 lit. b und c BGBB
) nicht bewilligt werden kann. | null | nan | de | 1,996 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
c6eda983-a05e-493a-a4b3-f4ab3b646f2a | Urteilskopf
115 IV 207
45. Urteil des Kassationshofes vom 7. Juli 1989 i.S. K. gegen L. und Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau (Nichtigkeitsbeschwerde) | Regeste
Art. 143 und 181 StGB
. Sachentziehung und Nötigung im Rahmen vertraglicher Beziehungen.
Art. 895 Abs. 1 ZGB
(bürgerliches Retentionsrecht).
1. Die Verweigerung der Rückgabe einer beweglichen Sache entgegen einer vertraglichen Pflicht stellt keine Entziehung im Sinne von
Art. 143 StGB
dar (E. 1; Bestätigung der Rechtsprechung).
2. Androhung eines Nachteils durch Drohung mit einem Unterlassen, wo eine vertragliche Pflicht zum Handeln besteht. Erheblichkeit des Nachteils bei Verweigerung der Rückgabe von Wärmepumpen kurz vor Beginn der Heizperiode (E. 2a).
3. Das bürgerliche Retentionsrecht gemäss
Art. 895 Abs. 1 ZGB
geht mit der Lieferung der Sache, an welcher bis dahin ein Retentionsrecht bestand, unter und lebt auch bei späterer Rücknahme der Sache nicht wieder auf (E. 2b/bb).
4. Rechtswidrigkeit der Nötigung auf Grund der Zweck/Mittel-Relation des eingesetzten Nötigungsmittels. Wer die Reinstallation von Wärmepumpen kurz vor Beginn der Heizperiode ohne Retentionsrecht verweigert und überdies für den Fall, dass einem Zahlungsvorschlag kurzfristig nicht zugestimmt wird, eine wesentliche Verlängerung der Lieferfrist androht, handelt sittenwidrig (E. 2b/cc). | Sachverhalt
ab Seite 209
BGE 115 IV 207 S. 209
A.-
Auf Grund eines Vertrages vom 22. August 1985 hatte K. dem L. eine Wärmepumpenheizungsanlage geliefert. Nachdem die installierten vier Wärmepumpen die vorgesehene Heizleistung angeblich nicht erbringen konnten, forderte L. die Lieferfirma auf, die Anlage zu überprüfen. Im Anschluss an eine Besichtigung der Anlage vom 4. Juni 1987 baute K. die Wärmepumpen aus, um Messungen auf dem firmeneigenen Prüfstand vornehmen zu können. Am 17. August 1987 forderte L. den K. auf, die Wärmepumpen innert 10 Tagen zu reinstallieren. Am 25. September 1987 antwortete ihm K., eine Rückgabe der Wärmepumpen komme nur in Frage, wenn L. die noch offenen Installationskosten von Fr. 51'553.50 begleiche. Er verlangte sofortige Bezahlung der Hälfte der Forderung und Sicherstellung für die andere Hälfte zuzüglich Fr. 5'000.-- durch eine vollwertige Bankgarantie und schloss mit folgenden Bemerkungen: "Wir erwarten bis zum 29.9.1987 17.00 Uhr Ihren Entscheid. Sollten Sie sich bis dahin für unseren Vorschlag entschieden haben, dauert unsere Lieferfrist ca. 20 Tage. Andernfalls benötigen wir 6 bis 8 Wochen." In der Folge gab er die Wärmepumpen mit einem Gesamtwert von rund Fr. 40'000.-- nicht zurück.
B.-
Das Bezirksgericht Diessenhofen verurteilte K. am 18. Oktober 1988 wegen Sachentziehung und vollendeten Versuchs der Nötigung (Art. 143 und 181 i.V.m.
Art. 22 StGB
) zu fünf Tagen Gefängnis bedingt. Am 14. März 1989 bestätigte das Obergericht des Kantons Thurgau den erstinstanzlichen Schuldspruch, sprach indessen lediglich eine Busse von Fr. 600.-- aus.
C.-
Mit eidgenössischer Nichtigkeitsbeschwerde beantragt der Gebüsste, das obergerichtliche Urteil sei aufzuheben und die Sache zur Freisprechung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
a) Sachentziehung gemäss
Art. 143 StGB
begeht, wer ohne Bereicherungsabsicht eine bewegliche Sache dem Berechtigten entzieht und ihn dadurch schädigt. Der Tatbestand hat die Funktion eines Auffangtatbestandes zu den Aneignungsdelikten Diebstahl, Veruntreuung (in der Form von
Art. 140 Ziff. 1 Abs. 1 StGB
) und Unterschlagung. Dabei geht es, was die gegenwärtige Fassung vom Wortlaut her allerdings nicht deutlich zum Ausdruck bringt, einerseits um die Erfassung von Aneignungen ohne (rechtswidrige) Bereicherungsabsicht, sofern diese zu einer
BGE 115 IV 207 S. 210
Schädigung geführt haben, und andererseits um den Schutz gewisser Positionen wie etwa des Besitzers gegen schädigende Entziehungen. In der von der Expertenkommission vorgeschlagenen Neufassung (Vorentwurf Art. 141; wiedergegeben bei JACHEN CURDIN BONORAND, Die Sachentziehung, Diss. Zürich 1987, S. A-5), wo diese Bereiche in zwei verschiedenen Absätzen geregelt werden, wird dies wesentlich klarer (vgl. auch Bericht zum Vorentwurf S. 12).
b) Vorliegend wird dem Beschwerdeführer nicht eine Aneignung ohne Bereicherungsabsicht, sondern eine eigentliche Sachentziehung vorgeworfen. Er hat die Pumpen bis zur Bezahlung der Lieferungsrestanz zurückbehalten und (jedenfalls einstweilen) nicht behalten wollen, um wie ein Eigentümer über sie zu verfügen. Für die Erfüllung dieser Tatbestandalternative sind kumulativ Entziehung und Schädigung erforderlich.
aa) Entziehen bedeutet insbesondere Wegnehmen. Allerdings wird teilweise angenommen, dass darüber hinaus auch das Vorenthalten ein Entziehen im Sinne von
Art. 143 StGB
darstellen könne (NOLL, Schweizerisches Strafrecht, BT, S. 168). Dabei ist allerdings zu präzisieren, dass unter Vorenthalten nicht jede Verletzung einer Rückgabepflicht verstanden werden darf, weil andernfalls etwa jede verspätete Rückgabe eines beweglichen Mietgegenstandes erfasst würde (so schon deutlich
BGE 72 IV 62
; NOLL, a.a.O.; STRATENWERTH, BT I, S. 225; vgl. JACHEN CURDIN BONORAND, a.a.O., S. 39 und 46 ff.), was mit dem Gedanken der Subsidiarität des Strafrechtes nicht zu vereinbaren wäre. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz gilt dies, wie bereits aus
BGE 72 IV 62
ersichtlich, auch dann, wenn dem Eigentümer eine Sache vorenthalten wird, was gerade bei der Verletzung von Rückgabepflichten die Regel sein dürfte. Deshalb ist die Entziehung in der Form des Vorenthaltens einzuschränken auf Fälle, wo es der Täter dem Opfer verunmöglicht, eine Sache wiederzuerlangen (vgl. etwa den Sachverhalt von
BGE 99 IV 155
: Wegwerfen der Handtasche, die das Opfer im Auto zurückgelassen hat;
BGE 72 IV 62
: Edelstein, der in den tiefen See geworfen wird), oder die Wiedererlangung zumindest erheblich verzögert oder erschwert, etwa wenn Gegenstände in den Räumen des Berechtigten so versteckt werden, dass sie nur mit Mühe wieder aufgefunden werden können (vgl. etwa den Sachverhalt von
BGE 104 IV 156
). Es geht mit anderen Worten um Fälle der dauernden Enteignung ohne gleichzeitige Zueignung und der "vorübergehenden
BGE 115 IV 207 S. 211
Enteignung" (vgl. BONORAND, a.a.O., S. 40;
BGE 96 IV 21
).
Der Beschwerdeführer hat vorliegend die Wärmepumpen im Rahmen der vertraglichen Beziehungen mit dem Beschwerdegegner und mit dessen Einverständnis mitgenommen. Seine Weigerung, sie zurückzugeben, verstiess also gegen seine - unter dem Vorbehalt des von ihm behaupteten Retentionsrechtes bestehende - vertragliche Rückgabepflicht. Die Verletzung einer solchen vertraglichen Pflicht fällt aber nach dem Gesagten nicht unter die Sachentziehung. Für solche Fälle besteht auch - unter dem Gesichtspunkt des Vermögensschutzes - kein Bedürfnis für eine strafrechtliche Sanktion; vielmehr genügen hier die zivilrechtlichen Rechtsschutzmöglichkeiten (vgl.
BGE 112 IV 34
für den insoweit vergleichbaren Sachverhalt des Verbleibens im Mietobjekt nach Ablauf der Mietdauer).
bb) Nach dem Gesagten ist das Tatbestandsmerkmal der Entziehung in der vorliegenden Konstellation nicht gegeben, weshalb der Beschwerdeführer zu Unrecht wegen Sachentziehung verurteilt wurde. Auf die Frage eines allfälligen Retentionsrechts und der über die Entziehung hinaus erforderlichen Schädigung muss unter diesen Umständen im Rahmen von
Art. 143 StGB
nicht eingegangen werden.
2.
Wegen Nötigung gemäss
Art. 181 StGB
macht sich strafbar, wer einen anderen durch Gewalt oder Androhung ernstlicher Nachteile oder durch andere Beschränkung seiner Handlungsfreiheit nötigt, etwas zu tun, zu unterlassen oder zu dulden.
a) Zu prüfen ist vorliegend, ob die Androhung ernstlicher Nachteile zu bejahen ist. Der Beschwerdeführer drohte dem Beschwerdegegner, die Wärmepumpen so lange nicht zurückzugeben, wie dieser die behauptete noch offene Forderung nicht bezahlt habe. Er drohte ihm also nicht mit einem aktiven Tun, sondern mit einem Unterlassen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes ist diese Unterscheidung unerheblich (
BGE 105 IV 122
E. 2b;
BGE 96 IV 61
E. 2), während die Literatur zu dieser Frage teilweise eine differenziertere Haltung einnimmt (vgl. STRATENWERTH, BT I, S. 95; NOLL, BT, S. 71; SCHUBARTH, Kommentar Art. 181 N. 23 ff.; MARTINO IMPERATORI, Das Unrecht der Nötigung, Diss. Zürich 1987, S. 81 ff.). Die Frage braucht hier nicht weiter verfolgt zu werden, weil der Beschwerdeführer, falls man ihm kein Retentionsrecht zubilligt, zur Rückgabe der Wärmepumpen verpflichtet war, also eine Rechtspflicht zum Handeln bestand.
BGE 115 IV 207 S. 212
Beruft er sich jedoch zutreffend auf ein Retentionsrecht, dann wäre sein Verhalten jedenfalls nicht rechtswidrig.
Auch das Erfordernis des erheblichen Nachteils ist zu bejahen, da die Androhung, die Wärmepumpen nicht zurückzugeben, kurz vor Beginn der Heizperiode erfolgte und der Beschwerdegegner deshalb vor die Wahl gestellt war, entweder den geforderten Betrag umgehend zu bezahlen oder weiterhin auf die notwendige Wärmequelle zu verzichten bzw. sich mit erheblichen Kosten eine Ersatzwärmequelle zu beschaffen. Denn eine Möglichkeit, kurzfristig auf dem Zivilweg Remedur zu schaffen, was die Ernstlichkeit des angedrohten Nachteils ausschliessen könnte (vgl. SCHUBARTH, Art. 181 N. 37), bestand hier offensichtlich nicht.
b) Entscheidend ist somit, ob das Vorgehen des Beschwerdeführers als rechtswidrig zu betrachten ist. Die Rechtswidrigkeit entfiele auf jeden Fall, wenn er aufgrund eines Retentionsrechtes zur Zurückbehaltung der Wärmepumpen berechtigt war.
aa) Die Vorinstanz hat (allerdings im Zusammenhang mit der von ihr erörterten Widerrechtlichkeit der Sachentziehung) ein Retentionsrecht des Beschwerdeführers verneint. Zur Begründung führte sie an, soweit ihm ursprünglich für die Kaufpreisrestforderung ein Retentionsrecht zugestanden sein sollte, wäre dies mit der Lieferung der Pumpen an den Beschwerdegegner untergegangen; mit der späteren Rücknahme der Pumpen zu Prüfzwecken und gegebenenfalls zur Vornahme von Reparaturarbeiten sei ein neues Retentionsrecht in bezug auf die alte Kaufpreisrestanz nicht entstanden; einzig bei Nichtbegleichung einer allenfalls daraus entstehenden neuen Forderung hätte sich ein neuer Retentionsanspruch ergeben können; die Voraussetzung des kaufmännischen Retentionsrechtes sei nicht gegeben, da der Beschwerdegegner nicht Kaufmann sei.
Der Beschwerdeführer versucht nicht, diese Begründung in Frage zu stellen. Er macht einzig geltend, die Verknüpfung des hier gewählten Zwangsmittels sei weder rechtsmissbräuchlich noch sittenwidrig, weil ein direkter Zusammenhang zwischen der Weigerung, die Wärmepumpen herauszugeben, und der Bezahlung des restlichen Werklohnes bestand.
bb) Die Frage, ob der Beschwerdeführer gestützt auf ein Retentionsrecht berechtigt war, die Wärmepumpen zurückzubehalten, ist von Amtes wegen zu prüfen.
Gemäss
Art. 895 Abs. 1 ZGB
kann der Gläubiger bewegliche Sachen, die sich mit Willen des Schuldners in seinem Besitz befinden,
BGE 115 IV 207 S. 213
bis zur Befriedigung für seine Forderung zurückbehalten, wenn die Forderung fällig ist und ihrer Natur nach mit dem Gegenstand der Retention im Zusammenhang steht. Gemäss Abs. 2 besteht dieser Zusammenhang unter Kaufleuten, sobald sowohl Besitz wie auch Forderung aus ihrem geschäftlichen Verkehr herrühren. Diese Bestimmung ist jedoch vorliegend nicht anwendbar, weil nach der verbindlichen Feststellung der Vorinstanz die Voraussetzungen des sogenannten kaufmännischen Retentionsrechts nicht gegeben sind.
Das engere, sogenannte bürgerliche Retentionsrecht setzt einen Zusammenhang zwischen der Forderung und dem Retentionsobjekt voraus. Ein solcher Zusammenhang kann hier nicht von vorneherein verneint werden, denn die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Forderung geht auf die Lieferung und Installation der Wärmepumpen zurück, welche sich im Zeitpunkt der ihm vorgeworfenen Nötigungshandlung wieder in seinem Besitz befanden, und die Rücknahme der Wärmepumpen erfolgte offensichtlich aufgrund einer vertraglichen Verpflichtung zur Überprüfung und gegebenenfalls Nachbesserung von etwaigen Mängeln. Wie weit in einer derartigen Konstellation die vom Gesetz geforderte Konnexität bejaht werden darf, ist unter Rückgriff auf das Prinzip von Treu und Glauben zu beantworten. Die Zurückbehaltung ist dann, aber auch nur dann zulässig, wenn es Treu und Glauben widersprechen würde, den Gläubiger zur Rückgabe der Sache an den Eigentümer zu verpflichten, wo er eine mit der gleichen Sache im Zusammenhang stehende Gegenforderung hat (OFTINGER/BÄR,
Art. 895 ZGB
N. 83). Vorliegend hatte der Beschwerdeführer ein Retentionsrecht an den Wärmepumpen jedenfalls in bezug auf Forderungen, die ihm aus etwaigen Reparaturarbeiten entstanden waren. Solche hat er jedoch nicht geltend gemacht. In bezug auf seine frühere Forderung hatte er ursprünglich ebenfalls ein Retentionsrecht, welches jedoch, wie die Vorinstanz zu Recht festhält, mit der Lieferung der Wärmepumpen an den Beschwerdegegner L. untergegangen ist. Dass bei späterer Rücknahme der Sache ein solches Retentionsrecht wieder auflebe, wird im allgemeinen abgelehnt (OFTINGER/BÄR,
Art. 895 ZGB
N. 104a und 179). In der Tat wäre es schwer einsichtig, dass ein Lieferant, der für eine Forderung von über Fr. 50'000.-- keine Pfandsicherung mehr hat, von neuem in den Genuss einer solchen gelangen soll, bloss weil er die gelieferte Sache für Kontrollzwecke zu sich zurücknimmt. Die damit verbundene Privilegierung des Gläubigers gegenüber andern
BGE 115 IV 207 S. 214
Gläubigern wäre jedenfalls schwer begründbar. Die neue Inbesitznahme des Gegenstandes lässt deshalb ein Retentionsrecht nur für neue Forderungen, nicht aber für frühere entstehen (OFTINGER/ BÄR,
Art. 895 ZGB
N. 104a). Der Beschwerdeführer kann sich somit zur Rechtfertigung nicht auf ein Retentionsrecht berufen.
cc) Mit der Verneinung der Voraussetzungen eines besonderen Rechtfertigungsgrundes, wie hier eines Retentionsrechtes aus
Art. 895 ZGB
, ist jedoch die Frage der Rechtswidrigkeit nicht endgültig beantwortet, da die Erfüllung der Tatbestandsmerkmale von
Art. 181 StGB
die Rechtswidrigkeit noch nicht indiziert. Vielmehr ist eine besondere, über die üblichen Rechtfertigungsgründe hinaus vorzunehmende Rechtswidrigkeitsprüfung erforderlich (vgl.
BGE 69 IV 172
). Die Rechtswidrigkeit der Nötigung ist nur dann zu bejahen, wenn entweder der Zweck der Nötigung oder das eingesetzte Nötigungsmittel bereits rechtswidrig war, oder aber dann, wenn Zweck und Mittel der Nötigung zwar als rechtmässig erscheinen, aber ihre Verknüpfung als rechtswidrig oder sittenwidrig anzusehen ist (SCHUBARTH, Kommentar Art. 181 N. 55 ff. mit Nachweisen). Der Beschwerdeführer bezweckte die Bezahlung einer (behaupteten) ausstehenden Schuld. Der Zweck der von ihm begangenen Nötigung erscheint deshalb nicht als rechtswidrig. Ob das eingesetzte Nötigungsmittel als rechtswidrig anzusehen ist, kann dann offenbleiben, wenn jedenfalls die Zweck/Mittel-Relation als rechtswidrig erscheint. Hier kommt dem Umstand, dass sich der Beschwerdeführer nicht auf ein Retentionsrecht berufen kann, Indizwirkung zu, da auch das Retentionsrecht nur im Rahmen einer gewissen, hier nicht gegebenen Konnexität zu bejahen ist. Allerdings wird man nicht schon aus dem Fehlen eines Retentionsrechtes auf die Rechtswidrigkeit des Vorgehens schliessen dürfen; sonst ergäbe sich aus der vertraglichen Pflicht des Beschwerdeführers, die Wärmepumpen zurückzugeben, von vorneherein die Rechtswidrigkeit der nötigenden Handlung, ohne dass die für
Art. 181 StGB
erforderliche zusätzliche Rechtswidrigkeitsprüfung stattgefunden hätte. Erschwerend ins Gewicht fällt vorliegend, dass der Beschwerdeführer die Situation des Beschwerdegegners kurz vor Beginn der Heizperiode ausnützen wollte. Er nahm die Wärmepumpen im Laufe des Sommers zurück, um Messungen auf dem firmeneigenen Prüfstand vorzunehmen, und verweigerte dann (ohne Retentionsrecht) die Reinstallierung kurz vor Beginn der Heizperiode bis zur Bezahlung einer behaupteten Forderung. Überdies drohte er L. für den Fall, dass er nicht
BGE 115 IV 207 S. 215
kurzfristig seinem Zahlungsvorschlag zustimme, eine wesentliche Verlängerung der Lieferfrist an. Damit nützte er die Situation seines Vertragspartners in einer Art aus, die als sittenwidrig bezeichnet werden muss. Die Vorinstanz hat den Beschwerdeführer deshalb zu Recht wegen versuchter Nötigung verurteilt. | null | nan | de | 1,989 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
c6ef10ca-1916-443d-a3a6-5cd618ce7d22 | Urteilskopf
81 IV 174
39. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 20. Mai 1955 i.S. Kubli gegen Polizeirichteramt der Stadt Zürich. | Regeste
Art. 61 Abs. 3, 46 Abs. 3 MFV, Art. 25 Abs. 1 MFG.
Vorsichtspflicht des Führers, der die haltende Strassenbahn an einer sie nur teilweise deckenden Schutzinsel rechts überholt. | Sachverhalt
ab Seite 174
BGE 81 IV 174 S. 174
A.-
Dr. Felix Kubli fuhr am 11. April 1954 um 21.50 Uhr am Steuer eines Personenwagens mit etwa 50 km/Std. auf der Schaffhauserstrasse in Zürich stadtauswärts gegen die Strassenbahnhaltstelle "Seebacherstrasse". Obschon
BGE 81 IV 174 S. 175
links der dort liegenden 19,1 m langen Schutzinsel ein in gleicher Richtung fahrender 37,1 m langer Tramzug anhielt, von dem nur die beiden vorderen, nicht auch der dritte Wagen neben die Insel zu stehen kamen, verzögerte Kubli beim Anblick der aussteigenden Fahrgäste nur auf etwa 30 km/Std. und beschleunigte die Fahrt wieder, noch ehe alle aus dem hintersten Tramwagen aussteigenden Personen die rechts des Tramzuges liegende 3 m breite Fahrbahn vor dem sich nähernden Automobil hindurch überschritten hatten. Mindestens einer der Aussteigenden musste die Strasse wegen des Automobils schneller als normal überqueren, und ein anderer suchte Schutz, indem er gegen den Tramzug zurückwich.
B.-
Der Einzelrichter des Bezirksgerichtes Zürich verurteilte Dr. Kubli am 27. September 1954 wegen Übertretung der Art. 25 Abs. 1 MFG und 61 Abs. 3 MFV zu Fr. 20.- Busse.
C.-
Dr. Kubli führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil sei aufzuheben und die Sache zur Freisprechung zurückzuweisen. Er macht geltend, der angefochtene Entscheid verstosse gegen das in
Art. 61 Abs. 3 MFV
verankerte Recht des Motorfahrzeugführers, die an einer Schutzinsel haltende Strassenbahn rechts zu überholen. Art. 25 MFG schränke dieses Recht nicht ein. Zudem habe der Beschwerdeführer nicht damit rechnen müssen, dass ein Nachzügler aus dem Tram aussteigen und die Fahrbahn des Beschwerdeführers kreuzen werde, ohne nach links oder rechts zu blicken.
D.-
Der Polizeirichter der Stadt Zürich beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1.
Art. 61 Abs. 3 MFV
bestimmt in Satz 2 und 3: "Die haltende Strassenbahn ist rechts zu überholen, wenn eine Schutzinsel vorhanden ist; fehlt eine solche, so darf sie nur links und nur in langsamer Fahrt (Schrittempo) überholt werden. Im übrigen findet Art. 46 Anwendung."
Damit wird der Führer eines Motorfahrzeuges nicht
BGE 81 IV 174 S. 176
ermächtigt, die an einer Schutzinsel haltende Strassenbahn unbekümmert um andere Strassenbenützer, insbesondere ohne jede Rücksichtnahme auf die aus- und einsteigenden Fahrgäste (rechts) zu überholen. Dass auch in diesem Falle, wie immer beim Überholen, besonders vorsichtig zu fahren und auf die anderen Strassenbenützer Rücksicht zu nehmen ist, ergibt sich schon aus
Art. 46 Abs. 3 MFV
, den Art. 61 Abs. 3 vorbehält. Sodann gilt auch hier Art. 25 Abs. 1 MFG, wonach der Führer sein Fahrzeug ständig zu beherrschen und die Geschwindigkeit den gegebenen Strassen- und Verkehrsverhältnissen anzupassen und überall da, wo das Fahrzeug Anlass zu Verkehrsstörung, Belästigung des Publikums oder Unfällen bieten könnte, den Lauf zu mässigen oder nötigenfalls anzuhalten hat. Wer gemäss
Art. 61 Abs. 3 MFV
die Strassenbahn rechts überholt, hat sich daher wie immer vorzusehen, dass er niemanden belästigt oder gefährdet. Das gilt namentlich, wenn die Schutzinsel nur einem Teil der aus- oder einsteigenden Gäste Deckung verschafft, sei es, weil sie nicht für alle Platz bietet, sei es, weil sie so kurz ist, dass die Benützer eines oder mehrerer Wagen genötigt sind, unmittelbar auf die Fahrbahn der Strasse auszusteigen oder von dort her einzusteigen. Der Einwand des Beschwerdeführers, im letzteren Falle habe der Fussgänger nicht unmittelbar die Fahrbahn zu überschreiten, sondern nach dem Aussteigen (oder vor dem Einsteigen) dem haltenden Zug entlang zu der Schutzinsel (bzw. von ihr weg) zu gehen, hilft nicht, weil diese Vorsichtsmassnahme sich nicht so eingebürgert hat, dass der Führer des Motorfahrzeuges blind darauf vertrauen dürfte, sie werde von allen beachtet. Es gibt Leute, die in Verkennung der Gefahr oder im Vertrauen, dass die Fahrzeugführer die gebotene Rücksicht walten lassen, den Umweg über die zu kurze Schutzinsel nicht einschlagen, zumal dann nicht, wenn er erheblich ist. Der Motorfahrzeugführer hat damit zu rechnen, dass die ausserhalb einer Schutzinsel ausgestiegenen Personen die Strasse unmittelbar überschreiten oder
BGE 81 IV 174 S. 177
dass sie sich vom Fussgängersteig oder Strassenrande unmittelbar zu den ausserhalb der Insel haltenden Tramwagen begeben, um einzusteigen.
2.
Der Beschwerdeführer hat Art. 25 Abs. 1 MFG übertreten. Die haltende Strassenbahn auf einem nur drei Meter breiten Fahrstreifen, der von den aus dem hintersten Wagen aussteigenden Fahrgästen unmittelbar betreten werden musste, mit 30 km/Std. überholen zu wollen und vor Beendigung des Unternehmens die Fahrt sogar noch zu beschleunigen, war rücksichtslos und gefährlich. Das ergibt sich schon daraus, dass wegen des Automobils einer der Aussteigenden sich mit ungewöhnlich schnellem Schritt auf den Fussgängersteig begeben und der andere gegen die Strassenbahn hin zurückweichen musste. Bei der gebotenen Aufmerksamkeit hat der Beschwerdeführer diese Personen rechtzeitig sehen können. Zudem hatte er damit zu rechnen, dass weitere Fahrgäste die Strasse betreten könnten, solange die Strassenbahn hielt. Da vom Zug zum Fussgängersteig nur 3 m zurückzulegen waren, drängte sich die Annahme, die Aussteigenden würden sofort die Strasse überschreiten, statt auf schmalem Raum der Strassenbahn entlang den Weg auf die Schutzinsel einzuschlagen, besonders auf. Der Beschwerdeführer hatte daher, wenn nicht zum vornherein anzuhalten, die Geschwindigkeit zum mindesten so stark herabzusetzen, dass die Fussgänger die Strasse ungefährdet hätten überschreiten können. Ob nicht sogar blosses Schrittempo, wie es für das Linksüberholen vorgeschrieben ist, analog auch hier geboten gewesen wäre, kann dahingestellt bleiben, denn jedenfalls war die vom Beschwerdeführer eingehaltene Geschwindigkeit erheblich übersetzt.
...
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen. | null | nan | de | 1,955 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
c6f18c13-9169-4a50-bb32-c7f7d26dbdca | Urteilskopf
123 III 346
55. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 24. Juni 1997 i.S. W. AG gegen Mitglieder der Erbengemeinschaft C. und Obergericht des Kantons Uri (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Art. 46 OG
und
Art. 97 Abs. 1 OG
i.V.m.
Art. 5 Abs. 1 VwVG
;
Art. 977 ZGB
und
Art. 98 GBV
; Berichtigung des Grundbuches.
Die Berichtigung des Grundbuches im Verfahren gemäss
Art. 977 ZGB
und
Art. 98 GBV
ist keine zivilrechtliche (
Art. 46 OG
), sondern eine administrative Streitigkeit (
Art. 97 Abs. 1 OG
i.V.m.
Art. 5 Abs. 1 VwVG
). Ein letztinstanzlicher kantonaler Entscheid kann daher nicht mit Berufung, sondern mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht angefochten werden (E. 1).
Im Berichtigungsverfahren nach
Art. 977 ZGB
und
Art. 98 GBV
können nur administrative Unrichtigkeiten zwischen den am fehlerhaften Akt direkt betroffenen Grundeigentümern behoben werden. Demgegenüber ist eine administrative Berichtigung stets dann ausgeschlossen, wenn seit dem Bestehen des unrichtigen Grundbucheintrages das Grundstück auf einen Dritten übergegangen ist (E. 2). | Sachverhalt
ab Seite 347
BGE 123 III 346 S. 347
A.-
Am 13. April 1976 erwarb die Erbengemeinschaft C. von F. G. das Grundstück HB 1355, welches an das ebenfalls im Eigentum von F. G. stehende Grundstück HB 122 grenzte. Dabei waren die Käufer davon ausgegangen, dass die Parzelle Nr. 122 zur Landwirtschaftszone gehöre und nicht überbaut werde. In der Folge liess aber F. G. die Parzelle Nr. 122 der Bauzone zuteilen und im weiteren von der Parzelle Nr. 122 sieben neue Grundstücke - HB 1383 bis 1389 - abtrennen, darunter auch die an das Grundstück HB 1355 grenzende Parzelle HB 1389; die Stammparzelle HB 122 blieb als Strassenparzelle übrig. Am 11. Januar 1977 meldete F. G. die Parzellierung des Grundstücks HB 122 beim Grundbuch an. Der Anmeldung lag der die Parzellierung umfassende Plan Nr. 1127 vom 16. Dezember 1976 zugrunde; gestützt auf die Anmeldung der Parzellierung erfolgte gleichentags der Tagebucheintrag.
Als Abfindung für die zu erwartende spätere Überbauung der seinerzeitigen Parzelle Nr. 122 bzw. der davon abgetrennten neuen Parzellen Nr. 1383 bis 1389 trat F. G. am 18. Februar 1977 "ab seinem Grundstück HB 122" der Erbengemeinschaft C. als Zuwachs zu deren Parzelle HB 1355 150 m2 ab und begründete gleichzeitig zu Gunsten der Parzelle HB 1355 und "zu Lasten des südöstlich angrenzenden Landes HB 122 ... und hievon abgetrennter Landparzellen" eine Servitut, wonach nur eingeschossige Bauten erstellt werden dürfen. Am 13. Mai 1977 meldete der Notar die Landabtretung und die Dienstbarkeitsbegründung beim Grundbuch an, wobei er die neue Grunddienstbarkeit stichwortartig mit "Baubeschränkung zugunsten HB 1355 ... zulasten HB 122" umschrieb. Dieser Anmeldung lag ein nicht mehr aktueller Plan (Nr. 1126) vom 15. Dezember 1976 zugrunde, der zwar den Zuwachs von 150 m2 zur Parzelle HB 1355, nicht aber die zwischenzeitlich am 11. Januar 1977 im Grundbuch vollzogene Parzellierung des Grundstückes Nr. 122 dokumentierte; am 16. Mai 1977 erfolgte gestützt auf die Anmeldung und den beigelegten veralteten Plan Nr. 1126 der Tagebucheintrag,
BGE 123 III 346 S. 348
wobei die Baubeschränkungsdienstbarkeit nur auf der Parzelle HB 122, nicht aber auf den inzwischen abparzellierten Grundstücken HB 1383 bis 1389 eingetragen wurde.
Im Jahr 1988 wurde von der Parzelle HB 1389 ein an die Parzelle HB 1355 angrenzender Teil als neue Parzelle HB 1841 abgetrennt. In der Folge erwarb die W. AG diese Parzelle. Als die W. AG 1993 darauf eine zweigeschossige Baute erstellen wollte, wehrte sich die Erbengemeinschaft C. als Eigentümerin von HB 1355 unter Hinweis auf die - nicht eingetragene - Baubeschränkungsdienstbarkeit dagegen.
B.-
Am 26. November 1993 beantragte die Erbengemeinschaft C. dem Grundbuchamt, im Rahmen eines Berichtigungsverfahrens nach
Art. 977 ZGB
in Verbindung mit
Art. 98 GBV
die Baubeschränkung gemäss Anmeldung vom 13. Mai 1977 auf der Parzelle HB 1841 einzutragen. Da die W. AG ihre Einwilligung zu einer Berichtigung des Grundbuches verweigerte, ersuchte der Kanton Uri am 15. Februar 1995 den Landgerichtspräsidenten Uri, gestützt auf
Art. 98 Abs. 4 GBV
die Eintragung der Baubeschränkungsdienstbarkeit zulasten der Parzelle HB 1841 anzuordnen. Mit Verfügung vom 31. Januar 1996 entsprach das Präsidium des Landgerichtes Uri dem Gesuch und ordnete die Eintragung der Dienstbarkeit als Last auf der Parzelle HB 1841 an. Einen von der W. AG dagegen erhobenen Rekurs wies das Obergericht des Kantons Uri am 5. Juli 1996 ab.
C.-
Mit Berufung vom 4. Oktober 1996 beantragt die W. AG dem Bundesgericht, das Urteil des Obergerichtes des Kantons Uri vom 5. Juli 1996 aufzuheben und auf das Gesuch des Kantons Uri nicht einzutreten, eventuell das Gesuch abzuweisen.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
Die W. AG wendet sich - entsprechend der Rechtsmittelbelehrung - mit Berufung gegen das Urteil des Obergerichtes und rügt im wesentlichen eine unrichtige Anwendung von
Art. 977 ZGB
in Verbindung mit
Art. 98 GBV
(SR 211.432.1). Sie macht geltend, dass die Berichtigung des Grundbucheintrages nicht im Administrativverfahren herbeigeführt werden könne, sondern durch eine vom privaten Grundeigentümer erhobene Grundbuchberichtigungsklage nach
Art. 975 ZGB
geltend gemacht werden müsste.
a) Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob ein Rechtsmittel zulässig ist (
BGE 120 II 270
E. 1
BGE 123 III 346 S. 349
S. 271). Nach
Art. 46 OG
ist eine Berufung nur in Zivilrechtsstreitigkeiten zulässig. Als Zivilrechtsstreitigkeit versteht die Rechtsprechung ein kontradiktorisches Verfahren zwischen zwei oder mehreren natürlichen oder juristischen Personen in ihrer Eigenschaft als Trägerinnen privater Rechte oder zwischen solchen Personen und einer Behörde, die nach Bundesrecht die Stellung einer Partei einnimmt. Das Verfahren bezweckt die endgültige und dauernde Regelung zivilrechtlicher Verhältnisse. Entscheidend ist nicht, welches Verfahren die kantonale Behörde eingeschlagen hat, sondern ob die Parteien Ansprüche des Bundeszivilrechts erhoben haben und ebensolche objektiv streitig sind (
BGE 120 II 11
E. 2a S. 12 f.).
b)
Art. 977 ZGB
behandelt wie
Art. 975 ZGB
die Beseitigung eines Fehlers im Grundbuch. Während aber bei
Art. 975 ZGB
die Unrichtigkeit auf das Fehlen der materiellrechtlichen Voraussetzungen der Eintragungen oder Löschungen zurückzuführen ist, sind bei
Art. 977 ZGB
alle diese Bedingungen erfüllt und nur aufgrund eines Versehens des Grundbuchverwalters - so die Präzisierung in
Art. 98 Abs. 1 GBV
- widerspricht der Eintrag den gültigen Belegen (
BGE 117 II 43
E. 4b S. 44 f. mit Hinweisen; HOMBERGER, Zürcher Kommentar, N. 9 zu
Art. 975 ZGB
). Wird die Unrichtigkeit eines Eintrages vom Grundbuchverwalter sogleich wahrgenommen, soll er die Berichtigung ohne weiteres vornehmen (
Art. 98 Abs. 2 GBV
). Wird die Unrichtigkeit eines Eintrags erst nachträglich erkannt, nachdem die Beteiligten oder Dritte vom unrichtigen Eintrag Kenntnis erhalten haben, soll der Grundbuchverwalter den Beteiligten davon Mitteilung machen, sie um schriftliche Einwilligung zur Berichtigung ersuchen und nach Eingang der Einwilligung aller Beteiligten die Berichtigung vornehmen (
Art. 98 Abs. 3 GBV
). Verweigert einer der Beteiligten seine Zustimmung, hat der Grundbuchverwalter den zuständigen Richter um Anordnung der Berichtigung zu ersuchen (
Art. 98 Abs. 4 GBV
).
Beim Berichtigungsverfahren nach
Art. 977 Abs. 1 ZGB
handelt es sich nicht um eine zivilrechtliche, sondern um eine administrative Streitigkeit. Die richterliche Verfügung gemäss
Art. 977 Abs. 1 ZGB
bzw.
Art. 98 Abs. 4 GBV
bezieht sich auf die Berichtigung eines unrichtigen Eintrages, der auf Versehen beruht, und der Richter fällt kein materielles Urteil (vgl. zu allem DESCHENAUX, Das Grundbuch, in: Schweizerisches Privatrecht, V/3,II, Basel/Frankfurt a.M. 1989, S. 907 f.). Daran ändert nichts, dass in diesem Verfahren unter Umständen - vorfrageweise - auch die zivilrechtliche Frage zu prüfen ist, ob die materiellen Grundlagen die angestrebte Berichtigung
BGE 123 III 346 S. 350
rechtfertigen. Ebensowenig kann es darauf ankommen, dass der Richter in Verkennung seiner Kompetenzen glaubte, ein materielles Urteil fällen zu müssen. Entscheidend ist allein, dass in diesem Verfahren kein materielles Urteil, also kein Urteil über einen umstrittenen zivilrechtlichen Anspruch gefällt wird. Demzufolge unterliegt der angefochtene Entscheid nicht der Berufung.
c) Die Berufung kann indessen in eine Verwaltungsgerichtsbeschwerde umgedeutet werden, wenn das unrichtig bezeichnete Rechtsmittel die für die Verwaltungsgerichtsbeschwerde geltenden formellen Voraussetzungen erfüllt (
BGE 120 Ib 379
E. 1a S. 381 mit Hinweisen), was vorliegend zutrifft. Da es sich bei den das administrative Berichtigungsverfahren regelnden Bestimmungen (
Art. 977 ZGB
;
Art. 98 ff. GBV
) um öffentlichrechtliche Bestimmungen des Bundes und beim richterlichen Entscheid um eine Verfügung im Sinne von
Art. 5 Abs. 1 VwVG
handelt, ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde grundsätzlich zulässig (
Art. 97 Abs. 1 OG
). Ferner hat das Obergericht des Kantons Uri, welches das angefochtene Urteil gefällt hat, als letzte kantonale Instanz entschieden (
Art. 98 lit. g OG
). Die Berufung der Gesuchsgegnerin ist daher als Verwaltungsgerichtsbeschwerde entgegenzunehmen.
2.
Im angefochtenen Urteil führt das Obergericht des Kantons Uri im wesentlichen aus, dass eine administrative Berichtigung nach
Art. 977 ZGB
an sich unzulässig und nur die zivilrechtliche Grundbuchberichtigungsklage zwischen zwei Grundeigentümern nach
Art. 975 ZGB
gegeben sei, wenn - wie im vorliegenden Fall - ein Dritterwerber behaupte, im Vertrauen auf den unrichtigen Stand der Grundbucheinträge ein dingliches Recht erworben zu haben. Weil aber die urnerische Grundbucheinrichtung wegen ihrer Unübersichtlichkeit und Unvollständigkeit gegenüber gutgläubigen Dritten keine Wirkung im Sinn von
Art. 973 ZGB
entfalte, stehe im vorliegenden Fall dennoch das Berichtigungsverfahren nach
Art. 977 ZGB
offen, ohne dass die Frage der Möglichkeit einer Grundbuchberichtigungsklage nach
Art. 975 ZGB
zu prüfen wäre. Das Berichtigungsgesuch sei materiell begründet, weil der Unrichtigkeit des Grundbuchs offensichtlich ein Versehen des Grundbuchverwalters zugrunde liege; infolgedessen sei die von der ersten kantonalen Instanz angeordnete Grundbuchberichtigung nach
Art. 977 ZGB
zutreffend.
Die W. AG hält demgegenüber dafür, dass im vorliegenden Fall das Verfahren der administrativen Berichtigung nach
Art. 977 ZGB
nicht gegeben sei; vielmehr hätten die privaten Rechtsträger eine
BGE 123 III 346 S. 351
Grundbuchberichtigungsklage nach
Art. 975 ZGB
erheben müssen. Sie bestreitet aber auch das Vorliegen eines Versehens des Grundbuchverwalters, das eine administrative Berichtigung rechtfertigen würde.
a) Zutreffend hält das Obergericht fest, dass eine Berichtigung im Sinn von
Art. 977 ZGB
- ungeachtet des Vorliegens eines formellen Versehens oder eines materiellen Fehlers - ausgeschlossen ist, wenn ein Dritter im Vertrauen auf den unrichtigen Stand der Grundbucheinträge ein Grundstück erwirbt. Auch wenn der Fehler im Grundbuch auf blossem Versehen beruht und "inter partes" im Administrativverfahren bereinigt werden könnte, steht beim Dazwischentreten eines Dritterwerbers das administrative Berichtigungsverfahren in keinem Fall zur Verfügung: Wer in seinen dinglichen Rechten verletzt ist, kann eine Richtigstellung des Grundbuches dadurch - und nur dadurch - herbeiführen, dass er Klage nach
Art. 975 ZGB
erhebt und dabei den guten Glauben des Dritterwerbers bestreitet (DESCHENAUX, a.a.O., S. 894 f. mit Hinweisen; HOMBERGER, Zürcher Kommentar, N. 9 zu
Art. 975 ZGB
; unveröffentlichter Entscheid des Bundesgerichtes vom 31. Oktober 1985 i.S. V., E. 2/b/bb); aber auch in dem von der Falscheintragung zu unterscheidenden Fall, dass eine Eintragung versehentlich unterlassen wurde, kommt eine administrative Berichtigung nach
Art. 977 ZGB
nur in Frage, wenn der Verfügende oder derjenige, der ein beschränktes dingliches Recht eingeräumt hat, derselbe geblieben und das Grundstück nicht auf einen Dritten übergegangen ist (DESCHENAUX, a.a.O., S. 895).
Aus diesem Grund hätte der Richter auf das Gesuch um Berichtigung des Grundbuches nicht eintreten dürfen. Im administrativen Berichtigungsverfahren nach
Art. 977 ZGB
können nur administrative Unrichtigkeiten zwischen den am fehlerhaften Akt direkt betroffenen Grundeigentümern behoben werden; demgegenüber steht dieses Verfahren für privatrechtliche Streitigkeiten, in denen über das Bestehen oder Nichtbestehen von umstrittenen dinglichen Rechten zwischen einem Grundeigentümer und einem Dritterwerber zu entscheiden ist, nicht zur Verfügung. Da die W. AG als Dritterwerberin Eigentümerin des unbelasteten Grundstückes geworden ist, ist eine administrative Grundbuchberichtigung gestützt auf
Art. 977 ZGB
und
Art. 98 GBV
ausgeschlossen.
b) Trotzdem hält das Obergericht das administrative Berichtigungsverfahren nach
Art. 977 ZGB
im vorliegenden Fall für zulässig. Die W. AG könne sich nicht auf den Schutz des gutgläubigen
BGE 123 III 346 S. 352
Erwerbers (vgl.
Art. 973 Abs. 1 ZGB
) berufen, weil im Kanton Uri das eidgenössische Grundbuch oder eine ihm gleichgestellte kantonale Publizitätseinrichtung noch nicht eingeführt sei und daher keine positive Grundbuchwirkung zugunsten eines gutgläubigen Dritten bestehe (
Art. 48 Abs. 3 SchlT ZGB
). Wenn der gute Glaube nicht geschützt werde, stehe aber der Weg einer administrativen Berichtigung durch den Grundbuchverwalter nach
Art. 977 ZGB
auch dann zur Verfügung, wenn das Grundstück seit der versehentlichen Nichteintragung auf einen Dritten übergegangen sei.
Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Die fehlende positive Grundbuchwirkung des urnerischen Grundbuches hätte entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht zur Folge, dass eine administrative Grundbuchberichtigung nach
Art. 977 ZGB
auch gegenüber einem Dritterwerber zulässig wäre; vielmehr ist eine Grundbuchberichtigung nach
Art. 977 ZGB
stets dann ausgeschlossen, wenn das Grundstück zwischenzeitlich auf einen Dritterwerber übergegangen ist. Dies gilt unabhängig davon, ob eine Falscheintragung vorliegt, die nur auf dem Weg der Grundbuchberichtigungsklage nach
Art. 975 ZGB
behoben werden kann, oder ob eine behauptete Dienstbarkeit überhaupt nicht eingetragen und damit nach
Art. 731 Abs. 1 ZGB
gar noch nicht entstanden ist (vgl. E. 2a). An der Unzulässigkeit der administrativen Berichtigung nach
Art. 977 ZGB
bei einem Erwerb durch einen Dritten vermag die angeblich fehlende positive Grundbuchwirkung der Urner Publizitätseinrichtung somit nichts zu ändern.
c) Im übrigen würde auch eine Grundbuchberichtigungsklage nach
Art. 975 ZGB
im vorliegenden Fall nicht zum Ziel führen. Nur bei einer ungerechtfertigten Eintragung bzw. Löschung oder Veränderung eines Eintrages wäre im Rahmen einer Grundbuchberichtigungsklage nach
Art. 975 ZGB
darüber zu befinden, ob sich die W. AG auf einen gutgläubigen Erwerb zu berufen vermag (
Art. 973 Abs. 1 ZGB
) und der gute Glaube gestützt auf die positive Grundbuchwirkung der kantonalen Publizitätseinrichtung zu schützen wäre (
Art. 48 Abs. 3 SchlT ZGB
). Ist hingegen nicht eine Falscheintragung, sondern wie vorliegend der Fall einer Nichteintragung zu beurteilen, entscheidet nicht die positive, sondern einzig die negative Grundbuchwirkung über das rechtliche Schicksal eines behaupteten dinglichen Rechtes; danach entsteht ein dingliches Recht erst mit der Eintragung im Grundbuch (
Art. 971 Abs. 1 ZGB
), soweit dies vom Gesetz wie beispielsweise bei Grunddienstbarkeiten verlangt wird (vgl.
Art. 731 Abs. 1 ZGB
). Daraus folgt, dass ein
BGE 123 III 346 S. 353
Dritterwerber bei einer nicht erfolgten Eintragung im Unterschied zum Fall der Falscheintragung nicht nur dann geschützt ist, wenn er gutgläubig ist und der kantonalen Publizitätseinrichtung positive Grundbuchwirkung zukommt; vielmehr ist der Erwerber bei einer nicht eingetragenen Dienstbarkeit in seinem unbelasteten Eigentumserwerb bereits aufgrund der negativen Grundbuchwirkung - die unbestrittenermassen auch dem Urner Grundbuch zukommt (
Art. 48 Abs. 1 und 2 SchlT ZGB
) - geschützt, da die Grundbucheintragung für die Entstehung einer Dienstbarkeit konstitutiv ist (
Art. 731 Abs. 1 ZGB
). Dabei macht es keinen Unterschied, ob die Eintragung ursprünglich gar nicht angemeldet wurde oder trotz korrekter Anmeldung versehentlich unterblieb.
d) Insgesamt ergibt sich somit, dass die administrative Berichtigung nach
Art. 977 ZGB
in Verbindung mit
Art. 98 GBV
- und zwar ungeachtet des Vorliegens eines formellen Versehens oder eines materiellen Fehlers - auf jeden Fall verschlossen ist, wenn seit dem Bestehen des unrichtigen Grundbucheintrages das Grundstück auf einen Dritten übergegangen ist. Der angefochtene Entscheid verletzt daher
Art. 977 ZGB
. | null | nan | de | 1,997 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
c6f2e155-694c-4b55-98c6-4a5152d4d880 | Urteilskopf
85 III 173
37. Auszug aus dem Entscheid vom 28. November 1959 i.S. Herzog. | Regeste
Pfandausfallschein.
Fortsetzung der Betreibung binnen Monatsfrist ohne neuen Zahlungsbefehl (
Art. 158 Abs. 2 Satz 2 SchKG
).
Notwendige Angaben einer auf solcher Grundlage beruhenden Konkursandrohung.
Art. 160 in Verbindung mit
Art. 158 SchKG
. | Erwägungen
ab Seite 173
BGE 85 III 173 S. 173
Aus den Erwägungen:
In der Regel ist einzige Grundlage der Konkursandrohung der vollstreckbar gewordene Zahlungsbefehl einer ordentlichen Betreibung. Auf eine solche Betreibung (gemäss
Art. 38 Abs. 2 SchKG
) bezieht sich
Art. 159 SchKG
, wonach der Gläubiger "nach Ablauf der Frist von zwanzig Tagen seit der Zustellung des Zahlungsbefehls" verlangen kann, dass dem Schuldner der Konkurs angedroht werde. Ebenfalls die Fortsetzung einer ordentlichen Betreibung hat
Art. 160 SchKG
im Auge, wenn er vorschreibt, die Konkursandrohung müsse enthalten: "1. die Angaben des Betreibungsbegehrens; 2. das Datum des Zahlungsbefehls; 3... 4....". Nun kann es aber gegenüber einem der Konkursbetreibung unterliegenden Schuldner auch in Fortsetzung einer auf Verwertung eines Pfandes angehobenen Betreibung zur Konkursandrohung kommen, und zwar ohne neuen Zahlungsbefehl: wenn sich nämlich ein Pfandausfall ergibt und der Gläubiger auf Grund des Pfandausfallscheines binnen Monatsfrist die Fortsetzung der Betreibung auf dem soeben erwähnten Wege verlangt (
Art. 158 Abs. 2 Satz 2 SchKG
). In diesem Fall hat er seinem Begehren den Pfandausfallschein, auf
BGE 85 III 173 S. 174
den er es stützt, beizulegen (JAEGER, N. 8 zu
Art. 158 SchKG
). Auch der Inhalt der Konkursandrohung ist alsdann den Besonderheiten ihrer Grundlage, eben des Pfandausfallscheines, anzupassen. Einmal sind die Angaben des Betreibungsbegehrens (
Art. 160 Abs. 1 Ziff. 1 SchKG
) nun entsprechend dem Ergebnis der Pfandverwertung zu ändern; d.h. es ist statt der ursprünglichen Betreibungssumme der Betrag des Pfandausfalles einzusetzen. Und an die Stelle des Zahlungsbefehls, dessen Datum für die Fortsetzung einer ordentlichen Betreibung massgebend ist und daher in der Konkursandrohung gewöhnlich angegeben werden muss (Ziff. 2 daselbst), tritt hier als Grundlage des Fortsetzungsbegehrens der Pfandausfallschein. Daher ist nun dessen Datum in der Konkursandrohung zu vermerken; dasjenige des Zahlungsbefehls der vorausgegangenen Betreibung auf Pfandverwertung hat dagegen keine wesentliche Bedeutung mehr, so dass seine Angabe in der auf dem Pfandausfallschein beruhenden Konkursandrohung nicht als Gültigkeitserfordernis zu betrachten ist. Es genügt, den Pfandausfallschein eindeutig zu bezeichnen, indem ausser dem Datum seiner Ausstellung die Nummer der Betreibung, die ihm zugrunde liegt, und, falls er nicht vom jetzt handelnden Betreibungsamt ausgestellt wurde, auch der Name des ausstellenden Betreibungsamtes angegeben wird.
Alles nach dem Gesagten Wesentliche findet sich in der dem Rekurrenten zugestellten Konkursandrohung vor. Wünschbar wäre freilich die Angabe nicht nur des Ausstellungs-, sondern auch des Zustellungsdatums des Pfandausfallscheines. Läuft doch die Monatsfrist für das Begehren um Fortsetzung der Betreibung ohne neuen Zahlungsbefehl vom Empfang der Urkunde an (
BGE 64 III 33
). Die Gültigkeit der Konkursandrohung kann aber nicht von dieser Angabe abhängen, wie denn nach Art. 160 Abs. 1 Ziff. 2 lediglich das Datum des Zahlungsbefehls (d.h. seiner Ausstellung) vermerkt zu sein braucht, obwohl die Frist ebenfalls erst von der Zustellung an läuft (
Art.
BGE 85 III 173 S. 175
159 SchKG). Im vorliegenden Fall ist übrigens belanglos, ob der Pfandausfallschein vom 5. August 1959 gleichen Tages oder erst später zugestellt wurde. Das Fortsetzungsbegehren erfolgte jedenfalls binnen nützlicher Frist, da es schon am 12. August 1959 zur Konkursandrohung kam. | null | nan | de | 1,959 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
c6f6c9d5-5d2f-41bf-a746-4db63db9493d | Urteilskopf
103 Ib 152
26. Beschluss vom 26. Mai 1977 i.S. Philips AG gegen Eidg. Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartement | Regeste
Art. 99 lit. e OG
.
- Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist zumindest dann unzulässig, wenn es um das Ergebnis einer Typenprüfung geht, mit der in abstrakter Weise über das technische Genügen einer Anlage befunden wird.
- Der Begriff "technische Anlage" umfasst nicht nur grosse, immobile, sondern auch kleinere Einrichtungen (hier: Regeltransformatoren). | Sachverhalt
ab Seite 152
BGE 103 Ib 152 S. 152
Die Philips AG, Zürich, vertreibt unter anderem sog. Regeltransformatoren, d.h. Transformatoren, mit welchen eine Wechselspannung ohne nennenswerten Leistungsverlust kontinuierlich variiert werden kann. Nach Ansicht des Eidg. Starkstrominspektorates sind diese Regeltransformatoren gemäss den neuen, vom Elektrotechnischen Verein erlassenen Sicherheitsvorschriften für Kleintransformatoren - entgegen der bis dahin geltenden Regelung - prüfungspflichtig. Die Philips AG wurde deshalb aufgefordert, ihre Regeltransformatoren zur Typenprüfung einzureichen. Bei dieser Prüfung wurden verschiedene Mängel festgestellt. Aufgrund dieses Resultates verweigerte das Eidg. Starkstrominspektorat die Bewilligung für den Vertrieb der Regeltransformatoren. Einer allfälligen
BGE 103 Ib 152 S. 153
Beschwerde wurde die aufschiebende Wirkung entzogen. Auf Beschwerde hin wies das EVED das Begehren der Philips AG um Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ab. In der Sache selbst ist noch nicht entschieden worden. Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde verlangt die Philips AG die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen einen Zwischenentscheid, wie er im vorliegenden Fall angefochten wird, ist nur möglich, wenn die Beschwerde auch gegen den Endentscheid in der gleichen Sache zulässig wäre. Es ist daher zunächst zu prüfen, ob die Verweigerung einer Bewilligung für den Vertrieb von Regeltransformatoren mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde anfechtbar ist.
2.
Nach
Art. 99 lit. e OG
ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde unzulässig gegen die Erteilung oder Verweigerung von Bau- oder Betriebsbewilligungen für technische Anlagen oder für Fahrzeuge. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (
BGE 100 Ib 222
) kann aus
Art. 99 lit. e OG
zwar nicht abgeleitet werden, dass Verfügungen in Angelegenheiten technischer Natur nie der Verwaltungsgerichtsbeschwerde unterliegen. Diese Bestimmung ist aber zumindest dann anwendbar, wenn es um das Ergebnis einer Typenprüfung geht, womit in abstrakter Weise über das technische Genügen einer Anlage befunden wird. Bei der Vertriebsbewilligung für die Regeltransformatoren der Philips AG handelt es sich um eine solche Typenprüfung.
Die fraglichen Regeltransformatoren stellen zudem "technische Anlagen" im Sinne von
Art. 99 lit. e OG
dar. Rein sprachlich betrachtet liesse sich zwar der Begriff "technische Anlagen" auf grössere immobile Einrichtungen beschränken. Der Zweck von
Art. 99 lit. e OG
legt es aber nahe, alle Typenprüfungen - ob sie grosse, immobile Einrichtungen betreffen oder aber kleinere wie im vorliegenden Fall - gleich zu behandeln und in beiden Fällen die Verwaltungsgerichtsbeschwerde auszuschliessen. Die technischen Fragen, die für eine gerichtliche Beurteilung ungeeignet sind, stellen sich nämlich bei all diesen Typenprüfungen in gleichem Mass.
BGE 103 Ib 152 S. 154
Die Verweigerung der Bewilligung für den Vertrieb von Regeltransformatoren muss somit als Verfügung betrachtet werden, gegen welche nach
Art. 99 lit. e OG
die Verwaltungsgerichtsbeschwerde unzulässig ist. Somit kann auch der im vorliegenden Fall beanstandete Zwischenentscheid nicht mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten werden. Die Beurteilung der Beschwerde fällt aus diesem Grund in die Zuständigkeit des Bundesrates.
Das EJPD hat sich im Meinungsaustausch dieser Auffassung angeschlossen.
Dispositiv
Demnach wird beschlossen:
Die Beschwerde wird dem Bundesrat übergeben. | public_law | nan | de | 1,977 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
c6f9a944-1d2e-4cd2-8b41-ae7e2092da82 | Urteilskopf
138 III 587
87. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. Y. Versicherungs-Gesellschaft AG gegen X. Ver- sicherungen AG (Beschwerde in Zivilsachen)
4A_740/2011 vom 1. Juni 2012 | Regeste
Regress einer schweizerischen Unfallversicherung auf eine schweizerische Haftpflichtversicherung für Leistungen aus einem Verkehrsunfall, der sich in Schottland ereignet hat (
Art. 144 Abs. 1 und 2 IPRG
).
Voraussetzungen und Durchführung des Rückgriffs nach
Art. 144 IPRG
. Das für die Durchführung des Rückgriffs massgebliche schottische Recht (Forderungsstatut) sieht nur eine Klage des Versicherers im Namen des Geschädigten vor, welcher aber zur Mitwirkung gezwungen werden kann. Mit Blick auf den von der Vorinstanz festgestellten Vorrang des Verfahrensrechts im Common Law System und das im konkreten Fall fehlende Schutzbedürfnis der beklagten Partei erscheint dennoch zulässig, dass die rückgriffsberechtigte Versicherung vor dem zuständigen schweizerischen Gericht nicht im Namen des Geschädigten, sondern im eigenen Namen klagt (E. 2). | Erwägungen
ab Seite 588
BGE 138 III 587 S. 588
Aus den Erwägungen:
2.
Das Bundesgericht hat die Sache an die Vorinstanz zurückgewiesen, damit diese den Inhalt der Normen des schottischen Rechts feststellt (
BGE 134 III 420
). Die Vorinstanz hat dazu ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben.
2.1
Die Vorinstanz erkannte, das schottische Recht erachte für die Leistungen aus Schadenversicherung (anders als für die Integritätsentschädigung) den Regress der Beschwerdegegnerin für zulässig. Bezüglich der prozessualen Durchsetzung sehe die schottische Rechtsordnung keinen eigentlichen Rechtsübergang vor, sondern räume lediglich dem regressberechtigten Versicherer die Möglichkeit ein, im Namen des Versicherten den Prozess gegen den Regressverpflichteten zu führen. Dabei könne der Versicherer den Versicherten aber zur Mitwirkung zwingen - zumindest zum namentlichen Auftreten als Kläger im Prozess. Für den Regressverpflichteten mache es - im Ergebnis - wohl keinen Unterschied, ob er in einem in den allermeisten Fällen wohl bloss formaliter vom Geschädigten geführten Prozess zu einer Regresszahlung verpflichtet werde, welche dieser ohne Weiteres an den regressberechtigten Versicherer herauszugeben hat, oder ob er sich im Prozess direkt Letztgenanntem gegenübersehe. Der Umstand, dass nach schottischem Recht der Rückgriff nicht im eigenen Namen durchgesetzt werden könne, sondern der Versicherer für die prozessuale Geltendmachung auf den Geschädigten angewiesen bleibe, sei von untergeordneter Bedeutung, da der Geschädigte vom Versicherer (notfalls gerichtlich) zur Mitwirkung verpflichtet werden könne. Überdies offenbare das Rechtsgutachten, dass in diesen Fällen der Versicherer den Prozess führe und von der beklagten Drittpartei Schadenersatz erhalte ("If the insurer successfully conducts the proceedings and obtains compensations from the third party defendant [...]"), aus welchem er seine Aufwendungen decken dürfe ("[...] it has the right to retain so much of that compensation as corresponds to its indemnification payment to the insured and its legal
BGE 138 III 587 S. 589
costs"). Daher erachtete die Vorinstanz den Regressanspruch für begründet.
2.2
Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, mit der vorgenommenen Gesetzesanwendung und -auslegung von
Art. 144 IPRG
(SR 291) verletze die Vorinstanz Bundesrecht und überschreite das ihr zustehende Ermessen. Sie rügt, gestützt auf
Art. 144 Abs. 2 IPRG
beurteile sich unter anderem nach dem anwendbaren schottischen Recht die Frage, welche Nebenrechte, namentlich ob ein unmittelbares Forderungsrecht des Geschädigten auf den Haftpflichtversicherer übergehe. Aus dem Gutachten gehe hervor, dass das der Geschädigten zustehende direkte Forderungsrecht nicht auf die Beschwerdegegnerin übergehe und auch nicht übergegangen sei, weshalb diese keine Rechtsansprüche gegenüber der Beschwerdeführerin geltend machen könne. Die Klage sei mangels Aktivlegitimation abzuweisen.
2.3
Mit Bezug auf die Durchführung des Regresses, welche schottischem Recht unterstehe, hielt die Vorinstanz unter Hinweis auf eine Kommentarstelle (KELLER/GIRSBERGER, in: Zürcher Kommentar zum IPRG, 2. Aufl. 2004, N. 25 zu
Art. 144 IPRG
) fest, es sei nicht eine Frage der Durchführung, sondern der Zulässigkeit des Rückgriffs, ob derjenige, der das Rückgriffsrecht geltend machen wolle, kraft der gesetzlichen Rückgriffsregelung dazu legitimiert sei. Mithin sei nicht von Bedeutung, dass die Beschwerdegegnerin - und nicht die Geschädigte gewissermassen als Prozessstandschafterin - die Regressklage im eigenen Namen führe.
2.4
Entgegen der Auffassung der Vorinstanz ist der Begriff "legitimiert" an der angegebenen Literaturstelle nicht in prozesstechnischem, sondern in materiellem Sinne zu verstehen. Dies belegt das am angeführten Ort erwähnte Beispiel, die Frage, ob der Haftpflichtversicherer des Geschädigten zum Rückgriff berechtigt ist, wenn er gezahlt hat. Damit muss die materielle Berechtigung gemeint sein. Die Frage ob der Haftpflichtversicherer zur Durchsetzung seines Anspruchs im eigenen Namen oder im Namen der Geschädigten vorzugehen hat, wird nicht thematisiert.
2.5
Gemäss
Art. 144 Abs. 1 IPRG
kann ein Schuldner auf einen anderen Schuldner unmittelbar oder durch Eintritt in die Rechtsstellung des Gläubigers insoweit Rückgriff nehmen, als es die Rechte zulassen, denen die entsprechenden Schulden unterstehen. Die Durchführung des Rückgriffs untersteht grundsätzlich dem gleichen Recht
BGE 138 III 587 S. 590
wie die Schuld des Rückgriffsverpflichteten (
Art. 144 Abs. 2 Satz 1 IPRG
).
2.5.1
Mit
Art. 144 Abs. 1 und 2 IPRG
wollte der Gesetzgeber die Stellung des im Wege des Regresses in Anspruch genommenen Schuldners schützen, dessen Rechtsstellung nicht durch ein ihm möglicherweise unbekanntes Recht verschlechtert werden sollte (Botschaft vom 10. November 1982 zum Bundesgesetz über das internationale Privatrecht, BBl 1983 I 433 Ziff. 285.2). Durch die in
Art. 144 Abs. 1 IPRG
vorgesehene Anknüpfung wird einerseits erreicht, dass der den Gläubiger befriedigende Schuldner kein Rückgriffsrecht erhält, mit dem er nicht rechnen konnte, und andererseits, dass der Regresspflichtige nicht von unerwarteten Regressansprüchen überrascht wird.
2.5.2
Gemäss den Feststellungen der Vorinstanz kann der Versicherer nach schottischem Recht nur im Namen des Geschädigten vorgehen, er kann diesen aber zur Mitwirkung zwingen. Auch das schottische Recht verhilft dem Regressberechtigten mithin zur Deckung, auch wenn dies nicht über eine Regressforderung im engen Sinn geschieht, da der Regressberechtigte lediglich in Stellvertretung des Geschädigten gegen den Dritten vorgehen kann. Insoweit ist der Regressanspruch mit Blick auf
Art. 144 Abs. 1 IPRG
zuzulassen.
2.5.3
Nach der herrschenden Lehre ist
Art. 144 Abs. 2 IPRG
extensiv auszulegen und regelt insbesondere auch, wie sich der Rückgriff formell gestaltet, sei es durch Subrogation, unmittelbaren Rückgriff oder ein verwandtes Institut (DASSER, in: Basler Kommentar, Internationales Privatrecht, 2. Aufl. 2007, N. 10 zu
Art. 144 IPRG
; KELLER/GIRSBERGER, a.a.O., N. 22 f. zu
Art. 144 IPRG
; BONOMI, in: Commentaire romand, Loi sur le droit international privé, Convention de Lugano, 2011, N. 11 zu
Art. 144 IPRG
; KREN KOSTKIEWICZ, Grundriss des schweizerischen internationalen Privatrechts, 2012, S. 631 Rz. 2627). Das Bundesgericht hielt denn im Rückweisungsentscheid auch fest, die Durchführung des nach
Art. 144 Abs. 1 IPRG
zulässigen Rückgriffs erfolge gemäss Abs. 2 der Norm grundsätzlich nach dem Forderungsstatut; darunter falle insbesondere auch die Frage, ob ein unmittelbares Forderungsrecht des Geschädigten gegen den Haftpflichtversicherer auf den Rückgriffsberechtigten übergehe. Es fragt sich daher, ob die Beschwerdegegnerin im Namen der Geschädigten klagen muss, welche Modalität das schottische Recht für den "Rückgriff" vorsieht.
2.5.4
Gemäss den Feststellungen der Vorinstanz unterscheidet sich das (schottische) Common Law System mit dem ihm
BGE 138 III 587 S. 591
innewohnenden Vorrang des Verfahrensrechts ganz grundsätzlich vom kontinentaleuropäischen Civil Law System. Da in der Schweiz prozessiert wird, kommt aber nicht das schottische, sondern das schweizerische Verfahrensrecht zur Anwendung. Dadurch darf die Stellung des Regressberechtigten im Vergleich zu einem in Schottland geführten Verfahren materiell nicht verschlechtert werden. Das schottische Recht räumt nach dem angefochtenen Entscheid dem regressberechtigten Versicherer die Möglichkeit ein, im Namen des Versicherten den Prozess gegen den Regressverpflichteten zu führen, wobei der regressberechtigte Versicherer den Versicherten zur Mitwirkung - zumindest zum namentlichen Auftreten als Kläger - zwingen kann. Dass auch nach dem schweizerischen Zivilprozessrecht eine gleichwertige Möglichkeit besteht, Versicherte zum namentlichen Auftreten als Kläger zu zwingen, zeigt die Beschwerdeführerin nicht auf. Damit gelingt es ihr nicht, den angefochtenen Entscheid, der im Ergebnis mit Blick auf die grundsätzlichen Unterschiede in der Stellung des Verfahrensrechts des Common Law Systems und des kontinentaleuropäischen Civil Law Systems die Klage des Versicherers im eigenen Namen vor Schweizer Gerichten für zulässig erachtet, als bundesrechtswidrig auszuweisen.
2.5.5
Das schottische Recht verfolgt mit der Klage im Namen der Geschädigten im Wesentlichen denselben Zweck wie das schweizerische Recht, gemäss welchem die Beschwerdegegnerin im eigenen Namen hätte klagen können. Mit der Berufung auf die mangelnde Aktivlegitimation versucht sich die Beschwerdeführerin ihrer nach beiden Rechten vorgesehenen Zahlungsverpflichtung zu entziehen, obwohl dem für
Art. 144 IPRG
zentralen Aspekt des Schutzes des im Wege des Regresses in Anspruch genommenen Schuldners vor einer Verschlechterung seiner Rechtsstellung durch ein ihm möglicherweise unbekanntes Recht für das Verfahren zwischen zwei schweizerischen Versicherungen keine massgebende Bedeutung zukommt. Dass die Beschwerdeführerin befürchten müsste, von der Geschädigten für denselben Schaden erneut belangt zu werden, zeigt sie nicht rechtsgenüglich auf. Daher ist im Ergebnis nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz die Aktivlegitimation der Beschwerdegegnerin bejaht hat. | null | nan | de | 2,012 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
c6fc7bde-98ff-4ba8-9efd-23c9776335aa | Urteilskopf
103 II 155
27. Urteil der I. Zivilabteilung vom 29. Juni 1977 i.S. C. und A. Bartusch gegen C. und G. Baraga | Regeste
Berufung.
1.
Art. 50 OG
. Voraussetzung für die Berufung gegen einen Zwischenentscheid (E. 1).
2.
Art. 46 OG
. Der Streitwert bestimmt sich nicht nach der Begründung des angefochtenen Urteils, sondern nach den Rechtsbegehren, die vor der letzten kantonalen Instanz noch streitig waren (E. 2).
3. Blosse Erwägungen begründen kein rechtlich geschütztes Interesse an der Berufung und bedeuten auch keine Beschwer (E. 3).
4.
Art. 55 Abs. 1 lit. b,
Art. 57 Abs. 1 OG
. Verbot neuer Begehren. Entscheid über die Berufung vor Erledigung einer kantonalen Nichtigkeitsbeschwerde (E. 4 und E. 5). | Sachverhalt
ab Seite 156
BGE 103 II 155 S. 156
A.-
C. und A. Bartusch, Mieter eines Restaurants mit einem Büro und Wohnräumen, klagten am 5. Juni 1974 gegen die Vermieter C. und G. Baraga auf Erstreckung des Mietverhältnisses, das die Beklagten am 27. Mai 1974 auf 31. Dezember 1974 gekündigt hatten. Am 17. Juli 1974 erstreckte das Mietgericht des Bezirkes Zürich das Verhältnis einstweilen bis zum 31. Dezember 1976.
Am 11. Oktober 1976 verlangten die Kläger eine zweite Erstreckung des Verhältnisses. Das Mietgericht des Bezirkes Zürich wies am 29. Oktober 1976 die Klage mit der Begründung ab, es liege keine gültige Kündigung vor.
Die Beklagten rekurrierten gegen dieses Urteil. Sie beantragten, die Klage mangels hinreichender Erstreckungsgründe abzuweisen, eventuell das Verhältnis um höchstens 18 Monate zu erstrecken. Die Kläger beantragten, den Rekurs abzuweisen.
B.-
Das Obergericht des Kantons Zürich hiess den Rekurs am 2. April 1977 gut und hob das Urteil des Mietgerichts vom 29. Oktober 1976 auf.
BGE 103 II 155 S. 157
Es ging davon aus, die Kläger hätten die Kündigung als gültig angesehen, zum mindesten darauf verzichtet, diese Frage, die das Mietgericht bekanntlich nur vorfrageweise prüfen dürfe, zum Gegenstand des Prozesses zu machen. Es sei ihnen denn auch unbenommen gewesen, zunächst die Frage der Erstreckung abklären zu lassen und erst im Ausweisungsverfahren Ungültigkeit der Kündigung geltend zu machen. Die mit der Ausweisung bzw. Gültigkeit der Kündigung befassten ordentlichen Gerichte seien an die Auffassung des Mietgerichts nicht gebunden. Sollte der Ausweisungsrichter die Kündigung als gültig erachten, so bliebe den Klägern daher nichts übrig, als die Revision des mietgerichtlichen Urteils über die zweite Erstreckung zu verlangen. Um dies zu vermeiden, rechtfertige es sich im vorliegenden Falle, über die Erstreckung unabhängig von der Gültigkeit der Kündigung zu entscheiden. Zu diesem Zwecke sei die Sache an das Mietgericht zurückzuweisen. Ein Rückweisungsentscheid folge aber auch aus anderen Überlegungen, nämlich - was das Obergericht eingehend begründet - weil vorfrageweise die Kündigung von 27. Mai 1974 als gültig und nicht als aufgehoben zu betrachten sei. Das Mietgericht habe somit über die Frage der zweiten Erstreckung zu entscheiden.
C.-
Die Kläger haben die Berufung erklärt. Sie beantragen, unter Aufhebung des obergerichtlichen Entscheides das Urteil des Mietgerichtes vom 29. Oktober 1976 zu bestätigen und die Klage wegen Nichtigkeit der Kündigung abzuweisen, eventuell das Mietverhältnis bis zum 31. Dezember 1979 zu verlängern.
Die Berufungsbegründung macht ausschliesslich geltend, dass und warum die Kläger die Kündigung von 27. Mai 1974 als ungültig erachten.
D.-
Die Kläger haben gegen den angefochtenen Entscheid auch eine kantonale Nichtigkeitsbeschwerde eingelegt.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Die Berufung richtet sich gegen einen Zwischenentscheid. Die Berufungsanträge gehen auf Fällung eines Endentscheides, in erster Linie auf Abweisung der Klage wegen Nichtigkeit der Kündigung, subsidiär auf Erstreckung des Mietverhältnisses. Durch die Gutheissung dieser Begehren
BGE 103 II 155 S. 158
könnte jedoch nicht "ein so bedeutender Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren erspart werden", dass sich gemäss
Art. 50 OG
die Berufung ausnahmsweise rechtfertigen liesse. Die Kläger machen nicht geltend, es sei ein weitläufiges Beweisverfahren nötig, damit das Mietgericht über die erneute Erstreckung des Mietverhältnisses entscheiden könne. Zu vermuten ist das nicht, da das Verhältnis schon einmal erstreckt worden ist und die Kläger dem Bundesgericht mit dem Eventualantrag sogar zutrauen, über das Erstreckungsbegehren sogleich selber urteilen zu können. Auf die Berufung ist daher schon aus diesem Grunde nicht einzutreten.
2.
Die Kläger rekurrierten gegen das Urteil des Mietgerichtes nicht, und sie beantragten dem Obergericht, den Rekurs der Beklagten abzuweisen. Sie fanden sich also mit der Abweisung der Klage ab. Die rekurrierenden Beklagten beantragten dem Obergericht ebenfalls, die Klage abzuweisen. Gestritten wurde in zweiter Instanz nur um die Begründung: Die Kläger wollten die Klage wegen Ungültigkeit der Kündigung abgewiesen wissen, die Beklagten dagegen mangels eines Grundes zur nochmaligen Erstreckung des Mietverhältnisses.
Das Interesse der Parteien an der einen oder anderen Begründung fällt bei der Bestimmung des Streitwertes ausser Betracht. Dieser richtet sich gemäss
Art. 46 OG
nur nach den Rechtsbegehren, die bei der letzten kantonalen Instanz noch streitig waren. Unter den Rechtsbegehren sind die Anträge zu verstehen, die Gegenstand des Urteilsspruches sein sollen und, wenn gutgeheissen, an dessen Rechtskraft teilnehmen würden. Die Begründung gehört auch dann nicht dazu, wenn die Parteien der Meinung sind, sie sei auch im Urteilsspruch anzugeben. Denn blosse Entscheidungsgründe werden, selbst wenn sie im Urteilsspruch erwähnt sind, nicht rechtskräftig (
BGE 102 II 288
,
BGE 99 II 174
mit weiteren Hinweisen). Wäre die Auffassung der Kläger, die Kündigung sei nichtig, vom Obergericht geteilt worden, so wäre sie daher nur Entscheidungsgrund geworden. Das Obergericht sagt das, indem es in Anwendung kantonalen Gerichtsverfassungsrechtes (
§ 18 GVG
) für das Bundesgericht verbindlich ausführt, die Frage nach der Gültigkeit der Kündigung dürfe vom Mietgericht bekanntlich nur vorfrageweise geprüft werden, die ordentlichen Gerichte wären im Prozesse über die Ausweisung der Mieter
BGE 103 II 155 S. 159
bzw. die Gültigkeit der Kündigung an die Auffassung des Mietgerichtes nicht gebunden und die Kläger hätten verzichtet, diese Frage zum Gegenstand des mietgerichtlichen Prozesses zu machen. Da die Parteien vor dem Obergericht übereinstimmend die Abweisung der Klage beantragten und nur um die Begründung stritten, fehlt somit ein Streitinteresse. Der Streitwert im Sinne des
Art. 46 OG
ist null und die Berufung daher auch aus diesem Grunde nicht zulässig.
Es ändert nichts, dass das Obergericht zur Vermeidung eines Revisionsverfahrens und subsidiär auch wegen Gültigkeit der Kündigung das Urteil des Mietgerichtes aufgehoben und die Sache zum Entscheid der Frage, ob das Mietverhältnis zu erstrecken sei, an die erste Instanz zurückgewiesen hat, so dass das Verfahren hierüber weiter geht. Der Streitwert bestimmt sich nicht nach dem Inhalt des angefochtenen Urteils, sondern nach den Rechtsbegehren, die vor der letzten kantonalen Instanz noch streitig waren. Dass das Obergericht über diese Rechtsbegehren hinausgegangen ist, vermag die Sache nicht berufungsfähig zu machen.
3.
Indem die Kläger mit der Berufung beantragen, die Klage wegen Nichtigkeit der Kündigung abzuweisen, versuchen sie den Streit um blosse Motive der von beiden Parteien beantragten Abweisung vor dem Bundesgericht fortzusetzen. Hieran fehlt ihnen ein rechtlich geschütztes Interesse. Da das Mietgericht nach dem kantonalen Gerichtsverfassungsgesetz nicht zuständig ist, über die Frage der Gültigkeit der Kündigung ein der Rechtskraft fähiges Urteil zu fällen, und da die Kläger, wenn sie die Kündigung ursprünglich nicht geradezu selber als gültig betrachtet haben sollten, nach verbindlicher Feststellung des Obergerichts zumindest darauf verzichteten, sie zum Gegenstand des mietgerichtlichen Prozesses zu machen, könnte auch das Bundesgericht nicht mit Rechtskraftwirkung entscheiden, die Kündigung sei ungültig. Es könnte diese Frage nur allenfalls als Vorfrage beurteilen, und die ordentlichen kantonalen Gerichte wären in einem Prozess über die Ausweisung der Kläger an seinen Entscheid nicht gebunden. Das Interesse der Kläger, vom Bundesgericht eine Meinung zu vernehmen, die von den ordentlichen Gerichten vielleicht freiwillig übernommen würde, ist rechtlich nicht geschützt. Die Kläger sind durch den angefochtenen Entscheid nicht beschwert. Die Berufung ist deshalb auch aus
BGE 103 II 155 S. 160
diesem Grunde nicht zulässig (
BGE 94 II 210
E. 3,
BGE 91 II 62
E. 4). Dass die Kläger die Erwägungen des Urteils beanstanden, ändert nichts; blosse Erwägungen bedeuten keine Beschwer (
BGE 86 II 383
).
4.
Sollte der Berufungsantrag den Sinn haben, das Bundesgericht habe über die Ungültigkeit der Kündigung ein der Rechtskraft fähiges Feststellungsurteil zu fällen, so wäre das ein Antrag, der im kantonalen Verfahren nicht gestellt wurde und daher dem Verbot neuer Begehren (
Art. 55 Abs. 1 lit. b OG
) widerspräche. Es könnte darauf nicht eingetreten werden.
5.
Da die Berufung nicht zulässig ist, braucht der Entscheid des kantonalen Kassationsgerichts über die Nichtigkeitsbeschwerde nicht abgewartet zu werden.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Auf die Berufung wird nicht eingetreten. | public_law | nan | de | 1,977 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
c6ff79aa-7c13-4492-b0a5-408966ba40c7 | Urteilskopf
127 III 10
2. Estratto della sentenza del 3 ottobre 2000 della II Corte civile nella causa A. contro B. (ricorso per riforma) | Regeste
Art. 674 und 741 ZGB
; Überbaurecht an im Gebäude des Nachbargrundstücks eingefügten Räumen. Unterhaltslast.
Voraussetzungen, damit ein vollständig auf dem Nachbargrundstück liegender Raum Gegenstand einer Überbaurechtsdienstbarkeit sein kann (E. 2). Die Rechtsbeziehungen zwischen dem Eigentümer des berechtigten Grundstücks einerseits und jenem des belasteten Grundstücks andererseits richten sich nicht nach dem Nachbarrecht, sondern den für die Dienstbarkeiten massgebenden Bestimmungen (E. 3), welche für die Unterhaltslast von Vorrichtungen, die beiden Grundstücken dienen, eine Aufteilung der Kosten nach dem Verhältnis der jeweiligen Interessen vorsehen (E. 4). | Sachverhalt
ab Seite 11
BGE 127 III 10 S. 11
A.-
In seguito a un contratto di divisione ereditaria concluso nel 1975 le sorelle A. e B. sono diventate proprietarie delle particelle n. 647 risp. 615, su cui sorgono due abitazioni contigue. Nell'edificio costruito sulla particella n. 615 sono inseriti al livello del piano terra e della cantina locali facenti parte dell'abitazione di A. Il 21 novembre 1983 A. ha convenuto in giudizio innanzi al Pretore del distretto di Leventina la sorella con un'azione tendente all'accertamento del confine tra i due fondi (domanda n. 1), all'attribuzione di un diritto di sporgenza comprendente, fra l'altro, una cucina (domanda n. 2). Essa ha altresì chiesto che fosse ordinato alla convenuta di adottare provvedimenti atti a ridurre le immissioni foniche, di polvere e sudiciume provenienti dal pavimento dei locali soprastanti a quelli inclusi nel diritto di sporgenza (domanda n. 3). La convenuta ha aderito alle prime due richieste della petizione, sicché il Pretore le ha disgiunte e stralciate dai ruoli e ha commissionato al geometra revisore un piano di mutazione che definisce il confine tra i fondi e il diritto di sporgenza. Con giudizio 9 aprile 1999 il Pretore ha parzialmente accolto la terza domanda della petizione e ha ordinato a B. di adottare d'intesa con la sorella i provvedimenti indicati dal perito giudiziario e ha posto i costi derivanti da tale intervento a carico delle parti in ragione di metà ciascuna.
B.-
Il 3 maggio 2000 la I Camera civile del Tribunale d'appello del Cantone Ticino ha accolto un appello presentato dalla convenuta contro quest'ultima decisione e ha respinto la petizione. I Giudici cantonali hanno ritenuto nullo il diritto di sporgenza, poiché i locali in questione sono materialmente incorporati nell'edificio sito sul fondo serviente. In queste circostanze l'attrice non può vantare legittimi diritti sul fondo della convenuta e non può quindi pretendere che questa intraprenda lavori. Se invece si volesse ritenere valida la servitù, essa comprenderebbe tutte le opere sporgenti e quindi anche la soletta litigiosa, che apparterrebbe all'attrice, quale proprietaria del fondo dominante. Anche in questa eventualità, essa non potrebbe esigere che la convenuta si assuma le spese per il risanamento di opere che non le appartengono.
C.-
Con ricorso per riforma del 7 giugno 2000 A. ha postulato l'annullamento della decisione cantonale e il rinvio della causa al Tribunale di appello per nuovo giudizio. Con risposta 17 agosto 2000 B. ha proposto la totale reiezione del gravame. Il Tribunale federale ha accolto il rimedio, ha annullato la sentenza impugnata e ha rinviato la causa all'autorità cantonale per completamento degli accertamenti di fatto e nuova decisione nel senso dei considerandi.
BGE 127 III 10 S. 12
Erwägungen
Dai considerandi:
2.
a) L'attrice sostiene che la sentenza impugnata, negando la validità della servitù di sporgenza costituita sul fondo di proprietà della vicina, viola l'
art. 674 CC
.
b) Secondo i giudici cantonali un locale può essere oggetto di una servitù di sporgenza ai sensi dell'
art. 674 CC
se appartiene sul piano funzionale al fondo dominante ed è separato strutturalmente dal fondo serviente. In concreto, i locali oggetto della servitù di sporgenza appartengono funzionalmente alla casa dell'attrice, ma si trovano materialmente incorporati nell'edificio della convenuta. In queste circostanze la servitù è illecita e l'attrice non può pretendere che la convenuta intraprenda lavori alla soletta litigiosa.
c) L'
art. 674 cpv. 1 e 2 CC
autorizza la costituzione di servitù fondiarie di sporgenza nei casi in cui le costruzioni e le altre opere sporgenti da un fondo sopra un altro rimangono parte costitutiva del fondo da cui sporgono.
aa) È pacifico che le servitù previste all'
art. 674 cpv. 2 CC
possono pure riguardare vani di una costruzione - quali una cantina o locali d'abitazione - che invadono un fondo vicino (
DTF 105 Ib 187
consid. 5a;
DTF 78 II 131
consid. 3).
bb) Più controversa si avvera la questione nel caso di locali interamente situati sul fondo vicino. LIVER (Zulässigkeit der Erstellung eines Gebäudes unter teilweiser Einbeziehung des Nachbargrundstückes aufgrund einer Dienstbarkeit, ZBGR 54/1973 pag. 193 segg., 203) ritiene che fra i vani che sono oggetto della servitù e il fondo dominante debba sussistere un collegamento edile che permette di considerarli come un'unità di locali commerciali o abitativi. Secondo FRIEDRICH (Baurechts-, Unterbaurechts- und Überbaurechts-Dienstbarkeiten, in: Rechtliche Probleme des Bauens, Berner Tage für die juristische Praxis 1968, pag. 135 segg., 155), locali interamente situati sul fondo vicino possono essere parte del fondo dominante e quindi essere oggetto di un diritto di sporgenza se vi è una stretta relazione con quest'ultimo; la possibilità di un uso regolare e diretto dal fondo dominante del vano interamente edificato sul fondo serviente dovrebbe essere sufficiente. WIELAND (Commento zurighese, 1909, n. 3b all'
art. 674 CC
) ritiene che un collegamento fisico non è necessario se i locali oggetto del diritto di sporgenza formano un'unità economica con la costruzione edificata sul fondo dominante. Diversi altri autori sostengono invece che un'unità economica non basta ed esigono una coerenza corporea tra i locali del diritto di
BGE 127 III 10 S. 13
sporgenza e l'opera edificata sul fondo dominante: a tal fine non basta che i vani interamente siti sul fondo vicino siano unicamente collegati all'edificio principale con delle condotte di alimentazione (MEIER-HAYOZ, Commento bernese, 1964, n. 12 all'
art. 674 CC
; LEEMANN, Commento bernese, 1911, n. 7 all'
art. 674 CC
; HITZIG, Das Baurecht [droit de superficie] im Vorentwurf eines schweizerischen Civilgesetzbuchs, ZSR 22/1903 pag. 1 segg., 15-16). MEIER-HAYOZ (op. cit., n. 13 all'
art. 674 CC
) osserva tuttavia che una cantina, situata completamente oltre il confine della particella dell'avente diritto e unicamente accessibile da questo fondo, costituisce un caso di sporgenza (nel medesimo senso FRIEDRICH, op. cit., pag. 165; BÜRGISSER, Das Überbaurecht des ZGB und des BGB, tesi Zurigo 1978, pag. 110 e 112; LIVER, Commento zurighese, n. 13 all'art. 730; sentenza del Tribunale di appello solettese pubblicata in SJZ 44/1948 pag. 43 n. 5; cfr. anche la sentenza del Tribunale d'appello argoviese pubblicata in ZBGR 8/1927 pag. 206 seg. n. 77 riguardante una cucina). Infine SCHMID (Ausgewählte Fragen zum Baurecht, Unterbaurecht und zum Überbaurecht, ZBGR 79/1998 pag. 289 segg., 304) afferma che contrariamente a un diritto di superficie, che presuppone l'esistenza di un edificio indipendente, l'oggetto di un diritto di sporgenza si trova in un rapporto di dipendenza da un profilo edile, economico e funzionale nei confronti dell'immobile costruito sul fondo dominante (cfr. anche REY, Commento basilese, n. 5 all'
art. 674 CC
).
cc) Da quanto precede risulta che un locale interamente situato sul fondo vicino può sicuramente far oggetto di una servitù di sporgenza alle seguenti condizioni: il locale in questione si trova in un edificio che è collegato all'opera principale sita sul fondo dominante da un muro divisorio o da due muri esterni contigui; esso è direttamente accessibile dall'edificio principale da un'apertura creata attraverso il muro o i muri e forma con questo un'unità da un punto di vista funzionale (ad esempio quale camera, cucina o cantina integrati funzionalmente in un'abitazione sita sul fondo dominante). Non è invece possibile esigere, come fatto dall'autorità cantonale, che il locale oggetto della servitù sia integrato nella struttura - delimitata in linea di principio dai muri esterni - della costruzione eretta sul fondo dominante ed escludere così un diritto di sporgenza quando il locale in questione è inserito nella struttura dell'immobile sito sul fondo serviente. Ne segue che in concreto la servitù di sporgenza - che adempie i citati requisiti - costituita a favore della proprietà dell'attrice è valida.
BGE 127 III 10 S. 14
3.
a) Secondo l'attrice, pure la seconda motivazione addotta nella sentenza cantonale per respingere l'azione è errata. I giudici cantonali hanno a torto negato che la soletta non sia in comproprietà fra le parti e che quindi non possono essere applicate le norme sui rapporti di vicinato.
b) La sentenza impugnata rileva che anche qualora si reputasse valida la servitù di sporgenza, la petizione dovrebbe nondimeno essere respinta. Infatti, in quest'ultima ipotesi la servitù comprenderebbe tutte le opere sporgenti sul fondo della convenuta e quindi anche la soletta, che apparterebbe all'attrice, la quale non potrebbe esigere dalla convenuta l'assunzione delle spese per il rifacimento dei propri manufatti. La proprietà esclusiva del soffitto non è nemmeno ostacolata dall'
art. 670 CC
, poiché tale norma, che istituisce una presunzione di comproprietà delle opere divisorie, si applica unicamente alle separazioni verticali e non anche a quelle, come quella litigiosa, orizzontali.
c) Ora, in concreto, contrariamente a quanto indicato nell'atto ricorsuale e nella sentenza impugnata, i rapporti dell'attrice, quale proprietaria di un fondo al beneficio di un diritto di sporgenza, e la convenuta, proprietaria del fondo gravato, non dipendono dalle disposizioni del diritto di vicinato, ma dalle norme relative alle servitù (
DTF 88 II 331
consid. 4; MEIER-HAYOZ, op. cit., n. 83 all'
art. 679 CC
, LIVER, op. cit., n. 119 all'
art. 737 CC
) che verranno esaminate nel seguente considerando.
4.
a) Giusta l'
art. 741 CC
la manutenzione delle opere necessarie all'esercizio della servitù incombe al proprietario del fondo dominante (cpv. 1); se le opere servono anche agli interessi del fondo serviente, la manutenzione è fatta in comune, in proporzione dei rispettivi vantaggi (cpv. 2). Sono opere ai sensi della citata norma segnatamente le strutture (muri portanti, paratie separatrici, ecc.) necessarie all'esercizio della servitù di sporgenza sul fondo vicino (LIVER, op. cit., n. 19 all'
art. 741 CC
). Dal momento in cui esse sono utilizzate dal proprietario del fondo beneficiario della servitù nell'esercizio della stessa, si applica quanto disposto dall'
art. 741 CC
, indipendentemente dalla questione della loro proprietà (LIVER, op. cit., n. 22 all'
art. 741 CC
; cfr. anche PETITPIERRE, Commento basilese, n. 7 all'
art. 741 CC
).
b) In concreto la soletta litigiosa costituisce un'opera necessaria all'esercizio della servitù di cui gode l'attrice, di modo che i costi della sua manutenzione - e della sola manutenzione (LIVER, op. cit., n. 28 all'
art. 741 CC
) - si determinano in base all'
art. 741 CC
.
BGE 127 III 10 S. 15
aa) Per quanto concerne i rumori di cui si duole l'-attrice, occorre rilevare che il soffitto in questione non pare aver subito alcuna modifica dalla costituzione della servitù, cosicché l'eliminazione della lamentata molestia non pare rientrare nella manutenzione. Nella misura in cui tali immissioni sono inerenti al tipo di pavimento - travi di legno che sorreggono delle assi, e non un pavimento moderno in cemento armato - l'attrice non può esigere che la convenuta intraprenda a sue spese gli interventi necessari a sopprimere gli asseriti inconvenienti.
bb) Con riferimento alla caduta di polvere dal soffitto litigioso nella cucina dell'attrice, apparentemente dovuta all'usura della struttura del pavimento, la sentenza impugnata non contiene alcun accertamento di fatto concernente i lavori necessari per eliminare tali immissioni. Occorre pertanto rinviare la causa all'autorità cantonale per completamento degli accertamenti di fatto e nuova decisione (
art. 64 cpv. 1 OG
). Se dovesse risultare che la caduta di polvere può essere eliminata con interventi che permettono di conservare il soffitto di legno esistente, tali lavori incombono alla sola attrice, essendone l'unica beneficiaria. Se invece dovesse risultare indispensabile sostituire il pavimento in questione con un nuovo pavimento moderno - e che questa operazione risulti possibile - occorrerà accertare in che misura questi lavori comprendano una parte di manutenzione, che dovrà essere ripartita fra le parti in virtù dell'
art. 741 cpv. 2 CC
; i costi della parte eccedente la manutenzione dovranno invece essere sopportati dall'attrice, venendo tali lavori intrapresi nel suo interesse (LIVER, op. cit., n. 30 all'
art. 741 CC
). | null | nan | it | 2,000 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
c703aeba-f71d-4d7d-95e9-b3d7a735f0c6 | Urteilskopf
122 I 139
23. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 3. Mai 1996 i.S. X. gegen Kanton Appenzell A.Rh. und Regierungsrat des Kantons Appenzell A.Rh. (staatsrechtliche Beschwerde) | Regeste
Art. 4 BV
; Art. 2 ÜbBest. BV; Eröffnung von Veranlagungsverfügungen gegenüber Ehegatten; Solidarhaftung der Ehegatten für die Gesamtsteuer.
Mit der Zustellung an die gemeinsame Adresse der Ehegatten ist die Veranlagungsverfügung gegenüber beiden Ehegatten eröffnet (E. 1). Kein verfassungsmässiger Anspruch der in ungetrennter Ehe lebenden Ehegatten auf individuelle Eröffnung der Veranlagung (E. 2).
Die solidarische Haftung der in ungetrennter Ehe lebenden Ehegatten für die Gesamtsteuer gemäss Art. 5 Abs. 4 des Steuergesetzes des Kantons Appenzell A.Rh. verstösst nicht gegen die derogatorische Kraft des Bundesrechts (E. 4). | Sachverhalt
ab Seite 140
BGE 122 I 139 S. 140
Art. 5 in der bis Ende 1986 geltenden Fassung des Gesetzes über die direkten Steuern des Kantons Appenzell A.Rh. vom 27. April 1958 (StG) bestimmt:
Art. 5 (a.F.)
1 Die Ehefrau, die in ungetrennter Ehe lebt, und die unmündigen Kinder
(unter Vorbehalt von Art. 6) werden nicht selbständig besteuert.
2 Das Vermögen und die Einkünfte der Ehefrau werden grundsätzlich unter
jedem Güterstande dem Ehemann, das Vermögen und Einkommen der Kinder dem
steuerpflichtigen Elternteile zugerechnet.
3 Die Einkünfte und das Vermögen bilden für die Steuerberechnung eine
Einheit. Ist ein Abzug begrenzt, so darf der Gesamtabzug den Höchstbetrag
nicht überschreiten.
4 Die Ehefrau und die Kinder haften mit dem Steuerpflichtigen solidarisch
für jene Steuerbeträge, die auf ihren Anteil am gesamten Einkommen und
Vermögen entfallen.
Mit Gesetz vom 27. April 1986 wurde diese Bestimmung mit Wirkung ab 1. Januar 1987 wie folgt geändert:
Art. 5 (n.F.)
1 Die in ungetrennter Ehe lebenden Ehegatten sind gemeinsam
steuerpflichtig. Handlungen eines Ehegatten sowie Handlungen der
Steuerbehörde gegenüber einem Ehegatten binden auch den andern Ehegatten.
2 Einkommen und Vermögen der in ungetrennter Ehe lebenden Ehegatten
werden zusammengerechnet.
3 ... (betreffend Kinder)
4 Die in ungetrennter Ehe lebenden Ehegatten haften solidarisch für die
Gesamtsteuer, Kinder für jene Steuerbeträge, die auf ihren Anteil am
gesamten Einkommen und Vermögen entfallen.
Am 27. Oktober 1986 wurde die Verordnung vom 27. November 1958 zum Steuergesetz auf den 1. Januar 1987 teilweise geändert. Art. 2 dieser Verordnung hält fest:
Art. 2
1 Von den Steuerbehörden werden grundsätzlich beide Ehegatten gemeinsam
aufgefordert, die Verfahrenspflichten wahrzunehmen.
2 Tritt in einem Verfahren gegenüber den Steuerbehörden nur ein Ehegatte
auf, gilt der andere Ehegatte als durch diesen vertreten.
BGE 122 I 139 S. 141
3 Der auftretende Ehegatte nimmt die Mitwirkungspflicht für den
Vertretenen wahr wie für seine eigenen Angelegenheiten.
4 Die gemeinsamen Rechte und Pflichten beziehen sich ausschliesslich auf
die Besteuerung von Einkommen und Vermögen gemäss
Art. 5 Abs. 2 StG
.
Am 14. Februar 1989 stellte das Gemeindesteueramt den Eheleuten X. zwei auf deren Namen lautende Veranlagungsverfügungen für die Steuerperioden 1985/86 und 1987/88 an die gemeinsame Adresse des Ehepaares zu.
Seit 1. März 1989 leben die Ehegatten X. getrennt, und am 16. März 1989 wurde über den Ehemann der Konkurs eröffnet. Am 25. April 1989 gab das Gemeindesteueramt im Konkurs des Ehemannes für noch ausstehende Steuern 1985 bis 1988 eine Forderung im Betrag von Fr. 17'043.90 ein. Gleichzeitig wurde die Ehefrau mit Hinweis auf die Solidarhaftung zur Bezahlung der noch ausstehenden Steuern 1985-1988 aufgefordert. Die Ehefrau teilte den Steuerbehörden darauf mit, dass sie seit 1985 unter dem Güterstand der Gütertrennung lebe und folglich nur für ihre eigenen Verbindlichkeiten hafte; sie lehne es ab, für die Steuerschulden des Ehemannes aufzukommen.
Die kantonale Steuerverwaltung informierte in der Folge die Ehefrau dahingehend, dass die solidarische Haftung der Ehegatten für Steuerschulden (
Art. 5 Abs. 4 StG
n.F.) ungeachtet des jeweiligen Güterstandes gelte. Allerdings komme für die Steuerjahre 1985 und 1986 noch die alte gesetzliche Regelung zur Anwendung, weshalb sie für diese Periode nur für jene Steuerbeträge solidarisch hafte, die auf ihren Anteil am gesamten Einkommen und Vermögen entfielen (
Art. 5 Abs. 4 StG
a.F.). Das Gemeindesteueramt habe dies übersehen, weshalb die Steuerrechnung zu korrigieren sei.
Am 8. Juni 1989 stellte das Gemeindesteueramt der Ehefrau berichtigte Steuerrechnungen zu. Mit Einsprache gegen die Steuerrechnungen verlangte die Ehefrau die Überprüfung der Veranlagungsverfügungen vom 14. Februar 1989. Ausserdem beantragt sie, es sei ihr in der Steuerperiode 1987/88 nur derjenige Steuerbetrag zu belasten, der auf ihr Einkommen entfalle. Die kantonale Steuerverwaltung wies die Einsprache ab. Mit Entscheid vom 10. Mai 1990 bestätigte die Steuerrekurskommission von Appenzell A.Rh. den Einspracheentscheid und wies den Rekurs der Ehefrau ab.
Die Ehefrau erhob Kassationsbeschwerde beim Regierungsrat des Kantons Appenzell A.Rh. Sie machte geltend, die Zustellung der
BGE 122 I 139 S. 142
Veranlagungsverfügungen an die Ehegatten gemeinsam verletze ihren Anspruch auf individuelle Eröffnung von Verfügungen. Die Veranlagungen für die Steuerjahre 1985 bis 1988 seien ihr erst mit den Steuerrechnungen rechtsgenügend eröffnet worden.
Art. 5 Abs. 1 Satz 2 StG
n.F., wonach "Handlungen eines Ehegatten (...) auch den andern Ehegatten" binden, sei verfassungswidrig. Überdies hielt die Beschwerdeführerin an ihrer Auffassung fest, dass sie für die Steuern ihres Mannes nicht belangt werden könne, und bestritt die Verfassungsmässigkeit der solidarischen Haftung der Ehegatten für die Gesamtsteuer (
Art. 5 Abs. 4 StG
n.F.).
Mit Entscheid vom 1. Februar 1994 wies der Regierungsrat die Beschwerde ab. Die Ehefrau führt, gestützt auf
Art. 4 Abs. 1 BV
und Art. 2 ÜbBest. BV, staatsrechtliche Beschwerde. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
Die Beschwerdeführerin macht geltend, der bundesrechtliche Anspruch auf rechtliches Gehör verlange, dass eine Verfügung jedem Ehegatten individuell eröffnet werde. Sie habe von den Veranlagungsverfügungen vom 14. Februar 1989 keine Kenntnis erlangt und folglich nicht die Möglichkeit gehabt, Einsprache zu erheben. Indem der Regierungsrat von der Fiktion der Zustellung der Veranlagungsverfügungen an die Beschwerdeführerin ausgegangen sei und ihre Eingabe gegen die Steuerrechnungen nicht als Einsprache gegen die Veranlagungsverfügungen gelten lasse, habe er ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verweigert. Letztlich verfalle der Regierungsrat in Willkür, wenn er annehme, dass ein Ehegatte, auch wenn dieser die ihn betreffende Verfügung nicht erhalten habe, seine Rechte im Veranlagungsverfahren habe wahrnehmen können.
Es ist unbestritten, dass das Gemeindesteueramt am 14. Februar 1989 zwei auf den Namen der Beschwerdeführerin und ihres Ehemannes lautende Veranlagungsverfügungen durch gewöhnlichen Brief an die damals noch gemeinsame Adresse des Ehepaares zugestellt hat. Ob die Aushändigung der Sendung an einen Ehegatten eine gültige Zustellung auch gegenüber dem andern Ehegatten bewirkt, bestimmt sich nach der Verordnung (1) vom 1. September 1967 zum Postverkehrsgesetz (PVV 1; SR 783.01). Danach ist zum Bezug von Postsendungen in der Regel berechtigt, wer in der Adresse als Empfänger bezeichnet oder von diesem bevollmächtigt ist; berechtigt zum
BGE 122 I 139 S. 143
Bezug uneingeschriebener Postsendungen sind auch Familienangehörige, wenn der Empfänger der Bestimmungspoststelle keine gegenteilige Weisung erteilt hat (
Art. 146 Abs. 1 und 2 PVV 1
, Fassung vom 11. Februar 1987). Uneingeschriebene Briefpostsendungen können zudem in den Briefkasten des Empfängers gelegt werden (
Art. 156a Abs. 1 PVV 1
, Fassung vom 11. Februar 1987). Dass die Beschwerdeführerin der Poststelle anderslautende Weisungen über die Empfangsberechtigung zukommen liess, wird nicht behauptet. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts ist für die Zustellung einer Sendung auch nicht erforderlich, dass der Adressat sie tatsächlich in Empfang nimmt; es genügt, wenn sie in seinen Machtbereich gelangt und er demzufolge von ihr Kenntnis nehmen kann (
BGE 115 Ia 12
S. 17 mit Hinweisen). Der Einwurf der Briefpostsendung in den Briefkasten, wo sowohl die Beschwerdeführerin wie auch ihr Ehemann sie entgegennehmen konnten, oder die Aushändigung an einen Ehegatten stellt daher eine gültige Zustellung gegenüber beiden Ehegatten dar. Dies hat der Regierungsrat im angefochtenen Entscheid zutreffend erwogen. Der interne Informationsaustausch ist dagegen Sache der Eheleute. Unerheblich ist somit, ob der Ehegatte, der den Briefkasten geleert oder die Postsendung in Empfang genommen hat, seinem Partner vom Inhalt der Sendung Kenntnis gegeben hat. Es ist Sache der Ehegatten, ihre Beziehungen untereinander in dieser Hinsicht so zu regeln, dass die an sie gemeinsam adressierte Post auch tatsächlich beiden Ehegatten zur Kenntnis gelangt.
Verfehlt ist der Einwand der Beschwerdeführerin, dass es sich um eine fiktive Zustellung handle. Wohl nimmt die Rechtsprechung unter bestimmten Voraussetzungen eine solche Zustellung an. Diese Praxis bezieht sich aber auf den Fall, wo eine Verfügung nicht zugestellt werden kann, obschon ein Prozessrechtsverhältnis besteht und der Adressat mit der Zustellung einer Verfügung rechnen muss (vgl.
BGE 116 Ia 90
E. 2c für Gerichtsurkunden). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt; weder bestand für die Beschwerdeführerin in diesem Sinne eine Empfangspflicht, noch konnte ihr die Verfügung nicht zugestellt werden. Die Verfügungen gelangten mit dem Einwurf in den Briefkasten oder der Aushändigung an einen Ehegatten auch in den Machtbereich des anderen Ehegatten, weshalb sie als der Beschwerdeführerin zugestellt zu gelten haben. Die nämliche Wirkung für die Beschwerdeführerin hätte auch die Entgegennahme der Sendung durch eine Hausangestellte oder eine andere bezugsberechtigte Person (vgl.
Art. 146
BGE 122 I 139 S. 144
Abs. 2 PVV 1
) gehabt. Die Annahme des Regierungsrates, die Veranlagungsverfügungen seien der Beschwerdeführerin tatsächlich (und nicht bloss fiktiv) zugestellt worden, trifft daher zu.
2.
Fragen kann sich nur, ob die Veranlagungsverfügungen den Ehegatten je mit separater Post - individuell - hätten eröffnet werden müssen, wie die Beschwerdeführerin behauptet. Diese Frage beurteilt sich nach dem kantonalen Recht, das in dieser Hinsicht den verfassungsmässigen Garantien genügen muss. Nach
Art. 5 StG
n.F. sind die in ungetrennter Ehe lebenden Ehegatten gemeinsam steuerpflichtig (Abs. 1); ihre Steuerfaktoren werden zusammengerechnet (Abs. 2). Art. 2 Abs. 1 der Verordnung vom 27. November 1958/27. Oktober 1986 zum kantonalen Steuergesetz bestimmt zudem, dass von den Steuerbehörden grundsätzlich beide Ehegatten gemeinsam aufgefordert werden müssen, die Verfahrenspflichten wahrzunehmen. Sind aber nach dem kantonalen Steuerrecht beide Ehegatten am Verfahren beteiligt, so ist nicht zu beanstanden, wenn die Veranlagungsverfügungen an die Ehegatten gemeinsam zugestellt werden. Diese Lösung berücksichtigt die Interessen der Ehegatten ausreichend und entspricht der Regelung, wie sie auch das Bundesgesetz vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer getroffen hat (vgl.
Art. 113 Abs. 4 DBG
; SR 642.11). Das Schrifttum beurteilt sie ebenfalls als sachgerecht (BRIGITTE BEHNISCH, Die Stellung der Ehegatten im Veranlagungs-, Rechtsmittel-, Bezugs- und Steuerstrafverfahren, Bern 1992, S. 126 f., 127 f.; ROLF HARTL, Die verfahrensrechtliche Stellung der gemeinsam steuerpflichtigen Ehegatten und ihre Haftung, Diss. Zürich 1989, S. 92; MARTIN ZWEIFEL, Die verfahrensrechtliche Stellung der Ehegatten in der Steuerveranlagung, ZBl 89/1988 S. 349; s. auch Urteil der Steuerrekurskommission IV des Kantons Zürich vom 8. Februar 1989, StE 1989, B 93.6 Nr. 8).
Darin, dass die Veranlagungsverfügungen den Ehegatten nicht je individuell eröffnet worden sind, kann somit keine Verletzung des
Art. 4 Abs. 1 BV
erblickt werden. Ebenso bedeutet es keine Rechtsverweigerung, wenn die Steuerbehörden die gegen die Steuerrechnungen erhobene Einsprache der Beschwerdeführerin nicht als Einsprache gegen die Veranlagungsverfügungen entgegengenommen haben, nachdem die Veranlagungsverfügungen beiden Ehegatten ordnungsgemäss eröffnet wurden und sie dagegen Einsprache erheben konnten.
4.
Gemäss
Art. 5 Abs. 4 StG
in der ab dem Steuerjahr 1987 gültigen Fassung haften die in ungetrennter Ehe lebenden Ehegatten solidarisch für die
BGE 122 I 139 S. 145
Gesamtsteuer, unbekümmert darum, auf wessen Faktoren diese letztlich zurückzuführen ist. Die Steuerbehörden und der Regierungsrat haben gestützt auf diese Bestimmung eine Haftung der Beschwerdeführerin für die noch offenen Steuern der Jahre 1987/88 bejaht. Die Beschwerdeführerin wendet ein, die unbeschränkte Solidarhaftung für die Gesamtsteuer vereitle die Verwirklichung von Bundeszivilrecht und verstosse gegen dessen Sinn und Geist, namentlich der
Art. 166, 202 und 249 ZGB
. Der Grundsatz der derogatorischen Kraft des Bundesrechts sei verletzt.
a) Nach dem in Art. 2 ÜbBest. BV enthaltenen Grundsatz der derogatorischen Kraft des Bundesrechts dürfen die Kantone kein Recht erlassen, das im Widerspruch zum Bundesrecht steht. In Sachgebieten, welche die Bundesgesetzgebung abschliessend geregelt hat, sind sie zur Rechtsetzung nicht befugt (
BGE 120 Ia 286
S. 290 E. 2c/aa, 299 S. 303 E. 2c/aa, je mit Hinweisen).
Gemäss
Art. 64 BV
steht die Gesetzgebung auf dem ganzen Gebiet des Zivilrechts dem Bund zu. Die Kantone dürfen zivilrechtliche Bestimmungen nur soweit erlassen, als das Bundesrecht ausdrücklich oder dem Sinne nach die Geltung kantonalen Rechts vorbehält. Hingegen werden die öffentlichrechtlichen Befugnisse der Kantone durch das Bundeszivilrecht nicht beschränkt (
Art. 6 ZGB
). Die Kantone können in einem durch das Bundeszivilrecht geregelten Bereich öffentlichrechtliche Vorschriften erlassen, sofern die bundesrechtliche Ordnung keine abschliessende ist. Die kantonalen Bestimmungen müssen aber einem öffentlichen Interesse entsprechen und dürfen weder das Bundeszivilrecht vereiteln oder übermässig erschweren noch dessen Sinn und Geist zuwiderlaufen (vgl. die zitierten Urteile).
Das Steuerrecht der Kantone ist Ausfluss der diesen durch
Art. 3 BV
eingeräumten staatlichen Selbständigkeit. Die Kantone sind daher befugt, im Rahmen der Verfassung ihre Steuern nach eigenem Gutdünken zu ordnen (BLUMENSTEIN/LOCHER, System des Steuerrechts, 5. Aufl. 1995, S. 15). Sie sind bei der Ausgestaltung ihres Steuerrechts aber an die von der Verfassung gezogenen Schranken gebunden. Ein Kanton überschreitet daher die ihm nach
Art. 6 ZGB
zustehenden öffentlichrechtlichen Befugnisse, wenn er Steuervorschriften erlässt, welche die Anwendung des Bundeszivilrechts verunmöglichen oder übermässig erschweren oder auch nur dem Sinn und Geist des Bundeszivilrechts zuwiderlaufen (
BGE 118 Ib 60
S. 64; Urteil vom 23. April 1993, ASA 62 S. 574). Ob die beanstandeten kantonalen Normen in
BGE 122 I 139 S. 146
diesem Sinne mit dem Bundesrecht vereinbar sind, prüft das Bundesgericht auf Rüge hin frei (
BGE 122 I 18
E. 2b/aa;
BGE 120 Ia 299
S. 302 E. 2b).
b) Zur Begründung ihrer Rüge, wonach die uneingeschränkte Solidarhaftung beider Ehegatten für die Gesamtsteuer gemäss
Art. 5 Abs. 4 StG
n.F. gegen den Grundsatz der derogatorischen Kraft des Bundesrechts verstosse, bringt die Beschwerdeführerin zunächst vor, dass die Ehegatten nach dem neuen Eherecht nur für Schulden aus Rechtsgeschäften über die laufenden Bedürfnisse der Familie solidarisch haften; Steuerschulden fielen nicht darunter. Der Einwand läuft sinngemäss auf die Behauptung hinaus, die Regelung der Haftung der Ehegatten im neuen Eherecht sei abschliessend und müsse auch vom kantonalen Steuergesetzgeber beachtet werden.
Diese Rüge dringt nicht durch. Der Bundesgesetzgeber hat hinsichtlich der direkten Bundessteuer in
Art. 13 DBG
selbst eine von der Regelung der Haftung im Zivilrecht abweichende, eigenständige Bestimmung für die Haftung der Ehegatten für Steuerschulden eingeführt. Die Absätze 1 und 2 dieser Vorschrift lauten:
1 Ehegatten, die in rechtlich und tatsächlich ungetrennter Ehe leben,
haften solidarisch für die Gesamtsteuer. Jeder Gatte haftet jedoch nur für
seinen Anteil an der Gesamtsteuer, wenn einer von beiden zahlungsunfähig
ist. Ferner haften sie solidarisch für denjenigen Teil an der Gesamtsteuer,
der auf das Kindereinkommen entfällt.
2 Bei rechtlich und tatsächlich getrennter Ehe entfällt die
Solidarhaftung auch für alle noch offenen Steuerschulden.
3-4 (...)
Der Bundesgesetzgeber hat damit zum Ausdruck gebracht, dass die vom Bundeszivilgesetzgeber vorgesehene, grundsätzlich individuelle Haftung der Ehegatten den Steuergesetzgeber nicht bindet. Eine dem
Art. 13 DBG
analoge Bestimmung enthält das Bundesgesetz vom 14. Dezember 1990 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (StHG; SR 642.14) nicht und überlässt damit die Regelung der Haftung für die Steuern der Ehegatten den Kantonen. Wenn daher der kantonale Steuergesetzgeber eine eigenständige Haftungsnorm einführt, kann ihm nicht vorgeworfen werden, er habe in einem Bereich legiferiert, der vom Bundeszivilrecht abschliessend geordnet worden sei.
c) Nach Ansicht der Beschwerdeführerin verletzt die unbeschränkte Solidarhaftung der Ehegatten für Steuerschulden auch zivilrechtliche Ordnungsstrukturen, wie sie dem neuen Eherecht aufgrund des gesetzgeberischen Leitbilds von der Ehe zugrundeliegen. Die Beschwerdeführerin bringt damit zum Ausdruck, dass nach ihrer Meinung die
BGE 122 I 139 S. 147
beanstandete kantonale Regelung Bundeszivilrecht vereitelt oder zumindest dessen Sinn und Geist zuwiderläuft.
aa) Am 1. Januar 1988 ist das neue Eherecht in Kraft getreten. Ziel der Reform war die gesetzliche Gleichstellung der Ehegatten. Im neuen Eherecht hat der Bundesgesetzgeber das traditionelle Rollenverständnis, das dem Ehemann die Rolle des Familienernährers und der Ehefrau die Rolle der Hausfrau gesetzlich (vgl. THOMAS KOLLER, Privatrecht und Steuerrecht, Bern 1993, S. 412;
BGE 114 II 26
E. 5b) zuwies, aufgegeben und dem neuen Recht ein freiheitlich-partnerschaftliches Leitbild von der Ehe vorangestellt. Der Ehemann ist nicht mehr das "Haupt der Familie" (vgl. Art. 160 Abs. 1 aZGB). Die Vertretungsbefugnis des Ehemannes (Art. 162 Abs. 1 aZGB) und seine güterrechtliche Vorherrschaft sind aufgehoben. Beide Ehegatten sind in gleicher Weise für das Gelingen der ehelichen Gemeinschaft verantwortlich (
Art. 159 Abs. 2 ZGB
), und es trifft sie die gleiche Pflicht zur Rücksichtnahme auf die eheliche Gemeinschaft. Sie bestimmen die eheliche Wohnung gemeinsam (
Art. 162 ZGB
) und sorgen miteinander für den Unterhalt der Familie (
Art. 163 ZGB
). Nach
Art. 166 ZGB
vertritt jeder Ehegatte während des Zusammenlebens die eheliche Gemeinschaft für die laufenden Bedürfnisse der Familie (Abs. 1). Für die übrigen Bedürfnisse der Familie kann ein Ehegatte die eheliche Gemeinschaft vertreten, wenn er vom anderen Ehegatten oder vom Richter dazu ermächtigt worden ist oder wenn die Interessen der Gemeinschaft keinen Aufschub dulden (Abs. 2).
bb) Der Bundesgesetzgeber hat zwar den Gedanken der Gleichberechtigung der Ehegatten im neuen Eherecht voll verwirklicht, doch bleiben die Ehegatten weiterhin nicht nur zu einer rechtlich-sittlichen, sondern auch zu einer wirtschaftlichen Gemeinschaft verbunden. Durch die gegenseitige Beitragspflicht (
Art. 163 ZGB
) und die Anwartschaft auf die Hälfte des gegenseitigen Vorschlages (
Art. 215 ZGB
) bindet das neue Eherecht die ehelichen Mittel sogar stärker ein als früher (PETER BÖCKLI, Eintracht und Hader mit Steuerfolgen, StR 46/1991 S. 229). Obwohl die Errungenschaftsbeteiligung als neuer ordentlicher Güterstand innerhalb der ehelichen Gemeinschaft klarere Nutzungs- und Vermögensverhältnisse geschaffen und besonders den Grundsatz der bloss individuellen Haftung verwirklicht hat (vgl.
Art. 166, 202 ZGB
), bilden die Ehegatten weiterhin eine Erwerbs- und Verbrauchergemeinschaft (Botschaft des Bundesrates zu den Bundesgesetzen über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und
BGE 122 I 139 S. 148
Gemeinden sowie über die direkte Bundessteuer, vom 25. Mai 1983, BBl 1983 III S. 25, 26; s. auch KLAUS TIPKE, Die Steuerrechtsordnung, Band I, Köln 1993, S. 389 f. mit Hinweis auf die schweizerische Doktrin).
Daran darf auch das Steuerrecht anknüpfen. Auch wenn der Bundesgesetzgeber in den harmonisierten Steuergesetzen den Gedanken der Gleichberechtigung und Partnerschaft der Ehegatten voll verwirklicht hat, behandelt er die Ehegatten nicht als voneinander völlig unabhängige Steuersubjekte. So hat er sich gegen die Individualbesteuerung der Ehegatten und für die Beibehaltung des Instituts der Familienbesteuerung, d.h. für die Zusammenrechnung der Steuerfaktoren, entschieden, was auch in der Doktrin als zulässig erachtet wird (vgl. etwa BÖCKLI, a.a.O.). Er hat ferner in
Art. 13 DBG
eine spezifische Haftungsnorm eingeführt, welche die Solidarhaftung beider Ehegatten für die Gesamtsteuer begründet. Zum Bundesrecht im Sinne von Art. 2 ÜbBest. BV gehört indessen nicht nur das Eherecht, sondern auch das Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer. Wenn somit der kantonale Gesetzgeber eine dem
Art. 13 DBG
entsprechende Lösung wählt, kann nicht gesagt werden, er verstosse gegen den Grundsatz der derogatorischen Kraft des Bundesrechts (Art. 2 ÜbBest. BV).
cc) Die früheren Einkommenssteuerrechte der Schweiz beruhten gewöhnlich auf der Steuersubstitution der Ehefrau durch den Ehemann. Danach gingen sämtliche aus dem Steuerrechtsverhältnis entspringenden Verpflichtungen und Befugnisse von Gesetzes wegen auf den Substituten (Ehemann) über, der damit auch sämtliche Verfahrenspflichten wahrzunehmen hatte und in die Steuerschuld, d.h. in die Zahlungspflicht für die Gesamtsteuer, eintrat. Mit der verfassungsmässig verankerten Gleichberechtigung von Mann und Frau ist die Steuersubstitution eines Ehegatten durch den andern jedoch nicht mehr zu vereinbaren. Die meisten Kantone haben denn auch die Steuersubstitution der Ehegatten inzwischen abgeschafft oder zumindest erheblich abgeschwächt (ausführlich BRIGITTE BEHNISCH a.a.O., S. 55-81) und zumeist eine dem
Art. 13 Abs. 1 DBG
nachgebildete Haftungsregelung eingeführt. Das trifft auch für die Regelung des Kantons Appenzell A.Rh. zu.
Art. 5 Abs. 4 StG
n.F. bestimmt, dass die "in ungetrennter Ehe lebenden Ehegatten ... solidarisch für die Gesamtsteuer" haften. Es folgt daraus, dass bei tatsächlich (oder rechtlich) getrennter Ehe die Solidarhaftung entfällt. Diese Vorschrift entspricht vollumfänglich dem
Art. 13 DBG
, ausser dass ihr eine klarstellende Bestimmung wie in
Art. 13 Abs. 2 DBG
hinsichtlich der Haftung für die offenen, d.h. bis zum Zeitpunkt der
BGE 122 I 139 S. 149
Trennung entstandenen Steuerschulden fehlt, und dass der Haftungsausschluss bei Insolvenz nicht vorgesehen ist. Von einer Verletzung des Grundsatzes der derogatorischen Kraft des Bundesrechts durch diese Haftungsvorschrift kann daher nicht gesprochen werden.
d) Die Beschwerdeführerin weist auch auf die mangelnde Kohärenz innerhalb der steuerrechtlichen Ordnung hin: Bei Mitgliedern einer Kollektivgesellschaft bestehe keine Solidarhaftung für die gesamte Steuer auf dem aus der Gesellschaft erzielten Einkommen; jeder Gesellschafter sei nur für seinen Einkommensanteil steuerpflichtig; demgegenüber hafteten Ehegatten solidarisch für die Gesamtsteuer; auf diese Weise werde die ethisch-moralisch motivierte Gemeinschaft der Eheleute gegenüber der bloss kommerziell motivierten Gemeinschaft der Kollektivgesellschafter in unhaltbarer Weise benachteiligt.
Mit diesen Vorbringen rügt die Beschwerdeführerin keine Verletzung des Grundsatzes der derogatorischen Kraft des Bundesrechts: Wie dargelegt, lässt das Eherecht Raum für eine abweichende Regelung der Haftung der Ehegatten im Steuerrecht. Vielmehr beanstandet die Beschwerdeführerin die Steuerordnung in sich als widersprüchlich und rechtsungleich. Dieser Einwand dringt indes nicht durch. Mit der Ehe, die nach den Vorstellungen des Gesetzgebers nicht nur eine Erwerbs-, sondern auch eine Verbrauchsgemeinschaft darstellt (vorstehende E. 4c/bb), lässt sich die Kollektivgesellschaft nicht vergleichen. Abgesehen von den Beiträgen, die in Geld, Sachen, Forderungen oder Arbeit bestehen können (Art. 531 in Verbindung mit
Art. 557 OR
), schulden die Gesellschafter einander keinen über den Gesellschaftsvertrag oder den Gesellschaftszweck hinausgehenden Beistand. Die Kollektivgesellschaft wird gewöhnlich zu kommerziellen Zwecken errichtet. In diesem Sinne kann beim Verhältnis der Gesellschafter untereinander nicht von einer gleich starken "Schicksalsgemeinschaft" wie bei der Ehe gesprochen werden. Die Kollektivgesellschaft kann allenfalls als "Erwerbsgemeinschaft" betrachtet werden, keinesfalls jedoch als Verbrauchsgemeinschaft wie die Ehe. Das rechtfertigt auch die unterschiedliche Regelung der steuerrechtlichen Haftung.
e) Die Beschwerdeführerin beanstandet auch, dass die Solidarhaftung gemäss
Art. 5 Abs. 4 StG
n.F. keine Rücksicht darauf nehme, ob die Ehegatten unter dem ordentlichen Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung leben oder ob sie unter sich Gütertrennung vereinbart haben. Auch dieses Argument ist
BGE 122 I 139 S. 150
nicht geeignet, die beanstandete Bestimmung als verfassungswidrig erscheinen zu lassen. Das Steuerrecht berücksichtigt nicht, unter welchem Güterstand die Ehegatten leben, und ist dazu auch nicht verpflichtet. Das kommt namentlich in der Faktorenaddition zum Ausdruck: Die Steuerfaktoren der in rechtlich und tatsächlich ungetrennter Ehe lebenden Ehegatten werden für die Steuerberechnung "ohne Rücksicht auf den Güterstand" zusammengerechnet (so ausdrücklich
Art. 3 Abs. 3 StHG
,
Art. 9 Abs. 1 DBG
). Das Steuerrecht trägt folgerichtig auch bei der Frage der Haftung für Steuerschulden einem zwischen den Ehegatten vereinbarten oder gesetzlich angeordneten besonderen Güterstand keine Rechnung.
f) Die Steuerbehörden und der Regierungsrat legen
Art. 5 Abs. 4 StG
n.F. in dem Sinne aus, dass die solidarische Haftung für alle im Zeitpunkt der Trennung noch offenen Steuerschulden bestehen bleibt. Sie haben folglich eine Haftung der Beschwerdeführerin für die noch ausstehenden Steuern der Jahre 1987/88 bejaht, obschon die Beschwerdeführerin seit März 1989 von ihrem Ehemann getrennt lebt und über diesen am 16. März 1989 der Konkurs eröffnet worden ist. Es handelt sich um die Haftung für Steuerschulden, die noch während des gemeinsamen Zusammenlebens und vor der Konkurseröffnung über den Ehemann entstanden sind. Käme hier
Art. 13 DBG
zur Anwendung, so müsste eine rückwirkende Haftung der Beschwerdeführerin verneint werden: Abs. 2 bestimmt ausdrücklich, dass bei rechtlich und tatsächlich getrennter Ehe die Solidarhaftung auch für "alle noch offenen Steuerschulden" entfällt. Bei der Beratung des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer im Parlament war unsicher, ob der Haftungsausschluss des
Art. 13 DBG
bei Trennung der Ehe auch für die alten, während der Dauer des Zusammenlebens entstandenen Steuern gilt; um diese Unklarheit zu beseitigen, wurde der Abs. 2 eingefügt, der die Solidarhaftung auch für die noch offenen Steuerschulden aufhebt (vgl. Votum Spoerry, Amtl.Bull. NR 1987 II S. 1736). Allein deswegen kann jedoch die Auslegung des
Art. 5 Abs. 4 StG
n.F. durch die kantonalen Behörden nicht als verfassungswidrig bezeichnet werden, wenn sie die Solidarhaftung für die im Zeitpunkt der Trennung offenen Steuerschulden bejaht haben.
g) Als Schranke fällt hier einzig
Art. 4 BV
in Betracht. Auf dem Gebiet der Steuern wird
Art. 4 Abs. 1 BV
konkretisiert durch die Grundsätze der Allgemeinheit und Gleichmässigkeit der Besteuerung sowie den Grundsatz der Verhältnismässigkeit der Steuerbelastung (BLUMENSTEIN/LOCHER, a.a.O.,
BGE 122 I 139 S. 151
S. 144, mit zahlreichen Hinweisen). Die diesbezüglichen Vorbringen der Beschwerdeführerin in der staatsrechtlichen Beschwerde sind indessen nicht geeignet, den angefochtenen Entscheid als verfassungswidrig erscheinen zu lassen. Zu beachten ist überdies das Willkürverbot, doch kann die Auslegung des
Art. 5 Abs. 4 StG
n.F. durch die kantonalen Behörden auch nicht als willkürlich bezeichnet werden. Mit
Art. 5 Abs. 4 StG
n.F. wurde im übrigen eine geschlechtsneutrale Regelung getroffen, so dass auch
Art. 4 Abs. 2 BV
nicht verletzt ist. | public_law | nan | de | 1,996 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
c7138d74-6331-4bfb-95c4-0e3f2a430628 | Urteilskopf
94 I 261
39. Urteil vom 28. Juni 1968 i.S. Esrolko AG gegen Eidg. Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartement. | Regeste
Personenbeförderungsregal; Ausnahme für notwendige Hilfsbetriebe von Unternehmungen, die nicht das Transportgewerbe zum Gegenstand haben (Art. 2 Abs. 1 lit. a Postverkehrsgesetz, Art. 4 Vollziehungsverordnung II).
Ob ein Hilfsbetrieb notwendig ist oder ob die bestehenden Verkehrsverbindungen öffentlicher Transportunternehmungen genügen, ergibt sich aus einer Abwägung der sich gegenüberstehenden Interessen. | Sachverhalt
ab Seite 261
BGE 94 I 261 S. 261
A.-
Die Beschwerdeführerin Esrolko AG befasst sich in Dübendorf mit der Fabrikation und dem Vertrieb von Riechstoffen und Aromen. Für ihre in Zürich und Umgebung wohnenden Angestellten hat sie einen Zubringerdienst eingerichtet. Zwei Grosstaxis einer Zürcher Unternehmung mit je 8 Plätzen befördern die Benützer jeden Morgen von zwei Sammelplätzen beim Hauptbahnhof Zürich (vor dem Landesmuseum) und vor dem Restaurant Sternen in Oerlikon zur Fabrik und am Abend von da zurück zu den Sammelplätzen.
B.-
Das Eidg. Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartement (EVED) hat von diesem Zubringerdienst im Sommer 1967 durch ein Zeitungsinserat, in welchem die Beschwerdeführerin
BGE 94 I 261 S. 262
eine Stelle ausgeschrieben hatte, Kenntnis erhalten. Es hat in einem Entscheid vom 4. März 1968 festgestellt, dass der genannte Dienst nicht notwendig im Sinne des Art. 4 der Vollziehungsverordnung II vom 4. Januar 1960 zum Postverkehrsgesetz (Automobilkonzessionsverordnung, VV II) sei und daher nicht als vom Personenbeförderungsregal ausgenommener Hilfsbetrieb anerkannt werden könne. Zur Begründung wird ausgeführt:
Die SBB böten auf der Linie Zürich - Oerlikon - Dübendorf rasche und bestens auf die Arbeitszeit im Betriebe der Beschwerdeführerin abgestimmte Verbindungen, nämlich:
7.16 Zürich Hbf. ab (17.35 Arbeitsschluss)
7.25 Oerlikon ab 17.52 Dübendorf ab
7.33 Dübendorf an 18.02 Oerlikon an
(7.50 Arbeitsbeginn) 18.10 Zürich Hbf. an
So ständen für den etwa 1000 m langen Weg von der Station Dübendorfzur Fabrik und zurück je 17 Minuten zur Verfügung. Die Verkehrsbetriebe der Stadt Zürich (VBZ) seien bereit, die Errichtung einer auf den Fahrplan der genannten Züge abgestimmten Autobusverbindung auf dieser Strecke zu erwägen. Falls sich diese Lösung vorläufig noch nicht verwirklichen liesse, so wäre gegen einen auf den Weg zwischen dem Bahnhof Dübendorf und der Fabrik beschränkten Zubringerdienst der Beschwerdeführerin nichts einzuwenden.
Zudem gewährten die VBZ mit Tram und Bus in Abständen von 6 - 15 Minuten Verbindungen zu der nur 400 m von der Fabrik der Beschwerdeführerin entfernten Bushaltestelle Meierhof. Bei Benützung dieser Verbindung erfordere der Gesamtweg zur Fabrik (mit Einschluss des Umsteigens und des Fussmarsches) von Zürich Hbf. aus etwa 40 und vom Sternen Oerlikon aus etwa 30 Minuten. Der Zubringerdienst der Beschwerdeführerin benötige dafür von Zürich Hbf. aus etwa 30 und vom Sternen Oerlikon aus etwa 10 Minuten. Die Busse der VBZ führen nahe bei der Fabrik vorbei, und es wäre ohne weiteres möglich, den auf den Arbeitsschluss passenden Kurs dort halten zu lassen. Ein Zeitaufwand von 30 - 40 Minuten für Strecken von 5 - 10 km in einer grossen städtischen Agglomeration sei nicht ungewöhnlich und nicht unzumutbar. Sowohl die SBB als auch die VBZ böten Verbindungen, welche als genügend im Sinne des Art. 4 Abs. 2 VV II bezeichnet werden müssten.
BGE 94 I 261 S. 263
C.-
Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die Esrolko AG, den Entscheid des EVED aufzuheben und festzustellen, dass ihr Zubringerdienst als Hilfsbetrieb im Sinne des Art. 4 VV II anzuerkennen sei.
Sie führt aus, die Angaben im angefochtenen Entscheid über den Zeitbedarf bei Benützung der SBB seien an sich richtig, berücksichtigten aber nicht, dass die am Morgen mit öffentlichen Verkehrsmitteln in Zürich Hbf. oder in Oerlikon eintreffenden Angestellten wegen der Möglichkeit von Verspätungen eine gewisse Marge für das Umsteigen in den Zug nach Dübendorf einrechnen müssten, weil die Abfahrtszeiten der Züge fix seien, wogegen der Zubringerdienst auf verspätete Benützer mindestens 5 Minuten warte. Zu lang seien die im Entscheid für diesen Dienst angegebenen Zeiten; er benötige zwischen Zürich Hbf. und Fabrik am Morgen wegen der geringen Verkehrsdichte nur 15, am Abend 20 Minuten. Die Grosstaxis führen von Zürich Hbf. um 7.30, von Oerlikon um 7.35 ab und kämen um 7.45, also 5 Minuten vor Arbeitsbeginn, bei der Fabrik an. Am Abend träfen sie in Oerlikon um 17.45, in Zürich Hbf. um 17.55 ein. Allein schon beim Vergleich dieser Abfahrts- und Ankunftszeiten mit den entsprechenden der SBB ergebe sich für den ganzen Tag eine Einsparung von etwa 30 Minuten. Tatsächlich sei der Zeitgewinn für gewisse Angestellte viel grösser. So könne der in Wädenswil wohnende Fakturist Weber dank dem Zubringerdienst am Morgen den Zug benützen, der dort um 6.52 abfahre und um 7.26 in Zürich Hbf. eintreffe; sonst aber müsste er den in Wädenswil um 6.26 abfahrenden und in Zürich Hbf. um 7.05 ankommenden Zug benützen, um den um 7.16 abfahrenden Zug nach Dübendorf zu erreichen. Am Abend reiche es ihm mit dem Zubringerdienst bequem auf den Zug Zürich ab 18.14, Wädenswil an 18.54; mit der Bahn käme er erst um 18.10 nach Zürich und hätte keine Gewähr, jenen Zug noch zu erreichen, so dass er wohl oft den nächsten Zug benützen müsste: Zürich ab 18.48, Wädenswil an 19.26. Für ihn betrage also die Einsparung 34 (recte 26) + eventuell 32 = 66 (recte 58) Minuten im Tag. Für die Handlungsbevollmächtigte Fräulein Trefny, die nahe beim Zürichhorn wohne und von dort zum Hauptbahnhof mit dem Tram fahre, mache die Einsparung dank dem Zubringerdienst 20 + 15 = 35 Minuten im Tag aus. Diese beiden Fälle seien nicht besonders ausgewählt; die Lage sei für die
BGE 94 I 261 S. 264
meisten mit dem Zubringerdienst beförderten Angestellten ähnlich.
Bei Benützung der VBZ seien die Verhältnisse noch etwas ungünstiger: Versuche hätten ergeben, dass der Unterschied gegenüber dem Zubringerdienst für die Hinfahrt am Morgen von Zürich Hbf. aus ca. 25, von Oerlikon aus ca. 20 Minuten betrage, für die Rückfahrt am Abend nach Zürich Hbf. ca. 35 und nach Oerlikon ca. 25 Minuten. Durch das Anhalten des Abendbus vor der Fabrik könnten schätzungsweise 10 Minuten gewonnen werden; doch gingen bis Zürich Hbf. immer noch 25 und bis Oerlikon 15 Minuten verloren.
Ohne den Zubringerdienst würde der Beschwerdeführerin die Anwerbung von Angestellten erschwert, wenn nicht verunmöglicht; es müsste mit dem Austritt der meisten jetzigen Benützer dieses Dienstes gerechnet werden. In der Gegend von Dübendorf seien kaum Angestellte zu finden, und Inserate ohne Hinweis auf den eigenen Transport hätten keinen Erfolg gehabt. Deshalb wende die Beschwerdeführerin jährlich Fr. 12'000.-- für diesen Dienst auf.
Das EVED erkläre die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel als für die Arbeitnehmer der Beschwerdeführerin "nicht unzumutbar". Der Begriff der Zumutbarkeit lasse sich aber weder dem Postverkehrsgesetz noch der VV II entnehmen. Massgebend sei, ob das Bedürfnis des Publikums durch die öffentlichen Verkehrsmittel befriedigt werde. Diese befriedigten jedoch das Bedürfnis der Angestellten der Beschwerdeführerin nach rascher Beförderung zum Arbeitsplatz nicht. Entscheidend sei aber auch das bedeutende Interesse der Beschwerdeführerin selbst an dem Zubringerdienst; es sei im angefochtenen Entscheid überhaupt nicht beachtet worden. Dem Interesse der öffentlichen Verkehrsbetriebe sei mit diesem Entscheid nicht gedient, weil ihnen dadurch kein Verdienst zufliesse. Von den 130 Angestellten und Arbeitern der Beschwerdeführerin benütze keiner die Verbindungen der SBB oder der VBZ in Richtung Zürich; die meisten kämen mit privaten Motorfahrzeugen oder Fahrrädern oder zu Fuss; das würden sehr wahrscheinlich auch die jetzigen Benützer des Zubringerdienstes tun, wenn dieser aufgehoben würde.
Das Bedürfnis nach solchen Transportdiensten ergebe sich auch aus deren Häufigkeit, namentlich im Raume Zürich und Dübendorf. Dass das EVED gegen die Beschwerdeführerin
BGE 94 I 261 S. 265
einschreite, grössere Firmen aber verschone, offenbar weil es von ihnen mehr Widerstand erwarte, verletze die Rechtsgleichheit.
Nachdem der Zubringerdienst der Beschwerdeführerin 20 Jahre lang stillschweigend geduldet worden sei, verstosse es gegen Treu und Glauben, jetzt dagegen vorzugehen.
D.-
Das EVED beantragt die Abweisung der Beschwerde.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Der angefochtene Entscheid des EVED betrifft einen Anspruch, den die Beschwerdeführerin gestützt auf die Gesetzgebung über den Postverkehr erhebt. Er unterliegt nach
Art. 99 Ziff. XI OG
der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
2.
Nach Art. 1 Abs. 1 lit. a des Postverkehrsgesetzes vom 2. Oktober 1924 (PVG) und Art. 1 VV II hat der Bund das ausschliessliche Recht, Reisende in regelmässigen Fahrten mit Motorfahrzeugen zu befördern (Personenbeförderungsregal). Gemäss
Art. 3 Abs. 1 PVG
und Art. 10 VV II kann er das Recht, solche Fahrten gewerbsmässig auszuführen, durch Konzessionen I oder II an Transportunternehmungen verleihen. Nach Art. 11 Abs. 1 VV II sind Konzessionen u.a. dann zu verweigern, wenn im Falle der Erteilung öffentliche Transportunternehmungen wesentlich konkurrenziert würden (lit. b).
Art. 2 Abs. 1 lit. a PVG
nimmt die regelmässige Personenbeförderung, "die einem Nichttransportgewerbe als notwendiger Hilfsbetrieb dient", vom Regal aus. Art. 4 Abs. 1 VV II bestimmt dazu, dass die einem solchen Gewerbe als Hilfsbetrieb dienende Personenbeförderung nicht unter das Regal fällt, wenn sie notwendig ist (lit. a) und drei weitere Voraussetzungen erfüllt (lit. b - d); notwendig ist ein Hilfsbetrieb laut Abs. 2 daselbst, wenn öffentliche Transportunternehmungen keine oder keine genügenden Verkehrsverbindungen bieten. Öffentliche Transportunternehmungen im Sinne dieser Ordnung sind nach Art. 11 Abs. 2 VV II die Verkehrsbetriebe des Bundes und die konzessionierten Transportunternehmungen mit Ausnahme der Automobilunternehmungen mit Konzession II.
Im vorliegenden Fall ist unbestritten, dass die Beschwerdeführerin kein Transportgewerbe betreibt und den Zubringerdienst als Hilfsbetrieb eingerichtet hat, ferner dass dieser die in Art. 4 Abs. 1 lit. b - d VV II umschriebenen Voraussetzungen erfüllt. Streitig ist einzig, ob er im Sinne von
Art. 2 Abs. 1
BGE 94 I 261 S. 266
lit. a PVG
sowie Art. 4 Abs. 1 lit. a und Abs. 2 VV II notwendig sei, d.h. ob öffentliche Transportunternehmungen, nämlich die SBB und die VBZ auf ihren in Betracht kommenden Linien, keine genügenden Verkehrsverbindungen bieten.
3.
Wie sich insbesondere aus
Art. 2 Abs. 1 lit. a PVG
ergibt, muss der Hilfsbetrieb, um vom Regal ausgenommen werden zu können, notwendig für das Unternehmen ("Nichttransportgewerbe") sein, dem er dienen soll. Diese Voraussetzung ist dann gegeben, wenn öffentliche Transportunternehmungen keine oder keine genügenden Verkehrsverbindungen bieten (Art. 4 Abs. 2 VV II). Bieten öffentliche Transportanstalten - hier die SBB und die VBZ - genügende Verbindungen, so dürfen sie durch Hilfsbetriebe von Unternehmungen, die nicht dem Transportgewerbe angehören, nicht konkurrenziert werden. Das Regal schützt das Interesse der öffentlichen Transportunternehmungen an der Vermeidung erheblicher Konkurrenz, wie namentlich aus Art. 11 Abs. 1 lit. b VV II hervorgeht. Diesem Interesse ist dasjenige des "Nichttransportgewerbes" am Betrieb eines eigenen Zubringerdienstes gegenüberzustellen. Die beidseitigen Interessen sind von Fall zu Fall gegeneinander abzuwägen. Aus der Abwägung ergibt sich, ob genügende öffentliche Verkehrsverbindungen bestehen oder ob ein Hilfsbetrieb notwendig ist (
BGE 94 I 167
).
Bei der Würdigung der Bedürfnisse des Unternehmens, dem der Hilfsbetrieb dienen soll, sind auch die Interessen der Arbeitnehmer, um deren Beförderung es sich handelt, in Betracht zu ziehen; denn in Frage steht das Interesse des Arbeitgebers an genügenden Verkehrsverbindungen für die Arbeitnehmer. Daher ist insbesondere zu prüfen, ob den Arbeitnehmern die Benützung bestehender öffentlicher Verkehrsverbindungen zumutbar sei. Die Notwendigkeit dieser Prüfung ergibt sich aus dem Sinn der gesetzlichen Ordnung, welche eine Abwägung der sich gegenüberstehenden Interessen verlangt; es ist unerheblich, dass der Ausdruck "zumutbar" weder im Gesetz noch in der Verordnung gebraucht wird.
4.
Nach dem derzeit geltenden Fahrplan führen die SBB am Morgen und am Abend je einen Zug, der bestens auf die Arbeitszeit im Betriebe der Beschwerdeführerin abgestimmt ist, indem für den etwa 1000 m langen Weg zwischen der Station Dübendorf und der Fabrik jeweils 17 Minuten zur Verfügung stehen. (Die Mittagsverbindungen werden von den Parteien
BGE 94 I 261 S. 267
gar nicht erörtert, weil offenbar eine Heimkehr der in Frage stehenden Arbeitnehmer über den Mittag nicht in Frage kommt.) Die Fahrzeiten der SBB unterscheiden sich nach der Darstellung der Beschwerdeführerin nur wenig von denjenigen des Grosstaxis (am Morgen Zug 17 und Taxi 15 Minuten von Zürich Hbf. nach Dübendorf, Zug 8 und Taxi 10 Minuten von Oerlikon nach Dübendorf; am Abend Zug und Taxi je 10 Minuten von Dübendorf nach Oerlikon, Zug 18 und Taxi 20 Minuten von Dübendorf nach Zürich Hbf.). Das EVED hat im angefochtenen Entscheid für die Fahrt mit dem Grosstaxi von Zürich Hbf. zur Fabrik eine etwas längere Zeit angenommen, ohne in der Beschwerdeantwort darauf zu beharren. Die Beschwerdeführerin macht geltend, trotzdem gewännen ihre Angestellten bei Benützung des Zubringerdienstes rund 30 Minuten im Tag, weil der Grosstaxi direkt zur Fabrik führe und von dort abfahre, so dass der Fussmarsch zwischen Fabrik und Station Dübendorf wegfalle, und weil dann keine Marge für Zugsverspätungen eingerechnet werden müsse. Die von ihr für alle derzeitigen Benützer des Zubringerdienstes erstellten Zeittabellen ergeben ungefähr die genannte Differenz - mit Ausnahme von zwei besonders weit entfernt, nämlich in Wädenswil und Thalwil, wohnenden Angestellten. Diese beiden besonderen Fälle können jedoch für die Frage nach dem Genügen der Verbindungen der SBB nicht entscheidend sein. Zudem ist die Berechnung der Beschwerdeführerin im Falle des in Wädenswil wohnenden Angestellten Weber unrichtig: Der Zeitgewinn am Morgen (Differenz zwischen 6.26 und 6.52) beträgt nicht 34, sondern nur 26 Minuten. Am Abend dürfte die Umsteigezeit von 4 Minuten innerhalb des Hauptbahnhofs Zürich in der Regel ausreichen; genügen doch Weber 4 Minuten auch, um von seinem Morgenzug auf den Sammelplatz beim Landesmuseum zu gelangen. Auch bei ihm hält sich also die tägliche Einsparung - 26 Minuten - im allgemeinen Rahmen. Dasselbe gilt für Fräulein Matter in Thalwil, welche die gleichen Züge benützt wie Weber.
Die Fahrzeiten bei Benützung der VBZ sind nach jenen Tabellen im allgemeinen ähnlich, für einige Angestellte, insbesondere Fräulein Trefny, etwas länger. Sie können aber durch das von den VBZ angebotene Anhalten des Abendbus bei der Fabrik um etwa 10 Minuten verkürzt werden. Zudem könnten auch jene Angestellten die Verbindungen der SBB benützen.
BGE 94 I 261 S. 268
Dagegen brächte die Einrichtung einer Busverbindung zwischen Station Dübendorf und Fabrik wohl den Wegfall des Fussmarsches, aber keine Zeiteinsparung, weil der Fahrplan der Züge dadurch nicht verändert würde. (Dass die Beschwerdeführerin bloss zur Vermeidung des Fussmarsches keinen eigenen Transportdienst zwischen Station Dübendorf und Fabrik schaffen kann, liegt auf der Hand; der Erklärung des EVED, einem solchen stände nichts im Wege, kommt daher keine Bedeutung zu.)
Auf Grund der vorliegenden Akten kann somit davon ausgegangen werden, dass der Zubringerdienst der Beschwerdeführerin seinen Benützern eine tägliche Zeiteinsparung von ca. 30 Minuten erlaubt. Diese ist abzuwägen gegenüber dem Interesse der SBB und der VBZ an der Beachtung des Regals. Dabei kommt es nicht nur darauf an, ob die jetzigen Benützer des Zubringerdienstes nach dessen Wegfall zu den SBB und den VBZ übergehen werden oder nicht, was nicht im voraus festgestellt werden kann. Zu berücksichtigen sind auch die möglichen künftigen Auswirkungen, zumal die Beschwerdeführerin selbst erklärt hat, sie werde in 2 - 3 Jahren ihren Betrieb vergrössern und ihr Personal vermehren und werde dann eine "analoge Lösung" treffen müssen. Vor allem aber ist der präjudiziellen Wirkung des zu fällenden Entscheids Rechnung zu tragen. Wenn sogar die hier vorhandenen bestmöglich auf die Arbeitszeit abgestimmten Verkehrsverbindungen der öffentlichen Transportunternehmungen als ungenügend erklärt würden, wären genügende solche Verbindungen kaum mehr denkbar und würde der Schutz, den das Regal den öffentlichen Transportunternehmungen gegen die Konkurrenz privater Zubringerdienste bieten soll, illusorisch. Zwar bringt der Zubringerdienst der Beschwerdeführerin den Benützern gewisse Vorteile; sie sind jedoch gering, und die gesamte Zeit, die hier beim Gebrauch der öffentlichen Verkehrsmittel für den Weg zur Arbeitsstätte und zurück erforderlich ist, hält sich im Rahmen dessen, was heute in städtischen Agglomerationen üblich ist. Den in Frage stehenden Angestellten der Beschwerdeführerin darf daher zugemutet werden, die von den öffentlichen Transportunternehmungen zur Verfügung gestellten Verbindungen zu benützen. Unter diesem Gesichtspunkt überwiegt das Interesse der öffentlichen Transportunternehmungen an der Beachtung des Regals.
BGE 94 I 261 S. 269
5.
Die Beschwerdeführerin macht geltend, sie habe ein bedeutendes Interesse an ihrem Zubringerdienst namentlich deshalb, weil ohne ihn die Anwerbung ihres Personals beträchtlich erschwert würde. Demgegenüber vertritt das EVED die Auffassung, massgebend sei nur das Bedürfnis der zu befördernden Personen und nicht auch das Interesse des Arbeitgebers an einer erfolgversprechenden Personalwerbung. Diese Gegenüberstellung ist jedoch unzutreffend; denn der Arbeitgeber hat ein eigenes Interesse an genügenden Verkehrsverbindungen für seine von auswärts kommenden Arbeitnehmer, und zwar gerade auch im Hinblick auf die Rekrutierung. Dieses von der Beschwerdeführerin in den Vordergrund gestellte Anliegen ist daher bei der Interessenabwägung mitzuberücksichtigen.
Die Beschwerdeführerin erklärt, sie könne in Dübendorf und dessen näherer Umgebung kaum Angestellte finden; ohne den eigenen Transportdienst könnte sie solche auch schwerlich in einem weiteren Umkreis rekrutieren, so dass sie in eine schwierige Lage käme. Das ist wahrscheinlich richtig, trifft aber in gleicher Weise auch auf viele andere Betriebe auf dem Lande und in der Umgebung von Städten zu. Würden die von den öffentlichen Transportunternehmungen gebotenen Verkehrsverbindungen im vorliegenden Fall, wo sie gerade im Hinblick auf die Arbeitszeit im Betriebe der Beschwerdeführerin denkbar günstig sind, wegen jener Schwierigkeiten als ungenügend bezeichnet, so könnten die meisten industriellen Unternehmungen in der Nähe Zürichs die gleiche Würdigung für sich beanspruchen und wäre der Errichtung eigener Zubringerdienste kaum mehr eine Grenze gesetzt, so dass der Schutz der öffentlichen Transportunternehmungen gegen wesentliche Konkurrenz, den das Regal gewährleisten soll, in einer Weise beeinträchtigt würde, die mit der gesetzlichen Ordnung nicht vereinbar ist (
BGE 94 I 168
Erw. 2). Die Rücksichtnahme auf eine einzelne Unternehmung darf nicht zu einer Aushöhlung des Regals führen. Schwierigkeiten, die sich aus seiner sinngemässen, einheitlichen Anwendung ergeben, muss der einzelne Betrieb auf sich nehmen. Daher ist auch das Interesse der Beschwerdeführerin, bei der Personalwerbung auf einen eigenen Zubringerdienst hinweisen zu können, kein Grund, ihren Bedürfnissen mehr Gewicht als dem Interesse der SBB und der VBZ an der Beachtung des Regals beizumessen.
6.
Die Beschwerdeführerin wendet sodann ein, sie sei
BGE 94 I 261 S. 270
rechtsungleich behandelt worden, weil das EVED im Raume Zürich nur gegen sie und nicht auch gegen grössere Unternehmen mit Zubringerdiensten eingeschritten sei. Sie nennt aber diese Unternehmen nicht und behauptet insbesondere nicht, dass das Departement deren Transportdienste als notwendige Hilfsbetriebe im Sinne des Postverkehrsgesetzes und der Verordnung anerkannt habe, obwohl ebenso günstige Verkehrsverbindungen der öffentlichen Transportunternehmungen bestanden hätten wie im vorliegenden Falle. Das Departement versichert glaubhaft, dass es alle derartigen Zubringerdienste, von denen es Kenntnis erhalte, auf ihre Notwendigkeit im Sinne des Gesetzes prüfe. Eine rechtsungleiche Behandlung der Beschwerdeführerin ist nicht dargetan. Würde in anderen Fällen festgestellt, dass ebenso günstige öffentliche Verkehrsverbindungen wie hier bestehen, so wäre auch den betreffenden privaten Transportdiensten die Notwendigkeit abzusprechen, nicht aber derjenige der Beschwerdeführerin zuzulassen.
7.
Schliesslich wirft die Beschwerdeführerin dem EVED vor, es habe ihren Zubringerdienst 20 Jahre lang stillschweigend geduldet, weshalb sein nunmehriges Einschreiten gegen Treu und Glauben verstosse. Auch diese Rüge ist unbegründet, da das Departement, wie es glaubwürdig erklärt, von dem Transportdienst der Beschwerdeführerin erst im Sommer 1967 durch ein Inserat Kenntnis erhalten hat.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen. | public_law | nan | de | 1,968 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
c715c964-765b-41ab-af0e-6b53ad1c034c | Urteilskopf
118 II 254
52. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 2. Juli 1992 i.S. C. gegen Kanton Zürich (Zivilklage) | Regeste
Fürsorgerische Freiheitsentziehung; Haftung des Kantons aus ungerechtfertigter fürsorgerischer Freiheitsentziehung, Zwangsbehandlung und Fixierung (
Art. 3,
Art. 5,
Art. 13 EMRK
;
Art. 397a und
Art. 429a ZGB
).
1. Zur Verwendung von ärztlichen Verlautbarungen und Berichten aus früheren Einweisungen in eine psychiatrische Anstalt in einem hängigen Verfahren auf Bezahlung von Schadenersatz wegen ungerechtfertigter fürsorgerischer Freiheitsentziehung (E. 1b).
2.
Art. 429a ZGB
gewährt der betroffenen Person eine wirksame Beschwerde im Sinne von
Art. 13 EMRK
. Die Zulässigkeit einer Feststellungsklage, mit der eine Verletzung von
Art. 3 und
Art. 5 EMRK
festgestellt werden soll, beurteilt sich demnach ausschliesslich nach schweizerischem Recht (E. 1c).
3. Frage offengelassen, ob zwischen
Art. 5 Ziff. 5 EMRK
und
Art. 429a ZGB
Anspruchskonkurrenz besteht (E. 2c).
4. Zur Anwendbarkeit von
Art. 5 Ziff. 2 EMRK
im Verfahren der fürsorgerischen Freiheitsentziehung (E. 5).
5.
Art. 5 Ziff. 1 lit. e EMRK
und
Art. 397a ZGB
regeln, unter welchen Voraussetzungen eine Person in eine Anstalt eingewiesen und ihr dadurch die Freiheit entzogen werden darf. Diese Bestimmungen äussern sich jedoch nicht zur Art der Betreuung. Weder
Art. 5 Ziff. 5 EMRK
noch
Art. 429a ZGB
bilden demnach Haftungsnorm für die in der Anstalt erfolgte Zwangsbehandlung oder für die zu diesem Zweck bzw. zur Beruhigung vorgenommene Fixierung der eingewiesenen Person (E. 6a, E. 6b). | Sachverhalt
ab Seite 255
BGE 118 II 254 S. 255
A.-
H. C. unterzog sich erfolglos zahlreichen psychotherapeutischen Behandlungen und wurde am 20. März 1990 wegen Depressionen und akuter Suizidalität erstmals notfallmässig in die Psychiatrische Klinik Rheinau eingewiesen. Am 3. April 1990 verlegte sie der zuständige Arzt in die Klinik am Zürichberg, wo es zu zwei Suizidversuchen kam. Obwohl die depressive Symptomatik noch vorhanden war, wurde H. C. am 5. März 1990 aus dieser Anstalt entlassen, da sie keine Suizidgedanken mehr geäussert und zudem versprochen hatte, die stationär begonnene Psychotherapie ambulant fortzusetzen.
Im Verlaufe der folgenden Monate verschlechterte sich ihr Gesundheitszustand zusehends. Es trat erneut erhöhte Suizidalität ein, die eine Einweisung in die Psychiatrische Universitätsklinik Zürich unumgänglich werden liess. In dieser Klinik war H. C. vom 2.-31. Oktober 1990 untergebracht. Im Anschluss an
BGE 118 II 254 S. 256
die Entlassung erfolgte eine ambulante Nachbehandlung durch Dr. med. X.
Am 20. Januar 1991 wies dieser Arzt H. C. wegen einer zunehmend manischen Phase bei Selbstgefährdung notfallmässig in die Psychiatrische Klinik Rheinau ein, aus der sie auf ihr schriftliches Gesuch vom 22. Januar 1991 hin mit Beschluss der Psychiatrischen Gerichtskommission des Kantons Zürich vom 2. Februar 1991 entlassen wurde.
B.-
Am 13. März 1991 hat M. C. Klage beim Bundesgericht eingereicht mit dem Begehren, es sei festzustellen, dass im Zusammenhang mit ihrem letzten Klinikaufenthalt
Art. 3 und 5 EMRK
gebrochen worden seien. Im übrigen verlangt sie, den Kanton Zürich zu verpflichten, ihr Fr. 51'000.-- zu bezahlen.
Der Kanton Zürich hat auf vollumfängliche Klageabweisung geschlossen.
C.-
Die Parteien haben auf eine mündliche Vorbereitungsverhandlung verzichtet.
D.-
Anlässlich der Hauptverhandlung wurde seitens der Parteien keine Ergänzung des Beweisverfahrens verlangt. Der Beklagte hat auf Abweisung des Antrages der Klägerin geschlossen, wonach sämtliche ärztliche Gutachten und Verlautbarungen aus den Akten zu weisen seien, soweit sich diese nicht auf die beanstandete Einweisung vom 20. Januar bis zum 2. Februar 1991 bezögen. Im übrigen sind beide Parteien bei ihren Rechtsauffassungen geblieben.
Das Bundesgericht hat die Klage abgewiesen
Erwägungen
aus folgenden Erwägungen:
1.
a) Die Klägerin hat einen Haftpflichtprozess gegen den beklagten Kanton Zürich angestrengt. Weder
Art. 5 Ziff. 5 EMRK
noch
Art. 429a ZGB
sehen vor, nach welchem Verfahren und in welcher Zuständigkeit Schadenersatzansprüche geltend gemacht und entschieden werden müssen (vgl.
BGE 118 Ia 103
E. b), so dass die Regelung dieser Fragen den einzelnen Ländern und Kantonen vorbehalten bleibt. Gemäss § 19 Abs. 1 des zürcherischen Gesetzes über die Haftung des Staates und der Gemeinden sowie ihrer Behörden und Beamten (nachfolgend Haftungsgesetz) entscheiden die Zivilgerichte über Ansprüche Dritter gegen den Staat, soweit nicht das Bundesgericht zuständig ist. Gegen den Staat gerichtete Begehren auf Schadenersatz und Genugtuung sind beim Regierungsrat
BGE 118 II 254 S. 257
einzureichen (§ 22 Abs. 1 lit. a Haftungsgesetz). Die Klage kann angehoben werden, falls die zuständige Behörde innert drei Monaten seit der schriftlichen Geltendmachung zu den erwähnten Begehren nicht oder ablehnend Stellung genommen hat (§ 23 Haftungsgesetz). Nach § 5 findet jedoch das Haftungsgesetz insofern keine Anwendung, als die Haftung des Staates durch Bundesrecht oder andere kantonale Gesetze geregelt ist. Soweit die Klägerin ihren Anspruch auf
Art. 429a ZGB
gründet, war das sogenannte Vorverfahren gemäss § 22 mithin nicht erforderlich. Nebst
Art. 429a ZGB
bildet jedoch ebenfalls
Art. 5 Ziff. 5 EMRK
Grundlage des klägerischen Anspruches. Ob das Vorverfahren zur Geltendmachung eines bloss auf
Art. 5 Ziff. 5 EMRK
gestützten Anspruches unumgänglich gewesen wäre, kann offenbleiben. Denn selbst wenn diese Frage bejaht würde, wäre vorliegend ungeachtet des fehlenden Vorverfahrens auf die Klage einzutreten, zumal ein solches - wie erwähnt - für Ansprüche aus
Art. 429a ZGB
nicht vorausgesetzt ist. Würde unter den gegebenen Umständen am Vorverfahren als Eintrittsvoraussetzung festgehalten, so führte dies zu einer sachlich nicht zu rechtfertigenden Gabelung des Rechtsweges und damit zu einer unerwünschten Verzögerung des Verfahrens.
Auf die Klage ist daher grundsätzlich einzutreten.
b) Die Klägerin beantragt, es seien sämtliche ärztliche Verlautbarungen und Berichte aus den Akten zu entfernen, soweit sich diese nicht auf den Klinikaufenthalt vom 20. Januar bis zum 2. Februar 1991 bezögen. Mit der Einreichung der strittigen Unterlagen über die anderen Klinikaufenthalte sei das Berufsgeheimnis der einweisenden bzw. behandelnden Ärzte verletzt worden, weshalb diese Tatsachenvorbringen und Unterlagen im vorliegenden Verfahren nicht berücksichtigt werden dürften.
Diese Auffassung ist unzutreffend: Die angesprochenen Einweisungen und Behandlungen erfolgten nicht aufgrund privatrechtlicher Auftragsverhältnisse. Die damit befassten Ärzte handelten vielmehr in amtlicher Eigenschaft und in Verrichtung hoheitlicher Befugnisse (vgl. STEFAN MATTMANN, Die Verantwortlichkeit bei der fürsorgerischen Freiheitsentziehung, Diss. FR 1988, S. 86/4. mit Hinweisen; vgl.
BGE 115 Ib 179
E. 2 mit Hinweisen), unterstanden somit nicht dem Berufs-, sondern allenfalls dem Amtsgeheimnis (
Art. 320 StGB
) und wurden davon entbunden, als der Regierungsrat des Kantons Zürich als vorgesetzte Behörde die einschlägigen Unterlagen ins Recht legte. Entgegen der Ansicht der Klägerin spricht daher nichts gegen eine Verwendung der vom Beklagten vorgebrachten
BGE 118 II 254 S. 258
Tatsachen und Beweismittel, weshalb der Antrag als unbegründet abzuweisen ist.
c) Die Klägerin leitet die Zulässigkeit ihres Feststellungsbegehrens aus
Art. 13 EMRK
ab, wonach der Verletzte berechtigt ist, eine wirksame Beschwerde bei einer nationalen Instanz einzulegen, wenn die in der Konvention festgestellten Rechte und Freiheiten beeinträchtigt worden sind.
Art. 13 EMRK
ist indessen nicht unmittelbar anwendbar, falls im innerstaatlichen Recht bereits eine wirksame Beschwerdemöglichkeit besteht (
BGE 111 Ib 72
E. 3; THOMAS WETZEL, Das Recht auf eine wirksame Beschwerde bei einer nationalen Instanz (
Art. 13 EMRK
) und seine Ausgestaltung in der Schweiz, Diss. BS 1983, S. 63/5.4). Dies trifft für die Schweiz aufgrund von
Art. 429a ZGB
zu, weshalb sich nach schweizerischem Recht beurteilt, ob der Klägerin die Feststellungsklage offensteht. Zulässigkeitsvoraussetzung bildet demnach ein schutzwürdiges Interesse tatsächlicher oder rechtlicher Natur an sofortiger Feststellung, welches in der Regel fehlt, wenn über eine blosse Feststellung hinaus eine vollstreckbare Leistung verlangt werden kann, das hingegen insbesondere zu bejahen ist, falls die Rechtsbeziehungen der Parteien ungewiss sind und die Ungewissheit durch richterliche Feststellung über Bestand und Inhalt des Rechtsverhältnisses beseitigt werden kann. Ferner greift die Feststellungsklage in den Fällen Platz, wo die Verletzung andauert, wo der Schaden noch wächst, der Geschädigte aber an sofortiger Feststellung der Verletzung interessiert ist und die Leistungsklage deshalb vorläufig auf einen Teil des Schadens beschränken muss (
BGE 114 II 255
E. 2a mit Hinweisen). Vorliegend ist kein derartiges besonderes Interesse nachgewiesen oder sonstwie ersichtlich; namentlich wird die Feststellung einer Verletzung der EMRK nicht als Form der Genugtuung verlangt (vgl.
Art. 49 Abs. 2 OR
; MATTMANN, a.a.O., S. 41/2. und 177/I). Es fehlt zudem die Voraussetzung von
Art. 28a Abs. 1 Ziff. 3 ZGB
zur Feststellung der Widerrechtlichkeit einer Verletzung in der Persönlichkeit, nämlich dass sich diese weiterhin störend auswirke.
Auf das Feststellungsbegehren ist folglich nicht einzutreten.
2.
Die Klägerin verlangt Schadenersatz und Genugtuung gestützt auf
Art. 5 Ziff. 5 EMRK
sowie
Art. 429a ZGB
.
a) Gemäss Ziff. 5 von
Art. 5 EMRK
hat jeder, der entgegen den Bestimmungen dieses Artikels von Haft oder Festnahme betroffen worden ist, Anspruch auf Schadenersatz, der auch einen solchen auf Genugtuung umfasst (BBl 1977 III S. 44/25; MATTMANN, a.a.O., S. 41/2. mit Hinweisen). Diese Bestimmung stellt unmittelbar
BGE 118 II 254 S. 259
geltendes Recht dar, das einen selbständigen Anspruch einräumt (
BGE 110 Ia 143
E. 1 mit Hinweisen); sie begründet eine Kausalhaftung (MATTMANN, a.a.O., S. 39/4. mit Hinweisen), deren erste Voraussetzung ein konventionswidriger, also Art. 5 Ziff. 1 lit. a-f oder
Art. 5 Ziff. 2-4 EMRK
verletzender oder ein gegen innerstaatliches Recht verstossender Freiheitsentzug bildet (MATTMANN, a.a.O., S. 35/II/1. mit Hinweisen).
b)
Art. 429a Abs. 1 ZGB
gewährt seinerseits jenem, der durch widerrechtliche Freiheitsentziehung verletzt worden ist, einen Anspruch auf Schadenersatz und, wo die Schwere der Verletzung es rechtfertigt, auf Genugtuung. Er beinhaltet bundesrechtlich eine staatliche Kausalhaftung (MATTMANN, a.a.O., S. 60/2. und 62/II mit Hinweisen), insbesondere auch für Handlungen der vom kantonalen Recht als "geeignete Stelle" (
Art. 397b Abs. 2 ZGB
) bezeichneten Personen, welche hoheitliche Verrichtungen ausüben (MATTMANN, a.a.O., S. 86/4. mit Hinweisen). Widerrechtlichkeit des Freiheitsentzugs als deren erste Voraussetzung ist bei jedem Verstoss gegen Normen des Bundesrechts einschliesslich der EMRK und des kantonalen Rechts gegeben, soweit diese Bestimmungen die Voraussetzungen, die Zuständigkeit und das Verfahren zur fürsorgerischen Freiheitsentziehung regeln (MATTMANN, a.a.O., S. 105/1.).
c) Ob zwischen
Art. 5 Ziff. 5 EMRK
und
Art. 429a ZGB
Anspruchskonkurrenz besteht (MATTMANN, a.a.O., S. 234/III), kann offenbleiben, sofern es an den Voraussetzungen des einzelnen Anspruchs gebricht.
3.
Die Klägerin macht geltend, die durch den behandelnden Arzt angeordnete Einweisung einer Person in eine Anstalt gemäss
Art. 397a ZGB
erfolge nicht auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise im Sinne von
Art. 5 Ziff. 1 EMRK
. Dieser Arzt könne nicht als andere geeignete Stelle gemäss
Art. 397b Abs. 2 ZGB
betrachtet werden, da er zunächst einmal an das Arztgeheimnis gebunden sei und sodann auf ihn die Ausstandsgründe sämtlicher zürcherischer Verfahrensordnungen zuträfen.
a) Gemäss
Art. 397b Abs. 1 ZGB
ist für den Entscheid über die Unterbringung in einer geeigneten Anstalt eine vormundschaftliche Behörde am Wohnsitz oder, wenn Gefahr im Verzug liegt, eine solche am Aufenthaltsort der betroffenen Person zuständig; für die Fälle, wo Gefahr im Verzug liegt oder die Person psychisch krank ist, können die Kantone gemäss Abs. 2 diese Zuständigkeit ausserdem andern geeigneten Stellen übertragen. Gestützt auf diese Bestimmung erklärt § 117a Abs. 3 EGZGB/ZH bei psychisch kranken
BGE 118 II 254 S. 260
Personen auch den Arzt als zuständig; § 117c EGZGB/ZH präzisiert näher dahin, zur Einweisung seien die in der Schweiz praxisberechtigten Ärzte mit eidgenössischem oder gleichwertigem Diplom zuständig; der einweisende Arzt dürfe aber nicht Arzt des aufnehmenden Krankenhauses sein. Sodann muss der einweisende Arzt den Betroffenen persönlich untersuchen. Diese Regelung hält sich, wie das Bundesgericht (I. öffentlichrechtliche Abteilung) in einem unveröffentlichten Entscheid vom 4. Februar 1987 i.S. M./Kanton Zürich, E. 3b erkannt hat, durchaus im Rahmen der den Kantonen durch das Bundesrecht eröffneten Gestaltungsmöglichkeiten.
b) Mit Bezug auf die behauptete Verletzung von Ausstandsregeln gilt, dass die Bestimmungen des Gerichtsverfassungsgesetzes des Kantons Zürich über den Ausstand der Justizbeamten zwar auf das Verfahren der Verwaltungsrechtspflege ergänzend anwendbar sind (§ 71 des zürcherischen Gesetzes über den Rechtsschutz in Verwaltungssachen), jedoch im vorliegenden Fall keine Geltung beanspruchen können: Denn der einweisende Arzt ist kein Justizbeamter; zudem enthält § 117c EGZGB/ZH bezüglich der "andern geeigneten Stellen" des
Art. 397b Abs. 2 ZGB
eine eigene, abschliessende Ausstandsregel, womit weder eidgenössisches noch kantonales Recht die Zuständigkeit des behandelnden Arztes zur Anstaltseinweisung ausschliesst. Ein derartiger Ausschluss wäre im übrigen auch sachlich überhaupt nicht zu rechtfertigen, da der behandelnde Arzt dank seiner zusätzlichen Kenntnisse über seine Patienten weit besser als ein erstmals zugezogener Arzt in der Lage ist, über die Zweckmässigkeit eines Klinikaufenthalts zu entscheiden. In der Botschaft des Bundesrates über die Änderung des ZGB werden denn auch ausdrücklich der behandelnde Haus-, Spezial- oder Spitalarzt als Beispiele einer geeigneten anderen Stelle genannt (BBl 1977 III S. 31/222).
c) Da auch der behandelnde Arzt die betroffene Person vor einer Einweisung persönlich untersuchen muss, trifft es auch nicht zu, dass dieser zufolge der Bindung an das Berufsgeheimnis keine Einweisung vornehmen kann. Von einem insoweit ungesetzlichen Freiheitsentzug kann demnach keine Rede sein.
4.
Die Klägerin hält weiter dafür, in die Anstalt eingewiesen worden zu sein, ohne dass eine der in
Art. 5 Ziff. 1 lit. a-f EMRK
genannten Voraussetzungen erfüllt gewesen sei.
a) Gemäss
Art. 5 Ziff. 1 lit. e EMRK
darf die Freiheit einem Menschen auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise u.a. wegen Geisteskrankheit entzogen werden.
Art. 397a ZGB
bestimmt, eine mündige
BGE 118 II 254 S. 261
Person könne wegen Geisteskrankheit in einer geeigneten Anstalt untergebracht werden, wenn ihr die nötige Fürsorge nicht anders zu erweisen sei. Der Rechtsbegriff der Geisteskrankheit gemäss EMRK geht in seiner Bedeutung weiter als derjenige von
Art. 397a ZGB
, der dem Vormundschaftsrecht (
Art. 369 ZGB
) entnommen worden ist. Er umfasst somit jeden wie auch immer gearteten abnormalen Geisteszustand dauernder Natur (BBl 1977 III S. 23/212.1 mit Hinweisen;
BGE 85 II 460
E. 3 mit Hinweisen; SCHNYDER/MURER, N 42 f. zu
Art. 369 ZGB
mit Hinweisen), jede Form der bei einem Menschen auf Dauer auftretenden psychischen Symptome und Verlaufsweisen, sofern sie nur einen stark auffallenden Charakter haben und einem besonnenen Laien den Eindruck uneinfühlbarer, qualitativ tiefgehend abwegiger, grob befremdender und daher prinzipieller Störungszeichen machen (SCHNYDER/MURER, N 26 f. zu
Art. 369 ZGB
mit Hinweisen).
b) Wie sich aus den Dossiers bezüglich der beiden früheren Anstaltsaufenthalte, aus den Wahrnehmungen Dritter, dem von Dr. med. X. genannten Einweisungsgrund, dem Aufnahmestatus, dem Résumé, dem Behandlungsbericht und der Diagnose "manisches Zustandsbild im Rahmen einer Mischpsychose" ergibt, erfüllten Zustandsbild und Verhalten der Klägerin vor der strittigen Anstaltseinweisung und während des Anstaltsaufenthalts diese Voraussetzungen ohne jeden Zweifel. Zudem beweisen diese Unterlagen, dass der Klägerin die nötige persönliche Fürsorge anders nicht hätte erwiesen werden können (
Art. 397a ZGB
), womit sich der Vorwurf gesamthaft gesehen als haltlos erweist.
5.
Die Klägerin erachtet ferner
Art. 5 Ziff. 2 EMRK
für verletzt, weil sie nicht über die Gründe ihrer Festnahme und über die gegen sie erhobenen Beschuldigungen unterrichtet worden sei.
a) Obwohl die erwähnte Bestimmung ihrem Wortlaut nach einzig auf das Strafverfahren zugeschnitten zu sein scheint, ist sie auf den Fall der fürsorgerischen Freiheitsentziehung anwendbar (vgl. Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte i.S. van der Leer in Revue Universelle des Droits de l'Homme, 1990 vol. 2 No 2, S. 63 II.). Das ändert jedoch nicht das Geringste daran, dass die Klägerin für ihre vom Beklagten bestrittene Behauptung, über die Gründe der Anstaltseinweisung nicht unterrichtet worden zu sein, keine Beweismittel anerboten, geschweige denn den Beweis für die Richtigkeit der Aussage erbracht hat. Die Behauptung muss daher als unbewiesen gelten. Abgesehen davon erweist sich die Annahme, ein Arzt, der wie hier auch behandelnder Arzt ist, ordne die
BGE 118 II 254 S. 262
fürsorgerische Freiheitsentziehung an, ohne die davon betroffene Person zumindest mündlich und damit in rechtsgenügender Weise (BBl 1977 III S. 34/232.1) über die Gründe der Einweisung aufzuklären, als lebensfremd. Dass die Klägerin schriftlich über ihre Rechte bei einer Zurückbehaltung in der Anstalt oder Abweisung eines Entlassungsgesuches unterrichtet worden ist, wird durch die vorgelegte, von ihr unterzeichnete "Rechtsmittelbelehrung" nachgewiesen.
b) Inwiefern im Zusammenhang mit der Anstaltseinweisung Beschuldigungen gegen die Klägerin hätten erhoben werden können oder effektiv erhoben worden wären, ist nicht ersichtlich. Sie konnte daher über solche auch nicht unterrichtet werden. Das dürfte bei der fürsorgerischen Freiheitsentziehung denn auch kaum je aktuell werden (BBl 1977 III S. 34/232.1).
6.
Die Klägerin bringt schliesslich vor, sie habe insbesondere zwangsweise chemische Präparate einnehmen müssen oder sie seien ihr zwangsweise injiziert worden; mehrmals sei sie dazu an ihr Bett gefesselt gewesen. Die verabreichten Präparate hätten ihre Gedanken und Gefühle beeinträchtigt, das Bewusstsein getrübt, die Motorik gestört, die Reaktionsfähigkeit verlangsamt, die Willens- und Widerstandskraft geschwächt sowie Mund und Nase ausgetrocknet. Die Klägerin wertet diese Behandlung als Folter im Sinne von
Art. 3 EMRK
und verlangt unter diesem Titel Schadenersatz und Genugtuung.
a)
Art. 5 EMRK
kommt als Haftungsnorm nicht in Frage, da sein Anspruch ausdrücklich nur auf einem den Bestimmungen von Art. 5 Ziff. 1-4 widersprechenden Freiheitsentzug gründet. Ein Freiheitsentzug im Sinne von
Art. 5 Ziff. 5 EMRK
kann aber weder in der medikamentösen Zwangsbehandlung noch in einer zu diesem Zweck oder auch bloss zur Beruhigung vorgenommenen Fixierung liegen, da eine solche Massnahme zwar die persönliche Freiheit der betroffenen Person vorübergehend weiter einschränkt als eine fürsorgerische Freiheitsentziehung, jedoch Teil der Betreuung und Behandlung im Rahmen der Freiheitsentziehung bildet.
b) Auch
Art. 429a Abs. 1 ZGB
erfasst nur den Entzug der Bewegungsfreiheit, nicht aber Eingriffe in die körperliche oder psychische Integrität der betroffenen Person. Das ergibt sich zum einen besonders deutlich aus dem französischen und italienischen Wortlaut der Gesetzesbestimmung, in dem das Rechtsgut mit "Freiheit" und die Verletzungshandlung mit den Begriffen "unterbringen" oder "zurückbehalten" umschrieben wird, und lässt sich ferner zweifelsfrei
BGE 118 II 254 S. 263
aus der Kapitelüberschrift "Die fürsorgerische Freiheitsentziehung" herauslesen. Im weiteren gilt es zu beachten, dass mit der Revision alle fürsorgerischen freiheitsentziehenden Massnahmen in Übereinstimmung mit der EMRK und einheitlich für die ganze Schweiz geregelt werden sollten (BBl 1977 III S. 21/15; vgl. MATTMANN, a.a.O., S. 80/A/I/2). Diese nationale Regelung entsprach
Art. 5 EMRK
, sofern sie nur, aber immerhin, den Tatbestand des Entzugs der Bewegungsfreiheit regelte. Dem hat die schweizerische Gesetzgebung Rechnung getragen: Während im Entwurf der Unterkommission für die Revision des Versorgungsrechts noch von "Versorgung" die Rede war, wurde der Begriff "Freiheitsentzug" erstmals im Vorentwurf vom 26. Januar 1974 und anschliessend im Botschaftsentwurf vom 17. August 1974 verwendet (vgl. MATTMANN, a.a.O., S. 82). Der Bundesrat äusserte sich in seiner Botschaft (BBl 1977 III S. 21) allgemein zur Gesetzesnovelle und machte dabei klar, dass das Wort "Freiheitsentziehung" als gemeinsamer Oberbegriff für die Tatbestände der "Unterbringung" und "Zurückbehaltung" zu verstehen sei, worauf schliesslich, entgegen einem Antrag von Nationalrat Eggli, anstelle des Begriffs der "Versorgung" derjenige der "fürsorgerischen Freiheitsentziehung" gewählt wurde. Anlässlich der Erläuterung dieser Formulierung im Nationalrat betonte Bundesrat Furgler, mit dem Begriff werde nichts zur Betreuungsart ausgesagt, sondern einzig die Frage behandelt, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Verfahren eine Person in eine Anstalt eingewiesen und ihr dadurch die Freiheit entzogen werden dürfe (Sten.Bull. NR 1978 S. 748/754). Wird aber
Art. 397a ZGB
in diesem Sinne verstanden, so kann
Art. 429a ZGB
ebensowenig wie
Art. 5 Ziff. 5 EMRK
die medikamentöse Zwangsbehandlung oder die zu diesem Zweck vorgenommene Fixierung zum Gegenstand haben.
c) Selbst bei gegenteiliger Ansicht könnte die Klägerin nichts zu ihren Gunsten ableiten; denn in diesem Fall wäre § 61 der Verordnung über die kantonalen Krankenhäuser vom 28. Januar 1981 zu beachten, der körperlichen Zwang in Notfällen ausdrücklich zulässt. Dass solch ein Notfall angesichts der mehrfachen Weigerung der Klägerin, sich behandeln zu lassen, aber auch wegen ihrer körperlichen Gegenwehr bejaht werden müsste, steht ausser Frage. | public_law | nan | de | 1,992 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
c716ddf8-62b3-413c-8c0b-6ef6bac4dde2 | Urteilskopf
119 II 473
95. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 21. Dezember 1993 i.S. Rösch Waschmittel AG gegen Lever AG (Berufung) | Regeste
Art. 3 Abs. 1 lit. c MSchG
; Markenschutz; Verwechslungsgefahr zwischen zwei Marken.
Keine Verwechslungsgefahr besteht zwischen den für Waschmittel bestimmten Marken "Radion" und "Radomat". | Sachverhalt
ab Seite 473
BGE 119 II 473 S. 473
Die Sunlight AG war Inhaberin der erstmals am 6. April 1935 für Waschmittel hinterlegten Marke "Radion". Mit Eintrag vom 13. März 1987 wurde die Firma Sunlight AG in Lever AG geändert. Die Rösch Waschmittel AG produziert und verkauft in der Schweiz ihrerseits verschiedene Waschmittel, wobei sie eines davon unter der Marke "Radomat" vertreibt. Sie hinterlegte diese Wortmarke am 8. Juli 1987.
Mit Schreiben vom 21. Juli 1989 teilte die Lever AG der Rösch Waschmittel AG mit, die Marke "Radomat" sei mit "Radion" stark verwechselbar, weshalb sie aufgefordert werde, die Marke in Zukunft nicht mehr zu verwenden. Die Rösch Waschmittel AG antwortete am 8. August 1989, sie teile diese Auffassung nicht und könne die erbetene Bestätigung, die Marke "Radomat" nicht zu benutzen, nicht
BGE 119 II 473 S. 474
abgeben. Am 1. Februar 1991 stellte die Lever AG fest, dass die Rösch Waschmittel AG der Aufforderung nach Löschung der Marke "Radomat" nicht nachgekommen sei, und beharrte auf ihrem ursprünglichen Begehren. Auch die Rösch Waschmittel AG bekräftigte ihren bereits früher eingenommenen Standpunkt.
Die darauf von der Lever AG erhobene Unterlassungs- und Nichtigkeitsklage wurde vom Handelsgericht des Kantons St. Gallen mit Urteil vom 6. April 1993 geschützt. Die Beklagte hat dieses Urteil mit Berufung angefochten, die vom Bundesgericht gutgeheissen wird.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Die Beklagte wirft dem Handelsgericht in zweifacher Hinsicht eine Verletzung von Bundesrecht vor. Zum einen, macht sie geltend, habe das Gericht unzutreffenderweise die von ihr erhobene Verwirkungseinrede abgewiesen. Zum andern habe die Vorinstanz in Verletzung von
Art. 3 Abs. 1 lit. c und
Art. 13 MSchG
(SR 232.11) entschieden, die beiden Marken "Radomat" und "Radion" seien verwechselbar, d.h. zu wenig unterscheidungskräftig. Wie es sich mit dem ersten Vorbringen verhält, kann offenbleiben, da sich - wie zu zeigen sein wird - der zweite Einwand als begründet erweist und die Klage aus diesem Grund in Gutheissung der Berufung abzuweisen ist.
a) Das neue Bundesgesetz vom 28. August 1992 über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben (MSchG, AS 1993 274 ff.) ist mit Ausnahme von Art. 36 am 1. April 1993 in Kraft getreten. Nach
Art. 76 Abs. 1 MSchG
unterstehen die beim Inkrafttreten dieses Gesetzes hinterlegten oder eingetragenen Marken - abgesehen von hier nicht interessierenden Ausnahmen - von diesem Zeitpunkt an dem neuen Recht. Mit dem Handelsgericht ist somit vom neuen Gesetz auszugehen. Gemäss
Art. 3 Abs. 1 lit. c MSchG
sind vom Markenschutz ausgenommen Zeichen, die einer älteren Marke ähnlich und für gleiche oder gleichartige Waren oder Dienstleistungen bestimmt sind, so dass sich daraus eine Verwechslungsgefahr ergibt. Wie die Vorinstanz zu Recht erkannt hat, hält diese Bestimmung einen markenrechtlichen Grundsatz fest, der, allerdings in anderer Formulierung, schon in
Art. 6 aMSchG
enthalten war. Ein Zeichen ist demnach dann vom Markenschutz ausgeschlossen, wenn wegen seiner Ähnlichkeit mit einer älteren Marke für das Publikum die Gefahr einer Verwechslung besteht, wobei es auch nach neuem Recht
BGE 119 II 473 S. 475
dem Richter obliegt, anhand allgemeiner und objektiver Kriterien zu beurteilen, ob eine Verwechslungsgefahr besteht oder nicht (Botschaft des Bundesrates zum MSchG, BBl 1991 I 21). Da das MSchG in diesem Punkt materiell keine neue Regelung enthält, können weiterhin zum alten Recht ergangene Entscheide beigezogen werden.
b) Unbestritten ist, dass zwischen den durch die beiden Zeichen gekennzeichneten Waren vorliegend Warengleichartigkeit besteht, da sowohl "Radion" wie "Radomat" als Bezeichnung für Waschmittel benützt werden. Zu Recht nicht angefochten wird ausserdem die Auffassung des Handelsgerichts, für die Frage der genügenden Unterscheidbarkeit seien die beiden Marken als solche, wie sie eingetragen sind, unabhängig von der jeweiligen Ausstattung, zu vergleichen.
c) Die Verwechslungsgefahr wird als Rechtsfrage vom Bundesgericht frei geprüft. Dies gilt auch insoweit, als sie sich nach dem Verständnis des allgemeinen Publikums, welches die streitigen Leistungen in Anspruch nimmt, beurteilt. Der Begriff der Verwechslungsgefahr ist dabei für den Bereich des gesamten Kennzeichnungsrechts ein einheitlicher (
BGE 117 II 199
E. 2a S. 201,
BGE 116 II 365
E. 4a S. 370, je mit weiteren Hinweisen).
Grundfunktion bzw. Zweck der Marke ist, die gekennzeichneten Waren von ähnlichen oder gleichartigen Waren zu unterscheiden, um eine Individualisierung der Waren oder auch des Herstellers durch die Verbraucher zu ermöglichen, die so in die Lage versetzt werden sollen, ein einmal geschätztes Produkt aus der Menge gleichartigen Angebots wiederzufinden (CARL-STEPHAN SCHWEER, Die erste Markenrechts-Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft und der Rechtsschutz bekannter Marken, Diss. Freiburg im Breisgau, 1992, S. 31 mit Hinweisen). Dabei hat der angerufene Richter die Unterscheidbarkeit zweier Marken gemäss ständiger Rechtsprechung nach dem Gesamteindruck zu beurteilen, den sie insbesondere beim kaufenden Publikum hinterlassen, der jedoch auch durch einen einzelnen Bestandteil entscheidend beeinflusst werden kann (
BGE 112 II 362
E. 2 S. 364 mit Hinweisen; KAMEN TROLLER, Manuel du droit suisse des biens immatériels, Band I, S. 147 f. mit weiteren Hinweisen). Ein strenger Massstab ist insbesondere anzulegen, wenn die Waren weitgehend identisch sind und wenn es sich um Massenartikel des täglichen Gebrauchs handelt (
BGE 117 II 321
E. 4 S. 326 mit Hinweisen). Bei Marken, die nur aus einem Wort bestehen, wird der Gesamteindruck durch deren Klang und Schriftbild bestimmt. Der Klang seinerseits ist bedingt durch das Silbenmass, die
BGE 119 II 473 S. 476
Aussprachekadenz und die Aufeinanderfolge der Vokale, während das Bild vor allem durch die Wortlänge und durch die Gleichartigkeit oder Verschiedenheit der verwendeten Buchstaben gekennzeichnet wird (
BGE 102 II 122
E. 2 S. 126, 90 II 43 E. 5 S. 48,
BGE 88 II 378
E. 2).
d) Wie die Vorinstanz zutreffend feststellt, besteht in bezug auf die Aufeinanderfolge der Vokale insofern ein Unterschied, als sie bei "Radion" "A-I-O" und bei "Radomat" "A-O-A" lautet. Ebenfalls richtig ist, dass beide Marken an sich dreisilbig sind, wobei freilich in "Radion" die beiden letzten Silben ("dion") infolge der Verbindung des "i" mit dem "o" gewöhnlicherweise als nur eine Silbe gehört werden. Bei den zwei Zeichen stimmt lediglich die erste Silbe, nämlich das "Ra", überein. Die weiteren Silben "di" und "do" können deutlich unterschieden werden; bei "di" in "Radion" ist der helle Vokal "i" vorhanden, während in "Radomat" das klar unterscheidbare, dunklere "o" enthalten ist. Völlig verschieden lauten mit "on" bzw. "mat" die dritten Silben. Mit Recht wendet die Beklagte ein, die Übereinstimmung lediglich einer Silbe in zwei dreisilbigen Marken könne nicht zu einem übereinstimmenden Gesamteindruck führen. Dies selbst dann nicht, wenn mit dem Handelsgericht davon ausgegangen wird, dass nicht nur "Radion", sondern auch "Radomat" wohl üblicherweise auf der ersten und nicht auf der letzten Silbe betont wird. Die von der Vorinstanz ebenfalls vorgenommene Aufteilung der Vergleichszeichen in die Bestandteile "Rad-ion" und "Rad-omat" ergibt kein anderes Ergebnis. Wohl stimmen die ersten drei Buchstaben ("Rad") überein, doch sind die restlichen deutlich verschieden; den drei Buchstaben "I-O-N" stehen die vier Buchstaben "O-M-A-T" gegenüber. Abgesehen davon, dass es fraglich ist, ob es sich bei den Bestandteilen "ion" bzw. "(o)mat" um eigentliche Endungen handelt, kann jedenfalls nicht gesagt werden, der Gesamteindruck werde entscheidend durch den Bestandteil "Rad" geprägt. Dass, wie die Vorinstanz ausführt, "Radion" und "Radomat" aufgrund ihres Wortklanges schliesslich gewisse Ähnlichkeiten aufweisen, reicht nicht aus, um bei einer Beurteilung nach dem Gesamteindruck eine Verwechslungsgefahr zu bejahen.
Verwechslungsgefahr bedeutet nicht schon die blosse, entfernte Möglichkeit einer Verwechslung, sondern sie setzt voraus, dass der Durchschnittsverbraucher wahrscheinlich einer Verwechslung unterliegt (BRUNNER/HUNZIKER, Die Verwechslungsgefahr von Marken und das erhöhte Rechtsschutzbedürfnis des Markeninhabers im Marketing, in Marke und Marketing, Bern 1990, S. 330). Dies ist hier entgegen der Ansicht des Handelsgerichts zu verneinen, und
BGE 119 II 473 S. 477
zwar auch bei Anlegung des bei Identität der Waren sowie bei Massenartikeln des täglichen Gebrauchs verlangten strengen Massstabes. Denn einerseits ist davon auszugehen, dass die schweizerische Durchschnittskäuferin - nicht zuletzt aufgrund der intensiven Werbung - bezüglich Waschmittel über ein recht gutes Erinnerungsvermögen verfügt und zwischen dem seit langem bekannten "Radion" und der neuen Marke "Radomat" sehr wohl zu unterscheiden vermag. Anderseits genügt die Gemeinsamkeit der ersten drei Buchstaben ("Rad") nicht für die Annahme, "Radion" und "Radomat" seien Serienmarken, bzw. der Verkehr würde deswegen zur Annahme verleitet, die mit dem zweiten Zeichen versehene Ware sei von derselben kommerziellen Herkunft wie die mit dem ersten Zeichen versehene Ware. Dies träfe nur zu, wenn der Verkehr aufgrund des Gesamteindruckes in der jüngeren Marke das Originalzeichen zu erkennen vermöchte oder wenn der gleiche Wortstamm in den beiden Zeichen nach Auffassung der Verbraucher auf ein bestimmtes Unternehmen hinwiese (BRUNNER/HUNZIKER, a.a.O., S. 332 f.). Beides ist im vorliegenden Fall zu verneinen. Sowohl das Schriftbild wie vor allem auch der Wortklang schliessen bei einem Vergleich zwischen "Radion" und "Radomat" die Verwechslungsgefahr aus, der
Art. 3 Abs. 1 lit. c MSchG
bzw.
Art. 6 Abs. 1 aMSchG
begegnen soll (vgl.
BGE 112 II 362
E. 2 S. 364). | public_law | nan | de | 1,993 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
c719aab4-87da-4195-9fea-b558e0d07ca4 | Urteilskopf
106 Ia 201
38. Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 26. September 1980 i.S. Doering gegen Standeskommission des Kantons Appenzell I.Rh. (staatsrechtliche Beschwerde) | Regeste
Gesetzliche Grundlage von Kausalabgaben.
Rechtsnatur von Verordnungen, deren Erlass die Landsgemeinde des Kantons Appenzell I.Rh. an den Grossen Rat delegiert hat; Anforderungen an die gesetzliche Grundlage solcher Verordnungen im Hinblick auf die Erhebung von Abgaben (E. 2).
Verteilung der Kosten eines Quartierplanes auf die Grundeigentümer (E. 3). | Sachverhalt
ab Seite 201
BGE 106 Ia 201 S. 201
Albert Doerig-Tuena ist Eigentümer eines überbauten Grundstückes im "Blattenrain-Kreuzhof"-Quartier in Appenzell. Dieses Quartier bildet Gegenstand eines Quartierplanes, der am 21. April 1971 von der Feuerschaugemeinde Appenzell erlassen worden ist. Mit Schreiben vom 13. September 1974 gab die Feuerschau-Verwaltung Doerig bekannt, dass sich die gesamten Kosten der Quartierplanung auf Fr. 6'812.10 beliefen
BGE 106 Ia 201 S. 202
und dass diese auf die Grundeigentümer des Quartiers im Verhältnis der Fläche ihrer Grundstücke zu verteilen seien. Doerig wurde dementsprechend ein Kostenanteil von Fr. 336.05 auferlegt. Gegen diese Kostenauflage rekurrierte Doerig an die Standeskommission des Kantons Appenzell Innerrhoden. Diese wies den Rekurs mit Entscheid vom 14. November 1978 ab.
Mit staatsrechtlicher Beschwerde beantragt Doerig die Aufhebung des Entscheids der Standeskommission, soweit damit die ihm auferlegten Quartierplankosten bestätigt worden sind. Er rügt eine Verletzung von
Art. 4 BV
und des Grundsatzes der Gewaltenteilung. Er macht geltend, die angefochtene Kostenauflage könne sich nicht auf eine genügende gesetzliche Grundlage stützen; im übrigen seien die Voraussetzungen für die Erhebung einer Vorzugslast nicht gegeben.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Art. 30 Abs. 4 des am 28. April 1963 von der Landsgemeinde beschlossenen Baugesetzes des Kantons Appenzell Innerrhoden bestimmt:
"Der Grosse Rat erlässt für die Erstellung von Quartierplänen besondere
Vollziehungsvorschriften."
Gestützt auf diese Bestimmung traf der Grosse Rat in der Vollziehungsverordnung zum Baugesetz vom 14. April 1964 folgende Regelung hinsichtlich der Verfahrenskosten von Quartierplänen und Baulandumlegungen (Art. 19 Abs. 1 der Verordnung):
"Die Kosten des Quartierplanes und der Baulandumlegung haben die
Beteiligten zu tragen. Eigentümer bereits überbauter Grundstücke, die nicht
in die Baulandumlegung einbezogen wurden, können zur Kostentragung
beigezogen werden, wenn die Quartierplanung zu einer späteren besseren
Erschliessung ihres Grundstückes führt."
Die Feuerschau-Verwaltung Appenzell stützte die vom Beschwerdeführer angefochtene Kostenauflage auf die zitierte Verordnungsbestimmung.
2.
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts bedürfen alle öffentlichen Abgaben - mit Ausnahme der Kanzleigebühren - der Grundlage in einem Gesetz im formellen Sinn, d.h. in einem dem Referendum unterstehenden Erlass. Das bedeutet nicht, dass der Gesetzgeber die Befugnis zur
BGE 106 Ia 201 S. 203
Festsetzung der Abgabe nicht an eine untergeordnete Behörde übertragen dürfte; das Gesetz hat jedoch in solchen Fällen den Kreis der Abgabepflichtigen, den Gegenstand der Abgabe und deren Bemessung in den Grundzügen selber festzulegen (
BGE 105 Ia 4
, 144 f. E. 5a;
BGE 104 Ia 115
E. 3). Diese Grundsätze gelten für die Steuern ohne Vorbehalt. Bei Gebühren hat das Bundesgericht in jüngster Zeit jedoch auf das Erfordernis der formellgesetzlichen Grundlage verzichtet, wenn die in Frage stehende Gebühr einen stark technischen Charakter aufwies oder rasch wandelnden Verhältnissen unterworfen war. Dieser Vorbehalt wurde insbesondere damit begründet, dass der Betroffene mit Rücksicht auf das Wesen der Gebühr sich stets auf das Kostendeckungs- und Äquivalenzprinzip berufen könne (
BGE 105 Ia 145
E. 5a mit Hinweisen).
b) Im vorliegenden Fall stellt sich die Frage, ob die Verordnungen des appenzell-innerrhodischen Grossen Rates im Hinblick auf das bundesrechtliche Erfordernis der formellgesetzlichen Grundlage als Gesetz oder als Verordnung zu betrachten sind. Die Standeskommission führt gestützt auf BROGER (Der Grosse Rat im innerrhodischen Recht, Diss. Freiburg 1951, S. 175 f.) aus, die innerrhodische Verfassung kenne zwar weder ein obligatorisches noch fakultatives Referendum für die vom Grossen Rat erlassenen Verordnungen und Reglemente. Ein einzelner Stimmberechtigter könne jedoch an der Landsgemeinde den Erlass, die Änderung oder die Aufhebung eines Gesetzes beantragen. Dieses Antragsrecht beziehe sich auch auf Materien, deren Regelung die Landsgemeinde dem Grossen Rat delegiert habe. Der Stimmbürger könne somit auch die Aufhebung und Abänderung von Verordnungen des Grossen Rats beantragen und verfüge auf diese Weise über ein Referendumsrecht. Die Standeskommission kommt zum Schluss, bei dieser Rechtslage müssten die Verordnungen des Grossen Rates im Hinblick auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung als Gesetze im formellen Sinn betrachtet werden. Die Vollziehungsverordnung zum Baugesetz vom 14. April 1964 bilde daher eine formellgesetzliche und somit genügende Grundlage für die dem Beschwerdeführer auferlegten Quartierplankosten.
Das Verfassungsrecht des Kantons Appenzell Innerrhoden stellt in der Tat ein Verfahren zur Verfügung, um Verordnungen des Grossen Rates aufzuheben oder abzuändern, das den Bürgern einen ähnlichen Schutz bietet wie die Einrichtung des
BGE 106 Ia 201 S. 204
Referendums in anderen Kantonen. Die Auffassung, die aufgrund einer Delegation ergangenen Verordnungen des appenzell-innerrhodischen Grossen Rates, seien als Gesetze im formellen Sinn zu betrachten, lässt sich daher mit guten Gründen vorbringen. Wie es sich damit verhält, braucht indes im vorliegenden Fall nicht weiter geprüft zu werden. Auch wenn die Vollziehungsverordnung zum Baugesetz nicht selber als Gesetz im formellen Sinn betrachtet werden kann, darf - wie sich zeigen wird - immerhin davon ausgegangen werden, dass sich diese Verordnung auf ein Gesetz im formellen Sinn stützen lässt.
c) Mit dem Antragsrecht an der Landsgemeinde stellt das appenzell-innerrhodische Recht den Bürgern ein Verfahren zur Aufhebung von Verordnungen zur Verfügung, das einem Referendum zumindest nahe kommt. Der Schutz vor Verordnungen, welche von einem anderen Organ als dem Gesetzgeber erlassen werden, braucht daher nicht ausschliesslich durch eine strenge Handhabung der Delegationsgrundsätze gewährleistet zu werden. Unter diesen Umständen ist es zulässig, die Anforderungen, die nach der Rechtsprechung in der Regel an die gesetzliche Grundlage zu stellen sind, im Fall einer Verordnungsdelegation an den appenzell-innerrhodischen Grossen Rat herabzusetzen.
Art. 30 Abs. 3 des Baugesetzes beauftragt den Grossen Rat, Vollziehungsvorschriften für die Erstellung von Quartierplänen zu erlassen. Zu den Vorschriften über die Erstellung von Quartierplänen gehören auch solche über die Verteilung der Kosten, welche durch diese Arbeit entstanden sind. Im Hinblick auf die besondere verfassungsrechtliche Situation im Kanton Appenzell Innerrhoden darf im weiteren davon ausgegangen werden, die Grundlage in Art. 30 Abs. 4 des Baugesetzes reiche auch aus für die Verteilung der Kosten des Quartierplanes auf die Beteiligten, wie sie in Art. 19 Abs. 1 der Vollziehungsverordnung vorgesehen ist. Die gesetzliche Grundlage für diese Bestimmung kann auch darum als genügend betrachtet werden, weil die Behörde bei der Verteilung dieser Kosten das Kostendeckungs- und Äquivalenzprinzip zu beachten hat.
Die Rüge, der Grosse Rat habe mit dem Erlass von Art. 19 Abs. 1 der Vollziehungsverordnung zum Baugesetz das Prinzip der Gewaltenteilung verletzt, geht somit fehl.
3.
Ob es sich beim angefochtenen Beitrag an die Kosten des Quartierplanes um eine Vorzugslast oder um eine Gebühr
BGE 106 Ia 201 S. 205
handelt, braucht nicht geprüft zu werden. In beiden Fällen ist die Kostenauflage nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zulässig, wenn sie weder das Kostendeckungs- noch das Äquivalenzprinzip verletzt. Die Verteilung der Gesamtkosten auf die einzelnen Beteiligten muss im übrigen nach sachlich haltbaren Gesichtspunkten ausgestaltet sein und darf keine Unterscheidungen treffen, für die ein vernünftiger Grund nicht ersichtlich ist (
Art. 4 BV
).
Das Kostendeckungsprinzip wurde im vorliegenden Fall nicht verletzt, da die einzelnen, den Beteiligten auferlegten Beträge die Gesamtkosten des Quartierplanes nicht übersteigen.
Im weiteren wurden die Anforderungen des Äquivalenzprinzips beachtet, da davon ausgegangen werden kann, der bescheidene Kostenanteil von Fr. 336.05 stehe in einem angemessenen Verhältnis zum Vorteil einer geordneten Überbauung des Quartiers, welche durch den Quartierplan gewährleistet wird. Ein weiterer Vorteil, insbesondere derjenige einer späteren besseren Erschliessung eines Grundstückes, musste die Standeskommission nicht nachweisen, um dem Beschwerdeführer für die Erstellung des Quartierplanes Kosten aufzuerlegen. Der Vorteil einer späteren besseren Erschliessung eines Grundstückes muss nach Art. 19 Abs. 1 der Vollziehungsverordnung nur dann dargetan werden, wenn einem Eigentümer eines bereits überbauten Grundstückes Kosten einer Baulandumlegung, in die sein Grundstück nicht einbezogen wurde, auferlegt werden. Eine solche Baulandumlegung ist im vorliegenden Fall jedoch nicht durchgeführt worden.
Die Aufteilung der Kosten des Quartierplanes unter die Grundeigentümer im Verhältnis der Fläche ihrer Grundstücke ist sachlich haltbar, denn es kann mit guten Gründen vorgebracht werden, die Grundstücke profitierten von der Quartierplanung im Verhältnis ihrer Grösse. Bei dieser Sachlage bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass mit der beanstandeten Kostenauflage Unterscheidungen getroffen werden, für die ein vernünftiger Grund nicht ersichtlich ist. Die im angefochtenen Entscheid durchgeführte Kostenverteilung hält somit vor
Art. 4 BV
stand.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen. | public_law | nan | de | 1,980 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
c719ee93-a588-4856-a7a3-71e2c56458ae | Urteilskopf
101 II 172
32. Urteil der I. Zivilabteilung vom 15. Mai 1975 i.S. Grimm gegen Strebel. | Regeste
Art. 50 Abs. 1 OG
.
Ein Endentscheid im Sinne dieser Bestimmung kann nur dann sofort herbeigeführt werden, wenn das Bundesgericht selbst ihn fällen kann. | Sachverhalt
ab Seite 172
BGE 101 II 172 S. 172
A.-
Grimm als Arbeitnehmer klagte gegen Frau Strebel auf Zahlung von Fr. 8'365.-- nebst 5% Zins seit 1. Januar 1974 "(abzüglich AHV/IV)". Er berief sich auf ein Arbeitsverhältnis, das er auf Ende Dezember 1973 gekündigt hatte.
Das Bezirksgericht Zürich führte im Urteil vom 21. Mai 1974 aus, die Beklagte habe trotz Fristansetzung die Klage nicht beantwortet. Damit habe sie gemäss
§ 150 ZPO
die tatsächlichen Klagegründe anerkannt und auf jegliche Einrede verzichtet. Da die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche als ausgewiesen erschienen, sei die Klage daher in vollem Umfange gutzuheissen. Das Bezirksgericht erkannte deshalb: "Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger Fr. 8'365.-- zu bezahlen nebst 5% Zins seit 1. Januar 1974 (abzüglich AHV/IV)."
B.-
Die Beklagte appellierte an das Obergericht des Kantons Zürich, das dieses Urteil am 20. Februar 1975 aufhob und den Prozess "im Sinne der Erwägungen zur Durchführung des Beweisverfahrens und zu neuer Entscheidung" an die
BGE 101 II 172 S. 173
erste Instanz zurückwies. Die Begründung lautet im wesentlichen dahin,
Art. 343 Abs. 4 OR
verlange, dass der Richter den Sachverhalt von Amtes wegen feststelle und die Beweise nach freiem Ermessen würdige.
§ 150 ZPO
sei daher nicht anzuwenden. Das Bezirksgericht dürfe nicht Anerkennung der tatsächlichen Klagegründe und Verzicht auf Einreden annehmen, sondern habe das Urteil auf Grund der Akten zu fällen und demgemäss zu entscheiden, für welche eingeklagten Posten ein Beweisverfahren noch durchzuführen sei. Dabei müsse auch der Beklagten Gelegenheit geboten werden, den Gegenbeweis anzutreten. Die von ihr im Rahmen des Appellationsverfahrens bereits eingelegten Urkunden seien in diesem Zusammenhang wohl mitzuberücksichtigen. Ob auch die von der Beklagten erst im Rahmen des Novenrechtes erhobenen Verrechnungseinreden in die Überlegungen miteinzubeziehen seien, habe vorerst frei das Bezirksgericht zu entscheiden.
C.-
Der Kläger hat gegen das Urteil des Obergerichtes Berufung eingelegt. Er beantragt, es aufzuheben und das erstinstanzliche Urteil zu bestätigen.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Gegen einen selbständigen Vor- oder Zwischenentscheid, wie er hier vorliegt, ist die Berufung nur zulässig, "wenn dadurch sofort ein Endentscheid herbeigeführt und ein so bedeutender Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren erspart werden kann, dass die gesonderte Anrufung des Bundesgerichtes gerechtfertigt erscheint" (
Art. 50 Abs. 1 OG
).
Ein Endentscheid kann nur dann sofort herbeigeführt werden, wenn das Bundesgericht selbst ihn fällen kann. Im vorliegenden Falle ist das ausgeschlossen. Das Obergericht hat nur entschieden,
Art. 343 Abs. 4 OR
gehe dem
§ 150 ZPO
vor, der bestimmt, "dass Anerkennung der tatsächlichen Klagegründe und Verzicht auf Einreden angenommen werde, wenn der Beklagte die Klage innert der angesetzten Frist nicht beantworte". Sollte diese statt jene Norm anzuwenden sein, so ergäbe sich daraus nicht ohne weiteres - jedenfalls nicht von Bundesrechts wegen -, dass die Klage gutgeheissen werden müsse, wie der Kläger meint. Die Sache wäre an das Obergericht zurückzuweisen, damit es den prozessual zu berücksichtigenden
BGE 101 II 172 S. 174
Sachverhalt feststelle und das Klagebegehren materiell beurteile. Daran vermag auch die Erklärung des Klägers, er sei im Sinne eines Eventualantrages bereit, die von der Beklagten in zweiter Instanz eingereichten Beweismittel gegen sich gelten zu lassen, nichts zu ändern.
2.
Da auf die Berufung schon gemäss
Art. 50 OG
nicht eingetreten werden kann, braucht nicht entschieden zu werden, ob der Streitwert wenigstens Fr. 8'000.-- erreicht (
Art. 46 OG
). Dass er gegeben sei, versteht sich nicht von selbst, denn der Kläger hat den Betrag von Fr. 8'365.-- nur "abzüglich AHV/IV" eingeklagt, und das Bezirksgericht hat ihm denselben ebenfalls nur "abzüglich AHV/IV" zugesprochen.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Auf die Berufung wird nicht eingetreten. | public_law | nan | de | 1,975 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
c71b85ba-b797-4107-9c17-410d930cd987 | Urteilskopf
133 III 490
61. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. Alstom Technology Ltd. gegen Eidgenössisches Institut für Geistiges Eigentum (Beschwerde in Zivilsachen)
4A_116/2007 vom 27. Juni 2007 | Regeste
Markenschutz;
Art. 74 BGG
.
Ein Markeneintragungsbegehren ist eine vermögensrechtliche Angelegenheit im Sinn von
Art. 74 Abs. 1 BGG
(E. 3.2). Bestimmung des Streitwerts (E. 3.3 und 3.4). | Sachverhalt
ab Seite 491
BGE 133 III 490 S. 491
Die Alstom Technology Ltd., Baden (Gesuchstellerin, Beschwerdeführerin) meldete am 18. April 2005 eine dreidimensionale Marke "Turbinenfuss" beim Eidgenössischen Institut für Geistiges Eigentum (IGE) an. Die Marke wird für Waren der internationalen Klasse 7 beansprucht, insbesondere für Komponenten von Strömungsmaschinen.
Das IGE wies das Markeneintragungsgesuch mit Verfügung vom 12. Juli 2006 für alle beanspruchten Waren zurück. Mit Urteil vom 14. März 2007 wies das Verwaltungsgericht des Bundes die Beschwerde der Gesuchstellerin ab und bestätigte die Verfügung des IGE. Das Bundesgericht weist die von der Beschwerdeführerin gegen diesen Entscheid erhobene Beschwerde in Zivilsachen ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
Streitgegenstand bildet die Eintragung der dreidimensionalen Form "Turbinenfuss" ins Register für Marken. Dafür ist nach Art. 72 Abs. 2 lit. b Ziff. 2 BGG die Beschwerde in Zivilsachen das massgebende Rechtsmittel, die in vermögensrechtlichen Angelegenheiten grundsätzlich nur zulässig ist, wenn ein bestimmter Streitwert erreicht wird (
Art. 74 BGG
). Die Vorinstanz hat den Streitwert auf Fr. 25'000.- festgesetzt. Die Beschwerdeführerin stellt sich auf den Standpunkt, es handle sich nicht in erster Linie um eine vermögensrechtliche Angelegenheit. Im Übrigen sei der Streitwert auf über Fr. 30'000.- zu schätzen.
3.1
Nach
Art. 74 Abs. 1 BGG
muss der Streitwert in vermögensrechtlichen Angelegenheiten mindestens Fr. 30'000.- betragen, sofern es sich nicht um einen arbeits- oder mietrechtlichen Fall handelt. Vorbehalten bleiben die in
Art. 74 Abs. 2 BGG
vorgesehenen Ausnahmen. Der Streitwert bestimmt sich bei Beschwerden gegen Endentscheide nach den Begehren, die vor der Vorinstanz streitig geblieben sind (
Art. 51 Abs. 1 lit. a BGG
). Lautet ein Begehren nicht auf Bezahlung einer bestimmten Geldsumme, so setzt das Bundesgericht den Streitwert nach Ermessen fest (
Art. 51 Abs. 2 BGG
).
3.2
Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin stehen beim Markeneintragungsbegehren Vermögensinteressen auf dem Spiel. Der Markenschutz verleiht dem Berechtigten ein ausschliessliches Recht (
Art. 13 MSchG
; SR 232.11) und damit einen wirtschaftlichen Mehrwert am Zeichen, für das er beansprucht wird. Selbst eine noch nicht in Gebrauch genommene Marke hat einen wirtschaftlichen
BGE 133 III 490 S. 492
Grundwert (vgl. JOHANN ZÜRCHER, Der Streitwert im Immaterialgüter- und Wettbewerbsrechtsprozess, sic! 7/2002 S. 493/504). Dass das Register auch öffentlichen Interessen dient, ändert nichts daran, dass die Eintragung eines konkreten Zeichens Vermögensinteressen betrifft und der Streit um den Bestand der Marke eine vermögensrechtliche Angelegenheit ist. Die Auslegung des geltenden BGG wird sodann nicht beeinflusst durch die alte Prozessordnung, wonach die Markeneintragung auf Verwaltungsgerichtsbeschwerde (
Art. 97 ff. OG
[BS 3 S. 531]) ebenso wie auf Berufung über Zivilrechtsstreitigkeiten in Markensachen (
Art. 45 OG
, vgl. auch
Art. 74 Abs. 2 lit. b BGG
) ohne Rücksicht auf den Streitwert zu beurteilen war. Die Beschwerde in Zivilsachen gegen Urteile des Bundesverwaltungsgerichts ist nach geltendem Recht unter Vorbehalt von
Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG
nur zulässig, wenn der Streitwert von mindestens Fr. 30'000.- erreicht ist.
3.3
Der Streitwert in Angelegenheiten, die sich mit dem Bestand oder der Verletzung von Immaterialgüterrechten befassen, ist schwer bestimmbar (LUCAS DAVID, Der Rechtsschutz im Immaterialgüterrecht, Schweizerisches Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht [SIWR], Bd. I/2, 2. Aufl. 1998, S. 29; LEONZ MEYER, Der Streitwert in Prozessen um Immaterialgüterrechte und Firmen, sic! 6/2001 S. 559/ 560). In der Lehre wird deshalb vorgeschlagen, es seien aufgrund von Erfahrungswerten über den Wert der umstrittenen Rechte Richtlinien oder Eckdaten aufzustellen, die vermutungsweise der Schätzung des prozessual massgebenden Streitwerts zugrunde gelegt werden können. In diesem Sinne wird in der Lehre gestützt auf die Erfahrungen in der Praxis angenommen, dass der Streitwert zwischen Fr. 50'000.- und Fr. 100'000.- liegt, wenn es um eher unbedeutende Zeichen geht (ZÜRCHER, a.a.O., S. 505; MEYER, a.a.O., S. 563; DAVID, a.a.O., S. 29). Von diesem Erfahrungswert kann für die Schätzung des Streitwerts gemäss
Art. 51 Abs. 2 BGG
ausgegangen werden, wenn die Eintragung einer Marke umstritten ist und keine konkreten Anhaltspunkte für einen höheren oder niedrigeren Wert der strittigen Marke sprechen.
3.4
Der Streitwert für die vorliegende Beschwerde ist auf Fr. 100'000.- zu schätzen. Die Vorbringen der Beschwerdeführerin lassen vermuten, dass ihr Interesse am Markenschutz für die Kennzeichnung komplexer Industrieerzeugnisse als international tätiges Unternehmen sehr erheblich ist. Die Beschwerdeführerin verwendet das Zeichen bereits, so dass jedenfalls davon auszugehen ist, dass nicht allein
BGE 133 III 490 S. 493
der Grundwert für noch nicht gebrauchte Kennzeichen auf dem Spiele steht. Von einem offensichtlich unbedeutenden Zeichen kann jedenfalls nicht die Rede sein, weshalb von einem Streitwert an der Obergrenze für den bestrittenen Bestand solcher Zeichen auszugehen ist. Die Schätzung der Vorinstanz, die ihrem Kostenentscheid einen Streitwert von Fr. 25'000.- zugrunde gelegt hat, ist dagegen nicht nachvollziehbar. Die von der Vorinstanz zitierte Literatur - auf die auch im vorliegenden Verfahren Bezug genommen wird - geht durchwegs von einem minimalen Streitwert von Fr. 50'000.- aus und befürwortet einen geringeren Wert nur bei Nachweis besonderer Umstände. Der Streitwert von mindestens Fr. 30'000.- ist vorliegend überschritten, so dass insoweit die Beschwerde in Zivilsachen zulässig ist. | null | nan | de | 2,007 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
c71fc888-25fe-450a-b8bb-71f7c2805412 | Urteilskopf
107 V 198
46. Auszug aus dem Urteil vom 23. Dezember 1981 i.S. Bundesamt für Sozialversicherung gegen Ciba-Geigy AG und Kantonale Rekurskommission für die Ausgleichskassen, Basel | Regeste
Art. 8 lit. c AHVV
.
- Als beitragsfreie Dienstaltersgeschenke können insgesamt drei Zuwendungen zu Dienstjubiläen anerkannt werden, wenn das erste frühestens nach 25 Dienstjahren und die weiteren im Abstand von mindestens je 10 Dienstjahren ausgerichtet werden (Änderung der Rechtsprechung).
- Einschränkung dieses Grundsatzes, wenn Zuwendungen auch zu andern Zeiten erfolgen. | Sachverhalt
ab Seite 198
BGE 107 V 198 S. 198
A.-
Die Firma Ciba-Geigy AG in Basel (nachfolgend Firma) gewährt ihren Arbeitnehmern seit 1973 nach 25, 30, 35, 40, 45 und 50 Dienstjahren Zuwendungen, welche als Jubiläumsgeschenke bezeichnet werden und nach 25 Jahren einen Monatslohn, nach 40 eineinhalb und nach 50 Jahren zwei Monatslöhne betragen, während nach 30, 35 und 45 Jahren je ein halber Monatslohn ausgerichtet wird. Nachdem die Ausgleichskasse des Basler Volkswirtschaftsbundes im Februar 1975 zunächst mitgeteilt hatte, diese Geschenke seien teils beitragspflichtige Treueprämien, teils beitragsfreie Dienstaltersgeschenke, eröffnete sie der Firma mit Verfügung vom 6. Dezember 1977, dass auf sämtlichen Geschenken Beiträge zu entrichten seien.
BGE 107 V 198 S. 199
B.-
Mit Entscheid vom 11. Mai 1978 hiess die Kantonale Rekurskommission für die Ausgleichskassen Basel die von der Firma erhobene Beschwerde gut und hob die Verfügung vom 6. Dezember 1977 auf. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, dass der halbe Monatslohn nach 30, 35, 40, 45 und 50 Dienstjahren eine beitragspflichtige Treueprämie darstelle; der ganze Monatslohn nach 25 Jahren und die zusätzliche Leistung gleichen Umfangs nach 40 Jahren hätten dagegen Ausnahmecharakter und würden sich bezüglich Höhe und zeitlicher Staffelung deutlich von den Treueprämien unterscheiden, weshalb sie als Dienstaltersgeschenke beitragsfrei seien; gleiches gelte auch für die zusätzlichen eineinhalb Monatslöhne nach 50 Dienstjahren.
C.-
Mit der vorliegenden Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt das Bundesamt für Sozialversicherung die Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides und die Wiederherstellung der Kassenverfügung, während die Firma auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Nach
Art. 5 Abs. 1 und
Art. 14 Abs. 1 AHVG
werden vom Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit, dem massgebenden Lohn, Beiträge erhoben. Als massgebender Lohn gemäss
Art. 5 Abs. 2 AHVG
gilt jedes Entgelt für in unselbständiger Stellung auf bestimmte oder unbestimmte Zeit geleistete Arbeit. Zum massgebenden Lohn gehören begrifflich sämtliche Bezüge des Arbeitnehmers, die wirtschaftlich mit dem Arbeitsverhältnis zusammenhängen, gleichgültig, ob dieses Verhältnis fortbesteht oder gelöst worden ist und ob die Leistungen geschuldet werden oder freiwillig erfolgen. Als beitragspflichtiges Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit gilt somit nicht nur unmittelbares Entgelt für geleistete Arbeit, sondern grundsätzlich jede Entschädigung oder Zuwendung, die sonstwie aus dem Arbeitsverhältnis bezogen wird, soweit sie nicht kraft ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift von der Beitragspflicht ausgenommen ist (
BGE 102 V 156
f. mit Hinweisen, ZAK 1980 S. 579).
Art. 5 Abs. 4 AHVG
bestimmt, dass der Bundesrat Sozialleistungen sowie anlässlich besonderer Ereignisse erfolgende Zuwendungen eines Arbeitgebers an seine Arbeitnehmer vom massgebenden Lohn ausnehmen kann.
Einerseits hat der Bundesrat in
Art. 7 AHVV
ein nicht abschliessendes
BGE 107 V 198 S. 200
Verzeichnis jener Bezüge aufgestellt, die zum massgebenden Lohn im Sinne von
Art. 5 Abs. 2 AHVG
gehören; in lit. c hat er u.a. die Treueprämien aufgeführt. Anderseits hat er in der grundsätzlich abschliessenden (
BGE 101 V 4
Erw. 2b mit Hinweisen, ZAK 1961 S. 35) Liste des
Art. 8 AHVV
jene Leistungen bezeichnet, die aufgrund des
Art. 5 Abs. 4 AHVG
vom massgebenden Lohn ausgenommen sind; lit. c nennt u.a. die Dienstaltersgeschenke.
3.
Streitig ist, ob - entsprechend der Auffassung des beschwerdeführenden Bundesamtes - sämtliche Jubiläumsgeschenke nach 25 bis 50 Dienstjahren als beitragspflichtige Treueprämien zu qualifizieren sind oder ob - wie die Vorinstanz entschieden hat - nur je ein halber Monatslohn nach 30 bis 50 Dienstjahren beitragspflichtig ist und die übrigen Zuwendungen (je 1 Monatslohn nach 25 und 40 und 1 1/2 Monatslöhne nach 50 Jahren) nicht der Beitragspflicht unterliegen.
a) Die Verwaltungsweisungen enthalten - im wesentlichen gestützt auf die Rechtsprechung - in Rz 52a und 91a der bundesamtlichen Wegleitung über den massgebenden Lohn folgende Begriffsumschreibungen:
Rz 52a: Treueprämien sind Vergütungen, die vom Arbeitgeber - als
Belohnung für geleistete Dienste und als Anreiz für das Verbleiben am
Arbeitsplatz - nach einer gewissen Anzahl von Dienstjahren und hernach
periodisch wiederholt werden. Sie gehören zum massgebenden Lohn. Die vom
Arbeitgeber verwendete Bezeichnung - vielfach wird der Ausdruck
Dienstaltersgeschenk gebraucht - ist ohne Bedeutung.
Fällt die Ausrichtung der Treueprämie auf einen Zeitabschnitt, der
üblicherweise Anlass zur Gewährung eines Dienstaltersgeschenkes gibt, so
gehört sie trotzdem zum massgebenden Lohn. Als Dienstaltersgeschenke sind
in diesem Fall nur die Vergütungen zu betrachten, die über die Treueprämie
hinaus geleistet werden.
Rz 91a: Dienstaltersgeschenke sind ihrer Natur nach einmalige
Leistungen, die in Geld oder in natura zur Feier eines Dienstjubiläums
gewährt werden. Als Dienstaltersgeschenke gelten Leistungen dieser Art nur,
wenn sie, allein oder zusätzlich zu Treueprämien, frühestens nach 25
Dienstjahren gewährt werden. Indessen kann noch eine zweite Leistung dieser
Art, die mindestens 10 Jahre auf die erste folgt, ebenfalls als
Dienstaltersgeschenk gewertet werden.
b) Die Beschwerdegegnerin wirft in ihrer Stellungnahme zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde die Frage auf, ob diese Weisungen,
BGE 107 V 198 S. 201
insbesondere die Limitierung auf zwei beitragsfreie Dienstaltersgeschenke gesetzes- und verordnungskonform seien, da weder das AHVG noch die AHVV hierfür eine Grundlage abgebe.
Auszugehen ist davon, dass gemäss
Art. 5 Abs. 2 AHVG
jedes Entgelt für in unselbständiger Stellung geleistete Arbeit als massgebender Lohn gilt und dass der Bundesrat aufgrund von
Art. 5 Abs. 4 AHVG
Ausnahmen vorsehen kann, die bei den Zuwendungen auf solche anlässlich besonderer Ereignisse beschränkt sind. Von dieser Ermächtigung hat der Bundesrat in
Art. 8 AHVV
Gebrauch gemacht und u.a. bestimmt, dass Dienstaltersgeschenke nicht zum massgebenden Lohn gehören.
Das Eidg. Versicherungsgericht hat in seiner Rechtsprechung immer wieder betont, dass es sich bei
Art. 8 AHVV
um eine Ausnahmevorschrift handelt (vgl. EVGE 1965 S. 10, ZAK 1968 S. 118 Erw. 2) und dass Dienstaltersgeschenke - im Gegensatz zu den Treueprämien, welche sich durch gehäufte Wiederholung kennzeichnen (EVGE 1969 S. 35) - eindeutig Ausnahmecharakter haben und als solche nur anerkannt werden können, wenn ein Arbeitnehmer mit sehr langer Dienstzeit beim gleichen Arbeitgeber einmal oder höchstens (mit grossem zeitlichem Abstand) zweimal im Laufe seiner mutmasslichen Aktivitätsperiode die Möglichkeit hat, in den Genuss dieser besonderen Zuwendungen zu gelangen (
BGE 101 V 5
Erw. 3b; EVGE 1969 S. 34 f., 1965 S. 8 f. Erw. 2 und 3, 1952 S. 243; ZAK 1976 S. 461). Wiederholt hat das Gericht festgehalten, dass bei einer mehr als zweimaligen Auszahlung nicht bloss das dritte (und allfällige weitere), sondern vielmehr sämtliche Geschenke beitragspflichtig sind, da ihnen in einem solchen Fall generell kein Ausnahmecharakter zukommt (EVGE 1969 S. 35, 1965 S. 9 Erw. 3), wobei dies selbst dann gilt, wenn die dritte Zuwendung lediglich Seltenheitswert haben mag (EVGE 1969 S. 35 Erw. 2, ZAK 1976 S. 462).
Diese Rechtsprechung erweist sich als unbefriedigend. Zum einen wird es nur schwer verstanden, dass die Möglichkeit dreimaliger Auszahlung die Beitragspflicht für sämtliche Geschenke nach sich zieht, obwohl die dritte Zuwendung nach beispielsweise 45 bis 50 Dienstjahren ohnehin selten und die Möglichkeit, sie zu erhalten, insofern für die weit überwiegende Mehrheit der Arbeitnehmer eher theoretischer Natur ist. Zum andern stellt die erwähnte Praxis zu sehr auf jene Fälle ab, wo - wie bei öffentlichrechtlichen Arbeitgebern oder grossen Unternehmungen - die Anzahl derartiger Leistungen und die Berechtigung dazu ohne weiteres aus
BGE 107 V 198 S. 202
generell-abstrakten Vorschriften ersichtlich ist. Dies kann unter Umständen zu einer rechtsungleichen Behandlung führen, indem solchermassen reglementierte Geschenke bei dreimal möglicher Auszahlung immer beitragspflichtig sind, während ein Arbeitgeber, der bei Dienstjubiläen seiner Arbeitnehmer von Fall zu Fall und ohne Reglement Leistungen erbringt, so lange keine Beiträge entrichten muss, bis er erstmals einen langjährigen Arbeitnehmer zum dritten Mal beschenkt; dies mit der Folge, dass dieses und sämtliche künftigen an andere Arbeitnehmer des Betriebes erst- und zweitmalig ausgerichteten Geschenke nun beitragspflichtig werden und dass auf früheren Zuwendungen Beiträge nachzuzahlen sind, soweit die Verjährung noch nicht eingetreten ist. Das Gesamtgericht, dem diese Rechtsfrage unterbreitet wurde, hat eine Änderung der bisherigen Rechtsprechung beschlossen und entschieden, dass insgesamt drei Zuwendungen zu Dienstjubiläen als beitragsfreie Dienstaltersgeschenke gemäss
Art. 8 lit. c AHVV
anerkannt werden können, und zwar frühestens nach 25 Dienstjahren und hernach im Abstand von mindestens je zehn Dienstjahren. Richtet ein Arbeitgeber auch zu andern Zeiten periodisch Vergütungen aus (beispielsweise alle fünf Dienstjahre), so kann - im Hinblick auf die gesetzliche Vorschrift des
Art. 5 Abs. 4 AHVG
, welche die Möglichkeit der Beitragsfreiheit nur für Zuwendungen "anlässlich besonderer Ereignisse" einräumt - als Dienstaltersgeschenk allerdings bloss betrachtet werden, was über diese sonstige, als beitragspflichtige Treueprämie zu erfassende Vergütung hinaus geleistet wird. Demnach können zum Beispiel Zuwendungen, welche periodisch alle fünf Jahre in gleicher Höhe erbracht werden, keine Dienstaltersgeschenke im Sinne des
Art. 8 lit. c AHVV
darstellen.
c) Aus den Akten geht hervor, dass die Beschwerdegegnerin ihre Jubiläumsgeschenke zwischen 25 und 50 Dienstjahren in Abständen von fünf Jahren ausrichtet, und zwar nach 25 Jahren einen, nach 40 Jahren eineinhalb und nach 50 Jahren zwei Monatslöhne sowie nach 30, 35 und 45 Jahren je einen halben Monatslohn. Nach dem hievor Gesagten gilt davon - und unabhängig von der Bezeichnung durch die Beschwerdegegnerin - je ein halber Monatslohn nach 25 bis 50 Jahren als beitragspflichtige Treueprämie, während die über diesen Sockelbetrag hinausgehenden Leistungen als Dienstaltersgeschenke anzuerkennen sind. Ein halber Monatslohn nach 25, ein ganzer nach 40 sowie eineinhalb Monatslöhne nach 50 Jahren sind demnach vom massgebenden
BGE 107 V 198 S. 203
Lohn und mithin von der Beitragspflicht ausgenommen. Der vorinstanzliche Entscheid erweist sich daher als unrichtig, soweit darin der ganze Monatslohn nach 25 Dienstjahren als beitragsfrei erklärt wird, und bedarf insofern einer Änderung. Im übrigen ist der Vorinstanz im Ergebnis beizupflichten.
Dispositiv
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
In teilweiser Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird der Entscheid der Kantonalen Rekurskommission für die Ausgleichskassen Basel vom 11. Mai 1978 abgeändert und festgestellt, dass die Beschwerdegegnerin ab 1. Mai 1977 auf dem halben, nach 25 Dienstjahren als Jubiläumsgeschenk ausgerichteten Monatslohn paritätische Beiträge zu bezahlen hat. | null | nan | de | 1,981 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
c725c5d2-14b8-4775-9afa-d2ade41e2d55 | Urteilskopf
88 I 9
2. Extrait de l'arrêt du 16 mai 1962 dans la cause S. I. Angle Grand-Pont-Haldimand SA contre Vaud, Commission cantonale de recours en matière de baux à loyers. | Regeste
Art. 4 BV
, Willkür; Prüfung einer zivilrechtlichen Vorfrage in einer verwaltungsrechtlichen Streitsache.
Die für Mieterschutzsachen zuständige Verwaltungsbehörde begeht keine Willkür, wenn sie beim Entscheid über die Rechtzeitigkeit der Einsprache des Mieters die Tragweite eines Kündigungsschreibens und damit eine zivilrechtliche Frage, deren Beurteilung dem Richter zusteht, vorfrageweise prüft. | Sachverhalt
ab Seite 9
BGE 88 I 9 S. 9
A.-
La Société immobilière Angle Grand-PontHaldimand SA, à Lausanne (ci-après: la bailleresse) a remis à bail à la société anonyme "Au Sabot d'Argent", à Lausanne également (ci-après: la locataire), différents locaux. Le bail devait arriver à échéance le 1er juillet 1964.
Le 26 mai 1961, la bailleresse écrivit à la locataire:
"... L'immeuble va faire l'objet de réfections considérables dans quelques années. C'est en prévision de ces travaux que la société propriétaire tient à vous faire savoir, d'ores et déjà, que votre bail ne sera pas renouvelé à son échéance du 1er juillet 1964."
Le 15 juin 1961, la locataire fit savoir à la bailleresse qu'elle contestait à cette lettre le caractère d'une résiliation du bail. Le 19 juin 1961, la bailleresse répondit que la lettre du 26 mai 1962 valait résiliation du bail.
B.-
Le 28 juin 1961, la locataire s'adressa au préfet du district de Lausanne en lui demandant d'annuler le
BGE 88 I 9 S. 10
congé. Elle affirma n'être certaine de la résiliation que depuis la lettre du 19 juin.
Le 18 octobre 1961, le préfet refusa de donner suite à cette requête. Il considéra que le délai pour demander l'annulation d'un congé était de dix jours (art. 40 OCL), qu'en l'espèce le bail avait été résilié par la lettre parfaitement claire du 26 mai 1961 et que l'opposition du 28 juin 1961 était tardive.
Le 20 décembre 1961, la Commission cantonale de recours en matière de baux à loyer admit un recours de la locataire et annula le congé donné par la bailleresse. Quant au délai, elle considéra ce qui suit:
Les termes de la lettre du 26 mai 1961 n'ont pas toute la clarté désirable et ils ont pu créer dans l'esprit de la locataire une confusion excusable. Il faut donc compter le délai de dix jours pour faire opposition à partir du 19 juin 1961. La requête adressée au préfet le 28 juin l'a dès lors été en temps utile.
C.-
Agissant par la voie du recours de droit public, la bailleresse requiert le Tribunal fédéral d'annuler le prononcé de la Commission cantonale de recours.
Elle reproche à cette dernière d'avoir violé l'art. 4 Cst. en examinant la portée de la lettre du 26 mai 1961 et en abordant ainsi une question qui était du ressort des tribunaux civils.
Erwägungen
Considérant en droit:
Il est généralement admis en droit suisse que, lorsque le sort d'une contestation pendante devant une autorité judiciaire ou administrative dépend de la solution d'une question préjudicielle qui relève en principe d'une autre juridiction, le juge compétent pour statuer sur la contestation principale l'est aussi pour trancher la question préjudicielle (RO 32 I 632 633, 41 II 161, 71 I 495; BURCKHARDT, Commentaire, p. 51; BIRCHMEIER, Handbuch des OG, p. 410; RUCK, Schw. Verwaltungsrecht'vol. I, 3e éd., Zurich 1951, p. 41). Sa décision sur ce dernier
BGE 88 I 9 S. 11
point ne doit être cependant qu'un simple motif du prononcé sur la contestation principale; elle ne saurait avoir la portée d'une décision au fond contenue dans un dispositif passé en force, ni, partant, revêtir l'autorité de la chose jugée (RO 72 I 411).
En l'espèce, l'autorité cantonale a estimé que la lettre du 26 mai 1961 n'était pas suffisamment claire pour constituer une résiliation du bail. Elle s'est ainsi prononcée sur une question qui ressortit en principe à la compétence des tribunaux civils. Elle ne l'a cependant pas tranchée pour elle-même et n'a pas constaté sa décision sur ce point dans le dispositif de son arrêt. Elle ne l'a examinée qu'à titre préjudiciel afin de déterminer si l'opposition avait été faite en temps utile et si, partant, elle était recevable. Cette manière d'agir se défend par des raisons sérieuses. En effet, le problème de la sauvegarde du délai d'opposition ressortit à la compétence des autorités qui s'occupent de la limitation du droit de résiliation. Or, d'après l'art. 40 OCL, ce délai court du jour où le preneur a reçu le congé. Lors donc qu'il y a contestation au sujet de la date de ce jour et que le litige provient de divergences entre parties dans l'interprétation d'une lettre de congé, il est raisonnable que l'autorité administrative se prononce sur ces divergences afin de fixer le point de départ du délai. Elle se conforme ainsi aux principes rappelés plus haut. Dès lors, contrairement à ce que soutient la recourante, l'arrêt attaqué échappe à cet égard au grief d'arbitraire. | public_law | nan | fr | 1,962 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
c7280167-ef24-4e85-82e3-8cf9c711e8f8 | Urteilskopf
101 IV 414
95. Urteil des Kassationshofes vom 2. Dezember 1975 i.S. X. gegen Generalprokurator des Kantons Bern. | Regeste
Art. 15 Abs. 3 VRV
.
Ob eine Verzweigung oder nur die Einmündung eines Nebensträsschens ohne Vortrittsrecht vorliegt, beurteilt sich ausser nach Anlage und Grösse auch nach der Verkehrsbedeutung. Dabei kommt es für das massgebende Verkehrsgefälle auf die Verkehrsfrequenz beider Strassen an. | Sachverhalt
ab Seite 414
BGE 101 IV 414 S. 414
A.-
Am 7. Juni 1974, um 18.20 Uhr, ereignete sich auf der Bäumbergstrasse in Heimberg ein Verkehrsunfall zwischen dem Motorradfahrer M. und dem Automobilisten X. Die Bäumbergstrasse ist eine 5,4 m breite Quartierstrasse, die in Richtung Thungschneit in einer Rechtsbiegung stark ansteigt. In die Rechtsbiegung mündet von rechts der ungefähr 5 m breite und asphaltierte Bäumbergweg ein, welcher vier Wohnhäusern als Zufahrt dient. X., der die Absicht hatte, mit seinem
BGE 101 IV 414 S. 415
Wagen aus dem Bäumbergweg nach links in die Bäumbergstrasse einzufahren, schaltete in der Einmündung einen Sicherheitshalt ein. Als er von keiner Seite ein Fahrzeug kommen sah, fuhr er rasch in die genannte Strasse ein. In diesem Augenblick kam von links auf der Bäumbergstrasse der Motorradfahrer M. und stiess mit dem Auto des X. zusammen. Die Sicht nach links war für X. wegen einer Stützmauer auf 36,6 m beschränkt.
B.-
Am 4. März 1975 sprach der Gerichtspräsident II von Thun X. von der Anschuldigung der Verletzung von Verkehrsregeln durch Missachtung des Vortrittsrechtes frei.
Das Obergericht des Kantons Bern verurteilte X. am 11. September 1975 wegen Missachtung des Vortrittsrechtes zu Fr. 100.-- Busse.
C.-
X. führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichtes sei aufzuheben und die Sache zu seiner Freisprechung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
D.-
Der Generalprokurator des Kantons Bern beantragt Abweisung der Beschwerde.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Die Vorinstanz vertritt den Standpunkt, es handle sich beim Bäumbergweg um eine Sackgasse, deren Einmündung in die Bäumbergstrasse keine Verzweigung im Rechtssinne darstelle; während dieser Strasse noch eine gewisse Bedeutung als Quartierstrasse zukomme, erschliesse die Sackgasse nur vier Häuser; zum Einmünden in die Bäumbergstrasse müsse zudem ein Trottoir überquert werden; bei einem unbefangenen objektiven Betrachter erwecke deshalb die Sackgasse nicht den Eindruck, dass ihr "verkehrstechnische Bedeutung" zukomme; der auf der Bäumbergstrasse fahrende M. habe daher den Vortritt gehabt.
Der Beschwerdeführer rügt diese Betrachtungsweise als gesetzwidrig. Er anerkennt zwar, dass die Qualifikation der Bäumbergstrasse als einer blossen Quartierstrasse das Richtige trifft, stellt sich jedoch auf den Standpunkt, der nur um 40 cm weniger breite Bäumbergweg sei seinerseits eine dem öffentlichen Verkehr uneingeschränkt geöffnete Strasse, auch wenn an ihm nur vier Häuser stünden und er deshalb gegenüber der Bäumbergstrasse einen zahlenmässig geringeren Verkehr aufweise.
BGE 101 IV 414 S. 416
M. habe mit der Einmündung rechnen müssen, zumal er ortskundiger Bewohner des Quartiers sei. Es sei deshalb dem Beschwerdeführer der Vortritt zugestanden, woran die durchgehende Gestaltung des Trottoirs nichts geändert habe.
2.
Der Bäumbergweg steht, was weder die Vorinstanz noch der Generalprokurator in Abrede gestellt haben, dem öffentlichen Verkehr uneingeschränkt offen. Die Benützer dieses Weges sind deshalb gegenüber den von links auf der Bäumbergstrasse verkehrenden Fahrzeugführern beim Einbiegen in diese Strasse vortrittsberechtigt, es sei denn, der Vortritt sei durch eine entsprechende Signalisation aufgehoben oder der genannte Weg falle unter die Bestimmung des
Art. 15 Abs. 3 VRV
und bilde deswegen mit der Bäumbergstrasse keine Verzweigung.
Die erste Voraussetzung ist hier nicht erfüllt. Zu prüfen bleibt deshalb die Anwendung der letztgenannten Bestimmung auf den vorliegenden Fall.
a) Nach
Art. 15 Abs. 3 VRV
ist, wer aus Fabrik-, Hof- oder Garageausfahrten, aus Feldwegen, Parkplätzen oder Tankstellen und dergleichen auf eine Haupt- oder Nebenstrasse fährt, zur Gewährung des Vortritts verpflichtet. Der Bäumbergweg stellt weder eine Fabrik- noch eine Hof- oder Garageausfahrt dar, noch ist er ein Feldweg oder eine Ausfahrt aus einem Parkplatz oder einer Tankstelle. Dass es sich um eine Sackgasse handelt, ist unerheblich; eine Sackgasse ist nicht stets ein Feldweg oder eine Ausfahrt (
BGE 96 IV 37
unten; SCHULTZ, Die strafrechtliche Rechtsprechung zum neuen Strassenverkehrsrecht 1968-1972, S. 127 unten). Es kann sich deshalb aufgrund des Wortlauts der genannten Bestimmung ("und dergleichen") nur fragen, ob der genannte Weg aus andern Gründen so beschaffen ist, dass er den im Gesetz aufgeführten Beispielen gleichgestellt werden muss.
b) Die Rechtsprechung hat schon unter der Herrschaft des MFG entschieden, dass Seitensträsschen und Gassen beim Zusammentreffen mit Durchgangsstrassen keine Verzweigung bilden, wenn sie nach Anlage und Grössenordnung offensichtlich nicht für den durchgehenden Verkehr bestimmt und im Verhältnis zur Durchgangsstrasse praktisch ohne Verkehrsbedeutung sind (
BGE 84 IV 35
,
BGE 86 IV 188
Erw. 1). Diese Praxis wurde seit dem Inkrafttreten des SVG weitergeführt (
BGE 92 IV 27
,
BGE 96 IV 37
,
BGE 99 IV 223
). Der Akzent wurde dabei einerseits
BGE 101 IV 414 S. 417
auf die Bedeutung der einen Verkehrsader als einer Durchgangsstrasse mit erheblichem Verkehr gelegt (s. insbesondere
BGE 96 IV 37
Erw. 2: "Or seules ces dernières (routes de grand transit) donnent la priorité à l'égard des rues et chemins latéraux manifestement dépourvus d'intérêt pratique pour la circulation"; s. auch BUSSY/RUSCONI, N. 3.5 c, S. 150, zu Art. 36) und anderseits auf die praktische Bedeutungslosigkeit des in sie einmündenden Verkehrswegs. Damit wurde das grosse Verkehrsgefälle zum Kriterium dafür erhoben, ob eine Verzweigung im Rechtssinne gegeben sei oder nicht. Die Frage, ob eine solche Verzweigung vorliegt, beurteilt sich demnach in concreto nicht einzig danach, ob der eine Verkehrsweg erkennbar eine geringe Verkehrsbedeutung hat, sondern ebenso sehr danach, ob die Strasse, in die er einmündet, dem Durchgangsverkehr dient und deshalb eine erheblich grössere Verkehrsfrequenz aufweist.
c) Für den vorliegenden Fall stellt die Vorinstanz fest, dass die Bäumbergstrasse nur eine Quartierstrasse ist. Sie dient somit nicht dem Durchgangsverkehr und weist demnach auch erkennbar nicht ein entsprechend grosses Verkehrsvolumen auf. Anderseits ist freilich der Bäumbergweg nur eine etwas mehr als 60 m lange Sackgasse, an welcher vier Wohnhäuser liegen; sie wird deshalb vorwiegend bloss von den Anwohnern benutzt und dient überdies dem Zubringerdienst. Ihre Verkehrsbedeutung ist für sich allein betrachtet unzweifelhaft klein. Indessen ist das Verkehrsgefälle zwischen den beiden Verkehrswegen keineswegs so erheblich, wie es nach der bisherigen Praxis gegeben sein müsste, um eine Verzweigung zu verneinen und von der elementaren Regel des Rechtsvortritts abzuweichen. Dazu kommt, dass die beiden Strassen beinahe gleich breit und beide asphaltiert sind, so dass sie sich auch nach Anlage und Grösse nicht offenkundig unterscheiden (s.
BGE 96 IV 37
Erw. 1). Dass der Bäumbergweg in der Einmündungszone über ein mit der Strasse niveaugleiches Trottoir führt, könnte höchstens zusammen mit andern äusserlich in Erscheinung tretenden Unterscheidungsfaktoren als Indiz für einen gegenüber der Strasse völlig unbedeutenden Verkehrsweg wirken. Für sich allein aber vermag dieser Umstand die Vortrittsordnung nicht zu beeinflussen (
BGE 81 IV 294
). Schliesslich verhält es sich hier auch nicht wie in dem in
BGE 84 IV 35
beurteilten Falle, wo die Einmündung in einem blossen
BGE 101 IV 414 S. 418
Mauerdurchbruch bestand, der sie höchstens als Garage- oder Hauseinfahrt erscheinen liess. Sodann ist der Bäumbergweg auch nicht vergleichbar mit einem 3,5 m breiten, durch einen Baumgarten führenden Weg mit Naturbelag, wie er in dem in SJZ 1970 S. 108 veröffentlichten kantonalen Entscheid eine Rolle spielte. Dass die Sicht des auf der Bäumbergstrasse in Richtung Thungschneit fahrenden Strassenbenützers wegen der Strassenbiegung eine beschränkte ist, ändert am Gesagten nichts. Auf nicht als vortrittsberechtigt signalisierten Strassen muss der Führer damit rechnen, dass in dem seiner Sicht entzogenen Raum von rechts eine andere Strasse einmünden könnte. Er darf daher nicht ohne Rücksicht darauf zufahren.
3.
Nach dem Gesagten war deshalb X. vortrittsberechtigt, was zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führt. Da die Vorinstanz nicht geprüft hat, ob der Beschwerdeführer als Vortrittsberechtigter die gebotene Sorgfalt an den Tag gelegt hat, ist die Sache zu neuer Entscheidung zurückzuweisen. Sofern das kantonale Verfahrensrecht es zulässt, wird sie deshalb jene Frage beantworten müssen. Dabei wird sie auch zu prüfen haben, ob der Zusammenstoss nicht auf übersetzte Geschwindigkeit des M. zurückzuführen war, mit anderen Worten, ob die Fahrweise des Beschwerdeführers nicht zumindest dann dem Gesetz genügt hätte, wenn M. den Verhältnissen entsprechend gefahren wäre.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen. | null | nan | de | 1,975 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
c72a507b-faf5-4f27-acc5-832255d3202c | Urteilskopf
103 IV 286
79. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 17. Oktober 1977 i.S. X. und Konsorten gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern | Regeste
Art. 4 Bundesgesetz über die Spielbanken.
Gewohnheitsmässig handelt, wer das Spiel mindestens zweimal und in der Bereitschaft betreibt, es bei sich bietender Gelegenheit zu wiederholen. | Erwägungen
ab Seite 286
BGE 103 IV 286 S. 286
Aus den Erwägungen:
In
BGE 81 IV 201
wurde das Merkmal der Gewohnheitsmässigkeit bejaht, wenn sich jemand so lange an das Spielen gewöhnt hat, dass er einen Hang zur häufigen Wiederholung empfindet und die Spiele tatsächlich häufig wiederholt. Im damals zu beurteilenden Fall bestand nach den tatsächlichen Gegebenheiten kein Anlass, sich zu den Mindestanforderungen zu äussern, die an den Begriff der Gewohnheitsmässigkeit zu stellen sind. Der Entscheid ist insofern zu ergänzen, als gewohnheitsmässig nicht nur derjenige handelt, der das in Frage stehende Glücksspiel so häufig betreibt, dass es ihm zur Gewohnheit wird. Ein Hang zum Glücksspiel kann schon auf Veranlagung beruhen oder in früheren Spielen erworben worden sein, so dass eine Angewöhnung nicht mehr erforderlich ist. Zur Annahme der Gewohnheitsmässigkeit kann deshalb schon ein wiederholtes, mindestens zweimaliges Spielen genügen
BGE 103 IV 286 S. 287
wenn die Umstände darauf schliessen lassen, der Täter sei innerlich geneigt gewesen, das Spiel bei sich bietender Gelegenheit zu wiederholen. Unter diesen Voraussetzungen bedarf es keines Nachweises mehr, dass der Spieler tatsächlich häufig gespielt habe, noch ist nötig, dass der Hang auf häufige Wiederholungen gerichtet gewesen sei. | null | nan | de | 1,977 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
c737cfc3-6cba-43b9-92e4-e71a43f061f3 | Urteilskopf
106 Ia 237
44. Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 26. November 1980 i.S. F. c. G. und Aufsichtskommission über die Rechtsanwälte im Kanton Zürich (staatsrechtliche Beschwerde) | Regeste
Art. 88 OG
; Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde.
Der Verzeiger kann den im Disziplinarverfahren getroffenen Entscheid der zürcherischen Aufsichtskommission über die Rechtsanwälte grundsätzlich nicht mit staatsrechtlicher Beschwerde anfechten. | Erwägungen
ab Seite 237
BGE 106 Ia 237 S. 237
Erwägungen:
1.
Mit Eingabe vom 20. Juni 1980 verzeigte F. Rechtsanwalt G. bei der Aufsichtskommission über die Rechtsanwälte im Kanton Zürich. Zur Begründung machte der Verzeiger geltend, Rechtsanwalt G. habe sich als Vertreter der Ehefrau von F., die seit 1975 den Scheidungsprozess plane und betreibe, pflichtwidrig verhalten. Mit Beschluss vom 1. September 1978 stellte die Aufsichtskommission das Disziplinarverfahren gegen Rechtsanwalt G. ein, soweit sie auf die Verzeigung eintrat. F. erhebt gegen diesen Beschluss staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von
Art. 4 BV
.
2.
Nach der Rechtsprechung der Aufsichtskommission kommt dem Verzeiger im Disziplinarverfahren nicht die Stellung des Geschädigten bzw. der Partei im Sinne der Strafprozessordnung zu. Wie in ZR 70/1971, Nr. 103 ausgeführt wurde, dient das aufsichtsbehördliche Verfahren nicht den Privatinteressen, sondern der Wahrung der Sauberkeit des Anwaltsstandes.
BGE 106 Ia 237 S. 238
Nach der Rechtsprechung der Aufsichtskommission löst der Verzeiger das Verfahren nur aus, doch hat er auch dann keine Parteistellung, wenn ein privates Interesse mitspielt. In solchen Fällen kann er nach der Praxis der Aufsichtskommission wohl am Verfahren beteiligt werden, zum Beispiel durch Vorladung zu Vernehmungen des Beschuldigten oder allfälliger Zeugen, doch ist der Entscheid über eine solche Beteiligung von Fall zu Fall zu treffen (a.a.O., S. 280). Diese Praxis steht mit den Vorschriften des Gesetzes über den Anwaltsberuf (Anwaltsgesetz) vom 3. Juli 1938, welches das Disziplinarverfahren gegen Rechtsanwälte regelt, nicht in Widerspruch.
Dient das Disziplinarverfahren vor der Aufsichtskommission ausschliesslich öffentlichen Interessen, so wird der Verzeiger durch dessen Einstellung nicht in seinen eigenen rechtlich geschützten Interessen verletzt (
Art. 88 OG
). Auf eine gegen den Einstellungsbeschluss gerichtete Beschwerde ist daher nicht einzutreten. Da dem Verzeiger im Disziplinarverfahren keine Parteirechte zustehen, ist er auch nicht befugt, mit staatsrechtlicher Beschwerde eine Verletzung derartiger Rechte zu rügen. Die staatsrechtliche Beschwerde kann sich einzig gegen den Kostenentscheid richten (nicht publ. Urteil des Bundesgerichts vom 29. Dezember 1954 i.S. Brenn c. Dr. Sch. und Aufsichtskommission über die Rechtsanwälte im Kanton Zürich, E. 2).
3.
Im vorliegenden Fall sind dem Beschwerdeführer für das kantonale Verfahren keine Kosten auferlegt worden. Auf die staatsrechtliche Beschwerde ist daher nicht einzutreten. | public_law | nan | de | 1,980 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
c73d9d77-2518-471d-915e-9a74c9f0a18b | Urteilskopf
126 IV 230
37. Extrait de l'arrêt de la Cour de cassation pénale du 23 août 2000 dans la cause Procureur général du canton de Genève c. A. (pourvoi en nullité) | Regeste
Art. 261bis StGB
; Öffentlichkeit eines Verhaltens.
Öffentlichkeit im Sinne von
Art. 261bis Abs. 4 StGB
verneint im Falle eines Buchhändlers, der ein den Holocaust leugnendes Buch in beschränkter Anzahl (weniger als zehn Exemplare) an einem für die Kunden nicht einsehbaren Ort aufbewahrt, hiefür keinerlei Werbung macht und es nur auf Verlangen verkauft (E. 2b). | Sachverhalt
ab Seite 231
BGE 126 IV 230 S. 231
A.-
Par jugement du 23 février 1998, le Tribunal de police du canton de Genève a condamné A., pour discrimination raciale (art. 261bis al. 4 seconde partie CP), à 1'000 francs d'amende avec délai de radiation de deux ans. Le tribunal a par ailleurs réservé les droits des parties civiles, soit la LICRA, O. et C., conformément aux conclusions prises par ces derniers.
B.-
Par arrêt du 13 avril 2000, la Chambre pénale de la Cour de justice genevoise a admis l'appel d'A. contre ce jugement et l'a libéré du chef d'accusation de discrimination raciale. En outre, elle a dénié la qualité de partie civile à la LICRA, à O. et à C.
Il en ressort notamment les éléments suivants:
a) Au début 1996, Roger Garaudy a publié à Paris, à compte d'auteur, un ouvrage intitulé "Les mythes fondateurs de la politique israélienne". Sous le prétexte d'un combat intellectuel contre l'intégrisme sioniste, l'auteur a consacré une partie essentielle du livre à un soutien systématique, bien que non avoué, des thèses révisionnistes et négationnistes relatives à la politique du troisième Reich à l'égard des Juifs. Dans deux chapitres en particulier ("Le mythe de la justice de Nuremberg" et "Le mythe des six millions [L'Holocauste]"), Roger Garaudy s'est employé à réfuter l'importance du nombre de Juifs victimes du nazisme, à contester qu'Hitler et les dirigeants nazis aient eu la volonté d'exterminer le peuple juif, à nier l'existence des chambres à gaz et à démontrer que l'Holocauste ne serait en réalité qu'une création du "Shoah business" et une fiction imposée par l'intérêt des leaders sionistes, avec la complicité des pays qui, au cours de la seconde guerre mondiale, se sont alliés contre l'Allemagne.
En mars 1996, des poursuites judiciaires ont été engagées en France contre Roger Garaudy, qui a été inculpé en avril 1996 de "contestation de crimes contre l'humanité" et de "diffamation publique envers un groupe de personnes", en l'espèce la communauté juive, avant d'être reconnu coupable de ces deux infractions le 27 février 1998 et condamné à des peines d'amende.
b) A. est propriétaire de la librairie à l'enseigne "H." depuis avril 1996. Auparavant et depuis plusieurs années, il y travaillait en qualité d'assistant.
BGE 126 IV 230 S. 232
Entendu par la police en décembre 1996, A. a déclaré avoir commandé à deux reprises le livre de Roger Garaudy, au mois d'avril ou de mai 1996, ce qui représentait au total moins de dix exemplaires. Lors de l'audience de jugement, il a précisé n'avoir en réalité passé qu'une seule commande de cinq exemplaires auprès du diffuseur suisse de l'ouvrage, conformément à une facture du 2 mai qu'il a produite. Selon lui, la présence d'exemplaires avant cette date serait le fait du précédent propriétaire de la librairie "H."
A. a relevé que quelques exemplaires se trouvaient dans les rayons en avril 1996, précisant toutefois qu'ils n'avaient jamais été présentés en vitrine. Il a affirmé avoir retiré tous les exemplaires des rayons en mai 1996, lorsqu'il avait eu connaissance, par les journaux et des amis, de la polémique existant au sujet du texte de Garaudy, soit celle ayant trait à la question de savoir si le livre était négationniste ou antisioniste. Il a aussi indiqué ne pas l'avoir lu à l'époque, mais s'être rendu compte qu'il s'agissait d'un ouvrage délicat, raison pour laquelle il avait rangé dans un tiroir les exemplaires qui lui restaient et ne les avait ensuite vendus qu'à la requête de clients adultes.
Le témoin E. a exposé s'être rendue à la librairie le 16 août 1996 avec l'un de ses amis d'origine palestinienne, qui connaissait A.; ceux-ci ont parlé en arabe, langue que ne comprend pas E.; A. a sorti le livre de Roger Garaudy d'un meuble; E. a ressenti ce geste ainsi que les déclarations du libraire, selon lesquelles il ne fallait pas croire tout ce qu'il y a dans les médias, comme un soutien aux thèses développées dans le livre. Le 26 septembre 1996, l'huissier judiciaire D., mandaté par la LICRA, s'est rendu à la librairie et y a acquis sans difficulté le livre; il n'a pas pu préciser s'il était en exposition sur un rayon ou s'il se trouvait dans un tiroir, une vendeuse le lui ayant apporté une ou deux minutes après qu'il l'eut demandé; c'est notamment sur la base du constat effectué par cet huissier que la LICRA a dénoncé les faits au Procureur général en novembre 1996. Vers le début décembre 1996, l'inspectrice de police F. s'est rendue à la librairie en se présentant comme une simple cliente; une vendeuse lui a indiqué qu'il y avait un problème, qu'elle ne pouvait mettre en vente le livre de Roger Garaudy, mais que, si elle était intéressée, elle pouvait le vendre quand même; la vendeuse a alors sorti le livre d'un tiroir et l'inspectrice s'est légitimée.
A. a été décrit comme une personne ouverte sur le monde et convaincue de la paix entre les peuples. Sa librairie est connue en raison de sa spécialisation dans le monde arabe. Il n'a jamais émis
BGE 126 IV 230 S. 233
de propos racistes ou antisémites. Diverses personnes ont signé une pétition en sa faveur, en faisant part de leur incompréhension quant au fait qu'il puisse être accusé de discrimination raciale.
C.-
Le Procureur général du canton de Genève se pourvoit en nullité au Tribunal fédéral contre cet arrêt. Invoquant une violation de l'
art. 261bis CP
, il conclut à l'annulation de la décision attaquée.
Le Tribunal fédéral rejette le pourvoi en nullité.
Erwägungen
Considérant en droit:
2.
Le Procureur général invoque une violation de l'
art. 261bis CP
.
a) La Chambre pénale a observé que le contenu du livre de Roger Garaudy contestant la réalité du génocide juif tombait sous le coup de l'art. 261bis al. 4 seconde partie CP, ce que d'ailleurs personne ne contestait. Pour la période où l'intimé avait vendu quelques exemplaires du livre avant que les médias n'attirent l'attention du public sur son caractère négationniste, elle a libéré celui-ci de l'infraction pour le motif que l'élément subjectif n'était pas réalisé, l'intimé n'ayant alors pas conscience du véritable caractère du texte de Roger Garaudy. Le Procureur général ne discute pas ce point, de sorte qu'il n'y a pas lieu d'y revenir.
Pour la période postérieure à l'annonce par les médias du caractère négationniste du livre, l'intimé, conscient de la situation, a retiré les exemplaires des rayonnages, les a placés dans un tiroir et ne les vendait qu'à la demande des clients. La Chambre pénale l'a libéré de l'infraction pour le motif qu'il n'avait pas agi publiquement. C'est en particulier cet aspect que le Procureur général remet en cause dans son pourvoi.
b) aa) L'exigence du caractère public ne se retrouve pas seulement à l'art. 261bis al. 1 à 4 CP, mais dans l'énoncé légal de toute une série de dispositions du Code pénal. Cela est par exemple le cas de l'
art. 259 CP
("provocation publique au crime ou à la violence"), de l'
art. 260 al. 1 CP
("émeute"), de l'
art. 261 al. 1 CP
("atteinte à la liberté de croyance et des cultes"), de l'
art. 262 ch. 1 al. 3 CP
("atteinte à la paix des morts"), ou encore de l'
art. 152 al. 2 CP
("faux renseignements sur des entreprises commerciales"), de l'
art. 197 ch. 2 al. 1 CP
("pornographie"), de l'
art. 276 ch. 1 al. 1 CP
("atteintes à la sécurité militaire. Provocation et incitation à la violation des devoirs militaires"), de l'
art. 296 CP
("outrages aux Etats étrangers") et de l'
art. 297 CP
("outrages à des institutions interétatiques"). Selon
BGE 126 IV 230 S. 234
la conception générale, est considéré comme public ce qui est adressé à un nombre indéterminé de personnes ou ce qui s'adresse à un grand cercle de destinataires (
ATF 126 IV 176
consid. 2b, p. 177/178;
ATF 123 IV 202
consid. 3d p. 208; TRECHSEL, Kurzkommentar, 2ème éd., Zurich 1997, art 259 no 3a; STRATENWERTH, Bes. Teil II, 4ème éd., Berne 1995, § 38 no 15; MARCEL ALEXANDER NIGGLI, Discrimination raciale, Un commentaire au sujet de l'
art. 2-61bis CP
et de l'art. 171c du code pénal militaire du 13 juin 1927 [CPM; RS 321.0], Zurich 2000, no 696 et 704).
bb) Le caractère public dépend des circonstances globales et doit être apprécié en fonction du sens et du but de la norme pénale en cause. Parmi les circonstances pertinentes figurent d'une part l'endroit où les propos incriminés sont tenus et, d'autre part, le nombre de destinataires ainsi que les liens que l'auteur entretient avec eux. Ainsi, les propos tenus dans un lieu où ils peuvent être perçus par un nombre indéterminé de personnes peuvent aussi être publics, même si concrètement ils ne sont portés qu'à la connaissance de deux personnes. Par contre, cela ne saurait être le cas si les propos sont émis dans un cercle fermé, même s'il comprend vingt personnes par exemple (
ATF 126 IV 176
consid. 2c).
cc) Selon la jurisprudence, est publique la provocation au crime ou à la violence réalisée par le collage d'une affiche sur un panneau de signalisation en ville de Zurich (
ATF 111 IV 151
). Est public l'envoi de 432 lettres, donc à un grand cercle de destinataires (
ATF 123 IV 202
consid. 4c p. 210), de même que l'envoi d'un document à une cinquantaine de personnes (
ATF 126 IV 20
consid. 1d p. 25/26). En revanche, n'est pas public l'envoi d'un livre à sept personnes même si l'expéditeur n'a aucun contrôle sur les destinataires et qu'il existe un risque que, via ceux-ci, le contenu incriminé de l'ouvrage se répande auprès d'un cercle plus large; le contrôle par l'expéditeur sur la diffusion ultérieure n'est pas le critère adéquat pour trancher entre ce qui est public et ce qui ne l'est pas; ce n'est pas le risque d'une large diffusion qu'il faut prendre en compte, mais il s'agit bien plus de savoir si ce risque s'est effectivement réalisé pour admettre que l'auteur a agi publiquement; le fait que le risque soit plus ou moins grand suivant que les propos sont adressés à des amis, de simples connaissances ou des étrangers n'a de rôle que dans l'appréciation de l'élément subjectif de l'infraction, plus le risque étant élevé, plus le dol éventuel pouvant le cas échéant être admis (
ATF 126 IV 176
consid. 2d et e).
BGE 126 IV 230 S. 235
dd) En l'espèce, l'intimé, dont la Chambre pénale a noté qu'il n'avait aucune inimitié envers les Juifs, exploite une librairie spécialisée dans le monde arabe et le Moyen Orient. Même si les clients qui s'y rendent présentent en général un intérêt pour le domaine ainsi couvert, l'accès à la librairie n'est pas limité à un public bien défini qui serait sérieusement trié à l'entrée. Quiconque, qu'il soit poussé par un intérêt pour un sujet donné, par simple curiosité ou par le hasard, peut en être le client. La librairie est donc ouverte à un nombre indéterminé de personnes.
Pour la période ici litigieuse, les livres de Roger Garaudy étaient rangés dans un tiroir, donc soustraits à la vue des clients, et n'étaient vendus que sur demande expresse. Il n'a par ailleurs pas été constaté que, d'une manière ou d'une autre, l'intimé en aurait fait de la publicité. Dans ces conditions, il était exclu qu'un client pût y être confronté par hasard. Or, pour qu'une action - la vente d'un livre en l'occurrence - soit qualifiée de publique, elle doit pouvoir être perçue par un cercle indéterminé de personnes, ce qui est précisément le cas lorsque quelqu'un peut y être confronté par hasard (cf. NIGGLI, op.cit., no 704; REHBERG, Strafrecht IV, 2ème éd., Zurich 1996, p. 185). En outre, les exemplaires du livre en stock, que l'intimé avait d'ailleurs commandés avant de connaître leur caractère illicite, représentaient un nombre insuffisant, moins de dix, pour admettre qu'un grand cercle de destinataires était visé. Ainsi, la conjonction du fait qu'aucun visiteur de la librairie ne pouvait tomber sur le livre par hasard, de l'absence de toute réclame par l'intimé et du nombre restreint de livres disponibles amène à conclure qu'il n'a pas agi publiquement. Qu'il n'ait eu aucun contrôle sur les acheteurs et que, de ce fait, un risque accru ait existé que le livre se répandît vers un cercle plus large est sans pertinence pour déterminer s'il a agi publiquement. En effet, conformément à l'
ATF 126 IV 176
, il importe uniquement de savoir si ce risque s'est concrètement réalisé. La Chambre pénale n'a pas constaté que les acheteurs auraient eux-mêmes diffusé largement le livre. On ne saurait donc retenir que l'intimé a agi publiquement au sens de l'
art. 261bis al. 4 CP
. Sur ce point, le pourvoi est infondé. | null | nan | fr | 2,000 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
c7430ff1-1287-4603-9f83-7e6677787a0c | Urteilskopf
120 Ia 61
8. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour civile du 8 février 1994 dans la cause S. contre dame S. et Vice-Présidente du Tribunal de première instance de Genève (recours de droit public) | Regeste
Art. 86 Abs. 1 und
Art. 87 OG
; Art. 387 Abs. 3 und Art. 393 des Genfer Zivilprozessgesetzes; Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges.
Die für einen Ehegatten bestehende Möglichkeit, einen Entscheid betreffend vorsorgliche Massnahmen für die Dauer des Scheidungsprozesses zu verlangen, der eine entsprechende superprovisorische Verfügung des Gerichtspräsidenten ersetzt, stellt einen kantonalrechtlichen Rechtsbehelf dar, vor dessen Ergreifung die staatsrechtliche Beschwerde unzulässig ist. | Erwägungen
ab Seite 62
BGE 120 Ia 61 S. 62
Extrait des considérants:
1.
Selon l'intimée, le recours est irrecevable, faute d'être dirigé contre une décision rendue en dernière instance cantonale.
Il n'est pas contesté en l'espèce que l'ordonnance critiquée a été rendue en application de l'
art. 387 LPC
/GE, selon lequel, dès le dépôt de l'assignation et jusqu'à l'audience d'introduction, le président, sur requête écrite d'un des conjoints et s'il y a urgence, statue en chambre du conseil et sans délai sur les autres mesures provisoires permises par l'
art. 145 CC
(al. 1). Le jugement est immédiatement exécutoire et n'est susceptible d'aucun recours; si la cause est introduite, chaque époux peut agir selon l'
art. 393 LPC
/GE pour requérir un jugement qui se substitue au précédent (al. 3). Sur requête de l'une des parties, ce jugement peut être modifié par le président jusqu'à l'audience d'introduction de la cause devant le tribunal (al. 4).
a) En vertu des
art. 86 al. 1 et 87 OJ
, le recours de droit public pour violation de l'
art. 4 Cst.
n'est recevable que contre des décisions prises en dernière instance cantonale. Selon la jurisprudence constante, la notion de moyen de droit cantonal est large; elle comprend non seulement les voies de recours ordinaires et extraordinaires, mais, d'une façon générale, "toutes les voies de droit qui sont ouvertes au recourant lui-même afin de faire disparaître le préjudice juridique allégué et qui sont de nature à obliger l'autorité saisie à statuer" (
ATF 94 I 459
consid. 2 p. 461 in fine; cf.
ATF 110 Ia 136
consid. 2a,
ATF 90 I 201
consid. 1 p. 204 et les arrêts cités).
Le Tribunal fédéral a déjà eu l'occasion de se prononcer sur le moyen soulevé par l'intimée. Dans un arrêt non publié en la cause D. c. dame D. du 1er juin 1989, il a jugé que la possibilité - courante en matière provisionnelle - de demander la modification de l'ordonnance de mesures préprovisoires, selon l'
art. 387 al. 4 LPC
/GE, n'a pas pour effet, comme le ferait une voie de droit, de faire contrôler la première décision, mais bien d'adapter celle-ci aux circonstances nouvelles; partant, les nouvelles mesures ainsi requises ne sauraient corriger celles qui ont été rendues précédemment et constituer une voie qui permet d'éliminer le préjudice allégué dans le recours de droit public (consid. 1c; cf. KÄLIN, Das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde, p. 283 in fine et les références). Cet arrêt a toutefois laissé indécise la question de savoir si les mesures provisoires prévues par l'
art. 393 LPC
/GE constituent un moyen de droit cantonal à l'encontre de l'ordonnance de mesures préprovisoires.
BGE 120 Ia 61 S. 63
Il n'en serait ainsi "que dans l'éventualité où le prononcé rendu en application de l'
art. 393 LPC
/GE annulerait la première décision avec effet ex tunc"; or, le seul fait que le législateur ait utilisé les termes de "se substituer à" ne signifie pas qu'il ait voulu conférer un effet rétroactif aux mesures provisoires en cause (consid. 1d; cf. ATF non publiés C. B. c. dame C. B. du 22 septembre 1992, consid. 3; L. c. dame L. du 5 février 1990, consid. 1, dans lesquels la question fut également réservée).
b) L'
art. 387 LPC
/GE est le résultat d'une évolution législative, qu'il convient de retracer.
Lors de la révision des dispositions de la loi de procédure civile relatives au divorce et à la séparation de corps, le législateur genevois a procédé par étapes et réglé en premier lieu les mesures provisoires (Mémorial des séances du Grand Conseil 1967 p. 116). La réforme devait permettre au juge de prendre en cas d'urgence, dès le dépôt de la citation en conciliation, sans enquêtes ni instruction préalable, mais après avoir entendu les parties et examiné les pièces produites, des mesures provisoires immédiatement exécutoires, sans être susceptibles d'opposition ou d'appel (ibid. p. 117/118). Ces mesures, qualifiées de "préprovisoires", ne privaient cependant pas les parties d'apporter, dans la procédure sur mesures provisoires, "les éléments probatoires dont elle disposent, pour permettre à leur juge de rendre une décision équitable et correspondant à la situation réelle" (ibid. p. 118). Un nouvel art. 434A a dès lors été adopté, en vertu duquel, s'il accorde l'autorisation de citer, le président, à la demande d'un des conjoints et s'il y a urgence, ordonne les mesures provisoires prévues à l'
art. 145 CC
, ou transmet la demande au juge délégué, qui statuera également en chambre du conseil dans le plus bref délai et en dernier ressort, après avoir entendu les parties préalablement invitées à présenter toutes pièces utiles. Ce jugement déploiera ses effets sous réserve de l'introduction de la demande au fond et d'un nouveau jugement exécutoire éventuellement rendu en application de l'
art. 441 al. 1 LPC
(ibid. p. 120/121 et 127). La jurisprudence a toutefois précisé que le renvoi visait en réalité, non l'al. 1er, mais bien l'al. 2, de la disposition précitée, selon lequel, si des mesures d'urgence ont été ordonnées, le Tribunal, à la demande d'une des parties, doit ordonner une instruction sur mesures provisoires (SJ 1972 p. 123).
L'art. 434A a ensuite été modifié par l'art. 436, qui a profondément remanié, "dans sa présentation", la norme abrogée. La portée de la décision sur mesures préprovisoires a été "précisée", en ce sens
BGE 120 Ia 61 S. 64
que, si la cause est introduite, cette décision "peut être remplacée par un jugement sur mesures provisoires" (Mémorial 1975 p. 2255). Le nouveau texte a dès lors prévu, à l'al. 2, que "chaque époux peut agir selon l'art. 441, al. 1, pour requérir un jugement qui se substitue au précédent" (ibid. p. 2264). Cette formulation est reprise telle quelle dans les versions successives de la loi, c'est-à-dire l'art. 424 al. 3 (Mémorial 1981 p. 2491/2492), puis l'actuel art. 387 al. 3 (Mémorial 1987 p. 1686/1687), lequel correspond textuellement au précédent.
c) L'expression de "se substituer à", qui figure à l'
art. 387 al. 3 LPC
/GE, a été clairement définie dans une décision rendue, certes, en application des art. 434A et 441 aLPC/GE (cf. supra, let. b), mais qui n'en dicte pas moins en l'espèce l'interprétation du texte actuel. La Cour de justice y avait affirmé que, "le Tribunal, saisi à la première audience utile après l'introduction du procès au fond de la demande (...) d'ouverture d'une instruction sur mesures provisoires, avait le droit et l'obligation d'examiner entièrement à nouveau la situation des parties, sans qu'il ait été lié par les modalités de la décision présidentielle, pouvant ainsi augmenter la pension fixée par le Président ou au contraire la diminuer, ce qui impliquait nécessairement que le nouveau jugement rétroagissait et remplaçait la décision présidentielle sur mesures préprovisoires". Des faits nouveaux ne sont, a fortiori, pas indispensables pour le nouveau jugement sur mesures provisoires (SJ 1972 p. 121 ss, spéc. 123 et note BARDE). Selon cette jurisprudence, le juge appelé à statuer sur mesures provisoires (
art. 145 CC
), peut dès lors modifier les mesures préprovisoires ordonnées par le Président, même en l'absence de faits nouveaux; le jugement sur mesures provisoires remplace, avec effet rétroactif, l'ordonnance de mesures préprovisoires. Les termes consacrés par le législateur dès l'adoption de l'art. 436 aLPC/GE sont idoines, et manifestent sa volonté de concrétiser un principe que la jurisprudence avait déjà déduit d'un texte moins explicite (cf. supra, let. b).
En conclusion, la voie des mesures provisoires de l'
art. 393 LPC
/GE ouvre au recourant la possibilité d'obtenir une décision de l'autorité saisie, propre à supprimer le préjudice qui découle de l'ordonnance d'urgence prise en vertu de l'
art. 387 LPC
/GE. Cette voie, l'intéressé l'a du reste suivie, selon les déterminations de l'autorité cantonale. La décision attaquée n'a donc pas été rendue en dernière instance cantonale; le recours est dès lors irrecevable. | public_law | nan | fr | 1,994 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
c7437d0c-dee9-46c3-b109-7d8d777c50c8 | Urteilskopf
98 Ia 568
83. Urteil vom 29. November 1972 i.S. Gemeinde Murten gegen Kanton Freiburg und Rekurskommission in Steuersachen des Kantons Freiburg. | Regeste
Art. 4 BV
. Kantonales Steuerrecht.
Voraussetzungen für die Nichtigkeit einer Verwaltungsverfügung (Erw. 4).
Voraussetzungen für die Revision eines rechtskräftigen Steuerentscheides; kein Revisionsgrund liegt vor, wenn der Entscheid auf einer unzureichenden gesetzlichen Grundlage beruhte (Erw. 5). | Sachverhalt
ab Seite 568
BGE 98 Ia 568 S. 568
A.-
Das freiburgische Einführungsgesetz zum Bundesgesetz vom 12. Juni 1951 über die Erhaltung des bäuerlichen Grundbesitzes vom 25. November 1952 (EG z. EGG) bestimmte in seiner ursprünglichen Fassung in Art. 2, dass der Kanton bei Veräusserungsgeschäften, die eine Verminderung des Kulturlandes zur Folge haben, einen der Verminderung entsprechenden und nach Quadratmetern berechneten Ausgleichsbetrag zugunsten des Fonds für Bodenverbesserungen erhebt; die Einzelheiten dieser Leistung sollte der Staatsrat in einer Ausführungsverordnung
BGE 98 Ia 568 S. 569
bestimmen. Gestützt darauf hatte der Staatsrat des Kantons Freiburg zwischen 1954 und 1969 hintereinander sieben verschiedene Ausführungsverordnungen und Beschlüsse erlassen, in denen der Pflichtige bezeichnet und der Steuersatz festgelegt sowie die Rechtsmittel genannt wurden. Die letzte Ausführungsverordnung erging am 31. Oktober 1969.
Gestützt auf die damals in Kraft stehende Vollziehungsverordnung vom 19. Dezember 1967 wurde die Familienstiftung de Zurich-de Reynold wegen verschiedener Grundstückverkäufe zur Ausgleichsabgabe herangezogen. Sie focht die Veranlagungsverfügung zunächst erfolglos beim Staatsrat des Kantons Freiburg und hernach mit staatsrechtlicher Beschwerde beim Bundesgericht an. Mit Urteil vom 19. Mai 1971 wurde die staatsrechtliche Beschwerde gutgeheissen mit der Begründung, dass die in Art. 2 EG z. EGG enthaltene Delegation an den Staatsrat zu ungenau sei und die Ausführungsverordnung vom 19. Dezember 1967 somit keine hinreichende gesetzliche Grundlage für die beanstandete Abgabe darstelle (
BGE 97 I 344
ff.).
Auf diesen Bundesgerichtsentscheid hin wurde Art. 2 EG z. EGG durch Gesetz vom 18. November 1971 geändert. Die Person des Pflichtigen, die Berechnungsweise der Abgabe, die zuständige Instanz und die Rechtsmittel sind nunmehr in dieser Gesetzesbestimmung selbst enthalten.
B.-
Am 22. Februar 1971 erhob der Grundbuchverwalter von Murten gestützt auf die Ausführungsverordnung vom 31. Oktober 1969 zum EG z. EGG von der Gemeinde Murten den Ausgleichsbetrag für einen im Dezember 1970 getätigten Landerwerb. Die Gemeinde Murten focht die Abgabeerhebung nicht an und bezahlte den Betrag.
Mit Schreiben vom 5. Januar 1972 an die kantonale Behörde für Grundstückverkehr verlangte die Gemeinde Murten die Rückerstattung des von ihr bezahlten Ausgleichsbetrags. Sie berief sich auf den Bundesgerichtsentscheid in Sachen de Zurich- de Reynold vom 19. Mai 1971, wonach die Erhebung des durch Staatsratsbeschluss vom 31. Oktober 1969 verfügten Ausgleichsbetrags zugunsten des Fonds für Bodenverbesserungen ungesetzlich sei. Das Begehren wurde an die kantonale Rekurskommission in Steuersachen - die nach dem neuen Art. 2 EG z. EGG zuständige Rechtsmittelinstanz - weitergeleitet, die es am 16. Juni 1972 abwies. Die Rekurskommission stellte sich
BGE 98 Ia 568 S. 570
auf den Standpunkt, dass namentlich im Steuerrecht nicht ohne Rechtsgrund geleistet sei, was man in Erfüllung einer rechtskräftigen Verfügung erbracht habe, selbst wenn diese gesetzwidrig gewesen sein sollte. Die Rückerstattung einer bezahlten Steuer könne nur verlangt werden, soweit die Verfügung abgeändert werden könne, was einzig auf dem Wege der Revision möglich sei. Dafür lägen im Falle der Gemeinde Murten weder neue erhebliche Tatsachen noch Beweismittel vor.
C.-
Die Gemeinde Murten führt staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von
Art. 4 BV
mit dem Antrag, den Entscheid der kantonalen Rekurskommission in Steuersachen vom 16. Juni 1972 aufzuheben. Die Begründung der Beschwerde ergibt sich, soweit nötig, aus den nachstehenden Erwägungen.
D.-
Die kantonale Rekurskommission in Steuersachen (nachfolgend kurz Rekurskommission genannt) beantragt Abweisung der Beschwerde, und die Finanzdirektion schliesst sich namens des Kantons Freiburg ihren Ausführungen an.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
(Legitimation).
2.
In der Beschwerde wird eingehend dargetan, weshalb die Veranlagungsverfügung vom 22. Februar 1971 bzw. die ihr zugrundeliegende Ausführungsverordnung vom 31. Oktober 1969 zum EG z. EGG verfassungswidrig sei, wobei auch das in Art. 45 KV verankerte Prinzip der Gewaltentrennung angerufen wird. Diese Vorbringen sind jedoch, abgesehen davon, dass sie im Anschluss an die Abgabeerhebung geltend zu machen gewesen wären und heute verspätet sind, unerheblich. Denn die Verfassungswidrigkeit der Veranlagungsverfügung vom 22. Februar 1971 ist nicht streitig. Der Kanton Freiburg anerkennt, dass die der Verfügung zugrundeliegende Ausführungsverordnung vom 31. Oktober 1969 aus den gleichen Gründen wie diejenige vom 19. Dezember 1967, worauf die von der Familienstiftung de Zurich-de Reynold verlangte Ersatzabgabe sich stützte, verfassungswidrig ist. Der Streit geht hier einzig darum, ob die aufgrund einer unangefochten gebliebenen Veranlagungsverfügung geleistete Abgabe zurückzuerstatten ist, wenn sich hinterher herausstellt, dass die Verfügung auf einer unzureichenden gesetzlichen Grundlage beruhte. In diesem Zusammenhang ruft die Beschwerdeführerin mit Recht nur
Art. 4 BV
an;
BGE 98 Ia 568 S. 571
die Frage ist nur unter dem beschränkten Gesichtswinkel der Willkür zu prüfen.
3.
In Rechtsprechung und Lehre ist allgemein anerkannt, dass die Steuerveranlagung, die unangefochten geblieben oder durch Entscheid der Steuerjustizbehörde bestätigt bzw. abgeändert worden ist, mit der formellen grundsätzlich auch die materielle Rechtskraft erlangt. Die Festsetzung der Steuerschuld wird damit für den Steuerpflichtigen wie für das Gemeinwesen endgültig und verbindlich ohne Rücksicht darauf, ob sie materiell richtig ist. Dies ist ein Gebot der Rechtssicherheit und ergibt sich auch daraus, dass der Steuerpflichtige bei der Veranlagung oder zumindest deren Kontrolle auf dem Rekursweg selbst mitwirken kann. Auf einen Veranlagungsentscheid kann deshalb nur ausnahmsweise zurückgekommen werden, nämlich dann, wenn die Voraussetzungen einer Revision erfüllt sind (
BGE 81 I 7
mit Verweisungen; BLUMENSTEIN, System des Steuerrechts, 3. neubearb. Aufl. Zürich 1971, S. 296, 366; A. GRISEL, Droit administratif suisse, Neuchâtel 1970, S. 214 f.; IMBODEN, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, 4. unver. Aufl., Basel 1971, Nr. 322 III c; E. KÄNZIG, Kommentar zur Wehrsteuer, Basel 1962, N 2 zu Art. 126 WstB).
4.
Die von der Beschwerdeführerin bezahlte Ausgleichsabgabe müsste zurückerstattet werden, wenn sie, wie sinngemäss geltend gemacht wird, aufgrund einer nichtigen und damit der Rechtskraft nicht fähigen Verfügung erhoben worden wäre. Nach Lehre und Rechtsprechung ist die Nichtigkeit, d.h. die absolute Unwirksamkeit einer Verwaltungsverfügung nur ausnahmsweise anzunehmen. Eine Verfügung wird als nichtig erklärt, wenn der ihr anhaftende Mangel besonders schwer und offensichtlich oder zumindest leicht erkennbar ist und zudem die Rechtssicherheit dadurch nicht ernsthaft gefährdet wird (
BGE 92 IV 197
,
BGE 83 I 5
,
BGE 71 I 198
Erw. 1; GRISEL, a.a.O. S. 202ff.; IMBODEN, a.a.O. Nr. 326 II). Diese Voraussetzungen sind bei der Veranlagungsverfügung vom 22. Februar 1971 nicht gegeben. Sie stützte sich auf eine gesetzliche Grundlage, die wegen unzulässiger Delegation ungenügend war. Diese Verfassungswidrigkeit kann aber weder als offensichtlich noch als besonders schwer betrachtet werden. Solange die Ausführungsverordnung zum EG z. EGG nicht aufgehoben oder, wie im Fall de Zurich-de Reynold aufgrund akzessorischer richterlicher Prüfung
BGE 98 Ia 568 S. 572
als nicht anwendbar erklärt war, haftete den gestützt darauf ergangenen Veranlagungsverfügungen bloss ein verdeckter Mangel an. Zudem wäre es unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit nicht tragbar, wenn schon Verwaltungsakte, die sich mangels einer gesetzlichen Grundlage als verfassungswidrig erweisen, als absolut unwirksam und nicht bloss nur anfechtbar gelten würden. Der Rekurskommission kann daher keine Willkür vorgeworfen werden, wenn sie die Veranlagungsverfügung nicht als nichtig betrachtete.
5.
Eine Rückerstattung der von der Beschwerdeführerin geleisteten Ersatzabgabe kann nach dem Gesagten einzig auf dem Wege einer Revision der Veranlagungsverfügung vom 22. Februar 1971 in Frage kommen.
a) Das freiburgische Steuerrecht sieht die Möglichkeit einer Revision von Steuerveranlagungen nicht ausdrücklich vor. Es fragt sich deshalb, ob unter diesen Umständen der Steuerpflichtige eine Revision überhaupt verlangen kann. Bei Willkürbeschwerden im Zusammenhang mit kantonalen und kommunalen Steuern hat sich das Bundesgericht zu dieser Frage zunächst zurückhaltend gezeigt, indem es den Fall eines die Revision rechtfertigenden Irrtums kaum je als gegeben erachtete (
BGE 75 I 311
). Mehr und mehr hat es sich jedoch von den bei freier Überprüfungsbefugnis in Bundessteuersachen entwickelten Grundsätzen leiten lassen (
BGE 87 I 179
), ohne jedoch die Gelegenheit gehabt zu haben, klar festzulegen, unter welchen minimalen Voraussetzungen der Pflichtige gestützt auf
Art. 4 BV
eine Revision verlangen kann. Die Frage braucht aber auch hier nicht weiter verfolgt zu werden, da die Rekurskommission nicht nur ohne Willkür, sondern zu Recht das Vorliegen eines Revisionsgrundes verneint hat.
b) Nach der Lehre und der Rechtsprechung des Bundesgerichts zu den Bundessteuern ist die Revision einer Steuerveranlagung auch ohne eine entsprechende Gesetzesvorschrift zulässig, wenn die Veranlagung unter Verletzung wesentlicher prozessualer Vorschriften zustande gekommen ist, wenn, ohne dass der Pflichtige dies hätte verhindern können, Tatsachen unberücksichtigt geblieben sind, die amtlichen Akten hätten entnommen werden können, oder wenn der Pflichtige Tatsachen oder Beweismittel vorbringt, deren Geltendmachung ihm im früheren Verfahren nicht möglich war, ferner auch dann, wenn die Steuerbehörde den Pflichtigen über Inhalt oder Anwendung
BGE 98 Ia 568 S. 573
der gesetzlichen Vorschriften in einen Irrtum versetzt oder ihm über massgebliche Umstände eine unrichtige Auskunft erteilt hat. Die Revision ist dagegen nicht gegeben, um einen Rechtsirrtum zu beheben oder eine andere Rechtsauffassung durchzusetzen, auch nicht, um eine neue Würdigung der beim Entscheid bekannten Tatsachen herbeizuführen. Eine Änderung der Praxis oder Rechtsprechung sowie das Vorbringen von Gründen, die der Pflichtige bereits im Rekursverfahren gegen den Entscheid hätte geltend machen können, sind kein Anlass zur Revision (
BGE 87 I 179
,
BGE 78 I 201
f.,
BGE 77 I 241
,
BGE 75 I 311
ff.,
BGE 74 I 407
f.,
BGE 70 I 170
; BLUMENSTEIN, a.a.O., S. 367 f.; GRISEL, a.a.O., S. 215; IMBODEN, a.a.O., Nr. 324 IV; KÄNZIG, a.a.O., N. 8 zu Art. 126 WstB).
Was die Beschwerdeführerin zur Begründung ihres Rückerstattungsbegehrens vorbringt, genügt im Lichte dieser Grundsätze nicht für eine Revision der Veranlagungsverfügung vom 22. Februar 1971. Dass die Ausführungsverordnung vom 31. Oktober 1969 keine hinreichende gesetzliche Grundlage für die Abgabeerhebung darstellte, hätte sie auf dem Rekurswege geltend machen können, wie dies im Falle de Zurich-de Reynolds auch getan wurde. Wenn es ihr damals an der nötigen Aufmerksamkeit gebrach, um auf diesen Mangel zu stossen, so hat sie das selbst zu vertreten. Der Umstand, dass nachträglich ein Bundesgerichtsurteil erging, welches die Ausführungsverordnung vom 17. Dezember 1967 als verfassungswidrig erklärte und demzufolge auch die der Besteuerung der Beschwerdeführerin zugrundeliegende Verordnung vom 31. Oktober 1969 als verfassungswidrig gelten muss, ist keine neue Tatsache im Sinne eines Revisionsgrundes. Diese Tatsache ist erst nach dem Veranlagungsverfahren eingetreten und hätte von der Behörde damals noch gar nicht berücksichtigt werden können (
BGE 88 II 64
).
Von den dargelegten Grundsätzen könnte allenfalls dann ausnahmsweise abgewichen werden, wenn sie zu einem stossenden und dem Gerechtigkeitsgefühl zuwiderlaufenden Ergebnis führen würden. Davon kann im hier zu beurteilenden Falle nicht die Rede sein. Die Beschwerdeführerin beruft sich denn auch zu Unrecht auf den Fall Destefani (
BGE 78 I 191
), in welchem solche Überlegungen mitgespielt haben mögen. Das Bundesgericht hat dort auf direkte verwaltungsrechtliche Klage hin das Rückerstattungsbegehren einer Witwe, die eine ihr zustehende
BGE 98 Ia 568 S. 574
Rente der eidg. Militärversicherung als steuerbares Einkommen deklariert und versteuert hatte, gutgeheissen. Es nahm an, dass ein entschuldbarer Rechtsirrtum seitens der Pflichtigen vorliege; mit Rücksicht auf die derogatorische Kraft des Bundesrechts gingen zudem die von diesem angeordneten Steuerbefreiungsgründe auch dort vor, wo nach kantonalem Recht Rechtskraft anzunehmen wäre (Erw. 3). Selbst wenn man von den hinter dem Entscheid Destefani allenfalls stehenden Billigkeitsgründen absieht, so unterscheidet sich jener Fall dennoch wesentlich von demjenigen der Beschwerdeführerin. In jenem Fall griff eine materiellrechtliche Vorschrift des Bundes ein, welche bei der Veranlagung zugunsten des Steuerpflichtigen unbedingt zu beachten war. Wenn die Beschwerdeführerin glaubt, dies treffe auch hier zu, indem sie auf das Prinzip der Gesetzmässigkeit der Steuer hinweist, so verkennt sie dabei, dass die Missachtung dieses verfassungsmässigen Prinzips grundsätzlich nur zur Anfechtbarkeit des betreffenden Verwaltungsaktes führen kann. Zudem war aus den Akten ersichtlich, dass es sich um eine Rente der eidg. Militärversicherung handelte, und die Behörde hätte diese Tatsache bei der Veranlagung berücksichtigen sollen. Soweit der Entscheid den Rückerstattungsgrund in einem entschuldbaren Rechtsirrtum der Steuerpflichtigen sah, müsste man sich fragen, ob er nach der heutigen Auffassung, die darin keinen Revisionsgrund mehr sieht, nicht überholt sei. An den geltenden Regeln über die Revision von Steuerveranlagungen ändert er jedenfalls nichts.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen. | public_law | nan | de | 1,972 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
c74ca464-a1d8-4921-a3b4-d3e0a2607366 | Urteilskopf
80 II 239
39. Arrêt de la IIe Cour civile du 15 septembre 1954 dans la cause C. contre T. | Regeste
Klage auf Herausgabe gestohlener und verlorener Sachen.
Art. 934 ZGB
.
Sind jemandem Aktien wider seinen Willen abhanden gekommen, die inzwischen durch neue, die nämlichen Rechte verleihendeTitel ersetztwurden, so kann er die neuen Titel gleichermassen zurückfordern.
Fall eines bösgläubigen Erwerbes. | Sachverhalt
ab Seite 240
BGE 80 II 239 S. 240
Résumé des faits:
Le 12 février 1949, C., agent de change à Paris, a informé le Greffe du Tribunal de Vevey de la disparition de ses caisses d'une coupure de cinq actions Nestlé and Anglo Swiss Cy Ltd portant les nos 211 701 à 211 705 (désignées ci-dessous en abrégé: actions Nestlé) et l'a prié d'entreprendre en son nom la procédure d'opposition.
Le 14 mars, le Président du Tribunal de Vevey a fait au détenteur inconnu de ces titres les sommations d'usage, en l'invitant à les produire dans le délai de six mois dès la première publication de l'avis dans la Feuille officielle suisse du commerce, faute de quoi l'annulation serait prononcée.
Le 15 septembre, Me G., avocat à Genève, a déposé au Greffe du Tribunal de Vevey, au nom d'un sieur T., courtier à Genève, cinq actions Nestlé-Alimentana portant les numéros 370 647 à 370 651 que ledit avait reçues le 17 décembre 1948 en échange des actions Nestlé nos 211 701 à 211 705, sur quoi le Président du Tribunal de Vevey a fixé à C. un délai au 15 novembre 1949 pour introduire une action en revendication de ces titres.
Le 12 novembre, C. a déposé un exploit à cet effet, fondant sa demande sur l'art. 934 CC.
T. a conclu au rejet de la demande en soutenant que le demandeur ne justifiait pas avoir été propriétaire des actions Nestlé nos 211 701 à 211 705 et encore moins d'un droit de propriété sur les actions Nestlé-Alimentana déposées au Greffe du Tribunal de Vevey. Il contestait en outre que le demandeur, à supposer même qu'il pût fournir ces
BGE 80 II 239 S. 241
justifications, eût été dessaisi de ces titres contre sa volonté.
Par arrêt du 13 avril 1954, la Cour de justice civile de Genève, en confirmation du jugement rendu par le Tribunal de première instance, a déclaré fondée la revendication de C. et autorisé ce dernier à se faire remettre par le Greffe du Tribunal du district de Vevey les cinq actions qui y avaient été déposées.
En ce qui concerne la manière dont le défendeur était entré en possession des titres les juridictions cantonales ont constaté ce qui suit:
Le demandeur a acheté, le 27 septembre 1948, à la Bourse de Paris, cinq actions de la Société Nestlé and Anglo Swiss Holding Cy Ltd portant les numéros 211 701 à 211 705. Il en a été dépossédé par suite d'un vol ou d'un abus de confiance. En décembre 1948, Sieur S., courtier à Genève, les a reçues d'un Français, inconnu de lui, qui était de passage à Genève. Il les a remis à T. Ce dernier les a échangés, le 17 décembre, contre cinq actions Nestlé-Alimentana portant les nos 370 647 à 370 651, cet échange résultant de la modification de la raison sociale de la débitrice. Tout comme l'ancienne action Nestlé and Anglo Swiss Holding Cy Ltd, l'action Nestlé-Alimentana nouvelle comprenait en réalité trois titres soit une action Nestlé-Alimentana, un bon d'amortissement et une action Unilac. Cette substitution n'avait apporté aucun changement aux droits des porteurs.
T. a recouru en réforme en concluant à nouveau au rejet de la demande.
Le Tribunal fédéral a rejeté le recours et confirmé l'arrêt de la Cour de justice civile.
Erwägungen
Extrait des motifs:
3.
Le moyen tiré du fait que le recourant a été condamné à restituer à l'intimé d'autres titres que ceux dont ce dernier avait été dépossédé n'est pas fondé. En matière de revendication de papiers-valeurs, l'action tend bien en principe à la restitution des documents mêmes dont le
BGE 80 II 239 S. 242
demandeur s'est trouvé dépossédé. Mais encore faut-il que la restitution de ces documents-là le replace dans la situation dans laquelle il se serait trouvé s'il n'en avait pas été dépossédé par suite de perte ou de vol. Or, lorsque les droits qu'incorporaient les documents perdus ou volés ont été, depuis la perte ou le vol, rattachés à de nouveaux documents, tout comme ils l'étaient aux documents primitifs, il est clair que l'action en revendication ne change pas d'objet pour s'exercer contre la personne qui s'est fait remettre de nouveaux titres en échange des titres volés ou perdus et les détient encore au moment de la réclamation.
5.
Le recourant reproche également à la Cour de justice de n'avoir pas tranché nettement la question de savoir s'il y a eu vente des titres entre le Français inconnu et Sieur S., ou si celui-ci a été le mandataire du recourant, ou si, au contraire, ce dernier n'a pas été le mandataire de Sieur S. La Cour de justice aurait en outre négligé le fait que ce n'est pas de Sieur S. que le recourant a reçu les actions Nestlé-Alimentana. Ce dernier argument a déjà été réfuté ci-dessus. Pour ce qui est des rapports entre le recourant et Sieur S., il est exact que la Cour de justice ne les a pas exactement définis. Mais cela est sans importance. En effet, d'une part, le recourant soutient, actuellement encore, qu'il a acheté les actions pour son compte, d'autre part, il est sans intérêt de savoir s'il les a achetées à Sieur S. ou au Français inconnu par l'entremise de Sieur S. Ce qui est décisif, c'est que, selon les contestations de l'arrêt attaqué, il n'était en tout cas pas de bonne foi lors de cet achat. Il conteste, il est vrai, la justesse de cette affirmation et prétend avoir traité des milliers d'affaires avec Sieur S. et n'avoir jamais eu l'occasion de se méfier de lui. Cela est possible, mais est indifférent en l'espèce. Ce qu'il suffit de relever, c'est que, d'après les constatations de l'arrêt attaqué, le recourant savait, lorsqu'il a acquis les titres, à la suite de quelles circonstances ils avaient passé en la possession du Sieur S., autrement dit que ce dernier les avait achetés à un inconnu, et comme il s'agissait de titres
BGE 80 II 239 S. 243
cotés à la Bourse, le fait que le vendeur s'était adressé à un courtier sans faire connaître son identité suffisait à rendre l'opération suspecte. Sieur S. et lui-même s'étaient du reste si bien rendu compte que les titres pouvaient avoir été volés qu'ils ont pris soin de consulter la liste des titres frappés d'opposition pour s'assurer qu'ils n'y figuraient pas. Or, en leur qualité d'hommes d'affaires expérimentés, ils devaient évidemment savoir qu'il se passe en général un certain temps entre le vol d'un titre et sa découverte et, à plus forte raison, entre le vol et l'ouverture de la procédure d'annulation, de sorte que si les titres litigieux ne figuraient pas sur la liste en question, ce n'était pas une raison suffisante pour dissiper leurs soupçons.
Il est exact que l'acheteur d'un titre au porteur n'a pas en général à se demander si l'aliénateur a qualité pour en disposer, mais cela n'est vrai cependant que s'il n'a pas de raisons particulières de suspecter la bonne foi de son cocontractant, et il est clair que les circonstances dans lesquelles l'affaire se présentait en l'espèce exigeait de la part du recourant la plus extrême prudence. La décision rendue par la Cour de justice ne peut donc qu'être confirmée. | public_law | nan | fr | 1,954 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
c756c5f9-6839-4433-85ae-ab689eb0d0cd | Urteilskopf
115 II 380
68. Arrêt de la IIe Cour civile du 12 octobre 1989 dans la cause Département fédéral de justice et police contre Conseil d'Etat du canton de Fribourg (recours de droit administratif) | Regeste
Bäuerlicher Grundbesitz; Kaufsrecht; Einspruch (
Art. 19 Abs. 1 lit. a EGG
).
1. Mehrteiliges Rechtsgeschäft, welches einerseits darin besteht, dass eine Gesellschaft ein landwirtschaftliches Heimwesen an einen Unternehmer verkauft, indem dieser ein Kaufsrecht ausübt, und andererseits in der Abtretung des Heimwesens durch den Unternehmer an einen Landwirt im Austausch gegen in dessen Eigentum stehende Grundstücke. Ein solches Rechtsgeschäft, welches ausgedacht wurde, um eine Einsprache zu umgehen, die die kantonale Behörde gegen einen früheren Vorvertrag erhoben hatte, ist nicht in seiner Gesamtheit zu betrachten; ausschlaggebend ist einzig das Grundstückgeschäft zwischen der Gesellschaft und dem Unternehmer (E. 5). Es ist somit ohne Bedeutung, dass die Abwicklung des gesamten Geschäfts ein landwirtschaftliches Heimwesen - welches ein Landwirt bewirtschaften wollte - wieder der Landwirtschaft zugeführt hätte (E. 6a).
2. Es widerspricht dem Zweck von
Art. 1 EGG
, wenn die kantonale Behörde den Erwerb eines landwirtschaftlichen Heimwesens zu einem ungewöhnlich hohen Preis zulässt, bloss weil der Landwirt ihn durch den Tausch von Bauland bezahlen kann (E. 6b). | Sachverhalt
ab Seite 381
BGE 115 II 380 S. 381
Par contrat du 15 janvier 1983, la société D. a acquis, pour le prix total de 1'332'872 francs, un domaine agricole, sis sur le territoire de la commune de Châtonnaye, comprenant, outre les bâtiments, 37 poses de pâturages, 20 poses de champs et 13 poses de bois. Par la suite, elle chercha un acquéreur pour ce domaine, qu'elle trouva en la personne de V. Le 30 décembre 1986, la société D. et V. passèrent une promesse de vente et d'achat pour le prix de 1'400'000 francs. Le 19 mai 1987, l'Autorité foncière cantonale s'opposa à cet acte, estimant que V. agissait dans un dessein de spéculation. Ce dernier n'a pas recouru contre cette décision.
Par acte notarié du 25 avril 1988, intitulé "pacte d'emption, échange immobilier, cession de droit d'emption par levée d'option", la société D. a concédé à V. un droit d'emption sur le domaine, stipulé transmissible et cessible, dont l'exercice était subordonné au versement d'un montant de 1'400'000 francs. Simultanément, V. déclarait exercer son droit d'emption, non pour lui-même mais pour l'agriculteur H. Ce dernier acceptait, de son côté, de lui céder en échange, sans soulte, les immeubles dont il est propriétaire à Gurmels et Cordast. Ces bien-fonds constituent un domaine agricole de 21 poses, acheté le 29 novembre 1979 pour le prix de 385'000 francs; 4200 m2 sont situés en zone à bâtir; les autres parcelles sont, pour la plupart, proches de cette zone, certaines lui étant même contiguës.
Par décision du 23 juin 1988, l'Autorité foncière cantonale a fait opposition au pacte d'emption, estimant que V. agissait dans un dessein de spéculation. L'échange immobilier entre V. et H. devenait ainsi sans objet.
BGE 115 II 380 S. 382
Le 1er août 1988, les parties à l'acte du 25 avril 1988 ont recouru au Conseil d'Etat du canton de Fribourg contre cette décision, concluant à l'annulation de l'opposition. Par décision du 6 décembre 1988, le Conseil d'Etat a admis le recours.
Le Département fédéral de justice et police exerce un recours de droit administratif au Tribunal fédéral contre la décision du Conseil d'Etat; il conclut à son annulation et à la confirmation de la décision de l'Autorité foncière cantonale du 23 juin 1988. L'autorité intimée conclut à l'irrecevabilité du recours. V., la société D. et H. concluent au rejet du recours.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
L'
art. 45 LPR
ouvre la voie du recours de droit administratif au Tribunal fédéral contre les décisions prises en dernière instance cantonale en matière d'opposition à un contrat de vente.
En l'espèce, un droit d'emption, stipulé cessible et transmissible, a été constitué par la société D., par acte notarié du 25 avril 1988, en faveur de V., qui a déclaré, simultanément, l'exercer en faveur de H. On est ainsi en présence d'un acte juridique destiné à produire des effets économiques analogues à ceux de la vente et qui doit dès lors lui être assimilé (
art. 19 al. 3 LPR
;
ATF 92 I 417
consid. 1).
Dirigé contre une décision du Conseil d'Etat du canton de Fribourg, rendue en dernière instance cantonale (art. 16 et 17 LALPR frib.) et en application de l'
art. 19 LPR
, le recours est recevable de ce chef.
Le Département fédéral de justice et police, compétent en la matière, a par ailleurs qualité pour recourir (
art. 103 let. b OJ
).
2.
Le domaine litigieux a été acquis par la société D. le 15 janvier 1983. S'agissant d'un domaine agricole, il ne relève pas des exceptions prévues à l'
art. 218 al. 2 CO
. Il est dès lors soumis à l'interdiction d'aliéner pendant dix ans, à moins qu'une aliénation anticipée ne soit autorisée pour de justes motifs au sens de l'
art. 218bis CO
. En l'espèce, la question n'a cependant pas à être examinée préalablement. Selon la jurisprudence, en effet, la procédure d'opposition, dans les cas prévus par l'
art. 19 LPR
, n'est pas subsidiaire par rapport à la procédure concernant l'aliénation d'immeubles avant l'expiration du délai d'interdiction selon les
art. 218 ss CO
(
ATF 109 Ib 92
consid. 1).
BGE 115 II 380 S. 383
3.
Le Conseil d'Etat a relevé que le but de V. n'était pas d'exploiter du terrain agricole lui-même ou par l'entremise d'un tiers, même s'il y était contraint provisoirement en raison de la prohibition de revente (
art. 218 ss CO
), mais d'acquérir le domaine de H. à Gurmels dont une partie était déjà en zone à bâtir et dont une autre pourrait y être inclue prochainement. Tel était le motif pour lequel V. avait accepté de verser 1'400'000 francs à la société D., ce qui ne correspondait nullement à la valeur objective actuelle du domaine de H. reçu en échange. Par ailleurs, l'autorité administrative n'avait pas à tenir compte du fait que la transaction litigieuse permettrait à la société venderesse de réaliser son bien aux conditions les plus favorables. Avec l'Autorité foncière cantonale, le Conseil d'Etat a en conséquence admis que, au regard de ces circonstances, la transaction litigieuse revêtait bien un caractère spéculatif. Le recourant le rappelle expressément et les intimés ne le contestent pas. Le Conseil d'Etat a toutefois estimé qu'il existait en l'espèce une "circonstance très particulière". Selon lui, "la transaction immobilière voulue par les parties permet en effet - occasion peut-être unique - de remettre en quelque sorte dans le "circuit agricole" un domaine qu'un agriculteur souhaite exploiter. Par là-même, le but de la loi, exposé à l'article premier, serait pleinement respecté". Il a considéré qu'il s'agissait là d'un élément suffisant pour justifier la levée de l'opposition.
4.
Quand bien même les conditions prévues par l'
art. 19 al. 1 LPR
se trouvent réalisées, il appartient à l'autorité compétente de déterminer si en l'espèce l'opposition, justifiée légalement, doit être formée ou non (principe de l'opportunité). Cela ne signifie pas qu'elle puisse agir arbitrairement; elle doit user de son pouvoir d'appréciation dans les limites qui lui sont posées, c'est-à-dire prendre chaque fois la décision qui apparaît appropriée compte tenu des circonstances particulières et des principes généraux. Le Tribunal fédéral ne revoit pas sa décision sous l'angle de l'opportunité. Il examine en revanche - et cela avec plein pouvoir - si dans l'espèce l'autorité cantonale a correctement appliqué les conditions d'opposition prévues par le droit fédéral (
ATF 89 I 62
consid. 1). Les diverses dispositions légales doivent être interprétées et appliquées d'après le but de la loi, défini à l'
art. 1er LPR
. Ce but est notamment de protéger la propriété foncière rurale en tant que fondement d'une paysannerie saine et capable d'un effort productif, comme aussi
BGE 115 II 380 S. 384
de favoriser la création et le maintien d'entreprises agricoles (
ATF 100 Ib 264
/265 consid. 3b).
En l'espèce, dans la mesure où le recourant soutient que, dans l'application qu'il a faite de l'
art. 19 al. 1 let. a LPR
, le Conseil d'Etat a méconnu le but poursuivi par la loi en son art. 1er, dont la procédure d'opposition doit garantir le respect, il invoque une violation du droit fédéral. C'est donc à tort que le Conseil d'Etat, à l'avis duquel les intimés se rangent sur ce point, objecte que le recourant critique l'opportunité de sa décision et que, les conditions prévues par l'
art. 104 let
. c OJ n'étant pas réalisées, le recours serait irrecevable.
5.
Pour le recourant, l'argument retenu par le Conseil d'Etat n'est pas décisif au regard des critères légaux. L'acte notarié du 25 avril 1988 prêterait à confusion: il suggère qu'en exerçant son droit d'emption, V. aurait cédé ce droit à H., alors que ces deux opérations s'excluent. Seul devrait donc être pris en considération le rapport juridique entre la société D. et V. La transaction litigieuse n'aboutirait donc nullement à remettre le domaine dans le "circuit agricole" et c'est à tort que le Conseil d'Etat aurait considéré que le but prévu par l'
art. 1er LPR
serait respecté.
Afin de déterminer si la circonstance retenue par le Conseil d'Etat permet de sauvegarder le but poursuivi par la loi, il y a lieu d'examiner préalablement l'acte qui se trouve à la base de la transaction litigieuse.
Il est constant que, le 30 décembre 1986, la société D. et V. ont passé une promesse de vente et d'achat, pour le prix de 1'400'000 francs. L'Autorité foncière cantonale s'est toutefois opposée à cette transaction et aucun recours n'a été interjeté contre sa décision. Par acte notarié du 25 avril 1988, la société D. a alors concédé à V. - qui n'est pas agriculteur et dont il n'est pas contesté qu'il n'a nullement l'intention d'exploiter du terrain agricole - un droit d'emption, stipulé cessible et transmissible, que le bénéficiaire a déclaré exercer, non pour lui-même, mais pour l'agriculteur H., qui a accepté de lui céder en échange les immeubles dont il est propriétaire à Gurmels et Cordast. Les circonstances dans lesquelles cette dernière transaction est intervenue tendent à démontrer que l'échange des domaines et la "cession" par V. à H. ont été envisagés comme un moyen, pour la société D. et V., de remédier à l'illégalité d'un acte antérieur, à savoir la promesse de vente du 30 décembre 1986, qui, en raison
BGE 115 II 380 S. 385
de son caractère spéculatif, s'était heurté à l'opposition de l'Autorité foncière cantonale.
Cette manière de voir est confirmée par la construction juridique de l'acte notarié du 25 avril 1988. Ainsi que le relève le recourant, l'acte notarié prête à confusion dans la mesure où il fait état d'une "cession d'un droit d'emption par levée d'option". La nature juridique du droit d'emption est controversée; il est conçu soit comme une vente conditionnelle, soit comme un droit de nature potestative qui a pour but un contrat de vente et d'achat, soit comme une offre de vente contractuellement prolongée dans le temps. En conséquence, le transfert du droit d'emption est défini tantôt comme une cession de contrat, tantôt comme une cession d'un droit potestatif (
ATF 111 II 146
consid. 4b). Le Tribunal fédéral ne s'est toutefois pas prononcé sur la nature juridique du droit d'emption (
ATF 111 II 146
consid. 4b,
ATF 94 II 111
consid. 3). En l'espèce, cette question peut également demeurer indécise. En effet, quelle que soit sa nature juridique, l'exercice du droit d'emption par son titulaire ne se confond pas avec la cession de ce droit à un tiers. Le droit d'emption est un droit formateur (
ATF 94 II 278
consid. 2); comme tel, il s'épuise par l'usage qu'on en fait. En déclarant exercer son droit, V. n'a pu que parfaire la vente convenue dans le pacte, devenant ainsi propriétaire du domaine. Le système prévu par l'acte notarié combine en réalité deux transactions entre des parties distinctes: la vente du domaine par la société D. à V. moyennant l'exercice par ce dernier du droit d'emption stipulé en sa faveur, d'une part, et la cession du domaine par V. à H., moyennant échange dudit domaine contre des immeubles dont ce dernier est propriétaire, d'autre part. L'unicité de l'acte n'est que la conséquence de la concomitance dans le temps des transactions passées. Cette concomitance ne s'explique cependant pas par l'interdépendance nécessaire des opérations visées dans l'acte, comme le soutiennent les intimés. Ainsi qu'on l'a vu, la transaction entre V. et H. était en réalité destinée à éluder la décision de l'Autorité foncière cantonale prononçant la nullité de la promesse de vente passée entre la société D. et V. le 30 décembre 1986.
Ce n'est donc pas la transaction dans son ensemble, en tant qu'elle lie non seulement la société D. et V. mais également H., qui doit être prise en considération. Ce qui est décisif, c'est l'opération intervenue entre la société D. et V. Le fait que les parties à la promesse de vente et d'achat du 30 décembre 1986 n'aient pas
BGE 115 II 380 S. 386
recouru contre la décision de l'Autorité foncière de s'y opposer, mais qu'elles aient choisi de passer, quelques mois plus tard, la transaction litigieuse selon la construction juridique de l'acte notarié sont à cet égard significatifs.
6.
Reste à examiner si le Conseil d'Etat pouvait, pour le motif très particulier qu'il a retenu, renoncer à s'opposer à la transaction. A son avis, V. aurait remis un domaine dans le "circuit agricole".
a) Ainsi qu'on l'a vu, ce n'est pas la transaction dans son ensemble qui, en l'espèce, doit être prise en considération; est seule décisive l'opération intervenue entre la société D. et V. Celle-ci tendait à éluder la décision de l'Autorité foncière cantonale prononçant la nullité de la promesse de vente du 30 décembre 1986. Dans ces conditions, il importe peu que la seconde opération, entre V. et H., ait eu pour but de transférer le domaine à ce dernier. L'argument du Conseil d'Etat selon lequel cette dernière opération permettrait néanmoins de remettre dans le circuit agricole un domaine qu'un agriculteur souhaite exploiter est dès lors privé de pertinence.
b) Au demeurant, le motif particulier retenu par le Conseil d'Etat n'est pas fondé. Selon son art. 1er, la LPR a notamment pour but de protéger la propriété foncière rurale en tant que fondement d'une paysannerie saine et capable d'un effort productif, comme aussi de favoriser la création et le maintien d'entreprises agricoles. La procédure d'opposition est destinée à garantir la réalisation de ce but. Elle tend notamment à lutter contre la spéculation afin de permettre l'acquisition par des agriculteurs de domaines à des prix normaux. Lorsque, comme en l'espèce, l'autorité cantonale tolère l'acquisition d'un domaine à un prix anormalement élevé parce que l'agriculteur qui s'en porte acquéreur est en mesure de le payer moyennant un échange avec du terrain à bâtir, le but poursuivi par la loi se trouve détourné. En admettant de telles pratiques, l'autorité cantonale, non seulement ne s'oppose pas à des opérations spéculatives, mais contribue à les favoriser. Ce faisant elle viole la loi, dont les dispositions, notamment les art. 18 ss, doivent être interprétées et appliquées d'après son but, tel qu'il est défini à l'art. 1er (cf. supra, ch. 4).
Au demeurant, le domaine ne saurait être remis dans le circuit agricole, dès lors qu'il n'en est jamais sorti. En outre, le domaine de Gurmels est exposé à disparaître. | public_law | nan | fr | 1,989 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
c75d0776-2a70-4ffc-9472-d8b3aefd5d6a | Urteilskopf
141 III 564
74. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit civil dans la cause A. Corporation contre B. SA (recours en matière civile)
4A_191/2015 du 16 décembre 2015 | Regeste
Vorsorgliche Beweisführung; schutzwürdiges Interesse (
Art. 158 Abs. 1 lit. b ZPO
); Rechenschaftsablegung (
Art. 400 Abs. 1 OR
).
Der (materiellrechtliche) Informationsanspruch des Auftraggebers kann nicht auf dem Weg der vorsorglichen Beweisführung geltend gemacht werden (E. 4). | Sachverhalt
ab Seite 564
BGE 141 III 564 S. 564
A.
En novembre 2006, la société A. Corporation (ci-après: A.) a confié à la banque B. un mandat de gestion discrétionnaire, avec un objectif d'investissement à risque modéré. La banque a placé des avoirs de A. dans deux fonds d'investissement, dont l'unique objectif était de collecter de l'argent pour le placer auprès de Bernard Madoff Investment Services (BMIS). Dans ce cadre, A. a encaissé plus d'un million d'euros à titre de plus-value; en réalité, les plus-values étaient fictives, BMIS créditant de prétendues plus-values au moyen de fonds remis par de nouveaux investisseurs, selon le système dit "de cavalerie". A la suite de la crise financière de 2008, le système s'est écroulé. En novembre 2010, la banque a informé A. que le liquidateur de BMIS se réservait le droit de réclamer le remboursement ("claw back") de montants importants aux deux fonds d'investissement, ainsi qu'à leurs anciens actionnaires ou détenteurs de parts. En raison de ce risque, la banque a bloqué les avoirs de A. à concurrence du montant correspondant aux prétendues plus-values créditées à la société. Par la suite, elle a libéré les avoirs contre la fourniture d'une garantie bancaire.
B.
En avril 2014, A. a déposé une requête de preuve à futur, destinée à lui permettre d'évaluer les chances de succès de l'action qu'elle envisageait d'introduire contre la banque; cette action tendait, d'une part, à faire constater que la banque ne disposait pas d'une créance
BGE 141 III 564 S. 565
en remboursement contre sa cliente en cas de "claw back" et, d'autre part, à obtenir le paiement des rétrocessions perçues par la banque. La requérante concluait à la production de:
- "Tous documents démontrant les examens auxquels la banque (...) s'est livrée, notamment les analyses des risques, à propos des investissements dans les 'fonds Madoff' (...) qu'elle a sélectionnés pour les clients qui lui avaient confié des avoirs."
- "Tous documents (notamment, comptes-rendus d'entretiens, notes internes, procès-verbaux de réunions, etc.) relatifs aux décisions, y compris les documents dans lesquels lesdites décisions ont été formalisées, prises par les comités et/ou services qui ont été amenés, entre 2006 et 2010, directement ou indirectement, à décider de la politique d'investissement de la banque, et en particulier les documents relatifs aux fonds gérés par Bernard Madoff (...)."
- "Toute la correspondance interne (y compris la correspondance électronique, les mémos électroniques, sur papier, manuscrits, etc.) échangée au sein de la banque (...) (ou avec des sociétés affiliées) entre les personnes chargées de gérer les fonds de [A.], ou entre la ou les personne(s) chargée(s) de la gestion de ce portefeuille et d'autres collaborateurs de la banque."
- "Tous documents, notamment accords entre la banque (...) et les 'fonds Madoff' (...), et décomptes, permettant d'établir le montant exact des rétrocessions (ou 'rétro-commissions'), ou du moins les paramètres de calcul, reçues par la banque (...) au titre d'investissements dans les 'fonds Madoff' et au titre des autres investissements faits avec les avoirs confiés à cette banque par [A.]."
- "Tout écrit démontrant que la banque (...) a informé [A.] des rétrocessions reçues au titre d'investissements dans les 'fonds Madoff' (...) et au titre des autres investissements faits avec les avoirs confiés à cette banque par [A.]."
Le Tribunal de première instance du canton de Genève a rejeté la requête de preuve à futur. Statuant sur appel de A., la Cour de justice du canton de Genève a confirmé l'ordonnance du premier juge.
C.
A. a formé un recours en matière civile contre l'arrêt cantonal.
Le Tribunal fédéral a rejeté le recours.
(résumé)
Erwägungen
Extrait des considérants:
4.
La recourante se plaint d'une application arbitraire de l'
art. 158 al. 1 let. b CPC
(en relation avec l'
art. 160 CPC
). Selon cette disposition, le tribunal administre les preuves en tout temps lorsque la mise en danger des preuves ou un intérêt digne de protection est
BGE 141 III 564 S. 566
rendu vraisemblable par le requérant. La recourante invoque uniquement un intérêt digne de protection. A cet égard, elle explique ne disposer d'aucune information sur les critères qui ont conduit l'intimée à investir dans les fonds litigieux, ni sur l'étendue de l'examen auquel il a été procédé; elle ne serait ainsi pas en mesure de déterminer si, sur la base des éléments alors en mains de la banque, la décision d'investir dans ces fonds était conforme au profil de risque qu'elle avait accepté. L'intérêt de la recourante résiderait dans la possibilité d'évaluer les chances de succès d'une action au fond contre l'intimée, respectivement de prouver la violation par la banque de son devoir de diligence. La recourante ajoute qu'en l'absence de toute information sur l'analyse des risques effectuée en relation avec les placements litigieux, elle n'est pas en mesure d'alléguer plus précisément les faits et, partant, d'introduire une action, ce qui justifierait précisément le dépôt d'une requête de preuve à futur. En ce qui concerne les rétrocessions, la recourante fait valoir un intérêt digne de protection à obtenir, avant d'ouvrir action, les documents lui permettant de vérifier le montant perçu à ce titre par la banque.
4.1
Une décision est arbitraire lorsqu'elle viole gravement une norme ou un principe juridique clair et indiscuté, ou contredit d'une manière choquante le sentiment de la justice et de l'équité. L'arbitraire, prohibé par l'
art. 9 Cst.
, ne résulte pas du seul fait qu'une autre solution pourrait entrer en considération ou même qu'elle serait préférable. Le Tribunal fédéral ne s'écarte de la solution retenue par l'autorité cantonale de dernière instance que si sa décision apparaît insoutenable, en contradiction manifeste avec la situation effective, adoptée sans motifs objectifs ou en violation d'un droit certain. Il ne suffit pas que les motifs de la décision soient insoutenables; encore faut-il que celle-ci soit arbitraire dans son résultat (
ATF 140 III 16
consid. 2.1 p. 18 s.,
ATF 140 III 157
consid. 2.1 p. 168;
ATF 139 III 334
consid. 3.2.5 p. 339;
ATF 138 III 378
consid. 6.1 p. 379 s.).
4.2
Dans sa requête de preuve à futur, la recourante conclut à la remise par la banque de tous documents, en particulier internes, susceptibles de contenir des renseignements notamment sur l'analyse des risques effectuée en relation avec les "fonds Madoff", sur les décisions prises par les organes chargés de la politique d'investissement, sur les échanges entre les collaborateurs s'occupant de la gestion des fonds confiés, sur le montant des rétrocessions et l'information fournie à ce sujet à la cliente.
BGE 141 III 564 S. 567
Le libellé de ces conclusions pose d'emblée la question de la nature du droit à la production de documents exercé par la recourante.
4.2.1
Les parties sont liées par un mandat. Sous le titre général "reddition de compte", l'
art. 400 al. 1 CO
met à la charge du mandataire l'obligation, envers le mandant, de lui rendre compte de sa gestion (
Rechenschaftspflicht
) et de lui restituer tout ce qu'il a reçu de ce chef (
Ablieferungs-
ou
Herausgabepflicht
). L'obligation de rendre compte comprend l'obligation de renseigner (
Informationspflicht
) (ROLF H. WEBER, in Basler Kommentar, Obligationenrecht, vol. I, 6
e
éd. 2015, N
os
2 ss ad
art. 400 CO
; FRANZ WERRO, in Commentaire romand, Code des obligations, vol. I, 2
e
éd. 2012, n° 4 ad
art. 400 CO
). Le droit à l'information doit permettre au mandant de vérifier si les activités du mandataire correspondent à une bonne et fidèle exécution du mandat (
ATF 139 III 49
consid. 4.1.2 p. 54;
ATF 110 II 181
consid. 2 p. 182) et, le cas échéant, de réclamer des dommages-intérêts fondés sur la responsabilité du mandataire (
ATF 110 II 181
consid. 2 p. 182; cf. également
ATF 138 III 425
consid. 6.4 p. 435). Grâce à l'information obtenue, le mandant connaîtra également l'objet de l'obligation de restitution (
ATF 139 III 49
consid. 4.1.2 p. 54;
ATF 110 II 181
consid. 2 p. 182). Le devoir de renseigner peut porter sur la teneur de documents internes pour autant qu'elle soit pertinente pour contrôler les activités du mandataire (
ATF 139 III 49
consid. 4.1.3 p. 56).
En l'espèce, comme elle le reconnaît dans son recours, la mandante ne dispose d'aucune information lui permettant de déterminer le degré de diligence dont la banque a fait preuve au moment d'investir dans les fonds litigieux; or, la violation de l'obligation de diligence constitue l'une des conditions de la responsabilité de la banque. La recourante ne connaît pas non plus le montant des rétrocessions soumises à l'obligation de restitution de l'intimée. dans les conclusions de sa requête de preuve à futur, la mandante entend obtenir de la mandataire un nombre indéterminé de documents, décrits de manière très générale, qui seraient susceptibles de lui fournir, sur ces deux points, des renseignements lui permettant, le cas échéant, de fonder des prétentions en dommages-intérêts et en restitution de rétrocessions.
La recourante cherche à recueillir ainsi des informations sur la manière dont la banque a accompli ses activités en rapport avec le mandat, plus particulièrement lors du choix et du suivi des investissements dans les "fonds Madoff". Ce faisant, elle exerce manifestement le droit à la reddition de compte tel que défini plus haut.
BGE 141 III 564 S. 568
4.2.2
Le droit à la reddition de compte fondé sur l'
art. 400 al. 1 CO
est une prétention de droit matériel, et non un droit de nature procédurale (cf. arrêt 5A_768/2012 du 17 mai 2013 consid. 4.1). En tant que droit accessoire indépendant, il peut faire l'objet d'une action en exécution. En ordonnant au mandataire de fournir l'information ou les documents requis, le juge règle définitivement le sort de la prétention, qui "s'épuise" avec la communication des renseignements ou des pièces (cf.
ATF 138 III 728
consid. 2.7 p. 732 s.). Le jugement, revêtu de l'autorité de la chose jugée, doit être rendu après un examen complet en fait et en droit (cf. arrêt précité du 17 mai 2013 consid. 4.1).
Selon la jurisprudence, le juge ne peut pas ordonner par voie provisionnelle une mesure qui, par sa nature, implique un jugement définitif de la prétention à protéger, comme la reddition de compte au sens de l'
art. 400 al. 1 CO
(cf.
ATF 138 III 728
consid. 2.7 p. 732 s.; pour le droit à la consultation des comptes de la SA [
art. 697h CO
],
ATF 120 II 352
consid. 2b p. 355).
De même, la procédure de preuve à futur en vue d'évaluer les chances de succès d'une action future ne peut pas être utilisée pour faire valoir une prétention en reddition de compte contestée par la partie adverse (cf. GASSER/RICKLI, Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Kurzkommentar, 2
e
éd. 2014, n° 6 ad
art. 85 CPC
p. 85 s.). En effet, saisi d'une requête fondée sur l'art. 158 al. 1 let. b in fine CPC, le juge examine uniquement, sous l'angle de la vraisemblance, si le requérant dispose d'un intérêt digne de protection à l'administration de la preuve requise; il ne rend pas un jugement définitif sur un droit matériel (cf.
ATF 140 III 12
consid. 3.3.3 p. 13 s.;
ATF 141 III 241
consid. 3.3.1 p. 245 et 4.2.3 p. 248), après un examen complet en fait et en droit.
En résumé, la voie de la preuve à futur n'est pas ouverte pour faire valoir le droit que la recourante invoque en réalité, à savoir une prétention en reddition de compte fondée sur l'
art. 400 al. 1 CO
. il s'ensuit que les juges genevois n'ont pas appliqué l'
art. 158 al. 1 let. b CPC
de manière arbitraire en confirmant l'ordonnance rejetant la requête de preuve à futur. | null | nan | fr | 2,015 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
c75ed182-41a8-4383-91d6-0f5a59263ba2 | Urteilskopf
93 I 437
55. Urteil vom 17. Mai 1967 i.S. Erlenbach und Mitbeteiligte gegen den Regierungsrat und den Kantonsrat des Kantons Zürich. | Regeste
Finanzausgleich zwischen Gemeinden.
Art. 4 BV
, 19, 48, 51 und 55 zürch. KV, 85 lit. a OG.
1. Bedeutung des in § 59 des Zürcher Wahlgesetzes vorgesehenen "Beleuchtenden Berichts" (Erw. 2).
2. Ziele des kantonalen Finanzausgleichs (Erw. 4).
3. Dass ein kantonales Gesetz besonders gut stehende Gemeinden unter bestimmten Voraussetzungen zum Zwecke des Finanzausgleichs zu Beiträgen an den Staat verhält, verletzt die oben genannten Verfassungsbestimmungen nicht (Erw. 5-9). | Sachverhalt
ab Seite 437
BGE 93 I 437 S. 437
A.-
Am 4. Juli 1966 stimmte der Zürcher Kantonsrat einer Gesetzesvorlage "über die Staatsbeiträge an die Gemeinden und über den Finanzausgleich" zu. Das Gesetz wurde in der Volksabstimmung vom 11. September 1966 angenommen. Es ordnet die Ausrichtung von Staatsbeiträgen zu bestimmten Zwecken an Gemeinden, Zweckverbände und gegebenenfalls an Private und sieht darüber hinaus einen sog. Finanzausgleich unter den Gemeinden vor. Dieser vollzieht sich einerseits in Form von Leistungen aus Staatsmitteln an das Budgetdefizit, anderseits mit Hilfe von Sonderbeiträgen aus einem Fonds, der aus Staatsmitteln und aus Beiträgen besonders gut stehender politischer Gemeinden geäufnet wird. Beitragspflichtig sind Gemeinden, deren Steuerkraft pro Einwohner das Kantonsmittel um die Hälfte oder mehr übersteigt und deren Gesamtsteuerfuss
BGE 93 I 437 S. 438
das gewogene Mittel aller Gemeinden um mehr als 20% unterschreitet. Die Beitragspflicht der Gemeinden dient einmal der Mittelbeschaffung. Sodann soll sie eine Erhöhung der steuerlichen Belastung des Einzelnen in besonders begünstigten Gemeinden herbeiführen und damit das Gefälle zwischen finanzschwachen und -starken Gemeinden vermindern.
B.-
Die zur Zeit beitragspflichtigen politischen Gemeinden Erlenbach, Kilchberg, Küsnacht, Rüschlikon, Uitikon, Zollikon und Zumikon sowie einundzwanzig stimmberechtigte Einwohner derselben reichten zwei dem Inhalte nach im wesentlichen übereinstimmende staatsrechtliche Beschwerden ein:
a) Am 21. August 1966 eine solche gegen die §§ 25, 27 und 28 des Kantonsratsbeschlusses vom 4. Juli 1966 und des allfälligen Volksbeschlusses vom 11. September 1966;
b) am 17. November 1966 eine solche gegen den Kantonsratsbeschluss vom 17. Oktober 1966, mit welchem die gegen die Volksabstimmung eingereichte Einsprache abgewiesen worden war.
Die Beschwerdeführer machen geltend, die Fragestellung an das Volk habe wegen der Koppelung einer Verfassungsänderung mit einer Gesetzesänderung einen unzulässigen Inhalt gehabt. Die Willensbildung der Stimmberechtigten sei auch dadurch verfälscht worden, dass im "Beleuchtenden Bericht" des Regierungsrates nur die Ansicht der Mehrheit, nicht aber diejenige der Opposition und die Bedenken des Regierungsrates dargestellt worden seien. Das beschlossene Gesetz ermangle der verfassungsmässigen Grundlage, es verletze die Gemeindeautonomie sowie die Grundsätze, dass alle Steuerpflichtigen nur im Verhältnis der ihnen zu Gebote stehenden Mittel an die Staats- und Gemeindelasten beizutragen haben und die Gemeindegüter dazu bestimmt sind, die öffentlichen Bedürfnisse der eigenen Gemeinde zu befriedigen. Ferner liege auch eine Verletzung der Rechtsgleichheit vor.
Es wird beantragt, die §§ 25, 27 und 28 des Gesetzes aufzuheben, insoweit sie sich auf die Sonderbeiträge der Gemeinden an den Finanzausgleich beziehen, eventuell die Abstimmung als Ganzes aufzuheben.
C.-
Der Regierungsrat und der Kantonsrat des Kantons Zürich schliessen auf Abweisung.
Die Beschwerdeführer erhielten Gelegenheit zur Replik.
BGE 93 I 437 S. 439
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
I.
Stimmrechtsbeschwerde 1. - Soweit die Beschwerdeführer stimmberechtigte Einwohner des Kantons Zürich sind, ist ihre Legitimation zur Abstimmungsbeschwerde gegeben. Hingegen sind die beschwerdeführenden Gemeinden nicht zur Stimmrechtsbeschwerde legitimiert.
Die Beschwerde ist rechtzeitig eingereicht worden, indem mit Eingabe vom 21. August 1966, also vor der Volksabstimmung, die wesentlichen Beanstandungen des damals beabsichtigten Verfahrens geltend gemacht wurden (vgl.
BGE 89 I 86
/7).
2.
Die privaten Beschwerdeführer rügen, dass die Abstimmungsfrage eine unzulässige Verkoppelung von Verfassungs- und Gesetzesmaterie enthalte und der "Beleuchtende Bericht" des Regierungsrates unvollständig sowie irreführend sei.
a) Wie der Präsident der staatsrechtlichen Abteilung bereits in seinem Entscheid betreffend Gewährung der aufschiebenden Wirkung ausführte, stellt ein Widerspruch zwischen einer Bestimmung der Kantons- oder Bundesverfassung und einer Gesetzesvorschrift nicht die Zulässigkeit der Abstimmungsfrage oder die Gültigkeit der Abstimmung in Frage, sondern lediglich diejenige der betreffenden Gesetzesbestimmung selber.
Das Gesetz über die Staatsbeiträge an die Gemeinde und über den Finanzausgleich enthält auch keine unzulässige Verbindung verschiedener Materien. Vielmehr wird darin ein einziges Ziel mit verschiedenen Mitteln angestrebt, nämlich dasjenige des Finanzausgleichs zwischen den Gemeinden. Ob die verwendeten Mittel dem bisherigen Recht entsprechen oder neu sind, ist dabei unerheblich. Die meisten Gesetze knüpfen an Bisheriges an und verwirklichen gleichzeitig auch Neues. Dies hindert nicht, die Vorlage dem Volk als Ganzes zu unterbreiten.
b) Der in § 59 des Wahlgesetzes vorgesehene "Beleuchtende Bericht" wird nirgends näher umschrieben. Offenbar dient er dazu, dem Volk die Gründe darzulegen, welche für die Mehrheit der gesetzgebenden Behörde bestimmend waren (vgl. M. USTERI, ZSR 1959, S. 418 a). Ob es darüber hinaus überhaupt angebracht wäre, damit auch eine Auseinandersetzung mit den im Laufe der Beratungen vorgebrachten abweichenden Auffassungen zu verbinden, erscheint als fraglich. Es wäre nicht zu
BGE 93 I 437 S. 440
erwarten, dass die Mehrheit der gesetzgebenden Behörde oder der Regierungsrat eine unterlegene Ansicht mit der von der Opposition selber gewünschten Vollständigkeit und Überzeugungskraft darstellen könnte. In jedem Falle hätten dann die Stimmberechtigten einen Anspruch darauf, zu erfahren, weshalb die Mehrheit die Auffassung der Opposition nicht als stichhaltig betrachtet. Dies würde stets zu unliebsamen Auseinandersetzungen und zum Vorwurf führen, die abweichenden Ansichten seien nicht objektiv oder nicht vollständig wiedergegeben worden. Für die von USTERI (a.a.O. S. 419 a) de lege ferenda geforderte Regelung, der Minderheit sei Gelegenheit zu bieten, ihre Ansicht im Bericht an das Volk selbst zu vertreten, bietet das Gesetz keine Anhaltspunkte. Dieses Recht wird übrigens auch nicht beansprucht.
Es ist daher nicht zu beanstanden, dass der "Beleuchtende Bericht" dem Volke nur die Ansicht der Mehrheit der Legislative zur Kenntnis bringt (vgl. auch PICENONI, Die Kassation von Volkswahlen und Volksabstimmungen, Diss. Zürich 1945, S. 71). Die Stimmberechtigten waren dadurch in ihrer freien Willensbildung keineswegs behindert.
c) Schliesslich wird geltend gemacht, der "Beleuchtende Bericht" enthalte irreführende Angaben, indem der Regierungsrat den bestehenden freiwilligen Finanzausgleich der beschwerdeführenden und weiterer Gemeinden über einen Zweckverband mit der nunmehrigen Zwangslösung vergleiche. Auch diese Beanstandung erfolgt zu Unrecht. Zweck und Mittel des bisherigen freiwilligen Finanzausgleiches haben diejenigen des Gesetzes zweifellos vorgebildet, wenn auch die Unterschiede sogleich erkennbar sind. Dass der Regierungsrat in der Beurteilung des Sachverhaltes von den Beschwerdeführern abweicht, macht seine Darstellung nicht zu einer Irreführung. Er weist vor allem auf das Gleichartige hin, die Beschwerdeführer sehen mehr den Unterschied. Die Stimmberechtigten waren aber sehr wohl imstande, sich auf dieser Grundlage ein eigenes Urteil zu bilden, zumal der "Beleuchtende Bericht" für niemanden die einzige, ja wohl nicht einmal die wichtigste Informationsquelle darstellte. Die Stimmrechtsbeschwerde ist daher in jeder Hinsicht unbegründet.
BGE 93 I 437 S. 441
II.
Beschwerde betreffend die Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Gesetzesbestimmungen
3.
Das Gesetz über die Staatsbeiträge an die Gemeinden und über den Finanzausgleich enthält u.a. folgende Bestim mungen:
§ 25
Die ordentlichen Beiträge und die Beiträge zur Deckung des Budgetdefizits werden aus allgemeinen Staatsmitteln sowie aus Beiträgen finanzstarker Gemeinden gemäss § 28 Absatz 3 ausgerichtet. Die Leistungen des Staates dürfen jährlich sieben Prozent des einfachen Staatssteuerertrages nach der letzten Staatsrechnung nicht übersteigen.
§ 27
Die Sonderbeiträge werden aus einem vom Regierungsrat verwalteten Fonds ausgerichtet.
Der Fonds wird geäufnet aus
a) den gemäss den §§ 23 und 24 nicht ausbezahlten oder von den Gemeinden zurückerstatteten Beiträgen,
b) jährlichen Beiträgen von politischen Gemeinden, deren Steuerkraft pro Einwohner das Kantonsmittel um die Hälfte oder mehr übersteigt und deren Gesamtsteueransatz das gewogene Mittel aller Gemeinden um mehr als 20 Steuerprozente unterschreitet.
§ 28
Die Gemeindebeiträge an den Fonds werden auf Grund der nachstehenden Skala festgesetzt:
Wenn die Steuerkraft der Gemeinden % der
das Kantonsmittel um ... übersteigt Steuerkraft
50- 74,9 Prozent 2
75- 99,9 '' 4
100-124,9 '' 6
125-149,9 '' 8
150-174,9 '' 10
175 und mehr '' 12
Der Bezug dieser Beiträge erfolgt durch die Direktion des Innern jeweils bis Ende September auf Grund der letztbekannten definitiven Gemeindesteuererträge.
Erreicht der Fonds die Höhe des einfachen Staatssteuerertrages nach der letzten Staatsrechnung, so werden die übersteigenden Fondsmittel zur Finanzierung der ordentlichen Beiträge und der Beiträge zur Deckung des Budgetdefizits verwendet."
Angefochten sind diese Bestimmungen, soweit sie Gemeinden mit Beiträgen belasten.
BGE 93 I 437 S. 442
4.
Der Finanzausgleich zwischen den Gemeinden eines Kantons hat regelmässig zwei Ziele: einmal sollen auch finanzschwachen Gemeinden die nötigen Mittel zur Erfüllung ihrer Aufgaben gesichert werden, und sodann soll die Belastung der Steuerpflichtigen eine Angleichung erfahren. Diese Ziele können insbesondere dadurch erreicht werden, dass der Staat Gemeindeaufgaben übernimmt oder nach der Finanzkraft der Gemeinden abgestufte Subventionen ausrichtet oder aber die Gemeinden mit Beiträgen an den Kanton belastet werden, die von ihrer Leistungsfähigkeit abhängig sind.
Die Lösung, welche die Gleichheit der Steuerzahler am besten sichert, bestände darin, dass eine Einheitssteuer erhoben und der Anteil der Gemeinden nach einem bestimmten Schlüssel festgestellt würde. Ein Schritt in dieser Richtung ist fast überall getan worden: der Staat erhebt eine über seine eigenen Bedürfnisse hinausgehende Staatssteuer und deckt aus den entsprechenden Einnahmen auch Gemeindeausgaben. In einigen Kantonen (so z.B. Aargau) werden in diesem Sinne die luristischen Personen mit einer Einheitssteuer belegt, an deren Ertrag die Gemeinden beteiligt sind.
Der Finanzausgleich zwischen den Gemeinden des Kantons Zürich bedient sich der abgestuften Subventionen und der Beiträge der Gemeinden. Inwieweit daneben der Staat auch ursprüngliche Gemeindeaufgaben ganz übernommen hat, ist nicht zu erörtern. Im Finanzausgleichsgesetz nimmt die Subventionierung der Gemeindeausgaben einen breiten Raum ein. Dabei ergibt sich die ausgleichende Wirkung einerseits daraus, dass die benötigten Gelder mit der kantonalen Staatssteuer, also im ganzen Kanton nach den selben Grundsätzen erhoben werden, und anderseits aus der umgekehrt proportionalen Abstufung der Subventionen nach der Finanzkraft. Damit hat der Zürcher Gesetzgeber aber bloss Bestehendes ausgebaut, und die Beschwerdeführer erheben insoweit auch keine Einwendungen. Neu und angefochten ist hingegen, dass besonders finanzstarke Gemeinden zu Beiträgen herangezogen werden sollen.
5.
a) Sowohl die beschwerdeführenden Gemeinden als auch die privaten Beschwerdeführer machen geltend, die angefochtenen Bestimmungen verletzten den Grundsatz der Rechtsgleichheit. Ob die Gemeinden als Trägerinnen der öffentlichen Gewalt zu dieser Rüge legitimiert seien, erscheint im Lichte
BGE 93 I 437 S. 443
der bisherigen Rechtsprechung als fraglich, kann aber hier insoweit offen bleiben, als die privaten Beschwerdeführer die selben Rügen erhoben haben.
Zwar richten sich die Vorschriften des Finanzausgleichsgesetzes nur an die Gemeinden und umschreiben deren Pflichten. Trotzdem sind unbestrittenermassen die einzelnen Steuerpflichtigen das wirkliche Ziel des Gesetzes, sollen doch die vorgesehenen Beiträge bewirken, dass die Steuerfüsse der heute besonders steuergünstigen Gemeinden erhöht werden und sich dadurch das Steuergefälle zwischen diesen und den andern Gemeinden verringert. Wenn sich auch noch nicht sagen lässt, in welchem Zeitpunkt die beitragspflichtigen Gemeinden ihre Steueransätze werden anpassen müssen, so ist doch eine entsprechende Mehrbelastung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten. Die privaten Beschwerdeführer werden von den angefochtenen Gesetzesbestimmungen deshalb unmittelbar betroffen, und ihre Legitimation ist mithin zu bejahen. Freilich sind sie nur befugt, die Verletzung ihrer eigenen Interessen, nicht derjenigen ihrer Gemeinden zu rügen.
b) Es ist deshalb zu prüfen, ob die Neuordnung mit der vorgesehenen Beitragspflicht der Gemeinden, welche gewisse objektive Voraussetzungen hinsichtlich Steuerfuss und Steuerkraft erfüllen, zu einer rechtsungleichen Behandlung der Steuerpflichtigen führe.
aa) Keine Rechtsungleichheit liegt einmal darin, dass zwar nur die politischen Gemeinden beitragspflichtig erklärt, die Steuerbezüge der entsprechenden Schul- und Kirchgemeinden aber mitberücksichtigt werden. Vielmehr ist ein solches Vorgehen zur Vermeidung ungleicher Belastungen geradezu unumgänglich, da die zürcherischen Gemeinden nicht einheitlich organisiert sind.
bb) Die beitragspflichtigen Gemeinden haben 2 - 12% ihrer absoluten Steuerkraft, nämlich des auf einen Steueransatz von 100% umgerechneten Ertrages der allgemeinen Gemeindesteuer im Durchschnitt der letztbekannten drei Jahre, abzuliefern. Sie werden, was unbestritten ist und im Zweck des Gesetzes liegt, ihre Steuerpflichtigen deswegen zusätzlich belasten müssen, und zwar wird diese Mehrsteuer ungefähr dem Prozentsatz des Beitrags entsprechen. Demgemäss kann vorausgesehen werden, dass beispielsweise die Gemeinde mit dem bisher niedrigsten Gesamtsteuerfuss von ca. 88% und dem
BGE 93 I 437 S. 444
maximalen Ausgleichsbetrag von 12% den Gemeindesteueransatz auf ca. 100% erhöhen wird. Vermutlich wird keine der beitragspflichtigen Gemeinden mit weniger auskommen. Die Steuerfüsse werden sich für sie etwa zwischen 100 und 120% einspielen. Die Steuerpflichtigen der sieben Gemeinden, zu denen die Beschwerdeführer gehören, könnten sich jedoch nur dann über eine rechtsungleiche Behandlung beklagen, wenn sie gegenüber den Steuerpflichtigen anderer Gemeinden dauernd und wesentlich benachteiligt würden. Das ist nicht der Fall. Zwar sind leichte Verschiebungen nicht ausgeschlossen, indem Steuerpflichtige von Gemeinden, die gerade nicht mehr beitragspflichtig sind, in geringem Masse bevorzugt sein können gegenüber andern, deren Wohnsitzgemeinde noch Beiträge zu entrichten hat. Doch werden solche Unterschiede immer nur unbedeutend und zeitlich befristet sein. Sie fallen überhaupt nicht ins Gewicht gegenüber der Tatsache, dass die Steuerpflichtigen der beschwerdeführenden Gemeinden nach wie vor gegenüber allen andern des Kantons privilegiert bleiben. Im Jahre 1966 lag der Gemeindesteueransatz in 16 Gemeinden (mit insgesamt weniger als 100'000 Einwohnern) unter 125%, in 155 Gemeinden (mit insgesamt gegen 1 Million Einwohnern) dagegen über dieser Grenze. Hieran ändert das angefochtene Gesetz grundsätzlich nichts. Es mildert bloss die allzu krassesten Ungleichheiten, beseitigt sie indessen keineswegs. Nach wie vor werden die Steuerpflichtigen der heute zu Beiträgen herangezogenen Gemeinden vor der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung bevorzugt bleiben und zwar in einem nicht unbedeutenden Umfang. Es ist immer noch möglich, dass ein bestimmter Steuerpflichtiger z.B. in Zollikon wenig mehr als die Hälfte dessen an Gemeindesteuern bezahlt, was sein Berufskollege bei gleichem Lohn in einer kleinen Landgemeinde zu leisten hat.
Die in den Rechtsschriften der Beschwerdeführer immer wiederkehrenden Behauptungen, die Steuerzahler der sieben heute beitragspflichtigen Gemeinden seien die Opfer einer grossen Rechtsungleichheit und konfiskatorischer Massnahmen, kehrt nach dem Gesagten die wirklichen Verhältnisse in einer geradezu grotesken Weise um.
6.
Die Beschwerdeführer rufen auch den Art. 19 Abs. 1 der Zürcher Kantonsverfassung an, wonach alle Steuerpflichtigen im Verhältnis der ihnen zu Gebote stehenden Mittel an die Staats- und Gemeindelasten beizutragen haben.
BGE 93 I 437 S. 445
a) Ob Art. 19 Abs. 1 KV überhaupt ein verfassungsmässiges Recht gewährleistet, ist vorwiegend bezweifelt, in
BGE 90 I 149
/50 wieder offengelassen worden. Dies kann vorliegend ebenfalls umso eher geschehen, als der Beschwerde nicht zu entnehmen ist, inwiefern die in Art. 19 KV enthaltene Garantie sich wesentlich vom Rechtsgleichheitsgebot der Bundesverfassung unterscheiden soll.
b) Art. 19 Abs. 1 KV stellt offensichtlich in erster Linie eine Anweisung an den Gesetzgeber darüber dar, wie die Steuergesetze zu gestalten sind (vgl. STRÄULI, Die Kantonsverfassung des eidg. Standes Zürich, S. 78 ff.; REIMANN/ZUPPINGER/SCHÄRRER, Kommentar zum Zürcher Steuergesetz, Bd. I S. 4). Er enthält die Grundsätze der "Allgemeinheit" der Steuer und der "Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit". Das Finanzausgleichsgesetz dagegenknüpft an das in Kraft stehende und bereits auf Art. 19 Abs. 1 KV ausgerichtete Steuergesetz an. Insbesondere führt es auch keine neue Steuer ein.
7.
Die Beschwerdeführer machen sodann geltend, die angefochtenen Gesetzesvorschriften verletzten die Gemeindeautonomie, weil sie einerseits den Bestand der Gemeinde gefährdeten sowie anderseits das Recht der Gemeinde antasteten, die Ausgaben und die zu beziehenden Steuern festzusetzen, und die Gemeinde zwängen, Aufwendungen für andere als Gemeindeaufgaben zu machen.
a) Die privaten Beschwerdeführer wären zur Rüge einer Verletzung der Gemeindeautonomie nur legitimiert, wenn diese als Vorfrage zu beurteilen wäre (
BGE 91 I 412
/13), was hier nicht zutrifft.
b) Das angefochtene Gesetz trifft die beitragspflichtigen Gemeinden nicht als Subjekte des Privatrechts, sondern als Trägerinnen öffentlicher Gewalt, nämlich in der Verwaltung ihres öffentlichen Gutes. Es werden ihnen Pflichten auferlegt, welche ihre Freiheit der Selbstverwaltung einschränken. In dieser Eigenschaft steht es ihnen zu, staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung ihrer Autonomie zu führen (
BGE 93 I 157
/8 Erw. 3 mit Zitaten).
c) Die Bestandesgarantie der Gemeinde wird allgemein als ein von der Gemeindeautonomie verschiedenes verfassungsmässiges Recht anerkannt (
BGE 89 I 206
/7; W. GEIGER, Die Gemeindeautonomie und ihr Schutz nach schweizerischem Recht, S. 132/3, H. P. MATTER, Die Legitimation der Gemeinde
BGE 93 I 437 S. 446
zur staatsrechtlichen Beschwerde, S. 17). Doch bezieht sich dieses verfassungsmässige Recht auf die Existenz der Gemeinde und auf deren Bestand an Gebiet und Bevölkerung. Die Beschwerdeführer möchten es auf den Schutz der Gemeinde vor Aushöhlung ihrer finanziellen Grundlagen ausdehnen.
Inwiefern ein Schutz der Gemeinde gegen Eingriffe des kantonalen Gesetzgebers dieser Art gegeben ist, kann offen bleiben, da eine solche Verletzung im vorliegenden Fall ohnehin nicht anzunehmen wäre. Die Leistungen, welche das Finanzausgleichsgesetz bestimmten Gemeinden auferlegt, sind zum vornherein nicht geeignet, deren Existenz, ja nicht einmal deren finanzielles Gleichgewicht zu gefährden. Die zu entrichtenden Beiträge werden zwar in der Rechnung einzelner betroffener Gemeinden ein erhebliches Gewicht haben. Der wegen ihnen entstehende Unterschied zwischen Einnahmen und Ausgaben wird jedoch leicht durch einen entsprechenden Steuermehrbezug auszugleichen sein. Die angefochtenen Gesetzesbestimmungen haben nicht einmal zur Folge, dass die bisherige bevorzugte Stellung der besonders steuergünstigen Gemeinden erschüttert sein wird. Es besteht daher für sie nie die Gefahr einer finanziellen Notlage. Verschlechtert sich ihre Finanzkraft, so wird die Beitragspflicht verringert oder entfällt ganz. Stets werden nur die finanzstärksten Gemeinden beitragspflichtig und immer nur in einem Ausmass, das nicht einmal ihre bevorzugte Stellung, geschweige denn ihre finanziellen Grundlagen überhaupt in Frage stellt.
8.
Die Gemeindeautonomie gibt nach Art. 48 KV den zürcherischen Gemeinden das Recht auf selbständige Ordnung "ihrer Angelegenheiten innerhalb der Schranken der Verfassung und Gesetze". Es bedeutet dies, dass die Gemeindeautonomie gegenüber dem kantonalen Gesetzgeber nicht durchgesetzt werden kann, soweit sich dieser an den ihm von der Verfassung gezogenen Rahmen hält (vgl.
BGE 52 I 353
f.,
BGE 93 I 158
Erw. 4). Art. 48 KV wird deshalb durch das angefochtene Gesetz offensichtlich nicht verletzt. Unzulässige Eingriffe in die Gemeindeautonomie müssten sich aus andern Verfassungsvorschriften ergeben.
a) Die Beschwerdeführer berufen sich denn auch auf Art. 51 KV, der lautet:
"Den Gemeindeversammlungen steht insbesondere zu: Die Aufsicht über die ihnen zugewiesenen Abteilungen der Gemeindeverwaltung,
BGE 93 I 437 S. 447
die Festsetzung der jährlichen Voranschläge, die Abnahme der Jahresrechnungen, die Bewilligung von Steuern, die Genehmigung von Ausgaben, welche einen von ihnen festzusetzenden Betrag übersteigen, sowie die Wahl ihrer Vorsteherschaft, deren Zusam ensetzung mit Bezug auf die Bürger und Niedergelassenen das Gesetz bestimmen wird.
Den Gemeindevorsteherschaften kommt insbesondere zu:
1. die Vorbereitung aller an die Gemeindeversammlung zu bringenden Angelegenheiten;
2. die Vollziehung der Gemeindebeschlüsse;
5. die Verwaltung der Gemeindegüter, vorbehalten Art. 55 Abs. 2."
Die Beschwerdeführer vertreten die Auffassung, Art. 51 KV gebe den Gemeinden das verfassungsmässige Recht, die dort aufgezählten Gemeindeaufgaben frei von jeder staatlichen Einwirkung zu erfüllen. Diese Auslegung ist unrichtig und verträgt sich ohnehin mit Art. 48 KV nicht. Art. 51 KV ordnet zwar die Grundzüge der Gemeindeorganisation, äussert sich aber nicht zur Qualität der zugewiesenen Aufgaben. Die Zuständigkeit der Gemeindeversammlung, Ausgaben und Steuern zu bewilligen, schliesst insbesondere nicht aus, dass die kantonale Gesetzgebung selber oder aufgesetzlicher Grundlage beruhende Einzelakte der zuständigen kantonalen Behörde den Gemeinden Leistungen auferlegen dürfen. Die Steuerfestsetzungsfreiheit ihrerseits wird durch das zürcherische Gemeindegesetz (GG) ohnehin stark eingeschränkt. Gemäss § 126 Abs. 1 Satz 2 GG haben die Gemeinden Steuern zu beziehen, um die Ausgaben zu decken, und sie können nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen darüber hinausgehen (vgl. § 126 Abs. 2 GG).
b) Eine weitere Beschränkung der Gesetzgebung über die Gemeinden sieht die Beschwerde in Art. 55 KV, welcher folgenden Wortlaut hat:
"Die Gemeindegüter sind dazu bestimmt, die öffentlichen Bedürfnisse der Gemeinde zu befriedigen.
Die Gesetzgebung erlässt die näheren Bestimmungen."
Die Beschwerdeführer behaupten, diese Vorschrift lasse es nicht zu, den Gemeinden Beiträge zu Gunsten kantonaler Aufgaben aufzuerlegen.
Indessen ergibt sich aus den Materialien der Verfassung (vgl. STRÄULI a.a.O. S. 205), dass Art. 55 dazu bestimmt war, die Ansprüche der Bürger aufeine Sondernutzung der Gemeindegüter
BGE 93 I 437 S. 448
abzuwehren. Bis zur Revision im Jahre 1926 waren daher auch die "rein bürgerlichen Separat- und Nutzungsgüter" von der Regelung ausgenommen.
Aus Art. 55 KV lässt sich somit kein Anspruch der Gemeinde daraus herleiten, nicht zu Leistungen an den Kanton herangezogen zu werden. Zudem behält der im Jahre 1926 aufgenommene Absatz 2 die Gesetzgebung ausdrücklich vor.
Dass Art. 55 Abs. 1 KV dem Finanzausgleich nicht entgegensteht, haben die beschwerdeführenden Gemeinden übrigens selber bewiesen, indem sie seit Jahren freiwillig derartige Beiträge leisten. Aus Art. 55 lässt sich dabei keineswegs schliessen, dass auf freiwilliger Grundlage zulässig wäre, was das Gesetz nicht anordnen dürfte. Die Bestimmung soll im Gegenteil verhindern, dass die Gemeinden aus eigenem Antrieb ihre Mittel deren Zweck entfremden; sie wendet sich aber nicht gegen das Erbringen gesetzlich vorgeschriebener Leistungen.
c) Die Beschwerdeführer vertreten ferner die Ansicht, Leistungen der Gemeinden an eine "kantonale Aufgabe" bedürften einer ausdrücklichen verfassungsmässigen Grundlage. Diese Behauptung lässt sich weder mit der schweizerischen Rechtswirklichkeit noch mit den Verhältnissen im Kanton Zürich vereinbaren. Keine kantonale Verfassung sieht Leistungen der Gemeinden an den Staat ausdrücklich vor, was jedoch vielerorts den Gesetzgeber zu Recht nicht gehindert hat, die Gemeinden gleichwohl zu derartigen Obliegenheiten heranzuziehen. So kennen manche Kantone die Steuerpflicht der Gemeinde gegenüber dem Staat. Vielfach sieht die kantonale Gesetzgebung auch Beiträge der Gemeinden an die Kosten des Vollzugs bestimmter Erlasse (wie die AHV) oder an gewisse Unternehmen (wie Strassen- und Brückenbauten) vor. Sind diese Beiträge nach der Finanzkraft abgestuft, dienen sie auch dem Finanzausgleich.
Wenn derartige Leistungen in einem Kanton bisher wenig gebräuchlich waren, dann bedeutet das nicht, dass sie deshalb einem ungeschriebenen Verfassungsrecht widersprechen. Die entsprechenden Erlasse finden ihre Rechtfertigung stets darin, dass beinahe alle Kantone wie Zürich die Abgrenzung der gegenseitigen Rechte und Pflichten zwischen Staat und Gemeinden der Gesetzgebung überlassen. Als Grundlage muss dies auch dann genügen, wenn das Gesetz eine Leistung vorsieht, die in ihrer Art neu ist.
BGE 93 I 437 S. 449
9.
Nach Auffassung der beschwerdeführenden Gemeinden beeinträchtigt das angefochtene Gesetz ihre Autonomie auch dadurch, dass es die Rechtsgleichheit unter den Gemeinden verletze. Es würden nämlich sieben Gemeinden aus der Gesamtheit von 171 herausgegriffen und einer Sonderbelastung unterworfen.
Art. 4 BV
sei ferner deshalb verletzt, weil die politischen Gemeinden je nach der finanziellen Lage der Schul- und Kirchgemeinden benachteiligt oder bevorzugt würden.
In diesem Punkt fällt die Rüge eines unzulässigen Eingriffs in die Gemeindeautonomie mit derjenigen der Verletzung des
Art. 4 BV
zusammen. Bei der Behandlung dieses Beschwerdegrundes (vgl. Erw. 5 a hievor) konnte die Frage, ob auch die Gemeinde als Trägerin hoheitlicher Gewalt zur staatsrechtlichen Beschwerde wegen Verletzung des
Art. 4 BV
legitimiert sei, insoweit offengelassen werden, als auf gleichartige Vorbringen der privaten Beschwerdeführer einzutreten war. Es erübrigt sich im vorliegenden Zusammenhang erneut, die Legitimationsfrage zu erörtern, da die angefochtenen Bestimmungen den
Art. 4 BV
mit Bezug auf die Gemeinden ebenfalls nicht verletzen.
a) Einmal trifft es nicht zu, dass sieben bestimmte Gemeinden einer Sonderbelastung unterworfen worden sind, wenn auch zur Zeit voraussichtlich die sieben beschwerdeführenden Gemeinden betroffen werden. Das Gesetz nennt keine bestimmten Gemeinden, und die Abgrenzung der Leistungspflicht erfolgt nach objektiv umschriebenen Gesichtspunkten. Es fallen unter die Beitragspflicht die Gemeinden, welche finanziell eine bevorzugte Stellung einnehmen. Gemessen wird diese einerseits am Steuerfuss und anderseits an der Steuerkraft. Die Art und Weise, mit der das geschieht, erscheint in keinem Fall als sinn- und zwecklos. Die einen kantonalen Finanzausgleichsgesetze stellen auf den Steuerfuss, die andern auf die Steuerkraft ab. Beide Lösungen führen zu billigen Ergebnissen. Dies gilt umsomehr für ihre Verbindung.
b) Nur die politischen Gemeinden mit einem Ausgleichsbeitrag zu belasten, die Lage der Nebengemeinden aber mitzuberücksichtigen, stellt ebenfalls keine Rechtsungleichheit dar. Es musste darauf Rücksicht genommen werden, dass im Kanton Zürich die Aufgaben von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich aufgeteilt sind. Die Steuerpflichtigen, auf welche die politischen Gemeinden ihre Beitragsleistungen nach dem Willen
BGE 93 I 437 S. 450
des Gesetzes abzuwälzen haben, sollen gleichmässig belastet werden. Das lässt sich nur durchführen, wenn auf die Gesamtsteuerleistung abgestellt werden kann.
c) Wie schon erwähnt, sollen mit den angefochtenen Bestimmungen die zum Teil erheblichen Unterschiede in den Gemeindesteuerleistungen verkleinert werden. Dieses Ziele wäre nicht zu erreichen, wenn der Kreis der Belasteten sehr weit gezogen würde. Zweckwidrig wäre vor allem, Gemeinden wie die Stadt Zürich mit einzubeziehen, deren Steuerzahler schon um 40 oder 50% höher belastet sind als diejenigen der bevorzugten Beschwerdeführerinnen. Dagegen ist es sinnvoll und der Rechtsgleichheit im Kanton dienlich, die Steuerfussspitze gegen unten zu brechen. Diese Anordnung ist geeignet, dem Teufelskreis entgegenzuwirken, der darin besteht, dass die Steuerpflichtigen in Gemeinden mit niedrigem Steuerfuss abwandern und damit die schlechte Finanzlage der andern Gemeinden verschärfen. Die Regelung, die der Kanton Zürich getroffen hat, ist keineswegs sinn- oder zwecklos und wirkt sich nicht als Rechtsungleichheit aus. Sie erscheint vielmehr als billig und der Aufgabe angemessen, die sich ein Kanton stellen muss, wenn er die Steuerlast möglichst gleichmässig unter alle Pflichtigen nach deren Leistungsfähigkeit verteilen will.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerden werden abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. | public_law | nan | de | 1,967 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
c7616bac-3462-4af5-a725-09dcc41a057d | Urteilskopf
81 IV 39
7. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 8. März 1955 i.S. Rudin gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau. | Regeste
Art. 307, 308 Abs. 2 StGB
. Anstiftung zu falschem Zeugnis.
Art. 308 Abs. 2 ist nicht anwendbar auf den Angeklagten, der einen Zeugen anstiftet, zu seinen Gunsten falsch auszusagen. | Sachverhalt
ab Seite 39
BGE 81 IV 39 S. 39
A.-
Der in einer Metzgerei angestellte Rudin verkaufte am 22. März 1953, ohne im Besitz des erforderlichen Viehhandelspatentes zu sein, für Rechnung des Viehhändlers Vogelsang dem Landwirt Keller zwei Kühe und kaufte von ihm eine Kuh und ein Kalb. In der gegen ihn wegen unbefugter Ausübung des Viehhandels durchgeführten Strafuntersuchung bestimmte er den Landwirt Keller, bei der Einvernahme durch die Strafuntersuchungsbehörde als Zeuge die falsche Aussage zu machen, er habe den erwähnten Handel nicht mit Rudin, sondern direkt mit Vogelsang besprochen und abgeschlossen.
B.-
Das Kriminalgericht des Kantons Aargau sprach deswegen mit Urteil vom 13. April 1954 Rudin der Anstiftung zu falschem Zeugnis schuldig und bestrafte ihn unter Berücksichtigung einer Strafschärfung wegen Rückfalls mit 7 Monaten Gefängnis.
C.-
Die von Rudin gegen dieses Urteil wegen Nichtanwendung von
Art. 308 Abs. 2 StGB
erhobene Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
Nach
Art. 308 Abs. 2 StGB
kann der Richter die Strafe nach freiem Ermessen mildern, wenn ein Zeuge in einem gerichtlichen Verfahren deshalb eine falsche Aussage gemacht hat, weil er durch die wahrheitsgemässe Aussage sich oder seine Angehörigen der Gefahr strafrechtlicher
BGE 81 IV 39 S. 40
Verfolgung ausgesetzt hätte. Diese Bestimmung gilt nach der Rechtsprechung nur für den Täter, also den Zeugen selbst; ihre entsprechende Anwendung auf den Anstifter, der als Angeklagter im Strafverfahren durch die wahre Aussage des Zeugen belastet würde, ist dagegen abgelehnt worden (vgl.
BGE 73 IV 245
).
a) Der Beschwerdeführer ficht diese Rechtsprechung an. Er anerkennt zwar, dass eine Bestrafung des Angeklagten, der einen Zeugen anstiftet, zu seinen Gunsten falsch auszusagen, am Platze ist, weil er durch seine Anstiftung einen Dritten zum Verbrecher macht, was bei der straflosen falschen Parteiaussage durch ihn selber nicht der Fall ist. Dagegen bezeichnet er es als stossend, dass einem solchen Anstifter, der sich doch vom gleichen Selbstschutzbestreben leiten lasse wie der lügende Angeklagte, nicht einmal die Strafmilderung zugebilligt werde, die das Gesetz dem ebenfalls aus Gründen des Selbstschutzes falsch aussagenden Zeugen gewähre.
Allein der Beschwerdeführer lässt völlig ausser acht, dass sich der Anstifter zu falschem Zeugnis nicht in der gleichen Zwangslage befindet wie der Zeuge, der ohne sein Dazutun in eine Strafuntersuchung hineingezogen wird und sich darum vor die Wahl gestellt sieht, gegen sich selber bzw. gegen seine Angehörigen auszusagen oder falsches Zeugnis abzulegen. Diesen Entschuldigungsgrund des sog. Ehrennotstandes kann der Angeschuldigte, der einen Zeugen zu falscher Aussage anstiftet, nicht für sich in Anspruch nehmen. Er handelt, prozessual gesehen, spontan.
b) Der Beschwerdeführer vertritt weiter die Auffassung, die durchBGE 73 IV 245begründete Rechtsprechung stehe im Widerspruch zu dem (später ergangenen) UrteilBGE 73 IV 241Erw. 2, wonach beim Delikt der Begünstigung nicht nur der Begünstiger selber, der zum Begünstigten in nahen Beziehungen steht, sondern auch der Anstifter, der jemand zu seiner eigenen Begünstigung anstiftet, auf Grund von
Art. 305 Abs. 2 StGB
straffrei gelassen werden
BGE 81 IV 39 S. 41
könne. Nach der Rechtsprechung sei also dem Anstifter, der den Begünstiger dazu anstifte ihn zu begünstigen, die entschuldbare Versuchung, die sein Verschulden geringer erscheinen lasse, zu Gute zu halten, obwohl auch in diesem Falle ein Dritter in die Angelegenheit hineingezogen werde. Dann sei es aber auch geboten, den der gleichen Versuchung erliegenden Anstifter zu falschem Zeugnis milder zu bestrafen.
Die Anstiftung zu falschem Zeugnis kann aber der Anstiftung zu Begünstigung schon deshalb nicht gleichgesetzt werden, weil falsches Zeugnis im Gegensatz zur Begünstigung nicht ein Vergehen, sondern ein Verbrechen darstellt (
Art. 9 StGB
). Anstiftung zu einem Verbrechen ist unabhängig davon strafbar, ob es in der Folge zur (versuchten oder vollendeten) Haupttat des Angestifteten gekommen ist. Sie ist also - im Gegensatz zur Anstiftung zu einem Vergehen oder einer Übertretung - dem Prinzip der Akzessorietät nicht unterworfen (vgl. HAFTER, Allg. Teil S. 227 ff.). Das Gesetz bringt dies auch dadurch zum Ausdruck, dass es in Art. 24 Abs. 2 strafbar erklärt, wer jemand zu einem Verbrechen zu bestimmen versucht. Entfällt aber bei der Anstiftung zu einem Verbrechen die Akzessorietät und ist sie selbständig strafbar, so darf daraus, dass das Gesetz in Art. 308 Abs. 2 für den Angeklagten als Anstifter im Gegensatz zum Zeugen eine Strafmilderung nicht vorsieht, auch gefolgert werden, dass die Strafmilderung für ihn nicht gelten solle.
Zudem ist zu beachten, dass nur die Anstiftung zur Begünstigung allein straflos gelassen werden kann, nicht dagegen auch die Anstiftung zu weiteren Straftaten als Mittel der Begünstigung. Wer einen Dritten zur Begehung von Sachbeschädigung, Körperverletzung, Widerstand gegen Beamte oder dergleichen anstiftet, um die Entdeckung oder Verhaftung des Anstifters zu verhindern, kann sich somit nicht auf
Art. 305 Abs. 2 StGB
berufen. Dann ist aber auch nicht ersichtlich, wieso die Anstiftung zu falschem Zeugnis als Mittel der Begünstigung des Anstifters
BGE 81 IV 39 S. 42
Strafmilderung nach
Art. 308 Abs. 2 StGB
recht fertigen sollte.
c) Selbst wenn man übrigens grundsätzlich die Anwendbarkeit von
Art. 308 Abs. 2 StGB
auf den Anstifter zu falschem Zeugnis bejahen wollte, wäre der Beschwerde der Erfolg versagt, weil die Vorschrift, wie ihr Wortlaut zeigt, den Richter nicht zwingt, sondern ihn bloss ermächtigt, die Strafe nach freiem Ermessen zu mildern. In der Nichtgewährung der Strafmilderung läge also noch keine Verletzung von Bundesrecht. | null | nan | de | 1,955 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
c76d9439-51b3-4828-bc4b-33f877d67f8a | Urteilskopf
117 V 351
48. Auszug aus dem Urteil vom 20. November 1991 i.S. C. gegen Krankenkassen und Schiedsgericht KVG/UVG des Kantons X | Regeste
Art. 25 und 30bis Abs. 1 KUVG
,
Art. 85 Abs. 1 AHVG
,
Art. 69 IVG
.
Die ausnahmsweise Zusprechung von Verzugszinsen im Leistungsbereich der Sozialversicherung fällt nur in Betracht, wenn die Verwaltung eine rechtswidrige und schuldhafte Handlung oder Unterlassung begangen hat. Ersatzansprüche, die aus Rechtsverzögerungen oder anderen Handlungen einer gerichtlichen Behörde abgeleitet werden, sind mittels Klage aus Staatshaftung geltend zu machen (Präzisierung von
BGE 108 V 19
Erw. 4b). | Erwägungen
ab Seite 351
BGE 117 V 351 S. 351
Aus den Erwägungen:
2.
Nach ständiger Rechtsprechung werden im Bereich der Sozialversicherung grundsätzlich keine Verzugszinsen geschuldet, sofern sie nicht gesetzlich vorgesehen sind (
BGE 113 V 50
Erw. 2a mit Hinweisen; ZAK 1988 S. 260 Erw. 2d, 1987 S. 158 Erw. 6; ARV 1988 S. 85 Erw. 5). Dieser Grundsatz gilt indessen nicht ausnahmslos. So hat das Eidg. Versicherungsgericht wiederholt Verzugszinsen zugesprochen, wenn "besondere Umstände" vorlagen. Solche Umstände erachtete das Gericht als gegeben bei widerrechtlichen
BGE 117 V 351 S. 352
oder trölerischen Machenschaften der Verwaltungsorgane (
BGE 101 V 118
). In BGE
BGE 108 V 19
f. Erw. 4b hat es diese Praxis bestätigt und ergänzend festgestellt, für die ausnahmsweise Verzugszinspflicht bedürfe es neben der Rechtswidrigkeit auch eines schuldhaften Verhaltens der Verwaltung (oder einer Rekursbehörde). Dabei hat das Gericht es abgelehnt, die Verzugszinspflicht generell für bestimmte Gruppen von Fällen (etwa gerichtlich festgestellte Rechtsverzögerungen) zu bejahen. Wegleitend dafür war die Überlegung, dass die Auferlegung von Verzugszinsen im Sozialversicherungsrecht nur ausnahmsweise und in Einzelfällen gerechtfertigt ist, bei denen das Rechtsempfinden in besonderer Weise tangiert ist (
BGE 113 V 50
Erw. 2a; ZAK 1990 S. 42 Erw. 3). Diese Grundsätze sind auch in schiedsgerichtlichen Forderungsstreitigkeiten aus geltend gemachter Überarztung in der Krankenversicherung zu befolgen (vgl. BGE
BGE 103 V 156
Erw. 7), wobei in solchen Fällen bei der Beurteilung des Verzugszinsanspruchs eine über die Folgen verspäteter Zahlung allenfalls getroffene Abmachung zwischen den kompetenten Vertragspartnern zu beachten ist (RKUV 1984 Nr. K 573 S. 82).
3.
Gemäss dem auf einem Gesamtgerichtsbeschluss beruhenden Urteil P. vom 4. März 1982 (
BGE 108 V 19
f. Erw. 4b) fällt die ausnahmsweise Bejahung der Verzugszinspflicht nicht nur bei einem rechtswidrigen und schuldhaften Verhalten der Verwaltung, sondern auch bei einem solchen Gebaren einer Rekursbehörde in Betracht. Diese Rechtsprechung bedarf der Präzisierung. Sind gerichtliche Behörden dafür verantwortlich, dass einer Partei Leistungen oder Forderungen in rechtswidriger Weise übermässig lange vorenthalten werden, kann der Partei daraus ein Schaden entstehen. Dadurch wird unter Umständen ein Staatshaftungsgrund gesetzt. Für den Ausgleich eines solchen Schadens unter dem Rechtstitel "Verzugszins" eine Ausgleichskasse, eine Krankenkasse oder einen anderen Sozialversicherungsträger haftbar zu machen, ist sachlich nicht gerechtfertigt. Verzögert eine Krankenkasse widerrechtlich und schuldhaft die Auszahlung einer Leistung, ist dieses Verhalten kausal für den dem Versicherten entstehenden Zinsverlust. Lässt sich hingegen ein Gericht eine schwerwiegende Rechtsverzögerung zuschulden kommen, sind auf seiten der Krankenkasse die Voraussetzungen für die Verzugszinspflicht - Rechtswidrigkeit und Verschulden - nicht erfüllt. Die Krankenkasse kann daher nicht für den entstandenen Schaden belangt werden. Die bisherige Rechtsprechung ist daher gemäss Beschluss
BGE 117 V 351 S. 353
des Gesamtgerichts in dem Sinne zu präzisieren, dass die ausnahmsweise Zusprechung von Verzugszinsen in der Sozialversicherung nur in Betracht fällt, wenn die Verwaltung eine rechtswidrige und schuldhafte Handlung oder Unterlassung begangen hat. Ersatzansprüche, die aus Rechtsverzögerungen oder anderen Handlungen einer gerichtlichen Behörde abgeleitet werden, sind mittels Klage aus Staatshaftung geltend zu machen. Forderungen aus Staatshaftung - gestützt auf das Verantwortlichkeitsgesetz des Bundes oder auf kantonales Recht - fallen jedoch nicht in die sachliche Zuständigkeit des Eidg. Versicherungsgerichts (
BGE 108 V 20
Erw. 4c in fine; vgl. auch
BGE 116 V 327
).
4.
a) Im vorliegenden Fall hatte das Eidg. Versicherungsgericht die Sache mit Urteil vom 22. April 1982 zu weiteren Abklärungen und neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen. In der Folge vergingen über fünf Jahre, bis das Schiedsgericht das Verfahren am 17. Juli 1987 mit einer Anfrage an das Konkordat der Schweizerischen Krankenkassen wiederaufnahm. Nachdem das Konkordat sich ausserstande erklärt hatte, diese Anfrage zu beantworten, dauerte es wiederum mehr als eineinhalb Jahre, bis die Beweisabnahme am 28. März 1989 mit einem Gesuch um Bereitstellung von Unterlagen an die Krankenkassen fortgesetzt wurde. Dieser Ablauf zeigt, dass die Verantwortung für die überaus lange Verfahrensdauer beim Schiedsgericht liegt. Für den dem Beschwerdeführer aus dieser Rechtsverzögerung entstehenden Zinsverlust können nach dem Gesagten nicht die Krankenkassen unter dem Titel "Verzugszins" belangt werden.
b) Eine gesetzliche Verzugszinsregelung für schiedsgerichtliche Streitigkeiten zwischen Krankenkassen und Ärzten im Sinne von
Art. 25 KUVG
besteht nicht. Sodann sieht der im vorliegenden Fall massgebende Vertrag zwischen Ärzten und Krankenkassen des Kantons X bei verspäteter Zahlung der Arztrechnungen keine Verzugszinspflicht vor. Der Beschwerdeführer hat somit keinen Anspruch auf Verzugszinsen zu Lasten der Beschwerdegegnerinnen. Allfällige Schadenersatzansprüche hätte er mittels Klage aus Staatshaftung gegen den Kanton X geltend zu machen. | null | nan | de | 1,991 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
c76e43e2-6422-45ce-a383-c4d5ce1b5830 | Urteilskopf
104 III 8
3. Auszug aus dem Entscheid vom 18. Mai 1978 i.S. W. AG | Regeste
Beneficium excussionis realis (
Art. 41 SchKG
).
1. Zu den Pfandrechten, deren Vorausverwertung der Schuldner verlangen kann, gehört auch das Retentionsrecht (E. 2).
2. Hat der Gläubiger mehrere durch ein einziges Pfand gesicherte Forderungen gegen denselben Schuldner, so steht es ihm grundsätzlich frei, für welche dieser Forderungen er die Sicherheit beanspruchen will (E. 3). | Sachverhalt
ab Seite 8
BGE 104 III 8 S. 8
A.-
Mit Zahlungsbefehl Nr. 2617 des Betreibungsamtes Meilen vom 23. Juli 1977 betrieb R. die W. AG für den Betrag von Fr. 37'080.-. Als Forderungsgrund gab er "Arbeits- und Beratungsverträge vom 7. März 1917" an. Am 1. September 1977 ersuchte er beim Einzelrichter im summarischen Verfahren des Bezirksgerichtes Meilen um Erteilung der provisorischen Rechtsöffnung, jedoch nur für den Betrag von Fr. 12'020.- nebst Zinsen. Der Einzelrichter entsprach diesem Gesuch mit Verfügung vom 4. Oktober 1977 teilweise, nämlich für Fr. 4111.93 nebst Zins zu 5% seit 26. Juli 1977 und Fr. 6000.- nebst Zins zu 5% seit 15. Juli 1977. Da die Schuldnerin keine Aberkennungsklage erhob, wurde die Rechtsöffnung definitiv. Am 7. Dezember 1977 erliess das Betreibungsamt Meilen die Konkursandrohung.
B.-
Gegen die Konkursandrohung beschwerte sich die Schuldnerin beim Bezirksgericht Meilen als unterer kantonaler Aufsichtsbehörde über die Betreibungs- und Konkursämter. Sie machte geltend, sie habe mit Brief vom 28. Juli 1977 vom Gläubiger die Rückgabe des ihm im Rahmen des Arbeitsvertrags zur Verfügung gestellten Firmenwagens verlangt. Der
BGE 104 III 8 S. 9
Gläubiger habe sich jedoch mit Brief vom 8. August 1977 geweigert, das Auto zurückzugeben, und sich auf ein ihm zustehendes Retentionsrecht berufen. Beanspruche er aber ein Retentionsrecht, hätte er auf Faustpfandverwertung und nicht auf Konkurs betreiben müssen. Die Schuldnerin sei berechtigt, das beneficium excussionis realis in Anspruch zu nehmen.
Während das Bezirksgericht Meilen nicht auf die Beschwerde eintrat, wies sie das Obergericht des Kantons Zürich als obere kantonale Aufsichtsbehörde mit Beschluss vom 20. April 1978 ab.
C.-
Gegen diesen Beschluss rekurrierte die W. AG an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts. Diese weist den Rekurs ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts zu
Art. 41 SchKG
, wie sie in
BGE 93 III 15
zusammengefasst worden ist, hat der auf Pfändung oder Konkurs betriebene Schuldner unter Vorbehalt entgegenstehender Abmachungen die Möglichkeit, durch Beschwerde gegen den Zahlungsbefehl die Aufhebung der Betreibung zu erreichen und den Gläubiger auf den Weg der Betreibung auf Pfandverwertung zu verweisen, wenn er in liquider Weise darzutun vermag, dass die Forderung pfandgesichert ist. Dieses sogenannte beneficium excussionis realis steht dem Schuldner auch dann zu, wenn er das Bestehen eines Pfandrechts zwar bestreitet, aber klar nachweist, dass der Gläubiger ihm gehörige Vermögensstücke als Pfand beansprucht und ihn so an der freien Verfügung über diese Gegenstände hindert. Der Gläubiger, der sich ein Pfand bestellen liess, kann sich den Weg der Betreibung auf Pfändung oder Konkurs dadurch öffnen, dass er in der gesetzlichen Form auf das Pfandrecht verzichtet, was dem Schuldner spätestens im Zahlungsbefehl mitgeteilt werden muss (vgl. auch
BGE 101 III 21
/22,
BGE 97 III 50
/51). Zu den Pfandrechten, deren Vorausverwertung der Schuldner durch Berufung auf das beneficium excussionis realis verlangen kann, gehört nach der Terminologie des Gesetzes auch das Retentionsrecht (
Art. 37 Abs. 2 SchKG
).
3.
Im vorliegenden Fall berief sich der Gläubiger erst nach Einleitung der gewöhnlichen Betreibung auf ein Retentionsrecht,
BGE 104 III 8 S. 10
und die Schuldnerin erfuhr erst kurz vor dem Rechtsöffnungsverfahren davon, als die Frist für die Beschwerde gegen den Zahlungsbefehl bereits abgelaufen war. Man kann sich fragen, ob sie sich unter diesen Umständen nicht sofort auf das benficium excussionis realis hätte berufen müssen, wie es die erste Instanz annahm, oder ob es ihr entsprechend der Auffassung des Obergerichts gestattet sein sollte, noch im Anschluss an die nächste Betreibungshandlung Beschwerde zu führen. Wie es sich damit verhält, kann jedoch offen bleiben, da der Rekurs ohnehin nicht gutgeheissen werden kann.
Es ist unbestritten, dass eine Substantiierung des Retentionsrechts in dem Sinne unterblieben ist, dass klar wäre, dass dieses die dem Rechtsöffnungsverfahren zugrundeliegende Teilforderung aus dem Arbeitsvertrag sichern sollte und nicht andere Forderungen des Gläubigers. Die Vorinstanz stellt dazu gestützt auf die Korrespondenz zwischen den Parteien, die Rechtsöffnung und die Ausführungen des Gläubigers in der Beschwerdeantwort vor der unteren Aufsichtsbehörde fest, dass der Gläubiger sein Retentionsrecht gerade nicht für die mit der Konkursandrohung geforderten Beträge beanspruche, sondern für eine Schadenersatzforderung. Indem er die Rechtsöffnung lediglich für einen Teil des in Betreibung gesetzten Betrages verlangt habe, habe er zum Ausdruck gebracht, dass sich das vorbehaltene, nicht näher bestimmte Retentionsrecht nicht darauf beziehen könne. Die für einen reduzierten Betrag erfolgende Fortsetzung der gewöhnlichen Betreibung, die bereits angehoben worden sei, als von einem Retentionsrecht noch nicht die Rede gewesen sei, mache hinreichend deutlich, dass ein solches höchstens für den von der provisorischen Rechtsöffnung nicht betroffenen Mehrbetrag beansprucht werde.
Es mag dahingestellt bleiben, ob in dieser Begründung allenfalls eine auf Beweiswürdigung gestützte und daher für das Bundesgericht verbindliche tatsächliche Feststellung gesehen werden kann (Art. 63 Abs. 2 in Verbindung mit
Art. 81 OG
). Jedenfalls ergibt sich daraus, dass die Rekurrentin den klaren Nachweis dafür, dass sich das vom Gläubiger geltend gemachte Retentionsrecht auf die der Konkursandrohung zugrundeliegende Forderung beziehe, nicht erbracht hat. Hat der Gläubiger mehrere Forderungen gegen den Schuldner, die durch ein einziges Pfand gesichert sind, so steht es ihm grundsätzlich frei, für welche dieser Forderungen er die Sicherheit beanspruchen
BGE 104 III 8 S. 11
und für welche er umgekehrt darauf verzichten und statt dessen das gesamte Vermögen des Schuldners in Anspruch nehmen will. Dies gilt jedenfalls, sofern nicht besondere Abmachungen bestehen, was bei einem Retentionsrecht in der Regel nicht der Fall sein wird, und sofern dem Gläubiger nicht Rechtsmissbrauch vorgeworfen werden kann. Das behauptet die Rekurrentin indessen nicht. Sie nennt auch sonst keine bundesrechtliche Vorschrift, die durch den angefochtenen Entscheid verletzt sein könnte (
Art. 79 Abs. 1 OG
). Was sie in ihrer Rekursschrift vorbringt, vermag die Feststellung der Vorinstanz, das Retentionsrecht beziehe sich nicht auf die Forderung, für die der Konkurs angedroht worden sei, nicht zu entkräften. Es besteht keine gesetzliche Bestimmung, die besagen würde, dass der Gläubiger verpflichtet ist, eine Sicherheit für die Tilgung gerade derjenigen Teilforderung zu verwenden, für die er Rechtsöffnung erhalten hat. Würde man anders entscheiden, so liefe dies darauf hinaus, dass der Gläubiger vorerst gezwungen wäre, sich für eine möglicherweise relativ leicht aus dem übrigen Vermögen des Schuldners eintreibbare Forderung aus dem Pfand zu befriedigen, währenddem er für unsichere weitere Forderungen dann unter Aufgabe seiner Sicherheit auf die gewöhnliche Betreibung verwiesen wäre (vgl.
BGE 77 III 4
). Der Rekurs ist daher abzuweisen. | null | nan | de | 1,978 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
c7748b68-6739-4fd7-8b21-1b02c4a358d4 | Urteilskopf
142 II 161
13. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit public dans la cause Administration fédérale des contributions contre A.X. et B.X. (recours en matière de droit public)
2C_1174/2014 du 24 septembre 2015 | Regeste
Art. 28 DBA CH-FR;
Art. 4 Abs. 3 StAhiG
; internationale Amtshilfe in Steuersachen; Begriff der voraussichtlichen Erheblichkeit; Ersuchen in Bezug auf in der Schweiz unbeschränkt steuerpflichtige Personen; direkte Anwendbarkeit von Art. 28 Abs. 5 zweiter Satz DBA CH-FR; Umfang der übertragbaren Bankdokumente.
Prüfung der Voraussetzung der voraussichtlichen Erheblichkeit eines Steueramtshilfeersuchens; Grenzen der staatlichen Überprüfung in der Sache (E. 2.1-2.1.4). Fall eines Steueramtshilfeersuchens in Bezug auf in der Schweiz unbeschränkt steuerpflichtige Personen (E. 2.2-2.4).
Art. 28 Abs. 5 zweiter Satz DBA CH-FR ist direkt anwendbar; gestützt darauf können deshalb den französischen Behörden von diesen ersuchte Bankdokumente übermittelt werden, soweit diese voraussichtlich erheblich sind. Dies ist insbesondere der Fall bei Bewegungen und Transaktionen auf Bankkonten der steuerpflichtigen Personen (E. 4.5.1-4.6.2). | Sachverhalt
ab Seite 162
BGE 142 II 161 S. 162
A.
Ressortissants français, les époux X., qui habitaient auparavant à Paris, résident à Genève depuis le mois de mars 2010 où ils ont d'abord été imposés à la dépense, puis sur une base ordinaire à compter de la période fiscale 2013.
Le 26 juillet 2013, les autorités françaises ont adressé à l'Administration fédérale des contributions (ci-après: l'Administration fédérale ou l'AFC) une demande d'assistance administrative portant sur la situation fiscale en Suisse des époux X. pendant les périodes fiscales 2010, 2011 et 2012. L'Administration fédérale est entrée en matière et a transmis une partie des informations demandées.
B.
B.a
Le 18 décembre 2013, les autorités françaises ont déposé une seconde demande portant sur les années 2010 à 2013. Les époux X. faisaient l'objet d'un contrôle fiscal et des éléments permettaient de considérer qu'ils étaient domiciliés en France, où se trouvait leur foyer, qu'ils y séjournaient principalement et y exerçaient leurs activités professionnelles. En outre, il avait été découvert que les époux X. détenaient des comptes bancaires ouverts en Suisse auprès de la banque Y. (ci-après: la Banque). Au regard de la législation française, les résidents fiscaux avaient notamment l'obligation de déclarer les comptes bancaires ouverts à l'étranger et les revenus de source
BGE 142 II 161 S. 163
française et étrangère. Malgré les demandes de l'administration française, les époux X. n'avaient pas déclaré ces comptes ni les avoirs qui y figuraient et les revenus en découlant.
Les autorités françaises ont ainsi demandé des renseignements concernant les comptes, soit les relevés de fortune aux 1
er
janvier 2010, 2011, 2012 et 2013, les relevés indiquant la nature et le montant des revenus (intérêts, dividendes, gains en capital) et la liste des transactions (transferts, dépôts, retraits) pour la période du 1
er
janvier 2010 au 31 décembre 2011, une copie du formulaire A, ainsi que les références et les mêmes informations au sujet de tous autres comptes bancaires au sein de la Banque dont les intéressés seraient titulaires, ayants droit économiques ou pour lesquels ils disposeraient d'une procuration.
La Banque a transmis les informations demandées en date du 28 janvier 2014. Divers échanges de courriels ont ensuite eu lieu entre l'AFC et les autorités françaises concernant les motifs pour lesquels la France refusait de tenir compte du domicile fiscal suisse des époux X. Après avoir donné l'occasion à ces derniers de se prononcer, l'AFC a décidé, le 19 mai 2014, d'accorder aux autorités compétentes françaises l'assistance administrative les concernant et de transmettre aux autorités compétentes françaises les informations et la documentation reçues du détenteur d'informations.
Concrètement, les documents communiqués par la Banque se rapportaient à trois comptes dont les époux X. étaient directement titulaires et dont ils étaient également ayants droit économiques. Ils étaient constitués des formulaires A, des relevés de fortune aux 1
er
janvier 2010, 2011 et 2012, ainsi que des relevés faisant apparaître les mouvements sur ces comptes pour la période du 1
er
janvier 2010 au 31 décembre 2011, les informations relatives aux tiers non visés par la demande ayant été caviardées.
B.b
Statuant le 8 décembre 2014 sur recours des époux X., le Tribunal administratif fédéral a admis celui-ci et annulé la décision du 19 mai 2014 (A-3294/2014). En substance, les juges précédents ont considéré que les renseignements demandés par les autorités françaises ne remplissaient pas l'exigence de la pertinence vraisemblable. Ils ont en outre retenu que l'assistance n'aurait de toute manière pas été accordée en relation avec des comptes détenus de manière indirecte, de sorte que la décision attaquée aurait également dû être annulée sur ce point, même s'il n'en serait résulté aucun effet concret
BGE 142 II 161 S. 164
pour les contribuables, les époux X. étant les titulaires directs des comptes concernés. Enfin, les documents bancaires que l'AFC envisageait de transmettre à la France n'auraient pas pu être obtenus en vertu du droit suisse, ce qui aurait également exclu leur transmission à la France en cas d'admission, sur le principe, de la demande d'assistance française.
C.
A l'encontre de l'arrêt du Tribunal administratif fédéral du 8 décembre 2014, l'Administration fédérale des contributions interjette un recours en matière de droit public au Tribunal fédéral en concluant à l'admission du recours et à l'annulation de l'arrêt attaqué, subsidiairement au renvoi de la cause au Tribunal administratif fédéral pour nouvel arrêt dans le sens des considérants.
La II
e
Cour de droit public a délibéré sur le présent recours en séance publique le 24 septembre 2015.
(résumé)
Erwägungen
Extrait des considérants:
2.
La première question litigieuse concerne l'exigence de la pertinence vraisemblable de la demande. La recourante reproche au Tribunal administratif fédéral d'avoir violé l'art. 28 par. 1 CDI CH-FR en considérant que les documents et indications fournis par les autorités françaises n'étaient pas suffisants sous l'angle de la pertinence vraisemblable.
2.1
Selon l'
art. 28 par. 1, 1
re
phrase, de la Convention du 9 septembre 1966 entre la Suisse et la France en vue d'éliminer les doubles impositions en matière d'impôts sur le revenu et sur la fortune et de prévenir la fraude et l'évasion fiscales en vigueur depuis le 26 juillet 1967 (CDI CH-FR; RS 0.672.934.91), les autorités compétentes des Etats contractants échangent les renseignements vraisemblablement pertinents pour appliquer les dispositions de la présente Convention ou pour l'administration ou l'application de la législation interne relative aux impôts de toute nature ou dénomination perçus pour le compte des Etats contractants, de leurs subdivisions politiques ou de leurs collectivités locales dans la mesure où l'imposition qu'elle prévoit n'est pas contraire à la Convention.
Cette disposition correspond au standard OCDE en matière d'échange de renseignements tel qu'il est libellé à l'art. 26 par. 1 du Modèle de Convention fiscale OCDE du 22 juillet 2010 concernant le revenu et la fortune (ci-après: MC OCDE;
BGE 142 II 161 S. 165
www.oecd.org/fr/ctp/conventions/modeleocdedifferentesversions.htm
). L'exigence de la pertinence vraisemblable des renseignements requis peut donc être interprétée à la lumière de ce Modèle et de son Commentaire (
ATF 102 Ib 264
consid. 3c p. 269; arrêt 2C_750/2013 du 9 octobre 2014 consid. 2.2.4, in StE 2015 A 42 Nr. 4, traduit in RDAF 2015 II p. 136). L'exigence de la pertinence vraisemblable des renseignements requis figure également à l'art. 17 al. 2 de la loi fédérale du 28 septembre 2012 sur l'assistance administrative internationale en matière fiscale (LAAF; RS 651.1).
2.1.1
Selon le Commentaire MC OCDE, la notion de pertinence vraisemblable "a pour but d'assurer un échange de renseignements en matière fiscale qui soit le plus large possible tout en indiquant clairement qu'il n'est pas loisible aux Etats contractants 'd'aller à la pêche aux renseignements' ou de demander des renseignements dont il est peu probable qu'ils soient pertinents pour élucider les affaires d'un contribuable déterminé" (Commentaire MC OCDE, version au 17 juillet 2012, par. 5 ad art. 26 MC OCDE;
www.oecd.org/fr/ctp/echange-de-renseignements-fiscaux/120718_Article%2026-FR.pdf
; cf. également MADELEINE SIMONEK, Fishing expeditions in Steuersachen, in Festschrift für Andreas Donatsch, 2014, p. 901 s.; XAVIER OBERSON, in Modèle de convention fiscale OCDE concernant le revenu et la fortune, Commentaire [ci-après: Commentaire], 2014, n° 35 ad art. 26 MC OCDE; DANIEL HOLENSTEIN, in Internationales Steuerrecht, Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, 2015, n° 93 ad art. 26 MC OCDE). Le par. 2 ch. XI du Protocole additionnel à la CDI CH-FR reprend presque mot pour mot ce passage du Commentaire MC OCDE. Il prévoit en effet que "la référence aux renseignements 'vraisemblablement pertinents' a pour but d'assurer un échange de renseignements en matière fiscale qui soit le plus large possible, sans qu'il soit pour autant loisible aux Etats contractants 'd'aller à la pêche aux renseignements' ou de demander des renseignements dont il est peu probable qu'ils soient pertinents pour élucider les affaires fiscales d'un contribuable déterminé".
La condition de la pertinence vraisemblable est réputée réalisée si, au moment où la demande est formulée, il existe une possibilité raisonnable que les renseignements demandés se révéleront pertinents. En revanche, peu importe qu'une fois fournis, il s'avère que l'information demandée soit finalement non pertinente. Il n'incombe pas à l'Etat requis de refuser une demande ou de transmettre les informations parce que cet Etat serait d'avis qu'elles manqueraient de pertinence
BGE 142 II 161 S. 166
pour l'enquête ou le contrôle sous-jacents (Commentaire MC OCDE, par. 5 ad art. 26 MC OCDE).
Il en découle que l'appréciation de la pertinence vraisemblable des informations demandées est en premier lieu du ressort de l'Etat requérant (cf.
ATF 139 II 404
consid. 7.2.2 p. 424; CHARLOTTE SCHODER, StAhiG, Praxiskommentar zum Bundesgesetz über die internationale Amtshilfe in Steuersachen, 2014, n° 227 ad
art. 17 LAAF
). Le rôle de l'Etat requis est assez restreint (RAPPO/TILLE, Les conditions d'assistance administrative internationale en matière fiscale selon la LAAF, RDAF 2013 II p. 1, 16), puisqu'il se limite à un contrôle de la plausibilité (HOLENSTEIN, op. cit., n° 94 ad art. 26 MC OCDE). L'Etat requis se borne ainsi à examiner si les documents demandés ont un rapport avec l'état de fait présenté dans la demande et s'ils sont potentiellement propres à être utilisés dans la procédure étrangère (
ATF 139 II 404
consid. 7.2.2 p. 424; SCHODER, op. cit., n° 227 ad
art. 17 LAAF
). Selon la doctrine, l'Etat requis ne peut refuser de transmettre les informations que s'il apparaît avec certitude que celles-ci ne sont pas pertinentes pour l'Etat requérant (HOLENSTEIN, op. cit., n° 146 ad art. 26 MC OCDE; SCHODER, op. cit., n° 227 ad
art. 17 LAAF
). L'exigence de la pertinence vraisemblable ne représente donc pas un obstacle très important à la demande d'assistance administrative (DONATSCH/HEIMGARTNER/MEYER/SIMONEK, Internationale Rechtshilfe, unter Einbezug der Amtshilfe im Steuerrecht, 2
e
éd. 2015, p. 233). Le Tribunal fédéral a par ailleurs récemment rappelé que ce serait méconnaître le sens et le but de l'assistance administrative que d'exiger de l'Etat requérant qu'il présente une demande dépourvue de lacune et de contradiction, car la demande d'assistance implique par nature certains aspects obscurs que les informations demandées à l'Etat requis doivent éclaircir (cf.
ATF 139 II 404
consid. 7.2.2 p. 424).
2.1.2
Cette répartition des rôles est similaire à celle qui prévaut dans la jurisprudence du Tribunal fédéral développée en matière d'entraide judiciaire internationale pénale ou d'entraide administrative dans le domaine boursier. Selon celle-ci, l'autorité requise n'a pas à déterminer si l'état de fait décrit dans la requête correspond absolument à la réalité, mais doit examiner si les documents requis se rapportent bien aux faits qui figurent dans la requête et ne peut refuser de transmettre que les documents dont il apparaît avec certitude qu'ils ne sont pas déterminants, de sorte que la demande apparaît comme le prétexte à une recherche indéterminée de moyens de
BGE 142 II 161 S. 167
preuve (
ATF 136 IV 82
consid. 4.1 p. 85;
ATF 129 II 484
consid. 4.1 p. 494;
ATF 122 II 367
consid. 2c p. 371). La Cour de céans a du reste confirmé que cette approche était aussi valable dans le contexte de l'assistance administrative en matière fiscale (cf.
ATF 139 II 404
consid. 7.2.2 p. 424).
2.1.3
Lorsqu'une convention internationale est en jeu, il faut également veiller au respect des principes contenus dans la Convention de Vienne du 23 mai 1969 sur le droit des traités (RS 0.111; ci-après: CV). Celle-ci a en effet vocation à s'appliquer pour interpréter et exécuter notamment les conventions de double imposition (cf.
ATF 139 II 404
consid. 7.2.1 p. 422; arrêts 2C_498/2013 du 29 avril 2014 consid. 5.1, in StE 2014 A 32 Nr. 22, résumé in RDAF 2015 II p. 74; 2C_436/2011 du 13 décembre 2011 consid. 3.2, in RF 67/2012 p. 172), même en l'absence de mention expresse dans les textes conventionnels (arrêt 2A.416/2005 du 4 avril 2006 consid. 3.1; cf. également PETER LOCHER, Einführung in das internationale Steuerrecht der Schweiz, 3
e
éd. 2005, p. 167 SS). Comme tout traité, les conventions de double imposition doivent être interprétées de bonne foi, suivant le sens ordinaire à attribuer aux termes utilisés dans leur contexte et à la lumière de leur objet et de leur but (cf.
art. 31 al. 1 CV
;
ATF 139 II 404
consid. 7.2.1 p. 422 s.;
ATF 131 III 227
consid. 3.1 p. 229).
Le principe de la bonne foi est par ailleurs lié à la règle de l'effet utile, même si cette dernière n'apparaît pas expressément à l'
art. 31 CV
. L'interprète doit donc choisir, entre plusieurs significations possibles, celle qui permet l'application effective de la clause dont on recherche le sens, en évitant d'aboutir à une signification en contradiction avec la lettre ou l'esprit du traité (
ATF 141 III 495
consid. 3.5.1; arrêt 4A_736/2011 du 11 avril 2012 consid. 3.3.4). Un Etat contractant doit partant proscrire tout comportement ou toute interprétation qui aboutirait à éluder ses engagements internationaux ou à détourner le traité de son sens et de son but (cf. arrêt 2C_498/2013 précité consid. 5.1; MATTEOTTI/KRENGER, in Internationales Steuerrecht, Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, n
os
109 et 129 ss ad Einleitung et les références citées).
Ce principe implique également qu'un Etat est toujours présumé agir de bonne foi (JEAN-MARC SOREL, in Les Conventions de Vienne sur le droit des traités, Commentaire article par article, 2006, n° 57 ad
art. 31 CV
; cf.
ATF 107 Ib 264
consid. 4b p. 272). Dans le contexte
BGE 142 II 161 S. 168
de l'assistance administrative en matière fiscale, il signifie que l'Etat requis ne saurait en principe mettre en doute les allégations de l'Etat requérant (RAPPO/TILLE, op. cit., p. 16). Ainsi, s'il ne fait pas obstacle au droit de l'Etat requis de vérifier que les renseignements demandés sont bien vraisemblablement pertinents pour servir le but fiscal recherché par l'Etat requérant, il lui impose néanmoins de se fier en principe aux indications que lui fournit celui-ci.
2.1.4
Il découle de ces principes que c'est avant tout le contenu de la demande formée par l'Etat requérant qui va permettre à l'Etat requis d'évaluer la condition de la pertinence vraisemblable (cf. SCHODER, op. cit., n° 63 ad
art. 6 LAAF
). Le législateur suisse a énuméré, à l'
art. 6 al. 2 LAAF
, une liste d'informations que doit comporter la demande. Celle-ci n'est toutefois que subsidiaire. En l'occurrence, la CDI CH-FR comprend des indications sur le contenu de la demande qui l'emportent donc sur la liste subsidiaire de l'
art. 6 al. 2 LAAF
. Celles-ci sont énumérées au par. 3 ch. XI du Protocole additionnel et exigent que l'Etat requérant fournisse des informations relatives au nom, à l'adresse et à l'identification de la personne faisant l'objet d'un contrôle (let. a) et à la période fiscale visée par la demande (let. b). Il doit aussi fournir une description des renseignements recherchés, notamment leur nature et la forme sous laquelle il souhaite les recevoir (let. c), le but fiscal poursuivi (let. d) et, dans la mesure où ils sont connus, les nom et adresse de toute personne dont il y a lieu de penser qu'elle est en possession des renseignements demandés (let. e).
La liste figurant dans la CDI CH-FR (comme du reste celle figurant à l'
art. 6 al. 2 LAAF
) est conçue de telle manière que si l'Etat requérant s'y conforme scrupuleusement, il est en principe censé fournir des informations qui devraient suffire à démontrer la pertinence vraisemblable de sa demande, compte tenu des exigences précitées (cf. supra consid. 2.1.1).
Si, néanmoins, les informations fournies ne remplissent pas les conditions requises, la LAAF contient des règles procédurales permettant à l'AFC d'interpeller l'autorité requérante et de lui donner la possibilité de compléter sa demande par écrit (cf.
art. 6 al. 3 LAAF
). L'
art. 7 LAAF
prévoit en outre, que dans certaines situations, l'AFC peut refuser d'entrer en matière, s'il lui apparaît que la demande est déposée à des fins de recherches de preuves (let. a), porte sur des renseignements qui ne sont pas prévus par les dispositions régissant l'assistance administrative de la convention applicable (let. b) ou si
BGE 142 II 161 S. 169
elle viole le principe de la bonne foi, notamment lorsqu'elle se fonde sur des renseignements obtenus par des actes punissables au regard du droit suisse (let. c).
Excepté le cas où la prise en compte d'un fait notoire fait apparaître d'emblée que les indications fournies sont manifestement erronées (cf. arrêt 2C_252/2015 du 4 avril 2015 consid. 5.1) ou que l'Etat requis soupçonne l'existence d'une situation visée à l'
art. 7 LAAF
, les règles de procédure prévues dans la LAAF n'imposent pas à l'Etat requis de procéder lui-même à des vérifications ni à remettre en cause le bien-fondé des informations fournies par l'Etat requérant (SCHODER, op. cit., n° 62 ad
art. 6 LAAF
). La LAAF prévoit ainsi une procédure qui respecte parfaitement la répartition des rôles entre Etat requérant et Etat requis telle qu'elle est mise en place au sein de l'OCDE (cf. supra consid. 2.1.1).
2.2
Il ressort en outre de l'art. 28 par. 1 in fine CDI CH-FR (correspondant à l'art. 26 par. 1 in fine MC OCDE) que l'Etat requis n'est tenu de transmettre des renseignements que dans la mesure où l'imposition que la législation interne de l'Etat requérant prévoit n'est pas contraire à la Convention.
2.2.1
Selon HOLENSTEIN (op. cit., n
os
235-237 ad art. 26 MC OCDE), l'on peut se trouver dans une telle situation lorsque tant l'Etat requérant que l'Etat requis considèrent que la personne au sujet de laquelle des renseignements sont demandés fait partie de ses contribuables assujettis de manière illimitée à l'impôt. Se référant à l'art. 4 par. 2 MC OCDE, il rappelle qu'une personne physique ne peut être résidente fiscale que d'un seul Etat contractant et que la détermination de la résidence fiscale s'effectue selon des critères applicables successivement (cf. sur ce point NATASSIA MARTINEZ, in Modèle de Convention fiscale OCDE concernant le revenu et la fortune, Commentaire, 2014, n
os
57 s. ad art. 4 MC OCDE; ZWEIFEL/HUNZIKER, in Internationales Steuerrecht, Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, 2015, n° 26 ad art. 4 MC OCDE). Il en déduit que si la Suisse reçoit une demande de renseignements portant sur un de ses contribuables assujettis à l'impôt de manière illimitée provenant d'un Etat qui considère aussi ce contribuable comme y étant assujetti à l'impôt de manière illimitée, l'Administration fédérale doit alors trancher au préalable ce conflit de résidences en recourant aux critères successifs prévus dans la Convention applicable et ne transmettre les renseignements demandés que s'il en résulte que la personne physique est effectivement un résident fiscal de l'Etat requérant (et non
BGE 142 II 161 S. 170
pas un résident fiscal suisse). Dans le cas contraire, la Suisse ne serait pas tenue de transmettre les informations à l'Etat requérant.
2.2.2
La position d'HOLENSTEIN ne peut pas être suivie. Elle suppose qu'un conflit de résidences fiscales soit avéré au moment où la Suisse reçoit la demande d'assistance. Or, tel n'est pas forcément le cas. Le contribuable visé par cette demande a peut-être contesté la décision d'assujettissement illimité à l'impôt dans l'Etat requérant devant les tribunaux de cet Etat; en pareille hypothèse, la procédure judiciaire y afférente n'est pas nécessairement terminée ni même entrée en force au moment où l'Etat requérant forme sa demande d'assistance administrative. En effet, l'Etat requérant n'est pas tenu d'attendre l'issue du litige sur le principe de la résidence fiscale pour former une demande d'assistance administrative, et ce d'autant moins que la demande peut aussi avoir pour but de consolider sa position quant à la résidence fiscale du contribuable concerné. Par ailleurs, l'Etat requérant doit aussi pouvoir former une demande d'assistance administrative même en cas de conflit de résidences effectif, et ce afin d'obtenir de l'Etat requis des documents qui viendraient appuyer sa prétention concurrente à celle de celui-ci. Il s'agit ici en particulier de tenir compte de l'hypothèse selon laquelle un contribuable assujetti de manière illimitée en Suisse a, en réalité, sa résidence fiscale dans l'Etat requérant, par exemple parce qu'il y a conservé son foyer d'habitation permanent.
Dès lors, la question de la conformité avec la Convention au sens de l'art. 28 par. 1 in fine CDI CH-FR dans le contexte particulier d'une demande visant un contribuable considéré par les deux Etats comme assujetti à l'impôt de manière illimitée ne doit pas s'apprécier en fonction de l'existence ou non d'une double résidence fiscale effective, mais à la lumière des
critères
que l'Etat requérant applique pour considérer la personne visée par la demande comme un de ses contribuables assujettis à l'impôt de manière illimitée. Cela signifie que si l'Etat requérant fait valoir un critère d'assujettissement illimité à l'impôt que l'on retrouve dans la Convention (par exemple, parce qu'il soutient que le contribuable a le centre de ses intérêts vitaux dans cet Etat), l'imposition qui en découle dans l'Etat requérant n'est pas en soi contraire à la Convention (cf. art. 4 par. 2 let. a MC OCDE), même si la Suisse considère aussi la personne visée comme un de ses contribuables. En d'autres termes, lorsqu'une demande porte sur un contribuable que les deux Etats contractants considèrent comme un de ses résidents fiscaux, le rôle de la Suisse en tant qu'Etat
BGE 142 II 161 S. 171
requis doit ainsi se limiter, au stade de l'assistance administrative, à vérifier que le critère d'assujettissement auquel l'Etat requérant recourt se retrouve dans ceux qui sont prévus dans la norme conventionnelle applicable concernant la détermination de la résidence fiscale.
La position d'HOLENSTEIN est par ailleurs problématique à double titre. D'une part, elle fait abstraction du fait que la Suisse n'est en principe pas en mesure de trancher un conflit de résidences lorsqu'elle reçoit une demande d'assistance: s'étant jusqu'ici "limitée" à imposer la personne visée, elle n'a jamais eu à se soucier du lieu de sa résidence fiscale au plan international et ne dispose donc pas de l'ensemble des éléments de fait et d'indices lui permettant de trancher un tel conflit. D'autre part, on peut pour le moins douter de la compétence de la Suisse de se saisir d'office d'une telle problématique. Il incombe en effet au contribuable touché par une potentielle double imposition de s'en plaindre auprès des autorités compétentes (cf. le libellé de l'art. 27 par. 1 CDI CH-FR, correspondant à l'art. 25 par. 1 MC OCDE, selon lequel lorsqu'une personne estime que les mesures prises par un Etat contractant ou par les deux Etats contractants entraînent ou entraîneront pour elle une imposition non conforme aux dispositions de la présente convention, elle peut, indépendamment des recours prévus par le droit interne de ces Etats, soumettre son cas à l'autorité compétente de l'Etat contractant).
2.3
En l'espèce, l'arrêt attaqué retient que la demande d'assistance formée par la France remplit les conditions de forme et de contenu imposées par la CDI CH-FR et qu'aucune des restrictions visées à l'
art. 7 LAAF
qui auraient pu justifier un refus d'entrer en matière ne sont réunies. Néanmoins, la demande devait être rejetée, car la condition de la pertinence vraisemblable n'était pas réalisée. Le Tribunal administratif fédéral considère que, comme les personnes concernées étaient domiciliés fiscalement à Genève et imposées de manière illimitée en Suisse à la période considérée, les autorités suisses devaient faire preuve d'une attention particulière quant aux arguments soulevés par la France pour justifier la présence d'un autre domicile fiscal principal. Or, les autorités françaises, à qui l'AFC avait demandé des précisions quant à la résidence en France des contribuables les 6 et 7 février 2014, avaient fourni des indications insuffisantes. D'après les juges précédents, lorsque l'Etat requérant prétend avoir mené une enquête sur son sol et que sa démarche risque d'entraîner la remise en cause des taxations déjà effectuées en
BGE 142 II 161 S. 172
Suisse, il devrait être possible de contrôler que les assertions des autorités françaises ne sont pas de pure forme et que des éléments qui permettent de remettre en cause le domicile des contribuables reposent sur des faits concrets.
2.4
Cette position n'est pas conforme à la répartition des rôles entre Etat requérant et Etat requis (cf. supra consid. 2.1.4). En l'occurrence, les autorités fiscales françaises ont indiqué, dans leur demande d'assistance du 18 décembre 2013, qu'elles considéraient les époux X. comme domiciliés en France parce qu'ils y séjournaient principalement, qu'ils y possédaient leur foyer et qu'ils y exerçaient leurs activités professionnelles. Cette demande remplissait toutes les conditions de forme imposées par l'art. 28 CDI CH-FR et par le ch. XI du Protocole additionnel, et en particulier l'exigence de pertinence vraisemblable. Exiger de l'Administration fédérale qu'elle procède à un contrôle pour vérifier que les assertions françaises ne soient pas purement formelles revient à adopter une attitude de défiance et de remise en cause de la bonne foi de la France (sur cette manière de procéder, cf. arrêt 2C_252/2015 du 4 avril 2015 consid. 5.3). Or, en l'absence d'élément concret qui permettrait de remettre en cause la présomption de bonne foi de l'Etat requérant, l'Etat requis qui se comporterait de la sorte méconnaîtrait la Convention de Vienne sur le droit des traités. Il y a du reste lieu de relever que l'Administration fédérale aurait dès lors été fondée à donner une suite favorable après réception de la demande initiale, sans requérir encore, comme elle l'a encore fait le 6 février 2014 - sans toutefois fonder cette requête sur l'
art. 6 al. 3 LAAF
- des précisions aux autorités françaises quant aux critères de rattachement appliqués. La réponse obtenue des autorités françaises n'a du reste pas apporté des éléments nouveaux par rapport à la demande initiale, ce qui n'a pas empêché l'Administration fédérale de donner une suite favorable à la demande. En outre, la demande d'assistance formée ne pouvait pas non plus être rejetée du fait que les époux X. étaient résidents fiscaux suisses, ni parce que l'imposition qui en découlerait en France serait contraire à la Convention, la France ayant fait valoir deux critères de rattachement que l'on retrouve à l'art. 4 par. 2 let. a ou b CDI CH-FR, à savoir le critère du foyer et celui du séjour (cf. ci-dessus consid. 2.2.2).
Par conséquent, l'arrêt attaqué, qui considère que la demande aurait dû être refusée par l'AFC sous l'angle de la pertinence vraisemblable, n'est pas conforme aux principes régissant l'assistance
BGE 142 II 161 S. 173
administrative en matière fiscale. C'est partant à juste titre que l'AFC a, sur le principe, accordé l'assistance administrative à la France au sujet des époux X. quand bien même ceux-ci sont assujettis de manière illimitée à l'impôt en Suisse.
3.
L'arrêt attaqué considère ensuite que l'assistance administrative ne peut être accordée en relation avec des comptes détenus de manière indirecte par la personne concernée. L'AFC n'aurait donc pas dû inviter la Banque à lui faire connaître les comptes dont les contribuables étaient simplement les ayants droits économiques, ce qui justifie également l'admission du recours, même s'il n'en résulte pas d'effet concret.
Un tel raisonnement perd de vue que le Tribunal administratif fédéral, comme le Tribunal fédéral du reste, n'a pas à trancher des questions abstraites (cf. arrêt 2C_565/2013 du 6 décembre 2013 consid. 4.3.2), mais doit uniquement se prononcer sur les aspects de la décision entreprise qui exercent une incidence concrète pour les parties. En l'occurrence, les juges précédents devaient se demander si la décision de l'AFC du 19 mai 2014 de transmettre les documents bancaires relatifs aux trois comptes dont les contribuables étaient les titulaires directs auprès de la banque Y. aux autorités françaises, était ou non conforme au droit. Partant, le fait que les autorités fiscales aient aussi demandé à la Banque des informations sur d'éventuels comptes détenus de manière indirecte n'a eu aucune incidence pratique pour les époux X., qui ne disposaient pas de tels comptes. Ce motif ne pouvait en conséquence justifier l'admission du recours déposé par les contribuables, sans qu'il soit nécessaire d'en examiner le bien-fondé.
4.
Reste à déterminer dans quelle mesure il est admissible de transmettre l'ensemble des documents bancaires requis par la France, en tant qu'ils comprennent le détail des transactions qui sont intervenues sur les comptes et les noms de tiers qui y figurent. L'AFC reproche au Tribunal administratif d'avoir violé l'art. 28 par. 3 et 5 CDI CH-FR, ainsi que le droit fédéral, notamment l'
art. 8 al. 2 LAAF
.
4.1
Selon l'arrêt attaqué, la documentation que l'AFC envisage de transmettre aux autorités françaises excède le cadre fixé par l'
art. 127 LIFD
(RS 642.11) et l'
art. 4 al. 3 LAAF
et donc aussi l'art. 28 al. 3 CDI CH-FR. Ces dispositions, qui interdisent la remise de documents concernant des tiers, n'ont pas de lien avec le secret bancaire. Cela exclut que l'Etat requis transmette, du moins tant qu'il n'est pas question d'une grave infraction pénale, l'intégralité des documents et
BGE 142 II 161 S. 174
des informations en possession d'une banque et plus particulièrement le détail des transactions liées à un compte bancaire. L'AFC ne peut que demander aux banques des attestations portant sur la somme en compte à la date souhaitée, les intérêts courus et les éventuelles sûretés. Elle peut également requérir la liste des valeurs dont les banques ont la gestion avec les dates d'achat et de vente, et les revenus y relatifs, ainsi que les frais et les commissions perçus par la banque. En l'occurrence, l'AFC a décidé de transmettre toute la documentation remise par la Banque aux autorités françaises après avoir caviardé les noms de tiers non concernés. Le Tribunal administratif fédéral considère que, comme les documents requis auprès de la banque portaient sur l'ensemble des relations des contribuables avec celle-ci et que la documentation transmise est ample, il n'est pas en mesure de vérifier quelles données exactement seront transmises aux autorités françaises, les éléments à rendre anonymes n'ayant pas été mis en évidence. Il ne lui appartient pas non plus de dire à l'AFC sous quelle forme exactement livrer les informations requises par les Etats étrangers, mais il doit vérifier si les limites du cadre légal ne sont pas franchies, ce qu'il n'est pas possible de savoir en l'état.
4.2
Cette argumentation n'est pas claire. L'on ne sait pas si, ni dans quelle mesure, le Tribunal administratif fédéral admettrait la remise d'une documentation bancaire partiellement caviardée aux autorités françaises. Les juges ne se prononcent pas définitivement, puisqu'ils retiennent de toute façon que la remise d'une documentation bancaire intégrale relative à un contribuable dans le cadre d'une demande d'assistance administrative, telle qu'envisagée par l'AFC en l'espèce, excède le cadre légal. La Cour de céans n'étant pas là pour se prononcer sur des conjectures, elle ne prendra en compte que le second pan de la motivation présentée.
4.3
Au préalable, il faut rappeler qu'en date du 13 mars 2009, le Conseil fédéral a annoncé un changement de politique majeur en matière d'échange de renseignements en déclarant vouloir désormais appliquer le standard de l'art. 26 MC OCDE dans les conventions de double imposition (XAVIER OBERSON, Précis de droit fiscal international [ci-après: Précis], 4
e
éd. 2014, p. 349 s.; HOLENSTEIN, op. cit., n° 42 ad art. 26 MC OCDE; URS BEHNISCH, Neue Entwicklungen der internationalen Amtshilfe im Bereich der direkten Steuern, L'Expert-comptable suisse 2010/1-2 p. 67). La reprise du standard OCDE en la matière implique en particulier que l'échange de renseignements est désormais accordé, sur demande, lorsqu'il a pour
BGE 142 II 161 S. 175
but l'application du droit interne de l'Etat requérant même dans les cas de simple soustraction d'impôt, sans qu'il ne soit plus nécessaire que les cas impliquent des actes de fraude passibles d'emprisonnement dans les deux Etats (ROBERT WALDBURGER, Entwicklungen in der schweizerischen Amtshilfepolitik in Steuersachen - ein Überblick, IFF Forum für Steuerrecht 2010 p. 88; MARIE BONVIN, L'échange de renseignements suivant les nouvelles Conventions franco-suisse et américano-suisse: le changement que ces Conventions représentent du point de vue suisse, Not@lex 4/2010 p. 115; MARAÏA/SANSONETTI, Exchange of information and cross-border cooperation between tax authorities, Cahiers IFA de droit fiscal international 2013 vol. 98b p. 740 et 742; XAVIER OBERSON, International exchange of informations in tax matters, 2015, p. 20). Le droit interne suisse n'a toutefois pas été modifié depuis le 13 mars 2009, de sorte que les dispositions de droit suisse protégeant le secret bancaire sont toujours en vigueur, en particulier les
art. 127 al. 2 LIFD
et 47 de la loi fédérale du 8 novembre 1934 sur les banques (LB; RS 952.0; OBERSON, Précis, op. cit., p. 351). La reprise du standard de l'art. 26 MC OCDE implique toutefois que le secret bancaire ne peut plus être opposé pour refuser l'échange de renseignements, même en cas de simple soustraction fiscale (ROBERT WALDBURGER, Aktuelle Entwicklungen in der schweizerischen Amtshilfe im Steuerbereich [ci-après: Entwicklungen], RSDA 2009 p. 489;BONVIN, op. cit., p. 137; BEHNISCH, op. cit., p. 67).
4.4
En ce qui concerne la CDI CH-FR, le standard de l'art. 26 MC OCDE a été introduit par l'art. 7 de l'Avenant à la CDI CH-FR signé le 27 août 2009 et entré en vigueur le 4 novembre 2010, qui modifie l'art. 28 CDI CH-FR (cf. consid. 1.3 non publié). Il en découle que la Suisse doit désormais fournir aux autorités françaises les renseignements destinés à l'application du droit interne français non seulement en cas de fraude fiscale, mais aussi en cas de simple soustraction au sens du droit suisse (BONVIN, op. cit., p. 118 et 120).
4.4.1
L'art. 28 par. 3 CDI CH-FR, qui correspond à l'art. 26 par. 3 MC OCDE, prévoit que les dispositions du par. 1 (principe de l'échange des renseignements vraisemblablement pertinents) et du par. 2 (limitation dans la communication et l'utilisation des documents reçus)
"ne peuvent en aucun cas être interprétées comme imposant à un Etat contractant l'obligation:
a) de prendre des mesures administratives dérogeant à sa législation et à sa pratique administrative ou à celles de l'autre Etat contractant;
BGE 142 II 161 S. 176
b) de fournir des renseignements qui ne pourraient être obtenus sur la base de sa législation ou dans le cadre de sa pratique administrative normale ou de celles de l'autre Etat contractant;
c) de fournir des renseignements qui révéleraient un secret commercial, industriel, professionnel ou un procédé commercial ou des renseignements dont la communication serait contraire à l'ordre public."
Selon le Commentaire, sont considérés comme renseignements pouvant être obtenus selon le droit et la pratique internes au sens de cette disposition ceux dont disposent les autorités fiscales ou que celles-ci peuvent obtenir par application de la procédure normale d'établissement de l'impôt (Commentaire MC OCDE, n° 16 ad art. 26). Pour la Suisse, il est admis de manière générale en doctrine que la réserve conventionnelle en faveur du droit interne qui est libellée à l'art. 28 par. 3 CDI CH-FR (art. 26 par. 3 MC OCDE) renvoie, pour ce qui a trait à l'obtention de renseignements auprès d'une personne en Suisse, à la LIFD. Sont ici concernées les dispositions réglant les obligations de procédure qui incombent au contribuable et aux tiers, soit les
art. 123-129 LIFD
(cf. OBERSON, Commentaire, op. cit., n
os
115 s. ad art. 26 MC OCDE; HOLENSTEIN, op. cit., n
os
285, 287 et 290 ad art. 26 MC OCDE; DONATSCH/HEIMGARTNER/MEYER/SIMONEK, op. cit., p. 250 s.).
Le par. 3 doit toutefois être lu en lien avec le par. 5 de l'art. 28 CDI CH-FR (dont la 1
re
phrase correspond au par. 5 de l'art. 26 MC OCDE), selon lequel:
"En aucun cas les dispositions du par. 3 ne peuvent être interprétées comme permettant à un Etat contractant de refuser de communiquer des renseignements uniquement parce que ceux-ci sont détenus par une banque, un autre établissement financier, un mandataire ou une personne agissant en tant qu'agent ou fiduciaire ou parce que ces renseignements se rattachent aux droits de propriété d'une personne. Aux fins de l'obtention des renseignements mentionnés dans le présent paragraphe, nonobstant le par. 3 ou toute disposition contraire du droit interne, les autorités fiscales de l'Etat contractant requis disposent ainsi des pouvoirs de procédure qui leur permettent d'obtenir les renseignements visés par le présent paragraphe."
Ce paragraphe 5 a pour objet d'éviter que "les limitations du paragraphe 3 ne puissent être utilisées pour empêcher les échanges de renseignements détenus par des banques, autres établissements financiers, mandataires, agents et fiduciaires, ainsi que les renseignements concernant la propriété" (Commentaire MC OCDE, n° 19.10 ad art. 26). En lien avec le secret bancaire, le paragraphe 5, 1
re
phrase, l'emporte sur le paragraphe 3, dans la mesure où son application
BGE 142 II 161 S. 177
permettrait à l'Etat requis de refuser de transmettre des renseignements pour des motifs tenant au secret bancaire (Commentaire MC OCDE, n° 19.11 ad art. 26). En d'autres termes, si l'Etat contractant qui connaît l'institution du secret bancaire dans son droit interne ne peut s'en prévaloir en vertu du paragraphe 5 pour refuser de transmettre des renseignements détenus par une banque, il lui est toujours possible d'invoquer le paragraphe 3 pour refuser de communiquer de tels renseignements, pour autant que ce refus soit fondé sur des motifs indépendants du statut de banque (OBERSON, Commentaire, op. cit., n° 135 ad art. 26 MC OCDE; HOLENSTEIN, op. cit., n° 278 ad art. 26 MC OCDE).
La seconde phrase du paragraphe 5 de l'art. 28 CDI CH-FR n'apparaît pas dans le MC OCDE et figure en principe dans toutes les conventions de double imposition conclues par la Suisse depuis le 13 mars 2009. Elle a pour but de permettre à la Suisse de mettre en oeuvre le standard OCDE à l'égard des établissements suisses concernés par le secret bancaire (HOLENSTEIN, op. cit., n° 316 ad art. 26 MC OCDE; DONATSCH/HEIMGARTNER/MEYER/SIMONEK, op. cit., p. 249; OBERSON, Commentaire, op. cit., n
os
148 s. ad art. 26 MC OCDE; WALDBURGER, Entwicklungen, op. cit., RSDA 2009 p. 487 s.), dès lors qu'en droit interne, le secret fiscal empêche l'autorité fiscale, sous réserve de graves infractions fiscales, d'exiger directement des renseignements auprès d'une banque.
4.5
Le Tribunal administratif fédéral reconnaît que le secret bancaire ne peut plus être opposé par la Suisse en cas de demande d'assistance administrative en matière fiscale. Les juges précédents entendent toutefois limiter le devoir de renseignement des banques à la seule production des attestations prévues par l'
art. 127 al. 1 LIFD
. Cette disposition "redeviendrait" en effet applicable selon l'instance inférieure (cf. arrêt attaqué, consid. 3.3.4 p. 26) ensuite de la levée du secret bancaire. Le Tribunal administratif fédéral laisse par ailleurs entendre que ce ne serait que dans les cas de graves infractions fiscales (fraude) qu'une banque suisse serait tenue de fournir toutes les informations pertinentes dont elle dispose, indépendamment de l'
art.127 al. 1 LIFD
(arrêt attaqué, consid. 2.4.4).
La recourante conteste cette interprétation. Elle soutient en substance que l'art. 28 par. 5 CDI CH-FR est une disposition self executing qui exclut le paragraphe 3, l'idée à la base de cette disposition consistant précisément à contourner les limitations posées par le droit interne suisse, en particulier par l'
art. 127 LIFD
. Une banque serait partant
BGE 142 II 161 S. 178
tenue de fournir toutes les informations vraisemblablement pertinentes en sa possession ou sous son contrôle en vertu de l'art. 28 par. 5, 2
e
phrase, CDI CH-FR (en lien avec l'
art. 8 al. 2 LAAF
), indépendamment de toute disposition de droit interne qui restreindrait cette obligation, le paragraphe 3 de l'art. 28 CDI CH-FR n'étant pas applicable.
4.5.1
Selon la jurisprudence, une disposition de droit international est directement applicable si son contenu est suffisamment déterminé et clair pour constituer, dans chaque cas particulier, le fondement d'une décision. La règle doit par conséquent se prêter au contrôle judiciaire; elle doit donc délimiter les droits et obligations de l'individu et son destinataire doit être l'autorité d'application (
ATF 140 II 185
consid. 4.2 p. 190 et les références citées).
4.5.2
Le point de savoir si l'art. 28 par. 5, 2
e
phrase, CDI CH-FR est suffisamment précis pour être self executing et constituer une base légale est controversé en doctrine (sont d'avis que tel est le cas: OBERSON, Commentaire, op. cit., n
os
5 et 149 ad art. 26 MC OCDE, qui relève que le but et l'esprit de cette règle sont suffisamment clairs compte tenu des déclarations du Conseil fédéral du 13 mars 2009, et BONVIN, op. cit., p. 138; d'un avis contraire: URS BEHNISCH, Amtshilfe in der Schweiz in Steuer[straf]sachen, Archives 77 p. 747; doutedu caractère self executing: WALDBURGER, Entwicklungen, op. cit., RSDA 2009 p. 488; ne tranche pas: HOLENSTEIN, op. cit., n° 317 ad art. 26 MC OCDE).
L'art. 28 par. 5, 2
e
phrase, CDI CH-FR exclut, par une double formulation ("nonobstant le paragraphe 3 ou toute disposition contraire du droit interne") que le droit interne puisse s'opposer à la transmission d'informations visées au par. 5. Le contenu de cette règle est clair. Il permet à l'autorité compétente de fonder une décision et à son destinataire de fixer ses droits et obligations. La règle peut donc être soumise à un contrôle judiciaire sans avoir besoin de concrétisation en droit interne. Elle remplit partant les critères d'une norme internationale directement applicable.
Les déclarations du Conseil fédéral du 13 mars 2009 plaident également en faveur de l'applicabilité directe de l'art. 28 par. 5, 2
e
phrase, CDI CH-FR, de même que le Message complémentaire du 27 novembre 2009 au Message du 6 mars 2009 concernant l'approbation du nouvel avenant à la convention contre les doubles impositions avec la France, où le Conseil fédéral précise que "De tels
BGE 142 II 161 S. 179
renseignements [soit lesrenseignements visés par le par. 5] doivent être échangés nonobstant les limitations prévues au paragraphe 3. L'Etat requis doit également pouvoir obtenir et transmettre les renseignements demandés même si ces renseignements ne seraient pas disponibles en vertu de sa propre législation ou de sa pratique administrative. Par conséquent, la Suisse ne peut pas refuser de communiquer des renseignements en invoquant uniquement le secret bancaire suisse" (Message complémentaire du 27 novembre 2009 concernant la CDI CH- FR, FF 2010 1409, 1416). Les autorités suisses ont par ailleurs également expliqué aux autorités françaises que la demande de la Suisse de compléter la rédaction du paragraphe 5 de l'art. 26 MC OCDE provenait de sa volonté "de clarifier l'articulation entre les paragraphes 3 et 5 de cet article et de permettre aux autorités suisses de déroger aux dispositions de leur droit interne qui limitent l'accès de l'administration fiscale aux renseignements, notamment bancaires, aux fins de l'établissement des impôts" (cf. Projet de loi autorisant l'approbation de l'avenant à la convention entre la France et la Suisse en vue d'éviter les doubles impositions en matière d'impôts sur le revenu et sur la fortune, consultable sur le lien
www.assemblee-nationale.fr/13/projets/pl2338-ei.asp
).
Le caractère self executing de cette norme implique non seulement que le secret bancaire ne peut être opposé par une banque suisse, mais que l'Administration fédérale dispose des pouvoirs de procédure nécessaires pour obtenir les renseignements vraisemblablement pertinents requis. L'art. 28 par. 5, 2
e
phrase, CDI CH-FR ne fait en revanche pas obstacle à l'application du par. 3 en tant qu'il protège les secrets professionnels non concernés par le par. 5, tel que, par exemple, le secret de l'avocat (cf. Commentaire MC OCDE, n° 19.3 ad art. 26; OBERSON, Commentaire, op. cit., n° 139 ad art. 26 MC OCDE; HOLENSTEIN, op. cit., n° 296 ad art. 26 MC OCDE).
Il découle de ce qui précède que l'Administration fédérale dispose, en vertu de l'art. 28 par. 5, 2
e
phrase, CDI CH-FR, des pouvoirs de procédure nécessaires pour exiger des banques la transmission de l'ensemble des documents requis qui remplissent la condition de la pertinence vraisemblable, sans que puissent lui être opposés l'
art. 47 LB
ou toute autre disposition de droit interne. Dans ces circonstances, il n'est pas nécessaire d'examiner si, comme le soutient le Tribunal administratif fédéral, la disposition de procédure interne de l'
art. 127 al. 1 LIFD
"redevient applicable" en cas de levée du secret bancaire, puisque, même si cette disposition s'avérait applicable en
BGE 142 II 161 S. 180
droit interne en pareilles circonstances, cette disposition s'effacerait de toute manière face à l'art. 28 par. 5 CDI CH-FR.
4.6
L'
art. 4 al. 3 LAAF
, également cité par les juges précédents pour limiter la remise de la documentation bancaire dans son ensemble, exclut la transmission de renseignements concernant des personnes qui ne sont pas concernées par la demande.
4.6.1
La notion de personne non concernée au sens de l'
art. 4 al. 3 LAAF
doit être examinée à la lumière du but du standard OCDE et du critère conventionnel de renseignement vraisemblablement pertinent (arrêt 2C_963/2014 précité consid. 4, qui procède à une interprétation détaillée de l'
art. 4 al. 3 LAAF
). Cette disposition doit être interprétée de manière restrictive (cf. également RAPPO/TILLE, op. cit., p. 14), de telle façon que son application ne fasse pas perdre toute portée à la demande d'assistance administrative (cf. SCHODER, op. cit., n° 49 ad
art. 4 LAAF
) mais permette au contraire un échange de renseignements aussi large que possible, sous réserve des fishing expeditions. En effet, il ne faut pas oublier que la LAAF a pour fonction de régler, sur le plan interne, les compétences, la procédure et les voies de droit, mais n'a pas pour vocation d'introduire des contraintes matérielles pour contrer les demandes d'informations fondées sur les CDI (RAPPO/TILLE, op. cit., p. 4) ou restreindre la portée de l'assistance administrative définie dans ces conventions (Message du 6 juillet 2011 concernant l'adoption d'une loi sur l'assistance administrative fiscale, FF 2011 5774 ch. 1.1). Le caractère directement applicable de l'art. 28 par. 5, 2
e
phrase, CDI CH-FR concerne aussi les tiers. Lorsque les renseignements demandés portent non seulement sur des personnes concernées au sens de l'
art. 4 al. 3 LAAF
, mais aussi sur des tiers non impliqués, il appartient à l'autorité saisie de procéder à une pesée des intérêts (cf.
art. 5 al. 2 Cst.
; cf. sur l'application de cette disposition en matière d'assistance administrative, TOBIAS F. ROHNER, Amtshilfe nach den OECD-konformen Doppelbesteuerungsabkommen ein Überblick, in Vermögensverwaltung IV, 2013, p. 88; cf. également BEUSCH/SPÖRRI, in Internationales Steuerrecht, Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht, 2015, n° 334 ad art. 26 MC OCDE). Cela signifie que l'Etat requis doit supprimer les indications relatives aux tiers non concernés lorsqu'elles sont sans incidence sur la demande (par exemple le nom des employés de banque qui n'ont rien à voir avec la question fiscale motivant la demande). En revanche, l'
art. 4 al. 3 LAAF
ne saurait être compris comme imposant à l'autorité suisse de supprimer des
BGE 142 II 161 S. 181
indications qui concernent des tiers non concernés (qui figurent par exemple sur la liste de transactions relatives à un compte bancaire) lorsque leur suppression rendrait vide de sens la demande d'assistance administrative (cf. FF 2011 5783 et BEUSCH/SPÖRRI, op. cit., n° 334 ad art. 26 MC OCDE). Les tiers dont les noms apparaissent sur de tels documents sont au demeurant protégés. A la clôture de la procédure, l'autorité requise doit en effet rappeler à l'autorité requérante les restrictions à l'utilisation des renseignements transmis et l'obligation de maintenir le secret (cf.
art. 20 al. 2 LAAF
).
4.6.2
En l'occurrence, les documents bancaires objet de la demande d'assistance administrative et en particulier la liste des transactions sur des comptes bancaires dont les contribuables sont titulaires, remplissent l'exigence de la pertinence vraisemblable (cf. supra consid. 2). De tels documents révèlent les apports et les prélèvements enregistrés, les gains générés, ainsi que le montant et la nature des revenus perçus (versement de dividendes, revenu d'activité, plus-values, etc.) et sont donc de nature à permettre à l'autorité fiscale française de compléter l'assiette de l'impôt sur le revenu des contribuables en France. S'agissant de déterminer si le lieu de séjour effectif des contribuables était bien en France aux périodes considérées, il est aussi plausible que les relevés des transactions sur ces comptes contribuent à confirmer (ou à exclure) un tel séjour, car ces documents sont susceptibles de contenir des indices (lieu et objet des dépenses) de nature à localiser leurs intérêts vitaux (cf. arrêt 2C_1139/2014 du 20 juillet 2015 consid. 5.2.2). Or, supprimer l'ensemble des noms des personnes non concernées qui figurent sur la liste de ces transactions ferait perdre toute portée à la demande d'assistance administrative à cet égard.
Quant aux autres noms, en particulier ceux des employés de banque qui pourraient aussi figurer sur ces comptes et dont la remise pourrait être contraire à l'
art. 4 al. 3 LAAF
, car sans lien avec la demande d'assistance, l'Administration fédérale des contributions a indiqué au Tribunal administratif fédéral, sans être contredite, que ceux-ci avaient été caviardés.
5.
En résumé, c'est à tort que l'arrêt attaqué s'est opposé à la transmission des renseignements aux autorités françaises telle que prévue par l'AFC. Par conséquent, le recours de cette dernière doit être admis, l'arrêt attaqué annulé et la décision du 19 mai 2014 par laquelle l'AFC a accordé l'assistance administrative aux autorités compétentes françaises confirmée. (...) | public_law | nan | fr | 2,015 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
c774ee37-1afa-4547-a9ff-b6c9cb44b875 | Urteilskopf
101 II 305
51. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 6. November 1975 i.S. R. gegen P. | Regeste
Anfechtung einer letztwilligen Verfügung, die einem Erbvertrag widerspricht (
Art. 494 Abs. 3 ZGB
).
1. Ein Erbvertrag kann neben Bestimmungen vertraglicher Natur auch letztwillige Verfügungen enthalten, die frei widerruflich sind (
Art. 509 ZGB
) (Erw. 3a).
2. Auf die Anfechtung einer letztwilligen Verfügung, die einem Erbvertrag widerspricht, finden die Bestimmungen über die Herabsetzungsklage (Art. 522 bis 533 ZGB) analoge Anwendung (Erw. 3b). | Sachverhalt
ab Seite 305
BGE 101 II 305 S. 305
A.-
Die am 9. April 1966 in Basel verstorbene ledige Mathilde R. hinterliess als gesetzliche Erben ihre beiden Schwestern Hedwig P. und Suzanne R. Am 8. Juli 1961 hatte
BGE 101 II 305 S. 306
die Erblasserin von ihrer Mutter, Berta R., das Haus ... Nr. 130 in Basel käuflich erworben. Am gleichen Tag traf sie die folgende als Erbvertrag bezeichnete Verfügung von Todes wegen:
"Erbvertrag
Vor mir, dem unterzeichneten öffentlichen Notar zu Basel ist erschienen:
Fräulein Mathilde R., ledig und mehrjährig, von und in Basel, mir, dem Notar, persönlich bekannt, und hat mir erklärt:
Ich wünsche von Todes wegen folgendes zu verfügen:
I.
Sollte ich vor meiner Mutter sterben, sind meine beiden Schwestern, nämlich Frau Hedwig p. und Frau Suzanne R., oder deren Nachkommen, meine einzigen gesetzlichen Erben; ihr Erbrecht richtet sich nach den gesetzlichen Bestimmungen.
Meiner Mutter vermache ich die lebenslängliche sicherstellungsfreie Nutzniessung an meinem Nachlass; vorbehalten bleibt das Legat gemäss nächstem Absatz.
Meine beiden Neffen Samuel S., geboren 1938 (neunzehnhundertachtunddreissig) und Stephan S., geboren 1941 (neunzehnhunderteinundvierzig), den Kindern meiner vorverstorbenen Schwester Gertrud, vermache ich als Vermächtnisnehmern je einen Barbetrag in Höhe von Fr. 5'000.-- (fünftausend Franken).
II
Sollte meine Mutter vor mir sterben, so sind meine einzigen Erben die beiden sub I (eins) hievor genannten Schwestern, Frau Hedwig P. und Frau Suzanne R., oder deren Nachkommen; ihr Erbrecht richtet sich nach den gesetzlichen Vorschriften.
Meine beiden Neffen, Samuel S., geboren 1938 (neunzehnhundertachtunddreissig) und Stephan S., geboren 1941 (neunzehnhunderteinundvierzig), den Kindern meiner vorverstorbenen Schwester Gertrud, vermache ich als Vermächtnisnehmern je einen Barbetrag von Fr. 5'000.-- (fünftausend Franken).
III
Ich unterstelle die Erbfolge in meinen Nachlass ausdrücklich dem Rechte des Kantons Basel-Stadt als meines Heimatkantons.
IV
Sollte ein Erbe oder Vermächtnisnehmer dieses Testament in irgend einer Form anfechten, verfüge ich, dass er vom Erbrecht vollständig (hier fehlen offenbar die Worte: ausgeschlossen sein soll).
V
Ich hebe hierdurch alle meine früheren Verfügungen von Todes wegen auf.
Alsdann ist erschienen Frau Witwe Berta R., Hausfrau, von und in Basel, mir, dem Notar persönlich bekannt, und hat mir erklärt:
BGE 101 II 305 S. 307
Ich habe von den Erklärungen meiner Tochter Kenntnis genommen. Ich bin mit ihnen in allen Teilen einverstanden, insbesondere bin ich damit einverstanden, dass ich beim Vorabsterben meiner Tochter an deren Nachlass die lebenslängliche Nutzniessung erhalte."
(Es folgen Beurkundungsformel und Zeugenbestätigung.)
Die Mutter Berta R. starb vor ihrer Tochter Mathilde am 12. März 1965. Diese errichtete am 3. Dezember 1965 ein eigenhändiges Testament, in welchem sie ihre Schwester, Frau Hedwig P., als einzige Erbin einsetzte. Bei deren Vorabsterben sollten ihre Nachkommen zu gleichen Teilen die Erbschaft antreten. In Ziffer 3 des Testaments verpflichtete die Erblasserin Hedwig P. (oder deren Nachkommen), aus dem ihr zufallenden Erbteil die 36 Aktien der X. AG mit ihren eigenen oder den ihrem Ehemann gehörenden 37 Aktien der X. AG ihrer Schwester, Frau Suzanne R., zu Eigentum zu übertragen, sofern sich diese bereit erkläre, ihren Drittel-Anteil am Hause ... Nr. 127 Zug um Zug ohne Barausgleichung auf Frau Hedwig P. oder deren Nachkommen zu übertragen. Sollte sich Frau Suzanne R. hiezu innerhalb eines halben Jahres seit dem Ableben der Erblasserin nicht bereit erklären, falle die zu Lasten von Frau Hedwig P. aufgestellte Verpflichtung dahin. Für den Fall, dass dieser Abtausch deshalb nicht zustande komme, weil sich Herr P. oder dessen Erben weigern, die ihnen gehörenden Aktien der X. AG für den Abtausch zur Verfügung zu stellen, bestimmte die Erblasserin, dass die Erbeinsetzung der Frau Hedwig P. dahinfallen und das gesetzliche Erbrecht gelten solle. Mit diesem Testament hob Mathilde R. alle ihre früheren Verfügungen von Todes wegen auf.
Nach dem Tode von Mathilde R. verhandelten ihre beiden Schwestern über den im Testament vorgesehenen Abtausch, auf den sie schliesslich mit einer Vereinbarung vom 31. Dezember 1969/7. Januar 1970 verzichteten. Hingegen verkaufte Suzanne R. die ihr gehörenden Aktien der X. AG ihrer Schwester Hedwig P. In Ziffer II der genannten Vereinbarung wurde folgendes festgehalten:
"Durch den vorstehenden Aktienverkauf ist der im Testament der Fräulein Mathilde R. vom 3. Dezember 1965 in Ziff. 3 vorgesehene Abtausch hinfällig geworden. Beide Parteien verzichten daher ausdrücklich auf diesen Abtausch. Sämtliche Korrespondenzen, die den Abtausch zum Gegenstand haben, sind somit gegenstandslos.
Im Sinne einer Klarstellung verschiedener Differenzen wird bezüglich der im Gesamteigentum (intern zu 2/3 Frau Hedwig P. und zu
BGE 101 II 305 S. 308
1/3 Frau Suzanne R.) stehenden Liegenschaft ... Nr. 127 folgendes festgehalten:"
(Es folgen eine Anzahl von Bestimmungen, die für das vorliegende Verfahren ohne Bedeutung sind.)
B.-
Am 6. November 1972 reichte Suzanne R. beim Zivilgericht des Kantons Basel-Stadt gegen Hedwig P. Klage ein mit den folgenden Anträgen:
"1. Hiemit fechte ich die letztwillige Verfügung (Testament) meiner Schwester Mathilde R. vom 3. Dezember 1965, die im Widerspruch zum Erbvertrag zwischen meiner Mutter Frau Wwe. Berta R. und meiner Schwester Fräulein Mathilde R. vom 8. Juli 1961 steht, auf Grund von
Art. 494 Abs. 3 ZGB
an.
2. Diese Verfügung sei, soweit sie die Beklagte und mich betrifft und die Beklagte, meine Schwester, mir gegenüber begünstigt, in Analogie zu
Art. 522 ZGB
betr. Herabsetzungsklage herabzusetzen, und es sei die Beklagte zu verpflichten, mit mir den Aktivsaldo der Erbschaft von Mathilde R. zu gleichen Teilen, d.h. zur Hälfte, zu teilen.
3. Es sei insbesondere festzustellen, dass das Haus ... Nr. 130 in Basel je zur Hälfte mir und meiner Schwester, der Beklagten, gehört.
4. Es sei die Beklagte zu verpflichten, auch den übrigen Nachlass von Mathilde R. mit mir zu teilen.
5. Es sei festzustellen, dass die Beklagte als bösgläubig Bedachte die ihr im Testament von Mathilde R. vom 3. Dezember 1965 zugedachten Vorteile für sich in Anspruch nimmt.
6. Ferner sei die Beklagte zu verpflichten, das Inventar des Nachlasses von Mathilde R. zu edieren, welches Inventar ich bis jetzt nicht besass. Ich habe davon erst kürzlich nur den Betrag des Reinvermögens erfahren."
Die Beklagte beantragte die vollumfängliche Abweisung der Klage. Gleichzeitig erhob sie Widerklage, mit der sie die Feststellung verlangte, dass die Parteien an der nach aussen in ihrem Gesamteigentum stehenden Liegenschaft ... Nr. 127 in Basel im internen Verhältnis wie folgt beteiligt seien: zu einem Drittel die Klägerin und zu zwei Dritteln die Beklagte. Ferner beantragte die Beklagte, die Klägerin sei zu verurteilen, ihr den Betrag von Fr. 8'876.95 nebst Zins zu 5% seit 19. März 1973 zu bezahlen.
C.-
Das Zivilgericht des Kantons Basel-Stadt wies die Klage mit Urteil vom 19. August 1974 ab und hiess die Widerklage teilweise gut. Es stellte fest, dass die Beklagte an der im Gesamteigentum stehenden Liegenschaft ... Nr. 127, Basel, intern zu zwei Dritteln und die Klägerin zu einem Drittel beteiligt ist. Ferner verurteilte es die Klägerin zur Zahlung
BGE 101 II 305 S. 309
von Fr. 8'074.45 nebst 5% Zins seit 19. März 1973 an die Beklagte und wies die Mehrforderung ab.
Das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt, an welches die Klägerin appelliert hatte, bestätigte das Urteil des Zivilgerichts am 23. Mai 1975. Es erachtete die Klage als verjährt. Hingegen war es der Auffassung, dass die Klägerin den Herabsetzungsanspruch gemäss
Art. 533 Abs. 3 ZGB
gegenüber der Widerklage jederzeit einredeweise geltend machen könne. Im vorliegenden Falle könne die Klägerin diese Einrede jedoch aus materiellen Gründen nicht mehr erheben, weil sie das Testament vom 3. Dezember 1965 in voller Kenntnis des von ihr behaupteten Mangels wiederholt ausdrücklich, zuletzt in der Vereinbarung vom 31. Dezember 1969/7. Januar 1970, anerkannt habe.
D.-
Die Klägerin führt Berufung an das Bundesgericht mit dem Antrag, das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 23. Mai 1975 wegen Verletzung von
Art. 533 Abs. 1 ZGB
etc. aufzuheben.
Die Beklagte beantragt, auf die Berufung nicht einzutreten, eventuell sie abzuweisen.
Das Bundesgericht weist die Berufung ab, soweit auf sie eingetreten werden kann, und bestätigt das Urteil des Appellationsgerichts.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
a) Zur Begründung ihrer Berufung macht die Klägerin zunächst geltend, das Testament vom 3. Dezember 1965, in welchem die Beklagte von der Erblasserin zur Alleinerbin eingesetzt worden ist, verletze den von Mathilde R. mit ihrer Mutter abgeschlossenen Erbvertrag vom 8. Juli 1961. Sinngemäss behauptet sie damit, das Testament sei ungültig, weil es neben dem Erbvertrag nicht zu Recht bestehen könne. Wegen Unvereinbarkeit mit erbvertraglichen Verpflichtungen kann das Testament zum vorneherein dann nicht angefochten werden, wenn der entsprechende Teil des Erbvertrages überhaupt nicht Bestimmungen vertraglicher Natur, sondern einseitige testamentarische Verfügungen enthält. Es ist nämlich allgemein anerkannt, dass Verfügungen von Todes wegen, die in der Form des Erbvertrages errichtet werden, neben Bestimmungen vertraglicher Art auch letztwillige Verfügungen enthalten
BGE 101 II 305 S. 310
können, die gemäss
Art. 509 ZGB
frei widerruflich sind (
BGE 96 II 281
Erw. 3 und die dort angeführten Zitate).
Bei Auslegung des Erbvertrages vom 8. Juli 1961 ergibt sich, dass die von der Klägerin angefochtene Ziffer II nicht vertraglicher Natur ist, sondern eine letztwillige Verfügung darstellt. Vertraglicher Natur ist nur Ziffer I, die der Mutter der Erblasserin anstelle ihres Pflichtteilsanspruches die Nutzniessung am Nachlass zuweist. Diese Anordnung bedurfte der Zustimmung der Mutter Berta R. Ziffer II des Erbvertrages enthält neben zwei Vermächtnissen die Bestimmung, dass bei Vorabsterben der Mutter die beiden noch lebenden Schwestern der Erblasserin bzw. deren Nachkommen ihre einzigen Erben sein werden. Dass diese Anordnungen vertraglicher Natur wären, ergibt sich aus der Verfügung in keiner Weise. Die Annahme der Klägerin, ihre Mutter habe die Liegenschaft ... Nr. 130 nur unter der Bedingung zu einem so günstigen Preis ihrer Tochter Mathilde verkauft, dass diese sich verpflichte, ihre beiden Schwestern zu gleichen Teilen als Erbinnen einzusetzen, findet weder im Wortlaut noch im Sinn des Erbvertrages eine Stütze. Die Klägerin behauptet auch nicht, eine solche Bedingung sei in dem am gleichen Tag wie der Erbvertrag zwischen der Erblasserin und ihrer Mutter abgeschlossenen Kaufvertrag enthalten. Das würde übrigens auch nicht genügen, weil eine solche Bedingung erbvertraglicher Natur wäre und daher der Form des Erbvertrages bedürfte. Ist demnach Ziffer II der Verfügung vom 8. Juli 1961 nicht erbvertraglicher Natur, sondern stellt sie eine letztwillige Verfügung dar, so durfte die Erblasserin sie jederzeit gemäss
Art. 509 ZGB
durch eine spätere Verfügung aufheben und ersetzen. Damit fällt eine Anfechtung gestützt auf
Art. 494 Abs. 3 ZGB
zum vorneherein ausser Betracht.
b) Selbst wenn man aber der angefochtenen Bestimmung des Erbvertrages vom 8. Juli 1961 mit der Klägerin die vertragliche Natur zubilligen wollte, wäre dieser nicht geholfen, weil die Anfechtung auf jeden Fall verjährt wäre. Der Auffassung der Vorinstanz, der Klägerin stehe gegenüber der Widerklage die unverjährbare Herabsetzungseinrede gemäss
Art. 533 Abs. 3 ZGB
zu, kann nicht gefolgt werden. Der Widerklage kommt nämlich, soweit sie die Feststellung der internen Beteiligung der Parteien an der Liegenschaft ... Nr. 127 zum Gegenstand hat, gar keine selbständige Bedeutung zu. Materiell
BGE 101 II 305 S. 311
stellt sie vielmehr lediglich einen Antrag auf Klageabweisung dar. Mit dem Widerklagebegehren auf richterliche Feststellung der Beteiligungsverhältnisse an der Liegenschaft will die Beklagte nur den bereits bestehenden Zustand sanktionieren lassen. Hiefür hätte es jedoch genügt, wenn sie die Abweisung der Klage beantragt hätte. Mit einem auf Klageabweisung lautenden Urteil wäre das Testament als gültig erklärt und die Klägerin von der Erbschaft ausgeschlossen worden.
Anderseits hätte die Beklagte bereits auf Grund des Testamentes vom 3. Dezember 1965, gegen das innert Monatsfrist keine Einsprache erhoben worden war, gestützt auf
Art. 559 ZGB
die Erbbescheinigung verlangen, den Besitz der Erbschaft antreten und allfällige Grundbucheintragungen erwirken können (
Art. 18 GBV
; TUOR/PICENONI, N. 23 ff. zu
Art. 559 ZGB
;
BGE 98 Ib 92
ff.,
BGE 82 I 188
ff. und
BGE 79 I 260
ff.). Tatsächlich war die Beklagte auch im Besitze der Erbschaft, mit Einschluss des zwei-Drittel-Anteils an der Liegenschaft ... Nr. 127. Die Klägerin hatte in den vergangenen Jahren in sämtlichen Korrespondenzen, Abrechnungen etc. stets anerkannt, dass die Beklagte Alleinerbin und als solche an der fraglichen Liegenschaft zu zwei Dritteln (nämlich dem ihr ursprünglich zustehenden Drittel und dem von der Schwester Mathilde R. geerbten Drittel) beteiligt sei. Die Beklagte war also Besitzerin dieses zwei-Drittel-Anteils. Es ist die Klägerin, die mit ihrer Anfechtungsklage diesen Besitz bestreiten will; die Beklagte kann sich ihr gegenüber auf eine Abwehr beschränken und braucht nicht selbst vorzugehen. Damit besteht aber auch kein Anlass, der Klägerin eine unverjährbare Herabsetzungseinrede zuzugestehen (vgl. dazu TUOR, N. 14 zu
Art. 521 ZGB
, und PICENONI, Die Verjährung der Testamentsungültigkeits- und Herabsetzungsklage, SJZ 63/1967 S. 104/5). Es stellt sich somit lediglich die Frage, ob die Anfechtungsklage verjährt sei, was beide Vorinstanzen mit Recht bejaht haben.
Die in
Art. 494 Abs. 3 ZGB
geregelte Anfechtung eines Testaments, das mit Verpflichtungen des Erblassers aus einem Erbvertrag in Widerspruch steht, wird in Lehre und Rechtsprechung nahezu einhellig als ein der Herabsetzungsklage vergleichbarer Fall betrachtet, auf welchen die Art. 522 bis 533 ZGB analoge Anwendung finden (TUOR, N. 11 und 19, und ESCHER, N. 10 zu
Art. 494 ZGB
mit Hinweisen;
BGE 73 II 10
und
BGE 62 II 133
).
BGE 101 II 305 S. 312
Demgegenüber vertritt RASCHEIN, Die Ungültigkeit der Verfügungen von Todes wegen, Diss. Bern 1954, S. 55, die Ansicht, ein Testament, das mit einer vorher eingegangenen erbvertraglichen Verpflichtung des Erblassers unvereinbar sei, unterliege der Ungültigkeitsklage gemäss Art. 519 bis 521 ZGB. Dieser Auffassung kann jedenfalls insofern nicht gefolgt werden, als der Autor Ungültigkeit des Testamentes im Sinne von
Art. 519 Ziff. 3 ZGB
und damit Rechtswidrigkeit angenommen hat. Eine nach Errichtung eines Erbvertrages getroffene letztwillige Verfügung ist nicht schlechthin ungültig, sondern lediglich so weit anfechtbar, als sie zum Erbvertrag in Widerspruch steht. Sie verstösst somit nicht gegen das Gesetz, sondern gegebenenfalls gegen eine früher eingegangene vertragliche Verpflichtung. Liegt aber keine Rechtswidrigkeit vor, so ist auch die in
Art. 521 Abs. 2 ZGB
vorgesehene Verjährungsfrist von 30 Jahren ausgeschlossen. Die einjährige Verjährungsfrist ist aber sowohl bei Anwendung von Art. 521 Abs. 1 als auch von
Art. 533 Abs. 1 ZGB
im vorliegenden Fall bereits abgelaufen. Nach der erstgenannten Bestimmung begann diese Frist von dem Zeitpunkt an zu laufen, in welchem die Klägerin von der Verfügung und vom Ungültigkeitsgrund Kenntnis erlangte. Das war nach der vom Appellationsgericht übernommenen und damit für das Bundesgericht verbindlichen tatsächlichen Feststellung des Zivilgerichts spätestens im Verlaufe des Monats Juli 1966 der Fall. Gleich verhält es sich aber auch bezüglich der Frist des
Art. 533 Abs. 1 ZGB
. Diese beginnt im Augenblick, da der betroffene Erbe von der Verletzung seiner Rechte Kenntnis erhalten hat. Im vorliegenden Fall war dies ebenfalls im Juli 1966. Die Höhe des Nachlasses spielt in diesem Zusammenhang nur eine Rolle, wenn von ihr die Frage abhängt, ob eine Verletzung des Pflichtteils oder anderer Rechte der Erben vorliegt. Steht aber mit der Kenntnis vom Testament unzweifelhaft fest, dass der Pflichtteil bzw. eine Verpflichtung aus einem früheren Erbvertrag verletzt ist, beginnt die einjährige Verjährungsfrist von diesem Augenblick an zu laufen. Wohl mag die Grösse des Nachlasses für den verletzten Erben insofern von Bedeutung sein, als er sich darüber schlüssig zu werden hat, ob sich die Einreichung einer Anfechtungs- bzw. Herabsetzungsklage lohne oder nicht. Das kann aber für den Beginn der Verjährungsfrist nicht massgebend sein. Damit steht
BGE 101 II 305 S. 313
fest, dass im vorliegenden Fall eine allfällige Anfechtungsklage spätestens am 31. Juli 1967 verjährt wäre.
c) Endlich müsste dem Appellationsgericht aber auch insofern beigepflichtet werden, als dieses die Auffassung vertrat, die Klägerin habe das Testament ausdrücklich anerkannt, auch nachdem ihr der angeblich bestehende Widerspruch zum früheren Erbvertrag bekannt gewesen sei. Dieser Schluss konnte bereits aus der Vereinbarung der Parteien vom 31. Dezember 1969/7. Januar 1970 gezogen werden, in welcher die Klägerin ausdrücklich mit ihrer Unterschrift bestätigte, dass sie an der Liegenschaft ... Nr. 127 zu einem Drittel und die Beklagte zu zwei Dritteln beteiligt sei. Auf die früheren Korrespondenzen hat die Vorinstanz nur im Sinne einer Ergänzung hingewiesen. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob diese Korrespondenzen - wie die Klägerin behauptet - unbeachtlich seien, weil die Vereinbarung vom 31. Dezember 1969/7. Januar 1970 den Satz enthält: "Sämtliche Korrespondenzen, die den Abtausch zum Gegenstand haben, sind somit gegenstandslos." Immerhin wäre dazu zu bemerken, dass die Klägerin nicht nur in Korrespondenzen, die sich auf den im Testament vorgesehenen Austausch bezogen, sondern auch in andern Briefen die Gültigkeit des Testaments ausdrücklich anerkannt hat. Das gilt insbesondere für einen Brief der Klägerin an die Beklagte vom 18. September 1969.
Aus diesen Ausführungen folgt, dass sich die Berufung, soweit sie die Hauptklage betrifft, materiell in dreifacher Hinsicht als offensichtlich unbegründet erweist. | public_law | nan | de | 1,975 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
c77bc652-3b45-4da3-9c37-3d3457115e7d | Urteilskopf
100 Ib 213
34. Auszug aus dem Urteil vom 8. Februar 1974 i.S. Liegenschaftenanlagefonds X gegen Eidg. Bankenkommission | Regeste
Anlagefonds.
1. Die Depotbank darf widerrufene Anteilscheine nur im Einverständnis mit dem Anleger und der Fondsleitung und nach Rückzug des Widerrufs auf eigene Rechnung erwerben, statt sie zulasten des Fonds zurückzunehmen. Nach Rücknahme der Anteilscheine und Auszahlung des Rücknahmepreises kann die Depotbank dem Anleger nicht mehr anbieten, die widerrufenen Anteilscheine auf eigene Rechnung zu erwerben (Erw. 5).
2. Rücknahme von widerrufenen Anteilscheinen durch die Depotbank; Folgen (Erw. 6 und 7). | Sachverhalt
ab Seite 214
BGE 100 Ib 213 S. 214
A.-
Im Jahre 1970 widerrief die Y. AG im Auftrag von Kunden aber in eigenem Namen Kollektivanlageverträge über eine grössere Anzahl von Anteilen am schweizerischen Liegenschaften-Anlagefonds X. Gestützt auf eine Bestimmung des Fondsreglementes schob die Fondsleitung von X. die Rückzahlung der Anteile um 24 Monate auf. Nach Ablauf dieser Frist nahm die Depotbank die Rückzahlung auf eigene Rechnung vor und verkaufte die Anteilscheine ausserbörslich an einen Dritten weiter.
Im Jahre 1971 widerrief Y. Kollektivanlageverträge u.a. über folgende Anteile:
Datum des Widerrufs Anzahl Anteile Bestätigung vom Einreichung der Titel Datum der Abrechnung
15.2.71 1300 17.2.71 1.2.73 22.3.73
7.6.71 200 9.6.71 25.5.73 5.6.73
17.6.71 1100 18.6.71
24.6.71 180 28.6.71 5.6.73 21.6.73
Total 2780
Alle vier Operationen wickelten sich in derselben Weise ab. Über die letzte von ihnen wurde beispielsweise folgender Briefwechsel geführt:
Am 24. Juni 1971 schrieb Y. der Fondsleitung: "Im Auftrag eines Kunden widerrufen wir hiermit den Kollektivanlagevertrag für -180- Anteile X. Nr... und bitten Sie um Rückzahlung dieser Titel zum Rücknahmepreis gemäss Ziffer III 12/13 des Reglementes, bzw. Artikel 21 AFG."
Die Fondsleitung antwortete am 28. Juni 1971: "Wir bestätigen den Eingang Ihres Schreibens vom 24. Juni 1971 betreffend Kündigung von -180- Anteilen X. Nr... Im Sinne unseres Fondsreglements merken wir uns Ihre Kündigung vorläufig auf den 24. Juni 1973 vor. Wir wären Ihnen jedoch dankbar,
BGE 100 Ib 213 S. 215
wenn Sie zum genannten Zeitpunkt wegen der Modalitäten der Rücknahme sich wieder mit uns in Verbindung setzen würden."
Am 5. Juni 1973 reichte Y. die 180 Anteilscheine der Depotbank ein mit dem Vermerk: "-180- Anteile X. gekündet per 24.6.1973 N o... Zum Inkasso. Wir bitten Sie um Überweisung des Gegenwertes auf unser Nationalbank-Girokonto No..."
Am 21. Juni 1973 schliesslich schrieb die Depotbank an Y.: "Die uns mit Ihrem Bordereau vom 5. Juni 1973 eingereichten, gekündigten Anteile rechnen wir wie folgt ab:
180 Anteile X. Schweizerischer Liegenschaften-
Anlagefonds à Fr. 116.70 = Fr. 21 006.--
+ laufender Ertrag 180 x -.40 x = Fr. 360.--
Fr. 21 366.--
abzüglich unsere Kommission von 1/4%
gemäss Fondsreglement
Art. 18 8
c = Fr. 52.50
Den Totalbetrag von Fr. 21 313.50
vergüten wir Ihnen heute..."
Der Betrag von Fr. 116.70 pro Anteil war wie folgt errechnet worden:
"Anteile im Umlauf: 141'106
Inventarwert eines Anteils: Fr. 134.06
exkl. Coupon Nr. 13: Fr. 5.30
exkl. Coupon Nr. 14: Fr. 1.- Fr. 6.30
Fr. 127.76
Anlagekosten (Verkehrswert) Fr. 32 765 000.--
Abzüge: 2% Handänderungskosten und Grundbuchgebühren: Fr. 655'300.--
1/2% Notariatskosten: Fr. 163'825.--
Fr. 819'125.--
BGE 100 Ib 213 S. 216
1/2 hievon zu Lasten des verkaufenden Fonds: Fr. 409'562.50
+ 1% Verkaufskommission der Fondsleitung: Fr. 327'650.--
Fr. 737'212.50
+ 1% Vermittlungsprovision an Dritte: Fr. 327'650.--
Abzüge total: Fr. 1'064,862.50
je Anteil Fr. 7.55
3% Rücknahmekommission: Fr. 3.51
Fr. 11.06
Inventarwert eines Anteils: Fr. 127.76
Abzüge wie oben errechnet: Fr. 11.06
Rücknahmepreis Fr. 116.70
+ Vergütung des laufenden Ertrags: Fr. -.40 pro Monat"
C.-
Am 13. August 1973 schrieb Y. der Eidg. Bankenkommission (EBK), sie habe festgestellt, dass Ende 1972 gleichviel Anteile des Fonds im Umlauf gewesen seien wie Ende 1970 und 1971. Da die angeblich zurückbezahlten Anteile somit offensichtlich nicht an den Fonds zurückgegangen seien, hätten vom Inventarwert nicht Handänderungskosten, Grundbuchgebühren, Notariatskosten und Kommissionen abgezogen werden dürfen.
Auf Anfrage der EBK hin erklärte die Depotbank, sie habe Y. die 2780 Anteilscheine ausserbörslich zu eigenen Lasten abgenommen und in ihrem Wertschriftenportefeuille behalten; die Anteilscheine dem Fonds abzurechnen, würde zu einer Schrumpfung des Fonds führen und damit der Gesamtheit der Anteilscheininhaber schaden. Es sei nie verheimlicht
BGE 100 Ib 213 S. 217
worden, dass die erwähnten Anteilscheine nicht zulasten des Fonds verbucht worden seien.
Die Fondsleitung machte ihrerseits geltend, die Depotbank habe den Rücknahmepreis der Anteile frei festlegen können, da die Anteile ja nicht in den Fonds zurückgenommen, sondern im ausserbörslichen Handel weitervermittelt worden seien.
D.-
Die EBK verfügte am 16. Oktober 1973:
"1. X. und dessen Depotbank werden verpflichtet, Anteilscheine über widerrufene Kollektivanlageverträge zulasten des Fondsvermögens auszuzahlen und in die Anteilscheinkontrolle als Rücknahme einzutragen.
2. Die Depotbank wird verpflichtet, die 1973 zurückgenommenen Anteilscheine über 2780 Anteile in die Anteilscheinkontrolle als "Rücknahmen" einzutragen und die Anteilscheine entweder zu vernichten oder nur als Neuausgaben gegen Einzahlung des Ausgabepreises in das Fondsvermögen zu verwenden. Die Bank ist berechtigt, die ausbezahlten Rücknahmepreise dem Fondsvermögen, Wert der seinerzeitigen Auszahlung, zu entnehmen.
3. X. und dessen Depotbank werden verpflichtet, bis auf weiteres jedes Jahr der Revisionsstelle alle Korrespondenzen und Belege betreffend widerrufene Kollektivanlageverträge vorzulegen, auch wenn der Widerruf mit Zustimmung der Fondsleitung zurückgezogen wurde.
4. Für den Fall, dass dieser Verfügung nicht Folge geleistet werden sollte, wird Busse nach
Art. 50 AFG
angedroht."
E.-
Am 8. November 1973 teilte Y. der EBK mit, nachdem die Depotbank ihr die Gründe dargelegt habe, aus denen sie die gekündigten Anteile selbst übernommen habe, und insbesondere erklärt habe, keine Privatperson habe hieraus Nutzen gezogen, sei sie "in friedlicher Absicht bereit", sich mit dem Vorgehen der Depotbank abzufinden. Die EBK schrieb darauf am 9. November 1973 der Depotbank, die Stellungnahme von Y. ändere die Rechtslage nicht. Die Verfügung vom 16. Oktober 1973 sei unverzüglich zu erfüllen.
F.-
Mit der vorliegenden Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die Fondsleitung Aufhebung der Verfügung der EBK.
G.-
Die EBK beantragt Abweisung der Beschwerde.
H.-
Der Präsident der verwaltungsrechtlichen Kammer hat der Beschwerde am 30. November 1973 aufschiebende Wirkung zuerkannt, die Depotbank aber gleichzeitig verpflichtet, während der Dauer des Beschwerdeverfahrens die umstrittenen 2780 Anteile nicht auf Dritte zu übertragen.
BGE 100 Ib 213 S. 218
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
5.
Das Gesetz verbietet weder der Fondsleitung noch der Depotbank, Anteilscheine des eigenen Anlagefonds zu halten.
Art. 14 AFG
, der gemäss
Art. 18 Abs. 4 AFG
sinngemäss auch auf die Depotbank Anwendung findet, verbietet der Fondsleitung lediglich, im Zusammenhang mit dem Erwerb und der Veräusserung von Sachen und Rechten für den Anlagefonds für sich oder für Dritte über die reglementarischen Provisionen hinaus Vermögensvorteile irgendwelcher Art zu beanspruchen oder entgegenzunehmen und vom Anlagefonds Anlagen auf eigene Rechnung zu übernehmen sowie ihm Anlagen aus eigenen Beständen abzutreten, ausgenommen Wertpapiere zum geltenden Börsenpreis. Diese Bestimmung ist zwingend (
Art. 8 Abs. 4 AFG
); sie ist aber zugleich auch abschliessend. Abs. 1 von
Art. 14 AFG
weist die Fondsleitung zwar an, in der Geschäftsführung für den Anlagefonds ausschliesslich die Interessen der Anleger zu wahren. Diese allgemeine Verpflichtung steht aber grundsätzlich dem Kauf von Anteilscheinen des eigenen Fonds durch Fondsleitung und Depotbank nicht entgegen. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Depotbank eine gewöhnliche Bank ist (
Art. 5 Abs. 3 AFG
), Kauf und Verkauf von Wertpapieren für eigene Rechnung oder Rechnung von Kunden demnach zu ihren üblichen Geschäften zählen. In der Lehre wird ihr denn auch das Recht zugestanden, Anteilscheine des eigenen Fonds zu erwerben (RAYMOND JEANPRÊTRE, Le contrat de placement collectif dans le système du droit des obligations, Festgabe für Wilhelm Schönenberger, Freiburg 1968, S. 287 ff., 291; GUNTER MÜLLER, Die Rechtstellung der Depotbank im Investmentgeschäft, Diss. Genf 1969, S. 100; vgl. auch ALAIN HIRSCH, Note zu
BGE 95 I 481
ff., Journal des Tribunaux 1970 I. S. 253 unten).
Nun entspricht es allerdings dem ordentlichen Lauf der Dinge, dass die Anteilscheine eines Anlegers, der sein Widerrufsrecht ausgeübt hat, zulasten des Fonds zurückbezahlt werden. Hierin liegt im Grunde der Sinn des Widerrufs. Wesentlich ist dabei für den Anleger, dass er seinen Anteil am Fonds innert der gesetzlichen und reglementarischen Fristen (
Art. 21 Abs. 2, 36 AFG
) in bar ausbezahlt erhält, und dass der Rücknahmepreis so berechnet wird, wie es das Gesetz vorschreibt
BGE 100 Ib 213 S. 219
(
Art. 21 Abs. 3 AFG
,
Art. 11 AFV
). Würden die Anteilscheine des Anlegers statt zulasten des Fonds zurückgenommen von Fondsleitung oder Depotbank auf eigene Rechnung erworben, so müsste sich der Anleger keinen Abzug von Kosten und Kommissionen für den Verkauf von Anlagen des Fonds (
Art. 11 AFV
) gefallen lassen, würden doch in diesem Falle für die Auszahlung an ihn gar keine Anlagen des Fonds verkauft; ausserdem könnte ihm dann auch die Frist von
Art. 36 Abs. 2 AFG
nicht entgegengehalten werden. Dies heisst aber, dass die Anteilscheine eines Anlegers, der von seinem Widerrufsrecht Gebrauch gemacht hat, nicht ohne sein Wissen statt zulasten des Fonds zurückgenommen, von Fondsleitung oder Depotbank auf eigene Rechnung erworben werden dürfen. Nichts hindert hingegen insbesondere die Depotbank, dem Anleger auf den Widerruf des Kollektivanlagevertrags hin ausdrücklich zu offerieren, ihm die Anteilscheine abzukaufen, hat das Widerrufsrecht doch im wesentlichen nur zum Zweck, dem Anleger zu ermöglichen, seinen Anteil am Anlagefonds auch zu realisieren, wenn er für seine Anteilscheine keine Abnehmer findet (
BGE 96 I 183
). Ein solcher Kauf kann unter Umständen den wohlverstandenen Interessen des Fonds besser dienen als die Rücknahme der Anteilscheine zulasten des Fonds. Er setzt allerdings voraus, dass der Anleger den Widerruf des Kollektivanlagevertrags zurückzieht und die Fondsleitung diesem Rückzug zustimmt. Die Zustimmung der Fondsleitung ist vor allem erforderlich, weil der Kauf der Anteilscheine durch die Depotbank den Interessen des Fonds auch einmal zuwiderlaufen kann, etwa wenn der Fonds über reichliche flüssige Mittel verfügt, die er zur Zeit gerade nirgends günstig anlegen kann.
Bis zu welchem Zeitpunkt die Depotbank dem Anleger anbieten kann, die Anteilscheine auf eigene Rechnung zu erwerben, statt sie zulasten des Fonds zurückzunehmen, braucht hier nicht im einzelnen untersucht zu werden. Ausgeschlossen ist ein solches Angebot aber jedenfalls nach Rückgabe der Anteilscheine und Auszahlung des Rücknahmepreises. Mit der Rückgabe der Anteilscheine und der Auszahlung des Rücknahmepreises fällt der Kollektivanlagevertrag dahin. Ein nachträglicher Rückzug des Widerrufs vermag nicht, ihn wieder aufleben zu lassen. Das Gebot der Rechtssicherheit und das Interesse der übrigen Anleger daran, dass mit der Auszahlung
BGE 100 Ib 213 S. 220
des Rücknahmepreises die zurückgegebenen Anteilscheine endgültig aus dem Verkehr gezogen bleiben, soweit sie nicht neu ausgegeben werden, lassen, wie die EBK in ihrer Vernehmlassung zutreffend festhält, keine andere Lösung zu.
6.
Im vorliegenden Falle hat Y. in ihren Schreiben an die Fondsleitung jeweils ausdrücklich ihr Widerrufsrecht ausgeübt und Rückzahlung der Anteilscheine zum Rücknahmepreis verlangt. Sie hat die Titel weder der Fondsleitung noch der Depotbank zum Kauf angeboten. Die Fondsleitung ihrerseits hat jeweils bestätigt, die "Kündigung" vorgemerkt zu haben. Einen Kauf der Titel durch sie oder die Depotbank hat sie dabei nie vorgeschlagen. Bei der Einreichung der Anteilscheine hat Y. immer vermerkt, es handle sich um gekündigte Titel, die zum Inkasso eingereicht würden. Selbst die Depotbank bezeichnete in ihrer Abrechnung über die Auszahlung die Anteile als "gekündigt". Ausserdem verwies sie zur Begründung einer Kommission von 1/4% auf Art. 18 lit. 8c des Fondsreglements, der sich auf die Auszahlung zurückgenommener Anteilscheine bezieht. Die Auszahlung basierte auf einer detaillierten Berechnung des Rücknahmepreises. Es trifft zwar zu, dass in den Abrechnungen über die Auszahlung vom laufenden Ertrag keine Verrechnungssteuer abgezogen wurde. Damit allein ist aber nicht nachgewiesen, dass in Wirklichkeit gar keine Rücknahme der Anteile zulasten des Fonds, sondern deren Kauf durch die Depotbank auf eigene Rechnung vereinbart war. Die Beschwerdeführerin macht geltend, Y. habe gewusst, dass die Depotbank schon auf die früheren Kündigungen hin die Anteilscheine jeweils auf eigene Rechnung erworben habe. Selbst wenn dies zuträfe, bliebe es dabei, dass in den hier in Frage stehenden Fällen den Anlegern auf Widerruf der Kollektivanlageverträge hin der - allerdings nicht ganz richtig berechnete - Rücknahmepreis entrichtet wurde und sich nicht die geringste Spur einer - auch bloss stillschweigenden - Vereinbarung des ausserbörslichen Erwerbs der Anteilscheine durch die Depotbank finden lässt. Ob die EBK, bzw. deren Sekretär über die früheren gleichartigen Transaktionen orientiert worden ist, und dagegen seinerzeit keine Einwände erhoben hat, ändert an der Rechtslage nichts.
7.
War somit der Widerruf im vorliegenden Falle von einer Rückzahlung der Anteilscheine im Sinne von
Art. 21
BGE 100 Ib 213 S. 221
AFG
gefolgt, so hat die EBK in Ziff. 2 des Dispositivs ihres Entscheides, die sich allerdings nicht an die Beschwerdeführerin richtet, die Depotbank zu Recht verpflichtet, die 1973 zurückgenommenen Anteilscheine über 2780 Anteile als Rücknahmen in die Anteilscheinskontrolle einzutragen und, entsprechend
BGE 95 I 486
/487, die Anteilscheine entweder zu vernichten oder als Neuausgaben gegen Einzahlung des Ausgabepreises in das Fondsvermögen zu verwenden, und dabei die Depotbank für berechtigt erklärt, die ausbezahlten Rücknahmepreise, Wert der seinerzeitigen Auszahlung, dem Fondsvermögen zu entnehmen. Mit dieser Anordnung ist die EBK
Art. 43 Abs. 1 AFG
nachgekommen, der ihr aufträgt, bei Verletzung des Gesetzes oder des Fondsreglementes oder sonstigen Missständen die zur Herstellung des rechtmässigen Zustandes und zur Beseitigung der Missstände notwendigen Verfügungen zu erlassen. Die Herstellung des rechtmässigen Zustandes war noch möglich, soweit die im Jahre 1971 gekündigten, noch im Besitze der Depotbank befindlichen Anteile in Frage standen. Für die früher gekündigten Anteile, die seinerzeit an Dritte weitergingen, hat die EBK, wohl weil die Herstellung des rechtmässigen Zustandes ohnehin unmöglich gewesen wäre, nichts angeordnet.
Auch Ziff. 3 des Dispositivs des angefochtenen Entscheids verletzt kein Bundesrecht. Sie bezweckt lediglich, die Revisionsstelle in die Lage zu setzen, in Zukunft die Behandlung der Rückzahlung von Anteilen zu überwachen. Die Anordung ist als solche denn auch gar nicht angefochten. Ziff. 4 des Dispositivs schliesslich hat ihren Rechtsgrund in
Art. 50 Ziff. 1 Abs. 5 AFG
, wonach mit Busse bis zu Fr. 5000.-- bestraft wird, wer vorsätzlich oder fahrlässig einer von der Aufsichtsbehörde unter Hinweis auf die Strafdrohung dieses Artikels an ihn ergangenen Verfügung nicht Folge leistet.
Die angefochtene Verfügung erweist sich damit als rechtmässig. Hieran würde sich auch nichts ändern, wenn Y. tatsächlich, wie die Beschwerdeführerin gestützt auf deren Schreiben vom 8. November 1973 an die EBK geltend macht, nunmehr ihren Widerruf hinsichtlich der in Frage stehenden Anteile zurückgezogen hätte und damit einverstanden wäre, die Transaktion als ausserbörslichen Verkauf der Anteilscheine an die Depotbank abzuwickeln. Die Rückzahlungen waren am 8. November 1973 schon vollständig geleistet. Anhaltspunkte
BGE 100 Ib 213 S. 222
für eine frühere Sinnesänderung von Y. fehlen. Die Kollektivanlageverträge, die hier in Frage stehen, waren am 8. November 1973 also bereits dahingefallen. Ein allfälliger Rückzug des Widerrufs durch Y. konnte sie nicht mehr aufleben lassen. Ändern würde sich in rechtlicher Hinsicht auch nichts, wenn Y. in Übereinstimmung mit Fondsleitung und Depotbank heute erklären würde, die Rückzahlung der Anteilscheine sei als ausserbörslicher Kauf durch die Depotbank zu betrachten. Eine solche Uminterpretation vermöchte nach Abwicklung der Rückzahlungen für die fraglichen Anteile keine Rechtswirkungen mehr zu entfalten. Die Beschwerde muss deshalb abgewiesen werden. | public_law | nan | de | 1,974 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
c77f4e5e-bcba-4c17-8cda-5aee16cd8f42 | Urteilskopf
90 I 18
3. Urteil vom 22. April 1964 i.S. S. gegen Aargau, Kanton und Obergericht. | Regeste
Staatsrechtliche Beschwerde. Verhältnis zu kantonalen Rechtsmitteln, die nur zu beschränkter Überprüfung eines Entscheids führen (Erw. 1).
Kantonales Steuerrecht. Willkür. Rechtsungleiche Behandlung. Kantonale Vorschrift, wonach Einkommen und Vermögen alle zwei Jahre einzuschätzen sind. Die Vorschrift lässt sich nicht als blosse Ordnungsvorschrift auffassen, sondern ist zwingend (Erw. 2 a). Folgt aus ihr, dass die Einschätzung im Laufe der zwei Jahre vorzunehmen oder doch einzuleiten ist, ansonst das Recht dazu verwirkt ist? (Erw. 2 b). Rechtsungleiche Behandlung? (Erw. 3). | Sachverhalt
ab Seite 18
BGE 90 I 18 S. 18
A.-
Das aargauische Gesetz vom 5. Februar 1945 über die ordentlichen Staats- und Gemeindesteuern (StG) bestimmt
1) im Abschnitt über das "Veranlagungsverfahren" unter dem Randtitel "Veranlagungsperiode" in § 66 Abs. 1:
"Einkommen und Vermögen sollen alle zwei Jahre gleichzeitig für alle Steuerpflichtigen eingeschätzt werden."
2) im Abschnitt über die "Nach- und Strafsteuern" unter dem Randtitel "Verjährung" in § 102 Abs. 1:
BGE 90 I 18 S. 19
"Nach- und Strafsteuerforderungen und Steuerbetrug sowie der Vollzug von Erkenntnissen betreffend Straf- und Nachsteuern verjähren in zehn Jahren."
3) im Abschnitt über den "Steuerbezug" unter dem Randtitel "Verjährung von Steuerforderungen" in § 111:
"Steuerforderungen verjähren in fünf Jahren vom Ende des Jahres an gerechnet, in welchem die Steuer fällig war."
B.-
Der Beschwerdeführer S. in Baden erhielt im Januar 1959 das Steuererklärungsformular für die Staats- und Gemeindesteuern der Veranlagungsperiode 1959/60 (Berechnungsperiode 1957/58) und reichte es dem Gemeindesteueramt Ende Februar 1959 ausgefüllt ein. Schon vorher, in der ersten Hälfte Februar 1959, hatte er eine provisorische Steuerrechnung für 1959 erhalten, die - der Einschätzung für die Veranlagungsperiode 1957/58 entsprechend - auf Fr. ....... lautete. Der Beschwerdeführer bezahlte diesen Betrag im Laufe des Jahres 1959. Für 1960 erhielt er keine provisorische Steuerrechnung.
Am 10. April 1961 teilte ihm das kantonale Steueramt mit, dass es seine Selbsteinschätzung für 1959/60 auf Grund seiner Bücher überprüfen möchte. Der Beschwerdeführer legte die Bücher vor, teilte aber dem Steueramt mit, dass die Frist für die Steuerveranlagung 1959/60 abgelaufen und eine Veranlagung nicht mehr zulässig sei. Nachdem die Steuerkommission Baden den Revisionsbericht am 12. Mai 1961 erhalten hatte, schätzte es den Beschwerdeführer, von einer geringfügigen Erhöhung des Einkommens abgesehen, gemäss seiner Selbsttaxation zu den Staats- und Gemeindesteuern 1959/60 ein und eröffnete ihm dies am 27. Juni 1961.
Gegen diese Veranlagung erhob der Beschwerdeführer nacheinander Einsprache, Rekurs und Beschwerde mit dem Antrag, die Befugnis der Steuerkommission Baden, ihn für 1959/60 zu den Staats- und Gemeindesteuern heranzuziehen, als verwirkt zu erklären und dementsprechend die Veranlagung aufzuheben.
BGE 90 I 18 S. 20
Das Obergericht des Kantons Aargau wies die Beschwerde mit Entscheid vom 20. Dezember 1963 ab. Es nahm an, dass die Veranlagung nicht nur bei den Nach- und Strafsteuern (
§ 102 StG
), sondern auch bei den ordentlichen Steuern einer gesetzlichen Befristung unterworfen sei, das StG aber keine solche festsetze, so dass eine echte Gesetzeslücke vorliege, die der Richter auszufüllen habe. Auf wie viele Jahre der Richter die Frist, innert der die Veranlagung vorzunehmen sei, anzusetzen habe, könne im vorliegenden Falle offen gelassen werden; es genüge zu entscheiden, dass das Recht der Steuerbehörden, den Pflichtigen zu veranlagen, befristet sei und sich diese Frist auf jeden Fall auf mindestens drei Jahre über den Ablauf der Veranlagungsperiode hinaus erstrecke. Diese Frist sei aber im Zeitpunkt der Veranlagung des Beschwerdeführers noch nicht abgelaufen gewesen.
C.-
Mit der staatsrechtlichen Beschwerde stellt S. den Antrag, es sei festzustellen, dass die Befugnis der Steuerkommission Baden, ihn für 1959/60 mit Staats- und Gemeindesteuern zu belegen, verwirkt sei, und es seien dementsprechend die Veranlagung sowie die Entscheide der kantonalen Rekurskommission und des Obergerichtes aufzuheben. Als Beschwerdegrund wird Verletzung von
Art. 4 BV
geltend gemacht.
D.-
Das Obergericht des Kantons Aargau hat, unter Festhalten an den Ausführungen im angefochtenen Entscheid, auf Vernehmlassung verzichtet. Das kantonale Steueramt beantragt Abweisung der Beschwerde.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Die vorliegende Beschwerde richtet sich nicht nur gegen das Urteil des Obergerichts, sondern auch gegen die Veranlagungsverfügung der Steuerkommission Baden und den Entscheid der kantonalen Steuerrekurskommission. Gemäss
Art. 86 Abs. 2 und
Art. 87 OG
ist die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung des
Art. 4 BV
indes erst gegen letztinstanzliche Entscheide zulässig. Das
BGE 90 I 18 S. 21
bedeutet nach ständiger Rechtsprechung, dass sich die Beschwerde nur gegen den Entscheid der letzten Instanz, welcher freie Überprüfung zusteht, richten kann, nicht auch gegen vorausgegangene Entscheide unterer Instanzen (
BGE 88 I 3
Erw. 4 a mit Verweisungen). Nach
§ 89 Abs. 1 StG
ist das Obergericht an die tatsächlichen Feststellungen der Rekurskommission gebunden und kann deren Entscheid lediglich in rechtlicher Beziehung überprüfen. Soweit der Beschwerdeführer willkürliche Rechtsanwendung geltend macht, kann sich die Beschwerde daher nur gegen das Urteil des Obergerichts richten. Soweit er dagegen Willkür bei der Feststellung des Tatbestandes rügt, müsste der Entscheid der Steuerrekurskommission angefochten werden. Diesem Entscheid gegenüber erweist sich die vorliegende Beschwerde indes als unzulässig. Sofern nämlich Willkür bei der Feststellung des Tatbestandes als Rechtsverletzung beim Obergericht gerügt werden kann (wie ZIMMERLIN, N. 1 zu
§ 89 StG
annimmt), ist die staatsrechtliche Beschwerde unzulässig, weil diese Rüge in der Beschwerde an das Obergericht nicht erhoben worden ist; hätte sie dagegen mit dieser Beschwerde nicht erhoben werden können, so ist die staatsrechtliche Beschwerde verspätet, da sie dann sofort an den Entscheid der Steuerrekurskommission hätte angeschlossen werden müssen (vgl.
BGE 81 I 148
,
BGE 84 I 234
Erw. 1,
BGE 87 I 64
). Auf das Begehren, auch die Veranlagungsverfügung der Steuerkommission Baden und den Entscheid der Steuerrekurskommission aufzuheben, kann daher nicht eingetreten werden. Ferner ist das Begehren um Feststellung, dass die Befugnis zur Besteuerung des Beschwerdeführers für 1959./60 verwirkt sei, unzulässig, da staatsrechtliche Beschwerden der vorliegenden Art rein kassatorische Funktion haben (
BGE 87 I 445
Erw. 2 mit Verweisungen,
BGE 89 I 368
Erw. 1).
2.
Im Gegensatz zum WStB, der einerseits das Recht, die Veranlagung einzuleiten, und anderseits den Steuerbezug befristet (Art. 98 und 128), regelt das aarg. StG,
BGE 90 I 18 S. 22
wie die meisten kantonalen Steuergesetze (ZWEIFEL, Zeitablauf als Untergangsgrund für öffentlich-rechtliche Ansprüche S. 102 ff.), nur die Verjährung der durch Veranlagung festgestellten Steuerforderung (sog. Bezugsverjährung) in klarer Weise (§ 111) und enthält keine ausdrückliche Bestimmung über die Befristung der Veranlagung (sog. Feststellungs- oder Veranlagungsverjährung). Die Parteien sind jedoch darüber einig, dass nicht nur, wie das Obergericht aus
§ 102 StG
schliesst, die Veranlagung der Nach- und Strafsteuern befristet ist, sondern dass auch die ordentlichen Steuern der Veranlagungsverjährung unterworfen sind. Streitig ist einzig, wie die Frist zu bemessen sei. Das Obergericht nimmt an, dass das StG in dieser Beziehung eine vom Richter auszufüllende Lücke aufweise, da
§ 66 Abs. 1 StG
nur die Veranlagungsperiode, nicht auch die Veranlagungsverjährung regle und zudem eine blosse Ordnungsvorschrift sei. Der Beschwerdeführer bezeichnet diese Betrachtungsweise als willkürlich und leitet aus
§ 66 Abs. 1 StG
ab, dass die Veranlagungsverjährung am letzten Tage der zweijährigen Veranlagungsperiode eintrete; ferner macht er geltend, dass diese Frist nur durch eine für den Steuerpflichtigen erkennbare Einleitung des Veranlagungsverfahrens gewahrt werden könne, woran es vorliegend gefehlt habe.
a) Die Auffassung des Obergerichts, dass
§ 66 Abs. 1 StG
eine blosse Ordnungsvorschrift sei, ist in der Tat unhaltbar. Wie die Steuerperiode (Zeit, für die eine Steuer erhoben wird), ist auch die häufig mehrere Steuerperioden umfassende Veranlagungsperiode (Zeit, für welche eine Veranlagung gilt und nach welcher eine neue Veranlagung vorzunehmen ist), von Einfluss auf Entstehung und Umfang der Steuerforderung und daher im Steuergesetz zu umschreiben (so für die Steuerperiode BLUMENSTEIN, System des Steuerrechts, 2. Aufl. S. 209).
§ 66 Abs. 1 StG
, der die Veranlagungsperiode festlegt, lässt sich daher nicht als blosse Ordnungsvorschrift auffassen. Es würde dem klaren Sinn des Gesetzes widersprechen
BGE 90 I 18 S. 23
und zu einer rechtsungleichen Behandlung der Pflichtigen führen, wenn die Steuerbehörde nach ihrem Gutdünken allgemein oder in einzelnen Fällen von der zweijährigen Veranlagungsperiode abweichen könnte, soweit es das Gesetz nicht ausdrücklich gestattet.
§ 66 Abs. 1 StG
enthält trotz des Ausdrucks "sollen" eine zwingende Anweisung an die Steuerbehörde. Damit ist aber noch nichts über den Inhalt dieser Anweisung gesagt.
b) Die Vorschrift, wonach Einkommen und Vermögen "alle zwei Jahre gleichzeitig für alle Steuerpflichtigen einzuschätzen" sind, bedeutet zunächst, dass alle zwei Jahre eine Veranlagung vorzunehmen und diese grundsätzlich für zwei Jahre verbindlich ist. Auf Grund des Wortlauts allein mag sich sodann die Auffassung vertreten lassen, dass die Einschätzung im Laufe der zweijährigen Veranlagungsperiode zu erfolgen habe und nachher nicht mehr zulässig sei. Dass dies wirklich der Sinn der Bestimmung sei, wäre indes, da es sich um eine in der Schweiz sonst nicht zu findende, ganz ungewöhnliche Ordnung handeln würde, nur anzunehmen, wenn der Wortlaut eindeutig dafür spräche oder sonst Anhaltspunkte dafür beständen. Das ist jedoch nicht der Fall. Weder der Wortlaut der Bestimmung noch der Zusammenhang, in dem sie steht, deuten darauf hin, dass sie die Veranlagung befristet und den Untergang des Besteuerungsrechts im Falle der Nichteinhaltung der Frist anordnet, zumal ihr auch nicht zu entnehmen ist, welche Veranlagungsakte zur Wahrung der Frist vorgenommen werden müssen. Gegen die Annahme,
§ 66 Abs. 1 StG
regle auch die Veranlagungsverjährung, spricht schliesslich auch die im angefochtenen Entscheid eingehend dargelegte Entstehungsgeschichte des StG, aus der sich ergibt, dass bei der Beratung des StG nie von einer Veranlagungsverjährung die Rede war, sowie daraus, dass bei der Behandlung einer (in der Folge nicht Gesetz gewordenen) Revisionsvorlage in den Jahren 1947/48 davon ausgegangen wurde, dass das StG die Veranlagungsverjährung nicht regle. Der
BGE 90 I 18 S. 24
Beschwerdeführer bezeichnet diese Heranziehung von Gesetzesmaterialien als "fragwürdig", behauptet aber nicht und tut noch weniger dar, dass sie willkürlich sei. Nach seiner Auffassung ist die Betrachtungsweise des Obergerichts vor allem deshalb willkürlich, weil aus der Periodizität der Steuer, wie sie
§ 66 Abs. 1 StG
vorschreibt, zwingend folge, dass die Verwirkung der Veranlagung am letzten Tage der Veranlagungsperiode eintrete, sofern das StG nicht ausdrücklich eine längere Frist vorsehe. Diese aus der Periodizität gezogene Folgerung, die in der Schweiz hauptsächlich von BLUMENSTEIN (Schweiz. Steuerrecht S. 304/5, System S. 220) vertreten wurde, ist jedoch, wie das Bundesgericht schon in
BGE 50 I 146
ausgeführt hat, nicht ein derart feststehender Grundsatz, dass seine Nichtbeachtung durch Gesetzgebung oder Praxis der Kantone als Verstoss gegen
Art. 4 BV
erscheinen würde. Die Periodizitätslehre ist denn auch in den Kantonen mehrheitlich abgelehnt worden (ZWEIFEL a.a.O. S. 102 ff. und dort angeführte kantonale Vorschriften und Entscheide), während Art. 98 WStB ausdrücklich bestimmt, dass das Recht, die Veranlagung einzuleiten, erst drei Jahre nach Ablauf der Veranlagungsperiode erlischt. Unter diesen Umständen genügt es nicht, zur Begründung der Rüge der Willkür einfach auf die "von Blumenstein und andern" vertretene Periodizitätslehre zu verweisen; vielmehr hätte die Beschwerde dartun müssen, inwiefern die von dieser Lehre abweichende Betrachtungsweise des Obergerichts sich mit keinen vernünftigen Gründen vertreten lasse und schlechthin unhaltbar sei.
Davon abgesehen erscheint das Recht, den Beschwerdeführer für 1959/60 zu besteuern, selbst dann nicht als verwirkt, wenn man sich der Auffassung von BLUMENSTEIN anschliesst. Dieser leitet aus der Periodizität der Steuer keineswegs ab, dass die zur Feststellung der Steuer erforderliche Veranlagung noch während der Steuerperiode, in die der betreffende Steueranspruch gehört, erfolgen müsse, sondern verlangt lediglich, dass ein wesentlicher Teil der Veranlagung in dieser Periode vorgenommen werde. Das
BGE 90 I 18 S. 25
wird denn auch in der Beschwerde ausdrücklich anerkannt. Dann kann aber vorliegend von Verwirkung der Veranlagung nicht die Rede sein. Ob schon die im Januar 1959 erfolgte Zustellung des Selbsttaxationsformulars für 1959/60 an den Beschwerdeführer als wesentlicher Teil der Veranlagung gelten kann, der dem Eintritt der Verwirkung der Steueransprüche für 1959/60 entgegensteht, mag dahingestellt bleiben. Denn diese Wirkung kommt auf alle Fälle der Ende Februar 1959 erfolgten Einreichung der Steuererklärung durch den Beschwerdeführer zu, da in der vorbehaltlosen Steuererklärung für eine Steuerperiode und für bestimmte Steuerobjekte die Anerkennung des Steueranspruchs liegt (BLUMENSTEIN, MBVR 1917 S. 297 und Schweiz. Steuerrecht S. 305). Der Beschwerdeführer hat zudem schon anfangs Februar 1959 eine provisorische Steuerrechnung für 1959 erhalten und sie im Laufe des Jahres 1959 vorbehaltlos bezahlt, womit der Steueranspruch für dieses Jahr von der Steuerbehörde in einer für den Beschwerdeführer erkennbaren Weise geltend gemacht bzw. von ihm anerkannt worden ist (vgl. das nicht veröffentl. Urteil des Bundesgerichts vom 13. Mai 1959 i.S. Compagnie du Chemin de Fer électrique de Loècheles-Bains c. Wallis, wo auf S. 9 ausgeführt ist, dass sehr wohl angenommen werden könne, die provisorische Veranlagung stehe dem Eintritt der Veranlagungsverjährung entgegen). In
BGE 34 I 26
Erw. 2 und
BGE 50 I 362
ff. hat das Bundesgericht nachträgliche Veranlagungen zu periodischen Steuern als unzulässig erklärt, weil die Steuerbehörde es trotz Kenntnis der Verhältnisse unterlassen hatte, das Veranlagungsverfahren im Steuerjahr selber durch Zustellung eines Selbsttaxationsformulars oder sonstige Veranlagungsakte einzuleiten, womit sie auf einen allfälligen Steueranspruch stillschweigend verzichtet (
BGE 34 I 28
), den Beschwerdeführer als nicht steuerpflichtig behandelt habe (
BGE 50 I 367
). Von einem solchen als Verzicht zu betrachtenden Verhalten der Steuerbehörde kann hier nicht die Rede sein.
Ebensowenig kann der Steuerbehörde vorgeworfen werden,
BGE 90 I 18 S. 26
mit der endgültigen Veranlagung ungebührlich lange zugewartet zu haben, da diese am 27. Juni 1961, also nur rund 6 Monate nach Ablauf der Veranlagungsperiode erfolgte, die Verzögerung nach den Feststellungen im Einsprache- und im Rekursentscheid auf Arbeitsüberlastung und Personalmangel bei der Steuerbehörde zurückzuführen ist und hierin, wie schon in
BGE 50 I 147
angenommen wurde, ein triftiger Grund für eine etwas verspätete Veranlagung liegt. Der Einwand des Beschwerdeführers, das Obergericht habe willkürlich nicht geprüft, ob dieser triftige Grund wirklich vorgelegen habe, kann nach dem in Erw. 1 Gesagten nicht gehört werden, da der Beschwerdeführer jene (nach
§ 89 Abs. 1 StG
für das Obergericht verbindliche) Feststellung in der Beschwerde an das Obergericht nicht als willkürlich angefochten hat und auf die staatsrechtliche Beschwerde insoweit, als sie sich gegen die Entscheide der untern Instanzen richtet, nicht eingetreten werden kann.
3.
Der Beschwerdeführer beanstandet schliesslich als Willkür und rechtsungleiche Behandlung, dass das Obergericht in einem Entscheid vom 18. März 1960 (AGVE 1960 S. 77 ff.) sich der Periodizitätslehre angeschlossen und festgestellt habe, dass eine Zwischentaxation mit rückwirkender Kraft nach Ablauf der Veranlagungsperiode nicht mehr getroffen werden könne, während es im vorliegenden Falle diese Auffassung einfach negiere. Auch diese Rüge ist unbegründet, da jenem Entscheid ein anderer Tatbestand zugrunde lag. Dort war bereits eine rechtskräftige Veranlagung erfolgt und wurde der Pflichtige nach Ablauf der Veranlagungsperiode nachträglich einer Zwischentaxation unterworfen, worauf das Obergericht erklärte, dass beim Vorliegen einer rechtskräftigen Veranlagung für die abgelaufene Veranlagungsperiode weder eine besondere Veranlagung nach § 66 Abs. 3 noch eine Zwischentaxation nach
§ 66 Abs. 6 StG
durchgeführt werden könne. Im vorliegenden Falle handelt es sich jedoch nicht um Taxationen im Sinne von
§ 66 Abs. 3
BGE 90 I 18 S. 27
oder 6 StG
nach vorausgegangener definitiver Einschätzung, sondern um die erstmalige definitive Einschätzung. Die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse sind somit in den beiden Fällen verschieden, so dass von einer rechtsungleichen Behandlung nicht gesprochen werden kann.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. | public_law | nan | de | 1,964 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
c782dabe-aa89-4b86-816b-b3f9a87f6088 | Urteilskopf
121 II 369
53. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit public du 20 décembre 1995 dans la cause C. contre Tribunal administratif du canton de Genève (recours de droit administratif) | Regeste
Art. 12 Abs. 2 OHG
.
Voraussetzungen für die Ausrichtung einer Genugtuung an das Opfer einer Straftat (E. 2 u. 3).
Die Lebensführung des Opfers kann im vorliegenden Fall als Mitverschulden eine Reduktion, jedoch nicht den Wegfall der Entschädigung rechtfertigen (E. 4).
Eine vom Opfer begangene rechtswidrige Handlung als Akt der Selbstjustiz könnte ebenfalls zu einer Herabsetzung der Entschädigung führen; die Voraussetzungen dafür sind jedoch im vorliegenden Fall nicht erfüllt (E. 5).
Bemessung des immateriellen Schadens aufgrund des Verlusts eines Auges (E. 6). | Sachverhalt
ab Seite 370
BGE 121 II 369 S. 370
C., né le 12 mai 1966, sans profession, domicilié à Genève, a exercé une activité rémunératrice de façon irrégulière; il est toxicomane et séropositif (selon un rapport médical établi en novembre 1993, l'affection était considérée comme un "sida au stade IV C2"), et souffre d'éthylisme. Il a été poursuivi et condamné à de nombreuses reprises, spécialement pour des infractions à la loi fédérale sur les stupéfiants et pour des infractions contre le patrimoine.
Le 6 avril 1993, à la recherche de sa dose quotidienne d'héroïne à la Place du Molard à Genève, il rencontra S., qu'il connaissait pour lui avoir acheté de la drogue quelques jours auparavant. Il se rendit en sa compagnie dans un endroit retiré pour procéder à la transaction. S. le saisit par surprise, le traîna au sol et lui asséna plusieurs coups de genou au visage, en exigeant qu'il lui remît son argent; C. dut s'exécuter. Malgré les soins qui lui furent prodigués, il perdit définitivement la vue de l'oeil droit.
Le 16 juin 1994, la Cour d'assises de la République et canton de Genève a condamné S. à trois ans de prison, pour brigandage. Il résulte du jugement que les causes du conflit entre l'agresseur et la victime n'ont pas pu être élucidées. Après l'agression du 6 avril 1993, la situation personnelle de C. s'est encore dégradée. En raison de son mauvais état général, il a reçu une rente AI de 100%. Il a continué à consommer des stupéfiants. Il a été condamné à quatre reprises pour des cambriolages et tentatives de cambriolages. En 1993, une expédition punitive (mise à sac de l'appartement de S.) a été décidée par son frère M. C. n'y a pas participé activement; une plainte pénale dirigée contre lui a été classée par le Ministère public.
En raison de l'insolvabilité de S., C. a requis, le 13 septembre 1993, l'octroi de prestations fondées sur la loi fédérale sur l'aide aux victimes d'infractions, du 4 octobre 1991 (LAVI).
Par décision du 25 avril 1994, l'Instance cantonale d'indemnisation prévue par la LAVI a refusé l'octroi de toute prestation. Il n'y avait pas lieu de réparer un dommage matériel consistant dans une perte de gain, C. ne travaillant plus depuis cinq ans. Les circonstances ne justifiaient pas non
BGE 121 II 369 S. 371
plus l'octroi d'une réparation morale, compte tenu du milieu dans lequel C. n'avait cessé d'évoluer avant et après l'agression, et notamment du trafic illicite auquel il s'adonnait au moment de l'agression.
Par arrêt du 23 mai 1995, le Tribunal administratif du canton de Genève a rejeté un recours de C. Faute de perte de gain et d'atteinte à l'avenir économique, il a nié l'existence d'un droit à la réparation d'un préjudice matériel (
art. 12 al. 1 LAVI
). Une demande de réparation morale, de 30'000 fr. au moins, a également été rejetée au motif que l'atteinte à la santé avait été subie à l'occasion d'une activité illicite, impliquant une acceptation du risque, liée aux personnes qui s'y adonnent ("en évoluant dans le milieu des toxicomanes et des vendeurs de drogue depuis 1989, le recourant a pris le risque délibéré de s'exposer à la violence qui règne dans cette frange de la population"). En outre, C. s'était lui-même procuré une certaine satisfaction morale en ne s'opposant pas au projet de son frère de mettre à sac l'appartement de S.; cet acte de justice propre n'était pas conciliable avec la prise en considération par la société de la situation de la victime, d'autant qu'une condamnation importante avait été prononcée contre l'agresseur. En fin de compte, le rejet de la prétention est motivé par "le peu de respect des règles de la vie en société dont fait preuve le recourant" qui a persévéré dans la délinquance après l'agression dont il a été la victime.
C. interjette un recours de droit administratif contre cet arrêt. Il conclut à sa réforme; renonçant à demander une indemnité pour son dommage matériel, il persiste à requérir au moins 30'000 fr. à titre de réparation morale.
Le Tribunal fédéral a partiellement admis le recours.
Erwägungen
Extrait des considérants:
1.
Interjeté à temps et dans les formes contre un arrêt cantonal de dernière instance rendu en application du droit public fédéral - sans que la cause relève d'une des exceptions prévues par la loi -, le recours de droit administratif est recevable (
ATF 121 II 116
consid. 1).
Le Tribunal fédéral est en principe lié par les faits tels qu'ils ont été constatés par la cour cantonale, autorité judiciaire (
art. 105 al. 2 OJ
). Il examine librement l'application du droit fédéral, alors qu'il respecte le pouvoir d'appréciation des autorités cantonales, dont il ne sanctionne que l'abus ou l'excès (
art. 104 let. a OJ
).
BGE 121 II 369 S. 372
2.
Selon l'
art. 64ter Cst.
, la Confédération et les cantons veillent à ce que les victimes d'infractions contre la vie et l'intégrité corporelle bénéficient d'une aide comprenant une indemnisation équitable lorsqu'en raison de l'infraction, ces victimes connaissent des difficultés matérielles. Entrée en vigueur le 1er janvier 1993, la LAVI répond à ce mandat constitutionnel en prévoyant une aide aux victimes sous trois aspects: les conseils et assistance (section 2), la protection et la sauvegarde des droits dans la procédure pénale (section 3) et l'indemnisation et la réparation morale (section 4). En même temps que la loi, le Conseil fédéral a proposé la ratification de la Convention européenne relative au dédommagement des victimes d'infractions violentes, du 24 novembre 1983 (ci-après: la Convention; cf. FF 1990 II 911). Entrée en vigueur le 1er janvier 1993 (RS 0.312.5), celle-ci impose aux Etats signataires, en son art. 4, un dédommagement de la victime couvrant au moins la perte de revenu, les frais médicaux ou d'hospitalisation, les frais funéraires et, en ce qui concerne les personnes à charge, la perte d'aliments.
Selon l'
art. 12 al. 2 LAVI
, une somme peut être versée à la victime d'une infraction à titre de réparation morale, indépendamment de son revenu, lorsque celle-ci a subi une atteinte grave et que des circonstances particulières le justifient. En prévoyant une telle indemnisation, le législateur est - comme il le pouvait - allé plus loin que ce qu'imposaient la Constitution et la Convention, puisque ces textes ne prévoient pas la réparation du tort moral subi par la victime.
3.
a) Ayant subi une atteinte à son intégrité corporelle par la perte définitive de la vue de l'oeil droit, ensuite d'un acte de brigandage commis contre sa personne après l'entrée en vigueur de la loi (
art. 12 al. 3 OAVI
), le recourant a la qualité de victime au sens de l'
art. 2 LAVI
(
ATF 120 Ia 157
consid. 2d/aa); il est incontesté, à juste titre, qu'il peut se prévaloir des dispositions de cette loi.
b) L'auteur de la lésion corporelle est apparemment insolvable et il n'a pas fourni de prestations à la victime (
art. 1 OAVI
). Celle-ci peut s'adresser à l'organisme cantonal au lieu du délit (
art. 11 al. 1 LAVI
) en vue d'obtenir les prestations prévues à l'
art. 12 LAVI
. Si une réparation morale est allouée de ce chef - le cas échéant après déduction des sommes déjà reçues à ce titre,
art. 14 al. 1 3
ème phrase LAVI -, le canton est subrogé, à concurrence, dans les prétentions que la victime peut faire valoir en raison de l'infraction (
art. 14 al. 2 LAVI
).
BGE 121 II 369 S. 373
c) L'
art. 12 al. 2 LAVI
fixe les conditions à l'octroi d'une réparation morale. Se référant à des notions juridiques indéterminées, la prétention dépend dans une large mesure - quant à son principe et son étendue - du pouvoir d'appréciation de l'autorité; telle est la signification de l'expression potestative utilisée par la loi. Lorsque ces conditions sont remplies, le paiement de la somme d'argent à titre de réparation morale ne représente pas une libéralité de l'Etat, mais il correspond à un véritable droit du créancier que celui-ci peut exercer en justice.
aa) La définition de l'
art. 12 al. 2 LAVI
correspond dans une large mesure aux critères prévus aux
art. 47 et 49 CO
qui précisent à quelles conditions l'auteur d'un acte illicite est tenu de s'acquitter d'une réparation morale en faveur de la victime. Cela correspond aussi à l'un des buts de la loi, qui est d'accorder une réparation efficace lorsque l'auteur de l'infraction n'y pourvoit pas (cf.
art. 1 LAVI
). Aussi convient-il de s'inspirer, par analogie, de la jurisprudence civile relative aux
art. 47 et 49 CO
pour déterminer les conditions à l'octroi d'une réparation morale.
Cependant, le débiteur d'une telle réparation et la cause juridique de la dette, de même que sa nature juridique, ne sont pas les mêmes dans les deux cas, ce qui peut conduire à des différences dans le système de la réparation. Il se pose en particulier la question de savoir quelles exceptions (au sens large) l'Etat, recherché en application de l'
art. 12 al. 2 LAVI
, peut opposer à la victime: les exceptions appartenant à l'auteur de l'infraction ou celles propres au canton recherché? Les motifs de suppression ou de réduction pouvant être les mêmes pour l'indemnisation et la réparation morale (cf.
ATF 116 II 733
consid. 4), il apparaît indiqué d'appliquer les mêmes principes s'agissant de la suppression et de la réduction des prestations allouées en application de l'
art. 12 LAVI
. Or, s'agissant de la réparation du dommage, l'
art. 13 al. 2 LAVI
dispose que le montant de l'indemnité peut être réduit lorsque, par un comportement fautif, la victime a contribué dans une mesure importante à créer ou à aggraver le dommage. Cette dernière disposition est l'expression d'un principe général, mais recourt toutefois à une formule moins large que l'énumération des facteurs de réduction figurant à l'
art. 44 al. 1 CO
(FF 1990 II 939-940); elle permet en tout cas à l'autorité cantonale d'opposer à la victime l'exception de faute concurrente, même si cette exception n'est pas opposable par l'auteur de l'infraction; c'est tout particulièrement le cas lorsque le risque réside dans la (mauvaise) fréquentation de l'auteur par la victime. La Convention procède d'une
BGE 121 II 369 S. 374
conception identique, puisque son art. 8 permet la réduction ou la suppression du dédommagement - matériel - en raison du comportement de la victime avant, pendant ou après l'infraction, ou en relation avec le dommage (al. 1), lorsque celle-ci est impliquée dans la criminalité organisée ou appartient à une organisation qui se livre à des infractions de violence (al. 2), ou lorsque la réparation serait contraire au sens de la justice ou à l'ordre public (al. 3). Selon le rapport explicatif sur la Convention (Conseil de l'Europe, Strasbourg 1984), ces dispositions visent notamment les comportements provocateurs ou agressifs de la victime ou ceux par lesquels celle-ci contribue à l'escalade de la violence en commettant à son tour des infractions; par ailleurs, la victime qui appartient au monde du crime organisé (par exemple au trafic de stupéfiants) ou à des organisations se livrant à des actes de violence (organisations terroristes) s'aliène la sympathie et se prive de la solidarité de la société, et peut ainsi se voir refuser l'indemnisation en tout ou partie. Une telle solution répond aussi aux considérations d'équité qui président à l'application de l'
art. 12 al. 2 LAVI
, lequel fait appel au pouvoir d'appréciation de l'autorité et se réfère aux circonstances particulières qui justifient une telle mesure d'indemnisation.
bb) L'octroi d'une réparation morale ensuite de lésions corporelles exige que ces dernières aient une certaine importance. Tel est le cas des atteintes provoquant la perte définitive de la fonction d'un organe, tel qu'un oeil (
ATF 110 II 163
consid. 2c et les arrêts cités). Cela n'est point contesté par les parties, à juste titre.
En revanche, il y a désaccord quant à savoir si l'ensemble des circonstances particulières justifie en l'espèce l'octroi d'une réparation morale.
4.
a) Pour les motifs indiqués ci-dessus, la participation volontaire à une activité illicite, comportant le risque certain d'actes de violence et de propre justice, est une circonstance que le canton peut en soi opposer au requérant en tant que faute concurrente ou acceptation du risque. Cette situation se présente notamment pour les personnes s'adonnant au commerce et à la consommation de la drogue (cf. P. STEIN, in Gomm/Stein/Zehntner, Kommentar zum Opferhilfegesetz, Berne 1995 p. 201 ad art. 13 n. 33 et 34).
b) Invité à répondre au recours, le DFJP est de l'avis que le mode de vie de la victime et la société marginale dans laquelle elle évolue ne devraient pas être pris en considération, car ils sont étrangers à la souffrance physique et morale éprouvée par elle, qui justifie l'octroi d'une réparation. Cette réflexion ne saurait toutefois libérer la victime
BGE 121 II 369 S. 375
de toute responsabilité pour les parts de risque qui lui incombent; si elle s'adonne à un type d'activité à risque important - notamment à des activités illicites - et que ce risque se réalise, il appartient aussi à la victime d'en supporter les conséquences.
c) En l'occurrence, la cour cantonale n'a certes pas abusé de son pouvoir d'appréciation en considérant que la participation régulière et répétée du recourant à la scène de la drogue, à ses trafics illicites et à des vols était une activité à risques importants, à prendre en compte pour la réparation. Pour la réparation du dommage, l'
art. 13 al. 2 LAVI
, en cas de faute concurrente, ne prévoit qu'une réduction de la réparation, à la condition que la cause concurrente ait "contribué dans une mesure importante" à la survenance ou l'accroissement du dommage. Ce principe doit aussi s'appliquer, par analogie, à la réparation morale (cf. consid. 3c/aa ci-dessus). Selon la jurisprudence relative aux
art. 47 et 44 CO
, la faute concurrente du lésé ne peut être prise en considération comme facteur de suppression de l'indemnité qu'à condition qu'elle soit de nature à interrompre le rapport de causalité (
ATF 116 II 733
consid. 4g et la jurisprudence citée). En dehors de ce cas, l'acceptation tacite par la victime du risque inhérent à l'activité à laquelle elle se livre peut aussi conduire à la suppression de l'indemnité (cf.
ATF 121 IV 249
consid. 4; arrêt du 8 février 1994 dans la cause N., consid. 3b publié in SJ 1994 557;
ATF 117 II 547
consid. 3b). Cette dernière peut enfin se justifier par des considérations d'équité propres au système d'indemnisation de la LAVI.
Or, si en l'occurrence la participation régulière du recourant à la scène de la drogue a pu contribuer dans une mesure importante à la survenance du dommage, elle n'en est certes pas la cause prépondérante, laquelle demeure dans le comportement criminel de S., condamné pour brigandage et dont les coups sont à l'origine de la perte de l'oeil du recourant. Rien ne pouvait donc justifier le refus de toute indemnité: le recourant a été victime d'une agression qu'il n'avait pas provoquée, alors qu'il s'approvisionnait en vue de sa propre consommation de stupéfiants; il n'est pas prétendu, en particulier, qu'il ait appartenu à une organisation se livrant au trafic de stupéfiants ou qu'il ait, d'une manière ou d'une autre, favorisé concrètement l'agression dont il a été la victime. La prise en compte de son mode de vie, à titre de faute concomitante, ne pouvait dès lors intervenir que comme facteur de réduction de l'indemnité, et non comme cause de suppression (cf. aussi FF 1990 II 940).
BGE 121 II 369 S. 376
5.
a) La victime ne saurait non plus exiger du canton une réparation morale qu'elle ne pourrait, pour des motifs qui lui sont propres, demander à l'auteur de l'infraction. Tel serait le cas si la victime avait obtenu de l'auteur un autre mode de réparation, jugé suffisant, ou le lui avait imposé. A cet égard, la cour cantonale pouvait en soi également - en tout cas sous l'angle de l'équité - prendre en compte un acte illicite de justice propre par lequel la victime se serait vengée de l'auteur en lui causant un dommage. En fait, elle met partiellement au compte du recourant un acte de représailles accompli par son frère qui a mis à sac l'appartement de S.
b) Les indications de fait données à ce sujet par le Tribunal administratif permettent cependant difficilement de se rendre compte quelle fut la participation effective du recourant: "il est apparu que l'intéressé n'avait participé que de façon passive à l'expédition punitive (mise à sac de l'appartement) décidée par son frère M. pour venger le recourant de l'agression de S. De ce fait, la procédure dirigée contre C. a été classée par le Procureur général pour prévention insuffisante de complicité et par souci de paix, tandis que son frère M. a fait l'objet d'une ordonnance de condamnation à trente jours d'emprisonnement avec sursis pendant cinq ans"; "en ne s'opposant pas au projet de son frère M. de mettre à sac l'appartement de S. en novembre 1993, le recourant a accepté l'idée d'être en partie vengé par les dégâts causés au patrimoine de son agresseur". Au surplus, on ignore quelle a été la "participation passive" du recourant; ayant bénéficié d'un classement faute de charges, il n'a été considéré ni comme instigateur, ni comme coauteur, ni comme complice ou receleur; il semble seulement établi qu'il a été informé au préalable et qu'il ne s'est pas opposé à l'action punitive, de sorte qu'il paraît difficile de lui imputer une activité illicite à ce sujet. Par ailleurs, on ignore totalement l'importance des dégâts commis, ce qui empêche d'apprécier l'importance du sacrifice imposé sur ce point à l'auteur de l'agression.
Si donc la circonstance invoquée par le Tribunal administratif mériterait en soi d'être prise en considération, il est difficile d'en apprécier l'importance objective et subjective. Sur ce point, le fardeau de la preuve eût incombé à l'autorité intimée.
6.
Il y a lieu de rechercher si, globalement, l'équité exige encore que le recourant obtienne une réparation morale.
a) En soi, une réparation morale serait justifiée par la gravité de l'atteinte et la gravité de l'infraction commise, en l'occurrence un acte de brigandage (
art. 140 CP
); compte tenu de l'importance de l'atteinte, la
BGE 121 II 369 S. 377
condamnation pénale de l'auteur n'apparaît de toute manière pas une réparation suffisante. De même, faute d'éléments suffisants, l'action de représailles ne saurait, comme cela a été relevé ci-dessus, être attribuée au recourant dans une mesure déterminante.
b) Cela étant, le recourant qui a enduré des souffrances physiques et psychiques importantes en raison de la perte de son oeil ne saurait être privé d'une réparation morale partielle. En raison de sa nature, cette dernière ne peut être fixée selon des critères mathématiques, mais seulement estimée en tenant compte de la nature et de la gravité de la lésion, de sa durée, et de son incidence sur la personnalité de la victime (
ATF 117 II 50
consid. 4a, 112 II 133 consid. 3 et les arrêts cités). Selon l'
art. 4 OAVI
, l'indemnité ne peut être d'un montant inférieur à 500 fr. ni supérieur à 100'000 fr. Ces limites ne s'appliquent en principe qu'aux indemnités pour le dommage matériel (
art. 13 al. 3 LAVI
), mais le maximum fixé par le Conseil fédéral doit aussi servir de ligne directrice en ce qui concerne la somme allouée à titre de réparation morale (FF 1990 II 939).
c) Dans une cause jugée en 1978, le Tribunal fédéral avait reconnu une réparation morale de 8'000 fr. à la victime ayant perdu un oeil, tenant compte des fautes respectives (atténuées en raison du jeune âge) de l'auteur de l'atteinte et de la victime (
ATF 104 II 184
consid. 5); la même somme, réduite de moitié en raison d'une faute concurrente, avait été allouée en 1967 (
ATF 102 II 18
consid. 2); en 1984, l'indemnité de tort moral consécutif à la perte de l'ouïe d'un côté a été estimée à 5000 fr. (
ATF 110 II 163
consid. 2c); une cécité de 80% de longue durée avec une invalidité physique à 90% et économique à 100% a conduit, en 1986 à l'allocation d'une indemnité de 50'000 fr. (
ATF 112 II 138
consid. 5b).
Le montant devra tenir compte de l'espérance de vie réduite du recourant, consécutive à l'affection dont il est atteint (cf.
ATF 110 II 163
consid. 2c,
ATF 104 II 184
consid. 5).
Compte tenu des précédents cités - dont il convient d'adapter les montants au renchérissement - d'une part, et des facteurs de réduction évoqués ci-dessus d'autre part, une indemnité fixée à 8000 fr. paraît équitable. | public_law | nan | fr | 1,995 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
c78582ad-35aa-4faa-b419-5fbf3739be99 | Urteilskopf
111 III 56
14. Extrait de l'arrêt de la Chambre des poursuites et des faillites du 26 novembre 1985 dans la cause dame Z. (recours LP) | Regeste
1. Die Verwertung einer gepfändeten Forderung kann auf dem Weg der Zwangsversteigerung durchgeführt werden, falls die Betreibungsgläubiger nicht deren Abtretung an Zahlungsstatt verlangen. Die Modalitäten der Zahlung des Zuschlagspreises werden durch
Art. 129 SchKG
geregelt (Erw. 1).
2. Leistung des Zuschlagspreises durch Verrechnung? (Erw. 2).
3. Nichtigkeit oder blosse Anfechtbarkeit des Zuschlages? (Erw. 3).
4. Der Schuldner der gepfändeten und zugeschlagenen Forderung befreit sich gültig durch Zahlung an den Ersteigerer, der ihm das Protokoll über den Zuschlag vorweist (Erw. 4). | Sachverhalt
ab Seite 57
BGE 111 III 56 S. 57
A.-
Dans le cadre de la série No 2.669.235 que forment les poursuites dirigées contre X. par Y. (No 2.669.235) et dame Z. (No 3.732.368), l'Office des poursuites de Genève a saisi au préjudice du poursuivi, le 2 septembre 1983, en mains de la Société de banque suisse (SBS), un carnet d'épargne nominatif du montant de 4654 francs 55 et un livret au porteur du montant de 62'422 francs 50.
La créance résultant du livret au porteur a été à nouveau saisie, le 2 novembre 1984, dans le cadre des poursuites Nos 3.779.089 et 4.102.609 dirigées par dame Z. contre le même débiteur, formant la série No 3.779.089.
Le 14 décembre 1984, dame Z. a requis la vente de l'objet saisi dans le cadre de la série No 3.779.089. Y. a également requis, le 18 décembre 1984, la réalisation de la créance dans le cadre de la série No 2.669.235.
BGE 111 III 56 S. 58
L'Office des poursuites de Genève a estimé la créance découlant du livret au porteur à 50'000 francs et l'a réalisée le 15 mai 1985. Il résulte du procès-verbal de la vente que la créance a produit 65'000 francs, plus "un versement par UBS" de 10'000 francs, soit en tout 75'000 francs. L'adjudication a été faite à Me L., représentant les intérêts de dame Z., "en compensation de créances".
L'Office des poursuites a établi un état de collocation du produit de la vente. Il résulte de cette pièce, qui n'a pas été communiquée aux parties, que Y. avait droit à 25'332 francs 40 dans le cadre de sa poursuite participant à la première série. De son côté, dame Z. avait droit à 14'543 francs 85 dans la première série, et à 37'177 francs 90 et 8362 francs pour les deux créances faisant l'objet de la seconde série.
Le 8 juillet 1985, l'Office a avisé Me L. qu'à la suite de l'adjudication obtenue pour le prix de 65'000 francs, et sur lequel il avait versé 10'000 francs "sous réserve que cette somme soit suffisante pour solder la poursuite No 2.669.235" (savoir la poursuite de Y.), l'état de collocation faisait apparaître que restait due une somme de 15'826 francs 60 (15'332 francs 40 + 494 francs 20 pour les frais de vente et de collocation). Un délai de 20 jours a été imparti à Me L. pour verser ce montant à l'Office de manière à lui permettre de solder la poursuite de Y.
Le 16 juillet 1985, la SBS a demandé à l'Office si elle pouvait payer à Me L., qui présentait le procès-verbal de vente, le montant du livret au porteur saisi. L'Office répondit par la négative le 23 juillet 1985, précisant que l'adjudication n'était pas définitive. Toutefois, le 22 juillet 1985, la SBS avait versé le montant du livret saisi et adjugé à Me L.
Suite aux contestations formulées par Me L. quant à l'existence de conditions imposées lors de l'adjudication, l'Office des poursuites lui expliqua, par décision du 30 juillet 1985, que dame Z. ne pouvait compenser sa créance contre le poursuivi avec le paiement du prix d'adjudication, dans la mesure où elle était en concours avec la créance de Y. formant la première série, et qu'elle avait "l'obligation de solder les causes de la poursuite de Y.". Constatant que dame Z. refusait de payer la partie du prix d'adjudication qui excède l'acompte versé et qui correspond au solde de la poursuite de Y. pour laquelle la compensation ne peut être invoquée, l'Office a déclaré que l'adjudication était devenue caduque. Il a précisé que cette décision pouvait faire l'objet d'une plainte. Une nouvelle enchère serait fixée lorsque la décision serait définitive, l'acompte versé le 15 mai 1985 demeurant consigné pour une éventuelle prétention contre le fol enchérisseur.
B.-
Par arrêt du 4 septembre 1985, l'Autorité de surveillance des offices de poursuite pour dettes et de faillite du canton de Genève a rejeté la plainte portée par dame Z. contre la décision du 30 juillet 1985.
BGE 111 III 56 S. 59
Erwägungen
Extrait des considérants:
1.
La recourante fait valoir qu'elle a payé comptant le prix d'adjudication du bien saisi, de sorte qu'un délai pour un paiement complémentaire ne lui a pas été imparti à cette occasion et qu'il ne pouvait pas l'être ultérieurement.
a) Dans la mesure où le bien saisi consistait en une créance du poursuivi contre un tiers, on aurait pu envisager que l'Office procédât lui-même à l'encaissement de la créance auprès de la banque puis distribue les espèces obtenues entre les créanciers poursuivants. Un tel procédé eût rendu superflue toute réalisation par vente aux enchères (FRITZSCHE/WALDER, Schuldbetreibung und Konkurs nach schweizerischem Recht, I, n. 22 ad par. 30). Il ressort toutefois du dossier qu'en l'espèce X. avait refusé de remettre le livret saisi à l'Office, de sorte que le tiers débiteur SBS ne voulait pas en verser le montant à l'Office. Dans ces conditions, la réalisation pouvait bien faire l'objet d'une vente forcée au sens de l'
art. 125 LP
(FRITZSCHE/WALDER, loc.cit.).
b) C'est à bon droit que l'Office des poursuites a procédé à la vente de la créance saisie comme de tout autre bien meuble, faute pour les poursuivants d'en avoir demandé la cession en paiement. Les moyens de la recourante pris de l'application de l'
art. 131 LP
et de celle, par analogie, de l'
art. 260 LP
sont dénués de pertinence.
d) Aux termes de l'
art. 129 al. 1 LP
, la vente se fait au comptant. L'
art. 129 al. 2 LP
permet tout au plus au préposé d'accorder à l'adjudicataire un terme de paiement de 20 jours.
En l'espèce, il ne ressort nullement du procès-verbal de vente qu'un terme a été accordé à l'adjudicataire pour s'acquitter du solde du prix de vente. Il en résulte bien au contraire que ce solde est payé par compensation. Dès lors, faute de fixation d'un délai lors de l'adjudication, les conditions d'application de l'
art. 129 al. 3 LP
ne pouvaient être réunies.
L'autorité cantonale constate que le versement de 10'000 francs avait été accepté par l'Office sous réserve que cette somme soit suffisante pour solder la poursuite No 2.669.235 de Y. qui concourait avec dame Z. dans la première série. Le procès-verbal de vente ne fait cependant nullement état d'une telle réserve qui figure pour la première fois dans la lettre de l'Office à l'avocat de la recourante en date du 8 juillet 1985. Cette réserve ne correspond d'ailleurs à rien. La poursuite de Y., selon le procès-verbal de saisie du 2 septembre 1982, se montait en capital à 16'598 francs 45 + 2631 francs + 37 francs + 240 francs, soit
BGE 111 III 56 S. 60
à une somme bien supérieure au montant de 10'000 francs payé par l'adjudicataire. Il n'était dès lors pas question que le chèque remis par Me L. fût suffisant pour solder la poursuite de Y. C'est donc par inadvertance manifeste que l'autorité cantonale a admis qu'une telle réserve avait été faite lors de l'adjudication.
Dans la mesure où l'adjudication de la créance saisie n'a pas été assortie d'une réserve et où un terme de 20 jours au plus n'a pas été imparti pour payer un montant complémentaire, la décision du 30 juillet 1985 constatant la caducité de l'adjudication est dénuée de fondement. On relèvera de surcroît que la première réclamation d'un montant complémentaire n'est intervenue que le 8 juillet 1985, soit bien plus de 20 jours après l'adjudication du 15 mai 1985, alors que le délai que l'Office peut accorder pour acquitter le prix de vente ne peut excéder 20 jours (
art. 129 al. 2 LP
).
2.
Il n'en demeure pas moins que l'adjudication du 15 mai 1985 était vicieuse, dans la mesure où l'Office a admis que le prix de vente soit payé par compensation à concurrence de 55'000 francs. L'adjudicataire ne saurait en effet compenser le prix de l'adjudication avec la créance qu'il détient contre le poursuivi. Le poursuivi n'est pas titulaire de la créance du prix d'adjudication. Celui-ci est dû à l'office qui s'en servira pour prélever les frais de réalisation et de distribution et pour payer les poursuivants saisissants de la série où la réalisation a été requise et faite (
art. 144 al. 3 et 4 LP
). La référence faite par l'autorité cantonale aux
art. 213 et 214 LP
est donc sans pertinence.
Tout au plus peut-on admettre que l'adjudicataire ne verse pas le prix de vente lorsqu'il est le seul créancier poursuivant (ou qu'il bénéficie, vis-à-vis des autres poursuivants, d'un droit préférable au produit de la réalisation selon l'
art. 110 LP
) et que le paiement en mains de l'Office pour s'acquitter du prix de l'adjudication lui donne immédiatement le droit de réclamer le versement de ces espèces en couverture de sa créance, espèces que l'Office doit lui distribuer en application de l'
art. 144 LP
(
ATF 79 III 22
ss). C'est dans cette seule mesure que l'on peut improprement parler d'une compensation. Le créancier enchérisseur doit du reste, même dans une telle situation, verser la somme correspondant aux frais. Ceux-ci sont en effet prélevés par l'Office en vertu de l'
art. 144 al. 3 LP
, et c'est le produit net qui doit être distribué, soit reversé au créancier lorsque celui-ci a seul un droit préférable à la distribution.
BGE 111 III 56 S. 61
En l'espèce, dame Z. n'était pas l'unique créancier du poursuivi. Elle était en concours, dans la première série, avec Y. Le produit de la réalisation de la créance, par 65'000 francs, aurait permis de payer les frais de la vente aux enchères (474 francs 70), la créance en capital, intérêts et frais de Y. (25'332 francs 40), et la créance de dame Z. participant à la première série (14'543 francs 85, intérêts et frais compris). C'est ainsi une somme totale de 40'350 francs 95 qui aurait été absorbée par le paiement des créances de la première série; il restait donc une somme de 24'649 francs 05 pour satisfaire les créanciers de la seconde série, soit les deux poursuites ultérieures de la recourante, et pour payer les frais (69 francs 50). Il résulte du tableau de collocation que les deux dernières poursuites de dame Z. s'élèvent, en capital, intérêts et frais, à 45'539 francs 90. Il s'en fallait donc de 20'960 francs 35 pour les couvrir entièrement au moyen du produit de la réalisation du bien saisi.
A concurrence du montant de sa créance faisant l'objet de la première série (14'543 francs 85), et à concurrence du solde net, après déduction des frais, qui pouvait lui être attribué dans la seconde série, dame Z. pouvait sans doute demander à l'Office de lui distribuer ce qui lui revenait. Dans cette mesure, on aurait pu envisager une "compensation" entre le solde que la recourante devait acquitter sur le prix d'adjudication et ce que l'Office lui devait du chef de la distribution des deniers. Mais l'Office devait en tout cas exiger le paiement immédiat - ou au plus tard à l'expiration d'un délai de 20 jours - de la somme nécessaire à désintéresser le créancier Y. dans la première série, ainsi que les frais de réalisation et de distribution. En l'espèce, à teneur du tableau de distribution, c'est une somme de 25'332 francs 40 pour Y. et de 494 francs 20 pour les frais de l'Office que la recourante aurait dû acquitter en espèces. La réclamation d'un paiement de 10'000 francs était donc insuffisante, et c'est à tort que l'Office a admis que le prix d'adjudication fût payé moyennant ce versement et a accepté la compensation pour le surplus.
3.
Est nulle la décision de l'office qui lèse une réglementation prise dans l'intérêt public ou dans l'intérêt d'un cercle indéterminé de tiers et qui est dès lors contraignante (
ATF 105 III 70
consid. 2). Il en va de même des décisions qui excèdent évidemment la compétence matérielle de l'office (
ATF 97 III 102
et les références). Peut notamment être annulée l'adjudication qui porte sur un objet différent de celui qui a été offert selon les conditions de vente (
ATF 97 III 102
consid. 6). L'office
BGE 111 III 56 S. 62
peut alors constater en tout temps la nullité d'une telle décision (
ATF 97 III 5
consid. 2). On peut dès lors se demander si la décision de l'Office du 30 juillet 1985 peut s'interpréter comme constatant la nullité de l'adjudication.
En l'espèce, l'adjudication rentrait dans les compétences de l'Office, et l'objet adjugé ne diffère pas de celui mis en vente. Le devoir de l'Office de ne donner quittance pour le prix de vente que moyennant un paiement en espèces n'est pas une règle établie dans l'intérêt d'un cercle indéterminé de personnes, mais seulement dans l'intérêt des créanciers poursuivants qui ont droit à la distribution des deniers. Bien qu'entachée d'un vice, l'adjudication à la recourante ne peut donc être qualifiée d'absolument nulle, et l'Office n'était dès lors pas en droit de la déclarer nulle.
4.
C'est à tort que l'autorité cantonale laisse entendre que la SBS, tiers débiteur, ne se serait pas valablement libérée en mains de la recourante, faute d'avoir été avisée par l'Office de l'adjudication. Il est en effet constant que l'Office a remis le procès-verbal d'adjudication à dame Z. Le procès-verbal constitue le titre de l'adjudicataire (GILLIÉRON, Poursuite pour dettes, faillite et concordat, 1985, p. 208 lettre B in fine). Certes, tant que durait la saisie, la tierce débitrice ne pouvait s'acquitter qu'en mains de l'Office. Mais la réalisation de la créance du poursuivi a mis fin à la saisie et l'adjudication a transféré la créance à l'adjudicataire. Celle-ci pouvait dès lors en disposer et la tierce débitrice était en droit de se fier au titre qui lui était présenté. Au demeurant, l'indication par l'Office qu'une erreur (non précisée davantage) affectait le procès-verbal d'enchères remis à l'adjudicataire et que celui-ci devait être rectifié n'est parvenue à la banque que postérieurement au paiement en mains de la nouvelle titulaire de la créance. La créance saisie et adjugée est donc éteinte par le paiement régulier du tiers débiteur. Il ne saurait être question de procéder à nouveau à sa réalisation.
5.
Dans la mesure où le poursuivant Y. n'a pas porté plainte contre l'adjudication, il n'appartient pas aux autorités de surveillance d'examiner quels droits lui confèrent les vices affectant l'adjudication. | null | nan | fr | 1,985 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
c789565b-3644-4c3b-ae10-102eac105ca5 | Urteilskopf
115 II 464
83. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 19. Dezember 1989 i.S. X. Treuhand AG gegen Y. (Berufung) | Regeste
Art. 404 Abs. 1 OR
.
Das jederzeitige Widerrufsrecht im Auftragsverhältnis ist zwingender Natur und darf vertraglich weder wegbedungen noch beschränkt werden; Bestätigung der Rechtsprechung (E. 2). | Sachverhalt
ab Seite 464
BGE 115 II 464 S. 464
A.-
Die X. Treuhand AG und Y. schlossen am 20. August 1984 einen "Beratungsvertrag" ab, worin Y. sich im wesentlichen zur Erstellung von Jahresrechnungen, zu Betriebsanalysen und zur Entwicklung und Einführung neuer Betriebsmodelle verpflichtete. Am 9. November 1984 kündigte die X. Treuhand AG den Vertrag fristlos. Dem widersetzte sich Y., indem er sich auf den Standpunkt stellte, eine Kündigung sei nach dem Vertrag frühestens auf Ende März 1985 möglich. Seine Tätigkeit wurde nach der Kündigungserklärung nicht mehr beansprucht.
B.-
Eine Klage des Y. auf Bezahlung von Fr. 39'808.-- nebst Zins wurde vom Amtsgericht Luzern-Land mit Urteil vom 14. Juli 1987 abgewiesen, auf Appellation des Klägers aber am 19. Dezember 1985 von der I. Kammer des Obergerichts des Kantons Luzern im Umfang von Fr. 34'681.60 nebst Zins gutgeheissen.
C.-
Das Bundesgericht heisst die von der Beklagten eingereichte Berufung teilweise gut und weist die Streitsache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurück.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
Die Beklagte macht in der Berufung geltend, sie sei nach
Art. 107 Abs. 2 OR
, d.h. aus Verzugsrecht, vom Beratervertrag zurückgetreten. Den Feststellungen des Obergerichts im angefochtenen Urteil ist nicht zu entnehmen, dass sie entsprechende Vorbringen bereits im kantonalen Verfahren angebracht hätte.
BGE 115 II 464 S. 465
Insbesondere reicht die Feststellung, die Beklagte habe aus wichtigen Gründen die Kündigung des Vertrages mit sofortiger Wirkung beansprucht, für die Annahme der Ausübung eines Gestaltungsrechts nach
Art. 107 OR
nicht aus. Die Beklagte beruft sich auch nicht auf ein offensichtliches Versehen der Vorinstanz (
Art. 63 Abs. 2 OG
) oder darauf, dass im kantonalen Verfahren vorgebrachte Behauptungen unberücksichtigt geblieben, die vorinstanzlichen Feststellungen mithin zu ergänzen seien (
Art. 64 OG
;
BGE 111 II 473
E. 1c mit Hinweisen). Das eine oder das andere aber wäre erforderlich, sollen die Vorbringen der Beklagten nicht als neu und damit als unzulässig gelten (
Art. 55 Abs. 1 lit. c OG
). Darüber hilft auch der Grundsatz der Rechtsanwendung von Amtes wegen nicht hinweg. Dieser entbindet die Parteien nicht von ihrer Behauptungslast. Unter der Herrschaft der Dispositions- und der Verhandlungsmaxime ist es vielmehr deren Sache, die geltend gemachten Ansprüche zu benennen sowie den Sachverhalt darzulegen und zu beweisen; dem Richter obliegt einzig, die zutreffenden Rechtssätze auf den behaupteten und festgestellten Sachverhalt zur Anwendung zu bringen (GULDENER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. Aufl. 1979, S. 156). Ein Rechtssatz kann daher nicht von Amtes wegen angewendet werden, wenn sein Tatbestand nicht einmal behauptet, geschweige denn bewiesen ist (a.a.O., Anm. 9). Der Grundsatz der Rechtsanwendung von Amtes wegen schützt nicht vor dem Verlust eines materiellen Anspruchs durch unsorgfältige Prozessführung.
Auf die verzugsrechtlichen Einwände der Beklagten ist daher nicht einzutreten.
2.
Die Parteien haben im Beratervertrag ein gegenseitiges Kündigungsrecht auf Quartalsende mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten vereinbart (Ziff. 2 Abs. 1). Darüber hinaus stand der Beklagten gemäss Vertrag eine fristlose Auflösungsbefugnis für den Fall zu, dass der Kläger gewisse Arbeiten aus von ihm selbst zu verantwortenden Gründen nicht termingerecht ausführen sollte (Ziff. 2 Abs. 2).
Das Obergericht hat die Rechtsnatur des von den Parteien geschlossenen Vertrages unter verschiedenen Qualifikationsgesichtspunkten geprüft und ist zum Ergebnis gelangt, er sei entweder den Bestimmungen über den einfachen Auftrag oder denjenigen über den Arbeitsvertrag zu unterstellen. Von dieser Alternative gehen übereinstimmend auch die Parteien aus. Im Hinblick auf
Art. 55 Abs. 1 lit. b OG
kann sich daher auch die
BGE 115 II 464 S. 466
bundesgerichtliche Rechtskontrolle auf diese beiden Vertragstypen beschränken.
Die Frage, ob ein Auftrag oder ein Arbeitsvertrag vorliegt, hat das Obergericht offengelassen, da es die von den Parteien getroffenen Kündigungsmodalitäten als mit beiden Typen vereinbar erachtet hat. Die Beklagte erblickt darin eine Verletzung von
Art. 404 Abs. 1 OR
.
a)
Art. 404 Abs. 1 OR
bestimmt, dass der Auftrag von jedem Teil jederzeit widerrufen oder gekündigt werden kann. Die Rechtfertigung dieser Regel ist darin zu erblicken, dass der Beauftragte regelmässig eine ausgesprochene Vertrauensstellung einnimmt, es aber keinen Sinn hat, den Vertrag noch aufrechterhalten zu wollen, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien zerstört ist (
BGE 104 II 115
f. E. 4).
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist das jederzeitige Auflösungsrecht zwingend und beschlägt sowohl reine Auftragsverhältnisse als auch gemischte Verträge, für welche hinsichtlich der zeitlichen Bindung der Parteien die Bestimmungen des Auftragsrechtes als sachgerecht erscheinen (
BGE 110 II 382
E. 2;
106 II 159
E. b;
104 II 115
f. E. 4 mit Hinweisen). In
BGE 109 II 467
E. 3e hat das Bundesgericht allerdings die Frage offengelassen, ob der zwingende Charakter von
Art. 404 Abs. 1 OR
sämtliche Auftragsverhältnisse schlechthin erfasse oder auf typische, namentlich unentgeltliche oder höchstpersönliche Aufträge zu beschränken sei, mit der Folge, dass atypische Aufträge einer anderen, insbesondere einer parteiautonomen Beendigungsordnung zugänglich seien. Dies entspricht zwar einer weitverbreiteten Auffassung in der Literatur (vgl. z.B. JÄGGI, SJZ 69/1973, S. 304 f.; BUCHER, ZSR 102/1983 II, S. 322 ff.; GAUCH, Baurecht 1984, S. 51; derselbe, Der Werkvertrag, 3. Aufl. 1985, Nr. 58), wird von anderen Autoren aber weiterhin und - wie im folgenden zu zeigen ist - mit Recht abgelehnt (GAUTSCHI, N. 10 zu
Art. 404 OR
; HOFSTETTER, SPR VII/2, S. 52 ff.; MERZ, ZBJV 121/1985, S. 216; derselbe, Die Qualifikation des Architektenvertrages, in Innominatverträge, Festschrift Schluep, S. 213).
aa)
Art. 404 OR
ist in die Gesamtordnung des Auftragsrechtes integriert; diese aber regelt sowohl entgeltliche wie unentgeltliche (
Art. 394 Abs. 3 OR
), höchstpersönliche wie andere (
Art. 399 OR
) Auftragsverhältnisse und unterstellt sie alle einem einheitlichen Beendigungssystem (
Art. 404 ff. OR
). Der klare Wortlaut des
BGE 115 II 464 S. 467
Gesetzes lässt eine Differenzierung nicht zu (MERZ, Festschrift Schluep, a.a.O.).
bb) Eine Unterscheidung nach der Vergütungspflicht liefe zudem einer gefestigten Praxis zuwider. Das Bundesgericht hat den zwingenden Charakter von
Art. 404 Abs. 1 OR
stets ohne Rücksicht darauf bejaht, dass die zu beurteilenden Streitsachen entgeltliche Auftragsverhältnisse betrafen (vgl. z.B.
BGE 110 II 380
ff.;
BGE 106 II 157
ff.;
BGE 98 II 305
ff.). Eine Abwendung von dieser konstanten Praxis wäre mit dem Gebot der Rechtssicherheit nicht zu vereinbaren.
cc) Der Begriff der Höchstpersönlichkeit ist kein taugliches Abgrenzungskriterium. Einerseits ist er nicht Ausdruck eines besonderen Vertrauensverhältnisses, indem ein solches durchaus auch bei befugter Auftragserfüllung durch Hilfspersonen oder Substituten gegeben sein kann, anderseits erlaubt er keine Abgrenzung nach systematisch klaren Grundsätzen, sondern ist ausgesprochen am Einzelfall orientiert. Ob beispielsweise bei Inanspruchnahme eines Arzt- oder eines Anwaltskollektivs, einer industriell organisierten und auf eine weitgehend anonyme Vielzahl von Fachkräften abgestützten Architekten- oder Ingenieurunternehmung ein höchstpersönliches Auftrags- und Vertrauensverhältnis begründet wird, lässt sich kaum nach einheitlichen Gesichtspunkten beurteilen und bietet Auslegungsschwierigkeiten, die sich mit der bisherigen, dem klaren Gesetzeswortlaut folgenden Rechtsprechung vermeiden lassen.
dd) Von der Frage der Abgrenzung zwischen typischen und atypischen Auftragsverhältnissen ist diejenige nach der Begrenzung der Reichweite des Auftragsrechtes als solchem zu unterscheiden. Dabei geht es nicht um die dispositive oder zwingende Natur einzelner auftragsrechtlicher Bestimmungen, insbesondere von
Art. 404 Abs. 1 OR
, sondern um die Anwendbarkeit des Auftragsrechts überhaupt. Geprüft wird, auf welche Dienstleistungsverträge das Auftragsrecht Anwendung findet und inwieweit gemischte Verträge mit auftragsrechtlichem Einschlag nach den von Lehre und Rechtsprechung entwickelten Kriterien (vgl. SCHLUEP, SPR VII/2, S. 800 ff.) dem Auftragsrecht zu unterstellen sind (vgl.
BGE 115 II 111
E. c). Gelangt jedoch Auftragsrecht auf die Beendigung eines Vertrages zur Anwendung, besteht keine Veranlassung, von der bisherigen Rechtsprechung abzuweichen und den zwingenden Charakter von
Art. 404 Abs. 1 OR
in Zweifel zu ziehen. Es bleibt somit dabei, dass das freie Widerrufsrecht im
BGE 115 II 464 S. 468
Auftragsverhältnis vertraglich weder wegbedungen noch beschränkt werden darf (
BGE 104 II 116
;
BGE 98 II 307
mit Hinweisen).
b) Entgegen der Auffassung der Vorinstanz wäre deshalb eine Berufung des Klägers auf die vertraglich vereinbarten Kündigungsmodalitäten ausgeschlossen, wenn es sich bei dem mit der Beklagten geschlossenen Beratervertrag um ein Auftrags- oder um ein gemischtes Vertragsverhältnis handelte, das in bezug auf seine Beendigung dem Auftragsrecht untersteht.
c) Welchen gesetzlichen Bestimmungen ein Vertrag zu unterstellen ist, ergibt sich aus seinem Inhalt. Dieser ist durch Auslegung zu ermitteln, wobei in erster Linie auf den übereinstimmenden tatsächlichen Willen der Parteien abzustellen ist (
Art. 18 Abs. 1 OR
). Da die Vorinstanz die vertraglichen Kündigungsmodalitäten sowohl nach den Bestimmungen über den Arbeitsvertrag als auch nach denjenigen über den einfachen Auftrag als zulässig erachtete, konnte sie darauf verzichten, die tatbeständlichen Grundlagen der Zuordnung zum einen oder zum andern dieser Vertragstypen näher zu klären; ebensowenig brauchte sie zu prüfen, ob das auftragsrechtliche Widerrufsrecht allenfalls rechtsmissbräuchlich ausgeübt worden war. Ist aber nach dem Gesagten die Rechtsauffassung der Vorinstanz mit dem zwingenden Charakter des
Art. 404 Abs. 1 OR
nicht zu vereinbaren, bedarf der Sachverhalt entsprechender Ergänzung. Diese kann vom Bundesgericht nicht selbst vorgenommen werden. In teilweiser Gutheissung der Berufung ist daher der angefochtene Entscheid aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen (
Art. 64 Abs. 1 OG
). | public_law | nan | de | 1,989 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
c7939047-2045-4dfc-b6ca-24246543a9db | Urteilskopf
87 II 49
9. Extrait de l'arrêt de la Ie Cour civile du 21 mars 1961 dans la cause Cafag SA et Papro SA contre Schmid. | Regeste
MMG Art. 2 und 12 Ziff. 1.
Begriff des Musters und des Modells. Die zwischen diesen Begriffen bestehenden tatsächlichen Unterschiede sind rechtlich bedeutungslos.
Neuheit des Musters oder Modells. Frage, ob die blosse Änderung des Verhältnisses zweier Dimensionen ausreicht. Confiserie-Tüten, die breiter als hoch sind. | Erwägungen
ab Seite 49
BGE 87 II 49 S. 49
1.
L'intimé a déposé les cornets litigieux auprès du Bureau fédéral de la propriété intellectuelle sous la désignation "dessin". Par son action, il demande la protection non d'un dessin mais d'un modèle. D'après les recourantes, ses conclusions doivent dès lors être rejetées. Cette argumentation
BGE 87 II 49 S. 50
pose la question des distinctions à faire entre le dessin et le modèle et de leur portée juridique.
Dans la pratique, le dessin se présente comme une disposition de lignes, c'est-à-dire comme une figuration à deux dimensions apposée sur une surface, tandis que le modèle apparaît comme une forme à trois dimensions. Des différences de fait existent donc entre le dessin et le modèle. Elles sont cependant sans portée juridique (dans ce sens l'opinion de la doctrine: TROLLER, Immaterialgüterrecht, Bâle 1959, vol. I, p. 476; GUYER, Kommentar zum schw. BG betreffend die gewerblichen Muster und Modelle, Zürich, 1905, p. 22; FURLER, Das Geschmackmustergesetz, Munich 1956, p. 93). En effet, l'art. 2 LDMI définit le dessin et le modèle de la même manière, comme cela ressort avec une netteté particulière du texte allemand ("Ein gewerbliches Muster oder Modell... ist eine äussere Formgebung, auch in Verbindung mit Farben..."). Cette définition unique, qui englobe tant les dessins que les modèles, montre déjà que la loi ne fait pas une distinction essentielle entre les deux notions. Aussi bien, le législateur n'a pas posé certaines règles pour les dessins et d'autres pour les modèles. Les mêmes dispositions de la LDMI s'appliquent au contraire aux dessins et aux modèles, qui sont ainsi soumis les uns et les autres à un régime juridique identique. L'art. 6 du règlement d'exécution de la LDMI, aux termes duquel "un même dépôt ne peut se rapporter à la fois à des dessins et à des modèles", ne saurait avoir créé entre le dessin et le modèle une distinction de fond que la loi n'a pas voulue. Il n'est qu'une règle de forme et une prescription d'ordre.
La solution de la loi tient du reste compte des données de l'expérience, car souvent le caractère original d'un objet déposé provient aussi bien de sa forme dans l'espace que des ornements graphiques qui y sont apposés. Elle présente en outre l'avantage de la clarté et de la simplicité. Une distinction juridique entre le dessin et le modèle serait en effet une source d'insécurité et entraînerait des
BGE 87 II 49 S. 51
complications, les deux éléments se trouvant souvent combinés. D'une part, l'objet déposé comme modèle devrait présenter les caractéristiques matérielles d'un modèle, l'objet déposé comme dessin celles d'un dessin. Lors du dépôt, l'intéressé serait donc obligé d'apprécier l'élément prédominant (forme à trois dimensions ou ornement graphique); or il ne pourrait jamais être certain qu'en cas de contestation, le juge confirmerait sa manière de voir. D'autre part, se trouvant dans cette incertitude, il serait amené à présenter des demandes de caractère subsidiaire, compliquant les formalités de dépôt ainsi que la situation juridique en cas de litige et compromettant l'efficacité de la protection accordée par la loi.
Il est vrai que, dans son arrêt non publié rendu le 24 janvier 1958 en la cause Angerer contre Ministère public du canton de Lucerne, où il s'agissait d'une poursuite pénale pour contrefaçon d'un dessin ou modèle, la Cour de cassation a limité son examen à la seule forme de l'objet, faisant abstraction de la figuration graphique qui s'y trouvait. Cette manière de faire procède cependant non d'une distinction juridique entre le dessin et le modèle, mais simplement du fait que le plaignant, qui avait déposé l'objet litigieux comme dessin et comme modèle, avait, en cours de procédure, limité sa plainte aux seules questions de forme.
Dès lors, peu importe en l'espèce que l'intimé ait déposé le cornet sous la désignation "dessin". Les différences de fait existant entre dessin et modèle étant dépourvues de portée juridique, les termes qu'il a utilisés dans sa demande de dépôt ne l'empêchent pas de demander aujourd'hui la protection de l'objet comme modèle.
2.
Selon les constatations souveraines de la Cour cantonale, Schmid a donné à ses cornets un aspect nouveau, abandonnant la forme oblongue traditionnelle pour une forme "trapue" qui, lorsque le sachet est rempli, évoque une bonbonnière. Les recourantes n'ont pas, comme il leur incombait, renversé la présomption découlant de
BGE 87 II 49 S. 52
l'art. 6 LDMI en prouvant que, lors du dépôt des cornets de l'intimé, il en existait déjà d'autres semblables. Il est vrai qu'elles ont tenté de l'établir en demandant l'autorisation de produire des cornets qu'elles alléguaient avoir fabriqués dès 1953, mais leur offre de preuve a été rejetée par une décision fondée sur des règles de procédure cantonale et que, partant, le Tribunal fédéral ne saurait revoir dans le cadre d'un recours en réforme. Il reste dès lors à rechercher si - ce que les recourantes contestent - la forme nouvelle adoptée par l'intimé peut être protégée au titre de modèle industriel.
Selon la jurisprudence, le modèle est une forme qui attire le regard et s'adresse au sens esthétique. Il n'est pas nécessaire qu'il soit le résultat d'une activité créatrice. Il suffit qu'il présente une certaine originalité tendant à produire un effet esthétique et qu'il manifeste ainsi un minimum d'esprit inventif, qui lui confère un caractère individuel, un cachet particulier, de sorte que la forme n'est pas celle qui vient immédiatement à l'esprit (RO 83 II 477/478;
84 II 659
). En l'espèce et ainsi que la Cour cantonale l'a admis avec raison, ces conditions sont réunies. La forme que l'intimé a donnée à ses cornets est en effet originale. Elle résout de manière heureuse et nouvelle le problème esthétique que pose l'emballage, sous une forme courante et économique, d'une marchandise de luxe dont la bonne présentation est importante. Cette appréciation est corroborée par les constatations de fait de l'arrêt attaqué, dont il ressort que les cornets de l'intimé ont connu un véritable succès en raison notamment de leur aspect plaisant et nouveau.
Les recourantes ne sauraient objecter que l'originalité des sachets litigieux réside uniquement dans le rapport arithmétique de deux de leurs dimensions (hauteur et largeur) et que pareil rapport ne constitue pas le minimum d'esprit inventif exigé par la loi et la jurisprudence. En effet, une forme peut toujours s'exprimer arithmétiquement par un rapport de dimensions, et son caractère très
BGE 87 II 49 S. 53
simple n'exclut pas à lui seul son originalité. Les recourantes ne sauraient soutenir non plus que le modèle litigieux ne pouvait être protégé parce que la forme des cornets était la simple conséquence d'une disposition à but utilitaire, seule recherchée par l'intimé. D'une part en effet, et comme l'ont admis les experts, l'impression esthétique prédomine nettement, ce que confirme le fait - admis par la Cour cantonale - que le succès des cornets provient non de leurs quelques avantages pratiques, mais de leur élégance. D'autre part, l'arrêt attaqué observe - et cette constatation lie le Tribunal fédéral - que la forme particulière adoptée par l'intimé "répond en premier lieu à des préoccupations esthétiques"; (il est dès lors inutile de rechercher si, dans l'hypothèse où l'intimé aurait poursuivi un but utilitaire, son intention aurait joué un rôle, ou si ce n'est pas plutôt des critères objectifs qui, seuls, auraient été déterminants). Quant aux faits non retenus par la Cour cantonale mais dûment établis et que les recourantes invoquent à ce sujet, le Tribunal fédéral ne saurait en tenir compte, puisqu'il ne fonde son arrêt que sur les faits tels qu'ils ont été constatés par la Cour cantonale. Il ne pourrait en être autrement que si les recourantes invoquaient une violation de dispositions fédérales en matière de preuve, ce qui n'est pas le cas.
Dans ces conditions, le modèle de l'intimé doit être protégé conformément aux règles de la LDMI. | public_law | nan | fr | 1,961 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
c797c5f4-c3ac-489f-9e17-323ff4e9adc0 | Urteilskopf
123 II 511
52. Extrait de l'arrêt de la Ie Cour de droit public du 12 septembre 1997 dans la cause A. contre Office fédéral de la police (recours de droit administratif) | Regeste
Auslieferung an Kasachstan;
Art. 3 und
Art. 6 EMRK
;
Art. 14 UNO-Pakt II
;
Art. 2 lit. a IRSG
,
Art. 35 IRSG
,
Art. 53 IRSG
und
Art. 80p IRSG
.
Anwendung von
Art. 80p IRSG
betreffend die vom ersuchenden Staat verlangten Zusicherungen (E. 4).
Es ist gemäss
Art. 2 lit. a IRSG
erforderlich, dass das ausländische Verfahren den Vorschriften der EMRK und des UNO-Pakts II entspricht (E. 5a-c). In Anbetracht der prekären Haftbedingungen und der schweren Mängel, welche in bezug auf die Gerichtsorganisation des ersuchenden Staates unter dem Aspekt der Gewaltentrennung bestehen (E. 5d und e), kommt eine Auslieferung ohne Bedingungen im vorliegenden Fall nicht in Betracht (E. 5f).
Überprüfung der vom ersuchenden Staat gemachten Zusicherungen bezüglich des Verbots der Todesstrafe sowie unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung im Sinne der
Art. 3 EMRK
und 7 UNO-Pakt II (E. 6).
Beachtung der durch die EMRK und den UNO-Pakt II gewährleisteten Verfahrensgarantien. Im vorliegenden Fall muss vom Staatschef des ersuchenden Staates verlangt werden, dass er sich nicht in das gegen die verfolgte Person eröffnete Strafverfahren einmischt (E. 7a-c). Die in dieser Hinsicht abzugebende Zusicherung betrifft die internationale Verantwortlichkeit des ersuchenden Staates, nicht aber die persönliche Verantwortlichkeit des Staatschefs (E. 7c). | Sachverhalt
ab Seite 512
BGE 123 II 511 S. 512
Le 26 janvier 1996, la République du Kazakhstan a demandé à la Suisse l'extradition de la ressortissante kazakhe A. résidant à Genève. Cette demande était présentée pour les besoins de la procédure pénale ouverte contre A. par le Procureur spécial de la République du Kazakhstan chargé de la lutte contre la corruption. Cette requête comprenait, dans la version russe originale et dans une traduction française, la demande elle-même, présentée par le Ministre de la justice; le mandat d'arrêt décerné le 10 octobre 1995 par le Juge supérieur d'instruction auprès du Procureur général de la République; le texte des dispositions pénales applicables; l'exposé des faits; une déclaration de réciprocité et une note diplomatique, datée du 5 janvier 1996, émanant du Ministère des affaires étrangères, relative aux garanties accordées à la personne poursuivie dans la procédure pénale ouverte dans l'Etat requérant.
BGE 123 II 511 S. 513
A. est accusée d'avoir contrefait des garanties bancaires établies au nom de la Banque nationale du Kazakhstan et d'avoir utilisé ces faux lors de transactions passées avec des tiers.
Dans sa note diplomatique du 5 janvier 1996 jointe à la demande, le Ministère des affaires étrangères a confirmé l'engagement de l'Etat requérant, au titre de la réciprocité, d'accorder à la Suisse l'extradition de toute personne - hormis les ressortissants kazakhs - que la Confédération viendrait à réclamer à raison de faits analogues à ceux mis à la charge de A. et qui se trouveraient sur le territoire du Kazakhstan. Cette note contient en outre l'engagement formel des autorités de l'Etat requérant d'assurer à A. le respect de tous les droits garantis par la CEDH et l'assurance que la situation de A. ne serait pas aggravée au cours de sa détention, du procès et de l'exécution de la peine en raison de ses opinions politiques, de son appartenance à un groupe social déterminé, de sa race, de sa religion ou de sa nationalité. Les autorités de l'Etat requérant se sont en outre engagées à ce que A. ne soit pas condamnée à mort ni soumise à un traitement portant atteinte à son intégrité corporelle et qu'elle ne soit pas déférée devant un tribunal d'exception. La note du 5 janvier 1996 réserve le principe de la spécialité et accorde le droit à tout représentant suisse de rendre visite à A. pendant sa détention, de s'informer de l'avancement de la procédure, d'assister aux actes d'instruction et au procès.
Le 9 avril 1997, l'Office fédéral a accordé, l'extradition de A. à la République du Kazakhstan pour les faits mentionnés dans la demande du 9 janvier 1996, sous les charges et conditions suivantes:
"1. (...)
a. Le Gouvernement de la République du Kazakhstan s'engage formellement à extrader au Gouvernement suisse, sur demande de celui-ci, toute personne qui se serait réfugiée sur le territoire kazakh (à l'exception des citoyens kazakhs) et qui serait recherchée par les autorités suisses pour des faits analogues à ceux reprochés à A.
b. Le Gouvernement de la République du Kazakhstan s'engage à accorder à
A. les garanties de procédure fixées par la CEDH et dont une copie est jointe au présent dispositif.
c. Le Président de la République du Kazakhstan, M. Nazarbaiev ou toute autre personne lui succédant, s'engage tant en sa qualité de chef d'Etat qu'à titre personnel, à respecter les garanties de procédure fixées dans la CEDH. Il s'engage en particulier à respecter le principe d'indépendance et d'impartialité des autorités judiciaires chargées de la procédure pénale dirigée contre A. pour les faits qui lui sont reprochés dans la demande d'extradition du 9 janvier 1996, que ce soit dans la phase de l'instruction, à l'audience
BGE 123 II 511 S. 514
de jugement ou devant l'instance supérieure.
Par cet engagement, M. Nazarbaiev s'abstiendra notamment de tout acte pouvant influencer directement ou indirectement le déroulement et l'issue de la procédure pénale dirigée contre A. Il renoncera en outre à exercer son pouvoir constitutionnel de surveillance sur les autorités judiciaires chargées de la procédure pénale dirigée contre A., pour les faits qui lui sont reprochés dans la demande d'extradition du 9 janvier 1996.
d. La situation de A. ne pourra pas être aggravée lors de sa détention, du jugement et de l'exécution de la peine, en raison de considérations fondées sur ses opinions ou ses activités politiques, son appartenance à un groupe social déterminé, sa race, sa religion ou sa nationalité.
e. A. ne pourra être ni exécutée ni soumise à un traitement portant atteinte à son intégrité corporelle.
f. Aucun acte commis par A. antérieurement à la remise et pour lequel l'extradition n'a pas été consentie ne donnera lieu à poursuite, à condamnation ou à réextradition à un Etat tiers et aucun autre motif à l'extradition n'entraînera une restriction à la liberté individuelle de celle-ci. Cette restriction tombera si, dans le délai de quarante-cinq jours suivant sa libération conditionnelle ou définitive, A. n'aura pas quitté le territoire kazakh, après avoir été instruite des conséquences y relatives et après avoir eu la possibilité de s'en aller; il en va de même si A. retourne dans le République du Kazakhstan après l'avoir quittée ou si elle y est ramenée par un Etat tiers.
g. Aucun tribunal d'exception ne pourra être saisi des actes délictueux imputés à A.
h. Toute personne officielle représentant la Suisse dans la République du Kazakhstan pourra rendre visite à A., sans que leur rencontre ne fasse l'objet de mesure de contrôle. A. pourra en tout temps s'adresser à ce représentant. En outre, ledit représentant pourra s'enquérir de l'état de la procédure et assister aux actes d'instruction ainsi qu'aux débats judiciaires. Un exemplaire de la décision mettant fin à la procédure pénale lui sera remis.
2. Dit que l'extradition de A. ne sera pas exécutée et que le mandat d'arrêt en vue d'extradition du 22 décembre 1995 sera définitivement révoqué, si la République du Kazakhstan ne confirme pas les garanties mentionnées sous lettres a-b et d-h et si le Président de la République du Kazakhstan ne fournit pas la garantie mentionnée sous lettre c, dans le délai qui lui sera imparti ultérieurement par l'Office fédéral.
3. Dit que l'extradition de A. ne sera pas exécutée jusqu'à droit jugé sur le recours que cette dernière a formé devant la Commission fédérale de recours en matière d'asile contre la décision rendue le 29 mai 1996 par l'Office fédéral des réfugiés.
4. Dit que l'extradition de A. ne sera pas exécutée si la Commission fédérale de recours en matière d'asile lui accorde l'asile."
Agissant par la voie du recours de droit administratif, A. demande au Tribunal fédéral d'annuler la décision du 9 avril 1997 et de
BGE 123 II 511 S. 515
rejeter la demande d'extradition. Elle invoque les art. 2 let. a, 35 al. 1 let. b et 53 EIMP.
Erwägungen
Extrait des considérants:
4.
La recourante invoque l'
art. 2 let. a EIMP
(RS 351.1), aux termes duquel la demande de coopération en matière pénale est irrecevable s'il y a lieu d'admettre que la procédure à l'étranger n'est pas conforme aux principes de procédure fixés par la CEDH ou le Pacte ONU II (RS 0.103.2). Sous cet angle, la recourante fait valoir que la peine de mort serait fréquemment prononcée et appliquée dans l'Etat requérant, que le pouvoir judiciaire serait soumis au pouvoir exécutif, qu'elle et sa famille seraient en butte à l'hostilité des autorités locales et que des témoignages à charge auraient été extorqués par la contrainte. De son avis, les conditions posées à l'extradition, et notamment les assurances formelles requises selon le ch. 1 let. b, c, e et g de la décision attaquée, ne suffiraient pas à écarter le risque de violation des garanties procédurales offertes par la CEDH et le Pacte ONU II.
a) Selon l'
art. 80p EIMP
, introduit par la novelle du 4 octobre 1996, en vigueur depuis le 1er février 1997, l'autorité d'exécution et l'autorité de recours, de même que l'Office fédéral, peuvent subordonner, en totalité ou en partie, l'octroi de l'entraide à des conditions (al. 1); l'Office fédéral communique les conditions à l'Etat requérant lorsque la décision relative à l'octroi et à l'étendue de l'entraide est devenue exécutoire, et il lui impartit un délai approprié pour déclarer s'il les accepte ou s'il les refuse; si le délai imparti n'est pas respecté, l'entraide peut être octroyée sur les points ne faisant pas l'objet de conditions (al. 2); l'Office fédéral examine si la réponse de l'Etat requérant constitue un engagement suffisant au regard des conditions fixées (al. 3); la décision de l'Office fédéral peut faire l'objet d'un recours devant le Tribunal fédéral dans un délai de dix jours dès sa communication écrite; le Tribunal fédéral statue, en règle générale, selon une procédure simplifiée (al. 4). Cette disposition est applicable à la présente procédure, la décision attaquée ayant été rendue après son entrée en vigueur. En effet, même si l'
art. 80p EIMP
ne mentionne que l'entraide, il ne fait aucun doute qu'il régit aussi l'extradition (cf. le Message du Conseil fédéral du 29 mars 1995, FF 1995 III p. 34/35).
b) L'Office fédéral a accordé l'extradition de la recourante à l'Etat requérant, sous diverses conditions à respecter par celui-ci (ch. 1 du dispositif de la décision attaquée). A la demande est jointe une note
BGE 123 II 511 S. 516
diplomatique du 5 janvier 1996 émanant du Ministère des affaires étrangères de l'Etat requérant, selon laquelle celui-ci a fourni certaines des assurances exigées par l'Office fédéral. Celles-ci portent sur le respect des garanties procédurales offertes par la CEDH; l'interdiction de l'aggravation de la situation de la recourante en raison de considérations fondées sur ses opinions ou activités politiques, son appartenance à un groupe social déterminé, sa race, sa religion ou sa nationalité; l'interdiction de la peine de mort et de tout traitement portant atteinte à l'intégrité personnelle de la recourante; l'interdiction des tribunaux d'exception; le droit des représentants suisses de rendre visite librement et sans entraves à la recourante au cours de sa détention, de s'enquérir de l'avancement de la procédure, d'assister aux actes d'instruction et au procès et de recevoir une copie de la décision mettant fin au procès (ch. 1 let. b, d, e, g et h du dispositif de la décision attaquée et ch. 2 à 7 de la note diplomatique du 5 janvier 1996). Sur ces points précis, l'Office fédéral a admis implicitement que les garanties données par l'Etat requérant répondaient à ses exigences, de sorte qu'il est superflu, à cet égard, de procéder selon ce que prévoit l'
art. 80p al. 2 et 3 EIMP
. En accordant l'extradition comme il l'a fait, l'Office fédéral a du même coup considéré que les garanties offertes étaient valides au regard de l'
art. 80p al. 2 et 3 EIMP
appliqué par analogie. La présente procédure permet au Tribunal fédéral de revoir la décision attaquée sur ce point, conformément à l'
art. 80p al. 4 EIMP
, lui aussi appliqué par analogie.
En revanche, l'Etat requérant n'a pas donné, à ce stade de la procédure, les assurances spéciales exigées de son chef et celles concernant l'observation du délai de répit au sens de l'
art. 38 al. 2 EIMP
, mis en relation avec l'al. 1 let. a et b de la même disposition (ch. 1 let. c et f du dispositif de la décision attaquée). Sur ces deux points particuliers, il incombera à l'Office fédéral de procéder selon les
art. 80p al. 2 et 3 EIMP
, après le prononcé du présent arrêt, et de rendre ultérieurement une décision formelle attaquable en vertu de l'
art. 80p al. 4 EIMP
. Le recours est prématuré, partant irrecevable, dans la mesure où il dénie par avance toute validité aux assurances exigées du chef de l'Etat requérant.
c) Même si son argumentation n'est pas des plus limpides, la recourante allègue qu'elle serait exposée, en cas de remise à l'Etat requérant, au prononcé de la peine de mort et à des traitements incompatibles avec le respect de son intégrité personnelle et que la procédure pénale dans l'Etat étranger ne lui garantirait pas un procès équitable
BGE 123 II 511 S. 517
au sens de l'
art. 6 CEDH
. C'est dans cette mesure qu'il convient d'examiner le grief de violation de l'
art. 2 let. a EIMP
.
5.
a) Cette disposition a pour but d'éviter que la Suisse ne prête son concours, par le biais de l'entraide judiciaire ou de l'extradition, à des procédures qui ne garantiraient pas à la personne poursuivie un standard de protection minimal correspondant à celui offert par le droit des Etats démocratiques, défini en particulier par la CEDH ou le Pacte ONU II, ou qui heurteraient des normes reconnues comme appartenant à l'ordre public international (
ATF 123 II 161
consid. 6a p. 166/167;
ATF 122 II 140
consid. 5a p. 142). La Suisse elle-même contreviendrait à ses obligations internationales en extradant une personne à un Etat où il existe des motifs sérieux de penser qu'un risque de traitement contraire à la CEDH ou au Pacte ONU II menace l'intéressé (
ATF 123 II 161
consid. 6a p. 167;
ATF 121 II 296
consid. 3b p. 298/299;
art. 37 al. 2 et 3 EIMP
).
b) L'examen de ces conditions implique un jugement de valeur sur les affaires internes de l'Etat requérant, en particulier sur son régime politique, sur ses institutions, sur sa conception des droits fondamentaux et leur respect effectif, et sur l'indépendance et l'impartialité du pouvoir judiciaire (
ATF 123 II 161
consid. 6b p. 167;
ATF 111 Ib 138
consid. 4 p. 142;
ATF 122 II 373
consid. 2a p. 376/377 et
ATF 109 Ib 317
consid. 16c p. 337/338, concernant l'application de l'
art. 3 al. 2 CEExtr
). Le juge de l'extradition doit faire preuve à cet égard d'une prudence particulière. Il ne suffit pas que la personne dont l'extradition est demandée se prétende menacée du fait d'une situation politico-juridique spéciale; il lui appartient de rendre vraisemblable l'existence d'un risque sérieux et objectif d'une grave violation des droits de l'homme dans l'Etat requérant, susceptible de la toucher de manière concrète (
ATF 123 II 161
consid. 6b p. 167;
ATF 122 II 373
consid. 2a p. 377;
ATF 112 Ib 215
consid. 7 p. 224;
ATF 109 Ib 64
consid. 5b/aa p. 73;
ATF 108 Ib 408
consid. 8b/aa p. 412).
c) Pour établir si un tribunal est indépendant au sens de l'
art. 6 par. 1 CEDH
, il faut prendre en compte notamment le mode de désignation et la durée du mandat de ses membres, l'existence d'une protection contre les pressions extérieures et le point de savoir s'il y a ou non apparence d'indépendance (arrêts de la Cour européenne des droits de l'homme Findlay c. Royaume-Uni du 25 février 1997, par. 77, Bryan c. Royaume-Uni du 22 novembre 1995, Série A, vol. 335-A, par. 37; Demicoli c. Malte du 27 août 1991, Série A, vol. 210, par. 39; Langborger c. Suède, du 22 juin 1989, Série A, vol. 155, par. 32). Le tribunal doit statuer sans recevoir d'instructions
BGE 123 II 511 S. 518
ou de recommandations (arrêts Campbell et Fell c. Royaume-Uni, du 28 juin 1984, Série A, vol. 80, par. 79, Ettl et consorts c. Autriche, du 23 avril 1987, Série A, vol. 117 par. 38; voir également les Conclusions et recommandations de la réunion multilatérale organisée par le Conseil de l'Europe en coopération avec le Conseil national du pouvoir judiciaire de Pologne, tenue à Varsovie et à Slok du 23 au 26 juin 1997 sur le thème "Les garanties de l'indépendance du pouvoir judiciaire dans un Etat de droit", Plan Themis, projet no3). La seule circonstance que les juges seraient désignés par décision ou sur recommandation du pouvoir exécutif ou du Parlement ne suffit pour inférer un défaut d'indépendance (arrêts CAMPBELL ET FELL, précité, par. 39 ss, 78 ss; Sramek c. Autriche, du 22 octobre 1984, Série A, vol. 84 par. 38; cf. JOCHEN A. FROWEIN/WOLFGANG PEUKERT, EMRK-Kommentar, 2ème éd., Kehl, Strasbourg, Arlington, 1996, no125 et 126 ad
art. 6 CEDH
). L'
art. 14 Pacte ONU II
a une portée analogue (MANFRED NOWAK, CCPR Commentary, Kehl, Strasbourg, Arlington, 1993 no15 et 17 ad
art. 14 Pacte ONU II
).
d) Etat d'Asie centrale, membre de la Communauté des Etats indépendants (CEI) et de l'Organisation des Nations Unies, la République du Kazakhstan est, juridiquement, l'un des Etats successeurs de l'ancienne Union des Républiques socialistes soviétiques (URSS) - dont la Fédération de Russie est, quant à elle, l'Etat continuateur (NGUYEN QUOC DINH/PATRICK DAILLIER/ALAIN PELLET, Droit international public, 5ème éd., Paris, 1994, no346; sur la succession d'Etats dans l'ancienne URSS et la création de la CEI consécutivement à la déclaration du 21 décembre 1991 d'Alma-Ata, cf. MARTTI KOSKENNIEMI/MARJA LEHTO, La succession d'Etat dans l'ex-URSS, en ce qui concerne particulièrement les relations avec la Finlande, AFDI 1992 p. 179 ss et MICHAEL BOTHE/CHRISTIAN SCHMIDT, Sur quelques questions de succession posées par la dissolution de l'URSS et celle de la Yougoslavie, RGDIP 1992 p. 811 ss). En tant qu'Etat successeur de l'ancienne URSS, la République du Kazakhstan est libre d'exprimer ou non son consentement à être liée par les traités auxquels l'Etat dont elle est issue est partie. L'expression de ce consentement peut prendre la forme d'une simple déclaration de succession. Celle-ci constitue un mode de participation au traité de même valeur que la ratification ou l'adhésion, à ceci près qu'une telle déclaration produit un effet rétroactif à la date de l'accession à l'indépendance de l'Etat successeur (cf. la note de la Direction du droit international public du Département fédéral des affaires étrangères du 4 avril 1995, publiée reproduite in: LUCIUS CAFLISCH, La pratique suisse en matière
BGE 123 II 511 S. 519
de droit international public 1995, RSDIE 1996 p. 593 ss, p. 618-619; sur la succession d'Etats, cf. aussi
ATF 120 Ib 189
). Jusqu'ici, le Kazakhstan n'a pas exprimé, selon les modalités décrites, son consentement à être lié par le Pacte ONU II ou par la Convention des Nations-Unies contre la torture et les autres traitements ou peines inhumains, cruels ou dégradants, du 10 décembre 1984 (cf. JEAN-BERNARD MARIE, Instruments internationaux relatifs au droits de l'homme. Classification et état des ratifications au 1er janvier 1996, RUDH 1996 p. 89 ss).
e) aa) Le Kazakhstan, qui a proclamé son indépendance le 16 décembre 1991, a une superficie de 2,7 millions de kilomètres carrés. Il est peuplé de 17 millions d'habitants (dont 44% de Kazakhs et 36% de Russes) et dispose de grandes ressources pétrolières et minérales (cuivre, uranium, zinc, etc.). Son développement économique est toutefois freiné par la carence de l'industrie de transformation et de la médiocrité des infrastructures - notamment dans le domaine des transports. Le vaste secteur public, obsolète et inefficace, est en cours de privatisation. M. Noursoultan Nazarbaiev, ancien premier secrétaire du Parti communiste kazakh, a été élu, avec plus de 95% des suffrages, Président de la République lors des élections du 1er décembre 1991.
bb) (Exposé du système constitutionnel de la République du Kazakhstan, sous l'angle notamment de la séparation des pouvoirs exécutif et judiciaire).
cc) Ainsi exposé, le système constitutionnel de la République du Kazakhstan présente les caractéristiques d'un régime présidentiel très accentué. Pour ce qui concerne le pouvoir judiciaire, celui-ci, formellement indépendant des autres pouvoirs, est effectivement dominé par le Président de la République, qui nomme le Procureur général et la majorité des membres du Conseil constitutionnel, donne des recommandations quant à l'élection des membres de la Cour suprême, préside le Conseil judiciaire suprême dont il nomme la majorité des membres, ainsi que les présidents et les membres des cours inférieures. Que le Président de la République participe à la désignation des membres de la cour constitutionnelle - comme c'est le cas notamment aux Etats-Unis d'Amérique ou en France - ne heurte en soi ni l'
art. 6 CEDH
, ni l'
art. 14 Pacte ONU II
(consid. 5c ci-dessus); il n'en demeure pas moins que le système prévalant dans l'Etat requérant présente incontestablement le risque de voir les juges placés dans une relation de dépendance à l'égard du Président de la République.
BGE 123 II 511 S. 520
dd) Selon un rapport établi le 30 janvier 1997 par le Département d'Etat américain et joint au dossier de la procédure, complétant le rapport de mars 1996 transmis le 23 mars 1996 par le Département fédéral à l'Office fédéral, la situation des droits de l'homme au Kazakhstan, sans être catastrophique, serait loin d'être satisfaisante. Si les droits fondamentaux sont reconnus et proclamés dans la Constitution, leur respect ne serait pas complètement assuré dans les faits. En particulier, les conditions de détention seraient précaires; les prisonniers seraient exposés à des mauvais traitements et l'assistance médicale serait insuffisante, au point que, selon des données officielles, on aurait dénombré, pour l'année 1995, 16'000 prisonniers malades de la tuberculose et 2'500 décès survenus en prison à la suite de maladies et de rixes entre détenus. En outre, il ne serait pas rare, selon les rapports précités, que les personnes placées en détention préventive soient battues et torturées. Afin de remédier à la surpopulation carcérale et pallier, dans une certaine mesure, l'insalubrité des établissements pénitentiaires, les autorités kazakhes auraient annoncé, en juin 1996, une amnistie touchant environ 20'000 prisonniers - soit le quart de la population carcérale; dans les faits, seules 8'500 détenus auraient en fin de compte bénéficié de cette mesure. Si le droit à un procès équitable et la présomption d'innocence sont proclamés dans les textes, ces garanties seraient fortement réduites par le fait que les juges, mal rétribués, seraient notoirement corrompus.
Le rapport établi par Amnesty International pour l'année 1997 au sujet du Kazakhstan confirme cette appréciation négative. Selon ce rapport, des opposants de la minorité cosaque auraient été emprisonnés et torturés. Les mauvais traitements seraient fréquents lors de la détention et les mauvaises conditions infligées aux détenus seraient à l'origine de nombreux décès. En 1996, au moins cinquante personnes auraient été condamnées à mort, dont douze auraient été exécutées.
f) Ce tableau très sombre de la situation des droits de l'homme dans l'Etat requérant commande impérieusement de ne pas accorder sans conditions l'extradition de la recourante, compte tenu des risques qu'elle courrait de se voir infliger des mauvais traitements au cours de sa détention, ainsi que des graves lacunes dont souffre, du point de vue de la séparation des pouvoirs, l'organisation du système judiciaire de l'Etat requérant. Ce point n'a au demeurant pas échappé à l'Office fédéral, qui a assorti l'extradition de conditions très précises et détaillées, de nature, selon lui, à parer aux dangers
BGE 123 II 511 S. 521
qui viennent d'être évoqués. En cela, l'Office fédéral a fait usage des nouvelles compétences que l'
art. 80p EIMP
confère à l'autorité d'exécution et de recours, disposition qui codifie la pratique du Tribunal fédéral (cf. ATF
ATF 122 II 373
pour ce qui concerne l'extradition et
ATF 123 II 161
pour ce qui concerne l'entraide).
g) Il reste à examiner, dans la mesure définie ci-dessus (consid. 4b et 5b), si les garanties formelles exigées de l'Office fédéral et fournies par l'Etat requérant suffisent pour écarter les risques redoutés par la recourante.
6.
Celle-ci craint d'être exécutée ou exposée à des traitements inhumains ou dégradants si elle est remise à l'Etat requérant.
a) Les standards minimaux de protection des droits individuels résultant de la CEDH ou du Pacte ONU II font partie de l'ordre public international. Parmi ces droits figure l'interdiction de la torture, ainsi que des traitements cruels, inhumains ou dégradants (
art. 3 CEDH
et 7 Pacte ONU II; cf. aussi l'art. 3 de la Convention internationale du 10 décembre 1984 contre la torture et autres peines ou traitements cruels, inhumains ou dégradants, RS 0.105, qui interdit l'extradition lorsque la personne visée court le risque d'être soumise à la torture, et la Convention européenne pour la prévention de la torture et des peines ou traitements inhumains ou dégradants, du 26 novembre 1987, RS 0.106). Si la CEDH ne garantit pas, en tant que tel, le droit de ne pas être expulsé ou extradé (arrêts de la Cour européenne des droits de l'homme D. c. Royaume-Uni, du 2 mai 1997; H.L.R. c. France, du 29 avril 1997; Chahal c. Royaume-Uni, du 15 novembre 1996 par. 73; Soering c. Royaume-Uni, du 7 juillet 1989, Série A, vol. 161, par. 85), il n'en demeure pas moins que lorsqu'une décision d'extradition "porte atteinte, par ses conséquences, à l'exercice d'un droit garanti par la Convention, elle peut, s'il ne s'agit pas de répercussions trop lointaines, faire jouer les obligations d'un Etat contractant au titre de la disposition correspondante" (arrêts de la Cour européenne des droits de l'homme Ahmed c. Autriche, du 17 décembre 1996 par. 39; Nsona c. Pays-Bas, du 28 novembre 1996, par. 92; Chahal, précité, par. 74; Soering, précité, par. 85).
b) En l'occurrence, au regard des dispositions pénales applicables jointes à la demande, la recourante serait passible dans l'Etat requérant, si elle était reconnue coupable des faits mis à sa charge, d'une peine de cinq à quinze ans de réclusion. Dans son écriture du 3 juin 1996 adressée à l'Office fédéral pour s'opposer à son extradition, la recourante se réfère à l'art. 15 al. 2 de la Constitution du Kazakhstan, qui prévoit la peine de mort "comme peine exceptionnelle pour les
BGE 123 II 511 S. 522
crimes particulièrement graves", ainsi qu'à un décret présidentiel établissant cette peine pour les cas de trahison. Elle fait valoir en outre le fait, attesté par la documentation internationale, que la peine de mort est fréquemment prononcée et appliquée dans l'Etat requérant. Elle ne démontre toutefois pas, de manière plausible, qu'elle serait, à raison des faits mentionnés dans la demande, passible de la peine capitale. Ses allégations quant au risque d'une vengeance personnelle que voudrait exercer à son encontre le chef de l'Etat requérant ne sont pas étayées par des éléments suffisamment précis et crédibles. Quoi qu'il en soit, l'Office fédéral a pris la précaution d'exiger de l'Etat requérant - dans des termes peut-être insuffisamment explicites - la garantie expresse que la recourante ne sera pas exécutée (ch. 1 let. e de la décision attaquée). L'Etat requérant a d'ailleurs donné spontanément cette assurance, selon la note diplomatique du 5 janvier 1996 jointe à la demande. Hormis l'affirmation générale que cet engagement serait d'emblée dénué de toute valeur, la recourante n'apporte aucun argument de nature à faire sérieusement croire que l'Etat requérant ne respectera pas la parole donnée, en violation de la règle de la bonne foi qui régit les rapports entre Etats (cf.
ATF 122 II 140
consid. 5c in fine p. 143;
ATF 117 Ib 337
consid. 2a p. 340).
Cela étant, il ne suffit pas, au regard de l'ordre public international, que la peine de mort ne soit pas appliquée. Pour que l'extradition soit accordée, il est indispensable que l'Etat requérant donne l'assurance que la peine capitale ne sera ni requise, ni prononcée, ni appliquée. Le ch. 1 let. e de la décision attaquée doit être modifié en ce sens d'office (
art. 25 al. 6 EIMP
) et l'Office fédéral invité à obtenir de l'Etat requérant une garantie expresse complémentaire à ce sujet, selon la procédure régie par l'
art. 80p EIMP
.
c) Ces considérations valent, mutatis mutandis, pour ce qui concerne le risque de torture ou de traitements inhumains ou dégradants, que l'
art. 3 CEDH
prohibe de manière absolue (
art. 15 CEDH
), en proclamant "une des valeurs fondamentales des sociétés qui forment le Conseil de l'Europe" (arrêt Soering, précité, par. 88) et dont la réception, dans divers instruments universels ou régionaux, en fait une "norme internationalement acceptée" (idem). Si le risque de torture ou de traitements inhumains ou dégradants doit assurément être pris au sérieux, compte tenu de la surpopulation carcérale et des mauvaises conditions de détention qui prévalent dans l'Etat requérant, on ne saurait toutefois écarter d'un revers de la main, comme le fait la recourante, les conditions dont l'Office fédéral a assorti
BGE 123 II 511 S. 523
l'extradition (ch. 1 let. e de la décision attaquée) et les garanties offertes à cet égard par l'Etat requérant (cf. aussi l'
art. 17 al. 2 Cst.
kaz.). L'Etat requérant s'est ainsi engagé à soustraire la recourante au régime ordinaire des prisons. Ces assurances sont renforcées par l'exigence de l'Office fédéral, accepté par l'Etat requérant dans sa note diplomatique du 5 janvier 1996, selon laquelle des représentants de la Suisse pourront à tout moment, spontanément ou à la requête de la recourante, visiter celle-ci sans surveillance, afin de s'assurer que la recourante est bien traitée et dispose de l'assistance, notamment médicale, dont elle pourrait avoir besoin. Le consulat de Suisse à Almaty a déclaré être en mesure d'exercer concrètement cette mission, devoir sur lequel l'Office fédéral devra rappeler, par l'entremise du Département fédéral, l'attention du personnel diplomatique en charge à Almaty, ainsi que l'Ambassade de Suisse à Moscou dont dépend le consulat suisse au Kazakhstan.
7.
De l'avis de la recourante, la procédure dans l'Etat requérant ne respecterait pas les garanties offertes par l'
art. 6 CEDH
.
a) Ces garanties comprennent le droit à un procès équitable, tenu dans un délai raisonnable par un tribunal indépendant et impartial, établi par la loi; l'audience doit en principe être publique (
art. 6 par. 1 CEDH
). L'accusé, présumé innocent (
art. 6 par. 2 CEDH
), a le droit, selon l'
art. 6 par. 3 CEDH
, d'être informé de l'accusation portée contre lui (let. a); de disposer du temps et des facilités nécessaires à la préparation de sa défense (let. b); de se défendre lui-même, d'avoir l'assistance d'un défenseur de son choix ou d'être assisté gratuitement par un défenseur d'office (let. c); d'interroger ou de faire interroger les témoins (let. d); de se faire assister gratuitement d'un interprète, en cas de besoin (let. e).
b) Selon les rapports du Département d'Etat américain aux affaires étrangères des 23 mars 1996 et 30 janvier 1997, annexés au dossier de la procédure, la législation de l'Etat requérant serait conforme aux exigences de l'
art. 6 CEDH
en ce sens que l'organisation judiciaire est établie par la loi, qu'il n'y a pas de tribunaux d'exceptions, que la présomption d'innocence est proclamée, que l'audience de jugement est en principe publique, que les accusés peuvent interroger les témoins et disposent du droit d'être assistés par un défenseur d'office, en cas de besoin (cf. aussi les art. 13 al. 2 et 3 et 77 al. 3 Cst. kaz.). La recourante n'évoque aucun élément permettant de penser que tel ne serait pas effectivement le cas. En outre, si les tribunaux d'exception sont interdits dans l'Etat requérant (
art. 75 al. 4 Cst.
kaz.), l'Office fédéral a néanmoins pris la précaution d'exiger
BGE 123 II 511 S. 524
des garanties formelles, que l'Etat requérant a fournies et que la recourante ne remet pas en discussion.
En revanche, les rapports précités soulignent les difficultés de mise en oeuvre concrète, dans l'Etat requérant, des garanties procédurales offertes par la CEDH, liées à l'incompétence et à la corruption des juges, ainsi qu'à leur défaut d'indépendance et d'impartialité vis-à-vis du pouvoir exécutif qui les nomme et les contrôle (cf. consid. 5e/bb et cc ci-dessus). Il s'agit là, sans aucun doute, d'un obstacle majeur à l'extradition de la recourante. Si le tribunal appelé à juger la recourante devait être composé de magistrats recevant directement des instructions du chef de l'Etat, dans une affaire où la Banque nationale est la principale lésée des délits mis à la charge des accusés, il y aurait lieu de craindre que la recourante ne soit renvoyée devant un tribunal qui ne serait ni indépendant, ni impartial. A cela s'ajoutent les craintes de la recourante d'être l'objet d'une vengeance personnelle de la part du chef de l'Etat requérant, craintes qui seraient accréditées par des représailles et des pressions exercées sur les membres de sa famille restés au Kazakhstan. Sur le vu de l'ensemble de ces circonstances et des doutes légitimes qu'elles peuvent susciter sur la régularité de la procédure dans l'Etat requérant, une extradition inconditionnelle n'entre pas en ligne de compte, comme on l'a vu (consid. 5f ci-dessus).
c) L'Office fédéral est arrivé à la même conclusion, raison pour laquelle il a subordonné l'extradition à la remise, par M. Nazarbaiev, tant en sa qualité de chef de l'Etat requérant qu'à titre personnel, de l'assurance formelle et expresse qu'il n'interviendra pas dans la procédure ouverte contre la recourante, pas plus que ses successeurs (ch. 1 let. c du dispositif de la décision attaquée). Compte tenu des relations très particulières prévalant, dans l'Etat requérant, entre le pouvoir exécutif et le pouvoir judiciaire (consid. 5e/bb et cc ci-dessus), il est indispensable de s'assurer que l'actuel chef de l'Etat requérant - ou son successeur - n'utilisera pas ses attributions constitutionnelles - soit comme chef de l'Etat, soit, ultérieurement, comme membre de droit du Conseil constitutionnel - pour influencer le déroulement de la procédure pénale et, le cas échéant, les modalités d'application de la peine qui sera prononcée au terme du procès pénal. Si les conditions mises à la charge du chef de l'Etat requérant, comme organe de celui-ci, peuvent apparaître exceptionnellement justifiées en l'espèce, il est en revanche inconcevable, au regard des principes généraux du droit international, que la Suisse puisse exiger de surcroît du chef de l'Etat requérant l'engagement de sa
BGE 123 II 511 S. 525
responsabilité personnelle - dont on ne discerne au demeurant ni le fondement, ni la sanction. Dans ses relations extraditionnelles avec la Suisse, la République du Kazakhstan ne peut engager que la responsabilité internationale des organes - le cas échéant, individuels - de l'Etat, mais non pas la responsabilité personnelle de ceux-ci, après la cessation de leurs fonctions officielles, exécutives ou judiciaires.
Toute violation par la République du Kazakhstan des conditions posées par la Suisse à l'extradition et acceptée par l'Etat requérant constituerait un fait internationalement illicite engageant la responsabilité internationale de la République du Kazakhstan; les actes de ces organes ayant agi en cette qualité lui seraient imputables à ce titre (cf. les art. 1, 2, 3, 5 et 6 et 8 du projet sur la responsabilité internationale de l'Etat, soumis à la Commission du droit international de l'ONU, reproduit in: JÖRG PAUL MÜLLER/LUZIUS WILDHABER, Praxis des Völkerrechts, 2ème éd., Berne, 1982 pp. 328/329; cf. également JEAN COMBACAU/SERGE SUR, Droit international public, 2ème éd., Paris, 1995, p. 548/549; QUOC DINH/DAILLIER/PELLET, op.cit., no485, MARIO GIULIANO/TULLIO SCOVAZZI/TULLIO TREVES, Diritto internazionale. Parte generale, Milan, 1991 p. 416-427).
A ce stade de la procédure, l'Office fédéral n'a pas encore demandé la garantie visée au ch. 1 let. c du dispositif de la décision attaquée, selon les formes prévues par l'
art. 80p EIMP
. Il convient à cet égard d'inviter l'Office fédéral à requérir, comme il l'a envisagé, la garantie que le chef de l'Etat requérant n'usera pas de ses prérogatives constitutionnelles pour s'immiscer de quelque manière que ce soit dans la procédure pénale ouverte contre la recourante. En revanche, l'Office fédéral n'évoquera pas, dans la requête qu'il adressera en ce sens à l'Etat requérant, l'exigence d'un quelconque engagement qui serait mis personnellement à la charge de M. Nazarbaiev ou de ses successeurs. C'est en ce sens que le ch. 1 let. c du dispositif de la décision attaquée doit être modifié. Une fois la garantie requise et donnée, il appartiendra à l'Office fédéral, puis, le cas échéant, au Tribunal fédéral, d'en examiner la validité conformément à l'
art. 80p EIMP
. L'Office fédéral veillera de manière toute particulière aux contenus des engagements qui seraient pris et à leur observation scrupuleuse par les autorités de l'Etat requérant.
d) Dans la décision attaquée (ch. 1 let. b du dispositif), l'Office fédéral a subordonné l'extradition au respect des garanties procédurales offertes par la CEDH. Il convient toutefois de s'interroger sur l'opportunité de l'exigence, régulièrement posée par l'Office
BGE 123 II 511 S. 526
fédéral à des Etats non européens, du respect de la seule CEDH. Que l'Etat non européen qui demande l'extradition - ou l'entraide - soit ou non partie au Pacte ONU II, c'est aux garanties de cet instrument, et non à celles de la CEDH, qu'il convient de se référer en premier lieu. Entre 1974 - date de la ratification par la Suisse de la CEDH - et 1992 - date de l'entrée en vigueur pour la Suisse du Pacte ONU II -, la référence à la CEDH se justifiait, même à l'égard d'Etats non européens, car en tant qu'Etat requis, la Suisse était responsable du seul respect de ces garanties conventionnelles dans les procédures pénales pour lesquelles elle offrait sa collaboration. Cette approche apparaît quelque peu incongrue aujourd'hui, tout spécialement depuis que le droit interne a été modifié sur ce point, avec l'entrée en vigueur, le 1er février 1997, de l'
art. 2 let. a EIMP
. Dans la mesure ou le Pacte ONU II pose des garanties au moins équivalentes à celles de la CEDH, c'est à ce premier instrument qu'il convient avant tout de se référer. La décision attaquée doit être modifiée sur ce point également.
8.
Le grief de violation de l'
art. 2 let. a EIMP
, mis en relation avec les
art. 3 et 6 CEDH
, doit ainsi être rejeté dans la mesure où il est recevable, au sens des considérants qui précèdent.
Par ces motifs, le Tribunal fédéral:
1. Rejette le recours dans la mesure où il est recevable, au sens des considérants.
2. Modifie le dispositif de la décision de l'Office fédéral de la police du 9 avril 1997 comme suit:
"1. L'extradition de A. est accordée à la République du Kazakhstan pour les faits mentionnés dans la demande d'extradition du 9 janvier 1996 aux conditions suivantes:
a. La République du Kazakhstan s'engage formellement à extrader au Gouvernement suisse, sur demande de celui-ci, toute personne qui se serait réfugiée sur le territoire kazakh (à l'exception des citoyens kazakhs) et qui serait recherchée par les autorités suisses pour des faits analogues à ceux reprochés à A.
b. La République du Kazakhstan s'engage à accorder à A. les garanties de procédure reconnues par le Pacte ONU II, spécialement en ses art. 2 ch. 3, 9, 14, 15 et 26.
c. Aucun tribunal d'exception ne pourra être saisi des actes délictueux imputés à A.
BGE 123 II 511 S. 527
d. La peine de mort ne sera ni requise, ni prononcée, ni appliquée à l'égard de A. L'obligation de droit international contractée par la République du Kazakhstan à cet égard rend inopposable à A. l'art. 6 ch. 2 du Pacte ONU II (cf.
art. 5 ch. 2 Pacte ONU II
).
e. A. ne sera en outre soumise à aucun traitement portant atteinte à son intégrité physique et psychique (
art. 7 et 10 et 17 Pacte ONU II
). La situation de A. ne pourra pas être aggravée lors de sa détention en vue du jugement ou de l'exécution de la peine, en raison de considérations fondées sur ses opinions ou ses activités politiques, son appartenance à un groupe social déterminé, sa race, sa religion ou sa nationalité (
art. 2 let. b EIMP
).
f. En sa qualité de chef d'Etat, le Président de la République du Kazakhstan s'engage, conformément aux
art. 2 et 5 Pacte ONU II
, à assurer le respect des garanties de procédure énoncées ci-dessus (let. b, c, d et
e). Il s'engage en particulier à respecter le principe d'indépendance et d'impartialité des autorités judiciaires chargées de la procédure pénale dirigée contre A. pour les faits visés dans la demande d'extradition du 9 janvier 1996, tant dans la phase de l'instruction, qu'à l'audience de jugement ou devant l'instance de recours juridictionnel.
g. Aucun acte commis par A. antérieurement à la remise et pour lequel l'extradition n'a pas été consentie ne donnera lieu à poursuite, à condamnation ou à réextradition à un Etat tiers et aucun autre motif à l'extradition n'entraînera une restriction à la liberté individuelle de celle-ci (cf.
art. 15 Pacte ONU II
). Cette restriction tombera si, dans le délai de quarante-cinq jours suivant sa libération conditionnelle ou définitive, A. n'a pas quitté le territoire kazakh, après avoir été instruite des conséquences y relatives et après avoir eu la possibilité de s'en aller; il en va de même si A. retourne dans le République du Kazakhstan après l'avoir quittée ou si elle y est ramenée par un Etat tiers (
art. 38 al. 2 EIMP
).
h. Toute personne officielle représentant la Suisse dans la République du Kazakhstan pourra rendre visite à A., sans que les rencontres ne fassent l'objet de mesures de contrôle. A. pourra en tout temps s'adresser à ce représentant. En outre, ledit représentant pourra s'enquérir de l'état de la procédure et assister aux débats judiciaires. Un exemplaire de la décision mettant fin à la procédure pénale lui sera remis.
2. L'extradition de A. ne sera pas exécutée et le mandat d'arrêt en vue d'extradition du 22 décembre 1995 révoqué, si la République du Kazakhstan ne confirme pas les garanties mentionnées sous lettres a-e et g-h et si le Président de la République du Kazakhstan ne fournit pas la garantie mentionnée sous lettre f, dans le délai qui lui sera imparti par l'Office fédéral.
3. L'extradition de A. ne sera pas exécutée jusqu'à droit jugé sur le recours interjeté devant la Commission fédérale de recours en matière d'asile contre la décision rendue le 29 mai 1996 par l'Office fédéral des réfugiés.
4. L'extradition de A. ne sera pas exécutée si la Commission fédérale de recours en matière d'asile lui accorde l'asile." | public_law | nan | fr | 1,997 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
c798aa29-6a33-4725-8595-9dfb78444ea1 | Urteilskopf
81 II 175
30. Urteil der I. Zivilabteilung vom 24. Juni 1955 i.S. Productos Aktiengesellschaft gegen Ruckstuhl. | Regeste
Internationales Privatrecht, Rechtswahl, Verrechnung.
Voraussetzungen für die Annahme einer nachträglichen Rechtswahl der Parteien durch konkludentes Verhalten.
Rückweisung in analoger Anwendung von
Art. 60 Abs. 1 lit. c OG
, wenn auf Grund des angefochtenen Urteils nicht entschieden werden kann, welchem Recht die zur Verrechnung verstellte Forderung untersteht. | Erwägungen
ab Seite 175
BGE 81 II 175 S. 175
1.
Die Beklagte anerkennt an sich, dass dem Kläger gegen sie eine Forderung von Fr. 10'910.15 aus Strumpflieferungen zusteht, macht aber verrechnungsweise Gegenforderungen in höherem Betrage geltend. Die Vorinstanz hat die Verrechnungseinrede verworfen. Mit ihrer Berufung hält die Beklagte eine der erhobenen Gegenforderungen im Betrage von Fr. 12'000.-- aufrecht. Dabei handelt es sich um eine Forderung, die ursprünglich der Firma Swiss Rucky in New-York dem Kläger gegenüber zugestanden haben und dann der Beklagten abgetreten worden sein soll. Für diese Forderung hatte der Kläger
BGE 81 II 175 S. 176
seinerzeit drei von der Firma Swiss Rucky auf ihn gezogene, am 25. März, 25. April und 25. Mai 1953 fällige Wechsel akzeptiert.
2.
Die Vorinstanz hat zunächst die Frage geprüft, von welchem Recht die streitige Gegenforderung beherrscht sei. Sie hat festgestellt, dass die Parteien über die für die Anknüpfung massgebliche Natur der abgetretenen Forderung und die Rechtsbeziehungen zwischen dem Schuldner und dem Abtretenden nichts ausgeführt haben. Daraus hat sie gefolgert, die Parteien hätten stillschweigend zu erkennen gegeben, dass sie schweizerisches Recht angewendet haben wollten. Dieses wäre übrigens nach den weiteren Ausführungen der Vorinstanz auch als Ersatzrecht gemäss § 100 Abs. 2 zürch. ZPO anzuwenden, da einerseits das Gericht keine nähere Kenntnis des hier in Frage kommenden amerikanischen Rechts für sich in Anspruch nehmen könne und anderseits keine der Parteien eine Abweichung vom schweizerischen Recht auch nur behauptet, geschweige denn nachgewiesen habe.
3.
Da das.Bundesgericht zur Beurteilung der streitigen Gegenforderung nur befugt ist, sofern diese dem schweizerischen Recht untersteht, ist von Amtes wegen die Frage des anwendbaren Rechts zu prüfen. Dabei ist davon auszugehen, dass es den Parteien auf dem Gebiete des internationalen Schuldrechts frei steht, die massgebende Rechtsordnung auch auf dem Wege einer nachträglichen Rechtswahl zu bestimmen oder zu ändern. Das kann auch durch konkludentes Verhalten geschehen; Voraussetzung hiefür ist aber eine übereinstimmende Willensbekundung seitens der Parteien, aus der zweifelsfrei ersichtlich ist, dass beide ein- und dieselbe Rechtsordnung auf ihr Vertragsverhältnis angewendet wissen wollen. Eine solche Willensbekundung ist namentlich darin zu erblicken, dass beide Parteien sich im Prozess ohne weiteres auf ein bestimmtes Recht berufen (vgl.
BGE 79 II 302
).
Anders verhält es sich dagegen, wenn, wie gerade im
BGE 81 II 175 S. 177
vorliegenden Falle, die Parteien sich mit der Frage der Rechtsanwendung überhaupt nicht befasst haben. Unter solchen Umständen kann eine Willensbekundung nur dort angenommen werden, wo nach der in Frage stehenden kantonalen ZPO die Anwendbarkeit ausländischen Rechts schlechthin davon abhängt, dass es von den Parteien angerufen wird; dann ist nämlich das Stillschweigen der Parteien als Verzicht auf die Anwendung eines andern als des schweizerischen Rechts zu bewerten (
BGE 80 II 180
). So verhält es sich aber auf Grund der zürcherischen ZPO nicht. Vielmehr hat nach deren § 100 Abs. 1 der Richter von Amtes wegen zu prüfen, ob schweizerisches oder ausländisches Recht (und gegebenenfalls welches) anwendbar sei. Zwar wird dann in Abs. 2 beigefügt: "Handelt es sich indessen um fremdes Recht, von dessen Inhalt der Richter keine sichere Kenntnis hat, so darf die Übereinstimmung mit dem hiesigen Recht angenommen werden, sofern nicht von einer Partei Abweichungen behauptet und nachgewiesen worden sind". Damit wird indessen lediglich eine Vermutung bezüglich des Inhalts einer an sich anwendbaren, nach dem vorausgehenden Absatz von Amtes wegen zu ermittelnden Rechtsordnung aufgestellt.
Eine Willensbekundung der Parteien hinsichtlich des anwendbaren Rechtes liegt daher entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht vor.
4.
Bei dieser Sachlage stellt sich die weitere Frage, nach welcher Rechtsordnung sich Zulässigkeit und Voraussetzungen der von der Berufungsklägerin geltend gemachten Verrechnung bestimmen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist hiefür die Rechtsordnung massgebend, von der die zu tilgende Verpflichtung beherrscht wird (
BGE 77 II 190
). Das ist im vorliegenden Fall das schweizerische Recht, da die Klageforderung, die nach der Behauptung der Berufungsklägerin durch Verrechnung getilgt ist, sich auf den Verkauf von Ware eines in der Schweiz ansässigen schweizerischen
BGE 81 II 175 S. 178
Verkäufers an eine Käuferin stützt, die ihren Sitz ebenfalls in der Schweiz hat. Zulässigkeit und Voraussetzungen der Verrechnung sind indessen nicht streitig, so dass auf diese Fragen nicht eingetreten zu werden braucht.
Streitig ist dagegen, ob die von der Berufungsklägerin zur Verrechnung gestellte Gegenforderung überhaupt gültig auf sie übergegangen, sowie, ob sie fällig sei. Für diese beiden Fragen ist jedenfalls dem Grundsatze nach das Recht massgebend, dem diese Gegenforderung untersteht. Um dieses bestimmen zu können, muss man die Rechtsnatur dieser Gegenforderung, d.h. ihren Entstehungsgrund, kennen. Hierüber sind dem angefochtenen Urteil keinerlei Anhaltspunkte zu entnehmen. Da aber das Bundesgericht seine Zuständigkeit, die von dem anwenbaren Recht abhängt, von Amtes wegen zu prüfen hat, muss das angefochtene Urteil in analoger Anwendung von
Art. 60 Abs. 1 lit. c OG
aufgehoben und die Sache zur Ergänzung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen werden. | public_law | nan | de | 1,955 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
c79c356f-f2bd-415e-ace4-294071ecdccd | Urteilskopf
104 II 198
32. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 26. Juni 1978 i.S. Erben Eichenberger gegen Widmer | Regeste
Art. 97 Abs. 1 OR
. Berechnung des Schadens bei Nichterfüllung.
1.
Art. 191 Abs. 2 und Abs. 3 OR
verbieten dem Richter nicht, sich bei der Schadensberechnung für einen Grundstückkauf auf ähnliche Kriterien zu stützen.
2. Die blosse Verwendung objektiver Elemente macht eine Schadensberechnung zudem nicht zu einer abstrakten. | Sachverhalt
ab Seite 198
BGE 104 II 198 S. 198
A.-
Mit öffentlich beurkundetem Vertrag vom 2. April 1971 verkaufte Gottfried Eichenberger dem Arthur Widmer in Aeugst am Albis die Parzelle Nr. 7'063, bestehend aus 7'600 m2 Wiesland. Die Parteien setzten den Kaufpreis auf Fr. 326'800.- fest. Die Handänderung im Grundbuch wurde für den 31. März 1972 vorgesehen, aber nicht vorgenommen.
Am 10. Mai 1972 verkaufte Eichenberger, der später starb, die Parzelle zum Preise von Fr. 456'000.- an einen Dritten.
B.-
Widmer klagte gegen die Erben Eichenberger auf Zahlung von Fr. 178'770.30 Schadenersatz nebst Zins.
Das Bezirksgericht Affoltern holte über den Wert der Parzelle ein Gutachten ein und hiess gestützt darauf die Klage im Betrage von Fr. 129'836.25 gut. Beide Parteien appellierten an das Obergericht des Kantons Zürich. Dieses erblickte den Schaden im Unterschied zwischen dem Verkehrswert der Parzelle am 10. Mai 1972 (Fr. 570'000.-) und dem mit Eichenberger am 2. April 1971 vereinbarten Kaufpreis (Fr. 326'800.-). Da die so ermittelte Ersatzforderung den eingeklagten Betrag überstieg, schützte das Obergericht die Klage durch Urteil vom 8. November 1977 in vollem Umfange.
BGE 104 II 198 S. 199
Die Beklagten haben gegen dieses Urteil Berufung eingelegt, die vom Bundesgericht abgewiesen worden ist.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
Ob das Obergericht den Rechtsbegriff des Schadens verkannt, auf unzulässige Berechnungsgrundsätze abgestellt oder das ihm zustehende Ermessen überschritten habe, sind Rechtsfragen und daher vom Bundesgericht überprüfbar (
BGE 99 II 373
,
BGE 95 II 265
,
BGE 82 II 33
E. 6,
BGE 77 II 299
).
a) Schaden ist ungewollte Verminderung des Reinvermögens. Er kann in einer Verminderung der Aktiven, einer Vermehrung der Passiven oder in entgangenem Gewinn bestehen und entspricht nach allgemeiner Auffassung der Differenz zwischen dem gegenwärtigen Vermögensstand und dem Stand, den das Vermögen ohne das schädigende Ereignis hätte (
BGE 97 II 176
,
BGE 90 II 424
; OFTINGER, Schweizerisches Haftpflichtrecht, 4. Aufl. I S. 53 ff.; VON TUHR/PETER, OR S. 84/5; GUHL/MERZ/KUMMER, OR S. 83 und 85). Davon geht auch das Obergericht aus, was die Beklagten nicht beanstanden; sie anerkennen vielmehr, dass der Kläger einen Schaden im genannten Sinne erlitten hat und dass sie dafür grundsätzlich haften.
Das Obergericht leitet die Haftpflicht der Beklagten aus
Art. 97 Abs. 1 OR
ab, weil ihr Rechtsvorgänger die Erfüllung des mit dem Kläger abgeschlossenen Kaufvertrages schuldhaft verunmöglicht habe. Es fügt bei, die besondern Bestimmungen der
Art. 190 und 191 OR
seien vorliegend nicht direkt und wären ohnehin nur analog anwendbar, da sie den Fahrniskauf beträfen. Sie handelten zudem vom Verzug des Verkäufers im kaufmännischen Verkehr, wovon hier nicht die Rede sei. Art. 191 gelte ferner hauptsächlich für den Verkauf vertretbarer Sachen; Liegenschaften zählten aber nicht dazu. Die Bestimmung des dem Kläger erwachsenen Schadens richte sich daher nach den allgemeinen Vorschriften der Art. 97 ff. sowie der
Art. 42 und 43 OR
.
Auch dagegen haben die Beklagten grundsätzlich nichts einzuwenden. Sie wollen aber klargestellt wissen, dass
Art. 191 OR
sich nicht bloss hauptsächlich, sondern jedenfalls in den hier interessierenden Abs. 2 und 3 einzig auf vertretbare Sachen beziehe, weshalb diese Vorschriften auf Grundstückkäufe überhaupt nicht anwendbar seien. Die vom Obergericht angeführte
BGE 104 II 198 S. 200
Lehre ändere daran nichts; diese sei sich keineswegs darin einig, dass die abstrakte Schadensberechnung allgemein Anwendung finde. Wenn in der Lehre von "ähnlichen Kriterien" wie den in
Art. 191 Abs. 2 und 3 OR
für den Handelskauf genannten die Rede sei, auf welche die Schadensberechnung beim bürgerlichen Kauf gestützt werden könne, so setze eine derartige Verallgemeinerung doch einen Markt- oder Börsenpreis bzw. einen Verkäuflichkeitspreis der vertretbaren Sache voraus, woran es hier fehle. Nach den massgebenden Bestimmungen der
Art. 97 ff., 42 und 43 OR
habe der Kläger nicht bewiesen, dass sein Schaden die Differenz zwischen den beiden Verkaufspreisen übersteige.
b) Ob und inwieweit die Bestimmungen der
Art. 190 und 191 OR
als solche nur im kaufmännischen Verkehr oder allgemein anwendbar seien, ist in der Lehre umstritten (vgl. CAVIN, in Schweizerisches Privatrecht VII/1 S. 46/47; VON TUHR, in SJZ 18/1921/1922 S. 367; GUHL/MERZ/KUMMER, OR S. 90; OSER/SCHÖNENBERGER, N. 1/2 zu
Art. 191 OR
; GIGER, N. 42/43 zu
Art. 191 OR
). Darauf braucht hier indes nicht näher eingegangen zu werden. Das Obergericht hat den Schaden nach den Grundsätzen der Art. 97 ff. in Verbindung mit
Art. 42 und 43 OR
beurteilt, auf die übrigens sinngemäss
Art. 191 Abs. 1 OR
mit Geltung auch für den kaufmännischen Verkehr verweist (CAVIN, a.a.O. S. 46; BECKER, N. 3 und OSER/SCHÖNENBERGER, N. 2 zu
Art. 191 OR
). Das hindert den Richter nach der Auffassung der Vorinstanz freilich nicht, in diesem Rahmen auch Gedanken mitzuberücksichtigen, die insbesondere dem
Art. 191 OR
zugrunde liegen. Das ist entgegen den Einwänden der Beklagten ebenfalls nicht zu beanstanden, zumal der Richter gemäss
Art. 42 Abs. 2 OR
nicht ziffermässig nachweisbaren Schaden nach pflichtgemässem Ermessen zu schätzen hat.
BGE 89 II 214
steht dem nicht entgegen. Was dort über Eigenart und Preis chinesischer Rollbilder gesagt worden ist, trifft in keinem Belange zu für die Liegenschaft in einem zur Überbauung bestimmten Gebiet, um die es hier geht. Die übrigen Erwägungen jenes Entscheides, der ein kaufmännisches Geschäft betraf, sind nicht dahin zu verstehen, dass der Richter sich bei der Schadensberechnung für einen bürgerlichen Kauf nicht auf ähnliche Kriterien wie
Art. 191 Abs. 2 und 3 OR
stützen dürfe (CAVIN, a.a.O. S. 47; vgl. VON BÜREN, OR Bes. Teil S. 15 Anm. 55).
BGE 104 II 198 S. 201
Es geht nicht an, jede an anderen objektiven Gegebenheiten orientierte Schadensberechnung mangels ausdrücklichen gesetzlichen Vorbehaltes allein deshalb als unzulässig zu verwerfen, weil
Art. 191 Abs. 3 OR
für den Fahrniskauf eine abstrakte Berechnung eigens regelt. Anhand objektiver Kriterien kann der Schaden namentlich dort nach
Art. 42 OR
konkret bestimmt werden, wo solche Kriterien als Anhalt für richterliches Ermessen dienen. Das gilt insbesondere für die Ermittlung entgangenen Gewinns, die hypothetischen Charakter hat und vorab auf den gewöhnlichen Lauf der Dinge ausgerichtet ist (VON TUHR/PETER, OR S. 100; GUHL/MERZ/KUMMER, OR S. 86). Die blosse Verwendung objektiver Elemente macht eine Schadensberechnung noch nicht zur abstrakten im Sinne von
Art. 191 Abs. 3 OR
. Das scheint auch das Obergericht andeuten zu wollen, wenn es beifügt, dass "sogenannte" abstrakte Schadensberechnungen gestützt auf allgemeine Vorschriften des Haftpflichtrechtes längst anerkannt seien.
c) Hätte Eichenberger den Kaufvertrag vom 2. April 1971 erfüllt, so wäre die Parzelle Nr. 7'063 in das Vermögen des Klägers übergegangen. Als Teil dieses Vermögens musste ihr Wert nach dem Schadensbegriff ermittelt werden, da der Kläger die Parzelle als Bauland verwenden wollte und keinen vergleichbaren Ersatz erhielt. Dass das Obergericht dabei von dem durch Expertise festgestellten Verkehrswert ausging, der nach den Erläuterungen des Experten dem Landwert entspricht und unabhängig davon ist, ob der Kläger das Grundstück selber überbauen lassen oder wieder veräussern wollte, ist nicht zu beanstanden. Grundbesitz wird im Vermögensstand üblicherweise mit dem Verkehrswert eingesetzt. Dieser lag hier, wie die Expertise ergab, schon im April 1971 über dem vertraglichen Kaufpreis und stieg bis zum 10. Mai 1972 auf Fr. 570'000.-. Entsprechend hätte sich bis zu diesem Zeitpunkt auch das Vermögen des Klägers vergrössert. Es ist nicht zu ersehen, weshalb ihm der entgangene Zuwachs, soweit dieser durch sein Klagebegehren gedeckt ist, nicht als Schaden ersetzt werden sollte. | public_law | nan | de | 1,978 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
c79d8d45-f273-4786-a7d3-0bae94c0bea5 | Urteilskopf
92 IV 4
2. Urteil des Kassationshofes vom 9. März 1966 i.S. R. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich. | Regeste
Art. 48 StGB
; Bemessung der Busse.
Nach dem Verschulden bestimmt sich die Härte der Strafe; nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen unter anderem ist die Höhe der Busse so zu bemessen, dass sie den Gebüssten in dieser Härte treffe. | Sachverhalt
ab Seite 4
BGE 92 IV 4 S. 4
A.-
R. fuhr am 7. April 1965 nach 01.45 Uhr, von einem Hochzeitsfest kommend, mit 0,98 Gewichtspromille Alkohol
BGE 92 IV 4 S. 5
im Blut seinen Personenwagen Morris vom Golfhaus Zumikon bis zum General Guisan-Quai in Zürich 1. Seine Geschwindigkeit wurde von der Polizei, die ihn wegen der auffallend forschen Fahrweise anhielt, auf 70 km/Std. geschätzt.
B.-
Das Bezirksgericht Zürich, 4. Abteilung, verurteilte deshalb R. am 31. August 1965 wegen Fahrens in angetrunkenem Zustande gemäss
Art. 91 Abs. 1 SVG
zu einer Busse von Fr. 5'000.--, bedingt löschbar, bei einer Probezeit von zwei Jahren.
C.-
Das Obergericht des Kantons Zürich, I. Strafkammer, bei dem der Verurteilte auf dem Wege der Berufung eine Herabsetzung der Busse beantragt hatte, bestätigte durch Urteil vom 9. Dezember 1965 die erstinstanzliche Entscheidung. Seine Begründung schliesst mit dem Satz: "Dabei ist sich das Gericht bewusst, dass die Höhe der Busse sich nur halten lässt, wenn man in erster Linie den
Art. 48 StGB
entscheidend seinlässt und erst sekundär im so vorgeschriebenen Rahmen das Verschulden und die übrigen Zumessungsfaktoren berücksichtigt; müsste primär auf das Verschulden abgestellt werden, so würde die Strafe wesentlich geringer ausfallen".
D.-
Der Gebüsste führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das vorinstanzliche Urteil aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung - sinngemäss zur Herabsetzung der Busse gemeint - an das Obergericht zurückzuweisen.
Die Staatsanwaltschaft schliesst auf Abweisung der Beschwerde.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1.
Gemäss
Art. 48 Ziff. 2 Abs. 1 StGB
bestimmt der Richter den Betrag der Busse je nach den Verhältnissen des Täters so, dass dieser durch die Einbusse die Strafe erleidet, die seinem Verschulden angemessen ist. Von Bedeutung sind nach Absatz 2 der nämlichen Ziffer u.a. namentlich das Einkommen und das Vermögen des Täters. Mit dieser Bestimmung will nichts anderes erreicht werden, als dass durch die auszufällende Busse der wirtschaftlich Starke nicht minder hart getroffen werde als der wirtschaftlich Schwache. Darin liegt nicht, wie im angefochtenen Urteil ausgeführt wird, eine Abweichung, sondern eine Bestätigung der in
Art. 63 StGB
enthaltenen allgemeinen Strafzumessungsregel, die im Hinblick auf die Besonderheit der Busse in
Art. 48 Ziff. 2 StGB
lediglich
BGE 92 IV 4 S. 6
eine entsprechende Verdeutlichung erfährt (vgl. zu dieser Bestimmung die Kommentare THORMANN/VON OVERBECK N. 8 und LOGOZ N. 6 lit. c, sowie WAIBLINGER in ZBJV Bd. 88 S. 198). Ebensowenig lässt sich sagen, das Verschulden sei erst in zweiter Linie, innerhalb des durch Einkommen und Vermögen gezogenen Rahmens zu würdigen. Das Verschulden bildet vielmehr auch hier die Grundlage der Strafzumessung. Nach ihm bemisst sich, wie hart die Strafe den Schuldigen treffen soll. Erst danach ist nebst den übrigen in
Art. 48 Ziff. 2 Abs. 2 StGB
genannten Umständen (Familienstand, Familienpflichten, Beruf, Erwerb, Alter, Gesundheit) anhand der Einkommens- und Vermögensverhältnisse die Höhe der Busse so anzusetzen, dass sie den Verurteilten in der dem Verschulden angepassten Härte treffe.
2.
Nach den übrigen Erwägungen des Obergerichts würde das Urteil vor Bundesrecht ohne weiteres standhalten. Das Verschulden des Beschwerdeführers kann auf Grund der vorinstanzlichen Feststellungen nicht als leicht bezeichnet werden, weder im Hinblick auf die vor seiner Fahrt eingenommene Menge alkoholischer Getränke (ein Glas Champagner, drei Gläser Weisswein und etwa fünf Gläser Bordeaux im Verlauf von sechs Stunden), noch angesichts seiner Fahrweise, die mit 70 km/Std. innerorts eine übersetzte Geschwindigkeit aufwies. Dazu kommt, dass R. schon mehrmals wegen Verletzung von Verkehrsregeln hatte gebüsst werden müssen, vorab wegen zu raschen Fahrens, vorschriftswidrigen und rücksichtlosen Überholens. Müsste, wie die Vorinstanz erklärt, nach der Regel für die gleiche Verfehlung ein Angeklagter mit einem Jahreseinkommen von Fr. 12'000.-- mit Fr. 300.-- gebüsst werden. so erleidet R., der an Einkommen das zwanzigfache erwirbt, mit einer Busse von Fr. 5'000.-- verhältnismässig immer noch das kleinere Strafübel als jener.
Auch vom Gesichtspunkte des in
Art. 91 Ziff. 1 SVG
vorgesehenen Strafrahmens, der für Fahren in angetrunkenem Zustande neben Bussen bis zu Fr. 20'000.-- auch Gefängnisstrafen bis zu sechs Monaten vorsieht, ist gegen die streitige Busse nichts einzuwenden.
3.
Aus allen diesen Gründen stünde der Abweisung der Beschwerde nichts im Wege und könnte von einer Rückweisung der Sache an die Vorinstanz abgesehen werden, wenn diese in ihren Urteilserwägungen nicht zugleich die unrichtige Auffassung
BGE 92 IV 4 S. 7
vertreten würde, das Verschulden sei nur "sekundär" im Rahmen der wirtschaftlichen Verhältnisse zu berücksichtigen, verbunden mit der Erklärung, die Strafe würde erheblich geringer ausfallen, wenn - wie es dem Grundgedanken des Gesetzes entspricht - primär auf das Verschulden abgestellt werden müsste. Obwohl nach dem Gesagten nicht einzusehen ist, weshalb unter den gegebenen, vom Obergericht zutreffend gewürdigten Umständen die dem Beschwerdeführer aufzuerlegende Einbusse geringer als Fr. 5'000.-- sein soll, ist es dem Kassationshof verwehrt, sein eigenes Ermessen an die Stelle desjenigen der kantonalen Richter zu setzen. Der Vorinstanz ist daher Gelegenheit zu geben, auf Grund der richtiggestellten Gesetzesauslegung neu zu entscheiden.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird dahin gutgeheissen, dass das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur neuen Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen wird. | null | nan | de | 1,966 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
c7a2dd08-d122-45a4-80bf-a914f927a2c5 | Urteilskopf
106 V 123
29. Extrait de l'arrêt du 22 février 1980 dans la cause Volery contre Caisse romande d'assurance-maladie et accidents "L'Avenir" et Caisse romande d'assurance-maladie et accidents "L'Avenir" contre Volery et Tribunal cantonal de l'Etat de Fribourg | Regeste
Art. 159 Abs. 2 OG
.
Den Krankenkassen, die vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht obsiegen, sind in der Regel keine Parteientschädigungen zuzusprechen. | Erwägungen
ab Seite 123
BGE 106 V 123 S. 123
Extrait des considérants:
3.
... Quant aux dépens, bien qu'elle obtienne gain de cause, la caisse-maladie "L'Avenir" ne saurait s'en voir allouer. Reconsidérant la question, la Cour plénière a en effet décidé qu'il y avait désormais lieu de réputer toute caisse-maladie reconnue "organisme chargé de tâches de droit public", au sens de l'art. 159 al. 2 OJ, contrairement à la pratique antérieure (v. p.ex. RJAM 1972 no 122 p. 60). Le Tribunal fédéral des assurances a du reste déjà qualifié ainsi les caisses reconnues, dans d'autres circonstances (s'agissant p. ex. de l'exclusion de voies de recours internes - ATFA 1967 p. 66; ou encore à propos de l'appartenance à une caisse-maladie - arrêt non publié Magnenat du 14 avril 1978). A juste titre, car ces institutions bénéficient de subventions officielles pour accomplir les tâches qui leur sont dévolues; elles sont par ailleurs
BGE 106 V 123 S. 124
investies du pouvoir de rendre des décisions qui, si elles ne sont pas attaquées en justice, entrent en force de chose jugée.
Des exceptions à la règle qu'on n'alloue pas de dépens aux organismes chargés de tâches de droit public sont certes possibles. Mais elles ne sauraient intervenir que dans des cas très particuliers, par exemple lorsque, en raison de la complexité du litige, on ne saurait attendre d'une caisse qu'elle se passe des services d'un avocat indépendant. Ce n'est pas le cas en l'occurrence. | null | nan | fr | 1,980 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
c7a5b91f-bb8c-4a1d-b359-80319360965d | Urteilskopf
80 I 44
9. Auszug aus dem Urteil vom 26. März 1954 i.S. Carl Hamel, Spinn- und Zwirnereimaschinen AG gegen Eidg. Steuerverwaltung. | Regeste
Warenumsatzsteuer:
1. Lieferung von Textilmaschinen, die vom Besteller im Werk des Fabrikanten abgenommen und dann von diesem am Bestimmungsort auf Grund besonderen Auftrages zusammengesetzt werden. Der Abgabe unterliegt ausser der in der Maschinenfabrik vollzogenen Lieferung auch die Ablieferung der zusammengesetzten Ware.
2. Berechnung des Entgelts für die zweite Lieferung. | Sachverhalt
ab Seite 45
BGE 80 I 44 S. 45
A.-
Die Beschwerdeführerin ist Grossist im Sinne des Warenumsatzsteuerbeschlusses (WUStB). Nach den von ihr aufgestellten "allgemeinen Lieferungsbedingungen" liefert sie die Textilmaschinen, die sie herstellt, "ab Werk". Können versandbereite Waren ohne ihr Verschulden auf den vorgesehenen Zeitpunkt nicht abgeliefert werden, so geht deren Lagerung auf Kosten und Gefahr des Bestellers. Ist eine bestellte Maschine fertiggestellt und versandbereit, so teilt die Beschwerdeführerin das dem Besteller mit. Wenn die montierte Maschine für den Transport zu schwer und unförmig ist, so wird sie vor dem Versand demontiert. Der Besteller erhält in diesem Fall gleichzeitig mit der Anzeige, dass die Maschine versandbereit zu seiner Verfügung in der Fabrik stehe, ein Kisten-Inhaltsverzeichnis. Er holt die Maschine bei der Beschwerdeführerin ab oder lässt sie abholen, oder er beauftragt die Beschwerdeführerin mit dem Versand.
Die Montage und die Inbetriebsetzung der Maschine ist nach den "allgemeinen Lieferungsbedingungen" im Preise nicht inbegriffen. Einzelne Kunden der Beschwerdeführerin besorgen diese Arbeiten selber. Die Beschwerdeführerin stellt auf Wunsch ihre Monteure zur Verfügung. Hiefür werden in Rechnung gestellt die Löhne nach Massgabe der Reisestunden, der Arbeits- und Wartezeit, ferner die Auslagen für Bahnbillette, für den Transport der Montagewerkzeuge und des Monteurgepäcks und für den auswärtigen Unterhalt des Monteurs.
Die Beschwerdeführerin behält sich bis zur gänzlichen
BGE 80 I 44 S. 46
Abzahlung des Preises das Eigentum an den von ihr gelieferten Maschinen vor. Es wird jeweils vereinbart, dass diese Objekte nicht Zugehör einer Liegenschaft des Bestellers sein sollen.
B.-
Die Beschwerdeführerin hat in ihren Abrechnungen über die Warenumsatzsteuer die für die Montage von Maschinen erhaltenen Entgelte um die Auslagen für Bahnbillette, Unterhalt des Monteurs und Transport der Werkzeuge gekürzt. Die eidg. Steuerverwaltung (EStV) fordert für die Zeit vom 1. Januar 1948 bis zum 31. März 1953 von den abgezogenen Beträgen die Steuer (4%) nach. Auf Einsprache hin hat sie an dem Anspruch festgehalten (Entscheid vom 17. Dez. 1953).
C.-
Gegen diesen Entscheid erhebt die Firma Hamel Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Sie macht geltend, dass im Zeitpunkte, wo sie dem Kunden die Maschine in der Fabrik zur Vergütung stelle, die Lieferung im Sinne des Warenumsatzsteuerbeschlusses (Art. 15) vollzogen sei. Was sie nachher auf Grund des gleichen Vertrages, der dieser Lieferung zugrunde liege, auf Wunsch des Kunden noch besorge, sei umsatzsteuerrechtlich belanglos. Die von ihr nach Ankunft der Ware beim Kunden ausgeführte Montage sei keine Herstellung im Sinne von
Art. 10 Abs. 2 WUStB
; diese Leistung erfordere keine Zulieferung von Material.
Sollte auch die Montage eines Steueranspruch begründen, so wäre die Berechnung der Steuer zu berichtigen. Zunächst wären nach
Art. 22 Abs. 2 WUStB
vom Entgelt die Auslagen für den Transport des Montagewerkzeugs, die Reisespesen des Monteurs und die Kosten seines auswärtigen Unterhalts abzuziehen. Das übrige Entgelt, bestehend aus den Stundenlöhnen, wäre zum Pauschalsatz von 0,8% zu besteuern; durch die Anwendung dieses von der Verwaltungspraxis (Mitteilungen Nr. 2 a, c und d der EStV) zugelassenen Satzes würde erreicht, dass die Löhne, die auf die Arbeit nach der Verbindung der Maschine mit dem Gebäude des Bestellers entfallen (sog.
BGE 80 I 44 S. 47
Verbindungslöhne), entsprechend
Art. 22 Abs. 1, Satz 3 WUStB
ausser Betracht blieben.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Der Warenumsatzsteuerbeschluss unterwirft der Abgabe unter anderem die Lieferung im Inlande (Art. 13 Abs. 1 lit. a). Nach Art. 15 Abs. 1 liegt eine Lieferung vor, wenn der Abnehmer instand gesetzt wird, im eigenen Namen - wie ein Eigentümer - über eine Ware zu verfügen, die sich im Zeitpunkte der Verschaffung der Verfügungsmacht im Inlande befindet (
BGE 74 I 68
). Als Lieferung gilt nach Abs. 2 daselbst auch die Ablieferung einer auf Grund eines Werkvertrages oder Auftrages hergestellten Ware. Als Herstellung ist nach der ausdrücklichen Vorschrift in
Art. 10 Abs. 2 WUStB
auch die Zusammensetzung einer Ware anzusehen. Ob die Herstellung für den ausführenden Grossisten Arbeit und die Zulieferung von Material oder nur Arbeit erfordert, ist gleichgültig (
BGE 73 I 268
Erw. 2). Die Ablieferung im Sinne von Art. 15 Abs. 2 ist vollzogen in dem Zeitpunkte, da der Unternehmer oder Beauftragte dem Besteller oder Auftraggeber die hergestellte Ware übergibt oder zu seiner Verfügung freigibt (
BGE 74 I 70
Erw. 3).
a) Aus den "allgemeinen Lieferungsbedingungen" der Beschwerdeführerin ergibt sich, dass sie die bei ihr bestellten Maschinen "ab Werk" liefert. Im Zeitpunkte, in dem der Abnehmer die Mitteilung der Beschwerdeführerin erhält, dass die bestellte Maschine in der Fabrik versandbereit zu seiner Verfügung steht, wird er instand gesetzt, über die Ware im eigenen Namen zu verfügen. Damit ist eine Lieferung im Sinne des
Art. 15 WUStB
vollzogen, was die Beschwerdeführerin auch anerkennt.
b) Nach dieser Lieferung versendet die Beschwerdeführerin die Maschine, sofern der Kunde nicht vorzieht, die Ware selber abzuholen oder durch einen Dritten abholen zu lassen. Der Versand durch die Beschwerdeführerin setzt einen besonderen Auftrag des Kunden voraus. Die
BGE 80 I 44 S. 48
Erfüllung dieses Auftrages ist nicht Warenlieferung im Sinne des WUStB oder Teil einer solchen, sondern tritt zu der im Werk der Beschwerdeführerin vollzogenen Lieferung als selbständige Leistung hinzu, die der Warenumsatzsteuer nicht unterliegt. Der Abnehmer empfängt vom Frachtführer dieselbe Ware, die ihm bereits in der Fabrik der Beschwerdeführerin, bereit zum Versand, zur Verfügung gestellt und damit geliefert worden ist; aus dem Gegenstand der damaligen Lieferung ist bis zur Ablieferung durch den Frachtführer nicht etwas Neues hergestellt worden. Diese Ablieferung fällt daher nicht unter
Art. 15 Abs. 2 WUStB
.
c) Für die Montage der Maschine am Bestimmungsort stellt die Beschwerdeführerin dem Kunden auf Wunsch Monteure zur Verfügung. Wünscht das der Kunde, so schliesst die Beschwerdeführerin mit ihm eine weitere besondere Vereinbarung ab, durch die sie sich verpflichtet, gegen zusätzliches Entgelt die Montage zu besorgen. Die Montage ist eine Zusammensetzung, also eine Herstellung im Sinne von
Art. 10 Abs. 2 WUStB
, auch wenn sie, wie im Falle der Beschwerdeführerin, für den ausführenden Unternehmer nur Arbeit, nicht auch die Zulieferung von Material erfordert. Sie wird von der Beschwerdeführerin auf Grund eines Werkvertrages oder Auftrages mit besonderer Preisabmachung ausgeführt. Indem die Beschwerdeführerin die so hergestellte Ware dem Kunden wieder zur Verfügung stellt, nimmt sie eine Ablieferung vor, die nach
Art. 15 Abs. 2 WUStB
als Warenlieferung gilt und daher einen Abgabeanspruch begründet. Ihr Einwand, dass "die" Lieferung im Sinne des WUStB schon mit der Abnahme der Maschine in ihrem Werk vollzogen sei, hilft ihr nicht. Die nachherige Montage im Betriebe des Kunden, die sie auf Grund einer besonderen Abmachung übernimmt, ist eine selbständige Leistung, die zu einer neuen steuerbaren Lieferung führt. Unbegründet ist auch der weitere Einwand der Beschwerdeführerin, die Besteuerung der Montagearbeit hätte eine dem Grundsatz der
BGE 80 I 44 S. 49
Rechtsgleichheit widersprechende Benachteiligung der Hersteller grosser Maschinen, die für den Transport zerlegt werden müssen, zur Folge. Wenn kleinere Maschinen für den Transport nicht auseinandergenommen und daher am Bestimmungsort nicht zusammengesetzt werden müssen, so kann es eben nicht dazu kommen, dass der Lieferung "ab Werk" eine auf Grund eines besonderen Auftrages vorzunehmende Wiederherstellung und damit eine zweite Lieferung im Sinne des WUStB folgt. Es kann keine Rede davon sein, dass Gleiches ungleich behandelt wird.
2.
Die Steuer, welcher die Lieferungen unterliegen, wird nach
Art. 20 Abs. 1 lit. a WUStB
von der Summe der vereinnahmten Entgelte berechnet. Zum Entgelt gehört nach Art. 22 Abs. 1, Satz 1 alles, was der Lieferer (oder an seiner Stelle ein Dritter) als Gegenleistung für die Ware erhält. Die Steuer, die der liefernde Grossist schuldet, ist daher von der Bruttoeinnahme zu berechnen, die er auf Grund der Lieferung erzielt. Die Bruttoeinnahme umfasst alle Leistungen, die dem Abnehmer überbunden werden, ohne Unterschied danach, ob die eingenommenen Beträge für den Empfänger Kostenersatz oder Erträgnisse darstellen. Auch die Nebenleistungen, die der Abnehmer bei der Lieferung erbringen muss, sind daher Entgelt im Sinne des Gesetzes, soweit dieses sie nicht ausdrücklich von der Belastung ausnimmt. Die Aufzählung der Ausnahmen in
Art. 22 Abs. 2 WUStB
ist abschliessend (
BGE 74 I 319
; Urteil vom 19. September 1952 in Sachen H., Erw. 1, ASA 21, 205). Nach lit. a ebenda können vom Entgelt die Auslagen für die Beförderung und Versicherung der Waren abgezogen werden, sofern sie vom Lieferer gesondert in Rechnung gestellt werden. Gemeint sind effektive Auslagen an Dritte, und zwar für den Transport der Ware, die Gegenstand der Lieferung ist, auf dem Wege zwischen Lieferer und Abnehmer und für die Versicherung dieser Ware (
BGE 74 I 326
ff., betreffend die entsprechende Bestimmung des Luxussteuerbeschlusses; zit. Urteil H., Erw. 1).
BGE 80 I 44 S. 50
Die Bruttoeinnahme, welche die Beschwerdeführerin zufolge Ablieferung der von ihr im Betriebe des Kunden montierten Maschine erzielt, umfasst eine Gegenleistung für Stundenlöhne, ferner Vergütungen der Auslagen für Bahnbillette, für den Transport des Montagewerkzeugs und des Monteurgepäcks und für den auswärtigen Unterhalt des Monteurs. Alle diese Leistungen sind nach
Art. 22 WUStB
zum steuerbaren Entgelt zu rechnen. Für die Lohnvergütungen wird dies bestätigt durch Abs. 1, Satz 2, wonach bei der Lieferung auf Grund eines Werkvertrages der Werklohn zum Entgelt gehört, auch wenn er gesondert in Rechnung gestellt wird. Zu Unrecht verlangt die Beschwerdeführerin, unter Berufung auf Abs. 2 lit. a ebenda, den Abzug der übrigen Gegenleistungen des Kunden. Dass Billettspesen und Kosten der auswärtigen Verpflegung und Unterkunft des Monteurs nicht unter diese Bestimmung fallen, liegt auf der Hand; denn das sind nicht Auslagen für die Beförderung von Waren. Aber auch die Kosten des Hin- und Rücktransportes des Montagewerkzeugs und des Monteurgepäcks sind nicht abziehbar, auch wenn sie effektive Auslagen an Dritte sind und gesondert in Rechnung gestellt werden. Sie betreffen nicht die Beförderung der Ware, die Gegenstand der Lieferung (Ablieferung) bildet. Sie können so wenig abgezogen werden wie etwa Auslagen für den Hertransport von Werkstoffen, die für die Herstellung der zu liefernden Ware benötigt werden (vgl.
BGE 74 I 327
; zit. Urteil H., Erw. 1).
Haltlos ist auch der Einwand der Beschwerdeführerin, es widerspreche dem Gebot der Gleichbehandlung der Steuerpflichtigen, dass die für die Montage berechneten Löhne und übrigen Kosten besteuert werden, wenn diese Arbeit von ihr übernommen wird, dagegen nicht, wenn der Kunde dieselbe besorgt. Dass die beiden Fälle verschieden behandelt werden, entspricht dem System des Gesetzes, wonach die Steuerpflicht des Grossisten beschränkt ist auf die Umsätze, die Gegenstand seines Geschäftsbetriebes bilden (
BGE 73 I 261
).
BGE 80 I 44 S. 51
3.
Bei der Lieferung von Waren, die zur Herstellung (Neuerstellung oder Instandstellung) von Bauwerken verwendet werden, bemisst sich das steuerbare Entgelt nach dem Wert der Ware im Zeitpunkte ihrer Verbindung mit dem Grund und Boden oder dem Gebäude (
Art. 22 Abs. 1, Satz 3 WUStB
). Daher kommen die Löhne und übrigen Kosten, die auf die Bearbeitung nach dieser Verbindung entfallen (sog. Verbindungslöhne), für die Berechnung des steuerbaren Umsatzes nicht in Betracht. Die Verwaltungspraxis lässt gestützt auf
Art. 34 Abs. 2 WUStB
eine annäherungsweise Ermittlung des steuerbaren Betreffnisses in der Weise zu, dass vom Gesamtbetrag der Kosten der betreffenden baugewerblichen Leistung jeweilen ein bestimmter einheitlicher Prozentsatz für steuerfreie Verbindungslöhne abgezogen wird. So ist für die Montage gewisser Maschinenanlagen vorgesehen, dass vom gesamten Rechnungsbetrag 80% steuerfrei sind und dementsprechend die Steuer, bezogen auf diesen Gesamtbetrag, 0,8% ausmacht. Indessen wendet die Verwaltung die besondere Bewertungsregel von
Art. 22 Abs. 1, Satz 3 WUStB
nur an, wo die Ware derart mit dem Grundstück (Bauwerk) verbunden wird, dass sie zu seinem Bestandteil (
Art. 642 ZGB
) wird. Mit Recht; denn der Wortlaut, insbesondere die französische Fassung ("incorporation"), schliesst eine andere Auffassung aus. Wird eine Maschine, die ein Grossist auf Grund eines Werkvertrages oder Auftrages in der Fabrik des Kunden zu montieren hat, nicht Bestandteil des Fabrikgrundstücks, so bleibt sie auch nach der "Verbindung" mit diesem eine Ware im Sinne des WUStB, da sie nach wie vor Gegenstand eines Fahrniskaufes sein kann (Art. 17). In diesem Fall wird sie nicht "zur Herstellung eines Bauwerkes verwendet" (Art. 22 Abs. 1, Satz 3). Sie wird nach der Montage, als hergestellte Ware, abgeliefert, und darin liegt eine Warenlieferung (Art. 15 Abs. 2). Zum Entgelt für diese Lieferung gehört, nach der allgemeinen Regel (Art. 22 Abs. 1, Satz 1), auch die Gegenleistung für die Bearbeitung, die in der Zeit
BGE 80 I 44 S. 52
zwischen der "Verbindung" und der Ablieferung noch vorgenommen wird.
Die von der Beschwerdeführerin gelieferten Textilmaschinen werden bei der Montage am Bestimmungsort nicht zu Bestandteilen des Fabrikgrundstücks des Bestellers. Es verhält sich nicht so, dass das Aufnahmegebäude nur in Verbindung mit der Maschine bestimmungsgemäss verwendet werden könnte (
BGE 76 II 30
Erw. 2; HAAB, Kommentar zu
Art. 642 ZGB
, N. 12). Eine andere Auffassung wird auch von der Beschwerdeführerin nicht vertreten und wäre übrigens nicht vereinbar mit den von ihr aufgestellten "allgemeinen Lieferungsbedingungen", wonach sie sich das Eigentum an den gelieferten Maschinen bis zur gänzlichen Abzahlung des Preises vorbehält und mit dem Kunden vereinbart, dass die Maschinen nicht einmal Zugehör werden dürfen. Die Beschwerdeführerin hat daher keinen Anspruch darauf, dass die Steuer für die Montage auf 0,8% des gesamten Rechnungsbetrages herabgesetzt wird.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen. | public_law | nan | de | 1,954 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
c7a799c2-18df-4686-8528-c20c9ab559cd | Urteilskopf
115 IV 139
31. Urteil des Kassationshofes vom 23. Mai 1989 i.S. B. gegen Generalprokurator des Kantons Bern (Nichtigkeitsbeschwerde) | Regeste
Art. 36 Abs. 2 SVG
, Art. 14 Abs. 1 und 15 Abs. 2 VRV, neu
Art. 24 Abs. 4 SSV
; Vortrittsrecht im Kreisverkehr.
Die Signale "Kein Vortritt" mit der Zusatztafel "Kreisvortritt" sowie "Kein Vortritt" mit dem neuen Zeichen "Kreisverkehr" bedeuten, dass Linksvortritt gilt. | Sachverhalt
ab Seite 140
BGE 115 IV 139 S. 140
Am 6. Dezember 1987 kam es auf der als Kreisel ausgestalteten Kreuzung Jungfraustrasse/Stockhornstrasse/Pestalozzistrasse in Thun zu einer Kollision mit Sachschaden zwischen zwei Personenwagen. Die in den Kreisel einmündenden Strassen waren mit dem Signal "Kein Vortritt" und der Zusatztafel "Kreisvortritt" signalisiert. Im Kreisel mit einem Durchmesser von zirka 16 m befand sich eine provisorische Verkehrsteilerinsel mit den Signalen "Hindernis rechts umfahren". Auf der Pestalozzistrasse fuhr A. in Richtung Stadtzentrum auf den Kreisel zu und hielt bei der Wartelinie an. Sie sah von rechts das Fahrzeug von B. herannahen, fuhr dann im ersten Gang an und beschleunigte, um geradeaus über die Kreuzung zu fahren. B. mündete von der Jungfraustrasse, ohne anzuhalten, aber mit geringer Geschwindigkeit in den Kreisel ein. Im Kreisel kam es dann zur Kollision zwischen den beiden Fahrzeugen, wobei der Personenwagen der A. gegen die linke Seite des Personenwagens des B. stiess.
Der Gerichtspräsident 2 von Thun verurteilte B. wegen Missachtens des signalisierten Vortrittsrechts zu einer Busse von Fr. 150.--. Eine dagegen eingereichte Appellation wies das Obergericht des Kantons Bern am 23. August 1988 ab.
B. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde und beantragt, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und die Sache zur Freisprechung an das Obergericht zurückzuweisen.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Weder das SVG noch die VRV kennen eine besondere Bestimmung für den Kreisverkehr. Erst mit der Revision der SSV vom 25. Januar 1989 durch den Bundesrat, die am 1. Mai 1989 in Kraft trat, ist ein Signal "Kreisverkehr" eingeführt worden, welches bei kreisförmigen Plätzen die Richtung anzeigt, die der Verkehr im Kreis einzuhalten hat, unter dem Signal "Kein Vortritt"
BGE 115 IV 139 S. 141
steht und in Verbindung mit diesem dem Führer anzeigt, dass er "den im Kreis befindlichen Fahrzeugen" den Vortritt lassen muss (neu Art. 24 Abs. 4).
Die neue Regelung findet auf den vorliegenden Fall noch keine Anwendung. Dazu wird gleichwohl Stellung bezogen, um klarzustellen, dass unter der neuen Regelung in der zitierten Bestimmung der SSV gleich zu entscheiden wäre und der zu fällende Entscheid daher auch für künftige Fälle Geltung beanspruchen kann.
2.
Unter Kreisverkehr ist die Verkehrsabwicklung über einen als Kreisel bezeichneten kreisförmigen Platz zu verstehen. Im Kreisel, der eine besondere Art einer Strassenverzweigung darstellt, wickelt sich der Verkehr im Gegenuhrzeigersinn um einen Mittelpunkt ab. Das Signal "Kein Vortritt" mit der Zusatztafel "Kreisvortritt" auf allen in den Kreisel einmündenden Strassen, wie es in unserem Falle verwendet wurde - oder nach der neuen Regelung die Signalisation "Kein Vortritt" und "Kreisverkehr" -, bedeutet, nachdem die Fahrtrichtung im Kreisel bei unserem Rechtsverkehr nur links herum, d.h. im Gegenuhrzeigersinn verlaufen kann, dass Linksvortritt gilt; die Fahrzeuge im Kreisel, denen aufgrund der angebrachten Signalisation der Vortritt zustehen soll, können nur von links kommen. Die Verkehrsteilnehmer ausserhalb des Kreisels, an die sich die erwähnten Signale richten, sind somit verpflichtet, den von links herannahenden Fahrzeugen den Vortritt zu gewähren.
a) Vortrittsregeln besagen, welches von zwei Fahrzeugen eine Verzweigungsfläche zuerst befahren darf, wenn eine gleichzeitige Benützung derselben, ohne sich gegenseitig zu behindern, nicht möglich ist (und nicht ein Fall des Hinter- oder Nebeneinanderfahrens vorliegt). Der Vortrittsverpflichtete muss "vor Beginn der Verzweigung" halten (
Art. 14 Abs. 1 VRV
) und dem Berechtigten steht das Vortrittsrecht grundsätzlich auf der ganzen Verzweigungsfläche, die der Schnittfläche der zusammentreffenden Fahrbahnen entspricht, zu (
BGE 105 IV 341
,
BGE 102 IV 259
und
BGE 98 IV 115
; SCHAFFHAUSER, Grundriss des Strassenverkehrsrechts I, N. 651 und 666).
b) Aus dieser Umschreibung des Begriffs des Vortrittsrechts in Literatur und Judikatur ergibt sich, dass es entgegen der Meinung des Beschwerdeführers für die Vortrittsberechtigung bzw. die Wartepflicht des Belasteten nicht darauf ankommen kann, welcher Verkehrsteilnehmer zuerst die Verzweigungsfläche erreicht. Entscheidend ist im Gegenteil allein, ob der Belastete die Verzweigungsfläche
BGE 115 IV 139 S. 142
vor dem Berechtigten befahren kann, ohne diesen zu behindern.
Demzufolge hat der in einen Kreisel einmündende Verkehrsteilnehmer jedem von links herannahenden Fahrzeuglenker den Vortritt zu gewähren, den er auf der Verzweigungsfläche behindern würde, wenn er nicht warten würde; dies gleichgültig darum, ob der andere Verkehrsteilnehmer die Kreiselfahrbahn befährt oder von einer Zufahrtsstrasse links von ihm in den Kreisel einmündet und sei dies vor, gleichzeitig oder auch nach ihm.
c) Eine solche Regelung steht entgegen der Auffassung von BUSSY/RUSCONI (2. Aufl., LCR 36, N. 3.2.3) nicht in Widerspruch zu
Art. 15 Abs. 2 VRV
, wonach unter zwei vortrittsbelasteten Strassen, die in eine vortrittsberechtigte einmünden, Rechtsvortritt gilt. Aufgrund der Bedeutung, die der Signalisation im Kreisverkehr nach dem Gesagten beizumessen ist, und weil diese in
Art. 36 Abs. 2 Satz 3 SVG
vorbehalten ist und damit vorgeht, stellt die Kreiselfahrbahn nicht eine vortrittsberechtigte Strasse dar, bei der beide einmündenden Zufahrtsstrassen unter sich aufgrund des Signals "Kein Vortritt" ebenfalls vortrittsbelastet waren, wenn nicht Abs. 2 von
Art. 15 VRV
gelten würde. Im Kreisverkehr besteht infolge der unter dem erwähnten Signal in unserem Falle angebracht gewesenen Zusatztafel "Kreisvortritt" oder des in Zukunft dort stehenden Signals "Kreisverkehr" unter den Zufahrtsstrassen eine Vortrittsregelung, nämlich der Linksvortritt, so dass für eine Anwendung von
Art. 15 Abs. 2 VRV
kein Raum besteht.
Auch mit dem neuen
Art. 24 Abs. 4 SSV
ist die Regelung vereinbar. Dessen Wortlaut ist allerdings nicht glücklich formuliert. Der Verordnungsgeber hatte offensichtlich nur den grossen, eigentlichen Kreisel im Auge, bei welchem sich die Frage des Vortrittsrechts unter den in genügendem Abstand einmündenden Strassen in der Regel nicht stellt. Eine neue Art von Vortrittsrecht in Abweichung vom entsprechenden Begriff des SVG und von Doktrin und Praxis dazu wollte und konnte mit der in einer blossen Verordnung enthaltenen Vorschrift nicht geschaffen werden. Daher steht nichts entgegen, die Umschreibung, "den im Kreis befindlichen Fahrzeugen" sei der Vortritt zu lassen, gemäss dem Sinn und Zweck des Vortrittsrechts so auszulegen, wie dies vorstehend (lit. b) erfolgte.
d) Der sich aus der Signalisation und deren Auslegung ergebende Linksvortritt im Kreisverkehr gegenüber allen und nicht nur den im Kreis befindlichen Verkehrsteilnehmern entspricht allein
BGE 115 IV 139 S. 143
den Erfordernissen eines flüssigen Verkehrsablaufs, dem der Kreisverkehr dienen will, sowie der Rechts- und Verkehrssicherheit.
Gegenüber den Fahrzeugen, die sich bereits auf der Kreisfahrbahn befinden, gilt in jedem Falle in Abweichung von der allgemeinen Rechtsvortrittsregel der Linksvortritt. Würde unter in den Kreisel Einmündenden Rechtsvortritt zur Anwendung gebracht, musste der Fahrzeuglenker im Kreisverkehr gleichzeitig sowohl nach links als auch nach rechts beobachten, um seinen Vorsichtspflichten als Vortrittsbelasteter nachzukommen, womit er überfordert wäre. Dies führte dazu, dass bereits beim kleinsten Verkehrsaufkommen in jedem Falle vor dem Befahren des Kreisels ein Sicherheitshalt eingeschaltet werden müsste. Gerade dies will mit dem Kreisverkehr jedoch verhindert werden.
Richtete sich die Vortrittsberechtigung im Kreisverkehr ausschliesslich danach, welcher Verkehrsteilnehmer sich vor dem anderen im Kreisel befand, würde damit nicht nur auf ein neues und ungewohntes, sondern auch auf ein für den Automobilisten selber und den Richter schwierig zu beurteilendes Kriterium abgestellt. Dies wäre der Rechts- und Verkehrssicherheit abträglich.
3.
Der Beschwerdeführer geht in der Beschwerdebegründung davon aus, beide Fahrzeuge hätten sich bereits im Kreisel befunden, weshalb sich die Frage des Vortrittsrechts gar nicht stelle. Dies trifft nicht zu. Die Vorinstanz kam nach dem oben Gesagten zu Recht zum Schluss, das Fahrzeug der Kollisionsgegnerin auf der Pestalozzistrasse sei von links in den Kreisel eingefahren und daher gegenüber dem Beschwerdeführer vortrittsberechtigt gewesen, und zwar unabhängig davon, welcher der beiden Verkehrsteilnehmer zuerst in den Kreisel eingemündet sei. Der Beschwerdeführer hätte, wie im angefochtenen Entscheid zutreffend festgehalten wurde, seine Fahrweise darauf einstellen müssen, das andere Fahrzeug in seiner Weiterfahrt nicht zu behindern, was bei aufmerksamer Beobachtung ohne weiteres möglich gewesen wäre. Dass der Beschwerdeführer das auf der linken Zufahrt herannahende Fahrzeug innerhalb der Schnittfläche der beiden, den Beteiligten zur Verfügung gestandenen Fahrbahnen in seiner Weiterfahrt behinderte und damit dessen Vortrittsrecht missachtete, ist offensichtlich. Die genaue Abgrenzung der massgeblichen Verzweigungsfläche im Kreisverkehr kann hier daher offenbleiben.
Die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Missachtung des Vortrittsrechts verletzt demzufolge kein Bundesrecht. | null | nan | de | 1,989 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
c7ab2e62-b20d-4a37-9830-7e2edf74ee91 | Urteilskopf
83 II 141
22. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 27. Februar 1957 i.S. Albisser und Mitbeteiligte gegen Schwegler und Obergericht Luzern. | Regeste
Besitzesschutz (
Art. 926 ff. ZGB
).
1. Das Verfahren zur Beurteilung von Besitzesschutzklagen nach
Art. 927 und 928 ZGB
(ordentliches oder summarisches) wird vom kantonalen Rechte bestimmt (Erw. 2 und 3, a).
2. Das kantonale Recht darf den Besitzesschutz nicht an strengere als die vom Bundesrecht aufgestellten Voraussetzungen knüpfen. Für eine Grunddienstbarkeit (Wegrecht) kann der Besitzesschutz (
Art. 919 Abs. 2 ZGB
) auch dann angerufen werden, wenn der Eigentümer des in Anspruch genommenen Landes ein allgemeines amtliches Verbot der Störung seines Eigenbesitzes erwirkt hat (Erw. 3 Anfang und lit. a).
3. Wer den Besitzesschutz für eine Grunddienstbarkeit in Anspruch nimmt (
Art. 919 Abs. 2 ZGB
), hat deren rechtlichen Bestand glaubhaft zu machen (Erw. 3, b). | Sachverhalt
ab Seite 142
BGE 83 II 141 S. 142
A.-
Schwegler ist Eigentümer einer Liegenschaft in Werthenstein. Am 1. September 1956 erwirkte er beim Amtsgerichtspräsidenten von Entlebuch ein allgemeines Verbot des Befahrens einer auf seinem Boden verlaufenden Strasse mit Motorfahrzeugen (Autos, Lastwagen, Traktoren etc.), ferner des Betretens seiner Liegenschaft ausserhalb der bestehenden Wege und des Laufenlassens von Hühnern, wie überhaupt jeder Besitzesstörung, unter Strafandrohung.
B.-
Seine Nachbarn Albisser, Brechbühl und Isenschmid (sowie Koch, der aber am Beschwerdeverfahren nicht mehr beteiligt ist) verlangten unverzüglich die Aufhebung des Verbotes hinsichtlich der Wegbenützung mit Motorfahrzeugen. Sie machten geltend, das streitige Wegstück sei seit jeher ihre Zufahrtstrasse. Für deren Pflege und Unterhalt hätten sie schon etliche Arbeit geleistet, namentlich beim Ausbau der Strasse im Winter 1952/53. Diese sei zum Befahren mit Automobilen geeignet, und heutzutage sei die Benützung solcher Fahrzeuge auch für Bauern unentbehrlich.
Der Beklagte widersetzte sich der Klage. Er verneinte jegliches Durchfahrtsrecht der Kläger und erklärte, er habe zwar nichts dagegen einzuwenden, dass sie das Strässchen "in vernünftigem Masse" mit Pferdefuhrwerken und andern Fahrzeugen benützen, die eine ähnliche Belastung mit sich bringen; dagegen könne er die Benützung mit Lastwagen auch "precario modo" nicht gestatten.
C.-
Der Amtsgerichtspräsident von Entlebuch wies die Verbotsaufhebungsklage ab, weil die Kläger nicht in der Lage seien, urkundliche Fahrwegrechte nachzuweisen. Im gleichen Sinn entschied als zweite Instanz die Justizkommission des luzernischen Obergerichtes. Deren Entscheid vom 27. Dezember 1956 gelangte zum Ergebnis, es
BGE 83 II 141 S. 143
bestehe nicht nur, was die Kläger zugegeben, kein urkundliches Fahrwegrecht, sondern es sei auch weder eine Popularservitut noch eine Grunddienstbarkeit durch unvordenkliche Verjährung (Immemorialverjährung) dargetan. Da die Kläger im Verbotsaufhebungsverfahren ihre Behauptungen nicht hinreichend glaubhaft zu machen vermochten, seien sie auf den ordentlichen Prozessweg zu verweisen.
D.-
Gegen diesen Entscheid haben die Kläger Nichtigkeitsbeschwerde erhoben, mit der sie die Anwendung kantonalen statt eidgenössischen Rechtes rügen (
Art. 68 Abs. 1 lit. a OG
). Sie machen geltend, ihre Klage hätte als reine Besitzesschutzklage nach
Art. 926 ff. ZGB
, ohne Prüfung des Rechtsbestandes, beurteilt werden sollen. Statt dessen habe das Obergericht auf Grund einer kantonalen Prozessnorm (§ 350 Abs. 2 der luzernischen ZPO) die Glaubhaftmachung einer materiellen Berechtigung verlangt.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Nach
Art. 68 Abs. 1 OG
ist in Zivilsachen, die nicht der Berufung unterliegen, gegen letztinstanzliche Entscheide kantonaler Behörden Nichtigkeitsbeschwerde zulässig, (a) wenn statt des massgebenden eidgenössischen Rechts kantonales Recht angewendet worden ist.
Eine Zivilsache liegt zweifellos vor, da die Kläger den Besitzesschutz für eine Dienstbarkeit in Anspruch genommen haben. Und zwar hat die Justizkommission des Obergerichts als letzte kantonale Instanz geurteilt. Endlich ist nicht etwa ein Endentscheid ergangen, der bei genügendem Streitwert der Berufung unterläge, sondern ein blosser Zwischenentscheid im summarischen Verfahren (vgl.
BGE 81 II 85
), wie denn die Kläger auf den ordentlichen Prozessweg verwiesen worden sind.
2.
Die Verweisung in das ordentliche Verfahren bedeutet an und für sich keinen Einbruch in das Bundesrecht. Dieses schreibt für Besitzesschutzklagen nach
BGE 83 II 141 S. 144
Art. 927 und 928 ZGB
kein bestimmtes Verfahren vor, sondern stellt es dem kantonalen Recht anheim, für solche Klagen das ordentliche oder ein summarisches Verfahren vorzusehen (vgl. E. HABLÜTZEL, Verhältnis der Besitzschutzklagen zum Rechtsschutz, S. 102). Gilt nach der kantonalen Ordnung für solche Klagen schlechthin das ordentliche Verfahren, so muss es dabei sein Bewenden haben. Aber auch wenn ein summarisches Verfahren zur Verfügung steht, jedoch in einem einzelnen Falle nicht als geeignet befunden wird, die Entscheidung herbeizuführen, kann nicht von der Anwendung kantonalen statt eidgenössischen Rechts gesprochen werden. Mag darin eine unrichtige Anwendung der kantonalen Verfahrensordnung liegen, so fällt doch der von den Beschwerdeführern angerufene Nichtigkeitsgrund ausser Betracht.
3.
Zu entscheiden ist daher nur, ob das kantonale Urteil, ganz abgesehen vom Verfahrensgang, in seinem sachlichen Inhalt auf kantonalem statt auf eidgenössischem Rechte beruhe. Die Beschwerdeführer behaupten dies, indem sie dem Obergericht vorwerfen, aus einer kantonalen Prozessnorm das Erfordernis eines Rechtsnachweises hergeleitet zu haben, während die
Art. 926 ff. ZGB
bloss auf das tatsächliche Gewaltverhältnis des Besitzes Rücksicht nehmen. Es ist ihnen zuzugeben, dass es nicht anginge, auf Grund kantonalen Rechts für die vom Bundesrecht beherrschten Besitzesschutzklagen besondere, zusätzliche Erfordernisse aufzustellen und den Besitzesschutz auf solche Weise zu erschweren (vgl. OSTERTAG, N. 5 und HOMBERGER, N. 12 zu
Art. 927 ZGB
; gleiches gilt auch für die Klage aus Besitzesstörung nach
Art. 928 ZGB
). Allein im vorliegenden Fall erweist sich diese Rüge aus folgenden Gründen als unzutreffend.
a) Neben dem bundesrechtlichen Besitzesschutz durch Selbsthilfe (
Art. 926 ZGB
) oder Klage (
Art. 927 und 928 ZGB
) gibt es einen administrativen und polizeilichen Besitzesschutz nach kantonalem Recht, wie ihn hier der Grundeigentümer durch Erwirkung eines amtlichen Verbotes
BGE 83 II 141 S. 145
in Anspruch genommen hat. Was vorzukehren sei, um die Wirkungen eines solchen Verbotes auf bestehende Rechte abzuwenden, bestimmt grundsätzlich ebenfalls das kantonale Recht (vgl. HOMBERGER, N. 18 zu
Art. 927 ZGB
). Während z.B. nach der bernischen Verbotsordnung ein Betroffener durch blossen Einspruch ("Rechtsvorschlag") das Verbot, soweit es ihn betrifft, unwirksam machen kann (Art. 118 ff. EG zum ZGB), ist er nach § 350 Abs. 2 der luzernischen ZPO auf Erhebung einer Verbotsaufhebungsklage angewiesen. Freilich richtet sich das Verbot seinem Zweck entsprechend nur gegen Unbefugte, auch wenn dies in seinem Texte nicht ausgesprochen wird. Hätte der Verbotsnehmer eine Grunddienstbarkeit der Beschwerdeführer mit der Befugnis, auch mit Traktoren und dergleichen Fahrzeugen über den Weg zu fahren, anerkannt, so hätten sie das Verbot gar nicht auf sich selber beziehen müssen. Da Schwegler aber das Verbot ohne Zweifel auch gegen sie anzuwenden gedachte, indem er sie zu den Unbefugten rechnete, hatten sie hinreichenden Anlass zur Verbotsaufhebungsklage, um ihre wirklichen oder vermeintlichen Rechte zu wahren. Und zwar durften sie die Klage auf die
Art. 926 ff. ZGB
stützen, da sie sich einen Rechtsbesitz als Servitutsberechtigte zuschreiben. Denn es kann nicht der Sinn eines auf einseitiges Verlangen des Grundeigentümers erlassenen allgemeinen Verbotes sein, in bestehende Besitzverhältnisse einzugreifen und Dritten, die am Verbotsbewilligungsverfahren nicht teilnahmen, den Rechtsbehelf des Besitzesschutzes vorzuenthalten. Liegt auch in der Erwirkung des Verbotes an und für sich keine verbotene Eigenmacht, so kann doch die Anwendung des Verbotes gegen Personen, denen am betreffenden Grundstück Besitz zusteht, ein unzulässiger Eingriff in einen solchen Besitzstand sein. Und da im vorliegenden Falle das Verbot nach der Absicht des Verbotsnehmers auch die Beschwerdeführer, seine Nachbarn, treffen sollte, war damit deren wirklicher oder vermeintlicher Rechtsbesitz bedroht, was einer Besitzesstörung durch Tathandlungen
BGE 83 II 141 S. 146
gleichsteht (vgl. WIELAND, N. 2 zu
Art. 928 ZGB
). Die Klage war daher als Besitzesschutzklage nach
Art. 926 ff. ZGB
, speziell 928, zu beurteilen.
b) Darüber, ob die Beschwerdeführer am streitigen Wege Besitz kraft einer Grunddienstbarkeit haben (
Art. 919 Abs. 2 ZGB
), konnte die Vorinstanz nun aber nur nach Prüfung des Bestandes und Umfanges des behaupteten Dienstbarkeitsrechtes entscheiden. Die Benützung eines Weges durch einen Nachbar, mag sie auch seit längerer Zeit und oft vorgekommen sein, darf nicht ohne weiteres als Ausübung eines Rechtes, zumal eines dinglichen, gelten. Kann sie doch unerlaubt sein oder aus blosser Gefälligkeit, auf Zusehen hin, ohne Einräumung eines Rechtes gestattet oder geduldet worden sein. Eine Grunddienstbarkeit kann nur ausüben, wem eine solche zusteht. Zur Errichtung bedarf es nach
Art. 731 ZGB
der Eintragung in das Grundbuch (oder, nach luzernischem Recht, der sog. Vormerkung am Hypothekarprotokoll; § 131 Ziff. 1 lit. b des EG zum ZGB). Deshalb wird als erste Voraussetzung eines auf Grunddienstbarkeit gestützten Besitzesschutzes der Grundbucheintrag bezeichnet (vgl. HOMBERGER, N. 22 zu
Art. 919 ZGB
). Nun ist den Beschwerdeführern allerdings darin beizustimmen, dass altrechtliche Grunddienstbarkeiten auch ohne Emtragung bis auf weiteres in Kraft bleiben (Art. 21 SchlT des ZGB). Wenn sie sich aber auf diese Rechtsgrundlage berufen wollten, hatten sie den rechtlichen Bestand der Grunddienstbarkeit nach den dafür geltenden Normen des kantonalen Rechtes glaubhaft zu machen. Davon geht der angefochtene Entscheid zutreffend aus und hält sich damit, wie dargetan, im Rahmen der bundesrechtlichen Voraussetzungen des Besitzesschutzes. Somit kann ihm nicht die Anwendung kantonalen statt eidgenössischen Rechts vorgehalten werden.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen. | public_law | nan | de | 1,957 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
c7ad2173-3a3d-4538-ae79-df7e3ff04b30 | Urteilskopf
117 Ia 396
62. Urteil der II. Zivilabteilung vom 14. November 1991 i.S. Konkursmasse Intercontinental Brokerage Corporation gegen Herborg und Kassationsgericht des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde) | Regeste
Art. 87 OG
.
1. Der Entscheid, mit dem ein Urteil von einer Rechtsmittelinstanz aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen wird, ist ein Zwischenentscheid, der für den Betroffenen keinen nicht wiedergutzumachenden Nachteil zur Folge hat. Auf eine dagegen erhobene staatsrechtliche Beschwerde ist daher nicht einzutreten (E. 1).
2. Eine Ausnahme ist nur dann gegeben, wenn die sachliche Zuständigkeit der Rechtsmittelinstanz streitig ist, was im vorliegenden Fall nicht zutrifft (E. 2). | Sachverhalt
ab Seite 397
BGE 117 Ia 396 S. 397
Über die Intercontinental Brokerage Corporation (ICB) mit Sitz in den Vereinigten Staaten und über deren Tochter ICB GmbH mit Sitz in Düsseldorf wurden vom Amtsgericht Düsseldorf am 6. April 1990 sogenannte Anschlusskonkurse eröffnet. Mit Verfügung vom 9. Juli 1990 anerkannte der Konkursrichter des Bezirkes Zürich diese Konkurse im Sinne von
Art. 166 ff. IPRG
. Mit Eingabe vom 11. Juli 1990 ersuchte Karl-Heinz Herborg, der für eine Forderung von Fr. 6'083'141.70 auf Guthaben der ICB bei einem Bankinstitut in Zürich einen Arrest erwirkt hatte, um Akteneinsicht sowie um Zulassung als Nebenintervenient und beantragte Abweisung des Gesuchs um Anerkennung des Anschlusskonkursdekrets. Mit Verfügung vom 12. Juli 1990 wies der Konkursrichter diese Begehren ab. Dagegen rekurrierte Karl-Heinz Herborg an das Obergericht des Kantons Zürich. Dieses nahm den Rekurs als Einsprache entgegen, wies jedoch das Begehren auf Abweisung des Gesuchs um Anerkennung des Anschlusskonkurses mit Entscheid vom 9. Oktober 1990 ab. Gegen diesen Entscheid erhob Karl-Heinz Herborg neben einer Berufung an das Bundesgericht, auf die mit Urteil vom 19. März 1991 nicht eingetreten wurde, Nichtigkeitsbeschwerde an das Kassationsgericht des Kantons Zürich. Mit Entscheid vom 2. September 1991 hiess dieses die Nichtigkeitsbeschwerde gut und wies die Sache im Sinne der Erwägungen zu neuem Entscheid an das Obergericht zurück. Gegen den Entscheid des Kassationsgerichts hat die
BGE 117 Ia 396 S. 398
Konkursmasse Intercontinental Brokerage Corporation staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von
Art. 4 BV
eingereicht.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Staatsrechtliche Beschwerden wegen Verletzung von
Art. 4 BV
sind nach
Art. 87 OG
erst gegen letztinstanzliche Endentscheide zulässig, gegen letztinstanzliche Zwischenentscheide nur, wenn sie für den Betroffenen einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil zur Folge haben. Als Endentscheid im Sinne von
Art. 87 OG
wird jeder Entscheid betrachtet, der ein Verfahren vorbehältlich der Weiterziehung an eine höhere Instanz abschliesst, sei es durch einen Entscheid in der Sache selbst, sei es aus prozessualen Gründen. Zwischenentscheide sind dagegen solche Entscheide, die das Verfahren nicht abschliessen, sondern bloss einen Schritt auf dem Weg zum Endentscheid darstellen, gleichgültig, ob sie eine Verfahrensfrage oder - vorausnehmend - eine Frage des materiellen Rechts zum Gegenstand haben (
BGE 116 II 82
,
BGE 115 Ia 317
,
BGE 115 II 104
E. 2a, mit Hinweisen). Das Kassationsgericht hat den Zivilprozess zwischen den Parteien nicht beendigt, sondern es hat das obergerichtliche Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an das Obergericht zurückgewiesen. Rückweisungsentscheide gelten aber nach ständiger Rechtsprechung als Zwischenentscheide (
BGE 106 Ia 228
E. 2 und 233 E. 3b).
Der Rückweisungsentscheid des Kassationsgerichts hat für die Beschwerdeführerin keinen nicht wiedergutzumachenden Nachteil zur Folge. Das wäre nur dann der Fall, wenn der Nachteil auch durch einen für die Beschwerdeführerin günstigen Endentscheid nicht mehr behoben werden könnte (
BGE 115 Ia 314
E. 2c und 319,
BGE 115 II 104
E. 2b, mit Hinweisen). An dieser Voraussetzung fehlt es hier. Zunächst kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Obergericht in seinem neuen Urteil, das es in Berücksichtigung der Erwägungen des Kassationsgerichts zu fällen hat, wiederum zum gleichen Ergebnis gelangt, wenn auch mit einer anderen Begründung. Sollte das neue Urteil aber für die Beschwerdeführerin ungünstiger ausfallen, so könnte sie dagegen Nichtigkeitsbeschwerde und gegen einen negativen Entscheid des Kassationsgerichts gegebenenfalls wiederum staatsrechtliche Beschwerde erheben, mit der auch der vorliegende Zwischenentscheid vom 2. September 1991 angefochten werden könnte. Insbesondere kann
BGE 117 Ia 396 S. 399
die Frage, ob der Beschwerdegegner überhaupt zum Verfahrensbeitritt legitimiert sei, ohne rechtlichen Nachteil für die Beschwerdeführerin auch noch im Anschluss an den Endentscheid aufgeworfen werden. Dass der Prozess durch das Rückweisungsverfahren verlängert und verteuert wird, bildet eine Beeinträchtigung bloss tatsächlicher Natur und ist daher ohne Belang (
BGE 116 II 83
, 115 Ia 314 E. 2c und 319, 115 II 104 E. 2b, 106 Ia 233/234 E. 3c, mit Hinweisen).
2.
Die Beschwerdeführerin macht demgegenüber geltend, sie habe die Zulässigkeit der vom Beschwerdegegner erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde bestritten, da dieser nicht legitimiert sei, als Nebenintervenient oder sonstiger Berechtigter seine Rechte als Gläubiger im Verfahren auf Anerkennung des im Ausland eröffneten Konkurses wahrzunehmen. Das Bundesgericht sei aber in den nicht veröffentlichten Urteilen vom 14. März 1956 und vom 16. November 1960 auf staatsrechtliche Beschwerden gegen Rückweisungsentscheide des Kassationsgerichts des Kantons Zürich, in welchen die Zulässigkeit der Nichtigkeitsbeschwerde bestritten worden sei, eingetreten.
Die in
Art. 87 OG
vorgesehene Beschränkung der Anfechtbarkeit letztinstanzlicher Zwischenentscheide gilt in der Tat nicht absolut. Vielmehr lässt die Rechtsprechung Ausnahmen zu bei Entscheiden über gerichtsorganisatorische Fragen, die ihrer Natur nach endgültig zu erledigen sind, bevor das Verfahren weitergeführt werden kann. Dazu gehören namentlich Entscheide über die Zusammensetzung des Gerichts und solche über die örtliche und sachliche Zuständigkeit (
BGE 115 Ia 313
E. 2a und 317/318, mit Hinweisen). In
BGE 87 I 177
/178 und 373 hat das Bundesgericht unter Hinweis auf die beiden von der Beschwerdeführerin erwähnten Entscheide ausgeführt, es sei in Anwendung dieser Rechtsprechung unter anderem auch auf staatsrechtliche Beschwerden eingetreten, mit denen im Anschluss an einen Zwischenentscheid über ein ausserordentliches Rechtsmittel dessen Zulässigkeit angefochten worden sei, so insbesondere auf Beschwerden gegen Rückweisungsentscheide des Zürcher Kassationsgerichts, mit denen die Zulässigkeit der Kassationsbeschwerde bestritten worden sei. Im Entscheid Trillhaase vom 16. November 1960, auf welchen sich diese Bemerkung bezieht, ging es indessen lediglich um die sachliche Zuständigkeit des Kassationsgerichts, die nach der erwähnten Rechtsprechung ohnehin sofort überprüfbar ist, worauf Ludwig (Endentscheid, Zwischenentscheid und Letztinstanzlichkeit
BGE 117 Ia 396 S. 400
im staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren, ZBJV 110/1974 S. 185) zu Recht hinweist. Die sachliche Zuständigkeit des Kassationsgerichts war im vorliegenden Fall indessen nicht streitig, konnte doch keinem Zweifel unterliegen, dass gegen den obergerichtlichen Entscheid die Nichtigkeitsbeschwerde an sich gegeben und dass das Kassationsgericht zur Prüfung der damit erhobenen Rügen sachlich zuständig war. Fraglich war nur, ob der Beschwerdegegner zum Verfahrensbeitritt befugt war. Indem das Kassationsgericht diese Frage bejahte, entschied es jedoch nicht über seine sachliche Zuständigkeit, sondern es beurteilte nur eine Vorfrage, die schon vom Obergericht geprüft und im gleichen Sinn beantwortet worden war, nicht anders, als wenn es in einem gewöhnlichen Zivilprozess beispielsweise die Einrede der fehlenden Aktivlegitimation verworfen hätte. Dass von der Beantwortung dieser Vorfrage auch die Legitimation zur Erhebung der Nichtigkeitsbeschwerde abhing, vermag daran nichts zu ändern. Hätte das Obergericht die Zulässigkeit der Intervention des Beschwerdegegners in einem selbständigen Vorentscheid bejaht, wäre gegen seinen Entscheid die staatsrechtliche Beschwerde nur unter den Voraussetzungen von
Art. 87 OG
zulässig gewesen. Es ist nicht einzusehen, weshalb es sich anders verhalten soll, wenn ein Kassationsverfahren dazwischengeschaltet bzw. der Vorentscheid vom Kassationsgericht bestätigt wird. Da der angefochtene Entscheid für die Beschwerdeführerin nach dem Gesagten keinen nicht wiedergutzumachenden Nachteil zur Folge hat, kann demzufolge auf die staatsrechtliche Beschwerde nicht eingetreten werden. | public_law | nan | de | 1,991 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
c7aef8c7-213c-40e6-9f25-2c22cf129caf | Urteilskopf
89 IV 10
4. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 15. Februar 1963 i.S. S. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern. | Regeste
1.
Art. 277 BStP
. Diese Bestimmung umschreibt nicht einen selbständigen Beschwerdegrund.
2.
Art. 191 Ziff. 2 StGB
. Fällt unzüchtiges Reden unter den Begriff der unzüchtigen Handlung? | Sachverhalt
ab Seite 11
BGE 89 IV 10 S. 11
A.-
S. sprach in seiner Wohnung mit der zehnjährigen X. über den Geschlechtsverkehr und dessen Folgen bei Hunden und Katzen. Er redete unter anderem vom "Samen im Bisi" und von "Hineintun in den Bauch des Fraueli".
Vor der elfjährigen Y. zeigte sich S. in seiner Wohnung wiederholt nackt.
B.-
Das Obergericht des Kantons Luzern sprach am 10. April 1962 S. wegen seiner Äusserungen im einen und wegen seiner Entblössungen im andern Falle der wiederholten Unzucht mit Kindern nach
Art. 191 Ziff. 2 StGB
schuldig und verurteilte ihn zu sechs Monaten Gefängnis.
C.-
Der Verurteilte führte gegen dieses Urteil Nichtigkeitsbeschwerde. Der Kassationshof hob es auf und wies die Sache zur teilweisen Freisprechung des Beschwerdeführers und zur Neubemessung der Strafe an die Vorinstanz zurück.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1.
Der Beschwerdeführer bringt vor, das angefochtene Urteil verletze im Falle der Y. wie in demjenigen der X. Art. 272 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege, im zweiten Falle ausserdem
Art. 191 Ziff. 2 StGB
.
Zur zuerst behaupteten Gesetzesverletzung führt der Beschwerdeführer aus, im obergerichtlichen Urteil werde die Feststellung des Tatbestandes nicht und im erstinstanzlichen nur ungenügend begründet. Offenbar will er sich damit auf
Art. 277 BStP
berufen, d.h. geltend machen, die angefochtene Entscheidung leide an derartigen Mängeln, dass die Gesetzesanwendung nicht nachgeprüft werden könne, weshalb die Sache an die kantonale Behörde zurückzuweisen sei. Diese Bestimmung umschreibt indessen nicht einen selbständigen Beschwerdegrund, sondern kann nur von Bedeutung werden, wenn und soweit wegen Verletzung
BGE 89 IV 10 S. 12
materieller Gesetzesbestimmungen Beschwerde geführt wird (Urteil des Kassationshofes vom 28. Mai 1954 i.S. Obwalden gegen Achermann und Durrer). Da der Beschwerdeführer hinsichtlich der Vorfälle mit Y. einzig die Verletzung der erwähnten prozessualen Bestimmung rügt, ist insoweit auf die Beschwerde nicht einzutreten.
2.
Die Verurteilung wegen Unzucht mit X. ficht der Beschwerdeführer mit der Begründung an, dass das mit diesem Mädchen geführte Gespräch weder unzüchtig gewesen sei, noch eine Handlung im Sinne des
Art. 191 Ziff. 2 StGB
darstelle.
In der Tat kann man sich fragen, ob blosses Reden als "Handlung" gelten könne. Was
Art. 203 StGB
betrifft, wurde gestützt auf die Gesetzesmaterialien bereits entschieden, dass der Begriff der unzüchtigen Handlung nicht im weitesten Sinne, sondern bloss als Tat im Gegensatz zum Wort zu verstehen sei (
BGE 70 IV 85
). Das spricht dafür, dass unzüchtiges Reden auch in den andern Bestimmungen des 5. Titels (Art. 187-212) nicht unter den Begriff der unzüchtigen Handlung fällt. Die Bestimmungen der unter dem ersten Randtitel zusammengefassten Deliktsgruppe (Art. 187-197) scheinen dies zu bestätigen. So lassen die Tatbestände, in denen durch Anwendung von Zwang oder anderer Mittel die Duldung oder Vornahme unzüchtiger Handlungen erlangt wird (Art. 188, 194 Abs. 1 und 2), deutlich erkennen, dass die Handlungen nur in einer körperlichen Betätigung bestehen können. Im gleichen Sinne sind offensichtlich auch diejenigen Bestimmungen auszulegen, die voraussetzen, dass der Täter die Handlungen mit dem Opfer vorgenommen hat (Art. 189 Abs. 2, 190 Abs. 2, 191 Ziff. 2 Abs. 1, 192 Ziff. 2 Abs. 1, 193 Abs. 2). Ebenso hatte der Gesetzgeber offenbar bei den Tatbeständen der Verleitung zu unzüchtigen Handlungen (Art. 191 Ziff. 2 Abs. 2, 192 Ziff. 2 Abs. 2) nur Handlungen im Auge, die am eigenen oder an einem fremden Körper vorgenommen werden; es wäre schwer zu verstehen, hätte schon das blosse Verleiten zu unzüchtigem Reden unter so hohe Strafe
BGE 89 IV 10 S. 13
gestellt werden wollen, wie sie in Art. 191 und 192 angedroht werden. Dazu kommt, dass die mündliche Äusserung unzüchtiger Gedanken im allgemeinen nicht so nachhaltig und in dem Masse verletzend wirkt wie augenfälliges unzüchtiges Tun. Bloss unzüchtige Redensarten werden denn auch nach allgemeinem Sprachgebrauch nicht als "Unzucht" (vgl. Randtitel zu Art. 190, 191, 192, 193) aufgefasst.
Dem kann entgegegehalten werden, dass Wortlaut und Sinn des Art. 191 den Einbezug mündlicher unzüchtiger Äusserungen nicht notwendig hindern. Ziff. 2 Abs. 3 dieser Bestimmung erfasst im Unterschied zu den andern zum Schutze der geschlechtlichen Freiheit und Ehre erlassenen Normen auch Handlungen, die vor dem Opfer vorgenommen werden, also auch unzüchtige Vorgänge, die den Täter nicht mit dem Körper des Kindes in Berührung bringen. Darunter fallen körperliche Handlungen, die der Täter vor den Augen des Kindes an sich selber oder an Dritten vornimmt. Doch kann nicht bestritten werden, dass unzüchtiges Reden die sittliche Entwicklung des Kindes unter Umständen ebenso oder noch mehr gefährden kann, als eine Entblössung vor ihm oder eine unbedeutende unzüchtige Berührung des Kindes es zu tun vermögen. In solchen Fällen Art. 191 nicht anzuwenden, nur weil die Einwirkung durch Worte, nicht durch eine Tat geschieht, kann im Hinblick darauf, dass die Bestimmung den Schutz der geschlechtlichen Unversehrtheit des Kindes in körperlicher wie in seelischer Beziehung bezweckt, nicht befriedigen, namentlich dann nicht, wenn anzunehmen wäre, der Bundesgesetzgeber habe durch abschliessende Normierung des Schutzes der Kinder unter 16 Jahren den Kantonen jede Möglichkeit genommen, auf diesem Gebiete Übertretungstatbestände zu schaffen.
Die aufgeworfene Frage braucht indessen nicht weiter erörtert zu werden, da sie im vorliegenden Falle offen bleiben kann. Unzüchtig wären die dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Äusserungen nur, wenn sie in nicht leicht zu
BGE 89 IV 10 S. 14
nehmender Weise gegen das Sittlichkeitsgefühl in geschlechtlichen Dingen verstiessen (
BGE 78 IV 163
,
BGE 86 IV 19
). Das trifft nicht zu. Der Beschwerdeführer beschränkte sich darauf, vom Geschlechtsverkehr und dessen Folgen bei Hunden und Katzen zu reden. In den dabei verwendeten Ausdrücken "Bisi" und "Fraueli" liegt zwar ein Hinweis auf den menschlichen Geschlechtsverkehr, doch blieb es nach den tatsächlichen Feststellungen des Obergerichts offenbar bei einer blossen Anspielung. | null | nan | de | 1,963 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
c7b3238a-c4e1-42ca-80a9-650257a2422f | Urteilskopf
85 II 73
15. Urteil der II. Zivilabteilung vom 27. Februar 1959 i.S. G. gegen B. | Regeste
Berufung an das Bundesgericht. Feststellungsklage.
Geht die Pflicht zur Zahlung von Unterhaltsbeiträgen an die Ehefrau, die der Ehemann in einer Scheidungskonvention übernimmt, beim Tode des Ehemanns auf dessen Erben über?
Auslegung der Scheidungskonvention. | Sachverhalt
ab Seite 73
BGE 85 II 73 S. 73
A.-
Am 9. Juni 1933 schied das Bezirksgericht Brugg die am 18. Mai 1929 geschlossene Ehe zwischen Fritz B., geb. 1894, und der um drei Jahre jüngern Marguerite geb. G. auf Klage der Ehefrau in Anwendung von
Art. 142 ZGB
"aus erheblich überwiegendem Verschulden des Beklagten" und genehmigte die von den Parteien am 13. April 1933 unterzeichnete Vereinbarung über die Nebenfolgen der Scheidung, welche die Zuteilung der beiden (heute volljährigen). Kinder an die Mutter vorsah und im weitern u.a. bestimmte:
"Art. 3.
Der Ehemann verpflichtet sich für die Dauer des Scheidungsprozesses und nach erfolgter Scheidung der Ehefrau für sich und für die Kinder folgende monatlichen Unterhaltsbeiträge zu bezahlen:
a) für die Ehefrau selber Fr. 200.-- per Monat lebenslänglich oder bis zu einer allfälligen Wiederverheiratung,
b) für jedes der Kinder bis zu dessen vollendetem 12. Lebensjahr je Fr. 200. - pro Monat und von da an bis zu dessen vollendetem 20. Lebensjahr je Fr. 300.-- pro Monat.
Für das ganze Jahr 1932 ist die Unterhaltspflicht des Ehemannes für Frau und Kinder abgelöst durch eine Pauschalzahlung von Fr. 7200.--.
Der Ehemann verpflichtet sich, in dem Zeitpunkt, wo er seine Eltern beerbt, zur Sicherheit für seine Unterhaltsverpflichtungen
BGE 85 II 73 S. 74
sofort ein Kapital, das den nötigen Zinsertrag für die in Absatz 1 hievor festgesetzten Unterhaltsbeiträge abwirft, an geeigneter noch zu vereinbarender Stelle zu deponieren mit der Massgabe, dass er, solange als er nach der vorliegenden Vereinbarung die Unterhaltsbeiträge schuldet, über das Kapital nicht verfügen darf und dass die Zinsen in Quartalsraten praenumerando in der Höhe der festgesetzten Alimentationsbeiträge an die Ehefrau auszubezahlen sind. Wenn durch allfällige Wiederverheiratung der Ehefrau oder durch Volljährigkeit der Kinder eine Reduktion der Unterhaltsbeiträge eintritt, so ist ein entsprechender Teil des deponierten Kapitals dem Ehemann zu freier Verfügung zu überlassen.
Art. 4.
Der Ehemann anerkennt, seiner Frau den Betrag von Fr. 125'000.-- ohne Zins schuldig zu sein; dieser Betrag ist jedoch erst beim Ableben des Ehemannes fällig. Diese Forderung der Ehefrau erlischt, wenn sie vor dem Ehemann sterben sollte oder sich vor seinem Tode wieder verheiraten sollte.
Art. 6.
Der Ehemann anerkennt, dass das gesamte Mobiliar und die gesamte Haushaltung Eigentum der Ehefrau ist.
Art. 8.
Die Parteien anerkennen, dass ihnen gegenseitig keine Ansprüche zustehen als die in dieser Vereinbarung niedergelegten Ansprüche.
..."
B.-
Am 8. Februar 1940 schloss Fritz B. eine neue Ehe. Am 2. März 1957 starb er. Als gesetzliche Erben hinterliess er seine Witwe und seine beiden Kinder aus erster Ehe.
C.-
Da die (auf Grund von
Art. 639 ZGB
als Solidarschuldnerin in Anspruch genommene) Witwe sich weigerte, der geschiedenen Frau die in der Scheidungskonvention vorgesehenen Unterhaltsbeiträge von monatlich Fr. 200.-- weiter zu bezahlen, klagte diese gegen jene am 7. Dezember 1957/5. Mai 1958 auf Feststellung, dass die Beklagte zu dieser Leistung verpflichtet sei, eventuell auf Verurteilung der Beklagten zur Zahlung der seit dem Tode Fritz B's verfallenen Beiträge. Ausserdem verlangte sie die Hinterlegung eines Fr. 200.-- pro Monat abwerfenden Kapitals. Am 10. September 1958 hat das Obergericht des Kantons Zürich, III. Zivilkammer, die Klage abgewiesen.
D.-
Mit der vorliegenden Berufung an das Bundesgericht
BGE 85 II 73 S. 75
erneuert die Klägerin ihre Klagebegehren. Die Beklagte beantragt Abweisung der Berufung.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Die Vorinstanz hat das Feststellungsbegehren der Klägerin als zulässig erklärt, soweit es sich auf die künftige Leistungspflicht der Beklagten bezieht. Ob sich der Feststellungsanspruch der Klägerin aus dem Bundesrecht (
BGE 77 II 344
) oder aus dem kantonalen Prozessrecht ergebe, wird im angefochtenen Urteil nicht gesagt. Das Bundesgericht kann diese Frage ebenfalls offen lassen, da auf die Berufung selbst dann einzutreten wäre, wenn die Voraussetzungen des bundesrechtlichen Feststellungsanspruchs nicht gegeben wären. Auf jeden Fall schliesst nämlich das Bundesrecht eine Feststellungsklage in Fällen wie dem vorliegenden nicht aus, so dass das kantonale Recht sie gewähren kann, wenn sich ihre Zulässigkeit nicht bereits aus dem Bundesrecht ergibt (vgl.
BGE 80 II 122
oben,
BGE 84 II 495
). Ob eine von den kantonalen Gerichten auf Grund des kantonalen Rechts zugelassene und durch das Bundesrecht nicht ausgeschlossene Feststellungsklage materiell begründet sei oder nicht, ist vom Bundesgericht auf Berufung hin zu überprüfen, wenn wie hier eine Bundesrechtsverletzung geltend gemacht wird, der Streit um ein vom Bundeszivilrecht beherrschtes Rechtsverhältnis geht und auch die übrigen Voraussetzungen der Berufung gegeben sind (vgl.
BGE 84 II 496
).
Ob mit Bezug auf die Beiträge, die bei Übergang der Beitragspflicht auf die Erben Fritz B.s seit dessen Tod bereits verfallen wären, ein Feststellungsbegehren statthaft sei, liess die Vorinstanz dahingestellt, weil sie zum Schlusse kam, die Klage sei ohnehin abzuweisen. In der Tat braucht die Frage, ob der Anspruch auf diese Beiträge mit einer Feststellungsklage oder nur mit der (eventuell erhobenen) Leistungsklage geltend gemacht werden könne, nicht entschieden zu werden, wenn ein solcher Anspruch überhaupt nicht besteht.
BGE 85 II 73 S. 76
2.
In seinem Urteil vom 31. Januar 1936 i.S. G. gegen B. (ZR 35 Nr. 84 S. 193 ff.) hat das Bundesgericht unter Hinweis auf
Art. 560 ZGB
und
Art. 516 OR
erklärt, eine in einer Scheidungsvereinbarung versprochene Rente sei beim Fehlen bestimmter Anhaltspunkte für das Gegenteil als passiv vererblich anzusehen. Ob an diesem Grundsatz festgehalten werden könne, braucht im vorliegenden Falle nicht entschieden zu werden, weil hier aus dem Texte der Scheidungsvereinbarung und den Umständen, unter denen sie zustandekam, zu schliessen ist, dass die Rente nur den Ehemann selber, nicht auch seine Erben belasten sollte, so dass die passive Vererblichkeit auch bei Anwendung jenes Grundsatzes verneint werden müsste.
a) Art. 3 der Vereinbarung bezeichnet die periodischen Zahlungen, die der Ehemann nach der Scheidung an die Klägerin ausrichten sollte, als Unterhaltsbeiträge. Er setzt diese Zahlungen zugleich mit den der Klägerin während der Prozessdauer zukommenden Leistungen und mit den Leistungen für die Kinder fest, die ihren Rechtsgrund alle nur in der Unterhaltspflicht des Ehemanns (und Vaters) haben konnten, und bemisst die vor und die nach der Scheidung zu leistenden Zahlungen auf den gleichen Betrag. Diese Momente sprechen dafür, dass die Leistungen, die der Klägerin für die Zeit nach der Scheidung versprochen wurden, ihr einen Ersatz für den Anspruch auf den ehelichen Unterhalt bieten sollten, den sie mit der Scheidung einbüsste. Die Unterhaltspflicht des Ehemanns geht aber, wenn die Ehe bis zu seinem Tod bestehen bleibt, nicht auf seine Erben über, sondern hört mit diesem Zeitpunkt auf. Daher erscheint es zum mindesten als das Normale, dass auch eine als Ersatz für den ehelichen Unterhaltsanspruch ausgesetzte Rente mit dem Tode des Pflichtigen aufhört.
b) Für die Annahme, dass die streitige Rente der Klägerin nicht nur aus dem eben erwähnten Grunde, sondern auch noch aus andern Titeln gewährt worden sei, liegt nichts vor. Insbesondere bestehen (anders als im Falle
BGE 85 II 73 S. 77
ZR 35 Nr. 84) keine Anhaltspunkte dafür, dass dadurch die Beeinträchtigung anderer Vermögensrechte oder Anwartschaften oder ein Genugtuungsanspruch oder Ansprüche aus ehelichem Güterrecht abgegolten werden sollten.
Nach der Auffassung des Scheidungsgerichtes trug der Ehemann (dem hauptsächlich Müssiggang und mangelhafte Sorge für die Familie vorgeworfen wurden) freilich "das erheblich überwiegende Verschulden" an der Zerrüttung des ehelichen Verhältnisses (weshalb ihm eine Wartefrist von einem Jahr auferlegt wurde). Tatsachen, aus denen sich ergeben hätte, dass die Klägerin wegen schwerer Verletzung der persönlichen Verhältnisse im Sinne von
Art. 151 Abs. 2 ZGB
auf eine Genugtuung Anspruch gehabt habe, sind jedoch weder im Scheidungsverfahren noch im vorliegenden Prozess geltend gemacht worden.
Ebensowenig sind Tatsachen vorgebracht worden, die einen Anspruch aus Güterrecht hätten begründen können. Namentlich fehlen nähere Angaben darüber, in welchem Umfang die Klägerin zur Bestreitung des Unterhalts der Familie ihr Vermögen habe anzehren müssen, so dass nicht angenommen werden kann, die allenfalls davon herrührende Ersatzforderung habe den Betrag von Fr. 7200.-- überschritten, den sie laut Art. 3 Abs. 2 der Vereinbarung zur "Ablösung" der Unterhaltspflicht des Ehemanns für das Jahr 1932 erhalten hatte. Die Rente ganz oder teilweise als Abfindung für güterrechtliche Ansprüche anzusehen, verbietet sich im übrigen um so eher, als eine bei Wiederverheiratung erlöschende Rente sich zur Abgeltung solcher Ansprüche keineswegs geeignet hätte.
Der einzige Titel, unter dem die Klägerin, vom Verlust des ehelichen Unterhaltsanspruchs abgesehen, bei der Scheidung einen finanziellen Anspruch gegen den Ehemann stellen konnte, war nach den vorliegenden Akten der Verlust der Erbanwartschaft gegenüber dem Ehemann, der von seinen Eltern ein bedeutendes Erbe zu erwarten hatte.
BGE 85 II 73 S. 78
Die Entschädigung für den Verlust dieser Anwartschaft ist jedoch bei natürrlicher Betrachtungsweise nicht in der Rente gemäss Art. 3, sondern in der Kapitalzahlung von Fr. 125'000.-- gemäss Art. 4 der Vereinbarung zu erblicken. Diese Zahlung sollte erst beim Tode des Ehemannes, also im Zeitpunkte fällig werden, da die Klägerin ihn ohne die Scheidung beerbt hätte, und wäre nicht geschuldet gewesen, wenn die Klägerin vor dem Ehemann gestorben und folglich auch bei Fortbestand der Ehe nicht seine Erbin geworden wäre, oder wenn sie sich zu seinen Lebzeiten wieder verheiratet hätte, wodurch ein Unterhaltsanspruch und eine Erbanwartschaft gegenüber dem neuen Ehemann begründet worden wären. Die Bedingungen, unter denen der Klägerin die Zahlung von Fr. 125'000.-- versprochen wurde, waren also dem Zwecke der Ersatzleistung für den Verlust der Erbanwartschaft gegenüber dem damaligen Ehemann angepasst (wogegen sie für eine aus güterrechtlichen Gründen oder als Genugtuung zugesicherte Kapitalzahlung unangemessen waren). Aus der Tatsache, dass das Vermögen des Vaters des Ehemanns zur Zeit des Abschlusses der Scheidungsvereinbarung gemäss Steuerausweis ca. 1,8 Millionen Franken betrug, lässt sich nicht etwa schliessen, die Erbanwartschaft der Klägerin sei so hoch gewesen, dass angenommen werden müsste, der Betrag von Fr. 125'000.-- habe ihr nach der Meinung der Vertragsparteien nur zusammen mit einer über den Tod des Ehemanns hinaus laufenden Rente eine zureichende Entschädigung für den Verlust dieser Anwartschaft bieten können. Bei Beurteilung der Höhe dieser Kapitalabfindung ist ausser der Tatsache, dass die Ehe nur vier Jahre gedauert hatte, vor allem der Umstand zu berücksichtigen, dass man nicht sicher wissen konnte, ob der Ehemann seinen Vater beerben werde, und dass erst recht ungewiss war, welcher Teil der Erbschaft, auf die der Ehemann als einer der Präsumtiverben seines Vaters rechnen konnte, wenn er diesen überlebte, bei seinem Tode noch in seinem Besitz sein werde. Die Kapitalzalhlung von Fr. 125'000.--
BGE 85 II 73 S. 79
konnte also den Vertragsparteien sehr wohl als genügende, ja reichliche Entschädigung für den Verlust der Erbanwartschaft der Klägerin gegenüber ihrem Ehemann erscheinen.
Aus diesen Gründen darf unbedenklich angenommen werden, mit der Rente sei entsprechend der dafür verwendeten Bezeichnung nur bezweckt worden, die Klägerin für den Verlust des Unterhaltsanspruchs zu entschädigen, was gegen die passive Vererblichkeit der Rente spricht. Überlebte die Klägerin ihren geschiedenen Ehemann und hatte sie sich bis zu seinem Tode nicht wieder verheiratet, so sollte nach dem Sinne, welcher der Vereinbarung vernünftigerweise beizulegen ist, der Anspruch auf die Kapitalzahlung von Fr. 125'000.-- den Anspruch auf die monatliche Rente von Fr. 200.-- ersetzen, wie bei Fortdauer der Ehe bis zum Tode des Mannes der Erbanspruch an die Stelle des Unterhaltsanspruchs getreten wäre.
c) Die Tatsache, dass die Rentenverpflichtung gegenüber der Ehefrau in Art. 3 a der Vereinbarung als "lebenslänglich" bezeichnet wurde, vermag eine andere Auslegung nicht zu rechtfertigen. Zwar muss dieser Ausdruck nach dem Zusammenhang wohl in erster Linie auf das Leben der Ehefrau bezogen werden, weil mit der unmittelbar anschliesenden Wendung "oder bis zu einer allfälligen Wiederverheiratung" nur eine Wiederverheiratung der Ehefrau gemeint sein kann. Dies schliesst jedoch nicht aus, dass der Rentenanspruch wie der Unterhaltsanspruch, für dessen Verlust die Klägerin dadurch entschädigt wurde, sich nur gegen den Ehemann persönlich richten und bei dessen Tod durch den Anspruch auf die Kapitalzahlung von Fr. 125'000.-- abgelöst werden sollte. Angesichts dieser Begrenzung der Rentenpflicht, die sich nach dem Gesagten schlüssig aus der Bezeichnung der Rente und dem Zweck der verschiedenen in der Vereinbarung vorgesehenen Leistungen ergibt, kann die Bestimmung, dass der Ehemann "für die Ehefrau ... lebenslänglich oder bis zu einer allfälligen Wiederverheiratung" Fr. 200.-- pro Monat
BGE 85 II 73 S. 80
zu bezahlen habe, nur den Sinn haben, dass die Rentenpflicht nicht nach Ablauf einer bestimmten Zeit (wie dies bei Scheidungsrenten manchmal vorgesehen wird), sondern erst mit dem Tode der Berechtigten aufhören sollte, sofern der Pflichtige bis zu diesem Zeitpunkt am Leben blieb. Hätten die - durch erfahrene Anwälte beratenen - Vertragsparteien die Rentenpflicht in Abweichung von der Regelung, die im Hinblick auf die gegebene Sachlage und die Kombination der Rente mit einer beim Tode des Ehemanns fälligen Kapitalzahlung als die normale erscheinen musste, auf die Erben des Ehemanns übergehen lassen wollen, so hätten sie diesen Willen zweifellos unzweideutig zum Ausdruck gebracht, was einfach gewesen wäre.
d) Die Vertragsbestimmungen über die Sicherstellungspflicht des Ehemanns (Art. 3 Abs. 3) vermögen die Auffassung der Klägerin nicht zu stützen. In diesem Punkte genügt ein Hinweis auf die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz.
Die Auslegung der Scheidungsvereinbarung führt also zum Ergebnis, dass die streitige Rente mit dem Tode des Fritz B. erloschen ist.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird.abgewiesen und das Urteil der III. Zivilkammer des Obergerichtes des Kantons Zürich vom 10. September 1958 bestätigt. | public_law | nan | de | 1,959 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
c7c200b0-ee21-4bb5-ad18-e09cef413d8f | Urteilskopf
119 II 222
45. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 20. April 1993 i.S. M. gegen E. (Berufung) | Regeste
Vertrag über die Veräusserung und Übernahme einer ärztlichen Praxis; Schutz der Persönlichkeitsrechte der Patienten (
Art. 28 ZGB
,
Art. 20 OR
).
1. Soweit mit einem solchen Vertrag allgemein der Goodwill der Praxis veräussert wird, ist eine Widerrechtlichkeit unter dem Gesichtspunkt des Persönlichkeitsschutzes nicht ersichtlich (E. 2a).
2. Soweit damit der übernehmende Arzt berechtigt wird, über die Patientenkartei zu verfügen, ist eine Vertragsnichtigkeit aufgrund der heutigen Gesetzgebung zu verneinen (E. 2b). | Sachverhalt
ab Seite 222
BGE 119 II 222 S. 222
Der 1914 geborene Arzt E. betrieb während vieler Jahre eine gynäkologische Praxis in gemieteten Räumen in B. Er suchte 1989 einen Praxisübernehmer, mit dem er am Anfang eine Praxisgemeinschaft bilden wollte, aus welcher er dann in einem späteren Zeitpunkt auszuscheiden
BGE 119 II 222 S. 223
beabsichtigte. Interessiert an einer solchen Praxisübernahme war M., der damals als angestellter Arzt in einem öffentlichen Spital tätig war. Zu einem Vertragsschluss kam es jedoch nicht. Kurz darauf erlitt E. einen Verkehrsunfall, an dessen Folgen er am 10. Januar 1990 starb. Als Erben hinterliess er seine Ehefrau und den im Jahre 1978 geborenen Sohn G.
Am 27. Januar 1990 fand in den Praxisräumen eine Zusammenkunft statt, an der M. und Frau E. sowie deren Rechtsberaterin C. teilnahmen. Im Rahmen dieser Zusammenkunft wurde zwischen Frau E., die zugleich als Vertreterin ihres Sohnes handelte, und M. mündlich vereinbart, dass dieser die gynäkologische Praxis zum Preis von Fr. 70'000.-- übernehmen werde. Die mündliche Vereinbarung wurde von Fürsprecherin C. am 30. Januar 1990 schriftlich bestätigt. Danach sollten im Kaufpreis, der mit der Übernahme der Praxis fällig wurde, insbesondere "sämtliche Krankengeschichten der Patientinnen von Dr. med. E." enthalten sein.
Mit Brief vom 29. Januar 1990 an Fürsprecherin C. hatte M. seinerseits mitgeteilt, er habe am Vortag bei der Durchsicht eines Teiles der Krankengeschichten festgestellt, dass die Karteiunterlagen grösstenteils unleserlich und zudem mit unverständlichen Aufzeichnungen versehen seien; unter diesen Umständen stellten diese Unterlagen keinen grossen Goodwill der Praxis dar, weshalb die von Frau E. geforderte Entschädigung zu hoch sei. R. M. schlug vor, den Goodwill der Praxis im vorgesehenen Zeitpunkt der Übernahme durch einen neutralen Experten schätzen zu lassen. In ihrem Antwortschreiben vom 2. Februar 1990 lehnte Fürsprecherin C. den Vorschlag ab.
Nachdem die Erben E.'s das Mietverhältnis über die Praxisräume gekündigt hatten, wurden sie an M. vermietet, der ab Dezember 1990 darin seine ärztliche Praxis betrieb. Über eine Herabsetzung der Goodwillentschädigung kam auch in der Folge keine Einigung zustande.
Im März 1991 reichten Frau E. und ihr Sohn G. beim Appellationshof des Kantons Bern Klage gegen M. ein. Die Kläger verlangten die Zahlung von Fr. 70'000.-- nebst 6% Zins seit 1. April 1990 als Goodwillentschädigung und von Fr. 11'312.-- nebst 5% Zins seit 15. Juli 1990 als Entschädigung für die anstelle des Beklagten bezahlten Mietzinse.
Mit Urteil vom 7. Juli 1992 hiess der Appellationshof die Klage im wesentlichen gut. Eine vom Beklagten gegen dieses Urteil eingereichte Berufung wird vom Bundesgericht abgewiesen.
BGE 119 II 222 S. 224
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Ein Vertrag, der einen widerrechtlichen Inhalt hat, ist gemäss
Art. 20 Abs. 1 OR
nichtig. Widerrechtlich im Sinne dieser Bestimmung ist ein Vertrag nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts dann, wenn sein Gegenstand, der Abschluss mit dem vereinbarten Inhalt oder sein mittelbarer Zweck gegen objektives Recht verstösst. Dabei kann es sich sowohl um Bundesrecht wie auch um kantonales Recht handeln. Voraussetzung der Nichtigkeit ist jedoch, dass diese Rechtsfolge ausdrücklich im betreffenden Gesetz vorgesehen ist oder sich aus Sinn und Zweck der verletzten Norm ergibt (
BGE 117 II 48
E. 2a, 287 E. 4a je mit Hinweisen).
a) Gegenstand des Praxisübernahmevertrags bildeten einerseits einige wenige Instrumente und Geräte, deren Wert bei der Bestimmung des Übernahmepreises von Fr. 70'000.-- unwesentlich war, und andererseits der Goodwill der Praxis. Darunter wird im allgemeinen der wirtschaftliche Wert verstanden, der für den Übernehmer eines Betriebs in der Chance besteht, die bisherigen Kunden für sich zu gewinnen und sich so eine Grundlage für sein eigenes Unternehmen zu schaffen (vgl. zum Goodwill eines Restaurants:
BGE 93 II 459
E. 4, und einer Arztpraxis: UHLENBRUCK, in Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, S. 134 Rz. 1 und S. 136 Rz. 7). In ihren Rechtsschriften bezeichnen die Parteien denn auch damit übereinstimmend den "potentiellen Kundenkreis" als Gegenstand des Vertrages. Insoweit ist aber eine Widerrechtlichkeit des Praxisübernahmevertrages nicht ersichtlich. Etwas anderes lässt sich auch nicht dem vom Beklagten zitierten Urteil des Deutschen Bundesgerichtshofs vom 11. Dezember 1991 entnehmen (abgedruckt in NJW 1992, S. 737-741). Dieser Entscheid geht - in Übereinstimmung mit der deutschen Lehre und Rechtsprechung (vgl. UHLENBRUCK, a.a.O., S. 134 Rz. 1) - von der grundsätzlichen Gültigkeit des Praxisübernahme- oder -veräusserungsvertrages aus und erklärt ihn lediglich insoweit für nichtig, als er den Praxisveräusserer auch ohne Einwilligung der betroffenen Patientinnen und Patienten verpflichtet, dem Erwerber die Patienten- und Beratungskartei zu übergeben (E. I 3).
b) Einig sind sich die Parteien allerdings auch darin, dass der Verkauf des Goodwills nur dann einen Sinn hatte, wenn der Beklagte Namen und Adressen der Patientinnen des verstorbenen Dr. E. verwenden und hinsichtlich solcher Patientinnen, die sich von ihm behandeln lassen wollten, auch die Krankengeschichten einsehen
BGE 119 II 222 S. 225
durfte. Nach ausdrücklicher Vereinbarung sollte denn auch der Beklagte das Recht haben, die Patientinnen des verstorbenen Dr. E. selbst anzuschreiben, um ihnen die Praxisübernahme mitzuteilen; zudem sollten sämtliche schriftlichen Unterlagen bezüglich der Patientinnen mit der Praxisübernahme in den Gewahrsam des Beklagten übergehen.
aa) Die Personendaten der Patientenkartei einer Arztpraxis sind grundsätzlich dem durch
Art. 28 ZGB
geschützten Geheimbereich der betreffenden Patientinnen und Patienten zuzurechnen (vgl. zur Unterscheidung von Geheim-, Privat- und Gemeinbereich
BGE 118 IV 45
E. 4 mit Hinweisen). Daten über die Gesundheit gehören nach Art. 3 lit. c Ziff. 2 des - im jetzigen Zeitpunkt allerdings noch nicht in Kraft stehenden - Bundesgesetzes über den Datenschutz denn auch zu den besonders schützenswerten Personendaten (BBl 1992 III 960). Die Weitergabe solcher Daten bedeutet in der Regel eine Persönlichkeitsverletzung der Patientinnen und Patienten, die nur dann nicht widerrechtlich ist, wenn sie durch Einwilligung der Betroffenen, durch ein überwiegendes privates oder öffentliches Interesse oder durch Gesetz gerechtfertigt ist (
Art. 28 Abs. 2 ZGB
).
bb) Den Anforderungen des Persönlichkeitsschutzes kann bei einer Praxisübergabe in der Regel ohne weiteres entsprochen werden, wenn der die Praxis veräussernde Arzt genügend Zeit zur Verfügung hat, um seinen Patientinnen und Patienten die beabsichtigte Praxisübergabe anzuzeigen und Weisungen zur Behandlung der Daten bzw. ihre Einwilligung zur Weitergabe der Krankengeschichten an einen Nachfolger einzuholen. Im Falle des Todes eines praktizierenden Arztes ist es zwar denkbar, dass die ehemaligen Patienten von einer Person zur Behandlung ihrer Daten befragt werden können, welche ihrerseits - etwa als ehemalige Hilfsperson des Verstorbenen - mit Einverständnis der Betroffenen in die Daten Einblick hatte. Steht jedoch eine solche Person nicht zur Verfügung, so müssen Dritte die betroffenen Patientinnen oder Patienten anfragen, was mit deren Unterlagen geschehen soll. Dafür müssen sie praktisch in dem Umfange Einsicht in die Patientenakten nehmen, als dies zur Einholung von Weisungen seitens der Betroffenen bzw. zum Erhalt einer allfälligen Einwilligung für die Herausgabe der Akten an einen Nachfolger erforderlich ist.
cc) Eine zweckmässige und unter allen Gesichtspunkten auch für die betroffenen Patientinnen und Patienten befriedigende Behandlung der Daten ist in diesem letzten Falle aufgrund der heutigen Gesetzgebung nicht erkennbar. Die Patientinnen und Patienten haben
BGE 119 II 222 S. 226
ein berechtigtes Interesse daran, dass die schriftlichen Unterlagen nicht vernichtet werden, sondern im Falle der Fortführung der Behandlung durch eine andere Ärztin oder einen anderen Arzt zur Verfügung stehen, damit sich diese möglichst zuverlässig über die Krankengeschichte informieren können. Die Pflicht zur Aufbewahrung der Patientenunterlagen wird im Kanton Bern denn auch nach Art. 20 Abs. 2 des kantonalen Gesundheitsgesetzes den praktizierenden Ärzten für die Dauer von zehn Jahren vorgeschrieben. Die Erben des Verstorbenen haben zwar faktisch Zugang zu den Daten und treten als Gesamtnachfolger in dessen Rechtsstellung ein. Das Auftragsverhältnis erlischt jedoch mit dem Tod des Arztes (
Art. 405 Abs. 1 OR
), und die Verpflichtung der Erben gegenüber den Patientinnen und Patienten beschränkt sich im wesentlichen auf die Rechenschaftsablage, die Herausgabe und die Abrechnung (
Art. 400 und 402 OR
). Wenn sie dieser Verpflichtung in der Weise nachkommen, dass sie die Praxis mitsamt den Unterlagen an einen fachkundigen Nachfolger übertragen, so ist dieses Vorgehen - solange eine datenschutzrechtlich befriedigendere Regelung nicht erlassen worden ist - durch das überwiegende Interesse der Patientinnen oder Patienten gerechtfertigt.
dd) Zwar wäre denkbar, die Patientenkartei zu verschliessen und bei einer staatlichen Stelle wie der kantonalen Aufsichtsbehörde über die Ärzte zu hinterlegen. Eine Einsichtnahme durch eine Drittperson ist auch in diesem Falle insoweit unvermeidlich, als Betroffene in der Folge ihre Unterlagen anfordern. Unter dem Gesichtspunkt des Persönlichkeitsschutzes ist indessen eine Rechtfertigung für die Einsichtnahme mangels möglichen Einverständnisses der Betroffenen durch eine staatliche Stelle nicht ohne weiteres vorzuziehen. Der strafrechtlich durch
Art. 321 StGB
geschützte Geheimbereich wird grundsätzlich auch durch Bekanntgabe an Drittpersonen verletzt, die ihrerseits der Geheimhaltungspflicht unterliegen (vgl.
BGE 106 IV 132
). Entscheidend ist vielmehr das Vermögen der Drittperson zur Wahrnehmung der objektiven Interessen der Personen, deren Daten in Frage stehen.
ee) Mit der Übernahme der Patientenkartei hat der Beklagte zwar nicht das Recht erhalten, ohne Einwilligung der Patientinnen in deren Krankengeschichten Einsicht zu nehmen. Die Einsichtnahme in die Patientenunterlagen durch nicht in das ärztliche Mandatsverhältnis einbezogene Personen ist nur insoweit gemäss
Art. 28 Abs. 2 ZGB
gerechtfertigt, als dies zur Wahrnehmung objektiver Interessen der Betroffenen erforderlich ist. Die Kläger haben dem Beklagten
BGE 119 II 222 S. 227
vertraglich das Recht übertragen können, insoweit in die Unterlagen Einsicht zu nehmen, als dies zur Kontaktaufnahme mit den Patientinnen erforderlich war. Die von den Parteien angestrebte Übertragung des Goodwills bzw. des potentiellen Kundenkreises kann auf diese Weise praktisch erreicht werden. Soweit sich die Patientinnen in der Folge vom Beklagten hätten behandeln lassen, hätten sie auch in die Einsichtnahme in ihre Krankengeschichte eingewilligt. Für die Patientinnen, die ihm kein Mandat zur ärztlichen Behandlung anvertraut hätten, hätte der Beklagte mit der faktischen Übernahme der Kartei auch die Verpflichtung übernommen, die Unterlagen nach deren Weisung herauszugeben. Wie es sich damit verhält, ist jedoch nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Die von den Parteien angestrebte Übertragung des Goodwills der Arztpraxis war jedenfalls unter Respektierung der Persönlichkeit der betroffenen Patientinnen durchführbar. Der Vertrag ist daher entgegen der Auffassung des Beklagten nicht nichtig im Sinne von
Art. 20 OR
. | public_law | nan | de | 1,993 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
c7c3599f-b368-49b1-9299-8e19ef63601d | Urteilskopf
118 Ib 599
73. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 4. November 1992 i.S. VCS Verkehrs-Club der Schweiz gegen Kanton Zug (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Art. 9 USG
; Umweltverträglichkeitsprüfung.
1. Die Prüfung eines UV-Berichtes durch die Umweltschutzfachstelle im Sinne von
Art. 9 Abs. 5 USG
hat zwar den Charakter einer amtlichen Expertise; in der rechtlichen Würdigung aber ist die Genehmigungsbehörde frei (E. 6).
2. Die der UVP unterstehenden Anlagen, um deren Bewilligung vor Erlass der UVPV ersucht worden ist, haben materiell den gesetzlichen Anforderungen zu entsprechen; in formeller Hinsicht muss dagegen kein Bericht im Sinne der UVPV nachgeliefert werden (E. 7a).
3.
Art. 9 Abs. 2 lit. c USG
; zum UV-Bericht über eine Anlage, welche Emissionen in Form von Lärm und/oder Luftverschmutzung verursacht, gehört eine entsprechende Immissionsprognose (E. 7a).
4. Bei der Abklärung der Massnahmen (
Art. 9 Abs. 2 lit. d USG
) hat die entscheidende Behörde jeweils im Sinne von
Art. 11 Abs. 2 USG
zu prüfen, ob die Emissionsbegrenzungen so weit gehen, wie dies technisch und betrieblich möglich und wirtschaftlich tragbar ist (E. 7a).
5. Bei Brücken- und Strassenprojekten ist von einer gesamthaften Beurteilung der Auswirkungen auszugehen (E. 8). | Sachverhalt
ab Seite 601
BGE 118 Ib 599 S. 601
Die Hauptverkehrsstrasse Aarau-Lenzburg-Zug-Arth überquert bei Sins (AG) die Reuss. In der Mitte der Reuss verläuft die Grenze zwischen den Kantonen Aargau und Zug. Bei der betreffenden Reussbrücke handelt es sich um eine alte Holzbrücke. Dem zunehmenden Verkehr und dem Alter dieser Holzbrücke zufolge war man schon vor längerer Zeit gezwungen, eine maximale Gewichtslimite von grundsätzlich 20 t pro Fahrzeug zu verfügen. Zudem wurde mittels Verkehrssignalen der Einbahnverkehr eingeführt, weshalb es immer häufiger zu längeren Verkehrsstaus beidseits der Brücke kam. Diese Situation wird noch dadurch erschwert, dass nur ungefähr 120 m vom Flussübergang entfernt auf der aargauischen Seite die stark befahrene Südbahnlinie Basel-Chiasso verläuft, über welche die erwähnte Hauptstrasse führt. Im Jahre 1992 musste die Brücke überdies während einiger Wochen für den Fahrzeugverkehr gesperrt werden, da ihre Tragfähigkeit vermindert war.
Die Sanierung der Verkehrsverhältnisse über die Reuss im Raum Sins ist ein jahrzehntealtes Anliegen der Kantone Zug und Aargau. In den 70er Jahren wurden verschiedene Varianten ausgearbeitet und geprüft (sog. Zentrums- oder Einhornvariante, Süd- und Nordvariante). Schliesslich entschieden sich die Stimmberechtigten der aargauischen Gemeinde Sins im Jahre 1983 mit grossem Mehr für die Südvariante. Diese sieht auf der zugerischen Seite - etwa 150 m östlich der Reuss beim Knoten Zollweid - eine Zusammenfassung der beiden aus Cham und Hünenberg her kommenden Strassen vor. Von dort soll die Strasse ansteigend auf einem Damm zu einer neu zu erstellenden Reussbrücke ungefähr 100 m oberhalb (südlich) der alten Holzbrücke geleitet werden. Auf der aargauischen Seite soll sie unter der Südbahnlinie durchführen und danach südwestlich des Dorfes Sins in die kantonale Hauptverkehrsstrasse K 175 Lenzburg-Luzern einmünden. Nach Durchführung eines Vernehmlassungsverfahrens und Beratung des Projekts durch eine interkantonale Arbeitsgruppe nahm der Grosse Rat des Kantons Aargau die Südvariante am 17. Juni 1986 definitiv in den kantonalen Gesamtplan
BGE 118 Ib 599 S. 602
auf. Am 29. Januar 1987 wurde diese Variante auch in den Gesamtplan des Kantons Zug aufgenommen.
Unmittelbar anschliessend wurde eine Arbeitsgruppe des Baudepartementes des Kantons Aargau, der Baudirektion des Kantons Zug, des Gemeinderates Sins und des Gemeinderates Hünenberg gebildet. Diese beauftragte verschiedene Ingenieur- und Architekturbüros mit der Ausarbeitung des Strassenprojektes "Verkehrssanierung Sins". Gleichzeitig erteilte das Baudepartement des Kantons Aargau im Einvernehmen mit der Baudirektion des Kantons Zug dem Ingenieurbüro Emch & Berger den Auftrag für die Ausarbeitung des Umweltverträglichkeitsberichtes (UV-Bericht).
Im Oktober 1988 wurde ein umfassender Bericht zur Umweltverträglichkeit des Bauvorhabens erstattet. Dieser bezieht sich auf den Projektbeschrieb, die Auswirkungen des Vorhabens auf die Umwelt, die Verkehrssituation, die Luftfremdstoffe, den Lärm, die Erschütterungen, die Hydrologie mit Einschluss des Grundwassers, das Oberflächenwasser, die Landschaft und Siedlung, die Flora und Fauna, die Land- und Forstwirtschaft und den Bereich Freizeit/Erholung. Da die Zentralstelle für Umweltschutz des Kantons Zug zusätzliche Abklärungen wünschte, wurde dieser Bericht am 31. März 1989 durch einen Ergänzungsbericht zur Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) vervollständigt. Letzterer äussert sich insbesondere zum Bereich Lärm- und Lufthygiene und befasst sich mit dem Katastrophenschutz. Als Zusatz zum UV-Bericht wurde sodann von A. Zulauf & Partner am 17. Februar 1989 ein Spezialbericht zum landschaftspflegerischen Begleitplan erstattet.
Die Prüfungsergebnisse samt Projekt wurden in der Folge in den Kantonen Zug und Aargau öffentlich aufgelegt. Gegen das Vorhaben reichte der Verkehrs-Club der Schweiz (VCS) im Kanton Zug Einsprache ein. Am 3. September 1990 lehnte der Kantonsrat grossmehrheitlich die Einsprache ab, genehmigte das Projekt für den Neubau der Sinserbrücke über die Reuss samt Zufahrten auf der zugerischen Seite und erklärte die UVP als abgeschlossen. Der Kantonsrat stützte sich dabei auf einen eingehenden Bericht und Antrag der kantonalen Strassenbaukommission vom 5. Juli 1990.
Der VCS führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht und beantragt, der Kantonsratsbeschluss vom 3. September 1990 sei aufzuheben und die Sache sei zur erneuten Vornahme einer UVP evtl. zur Verbesserung dieser, an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut.
BGE 118 Ib 599 S. 603
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
6.
Der Beschwerdeführer rügt weiter, das Verhalten der Baudirektion des Kantons Zug bei der Antragstellung an den Regierungsrat und den Kantonsrat habe
Art. 9 USG
(SR 814.01) und
Art. 4 BV
verletzt.
Zutreffend ist, dass die kantonale Baudirektion den Fachstellenbericht der Umweltschutzstelle Zug in verschiedenen Punkten kritisierte. Der Beschwerdeführer gibt zu bedenken, der Fachstellenleiter sei aus beamtenrechtlichen Gründen kurze Zeit nach Erstellung seines Berichtes abgesetzt worden, was den Verdacht nahelege, seine Forderungen nach mehr Umweltschutzmassnahmen seien hiefür ausschlaggebend gewesen.
Aufgrund des bei den Akten liegenden Berichtes des Büros des Kantonsrates und des nachfolgenden Kantonsratsbeschlusses in dieser Angelegenheit zeigt sich, dass diese Vorwürfe nicht zutreffen. Es war durchaus Aufgabe der Baudirektion, den kantonalen Fachstellenbericht kritisch zu würdigen. Sie durfte dies umsomehr, als die Umweltschutzfachstelle des Kantons Aargau im Gegensatz zur zugerischen Amtsstelle den UV-Bericht fast durchwegs anders, d.h. grundsätzlich positiv beurteilt hatte. Zwar hat die Prüfung durch die Umweltschutzfachstelle in tatsächlicher Hinsicht den Charakter einer amtlichen Expertise (vgl. PIERRE-ANDRÉ JUNGO, Die Umweltverträglichkeitsprüfung als neues Institut des Verwaltungsrechtes, Diss. Freiburg 1987, S. 118; HERIBERT RAUSCH, Kommentar USG,
Art. 9 N 124
). In der rechtlichen Würdigung ist aber die Genehmigungsbehörde frei (HERIBERT RAUSCH, a.a.O., Art. 9 N. 124). Die Rüge der Verletzung von
Art. 9 USG
und
Art. 4 BV
ist demnach unbegründet.
7.
a) Der Beschwerdeführer rügt sodann, der UV-Bericht missachte
Art. 9 Abs. 2 lit. c und d USG
. Er sehe nämlich in Verletzung von
Art. 9 Abs. 2 lit. c USG
im wichtigen Bereich der Verkehrs-, Luft- und Lärmproblematik weder ausreichende Prognosen vor, noch enthalte er diesbezüglich gestützt auf
Art. 9 Abs. 2 lit. d USG
flankierende Massnahmen, d.h. Massnahmen zur Verminderung der Umweltbelastung. Auch unter dem Aspekt des Landschaftsschutzes sei der Bericht unvollständig, da es hier am Vorschlag der nötigen Massnahmen im Bereich Landschaftsschutz/Heimatschutz/Denkmalschutz fehle.
Gemäss
Art. 9 USG
sind jene Anlagen einer UVP zu unterziehen, "welche die Umwelt erheblich belasten können". Unbestritten ist,
BGE 118 Ib 599 S. 604
dass das zur Diskussion stehende Bauvorhaben der UVP-Pflicht unterliegt. Wie erwähnt, haben die der UVP unterstehenden Anlagen, um deren Bewilligung vor Erlass der UVPV ersucht worden ist, materiell den gesetzlichen Anforderungen zu entsprechen; in formeller Hinsicht muss dagegen kein Bericht im Sinne der UVPV (SR 814.011) nachgeliefert werden (
BGE 117 Ib 300
mit Hinweisen).
Art. 9 Abs. 2 lit. c USG
verlangt, dass der Bericht sich zur voraussichtlich verbleibenden Belastung der Umwelt äussert. Darunter ist der künftige vom Vorhaben beeinflusste Zustand der Umwelt zu verstehen. Soweit sich die voraussichtlich verbleibende Belastung der Umwelt an Belastungsgrenzwerten messen lässt, interessiert, ob diese eingehalten oder überschritten werden. Dementsprechend gehört zum UV-Bericht über eine Anlage, welche Emissionen in Form von Lärm und/oder Luftverschmutzung verursacht, stets eine entsprechende Immissionsprognose (
BGE 113 Ib 236
; HERIBERT RAUSCH, a.a.O., Art. 9 N. 81). Zur Umweltbelastung zählen auch die negativen Einflüsse des Vorhabens auf Natur und Landschaft (HERIBERT RAUSCH, a.a.O., Art. 9 N. 83).
Weiter muss sich der Bericht zu Massnahmen äussern, die eine zusätzliche Verminderung der Umweltbelastung ermöglichen, sowie zu den diesbezüglichen Kosten (
Art. 9 Abs. 2 lit. d USG
). Der Ausdruck "Massnahmen" ist auf Änderungen des Projekts oder die vorgesehene Betriebsweise der Anlage ausgerichtet. Doch soll nicht ausgeschlossen sein, dass der Gesuchsteller Möglichkeiten aufzeigt, Umweltbelastungen, welche sein Vorhaben erhöht, mit Massnahmen ausserhalb seines eigenen Einflussbereichs zu vermindern. Schliesslich hat die entscheidende Behörde jeweils im Sinne von
Art. 11 Abs. 2 USG
zu prüfen, ob die Emissionsbegrenzungen so weit gehen, wie "dies technisch und betrieblich möglich und wirtschaftlich tragbar ist" (HERIBERT RAUSCH, a.a.O., Art. 9 N. 84 und 86).
Im Lichte dieser Grundsätze ist nachfolgend zu untersuchen, ob die vorhandenen Unterlagen die gesetzlichen Anforderungen erfüllen.
b) Zu prüfen ist als erstes, ob die Abklärungen im Zusammenhang mit dem zu erwartenden Verkehr als ausreichend erscheinen. Diesbezüglich ist vor allem der UV-Bericht S. 20 ff. massgebend. Daraus geht hervor, dass bei den Personenwagen (inkl. Lieferwagen) unmittelbar nach Fertigstellung des Bauvorhabens mit einer Zunahme von 10% und bei den Lastwagen mit einer solchen von 33% zu rechnen sei. Im Bereich der Brücke erfolge in den Jahren 1992 bis 1997 eine
BGE 118 Ib 599 S. 605
weitere Zunahme von 10%. Diese Abklärungen wurden durch den Ergänzungsbericht zur UVP noch speziell vertieft. Dabei ergaben sich die gleichen Werte nach Eröffnung der neuen Reussbrücke, wobei die 10%ige Zunahme vor allem damit begründet wird, dass nach der Eröffnung der neuen Reussbrücke die Arbeitsplätze in der Region Zug aus dem aargauischen Freiamt besser erreichbar würden. Beim Schwerverkehr sei infolge der Aufhebung der Gewichtsbeschränkung (20 t pro Fahrzeug) nach Eröffnung der neuen Brücke mit einer Zunahme von 33% zu rechnen. Der Bericht folgert weiter, der Grossteil der Verkehrszunahme sei kein echter, sondern ergebe sich aus einer Umlagerung des Verkehrs, da heute Umwege über die Reussbrücke bei Gisikon oder bei Ottenbach gefahren werden müssten. Der Zusatzbericht des Ingenieurbüros Jenni + Gottardi vom 1. Dezember 1989 kommt zum Schluss, die Annahmen für den Neuverkehr von 10% für Personenwagen und von 33% für Lastwagen seien grosszügig, d.h., "die Resultate dürften auf der sichern Seite liegen".
Diese Zahlen und Schlussfolgerungen sind durch die beiden vom Bundesgericht eingeholten Gutachten des Ingenieurbüros Jenni + Gottardi noch verfeinert und überprüft worden. Die Gutachten beruhen auf Modellrechnungen zur N4/N20, die kürzlich durch das Büro Jenni + Gottardi in einem andern, vom vorliegenden Projekt unabhängigen Zusammenhang durchgeführt und die auf die Region Reusstal ausgeweitet sowie aufgrund umfangreicher Zahlen auf den heutigen Zustand aktualisiert worden sind. Zusätzlich sind mehrere Varianten des künftigen übergeordneten Strassennetzes aufgezeigt und der damit verbundene Verkehr errechnet worden. Der Experte kommt zum Schluss, der Ausbau des übergeordneten Strassennetzes sei für den Raum Sins von grosser Bedeutung. Schon die Eröffnung des Autobahnteilstücks Knonau bringe für Sins eine spürbare Entlastung, die mit der Verbindung der N4 und der N20 noch wesentlich deutlicher ausfalle. Diese Entlastungswirkungen seien im UV-Bericht nicht berücksichtigt. Deshalb lägen die Verkehrsprognosen im ursprünglichen UV-Bericht auf der sichern Seite.
Aus diesen Erwägungen geht hervor, dass entgegen der Meinung des Beschwerdeführers nicht gesagt werden kann, die voraussichtlich verbleibende Belastung der Umwelt durch den Mehrverkehr sei im UV-Bericht und den zusätzlichen Gutachten nicht hinreichend geprüft und zum Ausdruck gebracht worden.
c) Der UV-Bericht hat den Sektor Luft auf den Seiten 28 ff. beleuchtet. Er kommt zum Schluss, dass die Realisierung des
BGE 118 Ib 599 S. 606
Projektes zu einer Entlastung der Häuser beim Restaurant Zollhaus auf der Zugerseite führe. Auf der Westseite (Kanton Aargau) der Reuss werde die Distanz zwischen Strasse und Empfängerpunkten (Wohnhäuser) grösser und demzufolge der Verdünnungseffekt stärker. Dies habe generell geringere Immissionskonzentrationen zur Folge. Weiterführende Massnahmen zur Reinhaltung der Luft wie Geschwindigkeitsbeschränkungen auf den neuen Strecken können nach dem UV-Bericht als isolierte Massnahmen keine merkliche Verbesserung der Situation bewirken. Der Ergänzungsbericht zur UVP führt in diesem Zusammenhang aus, die Abnahme der Emission beim NO sei stärker als die Zunahme, die aus dem erhöhten Verkehrsaufkommen resultiere. Eine Verschärfung der heute ohnehin nicht kritischen Emissionssituation sei durch den Brückenneubau im Bereich der beiden untersuchten Strecken nicht zu erwarten.
Die vom Bundesgericht beigezogenen Gutachten haben die Abklärungen im UV-Bericht bezüglich der Luft ergänzt. Das erste Gutachten folgert, die heutigen NO2-Immissionen lägen im Bereich des Immissionsgrenzwertes der Luftreinhalte-Verordnung. Trotz zunehmenden Verkehrs dürfe mit abnehmenden Luftbelastungen gerechnet werden. Insbesondere nach Eröffnung der N4 dürften in Hünenberg die Immissionsgrenzwerte durchgehend eingehalten werden. Im Ergänzungsgutachten wird festgestellt, bezüglich Luftschadstoffe zeige die neue Prognose leicht erhöhte Werte, welche am Strassenrand für alle Prognosezustände leicht über dem Immissionsgrenzwert lägen. Dies hänge primär mit den erhöhten Hintergrundbelastungen zusammen und werde vom Brückenverkehr nur unwesentlich beeinflusst.
In den Berichten finden sich keine Ausführungen zur Ozonbelastung. Allerdings ist zu beachten, dass dieses Problem nicht punktuell angegangen werden kann. Der Kanton Zug hat denn auch in Verbindung mit den andern Kantonen der Innerschweiz einem entsprechenden Konzept zugestimmt.
Der Kanton Zug hat die neue Strassenanlage noch nicht in eine Massnahmenplanung gemäss Art. 31 der Luftreinhalte-Verordnung einbezogen. Den gesetzlichen Bestimmungen kann nicht entnommen werden, in welchem Zeitpunkt ein Massnahmenplan vorzuliegen hat. Das Bundesgericht hat im Zusammenhang mit dem Nationalstrassenbau entschieden, ein derartiger Plan müsse grundsätzlich im Zeitpunkt des Plangenehmigungsentscheides vorliegen (
BGE 118 Ib 225
E. f und 37). Indessen bedeutet dies nicht, dass im zur Diskussion stehenden Fall mit den weiteren Arbeiten zugewartet
BGE 118 Ib 599 S. 607
werden muss, bis der Massnahmenplan erstellt ist. Die erforderliche Reduktion lässt sich nachträglich durch Anordnung entsprechender Massnahmen verwirklichen. Anders wäre die Situation, wenn von der neuen Anlage so grosse Emissionen zu erwarten wären, dass dadurch die spätere Massnahmenplanung präjudiziert würde (
BGE 118 Ib 37
). Dass von der neuen Strassenanlage derartige erhebliche Emissionen ausgehen werden, macht der Beschwerdeführer nicht geltend und ist auch aufgrund der dem Bundesgericht zur Verfügung stehenden Gutachten und Unterlagen nicht anzunehmen. Unter diesen Umständen genügt es, wenn der Massnahmenplan im Zeitpunkt der Inbetriebnahme der neuen Verkehrsanlage vorliegt und die darin empfohlenen Massnahmen verwirklicht werden.
Aus diesen Überlegungen ergibt sich grundsätzlich auch in bezug auf die Abklärungen zum Bereich Luftbelastung, dass USG und Luftreinhalte-Verordnung nicht verletzt sind.
d) Zur Lärmproblematik enthält der UV-Bericht eingehende Untersuchungen und Ausführungen. In der Zwischenzeit sind in den Gemeinden Cham und Hünenberg die Empfindlichkeitsstufen rechtskräftig festgelegt worden (Empfindlichkeitsstufe II und III); in Sins ist das Verfahren noch nicht abgeschlossen; vorgesehen ist Empfindlichkeitsstufe III. Der UV-Bericht führt aus, dass sowohl bei der Inbetriebnahme der neuen Strassenanlage als auch fünf Jahre später die Planungswerte eingehalten würden. Einzig bei den ersten Häuserzeilen beidseits der Luzernerstrasse in Sins würden die Immissionsgrenzwerte tags und nachts bereits heute überschritten. Die Grenzwertüberschreitung würde sich nach der Eröffnung der neuen Brücke noch verstärken. Der Ergänzungsbericht zur UVP stellt fest, sämtliche Emissionszunahmen lägen unter 2 dB(A) und seien damit nicht wahrnehmbar. Nach dem Brückenneubau seien die grössten Emissionszunahmen im Bereich Hünenberg in der Nacht mit 1.5 dB(A) zu erwarten.
Das vom Bundesgericht eingeholte Gutachten, welches die künftige Lärmbelastung der Wohngebiete im Abschnitt Sins-Hünenberg analysiert, kommt zum Schluss, dass in den Zonen mit Empfindlichkeitsstufe II für die Mehrzahl der Häuser entlang der Dräliker- und der Holzhäusernstrasse in Hünenberg der Immissionsgrenzwert bei lärmempfindlichen Räumen mindestens tagsüber erreicht oder überschritten werde. Der Grenzwert nachts werde lediglich bei einem Haus überschritten. In den Zonen mit Empfindlichkeitsstufe III sei nur ein Haus betroffen. Im Ergänzungsgutachten werden diese Prognosen leicht nach oben korrigiert. In
BGE 118 Ib 599 S. 608
den Wohnzonen (Empfindlichkeitsstufe II) längs der erwähnten Strassen und im Bereich des Knotens Hünenberg werde der Grenzwert zukünftig auch nachts überschritten. Der Gutachter empfiehlt daher Lärmschutzmassnahmen für gewisse besonders betroffene Wohnhäuser (Abschirmung durch Wand oder Erhöhung der Böschungskanten durch Damm oder Wand, Schallschutzfenster).
Aus diesen Gutachten des Ingenieurbüros Jenni + Gottardi geht somit hervor, dass die Immissionsgrenzwerte nicht überall eingehalten werden können. In diesem Zusammenhang gilt es zu beachten, dass es vorliegend um die Erstellung einer neuen Anlage im Sinne von
Art. 25 USG
geht, wird doch nicht nur eine neue Brücke über die Reuss, sondern auch eine neue Bahnunterführung und ein einige hundert Meter langes neues Strassenstück erstellt. Gemäss
Art. 25 Abs. 1 USG
dürfen ortsfeste Anlagen nur errichtet werden, wenn die durch diese Anlagen allein erzeugten Lärmimmissionen die Planungswerte in der Umgebung nicht überschreiten. Besteht wie hier (vgl. vorne E. 5b) ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Anlage und würde die Einhaltung der Planungswerte zu einer unverhältnismässigen Belastung für das Projekt führen, so können Erleichterungen gewährt werden; dabei dürfen jedoch unter Vorbehalt von Abs. 3 die Immissionsgrenzwerte nicht überschritten werden (
Art. 25 Abs. 2 USG
). Der Vorbehalt von
Art. 25 Abs. 3 USG
bezieht sich auf die Errichtung von Strassen, Flughäfen, Eisenbahnanlagen oder anderen öffentlichen oder konzessionierten ortsfesten Anlagen. Können bei diesen Anlagen die Immissionsgrenzwerte durch Massnahmen bei der Quelle nicht eingehalten werden, müssen auf Kosten des Eigentümers der Anlage die vom Lärm betroffenen Gebäude durch Schallschutzfenster oder ähnliche bauliche Massnahmen geschützt werden. Da vorliegend
Art. 25 Abs. 3 USG
zur Anwendung gelangt und die Immissionsgrenzwerte nicht überall eingehalten werden können, müssen auf Kosten des Kantons Zug die betreffenden Gebiete im Sinne der Vorschläge des Ingenieurbüros Jenni + Gottardi entsprechend geschützt werden; massgebend bezüglich der Orte sind das Gutachten, das Ergänzungsgutachten und die Präzisierungen der Gemeinde Hünenberg vom 23. Januar 1992.
Durch diese vom Bundesgericht veranlassten Ergänzungen sind bei den Abklärungen zur Lärmbelastung ebenfalls keine Verstösse mehr gegen
Art. 9 und 25 USG
bzw. gegen die Lärmschutz-Verordnung festzustellen.
e) Der Beschwerdeführer macht weiter geltend, der UV-Bericht sei bezüglich der Waldfrage absolut unvollständig. Er begnüge sich
BGE 118 Ib 599 S. 609
damit festzuhalten, dass eine Ersatzaufforstung von ca. 14 a auf der nördlichen Seite des Zoll-Ischlags geplant sei. Unter dem Aspekt des Natur- und Landschaftsschutzes sei der Wald auch qualitativ dem Schutz zu unterstellen. Beim Wald im Zoll-Ischlag handle es sich um einen der schönsten Eichen-Hainbuchenwälder des Kantons Zug. Er habe seinen ursprünglichen Charakter beibehalten und sei Teil eines grossen Auenwaldes zwischen Lorze und Reuss. Eine Tangierung des Zoll-Ischlags sei aus natur- und landschaftsschützerischen Überlegungen nicht vertretbar.
Der UV-Bericht geht von einer Rodungsfläche von 13 a beim Zoll-Ischlag aus. Für die Aufforstung sei bei der Festlegung der Artenzusammensetzung die Charakteristik des schutzwürdigen ehemaligen Auen-/Mittelwaldes zu berücksichtigen. Entlang der Rodungs- und Aufforstungsgrenze sei mit geeigneten Gehölzen ein mindestens 5 m breiter Waldmantel aufzubauen.
Diese Ausführungen im UV-Bericht können noch als knapp genügend bezeichnet werden; insbesondere sind flankierende Massnahmen vorgesehen. Wie der Augenschein indessen zeigte, sind der UV-Bericht und damit auch der angefochtene Kantonsratsbeschluss inhaltlich teilweise offensichtlich unrichtig (
Art. 104 lit. b OG
). Die Rodungsfläche beim Zoll-Ischlag beträgt nicht nur ungefähr 1300 m2, sondern 1480 m2. Auch ist entgegen der Auffassung der kantonalen Behörden nicht nur Jungwald von der Rodung betroffen; wie am Augenschein festgestellt werden konnte, müssten auch alte prächtige Bäume wie Eichen und Buchen gefällt werden. - Gemäss Darstellung der Vertreter des Kantons Zug soll die Strasse in den Wald verlegt werden, um das Kulturland zu schonen. Dies ist nicht massgebend. Rodungen dürfen nur bewilligt werden, wenn sich hiefür ein gewichtiges, das Interesse an der Walderhaltung überwiegendes Bedürfnis nachweisen lässt (Art. 26 Abs. 1 der Verordnung betreffend die eidgenössische Oberaufsicht über die Forstpolizei vom 1. Oktober 1965 [FPolG]). Die Interessenabwägung hat davon auszugehen, dass das Walderhaltungsinteresse von Gesetzes wegen überwiegt; es hat nur zurückzutreten, wenn ein überwiegendes Rodungsinteresse nachgewiesen ist (
BGE 113 Ib 408
E. c;
BGE 112 Ib 200
;
BGE 108 Ib 268
f.). Eine Rodung zur Gewinnung oder Schonung landwirtschaftlichen Kulturlandes stellt aber grundsätzlich kein das gesetzliche Gebot der Walderhaltung überwiegendes Bedürfnis im Sinne von
Art. 26 FPolV
dar. Sie ist nach der Rechtsprechung in der Regel nur im Zusammenhang mit einer Güterzusammenlegung statthaft, wenn diese sonst verunmöglicht würde. Zudem könnte eine
BGE 118 Ib 599 S. 610
Rodungsbewilligung erteilt werden, wenn sich sonst ein Landwirtschaftsbetrieb vernünftigerweise nicht mehr aufrechterhalten liesse oder wenn damit wenigstens eine sehr beachtliche Ertragssteigerung erreicht würde (vgl.
BGE 113 Ib 408
E. c;
BGE 108 Ib 183
ff.;
BGE 98 Ib 128
ff.; unveröffentlichte Urteile des Bundesgerichts vom 29. April 1981 i.S. Ortsgemeinde Buchs c. EDI, E. 5, und vom 9. Juli 1980 i.S. H. c. Regierung des Kantons Graubünden, E. 4d). Im vorliegenden Fall ist keine dieser Voraussetzungen erfüllt. Es ist durchaus möglich, die Strasse im fraglichen Bereich etwas anders anzulegen. Ob eine geänderte Strassenführung ganz ohne Rodung erfolgen kann, muss heute nicht entschieden werden. Jedenfalls könnte eine Neuaufforstung im ins Auge gefassten Ausmass während Jahrzehnten keinen hinreichenden Ersatz für den teilweise prächtigen Altbestand bieten. Aus diesen Gründen ist die Beschwerde in diesem Punkt gutzuheissen.
f) Der UV-Bericht befasst sich auch mit dem Landschaftsschutz. Er führt aus, das BLN-Schutzgebiet, welches sich nördlich des fraglichen Reussübergangs befinde, reiche nahe an das vom Brückenbau betroffene Gebiet heran. Die Bedeutung dieses südlichsten Zipfels des BLN-Gebietes sei aber nicht mit dessen Kernbereich vergleichbar. Vom Bauvorhaben werde es nicht tangiert, sondern im Gegenteil durch die Verschiebung der Kantonsstrasse nach Osten bzw. Süden sogar eher etwas entlastet. Der Bericht kommt weiter zum Schluss, die bedeutendste Belastung durch die neue Reussbrücke erfahre der eigentliche Flussraum inklusive Holzbrücke. Der gerade am stärksten gekammerte, naturnahe Strukturen aufweisende Flussabschnitt werde zerschnitten und der freie Blick von Süden auf die Holzbrücke beeinträchtigt. Zur Verbesserung der landschaftlichen Eingliederung hätte aber eine ganze Reihe von Massnahmen im vorliegenden Projekt Eingang gefunden. Im Bericht selber sind keine konkreten Vorschläge für die Rekultivierung des durch den Brückenbau betroffenen Bereichs enthalten, wie der Beschwerdeführer und das EDI zu Recht beanstanden. Hingegen sind im Verlaufe des bundesgerichtlichen Verfahrens spezielle Projektpläne ausgearbeitet worden, die auf einem Bericht des Spezialbüros A. Zulauf & Partner beruhen. Unter anderem sind vorgesehen eine Bepflanzung des Dammes und der Kreuzung südlich des Zollhauses mit Einzelbäumen und Heckenelementen, Ufergehölze entlang dem kleinen Reussli, die Anbringung von Baumhecken als Strassenbegleitungsgrün, Instandstellung des vom Brückenbau beeinträchtigten Weichholzauenfragmentes, Erstellung von Gräben und Mulden zur Erhöhung der Bodenfeuchtigkeit im Brückenbereich, Erweiterung des
BGE 118 Ib 599 S. 611
Gebietes nach Süden als Ersatz für den beeinträchtigten Lebensraum im Brückenbereich, eine Bachöffnung sowie Mauerbegrünungen. Die Kosten dafür belaufen sich auf ca. Fr. 590'000.--. Diese Massnahmen wurden am bundesgerichtlichen Augenschein im einzelnen dargelegt. Dabei wurde festgestellt, dass im Brückenbereich längs der Reuss und längs des parallel dazu verlaufenden kleinen Reussli geschützte Ufervegetation auf einer Länge von je gegen 20 m und einer Tiefe von einigen wenigen Metern weichen muss. Angesichts der sachlichen Dringlichkeit des Bauvorhabens dürften dazu die Voraussetzungen für die Rodung gegeben sein. Indessen ist im Sinne von
Art. 18 Abs. 1bis und Abs. 1ter NHG
für angemessenen Ersatz zu sorgen, wobei die im Verlaufe des bundesgerichtlichen Verfahrens beigezogenen Unterlagen und Pläne massgebend sind. Auch der Beschwerdeführer bemerkt in seiner Vernehmlassung zu den nun nachträglich vorgeschlagenen Rekultivierungsmassnahmen, diese könnten toleriert werden.
g) Ferner trägt das Projekt aufgrund des UV-Berichts auch den Anforderungen an die Erhaltung der alten Holzbrücke als Kulturobjekt hinreichend Rechnung. Die Brücke wird inskünftig als Fussgänger- und Fahrradübergang dienen und dadurch erhalten bleiben können. Würde weiterhin Autoverkehr über die Holzbrücke geleitet, so wären aufgrund der einschlägigen Fachberichte Betonverstärkungen unumgänglich, was auch dem Aspekt des Landschaftsschutzes sehr abträglich wäre. Die neue Brücke wird zudem distanzmässig hinreichend weit von der Holzbrücke entfernt sein und deren Erscheinungsbild nicht allzusehr beeinträchtigen.
h) Auch die Ausführungen im UV-Bericht zum Gewässerschutz erscheinen als genügend; die Fahrbahnabwässer würden über einen Ölabscheider, der gemäss Ergänzungsbericht zur UVP ein Ölsammelvolumen entsprechend dem Fassungsvermögen eines Tankzuges aufzuweisen habe, in den Drälikerbach eingeleitet. Dies beinhalte zwar ein nicht abschliessend beurteilbares Risiko. Zu prüfen sei daher die Sammlung der Fahrbahnabwässer in biologischen Klärteichen mit nachfolgender Versickerung oder Einleitung in die Vorfluter. Der UV-Bericht sieht auch für die Bauphase Massnahmen zum Schutz des Grundwassers vor.
8.
Dem Regierungsrat und dem Kantonsrat des Kantons Zug ist darin beizupflichten, dass bei derartigen Brücken- und Strassenprojekten von einer gesamthafte Beurteilung der Auswirkungen auszugehen ist (vgl.
BGE 117 Ib 305
E. cc). Der Augenschein hat deutlich gezeigt, dass die Verkehrsverhältnisse beim Reussübergang
BGE 118 Ib 599 S. 612
und bei der Überquerung der Südbahnlinie in Sins prekär und gefährlich sind. Dies belegt die zeitliche und sachliche Dringlichkeit des Projektes. Wenn der Beschwerdeführer in seiner Schlussvernehmlassung vorbringt, für den Brückenneubau bestehe nach Eröffnung der Nationalstrasse N4 durch das Knonaueramt im Jahre 2004 kein Bedarf mehr, so trifft es zwar zu, dass sich gemäss den heutigen Prognosen dann eine Verkehrsverminderung bei der Sinserbrücke ergeben wird. Entbehrlich wird aber die neue Strassenanlage trotzdem nicht; die vorgesehene Unterführung unter der Südbahnlinie dürfte angesichts des zunehmenden Huckepackverkehrs und der damit verbundenen Mehrbelastung dieser Linie auch später von grossem Nutzen sein. Sodann dürfte der private Regionalverkehr (Pendler) aus dem Reusstal nach Cham/Zug eher zunehmen, weshalb es äusserst fraglich ist, ob die alte Holzbrücke samt Bahnübergang diesen Verkehr später noch bewältigen könnte.
Gesamthaft gesehen dürfte eher eine Verbesserung gegenüber der heutigen Situation eintreten. Das vom Bundesgericht beigezogene Ergänzungsgutachten weist darauf hin, dass insbesondere in Spitzenzeiten offenbar die Umfahrungsachse von Matten zur Brücke von Mühlau benützt werde, um dem weithin sichtbaren Stau vor der alten Holzbrücke auszuweichen. Durch den Brückenneubau werden diese Umwegfahrten ebenso wegfallen wie diejenigen wegen der heute bestehenden Gewichtsbeschränkungen, was im Verlaufe eines Jahres zur Einsparung von Zehntausenden von Umwegkilometern und damit zu einer Verminderung der Umweltbelastung führen wird. Positiv ins Gewicht fallen weiter ein besserer Schutz des Weilers Zollweid vor Emissionen, die Schonung und Erhaltung der alten Holzbrücke ohne beeinträchtigende Schutzmassnahmen wie Betonverstärkungen und dergleichen, die Vermeidung von Verkehrsstaus, die Schaffung eines besseren Fuss- und Fahrradübergangs über die Reuss sowie die Förderung und die Attraktivitätssteigerung des öffentlichen Verkehrs (erhöhte Fahrplangenauigkeit zufolge Wegfalls der Verkehrsstaus). Als negativ zu werten sind der Eingriff in kleinere Lebensgemeinschaften von Pflanzen und Tieren am Reussufer, die Störungen während der Bauphase, eine gewisse Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes der alten Holzbrücke durch die neue Brücke, die erhöhte Attraktivität für den motorisierten Individualverkehr und eine damit verbundene Zunahme von Emissionen.
Aus diesen Überlegungen folgt, dass die neue Strassenanlage bei einer gesamtheitlichen Betrachtung aus der Sicht des Bundesumweltrechts als verantwortbar bezeichnet werden kann. Eine
BGE 118 Ib 599 S. 613
Einschränkung ist aus forstrechtlicher Sicht zu machen, muss doch die Strasse beim Zoll-Ischlag zum Schutz des Waldes anders geführt werden.
9.
Es ergibt sich somit, dass der Kantonsratsbeschluss teilweise aufzuheben ist (Führung der Strasse durch den Wald beim Zoll-Ischlag). Im übrigen ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde im Sinne der Erwägungen abzuweisen. | public_law | nan | de | 1,992 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
c7c5dc5c-9130-4985-b461-88208d4c92ff | Urteilskopf
87 I 305
51. Urteil der I. Zivilabteilung vom 19. September 1961 i.S. Asbiton AG gegen Eidgenössisches Amt für das Handelsregister. | Regeste
Art. 944 OR
,
Art. 38, 44-46 HRegV
.
Wann darf die Firma das Wort "international" enthalten? | Sachverhalt
ab Seite 305
BGE 87 I 305 S. 305
A.-
Der in Rotterdam wohnende Holländer Laban Mast gründete am 26. Februar 1959 mit einem in Zürich wohnenden Amerikaner und drei Schweizern die in Zürich niedergelassene Asbiton AG, deren Grundkapital sich auf Fr. 100'000.-- beläuft und in hundert Namenaktien eingeteilt ist. Die Gesellschaft erwarb von Mast zum Anrechnungspreis von Fr. 30'000.-- "das ausschliessliche, unwiderrufliche und frei übertragbare Recht, das Dichtungsmittel "Compriband" auf der ganzen Welt herzustellen und zu vertreiben mit Ausnahme von Holland mit Überseegebieten,
BGE 87 I 305 S. 306
Deutschland, Frankreich mit Überseegebieten, Italien, Österreich, Schweden, Norwegen, Dänemark, England, Belgien mit Belgisch-Kongo, Luxemburg und Südafrika sowie Schweiz". Die Statuten bestimmen, die Gesellschaft bezwecke den Erwerb und die Verwaltung von Beteiligungen an Unternehmen, die Dichtungsmaterialien herstellen oder verkaufen; sie könne auch einschlägige Patente oder Fabrikations- und Vertriebsrechte aus solchen erwerben und in Unternehmungen einbringen. Die Asbiton AG hat sich indessen an keinem Unternehmen beteiligt und verwaltet auch keine Beteiligungen. Sie beschränkt sich darauf, in einigen Staaten, in denen sie das Dichtungsmittel "Compriband" vertreiben darf (Kanada, Vereinigte Staaten von Amerika, Australien), Lizenzen für dessen Herstellung und Verkauf zu erteilen. Die Gründung weiterer ausländischer Asbiton-Gesellschaften, die Lizenzen nehmen sollen, ist eingeleitet oder beabsichtigt.
B.-
Am 19. Mai 1961 ersuchte die Asbiton AG das Eidgenössische Amt für das Handelsregister um die Bewilligung, ihre Firma in "Internationale Asbiton AG" abzuändern.
Das Amt wies das Gesuch am 31. Mai 1961 mit der Begründung ab, das Wort "international" würde reklamehaft wirken, da noch keine weitverzweigte internationale Organisation vorliege, in der die Gesuchstellerin eine zentrale, leitende Stellung innehätte; es seien noch zu wenig Glieder der Interessenverbindung vorhanden.
C.-
Die Asbiton AG führt gemäss
Art. 97 ff. OG
Beschwerde. Sie beantragt dem Bundesgericht, ihr die Aufnahme des Wortes "international" in ihre Firma zu gestatten.
Das Eidgenössische Amt für das Handelsregister beantragt, die Beschwerde abzuweisen.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Gestützt auf
Art. 944 Abs. 2 OR
ist in
Art. 45 und 46 HRegV
bestimmt, in welchem Umfange nationale
BGE 87 I 305 S. 307
und territoriale Bezeichnungen bei der Bildung von Firmen verwendet werden dürfen. Diese Bestimmungen treffen auf den vorliegenden Fall nicht zu. Das Bundesgericht hat schon am 17. Dezember 1957 auf Beschwerde der "Association de lycées internationaux" entschieden, dass das Wort "international" nicht eine nationale oder territoriale Bezeichnung ist. Diese Rechtsprechung wird denn auch weder von der Beschwerdeführerin noch vom Eidgenössischen Amt für das Handelsregister beanstandet.
2.
Jede Firma darf auf die Natur des Unternehmens hinweisende Angaben enthalten, doch müssen sie wahr sein, nicht täuschen können und keinem öffentlichen Interesse widersprechen (
Art. 944 Abs. 1 OR
;
Art. 38 Abs. 1 HRegV
). Bezeichnungen, die nur der Reklame dienen, dürfen in eine Firma nicht aufgenommen werden (
Art. 44 Abs. 1 HRegV
).
Auf die Natur des Unternehmens weisen z.B. Zusätze über sein Arbeitsgebiet, die Art seines Betriebes oder seine Geschäftstätigkeit hin (
BGE 69 I 123
). Das Wort "international" ist daher an sich geeignet, Bestandteil einer Firma zu sein. Es kann namentlich aussagen, dass der Inhaber der Firma in mehreren Staaten Mitglieder, Tochtergesellschaften oder Betriebe hat oder dass seine Leistungen sich über die Staatsgrenzen hinaus erstrecken oder in mehreren Ländern erhältlich sind. So ist grundsätzlich gegen Firmen wie "Internationale Vereinigung von Treuhandgesellschaften", "Aktiengesellschaft für internationale Möbeltransporte", "Internationale Eisenbahnschlafwagen-Gesellschaft", "Internationale Investmenttrust-Gesellschaft" nichts einzuwenden.
Die Beifügung "international" muss jedoch wahr sein. Das ist sie nicht, wenn die Organisation, Einrichtungen oder Tätigkeit des Firmeninhabers überhaupt nicht oder nur in untergeordneter Hinsicht zwischenstaatlicher Natur sind. Wer nie oder nur unbedeutend, nur gelegentlich oder, gemessen an seinem Aufbau oder seiner Betätigung, nur in nebensächlichem Ausmass über die staatlichen Grenzen
BGE 87 I 305 S. 308
hinausgreift, darf sich nicht den Anschein geben, er habe ein internationales Unternehmen. Denn von dem, der sich oder seiner Tätigkeit in der Firma ein internationales Gepräge zuschreibt, wird vorausgesetzt, dass es seinem ganzen Wesen entspreche, ihn vom Durchschnitt anderer im Handelsregister Eingetragener unterscheide. Einer Gesellschaft mit einem Unternehmen von nur lokaler Bedeutung steht daher die Firma "Agence Internationale de Transports et Camionnage SA" nicht zu (STAMPA, Sammlung von Entscheiden des Bundesrates und seines Justiz- und Polizeidepartementes in Handelsregistersachen S. 127 Nr. 169). Auch dürfte sich z.B. nicht "AG für internationalen Handel" nennen, wer Waren hauptsächlich im Ursprungslande weiterverkauft und nur gelegentlich auch in andere Länder versendet. Ebensowenig darf durch die Bezeichnung "international" auf Beziehungen zum Auslande angespielt werden, die üblicherweise nicht zum Anlass genommen werden, sich einen internationalen Anstrich zu geben. So liesse sich z.B. die Firma "Internationale Bank" nicht damit rechtfertigen, die Inhaberin nehme auch Zahlungen aus dem Auslande entgegen, und die Firma "Internationale Tabak AG" nicht damit, sie bediene in ihrem Landen hauptsächlich Grenzgänger oder verkaufe vorwiegend ausländische Tabake. Eine Lehranstalt darf sich nicht deshalb als "international" bezeichnen, weil sie Fremdsprachen lehrt. Daher hat das Bundesgericht die Firma "Association de lycées internationaux" für einen Verband solcher Lehranstalten nicht zugelassen (Entscheid vom 17. Dezember 1957, nicht veröffentlicht). In solchen oder ähnlichen Fällen erweckt die Beifügung "international", weil sie den Anschauungen des Verkehrs widerspricht, unzutreffende Vorstellungen. Sie ist unwahr, reklamehaft und daher unzulässig.
Das Wort "international" darf auch dann nicht in die Firma aufgenommen werden, wenn es, obschon Organisation, Einrichtungen oder Tätigkeit des Unternehmens ein internationales Gepräge haben, täuschen kann. Es ist nicht
BGE 87 I 305 S. 309
zulässig, wenn es den Eindruck erweckt, die internationalen Beziehungen des Unternehmens seien anderer Art, als sie in Wirklichkeit sind. Ob Täuschungsgefahr vorliegt, hängt vom Sinn ab, der dem Wortlaut im Verkehr entnommen wird. Ein ausschliesslich in der Schweiz tätiger Spediteur darf z.B. nicht deshalb, weil er Güter vorwiegend nach dem Ausland versendet, seine Firma mit dem Worte "international" versehen, es wäre denn in Verbindung mit einer Wendung, die ausdrückt, dass nur die vermittelten Transporte, nicht die eigene Organisation oder die Einrichtungen des eigenen Geschäftes über die Landesgrenzen hinaus reichen.
Schliesslich kann auch das öffentliche Interesse der Verwendung von "international" als Firmenbestandteil im Wege stehen, z.B. wenn dieses Wort dazu führen könnte, das Unternehmen mit Einrichtungen des öffentlichen Rechts zu verwechseln.
In allen Fällen, unter dem Gesichtspunkt der Firmenwahrheit, der Täuschungsgefahr und des öffentlichen Interesses, ist Strenge am Platze. Die Firma dient nur dazu, ihren Inhaber von anderen zu unterscheiden. Sie ist nicht bestimmt, für sein Unternehmen Reklame zu machen, es als wichtig, gross oder leistungsfähig hervorzuheben (
BGE 79 I 176
). Oft wird mit dem Worte "international" nur das bezweckt. Ob die Handelsregisterbehörden das immer erkannt und sich dem Missbrauch stets widersetzt haben, ist unerheblich. Ein Firmenbestandteil wird nicht dadurch allgemein zulässig, dass sie ihn in Verkennung des Sachverhaltes oder der Rechtslage ab und zu duldeten (
BGE 79 I 177
,
BGE 80 I 426
).
3.
Die Beschwerdeführerin glaubt sich "Internationale Asbiton AG" nennen zu dürfen, weil sie die Lizenzen zur Herstellung und zum Vertrieb des Dichtungsmittels "Compriband" an ausländische Gesellschaften erteilt. Dieser Umstand kennzeichnet ihre geschäftliche Tätigkeit. Das Wort "international" in der beantragten Firma besagt jedoch nichts über die geschäftliche Tätigkeit der Beschwerdeführerin,
BGE 87 I 305 S. 310
sondern will diese selber als internationales Gebilde hinstellen. Ein solches ist die Beschwerdeführerin nicht. Sie ist eine schweizerische Gesellschaft, unterhält im Auslande keine Betriebe, ist an keiner daselbst niedergelassenen Gesellschaft irgendwie beteiligt, geschweige denn, dass sie eine oder mehrere solche beherrschen würde. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, in welcher Weise, wie eng und in welchem Umfange eine schweizerische Aktiengesellschaft mit ausländischen Betrieben oder Gesellschaften verbunden sein muss, um sich als "international" ausgeben zu dürfen. Blosser Geschäftsverkehr mit ausländischen Unternehmen, Absatz der Leistungen im Auslande, genügt nach landläufiger Auffassung nicht, um einer schweizerischen Gesellschaft ein internationales Gepräge zu geben, selbst dann nicht, wenn sie ihre Leistungen ausschliesslich im Auslande absetzt. Will sie sich des Wortes "international" als Firmenbestandteil bedienen, so darf sie es nicht als Attribut ihrer Person, sondern muss es deutlich zur Kennzeichnung ihrer Tätigkeit verwenden, sonst kann die Firma zu Täuschungen Anlass geben.
Die Beschwerdeführerin ist auch nicht deshalb berechtigt, sich als internationale Gesellschaft auszugeben, weil sie von einem in Rotterdam wohnenden Holländer als Hauptaktionär, einem in der Schweiz wohnenden Amerikaner als zweitem Aktionär und drei mit je einer Aktie ausgestatteten Schweizern gegründet wurde und ihren Verwaltungsrat für die ersten drei Jahre aus den fünf Gründern bestellte. Eine Aktiengesellschaft gilt nach der Auffassung des Verkehrs firmenrechtlich nicht schon dann als "international", wenn Angehörige verschiedener Staaten Aktionäre sind oder dem Verwaltungsrat neben Schweizern auch Ausländer angehören.
Dass die Firmen der Lizenznehmer ebenfalls das Phantasiewort "Asbiton" enthalten und die Beschwerdeführerin sich von ihnen abheben möchte, ändert nichts. Der Unterschied zwischen der Beschwerdeführerin als Lizenzgeberin
BGE 87 I 305 S. 311
einerseits und den ausländischen Asbiton-Gesellschaften als Lizenznehmer anderseits kann in der Firma auf andere Weise angedeutet werden.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen. | public_law | nan | de | 1,961 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
c7cdb4d6-733f-433e-baee-73f81fe67563 | Urteilskopf
97 IV 39
12. Urteil des Kassationshofes vom 1. April 1971 i.S. Bolzan gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau. | Regeste
Art. 100 Ziff. 3 Abs. 1 und 2 SVG
. Strafbarkeit auf Lernfahrten.
Fall einer vom Ehemann begleiteten Fahrschülerin, die durch Seitenwind von der Fahrbahn getrieben wird. | Sachverhalt
ab Seite 39
BGE 97 IV 39 S. 39
A.-
Edda Pellizzola erwarb am 18. August 1967 den Lernfahrausweis. Anfänglich fuhr sie nur wenige Male im Opel ihres Verlobten und ab Mai 1968 Ehemannes Ferruccio Bolzan unter
BGE 97 IV 39 S. 40
dessen Aufsicht. Anfangs 1969 liess sie den Ausweis verlängern und nahm insgesamt 22 Fahrstunden auf einem Volkswagen bei einem patentierten Fahrlehrer. Dieser meldete sie zur Prüfung an.
Im Mai 1969 musste der Ehemann Bolzan seinen Mustang reparieren lassen. Er erhielt einen VW als Ersatzwagen. Am 27. Mai 1969 schlug er seiner Frau vor, gemeinsam zu einem Besuch von ihrem Wohnort Nussbaumen nach Zurzach zu fahren, wobei sie sich im Lenken des VW üben könne.
Das Ehepaar fuhr gegen 19 Uhr von zuhause weg. Nach Würenlingen überholten sie auf dem sog. Ruckfeld den mit ca. 75 bis 80 km/h fahrenden Wagen des Rudolf Rittmüller und fuhren dann vor diesem im gleichmässigen Tempo von etwa 80 km/h weiter. Die Strasse war trocken und übersichtlich, doch herrschte böiger Seitenwind. Vermutlich durch einen Windstoss wurde der VW nach rechts getrieben und geriet mit beiden rechten Rädern ca. 50 cm über den Rand des Hartbelages auf die Grasnarbe. Ferruccio Bolzan griff seiner Frau ins Steuer und lenkte brüsk nach links. Der VW geriet ins Schleudern, überschlug sich mehrfach und blieb schliesslich links der Strasse im Acker liegen. Beide Insassen wurden hinausgeschleudert. Der Ehemann geriet unter den VW und fand den Tod. Seine Frau erlitt schwere Verletzungen.
B.-
Das Bezirksgericht Zurzach sprach am 16. September 1970 Frau Bolzan von der Anklage der fahrlässigen Tötung frei. Es verurteilte sie wegen Nichtbeherrschens des Fahrzeuges nach
Art. 31 Abs. 1 SVG
zu einer bedingt löschbaren Busse von Fr. 40.-.
Das Obergericht des Kantons Aargau hiess die Berufung der Staatsanwaltschaft gut und wies die Anschlussberufung der Verurteilten, womit gänzliche Freisprechung verlangt worden war, ab. Mit Urteil vom 21. Dezember 1970 fand es die Angeklagte der fahrlässigen Tötung, begangen durch Widerhandlung gegen
Art. 31 Abs. 1 SVG
, schuldig und verurteilte sie zu einer bedingt löschbaren Busse von Fr. 200.--.
C.-
Edda Bolzan führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag auf Freisprechung.
Die Staatsanwaltschaft beantragt Abweisung der Beschwerde.
BGE 97 IV 39 S. 41
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
Die Vorinstanz hält es für möglich, dass der Volkswagen durch einen seitlichen Windstoss nach rechts abgetrieben worden ist. Ob die Beschwerdeführerin hierfür verantwortlich zu machen sei, ist eine vom Kassationshof zu überprüfende Rechtsfrage.
Wie das Obergericht feststellt, besass die Beschwerdeführerin als Fahrschülerin mit 22 Fahrstunden zu wenig Erfahrung, um Seitenwind durch Gegensteuer richtig zu begegnen. Dann aber trifft sie in dieser Hinsicht kein Verschulden. Gemäss
Art. 100 Ziff. 3 Abs. 2 SVG
(wie schon nach
Art. 18 Abs. 3 StGB
, ferner nach allgemeinen Grundsätzen des Strafrechts: vgl.
BGE 91 IV 149
Nr. 40 E 1) war sie als Fahrschülerin nur für Fehler strafrechtlich verantwortlich, die sie nach dem Stande ihrer Ausbildung hätte vermeiden können. Einer Fahrschülerin, die die Einwirkung des Seitenwindes auf die Steuerung zumal eines windempfindlichen Wagens nicht kennt und nicht weiss, wie ihr zu begegnen ist, kann kein Vorwurf gemacht werden, wenn sie unversehens vom Wind über den Strassenrand gedrängt wird.
Andere Ursachen des Rechtsabweichens, die der Beschwerdeführerin zum Verschulden anzurechnen wären, hält die Vorinstanz allerdings ebenfalls für möglich; das genügt jedoch nicht, um eine Schuld der Beschwerdeführerin als gegeben anzunehmen. Es fehlt an der konkreten Feststellung eines Verhaltens, das als schuldhaft zu gelten hätte.
Ein Vorwurf trifft höchstens den als Begleitperson wirkenden Ehemann. Nach
Art. 100 Ziff. 3 Abs. 1 SVG
ist der Begleiter verantwortlich, wenn er die Pflichten verletzt, die ihm als Folge der Übernahme der Begleitung obliegen. Pflicht des Begleiters ist es gemäss
Art. 15 Abs. 2 SVG
, dafür zu sorgen, dass die Lernfahrt gefahrlos durchgeführt wird und der Fahrschüler die Verkehrsvorschriften nicht verletzt. Die Verantwortlichkeit liegt zu Beginn der Ausbildung ausschliesslich beim Begleiter und geht mit fortschreitender Ausbildung mehr und mehr auf den Fahrschüler über; sie entfällt für den Begleiter indessen erst mit bestandener Prüfung; der Grad seiner Verantwortlichkeit lässt sich nur im einzelnen Fall bestimmen (Botschaft S. 65; SCHULTZ, Die Strafbestimmungen des SVG S. 63, 68; nicht veröffentlichtes Urteil vom 9. Januar 1967 i.S. Wenger). Nach dem Gesagten hätte der begleitende Ehemann sich im Gespräch mit seiner Frau darüber vergewissern müssen, dass sie den Seitenwind wahrgenommen
BGE 97 IV 39 S. 42
hatte, seine Gefahren kannte und ihnen entgegenzuwirken wusste. Traf dies nicht zu, so hätte er sie darauf aufmerksam machen müssen, dass sie bei ihrer Unerfahrenheit die Geschwindigkeit herabsetzen solle, dass die Steuerung besonderer Aufmerksamkeit bedürfe, dass man jederzeit vor Kursabweichungen auf der Hut sein und sofort sorgfältig korrigieren müsse. Weshalb Ferruccio Bolzan das unterlassen hat, steht nicht fest und ist nicht zu untersuchen.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur Freisprechung an die Vorinstanz zurückgewiesen. | null | nan | de | 1,971 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
c7d526e2-f9ea-4072-a51f-e1245eb78fd5 | Urteilskopf
111 II 175
38. Urteil der II. Zivilabteilung vom 3. Juli 1985 i.S. Nietzke gegen Raiffeisenbank Schefflenztal GmbH (staatsrechtliche Beschwerde) | Regeste
Bürgschaft; Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Deutschen Reich über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen und Schiedssprüchen.
1. Eine vorbehaltlose Einlassung auf den Rechtsstreit im Sinne von Art. 2 Ziff. 3 des Abkommens kann nicht schon darin erblickt werden, dass auf den Weiterzug des ausländischen Urteils an eine höhere Instanz verzichtet wurde (E. 1).
2. Der schweizerische Ordre public verlangt keinen besonderen Schutz des in der Schweiz wohnhaften Bürgen, der einen Bürgschaftsvertrag mit internationaler Verflechtung abschliesst und diesen - gegebenenfalls nur konkludent - einer ausländischen Rechtsordnung unterstellt. Das bedeutet insbesondere, dass ein solcher Bürgschaftsvertrag vom schweizerischen Richter im Vollstreckungsverfahren anzuerkennen ist, auch wenn die Formvorschriften des schweizerischen Rechts nicht beobachtet wurden (E. 3). | Sachverhalt
ab Seite 176
BGE 111 II 175 S. 176
Die Raiffeisenbank Schefflenztal GmbH in Schefflenz (BRD) betrieb den in Hunzenschwil (Aargau) wohnhaften Ulrich Nietzke am 19. März 1984 für eine Forderung von Fr. 10'922.25 nebst 12% seit 20. Januar 1970 und Betreibungskosten. Die Forderung wurde auf ein am 4. September 1974 vom Amtsgericht Karlsruhe erlassenes Urteil gestützt, mit welchem über die Gültigkeit einer von Ulrich Nietzke am 16. Januar 1970 eingegangenen Bürgschaftsverpflichtung entschieden worden war (zuzüglich in der Bundesrepublik Deutschland erwachsene Inkassospesen von DM 458.--). Ulrich Nietzke setzte sich gegen die Betreibung mit rechtzeitig erhobenem Rechtsvorschlag zur Wehr.
Am 31. August 1984 stellte die Raiffeisenbank Schefflenztal GmbH beim Bezirksgerichtspräsidenten von Lenzburg ein Rechtsöffnungsbegehren, das mit Entscheid vom 5. Oktober 1984 abgewiesen wurde.
Gegen diesen Entscheid erhob die Gläubigerin Beschwerde beim Obergericht des Kantons Aargau. Dieses hiess die Beschwerde am 13. Februar 1985 gut und bewilligte der Raiffeisenbank Schefflenztal GmbH die definitive Rechtsöffnung für den Forderungsbetrag von Fr. 10'387.50 nebst 12% Zins seit 20. Januar 1970.
Ulrich Nietzke setzte sich gegen den kantonalen Entscheid mit staatsrechtlicher Beschwerde an das Bundesgericht zur Wehr. Dieses wies die Beschwerde ab aus folgenden
Erwägungen
Erwägungen:
1.
Nach der Auffassung des Obergerichts des Kantons Aargau hat Ulrich Nietzke zu Unrecht die örtliche und sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Karlsruhe gestützt auf Art. 2 Ziff. 3 des Abkommens vom 2. November 1929 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Deutschen Reich über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen und Schiedssprüchen (SR 0.276.191.361; nachstehend Abkommen genannt) bestritten. Nachdem die von Ulrich Nietzke erhobene Einrede der Unzuständigkeit schon in einem Zwischenurteil verworfen worden sei, habe er das Endurteil des Amtsgerichts Karlsruhe nicht mehr angefochten und sich damit vorbehaltlos auf den Rechtsstreit eingelassen. Dieses Verhalten aber schliesse eine Bestreitung der Zuständigkeit erst im Vollstreckungsverfahren aus.
BGE 111 II 175 S. 177
Zu Recht macht der Beschwerdeführer dagegen geltend, dass sich das Obergericht mit dieser Rechtsauffassung in Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesgerichts setze. Nach dieser Rechtsprechung genügt es für eine Berufung auf Art. 2 Ziff. 3 des Abkommens, dass der Beklagte die Zuständigkeit des deutschen Gerichts im Verlauf des Verfahrens ausdrücklich und - nach deutschem Zivilprozessrecht - rechtzeitig bestritten hat (
BGE 63 I 17
BGE 98 Ia 319
E. 3; zustimmend DUTOIT/KNOEPFLER/LALIVE/MERCIER, Répertoire de droit international privé suisse, Band 2, Bern 1983, S. 179). Eine vorbehaltlose Einlassung auf den Rechtsstreit im Sinne der zitierten Bestimmung des Abkommens müsste allerdings angenommen werden, wenn der Beklagte seine Unzuständigkeitseinrede später wieder zurückgezogen hätte (
BGE 98 Ia 319
E. 3). Indessen kann ein solcher Rückzug im vorliegenden Fall ohne besondere, hier nicht nachgewiesene Umstände nicht schon in der Tatsache erblickt werden, dass Ulrich Nietzke auf den Weiterzug des Urteils des Amtsgerichts Karlsruhe verzichtet hat, nachdem dieses seine Einrede der Unzuständigkeit in einem Zwischenentscheid verworfen hatte.
2.
Nun hat aber das Obergericht des Kantons Aargau im angefochtenen Entscheid auch zu verstehen gegeben, dass es die auf Art. 2 Ziff. 3 des Abkommens gestützte Einrede der Unzuständigkeit selbst dann als unbegründet betrachten würde, wenn das Urteil des Amtsgerichts Karlsruhe weitergezogen und die Einrede bei der oberen Instanz wieder erhoben worden wäre. Ulrich Nietzke habe nämlich in seiner Bürgschaftserklärung vom 16. Januar 1970 die Zuständigkeit des Amtsgerichts Karlsruhe durch Unterschrift anerkannt. Damit sei eine Rechtswahl getroffen worden, die als prozessrechtliche Vereinbarung unabhängig davon Gültigkeit beanspruche, ob sie nach schweizerischem Recht als rechtsverbindlich anzusehen sei oder nicht. Selbst wenn die von den Parteien in der Schweiz getroffene Rechtswahl als Bestandteil ihrer materiellrechtlichen Vereinbarung anzusehen wäre und von deren Rechtsgültigkeit abhinge, würde sich nach der Auffassung des Obergerichts an der Gültigkeit der Prorogation nichts ändern. Gleichzeitig mit der - so oder so gültigen - Rechtswahl zugunsten der Zuständigkeit der deutschen Gerichte hätten sich nämlich die Parteien für die Anwendbarkeit der Lex fori ausgesprochen. Das somit massgebliche deutsche Bürgerliche Gesetzbuch aber lasse für eine Bürgschaftsverpflichtung die einfache Schriftform
BGE 111 II 175 S. 178
genügen (§ 766 BGB; vgl. PALANDT, Bürgerliches Gesetzbuch, 44. Auflage, München 1985).
An dieser Betrachtungsweise lässt sich - abgesehen davon, dass das Obergericht unzutreffend auch § 765 Abs. 2 BGB zitiert hat, was aber selbstredend von der Prüfungsbefugnis des Bundesgerichts nicht erfasst wird - nichts beanstanden. Sie kann sich auf die Praxis des Bundesgerichts (
BGE 60 II 302
, 82 II 553 E. 2, 88 II 192 E. 2, 94 II 363 E. 5) berufen und wird denn auch vom Beschwerdeführer dem Grundsatz nach nicht bestritten. Er macht jedoch geltend, im Bereich des Bürgschaftsrechts müsse aus Gründen des schweizerischen Ordre public der Rechtswahl zugunsten des ausländischen Gerichtsstandes und des ausländischen materiellen Rechts a priori eine Grenze gesetzt bleiben. Damit beruft sich der Beschwerdeführer auch auf Art. 4 Abs. 1 des Abkommens.
3.
a) Bezüglich der Form der Bürgschaftserklärung, für welche das schweizerische Recht bei der Bürgschaft natürlicher Personen von über Fr. 2'000.-- die öffentliche Beurkundung verlangt (
Art. 493 Abs. 2 OR
) und somit über das vom deutschen Recht aufgestellte Erfordernis der einfachen Schriftlichkeit hinausgeht, hat das Bundesgericht in
BGE 93 II 383
ff. ausgeführt, es solle damit dem Bürgen die Tragweite seiner Verpflichtung vor Augen geführt und er vor übereilten Bürgschaftsversprechen abgehalten werden. Aus dieser Ratio legis lasse sich aber, wie nun auch die herrschende Lehre annehme, nicht folgern, die Formvorschriften des
Art. 493 OR
seien ganz allgemein um der öffentlichen Ordnung willen aufgestellt worden. Eine Bestimmung, die so viele Ausnahmen vom Grundsatz der öffentlichen Beurkundung zulasse wie
Art. 493 OR
, könne nicht als grundlegende Vorschrift der schweizerischen Rechtsordnung angesehen werden, deren Missachtung das eigene Rechtsempfinden in unerträglicher Weise verletzen würde, und noch weniger lasse sich sagen, das schweizerische Rechtsdenken erheische zwingend den Vorrang vor dem anwendbaren ausländischen Recht. Vielmehr komme der Freiheit des Rechtsverkehrs, die das ausländische Recht mit dem Verzicht auf die öffentliche Beurkundung in den Vordergrund stelle, auch im schweizerischen Recht zentrale Bedeutung zu und setze dem Schutz des Bürgers Schranken. Gestützt auf diese Überlegungen hat das Bundesgericht im Fehlen der öffentlichen Beurkundung kein Hindernis für die Durchsetzung seiner streitigen Bürgschaftsforderung, die gegenüber einem in der Schweiz wohnhaften Bürgen aufgrund eines in der Bundesrepublik Deutschland abgeschlossenen
BGE 111 II 175 S. 179
Bürgschaftsvertrags erhoben worden war, erkennen können.
b) Der Beschwerdeführer nennt keine Gründe, weshalb an dieser Rechtsprechung nicht festzuhalten wäre. Er möchte den vorliegenden Rechtsstreit jedoch deshalb nicht entsprechend
BGE 93 II 383
ff. entschieden wissen, weil er - im Gegensatz zum Bürgen mit ebenfalls schweizerischen Wohnsitz in jenem Fall - die Bürgschaftserklärung nicht in der Bundesrepublik Deutschland, sondern in der Schweiz unterzeichnet hat. Es bleibt daher nur die Frage zu beantworten, ob es grundsätzlich ausgeschlossen sei, dass ein in der Schweiz wohnhafter Bürge in der Schweiz einen Bürgschaftsvertrag abschliesst und dabei konkludent - so durch die Wahl eines ausländischen Gerichtsstandes - zum Ausdruck bringt, dass die Bestimmungen ausländischen Bürgschaftsrechts, somit auch dessen gegenüber dem schweizerischen Recht geringere Anforderungen an die Form des Vertragsschlusses, anwendbar sein sollen (vgl. grundsätzlich zur Rechtswahl
BGE 79 II 299
ff.).
Dass eine solche Wahl des anwendbaren materiellen Rechts auch stillschweigend erfolgen kann, ist durch die Rechtsprechung des Bundesgerichts anerkannt. Nach ihr genügte es vorerst - im Sinne einer Tatsachenvermutung bezüglich des Parteiwillens - grundsätzlich, dass die Parteien sich auf einen Gerichtsstand geeinigt haben (
BGE 82 II 553
E. 2 mit Hinweisen,
BGE 88 II 192
E. 2a,
BGE 94 II 363
E. 5; vgl. auch Komm. SCHÖNENBERGER/JÄGGI, Allgemeine Einleitung N. 203, S. 72). Die jüngere Rechtsprechung betrachtet demgegenüber die Gerichtsstandsvereinbarung lediglich noch als ein Indiz für die Anwendung der Lex fori und verlangt, dass auch die weiteren Umstände des Einzelfalles bei der Bestimmung des anwendbaren Rechts zu berücksichtigen seien (
BGE 100 II 37
E. 2 200 ff.; VISCHER/VON PLANTA, Internationales Privatrecht, 2. Auflage Basel 1982, S. 171). Indessen macht der Beschwerdeführer nicht geltend, dass dem Obergericht des Kantons Aargau unter diesem Gesichtspunkt eine Rechtsverletzung vorzuwerfen wäre. Tatsächlich lassen denn auch die Akten - insbesondere das Zwischenurteil des Amtsgerichts Karlsruhe vom 27. Juli 1973 - mit hinreichender Klarheit erkennen, dass die den Abschluss des Bürgschaftsvertrags vom 16. Januar 1970 begleitenden Umstände der Annahme, es sei eine stillschweigende Rechtswahl zugunsten der Anwendbarkeit des deutschen Rechts erfolgt, nicht entgegenstehen.
BGE 111 II 175 S. 180
c) Kommt der Freiheit des Rechtsverkehrs in den internationalen Beziehungen eine zentrale Bedeutung dergestalt zu, dass sie den Rechtsschutz zurückzudrängen vermag, welchen die schweizerische Rechtsordnung mit dem Erfordernis der öffentlichen Beurkundung dem in der Schweiz wohnhaften Bürgen an sich verliehen hat (
BGE 93 II 384
E. 5), so ist nicht einzusehen, weshalb etwas anderes gelten sollte, wenn die Rechtswahl nicht im Ausland, sondern in der Schweiz erfolgte. Das heisst, es kann nicht darauf ankommen, ob der in der Schweiz wohnhafte Bürge den von ihm in Frage gestellten Bürgschaftsvertrag in der Schweiz oder im Ausland abgeschlossen und dementsprechend die Rechtswahl in der Schweiz oder im Ausland getroffen hat. Entscheidend ist vielmehr die Frage, ob der in der Schweiz wohnhafte Bürge gestützt auf den schweizerischen Ordre public unter allen Umständen jenes Rechtsschutzes teilhaftig sei, den ihm das Formerfordernis der öffentlichen Beurkundung des Bürgschaftsvertrages gewährt. Das aber ist nach der Praxis des Bundesgerichts zu verneinen. Seine Rechtsprechung hat in der Lehre (zitiert in
BGE 93 II 384
) Zustimmung gefunden, und diese hat ihrerseits gefolgert, dass - wo immer der Vertragsschluss stattgefunden hat - es genügt, die Formerfordernisse jenes ausländischen Bürgschaftsstatus zu beobachten, dem sich die Parteien durch die Rechtswahl unterworfen haben (VISCHER, Internationales Vertragsrecht, Bern 1962, S. 126 f.). Auch bei den Vorbereitungsarbeiten zu einer Kodifikation des schweizerischen internationalen Privatrechts scheint sich diese Auffassung - die ihren Ausgangspunkt in dem von der Rechtsprechung anerkannten Grundsatz der Parteiautonomie bei der Rechtswahl hat (
BGE 79 II 299
ff. E. 1 d) - durchzusetzen. Hat der Bundesrat noch in einem ersten zur Vernehmlassung gestellten Vorentwurf (veröffentlicht in den Studien zum internationalen Recht, Band 12, 1978) den Bürgen bei nichtkaufmännischen Bürgschaftsverträgen als besonders schutzwürdig bezeichnet (Art. 122 Abs. 2 lit. c VE), so dass eine Rechtswahl gemäss Art. 117 Abs. 2 VE ausgeschlossen gewesen wäre, so hält er daran in dem den eidgenössischen Räten zugeleiteten Gesetzesentwurf vom 10. November 1982 (BBl 1983 I 472 ff.) nicht mehr fest. Die Art. 117 und 118 dieses Gesetzesentwurfs sehen einen besonderen Schutz der als schwächer angesehenen Partei durch Ausschluss der Rechtswahl nur noch für Konsumentenverträge und Arbeitsverträge vor. Der Ständerat ist noch weiter gegangen als der Bundesrat, indem er die Schutzbestimmung für Konsumentenverträge des
BGE 111 II 175 S. 181
Art. 117, welcher der sonst zulässigen Rechtswahl entgegengestanden wäre, gestrichen hat (Amtliches Bulletin SR 1985, S. 162 ff.).
Gesetzgeber, Rechtsprechung und Lehre sind sich also darin einig, dass der schweizerische Ordre public keinen besonderen Schutz des in der Schweiz wohnhaften Bürgen verlangt, welcher einen Bürgschaftsvertrag mit internationaler Verflechtung abschliesst und diesen - gegebenenfalls nur konkludent - einer ausländischen Rechtsordnung unterstellt. Das gilt für den Bürgschaftsvertrag ganz allgemein, insbesondere aber bezüglich der ihn regierenden Formvorschriften. Die in
BGE 93 II 383
ff. entwickelte Rechtsprechung ist daher unverändert auch für jene Fälle wegleitend, wo ein Bürgschaftsvertrag in der Schweiz abgeschlossen und damit auch die Rechtswahl zugunsten der ausländischen Rechtsordnung hier getroffen wurde. Dem Obergericht des Kantons Aargau kann somit in keiner Weise eine Verletzung von Bundesrecht deshalb vorgeworfen werden, weil nach seinem Erkenntnis der schweizerische Ordre public einer Anerkennung des Urteils des Amtsgerichts Karlsruhe vom 4. September 1974 nicht aus dem Grunde entgegensteht, dass der Bürgschaftsvertrag vom 16. Januar 1970 lediglich in der Form einfacher Schriftlichkeit abgeschlossen wurde.
4.
Steht schon das schweizerische internationale Privatrecht einer Rechtswahl selbst im Bürgschaftsrecht grundsätzlich nicht entgegen, so kann der Beschwerdeführer auch nichts aus Art. 4 Abs. 2 des Abkommens zu seinen Gunsten ableiten. Diese staatsvertragliche Bestimmung enthält zwar einen Vorbehalt zugunsten der Rechtsordnung des Vollstreckungsstaates, insofern die Handlungsfähigkeit zur Beurteilung steht. Sie kommt indessen nur zum Zug, wenn dem Urteil, für welches die Vollstreckung verlangt wird, andere als die nach dem internationalen Privatrecht des Vollstreckungsstaates anzuwendenden Gesetze zugrunde gelegt worden sind (vgl. die Botschaft des Bundesrates vom 9. Dezember 1929, BBl 1929 III, S. 531 ff., 537; GULDENER, Das internationale und interkantonale Prozessrecht der Schweiz, Zürich 1951, S. 149). An dieser Voraussetzung aber gebricht es im vorliegenden Fall, weil nicht die Handlungsfähigkeit im allgemeinen, sondern die Bürgschaftsfähigkeit zur Diskussion steht und das schweizerische internationale Privatrecht - wie dargelegt - die Rechtswahl auch beim Abschluss eines Bürgschaftsvertrags nicht verbietet.
Damit erübrigt sich die Prüfung der weiteren Frage, ob "inländische Beteiligte" im Sinne von Art. 4 Abs. 2 des Abkommens nur
BGE 111 II 175 S. 182
die Staatsangehörigen des Vollstreckungsstaates seien (so BBl 1929 III, S. 537) oder ob - wie der Beschwerdeführer annimmt - der Wohnsitz im Vollstreckungsstaat genüge. | public_law | nan | de | 1,985 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
c7d6f7c3-baa7-499a-a92e-e8bea4168da8 | Urteilskopf
104 II 124
21. Urteil der I. Zivilabteilung vom 25. April 1978 i. S. Fischer GmbH und Mitbeteiligte gegen Haldemann & Rossignol Skis AG | Regeste
Art. 1 Abs. 2 lit. a und lit. b UWG
. Vergleichende Werbung.
1.
Art. 36 Abs. 2 und
Art. 46 OG
. Streitwert bei Streitigkeiten aus unlauterem Wettbewerb (E. 1).
2. Voraussetzungen, unter denen vergleichende Werbung erlaubt ist (E. 2).
3. Auslegung von Inseraten, in denen Markenskier nach den damit an Weltcup-Rennen erzielten Punktesummen miteinander verglichen werden (E. 3). Einrede widersprüchlichen Verhaltens (E. 4a). Zulässige Werbung mit sportlichen Erfolgen (E. 4b).
4. Unzulässige Werbung mit Ranglisten, die sich über einen wichtigen Berechnungsfaktor ausschweigen und daher irreführend sind (E. 5).
5.
Art. 2 Abs. 1 lit. a und b UWG
. Voraussetzungen der Feststellungs- und Unterlassungsklage (E. 6). | Sachverhalt
ab Seite 125
BGE 104 II 124 S. 125
A.-
Im Winter 1974/75 liess die Haldemann & Rossignol Skis AG, Stans, periodisch in mehreren Zeitungen Inserate erscheinen, um für ihre Skimarke "Rossignol" zu werben. Sie gab darin "das inoffizielle Markenklassement des Weltcups 1974/75" wieder, bestehend aus einer Rangliste der verschiedenen Skimarken mit den jeweiligen Punktesummen, welche die Fahrer bereits erzielt hatten. An der Spitze der Liste stand stets die Marke "Rossignol", gefolgt von elf bis dreizehn weiteren Konkurrenzmarken, zu denen insbesondere die österreichischen Skimarken "Fischer", "Atomic", "Blizzard", "Kästle" und "Kneissl" gehörten.
B.-
Am 7. November 1975 klagten die Fischer GmbH, Ried im Innkreis (Österreich), sowie vier weitere Skifabrikanten, welche die österreichischen Marken vertreten, gegen die Haldemann & Rossignol Skis AG wegen unlauteren Wettbewerbs. Sie beantragten dem Kantonsgericht Nidwalden: 1. festzustellen, dass die Beklagte widerrechtlich Reklame mache, wenn sie in Zeitungen sogenannte inoffizielle Markenklassemente, d.h. Ranglisten von Skimarken veröffentliche und darin in irgend einer Form Bezug nehme auf Resultate, welche die Teilnehmer an Skisportveranstaltungen, wie dem Weltcup, unter Verwendung der verschiedenen Marken erzielen; 2. der Beklagten solche Reklame zu verbieten; 3. ihr für den Fall der Widerhandlung gegen dieses Verbot Strafe anzudrohen.
Das Kantonsgericht und auf Appelation hin am 14. Juli 1977 auch das Obergericht Nidwalden wiesen die Klage ab.
C.-
Die Klägerinnen haben gegen das Urteil des Obergerichts Berufung eingelegt mit dem Antrag, ihre Klagebegehren gutzuheissen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
BGE 104 II 124 S. 126
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Streitigkeiten aus unlauterem Wettbewerb unterstehen der Vorschrift des
Art. 46 OG
; sie sind daher nur berufungsfähig, wenn der Streitwert wenigstens Fr. 8'000.- beträgt. Dies gilt selbst dann, wenn nicht auf Schadenersatz, sondern bloss auf Feststellung oder Unterlassung unlauteren Wettbewerbs geklagt wird (
BGE 103 II 213
,
BGE 100 II 397
und dort angeführte Urteile).
Die Klägerinnen bezifferten den Streitwert im kantonalen Verfahren auf je Fr. 30'000.-, was zusammen Fr. 150'000.- ergibt. Die Beklagte war dagegen der Meinung, von einem Streitwert könne überhaupt nicht die Rede sein, weil ihr Vorgehen weder rechtswidrig sei noch einen Tatbestand des UWG erfülle und die Klägerinnen keinen Schaden behaupteten; eventuell sei auf die für solche Fälle übliche Genugtuungssumme von Fr. 2'000.- abzustellen. Das Obergericht nahm an, der Streitwert übersteige mit Sicherheit nicht Fr. 100'000.-.
Da die Parteien im Berufungsverfahren an ihren Auffassungen festhalten, hat das Bundesgericht den Streitwert von Amtes wegen summarisch und nach freiem Ermessen festzusetzen (
Art. 36 Abs. 2 OG
). Auszugehen ist dabei vom Anspruch der Klägerinnen auf Unterlassung der beanstandeten Werbung, und zwar unbekümmert darum, ob die Inserate der Beklagten als unlauter zu bezeichnen und ob die Klägerinnen dadurch bereits geschädigt worden sind. Nach der Erfahrung ist anzunehmen, dass mit solchen Inseraten die Marktstellung und der Umsatz eines Skifabrikanten zum Nachteil der Mitbewerber erheblich verbessert wird, was offensichtlich auch die Beklagte beabsichtigt hat. Angesichts der dabei auf dem Spiele stehenden wirtschaftlichen Interessen darf der Streitwert im vorliegenden Fall als beträchtlich bezeichnet werden; er übersteigt sicher Fr. 15'000.- und dürfte für die fünf Klägerinnen zusammen gegen Fr. 100'000.- ausmachen (vgl.
BGE 87 II 114
,
BGE 82 II 79
sowie
Art. 47 Abs. 1 OG
). Auf die Berufung ist daher einzutreten.
2.
Gemäss
Art. 1 UWG
gilt jeder Missbrauch des wirtschaftlichen Wettbewerbs durch täuschende oder andere Mittel, die gegen Treu und Glauben verstossen, als unlauterer Wettbewerb (Abs. 1). Solchen begeht insbesondere, wer Waren oder Leistungen von Mitbewerbern durch unrichtige, irreführende
BGE 104 II 124 S. 127
oder unnötig verletzende Äusserungen herabsetzt (Abs. 2 lit. a) oder über eigene Waren oder Leistungen unrichtige oder irreführende Angaben macht (Abs. 2 lit. b).
Nach diesen Regeln beurteilt sich auch die vergleichende Werbung, die schon vor Erlass des UWG grundsätzlich erlaubt war, wenn sie auf wahren Angaben beruhte und nicht darauf hinauslief, Mitbewerber anzuschwärzen (
BGE 55 II 181
mit Hinweisen;
BGE 56 II 30
,
BGE 58 II 460
,
BGE 59 II 21
,
BGE 61 II 345
). Dem wurde in
Art. 1 Abs. 2 lit. a und b UWG
Rechnung getragen. Rechtsprechung und herrschende Lehre machen die Zulässigkeit vergleichender Reklame denn auch weiterhin davon abhängig, dass der Vergleich objektiv richtig, nicht irreführend und nicht unnötig herabsetzend ist (
BGE 102 II 290
/291 und 293,
BGE 94 IV 38
,
BGE 87 II 116
und dort angeführte Urteile; TROLLER, Immaterialgüterrecht, 2. Auflage, II S. 1083; GERMANN, in Wirtschaft und Recht 6/1954 S. 259, 20/1968 S. 154 und in Festschrift Walther Hug, S. 223; kritisch dagegen VON BÜREN, Kommentar zum UWG, S. 69 und in ZBJV 82/1946, S. 313).
3.
Das Obergericht ist der Auffassung, bei dem von der Beklagten periodisch veröffentlichten "Markenklassement" handle es sich um ein erlaubtes, wenn auch neues und hartes Mittel moderner Werbung. Die Klägerinnen sind dagegen der Meinung, dass die beanstandeten Ranglisten unrichtige, irreführende und unnötig verletzende Äusserungen enthielten, folglich als unlauter zu würdigen seien.
Die Vorinstanz stellt für das Bundesgericht verbindlich fest, dass die mit den Ranglisten publizierten Punktesummen stimmten, weil sie den Erfolgen entsprachen, welche Fahrer mit den angeführten Skimarken errangen. Die Ermittlung der Punkte und deren Addition, in denen die Aussage der Inserate sich erschöpfte, waren somit objektiv wahr; die Klägerinnen versuchen dies in der Berufung denn auch nicht zu widerlegen. Fragen kann sich bloss, ob der Punktevergleich unbekümmert darum, dass er der Wahrheit entsprochen hat, falsche Vorstellungen wecken und deshalb Leser irreführen konnte (VON BÜREN, a.a.O., S. 72). Das ist vom Bundesgericht als Rechtsfrage frei zu überprüfen (
BGE 94 IV 36
).
In diesem Sinne rügen die Klägerinnen auch in der Berufung, mit dem Beiwort "inoffiziel" habe die Beklagte ein nicht bestehendes offizielles Markenklassement vorausgesetzt, ihrer Rangliste folglich einen offiziösen und damit falschen Anstrich
BGE 104 II 124 S. 128
verliehen. Diese Rüge ist jedoch unbegründet. Schon die Vorinstanzen hielten den Klägerinnen mit Recht entgegen, dass jedermann ein inoffizielles Klassement aufstellen dürfe, damit aber bloss zum Ausdruck bringe, dass es nicht offiziellen, sondern rein privaten Charakter habe.
Nach dem angefochtenen Urteil sind die streitigen Inserate meistens nur in der Zeitung "Sport" erschienen, die sich nicht ausschliesslich, aber doch vorwiegend an ein sportinteressiertes Publikum wende. Die Klägerinnen erblicken darin eine Verletzung bundesrechtlicher Beweisvorschriften, ohne freilich zu sagen, inwiefern die Vorinstanz
Art. 8 ZGB
missachtet haben soll. Die von ihnen vermisste Feststellung, dass die gleichen Inserate auch im Sportteil von Tageszeitungen wiedergegeben worden sind, findet sich an anderer Stelle des angefochtenen Urteils. Entscheidend ist indes die Annahme des Obergerichts, dass die Inserate der Beklagten sich so oder anders an sportinteressierte Leser richteten und dass dies auch für die Werbung mit Sporterfolgen an sich gelte. Von einem kleinen Kreis eines eigentlichen Fachpublikums, wie in der Berufung behauptet wird, ist im angefochtenen Urteil nicht die Rede.
Für die Beurteilung der Inserate ist daher auf den Sinn abzustellen, den ihnen das sportinteressierte Publikum in guten Treuen beilegen durfte. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich angesichts des allgemeinen Interesses am Skisport gleichwohl um eine breite Volksschicht handelt, die solche Inserate erfahrungsgemäss schnell liest und nicht kritisch zu prüfen pflegt (
BGE 94 IV 36
).
4.
Als Skifabrikanten stehen die Parteien in einem Wirtschaftszweig, der sich durch besondere Werbegelegenheiten und Werbemethoden auszeichnet, in einem harten Wettbewerb miteinander. Da der olympische Amateurstatus offenbar zu Zurückhaltung in der Werbung mit Namen und Bildern erfolgreicher Skifahrer zwingt, wird umsomehr mit den Erfolgen selbst geworben, für die Medaillen, Meistertitel oder Weltcup-Punkte verliehen werden. Diese Werbung ist offensichtlich branchenüblich und wird nicht nur von der Beklagten, sondern auch von den Klägerinnen betrieben.
a) Weil die Klägerinnen sich ebenfalls solcher Methoden bedienen, erblickt die Beklagte in der Klage einen Widerspruch zu deren eigenem Verhalten. Davon kann indes nicht die Rede sein, weil die Beklagte nicht behauptet, auch die Klägerinnen
BGE 104 II 124 S. 129
hätten Markenklassemente wie die streitigen, veröffentlicht. Selbst wenn dies zuträfe würde der Beklagten die Einrede widersprüchlichen Verhaltens nicht helfen; sie hätte diesfalls vielmehr selber Klage einreichen müssen (
BGE 81 II 70
). Ebensowenig lassen sich Werbeexzesse mit dem Hinweis auf das allgemeine Wettbewerbsklima rechtfertigen; die Beklagte übersieht, dass das UWG gerade erlassen worden ist, um solche Exzesse verhindern zu können (
BGE 102 II 294
, 94 IV 36 und 38,
BGE 79 II 412
).
Dass auch die Klägerinnen mit Sporterfolgen werben, ist von der Vorinstanz verbindlich festgestellt und unbestritten, wenn sie die Feststellung auch als überflüssig und unverständlich rügen. Was sie gegen die umstrittene Auswertung von Sporterfolgen durch die Beklagte vorbringen, richtet sich im Grunde gegen die Erfolgswerbung überhaupt und ist daher unter diesem Gesichtspunkt zu würdigen. Gewiss sind die von einem Skifahrer erzielten Erfolge keine Eigenschaft der verwendeten Ausrüstung; sie hängen in ungleich höherem Masse von andern Faktoren, insbesondere dem Können und Einsatz des Fahrers ab. Dies darf, wie die Vorinstanz richtig bemerkt, jedenfalls bei einem sportinteressierten Publikum als bekannt vorausgesetzt werden, zumal die Skier, wie das Obergericht beifügt, nicht ohne Fahrer auf die Piste geschickt werden. Das schliesst aber nicht aus, dass auch die Qualität des Skis und das Material, aus dem er besteht, eine wichtige Rolle spielen und daher mit den Erfolgen des Fahrers in Beziehung gebracht werden dürfen, wie das z.B. auch im Automobilsport für Reifen, Motoren, Öle usw. zutrifft.
b) Daraus folgt freilich nicht notwendig, dass der Erfolg eines Fahrers mit der Qualität der von ihm verwendeten Skier zusammenhange. Die Beklagte bestreitet denn auch, dass die von ihr veröffentlichten Ranglisten irgendwie Bezug genommen hätten auf die Qualität ihrer Erzeugnisse. Die Klägerinnen werfen ihr dagegen vor, sie habe mit ihrer Werbung den Anschein erwecken wollen, ihre Skier seien qualitativ besser, ohne aber so etwas im Prozess auch nur zu behaupten. Das Obergericht begnügte sich mit der Feststellung, die Beklagte habe mit den Inseraten nicht gesagt, ihre Erzeugnisse seien besser als jene der Konkurrenz. Damit ist die entscheidende Frage, ob mit der streitigen Werbung nicht doch dieser Eindruck erweckt werden sollte, aber nicht beantwortet. Das Kantonsgericht bejahte
BGE 104 II 124 S. 130
sie mit der Begründung, dass dem Leser mit solchen Hinweisen auf erzielte Erfolge suggeriert werde, der an der Spitze des Klassements stehende Markenski sei auch der beste. Dass die Inserate der Beklagten solche Vorstellungen wecken konnten, leuchtet ein und schliesst auch das Obergericht nicht aus, bemerkt es doch, der Entscheid über die Qualität des Skis sei den Lesern überlassen worden. Mit der etwa drei Monate dauernden Werbeaktion wollte die Beklagte offensichtlich Kaufsinteressenten dazu bewegen, sich für "Rossignol" statt für eine andere Marke zu entscheiden. Für solche Interessenten wird man aber nicht die sportlichen Erfolge an sich, sondern eher die Skiqualität, die sie aus den angeführten Rängen und Punktesummen ableiten konnten, als Motiv eines Kaufes annehmen dürfen, zumal die Namen der Fahrer in den Inseraten verschwiegen wurden. Bei der sogenannten Image-Werbung mit dem Bild eines erfolgreichen Fahrers verhält es sich allerdings anders, weil dort die Interessenten dazu neigen, sich mit einem sportlichen Leitbild zu identifizieren und daher der Qualität des Erzeugnisses zwangsläufig eine untergeordnete Bedeutung beimessen.
Ob die Erfolge, welche mit den von der Beklagten angeführten Markenskiern erzielt wurden, bloss ein Gradmesser für die Qualität der Erzeugnisse sein sollten oder auch als Image-Werbung zu verstehen waren, kann indes dahingestellt bleiben, da sie sich deswegen so oder anders nicht als irreführende Reklame ausgeben lassen. Dass für Sportartikel mit Erfolgen geworben wird, die mit ihrer Hilfe erzielt worden sind, liegt nahe und ist an sich nicht zu beanstanden. Eine andere Betrachtungsweise könnte allerdings eine häufig überbordende Reklame in diesem Bereiche mässigen, würde beliebte Veranstaltungen wie die Weltcup-Rennen aber auch ernstlich gefährden, weil diese weitgehend von den Sportartikelfabrikanten abhangen, die damit ihre Werbung bestreiten. Was für die individuelle Werbung mit eigenen Erfolgen als erlaubt anzusehen ist, muss grundsätzlich auch gelten, wenn von verschiedenen Personen oder Firmen erzielte Erfolge miteinander verglichen werden. Eine Rangliste ist insbesondere nicht schon deshalb irreführend, weil sie wie hier die Erfolge als einziges Merkmal herausgreift, solange das klar zum Ausdruck gebracht und daraus nicht eine weitergehende oder abschliessende Bewertung abgeleitet wird. In diesem Sinne hat sich das Bundesgericht
BGE 104 II 124 S. 131
im Entscheid 55 II 181/182 bereits zu einer "Rangliste" von Mineralwassern geäussert, die darin ausschliesslich nach ihrem Mineralgehalt geordnet worden sind. Es ist deshalb auch nicht zu ersehen, weshalb die vergleichende Werbung mit sportlichen Erfolgen unnötig verletzend sein soll, wenn sie im übrigen nicht zu beanstanden ist.
5.
Die Klägerinnen machen ferner geltend, die streitigen Ränge und Punktesummen der Skimarken hingen wesentlich davon ab, wieviele Fahrer jeder Markeninhaber in die Rennen schicke; die Beklagte als Grossunternehmen vermöge aber mehr Fahrer zu verpflichten als andere Firmen. Die Beklagte bestreitet ein solches zahlenmässiges Missverhältnis an sich nicht, hält es mit der Vorinstanz jedoch für unerheblich, weil die Rangliste gleichwohl richtig bleibe und es jeder Firma freistehe, wieviele Fahrer sie ausrüsten wolle. Die Richtigkeit der Ränge und Punkte schliesst eine Irreführung indes nicht aus.
a) Für diese Beurteilung ist von den Weltcup-Regeln auszugehen. Danach erhalten die ersten zehn Fahrer eines Weltcup-Rennens zwischen 25 und 1 Punkte; diese werden für jeden Fahrer während einer Saison zusammengezählt, woraus sich nach jedem Rennen ein neues Klassement und am Ende der Saison das Schlussklassement ergibt. Von diesen unterschied das Markenklassement der Beklagten sich dadurch, dass jeweils die Punkte aller Fahrer der gleichen Skimarke addiert wurden. Im Markenklassement verbesserte sich daher das Resultat einer Marke nicht nur nach den Erfolgen der beteiligten, sondern auch nach der Anzahl der klassierten Fahrer. Bei gleichwertigen Fahrern und gleicher Skiqualität konnte somit ein Markeninhaber doppelt so viele Erfolge und Punkte erzielen als ein anderer, wenn er zum Beispiel vier, der andere dagegen nur zwei Fahrer einsetzte.
Dass solche Resultate, die durch die Anzahl Fahrer mitbestimmt werden, keine richtigen Schlüsse über die Qualität eines Skis erlauben, liegt auf der Hand. Sie bieten auch keine Gewähr für eine einigermassen zuverlässige Beurteilung der tatsächlich erzielten Erfolge; im Rennsport wird das Publikum erfahrungsgemäss aber gerade durch die Spitzenresultate beeindruckt, was die sportliche Erfolgswerbung mit Medaillen und Rängen denn auch auszunützen sucht. Ein Anreiz zum Kauf und damit ein Werbeargument könnte freilich auch sein, dass
BGE 104 II 124 S. 132
viele Spitzenfahrer Skier der gleichen Marke benützen. Dies würde indes voraussetzen, dass der Fahrer in der Wahl des Skis frei ist, was für den alpinen Skisport nicht zutrifft. Interessenten werden sich zudem eher durch beste Leistungen weniger Fahrer als durch schlechtere Leistungen vieler Fahrer zum Kauf eines bestimmten Skis bewegen lassen.
Jedenfalls müssten Kaufsinteressenten gerade das selber beurteilen können, wozu sie aber nur imstande sind, wenn im Markenklassement neben den Punktesummen auch die Zahl der klassierten Fahrer angegeben wird. Diese Darstellung ist von der Beklagten in einem früheren Inserat vom 20. März 1974 beachtet worden; sie liegt ferner einem weiteren Markenklassement zugrunde, das im "Sport" vom 4. April 1975 veröffentlicht worden ist. Vergleicht man in diesem Klassement die Punktesumme je Marke mit der jeweiligen Anzahl der klassierten Fahrer, so ergibt sich eine völlig andere Rangliste, da diesfalls alle Marken der Klägerinnen derjenigen der Beklagten vorgehen. Das lässt sich nur damit erklären dass die Beklagte mit ihrer Skimarke im Durchschnitt schlechtere Resultate erzielt hat als die Klägerinnen. In den Ranglisten, die in den beanstandeten Inseraten vom Januar bis Ende März 1975 veröffentlicht wurden, verschwieg die Beklagte dagegen die Anzahl der Fahrer und damit auch die Tatsache, dass die Selbstberühmung als "erfolgreichste Skimarke" mehr quantitativ als qualitativ zu verstehen war. SO zeigte das letzte Inserat vom 24. März 1975 die Marke "Rossignol" mit 985 Punkten überlegen vor der Marke "Fischer" mit 634, der in kleineren Abständen im 4., 5. und 6. Rang die Marken "Atomic", "Blizzard", "Kästle" und im 9. Rang mit 235 Punkten "Kneissl" folgten. Dass diese Punkte, wie aus dem Schlussklassement des "Sport" vom 4. April 1975 erhellt, mit der zwei- bis fünffachen Anzahl klassierter Fahrer gesammelt worden sind, ist dem Inserat nicht zu entnehmen. Solche Ranglisten täuschen den Leser aber über einen wichtigen Faktor der Punktesummen und müssen daher als irreführend bezeichnet werden.
b) Das gilt in gewissem Masse freilich auch für das offizielle Nationenklassement, wirkt sich dort aber weniger aus, weil höchstens zehn Fahrer je Nation zugelassen sind. Da das UWG hier keine Anwendung findet, versucht die Beklagte mit Recht nicht, daraus etwas zu ihren Gunsten abzuleiten. Die Werbung für geschäftliche Zwecke hat die Schranken des
Art. 1 UWG
zu
BGE 104 II 124 S. 133
beachten und alles zu vermeiden, was falsche Vorstellungen wecken, Dritte also irreführen kann. Dies gilt namentlich dann, wenn nicht in allgemeinen Wendungen für eigene Artikel geworben wird, sondern diese anhand von Zahlen mit denjenigen eines Mitwerbers verglichen oder gar, wie hier, eigentliche Ranglisten aufgestellt werden. Von einer Rangliste war auch in dem in
BGE 55 II 180
veröffentlichten Falle die Rede, der sich mit dem vorliegenden aber schon deshalb nicht vergleichen lässt, weil dort die "Rangliste" der Mineralwasser auf einer wissenschaftlichen Analyse beruhte und deren Ergebnisse genau wiedergab. Unerlässlich ist aber vor allem, dass bei solchen Darstellungen nur wirklich Vergleichbares miteinander in Beziehung gebracht wird. Das gilt namentlich für Preisvergleiche, die nur dann als zulässig gelten können, wenn gleiche Quantitäten und Qualitäten miteinander verglichen werden, wobei allenfalls sogar die Kalkulationsfaktoren anzugeben sind, um Täuschungen auszuschliessen (
BGE 79 II 413
; H. TROXLER, Kritische Würdigung der Rechtsprechung zur vergleichenden Werbung in der Schweiz und im Ausland, Diss. Zürich 1970, S. 145; J.G. SCHMID, Die vergleichende Reklame, Diss. Zürich 1955, S. 88). Dieses Gebot versteht sich für Institute, die im Interesse der Konsumenten vergleichende Warenteste durchführen, denn auch von selbst (HEYDEN, Vergleichender Warentest, in SJZ 64/1968, S. 1 ff.; H. E. HUBER, Vergleichender Warentest und unlauterer Wettbewerb, Diss. Zürich 1970, S. 33 ff.).
6.
Unlauter ist somit im vorliegenden Fall nicht die reklamemässige Verwendung des Markenklassements an sich, wie die Klägerinnen behaupten, sondern dass die Beklagte den massgebenden Einfluss der Fahrerzahlen auf die Punktesummen verschwiegen und dadurch den Ranglisten einen falschen Anschein gegeben hat. Die Klage ist daher teilweise gutzuheissen, ohne dass geprüft zu werden braucht, ob die Inserate deswegen auch unnötig verletzend seien; dieser Vorwurf deckt sich übrigens weitgehend mit dem der Irreführung.
Mit dem Klagebegehren 1 wollen die Klägerinnen festgestellt wissen, dass die Beklagte widerrechtlich Reklame macht, mit den Begehren 2 und 3 diese Reklame bei Strafe verbieten lassen. Sie berufen sich dafür auf
Art. 2 Abs. 1 UWG
. Der in lit. a dieser Bestimmung vorgesehene Anspruch auf Feststellung der Widerrechtlichkeit gilt nicht schlechthin, sondern setzt ein
BGE 104 II 124 S. 134
schutzwürdiges Interesse an der Feststellung voraus. Ein solches Interesse wird regelmässig bejaht, wenn das Feststellungsbegehren mit einem Antrag auf Veröffentlichung des Urteils verbunden wird, dagegen im allgemeinen verneint, wenn gleichzeitig auf Unterlassung geklagt wird (
BGE 90 II 58
, vgl. auch 92 II 267 und
BGE 93 II 270
). Die Beklagte bestritt im kantonalen Verfahren ein solches Interesse der Klägerinnen, die ihrerseits nur geltend machten, am beantragten Verbot interessiert zu sein. Ein zusätzliches Feststellungsinteresse haben die Klägerinnen auch im Berufungsverfahren nicht dargetan, weshalb es bei der Abweisung der Feststellungsklage bleiben muss.
Die Beklagte bestritt im kantonalen Verfahren auch ein Interesse der Klägerinnen an der Unterlassungsklage, weil ein bereits entstandener Schaden nicht behauptet werde und ein künftiger nicht zu erwarten sei. Dass sie die beanstandete Werbung wiederholen könnte, blieb indes unbestritten. Sie hat auch nach einem entsprechenden Vorhalt in der Berufung nicht erklärt, künftig auf solche Werbung verzichten zu wollen. Die Beklagte beharrte vielmehr noch im Berufungsverfahren auf ihrem Standpunkt, dass es sich um zulässige Reklame handle und die Klage daher in vollem Umfange abzuweisen sei. Die Unterlassungsklage ist deshalb unbekümmert darum gutzuheissen, ob den Klägerinnen tatsächlich ein Schaden entstehen wird (
BGE 103 II 214
,
BGE 102 II 124
,
BGE 92 II 268
,
BGE 90 II 59
). Der Urteilsspruch, der das Verbot möglichst genau umschreiben soll (
BGE 93 II 59
E. 4), bringt zum Ausdruck, dass das beanstandete Markenklassement nicht schlechthin, sondern nur soweit untersagt wird, als es irreführend ist. Mit dem Verbot ist der Hinweis auf die Strafandrohung des
Art. 292 StGB
zu verbinden (
BGE 96 II 262
oben,
BGE 92 II 268
).
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Die Berufung wird teilweise gutgeheissen und das Urteil des Obergerichts Nidwalden vom 14. Juli 1977 insoweit aufgehoben, als es die Klagebegehren 2 und 3 abweist.
2. Demgemäss wird der Beklagten verboten, in ihrer Reklame inoffizielle Markenklassemente zu veröffentlichen, die auf die Resultate Bezug nehmen, welche die Teilnehmer an Skisportveranstaltungen wie dem Weltcup unter Verwendung
BGE 104 II 124 S. 135
der verschiedenen Skimarken erzielen, ohne dass dabei neben den Punktesummen auch die Anzahl der dazu beitragenden Fahrer angegeben wird. Im Falle der Widerhandlung gegen dieses Verbot würden die Organe der Beklagten gemäss
Art. 292 StGB
mit Haft oder mit Busse bestraft.
3. Soweit die Klage weiter geht, wird sie abgewiesen. | public_law | nan | de | 1,978 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
c7d722e1-3195-464c-98e9-786a76fc9642 | Urteilskopf
136 I 149
13. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit social dans la cause F. contre Office AI du canton de Fribourg (recours en matière de droit public)
9C_517/2009 du 18 janvier 2010 | Regeste
Art. 70 Abs. 2 BV
;
Art. 6 Abs. 1 und
Art. 17 Abs. 2 KV/FR
; Sprachenfreiheit, Amts- und Verfahrenssprache.
Art. 17 Abs. 2 der Verfassung des Kantons Freiburg erlaubt es dem Rechtsuchenden, sich in der Amtssprache seiner Wahl - Französisch oder Deutsch - an das Kantonsgericht zu wenden. Dies gilt unabhängig von der Verfahrenssprache. Das Kantonsgericht darf das Eintreten auf ein Rechtsmittel nicht davon abhängig machen, dass eine in der anderen Amtssprache abgefasste Rechtsschrift in die Verfahrenssprache übersetzt wird (E. 3-8). | Sachverhalt
ab Seite 150
BGE 136 I 149 S. 150
A.
A l'issue d'une instruction qui s'est déroulée exclusivement en français, l'Office de l'assurance-invalidité du canton de Fribourg a, par décision du 14 mai 2008, rejeté la demande de prestations déposée le 30 juin 2006 par F.
Par mémoire rédigé en allemand, l'assurée a formé le 17 juin 2008 un recours devant la Cour des assurances sociales du Tribunal cantonal du canton de Fribourg. Dans le cadre de l'échange d'écritures, l'office AI a demandé à ce que la procédure se déroule dans la langue de la décision contestée et sollicité la traduction française du mémoire de recours. Interpellée sur la question de la langue de la procédure, l'assurée a requis que celle-ci se poursuive en allemand. Par ordonnance du 2 décembre 2008, le Tribunal cantonal a constaté que la procédure devait se dérouler en français et refusé de déroger aux règles du code fribourgeois de procédure et de juridiction administrative. Il a imparti à l'assurée un délai de 30 jours à compter de l'entrée en force de l'ordonnance pour traduire son mémoire de recours en français, en l'avertissant qu'à défaut, il ne serait pas pris en considération. L'assurée n'a pas donné suite à cette invitation. Estimant que le recours était entaché d'un vice de forme, le Tribunal cantonal l'a déclaré irrecevable par jugement du 4 mai 2009.
B.
F. interjette un recours en matière de droit public contre ce jugement dont elle demande l'annulation. Elle conclut au renvoi de la cause à la Cour des assurances sociales du Tribunal cantonal du canton de Fribourg, afin que celle-ci entre en matière et se prononce sur le fond du litige.
BGE 136 I 149 S. 151
L'office AI conclut au rejet du recours, tandis que l'Office fédéral des assurances sociales a renoncé à se déterminer. Invité par le Juge instructeur à se prononcer sur le recours, la Cour des assurances sociales du Tribunal cantonal du canton de Fribourg a déposé des observations. Dans sa réplique du 27 novembre 2009, la recourante a confirmé ses conclusions.
Le recours a été admis.
Erwägungen
Extrait des considérants:
3.
3.1
La recourante se plaint d'une violation de l'art. 17 al. 2 de la Constitution du canton de Fribourg du 16 mai 2004 (Cst./FR; RS 131.219). Nonobstant la langue utilisée dans le cadre de la procédure, cette disposition lui permettrait de s'adresser au Tribunal cantonal du canton de Fribourg indifféremment dans l'une des deux langues officielles du canton, soit le français ou l'allemand. L'exigence d'une traduction de son acte de recours procéderait par ailleurs d'un formalisme excessif et serait constitutif d'arbitraire.
3.2
Dans la mesure où la procédure administrative s'est déroulée exclusivement en français et où la décision a été rendue à juste titre dans cette langue, la Cour des assurances sociales du Tribunal cantonal considère que la recourante ne peut invoquer l'
art. 17 al. 2 Cst./FR
pour modifier, dans le cadre de la procédure judiciaire subséquente, la langue de la procédure. Sans contester que cette disposition entend ancrer la possibilité de s'adresser à une autorité dans l'une des langues officielles du canton, la juridiction cantonale estime que cette liberté ne doit être effectivement garantie qu'en cas de contacts ponctuels avec les autorités. A son avis, il doit en aller différemment lorsqu'il s'agit d'une procédure impliquant des échanges durables. Dans ce cas, seul le choix initial entre le français et l'allemand doit être garanti au citoyen. Le libre choix de la langue garanti par la Constitution du canton de Fribourg ne peut impliquer la possibilité pour lui de modifier à son gré la langue, une fois la procédure engagée, notamment en fonction des connaissances linguistiques de son mandataire, faute sinon de compliquer inutilement la situation. L'examen des travaux préparatoires de la Constitution fribourgeoise confirmerait d'ailleurs qu'il n'a jamais été question de remettre en cause la validité des dispositions de procédure cantonale permettant de restreindre le choix de la langue, que ce soit en matière administrative, civile ou pénale. De là, le Tribunal cantonal
BGE 136 I 149 S. 152
demeurerait habilité, sous l'empire de la nouvelle Constitution fribourgeoise, à appliquer les art. 37 ss du code de procédure et de juridiction administrative du canton de Fribourg du 23 mai 1991 (CPJA; RSF 150.1) afin de déterminer la langue de la procédure de recours sur la base de celle de la décision attaquée.
4.
4.1
La liberté de la langue, autrefois confinée au rang de droit constitutionnel non écrit d'origine jurisprudentielle (
ATF 91 I 480
), est désormais expressément garantie par l'art. 18 de la Constitution fédérale du 18 avril 1999. Cette garantie comprend notamment l'usage de la langue maternelle. Lorsque cette langue est également l'une des quatre langues nationales, son emploi est protégé par l'
art. 4 Cst.
L'
art. 8 al. 2 Cst.
prohibe en outre toute discrimination du fait de la langue. Dans les rapports du citoyen avec l'autorité, la portée du principe de la liberté de la langue concerne plus particulièrement les domaines de la langue de l'enseignement et celui de la langue officielle des cantons, notamment de la langue judiciaire.
4.2
Selon l'
art. 70 al. 2 Cst.
, les cantons déterminent leurs langues officielles. Afin de préserver l'harmonie entre les communautés linguistiques, ils veillent à la répartition territoriale traditionnelle des langues et prennent en considération les minorités linguistiques autochtones. Cette disposition consacre le principe de la territorialité des langues, qui ne constitue pas un droit constitutionnel individuel, mais représente une restriction à la liberté de la langue dans la mesure où il permet aux cantons de prendre des mesures pour maintenir l'homogénéité et les limites traditionnelles des régions linguistiques (
ATF 122 I 236
consid. 2c p. 238;
ATF 121 I 196
consid. 2a p. 198 et les références citées). La portée du principe de la territorialité des langues est sujette à controverses. C'est en raison de ces controverses que le Conseil fédéral avait proposé, dans le cadre de la révision totale de la Constitution, de ne pas mentionner expressément, à côté de la garantie de la liberté de la langue, le correctif du principe de la territorialité (Message du 20 novembre 1996 relatif à une nouvelle Constitution fédérale; FF 1997 I 164 ad art. 15 du projet). Au sens strict, ce principe implique qu'à chaque territoire corresponde une langue, afin d'assurer l'homogénéité linguistique de ce territoire; ainsi, chaque canton, district ou commune devrait pouvoir conserver sa langue traditionnelle, malgré l'immigration de personnes d'expression étrangère (MICHEL ROSSINELLI, La question linguistique en Suisse, RDS 108/1989 I p. 161 ss; GIORGIO MALINVERNI, Commentaire de la Constitution
BGE 136 I 149 S. 153
fédérale, 1987, n° 23 ss ad
art. 116 aCst.
). Dans un sens plus large, il doit favoriser, en harmonie avec le principe de la liberté de la langue, la coexistence pacifique des langues nationales et la protection des langues minoritaires (
ATF 122 I 236
consid. 2e p. 240;
ATF 121 I 196
consid. 2b p. 198 et les références citées). Les principes de la liberté de la langue et de la territorialité peuvent toutefois entrer en conflit: en effet, le premier protège le droit du citoyen de s'exprimer dans sa langue, alors que le second tend à la stabilisation et l'homogénéité des régimes linguistiques.
4.3
Dans les rapports avec les autorités, la liberté de la langue est limitée par le principe de la langue officielle. En effet, sous réserve de dispositions particulières (p. ex. art. 5 par. 2 et art. 6 par. 3 let. a de la Convention européenne de sauvegarde des droits de l'homme et des libertés fondamentales du 4 novembre 1950 [CEDH; RS 0.101]), il n'existe en principe aucun droit à communiquer avec les autorités dans une autre langue que la langue officielle. Celle-ci est elle-même liée au principe de la territorialité, au sens où elle correspond normalement à la langue qui est parlée dans le territoire concerné (
ATF 122 I 236
consid. 2c p. 239 et les références citées).
5.
Sous réserve des limites posées par le droit constitutionnel fédéral, il appartient en premier lieu aux cantons de réglementer l'usage de la langue à l'intérieur de leurs frontières (
ATF 122 I 236
consid. 2h p. 242;
ATF 121 I 196
consid. 2c p. 199).
5.1
L'usage de la langue dans le canton de Fribourg s'articule autour de deux dispositions distinctes de la Constitution fribourgeoise. Le principe de territorialité est consacré à l'
art. 6 Cst./FR
:
1
Le français et l'allemand sont les langues officielles du canton.
2
Leur utilisation est réglée dans le respect du principe de territorialité: l'Etat et les communes veillent à la répartition territoriale traditionnelle des langues et prennent en considération les minorités linguistiques autochtones.
3
La langue officielle des communes est le français ou l'allemand. Dans les communes comprenant une minorité linguistique autochtone importante, le français et l'allemand peuvent être les langues officielles.
4
L'Etat favorise la compréhension, la bonne entente et les échanges entre les communautés linguistiques cantonales. Il encourage le bilinguisme.
5
Le canton favorise les relations entre les communautés linguistiques nationales.
Quant à la liberté de la langue, elle est garantie à l'
art. 17 Cst./FR
:
BGE 136 I 149 S. 154
1
La liberté de la langue est garantie.
2
Celui qui s'adresse à une autorité dont la compétence s'étend à l'ensemble du canton peut le faire dans la langue officielle de son choix.
5.2
Les art. 36 à 40 CPJA régissent la question de la langue en procédure administrative. La réglementation se fonde sur le principe de la territorialité: la langue déterminante dans une affaire n'est pas nécessairement celle de l'administré, mais, en principe, la ou les langues officielles de la circonscription concernée (art. 36 CPJA). En cas de recours ou d'autres procédures assimilées à des procédures de deuxième instance, la procédure se déroule dans la langue de la décision contestée (art. 37 al. 1 CPJA). Faisant exception au principe de la territorialité, l'art. 38 CPJA dispose qu'il peut être dérogé, partiellement ou totalement, aux règles énoncées aux articles 36 et 37 al. 1 CPJA, si les circonstances le justifient, notamment en cas de procédure devant une autorité cantonale. Lorsque la requête n'est pas rédigée dans la langue de la procédure et que l'autorité n'entend pas accorder une dérogation, l'autorité doit retourner la requête et inviter son auteur à procéder dans la langue de la procédure, en l'avertissant que, s'il ne le fait pas dans le délai fixé, elle n'entrera pas en matière (art. 39 al. 1 CPJA; sur l'ensemble de la question, DENIS LOERTSCHER, La nouvelle procédure administrative fribourgeoise, Revue fribourgeoise de jurisprudence [RFJ] 1992 p. 116 ss).
6.
6.1
Telle que consacrée à l'
art. 17 al. 2 Cst./FR
, la liberté de la langue permet à celui qui s'adresse - par oral ou par écrit - à une autorité dont la compétence s'étend à l'ensemble du canton de le faire dans la langue officielle - français ou allemand - de son choix. Cette disposition explicite le principe de la personnalité (appelé également principe du libre choix de la langue) et constitue une exception expresse, voulue par les citoyens fribourgeois, au principe général de la territorialité défini à l'
art. 6 al. 2 Cst./FR
(AUGUSTIN MACHERET, Le droit des langues, in La nouvelle Constitution fribourgeoise, RFJ Numéro spécial 2005 p. 118). Au regard de la formulation large de l'
art. 17 al. 2 Cst./FR
, il convient en principe d'inclure dans le cercle des autorités concernées par cette disposition le Tribunal cantonal (cf. REINOLD RAEMY, Organisation der Gerichtsbehörden, in La nouvelle Constitution fribourgeoise, RFJ Numéro spécial 2005 p. 285).
6.2
La teneur de l'
art. 17 al. 2 Cst./FR
semble a priori dénuée d'ambiguïté. Les autorités compétentes pour l'ensemble du canton de
BGE 136 I 149 S. 155
Fribourg sont tenues d'accepter toute requête, réclamation ou autre communication écrite rédigée dans l'une des deux langues officielles du canton. Contrairement à ce que semble considérer le Tribunal cantonal, on ne voit pas que cette disposition entraînerait la modification des règles cantonales sur la langue de la procédure. La Constitution du canton de Fribourg n'oblige nullement les autorités à rendre leurs décisions dans les deux langues officielles du canton ou à utiliser la langue dans laquelle s'est exprimé le requérant. Ainsi, les règles du CPJA, selon lesquelles les autorités administratives cantonales instruisent et décident en principe dans la langue officielle de la circonscription concernée par l'objet de la procédure et, en cas de recours, dans la langue de la décision contestée (cf. supra consid. 5.2), gardent toute leur validité sous l'empire de l'
art. 17 al. 2 Cst./FR
.
7.
La seule question à résoudre est de savoir si le Tribunal cantonal peut, malgré le principe général posé à l'
art. 17 al. 2 Cst./FR
, exiger d'une partie qu'elle traduise les écritures qu'elle a rédigées dans la langue officielle du canton autre que celle de la procédure.
7.1
D'après le Tribunal cantonal, il ressortirait des travaux préparatoires de la Constitution qu'il n'aurait été à aucun moment question de remettre en cause la validité des dispositions de procédure cantonale permettant de restreindre le choix de la langue, que ce soit en matière administrative, civile ou pénale.
7.2
7.2.1
Dans sa teneur en vigueur jusqu'au 31 décembre 2004, la Constitution du canton de Fribourg ne connaissait pas de disposition similaire à l'
art. 17 al. 2 Cst./FR
. L'
art. 21 aCst.
/FR précisait que le français et l'allemand étaient les langues officielles du canton et que leur utilisation était réglée dans le respect du principe de la territorialité (al. 1). Il invitait par ailleurs l'Etat à favoriser la compréhension entre les deux communautés linguistiques (al. 2).
7.2.2
Suivant l'organisation qu'elle s'est donnée, la Constituante fribourgeoise a débuté ses travaux par l'élaboration et l'adoption de thèses, au sein de commissions thématiques d'abord, puis en plenum dans le cadre d'une prélecture. D'après la commission thématique 1 "Principes fondamentaux, relations extérieures, langue", la reconnaissance de deux langues officielles dans le canton de Fribourg comportait le droit des citoyens de s'adresser dans la langue officielle de leur choix aux autorités compétentes pour l'ensemble du canton (Rapport final de la Commission 1 présenté au Bureau de la
BGE 136 I 149 S. 156
Constituante, p. 25). Examinée et adoptée par le plenum de la Constituante le 24 janvier 2002, la thèse 1.6.1 avait la teneur suivante: "Toute personne peut s'adresser dans la langue officielle de son choix aux autorités compétentes pour l'ensemble du canton." Ce principe a été repris dans une teneur légèrement modifiée à l'art. 18 al. 2 de l'avant-projet soumis à la Constituante. Dans le cadre de la première lecture, la parole n'a pas été demandée et cette disposition a été adoptée sans modification (Procès-verbal de la séance du 23 janvier 2003, p. 8).
7.2.3
Dans le cadre de la procédure de consultation qui a suivi la première lecture du projet, plusieurs voix se sont élevées pour demander, soit la suppression, soit le complètement de cette disposition. La Communauté Romande du Pays de Fribourg (CRPF) s'est déclarée favorable à l'abandon du principe du libre choix de la langue, car il ne tenait pas compte de la "règle de droit constitutionnel" selon laquelle la langue des voies de droit était celle de la décision attaquée. Le Tribunal cantonal estimait pour sa part qu'il allait de soi que la faculté de s'adresser aux autorités dont la compétence s'étendait à l'ensemble du canton dans la langue officielle de son choix, en tant que droit fondamental, pouvait être restreinte aux conditions habituelles (base légale, intérêt public et proportionnalité), auxquelles s'ajoutait, en matière de langues, le respect du principe de la territorialité. Ainsi, en appel devant les autorités judiciaires cantonales, la langue de la procédure devait demeurer celle de la décision attaquée et ne pas être laissée au libre choix des parties comme le précisaient les différents codes de procédure. Afin de consacrer cette exception, le Tribunal cantonal proposait de réserver dans le texte de la Constitution les lois cantonales de procédure. Quant au Conseil d'Etat, il se déclarait favorable à l'adoption d'une disposition en matière de libre choix de la langue, tout en relevant les difficultés d'application qu'une telle règle pourrait provoquer. Il citait l'exemple d'un justiciable mécontent d'un jugement civil d'un tribunal d'arrondissement francophone qui interjetterait un recours en allemand auprès du Tribunal cantonal, alors même que la langue de la première instance avait été le français. A l'instar du Tribunal cantonal, il proposait de réserver la loi pour les cas d'application.
7.2.4
Les différentes remarques émises au cours de la procédure de consultation n'ont pas trouvé d'écho au sein de la Constituante. L'actuel
art. 17 al. 2 Cst./FR
a été adopté sans discussions dans la teneur de l'avant-projet soumis en première lecture. Au cours des
BGE 136 I 149 S. 157
diverses lectures du projet, seule la constituante Bernadette Hänni est intervenue en plenum à propos de cette disposition, dans le but de préciser que le canton de Berne, qui avait une règle similaire dans sa Constitution, ne connaissait aucun problème d'application avec celle-ci (Procès-verbal de la séance du 12 novembre 2003 [deuxième lecture], p. 11).
7.3
En refusant de donner suite aux requêtes formulées au cours de la procédure de consultation qui tendaient à l'introduction d'une réserve en faveur des lois de procédure, la Constituante fribourgeoise a clairement exprimé sa volonté d'ériger le libre choix de la langue officielle dans les rapports avec les autorités cantonales en un principe général et indifférencié et non pas comme un principe à géométrie variable. L'argument invoqué par le Tribunal cantonal selon lequel il y aurait lieu de traiter différemment la situation selon que les contacts avec les autorités sont ponctuels ou s'inscrivent dans la durée ne trouve aucun fondement dans la Constitution du canton de Fribourg et dans ses travaux préparatoires.
7.4
Cela étant, l'entrée en vigueur de l'
art. 17 al. 2 Cst./FR
n'a pas formellement abrogé ou modifié les dispositions du CPJA et des autres codes fribourgeois de procédure qui pouvaient entrer en conflit avec lui. Selon les adages consacrés pour résoudre un conflit de normes, une disposition de rang constitutionnel l'emporte en principe sur une norme législative ("lex superior derogat legi inferiori") et la règle de droit la plus récente l'emporte sur la plus ancienne ("lex posterior derogat legi priori"). Il s'ensuit que les normes cantonales de procédure qui entreraient en contradiction avec l'
art. 17 al. 2 Cst./FR
, en tant qu'elles ont été adoptées antérieurement à l'entrée en vigueur de la Constitution du canton de Fribourg, ne peuvent - faute d'éléments concrets permettant de retenir la solution inverse - que céder le pas à la nouvelle disposition constitutionnelle. Pour ce motif, il n'y a pas lieu d'examiner si les normes cantonales de procédure contiennent des restrictions à un droit fondamental qui seraient légitimes au sens de l'
art. 38 Cst./FR
.
7.5
D'un point de vue plus général, il convient de constater que l'
art. 17 al. 2 Cst./FR
s'inscrit dans la ligne suivie ces dernières années par les législateurs fédéral et cantonaux. Sur le plan fédéral, le législateur a approuvé le 5 octobre 2007 la loi fédérale sur les langues nationales et la compréhension entre les communautés linguistiques (loi sur les langues, LLC; RS 441.1), entrée en vigueur le 1
er
janvier
BGE 136 I 149 S. 158
2010. Elle prévoit à son art. 6 al. 1 que quiconque s'adresse aux autorités fédérales peut le faire dans la langue officielle de son choix (voir également les
art. 33a al. 1 et 2 PA
[RS 172.021] et 42 al. 1 LTF; MARCO SAVOLDELLI, Die Amtssprachenregelung nach dem neuen Sprachengesetz des Bundes: ihre Bedeutung für das öffentliche Prozessrecht, ZBl 109/2008 p. 478 ss). Sur le plan cantonal, le canton de Berne (art. 6 al. 4 de la Constitution du canton de Berne du 6 juin 1993 [RS 131.212];voir également KÄLIN/BOLZ, Handbuch des bernischen Verfassungsrechts, 1995, n° 7 ad
art. 6 Cst./BE
), auquel la Constituante fribourgeoise s'est d'ailleurs expressément référée, et celui des Grisons (Sprachengesetz des Kantons Graubünden du 19 octobre 2006 [SpG/GR; BR 492.100]) ont également inscrit le principe du libre choix de la langue dans leur législation.
8.
En résumé, l'
art. 17 al. 2 Cst./FR
autorise un justiciable à déposer son mémoire de recours devant le Tribunal cantonal dans la langue officielle de son choix, sans égard à la langue de la procédure. Le recours doit par conséquent être admis, le jugement entrepris annulé et la cause renvoyée à la Cour des assurances sociales du Tribunal cantonal du canton de Fribourg pour qu'elle entre en matière sur le recours de F. | public_law | nan | fr | 2,010 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
c7d8cd87-7915-438c-bf14-e18ecada4ac1 | Urteilskopf
96 III 83
14. Entscheid vom 9. Oktober 1970 i.S. Spar- und Leihkasse Schmerikon in Liq. und Oettli. | Regeste
Verwertung eines Grundstücks im Konkurs vor Erledigung der Prozesse über die Kollokation von Grundpfandforderungen (
Art. 128 Abs. 2 VZG
).
Voraussetzungen, unter denen die Aufsichtsbehörde eine solche vorzeitige Verwertung bewilligen darf.
Prüfungsbefugnis des Bundesgerichts.
Fall, dass der auf dem Grundstück geführte Geschäftsbetrieb mangels Deckung der Grundpfandzinsen durch das Betriebsergebnis vor der Verwertung geschlossen werden müsste, wenn mit der Verwertung bis zur Erledigung der Kollokationsprozesse zugewartet würde.
Einfluss der Verwertung auf den Zinsenlauf. | Sachverhalt
ab Seite 83
BGE 96 III 83 S. 83
In dem am 1. Dezember 1969 eröffneten Konkurse über die Hobet AG in Herisau bewilligte die kantonale Aufsichtsbehörde am 11. September 1970 auf Gesuch des Konkursverwalters in Anwendung von
Art. 128 Abs. 2 VZG
die vorzeitige Verwertung der im Eigentum der Gemeinschuldnerin stehenden Liegenschaft Bad Horn in Horn TG.
Die Spar- und Leihkasse Schmerikon in Liq. und Willy Oettli, über deren Grundpfandforderungen im 7. und 10. bezw. 8., 9.,
BGE 96 III 83 S. 84
11. und 13. Rang Kollokationsprozesse schweben, haben diesen Entscheid an das Bundesgericht weitergezogen mit dem Antrag, er sei aufzuheben.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer weist die Rekurse ab.
Erwägungen
Erwägungen:
1.
Werden an einem im Konkurs zu verwertenden Grundstück Pfandrechte oder andere beschränkte dingliche Rechte geltend gemacht, so darf die Verwertung nach
Art. 128 Abs. 1 VZG
selbst im Falle der Dringlichkeit erst stattfinden, nachdem das Kollokationsverfahren über diese Rechte durchgeführt ist und allfällige Kollokationsprozesse erledigt sind. Ausnahmsweise können nach
Art. 128 Abs. 2 VZG
die Aufsichtsbehörden die Versteigerung schon vorher bewilligen, wenn keine berechtigten Interessen verletzt werden.
Ein Ausnahmefall im Sinne von
Art. 128 Abs. 2 VZG
ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts namentlich dann gegeben, wenn ganz besondere Umstände eine unverzügliche Verwertung fordern, die Verwertung als "überdringlich" erscheinen lassen (
BGE 72 III 29
,
BGE 75 III 102
,
BGE 78 III 79
,
BGE 80 III 80
,
BGE 88 III 25
E. 2, 37 E. 4). Ist diese Voraussetzung erfüllt, so können nur besonders wichtige Interessen die Verweigerung der Bewilligung zur vorzeitigen Verwertung rechtfertigen. Der Entscheid darüber, ob die vorzeitige Verwertung nach diesen Grundsätzen im einzelnen Falle gerechtfertigt sei, liegt weitgehend im Ermessen der kantonalen Aufsichtsbehörden. Das Bundesgericht kann in diesem Punkte nur eingreifen, wenn die kantonalen Behörden die erwähnten Grundsätze verkannt oder bei ihrer Anwendung das ihnen zustehende Ermessen überschritten haben (
BGE 88 III 25
mit Hinweisen).
2.
Im vorliegenden Falle hat die Vorinstanz die für die Anwendung von
Art. 128 Abs. 2 VZG
massgebenden Grundsätze nicht verkannt, sondern sich von diesen Grundsätzen leiten lassen. Sie hat das ihr zustehende Ermessen nicht überschritten, indem sie fand, die Gefahr einer Schliessung des auf dem Grundstück geführten Betriebs könne wegen der durch diese Massnahme bedingten Werteinbusse einen Grund für die vorzeitige Verwertung bilden (vgl.
BGE 80 III 81
), und es ist auch nicht zu beanstanden, dass sie annahm, diese Gefahr bestehe im vorliegenden Falle, wenn der Betrieb nur mit Verlust
BGE 96 III 83 S. 85
fortgeführt werden könne; denn nach den in diesem Punkte nicht bestrittenen Angaben des Konkursverwalters verfügt die Masse nicht über die Mittel, die zur Deckung solcher Verluste nötig wären.
Die Führung des Hotels Bad Horn verursachte in der Zeit vom 1. November 1969 bis 31. Juli 1970 ohne Berücksichtigung der in dieser Zeit aufgelaufenen Grundpfandzinsen einen Verlust von Fr. 6257.70. Dem Rekurrenten Oettli kann nicht zugegeben werden, dass ein Verlust in dieser Grössenordnung die Schliessung des Betriebs nicht zu rechtfertigen vermöchte, weil er in einem Grossbetrieb mit entsprechend grossem Umsatz entstanden sei und "in gar keinem Verhältnis" zu den von der Konkursverwaltung zu erhaltenden Werten stehe. Beim Fehlen finanzieller Reserven kann die Konkursverwaltung zur Schliessung des Betriebs gezwungen sein, auch wenn der eingetretene Verlust im Verhältnis zum Umsatz nicht hoch und - wie Oettli weiter behauptet - "eher zufällig bedingt" ist.
Grösseres Gewicht haben an sich der Einwand Oettlis, eine Renditenberechnung sollte auf ein ganzes Jahr abstellen und dürfe beim in Frage stehenden Betrieb namentlich den Monat August und den Frühherbst nicht ausser Betracht lassen, sowie der Hinweis Oettlis auf das nach seiner Darstellung von ihm am Tage der II. Gläubigerversammlung (31. August 1970) dem Konkursverwalter unterbreitete Angebot, das Hotel auf den 1. Dezember 1970 zu einem angemessenen Zins zu pachten und durch einen Geranten auf eigene Rechnung betreiben zu lassen. (Dieser Hinweis ist nach
Art. 79 Abs. 1 Satz 2 OG
zu hören, da sich die Grundpfandgläubiger im kantonalen Verfahren zum Gesuch des Konkursverwalters um Bewilligung der vorzeitigen Verwertung nicht äussern konnten.) Könnte erwartet werden, dass die Betriebsergebnisse des Monats August und der darauf folgenden Monate den bis Ende Juli 1970 eingetretenen Verlust ausgleichen, und liessen sich neue Rückschläge durch eine Verpachtung des Betriebs vermeiden, so könnte sich die Schliessung des Betriebs erübrigen und liesse sich die vorzeitige Verwertung des Grundstücks nicht mit der Gefahr einer durch die Schliessung des Betriebs verursachten Werteinbusse begründen.
Die Vorbringen Oettlis schlagen jedoch deshalb nicht durch, weil sie die Grundpfandzinsen ausser Betracht lassen. Dass sich aus dem Ertrag des für Rechnung der Konkursmasse geführten Hotelbetriebs oder aus dem in Aussicht gestellten Pachtzins
BGE 96 III 83 S. 86
neben den laufenden Unkosten auch die Grundpfandzinsen bestreiten liessen, behauptet Oettli selbst nicht und kann nicht angenommen werden. Die Grundpfandzinsen müssen aber bei einer normalen Geschäftsführung aus dem Betrieb herausgewirtschaftet werden. Weil das hier nicht möglich ist und der Betrieb deshalb vor Erledigung der - wahrscheinlich noch längere Zeit dauernden - Kollokationsprozesse geschlossen werden müsste, drängt sich die vorzeitige Verwertung auf.
Die Vorinstanz ist freilich der Ansicht, das Weiterlaufen der Grundpfandzinsen lasse sich durch die vorzeitige Verwertung nicht verhindern. Sie übersieht dabei, dass bei pfandgesicherten Forderungen zwar nicht die Konkurseröffnung (
Art. 209 SchKG
), wohl aber die Verwertung den Zinsenlauf gegenüber dem Gemeinschuldner unterbricht (JAEGER N. 6 zu
Art. 219 SchKG
). Die fälligen Grundpfandzinsen sind (soweit nach
Art. 818 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB
pfandgesichert) aus dem Verwertungserlös vorweg zu decken (Art. 135 Abs. 1 a.E. und
Art. 259 SchKG
,
Art. 46 und 130 Abs. 1 VZG
). Die vom letzten Zinstermin bis zum Steigerungstag laufenden Zinsen der überbundenen Pfandforderungen werden dem Ersteigerer auf Abrechnung am Zuschlagspreis überbunden, sofern die Steigerungsbedingungen nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmen (Art. 48 Abs. 1 und 130 Abs. 1 VZG; vgl. hiezu Ziff. 9 der vorgedruckten Steigerungsbedingungen im Formular VZG Nr. 13 K, Protokoll der Grundstücksteigerung). Von der Versteigerung an hat der Erwerber die ihm überbundenen Kapitalschulden zu verzinsen. Soweit die grundpfandgesicherten Kapitalschulden dem Erwerber nicht überbunden, sondern durch Zahlung aus dem Verwertungserlös getilgt werden, laufen von der Versteigerung an keine Zinsen mehr. Auch grundpfandgesicherte Kapitalschulden oder Teile von solchen, die durch den Verwertungserlös nicht gedeckt werden, so dass das dafür bestehende Grundpfandrecht untergeht (Art. 74 KV,
Art. 68 lit. b und 130 Abs. 1 VZG
), sind von der Versteigerung an nicht mehr zu verzinsen, da sie nun eben nicht mehr pfandgesichert sind. Soweit das Kapital und die bis zur Versteigerung aufgelaufenen Zinsen einer Grundpfandschuld durch den Verwertungserlös nicht gedeckt werden, sind sie, wenn der Gemeinschuldner dafür persönlich haftet, in 5. Klasse zu kollozieren (
Art. 219 Abs. 4 SchKG
). Alle diese Regeln gelten im Falle der vorzeitigen Verwertung auch für die Forderungen,
BGE 96 III 83 S. 87
die erst nach der Verwertung zugelassen werden. Die vorzeitige Verwertung verhindert also die Belastung der Konkursmasse mit weitern Grundpfandzinsen.
Ist die Verwertung der streitigen Liegenschaft aus den dargelegten Gründen im Sinne der Rechtsprechung zu
Art. 128 VZG
besonders dringlich, so vermag das von den Rekurrenten geltend gemachte Interesse daran, als allfällige Bieter vor der Steigerung über den Bestand ihrer eigenen und der diesen vorgehenden dinglichen Rechte orientiert zu sein, die Verweigerung der vorzeitigen Verwertung nicht zu rechtfertigen (
BGE 68 III 113
E. 1,
BGE 72 III 31
,
BGE 75 III 103
E. 1,
BGE 78 III 79
/80 E. 1). Dass durch diese Massnahme nicht bloss das erwähnte Interesse, sondern Interessen von besonderer Bedeutung verletzt würden, wird nicht behauptet und ist auf Grund der vorliegenden Akten auch nicht anzunehmen. Insbesondere sind keine Tatsachen ersichtlich, "die eine ordnungsgemässe Verwertung vor Beendigung des Kollokationsstreites überhaupt unmöglich machen oder doch die Erzielung eines sachentsprechenden Erlöses in Frage stellen" könnten (
BGE 78 III 80
).
Mit der Bewilligung der vorzeitigen Verwertung hat demnach die Vorinstanz das ihr zustehende Ermessen nicht überschritten. | null | nan | de | 1,970 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
c7dca7d4-18e1-4324-90f6-efd898e56d49 | Urteilskopf
123 III 395
61. Urteil der I. Zivilabteilung vom 13. August 1997 i.S. Betriebsaktiengesellschaft Vereinsdruckerei Bern gegen Einwohnergemeinde der Stadt Bern (Berufung) | Regeste
Art. 9 Abs. 1 UWG
. Wettbewerbsrechtliche Aktivlegitimation einer öffentlichrechtlichen Körperschaft.
Die Auslegung eines Konzessionsvertrags, der auf kantonalem öffentlichem Recht beruht, kann das Bundesgericht im Berufungsverfahren nicht überprüfen (E. 1).
Eine öffentlichrechtliche Körperschaft ist, wenn fremdes Wettbewerbsverhalten sie in eigenen wirtschaftlichen Interessen berührt, wie Private berechtigt, Klage wegen unlauteren Wettbewerbs zu erheben (E. 2). | Sachverhalt
ab Seite 396
BGE 123 III 395 S. 396
Aufgrund einer in das Jahr 1890 zurückreichenden vertraglichen Bindung mit der Einwohnergemeinde der Stadt Bern (nachstehend: Einwohnergemeinde) war die Betriebsaktiengesellschaft Vereinsdruckerei Bern (nachstehend: Vereinsdruckerei) Herstellerin und Herausgeberin des Gratisanzeigers "Stadtanzeiger Bern" bzw. - nach der früheren Bezeichnung - "Anzeiger für die Stadt Bern", der namentlich die amtlichen Mitteilungen der Stadt Bern enthielt. Am 15. Dezember 1994 kündigte sie den Vertrag mit der Einwohnergemeinde, offenbar in der Absicht, einen neuen Vertragsabschluss auszuhandeln. Die Einwohnergemeinde schrieb daraufhin den Anzeigervertrag unter mehreren Berner Verlagshäusern aus und entschied sich für die Offerte der "Der Bund Verlag AG, Bern". In der Folge entstand zwischen der Vereinsdruckerei und der Einwohnergemeinde Streit darüber, wer das Recht zur Verwendung der Kennzeichen "Stadtanzeiger Bern" und "Anzeiger für die Stadt Bern" habe. Die Vereinsdruckerei hinterlegte am 30. September 1994 die Bildmarke "Stadtanzeiger Bern" und am 23. März 1995 die Wortmarke "Anzeiger für die Stadt Bern". Am 2. Mai 1995 beschloss ihre Generalversammlung, die Firma der Gesellschaft in "Stadtanzeiger Bern AG" zu ändern. Die geänderte Firma konnte allerdings nicht im Handelsregister eingetragen werden, weil die Einwohnergemeinde eine vorsorgliche Verfügung erwirkte, die dem Handelsregisteramt die Eintragung untersagte.
Am 29. November 1995 reichte die Einwohnergemeinde beim Handelsgericht des Kantons Bern Klage gegen die Vereinsdruckerei ein. Sie stellte in erster Linie das Begehren, der Beklagten sei unter Strafandrohung zu verbieten, im Geschäftsverkehr Kennzeichen zu gebrauchen, in welchen die Bestandteile "Stadt Bern", "Bern Stadt", "stadtbernisch" oder "städtisch" (letzteres zusammen mit dem Ortsnamen "Bern") oder Kombinationen hiervon mit dem Begriff "Anzeiger" verbunden sind. Eventualiter beantragte sie ein an die Beklagte gerichtetes Verbot, die Zeichen "Stadtanzeiger Bern" und "Anzeiger für die Stadt Bern" im Geschäftsverkehr zu gebrauchen. Im weiteren verlangte sie die Verpflichtung der Beklagten, die Bildmarke "Stadtanzeiger Bern" und die Wortmarke "Anzeiger für die Stadt Bern" innert 30 Tagen seit Rechtskraft des Urteils auf sie zu übertragen.
Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage und verlangte widerklageweise, der Klägerin sei unter Strafandrohung zu verbieten, einen Gratisanzeiger mit dem Titel "Stadtanzeiger Bern" oder "Anzeiger für die Stadt Bern" herauszugeben oder durch Dritte herausgeben zu lassen. Weiter sei der Handelsregisterführer von Bern
BGE 123 III 395 S. 397
anzuweisen, die Statutenrevision betreffend Änderung des Firmennamens der Beklagten einzutragen.
Mit Urteil vom 20. August 1996 hiess das Handelsgericht die Klage teilweise gut und verbot der Beklagten unter Androhung der Straffolgen von
Art. 292 StGB
im Widerhandlungsfall, das Zeichen "Stadtanzeiger Bern" oder "Anzeiger für die Stadt Bern" im Gschäftsverkehr, namentlich als Firmenbezeichnung oder Titel von Presseerzeugnissen oder Gratisanzeigern, als Marke zur Kennzeichnung von Druckerzeugnissen bzw. der Inseratenakquisition sowie in der Werbung oder sonstwie zu gebrauchen. Soweit weitergehend, wies es die Klage ab. Abgewiesen wurde ebenfalls die Widerklage.
Das Bundesgericht weist die Berufung der Beklagten ab, soweit es darauf eintritt, und bestätigt das Urteil des Handelsgerichts
Erwägungen
aus folgenden Erwägungen:
1.
Das Handelsgericht ist in Auslegung der von den Parteien getroffenen vertraglichen Regelung zum Ergebnis gelangt, die Beklagte könne daraus keinen Anspruch auf Rechte am Titel des Gratisanzeigers ableiten, weil alle Auslegungselemente dafür sprächen, dass die Klägerin die Grundstruktur des Anzeigers beherrscht habe, während die Beklagte nur in der Vermarktung weitgehende Freiheit genossen habe. Nach Ansicht der Beklagten verstösst dieser Schluss gegen Bundesrecht. Sie wirft der Vorinstanz vor, zu einer bundesrechtswidrigen Vertragsergänzung geschritten zu sein. Auf ihr abweichendes Verständnis des Vertrages, wonach sich aus dem Vertrag ergebe, dass die Rechte an den Zeichen "Stadtanzeiger Bern" und "Anzeiger für die Stadt Bern", nicht der Klägerin, sondern ihr zustünden, stützt die Beklagte insbesondere ihre Widerklagebegehren.
a) Die Vorinstanz hat (gestützt namentlich auf Paul Schaffroth, Sturm und Drang, Aus der Vergangenheit der stadtbernischen Presse, Bern 1991) dargestellt, dass erste Anstösse zur Herausgabe eines allgemeinen öffentlichen Anzeigeblattes für die Gemeinde Bern aus dem Jahre 1879 belegt sind. Zu dieser Zeit erschienen in Bern verschiedene Wochenblätter und Tageszeitungen, die mehrheitlich versuchten, sich am immer grösser werdenden Werbeaufkommen der Wirtschaft zu beteiligen. Bei den Verlegern der Lokalpresse stiess die Idee der Herausgabe eines öffentlichen Anzeigeblattes auf wenig Sympathie, weil sie eine Konkurrenzierung im Inserategeschäft befürchteten. Einige Verleger boten daher dem Gemeinderat der Stadt Bern an, die amtlichen Verlautbarungen in
BGE 123 III 395 S. 398
ihren Presseerzeugnissen gratis aufzunehmen, wobei in der Folge insbesondere der Verleger des "Intelligenzblatts", Bernhard Friedrich Haller, einen Sonntags- und einen Mittwochsanzeiger herausgab, in die er die Gemeindepublikationen aufnahm und die er an sämtliche Haushalte unentgeltlich verteilte. Nachdem der Mittwochsanzeiger Ende 1883 eingegangen war, schrieb der Gemeinderat die amtlichen Publikationen zur Konkurrenz aus, worauf drei Offerten eingingen. Der Stadtrat sprach sich für das Angebot des Verlegers Haller aus, worauf die Gemeindeversammlung den Gemeinderat am 19. Oktober 1884 zur Ratifizierung des bereits ausgehandelten Vertrages mit Verleger Haller ermächtigte. Nachdem auch der Regierungsrat des Kantons Bern die Herausgabe eines stadtbernischen Anzeigers genehmigt hatte, trat der auf sechs Jahre befristete Vertrag in Kraft. In diesem Vertrag wurden die Verwaltungsstellen der Stadt Bern verpflichtet, sämtliche Bekanntmachungen direkt dem Verleger des "Anzeigers für die Stadt Bern" einzusenden, und es wurde ihnen verboten, die Texte an andere Zeitungen zu verschicken. Neben dem genau normierten amtlichen Teil enthielt der "Anzeiger für die Stadt Bern" bereits damals auch Inseratenseiten.
Der Vertrag mit Verleger Haller wurde Ende 1890 nicht erneuert, worauf die Stadt Bern die Herausgabe des Anzeigers erneut ausschrieb und zwar weitgehend zu denselben Bedingungen. Den Zuschlag erhielt ein Kollektiv aus acht Druckereien, und im Dezember 1890 wurde der Vertrag betreffend die Herstellung und Herausgabe des "Anzeigers für die Stadt Bern" unterzeichnet. Nach der Ratifizierung des Vertrags durch die Gemeindeversammlung beschlossen die Konsortialen, die "Genossenschaft Vereinsdruckerei in Bern" zu gründen, die in der Folge auch formell Vertragspartnerin der Stadt Bern wurde. Die Gemeinde verpflichtete sich in diesem Vertrag, ihre Bekanntmachungen exklusiv dem Verleger des Anzeigers zuzustellen und sie vor Erscheinen im Anzeiger keiner anderen Zeitung zu übermitteln. Die Vereinsdruckerei verpflichtete sich ihrerseits, diese Mitteilungen im ersten Teil des Anzeigers unter der Überschrift "Amtlicher Teil" unverändert, kostenlos und getrennt vom übrigen Inhalt abzudrucken. Der Vertrag regelte das Erscheinungsbild, die Erscheinungshäufigkeit und die Verteilung des Anzeigers sowie die Konzessionsgebühr und die Insertionspreise für nichtamtliche Verlautbarungen der Stadt Bern im nichtamtlichen Teil des Anzeigers. Ausserdem wurde vorgeschrieben, der Anzeiger habe politisch neutral zu sein. Der Regelungsgehalt der Abmachungen blieb trotz Anpassungen grundsätzlich bis zur Kündigung des Vertrages auf
BGE 123 III 395 S. 399
Ende 1995 derselbe. Eine letzte eigentliche Vertragserneuerung wurde im Jahre 1979 auf der Grundlage der kantonalen Anzeigerverordnung vom 6. Dezember 1978 vorgenommen.
b) Das Handelsgericht geht zutreffend von einem öffentlichrechtlichen Vertrag aus. Wie auch die Beklagte in anderem Zusammenhang selbst festhält, bestand zwischen den Parteien nicht eine privatrechtliche, sondern eine öffentlichrechtliche Vertragsbeziehung. Die Beklagte ist durch Verleihung einer Konzession des öffentlichen Dienstes mit der Herausgabe des Anzeigers für die Stadt Bern betraut worden (MERKLI/AESCHLIMANN/HERZOG, Kommentar zum Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege im Kanton Bern vom 23. Mai 1989, Bern 1997, N. 16 zu Art. 2, unter Hinweis auf BVR 1996, S. 342). Die Veröffentlichung amtlicher Mitteilungen, die gesetzlich vorgeschrieben ist und der Publizitätswirkung eignet, ist eine hoheitliche, nicht eine private Aufgabe. Der Konzessionsvertrag der Parteien beruhte auf kantonalem öffentlichem Recht. Nach kantonalem öffentlichem Recht hat sich daher auch seine Auslegung zu richten. Welcher Vertragswille sich dem Vertrag durch Auslegung oder Ergänzung entnehmen lässt, ist somit nicht eine bundes-, sondern eine kantonalrechtliche Frage. Die Anwendung von kantonalem Recht kann das Bundesgericht im Berufungsverfahren jedoch nicht überprüfen (vgl.
Art. 43 Abs. 1 und
Art. 55 Abs. 1 lit. c OG
). Auf die Berufungsvorbringen zur Vertragsauslegung und -ergänzung kann deshalb nicht eingetreten werden. Damit ist der Berufung zum vornherein insoweit die Grundlage entzogen, als die Beklagte die Gutheissung ihrer Widerklagebegehren beantragt.
2.
Zu prüfen bleibt der Berufungsantrag auf Abweisung der Klage. Mit der teilweisen Gutheissung der Klage hat das Handelsgericht einen Unterlassungsanspruch der Klägerin aus Wettbewerbsrecht anerkannt. Die Beklagte stellt sich demgegenüber auf den Standpunkt, dass die Klägerin gar nicht legitimiert sei, ihr gegenüber wettbewerbsrechtliche Abwehransprüche geltend zu machen. Ihrer Ansicht nach hat das Handelsgericht der Klägerin zu Unrecht lauterkeitsrechtliche Aktivlegitimation zuerkannt.
a) Nach
Art. 9 Abs. 1 UWG
(SR 241) ist klageberechtigt, wer durch unlauteren Wettbewerb in seiner Kundschaft, seinem Kredit oder beruflichen Ansehen, in seinem Geschäftsbetrieb oder sonst in seinen wirtschaftlichen Interessen bedroht oder verletzt wird. Zentrale Voraussetzung der Klageberechtigung ist somit eine Beeinträchtigung in eigenen wirtschaftlichen Interessen. Daran fehlte es im Sachverhalt, den das Bundesgericht in
BGE 112 II 369
noch unter
BGE 123 III 395 S. 400
der Herrschaft des früheren UWG zu beurteilen hatte: Der Kanton Appenzell I.Rh., das Innere Land des Kantons Appenzell I.Rh., der Bezirk Appenzell und die Feuerschaugemeinde Appenzell beriefen sich zur Begründung ihrer Klage gegen den Inhaber des "Café und Hotel Appenzell" vergeblich auf das Wettbewerbsrecht, konnten doch allfällige mit dem Geschäftsnamen "Appenzell" verbundene Wettbewerbsvorteile des beklagten Gasthaus- und Hotelbesitzers höchstens wirtschaftliche Interessen anderer Gastwirtschaftsbetriebe berühren, nicht aber rechtlich geschützte Interessen des Kantons Appenzell I.Rh. und der übrigen klagenden Körperschaften verletzen (a.a.O., E. 5a S. 375 f.). Daraus lässt sich indessen entgegen dem, was die Beklagte anzunehmen scheint, nicht ableiten, dass staatlichen Körperschaften im Bereich des Wettbewerbsrechts grundsätzlich keine Klageberechtigung zustünde. Entscheidend war in jenem Urteil vielmehr, dass die klagenden öffentlichrechtlichen Körperschaften am wirtschaftlichen Wettbewerb nicht selbst beteiligt waren und deshalb auch keine eigenen wirtschaftlichen Interessen geltend machen konnten, die durch den vom beklagten Gasthaus- und Hotelbesitzer gewählten Geschäftsnamen betroffen gewesen wären. Wenn in der Literatur unter Verweis auf
BGE 112 II 369
bemerkt wird, öffentlichrechtliche Körperschaften seien grundsätzlich auch nach dem neuen UWG nicht aktivlegitimiert (PEDRAZZINI, Unlauterer Wettbewerb, S. 226 f.; vgl. ferner auch DAVID, Schweizerisches Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht, Basel, Bd. I/2, S. 64), so kann dies nur insoweit gelten, als Bereiche in Frage stehen, in denen öffentlichrechtliche Körperschaften sich ausserhalb des wirtschaftlichen Wettbewerbs bewegen, weil sie rein amtlich handeln (vgl. MÜLLER, Schweizerisches Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht, Basel, Bd. V/1, S. 10) oder Aufgaben erfüllen, die ihnen im Sinne von Monopolen unter Ausschluss der Privaten übertragen sind (vgl. KRÄHENMANN, Privatwirtschaftliche Tätigkeit des Gemeinwesens, Diss. Basel 1987, S. 25 und 120 ff.). Sobald öffentlichrechtliche Körperschaften jedoch direkt oder indirekt am freiwilligen Austausch marktfähiger Güter teilnehmen, können sie für die damit verbundenen wirtschaftlichen Interessen denselben wettbewerbsrechtlichen Schutz wie Private beanspruchen und sind sie deshalb auch wie diese berechtigt, gegen wettbewerbswidriges Verhalten anderer klageweise vorzugehen.
b) Die Publikation amtlicher Mitteilungen, zu der die Klägerin gesetzlich verpflichtet ist, stellt eine hoheitliche Aufgabe dar. Soweit
BGE 123 III 395 S. 401
die Klägerin diese Publikationsaufgabe erfüllt, nimmt sie nicht am wirtschaftlichen Wettbewerb teil, sondern übt sie eine rein amtliche Tätigkeit aus. Am rein amtlichen Charakter dieser Tätigkeit ändert nichts, dass die Klägerin die Herstellung und Herausgabe des Amtsanzeigers mit einem Konzessionsvertrag auf ein privates Verlagsunternehmen überträgt. Die Klägerin beschränkt sich jedoch nicht darauf, ihre amtlichen Mitteilungen veröffentlichen zu lassen. Vielmehr lässt sie den Amtsanzeiger zusätzlich mit einem nichtamtlichen Teil versehen, der namentlich für die Aufnahme von Inseraten bestimmt ist. Mit der Veröffentlichung von Inseraten gegen Entgelt übt der Konzessionär aber eine privatwirtschaftliche Tätigkeit aus. Diese Tätigkeit ist der Klägerin zuzurechnen. Denn die Klägerin schafft mit der Konzessionierung des Anzeigerwesens nicht nur die Voraussetzung für die Vermarktung ihres - für die Werbung interessanten - Anzeigers durch den Konzessionär, sondern sie partizipiert nach den Feststellungen der Vorinstanz auch selbst an den Einnahmen aus dem Inseratengeschäft. Mit dem nichtamtlichen Teil ihres Anzeigers beteiligt sich die Klägerin somit am wirtschaftlichen Wettbewerb um Inserate in Presseerzeugnissen. Für ihr wirtschaftliches Interesse daran, dass ihr Anzeiger nicht mit anderen Presseerzeugnissen verwechselt wird, kann sie deshalb wettbewerbsrechtlichen Schutz beanspruchen, und zwar unabhängig davon, ob sie den Anzeiger selbst herausgibt oder die Herausgabe einem Konzessionär überträgt (vgl.
BGE 75 IV 21
E. 2 S. 24 f.). Dass die Klägerin der Beklagten den Gebrauch der Titel "Stadtanzeiger Bern" und "Anzeiger für die Stadt Bern" wegen des amtlichen Teils ihres Anzeigers unter Umständen auch mit öffentlichrechtlichen Rechtsbehelfen hätte verbieten können (vgl. BVR 1996, S. 346), schliesst im übrigen nicht aus, dass sie mit Blick auf das im nichtamtlichen Teil betriebene Inseratengeschäft auch befugt ist, das gleiche Ziel mit einer wettbewerbsrechtlichen Klage zu verfolgen. Die Auffassung des Handelsgerichts, dass die Klägerin nach
Art. 9 Abs. 1 UWG
klageberechtigt ist, erweist sich als zutreffend.
c) Gegen die Erwägungen des angefochtenen Entscheids zu den übrigen Anspruchsvoraussetzungen wendet die Beklagte nichts ein. Eine Verletzung von Bundesrecht ist in diesem Zusammenhang denn auch nicht ersichtlich. Das Handelsgericht hat zu Recht gestützt auf
Art. 2 und
Art. 3 lit. c UWG
einen wettbewerbsrechtlichen Anspruch der Klägerin darauf anerkannt, dass die Beklagte es unterlässt, die Zeichen "Stadtanzeiger Bern" und "Anzeiger für die Stadt Bern" im Geschäftsverkehr zu gebrauchen. | null | nan | de | 1,997 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
c7dcca96-9304-43c6-a031-544bc9e8dbf0 | Urteilskopf
105 Ib 197
31. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 20. Juli 1979 i.S. Rohr gegen NOK/SBB und Stellvertreter des Präsidenten der Eidg. Schätzungskommission, Kreis 8 (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Vorzeitige Besitzeinweisung nach
Art. 53 ElG
.
Erfordernis der ausdrücklichen Übertragung des Enteignungsrechtes an Eigentümer von elektrischen Starkstromanlagen. Zuständige Instanz (E. 1b); Besonderheit des Verfahrens (E. 1c).
Die vorzeitige Besitzeinweisung nach
Art. 53 ElG
kann erst nach der Erteilung des Enteignungsrechtes an das Elektrizitätswerk gewährt werden (E. 1d, e).
Verhältnis von
Art. 53 ElG
zu
Art. 76 EntG
(E. 2). | Sachverhalt
ab Seite 198
BGE 105 Ib 197 S. 198
Die Nordostschweizerische Kraftwerke AG (NOK) erstellt gemeinsam mit den SBB eine neue Hochspannungsleitung zwischen den Unterwerken Oftringen und Rupperswil. Die Leitung soll unter anderem über die in der Gemeinde Hunzenschwil gelegene Parzelle Nr. 687 von Ernst Rohr-Richner führen. Da Rohr das verlangte Überleitungsrecht nicht freiwillig abtrat, wurde gegen ihn ein Enteignungsverfahren eingeleitet. Rohr reichte gestützt auf
Art. 35 ff. EntG
eine als "Einsprache" bezeichnete Eingabe ein, in welcher er Realersatz oder Übernahme des ganzen Grundstückes durch die Leitungseigentümerinnen verlangte. Die Einigungsverhandlung verlief erfolglos, worauf die NOK den Stellvertreter des Präsidenten der Schätzungskommission um Bewilligung der vorzeitigen Besitzeinweisung ersuchte. Am 9. Juni 1979 gab der Präsident-Stellvertreter dem Gesuch der NOK statt. Gegen diesen Entscheid hat Rohr Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereicht. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut aus folgenden
Erwägungen
Erwägungen:
1.
a) Das in Art. 1 umschriebene Enteignungsrecht kann entweder vom Bunde selbst ausgeübt oder an Dritte übertragen werden, und zwar - je nach Bedeutung des Werkes - durch Bundesbeschluss oder Bundesgesetz (
Art. 2 und
Art. 3 Abs. 2 EntG
). Ermächtigt der Bundesbeschluss oder das Bundesgesetz den Dritten nicht generell zur Enteignung, sondern muss das Enteignungsrecht in jedem Einzelfall noch ausdrücklich erteilt werden, so entscheidet darüber nach
Art. 3 Abs. 3 EntG
, sofern es sich nicht um Konzessionen handelt, das in der Sache zuständige Departement. Diese Bestimmung ist zur Klarstellung der Kompetenzverhältnisse am 18. März 1971 ins revidierte Enteignungsgesetz aufgenommen worden (vgl. Botschaft des Bundesrates vom 20. Mai 1970, BBl 1970 I, S. 1018 N. 3.5). Sie steht in Übereinstimmung mit dem zur gleichen Zeit abgeänderten
Art. 55 EntG
, welcher den Entscheid über Einsprachen gegen die Enteignung neu dem Departement statt dem Bundesrat überträgt und welcher seinerseits auf der vorangegangenen Neufassung des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege beruht, wonach Einsprachenentscheide in Enteignungssachen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Bundesgericht unterliegen (vgl.
Art. 99 lit. c OG
;
Art. 23 Abs. 2 VwOG
BGE 105 Ib 197 S. 199
in der durch das am 20. Dezember 1968 revidierte OG abgeänderten Fassung; HEINZ HESS, Probleme des enteignungsrechtlichen Einspracheverfahrens aus der Sicht des Eidg. Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartementes, ZBl 74/1973, S. 368).
b) Den Eigentümern von elektrischen Starkstromanlagen und den Bezügern elektrischer Energie steht in der Regel das Enteignungsrecht für die Einrichtungen zur Fortleitung und Verteilung der elektrischen Energie nicht schon von Gesetzes wegen zu; es muss ihnen in jedem Einzelfall ausdrücklich übertragen werden. Nach dem Text von
Art. 43 Abs. 1 ElG
, welcher leider bei der Revision des Enteignungsgesetzes im Jahre 1971 nicht an die neue Kompetenzordnung angepasst wurde, wäre die Gewährung des Enteignungsrechtes in diesen Fällen Sache des Bundesrates. Wie bereits ausgeführt, liegt jedoch die Zuständigkeit nach der geltenden Regelung beim Eidgenössischen Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartement beziehungsweise, wenn keine Einsprachen vorliegen, bei dessen Generalsekretariat (
Art. 23 Abs. 2 VwOG
; Art. 57 Ziff. 3 des Bundesratsbeschlusses betreffend die Zuständigkeit der Departemente und der ihnen unterstellten Amtsstellen zur selbständigen Erledigung von Geschäften vom 17. November 1914 und Art. 1 Ziff. 7 der Verfügung des Eidg. Post- und Eisenbahndepartementes betreffend die Übertragung von Geschäften an die Abteilung Rechtswesen und Sekretariat und an die Eisenbahnabteilung zur selbständigen Erledigung vom 1. Februar 1932).
c) Für die Verleihung des Enteignungsrechtes für Einrichtungen zur Fortleitung und Verteilung der elektrischen Energie ist ein spezielles, in der schweizerischen Rechtsordnung einzig dastehendes Verfahren vorgesehen. Das Unternehmen hat den Präsidenten der Schätzungskommission, noch bevor es mit dem Enteignungsrecht ausgestattet worden ist, um Einleitung des Enteignungsverfahrens zu ersuchen. Können sich in der Folge das Unternehmen und die betroffenen Grundeigentümer an der Einigungsverhandlung sowohl über die abzutretenden Rechte als auch über die Entschädigungen ins Einvernehmen setzen, so wird das Verfahren abgeschlossen. Wird dagegen an Einsprachen festgehalten oder können sich die Parteien über Entschädigungsfragen nicht einigen, so überweist der Präsident der Schätzungskommission die Akten dem Departement zur Erteilung des Enteignungsrechtes bzw. zum Entscheid darüber,
BGE 105 Ib 197 S. 200
welche Rechte das Unternehmen für sich in Anspruch nehmen kann und diesem demnach auf dem Enteignungswege zu übertragen sind (
Art. 43, 50 ElG
; vgl. unter Berücksichtigung der inzwischen erfolgten Gesetzesänderungen
BGE 96 I 191
E. 2; HESS, Das Enteignungsrecht des Bundes, N. 15, 16 zu
Art. 2 EntG
, N. 1, 11, 12 zu
Art. 43 ElG
und N. 4, 9, 10 ff. zu
Art. 50 ElG
).
d) Das Elektrizitätsgesetz enthält im weiteren besondere Vorschriften über das Enteignungsverfahren selbst, die den allgemeinen Bestimmungen des Enteignungsgesetzes, welche im übrigen anwendbar sind, vorgehen (
Art. 43 Abs. 1 und
Art. 49 ElG
; HESS, a.a.O., N. 11 zu
Art. 43 ElG
). So werden in
Art. 53 ElG
die Voraussetzungen für die vorzeitige Besitzeinweisung speziell umschrieben. Die heutige Fassung dieser Bestimmung, die durch eine Gesetzesänderung bei der Schaffung des Enteignungsgesetzes im Jahre 1930 entstand, führte damals für die Werkeigentümer im Vergleich zu den Vorschriften des Elektrizitätsgesetzes von 1902 einerseits zu Erschwerungen für den Bau von elektrischen Leitungen, andererseits zu Erleichterungen für die Erstellung anderer elektrischer Anlagen (HESS, a.a.O., N. 1, 2 zu
Art. 53 ElG
). Im Vergleich zu
Art. 76 EntG
in der Fassung von 1930 brachte hingegen die Bestimmung von
Art. 53 ElG
für die Elektrizitätswerke nur Vorteile. Sie ermöglichte die vorzeitige Besitzeinweisung vor Durchführung der Einigungsverhandlung, und zwar durch Entscheid des Präsidenten allein, ohne dass zuvor die ganze Kommission einen Augenschein vorgenommen hätte; zudem befreite sie den Enteigner vom Nachweis, dass ihm ohne die vorzeitige Inbesitznahme bedeutende Nachteile entstünden (vgl. Art. 76 aEntG; HESS, a.a.O., N. 7, 9 zu
Art. 53 ElG
, N. 6, 7, 8 zu Art. 76 aEntG).
Zum Verhältnis von
Art. 53 ElG
zum heute geltenden, seit 1972 in Kraft stehenden Text von
Art. 76 EntG
wird weiter unten (E. 2) die Rede sein.
e) Die vorzeitige Besitzeinweisung kann vom Präsidenten der Schätzungskommission in Anwendung von
Art. 53 ElG
, wie ausdrücklich im Gesetz festgehalten ist, erst "nach der Plangenehmigung" ("après approbation des plans", "approvati che siano i piani") bewilligt werden. Unter Plangenehmigung im Sinne von
Art. 53 ElG
ist die Genehmigung des Enteignungsplanes und die damit verbundene Erteilung des Enteignungsrechtes
BGE 105 Ib 197 S. 201
an das Elektrizitätswerk (die sog. Feststellung des Enteignungsfalles) zu verstehen, beziehungsweise der Entscheid über allfällige Einsprachen; im Einsprachenentscheid hat das Departement die im konkreten Falle dem Werkeigentümer zu übertragenden Rechte im einzelnen und - unter Vorbehalt einer Ausdehnung der Enteignung im Sinne von
Art. 12 und 13 EntG
oder eines verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahrens vor Bundesgericht - endgültig zu bezeichnen (HESS, a.a.O., N. 1, 5 zu
Art. 53 ElG
; vgl.
BGE 96 I 191
f.).
Zu Unrecht geht der Präsident-Stellvertreter der Schätzungskommission im angefochtenen Entscheid davon aus, dass mit der Plangenehmigung im Sinne von
Art. 53 ElG
die - den Leitungseigentümerinnen am 13. Juli 1978 erteilte - Genehmigung des Eidg. Starkstrominspektorates gemeint sei. Die Genehmigung des Werkplanes durch das Starkstrominspektorat gemäss
Art. 15 Abs. 2 ElG
steht mit dem Enteignungsverfahren in keinem Zusammenhang; ihr kommt lediglich der Charakter einer Polizeierlaubnis zu (HESS, a.a.O., Vorbemerkungen zu Abschnitt V vor
Art. 55 EntG
, N. 1-3, 9, 20; vgl. über die beiden analogen Institute im Eisenbahngesetz
BGE 101 Ib 283
f. E. 2d). Dass
Art. 53 ElG
auf die Genehmigung des Enteignungsplanes durch das Starkstrominspektorat Bezug nimmt, ergibt sich übrigens auch klar aus der Verordnung über die Vorlagen für elektrische Stromanlagen vom 26. Mai 1939. Nach Art. 84 dieser Verordnung darf mit dem Bau einer elektrischen Anlage erst begonnen werden, wenn keine enteignungsrechtlichen Hindernisse mehr vorliegen, was vor dem Erwerb der expropriierten Rechte durch den Enteigner nur dann der Fall ist, "wenn nach Erteilung des Enteignungsrechtes durch den Bundesrat (heute durch das Eidg. Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartement) der Präsident der Schätzungskommission dem Enteigner die vorzeitige Besitzeinweisung (Art. 53 des Elektrizitätsgesetzes) bewilligt hat" (lit. b), wenn im bundesgerichtlichen Verfahren der Instruktionsrichter die vorläufige Vollstreckung der Enteignung verfügt (lit. c) oder der Enteignete den Enteigner ausdrücklich zur vorzeitigen Inbesitznahme ermächtigt hat (lit. d).
Da der NOK das Enteignungsrecht noch nicht erteilt worden ist, durfte ihr die vorzeitige Inbesitznahme, die als schwerwiegender und zwingender Eingriff in die Eigentumsrechte nur einem Inhaber hoheitlicher Machtbefugnisse zustehen kann,
BGE 105 Ib 197 S. 202
nicht bewilligt werden (vgl. zur Notwendigkeit der Übertragung des Enteignungsrechtes
BGE 104 Ib 343
E. 3b mit Hinweisen,
BGE 99 Ib 488
ff.). Daran ändert nichts, dass die am fraglichen Teilstück der Hochspannungsleitung mitbeteiligten SBB das Enteignungsrecht schon von Gesetzes wegen besitzen, und zwar nicht nur für eigentliche Eisenbahnanlagen, sondern auch für die dem Bahnbetrieb dienenden elektrischen Leitungen (Art. 3 des Eisenbahngesetzes vom 20. Dezember 1957). Wie das Bundesgericht bereits im nicht publizierten Entscheid i.S. Siber und Wehrli AG vom 21. Dezember 1977 entschieden hat, müssen alle Eigentümer einer Gemeinschaftsleitung mit dem Enteignungsrecht ausgestattet sein. Die angefochtene Verfügung des Stellvertreters des Präsidenten der Schätzungskommission ist daher aufzuheben.
2.
Ihrer grundsätzlichen Bedeutung wegen ist indessen noch die von der NOK aufgeworfene Frage des Verhältnisses zwischen
Art. 53 ElG
mit der neuen, seit 1972 in Kraft stehenden Bestimmung von
Art. 76 EntG
zu behandeln.
Art. 76 EntG
hat bei der Revision vom 18. März 1971 in verschiedener Hinsicht bedeutende Änderungen erfahren, die auf das Bestreben zurückzuführen sind, einerseits das Verfahren zu vereinfachen und andererseits die Parteirechte zu stärken. Während nach dem früheren Recht der Entscheid über die Besitzeinweisung endgültig war (Art. 76 Abs. 3 aEntG), kann er heute - hinsichtlich der Besitzeinweisung selbst und der Pflicht zur Sicherstellung, dagegen nicht in bezug auf allfällige Abschlagszahlungen - mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten werden (Art. 29 Abs. 4 der Verordnung für die eidgenössischen Schätzungskommissionen), wenn auch nur innert einer verkürzten Frist von 20 Tagen (
Art. 76 Abs. 6 EntG
). Im weiteren wird in der neuen Gesetzesbestimmung der Entscheid über die vorzeitige Besitzeinweisung, gemäss dem Vorbild des Elektrizitätsgesetzes (zit. Botschaft des Bundesrates, S. 1014), im Regelfall dem Präsidenten der Schätzungskommission allein übertragen. Und schliesslich ist als wichtigste Neuerung die vorzeitige Besitzeinweisung nunmehr auch vor der rechtskräftigen Erledigung der Einsprachen zu gewähren, doch darf dem Gesuch nur insoweit entsprochen werden, als keine bei nachträglicher Gutheissung nicht wieder gutzumachenden Schäden entstehen (
Art. 76 Abs. 4 EntG
, vgl. zit. Botschaft des Bundesrates, S. 1014; s. auch den abgeänderten Text von
Art. 52 EntG
,
BGE 105 Ib 197 S. 203
wonach das Festhalten an einer Einsprache in der Einigungsverhandlung nicht notwendigerweise zur Sistierung des Schätzungsverfahrens führt).
Aus dem Vergleich von
Art. 53 ElG
und
Art. 76 EntG
in der geltenden Fassung ergibt sich klar, dass die allgemeinen Bestimmungen des Enteignungsgesetzes über die vorzeitige Besitzeinweisung für die Unternehmen günstiger sind als die Spezialvorschriften des Elektrizitätsgesetzes, die im Zeitpunkt ihrer Aufnahme in das Gesetz im Jahre 1930 die Elektrizitätswerke gegenüber den anderen Unternehmungen privilegierten. Nun besteht kein Zweifel, dass der Gesetzgeber von 1970 nicht die Absicht hatte, gerade die vom früheren Recht begünstigten Elektrizitätswerke, die mit der Versorgung des Landes mit elektrischer Energie eine äusserst wichtige, im öffentlichen Interesse liegende Aufgabe erfüllen, von den Vorteilen des revidierten
Art. 76 EntG
auszuschliessen. Es würde daher zwar dem Wortlaut von
Art. 53 ElG
, nicht aber dem Willen des Gesetzgebers und dem Zweck dieser Bestimmung widersprechen, wenn bei Enteignungen für elektrische Anlagen
Art. 76 EntG
als allgemeiner, jedoch jüngerer Vorschrift gegenüber der Spezialvorschrift von
Art. 53 ElG
insoweit der Vorrang eingeräumt würde, als die vorzeitige Besitzeinweisung durch die Norm des Enteignungsgesetzes Erleichterungen erfährt.
Eine solche Gesetzesauslegung würde die Situation für die Elektrizitätswerke allerdings nur verbessern, wenn das Verfahren zur Erteilung des Enteignungsrechtes vom Einspracheverfahren abgetrennt und diesem vorangestellt würde. Erst die Aufteilung des Genehmigungsverfahrens ermöglichte es, den Elektrizitätswerken nach der Übertragung des Enteignungsrechtes - unabdingbare Voraussetzung zur Anwendung sowohl von
Art. 76 EntG
als auch von
Art. 53 ElG
- die vorzeitige Besitzeinweisung auch dann zu gewähren, wenn über Einsprachen noch nicht rechtskräftig entschieden ist. Eine solche Lösung, die durch blosse Praxisänderung der Verwaltungsbehörden zu verwirklichen wäre, wurde offenbar schon von Hess, noch während das alte Enteignungsgesetz in Kraft stand, für zweckmässiger als die heutige Regelung gehalten (HESS, a.a.O., N. 16 zu
Art. 3 EntG
, N. 9 ff. zu
Art. 50 Abs. 2 ElG
).
Es steht jedoch dem Bundesgericht nicht zu, darüber zu befinden, in welchem Zeitpunkt und welchem Verfahren die Übertragung des Enteignungsrechtes an Elektrizitätswerke zu
BGE 105 Ib 197 S. 204
erfolgen habe. Verwaltungsverfügungen, durch welche Dritten das Enteignungsrecht für ein bestimmtes Werk unter Vorbehalt des Einspracheverfahrens erteilt wird, sind nämlich nach
Art. 102 lit. d OG
der Verwaltungsgerichtsbarkeit entzogen. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht wäre im Falle einer Aufteilung des Genehmigungsverfahrens durch das Departement erst gegen den Einsprachenentscheid zulässig (
Art. 99 lit. c OG
). Immerhin kann das Bundesgericht in seiner Eigenschaft als Aufsichtsbehörde in Enteignungssachen das Eidg. Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartement auf die sich hier stellenden Fragen aufmerksam machen und ihm deren Prüfung nahelegen. | public_law | nan | de | 1,979 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
c7e07758-24bd-4865-a0ce-5d4d1d35f6c3 | Urteilskopf
139 III 471
67. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit civil dans la cause A. SA contre Tribunal d'arrondissement de la Gruyère (recours en matière civile)
5A_345/2013 du 19 septembre 2013 | Regeste
Art. 106 Abs. 1 und
Art. 116 ZPO
; Zusprechung einer Parteientschädigung im Falle der Gutheissung einer Rechtsverzögerungsbeschwerde.
Wird eine Beschwerde wegen Rechtsverzögerung im Sinne von
Art. 319 lit. c ZPO
gutgeheissen, muss der Kanton in Anwendung von
Art. 106 Abs. 1 ZPO
eine Parteientschädigung zahlen, ausser gestützt auf
Art. 116 ZPO
erlassenes kantonales Recht befreie ihn davon (E. 3). | Sachverhalt
ab Seite 472
BGE 139 III 471 S. 472
A.a
Le 27 mars 2009, A. SA a ouvert action contre B. devant le Tribunal d'arrondissement de la Gruyère (ci-après: Tribunal d'arrondissement) afin d'obtenir l'inscription définitive d'une hypothèque légale des artisans et entrepreneurs pour un montant de x fr. à charge d'un immeuble dont celui-là est propriétaire.
A.b
Après que les parties se soient déterminées une première fois les 19 février et 15 mars 2010, puis les 16 août et 20 septembre de la même année sur les réquisitions et propositions d'offres de preuves, aient comparu le 13 janvier 2011, puis se soient déterminées à nouveau les 24 mars et 16 mai 2011 sur la suite à donner à la procédure - B. requérant notamment la mise en oeuvre d'une expertise -, A. SA est intervenue par courriers des 16 juin 2011, 17 février 2012 et 11 juillet 2012 auprès du Tribunal d'arrondissement afin de connaître sa décision relative à la suite de la procédure.
B.
Statuant le 21 mars 2013 sur le recours formé le 30 janvier 2013 par A. SA à l'encontre du Tribunal civil pour retard injustifié, la I
ère
Cour d'appel civil du Tribunal cantonal du canton de Fribourg a admis le recours, constaté que la cause avait subi un retard injustifié entre le 16 mai 2011 et le 8 février 2013 et mis les frais judiciaires, fixés à 500 fr., à la charge de l'Etat de Fribourg. Elle a en revanche refusé d'allouer des dépens à A. SA, se basant sur l'
art. 107 al. 2 CPC
. (...)
Par arrêt du 19 septembre 2013, le Tribunal fédéral a admis le recours interjeté par A. SA contre cette décision, a annulé l'arrêt attaqué et a renvoyé la cause à l'autorité cantonale pour nouvelle décision dans le sens des considérants.
(extrait)
Erwägungen
Extrait des considérants:
3.
Saisi d'un recours en matière civile, le Tribunal fédéral applique le droit d'office (
art. 106 al. 1 LTF
). Il n'est donc limité ni par les arguments soulevés dans le recours, ni par la motivation retenue par
BGE 139 III 471 S. 473
l'autorité précédente; il peut admettre un recours pour d'autres motifs que ceux qui ont été invoqués et le rejeter en adoptant une argumentation différente de celle de l'autorité précédente (cf.
ATF 134 III 102
consid. 1.1;
ATF 130 III 297
consid. 3.1).
3.1
Dans la terminologie du CPC (
art. 95 al. 1 CPC
), les frais (
Prozesskosten; spese giudiziarie
) comprennent les frais judiciaires (let. a:
Gerichtskosten; spese processuali
) et les dépens (let. b:
Parteientschädigung; spese ripetibili
; cf.
ATF 139 III 358
consid. 3). Ils sont répartis conformément aux art. 106 à 109 CPC, sous réserve des dispositions spéciales des art. 113 à 116 CPC.
Contrairement à la LTF qui règle dans deux dispositions séparées l'attribution des frais judiciaires (
art. 66 LTF
) et des dépens (
art. 68 LTF
), le CPC règle dans les mêmes dispositions, sous le terme de "frais" (
art. 95 al. 1 CPC
), la répartition à la fois des frais judiciaires et des dépens. Ainsi, en vertu de l'
art. 106 al. 1 CPC
, les frais sont mis, en règle générale, à la charge de la partie qui succombe. Les
art. 113 et 114 CPC
contiennent, quant à eux, des règles de dispenses de frais. Ces exonérations ne constituent qu'un minimum de droit fédéral (GASSER/RICKLI, Schweizerische Zivilprozessordnung [ZPO], Kurzkommentar, 2010, n° 1 ad
art. 116 CPC
). L'
art. 116 CPC
prévoit toutefois que le droit cantonal peut prévoir des dispenses de frais plus larges. Ainsi, selon le Message du 28 juin 2006 relatif au code de procédure civile (ci-après: Message), les cantons peuvent prévoir d'autres allègements en matière de frais judiciaires, notamment pour eux-mêmes, les communes ou d'autres corporations et établissements, sans discrimination de la Confédération (FF 2006 6841, 6912 ad art. 114). L'application de cet
art. 116 CPC
non seulement aux frais judiciaires évoqués dans le Message, mais aussi aux dépens, découle du sens littéral de la disposition, dont le texte a été spécialement modifié dans ce sens plus large au cours des travaux parlementaires (DENIS TAPPY, in CPC, Code de procédure civile commenté, 2011, n° 10 ad
art. 116 CPC
).
Ainsi, la question de savoir si la Confédération, le canton ou d'autres entités publiques peuvent être dispensés de supporter des frais (frais judiciaires et dépens) est réglée par le droit cantonal. De par le droit fédéral, soit l'
art. 107 al. 2 CPC
, le tribunal peut exceptionnellement mettre les frais judiciaires à la charge du canton lorsqu'ils ne sont pas imputables aux parties ni aux tiers et que l'équité l'exige.
Quant à l'
art. 108 CPC
, il permet de mettre les frais causés inutilement à la charge de la personne qui les a engendrés, en particulier à
BGE 139 III 471 S. 474
la partie qui a obtenu gain de cause (DENIS TAPPY, op. cit., n° 14 ad
art. 108 CPC
).
3.2
De son côté, la réglementation de la LTF, qui a repris celle de l'OJ (RS 3 521) (Message du 28 février 2001 concernant la révision totale de l'organisation judiciaire fédérale, FF 2001 4000 ss, 4103 ad ch. 4.1.2.10), est quelque peu différente. Elle traite séparément l'attribution des frais judiciaires (
art. 66 LTF
) et l'attribution des dépens (
art. 68 LTF
). Les frais judiciaires sont en règle générale mis à la charge de la partie qui succombe, conformément à l'
art. 66 al. 1 LTF
; la Confédération, les cantons, les communes et les organisations chargées de tâches de droit public en sont en règle générale dispensés aux conditions de l'
art. 66 al. 4 LTF
. Pour les dépens, le Tribunal fédéral décide si les dépens de la partie qui obtient gain de cause sont supportés par celle qui succombe (
art. 68 al. 1 LTF
); la Confédération, les cantons et les autres entités publiques n'en reçoivent pas lorsqu'ils obtiennent gain de cause (
art. 68 al. 3 LTF
), mais aucune disposition ne les en dispense lorsqu'ils succombent. En effet, une modification législative de 1969 a supprimé l'exonération de payer des dépens dont bénéficiaient la Confédération, les cantons et les autres entités publiques, alors même qu'ils sont toujours dispensés de supporter des frais judiciaires (
art. 156 al. 2 OJ
;
art. 66 al. 4 LTF
); le renvoi de l'
art. 159 al. 5 OJ
(actuel
art. 68 al. 4 LTF
) à l'
art. 156 al. 2 OJ
(actuel
art. 66 al. 4 LTF
), par analogie, a été supprimé (JEAN-FRANÇOIS POUDRET, Commentaire de la loi fédérale d'organisation judiciaire, 1992, n
os
2 et 6 ad
art. 159 OJ
p. 160 et 164; MESSMER/IMBODEN, Die eidgenössischen Rechtsmittel in Zivilsachen, 1992, p. 37 et 38 y c. note de bas de page 30). C'est ainsi en vertu de la règle générale de l'
art. 68 al. 1 LTF
que la Confédération, le canton ou une autre entité publique qui succombe peut être condamnée au paiement des dépens de sa partie adverse - à un montant fixé conformément à l'
art. 68 al. 2 LTF
- (correspondant à l'
art. 159 al. 2 OJ
;
ATF 107 Ib 279
consid. 5 p. 283;
ATF 109 Ib 5
consid. 5 et les autres arrêts cités par POUDRET, loc. cit.), et non parce qu'elle aurait engendré des frais inutiles au sens de l'
art. 66 al. 3 LTF
(auquel renvoie l'
art. 68 al. 4 LTF
), comme le laisse supposer, mais sans aucune motivation, l'
ATF 133 I 234
consid. 3.
3.3
Bien que chaque réglementation ait son champ d'application propre et ne peut donc être appliquée que dans le cadre de celui-ci, on ne peut ignorer que le législateur fédéral a voulu adopter une même terminologie dans les deux réglementations (Message, FF 2006 6904
BGE 139 III 471 S. 475
ch. 5.8.1) et donc qu'une même conception les sous-tend, même si les solutions adoptées diffèrent sur des points particuliers.
Dans un procès civil, que ce soit en première instance ou en instance de recours, il n'est normalement pas possible que le canton puisse être considéré comme la partie qui succombe, et donc que des frais judiciaires et des dépens soient mis à sa charge en vertu de l'
art. 106 al. 1 CPC
, dès lors que le tribunal qui statue sur la cause n'est pas une partie au procès au sens des
art. 66 ss CPC
. En revanche, et bien qu'il figure sous le titre "Objet du recours", le recours pour retard injustifié au sens de l'
art. 319 let
. c CPC n'est pas dirigé contre la partie adverse, mais contre le tribunal lui-même, qui refuse de statuer ou tarde à le faire dans le cadre du procès civil en cours. A ce titre, comme cela prévaut sous l'empire de l'
art. 68 al. 1 LTF
et sous l'ancienne OJ depuis 1969, si le recours est admis, des dépens doivent être mis à la charge du canton en vertu de l'
art. 106 al. 1 CPC
, à moins que, conformément à l'
art. 116 CPC
, le droit cantonal n'ait exonéré le canton de devoir supporter des dépens.
3.4
En l'espèce, le tribunal cantonal a admis qu'il y a eu un retard injustifié, en violation de l'
art. 29 al. 1 Cst.
Il a mis les frais judiciaires à la charge de l'Etat de Fribourg, "qui se substitue au Tribunal civil de la Gruyère". Se basant sur l'
art. 107 al. 2 CPC
, le tribunal cantonal a considéré que des dépens ne pouvaient être mis à la charge du canton. Il n'a toutefois pas examiné si des dépens devaient être mis à sa charge en vertu de l'
art. 106 al. 1 CPC
, seule une éventuelle dispense du droit cantonal fribourgeois au sens de l'
art. 116 CPC
pouvant y faire obstacle.
La cause doit donc être renvoyée au tribunal cantonal pour vérification de cette question et, cas échéant, fixation de l'indemnité de dépens en faveur de la recourante. | null | nan | fr | 2,013 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
c7f49aab-9184-4cc0-ae8c-063019f03726 | Urteilskopf
121 III 210
44. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour civile du 28 juin 1995 dans la cause commune de X. contre C. SA. (recours en réforme) | Regeste
Gültigkeit eines unter altem Recht für eine Dauer von 30 Jahren abgeschlossenen Kaufrechtsvertrages; Art. 683 Abs. 2 aZGB; neuer
Art. 216a OR
; im Verlaufe des Verfahrens vor kantonaler Instanz aufgehobene Bestimmung; Übergangsrecht.
Nach der Rechtsprechung bezieht sich die zehnjährige Frist von Art. 683 Abs. 2 aZGB einzig auf die dingliche Wirkung des Vertrages; es ist den Parteien jedoch unbenommen, ein Kaufsrecht auf unbestimmte Dauer zu begründen. Der neue
Art. 216a OR
hingegen sieht vor, dass ein Kaufsrecht höchstens für zehn Jahre abgeschlossen und im Grundbuch vorgemerkt werden kann (E. 2).
Ob der neue
Art. 216a OR
auf den konkreten Fall rückwirkend anzuwenden ist, kann offenbleiben, weil der Berechtigte das Grundstück vor Inkrafttreten dieser Bestimmung erworben hat und demnach einzig Art. 683 Abs. 2 aZGB anwendbar ist (E. 3). | Erwägungen
ab Seite 211
BGE 121 III 210 S. 211
Extrait des considérants:
2.
La recourante se plaint de la violation de l'art. 683 al. 2 aCC, subsidiairement de celle de l'
art. 216a CO
.
Selon l'art. 683 al. 2 aCC, les droits d'emption et de réméré cessent, dans tous les cas, dix ans après l'annotation. Interprétant cette disposition, le Tribunal fédéral a jugé que le délai décennal ne s'appliquait qu'aux effets réels du contrat, soit à l'inscription du droit au registre foncier. En revanche, les parties peuvent constituer entre elles un droit d'emption d'une durée indéterminée, dans les limites des
art. 2 et 27 CC
(
ATF 102 II 243
et les références citées).
L'
art. 683 CC
a été abrogé par la loi fédérale sur la révision partielle du code civil (droits réels mobiliers) et du code des obligations (vente d'immeubles) du 4 octobre 1991, entrée en vigueur le 1er janvier 1994, soit pendant l'instance cantonale. Cette législation a introduit un nouvel
art. 216a CO
selon lequel les droits d'emption peuvent être conclus pour dix ans au plus, et être annotés au registre foncier.
3.
a) L'autorité cantonale a examiné quel était le droit applicable à la présente cause. Faisant sien l'avis de BÉNÉDICT FOËX (La nouvelle réglementation des droits de préemption, d'emption et de réméré dans le CC/CO, SJ 1994 p. 381 ss), qui résout cette question au regard des
art. 1 et 3 Tit. fin. CC
, la Cour civile a estimé qu'il n'y avait "pas lieu d'appliquer le nouvel
art. 216a CO
au pacte d'emption conclu entre les parties".
La recourante soutient que l'
art. 3 Tit. fin. CC
prévaut sur l'art. 1er, qui pose le principe général de la non-rétroactivité des lois. Dès lors que l'
art. 216a CO
- et par conséquent la limite maximale de dix ans
BGE 121 III 210 S. 212
- s'appliquent, la convention du 16 mars 1971 instituant un droit d'emption d'une durée de trente ans devrait être considérée comme nulle.
b) Comme l'autorité cantonale l'a relevé à juste titre, la loi fédérale du 4 octobre 1991 ne contient pas de dispositions transitoires; conformément à la jurisprudence, il faut donc en principe s'en tenir aux règles prévues en la matière par le titre final du Code civil (
ATF 116 II 33
consid. 3a p. 36, 116 III 120 consid. 3a p. 124). Appliquant ces dispositions, la doctrine semble admettre, à l'instar de la Cour civile, que l'
art. 216a CO
ne peut rétroagir sur la durée convenue des droits personnels d'emption existants au 1er janvier 1994, date de l'entrée en vigueur du nouveau droit (EUGEN BUCHER, no 243 ad
art. 27 CC
; DENIS PIOTET, Le droit transitoire de la loi fédérale sur le droit foncier rural et sur la révision partielle du code civil et du code des obligations du 4 octobre 1991, in RDS 113 (1994) I p. 143/144; FOËX, op.cit., p. 414/415; contra: FELIX SCHÖBI, Die Revision des Kaufs-, des Vorkaufs- und des Rückkaufsrechts, AJP/PJA 5/1992 p. 570/571; cf. aussi VITO ROBERTO, Teilrevision des Zivilgesetzbuches und des Obligationenrechts, in Recht 1993, cahier 5, p. 174/175 et les références citées, note 43).
c) La question peut cependant rester indécise, l'éventuelle rétroactivité du nouveau droit n'entrant pas en ligne de compte dans le cas particulier. Les
art. 1er ss Tit. fin. CC
concernent les effets juridiques de faits antérieurs à l'entrée en vigueur du nouveau droit: or ce point n'est pas litigieux. Le droit d'emption est en effet un droit d'acquisition conditionnel subordonné à une condition potestative, la déclaration d'exercice du droit. Lorsque l'empteur a déclaré exercer son droit au propriétaire de la chose, la condition à laquelle la vente était subordonnée est avenue. La vente conditionnelle que constitue le pacte d'emption, devenue parfaite à la suite de l'exercice du droit par son titulaire, produit alors ses effets: l'acheteur a droit au transfert de la propriété de la chose et le vendeur au paiement du prix (PIERRE CAVIN, La vente, l'échange, la donation, Traité de droit privé suisse, volume VII, tome I, 1, p. 148/149). L'empteur exerce son droit par simple manifestation unilatérale de volonté sujette à réception (Pierre Tercier, Les contrats spéciaux, 2e éd., no 712 p. 90). Le titulaire qui a exercé valablement son droit d'emption et qui s'est, par cet acte formateur, porté unilatéralement acheteur de l'immeuble se trouve dans une situation identique à celle où il serait placé dans le cas de la conclusion d'un contrat de vente pur et simple (MEIER-HAYOZ, n. 59 ad
art. 683 CC
).
BGE 121 III 210 S. 213
En l'espèce, le fait déterminant réside par conséquent dans la déclaration de volonté de la demanderesse d'exercer son droit d'emption, le 29 juillet 1991. La bénéficiaire a ainsi usé de son droit avant l'entrée en vigueur, le 1er janvier 1994, de l'
art. 216a CO
. Comme exposé ci-dessus, cet acte formateur a déployé immédiatement ses effets, en liant les parties comme si elles avaient conclu un contrat de vente. La société recourante est ainsi devenue titulaire d'une créance immédiatement exigible tendant au transfert de la propriété de la parcelle en cause (TERCIER, op.cit., no 711 p. 90; cf. aussi PAUL-HENRI STEINAUER, Les droits réels, tome II, 2e éd., nos 1709ss p. 103/105, spéc. no 1712 p. 104).
Dès lors que le droit litigieux a été exercé sous l'empire de l'ancien droit, l'art. 683 al. 2 aCC est donc seul applicable à la présente cause sans qu'il soit nécessaire de résoudre la question du droit transitoire. Cette solution s'impose d'autant plus que la recourante a également requis l'exécution de sa créance avant la modification de la loi, en ouvrant action le 23 décembre 1991. | null | nan | fr | 1,995 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
c7f8135b-6d9e-4c96-95d0-945b3a9300c2 | Urteilskopf
110 Ia 71
13. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 8. März 1984 i.S. N. gegen A., C. und Obergericht des Kantons Obwalden (staatsrechtliche Beschwerde) | Regeste
Erschöpfung des Instanzenzugs;
Art. 86 Abs. 2 und 87 OG
.
Staatsrechtliche Beschwerde wegen willkürlicher Beweiswürdigung; Erschöpfung des kantonalen Instanzenzugs nach dem Gerichtsorganisationsgesetz und der Zivilprozessordnung des Kantons Obwalden. | Erwägungen
ab Seite 71
BGE 110 Ia 71 S. 71
Aus den Erwägungen:
2.
Gemäss
Art. 86 Abs. 2 und
Art. 87 OG
ist die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von
Art. 4 BV
- von hier nicht gegebenen Ausnahmen abgesehen - nur gegen letztinstanzliche Endentscheide zulässig (
BGE 105 Ia 18
E. 2,
BGE 105 Ib 39
E. 1a,
BGE 101 Ia 68
E. 1, 299 f.,
BGE 100 Ia 33
E. 2,
BGE 98 Ia 648
E. 1,
BGE 96 I 90
E. 2 mit Hinweisen). Ein Entscheid ist gemäss der zitierten Rechtsprechung letztinstanzlich, wenn die im staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren zulässigen Rügen mit keinem ordentlichen oder ausserordentlichen kantonalen Rechtsmittel vorgebracht werden können.
Gemäss Art. 37 lit. c des Gerichtsorganisationsgesetzes des Kantons Obwalden beurteilt das Obergericht als Kassationsinstanz Beschwerden gegen Urteile des Obergerichts und der Obergerichtskommission, soweit sie nicht der Berufung an das Bundesgericht unterliegen.
Art. 276 ZPO
/OW nennt als Kassationsgründe aktenwidrige tatsächliche Annahmen und die Verletzung klaren Rechts. Zum ersten gehört insbesondere die willkürliche Beweiswürdigung, zum zweiten die Verweigerung des rechtlichen Gehörs durch Nichtabhören von Zeugen sowie die Nichtabnahme anderer Beweismittel, die geeignet sind, rechtserhebliche Sachvorbringen zu belegen. Auf die vom Beschwerdeführer erhobene Rüge der willkürlichen Beweiswürdigung durch das Obergericht kann daher nicht eingetreten werden. | public_law | nan | de | 1,984 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
c7f97abb-7eb9-450e-be70-d5d5a556ad59 | Urteilskopf
133 V 637
81. Auszug aus dem Urteil der I. sozialrechtlichen Abteilung i.S. Kantonale Arbeitslosenkasse St. Gallen gegen R. sowie Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
8C_179/2007 vom 25. September 2007 | Regeste
Art. 66 Abs. 4 BGG
; Gerichtskosten; Kostenbefreiung.
Arbeitslosenkassen fallen nicht unter die Befreiung von Gerichtskosten im Rahmen von
Art. 66 Abs. 4 BGG
(E. 4). | Erwägungen
ab Seite 637
BGE 133 V 637 S. 637
Aus den Erwägungen:
4.
4.1
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 f. BGG). Nach
Art. 66 Abs. 1 BGG
werden die Gerichtskosten in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt. Dem Bund, den Kantonen und den Gemeinden sowie den mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen dürfen in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden, wenn sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis und, ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen oder wenn gegen ihre Entscheide in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt worden ist (
Art. 66 Abs. 4 BGG
). Es stellt sich demnach die Frage, ob der unterliegenden Arbeitslosenkasse die Gerichtskosten aufzuerlegen sind.
BGE 133 V 637 S. 638
4.2
Bereits unter dem alten Recht durften gemäss Art. 156 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 1943 über die Organisation der Bundesrechtspflege (OG; BS 3 S. 531) "dem Bund, Kantonen oder Gemeinden, die in ihrem amtlichen Wirkungskreis und ohne dass es sich um ihr Vermögensinteresse handelt, das Bundesgericht in Anspruch nehmen, oder gegen deren Verfügungen in solchen Angelegenheiten Beschwerde geführt wird", in der Regel keine Gerichtskosten auferlegt werden. Dieser Text findet sich bereits als Art. 156 Abs. 2 in der Botschaft des Bundesrates zum OG vom 9. Februar 1943 (BBl 1943 I 97, S. 208). Er wurde mit geringen sprachlichen Änderungen aus Art. 221 Abs. 4 des Bundesgesetzes vom 22. März 1893 über die Organisation der Bundesrechtspflege übernommen (BBl 1893 I 1107, 1165). Nach der Rechtsprechung hatten Arbeitslosenkassen unter der Herrschaft des OG in kostenpflichtigen Verfahren (z.B. in Verfahren um prozessuale Fragen) allfällige Gerichtskosten zu tragen (vgl. etwa Urteile des Eidg. Versicherungsgerichts C 162/04 vom 20. Januar 2005, C 38/05 vom 7. April 2005 oder C 28/05 vom 13. Dezember 2005).
4.3
Die Grundsätze der Kostentragungspflicht vor Bundesgericht (
Art. 66 BGG
) sind weitgehend vom bisherigen Recht übernommen worden (Botschaft des Bundesrates vom 28. Februar 2001, BBl 2001 S. 4202, 4305). Kostenpflichtig ist gemäss
Art. 66 BGG
grundsätzlich die unterliegende (Abs. 1) oder die unnötig Kosten verursachende (Abs. 3) Partei. Diese Regelung kennt ausdrücklich erwähnte Ausnahmen: Von den Gerichtskosten befreit sind Bund, Kantone und Gemeinden sowie - neu - die mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen, sofern sie in ihrem amtlichen Wirkungskreis handeln und es nicht um ihr Vermögensinteresse geht (Abs. 4). Das Bundesgericht kann die Gerichtskosten anders verteilen oder auf die Kostenerhebung verzichten, wenn es die Umstände rechtfertigen (Abs. 1 zweiter Satz). Zudem kann es auf die Erhebung der Gerichtskosten ganz oder teilweise verzichten, wenn ein Fall durch Abstandserklärung oder Vergleich erledigt wird (Abs. 2). Aus dem Vergleich des Wortlauts von
Art. 156 Abs. 2 OG
und
Art. 66 Abs. 4 BGG
wird deutlich, dass die bisher für Bund, Kantone und Gemeinden geltende Kostenbefreiung auf die Organisationen mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben erweitert werden sollte. Dieser Begriff fand sich bisher bereits in
Art. 159 Abs. 2 OG
, so dass die zu dieser Bestimmung ergangene Rechtsprechung übernommen werden kann (vgl. SEILER/VON WERDT/GÜNGERICH, Bundesgerichtsgesetz [BGG], Bern 2007, N. 46 zu
Art. 66 BGG
).
BGE 133 V 637 S. 639
4.4
In Abweichung vom bisherigen
Art. 134 OG
hat der Gesetzgeber sämtliche Verfahren vor Bundesgericht für kostenpflichtig erklärt und für das Sozialversicherungsrecht lediglich einen reduzierten Gebührenrahmen vorgesehen (
Art. 65 Abs. 4 lit. a BGG
).
4.5
Während die kantonalen Arbeitsämter, welchen Aufgaben im Sinne von
Art. 85 AVIG
übertragen sind, als kantonale Amtsstellen ohne Weiteres dem Begriff "Kanton" zuzuordnen sind, ist die Ausgangslage bei den Arbeitslosenkassen anders, da der Gesetzgeber nebst den kantonalen (
Art. 77 AVIG
) auch private (
Art. 78 AVIG
) Arbeitslosenkassen vorsieht. Nach
Art. 79 Abs. 2 AVIG
kommt sowohl den kantonalen wie auch den privaten Arbeitslosenkassen keine Rechtspersönlichkeit zu; sie können jedoch nach aussen in eigenem Namen handeln und als Partei auftreten. Damit bestimmt sich ihre Zuordnung nach ihrem jeweiligen Träger: Die kantonalen Arbeitslosenkassen, deren Träger die Kantone sind (
Art. 77 Abs. 2 AVIG
), fallen demnach unter den Begriff "Kanton" im Sinne von
Art. 66 Abs. 4 BGG
; die privaten Arbeitslosenkassen, deren Träger Arbeitgeber- oder Arbeitnehmerorganisationen sein können (
Art. 78 Abs. 1 AVIG
), zählen hingegen zu den mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betrauten Organisationen.
4.6
Den kantonalen und privaten Arbeitslosenkassen ist gemeinsam, dass sie bei Leistungsstreitigkeiten Aufgaben in ihrem amtlichen Wirkungskreis erfüllen (
Art. 81 Abs. 1 AVIG
; vgl. SEILER/VON WERDT/GÜNGERICH, a.a.O., N. 49 zu
Art. 66 BGG
). Dabei verfolgen sie eigene Vermögensinteressen (vgl. SEILER/VON WERDT/GÜNGERICH, a.a.O., N. 54 zu
Art. 66 BGG
). Sie sind für die Auszahlung der Leistungen zuständig (
Art. 81 Abs. 1 lit. c AVIG
). Somit fallen Arbeitslosenkassen nicht unter den Ausnahmetatbestand von
Art. 66 Abs. 4 BGG
. Dies steht in Einklang sowohl mit der bisherigen, mit dem BGG grundsätzlich nicht geänderten Praxis, wonach die Arbeitslosenkassen in kostenpflichtigen Verfahren Gerichtskosten zu tragen haben (vgl. E. 4.2 in fine sowie E. 4.3), als auch mit der Einführung der Kostenpflicht für sämtliche Sozialversicherungsverfahren vor Bundesgericht (vgl. E. 4.4).
4.7
Nach dem Gesagten sind die Gerichtskosten der unterliegenden Arbeitslosenkasse aufzuerlegen. | null | nan | de | 2,007 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
c7fa0220-6025-47ae-858b-e0e93b787d3d | Urteilskopf
86 I 281
39. Auszug aus dem Urteil vom 21. Dezember 1960 i.S. Verband Zahntechnischer Laboratorien der Schweiz und Mitbeteiligte gegen Kanton Zürich. | Regeste
Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde wegen rechtswidriger Begünstigung Dritter durch einen kantonalen Erlass. Präzisierung der Rechtsprechung (Erw. 1).
Rechtsgleichheit. Handels- und Gewerbefreiheit. Kantonales Gesetz, das den Zahntechnikern, die eine besondere Prüfung bestehen, die Abdrucknahme für die Herstellung von Gebissen und die Einpassung derselben gestattet. Die Übergangsbestimmung, welche diese Prüfung denjenigen Zahntechnikern erlässt, die bisher jahrelang verbotenerweise solche Arbeiten im Munde der Patienten vorgenommen haben, verstösst gegen
Art. 4 und 31 BV
(Erw. 2). | Sachverhalt
ab Seite 281
BGE 86 I 281 S. 281
A.-
Dem zürch. Gesetz betreffend das Medizinalwesen vom 2. Oktober 1854 (MG) wurde am 24. März 1946 ein neuer Abschnitt über die Zahnärzte und Zahntechniker
BGE 86 I 281 S. 282
(§§ 30 a - g) beigefügt. In Ausführung dieser Bestimmungen erliess der Regierungsrat des Kantons Zürich am 25. August 1949 eine Verordnung, nach deren § 21 den zur Zahnbehandlung nicht berechtigten Personen mit Einschluss der Zahntechniker jede Tätigkeit im Munde von Patienten verboten ist, namentlich auch die Abdrucknahme zur Reparatur, Umänderung oder Neuanfertigung von Gebissen.
In der Volksabstimmung vom 3. April 1960 wurde entgegen der Empfehlung des Kantonsrates und des Regierungsrates ein Initiativbegehren angenommen, mit dem die Ergänzung der im MG enthaltenen Bestimmungen über die Zahnärzte und Zahntechniker durch folgenden § 30 bis verlangt worden war:
"1. Zahntechniker erhalten von der Direktion des Gesundheitswesens die Bewilligung zur Tätigkeit als Zahnprothetiker, sofern sie:
a) Schweizerbürger sind,
b) fünf Jahre Wohnsitz im Kanton und einen guten Leumund nachweisen,
c) nach bestandener Lehrabschlussprüfung zehn Jahre auf ihrem Beruf tätig waren,
d) während dieser Zeit eine entsprechende Zusatzausbildung genossen haben und hierauf,
e) eine kantonale Prüfung für Zahnprothetiker erfolgreich bestehen.
2. Die Bewilligung ermächtigt den Zahnprothetiker zur Abdrucknahme für die Herstellung abnehmbaren Zahnersatzes (Ganz- oder Teilgebisse) sowie zur Einpassung derselben. Zahnärztliche Tätigkeit, wie Zahnziehen, Plombieren, Wurzelbehandlung und dergleichen sind ihm verboten.
3. Der Regierungsrat ernennt nach Anhörung des zuständigen Berufsverbandes die Prüfungskommission und erlässt das Prüfungsreglement für Zahnprothetiker-Prüfungen.
Ebenso erlässt er eine Tarifordnung über die Tätigkeit der Zahnprothetiker.
4. Wiederholte schwerwiegende Übertretung der Befugnisse wird durch vorübergehenden oder dauernden Entzug der Bewilligung geahndet. In besonders schwerwiegenden Fällen kann die Laboreinrichtung des Zahnprothetikers konfisziert werden.
5. Übergangsweise und zur Vermeidung unbilliger Härten wird Bewerber, die eine entsprechende Ausbildung zum Zahntechniker nachweisen können, die Zahnprothetiker-Prüfung erlassen, sofern sie schon bisher jahrelang als Zahnprothetiker tätig waren und wegen ihres offenen Einstehens für eine Neuregelung der Kompetenzabgrenzung zwischen Zahnarzt und
BGE 86 I 281 S. 283
Zahntechniker im Sinne der vorstehenden Abschnitte entsprechenden Repressalien ausgesetzt waren oder Beeinträchtigungen in ihrem beruflichen Fortkommen erlitten haben."
Durch Beschluss vom 11. April 1960 erklärte der Kantonsrat das Initiativbegehren als vom Volke angenommen.
B.-
Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 2. Mai 1960 stellen der Verband Zahntechnischer Laboratorien der Schweiz und die Schweiz. Zahntechniker-Vereinigung für sich und ihre Sektionen Zürich, ferner ein Laborinhaber und ein Zahntechniker, beide wohnhaft in Zürich, den Antrag, Ziff. 5 des
§ 30 bis MG
, der erste Satz von Ziff. 3, soweit darin die Anhörung von nur einem Berufsverband vorgesehen ist, und der zweite Satz von Ziff. 3 seien wegen Verletzung der
Art. 4 und 31 BV
aufzuheben. Zur Begründung wird vorgebracht:
a) Durch die in Ziff. 5 enthaltene Übergangsbestimmung würden unter den Zahntechnikern zwei Kategorien geschaffen, nämlich einerseits solche, denen die Zahnprothetiker-Prüfung erlassen werde, und anderseits solche, die sowohl die Prüfung zu bestehen als auch sämtliche Voraussetzungen für die Zulassung zur Prüfung zu erfüllen hätten. Diese Unterscheidung sei unsachlich und willkürlich. Die Bevorzugung von Bewerbern, die bisher eine widerrechtliche Tätigkeit ausgeübt hätten, lasse sich mit keinen ernsthaften Gründen rechtfertigen und verstosse nicht nur gegen Art. 4, sondern auch gegen
Art. 31 BV
.
b) .....
C.-
Der Regierungsrat des Kantons Zürich stellt keinen Antrag, ist aber mit den Ausführungen der Beschwerdeführer weitgehend einverstanden.
D.-
Das Initiativkomitee, das auf Gesuch hin als "weiterer Beteiligter" im Sinne von
Art. 93 OG
zur Vernehmlassung eingeladen wurde, hat eine solche eingereicht, ohne einen formellen Antrag zu stellen. Es bestreitet in erster Linie die Legitimation der Beschwerdeführer. In der Sache selbst sei die Beschwerde unbegründet. Dass die bisher illegal tätig gewesenen Zahntechniker übergangsweise
BGE 86 I 281 S. 284
von der Prüfung befreit würden, sei nicht zu beanstanden. Solche scheinbare Ungleichheiten seien mit Gesetzesänderungen fast immer verbunden. Auf dem Gebiete der zürcherischen Medizinalgesetzgebung seien denn auch schon früher Bestimmungen erlassen worden, die den vorliegend angefochtenen weitgehend entsprochen hätten (wird näher ausgeführt).
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut und hebt Ziff. 5 von
§ 30 bis MG
auf.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
.... Nach
Art. 88 OG
steht das Recht zur Beschwerdeführung Bürgern (Privaten) und Korporationen bezüglich solcher Rechtsverletzungen zu, die sie durch allgemein verbindliche oder sie persönlich betreffende Erlasse und Verfügungen erlitten haben. Die Legitimation setzt somit voraus, dass der Beschwerdeführer die Verletzung eines rechtlich erheblichen Interesses geltend macht, das ihm auf dem Gebiete zukommt, welches die von ihm angerufene Verfassungsbestimmung beschlägt (
BGE 86 I 102
Erw. 3). Zur Wahrung allgemeiner öffentlicher Interessen wie auch zur Verfolgung bloss tatsächlicher Interessen ist die staatsrechtliche Beschwerde nicht gegeben (
BGE 83 I 245
mit Verweisungen).
Die neuere Praxis des Bundesgerichts hat daher Beschwerden gegen die Erteilung polizeilicher Bewilligungen an Dritte wie auch gegen sonstige Verfügungen wegen widerrechtlicher Begünstigung Dritter trotz der in der Rechtslehre dagegen erhobenen Einwendungen nicht mehr zugelassen (vgl.
BGE 85 I 53
Erw. 3 Abs. 1 mit Zitaten). Ferner hat es in
BGE 85 I 52
ff. festgestellt, dass die Rechtslage grundsätzlich keine andere sei, wenn sich die Beschwerde wegen unzulässiger Begünstigung Dritter nicht, wie in den bisher beurteilten Fällen, gegen eine Anwendungsverfügung, sondern gegen einen generellen Erlass richte; auch in diesem Falle sei die Legitimation zu verneinen, sofern die in Frage stehenden Interessen solche
BGE 86 I 281 S. 285
der Gemeinschaft seien und der Beschwerdeführer an der Aufhebung des Erlasses nicht anders interessiert sei als jeder andere Kantonsangehörige; dass bei dieser Sachlage der Grundsatz der Rechtsgleichheit auf einzelnen Gebieten teilweise unbeachtet bleibe, sei die Folge der Ausgestaltung der staatsrechtlichen Beschwerde nicht als Popularklage, sondern als Rechtsbehelf zur Wahrung von dem Beschwerdeführer persönlich zustehenden verfassungsmässigen Rechten (Erw. 3 Abs. 2 und 3).
Prof. H. HUBER hat diese Betrachtungsweise in ZBJV 1960 S. 353/5 kritisiert und dagegen namentlich ins Feld geführt, dass dann, wenn der Bürger nicht befugt sei, eine durch das Gesetz gewährte Vergünstigung anzufechten, das Verbot rechtsungleicher Behandlung gegenüber dem Gesetzgeber nicht mehr durchsetzbar wäre und daher schliesslich die durch
Art. 4 BV
verpönten Vorrechte der Geburt, des Ortes usw. mit Erfolg wieder eingeführt werden könnten. Diese Kritik ist jedenfalls insofern unbegründet, als sie übersieht, dass das Bundesgericht in jenem Urteil nur die eigentliche Popularbeschwerde abgelehnt und die Legitimation zur Anfechtung einer durch das Gesetz eingeräumten Vergünstigung nur demjenigen, der an deren Aufhebung "nicht anders als jeder andere Angehörige des Kantons" interessiert ist, abgesprochen hat, nicht dagegen demjenigen, der daran "in besonderer Weise" interessiert ist. Danach fehlt zwar den steuerpflichtigen Kantonseinwohnern die Legitimation zur Anfechtung eines Gesetzes, das unter gewissen Voraussetzungen Steuervergünstigungen für im Kanton Wohnsitz nehmende Personen vorsieht, da damit lediglich das öffentliche Interesse daran, dass auf dem Gebiete des Steuerwesens keine Privilegien eingeräumt werden sollten, verfolgt, also ein allgemeines staatsbürgerliches Interesse geltend gemacht wird (
BGE 85 I 55
Erw. 4). Gerade das trifft bei der vorliegenden Beschwerde nicht zu. Mit dieser wird in erster Linie beanstandet, dass die für die Ausübung des Berufs eines Zahnprothetikers geforderte Prüfung gewissen Personen erlassen
BGE 86 I 281 S. 286
wird. Das Erfordernis der Prüfung ist zwar im öffentlichen Interesse, zum Schutze der öffentlichen Gesundheit, aufgestellt worden. Zur Rüge, dass dieses gesundheitspolizeiliche Interesse den in Ziff. 5 des
§ 30 bis MG
vorgesehenen Erlass der Prüfung verbiete, wären die Beschwerdeführer daher nicht legitimiert, da sie insoweit allgemeine öffentliche Interessen verfolgen würden und an der Aufhebung der Bestimmung nicht anders interessiert wären als jeder andere Kantonseinwohner. Nun machen sie aber nicht (oder höchstens nebenbei) dieses öffentliche Interesse geltend. Sie beanstanden vielmehr, dass die angefochtene Bestimmung zwei Kategorien von Zahntechnikern schaffe. Damit machen sie nicht allgemeine öffentliche Interessen, sondern das besondere Interesse ihres Berufsstandes geltend. Die beiden Einzelbeschwerdeführer wie auch die Mitglieder der Zürcher Sektionen der beiden beschwerdeführenden Verbände üben im Kanton Zürich den Beruf des Zahntechnikers aus. Sie benötigen dafür keine Bewilligung, waren jedoch bisher zu Arbeiten im Munde des Patienten nicht befugt. Diese Ordnung ist nun durch
§ 30 bis MG
insofern geändert worden, als die Zahntechniker nach Ablegung einer Prüfung (Ziff. 1 lit. e) und Erfüllung weiterer Voraussetzungen (Ziff. 1 lit. a - d) die Bewilligung zur Abdrucknahme für die Herstellung von Ganz- und Teilgebissen und zur Einpassung derselben erhalten können. Dadurch, dass die Prüfung gewissen Zahntechnikern gemäss Ziff. 5 erlassen werden soll, werden die übrigen Zahntechniker in ihrer Rechtsstellung betroffen. Sie sind an der Aufhebung dieser Bestimmung wesentlich anders und intensiver als andere Kantonsangehörige interessiert und verfolgen mit der Anfechtung dieser Bestimmung nicht allgemeine öffentliche Interessen, sondern das besondere Interesse, das sie als Zahntechniker an einer mit
Art. 4 und 31 BV
in Einklang stehenden gesetzlichen Ordnung ihres Berufes haben. Soweit sich die Beschwerde gegen den in Ziff. 5 vorgesehenen Erlass der Prüfung richtet, ist die vorliegende Beschwerde daher keine
BGE 86 I 281 S. 287
unzulässige Popularbeschwerde und kann den Beschwerdeführern die Legitimation nicht abgesprochen werden. .... 2. - Die Beschwerdeführer machen mit der Berufung auf
Art. 31 BV
nicht geltend,
§ 30 bis MG
greife in unzulässiger Weise in die freie Berufsausübung ein, sondern nur, er verstosse gegen den durch diese Verfassungsbestimmung gewährleisteten Grundsatz der Gleichbehandlung aller Berufsgenossen. Die Beschwerde wegen Verletzung des
Art. 31 BV
fällt daher mit der ebenfalls erhobenen Rüge der Verletzung von
Art. 4 BV
zusammen.
a) Nach Ziff. 1 des
§ 30 bis MG
wird die Bewilligung zur Tätigkeit als Zahnprothetiker ausser von gewissen Voraussetzungen wie Lehrabschlussprüfung und zehnjährige Tätigkeit als Zahntechniker (lit. c.), Genuss einer Zusatzausbildung (lit. d) auch vom erfolgreichen Bestehen einer kantonalen Prüfung für Zahnprothetiker abhängig gemacht (lit. e). Das Erfordernis einer solchen Prüfung lässt sich mit gesundheitspolizeilichen Gründen rechtfertigen, ist daher aus dem Gesichtspunkt von
Art. 31 BV
nicht zu beanstanden und wird von den Beschwerdeführern mit Recht nicht angefochten. Ihre Beschwerde richtet sich gegen Ziff. 5, wonach die Prüfung "zur Vermeidung unbilliger Härten" Bewerbern, die eine "entsprechende Ausbildung als Zahntechniker" nachweisen können, erlassen wird, sofern sie schon "jahrelang" als Zahnprothetiker tätig waren und wegen ihres offenen Einstehens für eine Neuregelung im Sinne von
§ 30 bis MG
"entsprechenden Repressalien ausgesetzt waren oder Beeinträchtigungen in ihrem beruflichen Fortkommen erlitten haben". Diese Ausnahmebestimmung erweist sich in der Tat als unhaltbar. Wenn Ziff. 1 die Bewilligung zur Tätigkeit als Zahnprothetiker von den in lit. c und d genannten Voraussetzungen und einer besonderen Prüfung abhängig macht, so heisst das, dass die Erteilung der Bewilligung den Nachweis eines Ausbildungsstandes voraussetzt, der eine sachgemässe Behandlung der Patienten gewährleistet und diese vor gesundheitlichen Schäden bewahrt; nur aus diesen
BGE 86 I 281 S. 288
gesundheitspolizeilichen Gründen halten die in Ziff. 1 aufgestellten, die freie Berufsausübung beschränkenden Erfordernisse vor
Art. 31 BV
überhaupt stand. Ist dies aber Sinn und Zweck der Prüfung, so darf diese folgerichtig nur solchen Bewerbern erlassen werden, welche sich auf andere Weise über einen hinreichenden Ausbildungsstand auszuweisen vermögen. Nach Ziff. 5 ist indessen der Ausbildungsstand ganz unmassgeblich und von entscheidender Bedeutung allein die jahrelange verbotene Tätigkeit als Zahnprothetiker und der Umstand, dass dem widerrechtlich Handelnden daraus gewisse Nachteile erwachsen sind. Eine unerlaubte, selbst während Jahren ausgeübte Tätigkeit kann jedoch, da sie jeder Kontrolle entzogen war, unmöglich einen Ausweis über berufliche Fähigkeiten bilden, weshalb sich Ziff. 5 mit sachlichen Gründen schlechterdings nicht vertreten lässt und schon aus diesem Grunde gegen
Art. 4 BV
verstösst. Dazu kommt, dass damit eine Rechtsungleichheit unter Berufsgenossen geschaffen wird, indem diejenigen Zahntechniker, welche die ihrer beruflichen Tätigkeit durch die Rechtsordnung gezogenen Grenzen beachtet haben, eine Prüfung zu bestehen haben, diejenigen aber, die sich über diese Schranken hinweggesetzt und damit strafbar gemacht haben, von der Prüfung befreit werden, auch wenn in keiner Weise feststeht, dass sie die für die einwandfreie Berufsausübung erforderlichen theoretischen und praktischen Kenntnisse besitzen. Das ist eine Unterscheidung, für die sich keine vernünftigen Gründe anführen lassen und die daher auch gegen
Art. 31 BV
verstösst.
Der Einwand des Initiativkomitees, dass in früheren Fällen in ähnlicher Weise vorgegangen worden sei, ist unbehelflich. Selbst wenn der Gesetzgeber oder bei Erlass von Verordnungen der Regierungsrat früher durch gewisse Übergangsbestimmungen
Art. 4 und 31 BV
unangefochten verletzt haben sollten, so vermöchte dies auch abgesehen davon, dass die Verhältnisse nicht gleich lagen, die vorliegend gerügten Verfassungsverletzungen nicht zu rechtfertigen.
BGE 86 I 281 S. 289
Es erübrigt sich daher, auf die angerufenen Fälle im einzelnen einzutreten.
b) (Ausführungen zur Beschwerde gegen Ziff. 3 des
§ 30 bis MG
). | public_law | nan | de | 1,960 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
c80a1451-d3b6-4598-abdc-6cb3926a4f1a | Urteilskopf
141 IV 20
3. Auszug aus dem Urteil der Strafrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Beschwerde in Strafsachen)
6B_912/2013 vom 4. November 2014 | Regeste a
Art. 309 Abs. 3 StPO
; Eröffnung der Strafuntersuchung.
Der Eröffnungsverfügung kommt lediglich deklaratorische Wirkung zu. Die Strafuntersuchung gilt als eröffnet, sobald sich die Staatsanwaltschaft mit dem Straffall zu befassen beginnt (E. 1.1.4).
Regeste b
Art. 178 lit. a,
Art. 180 Abs. 2 und
Art. 181 Abs. 1 StPO
; Einvernahme der Auskunftsperson, Hinweis auf Aussagepflicht bzw. Aussage- oder Zeugnisverweigerungsrechte.
Wird die Privatklägerschaft von der Polizei nicht im Auftrag der Staatsanwaltschaft einvernommen, ist sie nicht zur Aussage verpflichtet. Offengelassen, ob die Aussagen der Auskunftsperson trotz fehlendem Hinweis auf das Aussageverweigerungsrecht und die Straffolgen gemäss
Art. 303-305 StGB
verwertbar sind (E. 1.2.4).
Regeste c
Art. 158 Abs. 1 lit. a und
Art. 143 Abs. 1 lit. b StPO
; Deliktsvorhalt zu Beginn der ersten Einvernahme.
Der zu Beginn der ersten Einvernahme unter präzisem Hinweis auf Tatort und Tatzeitpunkt erhobene Vorwurf, die Privatklägerin bedroht zu haben, genügt als Deliktsvorhalt, auch wenn der genaue Inhalt der Drohung nicht genannt wird (E. 1.3.4).
Regeste d
Art. 79 Abs. 2 StPO
; Protokollberichtigung.
Das Protokoll dient im Strafprozess als Grundlage für die Feststellung des Sachverhalts. Die Protokollierung widersprüchlicher Aussagen verletzt die Protokollierungspflicht nicht. Die Protokollberichtigung nach
Art. 79 Abs. 2 StPO
bezieht sich nur auf später entdeckte und geltend gemachte Mängel (E. 1.4.4).
Regeste e
Art. 329 Abs. 1 StPO
; Prüfung der Anklage.
Die Vorprüfung der Anklage ist eine vorläufige, auf die Formalien beschränkte und regelmässig summarische Prüfung, kein formelles Anklagezulassungsverfahren. Mangels Anfechtbarkeit entsteht dem Betroffenen kein Nachteil, wenn die Verfahrensleitung das Ergebnis der Vorprüfung nicht festhält, sondern direkt zur Hauptverhandlung vorlädt (E. 1.5.4).
Regeste f
Art. 141 Abs. 3 und
Art. 143 Abs. 5 StPO
; Durchführung der Einvernahme, Klärung von Widersprüchen.
Unklare Fragen machen eine Einvernahme nicht unverwertbar.
Art. 143 Abs. 5 StPO
ist eine blosse Ordnungsvorschrift (E. 3.3). | Sachverhalt
ab Seite 22
BGE 141 IV 20 S. 22
A.
X. wird vorgeworfen, er sei am am 22. November 2012, um ca. 16.10 Uhr, an der Tramhaltestelle "B.-Strasse", Zürich, an Frau A.
BGE 141 IV 20 S. 23
(nachfolgend: Privatklägerin) herangetreten und habe ihr verbal gedroht, sie und ihren Ehemann, denen er eine Mitschuld am Scheitern seiner Ehe anlastete, umzubringen. Die Privatklägerin habe die Drohung ernst genommen und sei durch diese in Angst und Schrecken versetzt sowie in ihrem psychischen Wohlbefinden beeinträchtigt worden.
B.
Das Bezirksgericht Zürich erklärte X. mit Urteil vom 15. Februar 2013 der Drohung schuldig und verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten unbedingt, unter Anrechnung der ausgestandenen Haft. Das Obergericht des Kantons Zürich wies am 10. Juli 2013 eine vom Beurteilten erhobene Berufung ab und bestätigte das erstinstanzliche Urteil.
C.
X. führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und er sei von der Anklage der Drohung freizusprechen. Eventualiter sei die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Ferner ersucht er um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
1.1
1.1.1
Der Beschwerdeführer erhebt vorweg eine Reihe formeller Rügen. Er beanstandet zunächst, die Staatsanwaltschaft habe es unterlassen, die Untersuchung mit einer formellen Verfügung zu eröffnen. Das Untersuchungsverfahren gelte erst in jenem Zeitpunkt als eröffnet, in welchem die Staatsanwaltschaft den entsprechenden Entscheid treffe. Damit setze die Anordnung von Untersuchungshandlungen und Zwangsmassnahmen immer auch den Erlass einer Eröffnungsverfügung voraus. Ohne formelle Eröffnung einer Untersuchung könne die Staatsanwaltschaft weder Untersuchungshandlungen noch Zwangsmassnahmen anordnen. Die im zu beurteilenden Fall durchgeführten Untersuchungshandlungen seien daher mangels formeller Eröffnungsverfügung nichtig.
1.1.2
Die Vorinstanz nimmt an, der Umstand, dass eine Eröffnungsverfügung fehle oder allfällige Mängel aufweise, führe nicht zur Nichtigkeit der vorgenommenen Untersuchungshandlungen. Der Eröffnungsverfügung komme nur deklaratorische Wirkung zu. Im Übrigen
BGE 141 IV 20 S. 24
könne die Eröffnung der Strafuntersuchung auch in der Anordnung von Zwangsmassnahmen durch die Staatsanwaltschaft erblickt werden. So ergebe sich im zu beurteilenden Fall etwa aus dem Vorführungsbefehl vom 23. November 2012, dass der Beschwerdeführer der Staatsanwaltschaft zur Befragung als beschuldigte Person wegen des Vorwurfs der Drohung vorgeführt werden sollte. Damit erfülle dieses Schriftstück die in
Art. 309 Abs. 3 StPO
gestellten Anforderungen.
1.1.3
Gemäss
Art. 309 Abs. 3 StPO
eröffnet die Staatsanwaltschaft die Untersuchung in einer Verfügung. Sie bezeichnet darin die beschuldigte Person und die Straftat, die ihr zur Last gelegt wird. Die Verfügung braucht weder begründet noch eröffnet zu werden und ist nicht anfechtbar. Nach der Botschaft handelt es sich bei der Eröffnungsverfügung um eine amtsinterne Verfügung, welche der Klarstellung in den Akten dient und festhält, gegen wen die Untersuchung eröffnet wird und welche Straftatbestände betroffen sind. Die beschuldigte Person erfährt durch die Vornahme von Untersuchungshandlungen von der Untersuchungseröffnung, so dass auf eine Mitteilung verzichtet werden kann (Botschaft vom 21. Dezember 2005 zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts, BBl 2006 1264 zu Art. 308).
1.1.4
Die Strafuntersuchung gilt als eröffnet, sobald sich die Staatsanwaltschaft mit dem Straffall zu befassen beginnt (NIKLAUS SCHMID, Schweizerische Strafprozessordnung, Praxiskommentar, 2. Aufl. 2013[nachfolgend: Praxiskommentar], N. 2 zu
Art. 309 StPO
; a.M.FRANZ RIKLIN, StPO Kommentar, 2. Aufl. 2014, N. 5 zu
Art. 309 StPO
; NATHAN LANDSHUT, in: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, Donatsch und andere [Hrsg.], 2. Aufl. 2014, N. 7 zuArt. 309 StPO). Dies trifft jedenfalls dann zu, wenn die Staatsanwaltschaft Zwangsmassnahmen anordnet. Da die Vorladung als Zwangsmassnahme gilt, genügt es in aller Regel für die Eröffnung, wenn die Staatsanwaltschaft erste Untersuchungshandlungen selber vornimmt, namentlich die beschuldigte Person einvernimmt (NIKLAUS OBERHOLZER, Grundzüge des Strafprozessrechts, 3. Aufl. 2012, N. 1371). Der Eröffnungsverfügung kommt mithin lediglich deklaratorische Wirkung zu (NIKLAUS SCHMID, Handbuch des schweizerischen Strafprozessrechts [nachfolgend: Handbuch], 2. Aufl. 2013, N. 1227;
ders.
, Praxiskommentar, a.a.O., N. 2 zu
Art. 309 StPO
; PIERRE CORNU, in: Commentaire romand, Code de procédure pénale suisse, 2011, N. 33 zu
Art. 309 StPO
; MOREILLON/PAREIN-REYMOND, CPP, Code de
BGE 141 IV 20 S. 25
procédure pénale, 2013, N. 22 zu
Art. 309 StPO
). Die Unterlassung einer förmlichen Eröffnungsverfügung hat demnach keine Nichtigkeit oder Ungültigkeit der durchgeführten Untersuchungshandlungen zur Folge (ESTHER OMLIN, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2011, N. 44/46 zu
Art. 309 StPO
; CORNU, a.a.O., N. 33 zu
Art. 309 StPO
; MOREILLON/PAREIN-REYMOND, a.a.O., N. 24 zu
Art. 309 StPO
; vgl. auch LANDSHUT, a.a.O., N. 8 zu
Art. 309 StPO
). Im zu beurteilenden Verfahren ergibt sich die Eröffnung der Untersuchung, wie die Vorinstanz zutreffend erkennt, jedenfalls aus dem Vorführungsbefehl der Staatsanwaltschaft vom 23. November 2012.
1.2
1.2.1
Im Weiteren rügt der Beschwerdeführer, die Privatklägerin sei bei ihrer polizeilichen Einvernahme weder über ihre verfahrensrechtliche Stellung als Auskunftsperson noch über ihre Rechte und Pflichten belehrt worden. Die Einvernahme sei daher prozessrechtswidrig erfolgt und nicht verwertbar. Die im Anschluss an diese polizeiliche Befragung durchgeführte Einvernahme der Privatklägerin als Zeugin durch die Staatsanwaltschaft knüpfe an die polizeiliche Vernehmung an. Die unverwertbare polizeiliche Befragung sei mithin kausal für die Einvernahme durch die Staatsanwaltschaft und sei aufgrund der Fernwirkung des Beweisverwertungsverbots ebenfalls unverwertbar. Im Übrigen nehme die Vorinstanz zu Unrecht an, dass die Privatklägerin zur Aussage bei der Polizei verpflichtet gewesen sei. Eine Aussagepflicht hätte nur bestanden, wenn die Polizei die Einvernahme im Auftrag der Staatsanwaltschaft durchgeführt hätte. Im zu beurteilenden Fall liege indes keine delegierte Einvernahme vor, so dass der Privatklägerin ein Aussageverweigerungsrecht zugestanden habe, über welches sie hätte belehrt werden müssen.
1.2.2
Die Vorinstanz führt aus, die Privatklägerin sei am 22. November 2012 anlässlich ihres ersten Kontakts mit der Polizei in Nachachtung von
Art. 107 Abs. 2 StPO
schriftlich auf ihre Rechte als Opfer und als Privatklägerin aufmerksam gemacht worden. Ende November 2012 sei sie durch die Staatsanwaltschaft auf ihre Rechte nach
Art. 117 StPO
hingewiesen worden. Die Privatklägerin habe am 22. November 2012 Strafantrag wegen Drohung gestellt und habe sich damit als Privatklägerin im Strafpunkt konstituiert. Sie sei deshalb als Auskunftsperson befragt worden. Da von Beginn weg klar gewesen sei, dass kein Delikt gegen die sexuelle Integrität in Frage stand, habe der Privatklägerin von vornherein kein
BGE 141 IV 20 S. 26
Aussageverweigerungsrecht zugestanden und sei diese zur Aussage verpflichtet gewesen (Art. 117 Abs. 1 lit. d i.V.m.
Art. 169 Abs. 4 StPO
). Aus diesem Grund könne sich auch keine beweisrechtlich relevante Fernwirkung ergeben. Ausserdem stelle der Hinweis gemäss
Art. 181 StPO
kein Gültigkeitserfordernis dar. Dessen Unterlassung führe daher nicht zur Ungültigkeit oder gar Unverwertbarkeit der Befragung.
1.2.3
Gemäss
Art. 141 Abs. 1 StPO
sind Beweise, die unter Anwendung verbotener Beweiserhebungsmethoden im Sinne von
Art. 140 Abs. 1 StPO
erhoben wurden, in keinem Fall verwertbar. Dasselbe gilt, wenn das Gesetz selbst bestimmte Beweise als nicht verwertbar bezeichnet. Nach Abs. 2 derselben Bestimmung dürfen Beweise, welche die Behörden in strafbarer Weise oder unter Verletzung von Gültigkeitsvorschriften erhoben haben, nicht verwertet werden, es sei denn, ihre Verwertung sei zur Aufklärung schwerer Straftaten unerlässlich. Hat ein Beweis, der nach der genannten Bestimmung nicht verwertet werden darf, die Erhebung eines weiteren Beweises ermöglicht, so ist dieser nach
Art. 141 Abs. 4 StPO
nicht verwertbar, wenn er ohne die vorhergehende Beweiserhebung nicht möglich gewesen wäre. Soweit das Gesetz eine Bestimmung nicht selbst als Gültigkeitsvorschrift bezeichnet, hat die Praxis die Unterscheidung vorzunehmen (Botschaft, a.a.O., BBl 2006 1183 zu Art. 139). In jedem Fall verwertbar sind nach
Art. 141 Abs. 3 StPO
hingegen Beweise, bei deren Erhebung blosse Ordnungsvorschriften verletzt worden sind.
Nach
Art. 178 lit. a StPO
wird die Person, die sich als Privatklägerin konstituiert hat (
Art. 118 Abs. 1 und 2 StPO
), als Auskunftsperson einvernommen (vgl. auch
Art. 179 Abs. 1 StPO
). Soweit die Privatklägerin nicht in einer delegierten Einvernahme durch die Polizei befragt wird, ist sie nicht zur Aussage verpflichtet (
Art. 178 lit. a und
Art. 180 Abs. 2 StPO
; ROLAND KERNER, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2011, N. 3 zu Art. 179 und N. 1 zu
Art. 180 StPO
; ANDREAS DONATSCH, in: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, N. 2 zu Art. 179 und N. 34 zu 180 StPO). Nach
Art. 181 Abs. 1 StPO
machen die Strafbehörden die Auskunftsperson zu Beginn der Einvernahme auf ihre Aussagepflicht oder ihre Aussage- oder Zeugnisverweigerungsrechte aufmerksam. Gemäss Abs. 2 derselben Bestimmung weisen sie die zur Aussage verpflichtete und die aussagewillige Auskunftsperson auf die möglichen Straffolgen einer falschen Anschuldigung
BGE 141 IV 20 S. 27
(
Art. 303 StGB
), einer Irreführung der Rechtspflege (
Art. 304 StGB
) und einer Begünstigung (
Art. 305 StGB
) hin (vgl. auch
Art. 143 Abs. 1 StPO
). Wie es sich verhält, wenn die Strafbehörden nicht auf die Straffolgen von Art. 303 bis 305 StGB hinweisen, regelt das Gesetz nicht explizit. Die Lehre ist in diesem Punkt nicht einheitlich (für Ungültigkeit der Aussage SCHMID, Handbuch, a.a.O., N. 924;
ders.
, Praxiskommentar, a.a.O., N. 8 zu
Art. 181 StPO
; DANIEL HÄRING, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2011, N. 25 zu
Art. 143 StPO
; RIKLIN, a.a.O., N. 2 zu
Art. 181 StPO
; JEANNERET/KUHN, Précis de procédure pénale, 2013, S. 219 f.; eine blosse Verletzung einer Ordnungsvorschrift und damit keine Unverwertbarkeit der Aussage nehmen an DONATSCH, a.a.O., N. 22 zu
Art. 181 StPO
; KERNER, a.a.O., N. 22 zu
Art. 181 StPO
; OLIVIER THORMANN, in: Commentaire romand, Code de procédure pénale suisse, 2011, N. 27 zu
Art. 143 StPO
; JO PITTELOUD, Code de procédure pénale suisse [CPP],2012, N. 410; KATHARINA GIOVANNONE, Rechtsfolgen fehlender Belehrung bei Einvernahmen, AJP 2012 S. 1062 ff./1066; vgl. für den Zeugen
Art. 177 Abs. 1 StPO
).
1.2.4
Die Privatklägerin erhob am 22. November 2012 bei der Stadtpolizei Zürich Strafanzeige und Strafantrag gegen den Beschwerdeführer, wodurch sie sich als Privatklägerin konstituierte (
Art. 118 Abs. 2 StPO
), und wurde als Geschädigte zur Sache befragt. Bei dieser Einvernahme handelte es sich nicht um eine solche im Auftrag der Staatsanwaltschaft, so dass die Privatklägerin entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht zur Aussage verpflichtet war. Es stand ihr mithin ein uneingeschränktes Aussageverweigerungsrecht zu (
Art. 180 StPO
; KERNER, a.a.O., N. 1 zu
Art. 181 StPO
). Die Privatklägerin wurde in dieser Einvernahme über ihre Rechte als Opfer informiert. Darauf, dass sie nicht zur Aussage verpflichtet war, wurde sie, soweit ersichtlich, nicht hingewiesen. Unterblieben ist auch ein Hinweis auf die Straffolgen gemäss
Art. 303-305 StGB
. Einem Hinweis auf das Aussageverweigerungsrecht wäre allerdings angesichts des Umstands, dass die Privatklägerin bei der polizeilichen Befragung Strafantrag gegen den Beschwerdeführer gestellt hatte und mithin eine Strafuntersuchung gegen diesen herbeiführen wollte, wohl keine praktische Bedeutung zugekommen. Überdies würde, selbst wenn man die Bestimmung über das Zeugnisverweigerungsrecht gemäss
Art. 177 Abs. 3 StPO
analog auf die Privatklägerschaft im Sinne von
Art. 178 lit. a StPO
anwenden wollte, die nicht über ihr Aussageverweigerungsrecht gemäss
Art. 181 StPO
belehrt wurde,
BGE 141 IV 20 S. 28
der mangelnde Hinweis nur dann zur Unverwertbarkeit der Aussagen führen, wenn sich die Privatklägerschaft nachträglich auf das Zeugnisverweigerungsrecht beruft (vgl. CAMILLE PERRIER, in: Commentaire romand, Code de procédure pénale suisse, 2011, N. 6 zu
Art. 181 StPO
; NATHALIE DONGOIS, in: Commentaire romand, Code de procédure pénale suisse, 2011, N. 6 zu
Art. 177 StPO
). Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall nicht erfüllt.
Ob die Aussagen der Privatklägerin anlässlich der Einvernahme vom 22. November 2012 trotz fehlendem Hinweis auf das Aussageverweigerungsrecht und die Straffolgen gemäss
Art. 303-305 StGB
verwertbar sind, kann aber letztlich offenbleiben. Denn diese ist am 18. Dezember 2012 von der Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat, nachdem sie auf die Geltendmachung von Rechten als Privatklägerschaft verzichtet hatte (
Art. 166 StPO
), als Zeugin einvernommen und unbestrittenermassen ordnungsgemäss über die Zeugnispflichten, das allgemeine Zeugnisverweigerungsrecht sowie ihre Opferrechte belehrt worden. Dass hier eine Fernwirkung des Verwertungsverbots bestanden haben soll, weil die Zeugeneinvernahme an die polizeiliche Befragung anknüpfe, lässt sich nicht sagen. Es ist jedenfalls nicht ersichtlich, dass die Befragung der Privatklägerin durch die Stadtpolizei Zürich "condicio sine qua non" für ihre Einvernahme als Zeugin durch die Staatsanwaltschaft gewesen wäre (zur Fernwirkung von Beweisverwertungsverboten vgl.
BGE 138 IV 169
;
BGE 133 IV 329
E. 4.5).
1.3
1.3.1
Der Beschwerdeführer macht ferner geltend, es sei bei den Einvernahmen als Beschuldigter durch die Stadtpolizei Zürich in Verletzung von
Art. 158 Abs. 1 lit. a und
Art. 143 Abs. 1 lit. b StPO
kein oder ein bloss ungenügender Deliktsvorhalt erfolgt. In der Einvernahme vom 23. November 2012, 10.12 Uhr, sei lediglich der Tatbestand der Drohung genannt worden, nicht aber ein konkreter, präzis umrissener Sachverhalt. Bei der Einvernahme von 14.25 Uhr desselben Tages handle es sich faktisch um die Fortsetzung der ersten Einvernahme, da die Befragung vom Morgen abgebrochen worden sei. Hier sei zunächst überhaupt kein Deliktsvorhalt erfolgt. Zudem sei er nicht über seine Rechte belehrt worden. Dass er mit "Umbringen" gedroht haben solle, sei ihm erst unter Ziff. 30 vorgehalten worden. Der konkrete Vorhalt müsse jedoch zu Beginn der Einvernahme erfolgen. Ein Mangel in dieser Hinsicht sei nicht heilbar. Die mangelhafte Eröffnung des konkreten Deliktsvorhalts habe
BGE 141 IV 20 S. 29
somit die Unverwertbarkeit der Einvernahmen zur Folge. Die Unverwertbarkeit wirke auch auf die nachfolgende Hafteinvernahme der Staatsanwaltschaft, welche auf die polizeiliche Befragung Bezug nehme, womit auch diese nicht verwertbar sei. Da mithin sowohl das Haftverfahren als auch das Vorverfahren in erheblicher Weise gesetzwidrig durchgeführt worden seien, müsse ein Freispruch erfolgen.
1.3.2
Die Vorinstanz nimmt an, die Rüge eines mangelhaften bzw. fehlenden Deliktsvorhalts in den Befragungen des Beschwerdeführers sei haltlos. Wie sich aus den Befragungsprotokollen ergebe, sei er zu Beginn der Einvernahmen ausdrücklich davon in Kenntnis gesetzt worden, dass er als beschuldigte Person befragt und ihm vorgeworfen werde, eine Drohung begangen zu haben.
1.3.3
Nach
Art. 158 Abs. 1 StPO
weisen Polizei oder Staatsanwaltschaft die beschuldigte Person zu Beginn der ersten Einvernahme in einer ihr verständlichen Sprache u.a. darauf hin, dass gegen sie ein Vorverfahren eingeleitet worden ist und welche Straftaten Gegenstand des Verfahrens bilden (lit. a; vgl. auch
Art. 143 Abs. 1 lit. b und c StPO
). Der Beschuldigte muss in allgemeiner Weise und nach dem aktuellen Verfahrensstand darüber aufgeklärt werden, welches Delikt ihm zur Last gelegt wird. Dabei geht es nicht in erster Linie um den Vorhalt strafrechtlicher Begriffe oder Bestimmungen, sondern um denjenigen der konkreten äusseren Umstände der Straftat (SCHMID, Handbuch, a.a.O., N. 860;
ders.
, Praxiskommentar, a.a.O., N. 8 zu
Art. 158 StPO
; NIKLAUS RUCKSTUHL, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2011, N. 22 zu
Art. 158 StPO
; GUNHILD GODENZI, in: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, Donatsch und andere [Hrsg.], 2. Aufl. 2014, N. 20 zuArt. 158 StPO; vgl. auch JEAN-MARC VERNIORY, in: Commentaire romand, Code de procédure pénale suisse, 2011, N. 13 zu
Art. 158 StPO
). Die Information über den Gegenstand der Strafuntersuchung ist Voraussetzung dafür, dass sich der Beschuldigte zu den Tatvorwürfen äussern kann (vgl.
Art. 143 Abs. 4 StPO
). Einvernahmen ohne diese Hinweise sind nicht verwertbar (
Art. 158 Abs. 2 StPO
). Die Belehrung ist im Protokoll zu vermerken (
Art. 143 Abs. 2 StPO
).
1.3.4
Der Beschwerdeführer wurde in der polizeilichen Einvernahme vom 23. November 2012, 10.12 Uhr, von der einvernehmenden Beamtin darüber orientiert, dass er festgenommen worden sei, weil er eines Verbrechens oder Vergehens verdächtigt sei. Es sei gegen ihn ein Strafverfahren wegen Drohung, begangen am Donnerstag,
BGE 141 IV 20 S. 30
22. November 2012, ca. 16.10 Uhr, in Zürich, C.-Strasse, zum Nachteil der Privatklägerin, eingeleitet worden, in dem er als Beschuldigter befragt werde. Der Beschwerdeführer wurde im Weiteren über seine Rechte belehrt. Im Anschluss daran wurde die Einvernahme unterbrochen und am Nachmittag desselben Tages in Anwesenheit des Verteidigers des Beschwerdeführers und eines Dolmetschers fortgesetzt. Dabei wurde er zunächst zu seinen Personalien befragt. Anschliessend daran wurde ihm vorgehalten, er habe am Donnerstag, 22. November 2012, ca. 16.10 Uhr, in Zürich, C.-Strasse, zum Nachteil der Privatklägerin ein Drohung begangen. Im weiteren Verlauf der Einvernahme wurde dem Beschwerdeführer vorgehalten, nach den Aussagen der Privatklägerin habe er gedroht, er werde sie und ihren Ehemann umbringen.
Es trifft zu, dass in der ersten Einvernahme bei der Information des Beschwerdeführers über den Verfahrensgegenstand der Inhalt der Drohung nicht genannt wurde. Indes wurde ihm nicht bloss pauschal vorgeworfen, die Privatklägerin bedroht zu haben. Vielmehr wurden Tatzeitpunkt und Tatort präzise umrissen, so dass sich der Beschwerdeführer, dessen Verteidiger bei der Fortsetzung der Einvernahme am Nachmittag vom 23. November 2012 anwesend war, entsprechend verteidigen konnte. Die Vorinstanz verletzt somit kein Bundesrecht, wenn sie annimmt, die Einvernahmen seien nicht prozessrechtswidrig erfolgt. Damit erübrigt es sich, auf die Frage einzugehen, ob bei fehlender Information über den Verfahrensgegenstand in der ersten Einvernahme sämtliche nachfolgenden Vernehmungen nichtig sind.
1.4
1.4.1
Der Beschwerdeführer rügt sodann eine Verletzung von
Art. 79 Abs. 2 StPO
. Die Verteidigung habe vor der Vorinstanz gerügt, dass die Staatsanwaltschaft sein Gesuch um Berichtigung der falsch protokollierten Zeugeneinvernahme der Privatklägerin nicht zu den Akten genommen und darüber nicht entschieden habe und dass auch das Bezirksgericht darauf nicht eingetreten sei. Auch die Vorinstanz sei mit keinem Wort auf diesen Punkt eingegangen, sondern habe unbesehen auf die Aussagen der Privatklägerin abgestellt. Damit sei sie in Willkür verfallen und habe den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.
1.4.2
Die Vorinstanz führt aus, da der Ehemann der Privatklägerin sich nicht am vorliegenden Strafverfahren beteiligt und keinen Strafantrag gegen den Beschuldigten gestellt habe, seien Weiterungen zur
BGE 141 IV 20 S. 31
geltend gemachten Protokollberichtigung entbehrlich. Abgesehen davon handle es sich bei der betreffenden Befragung um jene der Privatklägerin, welche die Richtigkeit ihrer protokollierten Aussagen zusammen mit der Übersetzerin vorbehaltlos unterschriftlich bestätigt habe.
1.4.3
Nach
Art. 78 Abs. 1 StPO
werden die Aussagen der Parteien, Zeuginnen, Zeugen, Auskunftspersonen und Sachverständigen laufend protokolliert (vgl. auch
Art. 76 StPO
). Nach Abs. 5 derselben Bestimmung wird der einvernommenen Person nach Abschluss der Einvernahme das Protokoll vorgelesen oder ihr zum Lesen vorgelegt. Offenkundige Versehen berichtigt die Verfahrensleitung gemäss
Art. 79 Abs. 1 StPO
zusammen mit der protokollführenden Person. Sie informiert darüber anschliessend die Parteien. Über Gesuche um Protokollberichtigung entscheidet nach Abs. 2 derselben Bestimmung die Verfahrensleitung.
1.4.4
Der Beschwerdeführer stellte mit Eingabe vom 20. Dezember 2012 ein Gesuch um Berichtigung zweier Textstellen im Protokoll der staatsanwaltschaftlichen Einvernahme der Privatklägerin als Zeugin vom 18. Dezember 2012. Nach dem Protokoll sagte die Privatklägerin aus, der Beschwerdeführer habe gedroht: "Wir hätten seine Familie zerstört. 'Ich werde Euch umbringen'" bzw.: "Er hat mich bedroht, er hat gesagt, dass er mich und meinen Mann umbringen werde". Der Beschwerdeführer macht geltend, die Privatklägerin habe jeweils bloss bekundet, dass er damit gedroht habe, er werde sie (d.h. die Privatklägerin) umbringen. Von ihrem Ehemann sei keine Rede gewesen. Diesen Einwand hatte er schon bei seiner im Anschluss an die Zeugeneinvernahme durchgeführten Befragung durch die Staatsanwaltschaft vorgebracht.
Das Protokoll dient im Strafprozess u.a. als Grundlage für die Feststellung des Sachverhalts (Urteil des Bundesgerichts 6B_492/2012 vom 22. Februar 2013 E. 1.4). Der entscheiderhebliche Sachverhalt wird im zu beurteilenden Fall dadurch begrenzt, dass nur die Privatklägerin, nicht aber ihr Ehemann Strafantrag erhoben hat. Zu beurteilen ist mithin lediglich die gegenüber der Privatklägerin ausgestossene Drohung. Ob sich dieselbe auch gegen den Ehemann gerichtet hat, ist daher nicht von Bedeutung. Soweit der Beschwerdeführer mit der Protokollberichtigung den Nachweis dafür erbringen will, die Privatklägerin habe widersprüchlich ausgesagt, weil sie in der polizeilichen Befragung angegeben hat, der Beschwerdeführer
BGE 141 IV 20 S. 32
habe gedroht, sowohl sie als auch den Ehemann umzubringen, würde sich die Berichtigung nicht zu seinen Gunsten auswirken. Denn nach dem Befragungsprotokoll hat die Privatklägerin ohnehin auch ausgesagt, der Beschwerdeführer habe damit gedroht, er werde sie (d.h. nur die Privatklägerin) umbringen. Die vom Beschwerdeführer behaupteten angeblichen Widersprüche in den Aussagen sind mithin in jedem Fall dokumentiert. Im Übrigen bezieht sich die Protokollberichtigung nach
Art. 79 Abs. 2 StPO
nur auf erst später entdeckte und geltend gemachte Mängel (Urteile des Bundesgerichts 6B_682/2012 vom 25. April 2013 E. 1.4.2; 6B_492/2012 vom 22. Februar 2013 E. 1.5). Der Beschwerdeführer hat die angeblich falsche Protokollierung schon bei der Besprechung mit seinem Verteidiger über allfällige Ergänzungsfragen thematisiert, angesichts der "offenkundigen und zentralen Widersprüche" in den Aussagen der Privatklägerin auf Ergänzungsfragen indes verzichtet. Dabei kann offenbleiben, ob das Berichtigungsgesuch den formellen Anforderungen genügt. Jedenfalls wird darin nicht ausgeführt, woraus sich der Nachweis für eine unrichtige Protokollierung ergeben soll.
1.5
1.5.1
Der Beschwerdeführer erblickt eine Verletzung von Bundesrecht überdies darin, dass das Ergebnis der Anklageprüfung im erstinstanzlichen Hauptverfahren nicht in den Akten festgehalten worden sei. Dieses sei gemäss Lehre und Rechtsprechung zwingend in einer Verfügung, einer Aktennotiz oder einem Protokollvermerk schriftlich zu dokumentieren. Die Verfahrensleitung müsse zum Ausdruck bringen, dass die Vorprüfung erfolgt sei und keine Mängel ergeben habe. Der Mangel sei nicht heilbar. Dessen Folge sei die Nichtigkeit des erstinstanzlichen Hauptverfahrens.
1.5.2
Die Vorinstanz erwägt, der Beschwerdeführer rüge zu Recht nicht, dass das erstinstanzliche Einzelgericht keine Anklageprüfung vorgenommen habe, sondern lediglich, dass das Ergebnis der Anklageprüfung nicht in einer separaten Verfügung festgehalten worden sei. Aus dem Gesetz ergebe sich hinsichtlich der Anklagezulassung indes lediglich eine Prüfungs-, nicht auch eine Verfügungspflicht. Vorliegend habe das Einzelgericht mit Verfügung vom 14. Januar 2013 nach Überprüfung der Anklage die weiteren Verfahrensschritte angeordnet und zur vorinstanzlichen Hauptverhandlung vorgeladen. Wären die Anklageschrift und die Akten nicht ordnungsgemäss erstellt und diese Prozessvoraussetzung somit nicht erfüllt gewesen oder hätten Verfahrenshindernisse bestanden, hätte
BGE 141 IV 20 S. 33
der Vorderrichter zweifellos entsprechende, in
Art. 329 Abs. 2 ff. StPO
vorgesehene Anordnungen getroffen. Der Beschwerdeführer lege zudem nicht dar, inwiefern hier ein unheilbarer Mangel vorliegen solle. Im Übrigen sei nicht ersichtlich, inwiefern dem Beschwerdeführer daraus, dass die Anklagezulassung in der Verfügung des Einzelgerichts vom 14. Januar 2013 nicht ausdrücklich festgehalten worden sei, ein Nachteil erwachsen sein könnte.
1.5.3
Gemäss
Art. 329 Abs. 1 StPO
prüft die Verfahrensleitung, ob die Anklageschrift und die Akten ordnungsgemäss erstellt sind (lit. a), die Prozessvoraussetzungen erfüllt sind (lit. b) und Verfahrenshindernisse bestehen (lit. c). Ergibt sich aufgrund dieser Prüfung oder später im Verfahren, dass ein Urteil zurzeit nicht ergehen kann, so sistiert das Gericht gemäss Abs. 2 derselben Bestimmung das Verfahren. Falls erforderlich, weist es die Anklage zur Ergänzung oder Berichtigung an die Staatsanwaltschaft zurück.
1.5.4
Nach der Rechtsprechung ist die Vorprüfung der Anklage gemäss
Art. 329 StPO
eine vorläufige, auf die Formalien beschränkte und regelmässig summarische Prüfung. Mit dieser soll vermieden werden, dass in formeller oder materieller Hinsicht klar mangelhafte Anklagen zu einer Hauptverhandlung führen. Dabei handelt es sich nicht um eine eigentliche Anklagezulassung. Es ist dementsprechend weder ein formelles Verfahren vorgesehen noch erfolgt ein formeller Zulassungsentscheid. Hält die Verfahrensleitung die Anklage und die Akten für ordnungsgemäss, kann sie dies in einer Aktennotiz festhalten. Dieses Ergebnis ist den Parteien sinnvollerweise nur mitzuteilen, wenn eine Partei in dieser Phase Mängel der Anklage oder der Akten geltend gemacht hat. Mangels Anfechtbarkeit entsteht dem Beschwerdeführer auch kein Nachteil, wenn die Verfahrensleitung der ersten Instanz das Ergebnis der Vorprüfung nicht festgehalten, sondern direkt zur Hauptverhandlung vorgeladen hat (Urteil des Bundesgerichts 6B_676/2013 vom 28. April 2014 E. 3.6.4 mit Hinweisen).
1.6
Die Beschwerde erweist sich in Bezug auf die formellen Rügen als unbegründet.
(...)
3.
3.1
Zuletzt rügt der Beschwerdeführer, die Staatsanwaltschaft habe es unterlassen, die Privatklägerin bei ihrer Zeugeneinvernahme durch kritische Fragen und Vorhalte mit den diversen Widersprüchen
BGE 141 IV 20 S. 34
und Ungereimtheiten zu konfrontieren. Auf diese im Berufungsverfahren vorgetragene Rüge sei die Vorinstanz nicht eingegangen. Sie habe deshalb auch insofern die Begründungspflicht verletzt.
3.2
Gemäss
Art. 143 Abs. 5 StPO
strebt die Staatsanwaltschaft durch klar formulierte Fragen und Vorhalte die Vollständigkeit der Aussagen und die Klärung von Widersprüchen an.
3.3
Auf die Beschwerde ist in diesem Punkt nicht einzutreten. Dem Ausmass von Unklarheiten in der Befragung kann nur im Rahmen der freien richterlichen Beweiswürdigung differenziert Rechnung getragen werden. Eine Einvernahme wird daher trotz unklaren Fragen nicht unverwertbar. Bei der Bestimmung von
Art. 143 Abs. 5 StPO
handelt es sich um eine blosse Ordnungsvorschrift (
Art. 141 Abs. 3 StPO
; GODENZI, a.a.O., N. 34 zu
Art. 143 StPO
; SCHMID, Praxiskommentar, a.a.O., N. 14 zu
Art. 143 StPO
;
ders.
, Handbuch, a.a.O., N. 788; vgl. auch HÄRING, a.a.O., N. 34 f., 37 zu
Art. 143 StPO
). Im Übrigen ist nicht ersichtlich, inwiefern die Zeugeneinvernahme durch die Staatsanwaltschaft den verfahrensrechtlichen Anforderungen nicht entsprechen soll. Insofern ist das angefochtene Urteil auch hinreichend begründet. Der Beschwerdeführer legt denn auch nicht dar, welche Ungereimtheiten und Widersprüche nach seiner Auffassung im Einzelnen zu bereinigen gewesen wären. Die blosse Verweisung auf sein Plädoyer im vorinstanzlichen Verfahren genügt den Begründungsanforderungen nicht (Urteil des Bundesgerichts 6B_676/2013 vom 28. April 2014 E. 1). | null | nan | de | 2,014 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
c80af080-1fab-4b71-8745-c09e9f9b63a1 | Urteilskopf
86 IV 44
14. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 25. März 1960 i.S. Yassine gegen Schweizerische Bundesanwaltschaft. | Regeste
Art. 74 Ziff. 3 ZG
. Mittäterschaft.
Wer wissentlich und willentlich illegale Wareneinfuhren veranlasst, ohne an den Warentransporten über die Grenze persönlich teilzunehmen, ist wegen Unterlassung der Meldepflicht selbst dann als Mittäter strafbar, wenn es sich bei dieser Zollübertretung um ein Sonderdelikt handelte. | Sachverhalt
ab Seite 45
BGE 86 IV 44 S. 45
In der Zeit von August 1952 bis Juni 1954 bestellte Yassine, der sich damals vorwiegend in Zürich aufhielt, in Mailand zu verschiedenen Malen Gold-Sovereigns italienischer Prägung im Betrage von insgesamt Fr. 11'632,685.--. Da die Ausfuhr solcher Goldstücke aus Italien verboten ist, wurden die Münzen unter Umgehung der Zollkontrolle in die Schweiz eingeführt, um daraufhin von Zürich auf dem Luftweg via Amsterdam nach Beirut verfrachtet zu werden. Yassine bezahlte die Goldstücke jeweils in Zürich gegen Vorweisung der Luftfrachtdokumente.
Am 21. Oktober 1957 verfällte das Eidgenössische Finanz- und Zolldepartement Yassine in Anwendung von Art. 74 Ziff. 1 und 3, Art. 76 Ziff. 1 und 2 des BG vom 1. Oktober 1925 über das Zollwesen (ZG), Art. 52 des BRB vom 29. Juli 1941 über die Warenumsatzsteuer und Art. 41 des BRB vom 13. Oktober 1942 über die Luxussteuer in eine Busse von Fr. 581'634.25, welchen Entscheid das Bezirksgericht Zürich am 5. Juni 1959 bestätigte.
Das Obergericht des Kantons Zürich fand dagegen Yassine am 22. Oktober 1959 lediglich der Widerhandlung gegen
Art. 74 Ziff. 1 und
Art. 76 Ziff. 1 ZG
schuldig, sprach ihn in den übrigen Anklagepunkten frei und setzte die Busse auf Fr. 465'307.40 herab.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
II.
- Eine Zollübertretung begeht nach
Art. 74 Ziff. 3 ZG
, wer zollpflichtige Waren beim Grenzübertritt ganz oder teilweise zur Zollbehandlung anzumelden unterlässt.
1.
(Ausführungen darüber, dass es sich bei den unechten Gold-Sovereigns um zollpflichtige Waren handelte.)
2.
Steht nach dem Gesagten fest, dass zollpflichtige
BGE 86 IV 44 S. 46
Waren ohne Anmeldung in die Schweiz eingeführt wurden, dann ist weiter zu prüfen, ob Yassine für diese Unterlassung strafbar sei. Die erste Instanz hat seine strafrechtliche Verantwortlichkeit als Auftraggeber bejaht, das Obergericht dagegen hat sie verneint.
Das Gesetz erwähnt den Auftraggeber in den Art. 9 Abs. 1 und 100 Abs. 1, ohne indessen den Begriff näher zu umschreiben. In Lehre und Rechtsprechung ist die Frage, ob dabei vom zivilrechtlichen Auftrag auszugehen sei, oder ob eine sonstige vertragliche Bindung zwischen Täter und "Auftraggeber" oder gar, wie die Zollrekurskommission annimmt, schon eine bloss tatsächliche Veranlassung von Seiten des letzteren genüge, kontrovers (vgl. hiezuBGE 62 I 30; die Botschaft des Bundesrates in BBl 1924 I S. 52; ferner BLUMENSTEIN, Grundzüge des schweiz. Zollrechtes, S. 18 und Festgabe für Fleiner (1927), S. 6; SPITZ, Das schweiz. Zollstrafrecht, S. 49 Anm. 56; VOLKEN, Die Zollmeldepflicht nach schweiz. Recht, S. 35, 39). Sie braucht im vorliegenden Fall sowenig entschieden zu werden wie die andere Frage, ob der Auftraggeber, der die Waren nicht selber über die Grenze bringt (vgl.
Art. 9 Abs. 1 ZG
), überhaupt wegen Widerhandlung gegen
Art. 74 Ziff. 3 ZG
bestraft werden könne. Denn selbst wenn letzteres mit der herrschenden Lehre, die eine direkte strafrechtliche Verantwortlichkeit des Auftraggebers für die Verletzung der Meldepflicht ablehnt (BLUMENSTEIN, Zollrecht S. 18 f. und Festgabe für Fleiner S. 6 f.; SPITZ, a.a.O. S. 50; VOLKEN, a.a.O. S. 39/40; NEUENSCHWANDER, Zollpflicht, Zollschuld und Zollhaftung nach schweiz. Recht, S. 61), zu verneinen wäre, so müsste der vorinstanzliche Freispruch in diesem Punkte deswegen aufgehoben werden, weil sich Yassine in jedem Fall als Mittäter der Zollübertretung nach
Art. 74 Ziff. 3 ZG
schuldig gemacht hat.
a) Das Obergericht hält dafür, dass Yassine nicht in der Lage gewesen sei, die Goldstücke zu deklarieren, weil er die Waren nicht selber eingeführt habe. Er könne
BGE 86 IV 44 S. 47
daher logischerweise bei der Unterlassung der Meldepflicht auch nicht Mittäter sein. Diese Betrachtungsweise wäre zutreffend, wenn die Unterlassung der Meldepflicht als eigenhändiges Delikt anzusprechen wäre oder wenn es sich bei der Übertretung des
Art. 74 Ziff. 3 ZG
um ein Sonderdelikt handelte und dessen Natur eine Teilnahme des nicht qualifizierten Dritten als Mittäter ausschlösse. Dafür, dass der Tatbestand eine eigenhändige Ausführung der strafbaren Handlung, einen persönlichen Akt zum rechtlichen Erfolg erforderte, liegt nichts vor. Was aber die schon hinsichtlich der Begriffsumschreibung umstrittene Frage des Sonderdeliktes anbelangt (vgl. die Zusammenstellung der verschiedenen Lehrmeinungen bei PIOTET, La participation aux délits spéciaux, S. 7 ff.; betreffend die Rechtsnatur von Zollvergehen KIRCHHOFER in ZStR 48 S. 152, ferner die Entscheidungen des Reichsgerichtes in Strafsachen 62 S. 321, 65 S. 409), so kann sie deswegen offen bleiben, weil auch bei positiver Beantwortung
Art. 74 Ziff. 3 ZG
seiner Natur nach der Verurteilung des nicht qualifizierten Aussenstehenden als Mittäter nicht entgegenstände.
Nach seinem Wortlaut ist
Art. 74 Ziff. 3 ZG
nicht auf einen bestimmt begrenzten Täterkreis angelegt, so dass unter diesem Gesichtspunkte gegen eine strafrechtliche Erfassung des die Waren nicht selber über die Grenze führenden Dritten als Mittäter nichts einzuwenden wäre. Diese erscheint gegenteils durch den Hauptzweck des Zollstrafrechtes geboten. Wie das Bundesgericht schon wiederholt entschieden hat, dient die Strafe im Zollrecht nicht so sehr der Sühne für die Tat und der Besserung des Täters, als vielmehr der Behebung des fiskalischen Verlustes und dem Schutz der Allgemeinheit (
BGE 72 IV 190
,
BGE 76 IV 296
). Daraus erklären sich denn auch verschiedene Vorschriften des Zollgesetzes, so Art. 75 Abs. 3 bezüglich der Schuldvermutung und noch deutlicher Art. 99 Abs. 1, der gestattet, mehrere gemeinsam mit solidarischer Haftung zu büssen. Auf derselben Erwägung gründen
BGE 86 IV 44 S. 48
ferner Art. 100 Abs. 1, der den Dienstherrn solidarisch haftbar erklärt für die seinen Angestellten auferlegten Bussen, wenn er die nötige Vorsicht nicht beobachtete, und Art. 77 Abs. 1, der eine dem Wert der einzuziehenden Waren oder Gegenstände gleichkommende Busse vorsieht, wenn die Beschlagnahme unmöglich ist (
BGE 72 IV 191
). Könnte in Fällen wie dem vorliegenden der die Sondereigenschaft nicht besitzende Aussenstehende bei Zollübertretungen nicht als Mittäter bestraft werden, dann würde nicht selten die Erreichung des vom Gesetzgeber gesetzten Zieles vereitelt, indem gerade der hauptverantwortliche Hintermann, der an der Wareneinfuhr nicht unmittelbar teilnimmt, straflos bliebe. Dieser entginge nicht nur als Mittäter wie als mittelbarer Täter einer Bestrafung, sondern er könnte auch als Anstifter oder Gehilfe dann nicht verfolgt werden, wenn er sich eines Mittelmannes bediente, der bereits zur Tat entschlossen war (BGE 69 205,
BGE 72 IV 100
,
BGE 81 IV 148
) oder ohne seinen Beistand gehandelt hat. Strafbar wäre diesfalls allein der Warenführer, dessen Rolle im Rahmen einer Schmugglerorganisation in der Regel eine bloss untergeordnete ist. Diese vom Gesetzgeber zweifellos nicht gewollte Folge lässt sich nur vermeiden, wenn man - immer unter der Voraussetzung, dass es sich bei der Zollübertretung des
Art. 74 Ziff. 3 ZG
überhaupt um ein Sonderdelikt handelt - die strafrechtliche Verantwortlichkeit des die Sondereigenschaft nicht besitzenden Hintermanns als Mittäter bejaht. Dabei bleibt dahingestellt, ob bei Sonderdelikten nicht fiskalischer Bundesgesetze eine Mittäterschaft des nicht qualifizierten Dritten ebenfalls möglich sei.
b) Nach dem angefochtenen Urteil war es Yassine, der die unechten Gold-Sovereigns in Mailand bestellte. Ob er dabei als Selbstkäufer oder als blosser Vermittler auftrat, ist in diesem Zusammenhang ohne Belang. So oder anders war er jedenfalls der sich im Hintergrund haltende Drahtzieher der illegalen Einfuhren, der nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz wusste,
BGE 86 IV 44 S. 49
dass seine Bestellungen nur unter Umgehung des Schweizerzolls ausgeführt werden konnten und der bei der weitern Abwicklung des Geschäftes diesseits der Grenze eine äusserst aktive Rolle spielte. So bekümmerte er sich jeweils bald nach dem ihm offenbar gemeldeten Abgang der Goldstücke in Italien um deren Ankunft in Zürich sowie um ihre Weiterverfrachtung nach dem Libanon und beschwerte sich bei nicht rechtzeitigem Eintreffen der Sendungen in Beirut bei der mit dem Transport beauftragten Luftfahrtgesellschaft. Dementsprechend erscheint er denn auch auf einem Frachtbrief und auf einer Ausfuhrdeklaration als Absender. Dazu kommt, dass alle Sendungen, von denen einzelne für ihn selber bestimmt waren, von ihm bezahlt wurden und dass die illegalen Transaktionen ihm erhebliche Gewinne einbrachten.
Diese Feststellungen binden den Kassationshof (
Art. 277bis Abs. 1 BStP
) und können mit der Nichtigkeitsbeschwerde nicht angefochten werden (
Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP
), auch nicht mit der Behauptung, sie seien aktenwidrig (
BGE 76 IV 63
, 132;
BGE 81 IV 49
). Es kann infolgedessen dahingestellt bleiben, ob, wie Yassine behauptet, die illegal aus Italien ausgeführten Goldstücke auf gesetzlichem Wege in die Schweiz hätten eingeführt werden können. Jedenfalls war eine zollfreie Einfuhr solcher Münzen vor dem 25. Juni 1953 nicht möglich, da die Oberzolldirektion erst in diesem Zeitpunkte deren Einreihung unter die Tarifposition 869 d verfügte. Dass aber bei dem verbindlich festgestellten Sachverhalt Yassine als Mittäter an den Zollübertretungen teilgenommen hat, unterliegt keinem Zweifel. Er hat durch seine Bestellungen, von denen er wusste, dass sie nur unter Umgehung des Schweizerzolls ausgeführt werden konnten, die illegalen Einfuhren willentlich veranlasst und dadurch am Entschluss, aus dem die strafbaren Handlungen hervorgingen, in einem Masse mitgewirkt, das ihn als einen Hauptbeteiligten erscheinen lässt. Dass er bei den verbotenen Goldtransporten über die Schweizergrenze nicht persönlich
BGE 86 IV 44 S. 50
dabei war, vermag ihn nicht zu entlasten. Eine Teilnahme an der Ausführung der strafbaren Handlungen selber ist nach der von der Rechtsprechung stets angewandten subjektiven Theorie zur Annahme einer Mittäterschaft nicht erforderlich (
BGE 69 IV 97
,
BGE 70 IV 102
,
BGE 76 IV 106
,
BGE 77 IV 91
,
BGE 85 IV 133
/134 und insbesondere
BGE 80 IV 265
). Yassine ist daher wegen Übertretung von
Art. 74 Ziff. 3 ZG
zu bestrafen. | null | nan | de | 1,960 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
c80b5966-793e-4972-b104-dcfb63d2991d | Urteilskopf
89 I 185
29. Extrait de l'arrêt du 26 juln 1963 dans la cause Martinetti contre Chambre d'accusation du canton de Genève. | Regeste
Derogatorische Kraft des Bundesrechts. Vereinbarkeit der strafprozessualen Beschlagnahme des kantonalen Rechts mit dem im SchKG geregelten Arrest (Erw. 3).
Willkür. Gegenstand der strafprozessualen Beschlagnahme nach kantonalem Recht. Kantonale Bestimmung, die dem Richter erlaubt, alles zu beschlagnahmen, was zur Erforschung der Wahrheit dienen kann. Darf auf Grund dieser Bestimmung der Gegenstand des Verbrechens (hier: Diebstahl) beschlagnahmt werden? Muss eine unmittelbare Beziehung zwischen der strafbaren Handlung und dem Gegenstand der Beschlagnahme bestehen? (Erw. 4). | Sachverhalt
ab Seite 185
BGE 89 I 185 S. 185
A.-
Le juge d'instruction IV de Genève s'occupe d'une enquête pour vols dirigée contre dame Rosetta Martinetti sur plainte de dame Valentine Noverraz. Le 15 janvier 1963, il a séquestré divers objets ainsi qu'une somme de 4725 fr. se composant de 325 fr. en rouleaux de pièces de 50 ct., de deux billets de 1000 fr., d'un de 500 fr. et de dix-neuf de 100 fr. trouvés chez dame Martinetti.
Le 29 mars 1963, la Chambre d'accusation du canton de Genève, saisie d'un recours de dame Martinetti, a modifié la décision du juge d'instruction IV en ce sens qu'elle n'a maintenu le séquestre que sur une somme de 1825 fr., comprenant le montant de 325 fr. en rouleaux de pièces
BGE 89 I 185 S. 186
de 50 ct. A l'appui de sa décision, elle a exposé en bref ce qui suit:
Les art. 113 et 24 PPG autorisent le juge d'instruction à saisir "les armes ou autres instruments qui paraissent avoir servi à commettre le crime ou le délit, ainsi que tout ce qui peut être utile à la manifestation de la vérité". Cette règle est rédigée de telle manière qu'elle permet au juge de séquestrer aussi le produit de l'infraction, notamment une somme d'argent provenant directement du délit ou obtenue par la vente d'un objet volé. D'ailleurs, la nature et l'importance du patrimoine de l'inculpé est un élément "qui peut être utile à la manifestation de la vérité" au sens de l'art. 24 PPG. A cet égard, l'autorité de jugement devrait savoir qu'au moment de son arrestation, l'accusée avait chez elle près de 5000 fr. Toutefois, l'objet saisi ne doit pas être sans rapport avec l'infraction. C'est pourquoi le séquestre ne saurait être maintenu que jusqu'à concurrence de la somme de 1825 fr., seul montant pour lequel la plaignante a allégué des faits susceptibles de constituer, lors du renvoi en jugement, des indices suffisants de culpabilité.
B.-
Agissant par la voie du recours de droit public, dame Martinetti requiert le Tribunal fédéral d'annuler l'ordonnance de la Chambre d'accusation en tant qu'elle a maintenu le séquestre à concurrence de 1825 fr. La recourante se plaint d'une atteinte au principe de la force dérogatoire du droit fédéral et d'une interprétation arbitraire des art. 24 et 113 PPG.
Erwägungen
Considérant en droit:
3.
Selon la recourante, la juridiction cantonale a violé le principe de la force dérogatoire du droit fédéral parce qu'elle a substitué un séquestre de la procédure pénale cantonale à un séquestre que le droit fédéral de la poursuite pour dettes n'autorise pas. Certes, ces deux séquestres frappent d'indisponibilité les objets visés. Toutefois, celui de la procédure pénale cantonale a un caractère purement
BGE 89 I 185 S. 187
conservatoire. Il ne vise qu'à maintenir les biens auxquels il s'applique à la disposition de l'autorité de jugement. En revanche, le séquestre de la poursuite pour dettes est le premier acte d'une procédure tendant à la réalisation des biens saisis au profit du créancier séquestrant. Il poursuit donc un but entièrement différent. Dès lors, le grief tiré d'une atteinte au principe de la force dérogatoire du droit fédéral est manifestement mal fondé. Dans ces conditions, il est inutile d'examiner si même il n'est pas irrecevable faute d'être suffisamment motivé. La Chambre de droit public chargée des recours fondés sur l'
art. 4 Cst.
peut le rejeter sans transmettre la cause à la section générale, puisqu'une délégation de trois juges aurait le même pouvoir (
art. 92 OJ
).
4.
La recourante se plaint d'une violation de l'
art. 4 Cst.
(arbitraire). Sur ce point, son recours est recevable, bien qu'il soit dirigé contre une décision incidente. En effet, comme l'inventaire dressé en vertu des
art. 162 et 164 LP
et pour des raisons semblables (cf. RO 82 I 148), le séquestre ordonné en l'espèce cause à l'intéressée un dommage irréparable. Les conditions de l'
art. 87 OJ
sont donc remplies.
La juridiction cantonale estime que l'art. 24 PPG permet de saisir le produit de l'infraction. La recourante ne considère pas que cette opinion soit arbitraire. Elle a raison, car on ne concevrait guère que la loi permette à l'autorité de jugement de garder à sa disposition les instruments ayant servi au délit, mais non le produit de ce dernier. La recourante soutient en revanche qu'il doit exister un lien direct et immédiat entre l'acte délictueux et l'objet séquestré. Il n'est pas nécessaire de discuter cette manière de voir. En effet, le lien, qui serait ainsi nécessaire, existe - du moins peut-on l'admettre sans arbitraire - en ce qui concerne les rouleaux de pièces de 50 ct., ear la recourante a reconnu pendant l'enquête (audition des 18, 19, 28 juillet 1961) les avoir confectionnés à l'aide de l'argent dérobé à l'intimée. Mais il existe aussi quant aux billets
BGE 89 I 185 S. 188
de banque dont le vol a été allégué. Sans doute ces billets ont été mélangés avec ceux de l'accusée, de sorte qu'ils ne pourraient plus être individualisés pour être reconnus propriété de l'intimée. Néanmoins, il y a de bonnes raisons de penser, au regard des circonstances de la cause, notamment des explications de l'intimée et des actes délictueux admis par la recourante, que les billets litigieux sont le produit du vol. Dès lors, la juridiction cantonale pouvait, sans violer l'
art. 4 Cst.
, décider de garder les biens litigieux à la disposition des organes de la justice pénale jusqu'à ce que l'autorité de jugement se soit prononcée sur leur sort. Peu importe de savoir si, comme l'allègue la recourante, ces biens devront nécessairement lui être rendus. Ce n'est pas aux autorités d'accusation de statuer à ce propos, mais à la juridiction de jugement. En attendant la décision de cette dernière, la mesure conservatoire et provisoire de saisie n'est pas injustifiable. Elle l'est d'autant moins que la présence d'une somme relativement importante chez l'auteur d'un vol dont les ressources sont par ailleurs limitées est un indice de sa culpabilité et, partant, un élément de fait qui, au sens de l'art. 24 PPG, "peut être utile à la manifestation de la vérité".
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral:
Rejette le recours. | public_law | nan | fr | 1,963 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
c80d2db7-d497-4823-81c4-67cdf5729715 | Urteilskopf
125 III 334
57. Auszug aus dem Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 18. August 1999 i.S. M. AG (Beschwerde) | Regeste
Art. 8a Abs. 3 lit. a SchKG
; Einsichtsrecht.
Keine Kenntnis von einer Betreibung darf nur gegeben werden, wenn sich aus dem Ergebnis eines Verfahrens ohne weiteres ergibt, dass die Betreibung bei ihrer Einleitung ungerechtfertigt gewesen ist. Ein blosser Abschreibungsbeschluss genügt diesem Erfordernis nicht. | Sachverhalt
ab Seite 334
BGE 125 III 334 S. 334
A.-
Gegen die M. AG war von der G. AG mit Zahlungsbefehl Nr. x des Betreibungsamtes Schaffhausen Betreibung für eine Forderung von Fr. 248'959.85 zuzüglich Zins eingeleitet worden.
Nachdem die M. AG Rechtsvorschlag erhoben hatte, reichte die G. AG am 29. Juli 1997 Klage für die genannte Forderung ein. Das Kantonsgericht Schaffhausen sistierte das Verfahren, nachdem über die G. AG der Konkurs eröffnet worden war, und setzte dem Konkursamt Schaffhausen eine Frist von 10 Tagen ab der zweiten Gläubigerversammlung, für den Fall des summarischen Konkursverfahrens von 20 Tagen nach Auflegung des Kollokationsplanes, um mitzuteilen, ob die Konkursmasse oder einzelne Gläubiger den Prozess fortsetzten.
BGE 125 III 334 S. 335
Am 3. Juni 1999 teilte das Konkursamt dem Kantonsgericht mit, das sistierte Verfahren könne infolge Verzichts auf die Klage als erledigt abgeschrieben werden. Daraufhin beschloss das Kantonsgericht am 8. Juni 1999, das Verfahren zufolge Klagerückzugs als erledigt abzuschreiben.
B.-
In der Folge ersuchte die M. AG das Betreibungsamt Schaffhausen um Löschung der Betreibung Nr. x. Das wurde vom Betreibungsamt mit Verfügung vom 15. Juni 1999 abgelehnt.
Die von der M. AG angerufene Aufsichtsbehörde des Kantons Schaffhausen über das Schuldbetreibungs- und Konkurswesen wies die Beschwerde am 9. Juli 1999 ab, was mit Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts vom 18. August 1999 geschützt wurde.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
Die Aufsichtsbehörde hat (mehrheitlich) die Voraussetzungen gemäss
Art. 8a Abs. 3 lit. a SchKG
für eine Verweigerung der Auskunft als nicht erfüllt betrachtet, weil die Betreibung nicht aufgrund eines Urteils förmlich aufgehoben worden sei. Zumindest müsste verlangt werden - erwägt sie im Wesentlichen -, dass im Urteil ungeachtet seiner konkreten Bezeichnung über die Rechtmässigkeit der Betreibungsforderung materiell entschieden worden sei. Nur dann könnte gegebenenfalls ohne nähere Beurteilung der Umstände gesagt werden, die Betreibung sei im Sinne des Gesetzeszwecks ungerechtfertigterweise erhoben worden. Bei einem blossen Klagerückzug komme es indessen nicht zu einem derartigen Erkenntnis, und dieses lasse sich nicht durch die materielle Rechtskraft des Erledigungsentscheides ersetzen.
2.
Dem hält die Beschwerdeführerin insbesondere entgegen, für die Verweigerung der Kenntnisgabe von Betreibungen sei einzig entscheidend, dass diese sich aufgrund eines rechtskräftigen Entscheides, in welcher prozessualen Form dieser auch immer ergangen sei, als nicht rechtens erwiesen hätten, und zwar ohne dass im Dispositiv des Entscheides ausdrücklich die Aufhebung der Vollstreckung angeordnet sein müsse. Wenn nach der bundesrätlichen Botschaft und der Lehre bereits bei abgewiesenem Gesuch um definitive, allenfalls auch provisorische Rechtsöffnung das Einsichtsrecht ausgeschlossen sei, müsse dies erst recht gelten, falls - wie im vorliegenden Fall - in einem den Zivilprozess abschliessenden Entscheid die materielle Rechtslage definitiv beurteilt worden sei. Dass über
BGE 125 III 334 S. 336
die Rechtmässigkeit der Betreibung materiell befunden worden sein müsse, lasse sich weder aus dem Wortlaut noch aus Sinn und Zweck von
Art. 8a Abs. 3 lit. a SchKG
ableiten. Ausschlaggebend bleibe, dass die Forderung definitiv negativ beurteilt worden sei. Im Ergebnis handle es sich zudem um einen dem Rückzug der Betreibung durch den Gläubiger gemäss
Art. 8a Abs. 3 lit. c SchKG
vergleichbaren Fall.
3.
Gemäss
Art. 8a Abs. 3 lit. a SchKG
, dessen Anwendung hier einzig in Frage steht, geben die Ämter Dritten von einer Betreibung u.a. dann keine Kenntnis, wenn die Betreibung aufgrund einer Beschwerde oder eines Urteils aufgehoben worden ist.
Selbst wenn eine förmliche Aufhebung der Betreibung im Urteilsdispositiv nicht notwendige Voraussetzung für die Verweigerung des Einsichtsrechts bildet (vgl. die in der bundesrätlichen Botschaft als Beispiele genannten Entscheidungen [BBl 1991 III, S. 32]; GASSER, Revidiertes SchKG - Hinweise auf kritische Punkte, in ZBJV 132/1996, S. 632), kann aufgrund der Entstehungsgeschichte sowie nach Sinn und Zweck der Norm nicht vom Erfordernis abgerückt werden, es müsse sich aus dem Ergebnis des Verfahrens ohne weiteres ergeben, dass die Betreibung bei ihrer Einleitung ungerechtfertigt gewesen und damit «festgestelltermassen zu Unrecht» erfolgt sei (BBl 1991 III, S. 30; GASSER, a.a.O., S. 631 und 632; GILLIÉRON, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, Lausanne 1999, Art. 8a N. 44).
An diesem unabdingbaren Erfordernis gebricht es in dem hier zu beurteilenden Fall. Das Verfahren auf Verpflichtung der Beschwerdeführerin zur Bezahlung von Fr. 248'959.85 ist zufolge Klagerückzugs als erledigt abgeschrieben worden. Die für das Einsichtsrecht entscheidende Frage, ob die in Betreibung gesetzte Forderung zu Recht bestehe, ist demnach im Verfahren unbeurteilt geblieben, und aufgrund des Verfahrensausgangs lässt sich ebensowenig ermitteln, ob die durch Rechtsvorschlag der Beschwerdeführerin gehemmte Betreibung seinerzeit ungerechtfertigterweise eingeleitet worden ist. Die Rechtskraftwirkung des Abschreibungsbeschlusses ändert daran nicht das Geringste; selbst wenn die Forderung nicht nochmals eingeklagt werden könnte, bliebe offen, ob die Betreibung seinerzeit rechtens gewesen sei. Nach der Lehre kann denn auch einzig der die Anerkennungsklage abweisende Entscheid Grundlage für die Auskunftsverweigerung über die betreffende Betreibung bilden (GASSER, a.a.O., S. 632; PETER, in: Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs,
BGE 125 III 334 S. 337
Basel/Genf/München 1998, Art. 8a N. 19; GILLIÉRON, a.a.O., Art. 8a N. 44). Das war bereits unter der Herrschaft des alten Rechts so (
BGE 115 III 81
E. 2, S. 86).
Was die Beschwerdeführerin einwendet, hilft darüber nicht hinweg; denn bezüglich der materiellen Begründetheit der eingeklagten Forderung - der Rechtslage - ist eben gerade nicht befunden worden; und die Forderung ist keineswegs definitiv negativ beurteilt worden, wie dies die Beschwerdeführerin behauptet. Da ein Klagerückzug nichts mit einem Rückzug der Betreibung gemein hat, lässt sich aus
Art. 8a Abs. 3 lit. c SchKG
ebensowenig etwas zu Gunsten der Beschwerdeführerin ableiten. | null | nan | de | 1,999 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
c80deefe-fbc5-4acc-b15a-093a6d1bbc4b | Urteilskopf
107 V 234
54. Extrait de l'arrêt du 24 novembre 1981 dans la cause Caisse nationale suisse d'assurance en cas d'accidents contre Neuenschwander et Tribunal cantonal jurassien | Regeste
Art. 67 Abs. 3 KUVG
.
Aussergewöhnliche Gefahren: Beteiligung an Raufereien und Schlägereien; Teilnahme und absichtliche Anwesenheit bei Unruhen (Begriff; Bestätigung der Rechtsprechung). | Erwägungen
ab Seite 234
BGE 107 V 234 S. 234
Extrait des considérants:
1.
Aux termes de l'
art. 67 al. 3 LAMA
, la Caisse nationale peut exclure de l'assurance des accidents non professionnels les dangers extraordinaires et les entreprises téméraires. Par décision du 31 octobre 1967 en vigueur dès le 1er janvier 1968, qui remplace des décisions antérieures libellées de manière analogue en ce qui concerne le risque examiné dans le cadre de la présente affaire, le conseil d'administration a décidé que les dangers extraordinaires suivants étaient notamment exclus de l'assurance des accidents non professionnels:
"1. La participation à des rixes et bagarres entre deux ou un plus grand nombre de personnes, à moins qu'il ne soit établi que l'assuré, sans avoir au préalable joué un rôle dans le différend, a été lui-même attaqué par les participants ou blessé en portant secours à autrui;
2. (...)
3. La résistance aux organes chargés de faire respecter l'ordre public; la participation et la présence volontaire à des troubles ou à des assemblées interdites par les autorités compétentes."
BGE 107 V 234 S. 235
2.
Les deux catégories de "dangers extraordinaires" mentionnées au considérant précédent visent des états de fait distincts:
a) Par rixes et bagarres, il faut entendre une querelle violente accompagnée de coups ou une mêlée de gens qui se battent. Il s'agit donc d'une notion plus large que celle qui figure à l'art. 133 CPS, telle que l'a définie la jurisprudence (
ATF 106 IV 250
consid. 3,
ATF 104 IV 57
consid. 2b). Comme le tribunal de céans l'a jugé à plusieurs reprises, il y a participation à une rixe ou à une bagarre au sens de la décision précitée du conseil d'administration de la Caisse nationale, non seulement quand l'intéressé prend part à de véritables actes de violence, mais déjà s'il s'est engagé dans l'altercation qui les a éventuellement précédés et qui, considérée dans son ensemble, recèle le risque qu'on pourrait en venir à des actes de violence. Celui qui participe à la dispute, avant que ne commencent les actes de violence proprement dits, se met automatiquement dans la zone de danger exclue de l'assurance (
ATF 99 V 9
; RJAM 1976, No 267 p. 206).
b) Constituent en revanche des troubles, au sens du chiffre 3 de la décision précitée, des affrontements collectifs, accompagnés ou non d'actes de violence, qui mettent sérieusement en danger l'ordre public. Selon la jurisprudence, il n'est nullement indispensable qu'il s'agisse de désordres déclarés, d'une émeute, d'une manifestation interdite ou armée (ATFA 1935 p. 39 consid. 3). Dans cette acception, sont des "troubles" un ensemble d'événements caractérisés par le désordre et l'agitation. Là encore, la notion est plus large que celle d'émeute au sens de l'art. 260 CPS, laquelle implique que des violences soient commises par la foule et non seulement par quelques individus (
ATF 103 IV 245
consid. 2). Au contraire, du point de vue de l'assurance sociale, il suffit que l'ordre public soit durablement et sérieusement troublé lors d'une manifestation quelconque (cf. sur l'ensemble du problème: ABRAVANEL: "La protection de l'ordre public dans l'Etat régi par le droit", rapport à la Société suisse des juristes, RDS 99/1980 p. 1 s., avec de nombreuses références à la jurisprudence et à la doctrine).
Dans le cas d'espèce, ... il s'est agi de véritables troubles au sens défini ci-dessus...
3.
La recourante n'allègue pas que l'intimé ait participé aux troubles en question. Elle soutient, en revanche, qu'il y fut volontairement présent, ce qui, selon la jurisprudence, suffit à
BGE 107 V 234 S. 236
exclure le risque de la couverture d'assurance, car cette exclusion n'est pas nécessairement subordonnée à une attitude téméraire ou répréhensible de l'assuré (spécialement visée d'autre part), ni à la condition qu'il se soit délibérément exposé à un danger, ou qu'il ait eu la prévision, ou même la conscience d'un danger déterminé soit du "danger extraordinaire couru" (fusillade, p.ex.). La preuve de cet élément subjectif (conscience d'un danger déterminé) serait au surplus, presque toujours, extrêmement difficile à fournir et impossible à contrôler. Le danger résulte objectivement et automatiquement de la seule présence. Celle-ci doit simplement être volontaire, c'est-à-dire émaner d'une volonté consciente et libre, s'exerçant sans contrainte morale (menace) ou physique (encerclement dans la foule). Encore faut-il que cette présence soit volontaire par rapport aux troubles eux-mêmes et non seulement par rapport à l'endroit où, à l'insu peut-être de la victime, ils se déroulent. Il est donc nécessaire que celle-ci ait conscience de l'existence de troubles à tel moment et dans tel lieu donné. Il peut, à la vérité, arriver à quelqu'un d'être présent à des troubles, mais de ne prendre conscience de l'existence de ceux-ci qu'au bout d'un certain temps. A partir de ce moment, toutefois, il a le devoir de s'éloigner aussitôt, sous peine d'encourir l'exclusion légale (ATFA 1935 p. 39 consid. 3 et p. 47 consid. 1). Comme l'a encore précisé la jurisprudence, il n'est pas possible de décider d'une manière générale à quelle distance du centre des troubles doit se trouver l'intéressé pour qu'on puisse parler d'une présence à ces derniers. Cela doit être jugé de cas en cas, notamment en fonction de la grandeur du périmètre où se déroule l'action et de l'usage qui est fait des moyens de combat (ATFA 1935 p. 47 consid. 1). | null | nan | fr | 1,981 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
c813ed60-cbc6-4a93-b744-11dd2c3718bb | Urteilskopf
139 V 537
72. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. Bundesamt für Sozialversicherungen gegen G. (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
9C_189/2013 vom 13. Dezember 2013 | Regeste
Art. 9 Abs. 3 und 4 AHVG
;
Art. 23 Abs. 4 und
Art. 27 Abs. 1 AHVV
; AHV/IV/EO-Beitragsfestsetzung bei selbstständiger Erwerbstätigkeit; Aufrechnung persönlicher AHV/IV/EO-Beiträge aufgrund der am 1. Januar 2012 in Kraft getretenen Anpassung des AHVG zur Verbesserung der Durchführung der AHV.
Das von der Steuerbehörde der Ausgleichskasse gemeldete Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit ist AHV-beitragsrechtlich als Nettoeinkommen zu betrachten und zur Bemessung der AHV/IV/EO-Beiträge von der Kasse auf 100 Prozent aufzurechnen (E. 5.5). Davon ist indes abzuweichen, wenn der Ausgleichskasse durch die Steuermeldung klar, ausdrücklich und vorbehaltlos bestätigt wird, dass kein Abzug vorgenommen worden ist (E. 6). | Sachverhalt
ab Seite 538
BGE 139 V 537 S. 538
A.
A.a
Die Steuerverwaltung des Kantons Zug meldete der Ausgleichskasse des Kantons Zug (nachfolgend: Ausgleichskasse) am 10. Januar 2012 ein für G. für das Geschäftsjahr 2008 definitiv veranlagtes Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit in Höhe von Fr. 9'934.-. Die im Meldeformular aufgeführte Frage, ob davon die persönlichen AHV/IV/EO-Beiträge abgezogen worden seien, wurde verneint. Aufgrund dieser Meldung nahm die Ausgleichskasse am 9. Februar 2012 zunächst schriftlich mit G. Kontakt auf und bat um die im Hinblick auf den Anschluss an die Kasse als Selbstständigerwerbender erforderlichen Angaben. Mit Beitragsverfügung vom 24. April 2012 setzte sie für G. den AHV/IV/EO-Beitrag für selbstständige Erwerbstätigkeit (inkl. Verwaltungskosten) für das Jahr 2008 auf Fr. 526.80 fest. Sie rechnete bei der Beitragsbemessung persönliche Beiträge von Fr. 534.- auf.
A.b
Auch in der Steuermeldung vom 7. August 2012 für das Geschäftsjahr 2009 wurde die Frage verneint, ob die persönlichen
BGE 139 V 537 S. 539
AHV/IV/EO-Beiträge vom Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit abgezogen worden seien. Mit Beitragsverfügung vom 14. August 2012 rechnete die Ausgleichskasse dem Versicherten persönliche Beiträge in der Höhe von Fr. 8'192.- auf. Sie verpflichtete ihn, für das Beitragsjahr 2009 AHV/IV/EO-Beiträge in der Höhe von Fr. 8'376.60 (inkl. Verwaltungskosten) zu bezahlen. Die von G. hiegegen erhobene Einsprache wies sie mit Entscheid vom 7. November 2012 ab.
B.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Zug hiess die von G. dagegen eingereichte Beschwerde mit Entscheid vom 31. Januar 2013 insoweit gut, als es feststellte, die Aufrechnung der persönlichen AHV/IV/EO-Beiträge durch die Ausgleichskasse sei nicht gerechtfertigt. Es wies die Sache zur Neufestlegung der Beiträge im Sinne der Erwägungen an die Verwaltung zurück. Im Übrigen wies es die Beschwerde ab.
C.
C.a
Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) erhebt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und beantragt die Aufhebung des kantonalen Entscheides und Bestätigung des Einspracheentscheides. Eventualiter sei der Entscheid des Verwaltungsgerichts aufzuheben und die Sache an die Ausgleichskasse zurückzuweisen, damit sie das Einspracheverfahren sistiere, bis ihr die Steuerbehörde den Entscheid über die eventuelle nachträgliche Berücksichtigung der persönlichen AHV/IV/EO-Beiträge in der Steuerveranlagung mitgeteilt haben werde.
G. beantragt insoweit die Gutheissung der Beschwerde, als der Einspracheentscheid aufzuheben sei; die Sache sei mit der Massgabe an die Ausgleichskasse zurückzuweisen, dass die in Deutschland entrichteten Sozialbeiträge bei der Berechnung mitzuberücksichtigen sind. Im Weiteren sei die Beschwerde abzuweisen.
Die Vorinstanz beantragt die Abweisung, die Ausgleichskasse die Gutheissung der Beschwerde.
C.b
Mit Schreiben vom 2. Oktober 2013 beantwortet die Steuerverwaltung des Kantons Zug nach Rückfrage bei dem für G. zuständigen Bücherexperten die ihr vom Bundesgericht mit Schreiben des Instruktionsrichters vom 24. September 2013 unterbreiteten nachstehenden Fragen wie folgt (
Antworten kursiv
):
1. Trifft die in Ihrer Meldung vom 7. August 2012 gemachte Angabe ("nein") zu, dass vom Einkommen aus selbstständiger
BGE 139 V 537 S. 540
Erwerbstätigkeit in Höhe von Fr. 82'237.- die persönlichen AHV/IV/EO-Beiträge nicht abgezogen worden waren?
Ja; zumindest ist aus der Jahresrechnung nichts anderes ersichtlich (kein Aufwandkonto "Sozialversicherungsbeiträge").
2. Bei Bejahung von Frage Ziff. 1: Was ist der Grund für den fehlenden Abzug der Selbstständigenbeiträge im steuerlichen Veranlagungsverfahren?
Ein solcher Abzug wurde weder deklariert noch beantragt.
2.1. Bestand der Grund darin, dass der Steuerpflichtige keine solchen Beiträge deklariert hatte?
Ja, der Steuerpflichtige hatte keine solchen Beiträge deklariert.
2.2 Bestand der Grund darin, dass die Selbstständigenbeiträge vonseiten Ihrer Behörde nicht als abzugsfähig anerkannt worden sind?
Nein.
2.3 Waren eventuell im Zeitpunkt der Meldung vom 7. August 2012 die auch für die Meldung früherer Jahre erforderlichen Verfahrens- oder Formularanpassungen noch nicht umgesetzt?
Nein
.
2.4 Andere Gründe?
Keine.
3. Falls das der Ausgleichskasse gemeldete Einkommen tatsächlich im Rahmen der Steuerveranlagung abzugsfähige, aber effektiv nicht abgezogene AHV/IV/EO-Beiträge umfasste: Wie hoch war deren Betrag?
Wird von der AHV aufgrund unserer Meldung berechnet. Unsererseits ist dieser Betrag nicht feststellbar.
4. Hat der Steuerpflichtige gegen die ihm am 22. Mai 2012 eröffnete Steuer-Hauptveranlagung, auf die sich Ihre Meldung vom 7. August 2012 stützte, Einsprache erhoben? Wenn dies der Fall ist, bitten wir Sie um Informationen zum Stand und Ausgang des Verfahrens.
Nein, er hat dagegen keine Einsprache bzw. keinen Rekurs erhoben. Es handelt sich hier um einen Einspracheentscheid. Dieser ist mittlerweile in Rechtskraft erwachsen.
5. Haben Sie aus Ihrer Sicht Bemerkungen zu machen?
Nein, keine Bemerkungen.
C.c
Im Rahmen des zweiten Schriftenwechsels hält das BSV an den gestellten Rechtsbegehren fest; die Vorinstanz verzichtet auf eine weitere Stellungnahme; G. hält in einer nach Ablauf der gesetzten Frist am 30. Oktober 2013 (Poststempel) durch eine nicht bevollmächtigte Person in seinem Auftrag unterzeichneten Stellungnahme sinngemäss an den gestellten Anträgen (C.a) fest.
BGE 139 V 537 S. 541
D.
Das Bundesgericht hat am 13. Dezember 2013 eine publikumsöffentliche Beratung durchgeführt.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
2.1
Vom Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit werden Beiträge erhoben (Art. 3 f. und 8 f. AHVG;
Art. 2 und 3 IVG
;
Art. 26 und 27 EOG
[SR 834.1]). Das Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit und das im Betrieb eingesetzte eigene Kapital werden von den kantonalen Steuerbehörden ermittelt und den Ausgleichskassen gemeldet (
Art. 9 Abs. 3 AHVG
). Die Angaben der kantonalen Steuerbehörden sind für die Ausgleichskassen verbindlich (
Art. 23 Abs. 4 AHVV
[SR 831.101]). Die Ausgleichskassen verlangen für die ihnen angeschlossenen Selbstständigerwerbenden von den kantonalen Steuerbehörden die für die Berechnung der Beiträge erforderlichen Angaben. Das Bundesamt erlässt Weisungen über die erforderlichen Angaben und das Meldeverfahren (
Art. 27 Abs. 1 AHVV
).
2.2
Aufgrund der Änderung vom 17. Juni 2011 des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG; Verbesserung der Durchführung; AS 2011 4745; BBl 2011 543) trat am 1. Januar 2012
Art. 9 Abs. 4 AHVG
in Kraft, welcher regelt, dass die steuerrechtlich zulässigen Abzüge der Beiträge von den Ausgleichskassen zum von den Steuerbehörden gemeldeten Einkommen hinzuzurechnen sind. Das gemeldete Einkommen ist dabei nach Massgabe der geltenden Beitragssätze auf 100 Prozent aufzurechnen. Unter dem Titel "Aufrechnung steuerrechtlich zulässiger Abzüge" sieht die diesbezügliche Übergangsbestimmung des AHVG vor, dass
Art. 9 Abs. 4 AHVG
für alle Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit gilt, die nach dem Inkrafttreten dieser Änderung von den Steuerbehörden gemeldet werden.
2.3
Das BSV hat die Ausgleichskassen in Rz. 1095 der Wegleitung über die Beiträge der Selbstständigerwerbenden und Nichterwerbstätigen (WSN) in der AHV, IV und EO (gültig ab 1. Januar 2012;
http://www.bsv.admin.ch/vollzug/documents/view/2921/lang:de/category:22
) angewiesen, die für die Bestimmung des steuerbaren Einkommens in Abzug gebrachten persönlichen AHV/IV/EO-Beiträge aufzurechnen. Sie haben gemäss Rz. 1169 WSN die von den Steuerbehörden gemeldeten Einkommen als Nettoeinkommen zu
BGE 139 V 537 S. 542
betrachten. Entsprechend wiederholt Rz. 1170 WSN, dass die Kassen die AHV/IV/EO-Beiträge zum gemeldeten Einkommen hinzuzurechnen haben. Nach Rz. 1170.2 (eingefügt auf den 1. Januar 2013) haben sie die Beiträge selbst dann aufzurechnen, wenn steuerrechtlich keine Abzüge gewährt wurden oder die steuerrechtlichen Abzüge höher oder tiefer waren als die von der Ausgleichskasse zugelassenen.
3.
Letztinstanzlich ist nur mehr strittig, ob die Ausgleichskasse bei der Bemessung der für das Jahr 2009 zu entrichtenden AHV/IV/EO-Beiträge des Beschwerdegegners auf dem von der Steuerbehörde gemeldeten Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit persönliche Beiträge aufrechnen durfte.
3.1
Die Vorinstanz erwog, es lasse sich aus der am 7. August 2012 ergangenen Meldung der Steuerbehörde unschwer schliessen, dass es sich bei dem angegebenen Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit nicht um ein Netto-, sondern um ein Bruttoeinkommen handelte. Die Ausgleichskasse habe es trotzdem aufgerechnet, weil die Weisungen des BSV für sie verbindlich und vorbehaltlos anzuwenden seien. Diese seien jedoch für das Gericht nicht verbindlich; es dürfe jedenfalls dann davon abweichen, wenn ihre Anwendung mit dem Gesetz nicht vereinbar sei bzw. zu einem falschen Ergebnis führe. Da sich in casu aus dem Hinweis in der Meldung der Steuerbehörde unmissverständlich ergebe, dass diese vorliegend einen Bruttolohn meldete bzw. melden wollte, vermöchten die neuen Rz. 1169 ff. WSN (E. 2.3) eine Aufrechnung der persönlichen Beiträge ohne weitere Abklärungen nicht zu rechtfertigen. Sie wies die Sache zur Abklärung des Nettoeinkommens aus selbstständiger Erwerbstätigkeit und zur Neubestimmung der AHV/IV/EO-Beiträge an die Ausgleichskasse zurück.
3.2
Das BSV hält dagegen, die Beitragsaufrechnungspflicht nach
Art. 9 Abs. 4 AHVG
sei den Ausgleichskassen gesetzlich auferlegt. Nach der Übergangsbestimmung gelte sie explizit für alle Einkommen, die nach dem 1. Januar 2012 gemeldet würden. Diese Einkommen gälten als Nettoeinkommen, und zwar unbekümmert darum, ob die von den Steuerbehörden tatsächlich berücksichtigten persönlichen AHV/IV/EO-Beiträge höher oder tiefer waren als die von der Ausgleichskasse bei der Aufrechnung des gemeldeten Einkommens ermittelten. Dies sei auch dann der Fall, wenn steuerseitig überhaupt kein Abzug berücksichtigt worden sei. Nach den Intentionen des Gesetzgebers solle diese Festlegung jegliche Diskussionen um die
BGE 139 V 537 S. 543
zutreffende Höhe der Beitragsrechnung ausschliessen und die Durchführung erleichtern.
Art. 9 Abs. 4 AHVG
stelle eine gesetzliche Fiktion auf, die nicht widerlegt werden könne. Jede andere Betrachtungsweise würde dazu führen, dass die Ausgleichskassen die Richtigkeit der Steuermeldungen in jedem Fall anhand der Steuerveranlagungen überprüfen müssten. Gerade dem habe der Gesetzgeber jedoch mit der Regelung in
Art. 9 Abs. 4 AHVG
vorbeugen wollen. Die Bindungswirkung von
Art. 9 Abs. 4 AHVG
ergänze die in
Art. 23 Abs. 4 AHVV
statuierte Verbindlichkeit der Steuermeldungen. Als gesetzliche Fiktion sei sie von den Gerichten zu beachten.
4.
4.1
Wie zur damaligen Rechtslage bereits in
BGE 111 V 289
f. festgehalten wurde, besteht der Zweck der Beitragsaufrechnung darin, die unterschiedliche Behandlung der persönlichen Beiträge in Bundessteuer- und AHV-Recht dadurch auszugleichen, dass das von der Steuerbehörde gemeldete Nach-Abzugseinkommen um den steuerlich anerkannten Beitragsabzug erhöht, d.h. eine steuerlich zulässige Operation rückgängig gemacht wird. Aufgerechnet werden durfte von der Ausgleichskasse darum nur, was vorher abgezogen werden konnte (E. 4e). Vermerkte die Steuerbehörde in ihrer Meldung, dass in der Steuererklärung keine Beiträge abgezogen wurden, oder erbrachte der Versicherte den Nachweis dafür, hatte eine Aufrechnung zu unterbleiben (E. 4g).
4.2
Die Beitragsaufrechnung, die früher primär Aufgabe der Ausgleichskassen war, wurde vom Bundesrat mit einer am 1. März 2000 beschlossenen und auf den 1. Januar 2001 in Kraft getretenen Änderung des
Art. 27 Abs. 1 AHVV
(AS 2000 1441) auf die Steuerbehörden übertragen: Die Ausgleichskassen verlangten für die ihnen angeschlossenen Selbstständigerwerbenden von den kantonalen Steuerbehörden die für die Berechnung der Beiträge erforderlichen Angaben. In Abzug gebrachte Beiträge an die AHV sowie an die EO waren von den Steuerbehörden wieder aufzurechnen (siehe dazu auch Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts H 185/04 vom 24. August 2005 E. 2.2, 3.2 und 3.3).
4.3
Wie die Botschaft vom 3. Dezember 2010 zur Änderung des AHVG (Verbesserung der Durchführung; BBl 2011 543) ausführt, haben sich nach der Einführungsphase der neuen Kompetenzverteilung rasch Durchführungsschwierigkeiten gezeigt. Die Ausgleichskassen mussten daher in vielen Fällen die Beitragsaufrechnung
BGE 139 V 537 S. 544
gestützt auf ihre eigenen Daten vornehmen. Mit der im Rahmen der erwähnten Botschaft vorgelegten Änderung sollte nach den Ausführungen des Bundesrates die bisherige Aufrechnungsregelung zwar materiell unverändert in den neuen Abs. 4 von
Art. 9 AHVG
überführt werden. Im Interesse der Rechtsgleichheit und Praxistauglichkeit waren jedoch die kantonalen Steuerbehörden von der Beitragsaufrechnung und vom entsprechenden Meldeverkehr zu entlasten. Die Aufrechnung werde den Ausgleichskassen im Bewusstsein übertragen, dass die auf Steuerseite tatsächlich abgezogenen Beiträge nicht zwingend mit den auf AHV-Seite aufgerechneten übereinstimmten. Denn die Ausgleichskassen würden den steuerlichen Abzug nicht kennen und er werde ihnen auch nicht mehr gemeldet. Um Diskussionen bezüglich der nicht übereinstimmenden Beträge auf Steuer- und AHV-Seite im Einzelfall vorzubeugen, sei die neue Lösung auf Gesetzesstufe zu verankern. Die im neuen
Art. 9 Abs. 4 AHVG
vorgeschlagene prozentuale Beitragsaufrechnung gehe davon aus, dass es sich bei dem von den Steuerbehörden gemeldeten Einkommen um ein Nettoeinkommen handle, die AHV/IV/EO-Beiträge also in Abzug gebracht worden seien (BBl 2011 551 ff.).
5.
Nachdem der bis zur Änderung auf den 1. Januar 2001 herrschende Rechtszustand (Aufrechnung durch die Ausgleichskassen; E. 4.1) in der Praxis nicht befriedigte und die vorübergehende Kompetenzumverteilung (Aufrechnung durch die Steuerbehörden; E. 4.2) durch die Anpassung des AHVG vom 17. Juni 2011 wegen Durchführungsschwierigkeiten wieder rückgängig gemacht wurde (E. 4.3), stellt sich die Frage, wie es sich mit der Beitragsaufrechnung durch die Ausgleichskassen unter der neuen Regelung verhält.
5.1
Das Gesetz muss in erster Linie aus sich selbst heraus, das heisst nach dem Wortlaut, Sinn und Zweck und den ihm zugrunde liegenden Wertungen auf der Basis einer teleologischen Verständnismethode ausgelegt werden. Die Gesetzesauslegung hat sich vom Gedanken leiten zu lassen, dass nicht schon der Wortlaut die Norm darstellt, sondern erst das an Sachverhalten verstandene und konkretisierte Gesetz. Gefordert ist die sachlich richtige Entscheidung im normativen Gefüge, ausgerichtet auf ein befriedigendes Ergebnis der ratio legis. Dabei befolgt das Bundesgericht einen pragmatischen Methodenpluralismus und lehnt es namentlich ab, die einzelnen Auslegungselemente einer hierarchischen Ordnung zu unterstellen. Die Gesetzesmaterialien können beigezogen werden, wenn sie auf die streitige Frage eine klare Antwort geben (
BGE 136 III 23
E. 6.6.2.1 S. 37;
BGE 139 V 537 S. 545
BGE 136 V 195
E. 7.1 S. 203;
BGE 135 V 50
E. 5.1 S. 53;
BGE 134 II 308
E. 5.2 S. 311). Verordnungsrecht ist gesetzeskonform auszulegen. Es sind die gesetzgeberischen Anordnungen, Wertungen und der in der Delegationsnorm eröffnete Gestaltungsspielraum mit seinen Grenzen zu berücksichtigen (
BGE 137 V 167
E. 3.3 S. 170 f. mit Hinweisen).
5.2
Wie in E. 2.1-2.3 dargelegt, werden nach dem Wortlaut von
Art. 9 Abs. 3 AHVG
das Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit und das im Betrieb eingesetzte eigene Kapital von den kantonalen Steuerbehörden ermittelt und den Ausgleichskassen gemeldet. Gemäss dem auf den 1. Januar 2012 in Kraft getretenen
Art. 9 Abs. 4 AHVG
sind von den Ausgleichskassen die steuerrechtlich zulässigen Abzüge der Beiträge nach
Art. 8 AHVG
sowie nach
Art. 3 Abs. 1 IVG
und
Art. 27 Abs. 2 EOG
zum von den Steuerbehörden gemeldeten Einkommen hinzuzurechnen. Das gemeldete Einkommen ist dabei nach Massgabe der geltenden Beitragssätze auf 100 Prozent aufzurechnen.
5.3
Der Wortlaut der gesetzlichen Regelung ist insofern klar, als es sich bei dem von der Steuerbehörde zu meldenden Einkommen um das um die steuerrechtlich zulässigen AHV/IV/EO-Beitragsabzüge gekürzte Nettoeinkommen handeln soll. Es ist durch die Ausgleichskasse auf 100 Prozent aufzurechnen. Hierzu wird - auf Verordnungsstufe (
Art. 23 Abs. 4 AHVV
) - geregelt, dass die Angaben der Steuerbehörden für die Ausgleichskassen verbindlich sind.
5.4
Sinn und Zweck der Neuregelung ergibt sich aus der bundesrätlichen Botschaft zur Verbesserung der Durchführung des AHVG (oben E. 4.3) mit aller Deutlichkeit. Im Sinne einer administrativen Vereinfachung und einheitlichen Gesetzesanwendung sollen die Steuerbehörden von der Beitragsaufrechnung und vom entsprechenden Meldeverkehr entlastet werden. Diese Gesetz gewordene legislatorische Absicht nimmt bewusst in Kauf, dass die auf Steuerseite abgezogenen Beiträge nicht zwingend mit den auf AHV-Seite aufgerechneten übereinstimmen, da der steuerliche Abzug der Ausgleichskasse nicht gemeldet wird. Der klare Sinn und Zweck der Bundesrechtsanpassung besteht in der Vereinfachung der Arbeitsabläufe auf Seiten der Steuerbehörden und Ausgleichskassen.
5.5
Nach Wortlaut, Sinn und Zweck der neuen Regelung liegt somit die ratio legis der Änderung darin, dass die Ausgleichskasse sich in Abweichung zur alten Praxis (
BGE 111 V 289
) gerade nicht mehr
BGE 139 V 537 S. 546
darum kümmern muss und soll, ob und was die Steuerbehörde vom gemeldeten Einkommen abgezogen hat. Sie hat davon auszugehen, dass das gemeldete Einkommen beitragsrechtlich ein Nettoeinkommen ist, und hat die AHV/IV/EO-Beiträge auf dieses aufzurechnen. In diesem Sinn trifft die Umschreibung des BSV, Abs. 4 von
Art. 9 AHVG
stelle eine nicht zu widerlegende gesetzliche Fiktion auf, den Rechtssinn der Neuregelung. Es ist darin nicht eine stossende Beitragserhebung zu erblicken; der Versicherte deklariert im Steuerveranlagungsverfahren die Sozialversicherungsbeiträge und kann steuerrechtlich Einsprache erheben, wenn er feststellt, dass der Abzug nicht ordnungsgemäss vorgenommen wurde. Es gilt auch in diesem Kontext der seit jeher beachtete Grundsatz, dass der Steuerpflichtige seine Rechte bezüglich des Ausmasses der Beitragspflicht im steuerrechtlichen Veranlagungs- und Rechtsmittelverfahren zu wahren hat (
BGE 110 V 369
E. 2a S. 370 mit Hinweisen). Sieht er davon ab, bleibt es grundsätzlich bei der Steuermeldung.
6.
Davon ist indes abzuweichen, wenn - wie hier - durch die Steuermeldung klar, ausdrücklich und vorbehaltlos bestätigt wird, dass kein Abzug vorgenommen worden ist. In der Steuermeldung für das Geschäftsjahr 2009 ist gegenüber der Ausgleichskasse die Frage, ob die persönlichen AHV/IV/EO-Beiträge vom Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit abgezogen worden seien, verneint worden (A.b). Wie die Nachfrage des Bundesgerichts bei der kantonalen Steuerverwaltung (C.b) ergeben hat, wurde das der Ausgleichskasse gemeldete Einkommen ohne Abzug von AHV/IV/EO-Beiträgen veranlagt, weil der Beschwerdegegner einen solchen nicht deklariert oder beantragt hatte. Wenn jedoch bei der Steuerveranlagung erklärtermassen keine Abzüge gemacht worden sind und für die Ausgleichskasse unmissverständlich ein Bruttoeinkommen gemeldet wird, hat eine prozentuale Aufrechnung im Sinne von
Art. 9 Abs. 4 AHVG
nicht zu erfolgen. Denn gemäss Botschaft zur Verbesserung der Durchführung der AHV (E. 4.3 hievor) hatte der Gesetzgeber klarerweise das Bild vor Augen, dass auf der Steuerseite
tatsächlich
Beiträge abgezogen werden. Damit ist der vorinstanzliche Entscheid im Ergebnis richtig, weshalb die Verwaltung die strittigen Beiträge neu festzulegen hat. | null | nan | de | 2,013 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
c816e7b9-2841-4539-90e5-29209303203e | Urteilskopf
115 II 451
79. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 24. Oktober 1989 i.S. A. AG gegen Firma F. (Berufung) | Regeste
Kaufvertrag; Selbsthilfeverkauf bei Annahmeverzug des Käufers.
Der Verkäufer ist weder gemäss
Art. 93 Abs. 1 OR
noch aufgrund einer Sondervorschrift des Kaufvertragsrechts zur Vornahme eines Selbsthilfeverkaufs verpflichtet. Eine solche Pflicht kann sich dagegen aus dem Gebot des Handelns nach Treu und Glauben oder unmittelbar aus dem Vertragsverhältnis ergeben, setzt aber voraus, dass die Unterlassung des Selbsthilfeverkaufs einem Rechtsmissbrauch gleichkäme. | Sachverhalt
ab Seite 451
BGE 115 II 451 S. 451
Die A. AG mit Sitz im Kanton Thurgau handelt mit Stoffen. Sie unterhielt seit 1985 Geschäftsbeziehungen zur italienischen Firma F., die eine Weberei betreibt.
Mit Schreiben vom 22. Januar und 3. Februar 1987 teilte die A. AG der F. mit, sie annulliere alle Aufträge und werde keine Ware mehr entgegennehmen. Davon betroffen waren Stoffsendungen, für welche die F. mit Rechnungen vom 21. November und 19. Dezember 1986 sowie vom 13. Januar 1987 die Zahlung von insgesamt DM 173'256.01 verlangt hatte. Vorher hatte sie der A. AG zwei Auftragsbestätigungen vom 3. Juli und 18. Dezember 1986 zukommen lassen, auf welche diese nicht geantwortet hatte. Eine Mahnung vom 5. März 1987, die Rechnungen zu begleichen, blieb ohne Erfolg.
Im Juni 1987 reichte die F. beim Bezirksgericht Münchwilen Klage ein. Mit Urteil vom 14. Januar 1988 verpflichtete das Bezirksgericht die A. AG zur Zahlung von Fr. 143'802.-- nebst Zins. Auf Appellation der Beklagten wurde dieses Urteil am
BGE 115 II 451 S. 452
8. September 1988 vom Obergericht des Kantons Thurgau bestätigt.
Das Bundesgericht weist die von der Beklagten gegen das Urteil des Obergerichts erhobene Berufung ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
Unbegründet ist schliesslich auch der Vorwurf, die Klägerin habe ihre Pflicht zur Schadenminderung verletzt, weil sie nicht nach
Art. 93 Abs. 1 OR
vorgegangen sei und die Stoffe nicht sofort habe öffentlich verkaufen lassen. Aus dieser Bestimmung ergibt sich lediglich das Recht, nicht aber die Pflicht des Sachleistungsschuldners zur Vornahme eines Selbsthilfeverkaufes. Eine solche Pflicht lässt sich auch nicht aus einer Sondervorschrift des Kaufvertragsrechts ableiten. In der Lehre ist allerdings anerkannt, dass der Schuldner ausnahmsweise gehalten ist, die Sache verkaufen zu lassen. Diese Pflicht gründet nach der einen Auffassung auf dem Gebot des Handelns nach Treu und Glauben (OSER/SCHÖNENBERGER, N. 3 zu
Art. 93 OR
; BUCHER, OR Allg. Teil, 2. Aufl., S. 322 Fn. 16 uns S. 323); nach der anderen ergibt sie sich unmittelbar aus dem Vertragsverhältnis (VON TUHR/ESCHER, Allg. Teil OR, Bd. II, S. 82 Fn. 57; ENGEL, Traité des obligations en droit suisse, S. 449). Wie WEBER (N. 8 zu
Art. 93 OR
) jedoch zutreffend hervorhebt, bejahen alle Autoren eine Verpflichtung zum Verkauf nur dann, wenn vorauszusehen ist, dass andernfalls eine erhebliche Schädigung des Gläubigers eintreten würde, d.h. die Unterlassung des Schuldners einem Rechtsmissbrauch gleichkäme. Dafür fehlen im vorliegenden Fall aber jegliche Anhaltspunkte. Dass die Stoffe angeblich modebedingten Nachfrageschwankungen unterliegen, reicht jedenfalls unter Berücksichtigung des klar vertragswidrigen Verhaltens der Beklagten für sich allein nicht aus, den Verzicht der Klägerin auf einen Selbsthilfeverkauf als rechtsmissbräuchlich erscheinen zu lassen. | public_law | nan | de | 1,989 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
c81c2366-0e9e-46f4-8185-cfe28d28e7a0 | Urteilskopf
81 II 473
73. Sentenza 11 novembre 1955 della II Corte civile nella causa Intervisa SA e Visafin SA contro Visa SA, in liquidazione concordataria. | Regeste
Streitwert bei einer Klage auf Anfechtung des Kollokationsplanes im Verfahren des Nachlassvertrages mit Vermögensabtretung nach
Art. 316 a ff. SchKG
.
Anwendung von
Art. 46 OG
. | Sachverhalt
ab Seite 474
BGE 81 II 473 S. 474
Con decreto 28 aprile 1955, il Pretore di Locarno-Città respingeva in ordine, siccome improponibili da parte di persona reclusa al Penitenziario cantonale e posta sotto tutela, due azioni di contestazione della graduatoria promosse da Henzi in qualità di amministratore delle società anonime Intervisa e Visafin contro la Visa S. A., in liquidazione concordataria. Adita con un'appellazione in via di ricorso, la Camera civile del Tribunale di appello confermava il giudizio pretoriale, con sentenza 8 luglio 1955.
Le società Intervisa e Visafin hanno interposto tempestivamente un ricorso per riforma al Tribunale federale, chiedendo che la sentenza querelata sia annullata e che le autorità giudiziarie ticinesi siano indotte a provvedere alla regolare intimazione delle due petizioni di contestazione della graduatoria.
Erwägungen
Considerando in diritto:
In virtù dell'
art. 46 OG
, nelle cause per diritti di carattere pecuniario diversi da quelli previsti all'
art. 45 OG
il ricorso per riforma è ricevibile solo quando, secondo le conclusioni delle parti, il valore litigioso davanti all'ultima giurisdizione cantonale raggiungeva ancora 4000 franchi almeno. Trattandosi di cause di contestazione della graduatoria tendenti a far ammettere un credito, la giurisprudenza costante del Tribunale federale ha d'altro canto stabilito che il valore litigioso, almeno per il ricorso davanti al Tribunale federale, non è determinato dall'importo del credito, bensì da quello del dividendo massimo spettante a questo credito (RU 79 III 173;
65 III 30
e sentenze ivi citate). Questa regola, che è stata ammessa con esplicito riferimento alla procedura di fallimento, dev'essere ritenuta applicabile anche nel caso di una procedura di concordato con abbandono dell'attivo nel senso degli
art. 316 a sgg
. LEF, che nelle sue grandi linee corrisponde a quella di fallimento.
BGE 81 II 473 S. 475
Ora, da un rapporto 7 novembre 1955 dell'Ufficio fallimenti di Locarno risulta che gli attivi da ripartire della Visa S. A. in liquidazione concordataria ascendono a 11 085 fr. 93, di cui 8099 fr. 43 per i creditori di V classe, e che i crediti di V classe ammontano a 325 169 fr. 27 e raggiungerebbero la somma di 373 002 fr. 97 se vi fossero inclusi il credito di 24 237 fr. della Visafin S. A. e quello di 23 596 fr. 70 dell'Intervisa S. A.
Calcolato in base a un'aliquota massima di riparto del 2,1%, il dividendo complessivo che spetterebbe alla Visafin S. A. per il suo credito nei confronti della Visa S. A. sarebbe dunque di soli 500 franchi in cifra tonda. Poichè il valore litigioso è in tali circostanze lungi dall' essere raggiunto, il ricorso della Visafin S. A. è irricevibile.
Dispositiv
Il Tribunale federale pronuncia:
Il ricorso è irricevibile. | public_law | nan | it | 1,955 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
c8218626-877a-4a74-96b2-d0fefbd8a84c | Urteilskopf
106 IV 74
26. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 2. April 1980 i.S. G. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde) | Regeste
Art. 19 Ziff. 1 Abs. 4 und 6 BetmG
.
Anstalten zum unbefugten Verkauf von Betäubungsmitteln; Begriff. | Erwägungen
ab Seite 74
BGE 106 IV 74 S. 74
Aus den Erwägungen:
3.
Der Gesetzgeber hat bewusst nicht nur den Kauf, Verkauf, die Einfuhr, Lagerung usw. von Betäubungsmitteln unter Strafe gestellt, sondern Vorbereitungshandlungen qualifizierter Art zu einem Sondertatbestand erhoben. Strafbare Anstalten zum Betäubungsmittelhandel sind schon gegeben, bevor ein (tauglicher oder untauglicher) Versuch des Erwerbs, der Vermittlung usw. vorliegt.
In dem mit Recht zitierten
BGE 104 IV 40
hat der Kassationshof die Grenze zwischen straflosen Vorstadien und strafbaren Anstalten gezogen. Blosse Pläne künftigen Rauschgifthandels, theoretische Überlegungen über mögliche Erwerbsquellen oder Bezüger reichen nicht aus. Wer jedoch mit der Absicht des Drogenhandels mit dem entsprechenden Milieu Kontakt aufnimmt, wer Bezugsquellen und Absatzmöglichkeiten auskundschaftet oder die Grenzkontrollen prüft, der erfüllt den Tatbestand strafbarer Anstalten im Sinne von
Art. 19 BetmG
.
BGE 106 IV 74 S. 75
Anstalten treffen kann auch, wer letztlich überhaupt nicht an Betäubungsmittel herankommt. Ob es ihm nicht gelingt, entsprechende Quellen ausfindig zu machen, oder ob die entsprechenden Milieukreise ihn wie hier mit Lieferung anderer Substanzen hereinlegen wollen, spielt dabei keine Rolle.
4.
Der Beschwerdeführer hat nach den verbindlichen tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz (
Art. 227bis Abs. 1 BStP
) systematisch eine ganze Reihe von Anstalten getroffen, um das von ihm geplante grosse Heroingeschäft zu tätigen: Er fuhr von der Schweiz nach Deutschland, um die Adresse von Lieferanten ausfindig zu machen. Er reiste nach Italien, um mit Abnehmem zu verhandeln. Er investierte erheblich viel Zeit und Geld in wiederholten Reisen nach Deutschland, Griechenland, Italien und der Türkei für die Unterhandlungen über die Liefer- und Abnahmebedingungen. Er nahm bedeutende Geldmittel entgegen und offerierte den türkischen Partnern entsprechende Anzahlungen. Er besichtigte die in Plastiksäcken verpackte Ware. Dass diese aus Kalk statt des versprochenen Heroins bestand, ändert nichts daran, dass der Beschwerdeführer sehr intensive Anstalten für den Betäubungsmittelhandel getroffen hat. Sogar wenn er auf der Lieferantenseite überhaupt nicht an potentielle Heroinverkäufer herangekommen wäre, bliebe er wegen seiner Verhandlungen und Abmachungen mit den italienischen Abnehmern strafbar. Hier behauptet er übrigens selbst nicht, die entsprechenden Veranstaltungen seien von ihm oder den Italienern nicht ernst gemeint gewesen - was allerdings, soweit es sich um die Abnehmer handelt, für die Beurteilung seines eigenen Verhaltens ebenfalls belanglos wäre. | null | nan | de | 1,980 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
c82283fd-00fc-41d3-bf7a-544d728bc769 | Urteilskopf
81 II 439
68. Urteil der II. Zivilabteilung vom 7. Juli 1955 i.S. Feld mühle A.-G. gegen Pfister. | Regeste
1. Übermässige Einwirkung auf Nachbargrundstücke (Immissionen) durch Versickernlassen schädlicher Abwässer. Verantwortlichkeit des Grundeigentümers nach
Art. 679 ZGB
im Gegensatze zu den Art. 706 /7 ZGB (Erw. 1).
2. Zur Frage des adäquaten Kausalzusammenhanges zwischen der Überschreitung des Eigentumsrechtes und einem Schaden (Erw. 2).
3. Rechtliche Natur des aus
Art. 679 ZGB
fliessenden Anspruchs auf Beseitigung der Schädigung und auf Schutz gegen drohenden Schaden. Anspruch auf Ersatz der Kosten, die dem Nachbar für eigene Schutzvorkehren entstanden sind. Frage der Verjährung von Schadenersatzansprüchen aus
Art. 679 ZGB
. Beginn der subsidiären zehnjährigen Verjährungsfrist des
Art. 60 OR
hinsichtlich des Ersatzes von Schäden, die im Gefolge andauernder Immissionen eintreten (Erw. 3 und 4). | Sachverhalt
ab Seite 440
BGE 81 II 439 S. 440
A.-
Die Kunstseidefabrik Feldmühle A.-G. in Rorschach leitete ihre Abwässer in den Jahren 1925 bis 1938 in zwei offene Klärbecken im östlichen Teil des Fabrik Areals. Die Schlammrückstände wurden in regelmässigen Zeitabständen abgeführt. Da aber der Boden der Klärbecken nicht abgedichtet war, konnten im Laufe der Jahre grosse Mengen von Abwasser in den Erdboden einsickern, der aus lehmhaltigen, aber durchlässigen Sandschichten besteht. Infolge teilweiser Verdunstung des Abwassers reicherte sich der Untergrund mit Sulfatsalzen an. Diese gelangten und gelangen heute noch langsam in das dort etwa 5 bis 8 Meter unter der Erde durchfliessende Grundwasser. Sie geben ihm einen abnormal hohen Sulfatgehalt und machen es damit betongefährlich. Diese Verunreinigung des Grundwassers erstreckt sich auf einen Geländestreifen von etwa 600 m Länge und 200 bis 300 m Breite.
Er beginnt im östlichen Teil des Feldmühle-Areals, wo sich noch die stärksten Sulfatkonzentrationen vorfinden, und verläuft talwärts in nördlicher Richtung bis an den Bodensee.
B.-
Die beiden Klärbecken wurden Ende 1938 abgebrochen. Seither leitet die Feldmühle A.-G. die Abwässer
BGE 81 II 439 S. 441
durch eine eigens dazu erstellte Leitung in den See. Bei dem festgestellten guten Zustand des Abwassernetzes können heute die Abwässer den Baugrund in der nähern und weitern Umgebung der Feldmühle nicht mehr beeinflussen. Dagegen dauern die erwähnten Nachwirkungen der frühern Einsickerungen an.
C.-
Am Hafenplatz, im nördlichsten Teil der von sulfathaltigem Grundwasser durchflossenen Zone, erstellte Max Pfister als Bauherr und zugleich Unternehmer im Jahre 1948 einen grossangelegten Neubau ("Spirigbau" genannt) mit Wohnungen und Geschäftsräumen. Nach Aushebung der Baugrube im Februar 1948 zeigte es sich, dass ständig Bergdruckwasser eindrang. Untersuchungen ergaben, dass dieses Wasser wegen erhöhter Karbonathärte und hohen Gehaltes an Sulfaten den Beton gefährdete. Pfister musste daher bauliche Vorkehren treffen, um den Neubau gegen die Einwirkungen dieses Grundwassers zu schützen. Vor allem erstellte er eine sogenannte Asphaltwanne. Aus diesen Massnahmen entstanden ihm Mehrkosten von Fr. 18'457.55. Da schon nach dem ersten Untersuchungsbericht vom 8. März 1948 als Ursache der Grundwasserverunreinigung mit Sulfaten das Abwasser der Feldmühle A.-G. vermutet wurde, machte Pfister sie sogleich für den ihm daraus entstandenen Schaden verantwortlich.
D.-
Am 21. Februar 1949 erhob Pfister gegen die Feldmühle A.-G. Klage auf Schadenersatz, anfänglich im Betrage von Fr. 23'000.--. Er erhielt in beiden kantonalen Instanzen den Betrag des festgestellten Schadens von Fr. 18'457.55 nebst Zins zugesprochen.
E.-
Mit vorliegender Berufung gegen das Urteil des Kantonsgerichtes St. Gallen vom 1. März 1955 trägt die Beklagte auf gänzliche Abweisung der Klage an. Sie macht geltend, jedenfalls seit dem Abbruch der alten Klärbecken, Ende 1938, könne ihr keine Überschreitung ihres Eigentumsrechtes mehr vorgeworfen werden. Der durch Gutachten festgestellte tatsächliche Kausalzusammenhang
BGE 81 II 439 S. 442
zwischen der frühern Abwasserversickerung und dem im Jahre 1948 entstandenen Schaden dürfe nicht als adäquat, somit nicht als rechtserheblich gelten. Denn auch die Konzessionsbehörde, auf deren Anordnung die Klärbecken angelegt und benutzt worden seien, habe nicht mit derartigen Einwirkungen auf Nachbargrundstücke gerechnet. Es handle sich um nicht voraussehbar gewesene Nachwirkungen, für welche kein Anspruch aus
Art. 679 ZGB
bestehe. Übrigens fliesse das Abwasser nicht unverändert den tiefer gelegenen Grundstücken zu, sondern habe sich durch Reaktion mit Bodenbestandteilen in die Sulfate umgesetzt, die dann erst nach und nach vom Grundwasser aufgenommen und abgeschwemmt worden seien und noch würden. - Auf alle Fälle sei die vom Kläger erhobene Forderung nach
Art. 60 OR
verjährt. Wenn er auch binnen Jahresfrist seit Entdeckung des Zuflusses sulfathaltigen Grundwassers geklagt habe, so doch erst nach Ablauf von zehn Jahren seit der schädigenden Handlung, als was nur die im Jahre 1938 aufgegebene Art der Eigentumsausübung geltend könne. Dem in
Art. 60 OR
ausgesprochenen Willen des Gesetzgebers widerspreche es, den Beginn dieser Verjährung mit Rücksicht auf die Nachwirkungen der schädigenden Handlung hinauszuschieben. Es sei denn auch anerkannt, dass ein Schadenersatzanspruch schon verjähren könne, bevor er entstanden sei (VON TUHR OR § 48 N. 36).
F.-
Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt Abweisung der Berufung.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Kein Zweifel ist, dass die Zuleitung schädlicher Stoffe durch den Grundwasserstrom nach dem Baugrund des Klägers als eine nach dem Nachbarrecht (
Art. 684 ZGB
) unzulässige, übermässige Einwirkung zu gelten hat. Man hat es nicht bloss mit einer Quellen- oder Grundwasserverunreinigung im Sinne der Art. 706 /7 ZGB zu tun, wobei dem Betroffenen nur ein bedingter Anspruch
BGE 81 II 439 S. 443
auf Wiederherstellung und Anspruch auf vollen Schadenersatz nur bei Verschulden des Schädigers erwüchse. Vielmehr bedeutet das Zuleiten solch schädlicher, Bauwerke angreifender Stoffe eine eigentliche Immission, wofür die Verantwortlichkeit des Eigentümers des Grundstückes, von dem sie ausgeht, nach
Art. 679 ZGB
Platz greift (vgl. HAAB, N. 3 zu
Art. 689 ZGB
;
BGE 61 II 329
,
BGE 68 II 375
,
BGE 75 II 118
,
BGE 76 II 131
). Der nachbarrechtliche Schutz kommt auch den in weiterem Umkreis gelegenen Grundstücken zu (
BGE 55 II 246
). Es war schon zur Zeit, als die Klärbecken im Gebrauche standen (1925-1938), unzulässig, betongefährdende Stoffe mit dem Grundwasser abfliessen zu lassen. Denn schon damals waren die in der gefährdeten Zone befindlichen Grundstücke überbaut oder mindestens baureif, mochte auch vorerst keine Betonmauer in Grundwassertiefe hinabreichen. Für die Folgen dieser Überschreitung ihres Eigentums haftet die Beklagte gemäss Art. 679 kausal, also auch ohne Verschulden. Es braucht daher nicht geprüft zu werden, ob es ihr zum Verschulden gereiche, dass sie die Weisung der Behörde, die Abwässer in den Klärbecken zu neutralisieren und dann in den See abzuleiten, nicht befolgte.
2.
Es ist festgestellt, dass der Sulfatgehalt des Grundwassers, gegen den der Kläger seinen Neubau schützen musste, aus dem Untergrund des Feldmühle-Areals stammt und auf die Abwässer aus den Klärbecken zurückgeht. Die Beklagte will aber diesen tatsächlichen Zusammenhang nicht als adäquaten, rechtserheblichen anerkennen. Sie macht geltend, eine solche Einwirkung auf Nachbargrundstücke, zumal eine so anhaltende, habe sich nicht voraussehen lassen; ferner seien die Abwässer nicht unverändert in das Grundwasser gelangt, sondern hätten im Untergrund chemische Veränderungen erfahren. Diese Einwendung hält jedoch nicht stich, denn es handelt sich um Vorgänge, die sich in naturnotwendiger Weise abspielten, ohne Eingreifen ausserordentlicher Naturereignisse (höherer Gewalt) oder des Verhaltens Dritter. Dass die
BGE 81 II 439 S. 444
Abwässer des Fabrikbetriebes der Beklagten schädliche Stoffe enthielten, war von Anfang an bekannt, weshalb sie eben nach behördlicher Weisung hätten neutralisiert und in den See abgeleitet werden sollen. Die Schädlichkeit des Abwassers wurde auch durch eine Expertise über die Vergiftungsfälle hervorgehoben, die sich im Jahre 1942 beim Bahnübergang vor der Fabrik der Beklagten ereigneten. Dem damaligen Bericht (S. 9 Mitte) ist zu entnehmen, es sei freier Schwefelwasserstoff und freie Kohlensäure in einer Menge festgestellt worden, "welche als ausgesprochen schädlich für das normale Leben in einem Vorfluter und sogar stark aggressiv in Bezug auf Bauwerke (Zement und Eisenteile)" zu gelten habe. Diese letzte Eigenschaft haben auch die im Untergrunde durch chemische Umsetzungen entstandenen neuen Sulfate. Die Vorgänge im Untergrunde bilden nur ein Glied in der Ursachenkette; sie unterbrechen keineswegs den ursächlichen Zusammenhang. Auf sie mag es zurückzuführen sein, dass sich der Boden auf so lange hinaus mit Sulfaten angereichert hat, die nun immer noch vom Grundwasser abgeschwemmt werden und nach den Nachbargrundstücken abfliessen. Allein auch dies ist eben ein natürliches, durch die Bodenbeschaffenheit mitbedingtes Geschehen. Auch wenn eine so langdauernde Auswirkung der Abwasserversickerung nicht ohne Untersuchung der geologischen und hydrologischen Verhältnisse vorausgesehen wurde, bleibt der Kausalzusammenhang ein rechtserheblicher. Ob und inwiefern Voraussehbarkeit des Erfolges zur Annahme eines adäquaten Kausalzusammenhanges gehöre, ist umstritten. Nach der einen Ansicht (STARK, Das Wesen der Haftpflicht des Grundeigentümers nach
Art. 679 ZGB
, S. 201 /2) kommt es auf Voraussehbarkeit überhaupt nicht an. Andere (so BECKER, N. 31 zu
Art. 41 OR
, mit Hinweisen) stellen auf den objektiven Zusammenhang ab, wie er sich bei Kenntnis aller durch den Tatsachenverlauf aufgedeckten Bedingungen des Erfolges hinterher darbietet (sog. objektive nachträgliche Prognose). In ähnlichem
BGE 81 II 439 S. 445
Sinne sprechen von Voraussehbarkeit in objektivem Sinne A. VON TUHR (OR, §
BGE 13 I 8
mit Note 51) und OSER-SCHÖNENBERGER (N. 82 und 83 zu
Art. 41 OR
). Dies ist auch der Standpunkt der Rechtsprechung, wonach ein Ereignis dann als rechtserhebliche Ursache eines Erfolges zu gelten hat, wenn es nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der Erfahrung des Lebens an sich geeignet war, einen Erfolg von der Art des eingetretenen herbeizuführen und daher der Eintritt dieses Erfolges durch jenes Ereignis allgemein als begünstigt erscheint (
BGE 64 II 204
mit Hinweisen). Hier nun traf ein, was bei den bestehenden Verhältnissen mit dem einsickernden Abwasser geschehen musste. Durch dieses Einsickern und die darauffolgenden Umsetzungen ist für den Baugrund der Nachbargrundstücke ein Gefahrenherd entstanden, von dem aus fortwährend unzulässige Immissionen ausgehen. Alle diese in den örtlichen Gegebenheiten begründeten Vorgänge sind adäquate Ursachen des dem Kläger entstandenen Schadens, und da sie wesentlich durch die Art, wie die Beklagte ihr Grundstück benützt hat, bedingt sind, kann sich die Beklagte ihrer Verantwortlichkeit nach
Art. 679 ZGB
nicht deshalb entschlagen, weil sie mit so weitreichenden Auswirkungen der Abwasserversickerung nicht gerechnet habe. Sie versucht sich damit auf Schuldlosigkeit zu berufen, was aber für die Anwendung von
Art. 679 ZGB
ohne Belang ist. Den Grund zur Klage bildet übrigens nicht allein die Tatsache, dass die Beklagte es seinerzeit geschehen liess, dass jahrelang schwefelhaltiges Abwasser einsickerte, sondern auch der Umstand, dass sie auf diese Weise den erwähnten Immissionsherd entstehen und anwachsen liess, dessen Auswirkungen den Schaden herbeigeführt haben. Diese fortwährenden Immissionen sind der Beklagten als andauernde Überschreitung ihres Eigentums zuzurechnen.
3.
Bei dieser Sachlage ist die von der Beklagten in zweiter Linie erhobene Verjährungseinrede gleichfalls nicht begründet. Allerdings unterliegen Schadenersatzforderungen
BGE 81 II 439 S. 446
aus
Art. 679 ZGB
der Verjährung nach
Art. 60 OR
(vgl.
BGE 68 II 375
Erw. 6). Unbestritten ist indessen, dass der Kläger die einjährige, von der Kenntnis des Schadens und der Person des Ersatzpflichtigen an laufende ("relative") Verjährung mit der beim Vermittleramt erhobenen Klage unterbrochen hat. Die Beklagte beruft sich nur auf die subsidiäre zehnjährige Frist, die von der schädigenden Handlung an läuft, gleichgültig, wann der Schaden eintritt und der Geschädigte von den Anspruchselementen hinreichende Kenntnis erhält, um die Forderung rechtlich geltend machen zu können. Es ist ihr zuzugeben, dass diese "absolute" Verjährung an das Ereignis anknüpft, das die Haftung begründet und dass, auch wenn daraus erst später Schaden entsteht, die Frist dennoch von jenem früheren Datum an zu berechnen ist (OSER-SCHÖNENBERGER, N. 14 zu
Art. 60 OR
). Zu Unrecht will die Beklagte aber die Benützung der Klärbecken als abgeschlossene Tatsache betrachtet wissen, so dass die absolute Verjährung Ende 1938 in Gang gekommen und Ende 1948 abgelaufen wäre. Der Schaden, den der Kläger bei der Errichtung des Spirig-Neubaues erlitten hat, ist nicht infolge früherer, zehn Jahre zurückliegender, sondern neuer Immissionen aus dem Grundstück der Beklagten entstanden, wie sie sich bei Aushebung der Baugrube des Spirigbaues ergaben und nach dem Expertenbefund weiterhin stattfinden. Deshalb ist der Beklagten, wie dargetan, eine noch andauernde (wenn auch allenfalls unverschuldete) Überschreitung ihres Eigentums zur Last zu legen.
Daraus ist dem Kläger nach
Art. 679 ZGB
in erster Linie ein Anspruch auf "Beseitigung der Schädigung" oder auf "Schutz gegen drohenden Schaden" erwachsen. Diese Ansprüche können nicht verjährt sein, denn sie fliessen aus dem Eigentum und sind daher gar nicht der Verjährung unterworfen; sie entstehen immer wieder, wenn in das Eigentum in unrechtmässiger Weise eingegriffen wird, und bestehen zu Recht, solange diese Störung dauert (
BGE 53 II 224
; LEEMANN, 2. Aufl., N. 45 zu
BGE 81 II 439 S. 447
Art. 641 ZGB
; HAAB N. 20 zu
Art. 679 ZGB
; STAUDINGER, 9. Aufl., II Schuldverhältnisse 3. Teil S. 2003; Kommentar der Reichsgerichtsräte, 10. Aufl., Berlin 1953, II, N. 4 a zu § 852 BGB S. 881, wo gesagt wird, es gebe keine Rechtfertigung unzulässiger Einwirkungen, z.B. eines schädigenden Betriebes auf das beeinträchtigte Grundstück durch "Verschweigen"). Man hat es einfach mit einer speziellen Ausgestaltung des in
Art. 641 Abs. 2 ZGB
dem Eigentümer zuerkannten Rechtes auf Abwehr ungerechtfertigter Einwirkungen zu tun (
BGE 73 II 156
Erw. 2).
Was der Kläger geltend macht, ist nun im wesentlichen nichts anderes als eine aus jenem unverjährbaren Anspruch abzuleitende Forderung. Er hätte statt dessen verlangen können, dass die Beklagte selber die gebotenen Schutzmassnahmen (Asphaltwanne usw.) vornehme, natürlich auf ihre Kosten. Wenn er, um grössere Nachteile zu vermeiden, selber ungesäumt das zum Schutze des in Errichtung begriffenen Neubaues Nötige vorkehrte, um dann die Beklagte auf Ersatz der Aufwendungen zu belangen, so kann diese Forderung nicht früher, als er die Aufwendungen machte, zu verjähren begonnen haben, auf keinen Fall aber, bevor der Beseitigungs- oder Abwehranspruch entstanden war, also bei Aushebung der Baugrube. Somit wurde die zehnjährige Verjährung ebenso wie die einjährige mit der Klage vom 21. Februar 1949 unterbrochen.
4.
Zum gleichen Ergebnis gelangt man übrigens auch, wenn man von einer nicht aus einem Beseitigungsanspruch abzuleitenden, reinen Schadenersatzforderung ausgeht.
Art. 60 OR
lässt sich auf Forderungen aus
Art. 679 ZGB
nicht wörtlich anwenden. Wenn das Gesetz die "absolute" Verjährung von der "schädigenden Handlung" an laufen lässt, hat es eine Haftung für unerlaubte Handlungen, insbesondere nach
Art. 41 OR
, im Auge. Der Grundeigentümer ist aber nach
Art. 679 ZGB
nicht nur für Handlungen, sondern für jede Überschreitung seines Eigentums verantwortlich, insbesondere für übermässige Einwirkungen auf Nachbargrundstücke gemäss den Regeln des Nachbarrechts (
Art. 684 ZGB
). Hier ist Haftungsgrund'
BGE 81 II 439 S. 448
wie bereits ausgeführt, die fortwährende Einwirkung auf die Nachbargrundstücke infolge der von der Beklagten seinerzeit durch die Art der Benutzung der Klärbecken verursachten und seither nicht behobenen Sulfatablagerungen. An diesen Tatbestand hat auch der Beginn der zehnjährigen Frist des
Art. 60 OR
anzuknüpfen. Die überwiegende Lehrmeinung geht denn auch dahin, dass keine Verjährung läuft, "solange die Schädigung andauert" (so KOLB, Die Haftung des Grundeigentümers nach
Art. 679 ZGB
, in ZSR 1952 S. 160 a; ähnlich LEEMANN, 2. Aufl., N. 25 zu
Art. 679 ZGB
, und FRÖLICHER, Die Abgrenzung der Haftung des Werkeigentümers nach
Art. 58 OR
von der Verantwortlichkeit des Grundeigentümers nach
Art. 679 ZGB
S. 106). Dem steht allerdings ein Urteil der Genfer Cour de justice gegenüber, das die zehnjährige Verjährung mit dem "acte initial", der als erste Ursache erscheinenden Handlung des Eigentümers, beginnen lässt (Semaine judiciaire 1945 S. 412). Dieser Ansicht, die L'HUILLIER, La responsabilité du propriétaire foncier selon l'article 679 CCS (in ZSR 1952 S. 6 a mit Note 16) ohne eigene Stellungnahme erwähnt, ist jedenfalls für die Fälle fortwährender Immissionen nicht beizutreten. Freilich bedarf die herrschende Lehre, wonach während andauernder Schädigung keine Verjährung läuft, einer Einschränkung. Nur dann kann die Verjährung nicht beginnen, wenn und solange kein abgeschlossener Schaden vorliegt (vgl.
BGE 55 II 253
Erw. 2). Einer fortwährenden unrechtmässigen Einwirkung auf Nachbargrundstücke können aber auch einzelne in sich abgeschlossene Schadensereignisse entspringen. So bietet sich gerade der Schadensfall des Klägers dar. Hätte sich, was 1948 geschah, zehn Jahre früher ereignet, der Kläger aber bis zum Februar 1949 den in sich abgeschlossenen Schaden nicht rechtlich geltend gemacht, so stünde ihm nun der Ablauf der zehnjährigen Verjährung entgegen. Da aber die aktuelle Störung seines Grundeigentums erst 1948, und zwar infolge der erst damals vor sich gehenden Einwirkungen,
BGE 81 II 439 S. 449
eintrat, begann auch die zehnjährige Frist nun erst zu laufen, so dass sie durch die vorliegende Klage rechtzeitig unterbrochen worden ist.
Diese Betrachtungsweise findet eine Stütze in der Ordnung der Werkeigentümerhaftung (
Art. 58 und 59 OR
). Es ist anerkannt, dass die Rechte aus
Art. 59 OR
, entsprechend dem Recht auf "Schutz gegen drohenden Schaden" nach
Art. 679 ZGB
, nicht verjähren oder, anders ausgedrückt, dass sie stets aufs neue entstehen, solange der gefahrdrohende Zustand dauert (OSER-SCHÖNENBERGER, N. 9 zu
Art. 60 OR
). Und eine Forderung auf Schadenersatz entsteht nach der klaren Vorschrift von
Art. 58 OR
für jeden Schaden, der infolge eines Werkmangels eintritt, wie ihn das Gesetz umschreibt. Gleichgültig ist, ob der schädigende Werkmangel, allenfalls verborgen, schon jahrzehntelang vor dem Eintritt eines Schadens vorhanden war. Demgemäss läuft auch für jeden Schadenfall eine gesonderte Verjährung, Dauerschädigungen vorbehalten, die, solange sie nicht abgeschlossen sind, gar nicht verjähren. Bei andauernden unzulässigen Immissionen auf Nachbarsgrundstücke im Sinne von Art. 679 in Verbindung mit
Art. 684 ZGB
besteht die gleiche Interessenlage. Deshalb beabsichtigte der Gesetzgeber denn auch, die beiden Haftungsfälle in einer Bestimmung zu vereinigen (worüber vgl. STARK, a.a.O. S. 52 und 225). Es ist gerechtfertigt, in gleicher Weise, wie es bei Schädigungen zufolge von Werkmängeln geschieht, auch bei jedem im Gefolge von unzulässigen Immissionen, gleichgültig wie lange diese schon stattfinden, eintretenden Schaden eine Ersatzforderung zu gewähren, die frühestens im Zeitpunkt derjenigen Immission, durch die der Schaden unmittelbar verursacht ist, zu verjähren beginnt.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Kantonsgerichtes des Kantons St. Gallen vom 1. März 1955 bestätigt. | public_law | nan | de | 1,955 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
c82bfde9-602f-403f-b73e-92a2ad263998 | Urteilskopf
108 Ib 178
33. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit public du 7 juillet 1982 dans la cause Ligue suisse pour la protection de la nature contre Syndicat d'améliorations foncières du Parimbot et Département fédéral de l'intérieur (recours de droit administratif) | Regeste
Art. 26 Abs. 4 FPolV
.
1. Prüfungsbefugnis des Bundesgerichts, wenn der angefochtene Entscheid von einer Bundesbehörde ausging (E. 1a).
2. Das Interesse an der Walderhaltung kann den wirtschaftlichen Interessen einer Güterzusammenlegung vorgehen. Das trifft namentlich dann zu, wenn es wie im vorliegenden Fall darum geht, die Zerstörung von Geländepartien (z.B. Wasserläufen, bewaldeten Ufern) zu verhindern, die markante Elemente der Landschaft bilden. Ein solcher Eingriff wäre nur dann zulässig, wenn er für die geplante Zusammenlegung unbedingt nötig wäre (E. 5). | Sachverhalt
ab Seite 178
BGE 108 Ib 178 S. 178
Le Syndicat d'améliorations foncières du Parimbot (ci-après: le Syndicat) a été constitué le 1er mai 1969, dans le but de procéder
BGE 108 Ib 178 S. 179
au remaniement parcellaire d'une partie du territoire des communes vaudoises de Servion, Essertes et Vuibroye. Cet ouvrage comportait la correction du Parimbot, ruisseau affluent de la Broye, sur une longueur de 500 m dans son cours supérieur en territoire vaudois. En décembre 1976, le périmètre du remaniement parcellaire a été étendu à une partie du territoire de la commune fribourgeoise d'Auboranges. L'avant-projet des travaux collectifs a dès lors englobé également la correction du Parimbot dans son cours inférieur, sur une longueur de 330 m, au lieu dit l'Essert Derrey à la limite des cantons de Vaud et de Fribourg. La réalisation du projet impliquait la suppression de plusieurs haies naturelles, en particulier le défrichement de rives boisées de cours d'eau.
Le 18 mai 1977, le Syndicat a présenté une demande d'autorisation de défrichement pour une surface de 10'057 m2 sur le territoire des communes d'Essertes, Servion et Vuibroye. Avant que l'Office fédéral des forêts (OFF) se soit prononcé sur cette demande, le Syndicat a encore présenté des requêtes de défrichement complémentaires pour une surface totale de 4214 m2. L'une d'entre elles porte sur 740 m2, soit la surface de l'espace boisé qui borde le Parimbot à l'endroit de sa correction projetée sur le territoire de la commune d'Auboranges.
Par décision du 30 décembre 1980, l'Office fédéral des forêts, après avoir pris en considération le préavis de la Commission fédérale pour la protection de la nature et du paysage, a rejeté la demande du Syndicat pour le défrichement de 740 m2 sur le territoire de la commune d'Auboranges, mais l'a admise pour le surplus.
Le Conseil d'Etat du canton de Vaud et le Syndicat ont tous deux formé un recours administratif contre la décision de l'Office fédéral des forêts du 30 décembre 1981. Le Syndicat, en particulier, s'en prenait au refus de l'OFF d'autoriser le défrichement de 740 m2 sur le territoire de la commune d'Auboranges.
Par décision du 11 septembre 1981, le Département fédéral de l'intérieur a admis, au sens des considérants, les recours du Conseil d'Etat du canton de Vaud et du Syndicat d'améliorations foncières du Parimbot. Il a accordé l'autorisation requise de défricher la totalité des surfaces proposées, notamment celle de 740 m2 sur la commune d'Auboranges.
Agissant par la voie du recours de droit administratif, la Ligue
BGE 108 Ib 178 S. 180
suisse pour la protection de la nature demande au Tribunal fédéral d'annuler la décision du Département fédéral de l'intérieur du 11 septembre 1981 en tant qu'elle autorise le défrichement d'une surface excédant 12'536 m2 environ. Elle soutient que la décision entreprise viole l'
art. 26 OFor
dans la mesure où elle autorise, notamment, le défrichement de 740 m2 sur le territoire de la commune d'Auboranges.
Aux termes de leurs observations, le Département fédéral de l'intérieur, le Conseil d'Etat du canton de Vaud et le Syndicat concluent au rejet du recours.
Une délégation du Tribunal fédéral a procédé à une inspection des lieux.
Erwägungen
Extrait des motifs:
1.
a) Selon l'
art. 31 al. 1 LFor
, l'aire forestière de la Suisse ne doit pas être diminuée. Se fondant sur la délégation de compétence contenue à l'
art. 50 al. 2 LFor
, le Conseil fédéral a édicté les
art. 24 ss OFor
, qui déterminent la portée du principe de la conservation de l'aire forestière et précisent la façon de traiter les demandes de défrichement. Plus particulièrement l'
art. 26 OFor
, dont la légalité a déjà été constatée à plusieurs reprises par le Tribunal fédéral (
ATF 106 Ib 43
;
ATF 103 Ib 58
/59), définit les conditions auxquelles doit satisfaire toute demande de défrichement. Aux termes de l'al. 1 de cette disposition, les défrichements ne peuvent être autorisés que si l'on peut prouver l'existence d'un besoin prépondérant, qui primerait l'intérêt à la conservation de la forêt. Cela implique, dans chaque cas, une pesée des divers intérêts en présence. Quant aux al. 2, 3 et 4, ils énumèrent les critères qui doivent être pris en considération lors de cette confrontation et qui, en l'absence d'éléments prépondérants fondés en particulier sur l'intérêt public en faveur du défrichement, sont déterminants (
ATF 104 Ib 235
; DUBS, Rechtsfragen der Waldrodung in der Praxis des Bundesgerichts, Schweiz. Zeitschrift für Forstwesen 1974, p. 285). C'est ainsi qu'il ne doit pas y avoir de raisons de police qui s'opposent au défrichement (al. 2). Il faut en outre que l'ouvrage pour lequel le défrichement est sollicité ne puisse être construit qu'à l'endroit prévu, étant précisé que des intérêts financiers ne sont pas considérés comme un besoin prépondérant au sens de l'al. 1 de cette disposition (al. 3). Enfin, l'autorité compétente devra tenir dûment compte de la protection de la nature et du paysage (al. 4).
BGE 108 Ib 178 S. 181
Le Tribunal fédéral examine en principe librement si l'autorité inférieure a correctement comparé les intérêts en présence, car il s'agit là d'une question de droit (
art. 104 lettre a OJ
). Il fait preuve de retenue dans les cas où la solution recherchée dépend de circonstances locales que connaissent mieux les autorités précédentes (
ATF 106 Ib 43
, 138;
ATF 104 Ib 225
consid. 5a;
98 Ib 216
/217, 372, 435, 497). Lorsque cependant, comme en l'espèce, l'autorité intimée est une autorité fédérale, qu'elle n'a pas une connaissance plus étendue des conditions locales que celle du Tribunal fédéral, qu'elle a, au demeurant, restreint son propre pouvoir d'examen d'une manière discutable (cf. infra consid. 5b), et qu'en outre l'établissement des faits tel qu'il résulte de la décision attaquée n'a pas dispensé le Tribunal fédéral de procéder lui-même à une vision des lieux, il ne se justifie pas de s'écarter du principe de libre examen rappelé ci-dessus.
5.
a) Le Parimbot, qui parcourt tout le périmètre du remaniement parcellaire en son milieu du sud au nord, forme dans la région d'Auboranges, en aval de la station d'épuration de Servion-Essertes, un arc de cercle sur une longueur d'environ 330 m. Le Syndicat envisage de supprimer cette courbe et de la remplacer par un tracé rectiligne. Le 7 décembre 1977, le Service des forêts et de la faune du canton de Vaud a, sur la suggestion de l'Inspection des forêts du canton de Fribourg, requis l'OFF de délivrer au Syndicat l'autorisation d'enlever les arbres qui bordent à cet endroit les deux rives du ruisseau. La surface à défricher s'élèverait à 740 m2.
Se fondant sur l'art. 8 de la loi fédérale du 1er juillet 1966 sur la protection de la nature et du paysage (LPN), l'autorité administrative a demandé un préavis à la Commission fédérale pour la protection de la nature et du paysage. Cette dernière est arrivée à la conclusion, confirmant en cela une expertise antérieure de l'Institut de botanique systématique et de géobotanique de l'Université de Lausanne, que le cours du Parimbot devait être maintenu et qu'il pouvait faire l'objet de corrections ponctuelles. En présence de cet avis d'expert, l'OFF a rejeté la demande relative à ce défrichement.
Sur recours du Syndicat, le Département fédéral de l'intérieur a, en revanche, délivré l'autorisation sollicitée. Procédant à la pesée des intérêts en présence, il a reconnu, à l'instar de la Commission fédérale, le caractère hautement digne de protection de cette partie du cours d'eau. Il a également admis que les avantages apportés à l'exploitation
BGE 108 Ib 178 S. 182
des terres agricoles par la correction de ce ruisseau n'étaient à première vue pas considérables. Néanmoins, il a estimé que l'avis favorable au projet exprimé par les gouvernements vaudois et fribourgeois, auxquels l'expertise de la Commission fédérale n'était pas inconnue, constituait un élément décisif et que lui-même devait observer une certaine retenue, comme le fait le Tribunal fédéral lorsqu'il revoit la pesée d'intérêts effectuée par une autorité de première instance. La recourante reproche essentiellement à l'autorité intimée de s'être rangée d'emblée à ce double avis cantonal, manquant ainsi à son obligation de procéder à une pesée sérieuse des intérêts opposés.
b) Comme on l'a déjà dit précédemment, l'autorité administrative invitée à se prononcer sur une demande de défrichement doit, conformément à l'
art. 26 al. 4 OFor
, tenir dûment compte de la protection de la nature et du paysage. Cette disposition découle de la règle définie aux
art. 2 et 3 LPN
, eux-mêmes expressément fondés sur l'
art. 24sexies al. 2 Cst.
, aux termes de laquelle une autorité, lorsqu'elle accomplit une tâche de la Confédération, notamment lorsqu'elle octroie une autorisation de défricher, doit prendre soin, entre autres, de ménager l'aspect caractéristique du paysage et de le conserver intact là où il existe un intérêt général prépondérant. A cet égard, il est pour le moins contestable qu'une autorité administrative de recours limite son pouvoir d'examen - comme tel a été le cas dans la décision attaquée - lorsqu'elle revoit la pesée des intérêts à laquelle a procédé l'autorité administrative inférieure. La référence à la retenue qu'observe le Tribunal fédéral lorsqu'il examine cette question tombe à faux. En effet, comme on l'a vu ci-dessus, le pouvoir d'examen du Tribunal fédéral en cette matière est en principe libre, une certaine marge d'appréciation étant toutefois laissée aux autorités inférieures lorsque la solution à apporter à la question litigieuse dépend de circonstances locales ou de données techniques mieux connues d'elles (cf. supra, consid. 1a et jurisprudence citée). Si une telle réserve se justifie - toutes conditions remplies - de la part de l'autorité de la juridiction administrative, on ne voit pas qu'il devrait en aller de même s'agissant du contrôle exercé par l'autorité de recours administrative statuant sur un recours hiérarchique, qui doit au contraire nécessairement disposer d'un pouvoir de libre examen en fait et en droit. Le point de vue de l'autorité intimée, si on le suivait, pourrait dans certains cas faire obstacle à la
BGE 108 Ib 178 S. 183
volonté exprimée par le constituant à l'
art. 24sexies al. 2 Cst.
, et concrétisée par les
art. 2 ss LPN
. Cette seule motivation ne saurait donc justifier la conclusion qu'en tire l'autorité intimée sur ce point.
c) Tant le préavis de la Commission fédérale pour la protection de la nature et du paysage du 15 septembre 1980 que le rapport antérieur établi le 15 juillet 1977 par l'Institut de botanique systématique et de géobotanique de l'Université de Lausanne révèlent avec clarté la valeur du Parimbot dans son environnement. Il s'agit d'un ruisseau du Jorat qui, prenant sa source à l'ouest d'Essertes, s'écoule dans un thalweg en direction du nord/nord-est et rejoint la Broye à l'est du village fribourgeois d'Ecublens. Il s'intègre harmonieusement dans un paysage rural traditionnel aux lignes douces, compartimenté par des haies parallèles et perpendiculaires à l'axe du vallon. L'ensemble constitue une unité paysagère pouvant être qualifiée d'importance régionale. Les deux études citées, de même que la mise en regard des divers documents photographiques fournis par le Service topographique fédéral, démontrent que ce paysage a été fortement touché par l'abattage d'une partie du rideau d'arbres bordant chacune des rives du ruisseau, spécialement en amont de la station d'épuration d'Essertes. Le secteur litigieux, soit l'arc de cercle que forme le Parimbot sur le territoire de la commune d'Auboranges, présente en revanche aujourd'hui encore un intérêt qui était celui de l'ensemble du cours d'eau jusqu'à un passé récent. Hormis cette valeur globale du site, il est également établi que le ruisseau offre une valeur non négligeable au niveau de la flore et de la faune aquatique ou amphibie. L'inspection des lieux confirme ces avis d'experts.
L'autorité administrative de première instance a admis, sur cette base et au terme d'une vision locale, le caractère prépondérant de l'intérêt au maintien du cours d'eau et de ses rives boisées dans leur état actuel. Quant à l'autorité intimée, qui a annulé la première décision sur ce point et délivré l'autorisation requise, elle a elle-même insisté sur le mérite des aspects scientifiques relevés dans le rapport universitaire du 15 juillet 1977 et l'importance des raisons développées dans son préavis par la Commission fédérale.
d) Cette valeur indiscutable du site ne saurait certes suffire, à elle seule, à justifier le refus d'une autorisation de défricher. Il se pourrait en effet que des mesures autres que le maintien du ruisseau dans son état actuel soient elles-mêmes propres à sauvegarder l'intérêt à la protection de la nature, ou que d'autres intérêts publics importants
BGE 108 Ib 178 S. 184
viennent reléguer au second rang le rôle que joue la forêt tant sur le plan social que sur celui de la protection du paysage. Ainsi en irait-il dans le cas où la réalisation d'un remaniement parcellaire indispensable à une exploitation agricole rationnelle serait, par suite de l'autorisation de défricher, soit fortement compromise, soit rendue difficile à l'excès (cf. arrêt non publié Schweiz. Bund für Naturschutz du 22 août 1979, consid. 2).
En l'espèce, on peut toutefois s'abstenir, à cet égard, de considérations théoriques approfondies. En effet, le défrichement litigieux est nécessité par l'exécution de la correction du Parimbot sur le territoire de la commune d'Auboranges. Le Syndicat et les autorités cantonales envisagent cette correction, analogue à celle qu'ils ont entreprise antérieurement en amont sur le territoire des communes d'Essertes et de Servion, essentiellement pour lutter contre les inondations périodiques et restituer le Parimbot dans son thalweg. Ils veulent également parer aux dangers que représente le cours d'eau pour les propriétaires bordiers, en raison de l'érosion excessive de ses berges. La confection d'un canal à ciel ouvert devrait, selon le Syndicat, permettre d'assainir le secteur sans même recourir à des drainages, dont l'efficacité serait douteuse du fait de la structure topographique des terres. Le résultat escompté par les auteurs du projet réside dans un rendement supérieur des terrains agricoles, qui pourraient, de surcroît, être regroupés de manière plus rationnelle, conformément au nouvel état mis à l'enquête publique en décembre 1979.
C'est après avoir dûment évalué ces arguments que l'OFF a estimé que l'intérêt au maintien du cours d'eau dans son lit actuel l'emportait sur eux. Quant à l'autorité intimée, elle relève elle-même dans la décision attaquée que, dès le départ, le Syndicat avait le choix pour procéder au remaniement parcellaire, entre deux variantes avec ou sans la correction du cours du Parimbot. Elle souligne que les avantages procurés par la correction ne sont, à première vue, pas considérables. Elle se rallie néanmoins à cette solution pour le seul motif que les gouvernements cantonaux intéressés se sont prononcés de manière catégorique pour l'exécution du projet du Syndicat. Or, il ne ressort nullement des avis donnés par les cantons de Vaud et de Fribourg que la correction du Parimbot serait absolument nécessaire à la réalisation, dans de bonnes conditions, du remaniement parcellaire en cours. Leurs arguments se limitent, pour une part, à l'acceptation par les propriétaires du nouvel état confectionné en
BGE 108 Ib 178 S. 185
tenant compte de la correction du cours d'eau et, pour l'autre, à la possibilité d'une mise en culture rationnelle des fonds riverains.
Une telle argumentation n'est pas décisive. Il sied d'abord de relever que, statuant sur le recours formé antérieurement, par la recourante notamment, contre la décision de la Commission de classification ayant pour objet l'estimation des terres, le nouvel état, les déboisements et reboisements, la Commission centrale des améliorations foncières du canton de Vaud a, dans sa décision du 6 février 1981, bien précisé que le nouvel état ne deviendrait définitif qu'après la délivrance par les autorités fédérales compétentes des autorisations de défrichement nécessaires. Il n'est guère contestable, ensuite, que la présence d'un ruisseau sinueux, aux rives boisées, et de haies vives ou de cordons boisés isolés ne simplifient pas l'exécution d'un remaniement parcellaire. Il ne s'ensuit cependant pas qu'un tel remaniement justifie systématiquement la suppression d'obstacles naturels que constituent des éléments significatifs d'un paysage et qui jouent eux-mêmes souvent un rôle protecteur pour l'agriculture. Leur suppression ou leur réduction ne devrait intervenir que lorsqu'elle est elle-même indispensable à la réalisation de la planification des terres agricoles. Le Syndicat a en partie tenu compte de cet impératif, en maintenant un certain nombre de cordons boisés sur le territoire des communes d'Essertes, de Servion et de Vuibroye. L'inspection des lieux a, en revanche, permis de constater les atteintes déjà portées à la structure du Parimbot et à son boisement riverain.
Le Syndicat, pas plus que les autorités administratives, n'ont démontré la nécessité absolue de corriger également ce cours d'eau dans sa partie inférieure, sur le territoire d'Auboranges. La possibilité d'une efficacité accrue pour l'assainissement des terres qu'entraînerait un canal à ciel ouvert par rapport à un drainage aboutissant au ruisseau dans son cours actuel n'a, en particulier, pas été établie avec clarté. Aucun élément, propre à emporter la conviction que le regroupement des parcelles serait compromis si le ruisseau était maintenu dans son état actuel, n'a davantage été avancé par les réalisateurs du projet. Quant à la consolidation des rives du ruisseau pour des motifs de sécurité, tant la Commission fédérale dans son préavis, que l'OFF dans sa décision, ont souligné que des enrochements ponctuels pourraient être aménagés afin de prévenir une érosion accrue aux coudes les plus prononcés. Certes, l'aménagement du canal projeté se ferait avec des matériaux naturels, et un revêtement d'arbres et d'arbustes en garnirait la rive aval.
BGE 108 Ib 178 S. 186
Il est cependant évident qu'un tracé rectiligne supprimerait les zones à fort et à faible courant et modifierait, de manière irréversible, le régime du cours d'eau, ce qui provoquerait des atteintes irréparables à la faune qui s'y trouve. Ces raisons n'avaient pas été ignorées par les Services cantonaux compétents lorsque, à l'origine, ils s'étaient opposés à la correction du Parimbot dans le secteur d'Auboranges.
e) Compte tenu de l'ensemble des circonstances évoquées ci-dessus et en particulier du rôle éminent joué par la végétation bordant à cet endroit le cours d'eau à l'égard de la protection de la nature et du paysage, on doit admettre que l'intérêt au maintien de cette surface boisée l'emporte sur les intérêts économiques que le Syndicat fait valoir pour son défrichement. Le recours de droit administratif doit dès lors être admis sur ce point. | public_law | nan | fr | 1,982 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
c82bff48-9a78-472b-936d-a8b8941213dc | Urteilskopf
113 II 59
11. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 24. Februar 1987 i.S. R. gegen A. AG (Berufung) | Regeste
Art. 218 ff. OR
. Sperrfrist für landwirtschaftliche Grundstücke.
1. Ungültigkeit eines Kaufrechtsvertrags, wenn der Abschluss des Vertrags und die Erklärung der Ausübung des Kaufsrechts innerhalb der Sperrfrist des
Art. 218 Abs. 1 OR
erfolgen, ohne dass eine Ausnahmebewilligung gemäss
Art. 218bis OR
tatsächlich vorliegt (Bestätigung der Rechtsprechung) (E. 4b).
2. Die blosse Möglichkeit der Erteilung einer Ausnahmebewilligung vermag das Bewilligungserfordernis ebensowenig zu ersetzen wie das Verbot des Rechtsmissbrauchs (E. 4c und d).
3. Anwendbarkeit der Ausnahmevorschriften auf die Abtretung von Kaufsrechten (E. 4b und c). | Sachverhalt
ab Seite 60
BGE 113 II 59 S. 60
A.-
R. ist Eigentümer verschiedener Grundstücke in Erlen und Umgebung. Aufgrund eines wegen finanzieller Schwierigkeiten am 10. Februar 1984 abgeschlossenen Darlehensvertrags erhielt er von der durch P. kontrollierten Firma G. AG in Liquidation ein Darlehen über Fr. 2'800'000.--. Zur Sicherstellung des Darlehens räumte R. dem P. mit Kaufrechtsvertrag vom 13. Februar 1984 ein bis 15. Juni 1985 befristetes und übertragbares Kaufsrecht an verschiedenen ihm gehörenden Parzellen ein, das der Berechtigte ab 15. März 1985 für den Fall der nicht vollständigen Rückzahlung des Darlehens sollte ausüben können. Für die Ausübungserklärung sah der Vertrag einen eingeschriebenen Brief an den Verkäufer vor. Den Kaufpreis setzten die Parteien auf Fr. 5'600'000.-- fest, der durch die Übernahme von Grundpfandschulden von höchstens Fr. 2'600'000.--, durch Verrechnung mit dem gewährten Darlehen und im übrigen in bar bezahlt werden sollte.
Mit Schreiben vom 22. April 1985 trat P. das Kaufsrecht an die in Appenzell domizilierte Firma A. AG ab, die R. am 29. April 1985 davon Kenntnis gab und gleichzeitig die Ausübung des Kaufsrechts erklärte. Die Abtretung wurde am 2. Mai 1985 öffentlich beurkundet. R. verweigerte die Anmeldung beim Grundbuchamt.
B.-
Die Mitte Mai und anfangs Juli 1985 durch die A. AG gegen R. eingeleitete Klage auf Ausübung des Kaufsrechts hiessen das Bezirksgericht Bischofszell und am 10. April 1986 das Obergericht des Kantons Thurgau gut. Das Bundesgericht heisst die vom Beklagten gegen das Urteil des Obergerichts eingereichte Berufung gut, hebt das angefochtene Urteil auf und weist die Klage ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Das Obergericht nimmt an, das zwischen P. und dem Beklagten vereinbarte Kaufsrecht sei ebenso gültig wie dessen Abtretung an die Klägerin und die durch diese abgegebene Ausübungserklärung.
Unbegründet sei der Einwand des Beklagten, der Kaufrechtsvertrag vom 13. Februar 1984 und die Übertragung des Kaufsrechts an die Klägerin verstiessen mangels Ausnahmebewilligung gemäss
Art. 218bis OR
gegen das zehnjährige Veräusserungsverbot für landwirtschaftliche Grundstücke des
Art. 218 Abs. 1 OR
. Nach Erhalt der Ausübungserklärung hätte der Beklagte gemäss Ziffer XVIII des Kaufrechtsvertrags unverzüglich beim kantonalen
BGE 113 II 59 S. 61
Volkswirtschaftsdepartement um eine Ausnahmebewilligung ersuchen müssen, die auch ohne weiteres erteilt worden wäre, sei doch dank des Darlehens die Zwangsverwertung verhindert worden und damit ein Ausnahmetatbestand des
Art. 218bis OR
erfüllt gewesen. Vor der Ausübungserklärung hätte die Bewilligung entgegen den Ausführungen des Beklagten gar nicht eingeholt werden können, weil die Ausübung des Kaufsrechts bis zu diesem Zeitpunkt nicht festgestanden habe. Die Weigerung des Beklagten, seinen Vertragspflichten nach der Ausübungserklärung nachzukommen, sei rechtsmissbräuchlich. Dasselbe gelte für den Einwand des Beklagten, die Klägerin habe das Kaufsrecht nicht gültig ausgeübt, da der Erklärung vom 29. April 1985 keine öffentliche Beurkundung des Abtretungsvertrags vorausgegangen und der Beurkundung vom 2. Mai 1985 keine Erklärung in der vertraglich vorgesehenen Form eines eingeschriebenen Briefs gefolgt sei. Nach dem 2. Mai 1985 sei dem Beklagten vielmehr durch das Grundbuchamt Sulgen mit Brief vom 10. Mai 1985 sowie durch den Vermittlungsvorstand vom 31. Mai 1985 der Wille zur Ausübung des Kaufsrechts klar kundgetan worden. Die in den Formen des Prozesses abgegebene Erklärung habe der vereinbarten Schriftform zweifellos genügt. Als unbegründet erweise sich schliesslich der Einwand des Beklagten, in der Ausübung des Kaufsrechts liege eine unerlaubte Umgehung des LEG und eine Verletzung des Verfallverbots gemäss
Art. 816 Abs. 2 ZGB
.
3.
(Gültigkeit einer nach der öffentlichen Beurkundung des Abtretungsvertrags abgegebenen Ausübungserklärung bejaht.)
4.
Der Beklagte wirft dem Obergericht vor, es hätte die Veräusserung landwirtschaftlicher Grundstücke vor Ablauf der Sperrfrist von 10 Jahren nicht mit der Begründung zulassen dürfen, die Einholung der Ausnahmebewilligung sei Sache des Beklagten gewesen, der diese auch ohne weiteres erhalten hätte. Eine Ausnahmebewilligung hätte vielmehr bereits im Zeitpunkt des Kaufrechtsvertrags vom 13. Februar 1984 tatsächlich vorliegen müssen. Das Fehlen dieser Bewilligung ziehe die Nichtigkeit des Vertrags nach sich. Mit diesem Problem habe sich die Vorinstanz ebensowenig befasst wie mit dem Einwand, die Nichtigkeit treffe auch die Abtretung des Kaufsrechts von P. an die Klägerin. Angesichts der Nichtigkeit beider Grundgeschäfte seien die Mutmassungen der Vorinstanz über die Möglichkeit, dass eine Ausnahmebewilligung erteilt werde, völlig unerheblich. Bei der Abtretung des Kaufsrechts an die Klägerin komme hinzu, dass von der Verhinderung
BGE 113 II 59 S. 62
einer Zwangsverwertung offensichtlich keine Rede habe sein können, weshalb dieses Geschäft keinesfalls bewilligt werden könnte.
a) Gemäss
Art. 218 Abs. 1 OR
dürfen landwirtschaftliche Grundstücke während einer Frist von 10 Jahren, vom Eigentumserwerb an gerechnet, weder als Ganzes noch in Stücken veräussert werden. Nach
Art. 218bis OR
kann die vom Kanton der gelegenen Sache als zuständig erklärte Behörde aus wichtigen Gründen wie der Verhinderung einer Zwangsverwertung eine Veräusserung vor Ablauf der Sperrfrist gestatten.
Art. 218ter OR
bestimmt, dass Geschäfte, die diesen Vorschriften zuwiderlaufen oder deren Umgehung bezwecken, nichtig sind und kein Recht auf Eintragung in das Grundbuch geben.
Es wird auch von der Klägerin nicht bestritten, dass die Gegenstand des Kaufsrechts bildenden Grundstücke von
Art. 218 ff. OR
erfasst werden. Unbestritten ist sodann, dass die Klägerin die Ausübung des Kaufsrechts vor Ablauf der Sperrfrist erklärt hat. Schliesslich ist dem angefochtenen Urteil zu entnehmen, dass es bis heute an der erforderlichen Ausnahmebewilligung fehlt. Ob diese Annahmen für sämtliche Parzellen zutreffen, kann offenbleiben, lässt doch Ziffer VI des Kaufrechtsvertrags nur eine alle darin aufgezählten Grundstücke erfassende Ausübung des Kaufsrechts zu.
b) Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung unterliegen alle Arten der Veräusserung von landwirtschaftlichen Grundstücken der Sperrfrist (
BGE 109 Ib 92
E. 1). Neben dem Verkauf fällt darunter auch das Kaufsrecht, wenn es innerhalb der Sperrfrist eingeräumt und ausgeübt wird (
BGE 95 II 432
f. E. 3c,
BGE 94 II 110
E. 2b,
BGE 93 I 606
E. 8,
BGE 92 I 337
E. 3; vgl. dazu auch CAVIN, Schweizerisches Privatrecht, Band VII/1, S. 142 Fussnote 4). In
BGE 93 I 606
E. 8 wird das damit begründet, dass mit dem Kaufrechtsvertrag die Befugnis zur Verfügung über das Grundstück auf den Vertragspartner übertragen worden sei. Ein während der Sperrfrist eingeräumtes Kaufsrecht wird deshalb nur insoweit als zulässig erachtet, als die Frist zur Ausübung über das Ende der Sperrfrist hinausreicht (
BGE 94 II 112
f.). Fallen Kaufrechtsverträge in die gesetzliche Sperrfrist, so sind sie nichtig und geben solange kein Recht auf Eintragung in das Grundbuch, bis neben dem öffentlich beurkundeten Vertrag als Zulässigkeitsvoraussetzung für die Anmeldung beim Grundbuchamt eine amtliche Bescheinigung über die behördliche Bewilligung beigelegt werden kann (
BGE 84 II 195
).
BGE 113 II 59 S. 63
Da vorliegend sowohl der Abschluss des Kaufrechtsvertrags als auch die Ausübungserklärung innerhalb der Sperrfrist erfolgt sind, ohne dass eine Ausnahmebewilligung vorgelegen hat, ist am 13. Februar 1984 kein gültiges Kaufsrecht begründet worden. Damit steht unabhängig von den Formerfordernissen einer Abtretung fest, dass P. kein Kaufsrecht auf die Klägerin übertragen konnte. Ob in dieser Abtretung ein weiteres,
Art. 218 ff. OR
unterliegendes und damit wegen der fehlenden Ausnahmebewilligung ebenfalls nichtiges Veräusserungsgeschäft zu erblicken ist, braucht nicht geprüft zu werden, wäre im übrigen jedoch anzunehmen, weil sonst dem mit der Sperrfrist verfolgten öffentlichen Interesse an der Vermeidung von die Bodenpreise in die Höhe treibenden Spekulationsgeschäften (
BGE 110 II 211
E. 3 mit Hinweisen auch auf die Literatur,
BGE 94 II 110
E. 2b) auf dem Umweg über den gewinnbringenden Verkauf von Kaufsrechten zuwidergehandelt werden könnte.
c) Die Auffassung des Obergerichts, die Ausnahmebewilligung hätte vor der Ausübungserklärung gar nicht eingeholt werden können, weil bis dahin die Ausübung des Kaufsrechts nicht festgestanden habe, überzeugt nicht. Diese Auffassung würde dazu führen, dass entgegen der klaren Vorschrift von
Art. 218ter OR
Kaufsrechte im Grundbuch vorzumerken wären, bei denen die Erteilung der Ausnahmebewilligung noch nicht feststünde. Das Kaufsrecht könnte dann während längerer Zeit im Grundbuch vorgemerkt sein, obgleich die Ausnahmebewilligung anlässlich der Ausübung des Kaufsrechts möglicherweise verweigert wird. Dieser Unsicherheit lässt sich nur dadurch begegnen, dass die Gültigkeit des Geschäfts und dessen Eintragung oder Vormerkung im Grundbuch vom tatsächlichen Vorliegen einer Ausnahmebewilligung und nicht der blossen Möglichkeit der Erteilung einer solchen abhängig gemacht wird. Nur so lässt sich auch die von der Rechtsprechung zur Verhinderung von Umgehungsgeschäften vorgenommene Gleichstellung der Einräumung eines Kaufsrechts mit dem eigentlichen Verkauf verwirklichen. Auf den Umstand, dass der Beklagte die Ausnahmebewilligung wahrscheinlich erhalten hätte, kann es deshalb nicht ankommen. Dasselbe gilt für die Wahrscheinlichkeit, mit der für die Abtretung des Kaufsrechts an die Klägerin eine Ausnahmebewilligung erteilt worden wäre. Abgesehen davon ist für dieses zweite Geschäft ein wichtiger Grund, insbesondere jener der Verhinderung einer Zwangsverwertung, nicht ersichtlich. Überdies hätte die zuständige Behörde dann
BGE 113 II 59 S. 64
innert kurzer Zeit eine zweite Ausnahmebewilligung zu erteilen, was ohne zwingende Gründe mit dem Zweck der Sperrfrist kaum zu vereinbaren wäre.
d) Auch das Verbot des Rechtsmissbrauchs gestattet es nicht, die Berufung des Beklagten auf die fehlende Ausnahmebewilligung zu übergehen. Ziffer XVIII des Kaufrechtsvertrags, die den Beklagten zur Einholung der Bewilligung verpflichtet, hätte P. nicht daran gehindert, selbst das Bewilligungsverfahren einzuleiten oder auf Erfüllung der Vertragspflichten durch den Beklagten zu klagen. Überdies wäre es Sache der Klägerin gewesen, sich anlässlich des Vertragsschlusses mit P. über die Gültigkeit des Kaufsrechts zu vergewissern. Schliesslich hätte es der Behörde selbst dann freistehen müssen, die Ausnahmebewilligung im öffentlichen Interesse zu verweigern, wenn das Verhalten des Beklagten als rechtsmissbräuchlich erschienen wäre. | public_law | nan | de | 1,987 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
c82ede94-3c1e-46f5-b542-215b5579cb9f | Urteilskopf
105 III 67
16. Entscheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 31. Oktober 1979 i.S. Dr. P. und Mitbeteiligte (Rekurs) | Regeste
Konkurs; Einsetzung einer ausseramtlichen Konkursverwaltung; Verwertung auf dem Weg der Auktion.
1. Bestätigt die 2. Gläubigerversammlung eine ausseramtliche Konkursverwaltung in ihrem Amt, so kann der Beschluss der 1. Gläubigerversammlung, mit dem die ausseramtliche Konkursverwaltung eingesetzt wurde, nicht mehr mit Beschwerde angefochten werden (E. 1).
2. Der Beschluss der 2. Gläubigerversammlung, die Kunstsammlung des Gemeinschuldners auf dem Weg der Auktion zu verwerten, ist nicht nichtig. Eine bereits durchgeführte Auktion kann auf dem Beschwerdeweg nicht rückgängig gemacht werden (E. 2). | Sachverhalt
ab Seite 67
BGE 105 III 67 S. 67
A.-
Nach der Konkurseröffnung über die Kommanditgesellschaft Dr. P. & CO. wurde am 13. Mai 1977 der Konkurs über den unbeschränkt haftenden Gesellschafter Dr. P. eröffnet. Das für die Durchführung dieses Konkurses zuständige Konkursamt Dorneck erliess vorschriftsgemäss die Publikation, wobei es die erste Gläubigerversammlung auf den 27. Juli 1977 ansetzte. Dem üblichen Publikationstext fügte es folgende Bemerkung bei:
"Das Konkursamt Dorneck beantragt, die Visura Treuhand-Gesellschaft, in Solothurn, als ausseramtliche Konkursverwaltung einzusetzen. Sofern die erste Gläubigerversammlung nicht anders beschliesst
BGE 105 III 67 S. 68
oder die Mehrheit der bekannten Gläubiger nicht schriftlich bis 27. Juli 1977 beim Konkursamt Dorneck dagegen Einspruch erhebt, gilt der Antrag als beschlossen."
Die erste Gläubigerversammlung war nicht beschlussfähig. Sie beschränkte sich daher auf die Entgegennahme des Berichtes des Konkursamtes und stellte fest, dass gegen die Einsetzung der Visura Treuhand-Gesellschaft als ausseramtliche Konkursverwaltung keine Einsprache eingegangen sei, so dass diese Einsetzung als beschlossen zu gelten habe. Der so zustandegekommene Wahlbeschluss blieb unangefochten.
An der - beschlussfähigen - zweiten Gläubigerversammlung vom 12. April 1978 beschlossen die Gläubiger ohne Gegenstimme, die Visura Treuhand-Gesellschaft als ausseramtliche Konkursverwaltung zu bestätigen. Ferner beschlossen sie mit 27 zu 4 Stimmen, die Konkursverwaltung zu ermächtigen, "die Aktiven inkl. Liegenschaften mit Zustimmung des Gläubigerausschusses freihändig bestmöglichst oder ev. durch öffentliche Versteigerung zu verwerten". Wie sich aus dem an der Versammlung verlesenen Bericht der Konkursverwaltung ergibt und unter den Beteiligten unbestritten ist, war unter "öffentlicher Versteigerung" die Verwertung in Form einer Auktion zu verstehen, was sich vor allem auf die umfangreiche Kunstsammlung des Gemeinschuldners bezog. Mit Zirkular vom 15. September 1978 teilte die Konkursverwaltung den Gläubigern mit, die Auktion der Kunstgegenstände und Antiquitäten werde voraussichtlich im Februar 1979 in der Kunsthalle Basel stattfinden. Sie wurde schliesslich auf den 23./24. Februar 1979 angesetzt. Mit der Durchführung hatte die Konkursverwaltung die Auctiones AG, Basel, beauftragt.
B.-
Am 12. Februar 1979 reichten die Gläubigerinnen B. und S. sowie der Gemeinschuldner bei der Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs des Kantons Solothurn wegen Rechtsverweigerung und rechtswidriger Anordnung von Verwertungsmassnahmen Beschwerde ein, mit der sie insbesondere beantragten, das ganze Konkursverfahren sei rückwirkend bis und mit erster Gläubigerversammlung zu kassieren und es sei die Ordentliche Konkursverwaltung einzusetzen; ferner sei der Auftrag an die Auctiones AG zu widerrufen und von der Durchführung der Auktion abzusehen.
Der Präsident der Aufsichtsbehörde vereinigte die drei Beschwerden und wies das von den Beschwerdeführern gestellte
BGE 105 III 67 S. 69
Gesuch um Erteilung der aufschiebenden Wirkung ab, so dass die Auktion wie vorgesehen abgehalten werden konnte. Mit Entscheid vom 8. August 1979 wies die Aufsichtsbehörde sodann die Beschwerden ab, soweit sie darauf eintrat.
C.-
Gegen diesen Entscheid rekurrierten Dr. P., B. und S. an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts, mit folgenden Anträgen:
"1. Es sei das ganze Konkursverfahren rückwirkend bis und mit
1. Gläubigerversammlung von Amtes wegen zu kassieren und es sei die ordentliche Konkursverwaltung einzusetzen.
2. Es sei die von der widerrechtlich eingesetzten ausseramtlichen Konkursverwaltung von Dr. P., Visura Treuhand-Gesellschaft, Solothurn, bei der Auctiones AG, Basel, in Auftrag gegebene Auktion für den 23./24. Februar 1979, soweit die Sammlung Dr. P. betreffend, aufzuheben und es seien die genannten Stellen mit sofortiger Wirkung anzuweisen, den Auftrag an die Auctiones AG, Basel, zu widerrufen."
Die Konkursverwaltung beantragt die Abweisung des Rekurses. Sie ersucht um Zusprechung einer Parteientschädigung.
Erwägungen
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
1.
Ihren Antrag auf Kassierung des Konkursverfahrens rückwirkend bis zur ersten Gläubigerversammlung begründen die Rekurrenten damit, die Einsetzung der Visura Treuhand-Gesellschaft als ausseramtliche Konkursverwaltung sei nichtig, weshalb sämtliche nachfolgenden Konkurshandlungen ebenfalls als nichtig zu gelten hätten. Ob die - in der Tat auf ungewöhnliche Art zustandegekommene - Einsetzung der ausseramtlichen Konkursverwaltung anfechtbar oder gar nichtig war, kann indessen dahingestellt bleiben. An der 2. Gläubigerversammlung wurde die Visura Treuhand-Gesellschaft nämlich in ihrem Amt bestätigt. Der entsprechende Beschluss der Gläubiger wurde innert Frist nicht angefochten und erwuchs somit in Rechtskraft. Dass die Versammlung von einer Konkursverwaltung einberufen worden war, deren Einsetzung möglicherweise rechtlich mangelhaft war, vermag den im übrigen ordnungsgemäss gefassten Beschluss entgegen der Meinung der Rekurrenten Offensichtlich nicht nichtig zu machen. Mit der Bestätigung der Visura Treuhand-Gesellschaft, der sich die an der Versammlung teilnehmenden Rekurrenten übrigens nicht widersetzten, haben die Gläubiger deren
BGE 105 III 67 S. 70
Amtsführung wie auch das Vorgehen des Konkursamtes Dorneck nachträglich gebilligt. Es ist daher heute ohne Belang, ob der Gläubigerbeschluss vom 27. Juli 1977 rechtlich in Ordnung war oder nicht. Mit seiner Aufhebung könnte kein praktischer Verfahrenszweck mehr erreicht werden, so dass die Vorinstanz in diesem Punkt gar nicht auf die Beschwerde hätte eintreten dürfen (
BGE 97 III 38
E. 2 mit Hinweisen). Im übrigen könnte angesichts der beträchtlichen praktischen Schwierigkeiten, die die Rückgängigmachung eines bereits bis ins Verwertungsstadium gediehenen Konkursverfahrens mit sich bringen würde, eine ausseramtliche Konkursverwaltung wegen eines Mangels in ihrer Einsetzung nur aus absolut zwingenden Gründen, die hier jedenfalls nicht vorliegen, mit Wirkung ex tunc ihres Amtes enthoben werden.
2.
Mit ihrem zweiten Antrag widersetzen sich die Rekurrenten der Auktion der Kunstsammlung des Gemeinschuldners. Sie bestreiten indessen nicht, dass die Konkursverwaltung durch Beschluss der zweiten Gläubigerversammlung ermächtigt war, die Kunstsammlung auf dem Weg einer Auktion zu verwerten. Dieser Beschluss wurde innert Frist nicht durch Beschwerde angefochten. Er könnte daher heute nur noch aufgehoben werden, wenn er nichtig wäre, d.h. wenn er gegen eine Vorschrift verstiesse, die im öffentlichen Interesse oder im Interesse eines unbestimmten Kreises Dritter aufgestellt und daher schlechthin zwingend ist (
BGE 105 III 8
,
BGE 103 III 46
oben und 74 E. 4,
BGE 101 III 45
). Das ist jedoch nicht der Fall. Durch die von der Gläubigermehrheit beschlossene Art der Verwertung werden nur die Interessen der am Verfahren beteiligten Gläubiger und allenfalls des Gemeinschuldners an der Erzielung eines möglichst hohen Erlöses tangiert. Unter diesen Umständen kann weiterhin dahingestellt bleiben, Ob es zulässig sei, Private mit der Verwertung von Aktiven zu beauftragen, obwohl diese Aufgabe grundsätzlich der Konkursverwaltung obliegt (vgl.
BGE 103 III 45
).
Gegenüber dem Unbehagen, das in
BGE 103 III 45
und
BGE 102 III 164
gegen ein derartiges Vorgehen zum Ausdruck gebracht wurde, ist immerhin festzuhalten, dass die Verwertung einer Kunstsammlung nicht ohne weiteres mit der Verwertung von einigen Eigentumswohnungen, um die es in den erwähnten Fällen ging, verglichen werden kann. Sie verlangt vielmehr besondere Sachkunde und Beziehungen zu allfälligen Interessenten
BGE 105 III 67 S. 71
(Händlern, Kunstsammlern), wenn ein gutes Ergebnis erzielt werden soll. Beides dürfte einer Konkursverwaltung - auch einer ausseramtlichen - in der Regel abgehen. Beschliessen die Gläubiger, die Verwertung von Kunstgegenständen einem Auktionator zu übertragen, weil sie sich davon trotz der hohen Kosten ein besseres Verwertungsergebnis versprechen, und wird bei der Auktion das Recht der Gläubiger, selber Kaufangebote zu machen, gewahrt (vgl.
BGE 101 III 57
, mit Hinweisen, für den Freihandverkauf), so kann jedenfalls nicht ohne weiteres gesagt werden, ein solches Vorgehen sei bundesrechtswidrig. Die Rekurrenten machen freilich geltend, die Gläubiger hätten keine Gelegenheit gehabt, an der Auktion mitzubieten, da ihnen Ort und Zeit der Auktion nicht mitgeteilt worden sei. Indessen ist unbestritten, dass jedenfalls die Rekurrenten rechtzeitig in den Besitz des Auktionskatalogs kamen, wo alle erforderlichen Angaben enthalten waren. Ob dies für sämtliche Gläubiger der Fall war, braucht nicht geprüft zu werden, da die Rekurrenten nicht legitimiert sind, die Individualrechte Dritter durch Beschwerde zu wahren.
Im übrigen wurde die Auktion inzwischen durchgeführt, nachdem die Vorinstanz den Beschwerden der Rekurrenten die aufschiebende Wirkung verweigert hatte. Sie kann nicht mehr rückgängig gemacht werden. Wie sich aus den Auktionsbedingungen ergibt, versteigerte der Auktionator die Kunstgegenstände in eigenem Namen, wenn auch im Auftrag und auf Rechnung der Konkursverwaltung. Die Rechtsbeziehungen zwischen dem Auktionator und den Ersteigerern beruhen damit ohne Zweifel auf privatem Recht, selbst wenn man der Meinung sein sollte, der zwischen Konkursverwaltung und Dritten abgeschlossene (normale) Freihandverkauf sei nicht privatrechtlicher Natur, was kontrovers ist (vgl. hiezu
BGE 101 III 55
). Ist dies aber der Fall, so können die Zuschläge entgegen der Ansicht der Rekurrenten offensichtlich nicht auf dem Beschwerdeweg aufgehoben werden, ganz abgesehen davon, dass die Ersteigerer wohl in ihrem Vertrauen in die Verfügungsberechtigung des Auktionators zu schützen wären (
Art. 933 ZGB
) und dass die Konkursverwaltung Ohnehin die Rückgabe der möglicherweise ins Ausland verbrachten oder bereits an Dritte verkauften Gegenstände nicht durchsetzen könnte. Auch der am 4. August 1978 zwischen der Konkursverwaltung und dem Auktionator abgeschlossene Auktionsauftrag ist übrigens
BGE 105 III 67 S. 72
privatrechtlicher Natur und kann deshalb von den Aufsichtsbehörden im Beschwerdeverfahren, in dem der Auktionator nicht einmal Partei ist, nicht einfach als ungültig erklärt werden, zumal er inzwischen vollzogen worden ist. Bei dieser Sachlage kann die Beschwerde auch bezüglich der Auktion keinem praktischen Verfahrenszweck, sondern nur noch dazu dienen, die allfällige Rechtswidrigkeit des Vorgehens der Konkursverwaltung feststellen zu lassen. Zu diesem Zweck kann die Beschwerde aber, wie bereits gesagt, nicht erhoben werden. Entgegen der Ansicht der Rekurrenten ist die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Handlung durch die Aufsichtsbehörden nicht Voraussetzung für eine Verantwortlichkeitsklage im Sinne von
Art. 5 SchKG
(
BGE 91 III 46
/47).
Der Rekurs ist daher abzuweisen, soweit überhaupt auf ihn eingetreten werden kann.
3.
Entgegen dem Antrag der Konkursverwaltung kann im Beschwerdeverfahren vor den Aufsichtsbehörden keine Parteientschädigung zugesprochen werden (Art. 68 Abs. 2 GebTSchKG).
Dispositiv
Demnach erkennt die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer:
Der Rekurs wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. | null | nan | de | 1,979 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
c83d0e97-4af3-449b-b3b8-8ff9361b166f | Urteilskopf
138 IV 29
3. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau und X. gegen Obergericht des Kantons Aargau (Beschwerde in Strafsachen)
1B_471/2011 / 1B_473/2011 vom 24. November 2011 | Regeste
Art. 29 Abs. 1 lit. b,
Art. 30 und 33 StPO
; Verfahrenseinheit.
Der Grundsatz der Verfahrenseinheit bezweckt die Verhinderung sich widersprechender Urteile und dient der Prozessökonomie. Wird jemand, nachdem er Polizeibeamte angegriffen haben soll, durch diese verletzt, so sind die deswegen gegen das Opfer und die Polizeibeamten eröffneten Strafverfahren von einer einzigen (hier: ausserordentlichen) Staatsanwaltschaft zu führen (E. 3-5). | Sachverhalt
ab Seite 30
BGE 138 IV 29 S. 30
Am Abend des 25. Mai 2009 kam es zwischen X. und seiner Ehefrau in ihrer gemeinsamen Wohnung zu einem Streit. Um 19.15 Uhr alarmierte die Ehefrau von einer Nachbarwohnung aus die Polizei. Der ausrückende Regionalpolizist konnte die Situation nicht bereinigen, weshalb er Verstärkung anforderte. Um ca. 21.00 Uhr wurde die Sondereinheit "Argus" der Kantonspolizei Aargau aufgeboten. Diese stürmte um 21.48 Uhr die eheliche Wohnung. Dabei setzte das Mitglied Nr. 1 der Sondereinheit eine Elektroschockpistole ("Taser") gegen X. ein. Das Mitglied Nr. 5 der Sondereinheit gab zwei Schüsse aus der Dienstwaffe auf X. ab und traf diesen im Bauch. X. musste in der Folge längere Zeit in Spitalpflege verbringen.
Aufgrund dieses Vorfalls eröffnete das damalige Bezirksamt Bremgarten einerseits ein Strafverfahren gegen die Mitglieder Nr. 1 und 5 der Sondereinheit wegen des Verdachts der einfachen bzw. schweren Körperverletzung und weiterer Straftaten (im Folgenden: Strafverfahren "Argus"); anderseits ein Strafverfahren gegen X. wegen des Verdachts der Gewalt und Drohung gegen Beamte und der versuchten schweren Körperverletzung, da er Polizisten bedroht habe und mit einem Messer auf sie losgegangen sei (im Folgenden: Strafverfahren X.).
Am 20. September 2010 beantragte X., das Strafverfahren "Argus" sei auf Oberstleutnant Urs Winzenried, Chef der kantonalen Kriminalpolizei, und Leutnant Urs Schilling, Chef der Fahndung Ost der Kantonspolizei, auszudehnen. X. stützte sich dabei auf ein Privatgutachten vom 24. August 2010 von Dr. Markus Mohler (Lehrbeauftragter für öffentliches Recht, besonders Sicherheits- und Polizeirecht, an der Universität St. Gallen und ehemaliger Kommandant der Kantonspolizei Basel-Stadt).
Mit Inkrafttreten der Schweizerischen Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (StPO; SR 312.0) am 1. Januar 2011 wurden die Strafverfahren "Argus" und X. der neu geschaffenen Staatsanwaltschaft Muri-Bremgarten zugeteilt. Dort amtet Staatsanwältin Barbara Loppacher als leitende Staatsanwältin.
BGE 138 IV 29 S. 31
Am 28. Juli 2011 entschied die Beschwerdekammer des Obergerichts des Kantons Aargau über Ausstandsbegehren.
Dagegen führen die Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau und X. je Beschwerde in Strafsachen.
(Zusammenfassung)
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
3.1
Die Oberstaatsanwaltschaft bringt vor, der angefochtene Entscheid führe im Ergebnis dazu, dass der Einsatz der Sondereinheit "Argus" durch drei verschiedene Staatsanwälte zu untersuchen sei. Gegen die Mitglieder Nr. 1 und 5 der Sondereinheit sei das Verfahren durch einen Staatsanwalt der Staatsanwaltschaft Muri-Bremgarten zu führen; gegen Leutnant Schilling durch einen ordentlichen Staatsanwalt, der nicht der Staatsanwaltschaft Muri-Bremgarten angehöre; und gegen Oberstleutnant Winzenried durch einen ausserordentlichen Staatsanwalt. Dies verstosse gegen den Grundsatz der Verfahrenseinheit (
Art. 29 und 33 StPO
).
3.2
Art. 29 StPO
regelt den Grundsatz der Verfahrenseinheit. Danach werden Straftaten unter anderem gemeinsam verfolgt und beurteilt, wenn Mittäterschaft oder Teilnahme vorliegt (Abs. 1 lit. b). Nebst der Mittäterschaft werden von dieser Bestimmung ebenso die mittelbare Täterschaft und die Nebentäterschaft erfasst. Unter den Begriff der Teilnahme fallen die Anstiftung gemäss
Art. 24 StGB
und die Gehilfenschaft gemäss
Art. 25 StGB
(NIKLAUS SCHMID, Schweizerische Strafprozessordnung, Praxiskommentar, 2009, N. 4 zu
Art. 29 StPO
; URS BARTETZKO, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2011, N. 6 zu
Art. 29 StPO
).
Der Grundsatz der Verfahrenseinheit bezweckt die Verhinderung sich widersprechender Urteile, sei dies bei der Sachverhaltsfeststellung, der rechtlichen Würdigung oder der Strafzumessung. Er gewährleistet somit das Gleichbehandlungsgebot (
Art. 8 BV
). Überdies dient er der Prozessökonomie (SAMUEL MOSER, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2011, N. 1 zu
Art. 33 StPO
). Gemäss
Art. 33 StPO
werden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer Straftat von den gleichen Behörden verfolgt und beurteilt wie die Täterin oder der Täter (Abs. 1). Ist eine Straftat von mehreren Mittäterinnen oder Mittätern verübt worden, so sind die Behörden des Ortes zuständig, an dem zuerst Verfolgungshandlungen vorgenommen worden sind (Abs. 2).
Art. 33 StPO
soll als
BGE 138 IV 29 S. 32
gerichtsstandmässige Entsprechung zu
Art. 29 StPO
sicherstellen, dass die an einer Straftat Beteiligten durch dieselbe Behörde in einem Verfahren verfolgt und beurteilt werden können (MOSER, a.a.O., N. 1 zu
Art. 33 StPO
). Erforderlich ist objektive Konnexität, die auch hinsichtlich Vorgesetzten gilt, die sich strafbar gemacht haben können, weil sie die Tat eines Untergebenen nicht verhindert oder gar veranlasst haben (vgl. MOSER, a.a.O., N. 6 zu
Art. 33 StPO
).
3.3
Wie die Oberstaatsanwaltschaft zutreffend vorbringt, führt der angefochtene Entscheid dazu, dass sich mit dem Verfahren "Argus" drei verschiedene Staatsanwälte befassen müssen. Dabei geht es um den gleichen Lebensvorgang, nämlich die Stürmung der ehelichen Wohnung mit dem anschliessenden Einsatz eines Tasers durch das Mitglied der Sondereinheit Nr. 1 und der Schussabgabe durch das Mitglied Nr. 5. X. macht unter Hinweis auf das Gutachten Mohler geltend, der Einsatz der Sondereinheit sei unverhältnismässig und damit rechtswidrig gewesen. Leutnant Schilling habe die Verantwortung für den Einsatz der Sondereinheit getragen und seine Befehle mit Oberstleutnant Winzenried abgesprochen. Zwischen den den Mitgliedern der Sondereinheit und Leutnant Schilling bzw. Oberstleutnant Winzenried vorgeworfenen strafbaren Handlungen besteht somit eine enge objektive Konnexität. Gemäss
Art. 29 Abs. 1 lit. b StPO
sind sie daher gemeinsam zu verfolgen und zu beurteilen. Der angefochtene Entscheid widerspricht dem Grundsatz der Verfahrenseinheit.
Gemäss
Art. 30 StPO
können die Staatsanwaltschaft und die Gerichte aus sachlichen Gründen Strafverfahren trennen. Dass solche Gründe hier bestünden, legt die Vorinstanz nicht dar und ist nicht ersichtlich.
4.
Die Beschwerde der Oberstaatsanwaltschaft ist demnach begründet.
Das Strafverfahren "Argus" wird durch einen einzigen Staatsanwalt zu führen sein. Da nach dem angefochtenen Entscheid der Regierungsrat gemäss § 7 Abs. 3 lit. b des Einführungsgesetzes des Kantons Aargau vom 16. März 2010 zur Schweizerischen Strafprozessordnung (SAR 251.200) in Bezug auf Oberstleutnant Winzenried einen ausserordentlichen Staatsanwalt einzusetzen haben wird, kommt als fallführender Staatsanwalt nur dieser in Betracht. Daran ändert nichts, dass eine Strafuntersuchung gegen Leutnant Schilling und Oberstleutnant Winzenried offenbar noch nicht eröffnet
BGE 138 IV 29 S. 33
worden ist. Der ausserordentliche Staatsanwalt wird gleichwohl einzusetzen sein, da dieser, sofern er die Eröffnung einer Strafuntersuchung ablehnen sollte, jedenfalls eine Nichtanhandnahmeverfügung zu treffen hätte (
Art. 309 Abs. 4 und
Art. 310 StPO
).
5.
5.1
Soweit X. beantragt, das Verfahren "Argus" einem ausserordentlichen Staatsanwalt zuzuordnen, ist seine Beschwerde aufgrund der Gutheissung jener der Oberstaatsanwaltschaft gegenstandslos geworden. Insoweit kann die Frage seiner Beschwerdebefugnis offenbleiben.
5.2
X. verlangt, das Verfahren X. einem ausserordentlichen Staatsanwalt, eventualiter nicht Staatsanwältin Loppacher zuzuteilen. Er beruft sich auf den Befangenheitsgrund nach
Art. 56 lit. f StPO
. Insoweit ist er gemäss Art. 81 Abs. 1 lit. a und b Ziff. 1 BGG zur Beschwerde befugt.
5.3
Gemäss
Art. 56 lit. f StPO
tritt eine in einer Strafbehörde tätige Person in den Ausstand, wenn sie aus anderen Gründen (gemeint: als den in
Art. 56 lit. a-e StPO
genannten), insbesondere wegen Freundschaft oder Feindschaft mit einer Partei oder deren Rechtsbeistand, befangen sein könnte.
X. bringt hinreichend substantiiert keine konkreten Gründe vor, weshalb Staatsanwältin Loppacher ihm gegenüber befangen sein soll. Die Beschwerde genügt insoweit den Begründungsanforderungen von
Art. 42 Abs. 2 BGG
nicht, weshalb darauf nicht eingetreten werden kann.
5.4
X. beruft sich ebenso auf
Art. 29 StPO
. Diese Bestimmung wie auch
Art. 33 StPO
erfassen, wie gesagt, alle Formen der Täterschaft und Teilnahme an einer Straftat. Zwar besteht zwischen den Straftaten, deren X. und die Polizisten verdächtigt werden, insoweit ein Zusammenhang, als sie auf demselben Lebensvorgang beruhen, indem einerseits X. verdächtigt wird, gegen Polizisten drohend und gewalttätig geworden zu sein, und anderseits die Polizisten verdächtigt werden, in Reaktion darauf X. verletzt zu haben. Doch wird diese Konstellation von
Art. 29 und 33 StPO
nicht erfasst. X. ist weder Täter noch Teilnehmer bei den den Polizisten vorgeworfenen Straftaten, sondern insoweit Opfer. Indem die Vorinstanz die Verfolgung von X. nicht der für die Verfolgung der anderen Personen - der Mitglieder Nr. 1 und 5 der Sondereinheit, Leutnant Schilling und Oberstleutnant Winzenried - zuständigen ausserordentlichen
BGE 138 IV 29 S. 34
Staatsanwaltschaft zugeordnet hat, hat sie diese Bestimmungen nicht verletzt.
5.5
Zu beachten ist aber
Art. 30 StPO
. Darauf beruft sich X. zwar nicht ausdrücklich. Die Bestimmung ist jedoch von Amtes wegen zu berücksichtigen (
Art. 106 Abs. 1 BGG
).
Gemäss
Art. 30 StPO
können die Staatsanwaltschaft und die Gerichte aus sachlichen Gründen Strafverfahren vereinen. Diese Möglichkeit bewirkt eine Ausdehnung der Verfahrenseinheit auf Konstellationen, welche von
Art. 29 StPO
nicht erfasst werden (BERNARD BERTOSSA, in: Commentaire romand, Code de procédure pénale suisse, 2011, N. 3 zu
Art. 30 StPO
). Für eine Vereinigung nach
Art. 30 StPO
spricht vor allem der enge Sachzusammenhang verschiedener Straftaten (Botschaft vom 21. Dezember 2005 zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts, BBl 2006 1142). Ein solcher besteht namentlich, wenn sich Beteiligte gegenseitig Straftaten beschuldigen, die sie im Rahmen der gleichen Auseinandersetzung begangen haben sollen (BERTOSSA, a.a.O.; FINGERHUTH/LIEBER, in: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, Donatsch und andere [Hrsg.], 2010, N. 3 zu
Art. 30 StPO
).
Eine derartige Konstellation ist hier gegeben. Der enge Sachzusammenhang zwischen den den Polizisten und X. vorgeworfenen strafbaren Handlungen besteht offensichtlich. Die Vereinigung der Verfahren "Argus" und X. bei der ausserordentlichen Staatsanwaltschaft drängt sich damit auf. Dies liegt im Interesse der Prozessökonomie. Überdies werden damit sich widersprechende Entscheide verhindert, namentlich in Bezug auf die Frage, ob X. die Polizisten mit einem Messer angegriffen hat und diese in Notwehr (Art. 15 f. StGB) gehandelt haben.
5.6
Die Beschwerde von X. ist demnach, soweit sie nicht gegenstandslos geworden und darauf einzutreten ist, im Ergebnis ebenfalls gutzuheissen. | null | nan | de | 2,011 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
c83df53c-e1d7-43e4-9c76-bd643ecee714 | Urteilskopf
108 II 118
24. Arrêt de la Ire Cour civile du 23 avril 1982 dans la cause masse en faillite d'Avy voyages, Louis Baggiolini, contre Swissair S.A. (recours en réforme) | Regeste
Verkauf von Flugbilleten auf Kredit durch ein Reisebüro.
1. Vertretung des Luftfrachtführers durch das Reisebüro (E. 1).
2.
Art. 401 OR
ist auf die Kaufpreisforderung anwendbar, welche das Reisebüro als indirekter Stellvertreter des Luftfrachtführers erworben hat (E. 2).
3. Lässt sich bei Konkurs des Reisebüros die Masse den Preis des Flugbillets bezahlen, erwirbt der Luftfrachtführer, der sich auf
Art. 401 OR
berufen kann, eine Ersatzforderung, die gemäss
Art. 262 Abs. 1 SchKG
vorab beglichen werden muss (E. 2). | Sachverhalt
ab Seite 118
BGE 108 II 118 S. 118
A.-
a) En 1968, la compagnie de transport aérien Swissair S.A. reconnut l'entreprise individuelle de Louis Baggiolini, Avy voyages, comme son agent au sens de la réglementation établie par l'Association internationale de transport aérien (IATA). Par contrat du 1er juillet 1972 passé avec l'IATA, Avy voyages fut ensuite agréée comme agence de vente de billets pour toutes les compagnies membres de l'association. Cette convention autorisait l'agent général qu'était Avy voyages à représenter les transporteurs dans les opérations de vente de billets de passage. L'agent était rétribué par le versement d'une commission. Dès l'émission d'un document de transport, qu'il en ait encaissé ou non le prix, il répondait envers le transporteur du paiement de la somme exigible pour les services couverts par le titre. Il incombait à l'agent de percevoir "le montant afférent au
BGE 108 II 118 S. 119
transport ou autres services vendus par lui pour le compte du transporteur"; il devait garder ces sommes en dépôt "comme propriété du transporteur ou pour son compte", jusqu'à règlement définitif.
En sa qualité d'agent agréé par l'IATA, Avy voyages conclut avec ses clients de nombreux contrats de transport par avion sur les lignes de la compagnie Swissair S.A. Elle réservait la place et délivrait au client le billet de passage sur formule ad hoc de Swissair. Elle encaissait en son nom le prix du transport, mais pour le compte de Swissair S.A. à qui elle devait le reverser sous déduction de sa commission de 9%. Avy voyages pouvait faire crédit à ses clients, mais en prenait le risque; elle établissait alors une facture à son nom, qu'elle adressait à son client. Elle faisait parvenir à Swissair S.A., chaque semaine, les souches des billets vendus; la compagnie établissait un décompte mensuel et invitait son agent à en régler le solde, après déduction des commissions qui lui étaient dues.
b) Avy voyages a été déclarée en faillite le 4 janvier 1980. A cette date, elle avait vendu pour 220'333 fr. de billets Swissair dont elle n'avait pas encore encaissé le prix. Entre l'ouverture de la faillite et le 19 mai 1980, l'administration de la masse a reçu le paiement d'une partie de ces crédits, par 130'426 fr. Swissair S.A. a revendiqué les créances découlant de l'émission de billets à son nom, impayés au jour de la déclaration de faillite. L'administration de la masse a contesté la revendication.
B.-
La société Swissair S.A. a ouvert action en revendication. Elle a demandé à être reconnue titulaire, sous déduction d'une commission de 9%, de toutes les créances, par 220'333 fr., qu'Avy voyages, Louis Baggiolini, détenait au 4 janvier 1980 contre ses clients pour la vente de billets Swissair. Elle a conclu à la condamnation de la masse en faillite à lui payer, avec intérêt, la somme de 118'688 fr. représentant les 91% des encaissements déjà faits sur ces créances, ainsi que, sous déduction d'une commission de 9%, tous montants perçus après le 19 mai 1980 sur les prétentions en cause.
La Cour civile du Tribunal cantonal du canton de Vaud a admis l'action par jugement du 22 décembre 1981 et condamné la défenderesse aux dépens.
C.-
La masse en faillite défenderesse, Avy voyages, Louis Baggiolini, a déposé un recours en réforme qui tend au rejet de l'action.
BGE 108 II 118 S. 120
La société demanderesse, Swissair S.A., propose le rejet du recours, avec suite de frais et dépens.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
Les parties admettent à juste titre avoir été liées par un contrat d'agence au sens des
art. 418a ss CO
. La défenderesse avait qualité d'agent stipulateur puisqu'elle avait pris à titre permanent l'engagement de conclure des affaires, soit d'émettre et de délivrer des billets au nom et pour le compte de la demanderesse, sans être liée envers elle par un contrat de travail.
L'agence de voyages qui vend, comme agent stipulateur, les billets d'une compagnie d'aviation en est la représentante et crée un lien contractuel direct entre le client et le transporteur aérien (DALLÈVES, Le contrat de voyage, Mémoires de la Faculté de droit de Genève, XIVe journée juridique, 1974, p. 2; WISWALD, Les agences de voyages, thèse Lausanne 1964, p. 47; SCHLEICHER/REYMANN/ABRAHAM, Das Recht der Luftfahrt, 3e éd., p. 274). Le client, partie au contrat de transport dont le billet de passage constitue la preuve, acquiert une créance contre la compagnie, le droit d'exiger d'elle les services définis dans les documents de transport. Il ressort en revanche des conditions du contrat passé avec l'IATA que la défenderesse encaissait le prix des billets en son propre nom, même si elle le faisait pour le compte des compagnies de l'association, pour lesquelles elle devait conserver les montants perçus. Elle pouvait faire crédit à ses clients et, en ce cas, leur adressait une facture établie à son nom. Les règlements de l'IATA ne lui interdisaient même pas, comme agence agréée, de céder à des banques les créances qu'elle possédait contre les acheteurs de billets à crédit, pour obtenir les liquidités dont elle aurait pu estimer avoir besoin. Partant, la défenderesse, en sa qualité d'agence IATA, était titulaire du droit au paiement du prix des billets, des créances dirigées contre les voyageurs et découlant des contrats de transport. Elle agissait toutefois, à cet égard, pour le compte des compagnies affiliées à l'IATA, dont elle était donc la représentante indirecte. Elle le faisait en vertu d'un mandat qui lui avait été confié en conformité des
art. 394 ss CO
, et non pas en exécution de son contrat d'agence proprement dit, car, selon le texte légal, l'agent stipulateur est toujours un représentant direct (
art. 418a al. 1 CO
). La défenderesse était dès lors à la fois représentante directe en vertu du contrat d'agence, puisque, en
BGE 108 II 118 S. 121
délivrant les billets, elle conférait à ses clients une prétention dirigée contre la demanderesse, soit le droit d'exiger les services couverts par les documents de transport, et représentante indirecte en vertu du contrat de mandat qui l'autorisait à encaisser ou réclamer le prix des billets en son nom mais pour le compte de la demanderesse.
2.
Selon l'
art. 401 CO
, les créances que le mandataire acquiert en son nom mais pour le compte du mandant passent à celui-ci dès qu'il a satisfait à ses propres obligations. Le mandant peut aussi se prévaloir de cette subrogation contre la masse du mandataire tombé en faillite (
art. 401 al. 2 CO
). La disposition précitée s'applique à toutes espèces de mandats, y compris ceux qui sont confiés à un représentant indirect (
ATF 102 II 301
,
ATF 102 II 106
,
ATF 99 II 393
ss).
Il n'a été ni constaté ni même allégué que la demanderesse ait manqué à ses obligations envers la défenderesse, notamment celle de payer la rémunération convenue. Au contraire, elle a déduit de ses prétentions et imputé sur ses conclusions le montant des commissions dues à la défenderesse pour les services rendus dans son activité d'agent. La demanderesse est donc légalement subrogée dans toutes les créances que la défenderesse a acquises par la vente à crédit de billets Swissair. Il n'en irait d'ailleurs pas autrement si, ce faisant, la défenderesse avait opéré non comme mandataire proprement dit mais en qualité d'agent. L'
art. 418b al. 1 CO
renvoie en effet, à titre supplétif, aux dispositions applicables au courtage ou à la commission, lesquelles renvoient à leur tour aux règles du mandat (
art. 412 al. 2,
art. 425 al. 2 CO
).
Seuls les biens qui tombent dans la masse peuvent être affectés au paiement des créanciers du failli (
art. 197 LP
). Les objets appartenant à des tiers doivent leur être remis (
art. 242 LP
). De même, le produit des droits dont le failli n'est pas titulaire, et qui n'entrent pas dans la masse pour un autre motif, ne saurait servir à désintéresser les créanciers. Si, à la suite d'une erreur ou pour toute autre raison, ce produit parvient à l'administration de la faillite, il doit être immédiatement remis au véritable ayant droit. Partant, lorsque la masse encaisse une somme d'argent qui ne lui est pas due à elle mais à un tiers valablement subrogé dans les droits du failli, elle doit faire parvenir le montant reçu à ce tiers cessionnaire, en tout cas si le paiement a eu plein effet libératoire (
ATF 70 III 84
; arrêt non publié du 29 avril 1981 en la cause E. GUNZIGER et Cie, en liquidation concordataire, c. Banque
BGE 108 II 118 S. 122
populaire suisse). L'ayant droit subrogé qui a été frustré du paiement acquiert contre la masse une créance compensatoire payable selon les modalités de l'
art. 262 al. 1 LP
(BLUMENSTEIN, Handbuch des Schweizerischen Schuldbetreibungsrechtes, p. 674). La Cour cantonale a dès lors justement condamné la masse défenderesse à payer à la demanderesse les montants encaissés indûment sur les créances dans lesquelles cette dernière avait été subrogée.
3.
La défenderesse fait valoir en vain qu'elle s'était engagée envers la demanderesse à lui payer le prix des billets vendus à crédit, et qu'elle avait fourni des garanties à cet effet. Le mandataire qui acquiert des créances en son nom mais pour le compte de son mandant peut fort bien se porter codébiteur solidaire ou garant du principal obligé. De tels engagements ne sont incompatibles ni avec la qualité de représentant indirect, ni avec l'application de l'
art. 401 CO
.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral,
Rejette le recours et confirme le jugement attaqué. | public_law | nan | fr | 1,982 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
c84244ed-be5c-41b3-bff4-29cb14a28469 | Urteilskopf
113 III 17
6. Auszug aus dem Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 13. März 1987 i.S. Schweizerische Volksbank (Rekurs) | Regeste
Anmeldungsfrist für die Ansprüche vor der Versteigerung der Liegenschaft (
Art. 138 Abs. 2 Ziff. 3 SchKG
und
Art. 36 Abs. 1 VZG
).
Vom Grundsatz, dass es sich bei der Anmeldungsfrist von
Art. 138 Abs. 2 Ziff. 3 SchKG
um eine Verwirkungsfrist handelt, rechtfertigt sich keine Ausnahme, wenn der Pfandgläubiger irrtümlich eine zu niedrige Forderung eingegeben und diese erst nach Ablauf der Eingabefrist berichtigt hat (E. 2).
Rechtswirkung der Bestreitung einer im Lastenverzeichnis eingetragenen Forderung (Art. 106 Abs. 2 und 3 in Verbindung mit
Art. 140 SchKG
sowie
Art. 37 Abs. 2 VZG
).
Die Bestreitung einer im Lastenverzeichnis eingetragenen Forderung verhindert den Eintritt der Rechtskraft des Lastenverzeichnisses im Umfange der Bestreitung nur gegenüber dem Bestreitenden (E. 3). | Erwägungen
ab Seite 17
BGE 113 III 17 S. 17
Aus den Erwägungen:
2.
Gemäss
Art. 138 Abs. 2 Ziff. 3 SchKG
enthält die Steigerungsanzeige die Aufforderung an die Pfandgläubiger und alle übrigen Beteiligten, ihre Ansprüche an der Liegenschaft dem Betreibungsamt binnen 20 Tagen einzugeben. Mit dieser Aufforderung
BGE 113 III 17 S. 18
ist zu eröffnen, dass die Nichtangemeldeten von der Teilnahme am Ergebnis der Verwertung insoweit ausgeschlossen werden, als ihre Rechte nicht aus öffentlichen Büchern hervorgehen. In Übereinstimmung mit dieser Vorschrift sieht
Art. 36 Abs. 1 VZG
vor, dass Ansprüche, die nach Ablauf der Anmeldungsfrist geltend gemacht werden, nicht in das Lastenverzeichnis aufgenommen werden dürfen.
Bei dieser Eingabefrist handelt es sich um eine Verwirkungsfrist (
BGE 101 III 38
). Die Rechtsprechung hat allerdings vom Grundsatz der Verwirkung verschiedene Ausnahmen zugelassen. In
BGE 101 III 38
hat das Bundesgericht darauf hingewiesen, dass eine Ausnahme in Erwägung gezogen werden könnte, soweit es sich um dingliche Rechte handle, die aus dem Grundbuch ersichtlich seien oder die dem Betreibungsamt vor dem festgesetzen Termin auf eine andere Weise mitgeteilt worden seien. In
BGE 76 III 44
ist angenommen worden, eine nach Erstellung des Lastenverzeichnisses eingetretene Änderung der Verhältnisse rechtfertige die Anordnung eines nachträglichen Bereinigungsverfahrens, wenn sich bestimmte Rechte und erhebliche Interessen nur so genügend wahren lassen. Schliesslich hat das Bundesgericht in
BGE 96 III 78
f. ausgeführt, die Lastenbereinigung bei der Grundpfandverwertung unterliege - abgesehen von der nachträglichen Konkurseingabe gemäss
Art. 251 Abs. 1 und 4 SchKG
- den gleichen Grundsätzen wie die Lastenbereinigung im Konkurs. Danach könnte sich eine nachträgliche Ergänzung des Lastenverzeichnisses angesichts einer vom Betreibungsbeamten verschuldeten Unterlassung rechtfertigen. Ferner wäre bei der Verteilung auf eine seit der Aufstellung des Lastenverzeichnisses eingetretene Änderung des Rechtsverhältnisses Rücksicht zu nehmen, was sich praktisch gleich auswirken würde wie die Abänderung des Lastenverzeichnisses. Ebenso könnte die Revision des Lastenverzeichnisses wegen neuer Tatsachen in Frage kommen (
BGE 96 III 79
mit Hinweisen).
Im vorliegenden Fall liegt indessen ein ganz anderer Sachverhalt vor. Ein Pfandgläubiger hat aufgrund eines eigenen Fehlers während der Eingabefrist eine zu niedrige Forderung eingegeben und diese erst nach Ablauf der Eingabefrist berichtigt. Dabei handelt es sich um keinen jener Fälle, für welche die Rechtsprechung eine Ausnahme von der Verwirkung der Eingabefrist ins Auge gefasst hat. Dies gilt auch in bezug auf
BGE 76 III 41
ff. Während der Schuldner dort die Herabsetzung einer Grundpfandschuld verlangt hat, die durch einen Dritten nachträglich teilweise abgelöst
BGE 113 III 17 S. 19
worden ist, geht es im vorliegenden Fall um eine rein interne Angelegenheit der Pfandgläubigerin. Unter diesen Umständen rechtfertigt sich keine Ausnahme hinsichtlich der Verwirkung. Vielmehr stünde den anderen Gläubigern gerade in einem solchen Fall das Recht zu, gegen die Aufnahme der verspätet angemeldeten Forderung ins Lastenverzeichnis Beschwerde zu führen (vgl. AMONN, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 3. Aufl., N. 35 zu § 28; GILLIÉRON, Poursuite pour dettes, faillite et concordat, S. 216). So sind denn auch die weiteren in
BGE 76 III 44
umschriebenen Voraussetzungen für eine Ausnahme von der Verwirkung der Eingabefrist nicht erfüllt. Es ist nicht ersichtlich, dass abgesehen von der säumigen Grundpfandgläubigerin die Interessen weiterer Beteiligter betroffen sein könnten. Soweit sich die Rekurrentin hierzu auf Tatsachen stützen will, die im angefochtenen Entscheid nicht enthalten sind, kann auf den Rekurs nicht eingetreten werden, wie sich bereits ergeben hat.
3.
Die Rekurrentin ist der Auffassung, dass die Berichtigung ihrer Forderung deswegen nicht verspätet erfolgt sei, weil das Lastenverzeichnis im Zeitpunkt der berichtigten Eingabe infolge der Anfechtung des Schuldners noch nicht vollständig rechtskräftig gewesen sei. Gemäss
Art. 37 Abs. 2 VZG
erfolgt die Mitteilung des Lastenverzeichnisses indessen mit der Anzeige, dass die im Lastenverzeichnis aufgeführten Ansprüche für die betreffende Betreibung von demjenigen, der diese nicht innert Frist bestreitet, als anerkannt gelten. Diese Vorschrift stimmt mit
Art. 106 Abs. 3 SchKG
überein, wonach der Anspruch des Dritten als anerkannt gilt, wenn keine Bestreitung erfolgt. Es steht daher ausser Zweifel, dass die Bestreitung einer im Lastenverzeichnis eingetragenen Forderung den Eintritt der Rechtskraft des Lastenverzeichnisses nur gegenüber dem Bestreitenden verhindert. Die Rekurrentin vermag aus der Bestreitung ihrer Forderung durch den Schuldner nichts zu ihren Gunsten abzuleiten.
Schliesslich ist darauf hinzuweisen, dass die Rekurrentin dem Betreibungsamt zu Unrecht eine Verletzung von Treu und Glauben vorwirft. Sie hat es sich vielmehr selber zuzuschreiben, dass sie ihre Forderung nicht rechtzeitig in richtiger Höhe eingegeben hat. | null | nan | de | 1,987 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
c84491bc-2aed-4a9e-b2d9-4359cb0b660c | Urteilskopf
124 III 286
51. Auszug aus dem Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 22. Juli 1998 i.S. B. (Beschwerde) | Regeste
Art. 193 SchKG
;
Art. 593 Abs. 1 ZGB
.
Einem Erben, der die Erbschaft unter öffentlichem Inventar angenommen oder die amtliche Liquidation verlangt hat, können die Kosten des Konkursverfahrens nicht auferlegt werden, wenn in der Folge - wegen Überschuldung der Erbschaft - die Erbschaftsbehörde das Konkursgericht benachrichtigt und dieses die konkursamtliche Liquidation anordnet. | Sachverhalt
ab Seite 287
BGE 124 III 286 S. 287
A.-
Nach dem Tode von G. am 27. Januar 1997 schlugen die Erben die Erbschaft aus, mit Ausnahme der Erbin B. Diese verlangte am 25. Februar 1997 die Aufnahme eines öffentlichen Inventars.
Wegen Überschuldung des Nachlasses ersuchte das Bezirksamt Gaster am 18. November 1997 um Liquidation des Nachlasses durch das Konkursamt des Kantons St. Gallen. Das Bezirksgerichtspräsidium Gaster ordnete diese am 26. November 1997 an, stellte aber am 26. Februar 1998 das Konkursverfahren mangels Aktiven wieder ein.
B.-
Mit Verfügung vom 7. April 1998 auferlegte das Konkursamt der Erbin B. die Kosten des Konkursverfahrens von Fr. 1'779.60.
Darüber beschwerte sich B. beim Kantonsgericht St. Gallen als kantonaler Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs. Ihre Beschwerde wurde indessen mit Entscheid vom 25. Juni 1998 abgewiesen.
Demgegenüber hiess die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts die Beschwerde gut.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
Das Kantonsgericht St. Gallen hat die Verfügung des Konkursamtes des Kantons St. Gallen vom 7. April 1998, womit der Beschwerdeführerin die Kosten des Konkursverfahrens in der Höhe von Fr. 1'779.60 auferlegt wurden, geschützt. Dabei hat es jedoch offenbar verkannt, dass die Beschwerdeführerin nicht die konkursamtliche Liquidation verlangt, sondern die Erbschaft unter öffentlichem Inventar angenommen hat.
a) Die Kosten des Konkursverfahrens können Erben auferlegt werden, wenn sie selber nach Massgabe von
Art. 193 Abs. 3 SchKG
die konkursamtliche Liquidation verlangen. Indessen ist die Kostenauflage unzulässig, wenn ein Erbe die Erbschaft unter öffentlichem Inventar annimmt oder die amtliche Liquidation verlangt (
Art. 593 Abs. 1 ZGB
) und in der Folge die Erbschaftsbehörde das Konkursgericht benachrichtigt und dieses die konkursamtliche Liquidation
BGE 124 III 286 S. 288
anordnet (
Art. 193 Abs. 1 und 2 SchKG
,
Art. 597 ZGB
; siehe AMONN/GASSER, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 6. Auflage Bern 1997, § 38, N. 42 im Gegensatz zu N. 41).
b) Nach den für die erkennende Kammer verbindlichen Feststellungen der kantonalen Aufsichtsbehörde (Art. 63 Abs. 2 in Verbindung mit
Art. 81 OG
) hat die Beschwerdeführerin die Erbschaft unter öffentlichem Inventar angenommen. Wegen Überschuldung der Erbschaft hat das Bezirksamt Gaster als Erbschaftsbehörde am 18. November 1997 den Antrag auf konkursamtliche Liquidation gestellt. Deren Kosten konnten nach dem oben Gesagten nicht der Beschwerdeführerin auferlegt werden; und daran vermögen auch die Überlegungen der kantonalen Aufsichtsbehörde nichts zu ändern:
Wenn sie im angefochtenen Entscheid zwar richtigerweise davon ausgeht, dass sich das konkursamtliche Liquidationsverfahren nach
Art. 194 SchKG
und nach den allgemeinen Vorschriften des Konkursrechtes richtet (MARTIN KARRER, in: Honsell/Vogt/Geiser, Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, N. 10 zu
Art. 597 ZGB
), so beruft sich anderseits die Beschwerdeführerin zu Recht auf ebendiese Stelle in der Literatur, wo - unter Hinweis auf
Art. 262 SchKG
- auch gesagt wird, dass sämtliche Kosten aus Eröffnung und Durchführung des Konkursverfahrens zu Lasten der Masse gingen und dass die Erben nicht belastet werden könnten, wenn die Masse ungenügend sei (vgl. auch
BGE 71 III 164
, S. 170).
Gestützt auf
Art. 169 SchKG
(in Verbindung mit
Art. 194 SchKG
) kann die Beschwerdeführerin deshalb nicht belangt werden, weil nicht sie, sondern die Erbschaftsbehörde die konkursamtliche Liquidation beantragt hat. | null | nan | de | 1,998 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
c8460c39-833b-4c96-97d3-41f21c129816 | Urteilskopf
123 IV 145
22. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 12. September 1997 i.S. F. gegen A. und Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde) | Regeste
Art. 47 OR
und
Art. 60 Abs. 1 lit. b StGB
; Zusprechung eingezogener Gegenstände und Vermögenswerte an den Geschädigten bis zur Höhe des gerichtlich oder durch Vergleich festgesetzten Schadenersatzes.
Auch Genugtuung stellt einen Schaden im Sinne von
Art. 60 Abs. 1 StGB
dar (E. 4). | Sachverhalt
ab Seite 145
BGE 123 IV 145 S. 145
A. erdrosselte seine Freundin M. am 16. Juli 1995 bei einem Streit.
Deswegen sprach das Geschworenengericht des Kantons Zürich A. mit Urteil vom 11. September 1996 der vorsätzlichen Tötung schuldig und verurteilte ihn zu neun Jahren Zuchthaus. Sodann sprach es der Mutter des Opfers, F., Schadenersatz und Genugtuung in der Höhe von insgesamt Fr. 14'830.-- zuzüglich Zins zu. überdies beschloss es, das beschlagnahmte Bargeld des A. im Betrag von Fr. 15'000.-- zur Deckung der Schadenersatzforderung von F. zu verwenden, mit dem Restbetrag die Verfahrenskosten zu begleichen, sowie einen allfällig verbleibenden Überschuss A. zurückzuerstatten.
BGE 123 IV 145 S. 146
Eine von F. dagegen erhobene kantonale Nichtigkeitsbeschwerde wies das Kassationsgericht des Kantons Zürich am 9. März 1997 ab, soweit es darauf eintrat.
F. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde und beantragt u.a., es sei der Beschluss des Geschworenengerichts insoweit aufzuheben, als er die Verwendung der beschlagnahmten Barschaft nach Abzug des ihr zugesprochenen Schadenersatzes einschliesslich Zins betreffe, und es sei ihr der verbleibende Betrag in Anrechnung an ihre Genugtuungsforderung zuzusprechen.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde in diesem Punkte gut
Erwägungen
aus folgenden Erwägungen:
4.
Die Beschwerdeführerin bringt weiter vor, die Vorinstanz habe Bundesrecht verletzt, indem sie das beschlagnahmte Bargeld von A. nach Abzug ihrer Schadenersatzerforderung zur Deckung der Verfahrenskosten statt in Anrechnung auf ihre Genugtuungsforderung verwendet habe. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz erfasse
Art. 60 StGB
auch Genugtuungsforderungen.
a) Gemäss
Art. 60 Abs. 1 StGB
in seiner bis zum 1. Januar 1993 geltenden Fassung, kann der Richter demjenigen, der durch ein Verbrechen oder Vergehen geschädigt worden ist und sofern ihm der Schädiger den Schaden voraussichtlich nicht ersetzen wird, "bis zur Höhe des gerichtlich oder durch Vergleich festgesetzten Schadenersatzes eingezogene Gegenstände und Vermögenswerte sowie Geschenke und andere Zuwendungen, die dem Staat verfallen sind, oder deren Verwertungserlös unter Abzug der Verwertungskosten, und den Betrag der Friedensbürgschaft zuerkennen."
Art. 60 StGB
wurde im Anhang Ziffer 1 des Opferhilfegesetzes vom 4. Oktober 1991, in Kraft seit dem 1. Januar 1993 (OHG, SR 312.5), revidiert; dessen Absatz 1 lautet nunmehr wie folgt:
"Erleidet jemand durch ein Verbrechen oder ein Vergehen einen Schaden,
der nicht durch eine Versicherung gedeckt ist, und ist anzunehmen, dass der
Schädiger den Schaden nicht ersetzen wird, so spricht der Richter dem
Geschädigten auf dessen Verlangen bis zur Höhe des gerichtlich oder durch
Vergleich festgesetzten Schadenersatzes zu:
a. die vom Verurteilten bezahlte Busse;
b. eingezogene Gegenstände und Vermögenswerte oder deren Verwertungserlös
unter Abzug der Verwertungskosten;
c. Ersatzforderungen;
d. den Betrag der Friedensbürgschaft."
BGE 123 IV 145 S. 147
b) Fraglich ist, wie die Begriffe des "Schadens" bzw. des "Schadenersatzes" gemäss
Art. 60 Abs. 1 StGB
alte und neue Fassung zu verstehen sind.
aa) Die strafrechtliche Doktrin war sich unter der Herrschaft des alten Rechts uneins, wie der Begriff des "Schadens" bzw. "Schadenersatzes" nach
Art. 60 StGB
a.F. auszulegen sei. Einzelne Autoren wollten gestützt auf den Gesetzeswortlaut ausschliesslich Schadenersatz gemäss den
Art. 41 ff. OR
von
Art. 60 StGB
a.F. erfasst wissen (CLERC, ZStrR 56 (1942), 16; SCHULTZ, Einführung in den Allgemeinen Teil des Strafrechts, Bd. II, 4. Aufl. Bern 1982, 216; STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht Allgemeiner Teil II: Strafen und Massnahmen, Bern 1989, § 14 N. 42). Andere Autoren argumentierten demgegenüber mit dem Sinn und Zweck von
Art. 60 StGB
a.F., den Geschädigten die Verfolgung ihrer Rechte zu erleichtern, und standen dafür ein, den Begriff des "Schadenersatzes" weit auszulegen und darunter auch den sogenannten "tort moral" nach den
Art. 47 und 49 OR
zu subsumieren (FALB, ZStrR 94 (1977), 333; HAFTER, Lehrbuch des Schweizerischen Strafrechts, Allgemeiner Teil, 2. Auflage Bern 1946, § 78 Ziff. I Abs. 1 S. 421; LOGOZ/SANDOZ, Commentaire du Code Pénal Suisse, Partie générale, 2. Auflage Neuchâtel/Paris 1976, N. 4 zu Art. 60; THORMANN/V. OVERBECK, Das Schweizerische Strafgesetzbuch, Bd. I, Allgemeine Bestimmungen, Zürich 1940, N. 5 Ziff. 2 zu Art. 60; TRECHSEL, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Kurzkommentar, Zürich 1989, N. 4 zu Art. 60).
bb) Schaden im zivilrechtlichen Sinne ist nach allgemeiner Auffassung Verminderung des Vermögens. Die Beeinträchtigung von persönlich-ideellen Rechtsgütern wie Ehre und Integrität zieht nur dann einen Schaden im Sinne des Obligationenrechts nach sich, wenn auch das Vermögen mitbetroffen ist. Deshalb stellt eine immaterielle Unbill keinen Schaden, sondern Genugtuung dar (BREHM, Zürcher Kommentar (1990), N. 69 ff. zu Art. 41; GUHL/MERZ/KOLLER, Das Schweizerische Obligationenrecht, 8. Aufl. Zürich 1991, 59 ff.; OFTINGER, Schweizerisches Haftpflichtrecht, Bd. I, Allgemeiner Teil, 4. Aufl. 1975, 53 ff., 286 ff.; OSER/SCHÖNENBERGER, Zürcher Kommentar (1929), Erster Halbband: Art. 1-183, 2. Aufl., N. 74 ff. zu Art. 41, N. 2 ff. zu Art. 47; SCHNYDER, Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Obligationenrecht I, 2. Aufl. Basel 1996, N. 3 zu Art. 41; VON TUHR/PETER, Allgemeiner Teil des Schweizerischen Obligationenrechts, 3. Aufl. Zürich 1979, 83 f.). Zum Teil wird in der Doktrin bei Verletzungen von persönlichen Rechtsgütern
BGE 123 IV 145 S. 148
missverständlich von "seelischem", "immateriellem" bzw. "idealem" Schaden gesprochen (vgl. BREHM, a.a.O., N. 74 zu Art. 41; GAUCH/SCHLUEP/JÄGGI, Schweizerisches Obligationenrecht Allgemeiner Teil, Band II, 6. Aufl. Zürich 1995, N. 2633, S. 104; OFTINGER, a.a.O., 61 Fn. 38; OSER/SCHÖNENBERGER, a.a.O., N. 74 zu Art. 41 und N. 4 zu Art. 47). Auch im Gesetz ist der Sprachgebrauch nicht konsequent durchgeführt, differenziert doch etwa die Bestimmung des
Art. 60 Abs. 1 OR
, welche die Verjährung von Ansprüchen auf Schadenersatz und Genugtuung regelt, lediglich im einleitenden Teilsatz zwischen Schadenersatz und Genugtuung; im weiteren spricht der Gesetzestext aber nur noch von "Schaden", "schädigender Handlung" und "Geschädigtem".
c) In der Botschaft zu einem Bundesgesetz über die Hilfe an Opfer von Straftaten (Opferhilfegesetz, OHG [SR 312.5]) und zu einem Bundesbeschluss über das Europäische Übereinkommen über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (BBl 1990 II 961 ff.) sah der Bundesrat die Revision des
Art. 60 StGB
als "eng mit den Anliegen der Opferhilfe verbunden" an (Botschaft a.a.O., 975).
Art. 60 StGB
wurde dementsprechend im Anhang zum OHG neu geregelt (BBl 1990 II 1014). Daraus ergibt sich, dass die Auslegung des Begriffs des Schadens bzw. des Schadenersatzes nach Art. 60 sich an Sinn und Zweck des OHG auszurichten hat.
d) aa) Opfer im Sinne des OHG ist jede Person, die durch eine Straftat in ihrer körperlichen, sexuellen oder psychischen Integrität unmittelbar beeinträchtigt worden ist, und zwar unabhängig davon, ob der Täter ermittelt worden ist und ob er schuldhaft gehandelt hat (
Art. 2 Abs. 1 OHG
). Der Ehegatte des Opfers, dessen Kinder und Eltern sowie andere Personen, die ihm in ähnlicher Weise nahestehen, werden dem Opfer u.a. bei der Geltendmachung von Zivilansprüchen gegenüber dem Täter gleichgestellt (
Art. 2 Abs. 2 lit. b OHG
).
Das OHG will nach seiner Zweckbestimmung "den Opfern von Straftaten wirksame Hilfe leisten und ihre Rechtsstellung verbessern" (
Art. 1 Abs. 1 OHG
); die Hilfe umfasst Beratung, Schutz des Opfers und Wahrung seiner Rechte im Strafverfahren sowie Entschädigung und Genugtuung (Abs. 2). Unter anderem soll dem Opfer die Geltendmachung von Zivilansprüchen im Strafverfahren erleichtert und eine Verweisung dieser Ansprüche durch den Strafrichter auf den Zivilweg wesentlich erschwert werden (Art. 2 Abs. 2 lit. b und c,
Art. 8 und 9 OHG
). Das Opfer soll seine Zivilansprüche nicht mehr in einem oft aufwendigen und mit erheblichem
BGE 123 IV 145 S. 149
Kostenrisiko verbundenen Zivilprozess einklagen müssen, sondern es soll sie auf dem vergleichsweise einfachen Weg des Strafverfahrens adhäsionsweise geltend machen können (
BGE 120 IV 44
E. I 4;
BGE 120 Ia 101
E. 2b).
bb) Die Bestimmungen des OHG zur Rechtsstellung des Opfers im Strafverfahren (Art. 5-10) treffen keine Unterscheidung zwischen Vermögensschaden und immaterieller Unbill, sondern sprechen einheitlich von "Zivilansprüchen" des Opfers gegenüber dem Täter. Damit hat das Opfer bei der Geltendmachung von Genugtuung im Strafverfahren grundsätzlich die gleichen Rechte wie bei Schadenersatzforderungen. Nur soweit das OHG dem Opfer einen Anspruch auf staatliche Leistungen einräumt, unterscheidet das Gesetz zwischen "Entschädigung" und "Genugtuung" (Art. 1, 2, 11-14 sowie 16 OHG).
Aus dieser Konzeption des OHG einer in bezug auf die Rechtsstellung des Opfers im Strafverfahren gegen den Täter unterschiedslosen Behandlung von Schadenersatz und Genugtuung bestimmt sich der Begriff des "Schadens" bzw. "Schadenersatzes" nach
Art. 60 StGB
.
Art. 60 StGB
wurde, wie bereits dargelegt (E. 4c), mit Blick auf die Anliegen der Opferhilfe revidiert, den Opfern von Straftaten wirksame Hilfe - Beratung, Schutz und Wahrung ihrer Rechte im Strafverfahren sowie Entschädigung und Genugtuung - zu leisten und ihre Rechtsstellung zu verbessern (
Art. 1 OHG
). Eine dieser Zielsetzungen, den Opfern von Straftaten die Geltendmachung von Zivilansprüchen gegen den Täter im Strafverfahren zu erleichtern und damit letztlich deren Durchsetzung ohne grossen Aufwand zu ermöglichen, würde unterlaufen, wollte man die Begriffe des "Schadens" bzw. "Schadenersatzes" im Sinne von
Art. 60 StGB
eng auslegen und darunter nur Vermögensschäden und nicht auch immaterielle Unbill subsumieren. Eine solche einschränkende Auslegung wäre mit dem gesetzgeberischen Willen nicht in Einklang zu bringen. Schliesslich würde eine unterschiedliche Behandlung von Genugtuung und Schadenersatz bei
Art. 60 StGB
, nicht aber im Rahmen des OHG (Art. 5-10), zu unauflösbaren Wertungswidersprüchen führen.
cc) Nach dem Gesagten kann die mit Sinn und Zweck der Opferhilfe vereinbare Auslegung von
Art. 60 Abs. 1 StGB
nur darin gesehen werden, dass der Strafrichter nach Abs. 1 lit. b dieser Bestimmung eingezogene Gegenstände und Vermögenswerte des Täters dem Opfer sowohl bis zur Höhe des gerichtlich oder durch Vergleich festgesetzten Schadenersatzes als auch der Genugtuung zwingend
BGE 123 IV 145 S. 150
(vgl. dazu Botschaft, a.a.O., 996) zusprechen muss, soweit die gesetzlichen Voraussetzungen dafür gegeben sind.
e) A. bringt in seiner Vernehmlassung vor, das beschlagnahmte Bargeld sei nicht nach
Art. 59 StGB
eingezogen worden, weshalb es an einer der gesetzlichen Voraussetzungen für die Zusprechung des beschlagnahmten Geldes an die Beschwerdeführerin zur Dekkung ihrer Genugtuungsforderung fehle. Wie es sich damit verhält, braucht hier nicht näher geprüft zu werden. Denn A. hat im Verfahren vor der Vorinstanz dem Antrag der Beschwerdeführerin, das beschlagnahmte Geld zur Deckung ihrer Schadenersatz- und Genugtuungsforderung zu verwenden, nicht opponiert und die Forderungen jedenfalls im Grundsatz anerkannt. An seine konkludente Zustimmung zur Verwendung des beschlagnahmten Geldes im Sinne des Antrages der Beschwerdeführerin war die Vorinstanz gebunden. Indem sie der Beschwerdeführerin das beschlagnahmte Bargeld von A. im Betrag von Fr. 15'000.-- nur bis zur Höhe des gerichtlich festgesetzten Schadenersatzes und nicht auch bis zu derjenigen der Genugtuung zusprach, hat die Vorinstanz somit Bundesrecht verletzt. | null | nan | de | 1,997 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
c84677d5-4226-495d-b508-8e2db86aea16 | Urteilskopf
87 IV 97
22. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 23. Juni 1961 i.S. Schweizerische Bundesanwaltschaft gegen Flück und Barmettler. | Regeste
Art. 112 Abs. 1 des Landuirtschaftsgesetzes ist nicht anwendbar, wenn die Widerhandlung zugleich ein Verbrechen oder Vergehen des Strafgesetzbuches erfüllt. | Sachverhalt
ab Seite 97
BGE 87 IV 97 S. 97
Aus dem Tatbestand:
Barmettler hatte am 13. August 1959 einen Motormäher gekauft. Um nachträglich noch den Subven tionsbeitrag von 10% der Anschaffungskosten zu erlangen, der Bergbauern gemäss Art. 16 und 17 der Allgemeinen Landwirtschaftsverordnung vom 21. Dezember 1953 unter bestimmten Voraussetzungen vom Bund gewährt wird, reichte Barmettler im Oktober 1959 ein Beitragsgesuch mit einer Erklärung vom 17. Oktober 1959 ein, worin er und ein weiterer Landwirt bescheinigten, dass der zur Subventionierung angemeldete Motormäher bis dahin weder bestellt noch angeschafft worden sei. Auf Empfehlung der kantonalen Zentralstelle für Ackerbau bewilligte die Abteilung für Landwirtschaft des Eidg. Volkswirtschaftsdepartements am 19. Januar 1960 einen Bundesbeitrag von Fr. 191.--, zahlbar nach Vorlegung der quittierten Rechnung. Flück, der Vertreter der Verkäuferin, änderte darauf die am 13. August 1959 ausgestellte Originalrechnung dahin ab, dass er eine andere Fakturanummer
BGE 87 IV 97 S. 98
und als Datum der Ausstellung den 13. Mai 1960 einsetzte und die Rechnung mit einem auf den 18. Mai 1960 datierten Quittungsvermerk versah. Da die Abteilung für Landwirtschaft diese nachträglichen Änderungen als Fälschungen erkannte, verweigerte sie die Auszahlung des Bundesbeitrages und erstattete Strafanzeige.
Das Kantonsgericht Nidwalden verurteilte Flück und Barmettler wegen Übertretung des Landwirtschaftsgesetzes (Art. 112 Abs. 1 letzter Satz) zu einer Busse von Fr. 100.-- bzw. Fr. 80.-.
Die Bundesanwaltschaft, die gegen dieses Urteil Nichtigkeitsbeschwerde führt, macht geltend, Barmettler habe sich wegen vollendeten Betrugsversuches und Urkundenfälschung, Flück wegen Urkundenfälschung und Gehilfenschaft zu Betrugsversuch zu verantworten, weshalb das Strafgesetzbuch und nicht das Landwirtschaftsgesetz anzuwenden sei.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
Gemäss Art. 112 Abs. 1 des Landwirtschaftsgesetzes (AS 1953 S. 1103) wird derjenige, der eine der dort aufgezählten Handlungen vorsätzlich begeht, mit Haft oder mit Busse bis zu 1000 Franken bestraft, sofern nicht eine schwerere strafbare Handlung vorliegt. Nach dem letzten Satz des Abs. 1 fällt unter diese Strafandrohung, wer vorsätzlich in einem 8citragsgesuch unwahre oder täuschende Angaben macht. In Abs. 2 wird auch die fahrlässige Begehung unter Strafe - Busse bis zu 300 Franken - gestellt.
Art. 112 Abs. 1 des Landwirtschaftsgesetzes enthält eine Kollisionsnorm, wonach die Strafbestimmungen dieses Gesetzes nur anwendbar sind, sofern die Handlung nicht unter eine andere schwerere Strafbestimmung fällt. Dieser Vorbehalt bedeutet nach seinem Wortlaut, dass die Strafbestimmungen des Strafgesetzbuches den Vorrang
BGE 87 IV 97 S. 99
haben und diejenigen des Landwirtschaftsgesetzes nicht Anwendung finden, wenn der Täter durch die gegen das Landwirtschaftsgesetz verstossende Handlung zugleich ein Verbrechen oder Vergehen des gemeinen Strafrechts erfüllt. Wer daher vorsätzlic.h durch unwahre oder täuschende Angaben einen Bundesbeitrag erschleicht oder zu erlangen versucht und dabei einen Betrug oder Betrugsversuch begeht, ist nach
Art. 148 Abs. 1 StGB
und nicht nach Art. 112 Abs. 1 des Landwirtschaftsgesetzes strafbar. Desgleichen ist er nach
Art. 251 StGB
zu bestrafen, wenn er zur Täuschung der Subventionsbehörden Belege fälscht oder von Dritten gefälschte Belege verwendet und dadurch den Tatbestand der Urkundenfälschung erfüllt.
Der Kassationshof hat freilich schon entschieden, dass nicht entscheidend sei, wenn die dem gemeinrechtlichen Betrug eigenen Merkmale der Arglist, der Bereicherungsabsicht und der Vermögensschädigung in dem vom Spezialgesetz normierten betrugsähnlichen Tatbestand fehlen, weil selten öffentlichrechtliche Leistungen durch Täuschung erschlichen werden, ohne dass auch die besonderen Merkmale des
Art. 148 Abs. 1 StGB
erfüllt wären (
BGE 85 IV 180
). Diesem Gesichtspunkt, der an sich auch hier zutreffen mag, steht jedoch entgegen, dass das Landwirtschaftsgesetz die schwersten Tatbestände, die es in Art. 112 umschreibt, nur mit Haft bis zu drei Monaten als Höchststrafe bedroht und infolgedessen nur Übertretungen kennt. Hierin unterscheidet es sich wesentlich von andern Spezialgesetzen, insbesondere vom AHV-Gesetz, das zwar im Gegensatz zum Getreidegesetz die Anwendung des Strafgesetzbuches vorbehält, abcr wie jenes ausscr den Übertretungsfällen auch die Vergehenstatbestände mit entsprechendem Strafrahmen so umfassend ordnet, dass daraus geschlossen werden muss, es regle die auf dem Gebiet der AHV strafbaren Handlungen abschliessend und erfasse auch die verwandten Tatbestände des Strafgesetzbuches (
BGE 82 IV 137
). Eine blosse Haftstrafe, wie sie das Landwirtschaftsgesetz vorsieht, könnte wohl in verschuldensmässig
BGE 87 IV 97 S. 100
leichten Fällen ausreichen, wäre aber in schweren Fällen ebenso wie im Bereiche des Kranken- und Unfallversicherungsgesetzes ungenügend, um die Verbrechen des Betruges und der damit zusammenhängenden Urkundenfälschung abzugelten (
BGE 86 IV 95
). Dass Fälle möglich sind, in denen die nachgesuchte Subvention wesentlich grösser ist als im vorliegenden Falle, ergibt sich aus Art. 16 Abs. 1 der Allgemeinen Landwirtschaftsverordnung in der Fassung vom 20. Dezember 1957, wo vorgesehen ist, dass bei teureren Maschinen, z.B. Seilzugeinrichtungen, Beiträge bis zu 20% des Kaufpreises ausgerichtet werden. Die ausschliessliche Anwendung des Landwirtschaftsgesetzes hätte zudem zur Folge, dass Gehilfenschaft und Versuch gemäss
Art. 104 StGB
straflos bleiben müssten, was namentlich in schweren Fällen stossend wäre. Die Kollisionsnorm des Landwirtschaftsgesetzes ist daher wörtlich zu nehmen und so zu verstehen, dass Handlungen, durch die sowohl Art. 112 Abs. 1 des Landwirtschaftsgesetzes übertreten als auch ein Verbrechen oder Vergehen begangen wird, einzig auf Grund des Strafgesetzbuches zu ahnden sind. Übrigens kann auch nach dem in
Art. 148 und 251 StGB
vorgesehenen Strafrahmen bis auf drei Tage Gefängnis heruntergegangen werden, so dass noch genügend Spielraum bleibt, um in leichten Fällen dem geringen Verschulden des Täters angemessen Rechnung zu tragen. | null | nan | de | 1,961 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
Subsets and Splits
No community queries yet
The top public SQL queries from the community will appear here once available.