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Urteilskopf 115 Ib 456 62. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 1. November 1989 i.S. A. S. und H. W. gegen B. AG, Gemeinde Schmitten, Oberamtmann des Sensebezirks, Staatsanwaltschaft und Staatsrat des Kantons Freiburg (Verwaltungsgerichtsbeschwerde und staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste Umweltschutzgesetzgebung des Bundes (Lärmschutz und Luftreinhaltung), kantonales und kommunales Baurecht. 1. a) Eine Baubewilligung kann mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten werden, soweit die Verletzung von unmittelbar anwendbarem Umweltschutzrecht zu beurteilen ist (E. 1b). b) Die Rüge der Verletzung verfassungsmässiger Rechte bei der Auslegung und Anwendung von selbständigem kantonalem und kommunalem Baurecht ist mit staatsrechtlicher Beschwerde vorzubringen (E. 1c). 2. Zweistufiges Konzept des Umweltschutzgesetzes zur Emissionsbegrenzung gemäss Art. 11 Abs. 2 und 3 USG (E. 3). 3. Einzelfallweise Zuordnung einer höheren Lärm-Empfindlichkeitsstufe nach Art. 43 Abs. 2 LSV hinsichtlich einer kleinen, mit Lärm vorbelasteten Wohnzone, die von gewerblichen und industriellen Nutzungszonen voll umschlossen ist (E. 4). 4. Neue ortsfeste Anlage nach Art. 7 LSV oder wesentliche Änderung einer bestehenden ortsfesten Anlage nach Art. 8 LSV ? Verhältnis zur Sanierungspflicht? Massgebende Belastungsgrenzwerte? Fragen offengelassen (E. 5). 5. Auch wenn eine Heizung sanierungsbedürftig ist, muss sie bei Errichtung eines neuen Anbaus, der durch sie beheizt werden soll, nicht gleichzeitig saniert werden, wenn von der Heizungsanlage keine Mehremissionen zu erwarten sind (E. 6).
Sachverhalt ab Seite 458 BGE 115 Ib 456 S. 458 Die Firma B. AG hat am 21. November 1985 ein Gesuch für den Um- und Ausbau ihres in Schmitten bestehenden Schreinereibetriebs und den Bau eines Zivilschutzraums für 150 Personen eingereicht. Das Bauvorhaben soll auf Parzelle Nr. 152 des Grundbuchs der Gemeinde Schmitten ausgeführt werden, welche im Eigentum von B., Geschäftsführer der genannten Firma, und von S. steht. Die benachbarte Parzelle Nr. 154 gehört B. Beide Grundstücke befinden sich in der Mischzone II, die namentlich für Wohn- und Gewerbenutzung sowie kleine Industriebetriebe vorgesehen ist (Art. 16 des Planungs- und Baureglements der Gemeinde Schmitten vom 26. Januar 1987/26. Januar 1988; BR). Mehrere Anwohner haben sich gegen das Bauprojekt gewehrt; darunter auch A. S. und H. W., die Eigentümer der unmittelbar an das Baugrundstück anstossenden Parzelle Nr. 151, welche in einer sehr kleinen, nur wenige Grundstücke umfassenden Wohnzone I liegt (Zone schwacher Besiedlungsdichte für Einzelwohnhäuser; Art. 12 BR). Diese ist auf allen Seiten entweder von Mischzone II oder von Industrie- und Gewerbezonen umgeben. Die Bauparzelle ragt in die genannte Wohnzone I hinein. Der Oberamtmann des Sensebezirks wies die gegen das Bauprojekt gerichteten Einsprachen ab und erteilte die Baubewilligung, namentlich gestützt auf Gutachten des kantonalen Bau- und Raumplanungsamtes und des kantonalen Amtes für Umweltschutz. Gegen diesen Entscheid führten A. S. und H. W. sowie weitere Nachbarn Verwaltungsbeschwerde beim Staatsrat wegen Verletzung verschiedener bau-, planungs- und umweltschutzrechtlicher Vorschriften. Die das Verfahren in Vertretung des Staatsrates instruierende Staatsanwaltschaft wies ein Gesuch der Beschwerdeführer um aufschiebende Wirkung ab. Diesen verfahrensleitenden Entscheid der Staatsanwaltschaft fochten die Beschwerdeführer ebenfalls beim Staatsrat an. Auf die Beschwerde gegen die Verweigerung der aufschiebenden Wirkung durch die Staatsanwaltschaft trat der Staatsrat mit Entscheid Nr. 601 vom 13. Februar 1989 nicht ein. Bezüglich der Beschwerde gegen die Baubewilligung entschied der Staatsrat (Entscheid Nr. 602): "1. Die Verwaltungsbeschwerde wird unter Vorbehalt von Artikel 2 abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 2. Vor Erteilung der definitiven Bezugsbewilligung ist durch Messungen die Einhaltung des Planungswertes nachzuweisen. 3.-5. (Rechtsmittel, Kosten, Mitteilung)" BGE 115 Ib 456 S. 459 Mit Eingabe vom 24. März 1989 führen A. S. und H. W. Verwaltungsgerichts- und staatsrechtliche Beschwerde gegen die beiden Staatsratsentscheide vom 13. Februar 1989. Sie rügen die Verletzung eidgenössischen Umweltschutzrechts (Umweltschutzgesetz, Lärmschutz-Verordnung, Luftreinhalte- Verordnung), kommunalen und kantonalen Baurechts (insbesondere der Bestimmungen über die Ausnützungsziffer und die Baudichte) sowie Verfahrensfehler und beantragen die Aufhebung der angefochtenen Entscheide. Eine Delegation des Bundesgerichts hat am 19. September 1989 an Ort und Stelle einen Augenschein mit Instruktionsverhandlung durchgeführt. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Die Beschwerdeführer haben gegen die Entscheide des Freiburger Staatsrates Verwaltungsgerichtsbeschwerde und staatsrechtliche Beschwerde eingereicht. Welches Rechtsmittel zulässig ist und ob im vorliegenden Fall beide Rechtsmittel ergriffen werden können, prüft das Bundesgericht von Amtes wegen und mit freier Kognition ( BGE 114 Ia 308 E. 1a, Ib 216 E. 1 mit Hinweisen). a) Der angefochtene Entscheid Nr. 602 ist einerseits in Anwendung des kantonalen Raumplanungs- und Baugesetzes vom 9. Mai 1983 (RPBG) und des Ausführungsreglements zu diesem Gesetz vom 18. Dezember 1984 (AR RPBG) sowie des Planungs- und Baureglements der Gemeinde Schmitten vom 26. Januar 1987/26. Januar 1988 (BR), andererseits gestützt auf das Bundesgesetz über den Umweltschutz vom 7. Oktober 1983 (USG) und dessen Ausführungserlasse (Lärmschutz-Verordnung vom 15. Dezember 1986, LSV, SR 814.41; Luftreinhalte-Verordnung vom 16. Dezember 1985, LRV, SR 814.318.142.1) ergangen. Er geht von der letzten kantonalen Instanz aus. In dieser Hinsicht erweisen sich sowohl die Verwaltungsgerichtsbeschwerde als auch die staatsrechtliche Beschwerde als zulässig ( Art. 86 Abs. 2 und 98 lit. g OG ). b) Gemäss Art. 97 OG in Verbindung mit Art. 5 VwVG ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig gegen Verfügungen, die sich auf öffentliches Recht des Bundes stützen oder hätten stützen sollen ( BGE 112 Ib 165 E. 1, 237 E. 2a mit Hinweisen), sofern diese von den in Art. 98 OG genannten Vorinstanzen erlassen worden BGE 115 Ib 456 S. 460 sind und keiner der in Art. 99 ff. OG oder in der Spezialgesetzgebung vorgesehenen Ausschlussgründe gegeben ist. Dies gilt auch für Verfügungen, die sowohl auf kantonalem bzw. kommunalem wie auch auf Bundesrecht beruhen, falls und soweit die Verletzung von unmittelbar anwendbarem Bundesrecht in Frage steht ( BGE 114 Ib 216 E. 1b mit Hinweisen) und soweit dem kantonalen bzw. kommunalen Recht neben dem Bundesrecht keine selbständige Bedeutung zukommt (vgl. BGE 114 Ib 217 E. 1c, 223). Die Beschwerdeführer machen unter anderem die Verletzung des Umweltschutzrechts des Bundes geltend. Insoweit ist der vorinstanzliche Entscheid Nr. 602 zu Recht mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten worden; das Umweltschutzgesetz verweist selbst auf die allgemeinen Rechtsmittelbestimmungen des OG und des VwVG ( Art. 54 Abs. 1 USG ). Es ist im vorliegenden Fall keiner der Ausschlussgründe von Art. 99 ff. OG erfüllt. Insbesondere geht es nicht um eine Bau- oder Betriebsbewilligung für technische Anlagen im Sinne von Art. 99 lit. e OG ( BGE 114 Ib 216 f. E. 1b), da diese Bestimmung das technische Funktionieren einer Anlage und nicht deren umweltschutzrechtliche Auswirkungen betrifft. An der Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ändert auch der Umstand nichts, dass der angefochtene Entscheid im Rahmen eines Baubewilligungsverfahrens ergangen ist. Raumplanerische Entscheide sind nach Art. 34 Abs. 3 RPG zwar, unter Vorbehalt von zwei in Art. 34 Abs. 1 RPG genannten Ausnahmen, der verwaltungsgerichtlichen Überprüfung durch das Bundesgericht entzogen. Art. 34 Abs. 3 RPG gilt indessen nur für die richterliche Überprüfung der Anwendung der raumplanerischen kantonal- und bundesrechtlichen Normen selbst, dagegen nicht für andere unmittelbar anwendbare Bundesrechtsbestimmungen (vgl. BGE 114 Ib 217 E. 1b mit Hinweisen). Die Zuordnung der Lärm-Empfindlichkeitsstufen (Art. 43 f. LSV) betrachtet das Bundesgericht trotz der Anwendung von Bundesumweltschutzrecht als raumplanerischen Entscheid im Sinne von Art. 34 RPG , sofern sie gestützt auf Art. 44 Abs. 2 LSV im Rahmen der Festsetzung der Nutzungsordnung erfolgt ( BGE 114 Ia 387 f. E. 2, 3). c) Der angefochtene Entscheid Nr. 602 stützt sich auch auf kantonales und kommunales Baurecht (Art. 154 und 162 RPBG, Art. 54 ff. AR RPBG sowie Art. 16 BR). Soweit diesen Bestimmungen neben dem Bundesrecht selbständige Bedeutung zukommt, kann der Staatsratsentscheid Nr. 602 gemäss Art. 34 RPG BGE 115 Ib 456 S. 461 und Art. 84 Abs. 1 lit. a OG mit staatsrechtlicher Beschwerde angefochten werden. Ob die massgebenden kantonalen und kommunalen Bestimmungen selbständige Bedeutung haben, ist als Eintretensfrage im Rahmen der staatsrechtlichen Beschwerde zu beantworten. Soweit die Beschwerdeführer sich auf den Immissionsschutz des kantonalen Planungs- und Baurechts (Art. 154 RPBG) berufen, erweist sich die staatsrechtliche Beschwerde als unzulässig, weil dieser Bestimmung neben den umweltschutzrechtlichen Vorschriften des Bundes keine selbständige Bedeutung zukommt (vgl. BGE 114 Ib 217 ff. E. 1c, 4a, 5; 113 Ib 398 ff. E. 3). Die Rüge der Verletzung des Willkürverbots ( Art. 4 BV ) bei der Auslegung und Anwendung der kantonalen und kommunalen Bestimmungen über die Ausnützungsziffer und die Baudichte ist hingegen im Rahmen der staatsrechtlichen Beschwerde zu behandeln ( BGE 113 Ia 468 ff. mit Hinweisen). Gegen den Staatsratsentscheid Nr. 601, der in Anwendung des Gesetzes über das Verfahren bei Verwaltungsbeschwerden des Kantons Freiburg vom 24. Mai 1961 (VVG) ergangen ist, ist ebenfalls die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung des Willkürverbots ( Art. 4 BV ) zulässig. d) Demnach erweisen sich beide von den Beschwerdeführern eingereichte Rechtsmittel als zulässig. Es liegt hier eine Gabelung des Rechtsmittelweges vor: Soweit die Streitsache dem Bundesverwaltungsrecht untersteht, sind Bundesrechtsverletzungen - mit der erwähnten Ausnahme hinsichtlich des Raumplanungsrechts ( Art. 34 RPG ) - mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde geltend zu machen. Soweit dagegen die Anwendung selbständigen kantonalen Rechts beanstandet wird, muss staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte erhoben werden ( BGE 114 Ib 217 E. 1d, BGE 113 Ib 398 E. 1d je mit Hinweisen). Die Beschwerdeführer haben die beiden Rechtsmittel zusammen in einer Beschwerdeschrift erhoben, was nach der Praxis zulässig ist ( BGE 113 Ib 398 E. 1d mit Hinweisen). e) Die Parzelle der Beschwerdeführer stösst auf zwei Seiten an das Grundstück der Beschwerdegegnerin an. Sie haben ein schutzwürdiges Interesse an der Rüge der Verletzung von Bundesrecht ( Art. 103 lit. a OG ) und sind somit zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde legitimiert. Zur staatsrechtlichen Beschwerde sind die Beschwerdeführer nach Art. 88 OG legitimiert, soweit sie die Verletzung von Normen rügen, die mindestens zum Teil auch dem Schutz der Nachbarn BGE 115 Ib 456 S. 462 dienen, sie sich im Schutzbereich der angerufenen Vorschriften befinden und sie durch die behaupteten widerrechtlichen Auswirkungen betroffen werden. Die hier von den Beschwerdeführern angerufenen Vorschriften über die mögliche Ausnützung des Bodens und die Baudichte haben nach der Praxis des Bundesgerichts nachbarschützenden Charakter ( BGE 113 Ia 470 E. 1b, BGE 112 Ia 89 E. 1b, 414 f.). Die Beschwerdeführer sind demnach zur Rüge der Verletzung der Vorschriften über die Ausnützungsziffern befugt und können in diesem Zusammenhang auch eine willkürliche Feststellung des Sachverhalts geltend machen. Als Beschwerdeführer im kantonalen Verfahren sind sie überdies zur Rüge der willkürlichen Anwendung des kantonalen Verwaltungsverfahrensrechts (VVG) legitimiert. f) Auf die Beschwerden ist indessen nur einzutreten, soweit sie bezüglich Rechtzeitigkeit und Substantiierung den gesetzlichen Anforderungen genügen. 3. a) Das Bundesgesetz über den Umweltschutz soll u.a. Menschen gegen schädliche oder lästige Einwirkungen schützen ( Art. 1 Abs. 1 USG ). Zu diesen Einwirkungen gehören zum Beispiel Luftverunreinigungen und Lärm, die durch den Bau oder Betrieb von Anlagen (ortsfeste Einrichtungen wie Bauten und Verkehrswege oder diesen gleichgestellte Geräte, Maschinen, Fahrzeuge, Schiffe und Luftfahrzeuge ( Art. 7 Abs. 7 USG )) erzeugt werden ( Art. 7 Abs. 1 USG ). Einwirkungen werden sowohl einzeln als auch gesamthaft und nach ihrem Zusammenwirken beurteilt ( Art. 8 USG ). Im vorliegenden Fall stehen Lärmeinwirkungen und Luftverunreinigungen im Sinne von Art. 7 USG sowie allfällige Massnahmen zu deren Beschränkung in Frage. Der Schreinereibetrieb der Beschwerdegegnerin stellt in seiner Gesamtheit eine Anlage nach Art. 7 Abs. 1 und 7 USG dar. b) Nach dem zweistufigen Konzept des Umweltschutzgesetzes sind Einwirkungen auf die Umwelt wie etwa Luftverunreinigungen oder Lärm zunächst durch Massnahmen bei der Quelle zu beschränken (Emissionsbegrenzungen; Art. 11 Abs. 1 USG ). Solche Emissionsbegrenzungen können nach Art. 12 Abs. 1 USG u.a. durch den Erlass von Emissionsgrenzwerten, Bau- und Ausrüstungsvorschriften sowie Verkehrs- oder Betriebsvorschriften getroffen werden; diese werden nach Art. 12 Abs. 2 USG durch Verordnungen oder, soweit diese nichts vorsehen, durch unmittelbar auf das USG abgestützte Verfügungen vorgeschrieben. Unabhängig von der bestehenden Umweltbelastung sind Emissionen so BGE 115 Ib 456 S. 463 weit zu begrenzen, als dies technisch und betrieblich möglich und wirtschaftlich tragbar ist ( Art. 11 Abs. 2 USG ). In einem zweiten Schritt sind die Emissionsbeschränkungen zu verschärfen, wenn feststeht oder zu erwarten ist, dass die Einwirkungen unter Berücksichtigung der bestehenden Umweltbelastung schädlich oder lästig werden ( Art. 11 Abs. 3 USG ; vgl. A. SCHRADE in Kommentar USG, N 3 f., 16 ff. zu Art. 11). c) Bestehende Anlagen, die den bundesrechtlichen Umweltschutzbestimmungen nicht genügen, sind zu sanieren ( Art. 16 Abs. 1 USG ). Im Rahmen der Vorsorge sind auch bei bestehenden Anlagen die Emissionen im Sinne von Art. 11 Abs. 2 USG unabhängig von der bestehenden Umweltbelastung so weit zu begrenzen, als dies technisch und betrieblich möglich und wirtschaftlich tragbar ist; entsprechende Anordnungen können direkt auf Art. 12 Abs. 2 USG abgestützt werden (vgl. BGE 115 Ib 453 f. E. 3d, BGE 113 Ib 400 E. 3). Nach Art. 18 USG dürfen sanierungsbedürftige Anlagen ( Art. 16 Abs. 1 USG ) nur umgebaut oder erweitert werden, wenn sie gleichzeitig saniert werden. Als "Umbau" oder "Erweiterung" im Sinne von Art. 18 Abs. 1 USG kann jedoch nicht jede noch so geringfügige Veränderung des bestehenden Zustandes gelten, sondern nur eine Änderung von einer gewissen Bedeutung. Änderungen gelten in lärmmässiger Hinsicht als wesentlich, wenn zu erwarten ist, dass durch die Anlage selbst oder durch die Mehrbeanspruchung bestehender Verkehrsanlagen wahrnehmbar stärkere Lärmimmissionen erzeugt werden ( Art. 8 Abs. 3 LSV ; vgl. A. SCHRADE in Kommentar USG, N 13 zu Art. 18). Art. 13 Abs. 1 LSV bestimmt zudem, dass bei ortsfesten Anlagen, die wesentlich zur Überschreitung der Immissionsgrenzwerte beitragen, die notwendigen Sanierungen anzuordnen sind. Dies bedeutet, dass nach dieser Vorschrift auch Anlagen sanierungsbedürftig sein können, die zusammen mit anderen bestehenden Anlagen schädlichen oder lästigen Lärm verursachen, d.h. den Immissionsgrenzwert ( Art. 13 USG ) überschreiten und wesentlich zur gesamten Lärmbelastung beitragen ( BGE 115 Ib 453 E. 3c). d) Für die Beurteilung dessen, was als schädlich und lästig gilt und somit zu verschärften Emissionsbegrenzungen führt (zweite Massnahmenstufe; Art. 11 Abs. 3 USG ), ist in erster Linie auf die in den Verordnungen ( Art. 13 Abs. 1 USG ) zahlenmässig festgelegten Immissionsgrenzwerte abzustellen. Soweit solche Grenzwerte (noch) fehlen oder das fragliche Problem nicht abdecken, haben BGE 115 Ib 456 S. 464 die Vollzugsbehörden anhand der gemäss Art. 13 Abs. 2, 14 und 15 USG massgeblichen Gesichtspunkte im Einzelfall festzulegen, was als schädlich oder lästig zu bezeichnen ist (A. SCHRADE in Kommentar USG, N 37 zu Art. 11 sowie N 3 zu Art. 13). Das Abstellen auf die Immissionsgrenzwerte setzt voraus, dass erstens eine quantitative Ermittlung des Lärms durch Messung, Schätzung oder anhand der Erfahrung erfolgt und dass zweitens eine qualitative Beurteilung auf Schädlichkeit und Lästigkeit hin vorgenommen wird. Dabei ist von einem objektivierten Massstab auszugehen, der auch Personengruppen mit erhöhter Empfindlichkeit einbezieht ( Art. 13 Abs. 2 USG ) und der sich nach den speziellen Kriterien für Lärm ( Art. 15 USG ) bzw. Luft ( Art. 14 USG ) richtet (vgl. BGE 115 Ib 451 ff. E. 3b, 4b; ZBl 90/1989 S. 226 E. 3c). 4. Das Bauvorhaben der Beschwerdegegnerin ist zunächst auf seine Übereinstimmung mit den lärmschutzrechtlichen Vorschriften des Bundes zu überprüfen. Als Belastungsgrenzwerte für den Schutz der Bevölkerung vor Lärm hat der Bundesrat in den Anhängen 3-7 zur Lärmschutz-Verordnung gestützt auf Art. 13 und 15 USG Immissionsgrenzwerte, über diesen liegende Alarmwerte (vgl. Art. 19 USG ) und darunter liegende Planungswerte (vgl. Art. 23 USG ) festgesetzt. Diese Werte sind nach Art der Lärmquelle und für verschiedene Empfindlichkeitsstufen in den einzelnen Nutzungszonen für Tag und Nacht differenziert ausgestaltet (vgl. Art. 2 Abs. 5 LSV ). Nach Art. 44 Abs. 1 LSV sorgen die Kantone dafür, dass die Empfindlichkeitsstufen den Nutzungszonen in den Baureglementen oder Nutzungsplänen der Gemeinden zugeordnet werden. Bis zur Zuordnung, die spätestens innert zehn Jahren erfolgen muss ( Art. 44 Abs. 2 LSV ), bestimmen die Kantone die Empfindlichkeitsstufen im Einzelfall ( Art. 44 Abs. 3 LSV ). Im Beschwerdeverfahren vor dem Staatsrat sind die betroffenen Liegenschaften der Beschwerdegegnerin, welche in der Mischzone II (Wohn- und Gewerbezone) liegen, der Empfindlichkeitsstufe III gemäss Art. 43 Abs. 1 lit. c LSV zugeordnet worden. Auch für die angrenzende kleine Wohnzone I, wo die Beschwerdeführer wohnen, wurde die gleiche Empfindlichkeitsstufe festgesetzt. Obwohl die Wohnzone I für niedrige Nutzungsintensität konzipiert ist (vgl. Art. 12 BR), ist sie nicht eine Zone mit erhöhtem Lärmschutzbedürfnis gemäss Art. 43 Abs. 1 lit. a LSV , sondern eine Wohnzone nach Art. 43 Abs. 1 lit. b LSV . Die hier in Frage BGE 115 Ib 456 S. 465 stehende Wohnzone I ist sehr klein. Sie erstreckt sich bloss über zwei Bautiefen und ist von gewerblichen und industriellen Nutzungszonen voll umschlossen. Sie gilt deshalb als mit Lärm vorbelastet und somit kann ihr die Empfindlichkeitsstufe III zugeordnet werden ( Art. 43 Abs. 2 LSV ). Von der Möglichkeit der "Aufstufung" nach Art. 43 Abs. 2 LSV soll indessen nur zurückhaltend Gebrauch gemacht werden (vgl. etwa die Entwürfe der Umweltschutzgesetze der Kantone BS § 12 und BL § 13, nach welchen das als mit Lärm vorbelastet bezeichnete Gebiet in der Regel eine Bautiefe nicht übersteigen soll). Die Festsetzung der Empfindlichkeitsstufe III durch die kantonale Vorinstanz wird von den Beschwerdeführern bei den vorliegenden Verhältnissen zu Unrecht beanstandet. Daran ändert auch nichts, dass der zur Zeit noch auf der Westseite dieser Wohnzone I verlaufende Durchgangs- und Industrieverkehr in absehbarer Zeit weitgehend auf die Ostseite verlegt werden wird. Inwieweit die erfolgte Zuordnung der Empfindlichkeitsstufe III auf einer unvollständigen und unrichtigen Ermittlung des Sachverhalts unter Verletzung von Verfahrensvorschriften beruhen soll, ist nicht ersichtlich. Im übrigen hat der Augenschein ergeben, dass von einer Überschreitung oder von Missbrauch des Ermessens ( Art. 104 lit. a OG ) durch die kantonalen Behörden nicht die Rede sein kann. 5. a) Wie vorne in E. 3 ausgeführt, sind Einwirkungen auf die Umwelt wie etwa Luftverunreinigungen oder Lärm unabhängig von der bestehenden Umweltbelastung zunächst durch Massnahmen bei der Quelle und im Rahmen der Vorsorge so weit zu begrenzen, als dies technisch und betrieblich möglich und wirtschaftlich tragbar ist ( Art. 11 Abs. 1 und 2 USG ). Erst wenn durch eine unter Beachtung dieser Vorschriften konzipierte Anlage oder durch die Mehrbeanspruchung von Verkehrsanlagen übermässige Immissionen verursacht werden oder zu erwarten sind, stellt sich die Frage nach den allerhöchstens zulässigen Immissionen und nach den dafür massgebenden Belastungsgrenzwerten. Welche Grenzwerte im vorliegenden Fall einzuhalten sind, hängt davon ab, ob es sich bei dem zu beurteilenden Gebäude um eine neue ortsfeste Anlage im Sinne von Art. 7 LSV oder um eine wesentliche Änderung einer bestehenden Ortsfesten Anlage im Sinne von Art. 8 Abs. 2 LSV handelt. Der Oberamtmann und das kantonale Amt für Umweltschutz gehen davon aus, mit dem zu errichtenden Bau erfolge eine wesentliche BGE 115 Ib 456 S. 466 Änderung einer bestehenden Anlage gemäss Art. 8 Abs. 3 LSV . Auch das EDI neigt zu dieser Auffassung, während der Staatsrat im angefochtenen Entscheid annimmt, es liege eine neue ortsfeste Anlage vor ( Art. 7 LSV ). Art. 7 und 8 LSV enthalten keine klaren Abgrenzungskriterien für die Begriffe der neuen und der geänderten ortsfesten Anlagen. Als neue Anlagen gelten primär Anlagen, die vollkommen neu erstellt werden. Ebenfalls als neue Anlagen gelten bestehende Anlagen, deren Zweck vollständig geändert wird ( Art. 2 Abs. 2 LSV ), sowie bestehende Anlagen, die baulich oder betrieblich derart weitgehend verändert werden, dass das Bestehende in lärmmässiger Hinsicht im Vergleich zum Neuen nur noch von untergeordneter Bedeutung ist (vom Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft als "übergewichtige Erweiterung" bezeichnet). Die wesentlichen Änderungen ( Art. 8 Abs. 3 LSV ) sind nach zwei Richtungen abzugrenzen: auf der einen Seite ist eine Änderung unter Lärmschutz-Gesichtspunkten dann nicht wesentlich, wenn die Gesamtanlage keine wahrnehmbar stärkeren Lärmimmissionen erzeugt, auf der anderen Seite muss die wesentliche Änderung von denjenigen Sachverhalten abgegrenzt werden, die dazu führen, dass die Vorschriften für neue Anlagen zur Anwendung gelangen (Neuanlage, vollständige Zweckänderung, "übergewichtige Erweiterung"). b) Art. 7 und 8 LSV gemeinsam ist die Wiederholung des in Art. 11 Abs. 2 USG konkretisierten, primär geltenden Vorsorgeprinzips (Art. 7 Abs. 1 lit. a und 8 Abs. 1 LSV). Unterschiedlich behandelt werden die beiden Fälle bezüglich der einzuhaltenden Belastungsgrenzwerte. Während Art. 7 Abs. 1 lit. b LSV für neue ortsfeste Anlagen in Übereinstimmung mit Art. 25 Abs. 1 USG die Einhaltung der Planungswerte vorschreibt, müssen bei wesentlich geänderten Anlagen gemäss Art. 8 Abs. 2 LSV die Lärmimmissionen der gesamten Anlage mindestens so weit begrenzt werden, dass die Immissionsgrenzwerte nicht überschritten werden. Art. 7 Abs. 1 lit. b LSV ist eine Ausführungsbestimmung zu Art. 25 Abs. 1 USG . Unklar ist, aufgrund welcher gesetzlichen Bestimmung Art. 8 Abs. 2 LSV erlassen worden ist. Aus der Botschaft des Bundesrates zum Umweltschutzgesetz (BBl 1979 III 800) ergibt sich, dass die dem heutigen Art. 25 USG entsprechende Bestimmung (Art. 22 des bundesrätlichen Entwurfs, BBl 1979 III 842 f.) auch für wesentliche Umbauten und Erweiterungen gelten sollte (vgl. A. SCHRADE in Kommentar USG, N 37 zu Art. 18). BGE 115 Ib 456 S. 467 Anlagen, die umgebaut oder erweitert würden, müssten grundsätzlich den gleichen Anforderungen genügen wie neue Anlagen. Erleichterungen, wie sie für Sanierungen alter Anlagen gewährt werden könnten (vgl. Art. 17 USG ), sollten hier, von Härtefällen abgesehen, wegfallen. Diese Regelung dränge sich aus Gründen der Wettbewerbsneutralität auf. Sie verhindere nämlich, dass die Vorschriften für den Bau neuer Anlagen durch den Umbau oder die Erweiterung bestehender Anlagen umgangen würden (BBl 1979 III 798 zu Art. 17 Entwurf USG, der im wesentlichen dem heutigen Art. 18 USG entspricht). Im Bericht des EDI zu einem LSV-Entwurf vom Januar 1985 wird im Gegensatz zur genannten Botschaft ohne Bezugnahme auf deren Inhalt ausgeführt, bei Anlagen, die umgebaut oder erweitert würden, müssten weniger strenge Anforderungen eingehalten werden als bei vollständig neuen Anlagen. Sie würden grundsätzlich gleich beurteilt wie bestehende Anlagen, d.h. die durch die umgebauten oder erweiterten Anlagen erzeugten Immissionen dürften die Immissionsgrenzwerte nicht überschreiten. Durch eine solche Regelung werde zugleich Art. 18 USG Rechnung getragen, wonach sanierungspflichtige Anlagen gleichzeitig mit ihrem Umbau oder ihrer Erweiterung zu sanieren sind. Bei der gesetzeskonformen Auslegung von Art. 8 LSV (vgl. Art. 114bis Abs. 3 BV ) stellen sich angesichts dieser Zusammenhänge zwischen der wesentlichen Änderung bestehender Anlagen und der Sanierungspflicht sowie unter Berücksichtigung der an Art. 8 LSV geäusserten Kritik (A. SCHRADE in Kommentar USG, N 37 zu Art. 18) u.a. folgende Fragen: Wann liegt unter dem Aspekt des Lärmschutzes ein Umbau oder eine Erweiterung einer sanierungsbedürftigen Anlage vor, welche die gleichzeitige Sanierungspflicht gemäss Art. 18 Abs. 1 USG auslöst (vgl. zur Sanierungspflicht BGE 115 Ib 453 E. 3c)? Ist unter der "Errichtung einer ortsfesten Anlage" im Sinne von Art. 25 Abs. 1 USG auch der wesentliche Umbau oder die Erweiterung einer bestehenden Anlage zu verstehen (vgl. BBl 1979 III 800)? Sind gegebenenfalls dafür als umweltschutzgesetzliche Grundlage ausschliesslich die Bestimmungen von Art. 25 USG oder für den Altanlageteil diejenigen von Art. 18 USG massgebend? Aus der Beantwortung dieser Fragen sollte sich bezüglich Art. 8 LSV ergeben, ob sich diese Bestimmung auf Art. 18 oder 25 USG abstützt oder - was nicht auszuschliessen ist - allenfalls Ausführungsrecht zu beiden Gesetzesvorschriften enthält. BGE 115 Ib 456 S. 468 c) Diese Fragen können indessen im vorliegenden Verfahren offenbleiben, da es aufgrund von Art. 114 Abs. 1 OG dem Bundesgericht, von hier nicht zutreffenden Ausnahmen abgesehen ( BGE 113 Ib 222 E. 1c betr. Behördenbeschwerde, BGE 113 Ib 266 E. 3d betr. Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, BGE 110 Ib 330 E. 8b betr. Abgaberecht), verwehrt ist, sowohl zu Gunsten als auch zu Ungunsten der Parteien über deren Rechtsbegehren hinauszugehen. Der Staatsrat hat im angefochtenen Entscheid beschlossen, dass vor der Erteilung der definitiven Bezugsbewilligung durch Messungen die Einhaltung der gemäss Anhang 6 LSV für die Empfindlichkeitsstufe III geltenden Planungswerte nachzuweisen sei. Diese Anordnung ist von der Beschwerdegegnerin unangefochten geblieben. Der Planungswert ( Art. 23 USG ) ist der tiefste Belastungsgrenzwert des USG, der aufgrund von Art. 25 Abs. 1 LSG in der Umgebung einer neu zu errichtenden Ortsfesten Anlage durch diese Anlage allein nicht überschritten werden darf (vgl. Art. 7 Abs. 1 lit. b LSV ). Nachdem die Beschwerdeführer die Festsetzung der Empfindlichkeitsstufe III zu Unrecht beanstanden (vgl. vorne E. 4), läuft ihre Beschwerde auf die Forderung nach Einhaltung der gleichen, von der Beschwerdegegnerin akzeptierten Planungswerte hinaus. Bei dieser Sachlage würde die beantragte Aufhebung des Staatsratsentscheids Nr. 602 mit Rückweisung an die Vorinstanz zur neuen Entscheidung im Hinblick auf den einzuhaltenden Belastungsgrenzwert ein unzulässiges Hinausgehen über die Parteianträge bedeuten. Sollten die Beschwerdeführer dagegen mit ihren Ausführungen geltend machen wollen, die Beschwerdegegnerin sei über die Einhaltung der Planungswerte hinaus zu verpflichten, im Rahmen der Vorsorge die Lärmemissionen so weit zu begrenzen, als dies technisch und betrieblich möglich und wirtschaftlich tragbar ist ( Art. 11 Abs. 2 USG , Art. 7 Abs. 1 lit. a LSV ), so ist zu berücksichtigen, dass aufgrund der Akten und des Augenscheins keine Anhaltspunkte vorliegen, wonach im vorliegenden Fall das Vorsorgeprinzip im Sinne von Art. 11 Abs. 2 USG nicht beachtet würde, weshalb für die Anordnung weitergehender Emissionsbegrenzungen jegliche Grundlage fehlt. Die Rüge, nach Art. 16 Ziff. 1 lit. c BR hätten der Beschwerdegegnerin zusätzliche Emissionsbeschränkungen auferlegt werden müssen, vor allem, um auf bestehende örtliche Verhältnisse Rücksicht zu nehmen, vermag angesichts der dargelegten rechtlichen Situation (Vorrang des Bundesrechts) nicht durchzudringen. BGE 115 Ib 456 S. 469 6. a) Der Oberamtmann des Sensebezirks und der Staatsrat des Kantons Freiburg vertreten die Auffassung, die im Jahre 1984 anstelle früherer Holz- und Ölheizungen eingebaute Heizanlage, in der die Beschwerdegegnerin im Betrieb anfallende Holzabfälle verbrennt, bilde nicht Gegenstand der umstrittenen Baubewilligung. Zwar liegt für diese Anlage, wie sich am Augenschein ergab, keine Bewilligung vor. Nach der - von den Beschwerdeführern bestrittenen - Auffassung der Freiburger Behörden war indessen für die als Ersatz früher bewilligter Anlagen eingebaute Heizung keine spezielle Bewilligung erforderlich. Der Staatsrat macht sodann vor allem geltend, dass die bestehende Heizung durch die projektierte Baute nicht verändert werde. Der Umstand, dass auch der Anbau durch diese Anlage beheizt werde, führe zu keiner Erhöhung des Schadstoffausstosses. b) Die Beschwerdeführer kritisieren diese Argumentation, da Mehremissionen zu erwarten seien, wenn die Anlage auch zur Beheizung der neuen Gebäudeteile diene. Sie sei deshalb als neue Anlage zu behandeln. Die Freiburger Behörden hätten die Frage der Luftreinhaltung im kantonalen Verfahren zu Unrecht nicht geprüft, die effektiven Emissionswerte nicht ermittelt ( Art. 13 LRV ), keine Emissionserklärung ( Art. 12 LRV ) und keine Immissionsprognose ( Art. 28 LRV ) eingeholt. Die Beschwerdeführer. machen ferner geltend, dass keine LRV-konforme Typen- oder Einzelprüfung vorliege, und dass es sich bei richtiger Betrachtung nicht um eine Anlage zur Verbrennung von Holzabfällen (Ziff. 72 Anhang 2 LRV), sondern um eine Abfallverbrennungsanlage nach Ziff. 71 Anhang 2 LRV handle, für welche gar keine Bewilligung erteilt werden dürfe. Sie bringen sodann vor, dass die Beschwerdegegnerin im Zuge der Bauarbeiten die Kapazität der Heizung durch ein Beschickungsrohr erhöht habe, so dass a fortiori von einer wesentlichen Änderung der Anlage gesprochen werden müsse. Die Beschwerdegegnerin bestreitet jedoch eine Änderung in der Beschickung der Heizung oder in deren Kapazität. c) Aufgrund des Augenscheins kann davon ausgegangen werden, dass im Zuge des Neubaus an der Heizung selbst keine Veränderungen vorgenommen werden. Insbesondere wurde kein neues Heizungsbeschickungsrohr eingebaut. Die Heizung wurde bereits früher automatisch beschickt. Im Rahmen des Neubaus zusätzlich eingebaut wurde lediglich eine Transportleitung zwischen dem Holzabfallzerkleinerer und dem Holzsilo, in dem der zerkleinerte Holzvorrat gelagert wird. Es ergab sich ferner, dass die Emissionen BGE 115 Ib 456 S. 470 der vorhandenen Holzheizung nicht konkret gemessen wurden. Obwohl noch keine Typenprüfung für Holzheizungen besteht, ist die vorliegende Heizung den Fachbehörden als unter Emissionsgesichtspunkten unproblematische Anlage bekannt, welche für die Verbrennung von Holzabfällen konzipiert ist (Ziff. 72 Anhang 2 LRV) und nicht als Siedlungs- und Sonderabfallverbrennungsanlage im Sinne von Ziff. 71 Anhang 2 LRV verwendet werden kann. Angesichts der Umschreibung des Geltungsbereichs der Vorschriften für Holzabfallverbrennungsanlagen in Ziff. 721 Anhang 2 LRV ist das Vorgehen der kantonalen Behörden nicht zu beanstanden, zumal die Fachbehörden des Kantons und des Bundes dargelegt haben, dass die Heizung bei andersartiger Beschickung gar nicht befriedigend funktionieren würde. d) Gemäss Art. 3 LRV müssen neue stationäre Anlagen so ausgerüstet und betrieben werden, dass sie die in den Anhängen zur LRV festgelegten Emissionsbegrenzungen einhalten. Als "neue Anlagen" gelten nach Art. 2 Abs. 4 LRV auch Anlagen, die umgebaut, erweitert oder instandgestellt werden, wenn: "a) dadurch höhere oder andere Emissionen zu erwarten sind oder b) mehr als die Hälfte der Kosten aufgewendet wird, die eine neue Anlage verursachen würde." Aus Art. 18 Abs. 1 USG folgt zudem, dass eine sanierungsbedürftige Anlage beim Um- oder Ausbau gleichzeitig zu sanieren ist. Wird in einem Baubewilligungsverfahren über bauliche Massnahmen entschieden, die sich auf bestehende Anlagen auswirken, so ist die Frage der Sanierungspflicht im Rahmen desselben Baubewilligungsverfahrens oder zumindest gleichzeitig und koordiniert mit diesem abzuklären (vgl. zur Entstehungsgeschichte des Begriffs "gleichzeitig" A. SCHRADE in Kommentar USG, N 6 zu Art. 18; vgl. ferner zum Koordinationsgebot A. MARTI, Die Koordination der Bewilligungsverfahren für Bauten und Anlagen nach dem Bau-, Planungs- und Umweltschutzrecht, in: Raumplanungsgruppe Nordostschweiz, RPG NO, Informationsblatt 1 + 2/1989, S. 34 ff., insbesondere S. 48 f.). Die Freiburger Behörden konnten daher von der näheren Prüfung dieser Frage im Zusammenhang mit dem Baubewilligungsverfahren nur absehen, wenn entweder die Heizanlage den Anforderungen der LRV genügt, oder wenn der Umstand, dass die Heizanlage neu auch den Anbau heizen muss, nicht einen "Umbau", eine "Erweiterung" Oder eine "Instandstellung" im Sinne von Art. 18 Abs. 1 USG und Art. 2 Abs. 4 LRV darstellt. BGE 115 Ib 456 S. 471 e) Auszugehen ist davon, dass bezüglich der fraglichen Heizung keine ausdrückliche Bewilligung vorliegt. Zudem liegt keine ausdrückliche Emissionserklärung der Beschwerdegegnerin im Sinne von Art. 12 LRV vor. Der Vertreter der kantonalen Umweltfachstelle hat am Augenschein jedoch überzeugend dargelegt, dass die vorliegende Heizanlage den Behörden als unproblematisch bekannt ist. Es ist allerdings in Anwendung von Art. 12 LRV zu fordern, dass solche behördlichen Kenntnisse in Verfahren dieser Art in belegter Weise aktenkundig gemacht werden, damit sie für den Bürger - und auch für die Beschwerdeinstanz - nachvollziehbar und überprüfbar sind. Der Umstand, dass die neue Werkhalle ebenfalls mit Energie der bestehenden Holzverbrennungsanlage beheizt werden soll, könnte dann als erhebliche Änderung angesehen werden, wenn dadurch höhere oder andere Emissionen zu erwarten wären ( Art. 2 Abs. 4 lit. a LRV ). Dabei ist eine bloss minimale Emissionssteigerung zu vernachlässigen (A. SCHRADE in Kommentar USG, N 13 zu Art. 18). Am Augenschein und aufgrund eines Schreibens des Feuerpolizeiinspektors vom 13. September 1989 hat sich ergeben, dass am technischen Teil der Anlage keine Änderung durchgeführt und deren Kapazität nicht erhöht wird. Die Befürchtung der Beschwerdeführer, dass der durch den Anbau verursachte erhöhte Heizbedarf auch zu einem Mehrausstoss an Rauch und Abgas führen wird, ist von den Fachbehörden des Kantons und des Bundes am Augenschein unter Hinweis darauf, dass die Leistungserhöhung durch die zusätzliche Beheizung des Anbaus minimal sei und die etwas höhere Auslastung der Heizung zu einer Erhöhung des Wirkungsgrads der Anlage führen werde, entkräftet worden. Die Beschwerdeführer befassen sich in ihrer Eingabe vom 26. September 1989 eingehend mit Unterschieden der heute bestehenden Heizanlage gegenüber den früher (1964/1970) bewilligten Holzabfall- und Ölheizungen. Abgesehen davon, dass diese tatsächlichen Vorbringen bereits in der Beschwerdeschrift hätten geltend gemacht werden können und deshalb verspätet sind, sind sie nach dem vorne Ausgeführten auch irrelevant. Unabhängig davon, ob die jetzige Heizung bewilligt ist oder nicht, gilt sie im Rahmen des Baubewilligungsverfahrens für eine neue Halle als bestehende Anlage, die allenfalls zu sanieren ist. Ob die Heizanlage weiterbestehen kann, und ob allenfalls ein Bewilligungsverfahren nachzuholen ist, wird im Rahmen der nach den Ausführungen des BGE 115 Ib 456 S. 472 freiburgischen Amtes für Umweltschutz ohnehin vorgesehenen Emissionsmessungen im gegebenen Zeitpunkt zu prüfen sein. f) Fehlt es an einer hinreichend bedeutenden umweltwirksamen Änderung der Heizung im Rahmen des hier umstrittenen Bauvorhabens, so haben die Freiburger Behörden Bundesrecht nicht verletzt, wenn sie sinngemäss eine Pflicht zur Sanierung der Heizanlage im Zuge des Baubewilligungsverfahrens ( Art. 18 USG ) vorfrageweise verneinten. Es ist aber zu betonen, dass solche Überlegungen und Schlussfolgerungen sowie ihre Begründung klar und belegt anhand der Akten ersichtlich sein sollten. g) Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Verwaltungsgerichtsbeschwerde unbegründet und damit abzuweisen ist.
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Urteilskopf 90 I 328 50. Auszug aus dem Urteil vom 16. Dezember 1964 i.S. Müller und Hollenstein gegen Güterstrassenunternehmen "Obere Neulanden" und Regierungsrat des Kantons St. Gallen.
Regeste Eigentumsgarantie; Enteignung. Offentliches Interesse als Voraussetzung der Enteignung. Erschliessung von Bauland als Aufgabe im öffentlichen Interesse. Das öffentliche Interesse wird durch gleichlaufende private Interessen nicht ausgeschlossen, solange diese nicht offensichtlich die Oberhand haben. Abänderbarkeit von Strassen- und Baulinienplänen.
Sachverhalt ab Seite 328 BGE 90 I 328 S. 328 Der Gemeinderat von Wil stellte am 22. August 1958 einen Strassen- und Baulinienplan für das Gebiet Neulanden auf. Der Plan wurde am 28. Dezember 1959 vom Baudepartement des Kantons St. Gallen genehmigt und BGE 90 I 328 S. 329 trat damit in Kraft. Er sieht vor, den Südabhang des Nieselberges durch drei von der bestehenden Neulandenstrasse abzweigende, mehr oder weniger waagrecht verlaufende Quartierstrassen A, B und C zu erschliessen. Am 31. Januar 1962 ersuchten Müller, Hollenstein und drei weitere Eigentümer von Grundstücken im Bereich der Quartierstrasse A den Gemeinderat, den Plan zu überprüfen und auf die Ausführung dieser Strasse zu verzichten. Der Gemeinderat wies das Gesuch am 19. März 1962 ab. Die Gesuchsteller rekurrierten dagegen an den Regierungsrat. Sie reichten im Rekursverfahren ein vom Stadtplaner Hans Marti in Zürich in ihrem Auftrag erstelltes Gutachten ein. Dieses gelangt zum Schluss, die mittlere Strasse B. weise einen zu geringen Abstand von der unteren Strasse C auf; werde die Strasse B so weit hangaurwärts verschoben, als zur Erzielung genügender Bauplatztiefen zwischen ihr und der Strasse C notwendig sei, so lasse sich durch die neue Strasse Al zugleich die Strasse A einsparen, die zu wenig Bauland erschliesse, weil sie talseits an Grundstücken vorbeiführe, die bereits durch die Neulandenstrasse erschlossen seien. Der Regierungsrat wies den Rekurs am 19. Februar 1963 ab. Er führte dazu aus, die von einem Fachmann ausgearbeitete Lösung der Rekurrenten sei rein planerisch gesehen vorteilhaft, indem sie die nicht sehr günstig angelegte Strasse A ausschalte und durch die Strasse Al grundsätzlich zwei Bautiefen erschliesse. Diesem anerkennenswerten Umstand stünden indes wesentliche Tatsachen gegenüber, die gegen eine Änderung sprächen. Der Vorschlag Marti nehme auf die bestehenden und im Vertrauen auf die Rechtmässigkeit des Strassenplanes neu geschaffenen Eigentumsverhältnisse keine Rücksicht. Das Grundstück Hirschy würde durch die Strasse Al fast in der Mitte durchschnitten, so dass eine vernünftige Überbauung desselben in Frage gestellt wäre. Hirschy habe einen legitimen Anspruch darauf, sein Grundstück nach dem rechtskräftigen Strassenplan zu überbauen. Die BGE 90 I 328 S. 330 Strasse bleibe für die talwärts gelegenen Bauparzellen und die Parzelle Forrer die einfachste und topographisch am besten geführte Erschliessungsstrasse. Hirschy, Forrer und Bischoff, die Eigentümer von Grundstücken an der projektierten Strasse A sind, ersuchten den Gemeinderat am 19. März 1963, es sei diese Strasse zu erstellen. Der Gemeinderat beschloss am 19. April/14. Juni 1963, es sei die Strasse A gemäss dem vorliegenden Projekt, das er genehmigte, als 3,5 m breite Güterstrasse zu bauen. Müller und Hollenstein zogen diesen Beschluss an den Regierungsrat weiter, der ihren Rekurs am 22. Oktober 1963 abwies. Am 20. November 1963 liess der Gemeinderat durch das Bezirksamt Wil Müller und Hollenstein mitteilen, das Güterstrassenunternehmen "Obere Neulanden" fordere die Abtretung von Land für den beschlossenen Strassenbau. Beide Grundeigentümer erhoben dagegen Einsprache. Der Bezirksrat legte die Einsprachen dem Regierungsrat zur Entscheidung vor. Der Regierungsrat hat sie am 2. März 1964 abgewiesen. Er hat Müller verpflichtet, rund 103 m2 vom Grundstück Kat. Nr. 1829 und rund 150 m2 von Kat. Nr. 1908 dem Güterstrassenunternehmen "Obere Neulanden" zur Erstellung der Erschliessungsstrasse abzutreten; desgleichen hat er Hollenstein verhalten, dem Unternehmen rund 4 m2 vom Grundstück Kat. Nr. 1645 abzutreten. Er hat dazu ausgeführt, der Entscheid des Gemeinderates vom 19. April/14. Juni 1963 über die Erstellung der Strasse sei mit der Abweisung des dagegen gerichteten Rekurses der nunmehrigen Einsprecher rechtskräftig geworden. Der Rekursentscheid vom 22. Oktober 1963 lege eingehend dar, dass und weshalb dem obwaltenden Bedürfnis nach einer Erschliessungsstrasse in den Oberen Neulanden nur unter Inanspruchnahme von Boden der Parzellen Kat. Nr. 1829, 1908 und 1645 in befriedigender Weise Rechnung getragen werden könne. Es erübrige sich daher, auf diese Frage zurückzukommen. BGE 90 I 328 S. 331 Müller und Hollenstein führten gegen diesen Entscheid staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung des Art. 4 BV und der Eigentumsgarantie. Das Bundesgericht hat die Beschwerde abgewiesen, soweit es darauf eingetreten ist. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1./2. - (Prozessuales. Ob die Rüge des mangelnden öffentlichen Interesses nicht verspätet sei, weil sie an den Entscheid des Regierungsrates vom 22. Oktober 1963 oder an denjenigen vom 19. Februar 1963 anzuknüpfen gewesen wäre, kann offen bleiben, da sie, wie sich im Folgenden ergibt, ohnehin einer materiellen Prüfung nicht standhält.) 3. Das verfassungsmässige Erfordernis des öffentlichen Interesses ist nach der Rechtsprechung (vgl. Urteile vom 4. Februar 1959 i.S. Aeberhardt, Erw. 2, und vom 6. Februar 1963 i.S. Schneider, Erw. 1), erfüllt, wenn zwei Voraussetzungen gegeben sind: das Unternehmen, welches das Enteignungsrecht in Anspruch nimmt, muss seiner Zwecksetzung und tatsächlichen Wirksamkeit nach dem öffentlichen Wohle dienen; die zu enteignende Sache muss sodann für das Unternehmen und seine Betätigung im Dienste des öffentlichen Wohles notwendig sein (BLUMENSTEIN, Die verfassungsmässigen Grundlagen des Expropriationsdekrets, MBVR 46 S. 210; EGER, Enteignung von Grundeigentum, 3. Aufl. Bd. 1 S. 21 f.). Dabei genügt es nicht, dass die abzutretende Sache für die Durchführung des Unternehmens geeignet wäre; ihre Erwerbung muss vielmehr unumgänglich sein, um das im öffentlichen Interesse liegende Ziel zu erreichen. Das ist freilich nicht nur dann anzunehmen, wenn das Unternehmen ohne die Sache überhaupt nicht durchführbar wäre, sondern schon dann, wenn es ohne sie nicht zweckmässig oder nur mit einem unverhältnismässigen Mehraufwand ausgeführt werden könnte (BLUMENSTEIN, a.a.O., S. 213; FLEINER, Institutionen, 8. Aufl., S. 311; IMBODEN, Schw. Verwaltungsrechtsprechung, 2. Aufl. S. 298 c; JELLINEK, Deutsches BGE 90 I 328 S. 332 Verwaltungsrecht, 3. Aufl., S. 404). Diese unmittelbar aus der Verfassung fliessenden Grundsätze kommen auch in der Umschreibung der Voraussetzungen der Enteignung in Art. 1 Abs. 2 des st. gallischen Enteignungsgesetzes zum Ausdruck. a) Gemäss den Erwägungen des Entscheides vom 22. Oktober 1963, auf die der angefochtene Entscheid verweist, dient die geplante Strasse A nicht nur den Interessen eines Privaten, sondern der Erschliessung mehrerer Grundstücke. Die Erschliessung von Bauland aber bildet eine Aufgabe, die im öffentlichen Interesse liegt ( BGE 88 I 253 mit Verweisungen). Es kann allerdings nicht übersehen werden, dass die Erstellung von Erschliessungsstrassen zugleich auch die privaten Interessen der Anstösser fördert, die deshalb regelmässig zu Kostenbeiträgen herangezogen werden. Das spricht indes so lange nicht gegen das Vorhandensein eines öffentlichen Interesses, als die in der gleichen Richtung laufenden privaten Interessen nicht offensichtlich die Oberhand haben ( BGE 88 I 253 mit Verweisungen). Bei Strassenbauten steht das öffentliche Interesse im Allgemeinen so lange im Vordergrund, als es mehrere Grundstücke zu erschliessen gilt oder die Erschliessung im Hinblick auf die Schaffung einer grösseren Zahl von Wohn- oder Arbeitsstätten erfolgt. Die projektierte Strasse A erschliesst eine Reihe von Bauplätzen auf der Talseite der Strasse. Der Regierungsrat konnte daher mit Fug davon ausgehen, es handle sich um ein im öffentlichen Interesse liegendes Unternehmen. b) Eine andere Frage ist es, ob es nicht möglich wäre, die erwähnten Grundstücke dem Verkehr zu erschliessen, ohne das verlangte Land in Anspruch zu nehmen. Die Beschwerdeführer bestreiten das und machen geltend, die vom Stadtplaner Marti vorgeschlagene Strasse Al vermöchte bei kleinerem Landbedarf mehr Parzellen zu erschliessen als die Strasse A, die teilweise über ihre Grundstücke führt. Entgegen ihrer Meinung ist diese BGE 90 I 328 S. 333 Frage dem Regierungsrat nicht entgangen. Der Entscheid vom 22. Oktober 1963, auf den sich der angefochtene Entscheid beruft, erklärt dazu, die Linienführung der Strasse sei durch den vom Kanton genehmigten rechtskräftigen Strassen- und Baulinienplan vom 22. August 1958/28. Dezember 1959, der von den Rekurrenten erfolglos angefochten worden sei, festgelegt. Der Regierungsrat nimmt damit auf den Entscheid vom 19. Februar 1963 Bezug, worin er den Vorschlag auf Ersatz der Strasse A durch die vom Stadtplaner Marti vorgesehene Strasse Al abgelehnt hat. Bei Prüfung der dagegen erhobenen Einwendungen fällt in Betracht, dass ein Strassen- und Baulinienplan entgegen den Ausführungen der kantonalen Instanz nicht (materiell) rechtskräftig wird; er ist vielmehr grundsätzlich jederzeit abänderbar. Im Interesse der Rechtssicherheit haben die Planungsbehörden sich jedoch bei der Änderung der Pläne Zurückhaltung aufzuerlegen. Der Plan dient nicht nur dazu, die bauliche Entwicklung eines Gebietes im öffentlichen Interesse in bestimmte Bahnen zu lenken; er soll zugleich auch den einzelnen Grundeigentümern gestatten, ihr Land bestmöglich auszunützen. Beiden Aufgaben wird der Plan nur dann gerecht, wenn er eine gewisse Beständigkeit aufweist (BONNARD, La jurisprudence récente du Tribunal fédéral en matière de garantie de la propriété, ZBJV 101 S. 133). Ein Plan ist deshalb nur aus gewichtigen Gründen abzuändern. Ob solche vorliegen, haben die Planungsbehörden in Abwägung der sich gegenüberstehenden Interessen nach pflichtgemässem Ermessen zu entscheiden. Das Bundesgericht übt keine Ermessenskontrolle aus: Es greift nur ein, wenn die zum Sachentscheid berufene kantonale Behörde ihr Ermessen missbraucht oder überschritten, das heisst willkürlich gehandhabt hat (vgl. BGE 88 I 252 , 294; BGE 89 I 196 ). Die Rüge der Missachtung der Eigentumsgarantie erschöpft sich daher insofern im Vorwurf BGE 90 I 328 S. 334 der Verletzung des Art. 4 BV . Dieser Einwand ist hier nicht gerechtfertigt. Der Regierungsrat anerkennt zwar die technischen Vorteile der vorgeschlagenen neuen Lösung; er erachtet das Interesse an der Aufrechterhaltung des bestehenden Planes aber als gewichtiger. Trotz der Bedeutung, die dem Gebote der Rechtssicherheit nach dem Gesagten im Planungsrecht zukommt, mag es als fragwürdig erscheinen, diesen Gesichtspunkt unter den gegebenen Umständen derart in den Vordergrund zu rücken; es lässt sich aber nicht sagen, die Betrachtungsweise des Regierungsrates sei völlig unsachgemäss und schliesse einen Ermessensmissbrauch in sich. Die Beschwerde erweist sich damit auch in diesem Punkt als unbegründet.
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Urteilskopf 122 I 257 35. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 24. September 1996 i.S. X. gegen Finanzdirektion und Verwaltungsgericht des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste Art. 4 BV ; Art. 4 Prot. Nr. 7 EMRK; Art. 14 Abs. 7 UNO-Pakt II ; Grundsatz "ne bis in idem"; Verhältnis von Steuerbetrug und Steuerhinterziehung. Grundlagen und Bedeutung des Grundsatzes "ne bis in idem" (E. 3). Substitution von Motiven durch das Bundesgericht (E. 5). Zwischen dem Tatbestand der Steuerhinterziehung und dem Tatbestand des Steuerbetrugs besteht Idealkonkurrenz (Änderung der Rechtsprechung). Kein Verstoss gegen den Grundsatz "ne bis in idem" bei Verurteilung wegen Steuerhinterziehung im Anschluss an eine solche wegen Steuerbetrugs (E. 5-7). Berücksichtigung der für den Steuerbetrug ausgesprochenen Strafe bei der Bemessung der Hinterziehungsbusse (E. 8).
Sachverhalt ab Seite 258 BGE 122 I 257 S. 258 Mit Urteil vom 13. Februar 1991 sprach das Bezirksgericht Dielsdorf X. des fortgesetzten vollendeten und versuchten Steuerbetrugs bei den Staats- und Gemeindesteuern (§ 192 Abs. 1 des Steuergesetzes des Kantons Zürich [StG] vom 8. Juli 1951) und des Steuerbetrugs bei der direkten Bundessteuer (Art. 130bis Abs. 1 des Bundesratsbeschlusses vom 9. Dezember 1940 über die direkte Bundessteuer [BdBSt], SR 642.11) schuldig und verurteilte ihn zu fünf Monaten Gefängnis, unter Gewährung des bedingten Strafvollzuges, und zu einer Busse von Fr. 12'000.-. In tatsächlicher Hinsicht beruht der Schuldspruch darauf, dass X. als Inhaber der Einzelfirma "X. Sport" in den mit seinen Steuererklärungen 1980-1983 eingereichten Geschäftsabschlüssen Rückvergütungen seiner ausländischen Lieferantin unterdrückt und damit die Steuerbehörden über seine tatsächlichen Einnahmen getäuscht hat. Diese Rückvergütungen beliefen sich gemäss damaligem Ermittlungsstand auf: Steuerjahr 1980 Fr. 209'000.-- (ausgewiesener Reingewinn Fr. 46'727.88) Steuerjahr 1981 Fr. 269'000.-- (ausgewiesener Reingewinn Fr. 105'926.17) Steuerjahr 1982 Fr. 110'000.-- (ausgewiesener Reingewinn Fr. 114'314.74) Steuerjahr 1983 Fr. 120'000.-- (ausgewiesener Reingewinn Fr. 152'651.22) Das Urteil erwuchs in Rechtskraft. Am 6. Juli 1992 leitete der Steuerkommissär gegenüber den Ehegatten X. das Nach- und Strafsteuerverfahren für die Staats- und Gemeindesteuern 1982 und 1983 ein. Mit Verfügung vom 20. November 1992 setzte die Finanzdirektion des Kantons Zürich die Nachsteuern auf Fr. 77'916.20 fest und auferlegte dem Ehemann wegen vorsätzlicher Steuerhinterziehung eine Strafsteuer von Fr. 116'874.30 ( § 188 StG ). Die Steuerjahre 1980 und 1981 blieben infolge Verjährung unberücksichtigt. Gegenüber der Nach- und Strafsteuerverfügung der Finanzdirektion erhoben die Eheleute X. Rekurs beim Verwaltungsgericht des Kantons Zürich. Sie machten geltend, dass inzwischen auch die Hinterziehung der Staats- und Gemeindesteuern 1982 verjährt sei und beriefen sich auf den Grundsatz "ne BGE 122 I 257 S. 259 bis in idem". Diesen sahen sie dadurch verletzt, dass X. für die gleiche Tat sowohl des Steuerbetrugs wie auch der Steuerhinterziehung schuldig gesprochen wurde. Mit Entscheid vom 14. Juli 1993 stellte das Verwaltungsgericht das Nach- und Strafsteuerverfahren für das Steuerjahr 1982 wegen Verjährung ein. Die Nachsteuer 1983 setzte es auf Fr. 40'171.50 fest und auferlegte dem Steuerpflichtigen eine Strafsteuer von Fr. 35'000.-. Bei der Bemessung der Strafsteuer berücksichtigte es strafmindernd den Umstand, dass der Beschuldigte bereits wegen Steuerbetrugs vom Bezirksgericht Dielsdorf bestraft worden ist. Die Eheleute X. führen staatsrechtliche Beschwerde mit dem Antrag, der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich sei hinsichtlich der dem Beschwerdeführer X. auferlegten Strafsteuer aufzuheben. Dementsprechend sei der Entscheid auch insoweit zu kassieren, als den Beschwerdeführern die Kosten für das verwaltungsgerichtliche Verfahren teilweise überbunden und ihnen keine Parteientschädigung zugesprochen worden sei. Die Eheleute X. berufen sich auf den Grundsatz "ne bis in idem" und rügen den Kostenspruch als willkürlich. Die Finanzdirektion des Kantons Zürich beantragt, die staatsrechtliche Beschwerde abzuweisen. Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich verzichtete auf eine Stellungnahme. Die II. öffentlichrechtliche Abteilung führte mit dem Kassationshof des Bundesgerichts ein Meinungsaustauschverfahren durch ( Art. 16 Abs. 1 OG ). In Frage stand, ob die Rechtsprechung des Kassationshofes (Urteile vom 14. Juni 1990 in BGE 116 IV 262 und ASA 59 S. 639) in dem Sinne zu ändern sei, dass zwischen den Tatbeständen des Steuerbetrugs und der Steuerhinterziehung echte Konkurrenz im Sinne von Idealkonkurrenz anzunehmen sei. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Das Prinzip "ne bis in idem" folgt nach ständiger Rechtsprechung aus dem eidgenössischen Strafrecht. Es hat ferner verfassungsrechtlichen Rang und leitet sich aus Art. 4 der Bundesverfassung (BV) ab. Sodann ist es in Art. 4 des Protokolls Nr. 7 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (vom 22. November 1984, nachfolgend Prot. Nr. 7 EMRK, in Kraft getreten für die Schweiz am 1. November 1988 [SR 0.101.07]) BGE 122 I 257 S. 260 und in Art. 14 Abs. 7 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (vom 16. Dezember 1966, nachfolgend UNO-Pakt II, in Kraft getreten für die Schweiz am 18. September 1992 [SR 0.103.2]) ausdrücklich erwähnt. Danach darf niemand "wegen einer strafbaren Handlung, wegen der er bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht eines Staates rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren desselben Staates erneut vor Gericht gestellt oder bestraft werden" (Art. 4 Ziff. 1 Prot. Nr. 7 EMRK; fast gleichlautend Art. 14 Abs. 7 UNO-Pakt II ). Einer zweiten Verfolgung der gleichen Tat steht mit anderen Worten prozessual die materielle Rechtskraft des zeitlich ersten Entscheides entgegen ( BGE 119 Ib 311 S. 318 mit Hinweisen). Voraussetzung für diese Sperrwirkung ist allerdings die Identität der Person und der Tat (s. dazu ROBERT HAUSER, Kurzlehrbuch des Strafprozessrechts, 2. Aufl. 1984, S. 241 ff.). Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung greift das Verbot der Doppelbestrafung zudem nur ein, wenn dem Richter im ersten Prozess die rechtliche Möglichkeit zugestanden hat, den Sachverhalt unter allen tatbestandsmässigen Gesichtspunkten zu würdigen ( BGE 119 Ib 311 S. 319 mit Hinweisen). Wird ein kantonales Strafurteil wegen Verletzung des Grundsatzes "ne bis in idem" mit staatsrechtlicher Beschwerde angefochten, prüft das Bundesgericht frei, ob die als vertretbar erkannte Auslegung des kantonalen Rechts mit der aus Art. 4 BV und Art. 4 Prot. Nr. 7 EMRK fliessenden Garantie vereinbar ist. Das gilt auch, soweit die Anwendung von Art. 14 UNO-Pakt II in Frage steht (vgl. etwa BGE 116 Ia 32 S. 33, 162 S. 175 f., 485 S. 486 für Art. 6 EMRK ; BGE BGE 120 Ia 247 S. 255 für Art. 14 Abs. 3 lit. d UNO-Pakt II ). Nur unter dem Gesichtswinkel der Willkür prüft es dagegen die Auslegung und Anwendung des kantonalen Gesetzesrechts. 4. Das Verwaltungsgericht hat im angefochtenen Entscheid eine Verletzung des Verbots "ne bis in idem" verneint. Es argumentiert im wesentlichen wie folgt: Mit der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (Urteil vom 14. Juni 1990 in BGE 116 IV 262 und ASA 59 S. 639) sei davon auszugehen, dass es sich beim Steuerbetrug und bei der Steuerhinterziehung um unecht konkurrierende Tatbestände handle; der Steuerbetrug baue als qualifizierte Form der Steuerhinterziehung auf diesem Tatbestand auf. Der Unterschied zwischen den beiden Tatbeständen bestehe nur darin, dass beim Steuerbetrug die Täuschungshandlung mit gefälschten Urkunden vorgenommen werde, während für BGE 122 I 257 S. 261 die Hinterziehung jedes Vorenthalten von Steuern ausreiche; ein Steuerbetrug ohne gleichzeitige Begehung einer Steuerhinterziehung sei schon nach dem klaren Wortlaut der Bestimmung (vgl. Art. 130bis Abs. 1 BdBSt : "Wer bei einer Hinterziehung ...") nicht denkbar; beide Strafnormen schützten zudem das gleiche Rechtsgut, nämlich das staatliche Vermögen. Somit sei davon auszugehen, dass mit der Bestrafung wegen Steuerbetrugs der darin enthaltene geringere kriminelle Unwert der Steuerhinterziehung konsumiert werde, und zwar nicht nur bei jenen Tatbeständen des Steuerbetrugs,bei denen die Steuerhinterziehung Tatbestandsmerkmal bilde ( Art. 130bis Abs. 1 BdBSt ), sondern auch bei der anderen Normvariante, bei der Hinterziehungsabsicht genüge ( § 192 Abs. 1 StG : "Wer zum Zwecke der Steuerhinterziehung ..."). Daraus sei indessen nicht zu folgern, dass ein rechtskräftig verurteilter Steuerbetrüger wegen der gleichen Tat nicht dem Hinterziehungsrichter überantwortet werden dürfe; sei nämlich wegen eines Lebenssachverhalts eine Strafe durch mehrere Behörden auszusprechen, so könne das Prinzip "ne bis in idem" nur unter der Voraussetzung Platz greifen, dass jeder Strafbehörde die rechtliche Möglichkeit zugestanden habe, den Sachverhalt unter allen tatbestandsmässigen Gesichtspunkten zu würdigen. An dieser Voraussetzung fehle es hier, weil nach der zürcherischen Ordnung die Steuerbehörden nicht über den Steuerbetrug und der Strafrichter nicht über das Hinterziehungsdelikt zu entscheiden haben. Das Prinzip "ne bis in idem" sei deshalb nicht verletzt, wenn der Beschwerdeführer sowohl wegen Steuerbetrugs wie auch wegen Steuerhinterziehung (durch verschiedene Behörden) bestraft worden sei. 5. Die Begründung des Verwaltungsgerichts erweckt Bedenken. Es trifft zwar zu, dass der Kassationshof des Bundesgerichts in BGE 116 IV 262 (S. 267) hinsichtlich der direkten Bundessteuer wie auch im konnexen Entscheid in ASA 59 S. 639 (S. 644/45) für den Steuerbetrug und die Steuerhinterziehung nach zürcherischem Recht erkannt hat, dass die beiden Tatbestände im Verhältnis unechter Konkurrenz zueinander stehen, dass mithin die Bestrafung wegen Steuerbetrugs den weniger weitgehenden kriminellen Unwert der Steuerhinterziehung einbeziehe. Insofern vermag sich das Urteil des Verwaltungsgerichts auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung zu stützen. Wenn jedoch der Tatbestand des Steuerbetrugs den Tatbestand der Steuerhinterziehung (im Sinne der Spezialität oder Konsumtion) gänzlich erfasst, wie das Verwaltungsgericht anzunehmen scheint, so herrscht zwischen den beiden Tatbeständen unechte Konkurrenz und kommt nach der BGE 122 I 257 S. 262 rechtskräftigen Verurteilung wegen Steuerbetrugs eine erneute Bestrafung wegen Steuerhinterziehung nicht in Frage, weil mit der Bestrafung wegen Steuerbetrugs das weniger weit gehende Unrecht der Steuerhinterziehung bereits abgegolten ist (vgl. zur Konkurrenzlehre TRECHSEL/NOLL, Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil I, 4. Aufl. 1994, S. 258; GÜNTER STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil I: Die Straftat, 2. Aufl. 1996, S. 459 ff.). Einer solchen Doppelbestrafung stünde das Prinzip "ne bis in idem" entgegen. Daran ändert nichts, dass für die Beurteilung von Steuerbetrug und Steuerhinterziehung verschiedene Behörden zuständig sind. Denn das Prinzip "ne bis in idem" ist auch dann zu beachten, wenn verschiedene Behörden über die gleiche Tat befinden müssen. Hingegen fragt sich, ob richtigerweise zwischen dem Tatbestand des Steuerbetrugs und demjenigen der Steuerhinterziehung Idealkonkurrenz angenommen werden muss und der Entscheid des Verwaltungsgerichts mit dieser Begründung aufrecht erhalten werden kann. Die Aufhebung eines mit staatsrechtlicher Beschwerde angefochtenen kantonalen Entscheides rechtfertigt sich nur, wenn er im Ergebnis verfassungswidrig ist, und nicht schon dann, wenn die Begründung unhaltbar erscheint ( BGE 118 Ia 118 S. 123 f.). Das Bundesgericht hat deshalb die Möglichkeit, eine verfassungswidrige Begründung durch die richtige Begründung zu ersetzen. Zwar hat das Verwaltungsgericht im angefochtenen Entscheid zur Frage der Konkurrenz zwischen den beiden Tatbeständen bereits Stellung genommen, was formell einer Motivsubstitution entgegenstünde ( BGE 98 Ia 351 E. 3; ferner BGE 112 Ia 353 S. 355 mit weiteren Hinweisen). In seiner früheren Rechtsprechung ging jedoch das Verwaltungsgericht davon aus, dass es sich bei Steuerbetrug und Steuerhinterziehung nach kantonalem Recht um echt konkurrierende Tatbestände handle und dass der Unrechtsgehalt der Steuerhinterziehung durch die Bestrafung wegen Steuerbetrugs nicht abgegolten werde (Rechenschaftsbericht an den Kantonsrat, 1987 Nr. 47). Seine neue Praxis begründet das Gericht im wesentlichen mit der Rechtsprechung des Bundesgerichts, die unechte Konkurrenz zwischen den beiden Tatbeständen annimmt. Da jedoch die bundesgerichtliche Rechtsprechung ihrerseits der Überprüfung bedarf, rechtfertigt es sich, abweichend von der Regel, eine Motivsubstitution in Betracht zu ziehen. Die Konkurrenzfrage ist daher zu prüfen. 6. Da die II. öffentlichrechtliche Abteilung eine Änderung der Praxis des Kassationshofes in BGE 116 IV 262 und ASA 59 S. 639 in Betracht zog, BGE 122 I 257 S. 263 eröffnete sie das Meinungsaustauschverfahren gemäss Art. 16 OG zwischen den beiden Gerichtsabteilungen. Der Meinungsaustausch hat zu folgendem Ergebnis geführt: a) Es gibt kein sicheres Kriterium, anhand dessen sich sagen lässt, ob ein Tatbestandsmerkmal die Tat bzw. den Täter näher charakterisiert und deshalb der Tatbestand allein Anwendung findet oder ob keiner der beiden in Betracht fallenden Tatbestände den Unrechtsgehalt der Tat voll erfasst und diese deshalb nebeneinander zum Zuge kommen. Letztlich handelt es sich um eine Entscheidung des Gesetzgebers, der zwischen zwei Tatbeständen echte Konkurrenz (Idealkonkurrenz) oder unechte Konkurrenz anordnen kann. Wenn beispielsweise der Täter bei einem Betrug gefälschte Urkunden verwendet, so stehen die Art. 146 und 251 des Strafgesetzbuches (StGB) nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts in echter Konkurrenz ( BGE 105 IV 242 S. 247; BGE 100 IV 176 S. 179); oder wenn der Täter seine Veruntreuung durch falsche Quittungen zu verdecken sucht, so stellt dieser Sachverhalt gleichzeitig eine Urkundenfälschung dar ( BGE 76 IV 102 S. 107). Es ist deshalb nicht einzusehen, weshalb der Steuergesetzgeber zwischen dem Steuerbetrug und der Steuerhinterziehung nicht echte Konkurrenz vorsehen kann. Die Frage nach der Konkurrenz der beiden Tatbestände ist somit durch Auslegung des Gesetzes zu beantworten. b) § 192 Abs. 1 StG umschreibt den Tatbestand des Steuerbetrugs folgendermassen: § 192 1 Wer zum Zwecke der Steuerhinterziehung die Steuerbehörden über erhebliche Tatsachen durch den Gebrauch von Urkunden, insbesondere Geschäftsbüchern, Bilanzen, Gewinn- und Verlustrechnungen, Lohnausweisen, die gefälscht oder verfälscht sind oder die erhebliche Tatsachen unrichtig oder unvollständig beurkunden, täuscht, wird, unabhängig von der Festsetzung einer Strafsteuer, durch den Strafrichter mit Busse bis Fr. 20'000, in schweren Fällen in Verbindung mit Gefängnis bis zu drei Jahren bestraft. Danach genügt die Hinterziehungsabsicht des Täters ("zum Zwecke der Steuerhinterziehung"); der Eintritt des Erfolgs, die Steuerhinterziehung, ist nicht erforderlich (Reimann/Zuppinger/Schärrer, Kommentar zum Zürcher Steuergesetz, N. 8 zu § 192 StG ). In dieser Hinsicht umfasst der Steuerbetrug die Steuerhinterziehung tatbestandsmässig zum vornherein nicht vollständig. Steuerhinterziehung und Steuerbetrug sind in getrennten Verfahren zu verfolgen und durch verschiedene Behörden zu beurteilen. Auch BGE 122 I 257 S. 264 bezeichnet das Gesetz selbst den Steuerbetrug nicht als schweren Fall der Hinterziehung. Der Wortlaut von § 192 Abs. 1 StG behält die Bestrafung wegen Steuerhinterziehung vielmehr ausdrücklich vor ("unabhängig von der Festsetzung einer Strafsteuer"). Offensichtlich ist auch die absolut auf Fr. 20'000.- beschränkte Busse beim Steuerbetrug nach § 192 Abs. 1 StG in keiner Weise auf die vom Hinterziehungsrichter auszufällende Strafsteuer in der Höhe von mindestens einem Viertel der Nachsteuer ( § 188 Abs. 2 StG ) abgestimmt. Das spricht dafür, dass der Gesetzgeber von zwei verschiedenen Tatbeständen ausgegangen ist und nicht von einer einzigen Widerhandlung, die auch in qualifizierter Form begangen werden kann. c) Daran ändert nichts, dass die beiden Delikte in getrennten Verfahren - durch verschiedene Behörden - zu untersuchen und beurteilen sind. Die Bestrafung wegen der vollendeten Steuerhinterziehung setzt voraus, dass die Höhe der zu Unrecht nicht erhobenen Steuer in einem Nachtaxationsverfahren festgestellt wird. Das erfordert Kenntnisse im Steuerrecht. Aus diesem Grund, und weil die Steuerhinterziehung nicht kriminalisiert werden soll, wird sie durch die Steuer- und Steuerjustizbehörden untersucht und beurteilt. Andererseits soll der Gebrauch von Falsifikaten bei einer Steuerhinterziehung stärker geahndet werden. Deshalb wurde der Steuerbetrug als selbständiges Delikt ausgestaltet und in die Klasse der Vergehen erhoben, das von den ordentlichen Strafverfolgungsbehörden geahndet wird (REIMANN/ZUPPINGER/SCHÄRRER, a.a.O., N. 2 zu § 192 StG ). Zürich war der erste Kanton, der mit dem Steuergesetz von 1917 für den Steuerbetrug die kriminelle Bestrafung anordnete; andere Kantone folgten nach (REIMANN/ZUPPINGER/SCHÄRRER, a.a.O., N. 6 zu § 192 StG ). Im Recht der direkten Bundessteuer wurde der Steuerbetrugstatbestand des Art. 131bis Abs. 1 BdBSt durch das Bundesgesetz vom 9. Juni 1977 über Massnahmen gegen die Steuerhinterziehung (AS 1977 2103) eingeführt und dessen Verfolgung grundsätzlich den kantonalen Strafverfolgungsbehörden übertragen. Vor der Revision war der Steuerbetrug als qualifizierte Steuerhinterziehung mit einem gegenüber dem gewöhnlichen Hinterziehungsdelikt erhöhten Strafrahmen ausgestaltet ( Art. 129 Abs. 2 BdBSt ; KÄNZIG/BEHNISCH, Die direkte Bundessteuer [Wehrsteuer], 2. Aufl. 1992, N. 1 zu Art. 130bis). Die Unterscheidung zwischen Steuerbetrug und Steuerhinterziehung und die Beurteilung dieser beiden Tatbestände in getrennten Verfahren (durch verschiedene Behörden) dient somit der wirksamen Bekämpfung von schweren Fällen der Steuerhinterziehung und ist vom Gesetzgeber gewollt (s. auch BGE 122 I 257 S. 265 EMIL KLAUS, Der Steuerbetrug im Zürcherischen Recht, ZBl 31/1930, S. 321 ff., wo ausgeführt wird, dass während der Geltung des Steuergesetzes von 1870 rund 30%-40% des wirklichen Vermögens und Einkommens nicht versteuert wurden.) Für die Strafzumessung beim Steuerbetrug spielt auch die Höhe der hinterzogenen Steuern nur insoweit eine Rolle, als der auf eine hohe Hinterziehung ausgerichtete Steuerbetrug schwerer wiegt (RICHNER/FREI/WEBER/BRÜTSCH, Zürcher Steuergesetz, N. 63 zu § 192). In der Regel geht das Verfahren wegen Steuerhinterziehung demjenigen wegen Steuerbetrugs voraus. Aus der Trennung der Verfahren kann deshalb nicht gefolgert werden, dass die Tatbestände einander ausschliessen. Bereits unter der Geltung des Zürcher Steuergesetzes von 1917 erfolgte die Bestrafung wegen Steuerbetrugs unabhängig von der Verpflichtung zur Entrichtung von Nach- und Strafsteuern (KLAUS, a.a.O. S. 481). d) Was das Verhältnis zwischen den beiden Tatbeständen betrifft, so behalten übrigens die Steuergesetze beim Steuerbetrug die Bestrafung wegen Steuerhinterziehung regelmässig vor (vgl. etwa Art. 186 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer [DBG], SR 642.11). Auch das Steuerharmonisierungsgesetz vom 14. Dezember 1990 (StHG; SR 642.14) lässt in dieser Hinsicht den Kantonen für abweichende Lösungen keinen Raum ( Art. 59 Abs. 2 StHG ). Zwischen Steuerhinterziehung und Steuerbetrug herrscht daher Idealkonkurrenz. Das entspricht der in der Doktrin einhellig vertretenen Auffassung (zum DBG und StHG: AGNER/JUNG/STEINMANN, Kommentar zum Gesetz über die direkte Bundessteuer, N 2 zu Art. 186; BLUMENSTEIN/LOCHER, System des Steuerrechts, 5. Aufl. 1995, S. 325; ANDREAS DONATSCH, Zum Verhältnis zwischen Steuerhinterziehung und Steuerbetrug nach dem Steuerharmonisierungs- und dem Bundessteuergesetz, ASA 60 S. 292; auch zum zürcherischen Recht: KONFERENZ STAATLICHER STEUERBEAMTER, Nachsteuer- und Steuerstrafrecht: Bericht einer Expertenkommission an den Regierungsrat des Kantons Zürich vom 5. Januar 1994, S. 28 ff., 31; RICHNER/FREI/WEBER/BRÜTSCH, a.a.O., N. 6 zu § 192; MARTIN ZWEIFEL, Aktuelle Probleme des Steuerstrafrechts, ZStrR 111/1993 S. 18; für den BdBSt: URS R. BEHNISCH, Das Steuerstrafrecht im Recht der direkten Bundessteuer, Bern 1991, S. 236; KÄNZIG/BEHNISCH, a.a.O., N. 70 zu Art. 130bis; MASSHARDT, Kommentar zur direkten Bundessteuer, 2. Aufl. 1985, N. 4 zu Art. 130bis; PETER MICHAEL, Der Steuer- und Abgabebetrug im schweizerischen Recht, Diss. St. Gallen 1992, S. 256; W. R. PFUND, Das BGE 122 I 257 S. 266 Gestrüpp unseres Steuerstrafrechts, ASA 48 S. 22). In der Lehre wird zwar die gesetzliche Lösung (Idealkonkurrenz) wie auch die Aufteilung in ein Steuerbetrugs- und ein Steuerhinterziehungsverfahren teilweise als sachwidrig kritisiert, doch anerkennen auch diese Autoren, dass zwischen den beiden Tatbeständen von Gesetzes wegen Idealkonkurrenz besteht (vgl. etwa DONATSCH, a.a.O., S. 308 f.; ZWEIFEL, a.a.O., S. 18 f.; FELIX RICHNER, Wandel und Tendenzen im Zürcher Steuerhinterziehungsrecht, ASA 61 S. 605). e) An der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, wonach zwischen dem Tatbestand des Steuerbetrugs und dem Tatbestand der Steuerhinterziehung unechte Konkurrenz besteht, kann daher nicht festgehalten werden. Vielmehr ist zwischen den beiden Tatbeständen Idealkonkurrenz anzunehmen, so dass der Steuerbetrug die Steuerhinterziehung nicht konsumiert. In dieser Hinsicht ist die in BGE 116 IV 262 und ASA 59 S. 639 begründete Praxis zu ändern. 7. Handelt es sich aber beim Steuerbetrug und bei der Steuerhinterziehung um echt konkurrierende Tatbestände, so ist der aus Art. 4 BV hergeleitete Grundsatz "ne bis in idem" nicht verletzt, wenn der Beschwerdeführer sowohl für den Steuerbetrug wie auch für die Steuerhinterziehung (durch verschiedene Behörden) bestraft worden ist. Keine weitergehenden Garantien ergeben sich aus Art. 4 Prot. Nr. 7 EMRK oder aus Art. 14 Abs. 7 UNO-Pakt II . Dem Verwaltungsgericht kann somit im Ergebnis keine Verletzung dieser Bestimmungen vorgeworfen werden, wenn es den Beschwerdeführer wegen der Steuerhinterziehung schuldig erklärt hat, obschon er bereits für den Steuerbetrug bestraft wurde. Mit diesen Erwägungen kann die Begründung im angefochtenen Entscheid substituiert werden. 8. Zu beachten ist freilich, dass die von den verschiedenen Behörden auszusprechenden Strafen zusammen nicht exzessiv ausfallen dürfen und bei der Bestrafung wegen Hinterziehung der Steuerbetrug nicht straferhöhend oder strafschärfend berücksichtigt wird. Der Grundsatz "ne bis in idem" wäre verletzt, wenn der Steuerpflichtige nur deshalb strenger bestraft wird, weil die echt konkurrierenden Delikte von verschiedenen Behörden statt von einer einzigen Behörde zu beurteilen sind. Das ist hier indessen nicht der Fall. Das Bezirksgericht Dielsdorf, das den Steuerbetrug zu beurteilen hatte, berücksichtigte bei der Strafzumessung, dass sich die Betrugshandlungen über einen langen Zeitraum erstreckten und der Angeklagte arglistig vorging, indem er für Warenbezüge seiner ausländischen Lieferantin bewusst zuviel bezahlte, um sich später die steuertechnisch BGE 122 I 257 S. 267 nicht ausgewiesenen Rückvergütungen überweisen zu lassen. Es sanktionierte somit einzig die vom Beschwerdeführer begangenen Steuerbetrugshandlungen und nicht die Steuerhinterziehung. Das Verwaltungsgericht, welches über die Steuerhinterziehung zu befinden hatte, wies seinerseits ausdrücklich darauf hin, dass das vom Beschwerdeführer errichtete "Lügengebäude" bzw. die von ihm an den Tag gelegte Arglist bereits vom Strafrichter beurteilt worden sei und bei der Bemessung der Hinterziehungsstrafe die vom Strafrichter ausgesprochene Strafe "stark strafmindernd" berücksichtigt werden müsse. Keine der beiden Instanzen hat somit den Beschwerdeführer für ein von ihr nicht zu beurteilendes Delikt bestraft. In Anbetracht der Höhe der verheimlichten Rückvergütungen und Wertschriftenerträge von Fr. 126'487.-- (bei einem deklarierten Einkommen von Fr. 144'351.--) kann auch nicht gesagt werden, die vom kantonalen Verwaltungsgericht auf Fr. 35'000.-- festgelegte Strafsteuer sei exzessiv ausgefallen. Auch in dieser Hinsicht ist das Verbot der Doppelbestrafung gemäss Art. 4 BV oder Art. 4 Prot. Nr. 7 EMRK nicht verletzt.
public_law
nan
de
1,996
CH_BGE
CH_BGE_001
CH
Federation
c529f2ad-631b-452f-bc83-15e582f9cf00
Urteilskopf 123 II 595 62. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 10. Dezember 1997 i.S. BAP gegen Aguamina Corporation (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
Regeste Rechtshilfe in Strafsachen an die Republik der Philippinen; Art. 74a IRSG : Herausgabe von Vermögenswerten zur Einziehung oder Rückerstattung. Auslegung von Art. 74a Abs. 3 IRSG ; Voraussetzungen, unter denen ausnahmsweise auf das Vorliegen eines rechtskräftigen Entscheids des ersuchenden Staats verzichtet werden kann (E. 4). Angesichts des erheblichen Interesses der Schweiz an einer vorzeitigen Rückführung der Vermögenswerte und deren offensichtlich deliktischer Herkunft ist die vorzeitige Herausgabe gerechtfertigt, sofern die Philippinen zusichern, dass über die Einziehung bzw. die Rückerstattung nur in einem dem UNO-Pakt II genügenden gerichtlichen Verfahren entschieden wird (E. 5). Rechte Dritter i.S. von Art. 74a Abs. 4 und 5 IRSG stehen der sofortigen Herausgabe nicht entgegen (E. 6). Im Rahmen von Art. 1a IRSG ist den in internationalen Verträgen garantierten Menschenrechten Rechnung zu tragen; Berücksichtigung der Interessen der Opfer von Menschenrechtsverletzungen unter dem Marcos-Regime (Art. 2, 6, 7, 9, 14 und 41 UNO-Pakt II; Art. 13, 14, 16 Abs. 1 und 30 UN-Übereinkommen gegen die Folter von 1984) (E. 7c). Die in den Vereinigten Staaten ergangenen gerichtlichen Verfügungen bezüglich der in der Schweiz gesperrten Vermögenswerte sowie allfällige sich daraus ergebende Nachteile für die schweizerischen Banken stehen einer Herausgabe an die Philippinen nicht entgegen (E. 7d).
Sachverhalt ab Seite 596 BGE 123 II 595 S. 596 Die Republik der Philippinen ersuchte im April 1986 das Bundesamt für Polizeiwesen (BAP) um Rechtshilfe im Zusammenhang mit der Rückführung von Vermögenswerten, die sich Ferdinand Marcos, seine Angehörigen und ihm nahestehende Personen in Ausübung ihrer öffentlichen Funktionen unrechtmässig angeeignet haben sollen. Gestützt auf dieses Rechtshilfeersuchen wurden in den Kantonen Zürich, Freiburg und Genf u.a. Vermögenswerte der Stiftungen BGE 123 II 595 S. 597 Maler 1, Maler 2 und der Arelma Inc. beim Schweizerischen Bankverein (SBV) in Genf, der Aguamina Corporation und der liquidierten Rosalys Foundation beim Schweizerischen Bankverein in Freiburg und der Palmy, der Avertina und der Vibur Stiftung bei der Schweizerischen Kreditanstalt (SKA) in Zürich gesperrt und die Herausgabe von Kontounterlagen an die Philippinen bewilligt (zu den Einzelheiten vgl. BGE 116 Ib 452 S. 454 f.). Die Rechtsmittelentscheide über die Anordnungen des Freiburger Untersuchungsrichters und der Bezirksanwaltschaft Zürich wurden durch die Erben des am 28. September 1989 verstorbenen Ferdinand Marcos und durch Imelda Marcos, die Aguamina Corporation sowie die Stiftungen Palmy, Avertina und Vibur an das Bundesgericht weitergezogen. Am 21. Dezember 1990 fällte das Bundesgericht zwei übereinstimmende Urteile. Das Bundesgericht bewilligte die Übermittlung der beim SBV in Freiburg und bei der SKA in Zürich erhobenen Bankunterlagen unter dem Vorbehalt, dass der ersuchende Staat eine ausdrückliche und unmissverständliche Erklärung abgegeben habe, gemäss welcher er sich verpflichte, die den Angeschuldigten aufgrund der Schweizerischen Bundesverfassung und der Europäischen Menschenrechtskonvention zustehenden Minimalgarantien zu gewähren und das in Art. 67 IRSG vorgesehene Spezialitätsprinzip zu beachten. Sodann bewilligte das Bundesgericht grundsätzlich die Herausgabe der beim SBV Freiburg und bei der SKA Zürich beschlagnahmten Vermögenswerte, wobei es allerdings den Vollzug aufschob, bis ein rechtskräftiges Urteil des Sandiganbayan oder eines anderen gesetzlich zuständigen philippinischen Gerichts in Strafsachen über die Rückerstattung dieser Gelder an die Berechtigten oder über deren Einziehung vorliege ( BGE 116 Ib 452 E. 5 S. 459 ff.). In bezug darauf traf es folgende Anordnungen (in der Fassung des deutschsprachigen Urteils): "Will der ersuchende Staat zu diesem Zweck einen Prozess einleiten, so muss er das innert einer Frist von maximal einem Jahr seit der Fällung des heutigen Bundesgerichtsurteils tun, ansonsten die Beschlagnahme der Guthaben auf Ersuchen der Betroffenen aufgehoben würde. Ausserdem muss dieser Prozess den Anforderungen der Art. 4 BV , 58 BV und 6 EMRK entsprechen. Es ist im weiteren festzuhalten, dass die Behörden des ersuchten Staates vor der Vollziehung eines allfälligen Entscheids über die Rückerstattung der Gelder an die Berechtigten oder über deren Einziehung abzuklären hätten, ob dieser Entscheid in einem den oben erwähnten formellen Anforderungen entsprechenden Verfahren getroffen worden ist und ob sein Inhalt nicht dem schweizerischen ordre public widerspricht." BGE 123 II 595 S. 598 Der Genfer Untersuchungsrichter passte die von ihm erlassenen Rechtshilfeanordnungen an die Bundesgerichtsurteile vom 21. Dezember 1990 an. Das BAP bezeichnete mit Verfügung vom 23. Mai 1991 den Kanton Zürich als Leitkanton im Sinne des Rechtshilfegesetzes und mithin als zuständig für die im Anschluss an die bundesgerichtlichen Urteile vom 21. Dezember 1990 in der Rechtshilfesache Marcos zu treffenden Entscheidungen (vgl. dazu BGE 119 Ib 56 ff.). Die Bezirksanwaltschaft Zürich stellte mit Verfügung vom 6. Februar 1992 fest, mit der in der Zwischenzeit beim Sandiganbayan erfolgten Einreichung von sechs Anklageschriften (gegen Imelda Marcos-Romualdez) sei innerhalb eines Jahres bei einem zuständigen Gericht ein Verfahren eingeleitet worden, das zu einer Verurteilung der Angeschuldigten führen könne; den Angeschuldigten sei sodann die Möglichkeit eingeräumt worden, am Prozess in uneingeschränkter Weise teilzunehmen. Diese Verfügung wurde nicht angefochten. Die Republik der Philippinen reichte am 10. August 1995 ein "zusätzliches" Rechtshilfeersuchen ("additional request for mutual assistance") der Presidential Commission on Good Government (PCGG) ein. Im Gesuch wird verlangt, dass die in der Schweiz blockierten Vermögenswerte vorzeitig, d.h. vor dem Vorliegen eines rechtskräftigen philippinischen Entscheids, auf ein Sperrkonto ("Escrow-Konto") der philippinischen National Bank transferiert werden. Die Bezirksanwaltschaft Zürich entsprach diesem Ersuchen und ordnete in drei separaten Verfügungen vom 21. August 1995 die vorzeitige Herausgabe der Vermögenswerte, an welchen Imelda Marcos und die Erben des Ferdinand Marcos formell oder wirtschaftlich berechtigt seien, an den ersuchenden Staat an. Die betroffenen Banken - d.h. der Schweizerische Bankverein in Genf, der Schweizerische Bankverein in Freiburg und die Schweizerische Kreditanstalt in Zürich - wurden darauf hingewiesen, die Herausgabe der Vermögenswerte erfolge im Rahmen der Verpflichtungen der philippinischen Republik sowie der PNB gemäss der Escrow-Vereinbarung vom 14. August 1995. Gegen die Verfügungen der Bezirksanwaltschaft vom 21. August 1995 rekurrierten neben den Inhabern der betroffenen Konten und den Banken der Nachlass Marcos, Imelda Marcos-Romualdez sowie die Arrestgläubiger Anderson, Hibey & Blair und die Arrestgläubigerin Golden Budha Corporation. Das Obergericht fällte am 20. Februar 1997 neun Entscheide. Auf die Rekurse der Banken trat BGE 123 II 595 S. 599 es wegen fehlender Legitimation nicht ein. Gestützt auf die Rechtsmittel der übrigen Rekurrenten hob es die drei Verfügungen der Bezirksanwaltschaft vom 21. August 1995 auf. Das Obergericht hielt es für angezeigt, an den vom Bundesgericht mit den Urteilen vom 21. Dezember 1990 festgelegten Bedingungen, die vor einer Transferierung erfüllt sein müssen, weiterhin festzuhalten. Das BAP hat gegen die sechs gutheissenden Rekursentscheide des Obergerichts je eine Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht eingereicht. Es beantragt, die angefochtenen Entscheide seien aufzuheben und es sei festzustellen, dass die mit den Bundesgerichtsurteilen vom 21. Dezember 1990 festgelegte Bedingung (eines rechtskräftigen philippinischen Urteils) an den Vollzug der Herausgabe der Vermögenswerte weggefallen sei. Eventuell sei die Herausgabe der in der Schweiz gesperrten Vermögenswerte, mit Ausnahme eines vom Bundesgericht festzulegenden angemessenen Anteils, unverzüglich zu vollziehen. Die vorliegende Verwaltungsgerichtsbeschwerde richtet sich gegen den Rekursentscheid, der gestützt auf das Rechtsmittel der Aguamina Corporation ergangen ist. Diese beantragt die Abweisung der Beschwerde und stellt diverse Eventualbegehren. Die Republik der Philippinen unterstützt den Antrag des Beschwerdeführers. Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Der Beschwerdeführer ist der Ansicht, dass der von der Bezirksanwaltschaft angeordnete Transfer der beschlagnahmten Vermögenswerte gestützt auf das am 4. Oktober 1996 revidierte Bundesgesetz über internationale Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. März 1981 (IRSG; SR 351.1), namentlich Art. 74a IRSG , zulässig sei. Das Obergericht nimmt im angefochtenen Entscheid den gegenteiligen Standpunkt ein: Die Anwendung des neuen Rechts führe nicht dazu, dass auf das Erfordernis eines rechtskräftigen Urteils des ersuchenden Staates verzichtet werden könne. Aufgrund der Bundesgerichtsurteile vom 21. Dezember 1990 steht fest, dass die beschlagnahmten Vermögenswerte als Erzeugnis oder Erlös aus einer strafbaren Handlung im Sinne von Art. 74a Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 lit. b IRSG in Betracht fallen und der Philippinischen Republik zur Einziehung oder Rückerstattung an die Berechtigten grundsätzlich herauszugeben sind. Nach Art. 74a Abs. 3 IRSG kann die Herausgabe in jedem Stadium des ausländischen Verfahrens erfolgen, "in der Regel gestützt auf einen rechtskräftigen BGE 123 II 595 S. 600 und vollstreckbaren Entscheid des ersuchenden Staates". Indessen können gemäss Art. 74a Abs. 4 IRSG die Gegenstände oder Vermögenswerte in der Schweiz zurückbehalten werden, wenn bestimmte Rechte Dritter einer sofortigen Herausgabe entgegenstehen. Macht ein Berechtigter in diesem Sinn an den Gegenständen oder Vermögenswerten Ansprüche geltend, so wird deren Freigabe bis zur Klärung der Rechtslage aufgeschoben; die streitigen Gegenstände oder Vermögenswerte dürfen dann nur unter den im Gesetz genannten Voraussetzungen dem Berechtigten herausgegeben werden ( Art. 74a Abs. 5 IRSG ). Aufgrund dieser Ordnung ist im vorliegenden Fall zunächst zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine vorzeitige Herausgabe der beschlagnahmten Vermögenswerte gemäss Art. 74a Abs. 3 IRSG gegeben sind, d.h. ob auf das Erfordernis eines rechtskräftigen und vollstreckbaren Entscheids des ersuchenden Staates verzichtet werden kann (vgl. im folgenden E. 4 und 5). Erst wenn dies zu bejahen ist, stellt sich die Frage, ob allfällige Rechte Dritter im Sinne von Art. 74a Abs. 4 IRSG eine Zurückbehaltung der Vermögenswerte erfordern (E. 6). Schliesslich ist zu beachten, dass Art. 74a IRSG als "Kann-Bestimmung" formuliert ist: Auch wenn alle gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, ist die Rechtshilfebehörde nicht zur Herausgabe verpflichtet, sondern entscheidet nach pflichtgemässem Ermessen (vgl. dazu E. 7). 4. Art. 74a Abs. 3 IRSG verlangt das Vorliegen eines rechtskräftigen und vollstreckbaren Entscheids des ersuchenden Staates nur in der Regel. Das Gesetz überlässt es somit der rechtsanwendenden Behörde, in gewissen Fällen von diesem Erfordernis abzusehen, wobei die vorzeitige Herausgabe die Ausnahme bleiben muss und nicht zur Regel werden darf. Welche rechtlichen Kriterien für die Unterscheidung zwischen gesetzlichem Regel- und Ausnahmefall gelten, ist im Wege der Auslegung zu ermitteln. a) Das Gesetz muss in erster Linie aus sich selbst heraus, das heisst nach Wortlaut, Systematik, Sinn und Zweck der Regelung verstanden werden. Auszurichten ist die Auslegung auf die ratio legis, die das Gericht allerdings nicht nach seinen eigenen, subjektiven Wertvorstellungen, sondern nach den Vorgaben und Regelungsabsichten des Gesetzgebers aufgrund der herkömmlichen Auslegungselemente zu ermitteln hat ( BGE 121 III 219 E. 1d/aa S. 224 mit Hinweisen; BGE 123 II 464 E. 3a S. 468). Im vorliegenden Fall stellt sich die Frage, welchem Zweck das Erfordernis eines vorgängigen rechtskräftigen Entscheids in Art. 74a Abs. 3 IRSG zugedacht ist, um daraus allfällige Rückschlüsse für eine verallgemeinerungsfähige BGE 123 II 595 S. 601 Ausnahmeregelung ziehen zu können. Das Bundesgericht befolgt bei der Gesetzesauslegung einen pragmatischen Methodenpluralismus und lehnt es namentlich ab, die einzelnen Auslegungselemente einer hierarchischen Prioritätsordnung zu unterstellen ( BGE 121 III 219 E. 1d/aa S. 225 mit Hinweisen). Die Gesetzesmaterialien können als Auslegungshilfe herangezogen werden; ihre Bedeutung ist unterschiedlich je nach dem, ob es sich um neuere oder ältere Gesetze handelt ( BGE 116 II 411 E. 5b S. 415 mit Hinweisen). b) Dem Wortlaut von Art. 74a IRSG lässt sich über den Zweck des Erfordernisses eines rechtskräftigen Urteils wenig entnehmen. Immerhin lassen sich folgende Negativaussagen machen: Die Herausgabe kann in jedem Stadium des ausländischen Strafverfahrens erfolgen, und es ist somit nicht erforderlich, dass der Angeschuldigte bereits rechtskräftig verurteilt wurde; damit ist die Unschuldsvermutung für die Annahme eines Ausnahmefalles grundsätzlich unerheblich. Ferner enthalten Art. 74a Abs. 4 und 5 IRSG besondere Bestimmungen zum Schutz konkurrierender Ansprüche; daraus lässt sich schliessen, dass Abs. 3 nicht demselben Zweck dient, sondern andere Ziele verfolgt. Schliesslich verzichtet die neue Regelung auf ein Exequaturverfahren im Sinn der Art. 94 ff. IRSG . Dies beruht zum einen auf dem völkerrechtlichen Vertrauensprinzip (Botschaft des Bundesrates betreffend die Änderung des Rechtshilfegesetzes vom 29. März 1995 [im folgenden: Botschaft], BBl 1995 III, S. 25); zum anderen liegt dieser Regelung auch der Gedanke zugrunde, dass der Staat, in dem das Strafverfahren durchgeführt wird und in dem sich regelmässig auch die Geschädigten befinden, am besten geeignet ist, über die Verteilung der Vermögenswerte zu entscheiden. Daraus folgt, dass Art. 74a Abs. 3 IRSG jedenfalls keine materielle (inhaltliche) Kontrolle des gerichtlichen Einziehungs- oder Rückerstattungsentscheids durch die schweizerischen Rechtshilfebehörden bezweckt. c) Systematisch betrachtet, unterscheidet das Gesetz zwischen der Herausgabe von Beweismitteln (Art. 74), der Herausgabe zur Einziehung oder Rückerstattung (Art. 74a) und der Herausgabe im Zusammenhang mit einer Auslieferung (sog. Sachauslieferung; Art. 59 IRSG ). Die Sachauslieferung entspricht, was die herauszugebenden Gegenstände und Vermögenswerte sowie den Rechtsschutz Dritter betrifft, der Regelung in Art. 74a IRSG . Im Gegensatz zu jener Bestimmung verlangt Art. 59 IRSG jedoch keinen rechtskräftigen Entscheid des ersuchenden Staates; gemäss Art. 22 Satz 1 der Verordnung vom 24. Februar 1982 über internationale Rechtshilfe BGE 123 II 595 S. 602 in Strafsachen (IRSV; SR 351.11) ist nicht einmal ein besonderes Ersuchen der Behörden des ersuchenden Staates erforderlich. Die Gegenstände und Vermögenswerte können selbst dann übergeben werden, wenn sie erst nach dem Vollzug der Auslieferung aufgefunden werden oder wenn die Auslieferung des Verfolgten nicht vollzogen werden kann ( Art. 59 Abs. 7 IRSG , Art. 22 Satz 2 IRSV ). Die Sachauslieferung beschränkt sich auf Gegenstände und Vermögenswerte, die sich bei der auszuliefernden Person befinden, wozu auch solche Gegenstände und Vermögenswerte zählen, die bei einer Bank oder bei Dritten deponiert sind, sofern die auszuliefernde Person rechtlich oder tatsächlich darüber verfügen kann (vgl. BGE 103 Ia 616 E. 4a S. 622 f.; BGE 115 Ib 517 E. 7e S. 535 f.; BGE 97 I 372 E. 6b S. 386; Botschaft, BBl 1995 III, S. 21). Es erscheint allerdings fraglich, ob diesem Aspekt ein so grosses Gewicht zukommt, dass es die unterschiedliche Regelung (und allenfalls auch die Annahme eines Ausnahmefalls i.S.v. Art. 74a Abs. 3 IRSG ) zu rechtfertigen vermag. Der Vergleich mit der Sachauslieferung gibt jedenfalls keinen überzeugenden Aufschluss über den Zweck des Erfordernisses eines vorgängigen Urteils in Art. 74a Abs. 3 IRSG . d) Aufschlussreicher ist dagegen die Entstehungsgeschichte dieser Bestimmung, die im folgenden kurz aufzuzeigen ist: Eine der wesentlichen Anliegen der Gesetzesrevision war die Neuregelung der Herausgabe beschlagnahmter Gegenstände und Vermögenswerte, weil die geltenden Bestimmungen - wie die Fälle Pemex ( BGE 115 Ib 517 ) und Marcos ( BGE 116 Ib 452 ) gezeigt hatten - lückenhaft und widersprüchlich waren (Botschaft, BBl 1995 III S. 13 und S. 25). Nach dem bundesrätlichen Entwurf sollte die Herausgabe nur auf der Grundlage eines rechtskräftigen und vollstreckbaren Entscheids des ersuchenden Staates über die Einziehung oder Rückerstattung der Gegenstände oder Vermögenswerte erfolgen. Die Mehrheit der ständerätlichen Kommission wollte auf dieses Erfordernis verzichten und schlug eine Regelung vor, wonach die Herausgabe in jedem Stadium des Verfahrens erfolgen könne, "wenn der betreffende Fall oder die Besonderheiten des ausländischen Rechts es erfordern" (AB S 1996 S. 229). Damit wollte die Kommissionsmehrheit die Vorschriften über die Herausgabe an diejenigen über die Auslieferung von Personen angleichen (vgl. Voten Küchler, AB SR 1996 S. 230; MARTY, a.a.O., S. 230 und 232, und BEERLI, a.a.O., S. 232). Zudem wurde darauf hingewiesen, dass das Festhalten am Erfordernis eines rechtskräftigen Entscheids zu stossenden Ergebnissen führen könne, namentlich im Verhältnis zu BGE 123 II 595 S. 603 anglo-amerikanischen Staaten, deren Gerichte für den Entscheid über im Ausland befindliche Sachen unzuständig seien; dies habe im Fall Pemex dazu geführt, dass das Geld schliesslich wieder den Angeschuldigten habe ausgehändigt werden müssen (Votum Marty, a.a.O., S. 230). Sodann gebe es Fälle, die so offensichtlich seien, dass es unverhältnismässig wäre, ein rechtskräftiges ausländisches Urteil abzuwarten, wie z.B. im Fall des aus den Uffizien in Florenz gestohlenen Gemäldes von Piero della Francesca (Votum Marty, a.a.O., S. 230 f.). Unter Bezugnahme auf den Fall Marcos wurden auch staats- und aussenpolitische Argumente für den Antrag der Kommissionsmehrheit ins Feld geführt (Votum Simmen, a.a.O., S. 231). Die Kommissionsminderheit gab dagegen zu bedenken, dass im Anfangsstadium des Verfahrens noch nicht feststehe, wer überhaupt Berechtigter der Vermögenswerte sei (Votum Danioth, AB SR 1996 S. 231) und ob die Werte tatsächlich in strafrechtlich relevanter Weise erworben worden seien (Voten Danioth, a.a.O., S. 230, und CARLO SCHMID, a.a.O., S. 231). Der Antrag der Kommissionsmehrheit öffne dem freien Ermessen der Untersuchungsinstanzen Tür und Tor, um unter Missachtung aller Rechtsrücksichten Opportunes unter dem Gesichtswinkel der Staatspolitik zu tun (Votum Schmid, a.a.O., S. 231). Das Erfordernis eines rechtskräftigen Urteils stelle ein minimales verfahrensrechtliches Erfordernis dar (Voten Schmid und Danioth, a.a.O., S. 230 und 231). Bundesrat Koller (AB S 1996 S. 232) hielt den Vergleich mit der Auslieferung nicht für stichhaltig, weil bei der Auslieferung mindestens ein klarer Haftbefehl vorliege, in dem die Straftaten und der Zweck der Verhaftung klar umschrieben seien, während im Bereich der akzessorischen Rechtshilfe, zumal im Anfangsstadium des Verfahrens, oft nur sehr vage Angaben vorhanden seien. Zudem stehe bei der Auslieferung die Identität des Auszuliefernden von Anfang an fest, während es bei der akzessorischen Rechtshilfe möglicherweise mehrere Prätendenten auf die Vermögensgüter gebe. Schliesslich könne die Schweiz im Rahmen der Rechtshilfe nicht weiter gehen als in einem innerstaatlichen Verfahren, in dem ebenfalls eine richterliche Verfügung erforderlich sei. Indessen räumte er ein, dass das Bundesgericht im Entscheid Marcos, an dem sich der bundesrätliche Entwurf orientiert habe, das Vorliegen eines rechtskräftigen Urteils nur "en règle générale" verlangt habe und es vielleicht zu weit gehe, eine richterliche Entscheidung absolut zu verlangen. Dagegen könne er der Formulierung der Kommissionsmehrheit BGE 123 II 595 S. 604 nie zustimmen, weil darin alle normativen Leitplanken für die wichtige Frage der Aushändigung von Vermögenswerten fehlten. Im Sinne eines Kompromisses brachte die Kommissionsminderheit den Vorschlag ein, in die Fassung des Bundesrates den Zusatz "in der Regel" aufzunehmen. Damit werde einerseits die Schranke des rechtskräftigen und vollstreckbaren Entscheids des ersuchenden Staates beibehalten; anderseits solle in bestimmten Fällen - wo dies nicht möglich oder auch nicht erforderlich sei oder wo es aus anderen Gründen wegen des ordre public geboten sei zu handeln - eine Ausnahmemöglichkeit bestehen (Votum Danioth, AB SR 1996 S. 243). Diesem modifizierten Antrag der Kommissionsminderheit stimmte der Ständerat zu, welchem Beschluss sich der Nationalrat im Differenzbereinigungsverfahren anschloss (AB N 1996 S. 747). Die Entstehungsgeschichte von Art. 74a Abs. 3 IRSG zeigt einzelne Richtpunkte der Regelungsabsicht des Gesetzgebers auf, an denen sich die Suche nach Kriterien zur Abgrenzung des Ausnahmefalles vom Regelfall zu orientieren hat. e) Der Einziehungs- oder Rückerstattungsentscheid des ersuchenden Staates klärt, ob die beschlagnahmten Gegenstände und Vermögenswerte tatsächlich in strafrechtlich relevanter Weise erworben wurden und wer als Berechtigter zu gelten hat, und ordnet die Einziehung oder die Rückerstattung an den Berechtigten an. Damit ist der Sachverhalt geklärt und verbindlich über die Möglichkeit der Einziehung bzw. der Rückerstattung nach dem Recht des ersuchenden Staates entschieden. Auf dieser Grundlage können die Rechtshilfebehörden i.d.R. ohne weiteres die Herausgabe der beschlagnahmten Gegenstände oder Vermögenswerte anordnen. Gleichzeitig ermöglicht das Erfordernis eines rechtskräftigen Entscheids dem ersuchten Staat eine nachträgliche Kontrolle der Rechtsstaatlichkeit des ausländischen Entscheids: Wie das Bundesgericht im Entscheid Pemex ( BGE 115 Ib 517 E. 14 S. 556 f.) ausgeführt hat, liegt in der zweckungebundenen Herausgabe von Vermögenswerten noch nicht Verurteilter ein schwerer Eingriff in deren Rechtsstellung, der nur angeordnet werden darf, wenn alle Garantien dafür vorhanden sind, dass über das Schicksal dieser Vermögenswerte in einem den Verfahrensgrundsätzen der EMRK entsprechenden Prozess entschieden werde und dass zudem die Verfolgten, sollten sie freigesprochen werden, in jeder Hinsicht schadlos gehalten würden. Ein anderes Ergebnis wäre mit der schweizerischen Rechtsordnung und BGE 123 II 595 S. 605 insbesondere mit der Eigentumsgarantie nicht vereinbar. Für das Bundesgericht stand somit die bessere Kontrollmöglichkeit nach Ergehen des ausländischen Urteils im Vordergrund. An dieser Zielsetzung hat sich mit der Revision des IRSG grundsätzlich nichts geändert. Fraglich ist allerdings der Umfang der Kontrollmöglichkeit. Der Bundesrat betonte in seiner Botschaft das Vertrauensprinzip: Die Schweiz sei nicht ermächtigt, Entscheide einer unabhängigen ausländischen Gerichtsbehörde auf ihre Begründetheit zu überprüfen, sofern diese Entscheide nicht offensichtlich den schweizerischen ordre public oder elementare Grundsätze der EMRK verletzten. Nach der neuen Regelung genüge es, wenn die ausführende Behörde den ausländischen Entscheid summarisch überprüfe, nachdem sie sich vergewissert habe, dass der ausländische Staat ein Rechtsstaat sei und die erwähnten allgemeinen Grundsätze respektiere (BBl 1995 III S. 25 f.). Diese Sicht kam auch in der ständerätlichen Debatte zum Ausdruck. Die Regelungsabsicht des Gesetzgebers zielt demnach darauf ab, eine Kontrolle darüber zu ermöglichen, dass die Einziehung oder Rückgabe von Vermögenswerten an den Geschädigten aufgrund eines gerichtlichen Verfahrens erfolgt, das den in der EMRK und im Internationalen Pakt vom 16. Dezember 1966 über bürgerliche und politische Rechte (UNO-Pakt II; SR 0.103.2) festgelegten Verfahrensgrundsätzen entspricht und der ausländische Entscheid weder dem schweizerischen ordre public noch den international gewährleisteten Menschenrechten widerspricht. Ausgeschlossen ist dagegen, wie bereits oben (E. 4b) dargelegt wurde, eine inhaltliche Kontrolle, d.h. eine Kontrolle der Begründetheit des ausländischen Entscheids. Daraus folgt, dass im Fall der vorzeitigen Herausgabe gewährleistet sein muss, dass im ersuchenden Staat über das Schicksal der Vermögenswerte in einem den Mindestanforderungen von EMRK bzw. UNO-Pakt II genügenden Gerichtsverfahren entschieden wird. f) Für die Frage, wann ein Ausnahmefall nach Art. 74a Abs. 3 IRSG angenommen werden kann, kommt es grundsätzlich auf die konkrete Sachlage an; diese muss Besonderheiten aufweisen, die es rechtfertigen, auf das Erfordernis eines vorgängigen rechtskräftigen Urteils zu verzichten. Aus dem Gesetz lässt sich nicht direkt ableiten, welche Gründe im allgemeinen eine Ausnahme zu rechtfertigen vermögen. Bei den in den Beratungen zur Sprache gekommenen Fällen handelt es sich um Beispiele, an denen man den gesetzgeberischen Willen erläutern wollte. Insofern besteht ein Ermessensspielraum der Rechtshilfebehörde. Aus dem Gesetz ergeben sich BGE 123 II 595 S. 606 indessen Schranken, die den Ermessensspielraum eingrenzen: Die Zulassung von Ausnahmen darf nicht dazu führen, dass die Zielsetzung des Erfordernisses eines rechtskräftigen Entscheids unterlaufen wird. Dies trifft jedenfalls dann nicht zu, wenn derart klare Verhältnisse vorliegen, dass hinsichtlich der deliktischen Herkunft überhaupt kein Klärungsbedarf besteht, weshalb es wenig Sinn macht, einen Einziehungs- oder Rückerstattungsentscheid zu fordern (Beispiel: Fall des aus den Uffizien gestohlenen Gemäldes von Piero della Francesca). So erachtete es das Bundesgericht gestützt auf Art. 74a Abs. 3 IRSG als zulässig, dem um Rechtshilfe ersuchenden Staat Frankreich ein Gemälde vorzeitig herauszugeben, das dem rechtmässigen Eigentümer in Frankreich gestohlen und nachher in der Schweiz verkauft worden war. Da es sich bei diesem Gemälde klarerweise um Deliktsgut im Sinne von Art. 74a Abs. 2 lit. b IRSG handelte, konnte nach Ansicht des Bundesgerichts auf das Erfordernis eines Einziehungs- oder Rückerstattungsentscheids des ersuchenden Staates verzichtet werden ( BGE 123 II 134 E. 5c und d S. 140 f.; vgl. auch BGE 123 II 268 E. 4a S. 274). Demgegenüber ist ein Ausnahmefall grundsätzlich ausgeschlossen, wenn die deliktische Herkunft der Vermögenswerte klärungsbedürftig ist; diese Klärung ist nicht Aufgabe der schweizerischen Rechtshilfebehörden, sondern hat vor der Herausgabe in einem gerichtlichen Verfahren im ersuchenden Staat zu erfolgen ( BGE 123 II 268 E. 4b S. 274 ff.). Ist die deliktische Herkunft der Vermögenswerte aber offensichtlich, so ist das Interesse des ersuchten Staates an einer nachträglichen Kontrolle auf die Beachtung elementarer rechtsstaatlicher Garantien bei der Verteilung (Einziehung oder Rückerstattung an die Berechtigten) beschränkt. Dieses Interesse kann im Einzelfall von geringerer Tragweite sein und gegenüber anderen Interessen zurücktreten. Dies kann u.U. einen Verzicht auf einen vorgängigen Einziehungs- oder Rückerstattungsentscheid rechtfertigen, soweit auf andere Weise sichergestellt ist, dass die Einziehung bzw. Rückgabe der Vermögenswerte an die Berechtigten in einem der EMRK bzw. dem UNO-Pakt II entsprechenden gerichtlichen Verfahren erfolgt. 5. Im Lichte dieses Auslegungsergebnisses ergibt sich für den vorliegenden Fall folgendes: a) Wie bereits in der ständerätlichen Beratung von Art. 74a IRSG - u.a. unter Hinweis auf den Fall Marcos - betont wurde, widerspricht BGE 123 II 595 S. 607 es dem Landesinteresse, wenn die Schweiz zu einem Hort für Fluchtgelder oder kriminelle Gelder wird (vgl. das Postulat Aeppli Wartmann Nr. 96.3280 vom 18. Juni 1996, AB N 1996 S. 2404 f.; in diesem Sinne auch Botschaft des Bundesrats vom 19. August 1992 über die Ratifikation des Übereinkommens Nr. 141 des Europarats über Geldwäscherei sowie Ermittlung, Beschlagnahme und Einziehung von Erträgen aus Straftaten, BBl 1992 VI S. 11 und Botschaft vom 12. Juni 1989 zur Strafgesetzgebung über die Geldwäscherei und die mangelnde Sorgfalt bei Geldgeschäften, BBl 1989 II 1062, 1067). Es ist in erster Linie Aufgabe des Gesetz- und Verordnungsgebers sowie der Banken und ihrer Standesorganisationen, dafür zu sorgen, dass nicht - wie im vorliegenden Fall geschehen - Staatschefs diktatorischer Regime Millionenbeträge offensichtlich unlauterer Herkunft auf schweizerische Bankkonten deponieren können. Werden solche Gelder dennoch in der Schweiz aufgefunden und vom geschädigten ausländischen Staat im Wege der Rechtshilfe herausverlangt, sind die Rechtshilfebehörden und Gerichte zum Entscheid berufen. Nach Art. 1a IRSG ist bei der Anwendung des Gesetzes u.a. der öffentlichen Ordnung oder anderen wesentlichen Interessen der Schweiz Rechnung zu tragen. Zwar trägt die Bestimmung die Überschrift "Begrenzung der Zusammenarbeit"; es gibt aber keinen Grund, die öffentliche Ordnung sowie die wesentlichen Interessen der Schweiz unberücksichtigt zu lassen, sofern diese für die Leistung von Rechtshilfe sprechen. Es ist allerdings einschränkend zu berücksichtigen, dass Art. 17 Abs. 1 IRSG den Entscheid über die Anwendung von Art. 1a IRSG dem Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement vorbehält und dessen Entscheide der Beschwerde an den Bundesrat unterliegen ( Art. 26 IRSG ). Insofern lässt sich der gesetzlichen Regelung entnehmen, dass in erster Linie die politischen Behörden darüber entscheiden sollen, ob wesentliche Interessen der Schweiz einer Zusammenarbeit entgegenstehen. Dies bedeutet aber nicht, dass sie im Rahmen des den Vollzugsbehörden zustehenden Entscheidungsspielraums unberücksichtigt bleiben müssten. So hat das Bundesgericht mehrfach das Ansehen der Schweiz berücksichtigt und entgegenstehenden Interessen an einer Verweigerung der Rechtshilfe gegenübergestellt (vgl. BGE 115 Ib 517 E. 4b; BGE 123 II 153 E. 7c S. 161; vgl. auch RUDOLF WYSS, Die Revision der Gesetzgebung über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen, SJZ 93/1997, S. 39). Es kommt in der Verfügung der Bezirksanwaltschaft Zürich zum Ausdruck und liegt im übrigen auf der Hand, dass es im Interesse BGE 123 II 595 S. 608 der Schweiz liegt, die grundsätzlich bewilligte Herausgabe der Marcos-Gelder möglichst bald vollziehen zu können. Diesem Ziel dient die vorzeitige Rückführung der Vermögenswerte. Es ist daher nicht zu beanstanden, dieses Interesse als Grund für einen Verzicht auf einen rechtskräftigen Entscheid des ersuchenden Staates in Betracht zu ziehen. b) Die illegale Herkunft der beschlagnahmten Gelder kann nach heutigem Wissensstand nicht ernsthaft in Zweifel gezogen werden. Allerdings lassen sich nach der Aktenlage die einzelnen Vermögenswerte nicht konkreten Delikten zuordnen und es ist daher möglich, dass auch legale Geldmittel der Familie Marcos in die Stiftungen flossen. Dabei könnte es sich aber - wie der Beschwerdeführer zutreffend dargelegt hat - im Vergleich zur Höhe der beschlagnahmten Vermögenswerte nur um geringfügige Summen handeln. In bezug auf den überwiegenden Teil der beschlagnahmten Vermögenswerte besteht ausreichende Gewissheit, um von offensichtlicher deliktischer Herkunft sprechen zu können. Unter diesen Umständen ist eine vorzeitige Herausgabe der Vermögenswerte nicht von vornherein ausgeschlossen, wenn sichergestellt ist, dass der Einziehungs- bzw. Rückerstattungsentscheid in einem rechtsstaatlichen Verfahren ergeht. Die Auseinandersetzung über die Einziehung beziehungsweise Rückerstattung der beschlagnahmten Gelder hat in den Philippinen, wo die Straftaten begangen wurden, zu erfolgen. c) Nach Art. 2 lit. a IRSG ist einem Rechtshilfeersuchen nicht zu entsprechen, wenn Gründe für die Annahme bestehen, dass das Verfahren im Ausland den in der EMRK oder im UNO-Pakt II festgelegten Verfahrensgrundsätzen nicht entspricht. Ist der ersuchende Staat nicht Vertragsstaat der EMRK, ist grundsätzlich auf den UNO-Pakt II abzustellen, sofern dieser einen der EMRK zumindest gleichwertigen Schutz gewährleistet ( BGE 123 II 511 E. 7d S. 525 f.). Wie bereits ausgeführt wurde, muss auch bei einer vorzeitigen Herausgabe gemäss Art. 74a Abs. 3 IRSG sichergestellt sein, dass im konkreten Fall die völkerrechtlich normierten Grundrechte - hier also die Verfahrensgarantien des UNO-Pakts II - eingehalten werden. Diesbezüglich ist eine Prognose vorzunehmen, wie sie im Anwendungsbereich von Art. 2 IRSG auch anderweitig zu treffen ist (vgl. dazu BGE 123 II 161 E. 6b S. 167 mit Hinweisen). aa) Im vorliegenden Fall hat die Bezirksanwaltschaft Zürich ausgeführt, der Hinterlegungsvertrag vom 14. August 1995 zwischen der PCGG (Presidential Commission on Good Government) und der PNB (Philippine National Bank) [sogenannte Escrow-Vereinbarung] BGE 123 II 595 S. 609 stelle sicher, dass die Rechte der Beteiligten gewahrt würden, wobei es Sache der philippinischen Gerichte und Behörden sein werde, allfällige Streitigkeiten aus dieser Vereinbarung zu beseitigen. Nach Ziff. 2 Abs. VII des Vertrages darf über die Vermögenswerte nicht anders verfügt werden als in Übereinstimmung mit einem vollstreckbaren Urteil des zuständigen philippinischen Gerichts oder in Übereinstimmung mit identischen Instruktionen der PCGG und entweder der betroffenen Stiftung oder des (nach philippinischem Recht) gehörig vertretenen Nachlasses oder der Erben respektive der potentiell Berechtigten. Das Obergericht hat aus dieser Vereinbarung gefolgert, dass über die hinterlegten Vermögenswerte auch ohne ein den oben erwähnten Mindestanforderungen genügendes Gerichtsurteil verfügt werden könne; an dessen Stelle könne, sofern ein entsprechendes Begehren bzw. eine Instruktion der PCGG vorliegt, die blosse Zustimmung der gegen den Willen der Erben eingesetzten Nachlassverwalterin treten. Der Hinterlegungsvertrag vermöge daher einen gerichtlichen Einziehungs- bzw. Rückerstattungsentscheid nicht in jedem Fall sicherzustellen. Dagegen machen die Philippinen geltend, die streitigen Vermögenswerte unterlägen bis zum rechtskräftigen Abschluss des hängigen Einziehungsverfahrens der Obhut des Gerichts ("custodia legis"). Die PNB könne daher, ungeachtet der Bestimmungen der Escrow-Vereinbarung, die Vermögenswerte nur auf Geheiss des Sandiganbayan transferieren oder freigeben. Daraus folgt aber jedenfalls, dass es auch nach Auffassung der Philippinen nicht in erster Linie auf den Hinterlegungsvertrag ankommt, sondern die philippinischen Behörden und namentlich das oberste Gericht die Verantwortung dafür tragen, dass über die Vermögenswerte in einem rechtsstaatlichen gerichtlichen Verfahren entschieden wird. bb) Es fragt sich deshalb, ob es nicht genügt, wenn der ersuchende Staat die Zusicherung gibt, über die Einziehung bzw. Rückerstattung der Vermögenswerte nur in einem den Anforderungen von Art. 2 IRSG genügenden gerichtlichen Verfahren zu entscheiden. Die Philippinische Republik ist Vertragsstaat des UNO-Pakts II und daher zur innerstaatlichen Durchsetzung aller Rechte des Pakts völkerrechtlich verpflichtet. Die im Pakt gewährleisteten Rechte sind unmittelbar anwendbar und können vor den philippinischen Gerichten und Verwaltungsbehörden angerufen werden (Philippines Initial Report zum UNO-Pakt II vom 7. März 1989, N 16, unter Berufung auf Art. II sec. 2 und Art. XIII sec. 18(7) der philippinischen Verfassung von 1987). Darüber hinaus haben die Philippinen BGE 123 II 595 S. 610 das 1. Fakultativprotokoll zu diesem Pakt vom 16. Dezember 1966 ratifiziert, das Einzelbeschwerden an den UN-Ausschuss für Menschenrechte zulässt (JEAN-BERNARD MARIE, International Instruments Relating to Human Rights, Classification and Status of Ratifications as of 1 Januar 1997, Human Rights Law Journal 18/1997, S. 79 ff., insbes. S. 84). Die Philippinen verfügen über eine unabhängige Gerichtsbarkeit und gewährleisten dem Angeklagten umfassende Verteidigungsrechte, die dem Mindeststandard von Art. 14 UNO-Pakt II genügen (vgl. Art. III [Bill of Rights], sec. 11-17 der philippinischen Verfassung von 1987 sowie Rule 115 [Rights of Accused] der Philippine Rules of Court). Sodann ist darauf hinzuweisen, dass die Schweiz am 19. Oktober 1989 mit der Republik der Philippinen einen Auslieferungsvertrag abgeschlossen hat. Dieser ist am 23. Februar 1997 in Kraft getreten (SR 0.353.964.5; AS 1997 S. 1313 ff.). Mit Genehmigung des Auslieferungsvertrags (Bundesbeschluss vom 20. März 1991, AS 1997 S. 1312) hat das schweizerische Parlament dem Justizsystem der Philippinischen Republik generell sein Vertrauen erwiesen. Aus den Akten geht hervor, dass die Verteidigungsrechte in den Verfahren gegen Imelda Marcos und ihre Kinder tatsächlich gewährleistet werden: Die Angeklagten konnten sich ausführlich verteidigen und haben ausgiebigen Gebrauch von ihren Verfahrensrechten gemacht. Dagegen wurde die Beschwerdegegnerin, die formell Inhaberin der einzuziehenden bzw. rückzuerstattenden Vermögenswerte ist, bisher an dem in den Philippinen hängigen Einziehungsverfahren nicht beteiligt. Auch wenn es sich bei ihr um eine juristische Konstruktion zur Verdeckung der wahren Inhaberschaft der Marcos-Familie an den Vermögenswerten handelt, hat sie doch Anspruch auf rechtliches Gehör, soweit das Verfahren die ihr nominell zustehenden Konten betrifft. Die Zusicherung der Philippinen muss daher neben den Verfahrensansprüchen der Angeschuldigten auch diejenigen der formellen Inhaber der herauszugebenden Vermögenswerte gewährleisten. Aus den oben erwähnten Umständen ist die Annahme gerechtfertigt, dass auf eine entsprechende Zusicherung der Philippinen Verlass wäre. d) Aus dem Gesagten ergibt sich, dass in bezug auf den überwiegenden Teil der beschlagnahmten Vermögenswerte die deliktische Herkunft offensichtlich ist und dass die Schweiz ein erhebliches Interesse an einer vorzeitigen Rückführung der Gelder hat. Bei dieser Sachlage kann gestützt auf Art. 74a Abs. 3 IRSG auf das Erfordernis eines rechtskräftigen und vollstreckbaren Entscheids BGE 123 II 595 S. 611 verzichtet werden, unter der Auflage, dass die Philippinen die Zusicherung abgeben, über die Einziehung bzw. Rückerstattung an Berechtigte nur in einem gerichtlichen Verfahren zu entscheiden, das den im UNO-Pakt II festgelegten Verfahrensgrundsätzen entspricht. Dabei müssen die Verfahrensrechte sowohl der Angeschuldigten als auch der Beschwerdegegnerin als formeller Inhaberin der Vermögenswerte gewährleistet werden. e) Entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin ist es seit der IRSG-Revision nicht mehr erforderlich, dass die Einziehung bzw. Rückerstattung durch ein Strafgericht erfolgt. Art. 74a IRSG verlangt lediglich, dass die Einziehung (bzw. Rückerstattung) deliktisch erlangte Gegenstände oder Vermögenswerte betrifft (Abs. 2) und gerichtlich angeordnet wird (Abs. 3 i.V.m. Art. 14 UNO-Pakt II ). Dagegen ist es unerheblich, ob dies im Rahmen des Strafverfahrens gegen den Angeschuldigten oder in einem getrennten Verfahren geschieht und ob dieses Verfahren vor einem Straf-, einem Zivil- oder einem Verwaltungsgericht erfolgt. Es spielt daher keine Rolle, dass die Philippinen das Einziehungsverfahren vor den Sandiganbayan als "civil case" bezeichnen und nach Zivilprozessrecht verhandeln. 6. Ist eine vorzeitige Herausgabe der Vermögenswerte grundsätzlich möglich, ist zu prüfen, ob allfällige Rechte Dritter der sofortigen Herausgabe entgegenstehen. Gemäss Art. 74a Abs. 4 IRSG können Gegenstände oder Vermögenswerte zurückbehalten werden, wenn: "a) der Geschädigte seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz hat und sie ihm zurückzugeben sind; b) eine Behörde Rechte daran geltend macht; c) eine an der strafbaren Handlung nicht beteiligte Person, deren Ansprüche durch den ersuchenden Staat nicht sichergestellt sind, glaubhaft macht, sie habe an diesen Gegenständen oder Vermögenswerten in der Schweiz oder, sofern sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz hat, im Ausland gutgläubig Rechte erworben; oder d) die Gegenstände oder Vermögenswerte für ein in der Schweiz hängiges Strafverfahren benötigt werden oder für die Einziehung in der Schweiz geeignet sind." a) Die Beschwerdegegnerin beruft sich auf den Anwendungsfall von Art. 74a Abs. 4 lit. c IRSG . Sie ist der Meinung, diese Bestimmung komme hier deshalb zur Anwendung, weil es sich bei ihr um eine "an der strafbaren Handlung nicht beteiligte Person" handle. BGE 123 II 595 S. 612 Die Umschreibung des Berechtigten in Art. 74a Abs. 4 lit. c IRSG erinnert an diejenige in Art. 10 Abs. 1 IRSG a.F., die den Geheimbereich des "unbeteiligten Dritten" schützte. Das Bundesgericht hatte hierzu eine sehr restriktive Praxis entwickelt, wonach es nicht darauf ankomme, ob der Dritte im strafrechtlichen Sinne als Teilnehmer der Tat anzusehen sei, sondern massgeblich sei, ob eine unmittelbare Beziehung mit der im Ersuchen geschilderten Tat bestehe ( BGE 112 Ib 462 E. 2b S. 463 f.; 107 Ib 252 E. 2b/bb S. 255). Nach dieser Rechtsprechung galt eine Person, die Vermögenswerte deliktischen Ursprungs erhalten hatte, von vornherein nicht als unbeteiligter Dritter, gleichgültig, ob sie guten Glaubens war oder nicht. Diese Rechtsprechung lässt sich nicht ohne weiteres auf Art. 74a Abs. 4 lit. c IRSG übertragen, der den gutgläubigen Erwerber von der Einziehung unterliegenden Gegenständen bzw. Vermögenswerten schützen will. Immerhin aber muss verlangt werden, dass es sich wenigstens um einen "Dritten" handelt und nicht um eine vom Angeschuldigten vorgeschobene, nur formal selbständige juristische Person, die vom Angeschuldigten beherrscht wird, so dass dieser weiter die tatsächliche Verfügungsmacht über die deliktisch erlangten Vermögenswerte bzw. ihren Ersatzwert ausübt. In diesem Fall ist im übrigen auch die Gutgläubigkeit der Gesellschaft zu verneinen, die sich den bösen Glauben des Angeschuldigten zurechnen lassen muss. Im vorliegenden Fall ist die Beschwerdegegnerin nominell Berechtigte der streitigen Bankguthaben; sie wurde aber von Ferdinand Marcos beherrscht, der - ungeachtet der rechtlichen Selbständigkeit der Gesellschaft - die tatsächliche Verfügungsmacht über die Vermögenswerte behalten hatte. Die Beschwerdegegnerin hat dies nicht bestritten bzw. einen von Ferdinand Marcos unabhängigen, gutgläubigen Erwerb der Bankguthaben nicht glaubhaft gemacht. b) Im weiteren erblickt die Beschwerdegegnerin einen Hinderungsgrund im Sinne dieser Vorschrift im Umstand, dass Drittparteien zivilrechtliche Arreste auf den strafrechtlich blockierten Vermögenswerten erwirkt haben. aa) Gemäss Art. 74a Abs. 4 lit. c IRSG können Gegenstände und Vermögenswerte in der Schweiz zurückbehalten werden, wenn eine an der strafbaren Handlung nicht beteiligte Person, deren Ansprüche durch den ersuchenden Staat nicht sichergestellt sind, glaubhaft macht, sie habe an diesen Gegenständen oder Vermögenswerten in der Schweiz, oder, sofern sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz hat, im Ausland gutgläubig Rechte erworben. Die gleiche BGE 123 II 595 S. 613 Formulierung findet sich in Art. 59 Abs. 4 lit. c IRSG (betr. Sachauslieferung). Der Wortlaut dieser Bestimmungen ("Rechte ... an diesen Gegenständen oder Vermögenswerten") spricht dafür, nur dingliche Rechte darunter zu fassen, nicht aber blosse Forderungen, auch wenn für diese ein Arrest an den in der Schweiz befindlichen Vermögenswerten erwirkt wurde. Der Arrest ist ein reines Sicherungsinstrument, das dem Gläubiger kein materielles Vorzugsrecht verschafft ( BGE 116 III 111 E. 3 S. 115 ff.; KURT AMONN/DOMINIK GASSER, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, Bern 1997, § 51 Rz. 2 S. 406). bb) Diese Auslegung entspricht der Regelung nach schweizerischem Recht, wonach die strafrechtliche Beschlagnahme dem zivilrechtlichen Arrest vorgeht ( BGE 93 III 89 E. 3 S. 93 mit weiteren Hinweisen) und nur Inhaber eines dinglichen Rechts an den Vermögenswerten deren Einziehung verhindern können (Botschaft des Bundesrats zur Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuchs und des Militärgesetzbuchs vom 30. Juni 1993, BBl 1993 III S. 310 zu Art. 59 Ziff. 1 Abs. 2 StGB ; STEFAN TRECHSEL, StGB Kurzkommentar, 2. Auflage, Zürich 1997, Art. 59 Rz. 16; NIKLAUS SCHMID, Das neue Einziehungsrecht nach StGB Art. 58 ff., ZStrR 113/1995 S. 343s; a.M. DENIS PIOTET, Les effets civils de la confiscation pénale, Bern 1995, S. 95 ff., insbes. Rz. 270 ff., der das Prioritätsprinzip anwenden will). Eine Ausnahme sieht Art. 60 Abs. 1 lit. b StGB nur zu Gunsten des Geschädigten vor, dem der Richter unter gewissen Voraussetzungen die eingezogenen Gegenstände und Vermögenswerte, deren Verwertungserlös oder Ersatzforderungen zusprechen muss (vgl. BGE 117 IV 107 E. 2c S. 111 f.), sofern diese das Ergebnis der gegen ihn gerichteten Straftat darstellen ( BGE 122 IV 365 E. III/2b S. 374 f.). Diese Ausnahmeregelung des innerstaatlichen Rechts wurde im übrigen nicht unverändert ins Rechtshilfegesetz übernommen: Art. 74a Abs. 4 lit. a IRSG berücksichtigt nur Rückgabeansprüche (und nicht generell Entschädigungsansprüche) von Geschädigten und verlangt überdies, dass jene ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz haben. cc) Schliesslich lässt sich auch der Botschaft des Bundesrates zu Art. 74a Abs. 4 lit. c IRSG nichts für den Standpunkt der Beschwerdegegnerin entnehmen: Zwar heisst es dort (BBl 1995 III S. 26 Fn. 45), eine Herausgabe der Vermögenswerte an den ersuchenden Staat sei vor Abschluss des in der Schweiz hängigen Verfahrens nicht möglich, wenn ein Gläubiger die formellen Bedingungen von Absatz 4 erfülle und beispielsweise ein Verfahren eingeleitet habe, um die BGE 123 II 595 S. 614 Gültigkeit eines auf den Erlös der Straftat gelegten Arrests festzustellen; diese Aussage trägt jedoch nichts zum Verständnis des Gesetzestextes bei, verlangt sie doch die Bewilligung eines Arrests zusätzlich zum Vorliegen der formellen Bedingungen von Abs. 4. dd) Es spricht daher viel für die Auffassung, dass zivilrechtliche Arreste einer Herausgabe im Rechtshilfeverfahren generell nicht entgegenstehen (so auch MAURICE HARARI, Remise internationale d'objets et valeurs: réflexions à l'occasion de la modification de l'EIMP, in: Procédure pénale, droit pénal international, entraide pénale, Etudes en l'honneur de DOMINIQUE PONCET, 1997, S. 167 ff., insbes. S. 191 f.; gleicher Ansicht zum alten Recht CURT MARKEES, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, Das Bundesgesetz vom 20. März 1981 (IRSG), Schweizerische Juristische Kartothek Nr. 422 (1982) S. 21; derselbe, Die Herausgabe von Gegenständen im internationalen Strafrechtshilfeverkehr, in: Aktuelle Probleme des internationalen Strafrechts, Festschrift für Heinrich Grützner, Hamburg 1970, S. 92-99, insbes. S. 94; LIONEL FREI, Beschlagnahme und Einziehung als Rechtshilfemassnahmen, in ZStrR 105/1988 S. 312 ff., insbes. S. 333; zum Staatsvertrag vom 25. Mai 1973 zwischen der Schweiz und den Vereinigten Staaten über gegenseitige Rechtshilfe in Strafsachen vgl. BGE 120 III 123 E. 3b S. 126). Die Frage braucht aber nicht abschliessend geklärt zu werden, da die zivilrechtlichen Arreste im vorliegenden Fall zeitlich nach der Kontensperre im Rechtshilfeverfahren erwirkt wurden, nachdem das Bundesgericht die Herausgabe der Vermögenswerte an die Philippinen bereits grundsätzlich bewilligt hatte. In dieser Situation besteht jedenfalls kein Anlass, den Arrestgläubigern Vorrang vor den Interessen des ersuchenden Staates einzuräumen. 7. Schliesslich stellt sich im Rahmen des allgemeinen, den Rechtshilfebehörden nach Art. 74a Abs. 1 und 3 IRSG eingeräumten Ermessens die Frage, ob allfällige Rechte anderer, von Art. 74a Abs. 4 und 5 IRSG nicht geschützter Personen eine Abweisung des Rechtshilfegesuchs rechtfertigen. a) Noch zu Lebzeiten von Ferdinand Marcos reichten ungefähr 10'000 Personen philippinischer Nationalität Schadenersatzklagen vor dem District Court of Hawaii ein, mit der Begründung, Ferdinand Marcos sei für die während seiner Amtszeit begangenen gravierenden Menschenrechtsverletzungen verantwortlich (Folterungen, Ermordung und Verschwinden von Personen im Gewahrsam der philippinischen Polizei, der Armee und paramilitärischer Gruppen). Nach dem Tod von Ferdinand Marcos am 28. September 1989 BGE 123 II 595 S. 615 wurde das Verfahren gegen den Nachlass Marcos weitergeführt. Am 16. November 1991 erliess der District Court of Hawaii eine Verfügung ("preliminary injunction"), die es dem Beklagten, seinen Vertretern und Beauftragten verbot, irgendwelche Vermögenswerte zu transferieren, zu übertragen, zu belasten, zu verändern, zu verstecken oder in anderer Weise darüber zu verfügen. Das Gericht verurteilte den Nachlass Marcos am 27. Januar 1995, 135 zufällig ausgewählten individuellen Klägern Schadenersatzbeträge zwischen USD 10'000.-- und USD 185'000.-- zu zahlen; der Gruppe der Folteropfer wurden insgesamt USD 251'891'811.--, den Erben von in Gefangenschaft hingerichteten Personen insgesamt USD 409'191'760.-- und den Erben von verschwundenen Personen USD 94'910'640.-- zugesprochen. Zusätzlich verurteilte das Gericht den Nachlass zu "exemplary damages" von USD 94'910'640.--, die pro rata an alle Kläger zu verteilen seien. Insgesamt beträgt die zugesprochene Summe USD 1'964'005'859.90. Das Urteil enthält eine "permanent injunction" u.a. gegenüber dem Schweizerischen Bankverein und der Schweizerischen Kreditanstalt als "agents and representatives" des Nachlasses von Ferdinand Marcos, die ihnen den Transfer, die Übertragung, Belastung, Verteilung, Umwandlung, das Verstecken und jede sonstige Verfügung über Gelder des Marcos-Nachlasses verbietet. Das Urteil des District Court wurde am 8. Januar 1997 vom Ninth Circuit Court of Appeals bestätigt und ist vollstreckbar (zur weiteren Prozessgeschichte vgl. unten, E. 7d). Die Kläger sind daran interessiert, auf die in der Schweiz gelegenen Vermögenswerte des Marcos-Nachlasses zuzugreifen, während die schweizerischen Banken Nachteile in den USA befürchten, falls sie die Vermögenswerte an die Philippinen herausgeben und damit gegen die "permanent injunction" verstossen. b) Wie oben ausgeführt wurde, berücksichtigt Art. 74a Abs. 4 IRSG grundsätzlich nur die Rechte von Geschädigten mit gewöhnlichem Aufenthalt in der Schweiz sowie von dinglich gesicherten Gläubigern. Dies bedeutet aber nicht, dass Interessen anderer Gläubiger unbeachtlich wären. Dies gilt insbesondere für Personen, die durch die Straftat geschädigt wurden, welche Gegenstand des Rechtshilfebegehrens ist und aus welcher die herauszugebenden Vermögenswerte herrühren: Ist anzunehmen, dass das Opfer einer Straftat weder vom Angeschuldigten, einem Dritten (z.B. einer Versicherung) noch vom ersuchenden Staat eine Entschädigung erlangen wird, ist sein Interesse, auf die in der Schweiz beschlagnahmten BGE 123 II 595 S. 616 Vermögenswerte zuzugreifen, grundsätzlich schutzwürdig - diese Wertung liegt innerstaatlich dem im Rahmen des Opferhilfegesetzes vom 4. Oktober 1991 revidierten Art. 60 StGB zugrunde und wurde auch im Entscheid des Bundesgerichts im Fall Gelli ( BGE 112 Ib 610 E. 9b S. 626) beachtet. Im vorliegenden Fall besteht allerdings kein Zusammenhang zwischen den Straftaten, aus denen die in der Schweiz beschlagnahmten Vermögenswerte vermutlich herrühren, und den Ansprüchen der Gläubiger: Dies gilt sowohl für die in E. 6 erwähnten Arrestgläubiger als auch für die Opfer von Menschenrechtsverletzungen, denen der District Court of Hawaii einen Schadenersatzanspruch gegen den Nachlass von Ferdinand Marcos zugesprochen hat. Nach innerstaatlichem Recht ( Art. 60 StGB ) hätten sie daher keinen Anspruch auf Zusprechung dieser Vermögenswerte (vgl. BGE 122 IV 365 E. III/2b S. 374 f.). c) Dennoch fragt es sich, ob die Interessen der Opfer von Menschenrechtsverletzungen unter dem Regime Marcos nicht zu berücksichtigen sind: Das Ermessen, das Art. 74a IRSG den Rechtshilfebehörden einräumt, muss unter Beachtung der grundlegenden Wertungen des IRSG sowie der schweizerischen Rechtsordnung und der internationalen Verpflichtungen der Schweiz ausgeübt werden. Hierzu gehört namentlich die Wahrung der Menschenrechte, zu deren Durchsetzung Verwaltung und Gerichte als Vollzugsträger der Völkerrechtsordnung berufen sind (vgl. DANIEL THÜRER, Internationales "Rule of Law" - innerstaatliche Demokratie, SZIER 4/1995 S. 455-478, insbes. S. 471; OLIVIER JACOT-GUILLARMOD, Le juge suisse face au droit européen, ZSR 1993 II S. 227-576, insbes. S. 377, 517 und 539 f.; LUZIUS WILDHABER, Länderbericht Schweiz, in: Kontrolle der auswärtigen Gewalt, VVDStRL 56/1997, S. 67-80, insbes. S. 75-79; siehe auch Gemeinsame Stellungnahme des Bundesamtes für Justiz und der Direktion für Völkerrecht vom 26. April 1989, Das Verhältnis zwischen Völkerrecht und Landesrecht im Rahmen der schweizerischen Rechtsordnung, VPB 53/1989 Ziff. 13 a,b und 3 und Ziff. 15 S. 417 ff. und S. 459 ff. sowie BGE 117 Ib 367 E. 1e S. 373). In diesem Zusammenhang ist auch auf Art. 16 des schweizerisch-philippinischen Auslieferungsabkommens hinzuweisen, der multilaterale Übereinkommen, die beide Vertragsparteien binden, vorbehält. Damit räumt das Abkommen namentlich internationalen Staatsverträgen zum Schutz der Menschenrechte Vorrang vor den bilateralen Rechtshilfeverpflichtungen ein (im gleichen Sinne BGE 122 II 485 , teilweise veröffentlichte E. 3c S. 488; vgl. auch WALTER BGE 123 II 595 S. 617 KÄLIN, Menschenrechtsverträge als Gewährleistung einer objektiven Ordnung, in: Aktuelle Probleme des Menschenrechtsschutzes, Heidelberg 1994, S. 9-48, insbes. S. 24 f. und S. 35 f. und JÖRG PAUL MÜLLER, Wandel des Souveränitätsbegriffs im Lichte der Grundrechte - dargestellt am Beispiel von Einwirkungen des internationalen Menschenrechtsschutzes auf die schweizerische Rechtsordnung, in: Fragen des internationalen und nationalen Menschenrechtsschutzes, Symposium zum 60. Geburtstag von LUZIUS WILDHABER, Basel 1997, S. 45-66, insbes. S. 56 f.). Dieser Vorrang, der Ausdruck des internationalen ordre public ist, muss erst recht beachtet werden, wenn die Rechtshilfe, wie im vorliegenden Fall, nicht aufgrund eines Abkommens sondern im Rahmen des IRSG geleistet wird (vgl. Art. 1 Abs. 1 und 4 IRSG ). Art. 2 IRSG will verhindern, dass sich die Schweiz im Wege des Rechtshilfe- oder des Auslieferungsverfahrens an Verfahren beteiligt, die dem internationalen Mindeststandard der EMRK bzw. des UNO-Pakts II nicht entsprechen oder dem internationalen ordre public zuwiderlaufen ( BGE 123 II 161 E. 6a S. 167, 511 E. 5a S. 517; BGE 122 II 140 E. 5a S. 142 mit Hinweis). Nach Art. 1a IRSG ist bei der Anwendung dieses Gesetzes der öffentlichen Ordnung sowie den wesentlichen Interessen der Schweiz Rechnung zu tragen, zu denen die Wahrung der Menschenrechte zählt (vgl. Bericht des Bundesrats vom 2. Juni 1982 über die schweizerische Menschenrechtspolitik, BBl 1982 II S. 729 ff. und Bericht des Bundesrats vom 29. November 1993 über die Aussenpolitik der Schweiz in den 90er Jahren, BBl 1994 I 153ff., insbes. S. 159 unten, 179 ff. und 200 f.; WALTER KÄLIN/ALOIS RIKLIN, Ziele, Mittel und Strategien der schweizerischen Aussenpolitik, in: A. RIKLIN/H. HAUG/R. PROBST (Hrsg.), Neues Handbuch der schweizerischen Aussenpolitik, Bern, Stuttgart, Wien 1992, S. 167 ff., insbes. S. 180 f.; MATHIAS-CHARLES KRAFFT/JEAN-DANIEL VIGNY, La politique suisse à l'égard des droits de l'homme, in: Neues Handbuch der schweizerischen Aussenpolitik, S. 223 ff., insbes. S. 223-227 und 229 f.). Das Bundesgericht hat Art. 74a IRSG in seinem ersten Entscheid zu dieser Bestimmung im Lichte von Art. 1a und 2 lit. a IRSG sowie des einschlägigen internationalen Rechts ausgelegt und sich vergewissert, dass Dritte über einen effektiven, Art. 6 und 13 EMRK genügenden Rechtsschutz im ersuchenden Staat verfügen, um etwaige Rechte am herauszugebenden Gegenstand geltend zu machen, und dass der Schutz der Grundrechte einer Herausgabe im Rechtshilfeverfahren nicht entgegensteht ( BGE 123 II 134 E. 7a S. 143). BGE 123 II 595 S. 618 aa) Im vorliegenden Verfahren sind vor allem die Garantien des UNO-Pakts II zu berücksichtigen, dem sowohl die Schweiz als auch die Philippinen beigetreten sind. Art. 2 dieses Pakts verpflichtet die Vertragsstaaten, die im Pakt niedergelegten Menschenrechte zu achten und sie allen in ihrem Gebiet befindlichen und ihrer Herrschaftsgewalt unterstehenden Personen zu gewährleisten (Abs. 1). Jeder Vertragsstaat verpflichtet sich, die erforderlichen Schritte zu unternehmen, um die gesetzgeberischen oder "sonstigen Vorkehrungen" zu unternehmen, die notwendig sind, um den im Pakt anerkannten Rechten Wirksamkeit zu verleihen (Abs. 2). Er muss dafür Sorge tragen, dass jeder, der in seinen vom Pakt anerkannten Rechten oder Freiheiten verletzt worden ist, das Recht hat, eine wirksame Beschwerde einzulegen, selbst wenn die Verletzung von Personen begangen worden ist, die in amtlicher Eigenschaft gehandelt haben (Abs. 3 lit. a). Wer eine solche Beschwerde erhebt, muss sein Recht durch das zuständige Gerichts-, Verwaltungs- oder Gesetzgebungsorgan oder durch eine andere, nach den Rechtsvorschriften des Staates zuständige Stelle feststellen lassen können (Abs. 3 lit. b). Zu den vom Pakt anerkannten Rechten und Freiheiten, auf die sich Art. 2 bezieht, gehören insbesondere das Recht auf Leben (Art. 6), das Verbot der Folter, grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (Art. 7) und die persönliche Freiheit (Art. 9). Art. 14 Abs. 1 UNO-Pakt II gewährleistet den Anspruch darauf, dass vor einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht über strafrechtliche Anklagen sowie zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen in billiger Weise und öffentlich verhandelt wird. Sowohl die Schweiz als auch die Philippinen haben eine Erklärung gemäss Art. 41 UNO-Pakt II abgegeben, der ihnen eine gegenseitige Kontrolle über die Einhaltung des Pakts und die Anrufung des UN-Menschenrechtsausschusses ermöglicht. bb) Zu erwähnen ist ferner das UN-Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984 (SR 0.105), das sowohl die Schweiz als auch die Philippinen ratifiziert haben. Art. 13 verpflichtet jeden Vertragsstaat dafür Sorge zu tragen, dass jeder, der behauptet, er sei in einem der Hoheitsgewalt des betreffenden Staates unterstehenden Gebiet gefoltert worden, das Recht auf Anrufung der zuständigen Behörden und auf umgehende unparteiische Prüfung seines Falles durch diese Behörden hat. Jeder Vertragsstaat muss gemäss Art. 14 sicherstellen, dass das Opfer einer Folterhandlung Wiedergutmachung erhält und ein einklagbares BGE 123 II 595 S. 619 Recht auf gerechte und angemessene Entschädigung einschliesslich der Mittel für eine möglichst vollständige Rehabilitation hat. Diese Verpflichtungen gelten entsprechend für andere Formen grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (Art. 16 Abs. 1). cc) Opfer von gravierenden Menschenrechtsverletzungen haben nach diesen Bestimmungen Anspruch auf Entschädigung sowie auf ein faires Verfahren, in dem sie ihre Entschädigungsansprüche durchsetzen können. Diese Ansprüche richten sich in erster Linie gegen die Philippinen, auf deren Gebiet und unter deren Herrschaftsgewalt die Menschenrechtsverletzungen begangen wurden. Dagegen lässt sich weder aus dem UNO-Pakt II noch aus dem UN-Übereinkommen gegen Folter ein Recht der Opfer auf vorrangige Befriedigung aus bestimmten Vermögenswerten ableiten. Die Geschädigten des Marcos-Regimes sind daher grundsätzlich darauf angewiesen, sich entweder am Nachlassverfahren zu beteiligen, wenn sie die persönliche Verantwortlichkeit von Ferdinand Marcos für die in seiner Amtszeit begangenen Menschenrechtsverletzungen geltend machen wollen, oder aber eine Entschädigung vom philippinischen Staat für das von seinen Organen begangene Unrecht zu verlangen. Sofern der philippinische Staat - wie dies anscheinend von Präsident Ramos am 21. März 1997 erwogen wurde (vgl. Artikel der Saudi Gazette vom 21. und 22. März 1997) - die eingezogenen Vermögenswerte ganz oder teilweise zur Entschädigung der Opfer von Menschenrechtsverletzungen verwendet, wäre dies jedoch zu begrüssen. dd) Nach dem Gesagten stehen die Interessen dieser Personen einer Herausgabe der Vermögenswerte an die Philippinen nicht grundsätzlich entgegen. Es fragt sich immerhin, ob die Rechtshilfe nicht mit einer Auflage zur Sicherstellung ihrer Rechte in den Philippinen versehen werden sollte ( Art. 80p IRSG ). Wie aufgezeigt wurde, gewährleisten bereits die von den Philippinen ratifizierten Staatsverträge (UNO-Pakt II und UN-Folterkonvention) das Recht der Opfer auf ein wirksames und faires Verfahren zur Durchsetzung ihrer Entschädigungsansprüche. Diese Staatsverträge können vor den philippinischen Behörden und Gerichten unmittelbar angerufen werden (Art. II sec. 2 phil.Verf.; Philippines Initial Report N 16). Nach Erschöpfung des innerstaatlichen Instanzenzugs kann Individualbeschwerde an den UN-Menschenrechtsausschuss erhoben werden (1. Fakultativprotokoll zum UNO-Pakt II vom 16. Dezember 1966). BGE 123 II 595 S. 620 Darüber hinaus enthält auch die philippinische Verfassung einschlägige Bestimmungen: Art. III Sec. 12(4) Verf. verpflichtet den Gesetzgeber, straf- und zivilrechtliche Sanktionen für die Verletzung von Menschenrechten vorzusehen und die Opfer von Folter und ähnlichen Praktiken sowie ihre Familien zu entschädigen und zu rehabilitieren. Die Entschädigungsansprüche können vor den Zivilgerichten eingeklagt werden (Philippine Initial Report, N 22). Art. III Sec. 16 Verf. gibt jedermann Anspruch auf eine rasche Erledigung seines Ersuchens vor allen gerichtlichen, quasi-gerichtlichen und administrativen Behörden. Seit der Abschaffung der Sondergerichtsbarkeit für Angehörige von Armee, Polizei und Bürgermilizen für im Dienste begangene Straftaten im Jahre 1991 können Menschenrechtsverletzungen der Streit- und Ordnungskräfte von den ordentlichen Gerichten verfolgt werden. Die Verfassung hat überdies eine Kommission zum Schutz der Menschenrechte ("Commission on Human Rights"; CHR) eingesetzt (Art. XIII sec. 17), die von Amtes wegen oder aufgrund von Anzeigen jede Form der Verletzung bürgerlicher oder politischer Rechte untersucht (Art. XIII sec. 18[1]) und angemessene Massnahmen zum Schutz der Menschenrechte fördert (sec. 18[3]). Die Kommission ist beauftragt, die Einhaltung der internationalen Menschenrechtsverpflichtungen durch die philippinische Regierung zu kontrollieren (sec. 18[7]) und dem Kongress u.a. wirksame Massnahmen zur Entschädigung der Opfer von Menschenrechtsverletzungen sowie ihrer Familien vorzuschlagen (sec. 18[6]). Die Verfahrensrechte der Opfer von Menschenrechtsverletzungen sind also auch nach philippinischem Recht gewährleistet. ee) Allerdings ist nicht zu verkennen, dass Defizite bei der Umsetzung dieser Rechte bestehen. Die philippinische Justiz gilt als schwerfällig und für Korruption und politischen Einfluss anfällig (vgl. - auch zum folgenden - US Department of State, Philippines Report on Human Rights Practices for 1996 S. 1 und 4 f.; Report of the Philippine Alliance of Human Rights Advocates to the Session of the UN Commission on Human Rights, März 1996, S. 15). Die Strafverfolgungsbehörden sind personell und finanziell unterdotiert und arbeiten im allgemeinen äusserst langsam. Die oft jahrelangen Verzögerungen von Verfahren untergraben das Vertrauen der Verfolgten in die Justiz und führen dazu, dass die Täter am Ende oftmals ungeschoren davonkommen. Auch bei der Aufklärung von Altfällen aus der Marcos-Zeit und der Verfolgung der Verantwortlichen sind wenig Fortschritte erzielt worden. Dies liegt jedoch nicht am schlechten Willen der philippinischen Behörden, denen übereinstimmend BGE 123 II 595 S. 621 eine grosse Aufgeschlossenheit für die Menschenrechtsproblematik attestiert wird, sondern an strukturellen und finanziellen Mängeln der philippinischen Justiz. Diese Mängel lassen sich nur durch langfristige Reformen verbessern, die zum Teil bereits eingeleitet wurden: So hat der Supreme Court der Philippinen einen Plan zur beschleunigten Erledigung der vor ihm und den unteren Gerichten hängigen Verfahren beschlossen (vgl. Art. XVIII sec. 12 phil.Verf.). Unter Präsidentin Aquino wurde 1988 eine Task Force zur Verbesserung der Justizgewährung und Beschleunigung der Gerichtsverfahren eingesetzt, die zahlreiche Vorschläge gemacht hat, von denen einige bereits umgesetzt worden sind (Philippine Initial Report N 125-133). Präsident Ramos und sein Innenminister Robert Barbers haben überdies Anstrengungen unternommen, Strafverfahren auch gegen einflussreiche Persönlichkeiten einzuleiten und haben zahlreiche Polizisten wegen Amtspflichtverletzungen entlassen (US Department of State, Philippines Report 1996, S. 4 f.). ff) In mehreren Auslieferungsentscheiden hat das Bundesgericht konkrete Zusicherungen vom ersuchenden Staat verlangt, um die grundlegenden Menschen- und Verfahrensrechte des Ausgelieferten sicherzustellen (z.B. BGE 122 II 373 Dispositiv S. 381; BGE 123 II 161 E. 6f/cc S. 172, 511 Dispositiv S. 526 f.). Im Fall BGE 123 II 134 E. 7b S. 143 wurden formelle Auflagen auch zugunsten des angeblich gutgläubigen Erwerbers eines gestohlenen Gemäldes erwogen, aber nicht für erforderlich erachtet, weil die unmittelbar anwendbaren Bestimmungen der einschlägigen Staatsverträge ausreichende Verfahrensgarantien boten. In beiden Fallgruppen handelte es sich um Personen, die von der Rechtshilfehandlung unmittelbar betroffen wurden. In derartigen Fällen würde die Schweiz selbst gegen ihre internationalen Verpflichtungen verstossen, wenn sie die Rechtshilfe oder die Auslieferung bewilligen würde, obwohl den davon Betroffenen im ersuchenden Staat eine die EMRK oder den UNO-Pakt II verletzende Behandlung droht ( BGE 123 II 161 E. 6a S. 167 mit Hinweis, 511 E. 5a S. 517). Im vorliegenden Fall besteht dagegen kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Gegenstand des Rechtshilfeverfahrens und den Menschenrechtsverletzungen, die den vom District Court of Hawaii zugesprochenen Entschädigungsansprüchen zugrundeliegen. Immerhin sind gewisse Berührungspunkte vorhanden. Die Kläger jenes Verfahrens sind Gläubiger des Nachlasses von Ferdinand Marcos und als solche von der Herausgabe der Vermögenswerte an die Philippinen betroffen; der Ausgang des Rechtshilfeverfahrens beeinflusst (faktisch) ihre BGE 123 II 595 S. 622 Aussichten, für die erlittenen Menschenrechtsverletzungen Entschädigungen zu erhalten. Andererseits soll der philippinische Staat, der den Opfern gegenüber völkerrechtlich zur Wiedergutmachung verpflichtet ist, durch die ersuchte Rechtshilfe in die Lage versetzt werden, über das Schicksal der umstrittenen Vermögenswerte, die von den Opfern als Haftungssubstrat beansprucht werden, zu entscheiden. gg) Unter Berücksichtigung aller Umstände erscheint der Entscheid des Bezirksanwalts, die Vermögenswerte an die Philippinen herauszugeben, ohne eine konkrete Zusicherung der Philippinen zugunsten der Opfer von Menschenrechtsverletzungen unter dem Marcos-Regime zu verlangen, nicht ermessensfehlerhaft. Immerhin rechtfertigt es sich, von den Philippinen zu verlangen, dass sie die schweizerischen Behörden über den jetzigen Verfahrensstand sowie regelmässig über alle wesentlichen Entwicklungen informieren, und zwar nicht nur bezüglich des gerichtlichen Einziehungs- bzw. Rückerstattungsverfahrens, sondern auch über die Vorkehrungen bzw. Verfahren i.S.v. Art. 2 Ziff. 2 und 3 und Art. 14 UNO-Pakt II , Art. 12-16 (insbes. 14) UN-Folterkonvention zur Entschädigung der Opfer von Menschenrechtsverletzungen unter dem Marcos-Regime. hh) Diese Information ermöglicht und bedingt zugleich eine begleitende Kontrolle durch den Bundesrat, der allenfalls Schritte gemäss Art. 41 UNO-Pakt II oder Art. 30 UN-Folterkonvention ergreifen muss ( Art. 102 Abs. 8 BV ; vgl. den bereits zitierten Bericht über die Aussenpolitik der Schweiz in den 90er Jahren vom 20. November 1993, S. 200 zum Einsatz zugunsten der Stärkung des Völkerrechts und der friedlichen Streitbeilegung als Schwerpunkt der schweizerischen Aussenpolitik; D. Schindler in Kommentar BV, Art. 102 Rz. 115-119; zur gemeinsamen Verantwortung der Staatsorgane für die Verwirklichung völkerrechtlicher Verpflichtungen vgl. die bereits zitierte gemeinsame Stellungnahme vom Bundesamt für Justiz und Direktion für Völkerrecht, VPB 53/1989 Ziff. 13 S. 417 f. und BGE 117 Ib 367 E. 2e S. 373). d) Zu prüfen ist schliesslich, ob der Bezirksanwalt auch die Interessen der schweizerischen Banken hätte berücksichtigen müssen. aa) Die Banken machen geltend, bei einem Transfer der Vermögenswerte in die Philippinen könnten sie in den USA wegen "contempt of court" (Missachtung des Gerichts) zur Verantwortung gezogen und mit hohen Bussen bestraft werden. Überdies könnten die Opfer versuchen, ihre Forderungen bei den US-amerikanischen BGE 123 II 595 S. 623 Geschäftsstellen der schweizerischen Banken einzutreiben. In der Tat sind seit dem Urteil des District Court of Hawaii Verfahren in den Vereinigten Staaten mit dem Ziel eingeleitet worden, die schweizerischen Banken zum Transfer der in der Schweiz gesperrten Marcos-Gelder an den Rechtsvertreter der Opfer zu verpflichten. Das US-Appellationsgericht in San Francisco (United States Court of Appeals for the Ninth Circuit) hat jedoch am 3. Dezember 1997 entschieden, dass derartige Anordnungen im Widerspruch zu der von der Schweiz auf Ersuchen der Philippinen angeordneten Sperre der gleichen Gelder stehen würden. Die von den Klägern verlangten Schritte würden die vom US-Supreme Court entwickelte "Act of State Doctrine" verletzen, welche es US-Gerichten verbietet, Hoheitsakte ausländischer Staaten für rechtsungültig zu erklären (vgl. Underhill v. Hernandez, 168 U.S. 250 (1897); Banco Nacional de Cuba v. Sabbatino, 376 U.S. 398 (1964); W.S. Kirkpatrick & Co., Inc. v. Environmental Tectonics Corp., Int'l, 493 U.S. 400 (1990)). Das Appellationsgericht wies daher das Bundesbezirksgericht (US District Court for the Central District of California) an, alle Handlungen zu unterlassen, welche die in der Schweiz gesperrten Marcos-Vermögenswerte betreffen (US9 Credit Suisse v. US District Court of California, 97 C.D.O.S. 9042). bb) Selbst wenn das Appellationsgericht nicht so entschieden hätte, wäre eine Abweisung des philippinischen Rechtshilfegesuches aufgrund der in den USA ergangenen Verfügungen schon aus grundsätzlichen Erwägungen nicht in Betracht gekommen. Die Marcos-Guthaben wurden bereits am 24. März 1986 vom Schweizer Bundesrat vorsorglich gesperrt und blieben seither auf Anordnung der zuständigen kantonalen Rechtshilfebehörden zugunsten der Philippinen blockiert. Am 21. Dezember 1990 bewilligte das Bundesgericht grundsätzlich die Herausgabe der Vermögenswerte an die Philippinen zur Einziehung bzw. zur Rückerstattung an die Berechtigten. Die erste Verfügung ("preliminary injunction") des Hawaii District Court aus dem Jahre 1991 erging nach diesem Entscheid des Bundesgerichts. Sie bezog sich auf in der Schweiz gelegene Vermögenswerte und richtete sich gegen schweizerische Banken, die nicht Partei des Verfahrens in Hawaii waren; sie bezweckte klarerweise, die Herausgabe der Vermögenswerte an die Philippinen zu verhindern und damit eine von den schweizerischen Behörden im Rahmen ihrer Zuständigkeit rechtmässig angeordnete Rechtshilfehandlung zu vereiteln. Die schweizerischen Behörden haben denn auch mehrfach bei den Behörden und Gerichten der BGE 123 II 595 S. 624 Vereinigten Staaten interveniert und darauf hingewiesen, dass den Schweizer Rechtshilfemassnahmen Vorrang zukommen müsse und dass einseitige Massnahmen amerikanischer Gerichte, um schweizerische Gesellschaften innerhalb der Schweiz zur Herausgabe der gesperrten Gelder in die USA zu zwingen, die schweizerische Souveränität verletzen würden. Würde das Bundesgericht im vorliegenden Fall auf die - bereits 1990 grundsätzlich bewilligte - Rechtshilfe verzichten, würde es einzelnen Gläubigern die Möglichkeit einräumen, durch die Anrufung amerikanischer Gerichte Rechtshilfemassnahmen der Schweiz zu verhindern, obgleich sich die Vermögenswerte auf schweizerischem Hoheitsgebiet befinden und die Rechtshilfe IRSG- und völkerrechtskonform ist. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: 1.- Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid des Obergerichts des Kantons Zürich vom 20. Februar 1997 i.S. Aguamina Corporation c. Bezirksanwaltschaft des Kantons Zürich (UK950182) wird aufgehoben. Die Sache wird an das Obergericht zur Neuverlegung der Kosten des kantonalen Verfahrens zurückgewiesen. 2.- Die Verfügung der Bezirksanwaltschaft IV für den Kanton Zürich vom 21. August 1995 betreffend den Schweizerischen Bankverein Fribourg (REC 1/384/86) wird bestätigt und um folgende Auflagen ergänzt: a) Die Philippinen sichern zu, über die Einziehung bzw. Rückerstattung der Vermögenswerte an Berechtigte in einem gerichtlichen Verfahren zu entscheiden, das den in Art. 14 des Internationalen Pakts vom 16. Dezember 1966 über bürgerliche und politische Rechte (UNO-Pakt II) festgelegten Verfahrensgrundsätzen entspricht. b) Die Philippinen informieren die schweizerischen Behörden über den jetzigen Stand sowie regelmässig über wesentliche Entwicklungen - im gerichtlichen Einziehungs- bzw. Rückerstattungsverfahren und - betreffend Vorkehrungen und Verfahren zur Entschädigung der Opfer von Menschenrechtsverletzungen unter dem Marcos-Regime ( Art. 2 Ziff. 2 und 3 und 14 UNO-Pakt II , Art. 14 und 16 Abs. 1 des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984).
public_law
nan
de
1,997
CH_BGE
CH_BGE_004
CH
Federation
c52bbfcb-8c3a-49d6-b608-c23460bd7543
Urteilskopf 103 Ia 350 55. Urteil vom 1. Juni 1977 i.S. Imhof gegen Gerichtspräsident I von Konolfingen und den Oberauditor der Armee
Regeste Kompetenzkonflikt nach Art. 223 MStG . Voraussetzungen, unter denen ein Militärkrankenpfleger dem Militärstrafrecht untersteht (E. 2). Auslegung des in Art. 2 Ziff. 2 MStG verwendeten Begriffs der "Handlungen, die die Landesverteidigung betreffen" (E. 2a). Begriff der "Uniform" im Sinne von Art. 2 Ziff. 2 MStG (E. 2b).
Sachverhalt ab Seite 351 BGE 103 Ia 350 S. 351 Alfred Imhof, Militärkrankenpfleger auf dem Waffenplatz Yverdon, kollidierte am 13. Oktober 1976 auf einer Dienstfahrt auf dem Gemeindegebiet Zäziwil mit einem Personenwagen. Der Gerichtspräsident I von Konolfingen auferlegte ihm mit Strafmandat vom 16. November 1976 wegen Verletzung der Art. 26 Abs. 1 SVG , 90 SVG, 28 VRV eine Busse von Fr. 60.--. Der Chef des Motorwagendienstes der Panzerabwehrschulen Yverdon sandte am 18. November 1976 das Strafmandat an das Richteramt Konolfingen zurück mit der Begründung, dass der Unfall auf einer Dienstfahrt erfolgt sei und Imhof daher der Militärgerichtsbarkeit unterstehe. Der Gerichtspräsident I von Konolfingen teilte Imhof am 9. Dezember 1976 mit, gemäss Schreiben des Oberauditorates des EMD vom 1. Dezember 1976 sei die Angelegenheit Imhof durch den bürgerlichen Richter zu beurteilen. Mit Eingabe vom 20. Dezember 1976 reichte Alfred Imhof beim Bundesgericht gestützt auf Art. 223 des Militärstrafgesetzes (MStG) eine Kompetenzkonfliktsbeschwerde ein mit dem Antrag, es sei der Entscheid des Gerichtspräsidenten I von Konolfingen vom 16. November 1976 aufzuheben und die Zuständigkeit der Militärgerichtsbarkeit in seiner Angelegenheit betreffend den Strassenverkehrsunfall vom 13. Oktober 1976 festzustellen. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab aus folgenden Erwägungen Erwägungen: 1. Nach Art. 223 Abs. 1 MStG werden Anstände über die Zuständigkeit der militärischen und der bürgerlichen Gerichtsbarkeit vom Bundesgericht endgültig entschieden. Im Falle des Beschwerdeführers liegt kein aktueller (positiver BGE 103 Ia 350 S. 352 oder negativer) Kompetenzkonflikt vor, denn die bürgerlichen und die militärischen Behörden sind sich darüber einig, dass der bürgerliche Richter zuständig sei. Zu den Kompetenzkonflikten im Sinne von Art. 223 MStG gehört indes auch der virtuelle Konflikt, d.h. der hier vorliegende Fall, wo der Angeschuldigte geltend macht, in Wahrheit sei nicht die gegen ihn vorgehende, sondern die andere Behörde zuständig ( BGE 97 I 147 E. 1 mit Hinweisen). Da dem von den bürgerlichen Behörden verfolgten Angeschuldigten das Beschwerderecht solange zusteht, als er nicht durch sein Verhalten klar zum Ausdruck gebracht hat, dass er sich der ordentlichen Gerichtsbarkeit unterwerfe, ist auf die Beschwerde Imhofs einzutreten ( BGE 80 I 257 E. 1 mit Hinweis). 2. Gemäss Art. 218 Abs. 1 MStG ist eine Person der Militärgerichtsbarkeit unterworfen, soweit sie dem Militärstrafrecht untersteht, d.h. soweit sie die in Art. 2 MStG umschriebenen Voraussetzungen erfüllt. Dies wird in Art. 13 Abs. 1 der Verordnung des EMD vom 15. Juli 1975 betreffend das Krankenpflegepersonal auf den Waffenplätzen (im folgenden VO 1975) bestätigt, nach welcher Bestimmung die Militärkrankenpfleger für die in Art. 2 MStG genannten Fälle dem Militärstrafgesetz und damit der Militärstrafgerichtsbarkeit unterstellt sind. Es ist daher zu prüfen, ob der Beschwerdeführer zur Zeit seines Verkehrsunfalles unter das Militärstrafrecht fiel. Alfred Imhof ist Beamter des Bundes im Sinne des BG vom 30. Juni 1927 über das Dienstverhältnis des Bundes (Beamtengesetz) und der Beamtenordnung I vom 10. November 1959 (Art. 1 VO 1975). Er untersteht deshalb nach Art. 2 Ziff. 2 MStG dem Militärstrafrecht nur "für Handlungen, die die Landesverteidigung betreffen" oder "wenn er in Uniform auftritt" (Art. 13 VO 1975). a) Der Begriff der Landesverteidigung ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der durch die Rechtsprechung auszulegen ist. Bei den Beratungen der eidgenössischen Räte über das MStG wurde in bezug auf Art. 2 Ziff. 2 darüber diskutiert, ob die Unterstellung der Beamten der Militärverwaltung unter das MStG stattfinden solle für Handlungen, welche die Landesverteidigung "betreffen", oder aber für Handlungen, welche die Landesverteidigung "gefährden". Eine Minderheit wollte mit der letztgenannten, engeren Fassung den Anwendungsbereich BGE 103 Ia 350 S. 353 des MStG einschränken, doch entschied sich die Mehrheit aus praktischen Gründen und im Interesse der Klarheit für die weitergehende Umschreibung "betreffen", weil unter Umständen im Zeitpunkt der Anhebung des Verfahrens noch gar nicht feststehe, ob eine solche Handlung, die an und für sich strafbar sei, die Landesverteidigung auch wirklich gefährde (Sten.Bull. Nationalrat 1924 S. 620, 1926 S. 758, 1927 S. 105; Ständerat 1927 S. 2). In der Rechtslehre werden unter den "Handlungen, die die Landesverteidigung betreffen" nur solche verstanden, welche zumindest eine abstrakte Gefahr für die Landesverteidigung bedeuten (COMTESSE, Das schweiz. Militärstrafgesetz, N. 15 zu Art. 2 Ziff. 2 MStG ; GRABEMANN, Geltungsbereich des schweiz. Militärstrafgesetzes von 1927, Diss. Zürich 1936, S. 51) oder die Landesverteidigung als Ganzes berühren, d.h. es muss im Interesse der Landesverteidigung liegen, dass diese Handlungen korrekt ausgeführt werden oder überhaupt unterbleiben (SCHUMACHER, Der Geltungsbereich des schweiz. Militärstrafgesetzes, Diss. Freiburg 1936, S. 137/138). Die Landesverteidigung ist eine Konzeption, die sich seit dem Zweiten Weltkrieg mit der Einführung der Begriffe des totalen Krieges und der Gesamtverteidigung ständig weiter entwickelt hat. Sie umfasst heute im weitesten Sinne alle Tätigkeiten des Staates, die der Wahrung des Friedens in Unabhängigkeit, der Wahrung der Handlungsfreiheit des Staates, dem Schutz der Bevölkerung sowie der Behauptung des Staatsgebietes im Rahmen der Sicherheitspolitik dienen (vgl. Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Sicherheitspolitik der Schweiz vom 27. Juni 1973). Es kann jedoch nicht von einem solchen Begriff der Landesverteidigung ausgegangen werden, um den Kreis der dem Militärstrafgesetz unterworfenen Beamten zu bestimmen, ansonst praktisch sämtliche Beamten für alle ihre Handlungen dem Militärstrafrecht unterstellt wären. Dieses Recht ist - wie seine Bezeichnung andeutet - ein Sonderrecht ( BGE 99 Ia 99 E. 4), das nur auf diejenigen Beamten anwendbar ist, welche direkt oder indirekt bei der militärischen Landesverteidigung mitwirken. Nur solche Handlungen, die die militärische Landesverteidigung betreffen, fallen unter das Militärstrafrecht. Unter der Landesverteidigung im Sinne von Art. 2 Ziff. 2 MStG kann daher bei richtiger Auslegung nur die militärische BGE 103 Ia 350 S. 354 Landesverteidigung verstanden werden, d.h. - in Friedenszeiten - alle Tätigkeiten, die die Vorbereitung der bewaffneten Landesverteidigung betreffen. Diese Einschränkung ist aber nicht ausreichend, denn die Beamten des Bundes oder der Kantone nehmen in Wirklichkeit eine ganze Reihe von Handlungen vor, die gewisse Beziehungen zur militärischen Landesverteidigung haben, sie aber nicht in dem Sinne berühren, dass die mangelhafte Ausführung oder die Nichtausführung der betreffenden Handlungen die Landesverteidigung als solche zu gefährden vermöchte. So verhält es sich zum Beispiel mit der Tätigkeit der Zeiger bei den Schiessplätzen oder mit den Beamten, die mit kleineren Verwaltungsangelegenheiten im Zusammenhang mit der Armee betraut sind. Als "die Landesverteidigung betreffende Handlungen" im Sinne von Art. 2 Ziff. 2 MStG können somit - wie COMTESSE vorschlägt, a.a.O. N. 15 zu Art. 2 Ziff. 2 MStG - nur solche Handlungen betrachtet werden, welche geeignet sind, eine abstrakte Gefahr für die militärische Landesverteidigung zu schaffen. Diese einschränkende Auslegung drängt sich umso mehr auf, als sie sich nur auf Handlungen derjenigen Beamten bezieht, die ihre Tätigkeit in Zivil ausüben, denn die Beamten, welche in Uniform auftreten, unterstehen dem Militärstrafrecht auf Grund des letzten Satzes von Art. 2 Ziff. 2 MStG . Die enge Auslegung des erwähnten Begriffs entspricht dem Grundsatz, wonach im Zweifel nicht das Militärstrafrecht als Sonderrecht, sondern das allgemeine bürgerliche Strafrecht anzuwenden ist, es sei denn, zwingende militärische Gründe - welche hier nicht gegeben sind - verlangten die Anwendung des Militärstrafrechts ( BGE 99 Ia 99 E. 4, BBl 1977 Bd. II S. 21). Was den Beschwerdeführer betrifft, so kann darin, dass er sich von seinem Waffenplatz zum Standort einer Rekrutenschule begab, um dort seine Tätigkeit auszuüben, keine Handlung erblickt werden, welche die Landesverteidigung im Sinne von Art. 2 Ziff. 2 MStG betrifft. Freilich übt der Beschwerdeführer seine Tätigkeit im Rahmen der militärischen Ausbildung aus, denn sie hängt mit der Rekrutenschulung zusammen, doch kann dadurch, dass sich der Beschwerdeführer bei der Fahrt nach Grosshöchstetten auf der Strasse korrekt verhält, die militärische Landesverteidigung klarerweise nicht betroffen werden. BGE 103 Ia 350 S. 355 b) Der Beschwerdeführer wäre indes gleichwohl dem Militärstrafrecht und damit der Militärgerichtsbarkeit unterstellt, wenn er - entsprechend seiner Behauptung - im Zeitpunkt des Verkehrsunfalles die Uniform getragen hätte ( BGE 101 Ia 428 E. 2). Die Beamten der Militärverwaltung unterstehen nach Art. 2 Ziff. 2 MStG dem Militärstrafrecht immer dann, "wenn sie in Uniform auftreten". Unter "Uniform" ist die Uniform der Schweizer Armee im Sinne der Verordnung über die Bekleidung der schweizerischen Armee vom 10. Januar 1962 und der Verfügung des EMD über die Bekleidung der schweizerischen Armee vom 10. Mai 1968 zu verstehen. Diese Uniform ist feldgrau (Art. 2 der VO vom 10.1.62) und weist militärische Abzeichen auf (Art. 13 der VO vom 10.1.62). Die Dienstkleider, welche die VO 1975 für die Militärkrankenpfleger vorschreibt, unterscheiden sich von der erwähnten Uniform bezüglich Farbe und Abzeichen und können somit nicht als Uniform im Sinne von Art. 2 Ziff. 2 MStG bezeichnet werden. Aus dem Gesagten ergibt sich, dass der Beschwerdeführer zur Zeit seines Verkehrsunfalles nicht dem Militärstrafrecht unterstand, da die Voraussetzungen von Art. 2 Ziff. 2 MStG nicht erfüllt waren. Er kann sich deshalb nicht auf Art. 218 Abs. 3 MStG berufen, und der Gerichtspräsident I von Konolfingen hat sich daher mit Recht zur Beurteilung der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Widerhandlungen gegen das SVG als zuständig erklärt.
public_law
nan
de
1,977
CH_BGE
CH_BGE_002
CH
Federation
c52f21bc-032a-45da-9dd1-d8eeceb7e763
Urteilskopf 85 III 113 26. Kreisschreiben, Circulaire, Circolare. (11.12.1959)
Regeste Betreibungsbuch in Kartenform. Zweiter Nachtrag zum Kreisschreiben Nr. 31 ( BGE 75 III 33 ff., 79 III 1 ff.).
Erwägungen ab Seite 113 Text D BGE 85 III 113 S. 113 Die Eingabe eines Betreibungsamtes, die von der kantonalen Aufsichtsbehörde in empfehlendem Sinn an das Bundesgericht weitergeleitet wurde, veranlasst uns, zu den für die Führung des Betreibungsbuches in Kartenform erlassenen Weisungen (II, Ziffern 1 bis 9 des Kreisschreibens Nr. 31 vom 12. Juli 1949) einen einschränkenden Zusatz anzubringen. Es handelt sich um die Aufbewahrung der Betreibungsbegehren. Dafür gilt im allgemeinen eine Dauer von fünf Jahren (Art. 4 der Verordnung vom 14. März 1938 über die Aufbewahrung der Betreibungs- und Konkursakten). Bei Führung des Betreibungsbuches in Kartenform sind die Betreibungsbegehren jedoch als BGE 85 III 113 S. 114 Bestandteil des Registers zu behandeln (Ziff. 7 der erwähnten Weisungen) und daher nach den für das Betreibungsbuch geltenden Vorschriften (Art. 2 der erwähnten Verordnung) während dreissig Jahren aufzubewahren. Die Eingabe weist auf die Unzukömmlichkeiten so langer Aufbewahrung hin: Beanspruchung von viel Archivraum durch die jährlich bei manchen Ämtern in die Zehntausende gehenden Betreibungsbegehren, Notwendigkeit der Anschaffung der dafür nötigen Aktengestelle und Zugmappen. Es wird ferner ausgeführt, eine Aufbewahrung der Betreibungsbegehren während mehr als fünf Jahren erscheine als überflüssig, da alsdann Nachschlagungen kaum mehr vorkommen. Wir stimmen dieser Betrachtungsweise grundsätzlich zu. Die den Betreibungsbegehren beim Kartensystem zugewiesene besondere Rolle (Ziff. 5 bis 7 der erwähnten Weisungen) wirkt sich hauptsächlich während laufender Betreibung aus. Die Gefahr eines Verlustes oder einer Beschädigung der Registerkarte ist kaum mehr gegeben, wenn einmal nach Beendigung der Betreibung fünf Jahre verstrichen sind. Man kann daher auch beim Kartensystem füglich auflängere Aufbewahrung der Betreibungsbegehren als eines zusätzlichen Auskunftsmittels verzichten. Dies freilich nur unter der Bedingung, dass während der ganzen für das Betreibungsbuch, also auch für die Registerkarten, geltenden Aufbewahrungszeit ein Personenregister vorhanden sei, wie es mindestens als Schuldnerregister vorgeschrieben (Art. 28 und 32 der Verordnung Nr. 1 zum SchKG vom 18. Dezember 1891) und namentlich für die Benützung des Archivs unentbehrlich ist. Beim Kartensystem können (nach Ziff. 7 der erwähnten Weisungen) entweder die Registerkarten von Anfang an nach den Namen der Schuldner eingereiht werden, oder es ist ein besonderes Personenregister anzulegen, wofür auch einfach die Betreibungsbegehren verwendet werden dürfen. In diesem letzten Fall ist die Beseitigung der Betreibungsbegehren fünf Jahre nach Abschluss der Betreibung nur BGE 85 III 113 S. 115 dann zulässig, wenn entweder die Registerkarten selbst nunmehr nach den Namen der Schuldner eingereiht sind oder zuvor ein besonderes Personenregister erstellt wird. Demgemäss fügen wir im Anschluss an die im Kreisschreiben Nr. 31 erlassenen Weisungen (Ziff. 1 bis 9) folgenden neuen Absatz ein: Die Betreibungsbegehren sind nicht länger als fünf Jahre seit Abschluss der Betreibung aufzubewahren, sofern die Registerkarten nach den Namen der Schuldner geordnet aufbewahrt bleiben oder, bei Einreihung der Registerkarten nach den Betreibungsnummern, besondere zugehörige Personenregister bestehen. Texte F Une autorité cantonale de surveillance a transmis au Tribunal fédéral, en le priant de l'accueillir favorablement, une requête d'un office de poursuites qui nous amène à compléter, dans un sens restrictif, les prescriptions sur la tenue du fichier remplaçant le registre des poursuites (II, chiffres 1 à 9 de la circulaire no 31 du 12 juillet 1949). Il s'agit de la conservation des réquisitions de poursuite. En règle générale, elle doit durer cinq ans (art. 4 de l'ordonnance du 14 mars 1938 sur la conservation des pièces relatives aux poursuites et aux faillites). Toutefois, si l'on remplace le registre des poursuites par un fichier, les réquisitions de poursuite doivent être traitées comme parties intégrantes du fichier (chiffre 7 des prescriptions précitées) et conservées, dès lors, comme le registre des poursuites, pendant trente ans (art. 2 de l'ordonnance). La requête qui nous est parvenue indique les inconvénients d'un si long délai: utilisation de vastes locaux lorsque le nombre des réquisitions de poursuite s'élève - c'est le cas dans maints offices - à des dizaines de milliers par an; acquisition du mobilier et des classeurs nécessaires. On y fait en outre remarquer qu'il est superflu de conserver les réquisitions de poursuite au-delà de cinq ans, car, passé ce délai, on ne les consulte plus guère. Nous approuvons en principe cette manière de voir. Le rôle spécial attribué aux réquisitions de poursuite dans le BGE 85 III 113 S. 116 système du fichier (chiffres 5 à 7 des prescriptions précitées) importe surtout au cours de la poursuite. Le risque de perte ou de détérioration des fiches n'existe presque plus cinq ans après la fin de la poursuite. On peut donc raisonnablement renoncer, même dans le système du fichier, à conserver plus longtemps les réquisitions de poursuite, à titre de source supplémentaire de renseignements. Cette renonciation cependant n'est possible que s'il existe, tant qu'on doit conserver le registre des poursuites - et donc aussi les fiches -, un registre des personnes, à tout le moins des débiteurs (art. 28 et 32 de l'ordonnance no 1 pour l'exécution de la LP, du 18 décembre 1891); un tel registre est indispensable, notamment, pour l'utilisation des archives. Si l'on tient un fichier, on choisit (II, chiffre 7 des prescriptions précitées) de classer d'emblée les fiches d'après le nom des débiteurs, ou d'adjoindre un registre spécial des personnes - pour la confection duquel on peut utiliser les réquisitions de poursuite. On ne saurait dans ce dernier cas, supprimer les réquisitions de poursuite, après écoulement du délai de cinq ans dès la fin de la poursuite, que si les fiches elles-mêmes sont désormais classées d'après le nom des débiteurs ou si l'on tient d'abord à jour un registre spécial des personnes. En conséquence, nous complétons les prescriptions de la circulaire no 31 (ch. 1 à 9) par un nouvel alinéa ainsi conçu: Il n'est pas nécessaire de conserver les réquisitions de poursuite plus de cinq ans après la fin de la poursuite si les fiches sont ellesmêmes conservées selon un classement d'après le nom des débiteurs ou s'il existe, en cas de classement d'après le numéro de la poursuite, des registres spéciaux des personnes. Testo I L'istanza di un ufficio d'esecuzione, trasmessa al Tribunale federale dall'autorità cantonale di vigilanza per benevolo esame, c'induce a completare, in senso restrittivo, le istruzioni emanate per la tenuta del registro delle esecuzioni mediante schede (II, num. da 1 a 9 della circolare N. 31 del 12 luglio 1949). Si tratta della conservazione BGE 85 III 113 S. 117 delle domande di esecuzione. Di regola, essa deve durare cinque anni (art. 4 dell'ordinanza 14 marzo 1938 sulla conservazione dei documenti relativi alle esecuzioni e ai fallimenti). Tuttavia, se il registro delle esecuzioni è sostituito con uno schedario, le domande d'esecuzione vanno considerate parte integrante dello schedario stesso (num. 7 delle istruzioni) e devono pertanto essere conservate, come il registro delle esecuzioni, durante 30 anni (art. 2 dell'ordinanza). L'istanza che ci è stata trasmessa accenna agli inconvenienti di una conservazione così lunga: l'occupazione di troppo spazio nei locali degli uffici ai quali sono ogni anno presentate decine di migliaia di domande di esecuzione; la necessità di continuamente acquistare nuovi mobili e nuove scatole adatti alla conservazione di tali documenti. Nell'istanza è inoltre osservato che è superfluo conservare le domande d'esecuzione per più di cinque anni, poichè dopo questo termine è praticamente escluso che siano ancora consultate. Approviamo di massima questo modo di vedere. La funzione speciale che è assegnata alle domande d'esecuzione nel sistema dello schedario (num. da 5 a 7 delle istruzioni) si manifesta sopra tutto mentre è in corso l'esecuzione. Il pericolo di perdita o di deterioramento delle schede non entra praticamente più in considerazione quando dalla fine dell'esecuzione sono trascorsi cinque anni. Si può dunque ragionevolmente rinunciare, anche nel sistema dello schedario, a conservare più a lungo le domande d'esecuzione, quali fonti supplementari d'informazione. Questa rinuncia presuppone tuttavia che esista, per tutta la durata di conservazione del registro delle esecuzioni, dunque anche delle shede, un registro delle persone (o repertorio), almeno in forma di registro dei debitori ( art. 28 e 32 dell'ordinanza N. 1 per l'attuazione della LEF, del 18 dicembre 1891), un registro siffatto essendo indispensabile segnatamente per l'utilizzazione degli archivi. Dove vige il sistema dello schedario, è per sè possibile BGE 85 III 113 S. 118 sia classificare sin dall'inizio le schede secondo il nome dei debitori (II, num. 7 delle istruzioni) oppure tenere un registro speciale delle persone, per l'allestimento del quale possono anche essere utilizzate le domande d'esecuzione. Ora, in quest'ultimo caso l'eliminazione delle domande d'esecuzione dopo cinque anni dalla fine dell'esecuzione sarà ammissibile soltanto se le schede medesime saranno state classificate secondo il nome dei debitori o se sia stato preliminarmente allestito un registro speciale delle persone. Di conseguenza, completiamo la circolare N. 31 (num. da 1 a 9) con l'aggiunta del seguente nuovo capoverso: Non è necessario conservare le domande d'esecuzione più di cinque anni dopo la fine dell'esecuzione se le schede stesse sono classificate secondo il nome dei debitori e cosi sono conservate o se esistono, in caso di classificazione delle schede secondo il numero dell'esecuzione, registri speciali delle persone.
null
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c538c044-9577-4a91-9820-181e1df75fe3
Urteilskopf 140 II 255 24. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit public dans la cause Service des contributions du canton de Neuchâtel contre A. (recours en matière de droit public) 2C_533/2013 du 21 mars 2014
Regeste Art. 49 DBG ; Art. 2 Abs. 1 lit. b und Art. 20 Abs. 1 StHG ; Art. 52 Abs. 3, Art. 80, 88 und 335 ZGB ; direkte Steuer von juristischen Personen; unzulässige Familienstiftung; vorfrageweise Beurteilung der Nichtigkeit durch die Steuerbehörde. Behält sich der Stifter, wie im zu beurteilenden Fall, die gleiche Verfügungsfreiheit über das Stiftungsvermögen vor wie über seine eigenen Mittel, so bestehen in seinem Vermögen zwei getrennte Massen, die Dritten, Gläubigern und den Steuerbehörden nicht entgegengehalten werden können. Die Steuerbehörde ist befugt, dies vorfrageweise festzustellen, ohne dass die Voraussetzungen für eine Steuerumgehung erfüllt sein müssten, da die Familienstiftung als solche widerrechtlich erscheint (E. 3-6).
Sachverhalt ab Seite 256 BGE 140 II 255 S. 256 Par acte notarié du 16 avril 1998, A., domicilié dans le canton de Neuchâtel, a constitué la "Fondation B." (ci-après: la Fondation) avec siège à C. (FR). Le but de la Fondation est de subvenir aux frais d'éducation, d'instruction, d'établissement, de traitement, de convalescence ou d'hospitalisation des membres de sa famille. A. ou le conseil de fondation peuvent en désigner librement les bénéficiaires. La Fondation n'a été inscrite ni au registre du commerce ni au rôle de l'impôt dans le canton de Fribourg pour les années 2001 à 2005. Au cours de son premier exercice, la Fondation a acquis de A. et de sociétés apparentées divers biens immobiliers sis dans le canton de Neuchâtel. Les immeubles ont été apportés sans transfert de capitaux avec leurs dettes hypothécaires et en accord avec des créanciers de A. ou des sociétés qu'il détenait, sur proposition des banques créancières et approbation de la deuxième assemblée des créanciers. De 1998 à 2008, ces immeubles n'ont jamais été imposés dans le canton de Neuchâtel. Par décision de rappel d'impôt du 28 avril 2009 pour les périodes fiscales 2001 à 2005, l'Office de contrôle et des tâches spéciales du Service des contributions du canton de Neuchâtel a assujetti à l'impôt BGE 140 II 255 S. 257 fédéral direct, cantonal et communal les immeubles sis dans le canton de Neuchâtel et les a imposés dans le chapitre fiscal de A. en faisant abstraction de la propriété civile de la Fondation. Par décision sur réclamation du 7 juillet 2009, la décision de rappel d'impôt cantonal et communal sur la fortune et le revenu pour les périodes fiscales 2001 à 2005 a été confirmée. Sur recours de A., le Tribunal fiscal du canton de Neuchâtel a confirmé la décision de rappel d'impôt et la décision sur réclamation en matière d'impôt cantonal et comunal. Par arrêt du 14 mai 2013, le Tribunal cantonal a admis le recours et annulé le jugement du 14 décembre 2010 ainsi que les décisions sur réclamation et de rappel d'impôt cantonal et communal des 28 avril 2009 et 7 juillet 2009 et renvoyé la cause au Service cantonal des contributions pour nouvelles décisions de taxation. Agissant par la voie du recours en matière de droit public, le Service des contributions du canton de Neuchâtel demande au Tribunal fédéral, sous suite de frais et dépens, d'annuler l'arrêt rendu le 14 mai 2013 par le Tribunal cantonal et de confirmer la décision du Tribunal fiscal du 14 décembre 2010. Le Tribunal fédéral a admis le recours. (résumé) Erwägungen Extrait des considérants: 3. D'après l'art. 2 al. 1 let. b de la loi fédérale du 14 décembre 1990 sur l'harmonisation des impôts directs des cantons et des communes (LHID; RS 642.14) les cantons prélèvent un impôt sur le bénéfice et un impôt sur le capital des personnes morales. Selon l' art. 20 al. 1 LHID , les fondations, notamment, sont assujetties à l'impôt lorsqu'elles ont leur siège ou leur administration effective dans le canton. Selon l'art. 75 al. 1 let. b de la loi du 21 mars 2000 sur les contributions directes du canton de Neuchâtel (LCdir; RSN 631.0), les personnes morales soumises à l'impôt cantonal direct sont notamment les fondations, dont l'assujettissement débute le jour de la fondation de la personne morale, de l'installation de son siège ou de son administration effective dans le canton ou encore le jour où elle y acquiert un élément imposable (art. 79 al. 1 LCdir). A l'instar de l'art. 49 de la loi du 14 décembre 1990 sur l'impôt fédéral direct (LIFD; RS 642.11), l'art. 20LHID décrit le cercle des BGE 140 II 255 S. 258 personnes morales assujetties à l'impôt, mais ne contient pas de définition de celles-ci. Conformément à la jurisprudence, lorsque la loi fiscale utilise des notions de droit privé, ces dernières doivent, en principe, être comprises selon leur sens usuel en droit civil (cf. arrêt 2A.40/1998 du 10 août 1998 consid. 4c/bb; HÖHN/WALDBURGER, Steuerrecht, vol. I, 8 e éd. 1997, § 5 n. 39 p. 162 et n. 41 p. 163). Ainsi, pour définir la notion de personne morale des art. 49 LIFD et 20 LHID, il faut se référer au droit privé pour les personnes morales de droit privé et au droit public fédéral ou cantonal pour les personnes morales de droit public. En effet, pour être assujettie à l'impôt au titre de sujet de droit fiscal autonome, la personne morale doit être valablement constituée selon le droit privé ou public suisse; en d'autres termes, elle doit avoir la jouissance des droits civils (cf. JEAN-BLAISE PASCHOUD, in Commentaire romand, Impôt fédéral direct, 2008, n° 2 ad art. 49 LIFD ; PETER LOCHER, Kommentar zum DBG, Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer, vol. II, 2004, n° 4 ad art. 49 LIFD ; BLUMENSTEIN/LOCHER, System des Steuerrechts, 6 e éd. 2002, p. 53). 4. 4.1 La fondation est une institution du droit civil. Elle a pour objet l'affectation de biens en faveur d'un but spécial ( art. 80 al. 1 CC ). Cette définition légale met l'accent sur le fait que les biens ainsi affectés sortent du pouvoir de disposer du fondateur et reçoivent une personnalité juridique propre et indépendante (cf. PETER LOCHER, op. cit., n° 4 ad art. 49 LIFD et les références citées). Cette caractéristique essentielle de la fondation résulteégalement des règles relatives à sa dissolution et à sa radiation, en ce que seule l'autorité fédérale ou cantonale compétente ou un tribunal, pour les fondations de famille et les fondations ecclésiastiques, peuvent la prononcer ( art. 88 CC ). C'est aussi la raison pour laquelle une dissolution de la fondation par décision du conseil de fondation ou par décision du fondateur ou des ayants droit est inadmissible, hormis des rares exceptions soumises à des conditions strictes, qu'il n'est pas nécessaire d'examiner ici (HANS MICHAEL RIEMER, Berner Kommentar, 1975, n os 63 et 64 ad art. 88 s. CC; EDUARD GYGAX, Familienstiftungen und ihre Steuerprobleme, StR 1956 p. 462 s.). 4.2 Selon l' art. 335 CC , des fondations de famille peuvent être créées conformément aux règles du droit des personnes ou des successions; elles seront destinées au paiement des frais d'éducation, d'établissement et d'assistance des membres de la famille ou à des buts analogues (al. 1). La constitution de fidéicommis de famille est prohibée BGE 140 II 255 S. 259 (al. 2). Les fondations de famille qui s'écartent des buts de l' art. 335 CC constituent en général des fondations dites d'entretien contraires au droit civil (RIEMER, op. cit., n° 33 ad art. 88 s. CC), lorsqu'elles ne sont pas des fidéicommis de famille. Par ailleurs, les fondations de famille sont également soumises aux art. 80 ss CC (HAROLD GRÜNINGER, in Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, vol. I, 4 e éd. 2010, n os 4 et 8 ss ad art. 335 CC ). 5. 5.1 En vertu de l' art. 52 al. 1 CC , les sociétés organisées corporativement, de même que les établissements ayant un but spécial et une existence propre, acquièrent la personnalité en se faisant inscrire au registre du commerce. Sont dispensés de cette formalité les corporations et les établissements de droit public, les associations qui n'ont pas un but économique, les fondations ecclésiastiques et les fondations de famille ( art. 52 al. 2 CC ), à l'instar de la fondation en cause en l'espèce. 5.2 Selon l' art. 52 al. 3 CC , les sociétés et les établissements qui ont un but illicite ou contraire aux moeurs ne peuvent acquérir la personnalité. Elles sont d'emblée nulles. Tel est le cas des fondations qui, dès leur création, ne respectent l' art. 80 al. 1 CC , en ce qu'elles n'ont pas le pouvoir de disposer de leur patrimoine, ce dernier étant resté dans les mains du fondateur (RIEMER, op. cit., n os 63 et 64 ad art. 88 s. CC). Hormis cette hypothèse, les cas les plus fréquents de fondations illicites concernent les fondations de famille dont les buts ne respectent pas strictement ceux énoncés par l' art. 335 al. 1 CC , c'est-à-dire les fondations dites d'entretien. 5.3 Sans aller jusqu'à la constatation de la nullité de la fondation, la jurisprudence a également refusé de reconnaître comme sujet distinct de droit fiscal les fondations de famille sur le patrimoine desquelles le fondateur avait conservé le pouvoir de disposition. La fondation était en effet un pur instrument d'évasion fiscale (cf. PETER LOCHER, op. cit., n° 26 ad art. 49 LIFD et les références citées; RIEMER, op. cit., n° 34 ad art. 88 s. CC; PETER MÄUSLI-ALLENSPACH, Steuerliche Überlegungen bei der Widmung von Vermögenswerten an ausländische Stiftungen, StR 1996 p. 115 ss, 119 et les références, notamment à l'arrêt du Tribunal fédéral du 3 juin 1959 consid. 2, in Archives 29 p. 333 s.). Avec la doctrine, il faut toutefois relever que, lorsque le fondateur se réserve le même pouvoir de disposition sur le patrimoine de la BGE 140 II 255 S. 260 fondation que sur le sien propre, il en résulte une division de la fortune du fondateur en deux masses distinctes qui n'est pas opposable aux tiers, créanciers ou autorités fiscales, puisqu'il existe déjà des motifs de droit civil qui conduisent à ignorer l'existence de la fondation sur le plan fiscal, sans qu'il soit nécessaire d'examiner si les conditions d'une évasion fiscale sont réunies (cf. ALFRED WIELAND, Zur Umgestaltung des Zivilrechts durch Interessen des Fiskus bei Familienstiftungen, RDS 67/1948 p. 185 ss, 191 s.). 5.4 Selon la jurisprudence, les autorités de la juridiction administrative peuvent examiner de manière préjudicielle si les fondations respectent les règles du droit civil. En principe, leur pouvoir d'examen se limite à la constatation de lacunes manifestes et graves conduisant à la constatation de la nullité de la fondation (arrêt 2C_157/2010 du 12 décembre 2010 consid. 10.2, in Archives 79 p. 1015; arrêt du Tribunal fédéral du 3 juin 1959, in Archives 29 p. 333 ss). A défaut, c'est au juge civil qu'il appartient de connaître du sort de la fondation ( art. 88 CC ; arrêt 2A.668/2004 du 22 avril 2005 consid. 3.4.2, in Archives 76 p. 675), notamment en raison d'une possible conversion qui permettrait néanmoins de reconnaître sous condition l'existence de la fondation (GRÜNINGER, op. cit., n° 13 ad art. 335 CC ; ATF 93 II 444 ; ATF 89 II 437 ; arrêt du Tribunal fédéral du 3 juin 1959 consid. 6, in Archives 29 p. 337 s.). Hormis les cas de lacunes manifestes et graves conduisant à la constatation de la nullité de la fondation, tant qu'une fondation illicite ou contraire aux moeurs n'a pas été formellement dissoute par un tribunal civil, elle demeure un sujet de droit fiscal au regard des autorités fiscales, que rien n'empêche d'intenter une requête ou une action en dissolution ( art. 89 al. 1 CC ; cf. RIEMER, op. cit., n° 34 ad art. 88 s. CC). 6. Le Service cantonal des contributions soutient que la Fondation dont l'intimé est le fondateur est nulle dès l'origine. 6.1 Les statuts de la fondation accordent au conseil de fondation, et au fondateur lui-même, tout pouvoir de disposition sur la fortune de la Fondation B. Ce dernier a notamment le droit d'autoriser des prélèvements sur le capital de la fondation (art. 4 des statuts). Il peut également, en tout temps, apporter aux statuts de la Fondation, hormis l'art. 3 relatif aux buts, tels modifications ou compléments de forme ou de fond qui lui conviendront au moyen de règlements spéciaux ou de toute autre manifestation de volonté (art. 7 des statuts). Enfin, selon l'art. 9 des statuts, le conseil de fondation peut, en tout temps, BGE 140 II 255 S. 261 décider la dissolution de la Fondation auquel cas il décide librement l'affectation des biens de celle-ci. Dès lors qu'il résulte de l'art. II de l'acte de fondation du 16 avril 1998 que A., fondateur, est nommé président du conseil de fondation et de l'art. III de ce même acte que la Fondation sera engagée vis-à-vis des tiers par la signature individuelle du président, force est de constater que le fondateur se réserve le même pouvoir de disposition sur la fortune de la Fondation B. que sur sa propre fortune. De cette manière, il s'est assuré de conserver le pouvoir de disposer sur ce patrimoine, ce qui contrevient à l' art. 80 al. 1 CC et rend la Fondation d'emblée illicite au sens de l' art. 52 al. 3 CC . Cette constatation peut avoir lieu à titre préjudiciel. Les conditions pour une conversion ne sont pas réunies en l'espèce (cf. arrêt du Tribunal fédéral du 3 juin 1959 consid. 6, in Archives 29 p. 337 s.). En effet, il résulte de l'arrêt attaqué que le fondateur avait indiqué, tout comme son amie, que la Fondation avait été constituée dans un but de prévoyance de la famille, ce qui en fait une fondation d'entretien (cf. consid. 4.2 ci-dessus) également d'emblée contraire à l' art. 335 al. 1 CC (cf. art. 52 al. 3 CC ). 6.2 Il convient par conséquent de constater à titre préjudiciel la nullité civile de la Fondation. Dans ces conditions, il n'est pas nécessaire de se demander, à l'instar de l'instance précédente, si la création par A. de la Fondation B. poursuivait un but d'évasion fiscale (cf. consid. 5.3 ci-dessus). Le recours est admis.
public_law
nan
fr
2,014
CH_BGE
CH_BGE_004
CH
Federation
c53b42bb-b89b-4c69-94c4-3e09bd871acb
Urteilskopf 120 V 38 6. Auszug aus dem Urteil vom 20. Januar 1994 in Sachen W. AG gegen EVIDENZIA, Schweizerische Kranken- und Unfallversicherung und Versicherungsgericht des Kantons Zürich
Regeste Art. 5bis KUVG , Art. 103 lit. a OG . Unabhängig davon, ob der Arbeitgeber oder seine Beschäftigten einen Rechtsanspruch auf die Leistungen aus einem Kollektiv-Krankenversicherungsvertrag haben, ist der Arbeitgeber als Versicherungsnehmer zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen eine leistungsverweigernde Verfügung der Krankenkasse legitimiert (Erw. 2b). Art. 5bis KUVG , Art. 2 Abs. 1 Vo II KUVG, Art. 324a OR . Dem Arbeitgeber, der sich durch den Abschluss eines Kollektiv-Krankenversicherungsvertrages seiner Lohnfortzahlungspflicht entledigt, steht kein eigener Anspruch auf die Versicherungsleistungen zu (Erw. 3).
Erwägungen ab Seite 38 BGE 120 V 38 S. 38 Aus den Erwägungen: 2. a) Unter Hinweis auf WEBER, Die Kollektivversicherung bei anerkannten Krankenkassen (SZS 1968 S. 186 ff.), ist die Vorinstanz davon ausgegangen, dass es sich bei dem 1976 abgeschlossenen Kollektiv-Krankenversicherungsvertrag um einen Vertrag zugunsten Dritter, nämlich der von der Beschwerdeführerin beschäftigten Arbeitnehmer, handelt. BGE 120 V 38 S. 39 Vor diesem Hintergrund stellt sich zunächst die als Sachurteilsvoraussetzung von Amtes wegen zu prüfende Frage, ob die W. AG überhaupt zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde legitimiert ist ( BGE 115 V 130 Erw. 1 mit Hinweisen). b) Gemäss Art. 103 lit. a OG ist zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde berechtigt, wer durch die angefochtene Verfügung berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung hat. Die Rechtsprechung betrachtet als schutzwürdiges Interesse im Sinne von Art. 103 lit. a OG jedes praktische oder rechtliche Interesse, welches eine von einer Verfügung betroffene Person an deren Änderung oder Aufhebung geltend machen kann. Das schutzwürdige Interesse besteht somit im praktischen Nutzen, den die Gutheissung der Beschwerde dem Betroffenen verschaffen würde, oder - anders ausgedrückt - im Umstand, einen Nachteil wirtschaftlicher, ideeller, materieller oder anderweitiger Natur zu vermeiden, welchen die angefochtene Verfügung mit sich bringen würde ( BGE 119 V 87 Erw. 5b mit Hinweisen; GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl., 1983, S. 151 ff.). Die Beschwerdeführerin war Partei des Kollektiv-Krankenversicherungsvertrages und ist - wie sich dem bei ihr eingeholten Arbeitsvertrag entnehmen lässt - zumindest teilweise auch für die Versicherungsprämien aufgekommen. Damit muss ihr zweifellos ein erhebliches Interesse an der korrekten Ausrichtung der versicherten Leistungen zugebilligt werden. Angesichts ihrer in Art. 324a OG festgehaltenen und beim Ausbleiben der vereinbarten Versicherungsleistungen allenfalls aktuell werdenden Lohnfortzahlungspflicht ist ihr Interesse an der Aufhebung oder Änderung der angefochtenen Verfügung vom 7. März 1991 auch als schutzwürdig im Sinne von Art. 103 lit. a OG zu qualifizieren. Wiederholt hat das Eidg. Versicherungsgericht bei im wesentlichen mit dem vorliegenden Fall vergleichbaren Umständen denn auch die Beschwerdeberechtigung eines Arbeitgebers gegen die an seinen Angestellten gerichtete leistungsverweigernde Verfügung des Unfallversicherers anerkannt ( BGE 106 V 222 Erw. 1; RKUV 1989 Nr. U 73 S. 239 Erw. 1b). Zu einer abweichenden Beurteilung im Bereich der Kollektiv-Krankenversicherung besteht kein sachlich begründbarer Anlass. Unabhängig von der Beantwortung der nachfolgend noch zu prüfenden - und von der Vorinstanz verneinten - materiell-rechtlichen Frage, ob der Beschwerdeführerin selbst ein Anspruch auf die geltend gemachten Taggelder zusteht, ist ihre Legitimation zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde demnach zu bejahen. BGE 120 V 38 S. 40 c) Aufgrund der derogatorischen Kraft des Bundesrechts und entsprechend dem Grundsatz der Einheit des Verfahrens dürfen nach der Rechtsprechung bei Streitigkeiten, die mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Eidg. Versicherungsgericht weitergezogen werden können, auf kantonaler Ebene an die Beschwerdebefugnis nicht strengere Anforderungen gestellt werden, als sie Art. 103 lit. a OG für die Legitimation zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde vorsieht. Wer gemäss Art. 103 lit. a OG im letztinstanzlichen Verfahren beschwerdebefugt ist, muss deshalb auch im kantonalen Rechtsmittelverfahren zum Weiterzug berechtigt sein ( BGE 114 V 95 f. Erw. 2a mit Hinweisen). Zu Recht ist das kantonale Gericht demnach auf die von der W. AG gegen die Kassenverfügung vom 7. März 1991 erhobene Beschwerde eingetreten. Der in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gestellte Eventualantrag, wonach die Sache zur "prozessual richtigen Erledigung" an die Vorinstanz zurückzuweisen sei, weil der kantonale Richter einen Nichteintretensentscheid hätte fällen müssen, beruht offenbar auf einem Missverständnis, hat das vorinstanzliche Gericht - unter stillschweigender Bejahung der Eintretensvoraussetzungen - den geltend gemachten Anspruch doch tatsächlich in materieller Hinsicht überprüft und deshalb in der Folge richtigerweise auch ein Sachurteil gefällt. Wenn es diesen Anspruch darin schon grundsätzlich verneint hat, bestand selbstverständlich auch keinerlei Veranlassung zu weiteren Abklärungen hinsichtlich des genauen Umfangs der geforderten Taggeldnachzahlungen. Dass die Vorinstanz unter diesen Umständen zusätzliche Nachforschungen in Richtung "Bezifferung" des genauen Forderungsbetrages unterlassen hat, ist deshalb - entgegen der in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vertretenen Auffassung - verfahrensmässig nicht zu beanstanden. 3. Zu prüfen bleibt indessen, ob das kantonale Gericht den - von der Frage nach der Beschwerdelegitimation zu unterscheidenden - materiell-rechtlichen Anspruch der Beschwerdeführerin auf die angeblich in den Jahren 1984 bis 1989 zuwenig ausgerichteten Taggelder zu Recht verneint hat. Zu entscheiden ist somit, ob die Beschwerdeführerin die streitigen Nachzahlungen aus eigenem Recht geltend machen kann bzw. ob ihr persönlich ein Rechtsanspruch auf die geforderten Versicherungsleistungen zusteht. a) Da es dabei um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen geht, ist die Überprüfungsbefugnis des Eidg. Versicherungsgerichts nicht auf die Verletzung von Bundesrecht BGE 120 V 38 S. 41 einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens beschränkt, sondern sie erstreckt sich auch auf die Angemessenheit der angefochtenen Verfügung; das Gericht ist dabei nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden und kann über die Begehren der Parteien zu deren Gunsten oder Ungunsten hinausgehen ( Art. 132 OG ). b) Wie die Vorinstanz zutreffend dargelegt hat, handelt es sich beim vorliegenden Kollektiv-Krankenversicherungsvertrag um einen Vertrag zugunsten Dritter. Vertragsparteien sind einerseits die Beschwerdeführerin als Versicherungsnehmerin und anderseits die Beschwerdegegnerin als Versicherer. Die Besonderheit des Kollektiv-Krankenversicherungsvertrages liegt darin, dass die Versicherten in aller Regel mit dem Versicherungsnehmer nicht identisch sind. Vielmehr verhält es sich in den meisten Fällen so, dass eine bestimmte namentlich bezeichnete oder aber auch eine nicht näher identifizierte Anzahl von Personen oder Personengruppen als Versicherte zu betrachten sind. Diesen steht im Versicherungsfall denn auch ein direktes Forderungsrecht gegenüber dem Versicherer zu (WEBER, a.a.O., S. 188). c) Die Beschwerdeführerin argumentiert nun dahingehend, dass mit dem zwischen ihr und der Krankenkasse geschlossenen Kollektiv-Krankenversicherungsvertrag das in der Lohnfortzahlungspflicht gemäss Art. 324a OR bestehende Arbeitgeberrisiko abgesichert werden sollte, weshalb sie selbst auch ein direktes Forderungsrecht gegenüber der Kasse habe. aa) Dafür, dass die Beschwerdeführerin als Arbeitgeberin einen persönlichen Rechtsanspruch auf die versicherten Leistungen hat und damit im Versicherungsfall direkt Begünstigte ist, könnte zwar die in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde aufgestellte und von der Krankenkasse nicht bestrittene Behauptung angeführt werden, dass Versicherungsleistungen mit Prämienausständen verrechnet wurden. Dieses Vorgehen liesse allenfalls darauf schliessen, dass die der Beschwerdeführerin im Krankheitsfall ihrer Arbeitnehmer aufgrund von Art. 324a OR obliegende Lohnfortzahlungspflicht bei ihr verblieben ist und sie sich mit dem Versicherungsvertrag lediglich dafür eine Risikodeckung in Form einer Vergütung der von ihr erbrachten Gehaltszahlungen durch Krankengeldleistungen der Kasse schaffen wollte. Zu beachten ist indes, dass solche Verrechnungen in der alltäglichen Praxis häufig anzutreffen sind und letztlich lediglich der Vereinfachung des Zahlungsverkehrs dienen. Aus dieser Art der Vertragsabwicklung ist deshalb BGE 120 V 38 S. 42 nicht zwingend die Schlussfolgerung zu ziehen, dass der Beschwerdeführerin selbst ein Leistungsanspruch gegenüber der Kasse zusteht. Zu berücksichtigen ist denn auch, dass eine solche Verrechnungsmöglichkeit in Art. 1 Abs. 4 des Versicherungsvertrages ausdrücklich vorgesehen wurde. Auch ist der Kasse in den besonderen Bestimmungen dieses Vertrages das Recht eingeräumt worden, allfällige der Beschwerdeführerin aufgrund von erzielten Überschüssen zu gewährende Gutschriften mit zukünftigen Mitgliederbeiträgen zu verrechnen. Angesichts dieser vertraglichen Vereinbarungen stehen die offenbar tatsächlich vorgenommenen Verrechnungen von Taggeldleistungen mit Prämien der vorinstanzlichen Annahme, wonach die Beschwerdeführerin die Versicherungsleistungen lediglich als Zahlstelle in Empfang nahm und an die - eigentlich anspruchsberechtigten - Arbeitnehmer weiterleitete, nicht entgegen. bb) Abgesehen vom erwähnten üblichen Charakter des Kollektiv-Krankenversicherungsvertrages (Erw. 3b), lässt auch der Umstand, dass eine direkt auf die Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers gerichtete Risikoabdeckung im Rahmen eines solchen Vertrages gesetzlich nicht vorgesehen ist (vgl. Art. 2 Abs. 1 Vo II KUVG), die Betrachtungsweise der Beschwerdeführerin als fragwürdig erscheinen. In der Regel erfolgt der Abschluss einer Kollektiv-Taggeldversicherung letztlich zwar tatsächlich zum Zweck, die Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers im Sinne von Art. 324a Abs. 4 OR abzugelten (SCHÖNENBERGER, Kommentar zu Art. 324a OR , Zürich 1984, S. A 240, N. 54). Dies ändert jedoch nichts daran, dass grundsätzlich die versicherten Arbeitnehmer, und nicht der Versicherungsnehmer, Begünstigte des Vertrages sind und demnach auch allein Anspruch auf die Versicherungsleistungen haben. In den weitaus meisten Fällen schliesst der Arbeitgeber als Versicherungsnehmer die Versicherung auf den Arbeitnehmer als versicherte Person ab, wobei der Arbeitnehmer gewöhnlich als Begünstigter ein direktes Forderungsrecht gegen den Versicherer erhält. Insoweit dem Arbeitnehmer ein direktes Forderungsrecht gegenüber dem Versicherer zusteht, ist der Arbeitgeber von einer Lohnfortzahlungspflicht befreit (SCHÖNENBERGER, a.a.O., S. A 241, N. 58). Selbständige Ansprüche gegenüber dem Versicherer kann er aus dem zugunsten seiner Arbeitnehmer geschlossenen Versicherungsvertrag aber nicht geltend machen. cc) Eine nähere Prüfung des zur Diskussion stehenden Kollektiv-Krankenversicherungsvertrages und der Ausgestaltung der BGE 120 V 38 S. 43 Arbeitsverhältnisse im Betrieb der Beschwerdeführerin ergibt, dass es sich im vorliegenden Fall nicht anders verhält. So wird in Art. 1 Abs. 1 des Kollektiv-Versicherungsvertrages ausdrücklich davon gesprochen, dass "... die bei der Firma beschäftigten Personen für Krankengeld" versichert werden und nicht etwa - wie in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde dargestellt - die Firma selbst für das in der gesetzlichen Lohnfortzahlungspflicht bestehende Arbeitgeberrisiko. In Art. 1 Abs. 3 des Vertrages wird festgehalten, dass das den Patienten - und nicht der Versicherungsnehmerin - zustehende Krankengeld erst nach Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit ausgerichtet wird. Nach den von der Beschwerdeführerin noch eingeforderten Arbeitsvertragsunterlagen wird in den von ihr verwendeten Arbeitsvertragsformularen schliesslich bezüglich der Rechte und Pflichten auf die Vereinbarungen und Verabredungen zwischen dem Arbeitgeberverband schweizerischer Maschinen- und Metall-Industrieller (ASM) und den Gewerkschaften verwiesen, wobei im eingereichten Muster-Vertragsformular insbesondere Punkt 16.1, 16.4 und 16.7 der "Vereinbarung in der Maschinenindustrie" erwähnt werden. Diese Vereinbarung lässt dem Arbeitgeber freie Wahl bezüglich des Systems, wie er seiner Lohnfortzahlungspflicht im Krankheitsfall seiner Beschäftigten genügen will (Ziff. 16.3); er kann entweder eine Krankengeldversicherung abschliessen und hat dann einen Beitrag von 2% des durchschnittlichen Lohnes zu bezahlen (Ziff. 16.4), oder er kann direkt den Lohn ausrichten (Ziff. 16.5), worunter nur verstanden werden kann, dass er die gesetzliche Lohnfortzahlung selbst schuldet. Dass in dem von der Beschwerdeführerin benützten Vertragsformular auf Punkt 16.4 - und nicht auf Punkt 16.5 - verwiesen wird, bringt klar zum Ausdruck, dass die Lohnfortzahlungspflicht im Falle von Krankheit des Arbeitnehmers grundsätzlich durch die Kollektiv-Taggeldversicherung abgegolten wird und damit nicht mehr der Beschwerdeführerin obliegt. Dass der Arbeitgeber gemäss Ziff. 16.1 des Gesamtarbeitsvertrages für eine beschränkte Dauer noch 100% des Lohnes auszurichten hat, ist für die sich aus dem Kollektiv-Krankenversicherungsvertrag ergebenden Rechte und Pflichten ohne Bedeutung. Es ist demnach davon auszugehen, dass sich die Beschwerdeführerin mit dem Abschluss des Versicherungsvertrages und den diesbezüglichen arbeitsvertraglichen Vereinbarungen der Lohnfortzahlungspflicht entledigt und diese faktisch der Kasse überbunden hat. Dies hat zur Folge, dass im Versicherungsfall nicht sie selbst, sondern lediglich ihre Arbeitnehmer als Begünstigte zu betrachten sind. BGE 120 V 38 S. 44 d) Wenn somit die Arbeitnehmer der Beschwerdeführerin ungenügende Versicherungsleistungen erhalten haben sollten, hätten sie allenfalls einen Anspruch auf die geltend gemachte Nachzahlung. Die Beschwerdeführerin hingegen kann diese nicht für sich selbst beanspruchen. Der kantonale Entscheid ist deshalb in diesem Punkt nicht zu beanstanden.
null
nan
de
1,994
CH_BGE
CH_BGE_007
CH
Federation
c54413e8-7963-4c71-bf37-3ba27047dbcb
Urteilskopf 107 III 151 34. Estratto della sentenza 16 ottobre 1981 della Camera delle esecuzioni e dei fallimenti nella causa B., G. e N. (ricorsi)
Regeste Arrestierung von Bankguthaben - Ersuchen um Auskunfterteilung unter Strafandrohung. 1. Das Betreibungsamt kann das an die Bank gerichtete Ersuchen um Auskunfterteilung nur dann mit der Androhung der in Art. 292 StGB vorgesehenen Strafe verbinden, wenn die Forderung, für welche der Arrest vollzogen wird, sich auf einen vollstreckbaren Titel stützen kann (Bestätigung der Rechtsprechung) (E. 2). 2. Unter diesem Gesichtspunkt sind vollstreckbare Titel die rechtskräftigen Entscheidungen, mit denen die provisorische Rechtsöffnung bewilligt wird, sowie die vollstreckbaren gerichtlichen Urteile und die ihnen gleichgestellten Akte gemäss Art. 80 SchKG (Präzisierung der Rechtsprechung) (E. 3).
Erwägungen ab Seite 152 BGE 107 III 151 S. 152 Considerando in diritto: 2. La sola questione litigiosa in questo ricorso è quella di sapere in quali circostanze l'UEF può comminare a una banca le sanzioni previste per il reato di disobbedienza a decisioni dell'autorità ( art. 292 CP ), al fine di ottenere informazioni sull'esistenza di beni sequestrati appartenenti a clienti. L'autorità cantonale di vigilanza ha rilevato, con riferimento alla giurisprudenza del Tribunale federale, che è necessario che il creditore sequestrante possegga un titolo esecutivo o, in altre parole, che la pretesa creditoria sia accertata giudizialmente con decisione, transazione o ricognizione. Il ricorrente sostiene invece che per titolo esecutivo la prassi intende anche il riconoscimento di debito, di cui egli, in concreto, disporrebbe. Per giurisprudenza costante le banche non possono trincerarsi dietro il segreto bancario per rifiutare le informazioni chieste loro dagli uffici di esecuzione sull'esistenza e l'entità di valori sequestrati appartenenti a clienti. In particolare, trattandosi del sequestro di beni indicati solo nel loro genere, alle banche incombe un obbligo d'informazione in virtù dell'art. 91 in relazione con l' art. 275 LEF . Tuttavia, solo la presenza di un titolo esecutivo costituisce il presupposto per associare alle richieste dell'ufficio di esecuzione la comminatoria dell'applicazione delle sanzioni previste dall' art. 292 CP ( DTF 103 III 91 , dove questi problemi sono stati approfonditi con ampio riferimento a sentenze anteriori e alla dottrina, nonché DTF 107 III 100 e DTF 104 III 50 ). Benché in questo contesto la nozione di "titolo esecutivo" sia stata utilizzata sovente, il Tribunale federale non ha sinora avuto BGE 107 III 151 S. 153 l'opportunità di definirne chiaramente la portata. Il ricorso solleva espressamente la questione. 3. In DTF 75 III 110 il Tribunale federale ha rilevato semplicemente che le richieste dell'ufficio di esecuzione non possono essere accompagnate dalla minaccia delle sanzioni dell' art. 292 CP , perlomeno laddove il credito posto a fondamento del sequestro appare incerto. Neppure in DTF 80 III 88 vi sono indicazioni più precise: in tale circostanza il Tribunale federale ha solo costatato l'usuale prassi delle banche, che, in caso di sequestro di beni indicati solo nel loro genere, sono meno restie al rilascio d'informazioni qualora si giunge al pignoramento, ossia quando la pretesa del sequestrante è riconosciuta o accertata giudizialmente oppure quando il creditore ha ottenuto almeno il rigetto provvisorio dell'opposizione. In DTF 102 III 6 , dovendo decidere se il ricorso all' art. 292 CP sia giustificato allo stadio del pignoramento provvisorio, il Tribunale federale, dopo avere richiamato le considerazioni esposte nelle suddette due sentenze, ha precisato che per titolo esecutivo ("titre exécutoire") si deve intendere anche un titolo di rigetto provvisorio dell'opposizione ("titre de mainlevée provisoire") (consid. 2a). Infine, nella sentenza parzialmente pubblicata in DTF 107 III 97 , questa Camera ha considerato che anche i privati cittadini, non solo le banche, hanno un interesse a mantenere segrete le loro relazioni d'affari con il debitore, fintanto che il creditore non possa provare la sua pretesa con un titolo esecutivo come un riconoscimento di debito, un atto pubblico o una sentenza. Come s'è detto, nelle precitate sentenze il Tribunale federale non ha mai dovuto affrontare direttamente il problema della definizione del titolo esecutivo. Queste sentenze tuttavia, nel loro insieme, potrebbero indurre a concludere che il ricorso all' art. 292 CP è ammissibile anche, come ritiene il ricorrente, quando il creditore dispone di un riconoscimento di debito, con il quale è possibile ottenere il rigetto provvisorio dell'opposizione secondo l' art. 82 LEF . Tale interpretazione potrebbe essere confermata dalla sentenza pubblicata in DTF 103 III 91 , dove il Tribunale federale ha rilevato che l'ufficio di esecuzione deve "limitarsi ad accertare, sulla scorta delle pezze giustificative versate in atti, se la verosimiglianza del credito posto a fondamento del sequestro risulta da un titolo esecutivo e non da semplici affermazioni, magari contestate, del creditore procedente" (consid. 4); infatti, il Tribunale federale ha in realtà esaminato se, in quella fattispecie, il credito del sequestrante BGE 107 III 151 S. 154 appariva senza dubbio fondato, ciò che si confonde con l'esame dell'esistenza di un riconoscimento di debito. La giurisprudenza, finora assai incerta, deve essere chiarita: sono titoli esecutivi che giustificano di associare la sanzione penale dell' art. 292 CP alla richiesta d'informazioni dell'ufficio di esecuzione sull'esito dell'esecuzione del sequestro, le sentenze cresciute in giudicato che rigettano in modo provvisorio l'opposizione oppure le sentenze esecutive e gli atti ad esse parificati secondo l' art. 80 LEF . Le conclusioni cui giunge a questo proposito l'autorità cantonale di vigilanza sono quindi, almeno parzialmente, giuste. Come la medesima autorità aveva rilevato nell'ambito della causa conclusasi con la sentenza pubblicata in DTF 103 III 91 , non è compito degli uffici di esecuzione esaminare se il credito sul quale si fonda il sequestro sia giustificato da un riconoscimento di debito ai sensi dell' art. 82 LEF (cfr. consid. 3). Tale esame, che nella predetta sentenza il Tribunale federale aveva ritenuto privo di difficoltà insormontabili (cfr. consid. 4), compete al giudice che decide le domande di rigetto dell'opposizione ( art. 82 LEF ) e, in un certo senso, anche all'autorità del sequestro che deve verificare la verosimiglianza del credito ( art. 272 LEF ). Nella presente fattispecie, ad esempio, l'UEF asserisce che i documenti prodotti dal creditore come riconoscimento di debito non sono firmati dal debitore; l'esame della validità del riconoscimento presupporrebbe quindi quello dell'autorizzazione del firmatario, il che potrebbe presentare qualche difficoltà. L'esistenza o no di una sentenza che accerta il credito o che rigetta l'opposizione può invece essere accertata celermente e senza difficoltà da ogni ufficio di esecuzione. Poiché il creditore non ha ancora ottenuto il rigetto provvisorio dell'opposizione, il suo ricorso deve essere respinto.
null
nan
it
1,981
CH_BGE
CH_BGE_005
CH
Federation
c547fb98-b831-4d90-aad9-799105aa3df7
Urteilskopf 97 I 831 118. Urteil vom 22. Dezember 1971 i.S. X. gegen Aufsichts kommission über die Rechtsanwälte im Kanton Zürich.
Regeste Disziplinarrecht der Anwälte. Verletzung des Berufsgeheimnisses. Der Entscheid, mit dem ein Anwalt disziplinarisch bestraft wird, ist kein Straferkenntnis im Sinne von Art. 268 Ziff. 3 BStP (Erw. 1). Verhältnis des kantonalen Disziplinarrechts zum eidgenössischen Strafrecht. Art. 321 StGB schliesst die disziplinarische Ahndung der Verletzung des Berufsgeheimnisses der Anwälte nicht aus (Erw. 2). Zum Begriff des Berufsgeheimnisses und der unzulässigen Offenbarung desselben (Erw. 4).
Sachverhalt ab Seite 832 BGE 97 I 831 S. 832 A.- Das Zürcher Anwaltsgesetz vom 3. Juli 1938 (AnwG) bestimmt in § 14 Abs. 1: "Der Rechtsanwalt wahrt Geheimnisse, die ihm um seines Berufes willen anvertraut werden oder die er bei Ausübung seines Berufes wahrnimmt. Er legt diese Pflicht auch seinen Mitarbeitern und Angestellten auf und wacht über ihre Erfüllung." B.- Dr. X., Rechtsanwalt in Zürich, war seit Juli 1969 Berater und Vertreter der in Klosters wohnhaften Frau Y. in deren Auseinandersetzungen mit ihrem Ehemann, wobei er mit Rücksicht auf die von ihr angeführten besonderen Umstände sich zunächst mit einem Kostenvorschuss von Fr. 7500.-- begnügte. Nachdem er ihr am 25. März 1970 für seine bisherigen Bemühungen mit Fr. 91 917.25 Rechnung gestellt und die Erbringung weiterer Leistungen von der Bezahlung der Hälfte der Rechnung abhängig gemacht hatte, bestritt Frau Y. die Angemessenheit dieser Honorarforderung und wechselte den Anwalt. Mit Eingabe vom 9. November 1970 ersuchte Dr. X. die Aufsichtskommission über die Rechtsanwälte im Kanton Zürich (AK), ihm die Einleitung der sich aufdrängenden Verfahren zur einwandfreien Abklärung der Zusammenhänge sowie zur rechtlichen Einforderung seines Honorars zu ermöglichen "durch die sofortige Entbindung vom Anwaltsgeheimnis sowie von allen üblichen standesrechtlichen Loyalitätsverpflichtungen". Zur Begründung machte er Ausführungen über Frau Y. und ihren Charakter und behauptete, sie habe ihn mit raffinierten Mitteln und Manövern dazu gebracht, ohne hinreichenden Vorschuss für sie tätig zu sein. Von dieser Eingabe verschickte er Kopien an den Rechtsanwalt, dem Frau Y. das ihm entzogene Mandat übertragen hatte, an zwei weitere Rechtsanwälte, an die Bündner Anwaltskammer sowie an die Gebührenkommission des Vereins Zürcher Rechtsanwälte. Die AK ermächtigte Dr. X. mit Beschluss vom 2. Dezember 1970, sein Berufsgeheimnis inbezug auf Frau Y. gegenüber den zuständigen Gerichten insoweit zu offenbaren, als dies für die Begründung seiner Honorarforderung notwendig erscheine. Dagegen sei die AK nicht legitimiert, noch würde es sich rechtfertigen, ihn von seinen "standesrechtlichen Loyalitätsverpflichtungen" zu entbinden. In einem besonderen Verfahren werde BGE 97 I 831 S. 833 zu prüfen sein, ob er durch Versenden seiner Eingabe vom 9. November 1970 an Dritte nicht sein Berufsgeheimnis verletzt habe. In seiner Vernehmlassung zu dieser Frage machte Dr. X. vor allem geltend, dass Art. 321 StGB die Verletzung des Berufsgeheimnisses abschliessend regle und für den Disziplinartatbestand des § 14 AnwG keinen Raum lasse. Er bestritt ferner, dass die Eingabe Berufsgeheimnisse enthalte, deren Bekanntgabe an Dritte unzulässig gewesen wäre. Mit Beschluss vom 1. September 1971 auferlegte die AK Dr. X. eine Ordnungsbusse von Fr. 400.--. Die Begründung dieses Entscheids lässt sich wie folgt zusammenfassen: § 14 AnwG sei eine Norm des Verwaltungsstrafrechts, zu deren Erlass der Kanton Zürich gemäss Art. 64 und 31 Abs. 2 BV befugt gewesen sei. Art. 321 StGB enthalte nach der ständigen Rechtsprechung der AK sowie nach der in der Rechtslehre überwiegend vertretenen Auffassung keine abschliessende Ordnung, da diese Bestimmung private Interessen schütze und dem öffentlichen Interesse des Staates an der Erhaltung der Vertrauenswürdigkeit der Anwälte nicht hinreichend Rechnung trage. Dr. X. habe mit der Zustellung von Kopien seiner Eingabe vom 9. November 1970 an Dritte diese über Dinge orientiert, die in die Persönlichkeits- und Geheimsphäre seiner Klientin gefallen seien, sie in ein übles Licht gestellt hätten und den Empfängern der Eingabe sonst nicht bekannt geworden wären (wird näher ausgeführt). Dem Beschuldigten sei zugute zu halten, dass er über das Verhalten seiner Klientin offensichtlich empört gewesen sei und dass angesichts des Kreises der Personen, denen gegenüber er die Geheimhaltungspflicht verletzt habe, kein besonders krasser Fall vorgelegen haben möge. Doch gehöre die Beobachtung der Geheimhaltungspflicht zu den grundlegenden Obliegenheiten des Anwalts, deren Verletzung nicht leicht wiege, weshalb sich, nachdem Dr. X. bereits am 3. Juni 1970 wegen Verletzung der Standespflichten und Standeswürde mit Fr. 200.-- gebüsst worden sei, eine Ordnungsbusse von Fr. 400.-- rechtfertige. C.- Gegen diesen Entscheid der AK hat Dr. X. beim Bundesgericht gleichzeitig eine Nichtigkeitsbeschwerde gemäss Art. 268 ff. BStP und eine staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte eingereicht. Mit beiden Rechtsmitteln wird Verletzung der derogatorischen Kraft des Bundesrechts sowie Verletzung des Art. 4 BV durch rechtsungleiche BGE 97 I 831 S. 834 Behandlung und Willkür geltend gemacht. Die nähere Begründung dieser Rügen ergibt sich, soweit wesentlich, aus den nachstehenden Erwägungen. D.- Mit Urteil vom 23. November 1971 ist der Kassationshof auf die Nichtigkeitsbeschwerde wegen Verspätung nicht eingetreten. E.- Die Aufsichtskommission über die Rechtsanwälte im Kanton Zürich beantragt sinngemäss Abweisung der staatsrechtlichen Beschwerde. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Da der Kassationshof auf die gegen den Entscheid der AK erhobene Nichtigkeitsbeschwerde wegen Verspätung nicht eingetreten ist, brauchte er nicht zu prüfen, ob und gegebenenfalls inwieweit diese Beschwerde im übrigen zulässig gewesen wäre. Wie es sich damit verhält, ist daher von der staatsrechtlichen Kammer zu entscheiden, denn nach Art. 84 Abs. 2 OG ist die staatsrechtliche Beschwerde nur insoweit zulässig, als die behauptete Rechtsverletzung nicht sonstwie durch Klage oder Rechtsmittel beim Bundesgericht oder einer andern Bundesbehörde gerügt werden kann. Die Beschwerde macht in erster Linie geltend, dass Art. 321 StGB die Verletzung des Berufsgeheimnisses der Rechtsanwälte abschliessend regle, § 14 AnwG bundesrechtswidrig sei und die aufgrund dieser Bestimmung erfolgte disziplinarische Bestrafung des Beschwerdeführers gegen den Grundsatz der derogatorischen Kraft des Bundesrechts (Art. 2 Üb.-Best. zur BV) verstosse. Damit wird eine Verletzung eidgenössischen Rechts im Sinne des Art. 269 Abs. 1 BStP gerügt. Der Umstand, dass die Zürcher Aufsichtsbehörde über die Rechtsanwälte kein Gericht, sondern eine Verwaltungsbehörde ist, schliesst die Zulässigkeit der Nichtigkeitsbeschwerde nicht aus, da diese sich nach Art. 12 Abs. 1 und 268 Ziff. 3 BStP auch gegen Straferkenntnisse kantonaler Verwaltungsbehörden richten kann. Fragen kann sich nur, ob der angefochtene Entscheid ein Straferkenntnis im Sinne dieser Bestimmungen sei. Das ist zu verneinen. § 22 AnwG bezeichnet zwar die Sanktionen, mit denen Verstösse gegen die Pflichten der Rechtsanwälte zu ahnden sind, als Disziplinarstrafen und Strafen. Die Anwendbarkeit des Art. 268 BStP hängt jedoch nicht von der Bezeichnung, sondern von der rechtlichen Natur der Sanktion ab. Aus diesem Gesichtspunkt BGE 97 I 831 S. 835 sind Disziplinar- und Ordnungsstrafen keine Strafen im Sinne des Strafrechts (so für Ordnungsstrafen: BGE 72 I 255 ), Die Disziplinarstrafe ist in erster Linie administratives Zwangsmittel und bezweckt die Aufrechterhaltung von Zucht und Ordnung innerhalb des besonderen Personenkreises, für den das Disziplinarrecht gilt ( BGE 73 I 290 ; FLEINER-GIACOMETTI, Bundesstaatsrecht S. 691/92; GERMANN, Komm. zum StGB N. 3 der Vorbemerkungen zu Art. 1-100; DUBACH, Das Disziplinarrecht der freien Berufe, ZSR 1951 S. 6 ff.). Der Kassationshof hat denn auch Nichtigkeitsbeschwerden gegen Entscheide, mit denen ein Anwalt disziplinarisch bestraft wurde, als unzulässig erklärt, da sie nicht gegen ein Straferkenntnis im Sinne von Art. 268 BStP gerichtet seien (nicht veröffentlichte Urteile vom 17. Mai 1946 i.S. Pfister c. Basel-Stadt und vom 20. August 1947 i.S. Krafft c. Vaud). Kann der mit der vorliegenden Beschwerde angefochtene Entscheid der AK demnach nicht Gegenstand der Nichtigkeitsbeschwerde sein, so ist auf die staatsrechtliche Beschwerde auch insoweit einzutreten, als damit Verletzung des Grundsatzes der derogatorischen Kraft des Bundesrechts gerügt wird. Für die daneben erhobenen Rügen der Willkür und rechtsungleichen Behandlung kommt von vorneherein nur die staatsrechtliche Beschwerde in Betracht ( BGE 81 IV 118 E. 1, BGE 84 IV 140 E. 1, BGE 91 I 34 E. 1, BGE 96 IV 98 ). 2. Der Beschwerdeführer behauptet, Art. 321 StGB regle die Verletzung des Berufsgeheimnisses der Rechtsanwälte abschliessend und lasse für kantonales Disziplinarstrafrecht wie das im Zürcher AnwG enthaltene keinen Raum. Ob ein kantonaler Rechtssatz oder die ihm gegebene Auslegung mit dem Bundesrecht vereinbar sei, hat das Bundesgericht nicht nur unter dem beschränkten Gesichtswinkel der Willkür, sondern frei zu prüfen ( BGE 96 I 716 E. 2 am Ende und dort angeführte frühere Urteile). a) Das Disziplinarstrafrecht steht, wie GERMANN (a.a.O.) ausführt, ausserhalb des Strafrechts. Der Grundsatz "nulla poena sine lege" ( Art. 1 StGB ) ist daher im Disziplinarstrafrecht nicht anwendbar, sofern dieses ihn nicht selber aufstellt, und das gleiche gilt für die Verjährungsbestimmungen des StGB ( BGE 73 I 290 ). Die gegenseitige Unabhängigkeit von Disziplinarstrafrecht und gemeinem Strafrecht kommt auch darin zum Ausdruck, dass der Grundsatz "ne bis in idem" im Verhältnis zwischen ihnen nicht gilt (DUBACH a.a.O. S. 109a ff.; SCHWANDER, BGE 97 I 831 S. 836 StGB S. 16 Nr. 25). Die strafrechtliche Ahndung eines bestimmten Verhaltens schliesst eine disziplinarische Verfolgung nicht nur nicht aus, sondern fordert sie meist geradezu, wenn das Verhalten auch die disziplinarrechtliche Ordnung des Personenkreises verletzt, dem der Täter angehört (DUBACH a.a.O. S. 48a). Dass der Strafrichter im Falle schwerer Vergehen oder Verbrechen einem Rechtsanwalt gemäss Art. 54 StGB für höchstens 5 Jahre die Berufsausübung untersagt oder aber von einem solchen Verbot absieht, hindert die Disziplinarbehörde nicht, ihrerseits die erteilte Berufsbewilligung auf längere Zeit oder dauernd zu entziehen, und die in Art. 79 StGB inbezug auf das richterliche Berufsverbot vorgesehene Rehabilitation hat nicht zur Folge, dass die administrative Berufsbewilligung wieder auflebt; diese muss vielmehr neu nachgesucht werden ( BGE 71 I 378 E. 3). b) Aus dieser gegenseitigen Unabhängigkeit von eidgenössischem Straf- und kantonalem Disziplinarstrafrecht folgt, dass es dem kantonalen Gesetzgeber nicht verwehrt ist, die Bewahrung des in Art. 321 StGB geschützten Berufsgeheimnisses der Rechtsanwälte ihnen auch im Anwaltsgesetz zur Pflicht zu machen und für die Verletzung dieser Pflicht disziplinarische Sanktionen vorzusehen, wie es durch § 14 Abs. 1 und § 22 des Zürcher Anwaltsgesetzes geschehen ist. Das kantonale Recht könnte dabei den Begriff des Berufsgeheimnisses wohl auch in einer andern, engeren oder weiteren Sinne verwenden als Art.321 Ziff. 1 StGB . Fraglich mag sein, ob § 14 Abs. 2 AnwG, wonach der Rechtsanwalt zur Offenbarung eines Berufsgeheimnisses auch dann befugt ist, wenn es ihm "ein höheres Interesse notwendig erscheinen lässt", mit Art. 321 StGB vereinbar ist, dessen Ziff. 2 die Straflosigkeit der Offenbarung nur vorsieht bei Einwilligung des Berechtigten oder schriftlicher Bewilligung der Aufsichtsbehörde (vgl. GULDENER, Schweiz. Zivilprozessrecht S. 617 Anm. 35c und GIACOMETTI, ZBl 44/1945 S. 316). Dagegen verstösst § 14 Abs. 1 AnwG nicht gegen Art. 321 StGB und ist eine disziplinarische Ahndung der Verletzung des Berufsgeheimnisses der Rechtsanwälte, sei es neben einer Bestrafung gemäss Art. 321 StGB oder ohne solche, keineswegs bundesrechtswidrig. Die Verletzung des Berufsgeheimnisses der Anwälte stellt, wie MARTIN-ACHARD (La discipline des professions libérales, ZSR 1951 S. 272a) zutreffend bemerkt, gleichzeitig ein Vergehen und einen Disziplinarfehler dar und kann zu einer BGE 97 I 831 S. 837 doppelten Sanktion führen. Dagegen vermag auch die Berufung des Beschwerdeführers auf GIACOMETTI, ZBl 45/1944 S. 314 ff. nicht aufzukommen. Dieser erklärt übrigens lediglich, § 14 AnwG habe, soweit er das Anwaltsgeheimnis nicht inhaltlich gleicherweise wie Art. 321 StBG normiere, "keine selbständige rechtliche Bedeutung mehr" und sei, soweit er mit Art. 321 StGB im Widerspruch stehe, aufgehoben, behauptet aber nicht, dass das Bundesrecht eine disziplinarische Ahndung der Verletzung des Berufsgeheimnisses ausschliesse. Die Rüge der Verletzung der derogatorischen Kraft des Bundesrechts erweist sich demnach als unbegründet. 3. Gegen den Grundsatz der Rechtsgleichheit soll § 14 Abs. 1 AnwG nach Auffassung des Beschwerdeführers deshalb verstossen, weil das Zürcher Recht für die andern in Art. 321 StGB aufgezählten Berufe wie insbesondere Notare und Medizinalpersonen, keine Bestimmungen über die Wahrung des Berufsgeheimnisses und keine Sanktionen für dessen Verletzung enthalte. Diese Rüge ist schon deshalb unbegründet, weil, wie in der Beschwerdeantwort ausgeführt wird, Notare als Beamte zur Verschwiegenheit verpflichtet sind und als solche bei Verletzung dieser Pflicht disziplinarisch bestraft werden können, während die im kantonalen Gesetz über das Gesundheitswesen genannten Medizinalpersonen bei Verstoss gegen die beruflichen Pflichten, zu denen auch die Verschwiegenheitspflicht gehört, nach diesem Gesetz disziplinarisch bestraft werden können. Davon abgesehen ist es aus dem Gesichtspunkt des Art. 4 BV nicht zu beanstanden, wenn ein Kanton die disziplinarische Ahndung der Verletzung des Berufsgeheimnisses nicht für alle in Art. 321 StGB aufgezählten Berufe genau gleich regelt, da die tatsächliche und rechtliche Stellung der Angehörigen dieser Berufe nicht in jeder Beziehung übereinstimmt. 4. Ist § 14 Abs. 1 AnwG demnach nicht verfassungswidrig, so kann sich nur noch fragen, ob die AK diese Bestimmung willkürlich ausgelegt oder angewendet habe, d.h. ob der angefochtene Entscheid mit dem klaren Wortlaut und Sinn des § 14 Abs. 1 AnwG unvereinbar, mit sachlichen Gründen nicht mehr zu vertreten ist. Das hat der Beschwerdeführer nicht dargetan. Die Eingabe an die AK vom 9. November 1970, von welcher Kopien an fünf Dritte gesandt wurden, enthielt eingehende Ausführungen über das Zustandekommen des dem Beschwerdeführer von Frau Y. erteilten Mandates, Angaben über ihre und BGE 97 I 831 S. 838 ihres Ehemanns ökonomische Verhältnisse sowie eine moralische Kritik ihres Verhaltens gegenüber dem Beschwerdeführer. Die Annahme der AK, dass es sich dabei um Berufsgeheimnisse im Sinne des § 14 AnwG gehandelt habe, erscheint als zutreffend und hält jedenfalls dem Vorwurfe der Willkür stand. Die Geheimhaltungspflicht als Grundlage des Vertrauensverhältnisses zwischen Klient und Anwalt erstreckt sich nicht nur auf eigentliche Geheimnisse, sondern auf alles, was der Anwalt aufgrund seines Mandates wahrnimmt und erfährt, und dazu gehört auch das Verhalten des Klienten gegenüber dem Anwalt selbst. Aus dem Gesichtspunkt der Willkür nicht zu beanstanden ist weiter die Annahme der AK, in der Zustellung von Kopien der Eingabe an fünf Dritte liege eine Verletzung des Berufsgeheimnisses. Da der Beschwerdeführer mit der Eingabe vor allem die Befreiung vom Anwaltsgeheimnis zur rechtlichen Geltendmachung seiner Honorar- und Spesenforderung nachsuchte, kann man sich fragen, ob nicht schon in der Eingabe selbst eine Geheimnisverletzung liegt, denn fast alles, was er darin ausführt, war völlig überflüssig für die Geltendmachung seines Guthabens. Für die Honorarfestsetzung sind nur Angaben über den Umfang der geleisteten Arbeit und das Streitinteresse nötig; Ausführungen über den Charakter des Klienten und über sein Verhalten gegenüber dem Anwalt erübrigen sich. Wie dem auch sei, so erscheint, jedenfalls die Mitteilung der Eingabe an Dritte als Geheimnisverletzung. Wäre ein Anwalt befugt, sich in der Weise, wie es der Beschwerdeführer getan hat, bei Dritten über einen Klienten zu äussern, so würde damit eine der wesentlichen Voraussetzungen des Vertrauensverhältnisses zwischen Klient und Anwalt entfallen. Unbehelflich ist der Einwand des Beschwerdeführers, die AK habe ihn in Wirklichkeit nicht wegen Verletzung der Geheimhaltungspflicht, sondern wegen Ehrverletzung bestraft. Inwieweit seine Äusserungen über die Klientin ehrverletzend sind, hat die AK nicht geprüft und ist auch vom Bundesgericht nicht zu prüfen, da in ihnen, wie nach dem Gesagten ohne jede Willkür angenommen werden kann, jedenfalls eine Verletzung des Berufsgeheimnisses im Sinne von § 14 AnwG liegt, welche die ausgefällte Ordnungsbusse von Fr. 400.-- ohne weiteres rechtfertigt. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Beschwerde wird abgewiesen.
public_law
nan
de
1,971
CH_BGE
CH_BGE_001
CH
Federation
c548c9d2-ea1c-4533-a54c-5ddc8259cd35
Urteilskopf 104 Ib 55 10. Urteil vom 2. Juni 1978 i.S. X. gegen Regierungsrat des Kantons Zürich
Regeste Entzug des Führerausweises; Bestimmung der gesetzlichen Minimaldauer ( Art. 17 SVG und Art. 34 VZV ): Dem Fahrzeuglenker, der innert fünf Jahren seit Ablauf eines früheren Entzuges wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand nochmals ein Fahrzeug irgendeiner Ausweiskategorie in diesem Zustand führt, muss nach Art. 17 Abs. 1 lit. d SVG der Ausweis für mindestens ein Jahr entzogen werden, wobei nach Art. 34 Abs. 1 VZV der Entzug des Ausweises für eine bestimmte Fahrzeugkategorie den Entzug für alle Kategorien zur Folge hat. In jedem solchen Fall stellt die Mindestdauer von einem Jahr hinsichtlich aller Motorfahrzeugkategorien die gesetzliche Minimaldauer im Sinne des Art. 34 Abs. 2 VZV dar.
Sachverhalt ab Seite 56 BGE 104 Ib 55 S. 56 X., der als Lastwagenchauffeur angestellt ist, lenkte am 19. Mai 1977 (Auffahrt) abends seinen Personenwagen in angetrunkenem Zustand (1,7 Promille Alkohol im Blut) auf der Hardturmstrasse in Zürich stadtauswärts. Dabei prallte er mit seinem Fahrzeug frontal gegen das Heck eines Personenwagens, dessen Führer vor ihm mit Rücksicht auf den Verkehr angehalten hatte. Es entstand Sachschaden. Wegen dieses Vorfalls verfügte die Polizeidirektion des Kantons Zürich am 13. Juni 1977 den Entzug des Führerausweises von X. für alle Motorfahrzeugkategorien auf die Dauer von achtzehn Monaten. Sie berücksichtigte dabei, dass dem Fehlbaren bereits durch Verfügung des Strassenverkehrsamtes des Kantons Bern vom 4. Juni 1974 der Führerausweis für die Dauer von zwei Monaten entzogen worden war, weil er mit seinem Personenwagen in angetrunkenem Zustand gefahren war. Aufgrund einer Rekurseingabe, in welcher X. darauf hinwies, dass er auf den Ausweis für die Kategorie C (Lastwagen) angewiesen sei, zog die Polizeidirektion ihre Verfügung vom 13. Juni 1977 in Wiedererwägung. Am 29. August 1977 erliess sie eine neue Verfügung, mit welcher sie gestützt auf Art. 34 Abs. 2 der Verordnung vom 27. Oktober 1976 über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Strassenverkehr (VZV) den Führerausweis für Fahrzeuge der Kategorie B (Personenwagen) auf die Dauer von achtzehn und für Fahrzeuge der Kategorie C auf die Dauer von zwölf Monaten entzog. Der Rekurs des X. gegen diese Verfügung wurde vom Regierungsrat des Kantons Zürich am 1. Februar 1978 abgewiesen. X. erhebt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Begehren, die Entzugsdauer sei für Fahrzeuge der Kategorie C auf zwei Monate herabzusetzen. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. Erwägungen Erwägungen: Da der Beschwerdeführer am 19. Mai 1977 in angetrunkenem Zustand gefahren ist, musste ihm der Führerausweis entzogen werden, und zwar für alle Motorfahrzeugkategorien ( Art. 16 Abs. 2 lit. b SVG , Art. 34 Abs. 1 VZV ). Weil dem Beschwerdeführer der Ausweis bereits im Jahre 1974 aus dem gleichen Grunde hatte entzogen werden müssen, war nach Art. 17 Abs. 1 lit. d SVG die Dauer des neuen Entzuges mindestens auf ein Jahr festzusetzen. BGE 104 Ib 55 S. 57 Die Vorinstanzen haben die Voraussetzungen für einen sogenannten differenzierten Entzug nach Art. 34 Abs. 2 VZV als erfüllt betrachtet. Diese Bestimmung lautet: "In Härtefällen kann - unter Einhaltung der gesetzlichen Minimaldauer für alle Kategorien - der Führerausweisentzug für verschiedene Ausweiskategorien von unterschiedlicher Dauer verfügt werden. Dies ist namentlich zulässig, wenn der Ausweisinhaber die Widerhandlung, die zum Entzug führte, mit einem Fahrzeug begangen hat, auf dessen Benützung er beruflich nicht angewiesen ist, und wenn der Betroffene als Führer der Kategorie, für die die Entzugsdauer verkürzt werden soll, unbescholten ist." Die Beschwerde wendet sich nicht dagegen, dass hier die Entzugsdauer für die Kategorie B auf achtzehn Monate bemessen worden ist. Beanstandet wird nur, dass die kantonale Behörde die Dauer für die Kategorie C auf ein Jahr festgesetzt hat. Der Beschwerdeführer weist darauf hin, dass er beidemal mit einem Personenwagen in angetrunkenem Zustand gefahren ist und dass er als Führer von Lastwagen unbescholten ist. Er meint, in einem solchen Fall sei hinsichtlich der Kategorie C unter der gesetzlichen Minimaldauer im Sinne des Art. 34 Abs. 2 VZV das in Art. 17 Abs. 1 lit. b SVG festgelegte Mindestmass von zwei Monaten zu verstehen. Art. 34 Abs. 2 VZV gestatte der Behörde, dem in einer Motorfahrzeugkategorie unbescholtenen Führer eine Wohltat zu erweisen, und lasse ihr dafür einen weiten Spielraum des Ermessens. Mit dieser Auslegung werde dem Bedürfnis nach Sicherung des Verkehrs genügend Rechnung getragen. Die Auffassung des Beschwerdeführers ist mit der gesetzlichen Ordnung nicht vereinbar. Ein wegen Verletzung von Verkehrsvorschriften verfügter Führerausweisentzug dient der Besserung des Führers und der Bekämpfung von Rückfällen (Warnungsentzug, Art. 30 Abs. 2 VZV ). Dies gilt insbesondere auch für den Entzug wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand. In dieser Beziehung trifft Art. 17 Abs. 1 SVG eine Unterscheidung: Wenn ein Führer innert fünf Jahren seit Ablauf eines früheren Entzuges wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand erneut in diesem Zustand gefahren ist, muss ihm der Führerausweis für mindestens ein Jahr entzogen werden (lit. d); liegt kein solcher Rückfall vor, so ist die Entzugsdauer mindestens auf zwei Monate festzusetzen (lit. b). Für die Anwendung dieser Vorschriften ist es gleichgültig, mit welcher der Fahrzeugkategorien, BGE 104 Ib 55 S. 58 für die ein Führerausweis erforderlich ist, der Fehlbare die Widerhandlung begangen hat. Jedem Lenker, der innert fünf Jahren seit Ablauf eines früheren Entzuges wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand nochmals ein Fahrzeug irgendeiner Ausweiskategorie in diesem Zustand führt, muss nach Art. 17 Abs. 1 lit. d SVG der Ausweis für mindestens ein Jahr entzogen werden, wobei der Entzug des Ausweises für eine bestimmte Fahrzeugkategorie den Entzug für alle Kategorien zur Folge hat ( Art. 34 Abs. 1 VZV ). In jedem solchen Fall stellt die Mindestdauer von einem Jahr hinsichtlich aller Motorfahrzeugkategorien die "gesetzliche Minimaldauer" im Sinne des Art. 34 Abs. 2 VZV dar. Das ergibt sich zwingend aus Sinn und Zweck von Art. 17 Abs. 1 lit. d SVG . Diese Bestimmung beruht auf der Überlegung, dass bei Rückfall eine erhöhte Mindestdauer des Entzuges erforderlich ist, damit genügende Gewähr für die Wirksamkeit des Warnungsentzuges besteht. Rückfällig im Sinne von Art. 17 Abs. 1 lit. d SVG ist jeder Lenker, der innert fünf Jahren zum zweiten Mal ein Fahrzeug irgendeiner Ausweiskategorie in angetrunkenem Zustand führt. Er kann nicht für eine Fahrzeugkategorie als rückfälliger und für andere Kategorien als nicht rückfälliger Führer behandelt werden, weil sonst die Erreichung des von Art. 17 Abs. 1 lit. d SVG angestrebten Zweckes in vielen Fällen vereitelt würde. Die Tatsache, dass der Lastwagenchauffeur X. zweimal einen Personenwagen auf privater Fahrt in angetrunkenem Zustand gelenkt hat, ist demnach kein Grund, Art. 17 Abs. 1 lit. d SVG nur für die Fahrzeugkategorie B anzuwenden, dagegen für die Kategorie C auf lit. b daselbst abzustellen. Die Behörde ist im vorliegenden Fall auch hinsichtlich der Kategorie C an die in Art. 17 Abs. 1 lit. d SVG festgesetzte Mindestdauer von einem Jahr gebunden.
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1,978
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CH_BGE_003
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c54b165a-8b19-4866-b1a4-287ebde13d8e
Urteilskopf 107 Ia 187 38. Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 14. Oktober 1981 i.S. Erben des Arnold Wittwer gegen Einwohnergemeinde Langnau und Regierungsrat des Kantons Bern (Revisionsgesuch)
Regeste Art. 137 lit. b OG ; Revision eines bundesgerichtlichen Entscheides 1. Wann ist die Revision eines bundesgerichtlichen Entscheides grundsätzlich zulässig (E. 1)? 2. Gegen einen bundesgerichtlichen Entscheid, welcher aufgrund einer staatsrechtlichen Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV ergangen ist, kommt eine Revision wegen Entdeckung neuer Tatsachen und Beweismittel grundsätzlich nicht in Frage (E. 2a). 3. Ausnahmen hievon (E. 2b).
Sachverhalt ab Seite 188 BGE 107 Ia 187 S. 188 Die Erben von Arnold Wittwer sind als Erbengemeinschaft Gesamteigentümer der Liegenschaft "Vordere Hängelen" (Grundbuchblatt Nr. 963) in Langnau im Emmental. Am 25. September 1977 nahmen die Stimmbürger von Langnau einen neuen Zonenplan an, in dem die Liegenschaft der Erben von Arnold Wittwer dem übrigen Gemeindegebiet zugewiesen wurde. Die Baudirektion des Kantons Bern genehmigte den neuen Zonenplan, und eine Beschwerde an den Regierungsrat blieb erfolglos. Am 24. April 1980 wies die I. öffentlichrechtliche Abteilung des Bundesgerichts eine gegen den Entscheid des Regierungsrates gerichtete Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV ab. In den Erwägungen führte das Bundesgericht aus, es sei vertretbar anzunehmen, dass in der Gemeinde Langnau keine eigentliche Baulandknappheit bestehe. Die Stimmbürger der Gemeinde Langnau stimmten am 28. September 1980 einer Erweiterung des Zonenplanes durch Einzonung von 6900 m2 Wohnzone und 5000 m2 Gewerbezone in "Brüggschachen" zu. Aus der Botschaft an die Stimmberechtigten ergibt sich, dass der Regionalplanungsverband Oberes Emmental im Einvernehmen mit den beteiligten Gemeinden bereits im Frühjahr 1975 die Durchführung einer umfassenden Gesamtplanung im Raume Emmenmatt beschlossen hatte. Am 23. Dezember 1980 beantragten die Erben von Arnold Wittwer die Revision des bundesgerichtlichen Urteils vom 24. April 1980. Sowohl der Gemeinderat Langnau als auch die Baudirektion des Kantons Bern hätten in ihren Vernehmlassungen an das Bundesgericht verschwiegen, dass der neue Überbauungsplan "Brüggschachen" bereits am 8. Januar 1979 zur Vorprüfung eingereicht und am 16. Mai 1979 positiv beurteilt worden sei. Dieser Umstand sei eine neue erhebliche Tatsache bzw. ein neues erhebliches Beweismittel, das die Gesuchsteller im früheren Verfahren nicht hätten beibringen können. Am 5. April 1981 genehmigten die Stimmbürger von Langnau die Abänderung des Zonenplanes im Ilfisschachen. Dabei wurden ca. 10'000 m2 der zum Hofe des Landwirts Hans Berger gehörenden Parzelle Nr. 428 vom übrigen Gemeindegebiet in die Bauzone umgezont. Die Erben von Arnold Wittwer reichten hierauf am BGE 107 Ia 187 S. 189 5. Juni 1981 ein ergänzendes Revisionsgesuch ein. Sie machten geltend, aus den von ihnen eingesehenen Planungsakten ergebe sich, dass die Einzonung im Ilfisschachen bereits im Zusammenhang mit der Ortsplanung 1977 von der kantonalen Baudirektion befürwortend geprüft worden sei und dass der Gemeinderat auf Ersuchen von zwei Söhnen Bergers vom August 1978 zuerst beim Planungsamt die Einzonung von zwei Bauparzellen beantragt, in der Folge von Berger die 10'000 m2 zu kaufen versucht und am 28. Mai 1979 der Baudirektion einen befürwortenden Vorprüfungsbericht für die Einzonung dieser grösseren Fläche zugestellt habe. Das habe der Gemeinderat von Langnau in seiner Vernehmlassung ebenfalls verschwiegen. Es sei daher der Revisionsgrund von Art. 137 lit. b OG gegeben. Der Regierungsrat des Kantons Bern beantragt, auf beide Revisionsgesuche sei nicht einzutreten, eventuell seien sie abzuweisen. Der Gemeinderat von Langnau beantragt, auf das erste Revisionsgesuch sei nicht einzutreten, eventuell sei es abzuweisen, und das zweite Revisionsgesuch sei abzuweisen. Erwägungen Erwägungen: 1. Die Revision eines bundesgerichtlichen Entscheides ist zulässig, wenn ein Verfahrensmangel nach Art. 136 OG oder ein Revisionsgrund nach Art. 137 OG vorliegt. a) Eine Ausnahme besteht bei Urteilen, die der Kassationshof gestützt auf Art. 268 ff. BStP fällt ( Art. 139 OG und Art. 229 BStP ). Dies erklärt sich daraus, dass der Kassationshof mit Bezug auf den Strafpunkt reine Kassationsinstanz ist. Das heisst, dass er bei abweichender Beurteilung der Strafsache nicht selbst entscheiden darf; nach Art. 277ter BStP hat er die Sache vielmehr zu neuer Entscheidung an die kantonale Behörde zurückzuweisen, die dann ihrem neuen Entscheid die rechtliche Begründung des bundesgerichtlichen Urteils zugrunde zu legen hat. Das hat zur Folge, dass die Revision des Strafurteils immer gegen das kantonale Urteil nach den Vorschriften des kantonalen Verfahrens durchzuführen ist ( BGE 95 IV 44 ). b) Nach Art. 137 lit. b OG ist die Revision bundesgerichtlicher Entscheide dann zulässig, wenn der Gesuchsteller nachträglich neue erhebliche Tatsachen erfährt oder entscheidende Beweismittel auffindet, die er im früheren Verfahren nicht beibringen konnte. Dabei ist die Revision nach Art. 137 lit. b OG keineswegs nur auf BGE 107 Ia 187 S. 190 erstinstanzliche Urteile des Bundesgerichts zugeschnitten, sondern mindestens ebensosehr auf seine Beschwerde- und Berufungsentscheide (Forni, Svista manifesta, fatti nuovi e prove nuove nella procedura di revisione davanti al Tribunale federale, in Festschrift M. Guldener, Zürich 1973, S. 84). Die Revision kann demnach bundesgerichtliche Rechtsmittelentscheide betreffen, obwohl das Bundesgericht als Rechtsmittelinstanz grundsätzlich nur die Anwendung des Bundesrechts und nur in beschränktem Masse die Sachverhaltsfeststellungen der kantonalen Behörden überprüft. Das Bundesgericht ist in Zivilsachen, in denen die Revision am häufigsten verlangt wird, als Rechtsmittelinstanz an die tatsächlichen Feststellungen der kantonalen Vorinstanz grundsätzlich gebunden ( Art. 63 Abs. 2 und Art. 74 OG ). Neue Tatsachen und Beweismittel können daher mit Berufung oder Beschwerde beim Bundesgericht nicht vorgebracht werden. Dennoch hat das Bundesgericht in ständiger Rechtsprechung die Revision seiner Beschwerde- und Berufungsentscheide wegen neuer Tatsachen und Beweismittel zugelassen, soweit die neuen Tatsachen oder Beweismittel für die seinem früheren Urteil zugrunde gelegten tatsächlichen Feststellungen von Bedeutung und die übrigen Voraussetzungen einer Revision erfüllt sind ( BGE 60 II 357 , vgl. auch BGE 98 II 250 , BGE 95 II 283 , BGE 92 II 68 u.a.). 2. Die Revision ist auch im staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren grundsätzlich zuzulassen (BGE 1 S. 233 ; 81 I 350 mit Hinweis). Das leuchtet ohne weiteres ein, soweit Verfahrensmängel nach Art. 136 OG geltend gemacht werden. a) Was die Revision wegen neuer Tatsachen und Beweismittel im Sinne von Art. 137 lit. b OG betrifft, sind erhebliche Einschränkungen bei der Zulassung der Revision mit der Natur der staatsrechtlichen Beschwerde verbunden. Das staatsrechtliche Beschwerdeverfahren bildet keine Fortsetzung des vorausgegangenen kantonalen Verfahrens, sondern es stellt ein neues Verfahren mit einem selbständigen Streitgegenstand dar (MARTI, Die staatsrechtliche Beschwerde, 4. A., S. 24). Mit der staatsrechtlichen Beschwerde können dann, wenn diese nach Art. 86 und 87 OG die Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges voraussetzt, grundsätzlich neue Einwendungen nicht erhoben und neue Tatsachen oder Beweismittel nicht vorgebracht werden. Dies gilt namentlich bei der staatsrechtlichen Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV ( BGE 104 Ia 26 E. 3b mit Hinweisen). Insoweit kommt auch eine Revision eines bundesgerichtlichen Urteils wegen Entdeckung BGE 107 Ia 187 S. 191 neuer Tatsachen und Beweismittel nach Art. 137 lit. b OG grundsätzlich nicht in Betracht, weil diese mit der staatsrechtlichen Beschwerde nicht hätten vorgebracht werden können (Birchmeier, Handbuch des OG, Art. 137 N. 2a, S. 506). Dies bedeutet aber nicht, dass nicht eventuell nach kantonalem Recht eine Revision von seiten der kantonalen Behörden möglich ist. b) Unter bestimmten Voraussetzungen können im staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren neue Tatsachen und Beweismittel vor Bundesgericht ausnahmsweise berücksichtigt werden. Dabei handelt es sich einmal um die selbständige Feststellung des massgeblichen Sachverhalts durch das Bundesgericht, bei der nach Art. 95 OG die Offizialmaxime zur Anwendung kommt (MARTI, a.a.O., S. 147 Ziff. 269). Bei der Feststellung dieses Sachverhalts kann sich unter Umständen die Berücksichtigung von Tatsachen oder Beweismitteln rechtfertigen, welche im kantonalen Verfahren nicht von Bedeutung waren und deshalb nicht vorgetragen werden konnten. Ausserdem können im kantonalen Verfahren nicht vorgetragene Tatsachen und Beweismittel in der staatsrechtlichen Beschwerde noch zugelassen werden, soweit sie sich auf neue rechtliche Einwendungen beziehen, die noch vor Bundesgericht erhoben werden können, weil die letzte kantonale Instanz volles Überprüfungsrecht besass, das Recht von Amtes wegen anzuwenden hatte und nicht nur Art. 4 BV angerufen wird ( BGE 102 Ia 246 E. 2 mit Hinweis). Nova sind ferner zulässig, soweit sie einen rechtlichen Gesichtspunkt betreffen, der erstmals im letztinstanzlichen kantonalen Entscheid aufgegriffen wurde ( BGE 94 I 144 /5; BGE 89 I 250 E. 2b mit Hinweis). Schliesslich sind neue Vorbringen zulässig bei staatsrechtlichen Beschwerden, die nicht die Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges voraussetzen, jedenfalls soweit sie Tatsachen zum Gegenstand haben, die vor dem angefochtenen Entscheid eingetreten sind ( BGE 102 Ia 79 E. 2 f. mit Hinweis; vgl. OTTO K. KAUFMANN, Die beiden Brillen des Bundesgerichts, St. Galler Festgabe zum Schweizerischen Juristentag 1981, S. 170). In diesen Ausnahmefällen muss auch im staatsrechtlichen Verfahren eine Revision nach Art. 137 lit. b OG zulässig sein. 3. Die Gesuchsteller verlangen eine Revision des Urteils vom 24. April 1980 gestützt auf Art. 137 lit. b OG , weil sie erhebliche Tatsachen bzw. entscheidende neue Beweismittel gefunden hätten, die ihre seinerzeit erhobene Rüge stützen würden, der Regierungsrat habe eine Baulandknappheit in Langnau zu Unrecht verneint BGE 107 Ia 187 S. 192 und deshalb ein öffentliches Interesse an der Auszonung eines Teils ihres Grundstücks zu Unrecht bejaht. Im Urteil vom 24. April 1980 wurde ausschliesslich eine behauptete Verletzung von Art. 4 BV geprüft. Neue Tatsachen und Beweismittel hätten deshalb nur vorgebracht werden können, wenn der Regierungsrat im angefochtenen Entscheid solche rechtliche Gesichtspunkte erstmals herangezogen und zur Begründung verwendet hätte, welche von der Gemeinde Langnau und der kantonalen Baudirektion vorher nicht beachtet worden waren und deshalb auch nicht Gegenstand der Beschwerde an den Regierungsrat gebildet hatten. Das öffentliche Interesse an der Auszonung eines Teils des Grundstücks der Gesuchsteller, d.h. an der Reduktion des Baugebietes der Gemeinde im Hinblick auf das Planungsziel einer Anpassung an die Bedürfnisse der Gemeinde für die nächsten 10-15 Jahre, war bereits Gegenstand der Einsprache der Gesuchsteller und des Einspracheentscheids der Baudirektion vom 14. Dezember 1978. Ebenfalls vor dem Regierungsrat behaupteten die Gesuchsteller, es bestehe ein Missverhältnis zwischen dem Angebot und der grossen Nachfrage nach Bauland für Einfamilienhäuser in der Gemeinde. Neue Tatsachen, welche für die behauptete Baulandknappheit und das bestrittene öffentliche Interesse an einer Reduktion der Bauzonen sprachen, sowie Beweismittel für solche Tatsachen, konnten die Beschwerdeführer daher mit der auf Art. 4 BV gestützten staatsrechtlichen Beschwerde vom 19. September 1979 nicht mehr neu vortragen. In ihren beiden Revisionsgesuchen behaupten sie auch gar nicht, es habe damals die seltene Ausnahmesituation vorgelegen, wo dies noch möglich gewesen wäre. Auf die beiden Revisionsgesuche ist daher nicht einzutreten. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Auf die Revisionsgesuche wird nicht eingetreten.
public_law
nan
de
1,981
CH_BGE
CH_BGE_002
CH
Federation
c54c9325-0fa1-4269-a8c8-038d69654c6c
Urteilskopf 97 V 20 5. Extrait de l'arrêt du 8 février 1971 dans la cause Société vaudoise et romande de secours mutuels contre Nicolier et Tribunaldes assurances du canton de Vaud
Regeste Art. 25, 30 und 30bis KUVG : Streitigkeit zwischen Kasse und Versichertem über den anwendbaren Tarifbeim System des "tiers garant". Der Versicherte muss entweder das kantonale Versicherungsgericht anrufen oder die Kasse ersuchen, beim Schiedsgericht Klage gegen den Arzt einzureichen, dessen Kostennote streitig ist.
Sachverhalt ab Seite 20 BGE 97 V 20 S. 20 A.- John Nicolier est assuré auprès de la Société vaudoise et romande de secours mutuels (SVRSM), qui est une caissemaladie reconnue, pour les frais médicaux et pharmaceutiques en cas de maladie. Du 29 janvier au 10 mars 1969, il a été traité ambulatoirement au cabinet du Dr G., chirurgien. Le traitement a consisté en trois consultations auprès du médecin personnellement et en vingt-cinq extensions de la colonne cervicale, exécutées par le personnel paramédical au service du Dr G... B.- Le Dr G. remit deux notes à John Nicolier. La première, pour les consultations, s'élevait à 48 fr. La seconde, de 264 fr., concernait les séances d'extension et portait l'en-tête: "Institut de physiothérapie du Dr E. G."; elle était fondée sur la convention des physiothérapeutes (25 séances à 9 fr. 60 = 240 fr., plus une majoration de 10%. John Nicolier paya ces notes et les transmit à sa caisse-maladie. La Société vaudoise et romande de secours mutuels constata que la première note était conforme au tarif médical. Elle admit donc de la rembourser à son assuré. En revanche, elle estima que, le Dr G. n'étant pas un physiothérapeute mais un médecin, le tarif médical était aussi applicable à la seconde note. Elle BGE 97 V 20 S. 21 admit donc de la rembourser jusqu'à concurrence du dit tarif, soit de 206 fr. 25 seulement (25 séances à 8 fr. 25). John Nicolier recourut contre cette décision, en exigeant le remboursement intégral de la seconde note, selon le tarif des physiothérapeutes... Le 21 mai 1970, le Président du Tribunal cantonal des assurances admit le recours et annula la décision attaquée. Selon le premier juge, la caisse-maladie intimée n'était pas habilitée à trancher dans une décision, adressée à l'assuré, un conflit portant sur l'application d'un tarif par un médecin, mais elle aurait dû en saisir le tribunal arbitral... Erwägungen Considérant en droit: 1. Aux termes de l'art. 25 al. 1er LAMA, les contestations entre caisses, d'une part, médecins, pharmaciens, chiropraticiens, sages-femmes, personnel paramédical, laboratoires ou établissements hospitaliers, d'autre part, sont jugées par un tribunal arbitral dont la juridiction s'étend à tout le canton. Aux termes de l'art. 25 al. 3, le tribunal arbitral est également compétent lorsque les honoraires sont dus par l'assuré; en pareil cas, la caisse doit, à ses frais, sur requête de l'assuré, le représenter au procès, à moins que la demande ne paraisse vouée à l'échec; la caisse est autorisée à intenter elle-même l'action, même si les honoraires ont déjà été payés par l'assuré, en tant que débiteur. Selon les art. 30 et 30bis LAMA, lorsque l'assuré n'accepte pas une décision de la caisse, celle-ci la lui communique par écrit avec indication des voies de droit; l'assuré dispose d'un délai de 30 jours dès cette communication pour recourir auprès du tribunal cantonal des assurances, qui connaît "des contestations des caisses entre elles ou avec leurs assurés ou des tiers qui concernent des droits que les parties font valoir en se fondant sur la présente loi, les dispositions d'exécution fédérales ou cantonales ou les dispositions établies par les caisses". Les cantons règlent la procédure des deux tribunaux. En cela, ils jouissent d'une plus grande liberté en ce qui concerne le tribunal arbitral (art. 25 al. 4 et 5 LAMA) qu'en ce qui concerne le tribunal cantonal des assurances (art. 30bis al. 3). C'est ainsi qu'en vertu du droit fédéral la procédure devant le tribunal cantonal des assurances est en principe gratuite; en revanche, BGE 97 V 20 S. 22 le canton de Vaud, par exemple, a pu instituer pour le tribunal arbitral une procédure onéreuse, et même fort coûteuse, puisque sont mis à la charge des parties non seulement les frais de procédure et - règle générale - des dépens, mais encore les indemnités allouées aux deux arbitres. Les dispositions sur le tribunal arbitral constituent, par rapport aux dispositions qui instituent la compétence générale des tribunaux cantonaux des assurances, une "lex specialis" qui y déroge. Il est évident que, lorsqu'une caisse a une contestation avec un tiers selon l'art. 30bis LAMA et que ce tiers est un médecin, c'est l'art. 25 qui est seul applicable. Mais la question que pose le présent litige est bien différente: lorsqu'une caisse a une contestation avec un assuré sur l'application d'un tarif, est-elle obligée d'ouvrir action contre le médecin qui a présenté la note contestée, même si l'assuré ne lui demande pas de le faire, ou a-t-elle au contraire la faculté de limiter le procès aux relations internes entre caisse et assuré? Dans la seconde éventualité, le jugement - rendu par le tribunal des assurances - ne sera pas opposable au médecin, de sorte que la caisse ne sera amenée à procéder ainsi que dans un système où l'assuré est le débiteur du médecin, mais dispose contre la caisse d'une créance en versement des prestations statutaires (système du tiers garant), comme c'est le cas en l'espèce. Car il ne serait pas concevable que le médecin soit lié par une décision judiciaire rendue dans un procès auquel il n'aurait pas participé, ni même été en droit de participer. 2. Or, le système du tiers garant présente la particularité, considérée par les uns comme un avantage et par les autres comme un inconvénient, de maintenir malgré l'existence d'une assurance des liens juridiques étroits, si ce n'est exclusifs, entre l'assuré et son médecin. Dès lors, quand la caisse-maladie conteste le montant de la note du médecin, l'assuré doit être libre soit de demander à la caisse d'ouvrir action devant le tribunal arbitral, conformément à l'art. 25 al. 3 LAMA, soit de plaider lui-même contre la caisse devant le tribunal des assurances, au risque de payer de sa poche le montant litigieux. L'art. 25 LAMA est clair: en dehors de l'hypothèse d'une requête de l'assuré, prévue par l'al. 3, la caisse-maladie n'est jamais obligée de saisir le tribunal arbitral. Une telle obligation irait souvent, d'ailleurs, à l'encontre des intérêts de l'assuré, qui peut légitimement ne pas vouloir gâter ses relations avec BGE 97 V 20 S. 23 son médecin en lui suscitant un procès, mais désirer seulement tenter de recevoir de l'assurance l'indemnité la plus forte. Selon le premier juge, on risquerait des jugements contradictoires si, dans le même procès, l'assuré saisissait d'abord le tribunal des assurances puis requérait la caisse de saisir le tribunal arbitral. On peut répondre à cette objection que, si le tribunal arbitral est saisi avant que le tribunal des assurances ait jugé, ce dernier suspendra sa décision dans l'attente de celle du tribunal arbitral. Si le tribunal arbitral est saisi après, son jugement ne produira d'effets que dans les relations de la caisse avec le médecin; quant aux relations entre la caisse et l'assuré, l'action se heurtera à l'exception de chose jugée. Autant dire que le tribunal arbitral refusera d'entrer en matière, faute d'intérêt litigieux, sauf quand la caisse ou le médecin auront, eux, un intérêt à obtenir un jugement du tribunal arbitral quoique les relations caisse-assuré soient définitivement réglées par un jugement du tribunal des assurances. L'Office fédéral des assurances sociales, qui se rallie pourtant dans son préavis à la solution du premier juge, reconnaît que l'existence d'un jugement du tribunal arbitral n'empêche pas l'assuré de recourir auprès du tribunal cantonal contre la décision de la caisse fondée sur le jugement arbitral. C'est dire que le risque, du moins théorique, de jugements contradictoires, existe que l'on adopte l'une ou l'autre solution. Au vrai, on peut se demander si un jugement arbitral antérieur ne lie pas le tribunal cantonal quant aux questions de tarifs et d'honoraires et lorsque l'assuré avait requis la caisse de procéder en son nom, à lui assuré. Rien, dans le message du Conseil fédéral du 5 juin 1961, n'indique que l'intention des rédacteurs du projet de loi ait été d'empêcher un assuré de porter devant le tribunal cantonal des assurances une contestation qui se serait élevée entre lui, assuré, et sa caisse-maladie au sujet de l'application d'un tarif. Aussi bien que l'art. 25 du projet ne contenait-il pas encore son actuel alinéa 3 (FF 1961 I p. 1472, 1505 et 1508). En revanche, dans le message complémentaire du 16 novembre 1962, le Conseil fédéral justifie l'adjonction du dit alinéa 3 en ces termes (FF 1962 II p. 1269): "2. Les caisses-maladie n'ont admis l'institution du tiers garant légal pour les personnes assurées facultativement qu'à la condition que le tribunal arbitral cantonal prévu à l'article 25 du projet de loi du 5 juin 1961 soit déclaré aussi compétent pour juger des contestations BGE 97 V 20 S. 24 dans ces cas-là, de façon qu'il n'y ait pas divers tribunaux appelés à appliquer les mêmes dispositions, ce qui peut entraîner des interprétations divergentes. En outre, il faut que les caisses puissent intenter d'elles-mêmes action même si l'assuré a déjà payé, en tant que débiteur, les honoraires du médecin, sinon leur droit serait illusoire. Ces demandes des caisses sont justifiées. Il est, en effet, nécessaire, dans l'intérêt de l'uniformité du contentieux dans l'assurancemaladie, que toutes les contestations d'honoraires soient du ressort du tribunal arbitral cantonal. Quant au droit de la caisse d'intenter d'elle-même l'action même lorsque l'assuré a déjà payé les honoraires du médecin, il faut relever que l'assuré n'est souvent pas en mesure de juger si un traitement est économique et si, par conséquent, il se justifie d'en payer les frais. Selon les circonstances, seul un examen ultérieur fait, en toute compétence, par la caisse, d'après les pièces qui lui ont été adressées pour la fixation de ses prestations, permet d'établir qu'il y a eu traitement non économique ou que des tarifs liant le médecin n'ont pas été respectés. La caisse pourrait alors réduire ses prestations en conséquence, ce qui aurait pour résultat que l'assuré devrait supporter la différence entre ce qu'il a payé et ce qui lui est versé par la caisse. C'est précisément pour protéger l'assuré contre des désagréments de ce genre qu'il faut prévoir que la caisse peut intenter action devant le tribunal arbitral même lorsque l'assuré a déjà payé les honoraires du médecin. L'article 25 doit donc être complété en conséquence." Il est donc indéniable que le Conseil fédéral désirait unifier la compétence des tribunaux en matière de contestations d'honoraires. Mais, pour réaliser entièrement ce dessein, il eût fallu dire à l'article 25 al. 1er LAMA que les contestations entre caisses ou assurés, d'une part, et médecins, etc., d'autre part, ressortissent au tribunal arbitral. En refusant aux assurés l'accès direct au tribunal arbitral, en leur permettant uniquement - à l'alinéa 3 - de mettre en oeuvre une représentante qui ne jouit pas forcément de leur confiance, l'art. 25 ne garantit pas suffisamment le droit des assurés de contester l'application des tarifs. Le moyen normal d'y remédier, sans que le juge ait à faire oeuvre de législateur, est d'autoriser l'action directe de l'assuré contre la caisse, conformément aux articles 30 et 30bis. Il faut bien avouer que cela ne règle ni le cas de l'assuré qui voudrait agir directement contre le médecin, ni celui du médecin qui voudrait agir directement contre l'assuré; mais la loi exclut la possibilité de telles actions, qui ne seraient recevables ni selon l'art. 25 ni selon les art. 30 et 30bis. De même, ainsi qu'on l'a vu plus haut, la loi n'a pas réalisé le voeu du Conseil fédéral d'épargner à l'assuré, dans le régime BGE 97 V 20 S. 25 du tiers garant, tout risque de devoir supporter la différence entre ce qu'il a payé et ce qui lui est versé par la caisse. Il eût fallu pour cela contraindre la caisse à saisir le tribunal arbitral chaque fois qu'elle réduit ses prestations par rapport à la note qu'a payée l'assuré, et non pas seulement sur requête de l'assuré. 3. La recourante obtient donc gain de cause et il faut renvoyer le dossier au Tribunal des assurances du canton de Vaud, afin qu'il statue sur le fond. Mais il reste loisible à l'intimé de requérir la caisse de saisir le tribunal arbitral d'une action dirigée contre le Dr G. La loi fédérale ne soumet cette démarche à aucun délai, non plus que l'ouverture de l'action elle-même. Il en va de même de la loi vaudoise (LV du 2 décembre 1959 sur le tribunal des assurances, art. 56-64, ROLV p. 396, revisée le 22 février 1965, ROLV p. 23; cf. arrêté du Conseil d'Etat du 13 août 1968, réglant l'application de la LF du 13 mars 1964, modifiant le premier titre de la LAMA, art. 6, ROLV p. 201). Cela ne signifie pas que la démarche soit possible et que l'action soit recevable en tout temps: il appartiendra à la jurisprudence d'en fixer les limites. Une requête de l'assuré ou une action de la caisse survenant au début du procès au fond devant le Tribunal des assurances du canton de Vaud ne seraient probablement pas tardives. 4. Vu leur importance, les questions de droit à trancher en l'espèce ont été soumises à la Cour plénière.
null
nan
fr
1,971
CH_BGE
CH_BGE_007
CH
Federation
c55b370b-ca8c-4789-a4f5-8d6adfe7777d
Urteilskopf 108 II 180 37. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour civile du 14 septembre 1982 dans la cause R. contre A. (recours de droit public)
Regeste Derogatorische Kraft des Bundesrechts bezüglich der Zwangsvollstreckung ( Art. 38 Abs. 1 SchKG ). Fahrnispfandrecht ( Art. 884 ff. ZGB ). 1. Das kantonale Prozessrecht kann nicht vorsorgliche Massnahmen vorsehen, die die Vollstreckung einer Geldforderung nach ergangenem Urteil sichern sollen (E. 2). 2. Das Fahrnispfandrecht enthält keine Lücke, die eine analoge Anwendung der Grundpfandbestimmungen hinsichtlich der Sicherungsbefugnisse bei Wertverminderung der Pfandsache rechtfertigen könnte (E. 3).
Sachverhalt ab Seite 181 BGE 108 II 180 S. 181 A.- Par contrat du 7 janvier 1976, R. a vendu à son ex-associé A. les 33 actions (21 d'une valeur nominale de 1000 francs chacune et 12 d'une valeur nominale de 500 francs chacune) qu'il détenait dans la société X. pour un prix à fixer par des arbitres. Le jour même, A. a versé à R. un acompte de 575'000 francs. Pour le surplus, R. réclame à A., dans la procédure arbitrale actuellement pendante, une somme de 2'920'000 francs, plus intérêt, comme solde du prix des actions. B.- En vertu de l'art. 1er al. 2 du contrat précité, R. bénéficie d'un droit de gage sur les 33 actions cédées - et déposées en mains d'un tiers - jusqu'à paiement intégral du prix à fixer par le Tribunal arbitral. Estimant que A. aurait vidé de sa substance économique la société X., ce qui, à ses yeux, entraînerait une dépréciation importante de la valeur des actions sur lesquelles s'exerce son droit de gage, R. a requis, le 30 octobre 1981, le président de la Cour civile du Tribunal cantonal vaudois d'ordonner par voie de mesures provisionnelles à A. de compléter le gage constitué en vertu de l'art. 1 al. 2 du contrat du 7 janvier 1976, au moyen d'une garantie supplémentaire d'au moins 1'600'000 francs, sous forme par exemple du nantissement de valeurs mobilières ou d'une caution bancaire ou d'un tiers solvable. Cette requête a été rejetée par le premier juge puis, sur appel, par la Cour civile du Tribunal cantonal vaudois. C.- Agissant par la voie du recours de droit public, R. demande au Tribunal fédéral d'annuler le jugement de la Cour cantonale pour arbitraire. A. propose le rejet du recours. Erwägungen Extrait des motifs: 2. Le recourant se plaint d'un déni de justice matériel. Selon lui, l'autorité cantonale aurait appliqué de manière arbitraire l'art. 101 du Code de procédure civile vaudois (CPC) où sont énumérés les cas dans lesquels peuvent être ordonnées des mesures provisionnelles. BGE 108 II 180 S. 182 a) L'exécution forcée ayant pour objet une somme d'argent ou des sûretés à fournir s'opère par la poursuite pour dettes ( art. 38 al. 1 LP ). Le droit fédéral régit, à titre exclusif, cette matière (art. 2 Disp.trans. Cst.). Il en résulte que les cantons n'ont pas le pouvoir d'ordonner, en vertu du droit cantonal, des mesures provisionnelles destinées à assurer le recouvrement après procès de sommes d'argent en faveur du créancier ( ATF 85 II 196 , ATF 86 II 295 ). b) En l'espèce, les sûretés prévues par le contrat du 7 janvier 1976 visent précisément à assurer l'exécution du futur jugement arbitral, s'il condamne l'intimé à payer au recourant plus qu'il ne lui a déjà versé, voire à garantir le paiement de la somme qui serait fixée par transaction. Les mesures provisionnelles requises par le recourant tendent au même but, puisqu'elles devraient permettre de compléter les sûretés constituées en vue de l'exécution du jugement à venir portant condamnation à payer une somme d'argent. Elles relèvent donc exclusivement du droit fédéral, plus particulièrement des dispositions sur le séquestre prévoyant une protection provisoire du créancier ( art. 271 ss LP ). Le recourant n'a, en l'occurrence, pas requis un tel séquestre. c) ... 3. Le recourant soutient également que l'autorité serait tombée dans l'arbitraire en n'admettant pas que le droit civil fédéral lui accorderait la protection requise. Il invoque à cet égard une application par analogie de la règle de l' art. 809 CC selon laquelle, dans le gage immobilier, le créancier peut, en cas de dépréciation de l'immeuble, exiger du débiteur des sûretés ou le rétablissement de l'état antérieur (al. 1) et a même le droit de demander à ce dernier des sûretés en cas de simple danger de dépréciation (al. 2). a) Selon la jurisprudence, la notion de dépréciation contenue à l' art. 809 CC concerne le résultat d'atteintes matérielles portées à l'immeuble et non celui provenant d'actes juridiques ( ATF 43 III 144 ). La diminution de la valeur économique du gage, indépendante d'une atteinte matérielle, n'est ainsi pas visée par cette disposition. Aussi bien, son application par analogie au droit de gage mobilier serait-elle en l'occurrence sans effet, puisque les papiers-valeurs que sont les actions n'ont subi aucune atteinte matérielle et que les droits incorporés dans ces titres n'ont eux-mêmes pas été atteints en tant que tels. b) Même si l'on voulait donner à la notion de dépréciation une portée plus large, l'application par analogie que propose le recourant supposerait l'existence, dans le droit de gage mobilier, d'une lacune BGE 108 II 180 S. 183 sur ce point que le juge devrait combler. Or, une telle lacune n'existe pas. En effet, le gage immobilier est caractérisé par le fait que le constituant conserve la possession du gage, alors que dans le nantissement (à l'exception de l'engagement du bétail selon l' art. 885 CC ) et dans le droit de rétention, le créancier détient la chose mobilière objet du gage. Aussi les mesures de sûreté en faveur du créancier gagiste immobilier, telles qu'elles sont prévues aux art. 808 ss CC , s'expliquent-elles par la considération que, n'ayant point la maîtrise effective de la chose, le créancier mérite d'être protégé à l'égard du constituant et du débiteur. Au contraire, le même besoin de protection n'existe pas dans le nantissement ordinaire ni dans le droit de rétention, puisque le créancier exerçant la possession est en général à même de prendre lui-même les mesures de protection nécessaires. Il existe une certaine analogie entre le gage immobilier et l'engagement du bétail ( art. 885 CC ), dans lequel le constituant conserve aussi la possession de la bête et où la publicité du gage est également assurée par l'inscription dans un registre public; c'est la raison pour laquelle la doctrine propose une application analogique des art. 808 ss CC à l'engagement du bétail (cf. OFTINGER/BÄR, n. 55 ad art. 885; ZOBL, n. 13, 91 ad art. 885 et les auteurs cités). En revanche, la doctrine ne propose pas une telle application par analogie aux autres branches du gage mobilier. L'opinion de WIELAND (Droits réels, vol. II, remarques préliminaires aux art. 884 ss n. 1 i.f.), citée par la cour cantonale, n'est pas décisive; en effet, si cet auteur envisage d'une manière générale la possibilité de se référer au droit de gage immobilier pour combler des lacunes du droit de gage mobilier, il ne se prononce nullement sur une application analogique des Art. 808 ss CC . Il n'est en outre pas démontré qu'en pratique, le besoin d'une telle protection se soit manifesté dans le droit de gage mobilier. En particulier dans le nantissement, les parties peuvent aisément, si elles le désirent, adopter des règles contractuelles aptes à protéger suffisamment le créancier. L'introduction d'un droit légal au complètement du gage - surtout s'il devait s'étendre à l'hypothèse d'une simple dépréciation économique - recèlerait le danger de complications inutiles entre parties. On ne saurait donc admettre l'existence d'une lacune dans le droit du nantissement. Dispositiv Par ces motifs, le Tribunal fédéral: Rejette le recours.
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nan
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Federation
c56127d3-3bb5-4f03-bbda-d22fcaedc452
Urteilskopf 100 IV 33 10. Arrêt de la Cour de cassation pénale du 26 mars 1974, dans la cause Pache contre Ministère public du canton de Vaud
Regeste Art. 159 StGB . Ungetreue Geschäftsführung. 1. Neben der gesetzlichen oder vertraglich übernommenen Pflicht, für ein fremdes Vermögen zu sorgen, setzt diese Bestimmung ferner voraus, dass dem Täter die Stellung eines Geschäftsführers zukommt, d.h. dass er im Rahmen seiner Tätigkeit über eine genügende Unabhängigkeit verfügt (Erw. 2). 2. An sich bewirkt die Mitgliedschaft bei einer einfachen Gesellschaft für den Gesellschafter weder eine gesetzliche noch eine vertragliche Verpflichtung oder Befugnis, selbständig für fremde Vermögensinteressen zu handeln (Erw. 3).
Sachverhalt ab Seite 34 BGE 100 IV 33 S. 34 A.- Francis Pache et son père Charles Pache se sont associés et ont fondé en 1961 la société en nom collectif Charles et Francis Pache. Comme la santé de son père déclinait, Francis Pache a pratiquement dirigé cette société depuis 1966. La société Resal SA, désireuse de vendre un terrain dont elle était propriétaire, indiqua à Charles et Francis Pache que le prix exigé par elle était de 450 000 fr. Le 22 septembre 1966, deux sociétés anonymes furent constituées, les S.I. Bel Aurore C et D. Charles et Francis Pache en étaient actionnaires et fondateurs avec d'autres personnes. Les administrateurs de ces sociétés étaient Charles Pache et un nommé Otto Kappeler. Les actes constitutifs des deux sociétés mentionnaient qu'elles allaient acquérir en propriété commune la parcelle de Resal SA pour le prix total de 450 000 fr. Ce même 22 septembre 1966 a été passé entre les actionnaires un contrat de société simple. Le 28 septembre 1966, Resal SA a vendu sa parcelle aux deux sociétés susmentionnées pour le prix de 550 000 fr. Selon Charles et Francis Pache, cette augmentation était due au fait que des travaux de terrassement déjà effectués sur le terrain représentaient 100 000 fr. et qu'il convenait d'inclure ce montant dans le prix plutôt que de le payer à part. Par la suite, il a cependant été établi qu'en réalité il s'agissait pour Charles et Francis Pache - qui, le jour même de la BGE 100 IV 33 S. 35 stipulation de l'acte de vente, donnèrent quittance à Resal SA de la somme de 100 000 fr. à titre de "commission de financement" - de prendre un très substantiel bénéfice sur l'opération, et qu'il était de leur intérêt d'enfler le prix de vente. B.- Le Tribunal correctionnel du district de Lausanne, le 1er juin 1973, a reconnu Charles et Francis Pache coupables de gestion déloyale au sens de l'art. 159 CP. Il a estimé notamment que les condamnés avaient failli à leurs obligations en faisant passer leur intérêt personnel avant celui des associés, avec lesquels ils formaient la société simple constituée par la communauté des futurs actionnaires des SA, avant que celles-ci aient acquis leur personnalité juridique par l'inscription au registre du commerce. Il les a donc reconnus coupables d'une violation des obligations découlant pour eux des art. 532, 536 et 537 al. 2 CO, sans compter d'autres griefs qui ne sont plus en cause. Francis Pache a, pour sa part, été condamné pour abus de confiance qualifié, gestion déloyale, banqueroute simple et détournement d'objets mis sous main de justice, à la peine de 15 mois d'emprisonnement avec sursis pendant deux ans. Il a recouru en réforme auprès de la Cour de cassation pénale du Tribunal cantonal vaudois en concluant à la libération de l'accusation de gestion déloyale et, partant, à une réduction de la peine prononcée contre lui. Par arrêt du 26 novembre 1973, la Cour de cassation cantonale a maintenu le jugement attaqué. C.- Francis Pache se pourvoit en nullité au Tribunal fédéral. Il conclut à l'annulation de l'arrêt de la cour cantonale et au renvoi de la cause à ladite cour pour nouveau jugement. Parallèlement, il a interjeté devant le Tribunal fédéral un recours de droit public, qui a été rejeté le 15 mars 1974. Erwägungen Considérant en droit: 1. Le recourant soutient qu'il ne peut pas être reconnu coupable de gestion déloyale, car il n'était ni administrateur ni mandataire des sociétés qui ont acquis les immeubles. Celles-ci étaient engagées par la signature collective à deux de Charles Pache et d'Otto Kappeler. Il n'a donc pas signé l'acte de BGE 100 IV 33 S. 36 vente. De plus, la convention de société simple signée le 22 septembre 1966 entre les actionnaires des sociétés anonymes acheteuses, qui était une convention de pool, n'a joué aucun rôle en l'espèce et, de toute manière, le recourant n'avait dans cette société aucune position dirigeante, puisque la gestion en était également confiée à Charles Pache et Otto Kappeler. Il réaffirme enfin que l'augmentation du prix de vente des immeubles de 450 000 fr. à 550 000 fr. se rapportait ou bien au paiement de frais de terrassement effectués, ou bien correspondait à la rémunération que l'administration des sociétés acheteuses avait décidé de payer à son père et à luimême. On peut d'emblée rejeter ce dernier argument qui revient à remettre en cause, au mépris de l'art. 273 al. 1 lit. b PPF, l'état de fait souverainement établi par les premiers Juges. 2. La réalisation du délit de gestion déloyale suppose en premier lieu que l'auteur est tenu de "veiller" sur les intérêts d'autrui, autrement dit qu'il doit s'occuper des affaires d'autrui, c'est-à-dire les gérer. Le terme "veiller" employé à l'art. 159 CP n'a pas un sens moins étendu que le terme "gérer" (RO 80 IV 246). Il ne suffit pas que l'auteur ait eu l'obligation contractuelle ou légale de veiller sur le patrimoine d'autrui, il faut qu'il ait eu la position d'un gérant. Ce n'est donc pas n'importe quelle obligation de diligence relative à tout ou partie d'un patrimoine étranger qui est sanctionnée par la loi, mais seulement celle qui est attachée à une gestion (Geschäftsführung; RO 81 IV 279). Seul peut avoir la position d'un gérant celui qui dispose d'une indépendance suffisante (SCHWANDER, p. 363, no 582; cf. RO 95 IV 65). Ainsi, non seulement celui qui doit faire des actes juridiques pour autrui, mais également celui qui veille effectivement sur le patrimoine de tiers est un gérant au sens de l'art. 159 CP (RO 97 IV 13). 3. Il ne fait aucun doute, en regard de ces définitions, que Charles Pache, en sa qualité d'administrateur des sociétés anonymes constituées le 22 septembre 1966 et de gérant de la société simple constituée le même jour entre les différents actionnaires, avait les qualités d'un gérant et qu'il était chargé de veiller sur les intérêts pécuniaires tant des sociétés anonymes qu'il devait administrer que des actionnaires. Il ne fait pas de doute non plus qu'en accroissant le prix de vente du terrain de 100 000 fr. prétendument pour y inclure une facture BGE 100 IV 33 S. 37 de terrassement alors qu'il s'agissait, pour lui et son fils, de prendre un très substantiel bénéfice au passage, il a lésé sciemment et volontairement les intérêts des sociétés et des actionnaires, en violant ses obligations contractuelles, et qu'il s'est ainsi rendu coupable de gestion déloyale. A défaut de posséder les mêmes qualités que son père et associé, Francis Pache, en tant que fondateur des SA, était comme lui lié aux autres actionnaires par un rapport de société simple. Ce rapport existe en effet entre les fondateurs durant la période qui s'écoule de l'acte constitutif des sociétés anonymes au moment de leur inscription au registre du commerce (RO 95 I 278); il découle également en l'espèce de la convention passée entre les actionnaires parallèlement aux actes constitutifs et qui prévoit notamment pour chaque signataire l'obligation de sauvegarder les intérêts des autres associés. Le recourant avait donc, outre cette obligation toute générale, celles découlant des art. 530 ss. CO, et en particulier celle de partager les bénéfices (art. 532 CO), de ne pas avoir pour son compte personnel une activité contraire ou préjudiciable au but de la société (art. 536 CO) et d'apporter aux affaires de la société la diligence et les soins qu'il consacre habituellement aux siennes propres (art. 538 CO). Ces obligations n'impliquent toutefois en elles-mêmes, chez celui qui y est astreint, aucun pouvoir ou devoir légal, contractuel, voire de fait, d'intervenir de façon indépendante dans les affaires d'autrui. Autrement dit, elles ne suffisent pas à établir qu'il y a eu gestion, contrairement à ce que semble admettre implicitement l'autorité cantonale. La cause doit donc être renvoyée à cette dernière, non pour qu'elle prononce une libération, mais pour que - sous réserve de la prescription de l'action pénale - elle statue à nouveau après avoir si possible déterminé si le recourant avait en fait une activité de gérant au sens de l'art. 159 CP tel qu'il est précisé dans l'arrêt publié au RO 81 IV 276 ss. Dispositiv Par ces motifs, le Tribunal fédéral: Admet le pourvoi, annule l'arrêt attaqué et renvoie la cause à l'autorité cantonale pour nouvelle décision.
null
nan
fr
1,974
CH_BGE
CH_BGE_006
CH
Federation
c563101f-c2f6-4b3e-be6a-e7a007566a40
Urteilskopf 105 IV 339 86. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 16. November 1979 i.S. K. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste Art. 36 SVG , Vortritt. Richtiges Verhalten des Vortrittsbelasteten bei stark beschränkter Sicht an einer Einmündung.
Erwägungen ab Seite 339 BGE 105 IV 339 S. 339 Aus den Erwägungen: 3. Der Beschwerdeführer macht in zweiter Linie geltend, er habe sich in zulässiger Weise in die Einmündung hineingetastet. Vorher habe er den Vortrittsberechtigten nicht sehen können. Er sei während dieser korrekten Einfahrt von diesem angefahren worden. Es ist richtig, dass die Sicht für einen Wartepflichtigen bei einer Einmündung durch Mauern oder Hecken so beschränkt sein kann, dass er zwangsläufig mit dem Vorderteil seines Wagens in die vortrittsbelastete Verkehrsfläche gelangt, bevor er von seinem Fahrersitz aus überhaupt Einblick in diese erhält. Für solche Fälle lässt die Praxis des Kassationshofes (z.B. BGE 93 IV 34 /35, 36) ein sehr vorsichtiges Hineintasten zu mit der Wirkung, dass ein Vortrittsberechtigter das ohne Sicht langsam einmündende Fahrzeug rechtzeitig genug sehen kann, um entweder selbst auszuweichen oder den Wartepflichtigen durch ein Signal zu warnen. In solchen Ausnahmesituationen trifft den Wartepflichtigen kein Vorwurf, wenn er sich entsprechend verhält und nötigenfalls augenblicklich anhalten kann. Der Beschwerdeführer beruft sich zu Unrecht auf diese Praxis. Aus dem Situationsplan und der verbindlichen Feststellung der Vorinstanz ergibt sich unzweideutig, dass von einer derart unübersichtlichen Einmündung keine Rede war, selbst bei Berücksichtigung der parkierten Fahrzeuge. Die beteiligten Führer sahen sich auf mindestens 15-20 m. Eine normale Fahrt im Schrittempo und rechtzeitiges Anhalten angesichts des herannahenden Vortrittsberechtigten hätten dem Beschwerdeführer ohne weiteres erlaubt, diesen unbehindert vorbeifahren zu lassen. Tatsächlich ist der Beschwerdeführer aber einfach weitergefahren, bis es ungefähr in der Strassenmitte zur Kollision kam.
null
nan
de
1,979
CH_BGE
CH_BGE_006
CH
Federation
c569b4e2-783d-4eb9-82e8-5d98476bd104
Urteilskopf 96 I 266 45. Urteil vom 5. Juni 1970 i.S. Modena gegen Regierungsrat des Kantons Zürich.
Regeste Fremdenpolizei; Androhung der in Art. 10 Abs. 1 lit. b BG über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer vorgesehenen Ausweisung. Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde (Erw. 1). Legitimation zur Beschwerde (Erw. 2). Beschwerdegründe; Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts (Erw. 3). Voraussetzungen der Ausweisung. Die Massnahme kann auch gerechtfertigt sein, wenn der Ausländer bei seiner politischen Tätigkeit in der Schweiz die öffentliche Ruhe und Ordnung gestört und gegen die guten Sitten verstossen hat (Erw. 4-6). Der Androhung der Ausweisung braucht nicht eine Verwarnung vorauszugehen (Erw. 7).
Sachverhalt ab Seite 267 BGE 96 I 266 S. 267 A.- Der Beschwerdeführer Emilio Modena, italienischer Staatsangehöriger, geboren am 16. September 1941 in Neapel, zog im Jahre 1950 zu seiner in Zürich lebenden Mutter. Diese heiratete im Jahre 1951 einen Schweizerbürger. Im Jahre 1955 erhielt der Beschwerdeführer im Kanton Zürich die Niederlassungsbewilligung. Nach dem Besuch der Mittelschule in Zürich studierte er an der dortigen Universität Medizin; im Frühling 1968 schloss er das Studium mit dem Staatsexamen ab. Er ist mit einer Schweizerin verheiratet und Vater einer Tochter. Er übt den Arztberuf aus. B.- Im Sommer 1968 wurde der Polizeidirektion des Kantons Zürich gemeldet, dass der Beschwerdeführer "auf einen gewaltsamen politischen Umsturz in der Schweiz hinarbeite". Das Ergebnis der darauf vorgenommenen Erhebungen veranlasste die Polizeidirektion, in einer Verfügung vom 3. Oktober 1968 den Beschwerdeführer zu verwarnen und ihm die Landesverweisung anzudrohen "für den Fall, dass er sich in politischer Hinsicht nicht die notwendige Zurückhaltung auferlegen, sich weiterhin in unzulässiger Weise in die inneren Verhältnisse und Einrichtungen unseres Landes einmischen, durch seine Tätigkeit die guten Beziehungen der Schweiz zu ausländischen Staaten beeinträchtigen oder dass sein Verhalten in anderer Hinsicht zu schweren Klagen Anlass geben sollte". C.- Der Rekurs Emilio Modenas gegen die Androhung der Ausweisung wurde vom Regierungsrat des Kantons Zürich am 16. Oktober 1969 abgewiesen. Der Begründung des Rekursentscheids ist zu entnehmen: "Seit einigen Jahren wird die bestehende Ordnung in vielen Ländern, in steigendem Masse auch in der Schweiz, auch im Kanton Zürich, nicht nur theoretisch diskutiert, sondern gestört. Solche Rechtswidrigkeit darf das Gemeinwesen im Interesse seiner möglichst ungestörten Existenz nicht dulden. In der Gegenwart stammen solche Störungen in der Schweiz wesentlich von politisch links stehenden Kreisen. Vom Rekurrenten ist bekannt, dass er die zweite Hälfte seiner Jugendzeit in der Familie eines ausgesprochen kommunistisch eingestellten Stiefvaters im Kanton Zürich verbrachte, des öfteren BGE 96 I 266 S. 268 an Veranstaltungen der kommunistisch orientierten ,Freien Jugend' sowie solchen der ,Jungen Sektion der PdA' teilnahm, im Jahre 1963 zu den Initianten für die Gründung des Vereins der ,Fortschrittlichen Studentenschaft Zürich' und dann auch zum Vorstand gehörte. In letzter Zeit wurde er wiederholt als Teilnehmer an sogenannten ,Demonstrationen' gesehen, durch welche die allgemeine Ordnung zum Teil erheblich gestört wurde, so zum Beispiel: am 26. August 1967 bei der Polizei-Hauptwache; am 1. Juli (recte: Juni) 1968 am sogenannten ,teach-in' mit dem französischen Studenten Boissier vor der Eidgenössischen Technischen Hochschule; am 15. Juli (recte: Juni) 1968 auf dem Hirschenplatz im Niederdorf in Zürich, wo der Rekurrent nach Kantonsrat Franz Rueb (PdA) eine Rede hielt, in welcher er heftige Angriffe gegen die Polizei richtete, diese mit einem Augiasstall verglich und Rücktritte forderte; am 26. Juni 1968 an der sogenannten ,Warndemonstration' vom Globus bis Sechseläutenplatz in Zürich, verbunden mit Verkehrsbehinderung und Diskussion; am sogenannten ,Globuskrawall'-Abend vom 29. Juni 1968; an der Pressekonferenz des Aktionskomitees ,Autonomes Jugendzentrum' vom 30. Juni 1968; am 13. Juli 1968 an der Vollversammlung für ein autonomes Jugendzentrum, die er zeitweilig leitete; auch stellte er seine Wohnung als Zentrale für die Verteilung von Flugblättern betreffend das autonome Jugendzentrum zur Verfügung und anderes mehr." Der Regierungsrat nahm an, das Verhalten des Beschwerdeführers würde an sich die Ausweisung nach Art. 10 Abs. 1 lit. b des Bundesgesetzes über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer vom 26. März 1931/8. Oktober 1948 (ANAG) rechtfertigen; doch erscheine diese Massnahme nach den gesamten Umständen nicht angemessen und sei daher bloss anzudrohen. D.- Emilio Modena führt Beschwerde beim Bundesgericht, die er in erster Linie als Verwaltungsgerichtsbeschwerde und subsidiär als staatsrechtliche Beschwerde bezeichnet. Er beantragt, der Entscheid des Regierungsrates sei aufzuheben; eventuell sei die Sache zur neuen Beurteilung an diese Behörde zurückzuweisen. Es wird geltend gemacht, dem Ausländer K. habe die Polizeidirektion des Kantons Zürich die Ausweisung erst nach einer von der Zürcher Stadtpolizei ausgesprochenen formellen Verwarnung angedroht. Es verstosse gegen das Gebot der Rechtsgleichheit, dass nicht auch der Beschwerdeführer Modena zunächst bloss verwarnt worden sei. Sein Verhalten sei der Fremdenpolizei seit langem bekannt gewesen; sie habe ihn während Jahren im Glauben gelassen, dass sie es toleriere. Der Regierungsrat weise darauf hin, dass der Beschwerdeführer BGE 96 I 266 S. 269 in einer kommunistisch orientierten Familie aufgewachsen sei und in Linkskreisen verkehrt habe, und behaupte, die Ausweisung sei nicht nur wegen Verletzung der Rechts- und Sittenordnung zulässig, sondern auch aus anderen Gründen, womit offensichtlich die politische Gesinnung und die nicht ordnungswidrige politische Betätigung gemeint seien. Diese Betrachtungsweise sei mit Art. 10 ANAG nicht vereinbar. Der angefochtene Entscheid sei so motiviert, wie es nur eine Ausweisung nach Art. 70 BV , wofür ausschliesslich der Bundesrat zuständig wäre, sein könnte. Der Regierungsrat schildere die von ihm angeführten acht Ereignisse unrichtig. Er habe die vom Beschwerdeführer angebotenen Beweise willkürlich nicht berücksichtigt. Der wirkliche Sachverhalt rechtfertige die Androhung der Ausweisung in keiner Weise. Der Beschwerdeführer habe nichts getan, was die öffentliche Ruhe und Ordnung auch nur im geringsten hätte stören oder gefährden können. Der angefochtene Entscheid lege entgegen Art. 16 Abs. 3 der Vollziehungsverordnung des Bundesrates vom 1. März 1949 zum ANAG (ANAV) nicht klar dar, was vom Beschwerdeführer erwartet werde. E.- Der Regierungsrat des Kantons Zürich und das Eidg. Justiz- und Polizeidepartement beantragen die Abweisung der Beschwerde. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Da der Regierungsrat den angefochtenen Entscheid nach dem 1. Oktober 1969 getroffen hat, ist das seit diesem Tage in Kraft stehende Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 über die Änderung des OG anwendbar (Ziff. III des neuen Gesetzes). Nach Art. 100 lit. b rev. OG ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde auf dem Gebiete der Fremdenpolizei unzulässig gegen: 1. die Einreiseverweigerung, die Einreisebeschränkung und die Einreisesperre; 2. Verfügungen über das Asylrecht; 3. die Erteilung oder Verweigerung von Bewilligungen, auf die das Bundesrecht keinen Anspruch einräumt; 4. die Ausweisung gestützt auf Art. 70 BV und die Wegweisung (von Ausländern, die keine Anwesenheitsbewilligung besitzen, Art. 12 ANAG und Art. 17 ANAV ). Die Ausweisung, die gestützt auf Art. 10 ANAG verfügt wird, fällt nicht unter diese Aufzählung; sie kann nach der BGE 96 I 266 S. 270 neuen Ordnung mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten werden. Erscheint eine Ausweisung zwar als nach Art. 10 Abs. 1 lit. a oder b ANAG "rechtlich begründet", aber nach den Umständen nicht angemessen ( Art. 11 Abs. 3 ANAG ), dann soll sie angedroht werden, und zwar in einer "schriftlichen, begründeten Verfügung", die klar darlegen soll, was vom Ausländer erwartet wird ( Art. 16 Abs. 3 ANAV ). Gegen die - hier auf Art. 10 Abs. 1 lit. b ANAG gestützte - Androhung ist nach dem neuen OG die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ebenfalls gegeben. Wie die angedrohte Massnahme, so ist auch die Androhung eine Verfügung im Sinne des Art. 5 des Bundesgesetzes über das Verwaltungsverfahren, worauf Art. 97 rev. OG verweist; denn sie gründet sich auf öffentliches Recht des Bundes, beruht auf der Feststellung, dass die Ausweisung an sich gerechtfertigt wäre, und greift in die Rechtsstellung des Ausländers ein, indem sie ihn daraufhinweist, dass er die Ausweisung gewärtigen muss, falls er sich nicht so verhält, wie es von ihm erwartet wird. Art. 100 lit. b rev. OG schliesst auch die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die Androhung nicht aus. Angefochten ist ein Entscheid der letzten kantonalen Instanz. Gegen ihn ist mangels einer entgegenstehenden Bestimmung des Bundesrechtes unmittelbar die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig (Art. 98 lit. g rev. OG). 2. Emilio Modena ist durch die verfügte Androhung der Ausweisung beschwert. Er hat ein aktuelles Interesse zu wissen, ob das ihm vorgeworfene bisherige Verhalten die Ausweisung nach Art. 10 Abs. 1 lit. b ANAG rechtfertigen würde und ob ihm daher diese Massnahme gemäss Art. 16 Abs. 3 ANAV angedroht werden dürfe. Diese Bestimmungen des Bundesrechts schützen den Ausländer gegen Anordnungen, die mit ihnen nicht vereinbar sind. Daraus folgt, dass Emilio Modena durch die angefochtene Verfügung berührt wird und ein schutzwürdiges Interesse an ihrer Aufhebung hat. Er ist daher zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde legitimiert (Art. 103 lit. a rev. OG). 3. Der Beschwerdeführer bezeichnet seine Eingabe an das Bundesgericht subsidiär als staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung des Art. 4 und eventuell des Art. 70 BV . Dieses Rechtsmittel ist indessen nicht zulässig, da die behaupteten Verfassungsverletzungen mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gerügt werden können ( Art. 84 Abs. 2 OG ; vgl. BGE 88 I BGE 96 I 266 S. 271 307 Erw. 2). Der Beschwerdeführer erhebt denn auch in erster Linie Verwaltungsgerichtsbeschwerde, und als solche ist seine Eingabe entgegenzunehmen und zu beurteilen. Als Verwaltungsgericht kann das Bundesgericht grundsätzlich frei prüfen, ob der angefochtene Entscheid des Regierungsrates das Bundesrecht verletze und auf einer unrichtigen oder unvollständigen Feststellung des rechtserheblichen Sachverhaltes beruhe (Art. 104 lit. a und b, Art. 105 Abs. 1, Art. 114 Abs. 1 rev. OG). Art. 105 Abs. 2 rev. OG beschränkt die Überprüfung der tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz nur für den hier nicht gegebenen Fall, wo sich die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen einen Entscheid eines kantonalen Gerichts oder einer Rekurskommission richtet. Nach Art. 11 Abs. 3 ANAG soll die Ausweisung nur verfügt werden, wenn sie nach den gesamten Umständen angemessen erscheint. Für die Beurteilung der Angemessenheit sind namentlich wichtig die Schwere des Verschuldens des Ausländers, die Dauer seiner Anwesenheit in der Schweiz sowie die ihm und seiner Familie drohenden Nachteile ( Art. 16 Abs. 3 ANAV ); anderseits dürfen auch die geistigen und wirtschaftlichen Interessen sowie der Grad der Überfremdung des Landes berücksichtigt werden ( Art. 16 ANAG ). Hier hat der Regierungsrat von dem ihm nach dieser Ordnung eingeräumten Ermessen zugunsten des Ausländers Gebrauch gemacht. Diese Entscheidung ist nicht angefochten, so dass sich die Frage nicht stellt, ob der Regierungsrat das Ermessen überschritten oder missbraucht und damit Bundesrecht verletzt habe (Art. 104 lit. a rev. OG; zu einer weitergehenden Kontrolle des Ermessens wäre das Bundesgericht nicht befugt, da keiner der Fälle vorliegt, in denen nach lit. c ebenda die Rüge der "Unangemessenheit" erhoben werden kann). Der Streit geht darum, ob die Voraussetzungen für eine Ausweisung nach Art. 10 Abs. 1 lit. b ANAG - und damit auch für deren Androhung - gegeben seien. Auf Grund dieser Bestimmung kann ein Ausländer aus der Schweiz oder aus einem Kanton nur ausgewiesen werden, wenn sein Verhalten im allgemeinen und seine Handlungen darauf schliessen lassen, dass er nicht gewillt oder nicht fähig ist, sich in die im Gaststaat geltende Ordnung einzufügen. Ob dieser Schluss im einzelnen Fall gerechtfertigt sei, ist nicht eine Ermessensfrage; vielmehr handelt es sich ausschliesslich um Rechts- und Tatfragen. BGE 96 I 266 S. 272 Immerhin ist der kantonalen Behörde bei der Würdigung des jeweils massgebenden Sachverhalts ein gewisser Beurteilungsspielraum zu belassen. Da sie den tatsächlichen Verhältnissen näher steht als das Bundesgericht, ist ihr Entscheid mit Zurückhaltung zu überprüfen. 4. Nach Art. 10 Abs. 1 lit. b ANAG sind das "Verhalten im allgemeinen" und die "Handlungen" des Ausländers zu würdigen. Seine Gesinnung vermag demnach für sich allein die Ausweisung nicht zu rechtfertigen; sie kann bei der Anwendung dieser Bestimmung nur insoweit berücksichtigt werden, als sie in seinem äusseren Verhalten zum Ausdruck kommt. Art. 16 Abs. 2 ANAV bestimmt, dass die Ausweisung nach Art. 10 Abs. 1 lit. b des Gesetzes namentlich als begründet erscheinen kann bei "schweren oder wiederholten Verstössen gegen gesetzliche Vorschriften oder behördliche Verfügungen; grober Verletzung allgemeiner Gebote der Sittlichkeit; fortgesetzter böswilliger oder liederlicher Nichterfüllung der öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Verpflichtungen; sonstiger fortgesetzter Liederlichkeit oder Arbeitsscheu". Der Bundesrat hat in der Botschaft vom 8. März 1948 über die Revision des ANAG seine Absicht bekanntgegeben, diesen Text in die Verordnung aufzunehmen (BBl 1948 I S. 1297). Da sich in den eidgenössischen Räten kein Widerspruch dagegen erhoben hat, ist anzunehmen, dass Art. 16 Abs. 2 ANAV dem Willen des Gesetzgebers entspricht. Ob unter der "Sittlichkeit", von der in dieser Verordnungsbestimmung die Rede ist, nur die geschlechtliche Sittlichkeit (im Sinne der Art. 187-212 StGB ) zu verstehen sei oder ob damit die guten Sitten im allgemeinen gemeint seien, kann offen gelassen werden. Die in Art. 16 Abs. 2 ANAV genannten Tatbestände sind Beispiele ("namentlich"). Auch andere Verhaltensweisen können den Schluss rechtfertigen, der Ausländer sei nicht gewillt oder nicht fähig, sich in die im Gaststaat geltende Ordnung einzufügen. Ein Gebaren, das nach den in der Schweiz herrschenden Anschauungen gegen die guten Sitten verstösst, kommt ebenfalls in Betracht, auch wenn es nicht unter die Aufzählung des Art. 16 Abs. 2 ANAV fällt; denn unter der im Gaststaat geltenden Ordnung ( Art. 10 Abs. 1 lit. b ANAG ) ist nicht nur dessen Rechtsordnung, sondern auch die im Lande allgemein anerkannte Sittenordnung zu verstehen. BGE 96 I 266 S. 273 5. Auch für die politische Einstellung des Ausländers gilt, dass einzig seine Handlungsweise, nicht auch schon seine Gesinnung, die Ausweisung nach Art. 10 Abs. 1 lit. b ANAG rechtfertigen kann. Die politische Tätigkeit in der Schweiz ist ihm grundsätzlich erlaubt; sie ist ihm nur verwehrt, soweit sie mit der hier geltenden Ordnung nicht vereinbar ist (vgl. den Bericht des Bundesrates über seine Geschäftsführung im Jahre 1966, S. 138). Im Rahmen dieser Ordnung darf der Ausländer in politischen Vereinigungen mitwirken und an politischen Versammlungen teilnehmen, wobei er, falls er die Niederlassungsbewilligung besitzt, auch als Redner auftreten kann, ohne der besonderen Bewilligung gemäss BRB betreffend politische Reden von Ausländern vom 24. Februar 1948 zu bedürfen. Art. 70 BV gibt dem Bunde das Recht, Fremde, welche die innere oder äussere Sicherheit der Eidgenossenschaft gefährden, aus dem schweizerischen Gebiete wegzuweisen. Die dort vorgesehene Ausweisung bleibt nach Art. 10 Abs. 4 ANAG von diesem Gesetz unberührt. Anderseits schliesst die Bundesverfassung nicht aus, dass ein Ausländer auch von der kantonalen Behörde, auf Grund des ANAG, wegen unzulässiger politischer Betätigung ausgewiesen werden kann. Nach Art. 69ter BV und dem darauf beruhenden ANAG sind die Kantone ebenfalls zur Ausweisung befugt, und dazu kann nach Art. 10 Abs. 1 ANAG auch das Verhalten des Ausländers in politischer Beziehung Anlass geben. Auf jeden Fall kann die kantonale Behörde einen Ausländer ausweisen, dessen politische Tätigkeit zwar nicht die innere oder äussere Sicherheit des Landes gefährdet, aber gleichwohl darauf schliessen lässt, dass er nicht gewillt oder nicht fähig ist, sich in die hier geltende Ordnung einzufügen. Dieser Schluss kann namentlich dann gerechtfertigt sein, wenn die politische Aktivität des Ausländers die öffentliche Ruhe und Ordnung, für deren Aufrechterhaltung die Behörden zu sorgen haben, stört oder zu stören geeignet ist, oder wenn sie gegen die im Gastland allgemein anerkannte Sittenordnung verstösst, welche auch erheischt, dass in der politischen Auseinandersetzung, insbesondere bei der Kritik der Institutionen und Behörden des Landes, ein gewisser Anstand gewahrt werde. 6. Die Vorinstanz misst den politischen Überzeugungen des Beschwerdeführers nicht eine entscheidende Bedeutung bei, noch stellt sie auf die -- unbestrittenen - Tatsachen ab, dass BGE 96 I 266 S. 274 er "des öfteren an Veranstaltungen der kommunistisch orientierten ,Freien Jugend' sowie solchen der ,Jungen Sektion der PdA' teilnahm, im Jahre 1963 zu den Initianten für die Gründung des Vereins der ,Fortschrittlichen Studentenschaft Zürichs' und dann auch zum Vorstand gehörte". Sie nimmt nicht an, dass er in Vereinigungen, die als rechtswidrig oder staatsgefährlich im Sinne des Art. 56 BV zu betrachten wären, mitgewirkt habe und dass sich schon aus diesem Grunde der Schluss rechtfertige, er sei nicht gewillt oder nicht fähig, sich in die Ordnung des Gaststaates einzufügen. Der Beschwerdeführer ist nicht wegen Teilnahme an einer rechtswidrigen Vereinigung gemäss Art. 275ter StGB oder wegen eines anderen Vergehens oder gar wegen eines Verbrechens gerichtlich bestraft worden, so dass der in Art. 10 Abs. 1 lit. a ANAG vorgesehene Ausweisungsgrund ausser Betracht fällt. Die Vorinstanz wirft dem Beschwerdeführer auch nicht vor, er habe im Sinne des Art. 70 BV die innere oder äussere Sicherheit des Landes gefährdet. Sein Einwand, der Regierungsrat habe in Missachtung dieser Verfassungsvorschrift in die Zuständigkeit des Bundesrates übergegriffen, geht daher fehl. Vorgeworfen wird dem Beschwerdeführer lediglich, er habe an "extremen politischen Veranstaltungen" teilgenommen, "durch welche die allgemeine Ordnung zum Teil erheblich gestört wurde" (S. 4 des angefochtenen Entscheides, S. 4 der Beschwerdeantwort des Regierungsrates). Als "Beispiele" werden im angefochtenen Entscheid acht Vorkommnisse genannt. Es ist zu prüfen, ob die erhobenen Vorwürfe den daraus vom Regierungsrat gezogenen Schluss rechtfertigen, dass die Ausweisung nach Art. 10 Abs. 1 lit. b ANAG rechtlich begründet wäre. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Vorwürfe sich nach der eigenen Darstellung des Beschwerdeführers auf seine politische Betätigung als Mitglied der "Freien Studentenschaft Zürich", einer weit links stehenden Gruppe, beziehen (Einvernahmeprotokoll der Stadtpolizei Zürich vom 15. August 1968, S. 16). a) Der Beschwerdeführer behauptet heute, er habe die Demonstration vom 26. August 1967 bei der städtischen Polizeihauptwache in Zürich "am Rande und nur zeitweise als Zuschauer verfolgt". Bei seiner Einvernahme durch die Stadtpolizei hat er jedoch zugegeben, darüber orientiert worden zu sein, dass die Demonstration stattfinden werde, und daran teilgenommen BGE 96 I 266 S. 275 zu haben. Es besteht kein Grund, an der Richtigkeit dieser früheren Darstellung zu zweifeln. Die Demonstration war gegen die Polizei gerichtet, und sie war denn auch nicht bewilligt worden. Dem Beschwerdeführer kann nicht entgangen sein, dass solche Veranstaltungen vor der Polizeihauptwache nicht gestattet werden, und auch nicht, dass sie ihrer Natur nach geeignet sind, die öffentliche Ruhe und Ordnung, für deren Aufrechterhaltung die Polizei zu sorgen hat, zu stören. Wie die Demonstration vom 26. August 1967 überhaupt, so war auch die Teilnahme des Beschwerdeführers daran rechtswidrig, denn Art. 7 der Allgemeinen Polizeiverordnung der Stadt Zürich verbietet ausdrücklich jede Störung der polizeilichen Tätigkeit. b) Am 1. Juni 1968 veranstaltete die "Fortschrittliche Studentenschaft Zürich" ein "teach-in", wobei der französische Student Boissier eine Rede über die Maiereignisse in Frankreich hielt. Die Veranstaltung, die auf öffentlichem Grund stattfand, war nicht bewilligt worden; die erforderliche Redeerlaubnis für den ausländischen Studenten lag nicht vor. Der Beschwerdeführer erklärt, er habe bei diesem Anlass nur als "offizieller Übersetzer der Fortschrittlichen Studentenschaft Zürich" mitgewirkt. Das mag zutreffen, ändert aber nichts daran, dass er an einer rechtswidrigen, gegen die öffentliche Ordnung verstossenden Veranstaltung teilgenommen hat. Er muss gewusst haben, dass die Demonstration nicht bewilligt war; er behauptet nicht das Gegenteil. c) Die weitere Demonstration vom 15. Juli 1968 war ebenfalls nicht gestattet worden, was dem Beschwerdeführer nicht entgangen sein kann, da sie gegen die Polizei gerichtet war. Sie begann auf dem Hirschenplatz im Niederdorf in Zürich, wo ein Brückenwagen als Podium für die Redner aufgestellt wurde. Auf einem zweiten Brückenwagen wurde ein Käfig mit einer Puppe herangeführt, die einen anonymen "Schläger-Polizisten" darstellen sollte. Diesem Polizisten wurde im zweiten Teil der Demonstration, der sich vor der Polizeihauptwache abspielte, der Prozess gemacht, welcher mit einem "Freispruch". endete. Auf dem Hirschenplatz hielt der Beschwerdeführer im Auftrage der "Fortschrittlichen Studentenschaft Zürich" eine Ansprache an mehrere hundert Zuhörer. Dabei griff er die Polizei heftig an; nach ihrer Darstellung, die er nicht bestreitet, sprach BGE 96 I 266 S. 276 er von einem "Augiasstall" und forderte Rücktritte; nach seiner eigenen Aussage schloss er mit der Aufforderung, "der Solidarität der Polizei eine Solidarität der Verwalteten entgegenzusetzen". Damit überschritt er offensichtlich die Grenzen, die nach der in der Schweiz allgemein anerkannten Sittenordnung in der politischen Auseinandersetzung, namentlich bei der Kritik an den staatlichen Institutionen und Behörden, einzuhalten sind. Daran würde auch nichts geändert, wenn er in seiner Rede gewisse Presseberichte verwertet hätte, wie er behauptet. Sein Vorgehen lässt sich nur mit der Absicht erklären, das Ansehen und die Autorität der Polizei zu untergraben. Es störte an sich schon die öffentliche Ruhe und Ordnung und war zudem geeignet, weitere Störungen herbeizuführen, worüber der Beschwerdeführer sich Rechenschaft geben musste. Seine Handlungsweise bei der Demonstration vom 15. Juni 1968 verstiess in schwerwiegender Weise gegen die Rechts- und Sittenordnung des Gastlandes. d) Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe sich während der "Warndemonstration", die am 26. Juni 1968 zwischen dem Globusgebäude und dem Sechseläutenplatz in Zürich stattfand, anderswo aufgehalten, und beruft sich dafür auf eine schriftliche Bestätigung des Architekten B. Seine Teilnahme an dieser Veranstaltung ist nicht nachgewiesen. e) Beim "Globuskrawall" am 29. Juni 1968 abends kam es zu schweren Zusammenstössen zwischen Demonstranten und Polizeikräften; zahlreiche Personen wurden verletzt. Der Beschwerdeführer war nach seinen Angaben jedenfalls am Anfang der Demonstration beteiligt. In der Folge wurde gegen ihn eine Strafuntersuchung wegen Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte eingeleitet, doch wurde das Verfahren eingestellt. Es steht fest, dass der Beschwerdeführer im ersten Stadium der Demonstration die Menschenmenge zu bewegen versuchte, gemäss den Anweisungen der Polizei den Platz vor dem Globusgebäude zu räumen, und dass er selber am Kopf verletzt wurde. Den weiteren Ablauf der Ereignisse will er nur als Beobachter verfolgt haben. Er erklärt, er habe eine friedliche Demonstration erwartet. Immerhin musste er zum mindesten mit einer Behinderung des Strassenverkehrs rechnen, die auch nicht ausblieb. Indem er gleichwohl an der nicht bewilligten Demonstration teilnahm, beteiligte er sich an einer Störung der öffentlichen Ordnung. BGE 96 I 266 S. 277 f) Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, an der Pressekonferenz des Aktionskomitees für ein "autonomes Jugendzentrum", welche am 30. Juni 1968 in einem Restaurant in Zürich stattfand, teilgenommen zu haben; er erklärt jedoch, er habe bloss über seine Wahrnehmungen bei der ärztlichen Behandlung von Personen, die anlässlich des "Globuskrawalls" verletzt worden waren, Bericht erstattet. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass er an dieser Pressekonferenz sich ordnungswidrig verhalten hat. g) Der Beschwerdeführer gibt zu, seine Wohnung in der Zeit vom 2. bis zum 13. Juli 1968 dem erwähnten Aktionskomitee für die Verteilung von Flugblättern zur Verfügung gestellt zu haben. Er bestreitet, dass er dies schon vor dem "Globuskrawall" vom 29. Juni 1968 getan habe, und macht geltend, die von seiner Wohnung aus verteilten Flugblätter seien nicht dazu angetan gewesen, die öffentliche Ruhe und Ordnung zu stören. Diese Darstellung lässt sich auf Grund der vorliegenden Akten nicht widerlegen. Während der Zeit, da der Beschwerdeführer seine Wohnung zur Verfügung stellte, wurde auf jeden Fall ein vierseitiges "Informations-Extrablatt" verteilt. Die Verbreitung dieses Blattes war indessen nach allem, was vorangegangen war, durch die Pressefreiheit gedeckt. Auch die schriftlichen Instruktionen für die Flugblattverteiler enthalten nichts Ungehöriges. h) Es ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer am 13. Juli 1968 der "Vollversammlung für ein autonomes Jugendzentrum" im Volkshaus Zürich beiwohnte und sie zeitweilig leitete. Er erklärt, die Veranstaltung sei von der Behörde bewilligt worden und habe die öffentliche Ruhe und Ordnung nicht gestört. Diese Darstellung ist nicht widerlegt. i) Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass die Vorwürfe, die im angefochtenen Entscheid "beispielsweise" gegen den Beschwerdeführer erhoben werden, zwar nicht durchweg, aber doch in einem wesentlichen Umfange begründet sind. Es steht fest, dass der Beschwerdeführer sich wiederholt, durch aktive Teilnahme an mehreren nicht bewilligten politischen Demonstrationen, Störungen von Ruhe und Ordnung hat zuschulden kommen lassen. Bezeichnend für seine Haltung ist insbesondere seine gegen die Polizei gerichtete Rede vom 15. Juni 1968, in der er in krasser Weise den nach den schweizerischen Anschauungen bei der politischen Tätigkeit zu wahrenden Anstand BGE 96 I 266 S. 278 verletzt hat. Aus diesen Tatsachen durfte die Vorinstanz schliessen, dass der Beschwerdeführer nicht gewillt sei, sich in die im Gaststaat geltende Ordnung einzufügen. Der Gerichtshof hat keinen Grund, die unzulässige Handlungsweise des Beschwerdeführers anders zu würdigen. Der Sachverhalt ist genügend abgeklärt. Der angefochtene Entscheid verstösst nicht gegen Art. 10 Abs. 1 lit. b ANAG . 7. Durfte die kantonale Behörde somit annehmen, dass die Ausweisung des Beschwerdeführers nach Art. 10 Abs. 1 lit. b ANAG rechtlich begründet sei, so war sie auch befugt, ihm diese Massnahme anzudrohen ( Art. 16 Abs. 3 ANAV ). Er wendet vergeblich ein, dass die Fremdenpolizei ihn zunächst hätte verwarnen müssen, nachdem sie ihn während Jahren im Glauben gelassen habe, sein Verhalten, das ihr seit langem bekannt gewesen sei, werde toleriert. Gerade durch die Androhung der Ausweisung wird der Ausländer verwarnt. Dass er schon vor der Androhung verwarnt werden müsse, ist nirgends vorgeschrieben. Die Behörden können nicht jeden im Lande weilenden Ausländer ständig beaufsichtigen und ihn zurechtweisen, wenn sein Verhalten sich der Grenze des Zulässigen nähert; wie die Vorinstanz bemerkt, würde eine solche Überwachung in der Öffentlichkeit, namentlich auch von den Ausländern selbst, mit Recht abgelehnt. Wohl ist in dem vom Beschwerdeführer angeführten Falle K. vor der Androhung der Ausweisung eine Verwarnung (seitens der Stadtpolizei Zürich) ausgesprochen worden; doch kann daraus nicht abgeleitet werden, dass auch dem Beschwerdeführer gegenüber so hätte verfahren werden müssen. Nach den massgebenden Vorschriften durfte dem Beschwerdeführer ohne weiteres die Ausweisung angedroht werden, und das ist entscheidend. Seine Rüge, das Gebot der rechtsgleichen Behandlung sei verletzt worden, ist unbegründet. Es trifft auch nicht zu, dass die kantonalen Behörden ihn jahrelang im Glauben gelassen haben, sie tolerierten seine unzulässige Handlungsweise. In Frage steht sein Verhalten im August 1967 und namentlich im Sommer 1968. Die kantonale Polizeidirektion ist darauf im Juli 1968 hingewiesen worden; sie hat sofort Erhebungen vornehmen lassen und gestützt auf deren Ergebnis am 3. Oktober 1968 die Ausweisung angedroht. 8. Die Rüge, dass der angefochtene Entscheid entgegen Art. 16 Abs. 3 ANAV nicht klar darlege, was vom Beschwerdeführer erwartet werde, kann nicht ernst genommen werden. BGE 96 I 266 S. 279 Die Ausführungen in der Beschwerdeschrift zeigen, dass der Beschwerdeführer den Erwägungen der Vorinstanz das Erforderliche hat entnehmen können. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Beschwerde wird abgewiesen.
public_law
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1,970
CH_BGE
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CH
Federation
c56c0900-b39a-482a-87f0-33b6b64cb34e
Urteilskopf 104 III 35 10. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour civile du 19 janvier 1978 dans la cause Banque cantonale vaudoise contre Masse en faillite Alpa SA
Regeste Eröffnung eines durch Verpfändung von Schuldbriefen gesicherten Bankkredites. Umfang des Rechts des Gläubigers an den verpfändeten Titeln.
Erwägungen ab Seite 35 BGE 104 III 35 S. 35 Extrait des considérants: 1. Le gage constitué sur une cédule hypothécaire est un gage sur une créance, régi par les art. 899 ss. CC (cf. OFTINGER, n. 20 ad art. 899, n. 131 ss. ad art. 901 CC ). Aux termes de l' art. 904 al. 1 CC , le gage constitué sur des créances produisant des intérêts ne s'étend, sauf convention contraire, qu'aux prestations courantes, à l'exclusion de celles qui sont échues antérieurement. Par "prestations courantes", il faut entendre les intérêts non échus lors de la réalisation ( ATF 41 III 455 ss.; ATF 71 III 157 , ATF 98 Ia 505 /506). En l'espèce, l'acte de nantissement général signé par les administrateurs d'Alpa S.A. le 12 juillet 1972 dispose, à sa clause 1: "Le droit de gage s'étend à tous les accessoires des créances tels qu'intérêts, dividendes, droits de souscription, plus-values, accroissements, bonus et autres privilèges, etc., échus, courants et futurs." Cette clause a été passée en la forme prescrite par l' art. 900 al. 3 CC . Contrairement à ce que prétend l'intimée, elle est claire: elle étend le gage aux intérêts échus de la créance remise en nantissement. Rien ne s'y oppose, selon la jurisprudence fédérale, constante depuis 1918. Dés lors qu'on admet la validité du nantissement des titres hypothécaires créés au nom du propriétaire lui-même ( ATF 41 III 236 ss. consid. 5), force est de considérer comme juridiquement possible que le gage comprend non seulement le capital constaté par le titre, mais encore les intérêts dus en vertu de ce titre, voire même, si les parties en sont convenues, les intérêts déjà échus lors de la constitution du gage: la protection accordée par la loi aux créanciers hypothécaires postérieurs consiste uniquement en ce que le droit de gage sur les intérêts garantis BGE 104 III 35 S. 36 par hypothèque doit être limité aux intérêts de trois années échus au moment de l'ouverture de la faillite ou de la réquisition de vente et aux intérêts courants ( art. 818 al. 1 ch. 3 CC ) ( ATF 44 II 250 ss.; cf. ATF 51 II 153 ss.; ATF 102 III 93 consid. 3 a. La possibilité d'un nantissement proprement dit sur les titres hypothécaires du propriétaire est niée par Guisan, selon lequel le nantissement de pareils titres confère un droit d'hypothèque sur l'immeuble: JdT 1926 I p. 227 ss., 231 thèse 2. Mais, dans cette hypothèse, l' art. 818 al. 1 ch. 3 CC s'appliquerait alors, de par la loi, au gage immobilier). Sans doute, la lettre de la Banque cantonale vaudoise, du 5 juillet 1972, ne mentionne pas cette extension du gage aux intérêts échus. Mais, comme la cour cantonale l'a relevé avec raison, cela n'est pas déterminant. La lettre du 5 juillet 1972 est une simple confirmation de l'accord général sur l'ouverture du crédit. Elle n'avait manifestement pas pour objet de fixer dans tous leurs détails les obligations réciproques des parties. Celles du débiteur ne pouvaient découler, qu'il s'agît des cessions de créances ou des modalités du nantissement des cédules, que d'un acte écrit, signé par l'emprunteur: l'engagement d'Alpa S.A., concernant la mise en gage des cédules, résulte de l'acte du 12 juillet 1972, que les administrateurs d'Alpa S.A. ont délibérément signé. 2. En vertu de l'art. 126 ORI, la Banque cantonale vaudoise doit être colloquée comme garantie par le gage mobilier, soit la cédule, dans toute son étendue, c'est-à-dire y compris les intérêts échus. C'est ce montant, soit "le montant pour lequel la créance garantie par nantissement a été colloquée", qu'il faut porter à l'état des charges, dans les limites de l' art. 818 CC .
null
nan
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1,978
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CH_BGE_005
CH
Federation
c56c70e0-8d08-4ec9-a4ac-cc47130c218f
Urteilskopf 134 II 25 3. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit public dans la cause X. contre Service de la population (recours en matière de droit public) 2C_223/2007 du 18 octobre 2007
Regeste Anwendbarkeit des Freizügigkeitsabkommens; öffentliche Ordnung; Anspruch auf Familiennachzug ( Art. 8 EMRK ); EU-Bürger, der in seiner Heimat wegen Steuerdelikten gesucht wird. Im Ausland begangene Steuerdelikte können Massnahmen aus Gründen der öffentlichen Ordnung im Sinne von Art. 5 Anhang I FZA rechtfertigen, auch wenn die Schweiz selber für derartige Vergehen vorab Geldstrafen vorsieht, denen - mehr als in anderen Staaten - administrativer Charakter zukommt (E. 4.3.1). Frage offengelassen, ob im konkreten Fall eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung vorliegt (E. 4.3.2). Hinsichtlich der Einreise in den Gaststaat vermag sich nur auf die Personenfreizügigkeit zu berufen, wer frei aus seinem Herkunftsstaat ausreisen kann (vgl. Art. 1 Abs. 1 Anhang I FZA ). Bei einer Person, die von ihrem Heimatstaat mit internationalem Haftbefehl gesucht wird, ist diese Voraussetzung nicht erfüllt; das Freizügigkeitsabkommen findet auf sie keine Anwendung (E. 5). In einem solchen Fall ergibt sich auch aus Art. 8 EMRK kein Anspruch auf Familiennachzug (E. 6).
Sachverhalt ab Seite 26 BGE 134 II 25 S. 26 Le 3 septembre 2005, X., ressortissant britannique né en 1953, a tenté d'entrer en Suisse au moyen de faux papiers. Après enquête, il est apparu qu'il avait été condamné par la justice de son pays à une peine de neuf ans d'emprisonnement pour une affaire de fraude BGE 134 II 25 S. 27 fiscale, qu'il s'était évadé de son lieu de détention et qu'il était recherché par Interpol à la demande des autorités britanniques. Par ordonnance pénale du 24 avril 2006, le Juge d'instruction de l'arrondissement de Lausanne a condamné X. à une amende de 1'200 fr. assortie d'un délai d'épreuve et de radiation d'un an " pour avoir sciemment utilisé de faux papiers de légitimation dans le domaine de la police des étrangers "; le juge a estimé que l'infraction était de peu de gravité et qu'il n'y avait pas lieu de tenir compte des antécédents judiciaires de l'intéressé en Grande-Bretagne, du moment que l'Office fédéral de la justice n'avait pas donné suite à la demande d'extradition présentée par ce pays. Entre-temps, X. s'est installé dans le canton de Vaud avec son épouse Y., née en 1958, et leur fille Z., née en 1991, qui ont chacune obtenu une autorisation de séjour CE/AELE, la première au titre de personne sans activité lucrative (dès le 14 novembre 2005), la seconde au bénéfice d'un statut d'étudiante (dès le 9 septembre 2005). Le 5 janvier 2006, X. a requis pour lui-même l'octroi d'une autorisation de séjour CE/AELE pour personne sans activité lucrative (rentier) ainsi qu'au titre du regroupement familial; il a précisé qu'il disposait avec son épouse d'une fortune et de revenus confortables - cette dernière avait acquis, le 22 décembre 2005, une maison d'une valeur de 4'200'000 fr. à Montreux - ainsi que d'une assurance-maladie couvrant tous les risques. Par décision du 19 juillet 2006, le Service cantonal de la population du canton de Vaud (ci-après: le Service cantonal) a refusé de délivrer à X. l'autorisation de séjour sollicitée en considération de ses antécédents judiciaires en Grande-Bretagne et en Suisse. Saisi d'un recours de X. formé contre la décision précitée du Service cantonal, le Tribunal administratif du canton de Vaud (ci-après: le Tribunal administratif) l'a rejeté, par arrêt du 12 avril 2007. En bref, les juges ont retenu que, même si l'Office fédéral de la justice n'avait pas donné suite à la demande d'extradition britannique, en raison semble-t-il de la nature fiscale des infractions reprochées, celles-ci apparaissaient néanmoins particulièrement graves et ne permettaient pas d'exclure " tout risque de récidive " de la part de l'intéressé; aussi bien se justifiait-il, selon le Tribunal administratif, de refuser l'autorisation de séjour sollicitée, en raison de l'existence d'un motif d'ordre public au sens de l'art. 5 annexe I de l'Accord du 21 juin 1999 entre la Confédération suisse, d'une part, et la Communauté BGE 134 II 25 S. 28 européenne et ses Etats membres, d'autre part, sur la libre circulation des personnes (ALCP; RS 0.142.112.681 [ci-après: Accord sur la libre circulation des personnes ou Accord]). X. forme un recours en matière de droit public contre l'arrêt précité du Tribunal administratif. Il conclut à l'annulation de ce prononcé et à l'octroi d'une autorisation de séjour. Il se plaint notamment d'application erronée de l'Accord sur la libre circulation des personnes et d'atteinte au droit au respect de la vie familiale garanti à l' art. 8 CEDH . Le Tribunal fédéral a rejeté le recours. Erwägungen Extrait des considérants: 4. 4.1 Selon les constatations du Tribunal administratif, le recourant a été condamné par la justice britannique à une peine de neuf ans de prison pour s'être rendu coupable d'une soustraction fiscale en matière de taxe sur la valeur ajoutée (TVA) portant sur un montant d'environ 38 millions de livres sterling (soit plus de 90 millions de francs suisses). Il ne s'agit pas, selon les premiers juges, d'un simple cas d'évasion fiscale, mais d'une véritable fraude fiscale: le forfait a été commis en bande (par association de malfaiteurs) et l'intéressé a eu recours à des sociétés basées au Royaume-Uni, en Irlande et en Espagne; en outre, il aurait reconnu deux actes tombant sous le coup de la législation britannique en matière de lutte contre le blanchiment d'argent. L'arrêt attaqué retient ensuite que le recourant s'est évadé de son lieu de détention le 23 février 2005 et qu'il s'est réfugié en Espagne. C'est apparemment pour échapper au mandat d'arrêt international délivré à son encontre par la Grande-Bretagne qu'il a, selon les premiers juges, décidé de fuir l'Espagne pour tenter d'entrer en Suisse le 3 septembre 2005 sous une fausse identité, " commettant ainsi un délit pénal dès son entrée sur le territoire suisse ". Le Tribunal administratif déduit des faits ainsi constatés que le recourant constitue une menace réelle et actuelle pour l'ordre public au sens de l' art. 5 annexe I ALCP : les infractions qu'il a commises dans son pays sont graves et ont du reste été lourdement sanctionnées; par ailleurs, le risque qu'il " s'adonne à d'autres activités délictueuses n'est pas totalement exclu " au vu notamment de son comportement depuis sa condamnation (évasion, fuite en Espagne, acquisition et utilisation de faux papiers). BGE 134 II 25 S. 29 4.2 (Le Tribunal fédéral est lié par les faits constatés souverainement par l'autorité cantonale.) 4.3 4.3.1 Sur le fond, le recourant estime que les actes pour lesquels il a été condamné en Grande-Bretagne et en Suisse ne présentent pas un degré de gravité suffisant pour justifier des mesures d'ordre public au sens de l' art. 5 annexe I ALCP . Il en veut notamment pour preuve le fait que les autorités suisses n'ont pas donné suite à la demande d'extradition le concernant présentée par les autorités britanniques. En l'espèce, on ignore le détail des infractions commises par le recourant en Grande-Bretagne. Peu importe toutefois, car il suffit de constater que, selon les faits retenus par le Tribunal administratif, l'intéressé a soustrait au fisc de son pays de très importantes sommes dues au titre de la TVA. Or, même si les peines prévues à cet effet sont principalement d'ordre pécuniaire et ont un caractère administratif plus marqué que dans d'autres Etats (cf. art. 85 ss de la loi fédérale du 2 septembre 1999 régissant la taxe sur la valeur ajoutée [loi sur la TVA, LTVA; RS 641.20]), les faits pour lesquels le recourant a été condamné dans son pays font également l'objet de " mesures répressives " en Suisse au sens de la jurisprudence rendue par la Cour de justice des Communautés européennes (CJCE) à propos de la directive 64/221/CEE à laquelle il est fait référence à l' art. 5 par. 2 annexe I ALCP (cf. arrêt de la CJCE du 18 mai 1982, Adoui et Cornuaille , C-115 et 116/81, Rec. 1982, p. II-1665, point 8). En conséquence, les antécédents pénaux de l'intéressé en Grande-Bretagne sont susceptibles de justifier des mesures d'ordre public fondées sur l' art. 5 annexe I ALCP (cf. ATF 130 II 493 consid. 3.2 p. 489, ATF 130 II 176 consid. 3.4.1 p. 182 s. et les arrêts cités de la CJCE), sans préjudice des motifs - qui tiennent apparemment à la nature fiscale des actes incriminés - pour lesquels l'autorité suisse compétente a refusé de faire droit à la demande d'extradition britannique. 4.3.2 Le recourant soutient que ses antécédents ne permettent cependant pas de conclure à l'existence d'une menace actuelle pour l'ordre public suisse. Il souligne qu'à l'exception de sa condamnation à une amende de 1'200 fr. pour une infraction mineure à la loi fédérale du 26 mars 1931 sur le séjour et l'établissement des étrangers (LSEE; RS 142.20), son comportement est exempt de toute critique depuis qu'il vit en Suisse. En l'espèce, certains éléments ressortant de l'arrêt attaqué suggèrent que les délits fiscaux commis par le recourant en Grande-Bretagne BGE 134 II 25 S. 30 sont particulièrement graves (importance des montants soustraits au fisc; commission des infractions en bande; apparente utilisation de sociétés écrans à l'étranger; évocation d'actes de blanchiment; etc.). Par ailleurs, quoi qu'en dise le recourant, on ne saurait non plus sous-estimer la gravité des faits qui lui sont reprochés en Suisse. L'utilisation de faux papiers atteste en effet que l'intéressé reste prêt, comme dans le passé, à tromper la confiance des autorités, cas échéant pour commettre des infractions. Au vu de ses antécédents, on peut notamment redouter qu'il ne cherche à tirer profit de sa présence en Suisse pour se livrer à des activités criminelles en matières économique et financière, par exemple pour blanchir de l'argent. Pour autant, il ne s'agit là que de suppositions que les faits constatés dans l'arrêt attaqué ne permettent pas d'étayer à suffisance de droit. L'existence d'une menace actuelle pour l'ordre public ne se laisse en effet pas déduire, contrairement à l'opinion des premiers juges, du simple constat que tout risque de récidive (entendu dans le sens large de commission d'une infraction) ne peut pas être écarté dans un cas particulier. Ce serait aller trop loin que de poser une telle exigence. En réalité, c'est en fonction de l'ensemble des circonstances du cas que doit s'apprécier un risque de récidive, à commencer par la nature et l'importance du bien juridique menacé ainsi que par la gravité de l'atteinte potentielle qui pourrait y être portée (cf. ATF 130 II 493 consid. 3.3 p. 499 s., ATF 130 II 176 consid. 4.3.1 p. 185/186 et les références citées, en particulier à l'arrêt de la CJCE du 27 octobre 1977, Bouchereau , C-30/77, Rec. 1977, p. II-1999, points 27 ss). Or, l'arrêt attaqué ne contient aucune constatation à cet égard. La question peut néanmoins rester indécise, car le recours est de toute façon mal fondé pour un autre motif. 5. Comme l'a constaté le Tribunal administratif, le but du séjour en Suisse du recourant vise essentiellement - sinon exclusivement - à lui permettre d'échapper à la longue peine privative de liberté à laquelle il a été condamné en Grande-Bretagne (neuf années de prison et quatre années supplémentaires s'il ne respecte pas une convention de remboursement passée avec l'Etat britannique). C'est d'ailleurs, selon toute vraisemblance et comme l'ont retenu les premiers juges, par crainte d'être extradé vers son pays après la diffusion du mandat d'arrêt international délivré par Interpol que l'intéressé n'est pas resté en Espagne mais a préféré gagner la Suisse. Par rapport à d'autres destinations où la libre circulation s'exerce également, il a donc choisi notre pays à seule fin de faire échec à son extradition. BGE 134 II 25 S. 31 Autrement dit, le recourant n'est pas venu en Suisse, à proprement parler, pour exercer son droit à la libre circulation, mais pour échapper à la justice britannique. Or, pareille hypothèse n'est pas visée et protégée par l'Accord sur la libre circulation des personnes: la liberté de circuler présuppose en effet que celui qui s'en prévaut ne soit pas seulement autorisé à entrer librement dans le pays d'accueil, mais aussi qu'il puisse librement quitter le pays d'origine. Du reste, l'exercice du plus simple et du plus élémentaire des droits liés à la libre circulation, soit celui d'entrer sur le territoire d'une partie contractante ou d'en sortir, exige " la présentation d'une carte d'identité ou d'un passeport en cours de validité " (cf. art. 1 par. 1 annexe I ALCP ), soit d'un document qui ne peut être établi que par l'Etat d'origine. Par ailleurs, comme il l'exprime dans son préambule, l'Accord repose sur l'affirmation que " la liberté des personnes de circuler sur les territoires des parties contractantes constitue un élément important pour le développement harmonieux de leurs relations ". Or, un tel esprit de concorde et de coopération serait mis à mal si une partie contractante était amenée à délivrer une autorisation de séjour au ressortissant d'une autre partie contractante recherché par la justice de cet Etat. Dans ces conditions, le recourant ne peut pas se prévaloir des droits garantis par l'Accord sur la libre circulation. Il est du reste plus que douteux qu'il puisse obtenir, le moment venu, le renouvellement de son passeport britannique qui viendra à échéance le 29 décembre 2008, du moins s'il expose alors correctement sa situation aux autorités consulaires britanniques. Cette interprétation de l'Accord n'entre pas en contradiction avec la politique suivie par la Suisse en matière d'extradition: il y a en effet une différence notable entre le fait d'arrêter et de livrer une personne à son pays d'origine et le fait de lui refuser une autorisation de séjour et de l'inviter à quitter la Suisse. Dans le cas particulier, le refus de permis de séjour opposé au recourant sera assorti d'un nouveau délai de départ et l'intéressé aura tout loisir de quitter volontairement la Suisse pour une destination de son choix. 6. Enfin, le recourant ne peut tirer avantage du droit au respect de la vie familiale garanti à l' art. 8 CEDH . En effet, selon une jurisprudence constante de la Cour européenne des droits de l'homme, ce n'est que dans des circonstances exceptionnelles que cette disposition conventionnelle peut conduire à la reconnaissance d'une véritable obligation (positive) de l'Etat requis d'accorder une autorisation BGE 134 II 25 S. 32 de séjour au titre du regroupement familial, soit lorsqu'il apparaît, au terme d'une pesée de tous les intérêts (privés et publics) en présence, que l'on ne saurait raisonnablement exiger des personnes concernées qu'elles aillent vivre leurs relations familiales dans un autre pays (cf. JEAN-FRANÇOIS AKANDJI-KOMBE, Les obligations positives en vertu de la Convention européenne des Droits de l'Homme, in Série "Précis sur les droits de l'homme", n° 7, Conseil de l'Europe [éd.], Strasbourg 2006, p. 45 et les références citées). Or, en l'espèce, le recourant et sa famille, arrivés depuis peu de temps en Suisse, n'y ont apparemment pas d'attaches d'une intensité particulière. Par ailleurs, l'épouse et la fille du recourant savaient que ce dernier n'avait pas d'autorisation de séjour et qu'il courait le risque de n'en pas obtenir sous sa véritable identité; elles devaient dès lors compter avec la perspective de vivre séparées de l'intéressé ou de quitter la Suisse si elles voulaient le suivre. Du reste, rien n'empêche la famille de s'installer dans un autre pays, sinon les déboires du recourant avec la justice britannique - motif qui ne saurait toutefois entrer en ligne de compte dans le cas particulier sous l'angle de l' art. 8 CEDH . Le grief tiré de la violation de l' art. 8 CEDH et du principe de la proportionnalité est dès lors mal fondé.
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2,007
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Federation
c56cf6a7-d506-4845-8410-01241c4c931c
Urteilskopf 121 III 145 31. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 5. April 1995 i.S. S. R. und A. R. gegen Regierungsrat des Kantons Bern (Berufung)
Regeste Namensänderung bei einem Kind nicht verheirateter Eltern ( Art. 30 Abs. 1 ZGB ; Art. 270 Abs. 2 ZGB ). Angesichts des in den letzten Jahren eingetretenen Sinneswandels in der Beurteilung ausserehelicher Kindesverhältnisse lässt sich allein in der Tatsache des stabilen Konkubinatsverhältnisses zwischen der Mutter als Inhaberin der elterlichen Gewalt und dem Konkubinatspartner als leiblichem Vater des in ihrer Hausgemeinschaft lebenden Kindes nicht mehr ein wichtiger Grund im Sinne von Art. 30 Abs. 1 ZGB erblicken. Vielmehr muss vom Kind verlangt werden, dass es in seinem Gesuch konkret aufzeigt, inwiefern ihm durch die von Gesetzes wegen vorgesehene Führung des Namens seiner Mutter ( Art. 270 Abs. 2 ZGB ) soziale Nachteile erwachsen, welche als wichtige Gründe für eine Namensänderung in Betracht gezogen werden können (E. 2; Änderung der Rechtsprechung).
Sachverhalt ab Seite 146 BGE 121 III 145 S. 146 A.- S. R., geb. 1982, und A. R., geb. 1988, sind Kinder aus verschiedenen Verbindungen ihrer Mutter, C. R.. Während die Tochter, S. R., einer früheren Ehe ihrer Mutter entstammt, ist A. R. Sohn von K. S.. C. R. und K. S. leben seit 1985 in Lebensgemeinschaft. Beide Kinder wachsen in dieser Gemeinschaft auf. K. S. ist immer noch mit U. Sch. verheiratet. Aus dieser Ehe entspross eine Tochter namens F., geb. 1984, welche sich bei ihrer Mutter aufhält. Die Familien R./S. und S.-Sch. leben nahe beieinander und pflegen enge familiäre Beziehungen zueinander. C. R. ersuchte nach der Geburt des Sohnes A. R. um Änderung seines Familiennamens R. in denjenigen des Vaters S. Dieses Begehren wurde jedoch mit Verfügung der Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern vom 4. August 1989 abgewiesen. Diese Direktion wies auch eine Einsprache von C. R. gegen den Entscheid kostenfällig ab. B.- Mit Eingabe vom 26. Januar 1993 liessen S. R. und A. R., vertreten durch ihre Mutter als Inhaberin der elterlichen Gewalt, bei der Polizei- und Militärdirektion das Gesuch stellen, es sei ihnen zu gestatten, den Familiennamen S. zu tragen. Die Direktion und sodann, auf Beschwerde hin, der Regierungsrat des Kantons Bern wiesen beide Gesuche kostenfällig ab. C.- Gegen den Entscheid des Regierungsrates vom 2. November 1994 haben S. R. und A. R. beim Bundesgericht unter anderem Berufung eingereicht. Damit stellen sie den Antrag, es sei ihnen zu gestatten, den Namen S. zu führen. Der Regierungsrat des Kantons Bern lässt Abweisung dieses Rechtsmittels beantragen. Das Bundesgericht weist die Berufung ab. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. a) Nach Art. 30 Abs. 1 ZGB kann die Regierung des Wohnsitzkantons einer Person die Änderung des Namens bewilligen, wenn wichtige Gründe vorliegen. BGE 121 III 145 S. 147 Bezüglich der Änderung des Familiennamens unmündiger Kinder hat das Bundesgericht sowohl unter dem alten, nur unter dem Gesichtspunkt der Willkür überprüfbaren Recht, als auch unter der revidierten Gesetzesbestimmung, deren Verletzung nunmehr mit Berufung gerügt werden kann, eine relativ grosszügige Praxis zur Auslegung des wichtigen Grundes entwickelt. So hat es insbesondere eine Namensänderung gestattet, wenn das Kind bei einer Person mit anderem Namen aufwächst, die faktisch die Elternstelle versieht, die Übereinstimmung des Namens nicht oder nicht ohne weiteres durch Standesänderung herbeigeführt werden kann und die Namensänderung tatsächlich im Interesse dieses Kindes liegt. In diesem Sinne wurde eine Änderung des Namens regelmässig insbesondere für Kinder bewilligt, welche nach der Scheidung ihrer Eltern mit der Mutter zusammenleben, die ihren früheren Namen wieder angenommen hat ( BGE 109 II 177 E. 3 und 4 S. 179; BGE 110 II 433 ). Einer Namensänderung ist sodann in der Regel auch zugestimmt worden, wenn die Kinder mit Mutter und Stiefvater zusammenleben ( BGE 99 Ia 561 ); in bezug auf diesen Fall hat das Bundesgericht indes - wenn auch in einem unveröffentlichten Entscheid - hervorgehoben, allein im allgemeinen Hinweis des Kindes, es entspreche seinem Wohl, in Namenseinheit mit seiner Mutter und dem Stiefvater zu leben, sei kein wichtiger Grund für die Änderung des Familiennamens zu erblicken (nicht veröffentlichter Entscheid i.S. M. vom 12. August 1993, E. 2c). Bis in die neuere Zeit hinein wurden überdies auch Änderungen des Namens gestattet für Kinder, die zusammen mit ihrer Mutter und deren Konkubinatspartner wohnen, sofern dieser der leibliche Vater der Kinder ist und das Konkubinatsverhältnis dauerhaft und stabil erscheint. Dabei liess sich das Bundesgericht vom Gedanken leiten, dass einem Kind nicht miteinander verheirateter Eltern gesellschaftliche Nachteile erwachsen, wenn aufgrund seines Namens seine aussereheliche Geburt erkennbar werde ( BGE 105 II 241 , 247; BGE 107 II 289 , BGE 119 II 307 E. 3c S. 309 mit Hinweisen). Dem Kind wurde daher regelmässig ein legitimes Interesse daran zugestanden, seinen Namen mit demjenigen seiner sozialen Familie in Einklang zu bringen (vgl. nicht veröffentlichtes Urteil des Bundesgerichts i.S. J. & T./T. vom 8. November 1990, E. 3c). In einem weiteren Entscheid hat das Bundesgericht schliesslich präzisiert, wichtige Gründe für eine Namensänderung eines ausserehelichen Kindes lägen nicht vor, wenn seine nicht verheirateten Eltern nicht zusammenleben ( BGE 117 II 6 ). BGE 121 III 145 S. 148 b) Die grosszügige Rechtsprechung des Bundesgerichts zur Namensänderungspraxis im Konkubinat lebender Kinder ist von der Lehre teils begrüsst (BERNARD SCHNEIDER, Situation juridique des enfants de concubins, in: Zeitschrift für Vormundschaftswesen (ZVW) 36/1981, S. 131/132 und Anm. 23), grösstenteils aber kritisiert worden (GUINAND, L'évolution de la jurisprudence en matière de changement de nom, in: Zeitschrift für Zivilstandswesen (ZZW) 48/1980, S. 358-361; LIVER, Die privatrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahre 1979, in: ZBJV 117/1981, S. 67; DENISE MANGOLD, Familiennamensänderungen im Kanton Basel-Stadt unter Berücksichtigung von Fällen aus dem Bereiche des IPR, Diss. Basel 1981, S. 116; ANDREAS BRAUCHLI, Das Kindeswohl als Maxime des Rechts, Diss. ZH 1982, S. 89 ff.; STETTLER, Le nom, le droit de cité et le domicile de l'enfant à la suite de diverses réformes législatives, in: ZVW 42/1987, S. 85 f., HEGNAUER, N. 88 f. zu Art. 270; GEISER, Die neuere Namensänderungspraxis des schweizerischen Bundesgerichts, in: ZZW 61/1993, S. 379 und 382). c) Mit Blick auf die zahlreichen Eineltern- oder Konkubinatsfamilien und die damit bzw. mit der Revision des Kindesrechts erfolgte gesellschaftliche Änderung in der Beurteilung ausserehelicher Kindesverhältnisse lässt sich nicht mehr damit argumentieren, die Übernahme des väterlichen Namens vermöge generell den sozialen Nachteilen zu begegnen, welche diese Kinder wegen des Namensunterschieds in Kauf zu nehmen hätten. Solche Nachteile müssten zudem ernsthafter Natur sein. Zudem lässt sich mit der Übernahme des väterlichen Namens durch das Kind die angestrebte Einheit des Familiennamens ohne Standesänderung ohnehin nicht erreichen. Angesichts des bereits seit einigen Jahren in der sozialen Umwelt eingetretenen Sinneswandels lässt sich somit allein in der Tatsache des stabilen Konkubinatsverhältnisses zwischen der Mutter als Inhaberin der elterlichen Gewalt und dem Konkubinatspartner als leiblichem Vater des in ihrer Hausgemeinschaft lebenden Kindes nicht mehr ein wichtiger Grund im Sinne von Art. 30 Abs. 1 ZGB erblicken. Vielmehr muss vom Kind verlangt werden, dass es in seinem Gesuch konkret aufzeigt, inwiefern ihm durch die von Gesetzes wegen vorgesehene Führung des Namens seiner Mutter ( Art. 270 Abs. 2 ZGB ) ernsthafte soziale Nachteile erwachsen, welche als wichtige Gründe für eine Namensänderung in Betracht gezogen werden können.
null
nan
de
1,995
CH_BGE
CH_BGE_005
CH
Federation
c56d4841-085d-4e73-811f-41493df733e8
Urteilskopf 114 Ib 196 30. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 31. Oktober 1988 i.S. X. AG gegen Rheinschiffahrtsdirektion Basel und Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
Regeste Art. 4 Bundesgesetz über das Schiffsregister (SR 747.11). Voraussetzungen von Art. 4 Abs. 2 lit. b des Bundesgesetzes über das Schiffsregister, wonach das Schiff einer wirtschaftlich und geschäftlich selbständigen Unternehmung oder Zweigniederlassung gehören muss, die über eine für den Betrieb, die Ausrüstung und die Bemannung des Schiffes zweckmässig ausgebaute Betriebsorganisation in der Schweiz verfügt.
Sachverhalt ab Seite 196 BGE 114 Ib 196 S. 196 Die X. AG stellte am 3. Oktober 1986 bei der Rheinschiffahrtsdirektion Basel das Gesuch um eine Bescheinigung gemäss Art. 4 Abs. 2 und 3 des Bundesgesetzes über das Schiffsregister. Der Sache nach ging es darum, das der Gesuchstellerin gehörende Motorschiff auch unter den Voraussetzungen, die neu durch die am 15. Juli 1986 in Kraft getretene Gesetzesrevision (AS 1986 1130 1134, BBl 1984 II 1453) geschaffen worden waren, im Schiffsregister eintragen zu lassen. Die Rheinschiffahrtsdirektion lehnte den Antrag auf Ausstellung der verlangten Bescheinigung ab, und die gegen ihre Verfügung erhobenen Rekurse wurden vom Wirtschafts- un Sozialdepartement BGE 114 Ib 196 S. 197 des Kantons Basel-Stadt und vom Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt abgewiesen. Das Bundesgericht wies die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ab, soweit darauf einzutreten war. Erwägungen Aus den Erwägungen: 4. Nach Art. 4 Abs. 2 lit. b des Bundesgesetzes über das Schiffsregister müssen für die Aufnahme im Schiffsregister zwei Voraussetzungen erfüllt sein: Das Schiff muss einer wirtschaftlich und geschäftlich selbständigen Unternehmung oder Zweigniederlassung gehören; und sodann muss diese Unternehmung oder Zweigniederlassung in der Schweiz über eine Betriebsorganisation verfügen, welche für den Betrieb, die Ausrüstung und die Bemannung des Schiffes zweckmässig ausgebaut ist. Art. 12 Abs. 2 der Schiffsregisterverordnung umschreibt diese Voraussetzungen dahingehend näher, dass - wenn mit der Geschäftsführung oder Verwaltung einer Einzelfirma, Handelsgesellschaft oder juristischen Person mehrere Personen betraut sind - deren Mehrheit Wohnsitz in der Schweiz haben muss. Ferner verlangt Art. 14 Abs. 1 lit. b der Schiffsregisterverordnung, dass eine Unternehmung im Sinne der genannten Gesetzesbestimmung in der Schweiz den Mittelpunkt ihrer geschäftlichen Tätigkeit besitzt und von hier aus den Betrieb des Schiffes leitet. Dem bei den Akten liegenden Handelsregisterauszug ist nun aber zu entnehmen, dass von den vier Zeichnungsberechtigten der X. AG deren drei - als Geschäftsführer bezeichnet - ihren Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland haben. Die Mehrheit der Geschäftsführung hat somit nicht Wohnsitz in der Schweiz, was allein Grund genug wäre, die Aufnahme des der X. AG gehörenden Motorschiffes in das Schiffsregister zu verweigern. Der einzige Verwaltungsrat führt im Hauptberuf ein Treuhandbüro; dass er die Voraussetzungen für die fachkundige Leitung des Schiffahrtsbetriebes nicht erfüllt, hat als unbestritten zu gelten, begnügt sich die Beschwerdeführerin doch in diesem Punkt mit der wenig aussagekräftigen Behauptung, der Verwaltungsrat verfüge persönlich "über eine langjährige Erfahrung und über genügend Beziehungen durch die AG, Aktionäre und Geschäftsführer". Es fehlt somit an der wirtschaftlichen und geschäftlichen Selbständigkeit der X. AG, welche ihre Weiterexistenz auch bei Wegfall der Beziehung zur Y. KG gewährleisten würde. Das Motorschiff könnte daher selbst dann nicht in das Schiffsregister aufgenommen BGE 114 Ib 196 S. 198 werden, wenn die X. AG lediglich als Zweigniederlassung zu betrachten wäre. Es steht auch fest, dass die Beschwerdeführerin über keine für den Betrieb, die Ausrüstung und die Bemannung des Schiffes genügend ausgebaute Betriebsorganisation verfügt. Dass der einzige Verwaltungsrat der X. AG deren Buchhaltung und Steuerangelegenheiten betreut, genügt für die Betriebsorganisation selbstverständlich nicht. In ihrer Rekursschrift an das Wirtschafts- und Sozialdepartement des Kantons Basel-Stadt hat die X. AG selber ausgeführt: "Wir haben bisher ein einziges Schiff erworben, das wir vorerst vermietet haben. Aus diesem Grund haben wir als Übergangslösung für die Verwaltung eine angemessene Regelung mit der Z. in Pratteln gefunden. Es ist jedoch beabsichtigt, dass wir weitere Schiffe erwerben und diese dann auch selbst betreiben werden. Sobald es sich wirtschaftlich rechtfertigt, werden wir auch eine geeignete Betriebsorganisation mit eigenem Personal in der Schweiz aufbauen." Die Beschwerdeführerin wendet allerdings ein, im Falle der Schiffsvermietung bedürfe nur der Mieter einer voll ausgebauten Betriebsorganisation; vom Vermieter werde lediglich eine minimale Infrastruktur verlangt, wie die X. AG sie mit eigenen Räumlichkeiten, eigenem Telefonanschluss und der Person des Verwaltungsrats am Sitz der Gesellschaft aufweise. Indessen verträgt sich diese Darstellung nicht mit der Auffassung, die der Bundesrat in seiner Botschaft vom 29. August 1984 vertreten hat und worin er unterstrichen hat, dass reine Domizilgesellschaften oder Briefkastenfirmen ausscheiden sollen. Zwar hält der Bundesrat die gesetzlichen Anforderungen auch als erfüllt, wenn ein Eigentümer einzelne Schiffe zeitweilig an eine andere Gesellschaft vermietet; jedoch soll er dank eigener Mittel jederzeit in der Lage sein, die Schiffe selber zu bereedern (BBl 1984 II 1466 f.). Nichts zu ihren Gunsten kann die Beschwerdeführerin sodann aus Art. 15 der Schiffsregisterverordnung ableiten, worin die Voraussetzungen umschrieben sind, die ein Binnenreeder erfüllen muss, der nicht Eigentümer ist. Aus dem Umstand, dass der Schiffsmieter die Voraussetzungen erfüllen muss, welche Gesetz und Verordnung für den Eigentümer aufstellen, lässt sich nicht schliessen, dass letzterer nicht auch über eine zweckmässig ausgebaute Betriebsorganisation verfügen müsse. Nur wenn auf dieser Voraussetzung bestanden wird, wird das gesetzgeberische Ziel, Domizilgesellschaften auszuscheiden, erreicht. Nun fehlt es aber BGE 114 Ib 196 S. 199 bei der Beschwerdeführerin an einer vorschriftsgemäss ausgebauten Betriebsorganisation, so dass befürchtet werden muss, dass der einzige Verwaltungsrat mit Wohnsitz in der Schweiz bei Auflösung der Beziehungen zum ausrüstenden Unternehmen nicht in der Lage wäre, den Schiffahrtsbetrieb weiterzuführen. Wie die Rheinschiffahrtsdirektion Basel in ihrer dem Bundesgericht eingereichten Vernehmlassung zutreffend ausführt, muss beim Schiffseigentümer fachkundiges Reedereipersonal - zumindest ein fachkundiger Schiffsbetriebsleiter - angestellt sein, damit er jederzeit und ohne eingreifende Neuorganisation die Aufgaben des Ausrüsters und Reeders wahrnehmen kann. Auch wenn die Ausrüstung von einem Mieter übernommen wird, hat der Eigentümer Aufgaben zu erfüllen, welche auf die Schiffahrt ausgerichtete Kenntnisse und Erfahrungen wie auch eine entsprechende Organisation verlangen. Dass ihre Organisation nicht zu genügen vermag, sieht denn auch die Beschwerdeführerin ein, hat sie den gegenwärtigen Zustand doch selbst als Übergangslösung bezeichnet und für die Zukunft den Aufbau einer zweckmässigen Betriebsorganisation mit eigenem Personal in der Schweiz in Aussicht gestellt. Wenn auch in der Botschaft (a.a.O.) Domizilgesellschaften und Briefkastenfirmen dadurch charakterisiert werden, dass sie über keine Büroräumlichkeiten und keinen eigenen Telefonanschluss verfügen, so kann daraus nicht der Umkehrschluss gezogen werden, wer diese Voraussetzungen erfülle, sei bereits als Ausrüster oder Reeder ausgewiesen. Erforderlich ist vielmehr, wie die Botschaft an derselben Stelle ausführt, auch fachkundiges Reedereipersonal, das selbständig in der Lage wäre, ein Rheinschiff auszurüsten und zu bemannen, die erforderlichen Reparaturarbeiten anzuordnen, Frachtgeschäfte abzuschliessen usw. Diese beruflichen Voraussetzungen erfüllt der einzige in der Schweiz wohnhafte Verwaltungsrat der X. AG nicht. Schliesslich entbindet der von der Beschwerdeführerin ins Feld geführte Umstand, dass sie wegen der Werbung der Schweizerischen Wirtschaftsförderung zur Firmengründung geschritten sei, sie nicht von der Pflicht, die Vorschriften des Bundesgesetzes über das Schiffsregister und der Schiffsregisterverordnung zu beobachten. Es ist verfehlt, den Behörden, welche dem Gesetz Nachachtung verschaffen, Handeln wider Treu und Glauben vorzuwerfen.
public_law
nan
de
1,988
CH_BGE
CH_BGE_003
CH
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c57638f0-c62e-40a8-b25d-fa46361c506f
Urteilskopf 114 II 295 53. Urteil der II. Zivilabteilung vom 7. Juli 1988 i.S. J. gegen B. (Berufung)
Regeste Art. 153 Abs. 1 ZGB ; Verlust des Rentenanspruchs des im Konkubinat lebenden geschiedenen Ehegatten. Lebt der rentenberechtigte geschiedene Ehegatte im Konkubinat, so ist im Hinblick auf eine analoge Anwendung von Art. 153 Abs. 1 ZGB möglichst umfassend zu prüfen, ob das Konkubinatsverhältnis eine der Ehe vergleichbare Gemeinschaft bildet. Der geschiedene Ehegatte verliert seine Scheidungsrente indessen nur dann, wenn sein Verhalten als rechtsmissbräuchlich erscheint. Dies ist bei einem durch lange Dauer stabilisierten Konkubinat in der Regel anzunehmen, wobei bei einem Konkubinat, das bei Einleitung der Abänderungsklage bereits fünf Jahre gedauert hat, die Beweislast umgekehrt wird. Dem geschiedenen Ehegatten bleibt anderseits der Nachweis offen, dass besondere und ernsthafte Gründe vorliegen, die der begründeten Erwartung einer eheähnlichen Versorgung entgegenstehen.
Sachverhalt ab Seite 296 BGE 114 II 295 S. 296 A.- J. und B. heirateten im Jahre 1954. Am 17. März 1977 wurde ihre Ehe durch das Amtsgericht Thun geschieden. In Ziff. 4 der gerichtlich genehmigten Ehescheidungskonvention verpflichtete sich J., seiner geschiedenen Ehefrau eine monatliche und indexierte Rente von Fr. 600.-- bis zum Eintritt ins AHV-Alter und anschliessend von Fr. 400.-- auszurichten. B.- Am 2. Juli 1986 reichte J. beim Amtsgericht Thun Klage auf Abänderung des Scheidungsurteils ein. Er beantragte, seine Unterhaltsverpflichtung gemäss Ziff. 4 der Scheidungskonvention sei mit Wirkung ab 31. Januar 1986 aufzuheben. Seine geschiedene Ehefrau sei zu verpflichten, die seit der Einleitung des gerichtlichen Verfahrens am 31. Januar 1986 ausgerichteten Unterhaltsbeiträge nebst Zins zu 5% seit deren jeweiligen Fälligkeit zurückzubezahlen. Zur Begründung machte er geltend, seine geschiedene Ehefrau lebe seit dem 1. Juli 1979 in einem eheähnlichen Verhältnis mit einem anderen Mann. Das Amtsgericht wies die Abänderungsklage am 17. Juni 1987 ab. J. erhob Appellation an den Appellationshof des Kantons Bern. Dieser wies die Klage mit Urteil vom 21. Dezember 1987 ebenfalls ab. C.- Gegen dieses Urteil hat J. Berufung an das Bundesgericht erhoben. Er beantragt die Aufhebung des angefochtenen Entscheides und wiederholt die im kantonalen Verfahren gestellten Anträge. Die geschiedene Ehegattin beantragt die Abweisung der Berufung. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Wird als Entschädigung, Genugtuung oder Unterhaltsbeitrag durch Urteil oder Vereinbarung eine Rente festgesetzt, so hört die Pflicht zur ihrer Entrichtung auf, wenn der berechtigte Ehegatte sich wieder verheiratet ( Art. 153 Abs. 1 ZGB ). BGE 114 II 295 S. 297 a) Das Bundesgericht ist in seiner jüngeren Rechtsprechung davon ausgegangen, es stelle einen offenbaren Rechtsmissbrauch dar, wenn der rentenberechtigte Ehegatte nach der Scheidung mit einem Angehörigen des anderen Geschlechts eine eheähnliche Lebensgemeinschaft eingehe, diesen aber nur deswegen nicht heirate, um den gesetzlichen Folgen des Rentenverlusts auszuweichen. Während der Nachweis der entsprechenden Umstände gemäss den Erwägungen von BGE 104 II 155 f. noch mehr oder weniger uneingeschränkt den Verlust des scheidungsrechtlichen Unterhaltsbeitrages nach sich ziehen sollte, sind die Voraussetzungen des Rentenverlustes in BGE 106 II 2 ff. genauer umschrieben worden. Unter Betonung der wirtschaftlichen Aspekte hat das Bundesgericht erwogen, von einem rechtsmissbräuchlichen Verhalten, das zum Verlust der Scheidungsrente führe, könne erst dann gesprochen werden, wenn der Rentenberechtigte aus der neuen Gemeinschaft ähnliche Vorteile ziehe, wie sie ihm die Ehe bieten würde, wenn also anzunehmen sei, der neue Partner biete ihm Beistand und Unterstützung, wie es Art. 159 Abs. 3 ZGB von einem Ehegatten fordere. In BGE 109 II 190 ist weiter präzisiert worden, dabei könne es selbstverständlich nicht darauf ankommen, ob der neue Partner dem rentenberechtigten geschiedenen Ehegatten einen wegfallenden scheidungsrechtlichen Unterhaltsbeitrag durch eigene finanzielle Leistungen vollwertig zu ersetzen vermöge und dazu auch gewillt sei; im Falle der Wiederverheiratung erlösche die Unterhaltspflicht des früheren Ehegatten ohne weiteres von Gesetzes wegen, und zwar auch dann, wenn keine Gewähr dafür bestehe, dass der Unterhalt in der neuen Ehe den Umfang desjenigen in der geschiedenen Ehe erreiche. Diese Präzisierung und der Hinweis auf Art. 159 Abs. 3 ZGB zeigen deutlich, dass es bei der neuen Gemeinschaft im Hinblick auf den Verlust eines scheidungsrechtlichen Unterhaltsbeitrages nicht allein auf grundsätzlich gleichwertige finanzielle Vorteile ankommt. Die Bereitschaft, einen Konkubinatspartner finanziell zu unterstützen, ist in aller Regel vielmehr Ausdruck der inneren Verbundenheit bzw. einer Schicksalsgemeinschaft, wie sie bei der Frage der Weitergeltung bzw. des Wegfalles der Scheidungsrente ebenfalls nicht zu vernachlässigen ist (vgl. hierzu KEHL-ZELLER, Die analoge Anwendung von Art. 153/I ZGB auf Konkubinatsverhältnisse, SJZ 80/1984, S. 42 f.; HAUSHEER in ZBJV 1986, 66 f.). BGE 114 II 295 S. 298 b) Art. 153 Abs. 1 ZGB knüpft den Verlust der Scheidungsrente an die Wiederverheiratung. Im Hinblick auf eine entsprechende Anwendung dieser Bestimmung ist möglichst umfassend zu prüfen, ob ein Konkubinatsverhältnis eine der Ehe vergleichbare Gemeinschaft bildet - soweit dies überhaupt möglich ist. Die Dauer des Konkubinatsverhältnisses bildet hierzu deswegen ein ganz wesentliches Beurteilungskriterium, weil sie nicht nur Rückschlüsse auf die Stabilität des Verhältnisses und die Bereitschaft zu gegenseitiger persönlicher und finanzieller Unterstützung zulässt, sondern auch solche auf die innere Verbundenheit der Konkubinatspartner. Die analoge Anwendung von Art. 153 Abs. 1 ZGB (vgl. hierzu KEHL-ZELLER, a.a.O., S. 40 ff.; ferner: SCHNYDER, Die privatrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahre 1983, ZBJV 121/1985, S. 85 f.) erfordert somit den Bestand einer solcherweise qualifizierten eheähnlichen Lebensgemeinschaft. In Übereinstimmung damit steht die vom Bundesgericht aufgestellte Tatsachenvermutung, wonach bei einem Konkubinat, das im Zeitpunkt der Einleitung der Abänderungsklage bereits fünf Jahre gedauert hat, grundsätzlich anzunehmen sei, die Beziehung zwischen den beiden Parteien sei so eng und stabil, dass der beklagte Konkubinatspartner von seinem neuen Lebensgefährten in einer allfälligen Notlage Unterstützung und Beistand wie von einem Ehegatten erwarten könne (vgl. BGE 109 II 191 ). Diese Tatsachenvermutung führt lediglich zu einer Umkehrung der Beweislast; der Verlust der Scheidungsrente als solcher beruht insoweit nach wie vor auf einer analogen Anwendung von Art. 153 Abs. 1 ZGB . c) Entgegen vereinzelten Stimmen in der Lehre (KEHL-ZELLER, a.a.O.) besteht nun aber kein Anlass, ganz von der Betrachtungsweise des Rechtsmissbrauchs abzurücken. Auch wenn ein qualifiziertes Konkubinat im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung vorliegt, soll der geschiedene Ehegatte seine Scheidungsrente nur dann verlieren, wenn sein Festhalten an der Rente als rechtsmissbräuchlich erscheint. Dies ist bei einem durch lange Dauer stabilisierten Konkubinat in der Regel zwar anzunehmen. Ein solches Konkubinat legt die Vermutung nahe, von einer neuen Ehe werde nur deshalb abgesehen, um den scheidungsrechtlichen Unterhaltsanspruch nicht untergehen zu lassen (vgl. BGE 109 II 191 ). Dem geschiedenen Ehegatten soll indes der Nachweis offenbleiben, dass besondere und ernsthafte Gründe vorliegen, die der BGE 114 II 295 S. 299 begründeten Erwartung einer eheähnlichen Versorgung entgegenstehen. Bei diesem Nachweis geht es somit weniger um die Gründe, weshalb die Konkubinatspartner keine neue Ehe eingehen wollen oder können (so noch BGE 106 II 5 oben). Entscheidend ist vielmehr, ob trotz der qualifizierten eheähnlichen Lebensgemeinschaft aufgrund der gesamten Situation nicht erwartet werden kann, dass eine mit der Ehe vergleichbare gegenseitige Unterstützung des bedürftigen Partners sichergestellt ist. Den Interessen des unterhaltsverpflichteten geschiedenen Ehepartners, der sich daran stösst, für seine ehemalige Ehefrau noch Unterhaltsleistungen zu erbringen, wenn diese eine neue Lebensgemeinschaft eingegangen ist, wird mit dieser Rechtsprechung ebenfalls Rechnung getragen. Hat das Konkubinat bei Einleitung der Abänderungsklage bereits fünf Jahre gedauert, so obliegt dem unterhaltsverpflichteten Kläger nur der entsprechende Nachweis. Es ist dann Sache der beklagten Partei zu beweisen, das Konkubinat sei nicht so eng und stabil, dass sie Beistand und Unterstützung ähnlich wie in einer Ehe erwarten könne, oder dass sie trotz des qualifizierten Konkubinates aus besonderen und ernsthaften Gründen weiterhin Anspruch auf die Scheidungsrente erheben dürfe. Dieser Beweis wird in der Regel nicht einfach zu erbringen sein. Das Vorbringen beispielsweise, wegen der Enttäuschung in der vorherigen Ehe keine neue Ehe eingehen zu wollen, vermag nach dem Gesagten kaum je zu genügen. 2. Die Vorinstanz hat für das Bundesgericht verbindlich festgestellt, die Beklagte unterhalte seit 1982 mit ihrem Freund ein eheähnliches Verhältnis. Dieses habe im Zeitpunkt der Urteilsfällung somit mehr als fünf Jahre gedauert. Anderseits könne die Beklagte glaubwürdige und verständliche Gründe gegen eine neue Eheschliessung anführen. Sie habe in ihrer ersten Ehe offenbar schwer gelitten. Die Ehe und die Scheidung hätten bei ihr psychische Spuren hinterlassen. Sie habe immer noch Angst vor einer zweiten Ehe, vor einer weiteren Enttäuschung und wolle deshalb nicht wieder heiraten. Ausserdem wolle sie die unnötigen und belastenden Probleme vermeiden, die im Fall einer Eheschliessung mit den beidseits vorhandenen Erben entstehen könnten. Auch der Konkubinatspartner wolle keine neue Ehe eingehen. Schliesslich verweist die Vorinstanz darauf, dass die Beklagte bereits 54jährig sei. BGE 114 II 295 S. 300 3. Im Zeitpunkt der Klageeinreichung hat die Beklagte nach den Feststellungen der Vorinstanz indessen erst rund vier Jahre im Konkubinat gelebt. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung kommt demnach die Tatsachenvermutung, wonach bei einem im Zeitpunkt der Klageeinleitung fünfjährigen Konkubinat angenommen werden könne, der Rentenberechtigte ziehe aus der neuen Gemeinschaft eheähnliche Vorteile und gehe nur zur Vermeidung des Rentenverlustes keine neue Ehe ein, nicht zum Tragen. Es liegt somit am Kläger, das Vorliegen dieser Umstände positiv nachzuweisen. Diesen Nachweis hat der Kläger nicht geleistet. Dem erstinstanzlichen Urteil, auf das die Vorinstanz insoweit verwiesen hat, lässt sich vielmehr entnehmen, dass die Beklagte in einer eigenen Wohnung mit eigenem Mobiliar wohnt. Sie führt eine getrennte Kasse, und es bestehen keine finanziellen Verflechtungen. Den Akten - die vom Bundesgericht im Sinne von Art. 64 Abs. 2 OG zur Ergänzung der tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz herangezogen werden dürfen - lässt sich ferner entnehmen, dass die Beklagte einer eigenen Erwerbstätigkeit nachgeht. Wohl sind anderseits gewisse Anhaltspunkte nicht zu übersehen, die für das Vorliegen eines qualifizierten Konkubinates im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung sprechen. Dass die Wohnung der Beklagten durch eine Wendeltreppe mit derjenigen ihres Freundes verbunden ist und dieser in der persönlichen Befragung ausgesagt hat, sich gegenüber der Beklagten in einer Notsituation "schon zu Beistand verpflichtet zu fühlen", lassen angesichts der übrigen Umstände jedoch nicht zwingend den Schluss zu, die neue Gemeinschaft der Beklagten sei bereits so stabil und eng, dass diese in einer allfälligen Notlage von ihrem Partner eine ähnliche Unterstützung und Beistand erwarten könne, wie es Art. 159 Abs. 2 und 3 ZGB für Ehegatten vorsieht. Die Vorinstanz hat die Abänderungsklage im Ergebnis somit zu Recht abgewiesen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens spielt es keine Rolle, dass sie zu Unrecht in erster Linie nach den Gründen gefragt hat, weshalb die Beklagte trotz eines mehrjährigen Konkubinates keine neue Ehe eingehen wolle.
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nan
de
1,988
CH_BGE
CH_BGE_004
CH
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c57b8f70-3d26-432f-981c-731b9c01752c
Urteilskopf 122 III 5 2. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 27. Dezember 1995 i.S. Edwin Lengweiler gegen Remzije Sadiki-Karimani sowie Arben und Sadik Sadiki (Berufung)
Regeste Unerlaubte Handlung; Genugtuung; Verjährung ( Art. 41 ff., Art. 49 Abs. 1 sowie Art. 60 Abs. 2 OR ). Anwendung der längeren strafrechtlichen Verjährungsfrist von Art. 60 Abs. 2 OR auf selbständige Genugtuungsansprüche von Angehörigen (E. 2).
Sachverhalt ab Seite 5 BGE 122 III 5 S. 5 Ismaily Sadiki ist der Ehemann von Remzije Sadiki-Karimani (Erstklägerin) und Vater von Arben und Sadik Sadiki (Zweit- und Drittkläger). Er wurde in BGE 122 III 5 S. 6 der Nacht vom 25. Mai 1985 anlässlich eines Handgemenges mit Schussabgabe durch den Beklagten schwer verletzt. Seither ist er irreparabel querschnittgelähmt. Der Beklagte wurde der vorsätzlichen schweren Körperverletzung schuldig gesprochen und zu einer bedingten Gefängnisstrafe von zwölf Monaten verurteilt. Das Obergericht des Kantons Thurgau sprach Ismaily Sadiki am 9. Februar 1993 Schadenersatz und Genugtuung im Umfang von Fr. 145'735.-- nebst Zins zu. Dieses Urteil wurde vom Bundesgericht bestätigt. Die Ehefrau sowie die beiden Kinder von Ismaily Sadiki machten mit Klage vom 16. November 1992 eigene Genugtuungsansprüche geltend. Sie verlangten die Verpflichtung des Beklagten, der Erstklägerin Fr. 50'000.-- sowie den Zweit- und Drittklägern je Fr. 10'000.--, je nebst Zins, als Genugtuung zu bezahlen. Das Bezirksgericht Arbon hiess mit Urteil vom 8. November/14. Dezember 1993 die Klage teilweise gut und sprach Genugtuungssummen von Fr. 30'000.-- für die Ehefrau sowie von je Fr. 10'000.-- für die beiden Kinder zu. Das Obergericht des Kantons Thurgau wies am 29. November 1994 eine Berufung des Beklagten ab und bestätigte das angefochtene Urteil. Das Bundesgericht weist die Berufung des Beklagten ab, soweit es darauf eintritt, und bestätigt das angefochtene Urteil. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Die Vorinstanz verwirft die Einrede der Verjährung des eingeklagten Anspruchs. Sie legt Art. 60 Abs. 2 OR dahingehend aus, dass die längere strafrechtliche Verjährungsfrist nicht nur auf seiten des Täters, sondern auch auf seiten des Ansprechers zur Anwendung gelange. Der Beklagte gibt diese Auffassung als bundesrechtswidrig aus: Einerseits komme Art. 60 Abs. 2 OR nur bei identischen Ansprüchen zur Anwendung; dies treffe im vorliegenden Fall jedoch nicht zu, da die Kläger eigene Ansprüche im Sinne von Art. 49 OR geltend machten. Anderseits führe die Ausdehnung der Verjährung auf seiten der Schädiger nicht auch dazu, Drittgeschädigten eine Verlängerung der Verjährungsfrist im Sinne von Art. 60 Abs. 2 OR zuzugestehen. a) Wer in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt wird, hat Anspruch auf Leistung einer Genugtuung, sofern die Schwere der Verletzung es BGE 122 III 5 S. 7 rechtfertigt und diese nicht anders wiedergutgemacht worden ist ( Art. 49 Abs. 1 OR ). In seiner neuesten Rechtsprechung hat das Bundesgericht einen selbständigen Genugtuungsanspruch von Ehegatten und Nachkommen bejaht, deren Partner bzw. Vater durch eine unerlaubte Handlung schwer invalid geworden ist. Voraussetzung dafür ist, dass die Angehörigen gleich oder schwerer betroffen sind, als im Fall der Tötung ( BGE 117 II 50 E. 3 und 4, BGE 112 II 220 und 226; vgl. SCHNYDER, Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Bd. I [ Art. 1-529 OR ], N. 1 zu Art. 47 OR ; TERCIER, L'évolution récente de la réparation du tort moral dans la responsabilité civile et l'assurance-accidents, SJZ 80/1984, S. 51 ff., S. 55; TERCIER, La réparation du tort moral, Strassenverkehrstagung 1988, S. 24 ff.; HÜTTE, Genugtuungsrecht im Wandel, SJZ 84/1988, S. 169 ff.). Insoweit sind die persönlichen Verhältnisse des klagenden Angehörigen absolute Rechte und daher des selbständigen Schutzes fähig. Klagt der Angehörige aus Art. 49 OR , macht er eigene Rechte geltend und nicht solche des schwer verletzten Ehepartners oder Elternteils. Vor diesem Hintergrund ist die Frage der Verjährungsfrist zu betrachten. b) Nach Art. 60 Abs. 1 OR verjährt der Anspruch auf Schadenersatz oder Genugtuung binnen Jahresfrist, gerechnet von der tatsächlichen Kenntnis des Geschädigten von Schaden und Person des Ersatzpflichtigen an, jedenfalls aber nach zehn Jahren seit der schädigenden Handlung. Wird die Klage aus einer strafbaren Handlung hergeleitet, gilt die längere strafrechtliche Verjährungsfrist ( Art. 60 Abs. 2 OR ). Sinn der Ausnahmeregelung von Absatz 2 ist die Harmonisierung der Vorschriften des Zivil- und Strafrechts im Bereich der Verjährung. Denn es wäre unbefriedigend, wenn der Zivilanspruch vor dem Strafanspruch verjähren würde ( BGE 100 II 332 E. 2a; weitere Hinweise bei BREHM, Berner Kommentar, N. 67 zu Art. 60 OR ). Das Bundesgericht hat denn auch seine bisherige Praxis aufgegeben, wonach Art. 60 Abs. 2 OR grundsätzlich nur auf die Forderung gegen den Täter selbst, nicht aber auf den Ersatzanspruch gegen Dritte anwendbar sei, die zivilrechtlich für den Schaden einzustehen haben ( BGE 112 II 172 E. II/2c S. 189, BGE 111 II 429 E. 2d S. 437 ff.). Namentlich hat es die längere Frist auf juristische Personen ausgedehnt, weil diese für Organe als Teil ihrer selbst haften (vgl. dazu BREHM, a.a.O., N. 96 ff. zu Art. 60 OR ; OFTINGER/STARK, Schweizerisches Haftpflichtrecht, Band II/1, 4. Aufl. 1987, S. 113 Fn. 539; REY, Ausservertragliches Haftpflichtrecht, Zürich 1995, S. BGE 122 III 5 S. 8 354 Rz. 1692; DOMENICO ACOCELLA, Die Verjährung in der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichts, SJZ 86/1990, S. 333 ff., S. 336 mit weiteren Nachweisen in Fn. 35). Im vorliegenden Fall stellt sich die Rechtsfrage indessen anders. Hier geht es um die Anwendung der strafrechtlichen Verjährungsfrist auf der Seite des Anspruchsberechtigten, insbesondere der Angehörigen. Das Bundesgericht hatte die Frage bis anhin nicht zu entscheiden. c) Voraussetzungen der längeren Verjährungsfrist von Art. 60 Abs. 2 OR sind das Vorliegen einer strafbaren Handlung einerseits sowie eines adäquaten Kausalzusammenhangs zwischen der strafbaren Handlung und der dem Zivilanspruch zugrundeliegenden Beeinträchtigung, insbesondere der seelischen Unbill anderseits (vgl. TERCIER, Le nouveau droit de la personnalité, S. 265 Rz. 2014; KURT JOSEPH STEINER, Verjährung haftpflichtrechtlicher Ansprüche aus Straftat [ Art. 60 Abs. 2 OR ], Diss. Freiburg 1986, S. 53; REY, a.a.O., S. 349 Rz. 1667). Dabei müssen sich der zivil- wie der strafrechtliche Tatbestand auf dieselbe Handlung beziehen (WERNER SCHWANDER, Die Verjährung ausservertraglicher und vertraglicher Schadenersatzforderungen, Diss. Freiburg 1962, S. 27 f.). Weiter wird verlangt, dass das beeinträchtigte Rechtsgut zum Kreis der durch die strafbare Handlung geschützten Objekte gehört ( BGE 71 II 147 E. 7b S. 156; KURT JOSEPH STEINER, a.a.O., S. 54 mit weiteren Hinweisen in Fn. 82). Insoweit wird vereinzelt in der Literatur gefordert, der Zivilkläger müsse zum Kreis der durch den Straftatbestand geschützten Subjekte gehören (GIRSBERGER, Die Verjährung der aus einer strafbaren Handlung hergeleiteten Zivilansprüche, SJZ 58/1962, S. 213 ff., S. 216). d) Aus der Gesetzessystematik geht hervor, dass sich die Verjährung der Ansprüche aus Art. 49 OR nach den für diesen Bereich geltenden Verjährungsbestimmungen, mithin nach Art. 60 OR richtet (so die Botschaft zur Änderung von Art. 49 OR vom 5. Mai 1982, BBl 1982 II 636 ff., 682; PEDRAZZINI/OBERHOLZER, Grundriss des Personenrechts, 4. Aufl. 1993, S. 160; HÜTTE, Die Genugtuung, 2. Aufl., Stand Juli 1994, 0/7 Ziff. 2.10). Infolgedessen kommt allgemein bei sämtlichen Ansprüchen aus Art. 41 ff. OR , die auf eine strafbare Handlung zurückzuführen sind und für welche der Kausalzusammenhang zwischen dem Zivilanspruch sowie der strafbaren Handlung gegeben ist, auch die längere Verjährungsfrist nach Art. 60 Abs. 2 OR zur Anwendung. Dies muss konsequenterweise auch für Ansprüche von Angehörigen gelten, die aus der Verletzung einer ihnen nahestehenden Person eigene Ansprüche geltend machen. BGE 122 III 5 S. 9 Diese Folgerung wird gestützt durch den engen Zusammenhang der Artikel 45 Abs. 3, 47 und 49 OR. Einerseits wird auf den Versorgerschaden, der in Art. 45 Abs. 3 OR geregelt ist, ebenfalls Art. 60 Abs. 2 OR angewendet (ZEN-RUFFINEN, La perte de soutien, S. 145 f., der die Anwendbarkeit von Art. 60 Abs. 2 OR allerdings nicht weiter begründet); insoweit beurteilen sich die Voraussetzungen des Haftpflichtanspruchs des Angehörigen nach der Rechtslage des Unfallopfers gegenüber dem Schädiger (OFTINGER/STARK, Schweizerisches Haftpflichtrecht, Band I, 5. Aufl. 1995, S. 335 Rz. 262). Anderseits wird Art. 47 OR als Sonderregel zu Art. 49 OR betrachtet. Letztere Norm umschreibt generell die Voraussetzungen für die Leistung einer Genugtuung, welche aus einer Verletzung in den persönlichen Verhältnissen beansprucht wird ( BGE 89 II 396 ; BREHM, a.a.O., N. 5 zu Art. 47 OR ; SCHNYDER, a.a.O., N. 1 zu Art. 47 OR ). Dass die beiden Bestimmungen von Art. 47 und Art. 49 OR aufgrund ihrer Regelungsmaterie zusammengehören, geht auch daraus hervor, dass im Rahmen der Revision des Haftpflichtrechts erwogen wird, die heutigen Art. 47 und Art. 49 OR in einer einzigen Norm zu vereinigen (Nachweise bei HAUSHEER, in ZBJV 130/1994, S. 286). Aus dem Gesagten folgt für die zu beurteilende Verjährungsfrage, dass aus Gründen der Rechtssicherheit, Gerechtigkeit und Praktikabilität sämtliche Ansprüche aus unerlaubten, strafbaren Handlungen gleich zu behandeln sind. Dies gilt unabhängig davon, ob der Angehörige eine Genugtuung bei Tötung gestützt auf Art. 47 OR oder bei Körperverletzung nach Art. 49 OR geltend macht oder er infolge des Verlusts seines Versorgers den Ersatz von Unterstützungsleistungen verlangt. Überdies rechtfertigt sich auch aus Gründen des Gläubigerschutzes und der Harmonisierung der verjährungsrechtlichen Bestimmungen, den Anspruch von Angehörigen aus Art. 49 OR der gleichen Verjährungsfrist zu unterstellen wie jenen des Direktgeschädigten. Dafür spricht schliesslich auch die Praxisänderung des Bundesgerichts, mit welcher es die Anwendung der längeren Frist auf der Täterseite auch auf juristische Personen ausgedehnt und die enge Anwendung von Art. 60 Abs. 2 OR in verschiedener Hinsicht aufgegeben hat. Damit die längere strafrechtliche Verjährungsfrist zur Anwendung gelangt, ist allerdings immer erforderlich, dass der zivil- und strafrechtliche Tatbestand sich auf die gleiche Handlung beziehen sowie die strafrechtliche Handlung kausal für die Verletzung der Persönlichkeit ist.
null
nan
de
1,995
CH_BGE
CH_BGE_005
CH
Federation
c57c8977-f1c8-419c-a94b-9b11949ededd
Urteilskopf 142 IV 29 6. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. A. gegen Staatsanwaltschaft Zofingen-Kulm (Beschwerde in Strafsachen) 1B_419/2015 vom 21. Dezember 2015
Regeste Art. 226 Abs. 4 lit. c, Art. 227 Abs. 5, Art. 237 Abs. 1 StPO ; Anordnung von Ersatzmassnahmen an Stelle der Untersuchungshaft. Das Zwangsmassnahmengericht kann keine Untersuchungshaft anordnen, wenn die Staatsanwaltschaft lediglich Ersatzmassnahmen beantragt hat (E. 3).
Sachverhalt ab Seite 29 BGE 142 IV 29 S. 29 A. Die Staatsanwaltschaft Zofingen-Kulm führt gegen den tunesischen Staatsangehörigen A. eine Strafuntersuchung wegen Verdachts der mehrfachen Drohung und mehrfachen Nötigung (im Rahmen häuslicher Gewalt). A. wurde am 24. August 2015 festgenommen und mit Entscheid des Zwangsmassnahmengerichts des Kantons Aargau einstweilen bis zum 24. November 2015 wegen Kollusions- und Wiederholungsgefahr in Untersuchungshaft versetzt. Ein von ihm gestelltes Haftentlassungsgesuch, dem die Staatsanwaltschaft nicht entsprechen wollte, wies das Zwangsmassnahmengericht mit Entscheid vom 21. September 2015 ab. B. Am 19. Oktober 2015 beantragte die Staatsanwaltschaft beim Zwangsmassnahmengericht gestützt auf Art. 227 Abs. 1 und 2 sowie Art. 237 StPO die Anordnung von Ersatzmassnahmen anstelle der bestehenden Untersuchungshaft. Das Zwangsmassnahmengericht wies dieses Begehren mit Verfügung vom 26. Oktober 2015 ab. Es bejahte Flucht- sowie Wiederholungsgefahr und erwog, die vorgeschlagenen Ersatzmassnahmen, mit denen der Fluchtgefahr begegnet werden sollte, seien nicht von ausreichender Sicherungsqualität. BGE 142 IV 29 S. 30 Die gegen diese Verfügung von A. erhobene Beschwerde wies das Obergericht des Kantons Aargau mit Entscheid vom 19. November 2015 ab. C. Mit Beschwerde in Strafsachen vom 2. Dezember 2015 gelangt A. an das Bundesgericht und beantragt, der Entscheid des Obergerichts sei aufzuheben und er sei, allenfalls unter Anordnung von Ersatzmassnahmen, aus der Untersuchungshaft zu entlassen. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. (Zusammenfassung) Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Zu prüfen ist, ob das Zwangsmassnahmengericht berechtigt war, das Gesuch der Staatsanwaltschaft um Anordnung von Ersatzmassnahmen abzulehnen und die Untersuchungshaft aufrechtzuerhalten. 3.1 Die StPO sieht hierfür keine ausdrückliche Regelung vor. Gemäss Art. 226 Abs. 4 lit. c StPO genauso wie nach Art. 227 Abs. 5 StPO kann das Zwangsmassnahmengericht anstelle von Untersuchungshaft Ersatzmassnahmen anordnen. Diesen Bestimmungen liegt somit die Vermutung zugrunde, die Staatsanwaltschaft beantrage in der Regel (nur oder zumindest im Eventualstandpunkt) Untersuchungshaft. Wie es sich jedoch im Falle eines Gesuchs der Staatsanwaltschaft allein um Anordnung von Ersatzmassnahmen verhält, lässt sich daraus nicht schliessen. Auch nicht weiter behilflich ist der für die Anordnung von Ersatzmassnahmen in Art. 237 Abs. 4 StPO enthaltene Verweis auf die Vorschriften über die Untersuchungshaft ( Art. 224 ff. StPO ), da sich dieser in erster Linie auf das Verfahren bezieht und im Rahmen von Art. 227 Abs. 5 bzw. Art. 226 Abs. 4 lit. c StPO nicht aufschlussreich ist. Bevor indes eine ausfüllungsbedürftige Lücke angenommen werden darf, ist zu ermitteln, ob das Fehlen einer ausdrücklichen Regelung im Gesetz ein qualifiziertes Schweigen darstellt, d.h. ob die StPO die Möglichkeit der Anordnung oder Aufrechterhaltung von Untersuchungshaft bewusst verneinen wollte, wenn die Staatsanwaltschaft lediglich Ersatzmassnahmen beantragt ( BGE 141 IV 298 E. 1.3 S. 299 f. mit Hinweisen). 3.2 Nach dem Wortlaut von Art. 226 Abs. 4 lit. c StPO resp. Art. 227 Abs. 5 StPO , der in allen Amtssprachen einheitlich ist, hat das Zwangsmassnahmengericht im Haftanordnungs- oder -prüfungsverfahren stets zu untersuchen, ob der Haftzweck mit weniger einschneidenden Massnahmen erreicht werden kann. Insoweit wird der BGE 142 IV 29 S. 31 verfassungs- und konventionsrechtliche Grundsatz der Verhältnismässigkeit ( Art. 36 Abs. 3 BV ; Art. 5 Ziff. 3 EMRK ) positivrechtlich konkretisiert und umgesetzt. Strafprozessuale Haft darf nur als "ultima ratio" angeordnet oder aufrechterhalten werden. Wo sie durch mildere Massnahmen ersetzt werden kann, muss von ihrer Anordnung oder Fortdauer abgesehen und an ihrer Stelle eine solche Ersatzmassnahme verfügt werden ( Art. 212 Abs. 2 lit. c und Art. 197 Abs. 1 lit. c StPO ). Dies gebietet insbesondere Art. 237 Abs. 1 StPO : Danach ordnet das zuständige Gericht an Stelle von Untersuchungs- oder Sicherheitshaft eine oder mehrere mildere Massnahmen an, wenn sie den gleichen Zweck wie die Haft erfüllen. Mit anderen Worten sind Ersatzmassnahmen zu verfügen, wenn sie Flucht-, Kollusions-, Wiederholungs- oder Ausführungsgefahr zu bannen vermögen (vgl. BGE 140 IV 74 E. 2.2 S. 78). Wenngleich Art. 226 Abs. 4 lit. c StPO und Art. 227 Abs. 5 StPO für den hier zu beurteilenden Fall nicht direkt anwendbar sind, ist ihnen dennoch zu entnehmen, dass der zuständige Haftrichter gehalten ist, diejenigen Zwangsmassnahmen zu treffen, die am geringsten in die Grundrechtsposition des Beschuldigten eingreifen. Nach deren Sinn und Zweck dient die Haftprüfung durch das Zwangsmassnahmengericht insoweit dem Schutz der beschuldigten Person. Es hat der Staatsanwaltschaft, der im Vorverfahren eine starke Stellung zukommt (vgl. E. 3.4 hernach), als korrektives Gegengewicht gegenüberzutreten (vgl. Botschaft vom 21. Dezember 2005 zur Vereinheitlichung der Strafprozessordnung, BBl 2006 1085, 1107 Ziff. 1.5.2.3 und 1137 Ziff. 2.2.1.3; PETER GOLDSCHMID, Das Zwangsmassnahmengericht, forumpoenale 1/2011 S. 39). Dies spricht wiederum dafür, dass es ihm verwehrt sein soll, über den Antrag der Staatsanwaltschaft hinauszugehen und anstelle der beantragten Ersatzmassnahmen Untersuchungshaft anzuordnen oder aufrechtzuerhalten. 3.3 Dasselbe ergibt sich aus der Botschaft zur Vereinheitlichung der Strafprozessordnung. Wie bereits ausgeführt (vgl. nicht publ. E. 2.2), schliesst diese im Rahmen der erstmaligen Anordnung von Untersuchungshaft die Möglichkeit für das Zwangsmassnahmengericht aus, eine solche anzuordnen, wenn die Staatsanwaltschaft lediglich Ersatzmassnahmen beantragt hat (BBl 2006 1085, 1232 zu Art. 225 Abs. 4). Während eine Lehrmeinung den aus Art. 226 Abs. 4 lit. c StPO abgeleiteten Umkehrschluss für diskutabel erachtet (NIKLAUS SCHMID, Schweizerische Strafprozessordnung [StPO], Praxiskommentar, 2. Aufl. BGE 142 IV 29 S. 32 2013, N. 10 zu Art. 226 StPO ) und eine weitere dazu bemerkt, die StPO kenne in diesem Zusammenhang kein (zwangsmassnahmenrechtliches) Verbot der reformatio in peius (MARC FORSTER, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, Fn. 93 zu Art. 226 StPO ), teilt das Schrifttum grösstenteils die in der Botschaft vertretene Auffassung, ohne sie jedoch näher zu erörtern (vgl. DANIEL LOGOS, in: Commentaire romand, Code de procédure pénale suisse, 2011, N. 20 zu Art. 226 StPO ; MOREILLON/PAREIN-REYMOND, CPP, Code de procédure pénale, 2013, N. 24 zu Art. 226 StPO ; HUG/SCHEIDEGGER, in: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung [StPO], Donatsch/Hansjakob/Lieber [Hrsg.], 2. Aufl. 2014, N. 13 zu Art. 226 StPO ; MATTHIAS HÄRRI, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, N. 46 zu Art. 237 StPO ; FABIO MANFRIN, Ersatzmassnahmenrecht nach Schweizerischer Strafprozessordnung, 2014, S. 302). Nach der Botschaft ist das Zwangsmassnahmengericht insoweit an das Begehren der Staatsanwaltschaft gebunden, als es mangels entsprechenden Antrags nicht auf Untersuchungshaft erkennen kann; indes steht sie der Möglichkeit einer Anordnung anderer als der beantragten Ersatzmassnahmen, mithin auch schärferen, nicht entgegen. Auch die Lehre räumt dem Zwangsmassnahmengericht eine solche Befugnis ein, sofern der beschuldigten Person vorgängig das rechtliche Gehör gewährt wird (vgl. HUG/SCHEIDEGGER, a.a.O., N. 13 zu Art. 226 StPO ; FORSTER, a.a.O., Fn. 93 zu Art. 226 StPO ; SCHMID, a.a.O., N. 10 zu Art. 226 StPO ). Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung sind denn auch diejenigen Ersatzmassnahmen zu verfügen, die ihrerseits verhältnismässig sind ( BGE 140 IV 74 E. 2.2 S. 78). 3.4 Die Frage, ob das Zwangsmassnahmengericht über das Begehren der Staatsanwaltschaft um Anordnung von Ersatzmassnahmen hinausgehen darf, hängt des Weiteren von seiner Funktion und von der gesetzlichen Kompetenzordnung ab. Nach Art. 18 i.V.m. Art. 224 ff. bzw. Art. 237 StPO ist es zwar zuständig für die Anordnung der Untersuchungshaft und von Ersatzmassnahmen (vgl. BGE 137 IV 92 E. 2.1 S. 95; Urteil 1B_126/2012 vom 28. März 2012 E. 2.2.1; FORSTER, a.a.O., N. 4 zu Art. 226 StPO ; HÄRRI, a.a.O., N. 46 zu Art. 237 StPO ), während der Staatsanwaltschaft im Haftanordnungs- und -prüfungsverfahren vor dem Zwangsmassnahmengericht mangels Leitungsbefugnissen materiell Parteistellung zukommt (vgl. BGE 137 IV 87 E. 3.3.2 S. 91 f. mit Hinweisen). Dies ändert jedoch nichts am Grundsatz, dass die Staatsanwaltschaft im (übrigen) Vorverfahren die BGE 142 IV 29 S. 33 Verfahrensleitung innehat ( Art. 16 Abs. 2 und Art. 61 lit. a StPO ) und für die Führung des Strafverfahrens auf dieser Stufe generell verantwortlich ist. Sie hat diejenigen Verfahrenshandlungen vorzunehmen, die für eine gesetzeskonforme, sachgerechte und ordnungsgemässe Durchführung des Vorverfahrens notwendig sind und der Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs dienen ( Art. 16 Abs. 1 und Art. 62 ff. StPO ; vgl. BGE 138 IV 124 E. 2.2.1 S. 145). Ihren Begehren kommt deshalb massgebliches Gewicht und wegweisender Charakter zu. Insoweit hat die Staatsanwaltschaft als Garantin des Strafverfahrens dafür besorgt zu sein, dass dessen Fortführung durch die Freilassung der beschuldigten Person nicht erschwert oder sogar vereitelt wird, sondern dass - wenn nötig - diejenigen Zwangsmassnahmen getroffen werden, die erforderlich sind, um es zielführend voranzutreiben. Erachtet sie somit, nachdem sie den belastenden und entlastenden Umständen mit gleicher Sorgfalt nachgegangen ist und eingehende Kenntnisse des Straffalls erworben hat ( Art. 6 StPO ), im konkreten Einzelfall Ersatzmassnahmen für die Durchführung des Strafverfahrens als ausreichend, kann sich das Zwangsmassnahmengericht nicht darüber hinwegsetzen und an deren Stelle Untersuchungshaft anordnen, ansonsten es sich in die Führung des Strafverfahrens einmischt und sich Kompetenzen anmasst, die ihm von Gesetzes wegen nicht zustehen. Seine Funktion liegt vielmehr in der Kontrolle der Rechtmässigkeit der beantragten Zwangsmassnahmen, insbesondere auch unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismässigkeit. 3.5 Aus all diesen Gründen ist das Fehlen einer ausdrücklichen Regelung in der StPO als qualifiziertes Schweigen einzustufen. Das Zwangsmassnahmengericht kann von Gesetzes wegen keine Untersuchungshaft verfügen oder aufrechterhalten, wenn die Staatsanwaltschaft lediglich Ersatzmassnahmen beantragt hat. Sind deren Voraussetzungen erfüllt, kann es zwar in Abweichung des Antrags der Staatsanwaltschaft und unter Wahrung des rechtlichen Gehörs andere oder eine Kombination von Ersatzmassnahmen anordnen, die insgesamt stärker in die Grundrechtsposition des Beschuldigten eingreifen (vgl. Art. 10 Abs. 2 BV ; BGE 133 I 27 E. 3.5 S. 32). Um aber auf Untersuchungshaft erkennen zu können, bedarf es eines entsprechenden Begehrens der Staatsanwaltschaft. Diese hat mithin mindestens im Eventualstandpunkt einen Haftantrag zu stellen, wenn der Beschuldigte für den Fall, dass die Ersatzmassnahmen mit Blick auf die angestrebten, im öffentlichen Interesse liegenden Ziele (z.B. die Sicherstellung seiner Anwesenheit im Strafverfahren) eine bloss unzureichende Wirkung entfalten könnten, nicht freizulassen ist. (...)
null
nan
de
2,015
CH_BGE
CH_BGE_006
CH
Federation
c57cd8c1-223b-49fb-bd7d-20c77edf4d6e
Urteilskopf 106 II 298 58. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 6. November 1980 i.S. B. gegen Vormundschaftsbehörde Feuerthalen (Berufung)
Regeste Entmündigung auf eigenes Begehren ( Art. 372 ZGB ). 1. Das Entmündigungsbegehren muss auf freiem Willensentschluss beruhen. Es ist jedoch nicht schon dann ungültig, wenn der Schutzbedürftige nicht von sich aus, sondern auf Vorschlag der Behörde um seine Entmündigung nachsucht (E. 2). 2. Auch die Trunksucht kann ein Gebrechen im Sinne von Art. 372 ZGB darstellen (E. 3). 3. Kann der Schutzbedürftige trotz seiner Trunksucht seine Angelegenheiten gehörig besorgen, so darf er nicht gestützt auf Art. 372 ZGB entmündigt werden (E. 4).
Sachverhalt ab Seite 298 BGE 106 II 298 S. 298 A.- Auf Antrag der Vormundschaftsbehörde Feuerthalen beschloss der Bezirksrat Andelfingen am 19. Mai 1970, den im Jahre 1939 geborenen B. wegen Geistesschwäche und Trunksucht gestützt auf Art. 369 und 370 ZGB zu entmündigen, nachdem ihm die Vormundschaftsbehörde bereits am 23. Dezember 1968 vormundschaftliche Massnahmen nach Art. 370 ZGB angedroht hatte. B. verlangte eine richterliche Entscheidung über die Entmündigung, worauf die Vormundschaftsbehörde beim Bezirksgericht Andelfingen Klage auf Bestätigung der Entmündigung anhob. Die Vormundschaftsbehörde zog BGE 106 II 298 S. 299 die Klage jedoch wieder zurück, um B., der sich damals einer abstinenten Lebensführung befleissigte und einer regelmässigen Arbeit nachging, Gelegenheit zur Bewährung zu geben. B. musste in der Folge aber erneut vom Alkoholfürsorger betreut werden, der ihn von Zeit zu Zeit zu mehr oder weniger regelmässigen Einnahmen von Antabustabletten veranlassen konnte. Zwischen 1963 und 1977 befand sich B. verschiedentlich in der Psychiatrischen Klinik Breitenau in Schaffhausen, wo er in erster Linie wegen seines Alkoholmissbrauchs behandelt werden musste. Er wurde immer wieder rückfällig und verlor gelegentlich auch seine Arbeit, teils wegen alkoholbedingter Absenzen, teils aber auch wegen der Rezession. Ende Juli 1979 trat er, da er gerade arbeitslos war, in die Heilstätte für Alkoholkranke in Ellikon an der Thur ein, um sich einer Entziehungskur zu unterziehen. Bereits am 14. August 1979 brach er indessen die Kur ab, kehrte in sein Elternhaus zurück und verfiel erneut dem Alkoholabusus. B.- Am 10. Oktober 1979 teilte der Vormundschaftsreferent der Gemeinde Feuerthalen B. anlässlich einer Besprechung mit, dass ein Entmündigungsverfahren eingeleitet werden müsse, nachdem er die ihm 1970 gewährte Chance, seine Lebensweise zu ändern und dem Alkohol zu entsagen, nicht genutzt habe; es gehe jetzt nur noch darum, ob er gemäss Art. 372 ZGB selbst eine Entmündigung beantragen wolle, was für ihn von Vorteil sei. B. erbat sich Bedenkzeit und ersuchte den Vormundschaftsreferenten, mit seinen Eltern Kontakt aufzunehmen. Noch am gleichen Tag sprach der Vormundschaftsreferent im Elternhaus vor, wobei B. ein Begehren um Entmündigung gemäss Art. 372 ZGB unterschrieb und den Namen eines ihm genehmen Vormundes vorschlug. Am 8. Dezember 1979 widerrief er telefonisch das Begehren. Inzwischen hatte die Vormundschaftsbehörde Feuerthalen beim Bezirksrat Andelfingen einen Antrag auf Entmündigung auf eigenes Begehren gestellt, dem der Bezirksrat am 27. November 1979 entsprochen hatte. Mit Verfügung vom 3. April 1980 wies die Direktion der Justiz des Kantons Zürich eine Beschwerde gegen den Entmündigungsbeschluss ab. C.- Gegen diese Verfügung hat B. beim Bundesgericht Berufung eingereicht, mit der er beantragt, er sei nicht zu entmündigen. Die Vormundschaftsbehörde Feuerthalen, der Bezirksrat BGE 106 II 298 S. 300 Andelfingen und die Justizdirektion des Kantons Zürich beantragen die Abweisung der Berufung. Das Bundesgericht heisst die Berufung gut und weist die Sache zur Vervollständigung des Tatbestandes und zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurück. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Nach Art. 372 ZGB kann einer mündigen Person auf ihr Begehren ein Vormund gegeben werden, wenn sie dartut, dass sie infolge von Altersschwäche oder anderen Gebrechen oder von Unerfahrenheit ihre Angelegenheiten nicht gehörig zu besorgen vermag. Erstes Erfordernis für eine Entmündigung gestützt auf diese Bestimmung ist somit ein Begehren des zu Entmündigenden. Der Berufungskläger macht diesbezüglich geltend, sein Entmündigungsbegehren habe nicht auf eigener, freier Entschliessung beruht. Vielmehr sei er von der Vormundschaftsbehörde unter intensiven Druck gesetzt und durch Erwecken eines Irrtums zur Unterzeichnung der Erklärung vom 10. Oktober 1979 bewegt worden, indem ihm erklärt worden sei, er werde den Vormund leichter wieder los, wenn er selber einen solchen begehre. Nach Wegfall des Druckes habe er das Entmündigungsbegehren am 8. Dezember 1979, noch vor der Zustellung des Entmündigungsbeschlusses, denn auch widerrufen. Der Widerruf des Entmündigungsbegehrens ist indessen unbeachtlich, da die Entmündigung bereits vorher, nämlich am 27. November 1979, ausgesprochen worden war ( BGE 102 II 190 ff., BGE 99 II 15 ff.). Dass der Entmündigungsbeschluss dem Berufungskläger im Zeitpunkt des Widerrufs noch nicht zugegangen war, ändert daran nichts. Von einem Willensmangel im eigentlichen Sinne kann sodann zweifellos nicht gesprochen werden. Nach den Feststellungen der Vorinstanz hat die Vormundschaftsbehörde die Frage der Vormundschaft mit dem Berufungskläger eingehend erörtert. Dass sie dabei darauf hinwies, eine auf eigenes Begehren angeordnete Vormundschaft könne leichter wieder aufgehoben werden als eine Zwangsvormundschaft, ist nicht zu beanstanden. Wie ein Vergleich zwischen Art. 437 und 438 ZGB zeigt, ist dies tatsächlich der Fall, wenngleich der Unterschied bei einem Trunksüchtigen im Ergebnis nicht allzu gross sein dürfte (vgl. BGE 78 II 10 , BGE 38 II 432 ). BGE 106 II 298 S. 301 Das Entmündigungsbegehren hat der Berufungskläger sodann nicht anlässlich der Verhandlung vor der Vormundschaftsbehörde unterzeichnet, sondern zuhause im Beisein der Eltern. Das spricht gegen eine unzulässige Druckausübung seitens der Vormundschaftsbehörde. Hätte das Begehren damals wirklich nicht seinem Willen entsprochen, so hätte es der Berufungskläger zudem nicht erst zwei Monate später widerrufen. Dagegen befand sich der Berufungskläger insofern in einer Zwangslage, als er von der Vormundschaftsbehörde vor die Alternative gestellt wurde, entweder zwangsweise nach Art. 369/370 oder auf eigenes Begehren nach Art. 372 ZGB entmündigt zu werden, ihm also effektiv nur die Form des Eingriffs offengelassen wurde. Es stellt sich daher die Frage, ob ein Entmündigungsbegehren unter solchen Umständen noch als auf freiem Willensentschluss beruhend angesehen werden kann. Das Bundesgericht hat diese Frage in BGE 78 II 9 bejaht. Es hielt dabei fest, der Umstand, dass der Schutzbedürftige nicht von sich aus, sondern auf Vorschlag der Behörde um seine Bevormundung nachsuche, mache sein Begehren nicht ungültig; die Drohung, ihn im Falle der Weigerung zu versorgen, wäre höchstens dann ein unzulässiger, die Gültigkeit der Erklärung in Frage stellender Zwang, wenn objektiv jeder Grund gefehlt hätte, ihn zu entmündigen oder andere Massnahmen gegen ihn zu ergreifen. Daran ist - wenn auch mit gewissen Einschränkungen - festzuhalten. Würde man anders entscheiden, wäre in vielen Fällen eine Entmündigung auf eigenes Begehren ausgeschlossen, wenn zugleich auch die Voraussetzungen für eine Entmündigung nach Art. 369 oder 370 ZGB erfüllt sind. Das läge nicht im Interesse des zu Bevormundenden. Einmal ist, wie das Bundesgericht in BGE 54 II 241 ausgeführt hat, das Verfahren bei der Entmündigung auf eigenes Begehren wesentlich einfacher und für den Schutzbedürftigen weniger belastend. Zum andern kommt diesem Entmündigungsgrund eine besondere fürsorgerische Bedeutung zu, da die Einsicht in die Notwendigkeit einer vormundschaftlichen Massnahme zu einer positiven Einstellung gegenüber dem Vormund führt und damit günstige Voraussetzungen für eine Heilung bzw. Besserung schafft. Schliesslich wird der Schutzbedürftige bei der Entmündigung auf eigenes Begehren nicht zum vornherein als geisteskrank, trunksüchtig, verschwenderisch usw. abgestempelt; seine Persönlichkeitssphäre wird dadurch BGE 106 II 298 S. 302 geschont und sein wirtschaftliches Fortkommen erleichtert. Der Entmündigung auf eigenes Begehren kommt daher als der milderen Massnahme gegenüber den andern Entmündigungsgründen der Vorrang zu (EGGER, N. 15 zu Art. 372 ZGB ; ISENSCHMID, Entmündigung und Beistandschaft auf eigenes Begehren, Diss. Freiburg 1975, S. 65 ff.; BAER, Die Entmündigung auf eigenes Begehren, ZVW 10/1955 S. 125; HESS, Rechtliche Voraussetzungen und fürsorgerische Bedeutung der Entmündigung auf eigenes Begehren, ZVW 4/1949, S. 61 ff.). Diese positive Wirkung der Entmündigung auf eigenes Begehren entfällt allerdings, wenn das Entmündigungsbegehren nicht auf der Einsicht des Schutzbedürftigen beruht, dass er seine Angelegenheiten nur mit der Hilfe eines Vormundes zu besorgen vermag, sondern auf das Drängen der Vormundschaftsbehörde zurückzuführen ist, die das kostspielige und zeitaufwendige Verfahren der Zwangsentmündigung vermeiden möchte, oder wenn es nur deswegen gestellt wurde, weil der Schutzbedürftige eingesehen hat, dass ein Widerstand gegen die Zwangsentmündigung ohnehin zwecklos ist, insbesondere wenn dies kurz vor dem Abschluss eines bereits eingeleiteten Entmündigungsverfahrens geschieht (ISENSCHMID, a.a.O. S. 59 ff., 64/65). Wo die Grenze zwischen einem unzulässigen Beeinflussungsversuch seitens der Vormundschaftsbehörde und einem grundsätzlich im Interesse des Schutzbedürftigen liegenden Appell an dessen Einsicht in die Notwendigkeit vormundschaftlicher Massnahmen verläuft, ist freilich nicht leicht zu sagen. Im vorliegenden Fall bestehen indessen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Vormundschaftsbehörde nicht im Interesse des Berufungsklägers gehandelt habe, sondern sich die Arbeit habe leicht machen wollen, als sie ihn auf die Möglichkeit aufmerksam machte, einem in Aussicht stehenden Zwangsentmündigungsverfahren durch ein eigenes Entmündigungsbegehren zuvorzukommen, oder dass das Entmündigungsbegehren trotz der Zwangslage, in der sich der Berufungskläger befand, nicht auf echter Einsicht beruht habe. Dass die Vormundschaftsbehörde den Berufungskläger vorlud, um mit ihm die Frage der Anordnung vormundschaftlicher Massnahmen zu erörtern, war angesichts der andauernden Trunksucht und deren Auswirkungen sicher gerechtfertigt. Das Entmündigungsbegehren ist daher als gültig zu betrachten. 3. In objektiver Hinsicht verlangt Art. 372 ZGB für eine BGE 106 II 298 S. 303 Entmündigung sodann Altersschwäche, andere Gebrechen oder Unerfahrenheit. Die Vorinstanz stellt diesbezüglich fest, der Berufungskläger leide seit Jahrzehnten unter Alkoholismus; von 1963 bis 1977 habe er sechsmal für eine Dauer von bis zu sechs Wochen wegen Alkoholmissbrauchs in der Psychiatrischen Klinik Breitenau interniert werden müssen; Perioden der Mässigung und der Arbeitsintensität hätten stets abgewechselt mit solchen, in denen er wegen seiner Trunksucht Arbeit und Halt verloren habe; Antabuskuren hätten, wenn überhaupt, nur zu zeitlich beschränkten Erfolgen geführt. In diesem Alkoholmissbrauch kann ohne Verletzung von Bundesrecht ein "anderes Gebrechen" im Sinne von Art 372 ZGB erblickt werden ( BGE 54 II 240 /241; vgl. auch BGE 78 II 8 ; EGGER, N. 10 zu Art. 372 ZGB ; ISENSCHMID, a.a.O. S. 50). Ob daneben auch eine Tablettenabhängigkeit bestehe und ob sich die Persönlichkeit des Berufungsklägers infolge seiner Lebensweise sukzessive abbaue, kann unter diesen Umständen dahingestellt bleiben. 4. Endlich darf eine Entmündigung auf eigenes Begehren nur ausgesprochen werden, wenn der zu Entmündigende seine Angelegenheiten nicht gehörig zu besorgen vermag. Wie bei der zwangsweisen Entmündigung nach Art. 370 ZGB genügt auch bei der Entmündigung auf eigenes Begehren die Trunksucht für sich allein nicht, wenn sie nicht ein soziales Versagen des Schutzbedürftigen zur Folge hat. Über diese zusätzliche Voraussetzung der Entmündigung lässt sich dem angefochtenen Entscheid nichts entnehmen. Der Berufungskläger hat jedoch schon im kantonalen Verfahren behauptet, er habe seine Verpflichtungen stets erfüllt, sei nie betrieben worden und habe nie Fürsorgeleistungen bezogen; seine Stellen habe er stets selbst gesucht und gefunden; in die Heilstätte für Alkoholkranke in Ellikon sei er aus eigenem Antrieb eingetreten; den Aufenthalt in dieser Anstalt habe er aus eigenen Ersparnissen bezahlt; er sei daher sehr wohl in der Lage, seine Angelegenheiten selber zu besorgen. Wie es sich damit verhält, hat die Vorinstanz nicht abgeklärt. Die Sache ist daher zur Prüfung dieser Frage an die Vorinstanz zurückzuweisen. Sollten sich die Behauptungen des Berufungsklägers als richtig erweisen, so darf dieser nicht entmündigt werden. Ein anderer Entscheid liesse sich höchstens dann in Erwägung ziehen, wenn es zuträfe, dass der Berufungskläger nur deswegen nicht in Schulden geraten ist, weil er als BGE 106 II 298 S. 304 41jähriger Mann immer noch gratis bei seinen Eltern wohnt, die ihm in finanzieller und persönlicher Hinsicht alle notwendige Fürsorge gewähren, worauf einige Aktennotizen des Alkoholfürsorgers hinzudeuten scheinen. Auch diesem Umstand wird die Vorinstanz nachzugehen haben.
public_law
nan
de
1,980
CH_BGE
CH_BGE_004
CH
Federation
c5800a01-84fe-489c-9b18-50c94dcdc3c9
Urteilskopf 135 III 578 84. Auszug aus dem Urteil der II. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. gegen Obergericht des Kantons Zürich (Beschwerde in Zivilsachen) 5A_23/2009 vom 20. Mai 2009
Regeste Kostenfestsetzung im Aufsichtsverfahren über den Willensvollstrecker. Es handelt sich um eine vermögensrechtliche Angelegenheit. Bei der Festsetzung der Kosten geniesst der Kanton grosses Ermessen. Es erweist sich aber als willkürlich, den Streitwert der Willensvollstreckerbeschwerde mit dem Nachlasswert gleichzusetzen (E. 6).
Sachverhalt ab Seite 579 BGE 135 III 578 S. 579 A. Mit letztwilliger Verfügung vom 12. Mai 1999 bestimmte A. die A.-Stiftung zu seiner Erbin. Seine Ehefrau (X.) und seine Tochter setzte er auf den Pflichtteil. In seinem Testament ernannte er Y. als Willensvollstrecker. Am 19. Mai 2003 verstarb A. B. Mit Beschwerde vom 8. Februar 2007 verlangte X. im Wesentlichen die Absetzung von Y. als Willensvollstrecker und die Anordnung einer Erbschaftsverwaltung. Mit Verfügung vom 11. Juli 2008 wies das Bezirksgericht L. die Beschwerde ab und verpflichtete X. zu einer Gerichtsgebühr von Fr. 584'888.- und einer Entschädigung von Fr. 379'163.- zzgl. MWSt an den Willensvollstrecker; es ging dabei von einem Streitwert von 89,83 Mio. Fr. aus. In teilweiser Gutheissung der Kostenbeschwerde gegen die Gerichtskosten und des Rekurses gegen die Parteientschädigung setzte das Obergericht des Kantons Zürich mit Beschluss vom 8. Dezember 2008 die erstinstanzliche Gerichtsgebühr auf Fr. 450'000.- und die Parteientschädigung auf Fr. 320'000.- zzgl. MWSt fest; es ging dabei von einem Streitwert von 118 Mio. Fr. aus (mutmasslicher Nachlasswert). C. Gegen den Beschluss des Obergerichts hat X. (Beschwerdeführerin) am 7. Januar 2009 Beschwerde in Zivilsachen eingereicht mit den Begehren um Festsetzung der erstinstanzlichen Gerichtsgebühr auf Fr. 23'062.50 oder auf einen Betrag nach Ermessen des Bundesgerichtes, eventuell um Rückweisung der Sache an das Obergericht. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut und hebt den Beschluss des Obergerichts auf. (Zusammenfassung) Erwägungen Aus den Erwägungen: 6. In der Sache selbst behauptet die Beschwerdeführerin eine willkürliche Handhabung der massgeblichen kantonalen Grundlagen für die Festsetzung der Gerichtsgebühr sowie im Speziellen eine Verletzung des Äquivalenzprinzips. 6.1 Mit Beschwerde in Zivilsachen kann insbesondere die Verletzung von Bundesrecht, Völkerrecht und kantonaler BGE 135 III 578 S. 580 verfassungsmässiger Rechte geltend gemacht werden ( Art. 95 BGG ). Kantonales Recht ist - unter Vorbehalt von Art. 95 lit. c und d BGG - vom Bundesgericht grundsätzlich nicht zu überprüfen. Das Obergericht hat sich bei der Festsetzung der Gerichtskosten auf die kantonale Verfahrensordnung sowie auf das verfassungsrechtliche Äquivalenzprinzip abgestützt. Dieses konkretisiert das Verhältnismässigkeitsprinzip und das Willkürverbot für den Bereich der Kausalabgaben ( BGE 130 III 225 E. 2.3 S. 228). Die Frage der Verhältnismässigkeit kann ausserhalb des Schutzbereichs spezieller Grundrechte nur unter dem Gesichtswinkel des Willkürverbots geprüft werden ( BGE 134 I 153 E. 4.2.2 S. 158). Es kann somit geltend gemacht werden, die konkrete Anwendung des kantonalen Rechts habe das Willkürverbot gemäss Art. 9 BV oder andere verfassungsmässige Rechte verletzt ( BGE 133 III 462 E. 2.3 S. 466). 6.2 Gemäss § 64 Abs. 1 und 2 der Zivilprozessordnung des Kantons Zürich vom 13. Juni 1976 (ZPO/ZH; LS 271) bemessen sich die in der Regel der unterliegenden Partei aufzuerlegenden Gerichtskosten nach den Bestimmungen des Gerichtsverfassungsgesetzes vom 24. September 1978 (GVG/ZH; LS 211.1). In § 202 Abs. 1 GVG /ZH wird die Verordnungskompetenz für die Gebühren- und Entschädigungsansätze an das Obergericht delegiert, welches am 4. April 2007 die vorliegend massgebende Verordnung über die Gerichtsgebühren (LS 211.11; im Folgenden: GebV/ZH) erlassen hat. Bei nicht vermögensrechtlichen Streitigkeiten beträgt die Gerichtsgebühr aufgrund des tatsächlichen Streitinteresses, des Zeitaufwandes und der Schwierigkeit des Falles zwischen Fr. 300.- und 13'000.- (§ 4 Abs. 3 GebV/ZH). Für vermögensrechtliche Streitigkeiten sieht § 4 Abs. 1 GebV/ZH einen streitwertabhängigen Tarif vor. Sie kann um bis zu einem Drittel, in Ausnahmefällen auch um mehr, erhöht oder insbesondere bei periodisch wiederkehrenden Leistungen ermässigt werden (§ 4 Abs. 2 GebV/ZH). Im summarischen Verfahren beträgt die Gebühr zwei Drittel bis drei Viertel des so berechneten Betrages (§ 7 GebV/ZH). Gemäss § 17 ZPO /ZH richtet sich der Streitwert nach dem Rechtsbegehren des Klägers zur Zeit des Eintritts der Rechtshängigkeit. Geht die Klage nicht auf Geldzahlung, ist der Wert massgebend, welchen die Parteien dem Streitgegenstand übereinstimmend BGE 135 III 578 S. 581 beilegen ( § 22 Abs. 1 ZPO /ZH). Sind die Parteien nicht einig, bestimmt das Gericht den Streitwert nach freiem Ermessen; in der Regel ist der höhere Betrag massgebend ( § 22 Abs. 2 ZPO /ZH). 6.3 Das Obergericht ist von einer vermögensrechtlichen Streitigkeit ausgegangen, was die Beschwerdeführerin für willkürlich hält. Sie macht geltend, es sei ihr mit der Willensvollstreckerbeschwerde bloss um Transparenz bezüglich der finanziellen Situation bzw. um die Speisung der A.-Stiftung durch saubere Mittel gegangen, ferner auch um die Erledigung des Steuerstrafverfahrens, um den Schutz des Rufes des Erblassers und um die Vermeidung einer "black box". All dies seien nicht vermögenswerte, sondern ideelle Ziele. Vorab liesse sich fragen, ob die Willkürrüge nicht bereits daran scheitert, dass erbrechtliche Angelegenheiten naturgemäss nicht ideeller, sondern vermögensrechtlicher Art sind. Weiter ist darauf hinzuweisen, dass das Bundesgericht in seiner publizierten Rechtsprechung sowohl den Ausschluss aus einer Stockwerkeigentümergemeinschaft ( BGE 113 II 15 E. 1 S. 17) und die Anfechtung von Beschlüssen der Stockwerkeigentümergemeinschaft schlechthin ( BGE 108 II 77 E. 1b S. 79 f.) als auch die Anfechtung von Generalversammlungsbeschlüssen einer Aktiengesellschaft ( BGE 107 II 179 E. 1 S. 181) und das Gesuch um Einsetzung eines Sonderprüfers ( BGE 120 II 393 E. 2 S. 395; BGE 129 III 301 E. 1.2.2 S. 304) als vermögensrechtlich ansieht. Was den Willensvollstrecker im Speziellen anbelangt, hat das Bundesgericht im Urteil 5A_646/2008 vom 22. Dezember 2008 E. 2.3 ausdrücklich entschieden, dass die Annahme, ein Streit um dessen Absetzung sei vermögensrechtlicher Natur, nicht als willkürlich angesehen werden kann. Von einer vermögensrechtlichen Streitigkeit geht auch die Lehre aus (vgl. POUDRET/SANDOZ-MONOD, Commentaire de la loi fédérale d'organisation judiciaire [...], Bd. II, 1990, S. 16 und 233). Im vorliegenden Fall stehen direkte finanzielle Interessen sogar besonders stark im Vordergrund. Anlass und Zweck der Willensvollstreckerbeschwerde war, dass die Beschwerdeführerin zusätzliche Vermögenswerte von ca. 90 Mio. Fr. in die Nachlassmasse holen will und der Willensvollstrecker nach ihrer Auffassung diese Pläne zu durchkreuzen versucht. Sie verfolgt somit keine ideellen, sondern vermögensrechtliche Interessen. Die Willensvollstreckerbeschwerde durfte mithin willkürfrei als vermögensrechtliche Streitigkeit qualifiziert und ihr ein Streitwert beigemessen werden. BGE 135 III 578 S. 582 6.4 Was dessen Höhe anbelangt, hat das Obergericht erwogen, weder könnten die vom Willensvollstrecker erbrachten bzw. zu erbringenden Leistungen massgeblich sein, stehe doch weit mehr als nur dessen Honorar auf dem Spiel, noch der Erbteil der Beschwerdeführerin, ansonsten sich der Streitwert laufend ändern würde, je nachdem, welcher Erbe die Beschwerde einreiche. Umso weniger könne dies im vorliegenden Fall relevant sein, wo die Beschwerdeführerin im Hauptpunkt die Absetzung des Willensvollstreckers verlangt habe, was die Abwicklung des gesamten Nachlasses betreffe und sich auf sämtliche Erben gleichermassen auswirke. Eine Amtsführung, der nur durch die Absetzung des Willensvollstreckers begegnet werden könne, gefährde regelmässig den Nachlass als Ganzes, und deshalb bilde in solchen Fällen der (sich gemäss Verfügung der Finanzdirektion des Kantons Zürich vom 11. März 2008 auf Fr. 118'564'675.- belaufende) Nachlasswert die wirtschaftliche Tragweite der Willensvollstreckerbeschwerde am besten ab. 6.5 Die Beschwerdeführerin erachtet es als willkürlich, dass das Obergericht für die Streitwertberechnung den Nachlasswert als Grundlage genommen hat. In der Tat ist im vorliegenden Fall nicht der Nachlass, sondern die Absetzung des Willensvollstreckers Streitgegenstand. Entsprechend ist der Nachlasswert als solcher ein sachfremdes Kriterium im Zusammenhang mit der Beurteilung (einzig und spezifisch) der Absetzungsfrage. Dass es unhaltbar und damit willkürlich ist, den Nachlasswert als Streitwert im Absetzungsverfahren anzunehmen, zeigt sich insbesondere auch darin, dass es im Zuge der Erbschaftsabwicklung ohne weiteres zu stets neuen Beschwerden, ja auch zu mehreren Absetzungsbegehren kommen kann, während im ganzen Bereich des Zivilrechts in der Sache selbst typischerweise ein einziges materielles Urteil gefällt wird. Im vorliegenden Fall darf aber im Zusammenhang mit der Absetzung selbstverständlich die hinter dieser Frage stehende grosse (finanzielle) Tragweite berücksichtigt werden: Wie erwähnt geht es der Beschwerdeführerin letztlich darum, mit der personellen Ersetzung des Willensvollstreckers umfangreiche Vermögenswerte in die Nachlassmasse zu holen. Die Behauptung der Beschwerdeführerin, sie habe von der Gutheissung der Beschwerde keinen oder nur einen geringen finanziellen Nutzen erwartet, ist deshalb falsch. BGE 135 III 578 S. 583 Unzutreffend ist auch die Behauptung, es sei ihr gar nicht um eine Absetzung des Willensvollstreckers gegangen, sie habe die Ersetzung durch einen Erbschaftsverwalter nur als "ultima ratio" angesehen: Die Beschwerdeführerin hat erstinstanzlich als Hauptbegehren die Absetzung des Willensvollstreckers und Ersetzung durch einen Erbschaftsverwalter, eventualiter eine Einstellung des Willensvollstreckers im Amt und subeventualiter die nach Ermessen des Einzelrichters zum Schutz des Nachlasses und der Interessen der Erben erforderlichen Weisungen verlangt. Diese Rechtsbegehren, welche die Beschwerdeführerin selbst gestellt hat, muss sie sich entgegenhalten lassen. Gleichwohl bleibt es dabei, dass eine Gerichtsgebühr von Fr. 450'000.- für das Absetzungsverfahren eines Willensvollstreckers unhaltbar ist und damit Art. 9 BV verletzt. Die Kostenfestsetzung ergeht vorliegend gestützt auf kantonales Recht und der Kanton geniesst bei der Bemessung der Gerichtsgebühr einen weiten Spielraum, der einzig durch das Willkürverbot bzw. die aus ihm abgeleiteten Prinzipien begrenzt ist. Es würde daher nicht angehen, dem Obergericht über die vorstehend genannten Anhaltspunkte hinaus konkrete Vorgaben für die Neufestsetzung der Gerichtsgebühr zu machen. Es sei einzig erwähnt, dass es im Rahmen des weiten kantonalen Ermessens und aufgrund des aufsichtsrechtlichen Charakters des kantonalen Verfahrens durchaus auch zulässig wäre, sich statt an der Verordnung des Obergerichts über die Gerichtsgebühren an der Verordnung vom 26. Juni 1997 über Gebühren (...) des Verwaltungsgerichts (LS 175.252) zu orientieren; nach deren § 3 kann die Gerichtsgebühr bei Streitwerten über Fr. 1'000'000.- bis Fr. 50'000.- betragen, und dieser Betrag kann gemäss § 5 bei besonders aufwändigen Verfahren bis auf den doppelten Betrag erhöht werden. 6.6 Angesichts der vorstehenden Erwägungen, die zu einer Aufhebung des angefochtenen Entscheides führen, werden die Fragen rund um die Äquivalenz im engeren Sinn gegenstandslos, muss doch vielmehr die neu festgesetzte Gerichtsgebühr vor dem Äquivalenzprinzip standhalten. Soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, der erstinstanzliche Richter habe unnötigen Aufwand betrieben, sei immerhin bemerkt, dass sie erwarten durfte, dass sich der erstinstanzliche Richter ernsthaft mit ihrer knapp 200-seitigen Beschwerde und ihren verschiedenen weiteren Eingaben BGE 135 III 578 S. 584 (namentlich 30-seitige Eingabe vom 14. Juni 2007 und über 100-seitige Eingabe vom 23. Juni 2008) sowie mit der über 200-seitigen Beschwerdeantwort und den weiteren Stellungnahmen beschäftigen würde. Sodann hat sie die umfangreichen Beilagen offensichtlich mit dem Zweck eingereicht, dass sie zur Kenntnis genommen würden; wenn der erstinstanzliche Richter genau dies getan hat, kann die Beschwerdeführerin nicht ernsthaft behaupten, dieser habe zu viel Aufwand betrieben und der 125-seitige Entscheid sei unnötig bzw. unangemessen gewesen.
null
nan
de
2,009
CH_BGE
CH_BGE_005
CH
Federation
c5837ce4-673b-40ff-9006-b9027999a34e
Urteilskopf 107 Ia 234 47. Urteil der II. Öffentlichrechtlichen Abteilung vom 27. November 1981 i.S. Wyss gegen Gemeinderat Altdorf und Regierungsrat des Kantons Uri (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste Meinungsäusserungs- bzw. Informationsfreiheit Einsicht in das Steuerregister. Die Weigerung einer urnerischen Gemeinde, einem in der Gemeinde wohnhaften Steuerpflichtigen die Einsichtnahme in das Steuerregister zu gestatten, ist mit dem kantonalen Recht unvereinbar und verstösst gegen die Informationsfreiheit.
Sachverhalt ab Seite 234 BGE 107 Ia 234 S. 234 Art. 57 Abs. 1 des Steuergesetzes des Kantons Uri vom 16. Mai 1965 (StG) bestimmt: "Die Steuerorgane haben über die Verhältnisse der Steuerpflichtigen, von denen sie in Ausübung ihres Amtes Kenntnis erhalten, sowie über die Verhandlungen in den Behörden strenge Verschwiegenheit zu beobachten. Die Schweigepflicht besteht nicht gegenüber anderen inländischen Steuerbehörden. Das Recht des Steuerpflichtigen, Einsicht in die Steuerregister zu verlangen, bleibt vorbehalten." BGE 107 Ia 234 S. 235 Art. 2 der dazugehörenden Vollziehungsverordnung vom 30. Oktober 1968 lautet: "Steuerauszüge und die Bekanntgabe von Einzelheiten, die im Register nicht enthalten sind, sind verboten. Dem Steuerpflichtigen steht die Einsicht in das Steuerregister jener Gemeinde offen, in welcher er unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtig ist." Regula Wyss verlangte am 24. September 1979 auf der Gemeindekanzlei Altdorf Einblick in das Steuerregister bezüglich zweier Altdorfer Steuerzahler. Nachdem ihr der Einblick bezüglich eines Unselbständigerwerbenden gewährt worden war, verweigerte man ihr diesen bezüglich eines Altdorfer Arztes mit dem Hinweis, dass sie als Arbeitnehmerin nur in die Steuerfaktoren von Arbeitnehmern, nicht aber von Selbständigerwerbenden Einsicht nehmen könne. Eine dagegen gerichtete Beschwerde wies sowohl der Gemeinderat Altdorf als auch der Regierungsrat des Kantons Uri ab. Regula Wyss führt staatsrechtliche Beschwerde mit den Anträgen, der Entscheid des Regierungsrates vom 11. November 1980 sei aufzuheben und Art. 2 der Vollziehungsverordnung sei die künftige Anwendbarkeit zu versagen. Die Begründung der Beschwerde ergibt sich, soweit erforderlich, aus den nachfolgenden Erwägungen. Der Gemeinderat von Altdorf verzichtet auf eine Vernehmlassung und der Regierungsrat des Kantons Uri beantragt die Abweisung der Beschwerde. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung des regierungsrätlichen Entscheides. Sinngemäss ist damit aber offensichtlich nur Ziff. 1 des Dispositivs (Abweisung der Beschwerde) gemeint, nicht aber Ziff. 2 (Verzicht auf Kostenerhebung) und Ziff. 3 (Weisung an die Finanzdirektion zur Vorbereitung von Weisungen nach Eintritt der Rechtskraft des Entscheides). Im übrigen wäre die Beschwerdeführerin zur Anfechtung der regierungsinternen Weisung auch gar nicht befugt. Mit staatsrechtlicher Beschwerde kann nur die Aufhebung des angefochtenen Entscheides verlangt werden. Auf den Antrag der Beschwerdeführerin, Art. 2 der Vollziehungsverordnung sei die künftige Anwendbarkeit zu versagen, kann deshalb nicht eingetreten werden. Im übrigen ist die Beschwerdeführerin im vorliegenden Fall von der beanstandeten Verordnungsbestimmung nicht negativ betroffen, weil sie deren einschränkende Voraussetzung (Steuerpflicht am Ort, wo die Einsichtnahme verlangt wird) erfüllt. BGE 107 Ia 234 S. 236 2. Die Beschwerdeführerin macht geltend, sie habe einen Anspruch darauf, Einsicht in das Steuerregister zu nehmen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts gewährleistet die Meinungsäusserungsfreiheit die Freiheit der Meinung, die Freiheit zum Empfang und zur Mitteilung von Nachrichten und Meinungen einschliesslich der Freiheit, sich aus allgemein zugänglichen Quellen zu unterrichten. Die Meinungsäusserungsfreiheit umfasst daher auch die Informationsfreiheit als Anspruch, sich aus allgemein zugänglichen Quellen zu unterrichten ( BGE 105 Ia 182 E. 2a mit Hinweisen). ob die Steuerregister als allgemein zugängliche Informationsquellen zu betrachten sind, ergibt sich aus dem kantonalen Recht. Das Bundesgericht überprüft die Auslegung und Anwendung kantonalen Rechts der Gesetzes- oder Verordnungsstufe lediglich auf Willkür, da vorliegend kein schwerer Eingriff in das in Frage stehende Grundrecht zur Beurteilung steht ( BGE 105 Ia 184 E. 3b mit Hinweis). 3. Der Regierungsrat anerkennt ausdrücklich, dass es sich ursprünglich beim Steuerregister um ein öffentliches Register gehandelt habe, in das jeder Steuerpflichtige ohne Vorbedingung habe Einsicht nehmen können und das sogar von gewissen Gemeinden in Form einer Broschüre veröffentlicht worden sei. Er macht aber geltend, die entstehungszeitliche Auslegungsmethode dürfe hier nicht angewandt werden. Der heutige Wortlaut der fraglichen Bestimmung gehe auf das Steuergesetz von 1955 zurück, zu welcher Zeit das praktizierte Einsichtsrecht, welches Gegenstand des Vorbehaltes bildete, bereits fernliegender Vergangenheit angehört habe. Das vom Gesetzgeber nur vorbehaltsweise erwähnte, von ihm jedoch seit langem nicht mehr definierte Einsichtsrecht müsse geltungszeitlich, d.h. im Lichte der heute bestehenden Rechtsauffassung ausgelegt werden. Die erwähnte geltungszeitliche Interpretation des Einsichtsrechtes nach Art. 57 StG ist vom Regierungsrat als letzter kantonaler Instanz offensichtlich erstmals im vorliegenden Fall angewandt worden. Dieser Schluss ist nicht nur daraus zu ziehen, dass sich der Regierungsrat auf keinerlei Präjudizien stützt, sondern insbesondere aus dem im Zusammenhang mit der Kostenfrage gemachten Hinweis, es habe im Interesse des Gemeinwesens (d.h. der Gemeinde Altdorf) gelegen, dass die Beschwerdeinstanz (d.h. der Regierungsrat) Gelegenheit bekam, das Problem zu überdenken. Wenn ferner der Regierungsrat im gleichen Zusammenhang erklärt, es liege am unklaren Wortlaut des Gesetzes und an der dadurch bewirkten bisherigen Praxis der Behörden, wenn die Beschwerdeführerin BGE 107 Ia 234 S. 237 zur Auffassung verleitet wurde, es stehe ihr ein formelles und voraussetzungsfreies Einsichtsrecht zu, so ist das wohl dahin zu verstehen, dass auch bei den untergeordneten Steuerbehörden noch keine Praxis im Sinne der nunmehrigen Gesetzesinterpretation des Regierungsrates bestand. Bezeichnenderweise ist denn auch das Einsichtsbegehren der Beschwerdeführerin vom Gemeindesteueramt und danach vom Gemeinderat mit je einer abweichenden Begründung abgelehnt worden, und der Regierungsrat seinerseits hat beide Begründungen als unhaltbar bezeichnet. Selbst im Rundschreiben der kantonalen Steuerverwaltung an die Gemeindesteuerämter vom 28. Februar 1977 ist noch mit keinem Wort von einer Vorbedingung im Sinne eines wie immer gearteten Interessennachweises die Rede. 4. a) Die vom Regierungsrat in Anspruch genommene "geltungszeitliche Gesetzesinterpretation" entspricht der sog. objektiv-zeitgemässen Auslegung. Grundsätzlich darf in objektiv-zeitgemässer Auslegung einer Gesetzesnorm ein Sinn gegeben werden, der für den historischen Gesetzgeber infolge eines Wandels der tatsächlichen Verhältnisse nicht voraussehbar war und in der bisherigen Anwendung auch nicht zum Ausdruck gekommen ist, wenn er noch mit dem Wortlaut des Gesetzes vereinbar ist ( BGE 103 Ia 403 mit Hinweis). b) Zur Begründung seiner Praxisänderung geht der Regierungsrat davon aus, dass sich in der Praxis betreffend die Öffentlichkeit des Steuerregisters erstmals im Steuergesetz von 1955 eine gewisse Sensibilisierung des Problems angedeutet habe, und zwar in der Hinsicht, dass nunmehr das Amtsgeheimnis in Steuersachen, welches bis anhin einer positiven Regelung gar nicht gewürdigt worden sei, in Art. 50 Abs. 1 neu eingeführt und in den Vordergrund gerückt worden sei. Ausserdem habe der Regierungsrat in seinem Beschluss vom 1. Mai 1957 erklärt, dass die Veröffentlichung des Steuerregisters mit den Bestimmungen des Steuergesetzes nicht vereinbar sei. Diese Hinweise besagen aber keineswegs, dass sich die Verhältnisse bzw. die Anschauungen zur Frage des bis anhin unbedingten Einsichtsrechtes des Steuerpflichtigen ins Steuerregister wesentlich geändert hätten. Selbst wenn vor 1955 überhaupt keine Schweigepflicht in Steuersachen bestanden haben und diese Schweigepflicht erst 1955 neu eingeführt worden sein sollte, zeigt doch gerade die lapidare Kürze, mit welcher das Einsichtsrecht ins Steuerregister vorbehalten wurde, dass diesbezüglich am bis anhin praktizierten Rechtszustand nichts geändert werden sollte. Es handelt sich um eine auf zwei Fakten, nämlich auf die Höhe von BGE 107 Ia 234 S. 238 Einkommen und Vermögen beschränkte Ausnahmebestimmung zur generellen Schweigepflicht, die sich ihrerseits auf alle übrigen, für den Steuerpflichtigen weitaus wichtigeren Details der Steuerakten erstreckt. Auch im Regierungsratsbeschluss vom 1. Mai 1957, welcher die Unzulässigkeit der Veröffentlichung des Steuerregisters feststellte, wurde das Einsichtsrecht als solches ohne jede Einschränkung vorbehalten. In der Folgezeit hat sich an der Praxis der Steuerbehörden zum Einsichtsrecht ohne Interessennachweis bis zum nunmehr angefochtenen Entscheid des Regierungsrates nichts geändert. Offenbar ist aber auch beim Stimmbürger in diesem Punkt kein Gesinnungswandel eingetreten, ist doch im neuen, heute noch geltenden Steuergesetz von 1965 das Einsichtsrecht wörtlich aus dem Gesetz von 1955 übernommen worden und selbst bei der neuesten Revision von 1980 unverändert geblieben. c) In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass auch aus gesamtschweizerischer Sicht nicht die Rede davon sein kann, dass das Einsichtsrecht in die Steuerregister ohne Interessennachweis der heutigen allgemeinen Auffassung widerspreche und überholt sei. Die Steuerregister sind lediglich in den drei Kantonen Basel-Stadt, Genf und Glarus geheim. Das gleiche gilt für das Wehrsteuerrecht des Bundes. Nur mit Interessennachweis (in mehr oder weniger strenger Form) wird das Einsichtsrecht gewährt von den vier Kantonen Appenzell-I.Rh., Basel-Land, Graubünden, St. Gallen. Die acht Kantone Appenzell-A.Rh., Nidwalden, Schaffhausen, Schwyz, Thurgau (evt. sogar Veröffentlichung), Wallis, Waadt und Zürich kennen das Einsichtsrecht ohne Interessennachweis, und in den restlichen zehn Kantonen Aargau, Bern, Freiburg, Jura (als neuer Kanton), Luzern, Neuenburg, Obwalden, Solothurn, Zug und Tessin ist in irgend einer Form die öffentliche Auflage und teils sogar die Veröffentlichung der Steuerregister vorgesehen. d) Der Regierungsrat begründet denn auch seine Praxisänderung lediglich mit seiner eigenen Auffassung, dass die Steuerkontrolle intensiver und der Steuerpflichtige datenschutzempfindlicher geworden sei und dass das Recht auf Einsicht in die Steuerregister mit einem sehr grundlegenden, rechtsgrundlagemässig mit Verfassungsrang abgestützten Menschenrecht auf Wahrung der persönlichen Sphäre kollidiere. Dass das ohne Interessennachweis gewährte Einsichtsrecht in das Steuerregister einen Rechtsgrundsatz von Verfassungsrang verletzen würde, ist bisher noch nie anerkannt worden und es ist auch nicht anzunehmen, dass dies je der Fall sein wird, solange acht Kantone die Einsicht ohne diese Vorbedingung gewähren und in weiteren zehn Kantonen die BGE 107 Ia 234 S. 239 Steuerregister sogar (mehr oder weniger) öffentlich aufgelegt werden. 5. Die Auffassung des Regierungsrates, dass das Einsichtsrecht in das Steuerregister von einem Interessennachweis abhängig gemacht werden sollte, ist zwar an sich durchaus vertretbar. Im vorliegenden Fall führt jedoch die neue Gesetzesinterpretation des Regierungsrates zu einer eigentlichen Zäsur gegenüber einer von jeher, jedenfalls seit über einem Jahrhundert bestehenden Rechtspraxis. Unter diesen Umständen hätte die Rechtsänderung, die zwar einerseits dem an der Geheimhaltung des Steuerregisters interessierten Steuerpflichtigen einen höheren Schutz bringt, anderseits aber die Rechtsstellung der am Einsichtsrecht interessierten Steuerpflichtigen schmälert, vom Gesetzgeber vorgenommen werden müssen. Die Vornahme einer solchen Rechtsänderung auf dem Wege einer lediglich auf dem Sinneswandel der Regierung beruhenden Neuinterpretation einer Gesetzesbestimmung, deren Änderung dem Stimmbürger trotz mehrfacher Gesetzesrevisionen nicht notwendig erschien, muss als willkürlich betrachtet werden, und die Beschwerde ist in diesem Punkte gutzuheissen. 6. Bei diesem Ausgang des Verfahrens werden keine Gerichtskosten erhoben ( Art. 156 Abs. 2 OG ). Der Beschwerdeführerin wird keine Parteientschädigung zugesprochen, da sie vor Bundesgericht nicht durch einen Anwalt vertreten ist und eine Umtriebsentschädigung nicht geltend macht. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Beschwerde wird gutgeheissen, soweit darauf eingetreten werden kann, und Ziff. 1 des Entscheides des Regierungsrates des Kantons Uri vom 11. November 1980 wird aufgehoben.
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Urteilskopf 85 I 140 23. Urteil vom 17. Juni 1959 i.S. Konkursmasse der Conrad Sigg A.-G. gegen Schiller, Confluentia A.-G. und Kassationsgericht des Kantons Zürich.
Regeste Kantonaler Zivilprozess, Sicherstellung für Gerichtskosten und Parteientschädigung. Kantonale Bestimmung, wonach die Klagpartei kautionspflichtig ist, wenn es sich um eine Aktiengesellschaft handelt, die sich in Liquidation befindet (§ 59 Ziff. 5 zürch. ZPO). Beschwerde wegen Willkür, rechtsungleicher Behandlung und Verletzung des Bundesrechts gegen den Entscheid, der auf Grund dieser Bestimmung auch die Konkursmasse einer Aktiengesellschaft kautionspflichtig erklärt.
Sachverhalt ab Seite 141 BGE 85 I 140 S. 141 A.- Die zürch. Zivilprozessordnung (ZPO) bestimmt in § 59: "Für die Prozesskosten und für die Prozessentschädigung hat die Partei, welche als Kläger oder Widerkläger auftritt. ... angemessene Kaution zu leisten, .....2. wenn innert der letzten fünf Jahre über sie Konkurs eröffnet oder in einer Betreibung gegen sie Verwertung angeordnet ... wurden ... .....5. wenn es sich um eine Aktiengesellschaft oder Genossenschaft handelt, die sich in Liquidation befindet oder welcher der Aufschub der Konkurseröffnung bewilligt wurde." B.- Im Juli 1958 reichte die Konkursmasse der Aktiengesellschaft Conrad Sigg AG beim Handelsgericht des Kantons Zürich zwei Klagen ein, die eine gegen Paul Schiller auf Bezahlung von Fr. 90'000.-- und die andere gegen die Confluentia AG auf Bezahlung von Fr. 105'876.25. Es handelt sich zur Hauptsache um Anfechtungsansprüche im Sinne von Art. 286 ff. SchKG . Auf Begehren der Beklagten legte das Handelsgericht der Klägerin gestützt auf § 59 Ziff. 2 und 5 ZPO Prozesskautionen von Fr. 4'500.-- und Fr. 6'000.-- auf. Das Obergericht des Kantons Zürich, bei dem die Klägerin Rekurse einlegte, hob diese Kautionsauflagen mit Beschlüssen vom 27. Januar 1959 auf und wies die Kautionsbegehren ab. Es nahm an, weder der Kautionsgrund von Ziff. 2 noch derjenige von Ziff. 5 des § 59 ZPO sei gegeben, weil die Konkursmasse mit der Gemeinschuldnerin nicht identisch, BGE 85 I 140 S. 142 sondern ein Sondervermögen mit eigener Verwaltung und Zweckbestimmung sei. Die Beklagten erhoben hiegegen Nichtigkeitsbeschwerde wegen Verletzung klaren Rechts (§ 344 Ziff. 9 zürch. ZPO). Das Kassationsgericht des Kantons Zürich hiess diese Beschwerden mit Urteil vom 17. April 1959 gut und stellte die Kautionsauflagen des Handelsgerichtes wieder her. Die Begründung dieses Entscheides lässt sich wie folgt zusammenfassen: Als Grundsatz klaren Rechts habe zu gelten, dass für die Frage der Kautionspflicht nicht der Wortlaut, sondern der wirkliche Sinn des Gesetzes massgebend sei. Die Auffassung des Obergerichts, dass der Kautionsgrund von § 59 Ziff. 2 ZPO nicht zutreffe, sei vertretbar, wie das Kassationsgericht schon früher entschieden habe (SJZ 52 S. 130). Dagegen sei die Beschwerde inbezug auf § 59 Ziff. 5 ZPO begründet. Dieser Kautionsgrund könne sinngemäss nur so ausgelegt werden, dass er den Fall der Klage der Konkursmasse (sowie der Liquidationsmasse bei Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung; ZR 57 Nr. 65) mitumfasse. § 59 Ziff. 5 ZPO ordne die Kautionspflicht an, weil die Gefahr bestehe, dass bei der Liquidation versäumt werde, ausreichende Rückstellungen für die Prozesskosten vorzunehmen. Im Hinblick hierauf sei die Kautionspflicht noch viel eher bei konkursmässiger Liquidation einer AG am Platz, zumal die Konkursverwaltung das Ergebnis der Verwertung und die Höhe der Prozesskosten nicht mit Sicherheit voraussehen könne. Ausser Frage stehe, dass sich die Konkursmasse im Sinne von § 59 Ziff. 5 ZPO in Liquidation befinde. Der Kautionspflicht lasse sich auch nicht entgegenhalten, die Konkursmasse sei keine AG, wie in § 59 Ziff. 5 ZPO vorausgesetzt werde. Wenn die Masse auch parteifähig sei, so sei sie doch das Vermögen der in Liquidation befindlichen AG. Sei die AG in Liquidation kautionspflichtig, so sei daher unabweisbar, dass es auch die Konkursmasse der AG sein müsse. Was hiegegen eingewendet werde, schlage nicht durch. Dass die Kautionspflicht folgerichtig auf die Liquidation einer BGE 85 I 140 S. 143 Einzelfirma ausgedehnt werden müsste, treffe nicht zu, da das Gesetz die Kautionspflicht nur bei Liquidation von Aktiengesellschaften und Genossenschaften vorsehe. Davon, dass die Kautionsauflage bundesrechtswidrig sei, könne nicht die Rede sein; auch wenn der Konkursmasse die unentgeltliche Rechtspflege nicht bewilligt werden könne, werde einer Masse mit geringen Mitteln die Verfolgung ihrer Rechte doch nicht verunmöglicht, sei doch den Konkursgläubigern zuzumuten, die Prozesskosten nötigenfalls vorzuschiessen. C.- Gegen dieses Urteil des Kassationsgerichts führt die Konkursmasse der Conrad Sigg AG staatsrechtliche Beschwerde mit dem Antrag, es sei aufzuheben. Es wird geltend gemacht, der Entscheid sei willkürlich, verstosse gegen die Rechtsgleichheit und verletze Bundesrecht. Die Begründung dieser Rügen ist, soweit notwendig, aus den nachstehenden Erwägungen ersichtlich. D.- Das Kassationsgericht des Kantons Zürich hat auf Vernehmlassung verzichtet. Die Beschwerdegegner Paul Schiller und Confluentia AG beantragen die Abweisung der Beschwerde. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Die Beschwerdeführerin nimmt an, das Bundesgericht habe den angefochtenen Entscheid frei zu überprüfen. Das trifft indessen lediglich zu, soweit mit der Beschwerde geltend gemacht wird, dass das SchKG und damit Bundesrecht verletzt sei ( BGE 85 I 21 mit Verweisungen), nicht dagegen, soweit die Auslegung und Anwendung von § 59 Ziff. 5 zürch. ZPO wegen Verletzung von Art. 4 BV beanstandet wird. Die von der Beschwerdeführerin für freie Überprüfung angerufenen Urteile BGE 67 I 68 , BGE 77 I 46 und BGE 78 I 196 betreffen Beschwerden wegen Verletzung von Staatsverträgen, bei denen die Kognition des Bundesgerichts in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht grundsätzlich frei ist ( BGE 85 I 44 mit Verweisungen), oder Beschwerden wegen Verletzung des bundesrechtlichen, BGE 85 I 140 S. 144 unmittelbar aus Art. 4 BV folgenden Armenrechtsanspruches, bei welchen dem Bundesgericht wenigstens die freie rechtliche Überprüfung zusteht ( BGE 78 I 195 Erw. 3 mit Verweisungen). Die Beschwerdeführerin verlangt jedoch nicht das Armenrecht und könnte es auch nicht, da sie zugegebenermassen die Mittel zur Prozessführung besitzt und zudem als Konkursmasse die unengeltliche Prozessführung nicht beanspruchen kann ( BGE 61 III 172 ). Die Anwendung kantonaler Gesetzesvorschriften über die Kautionspflicht wie § 59 zürch. ZPO kann das Bundesgericht nur unter dem beschränkten Gesichtswinkel des Art. 4 BV , der Willkür und rechtsungleichen Behandlung nachprüfen. 2. Das Obergericht und die Beschwerdeführerin lehnen die Anwendung von § 59 Ziff. 5 ZPO auf die Beschwerdeführerin vor allem deshalb ab, weil die Konkursmasse einer AG mit der in Liquidation befindlichen AG nicht identisch sei. Diese mangelnde Identität, die sich insbesondere darin äussert, dass die Anfechtungsansprüche nach Art. 286 ff. SchKG wohl zum Konkursvermögen, nicht aber zum Vermögen der AG gehören, genügt jedoch nicht, um den Standpunkt des Kassationsgerichts als unhaltbar, willkürlich erscheinen zu lassen. Das Kassationsgericht hat zwar sowohl früher (SJZ 52 S. 129) als auch im vorliegenden Falle die Auffassung, dass die Konkursmasse nicht nach § 59 Ziff. 2 ZPO kautionspflichtig sei, geschützt, und zwar, wie es im früheren Entscheid erklärte, weil der Konkurs nicht über die Konkursmasse, sondern über den Gemeinschuldner erklärt worden sei. Nach dieser Überlegung wäre folgerichtig auch § 59 Ziff. 5 ZPO nicht auf eine Konkursmasse anzuwenden. Indessen ist dieser Schluss nicht zwingend. Vielmehr ist selbständig zu prüfen ob sich die Auffassung, die Konkursmasse einer AG diene nicht nur der Liquidation, sondern sei selber "eine AG, die sich in Liquidation befindet", mit dem Wortlaut und dem Sinn von § 59 Ziff. 5 ZPO vereinbaren lässt. Diese Bestimmung wurde, wie der angefochtene Entscheid BGE 85 I 140 S. 145 zutreffend ausführt, erlassen, weil die Gefahr besteht, dass die Liquidatoren einer AG, die einen Prozess anheben, es versäumen, ausreichende Rückstellungen für allfällige Prozesskosten und Prozessentschädigungen vorzunehmen. Der Gesetzgeber dürfte dabei nur die ordentliche Liquidation der AG nach den Vorschriften des OR im Auge gehabt haben, weshalb auch die Zürcher Gerichte die Bestimmung während Jahrzehnten nur auf diese Liquidation angewendet haben. Das würde freilich die Anwendung auf die Konkursliquidation nicht ausschliessen, wenn die erwähnte Gefahr auch bei dieser Art der Liquidation im gleichen oder ähnlichen Masse bestünde. Das Kassationsgericht scheint dies anzunehmen, wenn es erklärt, die Kautionspflicht sei bei der konkursmässigen Liquidation der AG "noch viel eher am Platze" als bei der freiwilligen Liquidation. Das trifft jedoch nicht zu. Der amtliche Charakter auch der von den Gläubigern gewählten Konkursverwaltung (vgl. Art. 241 SchKG und die Bemerkungen von JAEGER zu dieser Bestimmung) bietet eine erhöhte Gewähr, dass bei der Liquidation die Mittel zur Bezahlung der Kosten hängiger Prozesse zurückgestellt werden. Dazu kommt, was das Kassationsgericht in diesem Zuzammenhang ganz übersieht, dass die der Konkursmasse im Falle des Unterliegens auferlegten Prozesskosten Massaschulden darstellen und daher vor allen Konkursforderungen zu begleichen sind ( BGE 61 III 172 ), während die einer freiwillig liquidierenden AG auferlegten Prozesskosten, sofern es zum Konkurs kommt, als gewöhnliche Kurrentforderungen im letzten Range stehen. Im Hinblick hierauf verdient die Auslegung, wonach § 59 Ziff. 5 ZPO nur für die ordentliche Liquidation der AG nach OR gilt, den Vorzug vor derjenigen des Kassationsgerichts, das die Bestimmung auch auf die konkursmässige Liquidation der AG anwenden möchte. Ob die Auslegung des Kassationsgerichts mit dem Wortlaut und Sinn schlechthin unvereinbar, geradezu willkürlich ist, erscheint immerhin als zweifelhaft, kann jedoch dahingestellt bleiben, da sie, wie BGE 85 I 140 S. 146 im folgenden zu zeigen ist, zu einer rechtsungleichen Behandlung führt und schon aus diesem Grunde gegen Art. 4 BV verstösst. 3. § 59 Ziff. 5 ZPO gilt nach seinem Wortlaut nur für Aktiengesellschaften und Genossenschaften, die sich in Liquidation befinden, und ist, wie das Kassationsgericht entschieden hat (ZR 50 Nr. 212), auf liquidierende Einzelfirmen nicht anwendbar. Hierin liegt, sofern die Bestimmung nur auf die ordentliche Liquidation angewendet wird, keine rechtsungleiche Behandlung. Während nämlich die (freiwillige) Liquidation einer Einzelfirma im wesentlichen ein tatsächlicher Vorgang ist und insbesondere die Haftung des Firmeninhabers für geschäftliche Schulden nicht berührt, hört die juristische Person mit der Löschung im Handelsregister zu existieren auf und kann nicht mehr belangt werden; Gläubiger, die vor der Löschung nicht befriedigt worden sind, haben nur die Möglichkeit, die Wiedereintragung im Handelsregister zu verlangen oder eine Verantwortlichkeitsklage gegen die Liquidatoren zu erheben. Diese besondern Verhältnisse bei der Liquidation juristischer Personen rechtfertigt es, die für den Fall der Liquidation angeordnete Kautionspflicht auf juristische Personen zu beschränken. Dagegen ist kein vernünftiger Grund ersichtlich, weshalb die Konkursmassen juristischer und natürlicher Personen inbezug auf die Kautionspflicht verschieden zu behandeln wären. Dass die juristischen Personen nach Konkursschluss zu existieren aufhören, während die natürlichen Personen weiterexistieren und zu neuem Vermögen kommen können, ist für die Frage der Kautionspflicht für die von der Konkursmasse angehobenen Prozesse ohne jede Bedeutung; denn die Kosten solcher Prozesse sind nicht persönliche Schulden des Gemeinschuldners, sondern Massaschulden ( BGE 61 III 172 ), und es werden daher für sie, sofern sie aus dem Massavermögen nicht gedeckt werden können, keine Verlustscheine ausgestellt (JAEGER, N. 2 zu Art. 262 und N. 3 zu Art. 265 SchKG ). Die Gefahr der Unerhältlichkeit der einer Konkursmasse BGE 85 I 140 S. 147 im Falle des Unterliegens auferlegten Prozesskosten ist demnach im Konkurs der Aktiengesellschaften und Genossenschaften genau die gleiche wie in andern Konkursen, weshalb es eine mit Art. 4 BV nicht vereinbare Rechtsungleichheit darstellt, die Konkursmassen von Aktiengesellschaften und Genossenschaften in Gegensatz zu andern Konkursmassen kautionspflichtig zu erklären. Diese Ungleichheit wiegt umso schwerer, als sie sich auf das Liquidationsverfahren in einer Weise auswirkt, die sich mit dem Sinn und Geist des SchKG schlecht verträgt. Um eine gleichmässige Befriedigung aller Gläubiger zu ermöglichen, sind grundsätzlich auch bestrittene Rechte durch die Konkursmasse selber auf dem Prozessweg geltend zu machen. Ist nun die Konkursmasse im Falle der Klageerhebung kautionspflichtig, so besteht beim Fehlen liquider Mittel die Gefahr, dass die Konkursmasse auch begründete Ansprüche nicht geltend machen kann und deren Abtretung nach Art. 260 SchKG anbieten muss, wodurch die kleinen Gläubiger, die das Prozessrisiko nicht zu übernehmen wagen, benachteiligt werden. Der Einwand des Kassationsgerichts, den Konkursgläubigern sei zuzumuten, der Konkursmasse die Prozesskosten nötigenfalls vorzuschiessen, schlägt nicht durch. Von dieser Möglichkeit ist zwar auch in BGE 24 I 496 und BGE 61 III 172 Erw. 2 die Rede. Allein die Konkursgläubiger sind zu solcher Vorschussleistung nicht verpflichtet (vgl. BGE 62 I 216 ), und es wird daher häufig dazu kommen, dass sowohl kleine wie grosse Gläubiger sie ablehnen, die kleinen aus Furcht vor weiteren Verlusten, die grossen in der Hoffnung, den Prozess dann als Abtretungsgläubiger im eigenen Interesse führen zu können. Ob die Auferlegung einer Prozesskaution an eine Konkursmasse im Hinblick auf diese aus dem Gesichtspunkt einer ordnungsgemässen Liquidation unerwünschten Folgen geradezu bundesrechtswidrig ist, wie die Beschwerdeführerin geltend macht, ist allerdings zweifelhaft, kann aber dahingestellt bleiben, da die vorliegend angefochtene Kautionsauflage nach dem Gesagten jedenfalls gegen den BGE 85 I 140 S. 148 Grundsatz der Rechtsgleichheit verstösst und schon aus diesem Grunde aufzuheben ist. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid des Kassationsgerichtes des Kantons Zürich vom 17. April 1959 aufgehoben.
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Urteilskopf 99 IV 36 8. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 22. März 1973 i.S. Kumschick gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern.
Regeste Art. 20 Tierseuchengesetz, Art. 17.7 Tierseuchenverordnung. Die Viehhandelskontrolle ist auf amtlichem Formular gemäss Musterbeispiel des Eidg. Veterinäramtes zu führen; bei Kauf oder Verkauf von ganzen Tierherden genügen Angaben über den gesamthaften Tierzuwachs bzw. -abgang.
Sachverhalt ab Seite 36 BGE 99 IV 36 S. 36 A.- Anton Kumschick handelt mit Schweinen. Nach Art. 17.7 der Verordnung zum BG über die Bekämpfung der Tierseuchen (TSV) vom 15. Dezember 1967 ist er als Viehhändler zur gewissenhaften Führung einer lückenlosen Viehhandelskontrolle verpflichtet, in welcher laufend jeder Tierzuwachs und -abgang einzutragen ist. Das Verzeichnis ist auf einem vom Eidg. Veterinäramt aufgestellten Formular zu führen und den seuchenpolizeilichen Organen jederzeit zur Einsicht offen zu BGE 99 IV 36 S. 37 halten. Im Jahre 1970 wurde Kumschick vom kantonalen Veterinäramt Luzern wiederholt vergeblich aufgefordert, die Viehhandelskontrolle einzusenden; er hatte für 1969 und 1970 keine solche Kontrolle geführt. B.- Am 15. September 1971 verurteilte das Amtsgericht Willisau Kumschick wegen Nichtführens und Nichtablieferns der genannten Kontrolle zu einer Busse von Fr. 50.-. Eine vom Gebüssten gegen diesen Entscheid eingereichte kantonale Kassationsbeschwerde wies das Obergericht des Kantons Luzern am 25. Februar 1972 ab. Es stellte dabei fest, dass Gegenstand der Anklage das Nichtführen der Viehhandelskontrolle bilde und dass das von der ersten Instanz zusätzlich einbezogene Nichtabliefern derselben im Nichtführen der Kontrolle aufgehe, nachdem eine solche nicht habe abgeliefert werden können, weil sie nicht geführt worden sei. Auf staatsrechtliche Beschwerde Kumschicks hob das Bundesgericht am 19. September 1972 den obergerichtlichen Entscheid auf, weil dem Beschwerdeführer nicht Gelegenheit gegeben worden war, zu einer im kantonalen Kassationsverfahren eingeholten Vernehmlassung des Eidg. Veterinäramtes Stellung zu beziehen. Mit Urteil vom 8. Januar 1973 wies das Obergericht die kantonale Kassationsbeschwerde erneut ab, nachdem es Kumschick im Sinne des bundesgerichtlichen Entscheides rechtliches Gehör gewährt und dieser neue Beweisbegehren gestellt hatte. C.- Kumschick führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichtes vom 8. Januar 1973 und der Entscheid des Amtsgerichtes Willisau vom 15. September 1971 seien aufzuheben und er sei von Schuld und Strafe freizusprechen, eventuell seien die Akten zu neuer Beurteilung an die zuständige kantonale Instanz zurückzuweisen. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern hat sich mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde vernehmen lassen. Der Kassationshof weist die Nichtigkeitsbeschwerde ab, soweit darauf eingetreten werden kann. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Der Beschwerdeführer macht geltend, seine Verurteilung beruhe auf keiner gesetzlichen Grundlage. Es gebe keine Gesetzesvorschrift und keine Verordnungsbestimmung, welche BGE 99 IV 36 S. 38 die Führung einer Viehhandelskontrolle in der Form gebiete, wie sie dem Beschwerdeführer vorgeschrieben worden sei. Auch das vom Eidgenössischen Veterinäramt (EVA) aufgestellte Musterformular enthalte keine Vorschrift über die Eintragung eines einzelnen Tieres. Wohl sehe die TSV die Führung einer Kontrolle nach vorgeschriebenem Formular vor. Wenn aber das kantonale Veterinäramt das Formular so ausgestalte, dass man es nicht ausfüllen könne, so gelte der Satz "ultra posse nemo tenetur". Das kantonale Veterinäramt habe sich nicht an das Formular des EVA gehalten, indem es zusätzlich zu diesem Weisungen erlassen habe, die keinen Strafschutz verdienten und das Formular untauglich machten. - Art. 48 TSG gewähre nur einen strafrechtlichen Schutz in bezug auf das, was im Gesetz oder in der Verordnung stehe oder in Ausführung der Bestimmungen von den Behörden als Vorschriften allgemeiner Art erlassen worden sei. Die beanstandete Viehhandelskontrolle sei nicht von einer Behörde angeordnet worden, sondern vom kantonalen Veterinäramt, das keine Behörde sei. Es fehle somit die rechtliche Grundlage zur Bestrafung des Beschwerdeführers. Des weiteren sei die Viehhandelskontrolle durch das Viehhandelskonkordat und nicht durch das eidgenössische Gesetz eingeführt worden, so dass die Strafvorschriften über die Viehhandelskontrolle nicht auf das TSG abgestützt werden könnten. Auch sei die Viehhandelskontrolle seuchenpolizeilich bedeutungslos. Das Formular für die Viehhandelskontrolle sei "eine rein fiskalische Grundlage für die Gebührenberechnung durch das kantonale Veterinäramt", so dass ein strafrechtlicher Schutz auch unter dem Gesichtspunkt der Tierseuchenpolizei unhaltbar sei. Schliesslich stelle sich die Frage, ob die allgemeine Blankettnorm des Art. 48 TSG nicht den Bogen überspanne. An der Systematik des Strafschutzes im Tierseuchenwesen habe sich seit Inkrafttreten des neuen TSG nichts geändert. Der generelle Straftatbestand des Art. 232 StGB sei geblieben. Man könne sich deshalb fragen, ob nicht die Überlegungen weiterhin Gültigkeit hätten, die seinerzeit in BGE 88 IV 139 angestellt worden seien. a) Art. 20 TSG ermächtigt den Bundesrat, gegen die Verschleppung von Seuchen bei der Berufsausübung, insbesondere beim gewerbsmässigen Viehhandel seuchenpolizeiliche Vorschriften zu erlassen. In Ausführung dieser Delegationsvorschrift hat der Bundesrat die Bestimmungen des Art. 17 TSV BGE 99 IV 36 S. 39 erlassen (FRITSCHI/NABHOLZ/RIEDI, Kommentar zum TSG und zur TSV S. 22 N. 3 zu Art. 20). Danach sind die Viehhändler zur gewissenhaften Führung einer lückenlosen Viehhandelskontrolle verpflichtet, in welcher laufend jeder Tierzuwachs und -abgang einzutragen ist. Die Kontrolle ist auf einheitlichem, vom Veterinäramt aufgestelltem Formular zu führen (s. auch Art. 57 TSG ). Daraus erhellt, dass die genannte Viehhandelskontrolle nicht - wie der Beschwerdeführer behauptet - durch das Viehhandelskonkordat, sondern durch den Bundesrat mit dem Erlass der TSV eingeführt worden ist. Entsprechend wurde ihm denn auch von den kantonalen Instanzen nicht ein Verstoss gegen dieses Konkordat, sondern gegen Art. 17.7 TSV zur Last gelegt. Dass aber eine solche Übertretung unter die Strafdrohung des Art. 48 TSG fällt, steht nach dem Wortlaut dieser Bestimmung, auf welche Art. 61.2 TSV ausdrücklich verweist, ausser Zweifel. Danach wird nämlich mit Busse bis zu Fr. 2000.-- bestraft, wer vorsätzlich den Bestimmungen von Art. 14 Abs. 1, Art. 17, Art. 18 Abs. 1 und 2, Art. 21, 23, 26 oder den in Ausführung dieser oder anderer Bestimmungen des Gesetzes von den Behörden des Bundes oder eines Kantons erlassenen Vorschriften zuwiderhandelt. b) Mit der Rüge sodann, die Viehhandelskontrolle sei seuchenpolizeilich bedeutungslos und das Formular diene nur fiskalischen Zwecken, bestreitet Kumschick die Gesetzmässigkeit des Art. 17.7 TSV. Wie bereits ausgeführt, kann nach Art. 20 TSG der Bundesrat gegen die Verschleppung von Seuchen bei der Berufsausübung, insbesondere beim gewerbsmässigen Viehhandel seuchenpolizeiliche Vorschriften erlassen. Zu prüfen ist deshalb, ob Art. 17.7 TSV sich im Rahmen dieser Delegationsnorm halte. Hiebei steht dem Richter nicht das Recht zu, sein eigenes Ermessen an die Stelle jenes des Bundesrates zu setzen. Vielmehr hat er sich auf die Beantwortung der Frage zu beschränken, ob sich der Bundesrat mit dem Erlass des Art. 17.7 TSV eines Mittels bedient habe, das objektiv dem von Art. 20 TSG verfolgten Zweck dient, d.h. ob die Führung einer Viehhandelskontrolle auf amtlichem Formular, in welchem neben den Daten des Ankaufs und des Verkaufs gehandelter Tiere die Tiergattung und Stückzahl sowie die Namen der Verkäufer und Käufer einzutragen sind, der Verschleppung von Tierseuchen überhaupt entgegenzuwirken vermag (s. BGE 98 IV 135 ). Diese Frage ist entgegen der Meinung des Beschwerdeführers BGE 99 IV 36 S. 40 zu bejahen. Nach Art. 17.7 TSV hat der Viehhändler laufend "jeden Tierzuwachs und -abgang" einzutragen. Wie sich aus dem Musterformular ergibt, muss bei Käufen von Tierherden nicht jedes Tier einzeln, sondern bloss der Zuwachs in seiner Gesamtheit verzeichnet werden. Entsprechend ist auch nicht unbedingt erforderlich, dass Abgänge jeweils auf der gleichen Linie wie der Zuwachs einzutragen sind. Damit ist zwar eine Vermischung der Tiere nicht auszuschliessen und ein unmittelbares Erfassen des Einzeltieres aufgrund der Kontrolle nicht durchwegs möglich. Trotzdem erlaubt auch eine derartige Kontrolle, im Falle einer Seuche, den Kreis der möglicherweise verseuchten Ställe einzugrenzen, um so Kontrollen auf diese zu beschränken und schliesslich die rasche Anordnung gezielter Massnahmen zu fördern. Die objektive Eignung der Viehhandelskontrolle als Mittel im Kampf gegen die Verschleppung von Tierseuchen beim gewerbsmässigen Viehhandel ist also gegeben und infolgedessen auch die Gesetzmässigkeit des Art. 17.7 TSV. c) Der Einwand, das kantonale Veterinäramt habe das vom EVA aufgestellte Formular so ausgestaltet, dass es nicht ausgefüllt werden könne, geht fehl. Das Formular selber entspricht durchaus dem Musterbeispiel des EVA (s. FRITSCHI/NABHOLZ/RIEDI, op.cit. Anhang S. 367). Dagegen trifft es zu, dass am Fusse dieses Formulars vom kantonalen Veterinäramt die Weisung aufgenommen wurde, es seien bei Veräusserung eines zugekauften Tieres "die erforderlichen Eintragungen des betreffenden Tieres auf der rechten Seite (Verkauf) zu vermerken, und zwar auf jener Linie, auf welcher sich das in Frage kommende Tier im Eingang (Ankauf) befindet". Diese Weisung stimmt in der Tat mit dem Musterbeispiel nicht überein, indem nach den dortigen Eintragungen beim Kauf einer ganzen Anzahl von Schweinen nur der Zuwachs in seiner Gesamtheit unter "Ankauf" eingetragen werden muss, während bei der Veräusserung dieses Zuwachses an verschiedene Käufer die Abgänge selbstverständlich nicht auf der gleichen Linie und nach Einzeltieren zu verzeichnen sind, wenn sie wieder in Herden verkauft wurden. Insoweit geht also die Weisung über das Musterformular des EVA hinaus. Im vorliegenden Fall hat aber das Obergericht in seinem letzten Entscheid dem Beschwerdeführer nicht zur Last gelegt, dass es sich nicht an die Weisung gehalten habe. Es hat ihm vorgeworfen, überhaupt nichts in BGE 99 IV 36 S. 41 das Formularbuch eingetragen zu haben, obschon ihm dies in dem durch das Musterbeispiel selber umschriebenen Rahmen möglich gewesen wäre. Geht man aber hievon aus, dann ist es mutwillig zu behaupten, die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Nichtführens der Viehhandelskontrolle entbehre der gesetzlichen Grundlage. d) Der Umstand schliesslich, dass der im vorliegenden Fall angewendete Art. 48 TSG einzig die Strafdrohung regelt, für den Tatbestand aber auf Verwaltungsvorschriften im gleichen Gesetz oder in Ausführungserlassen verweist, ist im Verwaltungsstrafrecht eine häufige Erscheinung und rechtlich nicht zu beanstanden (SCHWANDER, Das Schweiz. StGB, 2. Auflage, S. 14 betr. die Blankettstrafgesetze). Was aber den von Kumschick angezogenen BGE 88 IV 139 anbelangt, so ging es dabei nicht um die Frage, ob neben Art. 232 StGB für die Anwendung von Art. 48 TSG Raum sei, sondern umgekehrt, ob neben den Spezialvorschriften der Tierseuchenpolizei das StGB zur Anwendung komme auf Handlungen, die keine seuchenpolizeilichen Tatbestände betreffen, jedoch im Zusammenhang mit Massnahmen zur Bekämpfung von Tierseuchen begangen wurden (z.B. ungetreue Geschäftsführung). Ausser jedem Zweifel stand damals, dass jedenfalls Handlungen, durch welche die Bekämpfung von Tierseuchen in ihrem Erfolg gefährdet oder beeinträchtigt werden, unter die Sondergesetzgebung der Tierseuchenpolizei fallen. Gegen die Anwendung von Art. 17.7 TSV in Verbindung mit Art. 48 TSG ist deshalb aus BGE 88 IV 139 nichts abzuleiten.
null
nan
de
1,973
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CH_BGE_006
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Urteilskopf 116 II 158 29. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 5. April 1990 i.S. Y. gegen Gemeinde M., B., C. und F. AG (Berufung)
Regeste Art. 760 OR . Verjährung der Ansprüche aus aktienrechtlicher Verantwortlichkeit. 1. Die Verjährung der Ansprüche aus der Haftung des Gemeinwesens gemäss Art. 762 Abs. 4 OR richtet sich nach Art. 760 OR (E. 3a). 2. Die nach Art. 760 OR den Lauf der fünfjährigen Verjährungsfrist auslösende Kenntnis seines Schadens besitzt der Gläubiger, der im Konkurs einer Aktiengesellschaft zu Verlust kommt, in der Regel, wenn der Kollokationsplan und das Inventar zur Einsicht aufgelegt worden sind; aufgrund besonderer Umstände kann der Geschädigte die nötige Kenntnis jedoch auch schon früher erlangen (E. 4). 3. Die Verjährung ruht nicht im Sinne von Art. 134 Abs. 1 Ziff. 6 OR , bis die Konkursmasse dem Gläubiger die Ansprüche gegen die verantwortlichen Organmitglieder abgetreten hat (E. 5).
Sachverhalt ab Seite 158 BGE 116 II 158 S. 158 A.- Die X. Parkhaus AG baute im Jahre 1968 auf einem gemeindeeigenen Grundstück in M., auf welchem ihr ein entsprechendes Baurecht eingeräumt worden war, ein Parkhaus. Die Gesellschaft war am 28. Mai 1968 gegründet worden. Dem Verwaltungsrat gehörten der inzwischen verstorbene A. als Präsident BGE 116 II 158 S. 159 sowie B. und C. an, letzterer als Vertreter der Gemeinde M. Kontrollstelle war die F. AG. Y. führte im Zusammenhang mit dem Bau des Parkhauses die Abbruch- und Aushubarbeiten aus. Im Mai 1969 belangte er die X. Parkhaus AG beim Bezirksgericht Maloja auf Bezahlung seiner Werklohnforderung von Fr. 750'00.--, für welche er auf dem Baurechtsgrundstück ein Bauhandwerkerpfandrecht provisorisch hatte eintragen lassen. Das Bezirksgericht sprach ihm mit Urteil vom 23. April/2. Mai 1981 einen Betrag von Fr. 553'454.75 zu. Im Konkurs der X. Parkhaus AG, der am 8. Oktober 1971 eröffnet worden war, ging Y. leer aus. Am 9. März 1977 trat die Konkursmasse die allfälligen aktienrechtlichen Verantwortlichkeitsansprüche gegen die Gründer, die früheren Verwaltungsräte und die ehemalige Kontrollstelle an Y. ab. B.- Am 10. Februar 1984 reichte Y. beim Bezirksgericht Maloja eine Klage gegen die Gemeinde M. sowie gegen B., C. und die F. AG ein mit dem Begehren, die Beklagten seien solidarisch zu verpflichten, ihm Fr. 683'034.95 nebst Zins und Verzögerungsschaden zu bezahlen. Mit Urteil vom 24. Juni/21. Oktober/4. November 1987 wies das Bezirksgericht die Klage zufolge Verjährung ab. Das Kantonsgericht von Graubünden wies am 9. Mai 1989 die vom Kläger eingelegte Berufung ab. C.- Der Kläger hat gegen das kantonsgerichtliche Urteil eidgenössische Berufung und staatsrechtliche Beschwerde eingereicht, welch letztere das Bundesgericht mit Entscheid vom heutigen Tag abgewiesen hat, soweit es darauf eingetreten ist. Mit der Berufung beantragt er, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Streitsache an die Vorinstanz zurückzuweisen. Das Bundesgericht weist die Berufung ab, soweit es darauf eintritt, und bestätigt das angefochtene Urteil. Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. a) Für die Verjährung der Verantwortlichkeit des Gemeinwesens enthält Art. 762 OR keine Regelung. Der Kläger rügt in der Berufung, die Vorinstanz habe für seine Ansprüche gegen die Beklagte 1 zu Unrecht die Verjährungsfristen von Art. 760 OR angewendet, statt auf die allgemeine zehnjährige Verjährungsfrist gemäss Art. 127 OR abzustellen. BGE 116 II 158 S. 160 Gemischtwirtschaftliche Unternehmungen in der Form von Aktiengesellschaften unterstehen, soweit das Gesetz nicht ausdrücklich Ausnahmen statuiert, den aktienrechtlichen Bestimmungen des OR (vgl. BÜRGI/NORDMANN, a.a.O., N. 2 zu Art. 762 OR ). Art. 762 Abs. 4 OR regelt hinsichtlich der aktienrechtlichen Verantwortlichkeit für Organmitglieder, die von einer Körperschaft des öffentlichen Rechts abgeordnet sind, nur die Passivlegitimation besonders. Im übrigen stellt Art. 762 Abs. 3 OR die vom Gemeinwesen abgeordneten Mitglieder den von der Generalversammlung gewählten ausdrücklich gleich. Voraussetzungen und Umfang der Verantwortlichkeit richten sich daher auch bei der direkten Haftung des Gemeinwesens nach Art. 754 ff. OR . Gleiches muss für die Verjährung der entsprechenden Ansprüche gelten. Diese hat sich demnach nach Art. 760 OR zu richten. Nur so kann auch die vom Gesetzgeber angestrebte Einheitlichkeit der Verjährungsfristen für alle aktienrechtlichen Verantwortlichkeitsansprüche unabhängig von ihrem Rechtsgrund erreicht werden ( BGE 87 II 298 ; BÜRGI/NORDMANN, a.a.O., N. 6 zu Art. 760 OR ; FORSTMOSER, a.a.O., S. 163 Rz. 501). Aus den vom Kläger für seine abweichende Auffassung angeführten Kommentarstellen (Bürgi/ Nordmann, a.a.O., N. 2, 14 und 31 zu Art. 762 OR ) ergibt sich nichts anderes; dort wird lediglich der Charakter von Art. 762 OR als lex specialis gegenüber den übrigen aktienrechtlichen Bestimmungen erwähnt. (...) 4. Das Kantonsgericht hat die Verjährungsfrage somit zu Recht für alle Beklagten aufgrund von Art. 760 OR beurteilt, wonach die Ansprüche aus aktienrechtlicher Verantwortlichkeit in fünf Jahren, seitdem der Geschädigte Kenntnis vom Schaden und von der Person des Ersatzpflichtigen erlangt hat, verjähren. Diese Kenntnis hatte der Kläger nach den Feststellungen im angefochtenen Urteil spätestens seit dem 12. Dezember 1972. Das Kantonsgericht gelangt deshalb zum Schluss, dass die Ansprüche des Klägers, als er am 7. Mai 1978 ein erstes Vermittlungsbegehren gestellt habe, bereits verjährt gewesen seien. Der Kläger erblickt in dieser Auffassung eine Verletzung von Art. 760 OR . a) Kenntnis des Schadens, welche nach Art. 760 OR den Lauf der fünfjährigen Verjährungsfrist auslöst, liegt vor, wenn der Geschädigte die Existenz eines Schadens sowie dessen Beschaffenheit und wesentliche Merkmale, d.h. alle tatsächlichen Umstände kennt, die geeignet sind, eine Klage zu veranlassen und zu begründen BGE 116 II 158 S. 161 ( BGE 100 II 342 E. 1 mit Hinweisen). Nicht erforderlich ist hingegen, dass die Höhe des Schadens ziffernmässig bereits genau festgelegt werden kann ( BGE 108 Ib 100 mit Hinweisen). Der Gläubiger, der im Konkurs seines Schuldners zu Verlust kommt, erlangt daher nicht erst dann hinreichende Kenntnis von seinem Schaden, wenn er den genauen Betrag seiner Konkursdividende kennt; vielmehr genügt, dass er den Stand der Aktiven und den Rang seiner Forderung zu überblicken und damit die voraussichtliche Höhe seiner Dividende abzuschätzen vermag. Dazu ist er nach Lehre und Rechtsprechung regelmässig dann in der Lage, wenn der Kollokationsplan und das Inventar zur Einsicht aufgelegt worden sind ( BGE 113 V 182 ; BGE 111 II 167 ; BGE 108 Ib 100 je mit Hinweisen; FORSTMOSER, a.a.O., S. 165 Rz. 510); aufgrund besonderer Umstände kann der Geschädigte im Einzelfall die nötige Kenntnis jedoch auch schon früher erlangen. b) Im Konkurs der X. Parkhaus AG wurde der Kollokationsplan am 30. Juni 1973 öffentlich aufgelegt. Wäre für den Beginn des Fristenlaufs auf dieses Datum abzustellen, so wären die Ansprüche des Klägers im Zeitpunkt seines Vermittlungsbegehrens vom 7. März 1978 noch nicht verjährt gewesen. Beide kantonalen Instanzen gehen jedoch davon aus, der Kläger habe spätestens ab 12. Dezember 1972 und nicht erst nach der Auflegung des Kollokationsplans gewusst, dass seine Forderung im vollen Umfang ungedeckt bleiben würde. Diese Auffassung stützen die kantonalen Gerichte auf die folgenden Feststellungen: Nachdem die X. Parkhaus AG am 22. September 1970 die Insolvenzerklärung abgegeben habe, sei zwar ein Sachwalter bestellt, die Konkurseröffnung aber in der Hoffnung auf eine Sanierung vorerst noch aufgeschoben worden. An einer Sitzung vom 18. Januar 1971, an welcher der Kläger teilgenommen habe, habe der Sachwalter darauf hingewiesen, dass bei einem Scheitern der Sanierungsbemühungen für die Handwerker im Konkurs kein Heller übrigbleiben, sondern aller Wahrscheinlichkeit nach sogar die Gläubiger mit vertraglichen Grundpfandforderungen zu Verlust kommen würden. Nach eröffnetem Konkurs sei am 26. Oktober 1971 im Beisein des Anwalts des Klägers die erste Gläubigerversammlung abgehalten worden. Der Konkursbeamte habe damals unmissverständlich klargestellt, dass bei vorgehenden Grundpfandverschreibungen in der Höhe von 6,3 Mio. Franken selbst die mit Bauhandwerkerpfandrechten gesicherten Gläubiger leer ausgehen würden. Am 11. Dezember 1972 habe im Zusammenhang mit Schadenersatzansprüchen von BGE 116 II 158 S. 162 Nachbarn in Zürich eine weitere Besprechung stattgefunden, welcher der Kläger ebenfalls beigewohnt habe. Der Konkursbeamte habe dort nochmals mit letzter Deutlichkeit ausgeführt, dass für die Handwerker im Konkurs nichts mehr übrigbleiben werde. Diese Feststellungen, die der Kläger in seiner staatsrechtlichen Beschwerde erfolglos angefochten hat, sind ebenso tatsächlicher Natur wie der von den Vorinstanzen daraus gezogene Schluss, der Kläger habe spätestens ab 12. Dezember 1972 gewusst, dass er mit seiner Forderung vollumfänglich zu Verlust kommen werde. Damit erweist sich die Behauptung des Klägers, der Schaden habe damals nicht abgeschätzt werden können, als unzulässig, ist das Bundesgericht im Berufungsverfahren doch - von hier nicht geltend gemachten Ausnahmen abgesehen - an den von der letzten kantonalen Instanz festgestellten Sachverhalt gebunden ( Art. 55 Abs. 1 lit. c und Art. 63 Abs. 2 OG ). Entgegen der Meinung des Klägers liegt darin, dass das Kantonsgericht aufgrund der gegebenen besonderen Verhältnisse eine hinreichende Kenntnis des Schadens bereits vor der Auflegung des Kollokationsplans angenommen hat, auch keine Verletzung von Art. 760 OR . In Lehre und Rechtsprechung wird die Auflegung des Kollokationsplans nicht, wie der Kläger behauptet, als der frühestmögliche Beginn für den Lauf der fünfjährigen Verjährungsfrist bezeichnet, sondern als der Zeitpunkt, auf welchen in der Regel abzustellen ist (E. a hievor). Damit bleibt durchaus Raum für einen ausnahmsweise früheren Beginn des Fristenlaufs. Mit Rücksicht auf die Interessen der geschädigten Gläubiger verbietet es sich allerdings, einen solchen früheren Verjährungsbeginn leichthin anzunehmen, beispielsweise schon die aus der Konkurseröffnung sich ergebende Kenntnis der Gläubiger, dass sie in grösserem oder geringerem Mass zu Verlust kommen werden, als genügend zu betrachten. Ebensowenig darf aus blossen Mutmassungen, Gerüchten oder Angaben Dritter über den zu erwartenden Verlust eine hinreichende Kenntnis der Gläubiger von ihrem Schaden abgeleitet werden. Im vorliegenden Fall stützte sich das Wissen des Klägers jedoch auf drei zu verschiedenen Zeitpunkten gemachte Äusserungen des amtlich bestellten Sachwalters bzw. Konkursverwalters, wobei jene vom 26. Oktober 1971 an der ersten Gläubigerversammlung und damit im Rahmen der gesetzlich vorgeschriebenen Berichterstattung erfolgte. Dass demgegenüber die Zusammenkunft vom 11. Dezember 1972 nicht amtlich, sondern von einem involvierten Versicherer einberufen worden BGE 116 II 158 S. 163 war, schliesst die Berücksichtigung des dabei erlangten Wissens des Klägers nicht aus; wenn in Art. 760 OR auf die Kenntnis des Schadens und nicht etwa auf einen bestimmten Stand des Konkursverfahrens abgestellt wird, muss grundsätzlich unmassgeblich bleiben, woher der Geschädigte sein Wissen bezieht, wenn dieses Wissen nur genügend sicher ist. 5. Unbegründet ist der Einwand des Klägers, die Verjährung habe gemäss Art. 134 Abs. 1 Ziff. 6 OR bis zum 9. März 1977 geruht, da ihm erst zu diesem Zeitpunkt die Verantwortlichkeitsansprüche abgetreten und damit deren gerichtliche Geltendmachung ermöglicht worden sei. Für seine Auffassung kann sich der Kläger zwar auf BÜRGI/NORDMANN (a.a.O., N. 13 zu Art. 760 OR ) berufen. Der Anwendung von Art. 134 Abs. 1 Ziff. 6 OR auf Fälle wie den vorliegenden steht jedoch die Tatsache entgegen, dass die Konkursverwaltung gemäss Art. 756 Abs. 1 OR schon ab dem Zeitpunkt der Konkurseröffnung berechtigt ist, den mittelbaren Schaden der Gesellschaftsgläubiger gegenüber den Verantwortlichen geltend zu machen (FORSTMOSER, a.a.O., S. 165 f. Rz. 509 f.). Dass normalerweise erst die zweite Gläubigerversammlung über die Führung eines Verantwortlichkeitsprozesses durch die Konkursmasse entscheidet, ist ein Umstand in der Person des zur Geltendmachung der Ansprüche Berechtigten und damit im Hinblick auf Art. 134 Abs. 1 Ziff. 6 OR unbeachtlich ( BGE 90 II 440 ). Im übrigen ist die Konkursverwaltung verpflichtet, ab dem Zeitpunkt der Konkurseröffnung alle zur Erhaltung der Masse erforderlichen Vorkehren zu treffen ( Art. 240 SchKG ), wozu auch die rechtzeitige Unterbrechung der Verjährung für Verantwortlichkeitsansprüche gehört. Die Gläubiger haben daher ohne weiteres die Möglichkeit, die Konkursverwaltung zur Vornahme geeigneter Unterbrechungshandlungen anzuhalten. Dass der Kläger dies unterlassen hat, hat er sich selbst zuzuschreiben. Ausserdem lief die Verjährungsfrist im vorliegenden Fall erst neun Monate nach der Abtretung der Ansprüche an den Kläger ab.
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Urteilskopf 115 III 148 32. Arrêt de la Chambre des poursuites et des faillites du 21 décembre 1989 dans la cause X. & Cie (recours LP)
Regeste Anwendungsbereich des Vertrages zwischen der Schweiz und Frankreich über den Gerichtsstand und die Vollziehung von Urteilen in Zivilsachen vom 15. Juni 1869. Ein Unternehmen, das sich in Zahlungsschwierigkeiten befindet, kann aufgrund der französischen "Loi No 85-98 relative au redressement et à la liquidation judiciaires des entreprises" beim Richter für Schulden, die vor Beginn des Verfahrens entstanden sind, Stundung verlangen, wobei ihm die kollektive Zwangsvollstreckung droht, falls es seinen Zahlungspflichten nicht in der festgesetzten Frist nachkommt. Dieses Verfahren stellt eine Abart des Konkurses dar und untersteht in allen seinen Verfahrensabschnitten dem französisch-schweizerischen Vertrag vom 15. Juni 1869. Diese Unterstellung des neuen französischen Verfahrens entspricht dem Sinn und dem Zweck des Vertrages, die Einheit und Universalität des Konkurses zwischen der Schweiz und Frankreich zu sichern (E. 3).
Sachverhalt ab Seite 149 BGE 115 III 148 S. 149 A.- Le 30 avril 1987, la Banque A., à New York, a fait séquestrer à Genève (séquestre No 287 SQ 258) les avoirs de X. & Cie, à Paris, en mains de sa succursale genevoise Y. SA et de trois établissements bancaires. Par l'intermédiaire des autorités françaises compétentes, l'Office des poursuites de Genève a notifié le 7 juillet à Me P., alors administrateur judiciaire de X. & Cie, l'ordonnance et le procès-verbal du séquestre, ainsi que le commandement de payer No 87 043.231 S validant la mesure. La poursuite après séquestre a abouti le 15 septembre 1987, avec effet au 29 septembre 1987, à la saisie définitive des biens séquestrés en mains de Y. SA, sur lesquels celle-ci avait invoqué déjà lors du séquestre des droits préférables. Eu égard notamment aux droits prétendus par Y. SA, l'Office a rejeté, le 21 décembre 1987, la réquisition de vente formée le 28 octobre 1987. B.- Le 24 novembre 1987, l'administrateur judiciaire de X. & Cie a obtenu auprès du Tribunal de première instance de Genève l'exequatur de deux jugements du Tribunal de Commerce de Paris, prononcés les 11 juin 1987 et 9 juillet 1987 dans le cadre de la procédure de redressement judiciaire de X. & Cie. Le 4 février 1988, Y. SA en liquidation concordataire a demandé à l'Office des poursuites l'annulation du séquestre obtenu par la Banque A. Dans sa décision du 1er juillet 1988, l'Office a attribué aux jugements français déclarés exécutoires à Genève les effets d'un jugement de faillite; les actifs précédemment saisis devaient donc être tenus à la disposition de l'administrateur judiciaire de X. & Cie, sous réserve des droits préférables à ceux des créanciers de la faillite française. C.- Le 14 juillet 1988, la Banque A. a formé une plainte contre cette décision. Par la décision du 21 juin 1989, l'Autorité de surveillance des offices de poursuite pour dettes et de faillite du canton de Genève a admis partiellement la plainte; elle a annulé la décision de l'Office et prononcé que les jugements déclarés exécutoires en Suisse le 24 novembre 1987 déployaient les effets d'un jugement octroyant un sursis concordataire; elle a rejeté la plainte pour le surplus. D.- X. & Cie exerce en temps utile un recours à la Chambre des poursuites et des faillites du Tribunal fédéral. Elle demande BGE 115 III 148 S. 150 l'annulation du commandement de payer No 87 043.231 S qui lui a été notifié le 7 juillet 1987, ainsi que du procès-verbal de séquestre No 87 902.258 S. De surcroît, elle requiert la constatation qu'aucune poursuite ne peut être dirigée contre elle en Suisse, tant que la procédure de redressement judiciaire perdure en France; les jugements français prononçant le redressement judiciaire de X. & Cie ont en Suisse les effets d'un jugement de faillite. En conséquence, elle demande encore que les réquisitions de vente soient déclarées nulles et que les actifs séquestrés et saisis soient remis au liquidateur de la faillite de X. & Cie en nom collectif. Enfin, elle requiert l'attribution de l'effet suspensif à son recours et, à titre subsidiaire, le renvoi de la cause à l'autorité cantonale pour nouvelle décision. La Banque A. conclut pour sa part au rejet du recours. Elle requiert qu'il soit constaté que les jugements des 11 juin et 9 juillet 1987 du Tribunal de Commerce de Paris ne sont pas susceptibles de reconnaissance en Suisse, que le procès-verbal de saisie définitive dans la poursuite No 87 043.231 S déploie tous ses effets, que les biens saisis de X. & Cie ne seront pas remis à son administrateur judiciaire, mais devront servir au paiement des créanciers participant à la même série, le surplus éventuel étant versé à X. & Cie. L'Office des poursuites a renoncé à déposer des observations. Quant à l'autorité cantonale, elle ne s'est pas déterminée. L'effet suspensif sollicité par la recourante lui a été octroyé par décision du 17 juillet 1989 du Président de la Chambre de céans, en ce sens qu'ordre a été donné à l'Office des poursuites de surseoir à la réalisation des biens séquestrés puis saisis dans la poursuite No 87 043.231 S. Erwägungen Considérant en droit: 1. a) L'autorité cantonale a examiné les effets, sur les actes entrepris par les créanciers individuellement, de la loi française No 85-98 du 25 janvier 1985 relative au redressement et à la liquidation judiciaires des entreprises (ci-après: loi No 85-98). Elle s'est référée à un jugement du 18 septembre 1988 du Tribunal de grande instance de Nanterre rendu à l'encontre des frères X., selon lequel le "redressement judiciaire" interdisait non seulement les exécutions spéciales, mais retirait au débiteur la disposition de ses biens pour les confier à l'administrateur judiciaire désigné par le BGE 115 III 148 S. 151 juge. Elle en a déduit que les jugements des 11 juin et 9 juillet 1987 du Tribunal de Commerce de Paris concernant X. & Cie, prononcés dans le cadre de la loi No 85-98, pouvaient être assimilés à un sursis concordataire au sens des art. 295 ss LP , voire à un ajournement de faillite selon les art. 725 al. 4 CO ou 173a LP. Si les deux jugements français exécutoires en Suisse ont le sens d'un sursis concordataire, les biens saisis en Suisse au détriment de X. & Cie doivent être tenus à la disposition de l'administrateur judiciaire désigné par les autorités françaises compétentes, sous réserve des mesures conservatoires qui pourraient être prises pour assurer la protection des droits préférables invoqués en Suisse par des créanciers ( ATF 94 III 96 consid. 7). L'autorité cantonale est en outre d'avis que l'administrateur judiciaire de X. & Cie s'est prévalu à tort de la Convention entre la Suisse et la France sur la compétence judiciaire et l'exécution des jugements en matière civile du 15 juin 1869 (ci-après: la Convention franco-suisse, RS 0.276.193.491), qui obligerait la créancière à agir exclusivement en France s'agissant des biens saisis en Suisse. En effet, la saisie en Suisse des biens en mains de Y. SA est entrée en force en l'absence de toute contestation de la recourante. En revanche, le redressement judiciaire litigieux dont est l'objet X. & Cie empêche la réalisation des biens saisis à son détriment à Genève, du moment que la Banque A. ne s'est pas opposée à l'ouverture par Y. SA d'une procédure de revendication au sens de l' art. 106 LP . b) X. & Cie objecte que l'autorité cantonale a méconnu tout d'abord les art. 166 ss de la Loi fédérale sur le droit international privé (LDIP), plus particulièrement l' art. 170 LDIP . Ces dispositions prévoiraient la reconnaissance d'un jugement de faillite prononcé à l'étranger et conféreraient à celui-ci pour les biens sis en Suisse tous les effets qui résultent en droit suisse de l'ouverture de la faillite. Le fait que le redressement judiciaire, respectivement la liquidation judiciaire, de la nouvelle législation française soit une procédure d'exécution, assimilable à un jugement de faillite, découlerait notamment de l'art. 47 de la loi No 85-98. Dès lors, la décision judiciaire d'ouverture d'instance prononcée dans le cadre de la loi française précitée entraînerait tant la suspension de toutes les actions en exécution déjà introduites contre le débiteur que l'interdiction d'en intenter de nouvelles; en d'autres termes, toute exécution forcée serait suspendue, respectivement interdite, à l'encontre des biens meubles et immeubles du débiteur. Ainsi, les conséquences juridiques BGE 115 III 148 S. 152 seraient identiques à celles que prévoit l' art. 206 LP après l'ouverture de la faillite. La correspondance parfaite entre le redressement et la liquidation judiciaires, d'une part, et l'ouverture de la faillite, d'autre part, aurait donc pour résultat la nullité radicale de la notification le 7 juillet 1987 du commandement de payer No 87 043.231 S., le jugement prononçant le redressement judiciaire de X. & Cie, déclaré exécutoire en Suisse le 24 novembre 1987, datant du 11 juin 1987. 2. L' art. 166 al. 1 LDIP dispose qu'une décision de faillite étrangère rendue dans l'Etat du domicile du débiteur est reconnue en Suisse à la réquisition de l'administration de la faillite ou d'un créancier: a) si la décision est exécutoire dans l'Etat où elle a été rendue; b) s'il n'y a pas de motif de refus au sens de l'art. 27 et c) si la réciprocité est accordée dans l'Etat où la décision a été rendue. Pour le patrimoine du débiteur sis en Suisse, la reconnaissance de la décision de faillite rendue à l'étranger a, sauf dispositions contraires de cette loi, les effets de la faillite tels que les prévoit le droit suisse ( art. 170 al. 1 LDIP ); si le débiteur a une succursale en Suisse, la procédure prévue à l' art. 50 al. 1 LP est admissible jusqu'au moment où l'état de collocation au sens de l' art. 172 LDIP est définitif ( art. 166 al. 2 LDIP ). L' art. 175 LDIP réserve l'application analogique des art. 166 à 170 LDIP à un concordat ou à une procédure analogue homologué par une juridiction étrangère compétente. Il y a lieu de déterminer d'abord si la Loi fédérale sur le droit international privé, entrée en vigueur le 1er janvier 1989, est applicable à la décision controversée, ouvrant la procédure de redressement judiciaire de X. & Cie, et à ses effets juridiques éventuels sur la poursuite déjà intentée contre Y. SA, à Genève. La procédure d'exequatur, qui a abouti le 24 novembre 1987 à une décision en force en Suisse et à la reconnaissance du redressement judiciaire de X. & Cie sur la base des jugements français des 11 juin et 9 juillet 1987, a trouvé son dénouement avant l'entrée en vigueur de la loi invoquée par la recourante. Toutefois, le redressement judiciaire ordonné en France déploie encore ses effets. Cette procédure peut mener, après une période d'observation (art. 3 ss loi No 85-98), à la continuation de l'entreprise en difficulté de paiement avec fixation d'un échéancier pour l'amortissement des dettes, mais également à la liquidation par l'aliénation totale de l'entreprise (art. 81 ss) ou la dissolution des anciennes unités économiques (art. 154). Tant qu'elle n'est pas terminée, l'art 47 de BGE 115 III 148 S. 153 la loi française doit être observé. Cette disposition suspend les actions en justice pendantes contre le débiteur et interdit d'en introduire de nouvelles; de même, elle arrête ou interdit toute procédure d'exécution forcée sur ses biens meubles et immeubles. La décision d'ouverture de la procédure de redressement judiciaire, prise avant l'entrée en vigueur de la LDIP, continue donc de produire des effets juridiques au sens de l' art. 196 al. 2 LDIP . Partant, dès le 1er janvier 1989, le redressement judiciaire de X. & Cie, prononcé précédemment en France, peut déployer en Suisse tous les effets qui lui sont conférés par les art. 166 ss LDIP . 3. L'art. 1er al. LDIP réserve cependant les traités internationaux. Il reste donc à examiner si la procédure de redressement judiciaire française entre dans le champ d'application de la Convention franco-suisse. Si la réponse est affirmative, il n'y a alors plus de place pour la réglementation suisse unilatérale établie par la Loi fédérale sur le droit international privé (GILLIÉRON, Le chapitre 11 de la loi fédérale sur le droit international privé et le droit international suisse de l'exécution forcée générale et collective in BlSchKG 1988, p. 161 ss, spéc. p. 168 ss; DALLÈVES, Les accords bilatéraux en matière de faillite, notamment la Convention franco-suisse de 1869, in Le droit de la faillite internationale, Premier Séminaire de droit international et de droit européen, Neuchâtel 11/12 octobre 1985, vol. 46 des Etudes suisses de droit international, p. 93/94; BÜRGI, BlSchKG 1989, p. 108). a) L'art. 6 de la Convention franco-suisse a pour objet de fixer la compétence locale relative à l'ouverture de la faillite d'un Français ayant un établissement de commerce en Suisse et réciproquement d'un Suisse ayant un établissement de commerce en France. Selon la jurisprudence constante et la doctrine unanime, cette disposition consacre le principe de l'unité et de l'universalité de la faillite dans les relations entre les deux pays ( ATF 94 III 89 consid. 4 et les références citées). Elle doit donc être interprétée d'une manière plus large que celle qui résulte de sa teneur même. En outre, le principe de l'unité de la faillite s'applique non seulement à l'égard de la faillite proprement dite, mais aussi à l'égard de ses modalités spéciales, tels la liquidation judiciaire et l'état de cessation de paiement du droit français, ou encore le sursis concordataire ( ATF 78 I 121 , ATF 21 I 48 , ATF 35 I 592 , ATF 46 I 165 ). La jurisprudence cantonale a en outre appliqué ce principe à la liquidation officielle d'une succession obérée, respectivement BGE 115 III 148 S. 154 d'une succession répudiée (Tribunal cantonal du canton de Vaud, 19 avril 1887, et Cour de justice du canton de Genève, 15 juin 1912, cités par DUTOIT/KNOEPFLER/LALIVE/MERCIER, Répertoire de droit international privé suisse, vol. 2., 1983, p. 75/76). L'art. 8 de la Convention franco-suisse prescrit de surcroît que le concordat homologué judiciairement dans un des deux Etats contractants dans le cadre d'une ouverture de faillite produit dans l'autre Etat les effets qu'il aurait dans le pays de la faillite. Le champ d'application de cette disposition conventionnelle recouvre d'après l'opinion suisse tant le concordat en cours de faillite ( art. 317 LP ) que le concordat ordinaire selon les art. 293 ss LP et le concordat par abandon d'actif des art. 316a ss LP (NUSSBAUM, Das internationale Konkursrecht der Schweiz, vol. 20 des Etudes suisses de droit international, p. 79). Le principe de l'unité de la faillite s'applique ainsi au sursis concordataire précédant le concordat préventif à la faillite. L'octroi du sursis concordataire, qui fait obstacle à l'introduction et à la continuation de toute poursuite contre le débiteur ( art. 297 LP ) tout en limitant son activité ( art. 298 LP ), ne signifie pas cependant qu'un concordat sera homologué. Nonobstant l'acceptation du concordat proposé par la majorité qualifiée des créanciers, l'autorité concordataire peut en refuser l'homologation. Cela entraîne la continuation ou le recommencement de l'exécution forcée par les créanciers, si bien que la procédure concordataire peut avoir en définitive le même sens qu'un ajournement, certes avec les effets particuliers des art. 297 et 298 LP . Il n'empêche que la jurisprudence du Tribunal fédéral a qualifié le sursis concordataire de modalité de la faillite au sens de l'art. 6 de la Convention franco-suisse et l'a soumis au champ d'application de cette convention. b) Sous cet angle, l'autorité cantonale a estimé à juste titre que la nouvelle procédure française de redressement judiciaire tombait également dans le domaine d'application de la Convention franco-suisse. La loi No 85-98 du 25 janvier 1985 attribue assurément un poids particulier à la continuation d'une entreprise en difficulté de paiement, cela dans le but de permettre le maintien de l'activité et de l'emploi (art. 1 al. 1 loi No 85-98), à savoir de l'entité économique dans son entier. Il convient pourtant de ne pas perdre de vue que la procédure de redressement judiciaire est aussi destinée à permettre l'apurement du passif au bénéfice des créanciers. Aux termes des art. 3 ss de la loi No 85-98, la procédure BGE 115 III 148 S. 155 de redressement judiciaire d'une entreprise, dans l'impossibilité de faire face au passif exigible avec son actif disponible, est ouverte à la demande du débiteur, d'un créancier, du procureur de la République ou d'office par le juge. Cette procédure est ouverte - comme c'est le cas à l' art. 294 LP - après audition du débiteur et, le cas échéant, d'autres personnes. Toutefois, le tribunal compétent n'est en principe pas habilité à statuer d'entrée de cause sur la prise en considération de la demande au sens de l' art. 294 al. 1 LP . Dans cette mesure, les créanciers ne peuvent éviter une période d'observation - de six mois au maximum - en vue de l'établissement d'un bilan économique et social, ni l'effet décrit à l'art. 47 de la loi No 85-98, à savoir la suspension des actions en justice déjà introduites contre le débiteur, l'interdiction d'en intenter de nouvelles et l'arrêt de toute voie d'exécution forcée individuelle. Les créanciers n'ont en outre pas la possibilité, contrairement à l'assemblée des créanciers de la procédure concordataire suisse d'après les art. 302 ss LP , de faire échouer eux-mêmes, relativement rapidement, le redressement judiciaire, ce afin de frayer définitivement le chemin à la faillite. Ils doivent bien plutôt se soumettre - après simple audition de leur représentant selon l'art. 61 de la loi No 85-98 - à la décision du juge de continuer l'entreprise, pour autant que l'octroi d'un délai de paiement soit susceptible d'assurer le sauvetage de l'entreprise ou d'une part importante de celle-ci (art. 69 ss). Une telle décision aboutit en fait à un sursis au paiement des créances ayant leur origine antérieurement à l'ouverture de la procédure, autant que les créanciers ne consentent eux-mêmes un délai de paiement (art. 74) et que les créances ne sont pas privilégiées au sens de l'art. 76. Néanmoins, en fin de compte, le sursis accordé doit mener à la satisfaction complète des créanciers (art. 75). Une remise de dette, liée à un versement avant terme, ne peut être imposée par le juge contre la volonté du créancier concerné. L'art. 80 de la loi No 85-98 a une importance particulière. Si le débiteur n'exécute pas ses engagements financiers dans les délais fixés par le plan de continuation de l'entreprise, un créancier ou un groupe de créanciers - représentant au moins 15% de toutes les créances soumises audit plan - peut demander au juge l'ouverture d'une procédure de redressement judiciaire, qui ne peut tendre qu'à la cession globale de l'entreprise ou à la liquidation de ses actifs. Le prix de cession est réparti entre les créanciers suivant leur rang (art. 92); en cas de liquidation judiciaire, le montant de BGE 115 III 148 S. 156 l'actif, après déduction notamment des frais et des sommes payées aux créanciers privilégiés, est réparti entre tous les créanciers au marc le franc de leurs créances admises (art. 166). Il suit de là que le sursis ordonné par le juge, destiné en principe à assurer la satisfaction totale des créanciers, se transforme sans autre en exécution forcée proprement dite, si le délai de paiement octroyé ne permet pas aux créanciers d'obtenir les prestations dues dans le délai arrêté par le plan de continuation de l'entreprise. Dans ces circonstances, on ne peut détacher la prorogation judiciaire du délai de paiement - qui est en définitive également à l'avantage de l'ensemble des créanciers - de la menace de l'exécution forcée collective (contra: GILLIÉRON, BlSchKG 1988, p. 169). Il se justifie ainsi, eu égard à l'art. 47 de la loi No 85-98, de soumettre le redressement judiciaire, dans toutes ses phases, au champ d'application de l'art. 6 de la Convention franco-suisse, comme c'est le cas pour le sursis concordataire dans la procédure concordataire suisse (plutôt négatif DALLÈVES, article déjà cité du "Droit de la faillite internationale, Premier Séminaire de droit international et de droit européen, Neuchâtel, 11/12 octobre 1985", in Etudes suisses de droit international, vol. 46, p. 88/89). Assurément, le redressement judiciaire a apporté des innovations, qui n'étaient pas encore prévisibles lorsque fut conclue la Convention franco-suisse; toutefois, ce qui est décisif, c'est que la nouvelle réglementation légale du droit français correspond au sens et au but de ce traité international (cf. ATF 46 I 165 pour la Convention franco-suisse en particulier et ATF 113 II 362 consid. 3 et ATF 101 Ia 537 /538 consid. 5b pour les traités internationaux en général). IL n'y a aucun doute concernant le redressement judiciaire, si l'on considère que la communauté des créanciers dans son ensemble doit obtenir satisfaction de la manière la plus étendue et uniforme possible, c'est-à-dire sans qu'il y ait de traitements différenciés. Cette constatation ne saurait être battue en brèche par l'arrêt du 16 juillet 1981 de la Cour de cassation française dans la cause Rossetti c. Luneau (citée dans la Revue critique de droit international privé, Paris, 1982, p. 124 ss), laquelle, s'agissant du for de l'action en paiement des dettes sociales dans le cadre de l'art. 99 de l'ancienne loi française du 13 juillet 1967 sur le règlement judiciaire, la liquidation des biens, la faillite personnelle et les banqueroutes, a déclaré inapplicable la Convention franco-suisse. Certes, cette décision se signale par une certaine réserve quant à l'extension du champ d'application de la BGE 115 III 148 S. 157 Convention (à propos des tendances restrictives de la jurisprudence française: FLATTET, Jurisclasseur, droit international privé, fasc. 590-B, No 159 ss). Eu égard à l'art. 7 de la Convention, l'action de droit civil en responsabilité contre la direction de l'entreprise ne remet cependant pas en question le principe comme tel de l'unité de la faillite entre la Suisse et la France, qui est le fer de lance de la Convention précitée (DALLÈVES, article déjà cité du "Droit de la faillite internationale, Premier séminaire de droit international et de droit européen, Neuchâtel, 11/12 octobre 1985" in Etudes suisses de droit international, vol. 46, p. 87). De telles actions n'ont en effet de lien avec la faillite que dans la mesure où celle-ci les a provoquées (note critique de l'arrêt précité rendu par la Cour de cassation: LEMONTEY, Revue critique de droit international privé, Paris, 1982, p. 127 ss). 4. Il suit de là qu'on ne peut reprocher à l'autorité cantonale de n'avoir pas déclaré caduque la saisie du 15 septembre 1987, avec effet au 29 septembre 1987, obtenue en Suisse avant le jugement d'exequatur du 24 novembre 1987, mais au contraire de l'avoir considérée uniquement suspendue par le redressement judiciaire. Cette conception correspond à la teneur de l'art. 47 de la loi No 85-98 et cadre également avec les effets du sursis concordataire décrits à l' art. 297 LP , lequel est plus proche de la première phase du redressement judiciaire que de l'ouverture de la faillite. La décision attaquée doit être confirmée, sans qu'il y ait lieu de se prononcer sur les conclusions de l'intimée; celles-ci sortent en effet du cadre de la question soumise à la Chambre de céans, puisque la saisie exécutée en Suisse demeure à l'heure actuelle en suspens. Dispositiv Par ces motifs, la Chambre des poursuites et des faillites: Rejette le recours.
null
nan
fr
1,989
CH_BGE
CH_BGE_005
CH
Federation
c59be5d1-0245-4da9-b07f-c4004736b467
Urteilskopf 95 I 258 37. Auszug aus dem Urteil vom 23. Mai 1969 i.S. Hübscher gegen Kantonale Rekurskommission Luzern
Regeste Militärpflichtersatz; Art. 11 Abs. 2 lit. b MPG Behauptet der Ersatzpflichtige, seine Eltern hätten ihm zur Vervollkommnung seiner Berufsausbildung ein nicht der Abgabe unterliegendes Darlehen gewährt, so sind an den Beweis dieses unüblichen Vertragsverhältnisess strenge Anforderungen zu stellen (Erw. 1). Rückzahlung einer zu Unrecht bezogenen Abgabe; Verzugszinspflicht (Erw. 3).
Sachverhalt ab Seite 258 BGE 95 I 258 S. 258 A.- Der hilfsdienstpflichtige Rudolf Hübscher, geboren 1944, hielt sich im Jahre 1966 während mehr als sechs Monaten ununterbrochen im Ausland auf. Am 21. Juli 1967 ersuchte er beim Kreiskommando Luzern um einen weiteren Auslandurlaub, um sich nach Manila begeben zu können. Dieser wurde ihm jedoch erst gewährt, nachdem er die Ersatzabgabe für 1966 BGE 95 I 258 S. 259 entrichtet hatte, welche gleichentags in einer unter Vorbehalt erlassenen Veranlagungsverfügung auf Fr. 75.- festgesetzt worden war. Dabei ging die Veranlagungsbehörde von einem Einkommen von Fr. 3500.-- aus. Sie nahm an, dieser Betrag sei Hübscher zur Bestreitung seines Lebensunterhalts von seinem Vater zugewendet worden. Am 9. November 1967 wurde eine gleichlautende bereinigte Veranlagungsverfügung getroffen, gegen welche Hübscher erfolglos Einsprache erhob. In seiner Beschwerde gegen den Einspracheentscheid vom 4. Januar 1968 machte Hübscher, der inzwischen nach den Philippinen abgereist war, vor der kantonalen Rekurskommission geltend, er habe im Jahre 1966 keine taxpflichtigen Zuwendungen erhalten, weshalb er lediglich die Personaltaxe von Fr. 15.- zu entrichten habe. Im Jahre 1965 habe er von seinem Sparheft einen grösseren Geldbetrag zurückgezogen, den er zur Hauptsache im Ersatzjahr 1966 für seinen Lebensunterhalt verwendet habe. Die übrigen beanspruchten Mittel seien ihm von seinem Vater darlehensweise zur Verfügung gestellt worden. Die kantonale Rekurskommission hiess die Beschwerde am 20. Dezember 1968 teilweise gut. Sie berücksichtigte die Tatsache, dass Hübscher am 18. Oktober 1965 von seinem Sparheft der Aargauischen Kantonalbank Fr. 2400.-- abgehoben hatte. Ausgehend von jährlichen Unterhaltskosten im Betrag von Fr. 3500.-- nahm sie an, dass der Rekurrent bis Ende 1965 mindestens Fr. 600.-- des erwähnten Rückzugs verwendet haben müsse, so dass auf das Ersatzjahr 1966 noch Fr. 1800.-- entfallen würden. Weil jedoch am 6. September 1966 wiederum Fr. 482.-- einbezahlt worden seien, könnten bloss Fr. 1200.-- berücksichtigt werden, so dass sein Reineinkommen Fr. 2300.-- betrage. Dieses bestehe aus Zuwendungen im Sinne von Art. 11 Abs. 2 lit. b MPG. Gestützt darauf setzte die Rekurskommission die Ersatzabgabe für 1966 auf Fr. 46.20 fest und wies die zuständige Behörde an, Hübscher den zuviel bezahlten Betrag von Fr. 28.80 ohne Zins zurückzuerstatten. B.- Hübscher führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Er bestreitet nach wie vor, taxpflichtige Zuwendungen erhalten zu haben, und beantragt, es sei ihm die zuviel bezahlte Summe von Fr. 60.- zurückzuerstatten. Mit Eingabe vom 14. April 1969 verlangt er ausserdem die Verzinsung dieses Betrages zu 12% ab 21. Juli 1967. BGE 95 I 258 S. 260 C.- Die kantonale Rekurskommission schliesst auf Abweisung der Beschwerde. D.- Die eidgenössische Steuerverwaltung ist der Ansicht, dass der zurückzuzahlende Betrag von Fr. 28.80 zu 3% verzinst werden müsse. Sie beantragt deshalb, die Beschwerde sei teilweise gutzuheissen. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Hübscher ist nach Art. 2 Abs. 1 lit. c MPG für das Ersatzjahr 1966 abgabepflichtig, weil er während mehr als sechs Monaten ununterbrochen landesabwesend war. Gemäss Art. 11 Abs. 2 lit. b MPG gehören zum Gegenstand der Einkommenstaxe auch die Zuwendungen, die der erwerbsfähige Ersatzpflichtige von Verwandten oder Dritten erhält, um seinen oder seiner Familie Lebensunterhalt und Aufwand zu bestreiten, mit Ausnahme der Zuwendungen, die unmittelbar zu seiner beruflichen Ausbildung verwendet werden müssen. DieVeranlagungsbehörde schätzt die Kosten des Lebensunterhalts und Aufwandes eines im Ausland lebenden Ersatzpflichtigen in der Regel auf Fr. 3500.-- pro Jahr. Die kantonale Rekurskommission sieht im vorliegenden Fall keine Veranlassung, von dieser Praxis abzugehen. Sie bringt jedoch den Betrag von Fr. 1200.-- in Abzug, den der Beschwerdeführer von seinem Sparguthaben zurückgezogen und im Ersatzjahr 1966 für seinen Lebensunterhalt verwendet haben will. Streitig ist, ob die verbleibende Summe von Fr. 2300.-- aus Zuwendungen herrührt, die dem Beschwerdeführer von seinen Eltern zur Bestreitung seines Lebensunterhalts ausgerichtet worden sind, oder ob sie tatsächlich Bestandteil eines Darlehens ist, wie Hübscher behauptet. Dem Ersatzpflichtigen gewährte Darlehen fallen nicht unter das reine Einkommen im Sinne von Art. 11 MPG und unterliegen demnach der Ersatzabgabe nicht (unveröffentl. Urteil i.S. Rufer vom 28. Juni 1968, Erw. 2 lit. b; Wegleitung Nr. 627-2 der Eidg. Steuerverwaltung vom 18. Dezember 1967, Ziff. 1.2). Es ist zwar nicht ausgeschlossen, dass Eltern ihrem Sohne ein Darlehen gewähren und es ihm dadurch ermöglichen, seine Berufsausbildung zu vervollkommenen; zu diesem Zweck abgeschlossene Darlehensverträge sind indessen nicht üblich, weshalb an den Beweis ihres Bestehens strenge Anforderungen gestellt werden müssen (vgl. den erwähnten unveröffentlichten Entscheid BGE 95 I 258 S. 261 i.S. Rufer vom 28. Juni 1968, Erw. 2 lit. b). Hübscher hat den geforderten Nachweis nicht erbracht. Noch in seiner Ersatzabgabe-Erklärung vom 8. Mai 1967 gab er an, die Lebenshaltungs- und Studienkosten im Jahre 1966 aus eigenen Ersparnissen bestritten zu haben. Erst als es ihm nicht gelungen war, die hierfür geforderten Beweismittel beizubringen, machte er geltend, er habe zur Deckung seines Aufwandes ein Darlehen erhalten. Die der Veranlagungsbehörde vorgelegte Kopie des Darlehensvertrags ist jedoch nicht geeignet, diese Behauptung zu beweisen. Das Dokument wurde erst nachträglich, d.h. im Verlaufe des Veranlagungsverfahrens ausgefertigt, so dass ihm in Anbetracht der früher in der Ersatzabgabe-Erklärung gemachten Angaben keine entscheidende Bedeutung beigemessen werden kann. Ähnliches gilt für die beiden vom Beschwerdeführer vorgelegten Kopien von Belastungsanzeigen der Schweizerischen Bankgesellschaft vom 2. Mai und 15. Juli 1968 über angebliche Amortisationszahlungen von je Fr. 600.--, welche offensichtlich nach entsprechenden Anweisungen Hübschers ausgestellt worden sind. Gegen die Annahme eines Darlehens spricht weiter, dass der Vater des Beschwerdeführers in seiner Steuererklärung für die Jahre 1967/68 kein solches deklariert hat. Hübscher versucht zwar, dieses gewichtige Indiz mit dem Einwand zu entkräften, sein Vater hätte allfällig gemachte Zuwendungen mit Sicherheit von seinem Einkommen abgesetzt, weil sich daraus eine erhebliche Verminderung seines steuerbaren Einkommens ergeben hätte. Allein auch dies ist nicht schlüssig. Zunächst ist festzuhalten, dass Vater Hübscher die Zuwendungen an seinen Sohn nur im Rahmen des Sozialabzugs für die Berufsausbildung eines Kindes unter 25 Jahren gemäss Art. 25 Ziff. 3 luz. StG hätte geltend machen können und damit lediglich eine nicht wesentlich ins Gewicht fallende Steuererleichterung erwirkt hätte. Dass der Beschwerdeführer die Zuwendungen, falls solche tatsächlich gemacht worden wären, seinerseits in der Ersatzabgabe-Erklärung deklariert hätte, um seinem Vater zu der erwähnten geringfügigen steuerlichen Besserstellung zu verhelfen, erscheint in Anbetracht der gesamten Umstände wenig wahrscheinlich und vermag das Vorliegen eines Darlehensvertrags nicht nachzuweisen. Die Beschwerde Hübschers erweist sich somit in dieser Hinsicht als unbegründet. 2. .... BGE 95 I 258 S. 262 3. Nach Art. 58 Abs. 1 MPV , der dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit Rechnung trägt, war die Veranlagungsbehörde nicht befugt, die Bewilligung des Auslandsurlaubs von der sofortigen Zahlung des noch nicht rechtskräftig veranlagten Militärpflichtersatzes für 1966 abhängig zu machen. Eine Sicherstellungsverfügung nach Art. 36 Abs. 1 lit. a MPG (wegen Gefährdung des Bezuges), welche diese Massnahme nach der genannten Bestimmung der Vollziehungsverordnung allein hätte rechtfertigen können, wurde nicht erlassen, weil dafür offenbar kein Anlass bestand. Im vorliegenden Fall hätte höchstens eine solche nach Art. 36 Abs. 1 lit. c MPG getroffen werden können, weil Hübscher Anstalten traf, seinen Wohnsitz im Inland aufzugeben. Auch dies ist jedoch unterblieben. Der Beschwerdeführer ist somit am 21. Juli 1967 unrechtmässig zur Zahlung eines Abgabebetrages von Fr. 75.- verhalten worden. Davon sind -wie die Vorinstanz richtig erkannt hat - Fr. 28.80 zurückzuerstatten (vgl. oben Erw. 1). Die Rekurskommission meint, diese Rückzahlung sei nicht zu verzinsen. Sie irrt. Es ist zwar richtig, dass weder das BG über den Militärpflichtersatz vom 12. Juni 1959 noch die bezügliche Vollziehungsverordnung vom 14. Dezember 1959 eine Bestimmung darüber enthalten, ob zu Unrecht erhobene Abgaben mit Zins zurückerstattet werden müssen. Ebenso weist die Vorinstanz mit Recht darauf hin, dass auf Abgaben, welche nach erfolgter Dienstnachholung zurückbezahlt werden, kraft ausdrücklicher Vorschrift von Art. 66 Abs. 4 MPV kein Zins vergütet wird. Diese Bestimmung hat indessen rechtmässig bezogene Abgaben zum Gegenstand, welche nur deshalb zurückerstattet werden, weil der Pflichtige die ihm obliegende persönliche Dienstleistung nachgeholt hat. Im vorliegenden Fall ist die Ersatzabgabe jedoch zu Unrecht erhoben worden; Hübscher hat geleistet, ohne dass er nach Gesetz dazu hätte verpflichtet werden dürfen. Er hat - im Gegensatz zu dem in Art. 34 MPG bzw. Art. 66 MPV geregelten Sachverhalt (Rückerstattung der Ersatzabgabe bei Dienstnachholung) - eine Nichtschuld bezahlt. Dieser grundlegende Unterschied schliesst im vorliegenden Fall eine analoge Anwendung von Art. 66 MPV zum vorneherein aus. Die eidgenössische Steuerverwaltung glaubt zur Begründung der Zinspflicht Art. 127 Abs. 2 WStB heranziehen zu müssen. Danach ist auf zuviel bezahlten Wehrsteuerbeträgen ein Vergütungszins BGE 95 I 258 S. 263 zu entrichten. Wohl besteht zwischen der Wehrsteuer und dem Militärpflichtersatz ein Zusammenhang darin, dass sich nach Art. 11 Abs. 3 MPG in Verb. mit Art. 8 Abs. 1 MPV das der Einkommenstaxe unterliegende reine Einkommen unter Vorbehalt von Art. 11 Abs. 2 MPG nach Art. 21-23 WStB bestimmt. Die beiden Abgaben unterscheiden sich jedoch sowohl ihrer Natur nach als auch hinsichtlich ihres Zweckes. Der Militärpflichtersatz ist im Gegensatzzur Wehrsteuer keine Steuer, sondern eine Ersatzabgabe, die der Schweizer schuldet, der seine Wehrpflicht nicht oder nicht in vollem Umfang erfüllen kann ( BGE 91 I 430 Erw. 2). Auch hinsichtlich einer analogen Anwendung von Art. 127 Abs. 2 WStB erheben sich somit Bedenken. Nichts hängt indessen davon ab, ob sich eine Gesetzesbestimmung finden liesse, die dem vorliegenden Fall gerecht werden könnte. Für öffentlich-rechtliche Geldforderungen gilt vielmehr der allgemeine ungeschriebene Rechtsgrundsatz, dass der Schuldner Verzugszinsen zu entrichten hat, wenn er sich mit seiner Leistung im Verzug befindet (vgl. BGE 78 I 90 , BGE 85 I 184 ff., BGE 87 I 419 ff. sowie IMBODEN, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, 3. Aufl. Bd. I Nr. 123). Diese Regel gilt indessen nicht ausnahmslos; namentlich im Recht der eidgenössischen Sozialversicherung gilt das Gegenteil (vgl. EVGE 1960 S. 94 ff.). Im vorliegenden Fall besteht jedoch kein Anlass, vom erwähnten Grundsatz abzugehen. Es geht um die Rückerstattung einer zu Unrecht empfangenen Geldleistung. Mit Rücksicht auf die für ähnliche privatrechtliche Tatbestände geltende Ordnung ist die Zinspflicht zu bejahen. Der Beginn des Verzugs fällt auf den 21. Juli 1967. Damals wurde Hübscher unter Vorbehalt veranlagt. Um den in Aussicht gestellten Auslandurlaub zu erwirken, entrichtete er gleichentags den festgesetzten Abgabebetrag. Dabei bestritt er jedoch die Richtigkeit der Veranlagung und behielt sich gleichzeitig das Recht vor, die zuviel bezahlte Summe zurückzufordern. Darin kann eine gültige "Mahnung" erblickt werden, welche das Gemeinwesen in Verzug setzte. Seit dem 26. März 1967 wendet das Bundesgericht auf öffentlich-rechtliche Verzugszinsen den Satz von 5% an ( BGE 93 I 389 ). Die streitige Zinsforderung ist nach diesem Datum entstanden, so dass der erwähnte Satz auch im vorliegenden Fall zu gelten hat. Ein solcher von 12%, wie er angeblich in Manila üblich sein soll, fällt ausser Betracht. BGE 95 I 258 S. 264 Der Beschwerdeführer hat die Verzinsung des Rückerstattungsbetrags erst in seiner Eingabe vom 14. April 1969 gefordert, als die Beschwerdefrist bereits abgelaufen war. Das Bundesgericht ist in Steuersachen jedoch nicht an die Rechtsbegehren der Parteien gebunden. Es kann den angefochtenen Entscheid sowohl zugunsten als auch zuungunsten des Beschwerdeführers abändern. Dieses in Art. 109 Abs. 1 OG ausgesprochene Prinzip ist hier, wo es sich nicht um eine Steuer, wohl aber um eine ähnliche Abgabe handelt, analog anzuwenden. Aus diesen Gründen steht Hübscher vom 21. Juli 1967 an ein Zins von 5% auf dem zu Unrecht bezogenen und deshalb zurückzuerstattenden Betrag von Fr. 28.80 zu. Die Beschwerde ist demnach teilweise gutzuheissen.
public_law
nan
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1,969
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CH_BGE_001
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Federation
c5a3386d-6381-4735-b475-247c87b1aade
Urteilskopf 123 V 230 41. Arrêt du 16 septembre 1997 dans la cause Office fédéral de l'industrie, des arts et métiers et du travail contre C. et Tribunal administratif du canton de Fribourg
Regeste Art. 23 Abs. 3 und Art. 24 Abs. 1 AVIG : Begriff des Nebenverdienstes und des Zwischenverdienstes. Das Einkommen aus einer erheblichen Steigerung der Nebenbeschäftigung während der Arbeitslosigkeit gilt als Zwischenverdienst.
Sachverhalt ab Seite 230 BGE 123 V 230 S. 230 A.- Né en 1948, C. est employé de commerce de formation. Il a travaillé successivement pour l'administration communale X, comme délégué aux réfugiés et pour la Croix-Rouge fribourgeoise. Le 1er novembre 1991, il a été engagé comme gestionnaire par la Fondation T. Son contrat a été résilié par lettre du 11 décembre 1992 pour le 30 juin 1993. C. s'est annoncé au chômage et a perçu une indemnité de chômage du 1er juillet 1993 au 14 janvier 1995. Le 17 août 1990, il avait conclu un contrat avec la société S. SA, succursale de N. Sur appel et selon ses disponibilités, il effectuait un travail de garde auxiliaire. Cette activité lui a procuré les revenus nets suivants: - 1990: 1'203 francs - 1991: 1'794 francs - 1992: néant - 1993: 550 francs - 1994: 9'058 francs Selon ses dires, C. a interrompu cette activité en 1992, en raison de l'amélioration de sa situation financière. Par ailleurs, il est à relever que l'activité exercée en 1993 l'a été principalement pendant le deuxième semestre où le prénommé a perçu un revenu brut de 445 fr. 50 (par rapport à un revenu brut pour l'année de 584 francs). C. n'a pas annoncé les gains réalisés dans cette activité durant la période de contrôle. BGE 123 V 230 S. 231 Le 17 octobre 1995, la Caisse publique de chômage du canton de Fribourg (ci-après: la caisse) a rendu une décision de restitution des indemnités versées à concurrence de 10'182 fr. 40. B.- Saisi d'un recours formé par C., le Tribunal administratif du canton de Fribourg l'a admis partiellement par jugement du 30 mai 1996 et a renvoyé l'affaire à la caisse pour nouvelle décision. Il a considéré, en bref, que l'activité déployée par C. correspondait à un gain accessoire dans la mesure où elle était exercée en dehors de l'horaire normal de travail. C.- Par écriture du 4 juillet 1996, l'Office fédéral de l'industrie, des arts et métiers et du travail (OFIAMT) recourt contre ce jugement dont il demande l'annulation. C. conclut au rejet du recours, tandis que la caisse a renoncé à se déterminer. Erwägungen Considérant en droit: 1. Aux termes de l' art. 24 al. 1 LACI , est réputé intermédiaire tout gain que le chômeur retire d'une activité salariée ou indépendante durant une période de contrôle. La différence entre le gain assuré et le gain intermédiaire est réputée perte de gain; les gains accessoires ne sont pas pris en considération ( art. 24 al. 3 LACI ). Selon l' art. 23 al. 3 LACI , est réputé gain accessoire tout gain que l'assuré retire d'une activité dépendante exercée en dehors de la durée normale de son travail ou d'une activité qui sort du cadre ordinaire d'une activité lucrative indépendante. 2. Le litige porte sur les notions de gain accessoire et de gain intermédiaire et sur la distinction entre elles. Il s'agit de savoir si, dès la survenance du chômage, l'extension de l'activité accessoire en fait une activité intermédiaire, avec les conséquences qui en découlent quant au montant et au nombre des indemnités de chômage. Le Tribunal fédéral des assurances s'est déjà prononcé sur la question dans un obiter dictum de l'arrêt ATF 120 V 518 consid. 3. Il a traité comme gains intermédiaires ceux découlant d'une augmentation de l'activité jusqu'alors accessoire, à l'exception des gains accessoires tirés d'une activité dépassant la durée normale de travail ( ATF 120 V 253 consid. 5f). Il convient en l'occurrence d'examiner si ce point de vue doit être maintenu. BGE 123 V 230 S. 232 3. a) La notion de gain accessoire ne figure pas dans la loi fédérale sur l'assurance-chômage du 22 juin 1951 (RO 1951 1167), ni dans le règlement d'exécution du 17 décembre 1951 (RO 1951 1191). Elle a été introduite dans le règlement par l'arrêté du Conseil fédéral du 23 juin 1969 (RO 1969 457), dont l'art. 4bis - sous la note marginale "gain assurable et fixation des cotisations" - a la teneur suivante: "Un gain accessoire ne peut être assuré; est réputé tel tout revenu que l'assuré obtient en exerçant une activité indépendante ou salariée en dehors de son horaire normal de travail." (al. 2) La ratio legis de cette disposition, qui n'a pas fait l'objet de commentaires, est en réalité de déterminer le gain assurable en matière de chômage et par conséquent de fixer, lorsque le cas se présente, l'indemnité de chômage. La disposition ne vise pas principalement à régler un problème de cotisation mais une question d'indemnisation, dont le calcul est déterminé sur la base de ce règlement. Le message concernant une nouvelle loi fédérale sur l'assurance-chômage obligatoire et l'indemnité en cas d'insolvabilité (FF 1980 III 485) mentionne simplement que la disposition sur le gain accessoire est reprise de l'ancien droit (exclusion des gains accessoires du calcul de l'indemnité de chômage). Le texte de l'art. 22 al. 3 du projet a été repris dans la LACI à l'art. 23 al. 3. b) Les juges fribourgeois ont refusé d'appliquer les prescriptions contenues au ch. m. 195 de la circulaire de l'OFIAMT relative à l'indemnité de chômage, dont la teneur est la suivante: "On considérera comme gain accessoire un revenu que l'assuré obtenait déjà avant le chômage en dehors de son horaire de travail normal. Durant le chômage, chaque revenu que l'assuré n'obtenait pas déjà auparavant ne devra pas être considéré comme un gain accessoire, mais comme un gain intermédiaire. Lorsqu'un assuré étend son activité lui procurant un gain accessoire, le revenu supplémentaire qui en résulte doit être considéré comme gain intermédiaire." Les premiers juges ont considéré que ces prescriptions ne correspondaient pas au texte de la loi. Leur interprétation se fonde en particulier sur la doctrine (GERHARDS, Kommentar zum Arbeitslosenversicherungsgesetz [AVIG], vol. I, n. 53 ss ad art. 23, p. 303, et no 51 ad art. 24 - 25, p. 318). Le critère permettant d'établir une différence entre gain intermédiaire et accessoire réside dans le fait que l'activité intermédiaire n'est effectuée que durant le temps normal de travail ou durant une période d'occupation (en cas d'activité comme indépendant), alors que l'activité accessoire BGE 123 V 230 S. 233 l'est en dehors de l'horaire normal de travail (le soir ou en fin de semaine), respectivement en dehors des heures normales d'occupation. Par ailleurs, le gain accessoire qui a un caractère extraordinaire pourrait permettre d'obtenir un revenu supérieur à celui découlant de l'activité ordinaire. Selon cette interprétation, toute activité menée en dehors d'un horaire normal du travailleur, quelle que soit son importance, demeure accessoire. c) L'interprétation des premiers juges repose sur des critères trop schématiques et rigides. Elle ne tient pas suffisamment compte de ce que l'horaire de travail peut être variable dans beaucoup d'activités . Surtout, elle perd partiellement de vue la notion d'accessoire de ce gain par rapport à celui provenant d'une activité principale. Comme tel et parce qu'il n'est pas soumis à cotisation et qu'il n'entre pas dans le calcul des indemnités de chômage, ce gain ne peut demeurer que dans un rapport de proportion faible avec le revenu de l'activité principale. A défaut de quoi, si ce gain venait régulièrement à se rapprocher ou dépasser le gain principal, l'activité ne pourrait plus être accessoire et le gain ne le serait pas davantage. A cela s'ajoute que la disposition de l' art. 24 LACI est guidée par le principe général de l'obligation de diminuer le dommage, valable en droit des assurances sociales ( ATF 115 V 53 , ATF 114 V 285 consid. 3, ATF 111 V 239 consid. 2a; cf. aussi MAURER, Schweizerisches Sozialversicherungsrecht, t. II p. 377; MEYER-BLASER, Zum Verhältnismässigkeitsgrundsatz im staatlichen Leistungsrecht, thèse Berne 1985, p. 131). Or, en refusant de tenir pour gain intermédiaire les revenus tirés d'une augmentation marquée de l'activité accessoire, on irait à fin contraire, si bien que cette interprétation ne se justifie pas. Pour ces motifs, il n'y a pas lieu de revenir sur la jurisprudence précitée. d) Dans le cas d'espèce, l'augmentation de l'activité de l'intimé est manifeste, depuis qu'il a perdu son emploi de gestionnaire. En 1994, le revenu provenant de son travail de garde auxiliaire a été vingt fois plus élevé qu'en 1993 et cinq, respectivement sept fois et demi plus élevé qu'en 1991 et 1990. Ces revenus supplémentaires constituent un gain intermédiaire au sens de l' art. 24 al. 1 LACI , lequel doit être pris en compte dans le calcul des indemnités de chômage. L'intimé ne les a pas annoncés. Conformément à l' art. 95 LACI - et étant donné que cette circonstance est un fait nouveau dont l'administration n'avait pas connaissance au moment de l'octroi des prestations (ATF 122 V BGE 123 V 230 S. 234 271 sv. consid. 2) -, la caisse était en droit de réclamer la restitution des prestations auxquelles il n'avait pas droit. e) Reste que la caisse s'est déclarée disposée à examiner des modalités de paiement. Cette question ne fait pas l'objet du procès et il n'y a pas lieu de se prononcer à cet égard. Il suffit simplement d'en donner acte à l'intimé.
null
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1,997
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CH_BGE_007
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c5a685ea-a01f-4045-a5e5-6be0a9a9e9f3
Urteilskopf 84 III 9 3. Entscheid vom 19. April 1958 i.S. Jost.
Regeste Betreibungsferien; Fristenlauf. Art. 63 SchKG gilt auch für die Frist zur Leistung eines Kostenvorschusses, die bei der Zwangsverwertung eines Grundstücks demjenigen angesetzt wird, welcher gemäss Art. 9 Abs. 2 VZG eine neue Schätzung des Grundstücks durch Sachverständige verlangt.
Sachverhalt ab Seite 10 BGE 84 III 9 S. 10 In der Betreibung auf Grundpfandverwertung, welche die Allgemeine Aargauische Ersparniskasse als Gläubigerin der I. Hypothek auf einer Liegenschaft in Gipf-Oberfrick gegen Jost führt, zeigte das Betreibungsamt Gipf-Oberfrick dem Schuldner am 13./15. März 1958 an, dass die Steigerung auf den 16. April 1958 festgesetzt worden sei, und stellte ihm den Text der Steigerungspublikation zu, aus dem hervorging, dass das Betreibungsamt die Pfandliegenschaft auf Fr. 285'000.-- geschätzt hatte. Innert der Beschwerdefrist verlangte hierauf der Schuldner auf Grund von Art. 99 Abs. 2 VZG bei der untern Aufsichtsbehörde eine neue Schätzung durch Sachverständige im Sinne von Art. 9 Abs. 2 VZG und beantragte, die auf den 16. April angesetzte Steigerung sei zu verschieben. Die untere Aufsichtsbehörde verfügte am 26. März 1958, dem Gesuch werde entsprochen; der Schuldner habe bis 1. April 1958 um 18 Uhr einen Kostenvorschuss von Fr. 500.-- einzuzahlen und sich bis zum 2. April 1958 um 18 Uhr über die erfolgte Zahlung auszuweisen; bei nicht rechtzeitiger Zahlung werde auf die Beschwerde nicht eingetreten; das Gesuch um Aufschub der Steigerung werde abgewiesen. Der Schuldner zog diese Verfügung an die kantonale Aufsichtsbehörde weiter mit dem Antrag, die Frist zur Leistung des Kostenvorschusses sei nach Gesetz (d.h. entsprechend den Bestimmungen über die Betreibungsferien) anzusetzen; der Beschwerde sei aufschiebende Wirkung zu erteilen und die Steigerungsanzeige demgemäss zu widerrufen. Die kantonale Aufsichtsbehörde hat mit Vorentscheid vom 1. April 1958 das Gesuch um Erteilung aufschiebender Wirkung und Widerruf der Steigerung und mit Hauptentscheid vom 9. April 1958 die Beschwerde selber abgewiesen. Gegen diese Entscheide hat der Schuldner unter Erneuerung der im kantonalen Verfahren gestellten Anträge an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts rekurriert (Eingaben vom 5., 13. und 14. April 1958). Nach Einsicht in die Eingabe vom 5. April hat der BGE 84 III 9 S. 11 Instruktionsrichter am 11. April verfügt, dem Gesuch um Gewährung aufschiebender Wirkung werde entsprochen und die auf den 16. April 1958 angesetzte Steigerung sei zu verschieben. Erwägungen Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung: 1. Nachdem die Steigerung durch Verfügung des Instruktionsrichters in Gutheissung des Gesuchs um Gewährung aufschiebender Wirkung verschoben worden ist, bleibt nur zu entscheiden, ob die Frist für die Leistung des Kostenvorschusses für die neue Schätzung durch Sachverständige entsprechend der Verfügung der untern Aufsichtsbehörde mit dem 1. April 1958 ablief oder ob sie, wie der Rekurrent geltend macht, gemäss Art. 63 SchKG bis zum dritten Werktag nach den Oster-Betreibungsferien (30. März bis 13. April 1958), d.h. bis zum 16. April 1958 verlängert wurde mit der Folge, dass die vom Rekurrenten verlangte neue Schätzung angeordnet werden muss, falls der festgesetzte Vorschuss bis dahin geleistet wurde. 2. Die Vorinstanz ist der Ansicht, Art. 63 SchKG sei nach dem Sinne von Art. 56 bis 63 SchKG nur anwendbar, wenn die erfolgte Fristansetzung sich als Betreibungshandlung darstelle. Dies treffe für die in Frage stehende Fristansetzung nicht zu, weil die verlangte Neuschätzung die Betreibung nicht "in ein fortgesetzteres Stadium" führe, sondern lediglich eine "Massnahme im gegenwärtigen Stadium des Verfahrens" darstelle. Daher müsse es bei der angefochtenen Verfügung sein Bewenden haben. Es stimmt jedoch nicht, dass Art. 63 SchKG nur für die Fristen gelte, in deren Ansetzung eine Betreibungshandlung liegt. Abgesehen davon, dass die Anwendung von Art. 63 SchKG nicht eine Fristansetzung voraussetzt, sondern dass diese Bestimmung auch für die Fristen gelten muss, die mit dem Eintritt bestimmter Tatsachen von BGE 84 III 9 S. 12 Gesetzes wegen in Gang kommen, ergibt sich die Unrichtigkeit der Auffassung der Vorinstanz schon daraus, dass nicht nur der Schuldner sich auf Art. 63 SchKG berufen kann, sondern dass diese Vorschrift auch dem Gläubiger und Dritten zugute kommt ( BGE 67 III 104 , BGE 80 III 5 ), obwohl darin, dass dem Gläubiger oder einem Dritten eine Frist angesetzt wird, naturgemäss überhaupt nie eine Betreibungshandlung liegt (worunter, wie die Vorinstanz richtig sagt, nur eine das Betreibungsverfahren fördernde behördliche Massnahme gegen den Schuldner verstanden werden kann). Die dem Rekurrenten angesetzte Frist für die Vorschussleistung lief daher ohne Rücksicht darauf, ob ihre Ansetzung eine Betreibungshandlung bedeutete oder nicht, erst am 16. April 1958 ab. Unter diesen Umständen blieb nichts anderes übrig, als die auf diesen Tag anberaumte Steigerung zu verschieben. Der neue Steigerungstermin ist im Falle, dass der Kostenvorschuss bis zum 16. April 1958 geleistet wurde, so anzusetzen, dass das Ergebnis der in diesem Falle anzuordnenden neuen Schätzung durch Sachverständige den Beteiligten noch vor der Steigerung mitgeteilt werden kann ( BGE 71 III 126 f.). Der Vorinstanz kann im übrigen auch darin nicht beigestimmt werden, dass keine Betreibungshandlung vorliege, wenn dem Schuldner, der eine neue Schätzung im Sinne von Art. 9 Abs. 2 VZG verlangt, auf Grund dieser Bestimmung eine Frist zur Leistung eines Kostenvorschusses angesetzt wird. Es handelt sich hiebei um eine gegenüber dem Schuldner ergriffene behördliche Massnahme, die der Vorbereitung der Steigerung dient und damit das Betreibungsverfahren fördert. Der Rekurs müsste daher selbst dann geschützt werden, wenn die vorinstanzliche Auslegung von Art. 63 SchKG richtig wäre. Dispositiv Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer: Der Rekurs wird dahin gutgeheissen, dass der angefochtene Entscheid aufgehoben und die untere Aufsichtsbehörde BGE 84 III 9 S. 13 angewiesen wird, die neue Schätzung anzuordnen, falls der Kostenvorschuss bis zum 16. April 1958 geleistet worden ist.
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c5a704aa-43a9-426c-9d6a-c03e321dddde
Urteilskopf 104 V 84 18. Auszug aus dem Urteil vom 16. Mai 1978 i.S. Menzi gegen Ausgleichskasse SPIDA und Versicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft
Regeste Vergütung der Kosten der Ersatzbatterien von Elektrofahrstühlen ( Art. 14 IVV und Art. 7 Abs. 2 und 3 HV vom 29. November 1976). Die Regelung in der Wegleitung zur HV, wonach Elektrofahrstuhlbatterien anders behandelt werden als Autobatterien, verstösst gegen den Grundsatz der Rechtsgleichheit. Wenn der Ersatz von Autobatterien zum Reparaturaufwand gezählt wird, der von der Versicherung nach Massgabe des Art. 7 Abs. 2 HV zu übernehmen ist, gilt die gleiche Regelung auch für den Ersatz von Batterien für Elektrofahrstühle.
Erwägungen ab Seite 84 BGE 104 V 84 S. 84 Aus den Erwägungen: 1. Nach Art. 7 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung über die Abgabe von Hilfsmitteln durch die Invalidenversicherung vom 29. November 1976 (HV) werden die Kosten, die bei Hilfsmitteln trotz sorgfältigen Gebrauchs infolge Reparatur, Anpassung oder teilweiser Erneuerung entstehen, von der Invalidenversicherung übernommen, sofern nicht ein Dritter ersatzpflichtig ist. Die Kosten für den Betrieb von Hilfsmitteln, insbesondere von Motorfahrzeugen, Fahrstühlen mit elektromotorischem Antrieb und Hörapparaten, gehen dagegen, von Beiträgen in Härtefällen abgesehen, nicht zu Lasten der Versicherung ( Art. 7 Abs. 3 HV ). BGE 104 V 84 S. 85 2. Im vorliegenden Fall ist streitig, ob die Kosten, welche dem Beschwerdeführer infolge Ersetzung der Elektrofahrstuhl-Batterien verursacht wurden, als Reparatur- oder als Betriebsaufwand zu betrachten sind. a) Während sich das vom 1. Januar 1969 bis Ende 1976 gültig gewesene Kreisschreiben des Bundesamtes für Sozialversicherung über die Abgabe von Hilfsmitteln zu dieser Frage nicht äusserte, legt die seit dem 1. Januar 1977 gültige gleichnamige Wegleitung des Bundesamtes in Rz 10.03.44 fest, dass der Ersatz von Batterien bei Elektrofahrstühlen zu den Betriebskosten zu rechnen ist (ebenso Rz 9.02.5 der Wegleitung in bezug auf die nicht strassenverkehrstauglichen Fahrstühle mit elektromotorischem Antrieb). Die Kosten für den Ersatz einer Autobatterie werden dagegen als Reparaturaufwand betrachtet (Rz 10.01.23 bis 10.04.23 der Wegleitung). Das Bundesamt begründet diese differenzierte Betrachtungsweise mit funktionellen Unterschieden: bei einem Auto stelle die Batterie lediglich ein Hilfsgerät zum Benzinmotor dar und diene der Starthilfe;, demgegenüber handle es sich bei den Elektrofahrstuhl-Batterien "um direkte Kraftspender, die den eigentlichen Betrieb des Fahrstuhles bewerkstelligen". Dieser Auffassung ist jedoch entgegenzuhalten, dass der Kraftspender, welcher den Elektrofahrstuhl antreibt, nicht die Batterie ist, sondern vielmehr der elektrische Strom, den sie liefert. Dieser Strom wird von der Batterie nicht erzeugt, sondern - nach vorheriger Aufladung am Stromnetz - bloss gespeichert und bei Bedarf wieder abgegeben. Die Batterie ist demnach weder im Auto mit Benzinmotor noch im Elektrofahrstuhl ein Betriebsmittel. Aus dem Vorstehenden folgt, dass zwar gewisse funktionelle Unterschiede bestehen. Sie sind aber insgesamt betrachtet nicht derart wesentlich, dass es sich rechtfertigen würde, deswegen die Kosten für Ersatzbatterien im einen Fall zum Reparatur-, im anderen dagegen zum Betriebsaufwand zu rechnen. In seiner zusätzlichen Stellungnahme weist das Bundesamt überdies darauf hin, dass mit der in der neuen Wegleitung vorgesehenen Lösung" eine gewisse Gleichschaltung hinsichtlich der Betriebskosten angestrebt" werde; es wäre rechtsungleich, wenn der Besitzer eines Elektrofahrstuhls" kostenmässig stark bevorzugt" würde, was dann zuträfe, wenn die Invalidenversicherung für die Kosten von Ersatzbatterien aufkommen müsste. Die vom Bundesamt angestellte Vergleichsrechnung BGE 104 V 84 S. 86 hinsichtlich der ungefähren Kilometerbetriebskosten bei einem Elektrofahrstuhl und einem Auto mit Benzinmotor ist jedoch wirklichkeitsfremd, da sie in beiden Fällen von der gleichen Tageskilometerleistung (30 km) ausgeht, obwohl der Elektrofahrstuhl nur auf die Zurücklegung kurzer Wegstrecken angelegt ist (vgl. in diesem Zusammenhang Rz 10.01.5 bis 10.04.5 der Wegleitung, wonach bei einem direkten Arbeitsweg unter 2 km lediglich Elektrofahrstühle abgegeben werden). Weil mit einem Elektrofahrstuhl normalerweise weit weniger Kilometer gefahren werden als mit einem Auto, liegen die Kilometerbetriebskosten bei jenem erheblich über den vom Bundesamt errechneten Zahlen. Und wenn die Gesamtkosten niedriger sein sollten als bei einem Auto, so ist dies kein Grund dafür, die Kosten für den Ersatz der Elektrofahrstuhl-Batterien als Betriebsaufwand zu betrachten und dem Versicherten zu überbinden. Denn es ist nicht zu übersehen, dass der Versicherte bei einem Auto eine ungleich bessere Leistung erhält als bei einem Elektrofahrstuhl: er ist im Auto gegen Witterungseinflüsse geschützt, kann weitere Personen sowie Gepäck mitführen und hat für Privatfahrten 4000 km im Jahr zugute (vgl. Rz 10.01.32 bis 10.04.32 der Wegleitung). Dass er hiefür höhere Betriebskosten als der Besitzer eines Elektrofahrstuhls zu tragen hat, ist gerechtfertigt. Aus dem Gesagten folgt, dass der Ersatz von Batterien bei Elektrofahrstühlen nicht anders behandelt werden darf als bei Autos mit Benzinmotoren. Die in der neuen Wegleitung getroffene Regelung verletzt den Grundsatz der Rechtsgleichheit und ist daher rechtswidrig. b) Das Bundesamt vertritt in seiner ergänzenden Stellungnahme die Auffassung, dass, wenn schon eine Gleichbehandlung notwendig sei, wohl eher die Auto-Batterie ausgeklammert und ihre Ersetzung zu den vom Versicherten zu tragenden Betriebskosten gerechnet werden müsste, Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass das Bundesamt die bereits im früheren Kreisschreiben und auch in der jetzt gültigen Wegleitung festgelegte Verwaltungspraxis ändern will, wonach der Ersatz einer Auto-Batterie als Reparaturaufwand gilt. Daher stellt sich im vorliegenden Fall lediglich die Frage, ob im Rahmen der geltenden Praxis der Ersatz einer Elektrofahrstuhl-Batterie gleich zu behandeln ist. Dies ist nach dem in Erw. 2 a hievor Gesagten zu bejahen. Daraus folgt, dass auch im Falle der Elektrofahrstuhl-Batterie BGE 104 V 84 S. 87 Reparaturaufwand vorliegt, der nach Massgabe des Art. 7 Abs. 2 HV von der Invalidenversicherung zu übernehmen ist.
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c5ac0a3f-56fd-4798-9061-d23a5b97dd70
Urteilskopf 138 IV 153 22. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft gegen X. (Beschwerde in Strafsachen) 1B_698/2011 vom 9. Mai 2012
Regeste Art. 198 Abs. 1 lit. c, Art. 217 Abs. 3 lit. b, Art. 263 und 268 StPO ; vorläufige Sicherstellung der zu erwartenden Busse und Verfahrenskosten durch die Polizei. Ist Gefahr im Verzug, darf die Polizei die zu erwartenden Busse und Verfahrenskosten ohne vorangegangenen Beschlagnahmebefehl zuhanden der Staatsanwaltschaft vorläufig sicherstellen. Gefahr im Verzug bejaht bei einem im Ausland wohnhaften Fahrzeuglenker, den die Polizei nach einer von ihr festgestellten Geschwindigkeitsüberschreitung angehalten hatte (E. 3).
Sachverhalt ab Seite 153 BGE 138 IV 153 S. 153 Am 29. Juli 2011, um 22.33 Uhr, überschritt der in seinem Heimatland wohnhafte französische Staatsangehörige X. auf der Autobahn in Diegten, Fahrtrichtung Basel, mit seinem Personenwagen mit Anhänger die Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 29 km/h (nach Abzug der Sicherheitsmarge). Er anerkannte den Sachverhalt. Mit "Beschlagnahme-/Sicherstellungsprotokoll" verlangte die Polizei Basel-Landschaft noch gleichentags von X. ein Bussen- und Kostendepositum von Fr. 550.-. Er bezahlte diesen Betrag sofort mit einer Kreditkarte. BGE 138 IV 153 S. 154 Die von X. hiergegen erhobene Beschwerde hiess das Kantonsgericht Basel-Landschaft (Abteilung Strafrecht) am 11. Oktober 2011 gut. Es hob die polizeiliche Verfügung vom 29. Juli 2011 auf und wies die Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft (Hauptabteilung Waldenburg; im Folgenden: Staatsanwaltschaft) an, X. Fr. 550.- zu überweisen. Es befand, die Polizei sei zur Beschlagnahme nicht befugt gewesen. Die Staatsanwaltschaft hätte eine Beschlagnahme anordnen müssen, bevor diese von der Polizei hätte durchgeführt werden können. Die Staatsanwaltschaft führt dagegen Beschwerde in Strafsachen. Das Bundesgericht heisst diese gut und hebt den kantonsgerichtlichen Entscheid auf. (Zusammenfassung) Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. 3.1 Die Beschwerdeführerin bringt vor, die Polizei habe den Betrag von Fr. 550.- gestützt auf die Weisung der Ersten Staatsanwältin des Kantons Basel-Landschaft vom 22. Juli 2011 betreffend Bussen- und Kostendeposita erhoben. Diese Weisung sehe bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 26-30 km/h auf der Autobahn ein Bussendepositum von Fr. 400.- und ein Kostendepositum von Fr. 150.- vor. Die Sicherstellung des Bussen- und Kostendepositums erfolge nach der Weisung "im Hinblick auf eine Beschlagnahme gemäss Art. 268 StPO ". Die Sicherstellung stelle also nicht bereits die Beschlagnahme dar. Zur einstweiligen Sicherstellung des Bussen- und Kostendepositums sei die Polizei befugt. 3.2 Gemäss Art. 196 StPO (SR 312.0) sind Zwangsmassnahmen Verfahrenshandlungen der Strafbehörden, die in Grundrechte der Betroffenen eingreifen und unter anderem dazu dienen, die Vollstreckung des Endentscheids zu gewährleisten (lit. c). Der 2. Titel der Strafprozessordnung (Art. 12 ff.) nennt die Strafbehörden. Dazu gehören gemäss Art. 12 StPO die Strafverfolgungsbehörden und zu diesen die Polizei (lit. a). Nach Art. 15 Abs. 1 StPO richtet sich die Tätigkeit der Polizei von Bund, Kantonen und Gemeinden im Rahmen der Strafverfolgung nach diesem Gesetz. Gemäss Art. 197 Abs. 1 lit. a StPO können Zwangsmassnahmen nur ergriffen werden, wenn sie gesetzlich vorgesehen sind. Nach Art. 198 Abs. 1 StPO können Zwangsmassnahmen anordnen: a) die Staatsanwaltschaft; b) die Gerichte, in dringenden Fällen ihre Verfahrensleitung; c) die Polizei in den gesetzlich vorgesehenen Fällen. BGE 138 IV 153 S. 155 Es stellt sich demnach die Frage, ob die Strafprozessordnung eine gesetzliche Grundlage für die Sicherstellung des Bussen- und Kostendepositums durch die Polizei enthält. 3.3 3.3.1 Gemäss Art. 263 StPO können Gegenstände und Vermögenswerte einer beschuldigten Person oder einer Drittperson beschlagnahmt werden, wenn die Gegenstände und Vermögenswerte voraussichtlich unter anderem zur Sicherstellung von Verfahrenskosten, Geldstrafen, Bussen und Entschädigungen gebraucht werden (Abs. 1 lit. b). Die Beschlagnahme ist mit einem schriftlichen, kurz begründeten Befehl anzuordnen. In dringenden Fällen kann sie mündlich angeordnet werden, ist aber nachträglich schriftlich zu bestätigen (Abs. 2). Ist Gefahr im Verzug, so können die Polizei oder Private Gegenstände und Vermögenswerte zuhanden der Staatsanwaltschaft oder der Gerichte vorläufig sicherstellen (Abs. 3). Bei Art. 263 Abs. 1 lit. b StPO geht es um die sog. Deckungsbeschlagnahme. Diese regelt Art. 268 StPO näher (STEFAN HEIMGARTNER, in: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, Donatsch und andere [Hrsg.], 2010, N. 8 f. zu Art. 263 StPO ; BOMMER/GOLDSCHMID, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2011, N. 53 zu Art. 263 StPO ; LEMBO/JULEN BERTHOD, in: Commentaire Romand, Code de procédure pénale suisse, 2011, N. 14 zu Art. 263 StPO ). 3.3.2 Art. 263 Abs. 3 StPO erlaubt die vorläufige Sicherstellung von Vermögenswerten durch die Polizei zuhanden der Staatsanwaltschaft. Die Polizei braucht dafür keinen Beschlagnahmebefehl nach Art. 263 Abs. 2 StPO . Sie händigt die sichergestellten Vermögenswerte der Staatsanwaltschaft aus. Diese hat anschliessend nach Art. 263 Abs. 2 StPO einen Beschlagnahmebefehl zu erlassen (NIKLAUS SCHMID, Schweizerische Strafprozessordnung, Praxiskommentar, 2009, N. 8 zu Art. 263 StPO ; HEIMGARTNER, a.a.O., N. 26 zu Art. 263 StPO ; Botschaft vom 21. Dezember 2005 zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts, BBl 2006 1245 zu Art. 262). Art. 263 Abs. 3 StPO ist nur bei Gefahr im Verzug anwendbar. Bei nicht sofortigem Zugriff muss der Verlust des Vermögenswertes drohen (SCHMID, a.a.O., N. 8 zu Art. 263 StPO ). Im vorliegenden Fall hat die Polizei eine Geschwindigkeitsüberschreitung des Beschwerdegegners auf der Autobahn unmittelbar festgestellt und ihn angehalten. Er war in Richtung seines Heimatlandes unterwegs und befand sich BGE 138 IV 153 S. 156 nicht mehr sehr weit von der Grenze entfernt. Hätte ihm die Polizei nicht sogleich das Bussen- und Kostendepositum abgenommen, hätte er nach der Freigabe der Weiterfahrt rasch in sein Heimatland zurückkehren können. Die Eintreibung von Busse und Verfahrenskosten im Falle einer Verurteilung hätte dann scheitern können. Unter diesen Umständen ist Gefahr im Verzug im Sinne von Art. 263 Abs. 3 StPO zu bejahen. Die Polizei durfte daher die bei einer Verurteilung zu erwartenden Busse und Verfahrenskosten zuhanden der Staatsanwaltschaft vorläufig sicherstellen. 3.3.3 Die Polizei legte die Höhe des sichergestellten Betrags gestützt auf die entsprechende Weisung vom 22. Juli 2011 der Ersten Staatsanwältin des Kantons Basel-Landschaft fest. Die Möglichkeit einer derartigen Weisung sieht Art. 15 Abs. 2 StPO ausdrücklich vor. Damit kann eine rechtsgleiche Behandlung gewährleistet werden. Daran besteht gerade bei Geschwindigkeitsüberschreitungen wie hier, die häufig vorkommen und sich durch ihre Gleichförmigkeit auszeichnen, ein Interesse. Die Weisung stellt keinen Beschlagnahmebefehl dar. Wie sich daraus ergibt, betrifft sie die polizeiliche Abnahme von Bussen- und Kostendeposita im Hinblick auf eine darauf folgende Beschlagnahme. 3.3.4 Der Rechtsschutz des Beschuldigten ist auch bei der vorläufigen polizeilichen Sicherstellung gemäss Art. 263 Abs. 3 StPO gewährleistet. Der Beschuldigte kann gemäss Art. 393 Abs. 1 lit. a StPO , wie im vorliegenden Fall, dagegen Beschwerde führen. Gegen den anschliessenden staatsanwaltschaftlichen Beschlagnahmebefehl ist die Beschwerde erneut möglich. 3.3.5 Die Rechtsstellung des Beschuldigten würde nicht verbessert, wenn man die Polizei in Fällen wie hier verpflichten wollte, vor der Sicherstellung beim Pikett der Staatsanwaltschaft einen mündlichen Beschlagnahmebefehl gemäss Art. 263 Abs. 2 Satz 2 StPO einzuholen. Denn es liegt auf der Hand, dass das Pikett die Beschlagnahme im in der Weisung vorgesehenen Betrag jeweils anordnen würde. 3.3.6 Die Beschwerdeführerin verweist auf Art. 217 Abs. 3 lit. b StPO . Danach kann die Polizei eine Person, die sie bei der Begehung einer Übertretung auf frischer Tat ertappt oder unmittelbar nach Begehung einer solchen Tat angetroffen hat, vorläufig festnehmen und auf den Polizeiposten bringen, wenn die Person nicht in der Schweiz wohnt und nicht unverzüglich eine Sicherheit für die zu erwartende Busse leistet. Diese Bestimmung bezweckt ebenfalls BGE 138 IV 153 S. 157 die Sicherstellung der Vollstreckung und ergänzt insoweit Art. 263 StPO (vgl. ULRICH WEDER, in: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, Donatsch und andere [Hrsg.], 2010, N. 28 zu Art. 217 StPO ; BBl 2006 1226 Ziff. 2.5.3.3). Die vorläufige Festnahme kommt allerdings nur in Betracht, wenn die zu erwartende Busse nicht nach Art. 263 StPO sichergestellt werden kann. Die Sicherstellung geht als weniger einschneidende Massnahme also vor (SCHMID, a.a.O., N. 10 zu Art. 217 StPO ; ALBERTINI/ARMBRUSTER, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2011, N. 9 zu Art. 217 StPO ).
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Urteilskopf 139 IV 277 42. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit public dans la cause X. contre Ministère public de la République et canton de Genève (recours en matière pénale) 1B_407/2013 du 16 décembre 2013
Regeste Art. 232 und 388 lit. b StPO ; Haft nach Erlass des Berufungsurteils. Das Berufungsgericht muss sich im Urteil zur Frage der Haft aussprechen (E. 2.1-2.3). Die Verfahrensleitung des Berufungsgerichts kann noch nachträglich über diese Frage entscheiden, gestützt auf Art. 232 StPO (E. 2.4). Sie kann zuvor vorsorgliche Massnahmen i.S.von Art. 388 lit. b StPO anordnen (E. 2.5).
Sachverhalt ab Seite 278 BGE 139 IV 277 S. 278 A. Par jugement du 8 mai 2013, le Tribunal correctionnel du canton de Genève a condamné X. à dix mois de privation de liberté pour vol en bande et séjour illégal. Par décision du même jour, le tribunal a ordonné le maintien en détention pour des motifs de sûreté, en raison du risque de fuite. Par arrêt du 20 septembre 2013, la Chambre pénale d'appel et de révision du canton de Genève (ci-après: CPAR) a admis l'appel formé par le Ministère public et a révoqué la libération conditionnelle accordée en septembre 2012 pour un solde de peine de deux ans et deux mois, fixant la peine d'ensemble à deux ans et six mois. Cet arrêt ne dit rien sur le maintien en détention. B. Le 8 octobre 2013, le Ministère public s'est adressé au Président de la CPAR en relevant qu'au 9 octobre 2013, le condamné aurait passé dix mois en détention, ce qui correspondait à la peine prononcée en première instance. Compte tenu de la peine infligée en appel, la détention devait être maintenue mais à ce stade, la direction de la procédure n'incombait plus au Ministère public et celui-ci ne pouvait pas délivrer un ordre d'écrou puisque le délai de recours contre l'arrêt du 20 septembre 2013 n'était pas échu. Le 8 octobre 2013, le Président de la CPAR a rendu une ordonnance sur mesures provisionnelles ordonnant le maintien de X. en détention pour des motifs de sûreté; une audience a été convoquée au 10 octobre 2013 afin d'entendre l'intéressé. Par ordonnance du 11 octobre 2013, le Président de la CPAR a confirmé sa décision sur mesures provisionnelles et ordonné le maintien en détention de X. avec effet au 9 octobre 2013. La compétence du Tribunal des mesures de contrainte (Tmc) ayant été écartée par le législateur pour la procédure d'appel, il y avait lieu de reconnaître celle de la CPAR lorsque la peine prononcée en première instance arrivait à échéance après le jugement rendu en appel, par application analogique de l' art. 388 let. b CPP . Les conditions d'une détention pour des motifs de sûreté étaient réunies; l'intéressé n'avait aucun BGE 139 IV 277 S. 279 titre de séjour ni aucune attache en Suisse et avait déclaré vouloir retourner en Roumanie. C. Par acte du 11 novembre 2013, X. forme un recours en matière pénale par lequel il demande principalement au Tribunal fédéral de constater l'illicéité de l'ordonnance de mesures provisionnelles du 8 octobre 2013, d'annuler l'ordonnance du 11 octobre 2013 et d'ordonner sa mise en liberté. Le Tribunal fédéral a rejeté le recours. (résumé) Erwägungen Extrait des considérants: 2. Le recourant estime que la décision de maintien en détention pour des motifs de sûreté, prise par le Tribunal correctionnel à l'issue des débats, arrivait à échéance le 9 octobre 2013 à minuit. En effet, cette mesure avait pour but de garantir l'exécution de la peine prononcée en première instance ( art. 321 al. 1 let. a CPP ), soit dix mois de privation de liberté. Dans la mesure où elle tendait aussi à assurer la présence de l'intéressé à la procédure d'appel ( art. 321 al. 1 let. b CPP ), ce but avait également été atteint. Cette manière de voir n'est contestée ni par le Ministère public (qui a requis l'intervention de la CPAR à l'échéance des dix mois de privation de liberté), ni par l'autorité intimée. Le recourant considère que la décision de la direction de la procédure de la CPAR violerait les art. 232 et 388 CPP : les mesures provisionnelles ou un ordre de mise en détention ne pourraient selon lui être prononcés que pour la durée de la procédure d'appel et non près de 20 jours après le prononcé de l'arrêt. Le recourant est d'avis que dans ce cas, seul le Tmc pouvait statuer. 2.1 La détention pour des motifs de sûreté commence au dépôt de l'acte d'accusation et s'achève lorsque le jugement devient exécutoire, lorsque le prévenu commence à purger sa peine ou lorsqu'il est libéré ( art. 220 al. 2 CPP ). Devant le tribunal de première instance, le Tmc demeure compétent pour ordonner le maintien ou la mise en détention, sur requête du ministère public ou de la direction de la procédure ( art. 229 et 230 CPP ). Au moment du jugement, le tribunal de première instance doit se prononcer sur la mise ou le maintien en détention ( art. 231 al. 1 CPP ). Il doit le faire par décision motivée, au moment du prononcé oral du jugement ou par une décision écrite séparée, dans les plus brefs délais ( ATF 139 IV 179 ). S'il omet de le faire ou tarde à rendre son jugement, il lui appartient de réexaminer lui-même d'office l'adéquation aux principes de célérité et de BGE 139 IV 277 S. 280 proportionnalité de la détention pour des motifs de sûreté ( ATF 139 IV 94 consid. 2.3 p. 96). 2.2 Dès que la juridiction d'appel est saisie ( art. 399 al. 2 CPP ), les art. 231 à 233 CPP confèrent à la direction de la procédure de cette juridiction différentes compétences en matière de détention pour des motifs de sûreté: elle peut revenir sur la libération ordonnée par le tribunal de première instance après un jugement d'acquittement ( art. 231 al. 2 CPP ), ordonner une mise en détention en raison de faits nouveaux apparus pendant la procédure d'appel ( art. 232 CPP ) et statuer sur les demandes de libération formées durant la procédure d'appel ( art. 233 CPP ). Elle est également compétente pour maintenir le prévenu en détention si l'autorité de première instance a omis de se prononcer sur ce point (arrêt 1B_683/2011 du 5 janvier 2012 consid. 2.3, in Pra 2012 n° 101 p. 791). La détention n'est toutefois plus soumise à un contrôle périodique, une demande de mise en liberté pouvant être présentée en tout temps ( ATF 139 IV 186 consid. 2.2 p. 188). Le législateur a clairement exclu la compétence du Tmc à ce stade, considérant que celui-ci ne pouvait être appelé à statuer sur des demandes formées par une instance supérieure (Message du 21 décembre 2005 relatif à l'unification du droit de la procédure pénale, FF 2006 1217 ad art. 231). Lors du prononcé du jugement en appel, la juridiction doit, à l'instar du tribunal de première instance, se prononcer sur la question de la détention. En effet, si l'autorité d'appel entre en matière, son jugement se substitue à celui de première instance ( art. 408 CPP ); il y a lieu dès lors d'appliquer mutatis mutandis l' art. 231 CPP et de décider si le condamné doit être placé ou maintenu en détention pour garantir l'exécution de la peine ou en prévision d'un éventuel recours, pour autant que les conditions de l' art. 221 CPP soient satisfaites. La juridiction d'appel peut ainsi prononcer le maintien de la détention pour des motifs de sûreté, ou ordonner une mise en détention en se fondant sur l' art. 232 CPP . La jurisprudence considère en effet qu'une éventuelle condamnation en appel peut constituer un motif de détention apparu en cours de procédure au sens de l'alinéa premier de cette disposition ( ATF 138 IV 81 consid. 2.1 p. 83); cette décision, qui doit être dûment motivée, peut être prononcée par le tribunal in corpore dans le cas où elle est rendue dans le cadre du jugement sur appel (même arrêt consid. 2.5), ou par la direction de la procédure si elle est rendue après le prononcé (arrêt 1B_219/2013 du 16 juillet 2013 consid. 2.1). Lorsqu'un recours a été déposé au Tribunal BGE 139 IV 277 S. 281 fédéral contre le jugement d'appel, cela n'a pas pour conséquence de transférer à la juridiction fédérale les compétences cantonales en matière de prolongation de détention ou de mise en liberté (cf. arrêts 6B_101/2013 du 23 août 2013 consid. 3; 6B_135/2012 du 18 avril 2012 consid. 1.6). 2.3 En l'occurrence, l'arrêt de la CPAR a été rendu le 20 septembre 2013; il ne se prononce pas sur le maintien de la détention pour des motifs de sûreté. Le recourant et les autorités intimées s'accordent à admettre que la détention aurait été valablement prolongée jusqu'au 9 octobre 2013, date d'échéance de la condamnation de première instance. Compte tenu des principes rappelés ci-dessus, cette manière de voir ne peut être partagée puisqu'il appartenait à la juridiction d'appel d'ordonner, au moment de son prononcé, le maintien en détention du recourant. A défaut d'une telle décision, il n'existait plus de titre de détention valable après le 20 septembre 2013, ce qu'il y a lieu de constater, le recours étant au demeurant dépourvu de toute motivation et de toute conclusion sur ce point. 2.4 Le Président de la cour cantonale a été saisi dix-huit jours après le prononcé de l'arrêt, durant le délai de recours au Tribunal fédéral. Dans ces circonstances, il y a lieu de considérer que les conditions de l' art. 232 CPP étaient réunies et que la direction de la procédure de la juridiction d'appel pouvait encore statuer sur le maintien de la détention pour des motifs de sûreté. Le recourant estime à tort que la compétence "ordinaire" du Tmc devrait être retenue dans un tel cas: si, comme cela a été rappelé ci-dessus, l'intervention du Tmc a été exclue par le législateur pour la procédure d'appel, pour des motifs tenant aux différents niveaux de juridiction, il n'y a pas lieu, a fortiori, de la réintroduire à un stade plus avancé encore de la procédure pénale. La décision attaquée ne viole pas, par conséquent, l' art. 232 CPP . 2.5 Dans la mesure où la direction de la procédure de la juridiction d'appel conserve des compétences en matière de détention pour des motifs de sûreté après le prononcé du jugement d'appel, le grief de violation de l' art. 388 CPP doit lui aussi être écarté. Cette disposition générale (qui s'applique à la procédure d'appel) permet en effet à la direction de la procédure d'ordonner la mise en détention du prévenu (let. b). Il n'est au demeurant pas contesté que le recourant a été entendu et que la décision attaquée a été rendue dans les 48 heures après le prononcé sur mesures provisionnelles; le délai fixé à l' art. 232 CPP a ainsi été respecté. La détention subie du 9 au 11 octobre 2013 n'a dès lors rien d'illicite. BGE 139 IV 277 S. 282 2.6 Pour le surplus, le recourant ne conteste nullement que les conditions de fond à un maintien en détention (soit notamment les charges suffisantes telles qu'elles résultent du jugement d'appel et le risque de fuite, particulièrement évident en l'espèce) sont remplies.
null
nan
fr
2,013
CH_BGE
CH_BGE_006
CH
Federation
c5ae8b6c-f441-40c7-b847-5d0c7e249869
Urteilskopf 107 Ib 369 65. Estratto della sentenza 10 aprile 1981 della II Corte di diritto pubblico nella causa Rudolf e Flavia Botisk-Jacoucci (ricorso di diritto amministrativo)
Regeste Art. 6 Abs. 2 lit. a BewB , Art. 12a BewV : Erwerb zum Zwecke der Arrondierung. 1. Zusammenfassung der Rechtsprechung auf dem Gebiete der Arrondierung (E. 3a). 2. Analoge Anwendung dieser Rechtsprechung auf den Erwerb zum Zwecke der Arrondierung von Stockwerkeigentum: ein berechtigtes Interesse ist anzunehmen, wenn Beweggründe oder spezielle Umstände eine solche Arrondierung rechtfertigen und das gesamte Eigentum des Erwerbers einen am Zweck gemessenen Umfang nicht übersteigt und die zu erwerbende Wohnung im Verhältnis zur ersten Wohnung nur von untergeordneter Bedeutung ist. Begriff der untergeordneten Bedeutung (E. 3b). 3. Anwendung dieser Grundsätze im vorliegenden Fall (E. 3c).
Sachverhalt ab Seite 370 BGE 107 Ib 369 S. 370 Flavia e Rudolf Botisk-Jacoucci, cittadini austriaci domiciliati a Milano, sono proprietari a Lugano di un appartamento di tre locali, cucina, atrio, doppi servizi e balcone, foglio PPP n. 11 di 79/1000 della particella n. 614. Il 25 ottobre 1978 essi chiesero all'autorità di prima istanza per l'applicazione del DAFE l'autorizzazione preventiva per l'acquisto dell'appartamento contiguo, PPP n. 12 di 82/1000, d'uguale configurazione, ch'essi occupavano in locazione sin dal 1974. L'autorizzazione venne accordata il 15 gennaio 1979. Questa prima decisione fu annullata il 25 giugno 1979 dalla Commissione cantonale di ricorso, poiché i richiedenti non hanno strettissime relazioni d'affari e non risiedono durevolmente a Lugano, ove vige del resto il blocco delle autorizzazioni. L'autorità cantonale rifiutò nuovamente l'autorizzazione statuendo il 19 novembre 1979 su una domanda di riesame dei coniugi Botisk-Jacoucci, i quali si aggravarono in seguito al Tribunale federale con un ricorso di diritto amministrativo. Il Tribunale federale ha respinto il ricorso. Erwägungen Considerato in diritto: 3. L'autorizzazione per l'acquisto di fondi deve essere concessa agli stranieri che dimostrano un interesse legittimo ( art. 6 cpv. 1 DAFE ). L'interesse è tale se il fondo è destinato anzitutto alla dimora dell'acquirente o della sua famiglia, se questi lo acquista in suo proprio nome, se lui, il suo coniuge o i suoi figli minorenni non hanno acquistato a tal fine altri fondi in Svizzera ( art. 6 cpv. 2 lett. a DAFE ). Nella fattispecie non è contestato che i ricorrenti sono già proprietari nel Comune di Lugano di un appartamento di tre locali e ch'essi intendono acquistarne uno avente il medesimo numero di locali. L'eventuale rilascio dell'autorizzazione non può quindi essere vagliato che sotto l'aspetto dell'acquisto di arrotondamento. Nel ricorso di diritto amministrativo i ricorrenti sollevano appunto questo argomento: essi affermano che l'ampliamento della proprietà deve essere autorizzato qualora la superficie complessiva non superi BGE 107 Ib 369 S. 371 l'estensione normale di una casa di vacanza e quando circostanze speciali lo giustifichino. a) In materia d'acquisto di terreni, la giurisprudenza del Tribunale federale non esclude in modo assoluto l'acquisto di un fondo da parte di un cittadino straniero che già ne possiede uno. La restrizione sancita in quest'ambito dall' art. 6 cpv. 2 lett. a DAFE mira sì a impedire che uno straniero acquisti diversi fondi indipendenti in Svizzera, sia in località differenti sia nella stessa; essa lascia tuttavia spazio per i cosiddetti acquisti di arrotondamento, per i quali può esservi un interesse legittimo qualora motivi o circostanze particolari rendano necessario l'ampliamento e qualora la superficie complessiva del terreno, dopo il nuovo acquisto, non ecceda quella ammessa dall' art. 12a OAFE . Nel caso di terreno destinato alla dimora personale dell'acquirente, questa norma prevede che la superficie non deve superare un'estensione appropriata a tale scopo e al genere del fondo se esso è già edificato (cpv. 1), e 1000 m2 al massimo se esso non è edificato oppure se lo è e il richiedente intende ampliarlo con terreno non costruito; sono riservati casi eccezionali ove il superamento di questa superficie può essere giustificato da motivi perentori, purché non vi ostino interessi pubblici (cpv. 2) ( DTF 105 Ib 316 consid. 2b e 318 consid. 3b; DTF 101 Ib 140 consid. 1). La casistica mostra che il Tribunale federale ha istaurato una prassi di regola abbastanza restrittiva nell'ammettere acquisti di terreni d'arrotondamento. In DTF 105 Ib 314 e nella sentenza inedita Bohne del 17 giugno 1980 è stato deciso che il semplice ampliamento del giardino, eventualmente per costruirvi una piscina, non costituisce un motivo perentorio atto a giustificare il superamento del limite massimo di 1000 m2 posto dall' art. 12a cpv. 2 OAFE ; nella sentenza Griffin del 24 febbraio 1977, pure inedita, l'ampliamento mediante l'acquisto di un bosco per attività di svago e per la raccolta di legna non è stato autorizzato. Invece, in DTF 101 Ib 138 l'interesse per la costruzione di un'autorimessa e di due locali supplementari è stato ritenuto sufficiente. Lo stesso dicasi della sentenza non pubblicata DFG contro Wensky del 26 marzo 1976, dove le necessità di una famiglia numerosa e l'inutilizzabilità del terreno primitivo annesso all'abitazione hanno giustificato l'acquisto di arrotondamento per la costruzione di una piscina e di un parco da gioco; della sentenza Hansen del 28 novembre 1975 (RDAT 1977 pag. 190), nella quale il Tribunale federale ha lasciato intendere che l'ampliamento avrebbe potuto essere autorizzato perlomeno nella misura in cui avrebbe permesso BGE 107 Ib 369 S. 372 l'accesso all'abitazione e all'autorimessa; e, infine, della sentenza Rödler del 14 febbraio 1975 (cfr. Rep. 1976 pag. 9) con cui esso, dopo aver precisato che in principio può esservi interesse a circondare una casetta con una limitata estensione di terreno, ha lasciato all'autorità cantonale il compito di accertare concretamente se per tale fine sussistesse un bisogno oggettivo. Affinché la portata di queste sentenze possa essere valutata correttamente, non dev'essere dimenticato che le ultime quattro, in un certo senso meno rigide, sono state emanate prima dell'entrata in vigore il 1o aprile 1976 dell' art. 12a OAFE , che limitando le superfici dei fondi destinati alla dimora di stranieri ha indirettamente influenzato, restringendola, la prassi dell'autorizzazione di acquisti d'arrotondamento. b) Contrariamente a quanto è avvenuto per i terreni, il Tribunale federale si è finora poco occupato dell'ampliamento di proprietà per piani (cfr. la sentenza Scholten del 21 ottobre 1977). A prima vista l'arrotondamento di appartamenti appare difficilmente realizzabile: si tratta infatti di unità abitative ben delimitate e indipendenti, che già per la loro struttura mal si prestano all'aggiunzione di altri vani. Sono naturalmente riservati casi particolari, come quello che interessa i ricorrenti, dove l'ampliamento sembra essere attuabile praticamente e anche dal profilo dei diritti reali (cfr. art. 712b cpv. 1 CC ). L'arrotondamento di una proprietà per piani si differenzia quindi sostanzialmente da quello riferito a terreni, che, come s'è visto, può avere per scopo l'aggrandimento di una casa oppure la costruzione di un'autorimessa, di un accesso, eccetera. Nondimeno, per i casi nei quali l'arrotondamento di un appartamento è concepibile, appare utile applicare, almeno in via analogica, le norme e i principi giurisprudenziali concernenti l'arrotondamento di terreni. In primo luogo, trattandosi pur sempre di una deroga alla regola dell' art. 6 cpv. 2 lett. a DAFE , che vieta l'acquisto di fondi da parte di cittadini stranieri che già ne possiedono uno in Svizzera, la compera di arrotondamento deve essere in ogni modo sorretta da motivi o circostanze speciali che la rendono necessaria; considerate le particolarità della proprietà per piani rispetto ad altri fondi, l'esistenza di questi elementi deve essere valutata con severità. In secondo luogo, in applicazione analogica dell' art. 12a cpv. 1 OAFE , occorre che la proprietà dello straniero destinata alla sua dimora personale, dopo l'acquisto di arrotondamento, non superi BGE 107 Ib 369 S. 373 complessivamente un'estensione appropriata. A questo proposito assume particolare importanza il concetto di accessorietà, espresso dal Tribunale federale solo in qualche caso (cfr. le sentenze Scholten del 21 ottobre 1977 e Rödler del 14 febbraio 1975), ma che soggiace implicitamente a ogni acquisto d'arrotondamento. Se nell'ampliamento di terreni l'accessorietà risulta più che altro dal profilo funzionale, ossia dal rapporto di subordinazione che può esservi ad esempio tra un'autorimessa o un giardino e l'abitazione principale, le particolarità menzionate sopra, insite nelle proprietà per piani, richiedono che in quest'ambito l'accessorietà sia valutata principalmente con criteri quantitativi. Il Tribunale federale si è già espresso in questo senso precisando, in un caso di proprietà per piani, che tra l'altro è determinante la "manifesta macroscopica preponderanza dell'elemento principale rispetto a quello accessorio" (sentenza Scholten del 21 ottobre 1977). c) Nella fattispecie risulta dai piani allegati al ricorso che la PPP n. 12 che i ricorrenti vorrebbero acquistare consiste, come la PPP n. 11 ch'essi già possiedono, in un appartamento di tre locali, atrio, cucina, doppi servizi e balcone; la superficie della prima (circa 65 m2) è di poco inferiore a quella della seconda (circa 75 m2); la quota di valore della PPP n. 12 (82/1000) è addirittura superiore a quella della PPP n. 11 (79/1000). Ne discende che il requisito dell'accessorietà dell'appartamento per il quale i ricorrenti chiedono l'autorizzazione d'acquisto, rispetto a quello di cui sono proprietari, non è manifestamente adempiuto dal profilo sia strutturale, sia metrico, sia economico. Non è neppure ravvisabile alcun rapporto di subordinazione funzionale, poiché i due appartamenti, prima dell'abbattimento del muro di separazione che nulla può mutare alla situazione effettiva, erano due unità di abitazione delimitate, indipendenti e complete; con l'acquisto del secondo appartamento i ricorrenti intenderebbero del resto unicamente ampliare la loro residenza secondaria. Irrilevante è la loro obiezione secondo la quale il fatto ch'essi avrebbero forse potuto acquistare in una sola volta un appartamento di cinque locali significa necessariamente che ora debba essere autorizzato anche l'acquisto di arrotondamento: dalla giurisprudenza che dichiara applicabili anche agli acquisti di arrotondamento i limiti della superficie ammessa stabiliti dall' art. 12a OAFE , non è possibile ricavare la deduzione contraria secondo cui deve essere autorizzato ogni acquisto di arrotondamento che rimanga al disotto di questi limiti. I requisiti specifici BGE 107 Ib 369 S. 374 posti dal Tribunale federale per questo genere d'operazione devono sempre essere adempiuti. A titolo di confronto basti ricordare che nella sentenza Scholten del 21 ottobre 1977 il Tribunale federale ha negato il carattere accessorio a un appartamento di due locali più servizi che i richiedenti intendevano connettere a un appartamento di tre locali più servizi. I motivi e le circostanze particolari che secondo i ricorrenti dovrebbero giustificare l'acquisto del secondo appartamento sono i seguenti. Nella domanda d'autorizzazione presentata all'autorità di prima istanza essi alludevano alla necessità di sistemare mobili antichi ereditati e all'eventualità di stabilirsi definitivamente a Lugano, dopo il loro ritiro dagli affari che avrebbe dovuto avvenire "fra non molto". Nelle osservazioni presentate davanti alla Commissione cantonale di ricorso i ricorrenti, invece che ribadire il prospettato ritiro dagli affari, giustificavano la loro domanda addirittura con la possibilità di aprire a Lugano una succursale della loro ditta, che avrebbe comportato il loro trasferimento definitivo in quella città, e con il bisogno di poter disporre di locali per invitare clienti durante il fine settimana. Il riesame - in aperta contraddizione con l'affermazione contenuta nelle predette osservazioni, secondo la quale l'unità abitativa formata con l'abbattimento del muro divisorio "è destinata a durare" - si fondava sul fatto che la proprietaria, in caso di mancato acquisto da parte dei ricorrenti, avrebbe inteso vendere la PPP n. 12 a terzi. Infine, nel ricorso di diritto amministrativo, nel quale curiosamente i motivi del chiesto riesame non sono più neppure menzionati, i ricorrenti si limitano ad alludere ai bisogni della famiglia - composta di due persone - e alla necessità di poter avere una camera per gli ospiti e una per la persona di servizio. Questi argomenti generici, differenti in ogni fase della procedura e palesemente contraddittori, potrebbero far sorgere il dubbio ch'essi non sono invocati che per convenienza; comunque, a prescindere da ciò, essi non sono affatto atti a sostanziare la necessità dei ricorrenti di dover effettuare l'acquisto di arrotondamento, come richiesto dalla giurisprudenza. d) Le considerazioni che precedono significano che l'autorizzazione non può essere concessa per mancanza di un interesse legittimo ai sensi dell' art. 6 cpv. 2 lett. a DAFE , essendo i ricorrenti già proprietari di un appartamento nel Comune di Lugano e non potendo l'ampliamento prospettato essere considerato come semplice arrotondamento. In queste circostanze diviene superfluo l'esame delle censure ricorsuali BGE 107 Ib 369 S. 375 concernenti i n. 1, 2 e 3 del medesimo disposto di legge, in particolare quelle che toccano il blocco delle autorizzazioni con le rispettive deroghe. La decisione impugnata non lede il diritto federale.
public_law
nan
it
1,981
CH_BGE
CH_BGE_003
CH
Federation
c5aeb892-9a73-405c-8544-040562d5847e
Urteilskopf 138 V 298 36. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit social dans la cause Service des prestations complémentaires contre G. (recours en matière de droit public) 9C_58/2012 du 8 juin 2012
Regeste Art. 24 Abs. 1 und Art. 53 Abs. 2 ATSG ; Art. 22 und 25 ELV ; rückwirkende Zahlung von Ergänzungsleistungen. Die Rechtsprechung gemäss BGE 122 V 19 , wonach die rückwirkende Zahlung von Ergänzungsleistungen im Fall einer Neuberechnung der Ergänzungsleistungen (im Rahmen einer Rückforderung) ausgeschlossen ist, kann unter der Herrschaft von Art. 24 Abs. 1 ATSG nicht aufrechterhalten werden (E. 5).
Sachverhalt ab Seite 298 BGE 138 V 298 S. 298 A. G. est au bénéfice d'un trois quarts de rente de l'assurance-invalidité (fondé sur un taux d'invalidité de 67 %) depuis le 1 er février 2005. Par décision du 5 février 2009, le Service des prestations complémentaires du canton de Genève (ci-après: le SPC) l'a mise au bénéfice de prestations complémentaires de droit fédéral et cantonal à partir du 1 er février 2006. (...) Le 5 janvier 2010, le SPC a rendu une décision par laquelle il a constaté sur la base d'un nouveau calcul des prestations complémentaires à partir du 1 er janvier 2008 (comprenant également un revenu BGE 138 V 298 S. 299 hypothétique) que le montant de celles-ci devait être augmenté, si bien qu'ilen résultait un solde en faveur de l'assurée de 7'227 fr.; il a égalementfixé à 1'110 fr. par mois le montant des prestations complémentairesfédéraleset à 1'011 fr.celuides prestations complémentairescantonales à partir du 1 er février 2010. Faisant opposition à cette décision,G. a contesté notamment la prise en compte d'un gain hypothétique, en invoquant être totalement incapable de travailler pour des raisonsde santé. Le 11 mars 2010, le SPC a rendu une nouvelle décision valable à partir du 1 er janvier 2009, dont il ressortait que G. devait rembourser 3'000 fr. Le 14 avril 2010, pardécisionsuropposition, il aadmis l'opposition de la prénommée. Reprenant le calcul des prestations complémentaires à partir du 1 er février 2010, sans tenircompte d'unrevenuhypothétique, il a fait état d'un solde enfaveurde l'assuréede 1'884 fr.,qu'il a indiqué conserver encompensation de la dette existante; il a par ailleurs déterminé le montant des prestations complémentairesà partir du 1 er mai 2010. B. B.a G. a déféré cette décision sur opposition au Tribunal cantonal des assurances sociales de la République et canton de Genève (aujourd'hui: Cour de justice de la République et canton de Genève, Chambre des assurances sociales). (...) Par jugement du 14 septembre 2010, le Tribunal cantonal des assurances sociales a admis le recours. Il a annulé les décisions des 5 janvier et 14 avril 2010 dans le sens des considérants (ch. 2 du dispositif) et renvoyé la cause au SPC pour nouveau calcul du montant rétroactif dû à l'assurée à compter du 1 er janvier 2008 (ch. 3 du dispositif). B.b Saisi d'un recours du SPC contre ce jugement, le Tribunal fédéral l'a admis par l'arrêt 9C_836/2010 du 20 mai 2011. Il a modifié le ch. 3 du dispositif du jugement cantonal en ce sens que le dossier était renvoyé au SPC pour nouveau calcul du montant rétroactif dû à l'assurée à compter du 1 er janvier 2009. B.c A la suite de l'arrêt du Tribunal fédéral, le SPC a, le 17 juin 2011, rendu une décision (...), par laquelle il a repris le calcul des prestations complémentaires à partir du 1 er janvier 2009 (sans tenir compte d'un revenu hypothétique) et fixé à 7'948 fr. le "montant rétroactif (comptable)" en faveur de l'assurée, soit 6'832 fr. après déduction de la dette restante (de 1'116 fr.); il a indiqué ne pas verser le solde "ce conformément à la jurisprudence en vigueur". L'assurée s'étant BGE 138 V 298 S. 300 opposée à cette décision, le SPC a confirmé son point de vue, le 15 septembre 2011. Statuant le 6 décembre suivant sur le recours formé par G. contre la décision sur opposition, la Chambre des assurances sociales de la Cour de justice genevoise l'a admis et annulé "les décisions des 17 juin et 15 septembre 2011 dans le sens des considérants" (selon lesquels elle a reconnu le droit de l'assurée au versement du rétroactif calculé à compter du 1 er janvier 2009). C. Agissant par la voie du recours en matière de droit public, le SPC demande au Tribunal fédéral d'annuler le jugement cantonal en ce qu'il concerne les prestations complémentaires fédérales et de reconnaître qu'il "n'a pas à verser à l'intimée les arriérés de prestations résultant de sa décision du 17 juin 2011, rétroagissant au 1 er janvier 2009, ce conformément à la jurisprudence fédérale en vigueur ( ATF 122 V 19 )". (...) G. a conclu à ce que le Tribunal fédéral ordonne le versement effectif du rétroactif qui lui est dû depuis le 1 er janvier 2009 et explicite "le jugement dans le sens que le montant du rétroactif correspond à de l'argent réel, en espèce, et non pas en simulation de calcul comme faite par le SPC". De son côté, l'Office fédéral des assurances sociales a renoncé à se déterminer. Le recours a été rejeté. (extrait) Erwägungen Extrait des considérants: 5. 5.1 Le recourant se fonde sur l' ATF 122 V 19 pour contester son obligation de verser le solde de 6'832 fr. Dans cet arrêt, le Tribunal fédéral (des assurances) a retenu que pour procéder au nouveau calcul de la prestation complémentaire déterminant pour fixer le montant des prestations soumises à restitution, dans le cadre d'une restitution de prestations, il y a lieu de tenir compte de tout changement propre à influencer le droit à prestations et qui donne lieu à une augmentation ou à une diminution du revenu déterminant ( art. 25 OPC-AVS/AI [RS 831.301]); le paiement de prestations complémentaires à titre rétroactif ("Nachzahlung") est toutefois exclu. 5.2 En tant qu'on peut déduire de la jurisprudence publiée à l' ATF 122 V 19 consid. 5c p. 26, comme le fait le recourant, que dans le cas où l'organe d'exécution de la LPC (RS 831.30) procède à un nouveau calcul des prestations complémentaires (dans le cadre d'une demande BGE 138 V 298 S. 301 en restitution), en prenant en compte tout changement propre à influencer le droit à des prestations complémentaires et qu'il en ressort un solde positif pour l'intéressé, le paiement à titre rétroactif est exclu, cette jurisprudence ne peut être maintenue sous l'empire des modifications législatives intervenues depuis son prononcé (le 31 janvier 1996), singulièrement l'entrée en vigueur au 1 er janvier 2003 de la LPGA (RS 830.1). 5.2.1 Il existe différentes situations dans lesquelles le paiement de prestations complémentaires à titre rétroactif peut intervenir. La loi prévoit par exemple que lorsqu'une nouvelle demande est déposée dans les six mois après que l'intéressé a été admis dans un home ou un hôpital, le droit aux prestations prend naissance le premier jour du mois au cours duquel l'admission a eu lieu, pour autant que les autres conditions légales soient remplies ( art. 12 al. 2 LPC ). Le droit aux prestations complémentaires prend également naissance antérieurement au premier jour du mois au cours duquel la demande est déposée (tel que prévu par l' art. 12 al. 1 LPC ), lorsque la demande de prestations complémentaires est faite dans les six mois à compter de la notification d'une décision de rente de l'AVS ou de l'AI (naissance du droit le mois au cours duquel la demande de rente a été déposée, mais au plus tôt dès le début du droit à la rente; art. 22 al. 1 OPC-AVS/AI ). Cette règle sur le paiement des arriérés de prestations s'applique également en cas de modification d'une rente en cours de l'AVS ou de l'AI par décision ( art. 22 al. 2 OPC-AVS/AI ). Le paiement d'arriérés de prestations complémentaires peut également survenir lorsque l'organe d'exécution procède à un nouveau calcul des prestations complémentaires à la suite d'une reconsidération de sa décision (cf. art. 53 al. 2 LPGA ). Cette éventualité ne limite en rien le droit de l'intéressé au paiement de prestations arriérées lorsqu'il demande la rectification d'une décision passée en force de chose jugée; l'intéressé dispose d'un droit à la rectification de la décision qui ne vise pas le réexamen de la décision dans son ensemble, mais permet simplement d'en obtenir la rectification - sur le plan mathématique -, sans que l'administration soit liée par les conditions spécifiques de la reconsidération (cf. ATF 124 V 324 ; ATF 129 V 211 consid. 3 p. 217; arrêt 9C_409/2011 du 21 novembre 2011 consid. 4, résumé in RSAS 2012 p. 67). Peut encore donner lieu à une situation de paiement à titre rétroactif de prestations complémentaires le cas dans lequel l'administration effectue une adaptation des prestations à la modification des BGE 138 V 298 S. 302 conditions personnelles ou économiques de l'intéressé, en application de l' art. 25 OPC-AVS/AI . Cette disposition règle la modification (augmentation, réduction ou suppression) de la prestation complémentaire annuelle (en cours d'année civile) en prévoyant d'une part, à son al. 1, les motifs pour lesquels une telle modification a lieu et d'autre part, à son al. 2, le moment à partir duquel l'augmentation, la réduction ou la suppression prennent effet (sur cette disposition, voir ULRICH MEYER-BLASER, Die Anpassung von Ergänzungsleistungen wegen Sachverhaltsänderungen, in: Die Revision von Dauerleistungen in der Sozialversicherung, 1999, p. 29 ss, 40 ss). Lorsque le nouveau calcul opéré par l'administration en raison de la réalisation de l'un des motifs de modification met en évidence un montant plus élevé des prestations complémentaires en fonction des règles posées par l' art. 25 al. 2 OPC-AVS/AI , l'intéressé a en principe droit au paiement à titre rétroactif des prestations dues. A l'inverse, l'adaptation des prestations complémentaires à la modification des circonstances personnelles ou économiques peut également conduire à une obligation de l'intéressé de restituer des prestations perçues à tort (l' art. 25 al. 2 let . c et d OPC- AVS/AI réserve expressément la créance en restitution lorsque l'obligation de renseigner a été violée; voir aussi ULRICH MEYER-BLASER, Die Rückerstattung von Sozialversicherungsleistungen, RJB 131/1995 p. 494 s.). La restitution est réglée par l' art. 25 LPGA . 5.2.2 Les effets dans le temps du paiement de prestations arriérées sont régis par l' art. 24 al. 1 LPGA , selon lequel le droit à des prestations ou à des cotisations arriérées s'éteint cinq ans après la fin du mois pour lequel la prestation était due et cinq ans après la fin de l'année civile pour laquelle la cotisation devait être payée. Dans le domaine des prestations complémentaires, le législateur a prévu à l' art. 12 al. 4 LPC la possibilité, par la voie de l'adoption d'une norme d'exécution par le Conseil fédéral, d'édicter des dispositions sur le paiement des arriérés de prestations et de s'écarter de la durée prévue par l' art. 24 al. 1 LPGA . Le Conseil fédéral a fait usage de cette compétence à l' art. 22 al. 3 OPC-AVS/AI (KIESER, ATSG Kommentar, 2 e éd. 2009, n os 17 et 33 ad art. 24 LPGA ), selon lequel le droit à des prestations complémentaires déjà octroyées mais n'ayant pu être versées au destinataire s'éteint si le paiement n'est pas requis dans le délai d'une année. En dehors de cette hypothèse, et à défaut d'une autre disposition d'exécution s'écartant de l' art. 24 al. 1 LPGA , le droit à des prestations complémentaires arriérées s'éteint cinq ans après la fin du mois pour lequel BGE 138 V 298 S. 303 la prestation était due. Par conséquent, la règle jurisprudentielle en cause ( ATF 122 V 19 ), selon laquelle le paiement d'arriérés est exclu en cas de nouveau calcul des prestations complémentaires (dans le cadre d'une demande de restitution), est contraire au droit.
null
nan
fr
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CH
Federation
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Urteilskopf 121 II 417 55. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 28. September 1995 i.S. Gemeinde Meilen gegen Jürg Wille und Mitbeteiligte, Regierungsrat und Verwaltungsgericht des Kantons Zürich (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
Regeste Art. 5 Abs. 2 RPG ; materielle Enteignung; Nichteinzonung durch Festsetzung eines Freihaltebereichs im weitgehend überbauten Gebiet im Sinne der Art. 15 lit. a und Art. 36 Abs. 3 RPG . Werden bei der erstmaligen Festsetzung der Nutzungsplanung nach den Grundsätzen des RPG unüberbaute Grundstücke, die im weitgehend überbauten Gebiet liegen, einer Zone zugewiesen, welche die Überbauung der Parzellen ausschliesst, so ist die Frage der materiellen Enteignung nach den Grundsätzen der Nichteinzonung zu beurteilen (E. 3e). Bei der Prüfung, ob eine vor Inkrafttreten des RPG erlassene Nutzungsplanung bereits den Anforderungen des RPG genügte, ist die Nutzungsplanung als Ganzes zu beurteilen (E. 3d). Begriff des weitgehend überbauten Gebiets (E. 5). Nichteinzonung aus Gründen des Denkmalschutzes (E. 6b). Materielle Enteignung in bezug auf zwei Grundstücke bejaht (E. 7 und 8).
Sachverhalt ab Seite 418 BGE 121 II 417 S. 418 Die Grundstücke Kat.Nrn. 2795, 2796, 8911 und 9449 an der General Wille-Strasse in Feldmeilen wurden von ihren heutigen Eigentümern im Jahre 1970 in einer Erbteilung übernommen. Bis dahin waren die Parzellen Kat.Nrn. 8911 und 9449 vereint (alt Kat.Nr. 6315). Auf dem 6'221 m2 messenden Grundstück Kat.Nr. 8911 steht das Landgut Mariafeld mit verschiedenen Gebäuden. Zu dessen weiteren Umgebung gehören im Nordosten die unüberbaute Parzelle Kat.Nr. 9449 im Halte von 6'616 m2, welche im Norden an die SBB-Linie grenzt, und im Südwesten die mit Reben bestockte, 3'261 m2 haltende Parzelle Kat.Nr. 2795 sowie die mit einem Gebäude überbaute, 1'529 m2 umfassende Parzelle Kat.Nr. 2796. Die beiden zuletzt erwähnten Grundstücke liegen zwischen der General Wille-Strasse und der Seestrasse. Gemäss der Bauordnung der Gemeinde Meilen vom 7. April 1967 (BO) lagen die Parzellen Kat.Nrn. 2795 und 2796 in der Wohnzone W2, die Parzellen Kat.Nrn. 8911 und 9449 in der viergeschossigen Wohn- und Gewerbezone WG. Die neue Bau- und Zonenordnung vom 9. März 1988 (BZO; vom Regierungsrat genehmigt am 16. August 1989) wies alle vier Grundstücke der Kernzone Feldmeilen KB 75% zu. Die im Kernzonenplan bezeichneten Gebäude (rot) dürfen nur unter Beibehaltung des bisherigen Gebäudeprofils und des herkömmlichen Erscheinungsbildes umgebaut oder wiederaufgebaut werden; vorbehalten bleibt die Unterschutzstellung (Art. 3 Abs. 1 BZO). Neue Gebäude (ausgenommen unbewohnte Kleinbauten im Sinne von §§ 273 und 288 des kantonalen Planungs- und Baugesetzes vom 7. September 1975; PBG) und Gebäudeerweiterungen sind BGE 121 II 417 S. 419 nur innerhalb der Baubereiche (gelb) gestattet (Art. 4 BZO). Auf den unüberbauten Parzellen Kat.Nrn. 9449 und 2795 sind keine Baubereiche ausgeschieden. Die Gebäude auf den Parzellen Kat.Nrn. 8911 und 2796 sind rot bezeichnet; andere Baubereiche gibt es auf diesen beiden Parzellen nicht. Mit Verfügung vom 24. Januar 1991 stellte die Baudirektion des Kantons Zürich die Hauptgebäude Nrn. 101 und 104 auf der Parzelle Kat.Nr. 8911, die bereits seit dem 19. Dezember 1979 im Inventar der Schutzobjekte von regionaler und kantonaler Bedeutung aufgeführt waren, samt der näheren Umgebung (Einfahrt, Hof, Garten, Bruchsteinstützmauer) unter Denkmalschutz ("Landgut Mariafeld"). In Erwägung 7 dieses Beschlusses wird ausgeführt, bezüglich der Umgebung genüge der Schutz der "für die äussere Wirkung des Mariafelds notwendigen Ausstattungsstücke im Park und wichtigen Bäume"; weitere Schutzmassnahmen seien nicht erforderlich, nachdem die Gemeinde Meilen das "Mariafeld" der Kernzone zugeteilt habe und sich der nach dem Kernzonenplan mögliche Baubereich auf die bestehenden Bauten beschränke, so dass Park und Rebberg nicht mehr überbaut werden könnten. Am 19. September 1989 meldeten die Eigentümer der erwähnten Grundstücke Entschädigungsforderungen wegen materieller Enteignung an. Nachdem die Schätzungskommission II am 23. Juni 1992 festgestellt hatte, dass die Zuweisung dieser Grundstücke zur Kernzone Feldmeilen keine materielle Enteignung bewirkt habe, erkannte das Verwaltungsgericht mit Entscheid vom 24. März 1994, dass der Verzicht auf die Ausscheidung eines Baubereichs auf den Parzellen Kat.Nrn. 9449 und 2795 eine entschädigungspflichtige Eigentumsbeschränkung darstelle. Bezüglich der Parzelle Kat.Nr. 8911 verneinte es eine materielle Enteignung. Die Parzelle Kat.Nr. 2796 lag vor dem Verwaltungsgericht nicht mehr im Streit. Gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts vom 24. März 1994 hat die Gemeinde Meilen Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben. Sie beantragt, der angefochtene Entscheid sei in bezug auf die Grundstücke Kat.Nr. 9449 und 2795 aufzuheben, und es sei festzustellen, dass die Zuweisung der genannten Grundstücke zur Kernzone und der damit verbundene Verzicht auf die Ausscheidung eines Baubereichs keine materielle Enteignung bewirkt habe; eventuell sei bezüglich der Parzelle Kat.Nr. 9449 eine materielle Enteignung nur für den Bereich östlich der bestehenden Bestockung zu bejahen. Im übrigen beantragt die Gemeinde die Beiladung des Kantons Zürich zum Verfahren. BGE 121 II 417 S. 420 Eine Delegation des Bundesgerichts hat am 30. Juni 1995 in Anwesenheit der Parteien und einer Vertretung des Kantons Zürich einen Augenschein durchgeführt. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab Erwägungen aus folgenden Erwägungen: 3. a) Die Bau- und Zonenordnung der Gemeinde Meilen vom 9. März 1988 (BZO), mit welcher die hier interessierenden Grundstücke der Kernzone Feldmeilen KB 75% zugewiesen und mit einem weitgehenden Bauverbot belegt wurden, wurde vom Regierungsrat des Kantons Zürich am 16. August 1989 genehmigt und ist rechtskräftig. Das Datum der Genehmigung stellt den massgebenden Stichtag für die Beurteilung der Frage dar, ob eine materielle Enteignung vorliegt (vgl. BGE 119 Ib 229 E. 3a S. 233 f.). b) Die Bestimmungen zur Kernzone KB 75% (Art. 3 BZO i.V.m. dem Kernzonenplan Feldmeilen) schliessen auf den unüberbauten Parzellen Kat.Nrn. 9449 und 2795 Neubauten (mit Ausnahme von unbewohnten Kleinbauten gemäss den § § 273 und 288 PBG ) aus. Obwohl diese Parzellen formell zur Bauzone im Sinne von Art. 15 des Bundesgesetzes über die Raumplanung vom 22. Juni 1979 (RPG; SR 700) gehören, wendete das Verwaltungsgericht für die Beurteilung der Entschädigungspflicht sinngemäss die gleichen Grundsätze an, wie sie das Bundesgericht im Zusammenhang mit der Zuweisung von Land zu einer Nichtbauzone entwickelt hat (vgl. BGE 119 Ib 124 E. 2c S. 129), weil die Parzellen nach den Zonenvorschriften mit einem weitgehenden Bauverbot belegt sind. Das Verwaltungsgericht führt im angefochtenen Entscheid aus, die Bauordnung von 1967 habe noch nicht den Anforderungen genügt, wie sie das Raumplanungsgesetz an eine Ortsplanung stelle (noch keine klare Trennung zwischen Baugebiet und Nichtbaugebiet, zu grosse Bauzonen); mit Bezug auf die Umschreibung des Baugebiets habe die alte Bauordnung zudem ab 1. Januar 1988 ihre Gültigkeit verloren (Art. 35 Abs. 1 lit. b i.V.m. Art. 36 Abs. 3 RPG ; BGE 119 Ib 124 E. 3c S. 132, BGE 118 Ib 38 E. 4a S. 44). Die Vorinstanz hat die Zuweisung der im vorliegenden Verfahren umstrittenen Grundstücke zur Kernzone bzw. den Verzicht auf die Festlegung von Baubereichen innerhalb dieser Zone als Inhaltsbestimmung des Eigentums bezeichnet und somit wie eine Nichteinzonung behandelt, die eine Entschädigungspflicht nur dann auslöse, wenn besondere Umstände vorlägen, die eine Einzonung geboten hätten (vgl. BGE 119 Ib 124 E. 2d S. 129 f., 118 BGE 121 II 417 S. 421 Ib 341 E. 4 S. 343 f., je mit Hinweisen). Ob die Grundstücke zum weitgehend überbauten Gebiet im Sinne von Art. 36 Abs. 3 RPG gehörten und demzufolge ab 1. Januar 1988 als vorläufige Bauzone gegolten hätten, erachtete das Verwaltungsgericht im Zusammenhang mit der Abgrenzung zwischen Auszonung und Nichteinzonung als nicht massgebend; selbst wenn die Voraussetzungen von Art. 36 Abs. 3 RPG erfüllt gewesen wären (was das Verwaltungsgericht in der Folge bejahte), wäre nicht auf eine Auszonung zu schliessen. c) Die Beschwerdeführerin pflichtet der Vorinstanz bei, dass im vorliegenden Fall gleich zu entscheiden sei, wie wenn die Grundstücke einer Freihaltezone zugewiesen worden wären, und dass die gleichen Grundsätze gälten wie bei einer Nichteinzonung. Anderer Meinung sind die Beschwerdegegner: Sie halten dafür, dass von einer Auszonung auszugehen sei und nicht von einer Nichteinzonung, da das Land der Beschwerdegegner grob erschlossen und baureif sei sowie im Bereich eines gewässerschutzrechtskonformen GKP liege; eine Reduktion der überdimensionierten Bauzone und damit auch des GKP habe den Gemeindeteil Feldmeilen nur am nordöstlichen Rand betroffen, ohne die Grundstücke der Beschwerdegegner zu erfassen. Ferner habe bereits die alte Bauordnung der Gemeinde Meilen von 1967 für den Schutz des Dorfbilds gesorgt. Wo aber in bestimmten Bereichen die bestehende Ordnung den Grundsätzen des RPG gerecht geworden sei, könne nicht von einer erstmaligen RPG-konformen Regelung gesprochen werden. d) Dieser sektoriellen Betrachtungsweise der Beschwerdegegner kann nicht gefolgt werden. Ob eine altrechtliche, vor Inkrafttreten des RPG erlassene Ortsplanung bereits den Anforderungen des RPG genügte, beurteilt sich nicht parzellen- oder quartierweise. Die Nutzungsplanung einer Gemeinde muss als Ganzes den Anforderungen des RPG genügen, und die Zweckmässigkeit einer Zonenplanänderung für einen Teil des Gemeindegebiets kann nicht ohne Berücksichtigung des planerischen Gesamtkonzepts für die ganze Gemeinde und nicht ohne Überprüfung des planerischen Schicksals vergleichbarer Gebiete beurteilt werden (vgl. Urteil des Bundesgerichts vom 4. Juni 1993 in ZBl 95/1994, S. 140, E. 7b). Entsprach die Nutzungsordnung der Gemeinde Meilen aus dem Jahre 1967 als Ganzes nicht den Anforderungen des RPG, was von keiner Seite bestritten wird, so handelt es sich bei der Bau- und Zonenordnung von 1988/89 um die erste raumplanerische Grundordnung im Sinne von Art. 22quater BV und des RPG, auch wenn sich damit für einzelne BGE 121 II 417 S. 422 Grundstücke oder einzelne Gebiete nichts geändert hat. Dass das Verwaltungsgericht bei dieser Sachlage die Belegung der Parzellen Kat.Nrn. 9449 und 2795 mit einem weitgehenden Bauverbot nach den gleichen Grundsätzen beurteilt hat wie eine Nichteinzonung, ist nicht zu beanstanden, verhält es sich hier doch ähnlich wie bei der Zuweisung eines Grundstücks zu einer Grünzone, zu einer Freihaltezone oder zu einer Zone für öffentliche Nutzungen, in der private Bauten nicht gestattet sind (vgl. BGE 117 Ib 4 E. 3c S. 9 mit Hinweisen). e) Den Beschwerdegegnern kann auch darin nicht gefolgt werden, dass von einer Auszonung zu sprechen sei, wenn sich das betroffene Land im massgebenden Zeitpunkt im weitgehend überbauten Gebiet befand und zu einer vorläufigen Bauzone im Sinne von Art. 36 Abs. 3 RPG gehörte. Diese Frage wurde vom Bundesgericht zwar bisher noch nicht ausdrücklich beantwortet (vgl. BGE 118 Ib 38 E. 4a S. 45), doch ergibt sich bereits aus der bisherigen Rechtsprechung, dass seit dem Inkrafttreten des RPG nur noch das nach den Grundsätzen dieses Gesetzes rechtskräftig in Bauzonen eingezonte Land als (definitives) Bauland zu betrachten ist ( BGE 116 Ib 379 E. 5b S. 383). Provisorische Baugebiete können, selbst wenn sie materiell den Anforderungen des RPG entsprechen, nicht als Bauzonen im Sinne des Bundesrechts gelten, weil sie nicht in einem den demokratischen Anforderungen genügenden Verfahren ( Art. 4 Abs. 2 RPG ) und von dem für die Nutzungsplanung zuständigen Planungsträger beschlossen worden sind (vgl. BGE 116 Ib 379 E. 5b S. 383 in fine, BGE 114 Ib 305 E. 5c/ff. S. 311 f.). Auch wenn sich Land im weitgehend überbauten Gebiet im Sinne von Art. 36 Abs. 3 RPG und damit in einer vorläufigen Bauzone befindet, bedeutet dies noch nicht, dass es zwingend einer definitiven Bauzone zugeschlagen werden müsste. Besondere Gründe, wie etwa eine besondere Lage, die Topographie, die Beschaffenheit des Bodens oder die Schutzwürdigkeit des Orts- oder Landschaftsbildes sowie andere öffentliche Interessen ( Art. 1, 3, 15 ff. RPG ) können es als geboten erscheinen lassen oder es zumindest rechtfertigen, dass bei der definitiven, demokratisch abgestützten Nutzungsplanung von der Zuweisung zu einer Zone für private Bauten abgesehen wird. Ist dies der Fall, so ist die Entschädigungsfrage nach den für eine Nichteinzonung geltenden Grundsätzen zu beurteilen, weil erstmals im Verfahren der demokratischen Willensbildung von dem für die Nutzungsplanung zuständigen Organ nach den Grundsätzen des RPG über die Zuweisung des Grundstücks zu einer Bauzone entschieden wurde (anderer BGE 121 II 417 S. 423 Meinung KARL SPÜHLER, Aktuelle Rechtsfragen zum zürcherischen Bau- und Planungsrecht, ZBl 94/1993 S. 110). Es ist somit von den Grundsätzen auszugehen, wie sie in der bundesgerichtlichen Rechtsprechung für Nichteinzonungen entwickelt worden sind. 4. a) Eine auf eine Nutzungsplanung zurückzuführende Eigentumsbeschränkung kommt einer Enteignung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 RPG gleich, wenn einem Eigentümer der bisherige oder ein voraussehbarer künftiger Gebrauch seines Grundeigentums untersagt oder besonders stark eingeschränkt wird, weil ihm eine aus dem Eigentumsinhalt fliessende wesentliche Befugnis entzogen wird. Geht der Eingriff weniger weit, so kann ausnahmsweise eine Eigentumsbeschränkung einer Enteignung gleichkommen, falls ein einziger oder einzelne Grundeigentümer so getroffen werden, dass ihr Opfer gegenüber der Allgemeinheit unzumutbar erschiene und es mit der Rechtsgleichheit nicht vereinbar wäre, wenn hiefür keine Entschädigung geleistet würde. In beiden Fällen ist die Möglichkeit einer zukünftigen besseren Nutzung der Sache nur zu berücksichtigen, wenn im massgebenden Zeitpunkt anzunehmen war, sie lasse sich mit hoher Wahrscheinlichkeit in naher Zukunft verwirklichen. Unter besserer Nutzung eines Grundstücks ist in der Regel eine in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht gegebene Möglichkeit der Überbauung zu verstehen ( BGE 119 Ib 124 E. 2b S. 128 mit Hinweisen). b) Die Nichteinzonung in eine Bauzone bei der erstmaligen Schaffung einer raumplanerischen Grundordnung, welche den verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Anforderungen entspricht, löst grundsätzlich keine Entschädigungspflicht aus. Sie trifft nur ausnahmsweise den Eigentümer enteignungsähnlich, etwa dann, wenn er überbaubares oder grob erschlossenes Land besitzt, das von einem gewässerschutzrechtskonformen GKP erfasst wird, und wenn er für die Erschliessung und Überbauung seines Landes schon erhebliche Kosten aufgewendet hat, wobei diese Voraussetzungen in der Regel kumulativ erfüllt sein müssen. Sodann können weitere besondere Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes so gewichtig sein, dass ein Grundstück unter Umständen hätte eingezont werden müssen. Ein Einzonungsgebot kann ferner zu bejahen sein, wenn sich das fragliche Grundstück im weitgehend überbauten Gebiet ( Art. 15 lit. a RPG ) befindet. Solche Umstände hätten möglicherweise eine Einzonung gebieten können, so dass der Eigentümer am massgebenden Stichtag mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einer aus eigener Kraft realisierbaren Überbauung seines Landes rechnen BGE 121 II 417 S. 424 durfte ( BGE 119 Ib 124 E. 2d S. 129 f., BGE 118 Ib 341 E. 4 S. 343 f., je mit Hinweisen). 5. Das Verwaltungsgericht geht im angefochtenen Entscheid davon aus, dass es sich bei den Parzellen Kat.Nrn. 9449 und 2725 im massgeblichen Zeitpunkt um weitgehend überbautes Gebiet im Sinne von Art. 15 lit. a und Art. 36 Abs. 3 RPG gehandelt habe. Die Beschwerdeführerin bestreitet dies. Was unter "weitgehend überbautem Gebiet" im Sinne der zitierten Bestimmungen zu verstehen ist, ist eine Rechtsfrage, die das Bundesgericht frei überprüft. a) Der Begriff des weitgehend überbauten Landes nach Art. 15 lit. a RPG umfasst im wesentlichen den geschlossenen Siedlungsbereich und eigentliche Baulücken innerhalb dieses Bereichs. Gleich verhält es sich mit dem weitgehend überbauten Gebiet im Sinne von Art. 36 Abs. 3 RPG ( BGE 119 Ib 124 E. 4b S. 136, BGE 119 Ib 138 E. 5b S. 147, je mit Hinweisen). Baulücken sind einzelne unüberbaute Parzellen, die unmittelbar an das überbaute Land grenzen, in der Regel bereits erschlossen sind und eine relativ geringe Fläche aufweisen. Die Nutzung der Baulücke wird vorwiegend von der sie umgebenden Überbauung geprägt; das unüberbaute Land muss also zum geschlossenen Siedlungsbereich gehören, an der Siedlungsqualität teilhaben und von der bestehenden Überbauung so stark geprägt sein, dass sinnvollerweise nur ihre Aufnahme in die Bauzone in Frage kommt. Dazu zählen auch Baulücken von untergeordneter Bedeutung. Der Begriff der weitgehenden Überbauung ist somit nach der Rechtsprechung gebietsbezogen, Parzellen übergreifend zu verstehen. Der vorhandene Zustand auf einem Grundstück ist in seiner Gesamtheit und in seinem Zusammenhang mit den Verhältnissen auf benachbarten Parzellen zu betrachten. Der Siedlungscharakter ist vor allem aufgrund der örtlichen Nähe der Häuser sowie der vorhandenen Infrastruktur feststellbar (vgl. Urteil vom 4. Juni 1993 in ZBl 95/1994 S. 135 f. E. 4b; BGE 117 Ia 434 E. 3e S. 437 f., BGE 116 Ia 197 E. 2b S. 201, BGE 115 Ia 333 E. 4 S. 338, BGE 113 Ia 444 E. 4d/da S. 451 f.). Dagegen sind peripher gelegene Gebiete, selbst wenn dort schon eine gewisse Bautätigkeit eingesetzt hat, sowie unüberbaute Flächen, denen im Verhältnis zu dem sie umgebenden Land eine eigenständige Bedeutung zukommt, nicht als weitgehend überbaute Gebiete zu betrachten. Grössere Baulücken in besiedeltem Gebiet dienen der Auflockerung der Siedlungsstrukturen, der Erhöhung der Wohnqualität durch Grünflächen (vgl. Art. 1 Abs. 2 lit. b und Art. 3 Abs. 3 lit. e RPG ) sowie der Schaffung von Freizeitbereichen ( Art. 3 BGE 121 II 417 S. 425 Abs. 4 lit. b RPG ). Sie werden nicht von der sie umgebenden Überbauung geprägt, sondern haben eine eigenständige Funktion. b) Die hier umstrittenen Grundstücke befinden sich im Zentrum von Feldmeilen inmitten von zumeist mehrgeschossigen nichtlandwirtschaftlichen Bauten und gehören eindeutig zum geschlossenen Siedlungsbereich. Die Infrastruktur ist bis an die Grenzen der Parzellen Kat.Nrn. 9449 und 2795 vollständig vorhanden, so dass bei einer Überbauung grundsätzlich nur noch die Hausanschlüsse nötig gewesen wären. Die Beschwerdeführerin bringt vor, die Grundstücke gehörten dennoch nicht zum weitgehend überbauten Gebiet, weil sie als unüberbaute Fläche von rund 13'000 m2 (den unüberbauten Teil der Parzelle Kat.Nr. 8911 im Umfang von rund 3'000 m2 mitgerechnet) eine Oase bildeten, die seit jeher als unantastbar gegolten habe und planerisch anders zu behandeln sei als die Gebiete oberhalb der Bahnlinie und seeseits der Seestrasse. c) Am Augenschein konnte festgestellt werden, dass die nicht überbaute Fläche auf den Parzellen Kat.Nrn. 8911, 9449 und 2795 kein homogenes Ganzes bildet, sondern in drei Teile zerfällt: den parkähnlichen Umschwung von rund 3'000 m2 zu den unter Denkmalschutz stehenden Gebäulichkeiten des Mariafelds auf Parzelle Kat.Nr. 8911, das davon durch Gebäude, Bäume und Sträucher auch optisch abgetrennte, zum Teil mit Sträuchern bewachsene Wies- und Gartenland auf Parzelle Kat.Nr. 9449 (6'616 m2) und den jenseits einer hohen Mauer und der General Wille-Strasse beträchtlich tiefer liegenden Rebberg auf Parzelle Kat.Nr. 2795 (3'361 m2). Als zusammenhängende "Oase" erscheinen diese Flächen höchstens aus der Vogelperspektive bzw. auf einem Ortsplan, nicht aber für einen Betrachter, der sich auf einer dieser drei Parzellen, auf einer der umgebenden Strassen oder auf dem See befindet. Eine eigenständige landschaftliche Qualität kommt diesen Flächen nicht zu. Unter diesem Gesichtspunkt könnte jedes Grundstück bzw. jeder Grundstückteil planerisch ohne weiteres sein eigenes Schicksal haben. Die hier vorliegende Situation ist deshalb weder vergleichbar mit dem "Schipfgut" in Herrliberg ( BGE 118 Ib 341 ff.), noch mit dem Land der Allmendkorporation Horgen (Urteil vom 11. November 1992 in ZBl 94/1993 S. 251 ff.), dem "Weyergut" in Köniz (Urteil vom 4. Juni 1993 in ZBl 95/1994 S. 133 ff.), dem "Joggenrain" in Männedorf (nicht veröffentlichtes Urteil des Bundesgerichts vom 18. September 1992), dem "Turmgut" in Erlenbach (nicht veröffentlichtes Urteil des Bundesgerichts vom 7. Dezember 1990) oder dem Gebiet im Bereich der beiden Burgweiher in St. Gallen (nicht veröffentlichtes Urteil des Bundesgerichts vom 19. BGE 121 II 417 S. 426 November 1992). Mit dem vorliegenden Fall vergleichbar ist der unüberbaute Streifen von rund 10'000 m2 Land auf der sonst vollständig überbauten Halbinsel Giessen in der Gemeinde Wädenswil, bei welchem das Bundesgericht die Zugehörigkeit zum weitgehend überbauten Gebiet bejaht hat ( BGE 115 Ia 333 E. 4 S. 339). Die hier interessierenden unüberbauten Flächen auf den Parzellen Kat.Nrn. 8911, 9449 und 2795 haben keine siedlungstrennende oder -auflockernde Funktion und auch nicht die Bedeutung eines Freizeitbereichs. Die Argumentation der Beschwerdeführerin, die unüberbauten Flächen der drei Parzellen hätten seit jeher als unantastbar gegolten, überzeugt ebenfalls nicht, hatte doch der Zonenplan von 1967 die Parzellen Kat.Nrn. 8911 und 9449 bereits der viergeschossigen Wohn- und Gewerbezone und die Parzelle Kat.Nr. 2795 der zweigeschossigen Wohnzone zugewiesen. Daraus ergibt sich, dass die Gemeinde selbst eine Überbauung dieser Flächen zumindest damals und während der folgenden 20 Jahre nicht ausschliessen wollte. d) Nach diesen Ausführungen ist deshalb davon auszugehen, dass die Parzellen Kat.Nrn. 9449 und 2795 zum weitgehend überbauten Gebiet von Feldmeilen gehören. 6. a) Weitgehend überbaute Gebiete sind nach Art. 15 lit. a RPG grundsätzlich der Bauzone zuzuweisen. Die Eigentümer solchen Landes haben daher die berechtigte Erwartung, dieses werde auch inskünftig überbaubar bleiben. Dies gilt umso mehr, wenn, wie im vorliegenden Fall, die Parzellen während einiger Zeit zur vorläufigen Bauzone nach Art. 36 Abs. 3 RPG gehört haben. Anders verhält es sich lediglich dann, wenn eine Einzonung wegen der besonderen Lage oder Beschaffenheit des Grundstücks mit Blick auf die Ziele und Grundsätze der Raumplanung ( Art. 1, 3, 15 ff. RPG ) offensichtlich nicht in Frage kommt und der Grundeigentümer dies erkennen konnte, so dass er mit einer Nichteinzonung rechnen musste und diese kein berechtigtes Vertrauen in das Vorhandensein von Bauland zerstörte. In einem solchen Fall ist das Vorliegen einer materiellen Enteignung zu verneinen. b) Die Beschwerdeführerin macht geltend, eine Einzonung der Parzellen Kat.Nrn. 9449 und 2795 sei wegen ihrer Zugehörigkeit zum näheren Umgebungsschutzbereich des Landguts Mariafeld auf Parzelle Kat.Nr. 8911 nicht in Frage gekommen. Sie verweist insbesondere auf den Unterschutzstellungsbeschluss der kantonalen Baudirektion vom 24. Januar 1991. Darin wird unter anderem ausgeführt, der Rebberg als ertragreiches, BGE 121 II 417 S. 427 herrschaftliches Weingut gehöre zur gepflegten Reminiszenz des traditionellen Landsitzes. Da Park und Rebberg nach ihrer Zuweisung zur Kernzone (mit Bauverbot) durch die BZO 1988 nicht weiter überbaut werden könnten, erübrigten sich weitere Schutzmassnahmen. Die Beschwerdeführerin verweist ferner auf das dem Unterschutzstellungsbeschluss von 1991 zugrunde liegende Detailinventar, worin der Schutzzweck des Landguts Mariafeld wie folgt umschrieben wird: "Erhaltung des ganzen Gebäudekomplexes mitsamt allen Nebengebäuden im reich gestalteten Park sowie des seeseitigen Rebberges und der Altbauten der Umgebung." 7. a) In bezug auf die Parzelle Kat.Nr. 9449 ist festzustellen, dass diese im Inventar von 1987/1991 nicht zum Umgebungsschutzbereich der Liegenschaft Mariafeld auf Parzelle Kat.Nr. 8911 gezählt wird. Wie der Augenschein gezeigt hat zu Recht. Die unter Denkmalschutz gestellten Hauptgebäude auf Parzelle Kat.Nr. 8911 sind gegenüber der Parzelle Kat.Nr. 9449 durch nicht geschützte Nebengebäude sowie durch eine grosszügige Parkanlage, die durch teils geschützte Bäume und Sträucher eingerahmt wird (im Unterschutzstellungsbeschluss der Baudirektion als "Sichtbarrieren" bezeichnet), abgegrenzt. Die Parzelle Kat.Nr. 9449 ist somit vom Landsitz aus zum grössten Teil nicht einsehbar, und umgekehrt. Sowohl visuell als auch funktionell und nutzungsmässig ist zwischen dieser Parzelle und dem Landgut kaum ein Zusammenhang auszumachen. Auch die Ansicht der Gemeinde gemäss ihrem Eventualstandpunkt, dass sich die Parkanlage weit in das Grundstück Kat.Nr. 9449 hineinziehe, weshalb zumindest die alte Bestockung im Süd/Südost- und im Südwestbereich dieser Parzelle zwingend als zum Umgebungsschutz gehörend zu betrachten sei, kann nicht geteilt werden. Wohl kann ein über die Grenze der Parzelle Kat.Nr. 8911 hinausgehendes Bauverbot und damit ein möglichst weites Fernhalten fremder Bauten aufgrund der Schutzwürdigkeit des Landsitzes als wünschbar erscheinen; dass aber ein Bauverbot auf der Parzelle Kat.Nr. 9449 zum Schutz der Liegenschaft Mariafeld zwingend erforderlich wäre, kann nicht gesagt werden. Auch ein Teilbauverbot bis und mit der erwähnten Bestockung erscheint nicht als unabdingbar, zumal weder die Pappelreihe entlang der nordöstlichen Parzellengrenze der Grundstücke Kat.Nrn. 8911 und 9449 noch die Bäume und Sträucher im Südostbereich der Parzelle Kat.Nr. 9449 unter Schutz gestellt sind. Es musste somit nicht mit einer Nichteinzonung des zum weitgehend überbauten Gebiet gehörenden Grundstücks Kat.Nr. 9449 gerechnet werden; BGE 121 II 417 S. 428 dies um so weniger, als die Parzelle auch unter dem Gesichtspunkt der Erschliessung als baureif zu betrachten ist. b) Es ergibt sich, dass das Verwaltungsgericht kein Bundesrecht verletzt hat, wenn es für die Parzelle Kat.Nr. 9449 das Vorliegen einer materiellen Enteignung bejaht hat. Über die Höhe der Entschädigung hat es sich noch nicht ausgesprochen, so dass sich das Bundesgericht dazu nicht zu äussern hat. Immerhin ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass eine andere Nutzungsordnung auf Parzelle Kat.Nr. 9449 selbstverständlich auf die schützenswerte Liegenschaft Mariafeld hätte Rücksicht nehmen müssen, was bedeutet, dass wohl nur eine sehr zurückhaltende, das Mariafeld nicht bedrängende Überbauung in Frage gekommen wäre. Weder die heute geltende Zonenordnung (Kernzone 75%) noch jene von 1967 (viergeschossige Wohn- und Gewerbezone) werden somit Ausgangspunkt für die Bemessung der Entschädigung wegen materieller Enteignung sein können. 8. a) Das Rebgrundstück Kat.Nr. 2795 wurde mit der BZO 1988 nicht wegen seiner besonderen Lage am Zürichsee oder wegen seiner Bedeutung für die Weinproduktion freigehalten, sondern wie die Parzelle Kat.Nr. 9449 als Umgebungsschutz für den Landsitz Mariafeld. Dass Gemeinde und Kanton die Freihaltung auch des Rebgrundstücks vor allem aus kulturhistorischen Gründen anstrebten, ist verständlich und nachvollziehbar, bildete doch der Rebberg zusammen mit dem Landsitz Mariafeld einst ein Ganzes. Heute gehört der Rebberg jedoch nicht mehr dem Eigentümer des Landguts Mariafeld, und es besteht somit keine wirtschaftliche Einheit mit dem Landsitz. Aus den in den Akten liegenden Planausschnitten von 1934-1969 ergibt sich zudem, dass der ursprünglich "im Christoffel" genannte Rebberg offenbar während Jahren nicht als solcher genutzt wurde; Reben wurden erst in neuerer Zeit wieder angepflanzt. Optisch ist der Rebberg heute für den unbefangenen Betrachter kein Teil des Landguts mehr. Die Gebäude auf Parzelle Kat.Nr. 8911 sind im Gegensatz zum Rebberg von Seestrasse und See aus nur beschränkt einsehbar; der Park kann wegen einer hohen Mauer und den Bäumen überhaupt nicht eingesehen werden. Zudem ist der Rebberg vom Landgut durch die ca. 4,5 m breite General Wille-Strasse getrennt und erscheint mit einer Fläche von 3'261 m2 als grössere Baulücke. Das Landgut Mariafeld besteht sodann nicht aus Bauten, die - wie z.B. historische Kirchen, Schlösser und Burgen - möglichst von weither sichtbar bleiben sollten. Die Bedeutung des BGE 121 II 417 S. 429 Mariafelds liegt vielmehr in seinem kulturhistorischen Wert, und dessen Qualitäten werden erst aus der Nähe, insbesondere im Park sowie zwischen und in den Gebäuden richtig erlebbar. b) Im denkmalpflegerischen Detailinventar, das erst nach dem für die Frage der materiellen Enteignung massgebenden Zeitpunkt rechtsgültig abgeschlossen worden ist, wird der Rebberg im Zusammenhang mit dem Mariafeld als erhaltenswert eingestuft. Dies lässt den Schluss zu, dass ein öffentliches Interesse an seiner Freihaltung besteht und dass das von der Gemeinde verfügte Bauverbot im Nutzungsplanverfahren einer verfassungsrechtlichen Überprüfung standgehalten hätte. Aber auch wenn ein öffentliches Interesse an der Freihaltung des Rebbergs besteht, bedeutet dies noch nicht, dass eine Einzonung des Rebbergs offensichtlich nicht in Frage gekommen wäre und der Grundeigentümer dies auch hätte erkennen müssen. Es ergibt sich vorliegend vielmehr, dass der Schutz des Landguts Mariafeld die Freihaltung des Rebbergs nicht zwingend erforderte und die Grundeigentümer der Parzelle Kat.Nr. 2795 solches auch nicht annehmen mussten; dies um so weniger, als die Bauordnung von 1967 das Grundstück zur Überbauung freigegeben hatte und auch in dem vom Regierungsrat am 19. Dezember 1979 beschlossenen Inventar der kunst- und kulturhistorischen Schutzobjekte nur von "Mariafeld mit Nebengebäuden, Garten etc." gesprochen wurde und der Rebberg, der schon damals nicht mehr zum "Garten" gehörte, nicht genannt wurde. c) Die Beschwerdeführerin führt aus, eine Überbauung der Parzelle Kat.Nr. 2795 in naher Zukunft wäre jedenfalls an der ungenügenden Zufahrt gescheitert. Dieser Einwand überzeugt nicht. Am Augenschein des Bundesgerichts konnte festgestellt werden, dass die General Wille-Strasse als Zufahrt zu einer massvollen Überbauung - der letzten in diesem Gebiet - durchaus genügt hätte. Die Strasse ist schon heute ca. 4,5 m breit, und das bestehende schmale Trottoir liesse sich zu Lasten der Parzellen Kat.Nrn. 2795 und 2796, welche den Beschwerdegegnern gehören, ohne weiteres verbreitern. Das Haus Nr. 87 auf der anschliessenden Drittparzelle bildet kein Hindernis. Unter diesen Umständen kann nicht davon ausgegangen werden, die Gemeinde Meilen hätte die Parzelle Kat.Nr. 2795 aus Gründen der Erschliessung nicht eingezont; vielmehr ist die Existenz des Landguts Mariafeld der Grund für die Nichteinzonung. Dass eine Einzonung des Grundstücks allenfalls aus Lärmschutzgründen wegen der stark befahrenen Seestrasse nicht in Frage gekommen wäre, macht die Beschwerdeführerin nicht geltend. BGE 121 II 417 S. 430 Anlässlich des Augenscheins des Bundesgerichts wies der Vertreter der Gemeinde schliesslich darauf hin, dass eine allfällige Überbauung des (tieferliegenden) Rebbergs die schöne Aussicht vom Landgut über den See beeinträchtigt hätte. Dieser Umstand bildet keinen genügenden Grund, um den Rebberg mit einem umfassenden Bauverbot zu belegen. Beim Landgut Mariafeld handelt es sich nicht um einen Aussichtspunkt, der im öffentlichen Interesse zu schützen wäre. d) Zusammenfassend ergibt sich, dass auch die Grundeigentümer der Parzelle Kat.Nr. 2795 mit einer Einzonung in die Bauzone rechnen durften und somit mit dem bestehenden Bauverbot eine materielle Enteignung vorliegt. Der angefochtene Entscheid hält auch in diesem Punkt der Überprüfung stand. Wie bei der Parzelle Kat.Nr. 9449 ist jedoch auch hier darauf hinzuweisen, dass im Falle einer Einzonung der Parzelle Kat.Nr. 2795 der besonderen Lage des Grundstücks im Nahbereich des Landguts Mariafeld hätte Rechnung getragen werden müssen und eine intensive, mehrgeschossige Überbauung kaum in Frage gekommen wäre. Eine Entschädigung wegen materieller Enteignung ist aber nur insoweit geschuldet, als durch das Bauverbot die Nutzung der Parzelle als Bauland für eine der besonderen Lage gerecht werdende Überbauung ausgeschlossen wurde. Diesem Gesichtspunkt wird bei der Festsetzung der Höhe der Entschädigung Rechnung zu tragen sein. Dabei wird auch zu berücksichtigen sein, dass das Gebiet mit erheblichem Verkehrslärm belastet ist, was den Wert des Grundstücks ebenfalls vermindert haben dürfte.
public_law
nan
de
1,995
CH_BGE
CH_BGE_004
CH
Federation
c5b29084-7899-4b18-a722-25d77bc324a4
Urteilskopf 93 I 305 38. Arrêt du 17 mai 1967 dans la cause Rialto-Film AG et consorts contre Conseil d'Etat du canton de Genève.
Regeste Filmzensur. 1. Es verstösst nicht gegen Art. 31 BV , die Kinos einerseits und die Theater und übrigen Schaustellungsunternehmen anderseits als verschiedene Gewerbezweige zu behandeln und nur die ersteren der Vorzensur zu unterstellen (Erw. 2a). 2. Eine in einem Kanton getroffene Anordnung verstösst nicht schon deshalb gegen Art. 4 BV , weil sie im Widerspruch mit einem in einem andern Kanton getroffenen Entscheid steht (Erw. 2c). 3. Eine Behörde verletzt den Grundsatz der Rechtsgleichheit durch einen Entscheid nur dann, wenn dieser mit einem von ihr selber erlassenen andern Entscheid unvereinbar ist (Erw. 4). 4. Prüfungsbefugnis des Bundesgerichts in bezug auf die Schädlichkeit eines Films. Da es sich um eine Tatfrage handelt, überprüft das Bundesgericht den kantonalen Entscheid mit besonderer Zurückhaltung; es kommt ihm nicht die Stellung einer eidgenössischen Zensurkommission zu (Erw. 3a).
Sachverhalt ab Seite 306 BGE 93 I 305 S. 306 A.- Par décision du 21 octobre 1966, le Département genevois de justice et police, sur préavis de la Commission cantonale de contrôle des films cinématographiques, a interdit sur le territoire cantonal la projection du film "Répulsion", en indiqant les motifs suivants: "Film nocif par son climat général et le sadisme de certaines images. L'absence de motivation, en dehors de la description minutieuse d'un cas pathologique, confère à cette oeuvre un caractère d'atrocité gratuite". Saisi d'un recours de la Société distributrice Rialto-Film AG, à Zurich, et du propriétaire de salle Eric Chasalle, le Conseil d'Etat genevois confirma le 10 janvier 1967 la décision du Département de justice et police. L'argument du film, tel qu'il ressort de la décision du Conseil d'Etat, est le suivant: "Le film interdit a pour thème l'histoire d'une jeune femme psychopathe qui vit avec sa soeur ainée, laquelle entretient une liaison avec un homme marié. Traumatisée par cette liaison, l'héroïne glisse peu à peu dans une folie qui lui fait éprouver une véritable répulsion - d'où le titre du film - à l'égard des réalités de l'amour physique. Alors qu'elle se trouve seule pendant quelques jours, elle subit une suite de terreurs et de cauchemars. Sous l'influence de cette BGE 93 I 305 S. 307 psychose, elle sera amenée à tuer successivement deux hommes qui étaient entrés dans l'appartement. A la fin, elle sera retrouvée dans un état de totale prostration, apparemment mourante ou morte". Le Conseil d'Etat fonda sa décision sur l'article 41 du "Règlement concernant les salles de spectacle ou de réunion et, d'une manière générale, tous les grands établissements publics", du 23 novembre 1945, dont la teneur est la suivante: "Sont interdits les spectacles contraires à la morale et à l'ordre public, notamment ceux qui représentent des actes sanguinaires ou qui sont de nature à suggérer, à provoquer ou à glorifier des actes criminels ou délictueux." Dans l'application de ce texte, relevait le Conseil d'Etat, il tient compte des conceptions dominantes et de l'effet des films sur le public en général, indépendamment de leur valeur artistique. En l'espèce il constata, à la suite de plusieurs critiques, que "Répulsion" dépeignait avec réalisme des actes sanguinaires et contenait des scènes érotiques qui confinent à l'obscénité; il en tira la conclusion que ce film pouvait être nocif, quelque soit le message que son auteur entendait exprimer. B.- Agissant par la voie du recours de droit public, Rialto-Film AG et Chasalle requièrent le Tribunal fédéral d'annuler l'arrêté du Conseil d'Etat et de l'inviter à autoriser la projection de "Répulsion" dans le canton pour le public de plus de 18 ans. Subsidiairement, ils demandent au Tribunal fédéral de voir le film interdit. Plus subsidiairement, ils proposent de charger des experts de comparer ce film à d'autres, qui ont été autorisés dans le canton. Les moyens qu'ils exposent, en invoquant les art. 4 et 31 Cst., peuvent se résumer ainsi: L'art. 41 du règlement du 23 novembre 1945 habilite le Conseil d'Etat à intervenir pour maintenir l'ordre public. Il n'est toutefois appliqué qu'à l'égard des cinémas, à l'exclusion des autres entreprises de spectacles; en effet seuls les films sont soumis à une commission cantonale de contrôle. Or, bien qu'elle soit approuvée par la jurisprudence du Tribunal fédéral, la censure particulière exercée sur les cinémas ne se justifie plus dans les circonstances actuelles. D'une part, le cinéma a perdu de son pouvoir d'attraction au profit de la télévision, dont les émissions sont soustraites à la censure; il est dès lors inadmissible BGE 93 I 305 S. 308 d'interdire à un cinéma de présenter un film que les téléspectateurs verront peut-être à leur domicile ou dans les établissements publics. D'autre part, "Répulsion" a été projeté dans douze cantons suisses et à l'étranger sans entraves; aujourd'hui que les conceptions morales tendent à s'uniformiser, il n'y a aucune raison d'empêcher les habitants de Genève - pour la plupart Confédérés ou étrangers - d'assister à un spectacle qui est licite ailleurs. Il est contraire à l'article 4 Cst. d'exclure "Répulsion" alors qu'on a toléré d'autres films qui, du point de vue moral, s'exposaient à des griefs semblables. Il est arbitraire de tenir pour nocif le film prohibé. Personne ne sera tenté d'en imiter l'héroïne, en proie à une maladie mentale. Loin d'exalter l'amour physique, "Répulsion" relate l'histoire d'une jeune femme qui s'efforce d'y échapper. Quant aux scènes de meurtre, le Conseil d'Etat se borne à affirmer, mais sans le démontrer, qu'elles dépassent les limites permises. Enfin, il est contradictoire de prétendre tout à la fois que "Répulsion" se caractérise par l'absence de motivation et que ce film est nocif indépendamment des messages que le réalisateur a cherché à exprimer. C.- Le Conseil d'Etat conclut au rejet du recours. Erwägungen Considérant en droit: 1. Rialto-Film AG a le droit exclusif de louer "Répulsion" aux cinémas suisses; Eric Chasalle est propriétaire des cinémas "Ciné 17" et "L'Ecran", dans l'un desquels il se propose de projeter ce film. Lésés l'un et l'autre dans leurs intérêts juridiques par l'arrêté du Conseil d'Etat, les deux recourants ont vocation pour agir. Outre l'annulation de la décision attaquée, ils demandent au Tribunal fédéral d'inviter le Conseil d'Etat à autoriser la projection du film "Répulsion" devant toute personne âgée de plus de 18 ans. S'agissant d'une cause où une autorisation de police a été refusée, cette deuxième conclusion est recevable (RO 84 I 113, 87 I 116; de même 91 I 484 s. et les arrêts cités). 2. Les recourants s'en prennent d'abord à la censure des cinémas, telle qu'elle est instituée à Genève. Ils reprochent en premier lieu au Conseil d'Etat de n'appliquer qu'aux cinémas l'art. 41 du règlement de 1945. Ils critiquent ensuite le fait qu'à la différence d'autres spectacles, les films sont soumis au contrôle d'une commission spéciale. Puis ils laissent entendre BGE 93 I 305 S. 309 que le développement de la télévision prive de sa raison d'être toute forme de censure des cinémas. Enfin ils s'insurgent contre le refus d'admettre à Genève des films dont la projection est autorisée ailleurs. Or aucun des moyens soulevés ne peut être retenu pour violation des dispositions constitutionnelles invoquées. a) Une mesure étatique est incompatible avec l'art. 31 Cst. si elle entrave le libre jeu de la concurrence en frappant inégalement les entreprises d'une même branche. Il n'appartient cependant pas au Tribunal fédéral de fixer le cadre de la branche économique qui doit être réglementée d'une façon uniforme: il s'en remet sur ce point à l'autorité cantonale, dont il ne corrige les appréciations qu'en cas d'arbitraire ou d'erreur manifeste (RO 78 I 303 ; 89 I 32 et les arrêts cités). L'art. 41 du règlement, que les recourants reprochent au Conseil d'Etat de n'appliquer qu'aux cinémas, ne concerne effectivement que ces derniers: il figure en effet dans la section 2 du chapitre II, laquelle vise exclusivement les cinémas. Les recourants ne peuvent donc se plaindre que l'art. 41 leur ait été appliqué. Il est vrai que l'art. 31, figurant à la section 1 et visant les autres spectacles, a la même teneur que l'art. 41, et que cette section ne contient aucune disposition relative à la censure préalable; il semble même qu'à moins d'apparaître contraires à l'ordre public ou à la morale au moment où ils sont annoncés, de tels spectacles ne pourraient éventuellement être interdits qu'après la première représentation. Mais il n'est pas contraire à l'art. 31 Cst. d'attribuer à des branches différentes les cinémas et les autres entreprises de spectacle et de soumettre les premiers seulement à la censure préalable. En effet, le problème de la censure ne se pose pas de la même façon pour les cinémas et pour les théâtres. Pour se prononcer sur l'effet d'un film, l'organe de contrôle est contraint de le voir tout entier, sans pouvoir se borner à prendre connaissance de son scénario. Tandis que pour apprécier la portée d'une pièce de théâtre, il suffit de la lire. Il n'est pas déraisonnable non plus de distinguer, en ce qui concerne la censure préalable, les cinémas des cabarets et des dancings (cf. RO 78 I 303 s.). Recrutant leur clientèle dans tous les milieux, les cinémas sont fréquentés assidûment par de nombreux jeunes gens qui ne se rendent pas toujours compte des effets pernicieux d'un film. En revanche, les clients des cabarets et des dancings sont non seulement plus rares, mais souvent aussi mieux expérimentés; BGE 93 I 305 S. 310 jeunes ou non, ils connaissent en général les dangers auxquels ils s'exposent. En limitant dès lors aux films le contrôle de la commission spéciale, le règlement du 23 novembre 1945 n'encourt pas le grief d'inconstitutionnalité. b) Contrairement à l'opinion des recourants, le développement de la télévision ne rend pas superflue la censure des films projetés dans les cinémas. Sans doute la télévision présente-t-elle des films qui ont passé dans les cinémas, et l'augmentation constante du nombre des téléspectateurs donne-t-elle aux émissions de télévision une importance qui intéresse l'ordre public. Mais le maintien du contrôle des représentations cinématographiques par les cantons ne crée pas une inégalité au profit de la télévision et au détriment des cinémas. En effet, les spectacles télévisés n'échappent pas à toute surveillance: en Suisse comme en France, il sont soumis au contrôle de l'Etat. La télévision suisse - ainsi que cela ressort du procès-verbal de la Conférence des chefs des Départements cantonaux de justice et police, tenue en 1961 à Genève (p. 19/20) - obéit aux directives du Conseil fédéral, selon lesquelles "les émissions doivent être irréprochables au point de vue culturel et moral; elles doivent... contribuer à la formation intellectuelle, morale et esthétique du public, répondre au désir d'information et de saine distraction de celui-ci et contribuer à l'éducation de la jeunesse...". En particulier, les organes de cette société s'abstiennent de présenter des films qui ont fait l'objet de mesures restrictives dans un ou plusieurs cantons (loc. cit. p. 20). Quant à l'Office de radiodiffusion-télévision française, il est placé sous la tutelle étatique; il est donc soumis lui aussi à un contrôle (Revue du droit public et de la science politique, 1964, p. 1152 ss.). Il reste évidemment les films diffusés par d'autres émetteurs étrangers; s'ils peuvent heurter l'ordre public ou la morale il n'y a pas de raison d'en accroître la diffusion en Suisse en supprimant la censure des représentations cinématographiques. Comme on l'a dit à la même Conférence des chefs des Départements cantonaux de justice et police, "cela reviendrait à aligner nos conceptions sur celles de l'étranger" (procès-verbal p. 20). c) En prétendant contraire à l'art. 4 Cst. l'interdiction sur le BGE 93 I 305 S. 311 territoire genevois d'un film autorisé dans d'autres cantons et à l'étranger, les recourants se méprennent sur la portée de cette disposition. Que la législation de police diffère de canton à canton, que des dispositions identiques ou analogues soient appliquées diversement dans l'un ou l'autre, c'est une conséquence de la sphère d'autonomie dont jouissent les cantons (l'"Eigenständigkeit" cantonale), qui prévaut sur l'art. 4 Cst. Autrement dit, une disposition prise dans un canton ne viole pas cet article par le seul motif qu'elle est en contradiction avec une décision rendue dans un autre canton (RO 80 I 349 s. ; 91 I 491 ). Le Conseil d'Etat genevois n'a donc pas enfreint le principe d'égalité en adoptant une mesure dont d'autres cantons ont fait abstraction. Il n'y a pas de raison de s'écarter de cette jurisprudence en ce qui concerne la censure des films. Au contraire, il est significatif que, dans un Etat unitaire tel que la France, la juridiction administrative ait jugé qu'un même film, "Les liaisons dangereuses", pouvait être interdit dans certaines villes et toléré dans d'autres (Revue du droit public et de la science politique, 1964, p. 855 s.). 3. Les recourants contestent que "Répulsion" soit un film nocif au sens de l'art. 41 du règlement du 23 novembre 1945. Pour en décider, l'autorité doit tenir compte de la réaction subjective probable du public ordinaire des salles de spectacle (RO 87 I 118). Les recourants ont demandé que le Tribunal fédéral ordonne, avant de rendre sa décision, la vision du film frappé d'interdiction; la Cour de céans estime inutile d'y procéder, pour les raisons suivantes: a) Le point à trancher est une question de fait, dont le Tribunal fédéral ne revoit la solution qu'en usant d'une retenue particulière (RO 78 I 302 ; 87 I 119 s.). Non seulement les exigences de l'ordre public et de la moralité publique varient au gré des circonstances et des conceptions locales, mais la valeur d'un film, plus que celle d'autres spectacles, est sujette à des appréciations diverses (RO 87 I 119 s.). Le Tribunal fédéral n'a pas à se muer en une commission fédérale de censure. b) Les nombreux articles de presse joints au recours et à la réponse constituent des éléments d'appréciation explicites et importants sur la nature du film: leur seule lecture permet à la Cour de se convaincre que le Conseil d'Etat n'a pas abusé de son pouvoir d'appréciation. BGE 93 I 305 S. 312 S'il est vrai que quelques journalistes n'accompagnent leurs commentaires d'aucune réserve d'ordre moral, ils constituent cependant une minorité, dont le Conseil d'Etat n'était pas obligé d'adopter la manière de voir. Peu importe également que tous les critiques louent les qualités esthétiques de "Répulsion", parfois dans les termes les plus élogieux; cet aspect du film ne relève pas de la police du commerce et de l'industrie (arrêt Sphinx-Film SA du 3 mai 1961, consid. 4 lit. a). 4. Les recourants soutiennent qu'il est incompatible avec l'art. 4 Cst. d'interdire "Répulsion" alors que d'autres films, tout aussi répréhensibles au point de vue moral, n'ont pas fait l'objet d'une telle mesure. Ce dernier moyen n'est pas pertinent. Une autorité ne viole le principe d'égalité qu'en rendant une décision inconciliable avec une autre mesure dont elle est l'auteur; pour commettre une inégalité de traitement, l'autorité doit se contredire elle-même (RO 80 I 322, 88 I 4, 89 I 20, 90 I 8). Or si le Conseil d'Etat s'est prononcé sur le film "Répulsion", il n'a pas été appelé à le faire sur ceux que les recourants invoquent à titre de comparaison. Il n'a donc pas enfreint l'art. 4 Cst. Il est vrai que le Tribunal fédéral, assouplissant récemment sa jurisprudence, admet que le principe d'égalité est violé lorsque deux autorités statuent en sens contraire et que l'une d'elles se trouve dans la même situation que si elle avait pris les deux décisions (RO 91 I 171 s). Mais en l'espèce le Conseil d'Etat, dans sa décision sur recours, ne s'est pas placé sur le même terrain que le Département de justice et police, il ne s'est en particulier pas référé à l'opinion manifestée par celui-ci en autorisant les films cités par les recourants comme éléments de comparaison; il n'a donc pas davantage fait sienne cette opinion. Aussi ne peut-il être question d'une violation de l'art. 4 Cst. sur ce point. L'expertise proposée par les recourants ne se justifie en aucun cas. Si la valeur esthétique d'un film peut être objet d'expertise, il n'en est pas de même de l'influence qu'il est de nature à exercer sur le public en général. Sur ce dernier point, le juge est aussi bien en mesure de se prononcer que des critiques spécialisés. Dispositiv Par ces motifs, le Tribunal fédéral Rejette le recours.
public_law
nan
fr
1,967
CH_BGE
CH_BGE_001
CH
Federation
c5b69d39-2e7b-473e-b7ca-5ad488dda565
Urteilskopf 101 V 146 30. Sentenza del 22 maggio 1975 nella causa Società svizzera d'assicurazione malattia Grütli contro W. e Tribunale delle assicurazioni del Cantone Ticino
Regeste Art. 12ter KUVG betrifft nur Krankheitsfälle, bei denen ein aktiver tuberkulobazillärer Prozess vor sich geht. Soweit Art. 29 der Vo III diese Grenze überschreitet, ist er nicht gesetzeskonform.
Sachverhalt ab Seite 146 BGE 101 V 146 S. 146 A.- W. è membro della "Società svizzera d'assicurazione malattia Grütli" (cassa-malati riconosciuta come tale ai sensi dell'art. 1 cpv. 3 LAMI)... Dal 25 maggio 1971 è stato incapace di lavorare e ha ricevuto prestazioni della cassa-malati. Alla fine dell'aprile 1973 ha informato la cassa di aver subito due emorragie polmonari durante la prima decade di quel mese. Convinto che tali turbe erano la conseguenza d'una tubercolosi di cui aveva sofferto, egli ha chiesto alla cassa se aveva diritto alle prestazioni statutarie previste in caso di affezioni tubercolotiche, nel quale caso le franchigie e le partecipazioni alle spese da lui sostenute sin dal 26 maggio 1971 avrebbero dovuto essergli restituite. Mediante decisione del 18 maggio 1973 la cassa-malati ha comunicato a W. che le emorragie polmonari da lui subite BGE 101 V 146 S. 147 non costituivano un caso di tubercolosi ai sensi di legge, sebbene potessero derivare dalla tubercolosi primaria. Pertanto la cassa ha rifiutato all'interessato le prestazioni dovute in caso di tubercolosi e ha ritenuto che i suoi diritti procedevano dalle norme relative agli altri casi di malattia. B.- W. ha deferito questa decisione amministrativa al Tribunale delle assicurazioni del Cantone Ticino, allegando in sostanza essere la sua "inabilità al lavoro, iniziata il 26 maggio 1971,... totalmente causata da una tubercolosi polmonare bilaterale". I primi giudici hanno ordinato una perizia medica a cura dello specialista Dott. S. Dal referto medico si rileva in particolare quanto segue: (Diagnose) 1. Ausgedehnte Residuen einer schweren, fibröszirrhotischen Lungentuberkulose beider Obergeschosse mit hochgradiger Schrumpfungstendenz in Lungen und rechter Pleura, seit 1952 inaktiv, eventuell geheilt (?). 2. Status nach 5-Rippen-Plastik rechts (1948). 3. Hochgradiges, sekundäres Lungenemphysem mit chronischer katarrhalischer, in geringerem Masse asthmoider Bronchitis. 4. Förderungsinsuffizienz des rechten Herzens, mit Zeichen von Rechts-Hypertrophie (Cor pulmonale) und von Myokardschaden (zeitweiser Links-Schenkelblock). 5. Schwere Ateminsuffizienz durch vorwiegend restriktive, in geringerem Masse auch obstruktive Ventilationsstörung. 6. Mässige Skoliose der Wirbelsäule mit statischen Haltungsbeschwerden. (Kausalzusammenhang) Was nun den Kausalzusammenhang dieser Affektionen anbelangt, so sind sicher alle genannten Befunde eindeutige und ausschliessliche Folgen der ursprünglichen Lungentuberkulose, resp. ihrer schrumpfenden Vernarbung; dabei sind die unter 1 bis 5 genannten Befunde direkte, unmittelbare Folgen der Lungentuberkulose, während die Skoliose der Wirbelsäule als mittelbare Folge zu betrachten ist, da sie sich aus der für die Heilung der Tuberkulose unentbehrlichen Thorakoplastik ergeben hat. Wenn auch diese Kausalität nicht zu bezweifeln ist, so ist doch das heutige Leiden vom medizinischen nosologischen Standpunkt aus nicht als Tuberkulose zu bezeichnen: es fehlt einmal die Aktivität, d.h. es fehlen die Zeichen der die Tuberkulose-Krankheit bedingenden Auseinandersetzung des Organismus mit dem bazillären Parasiten; und es fehlt anderseits die Spezifität, denn das jetzige Leiden (Lungenemphysem, chronische Bronchitis, Ateminsuffizienz) kann auch durch andere Prozesse als durch Tuberkulose zu Stande kommen... BGE 101 V 146 S. 148 Fondandosi su tale perizia, i giudici di prime cure hanno accolto il ricorso, perché "le affezioni di cui soffre l'assicurato sono considerate alla stregua di una tubercolosi ai sensi dell'art. 29 O III LAMI". Essi ritengono che "nulla lascia ... desumere che il legislatore, pur nell'eccezionalità della normativa relativa alla tubercolosi, volesse escludere le conseguenze della tubercolosi in senso stretto non necessitanti di un trattamento specifico". C.- La cassa-malati ha deferito tempestivamente il giudizio cantonale mediante ricorso di diritto amministrativo a questa Corte. A sostegno del gravame, la ricorrente cita i principi giurisprudenziali enunciati nella sentenza 10 dicembre 1971 del Tribunale federale delle assicurazioni in re Sauteur (RJAM 1972, pag. 19) e conclude chiedendo l'annullamento del giudizio cantonale. Rispondendo al gravame, l'opponente ne propone la reiezione. L'Ufficio federale delle assicurazioni sociali postula invece l'accoglimento del ricorso. Erwägungen Diritto: 1. Giusta l'art. 12ter LAMI, "in caso di tubercolosi" le casse devono concedere, fra l'altro, almeno "gli esami e le terapie scientificamente riconosciute necessari per la cura della tubercolosi" (cpv. 1 lit. b). Secondo il cpv. 4 di questo articolo, incombe al Consiglio federale di emanare le disposizioni particolareggiate sulle condizioni del diritto alle prestazioni in caso di tubercolosi. In base a tale disposto, il Consiglio federale ha definito mediante l'art. 29 dell'Ordinanza III sull'assicurazione contro le malattie (appresso: Ord. III) il concetto di tubercolosi nel modo seguente: "È considerato come tubercolosi nel senso della presente ordinanza ogni stato morboso dovuto a lesioni provocate da batteri della tubercolosi." Grammaticalmente, il testo di questa disposizione, in vigore dal 1o gennaio 1965, non esclude che per tubercolosi essa voglia intendere, oltre il processo bacillare specificamente tubercolotico, anche altre affezioni causalmente connesse all'azione pregressa di batteri della tubercolosi. Anche secondo i testi italiano e francese dell'ordinanza 20 giugno 1930 esecutiva della legge federale per la lotta contro BGE 101 V 146 S. 149 la tubercolosi (art. 1) costituisce una tubercolosi "qualsiasi stato morboso dovuto a lesioni prodotte dal bacillo della tubercolosi, qualunque sia la parte del corpo colpita". Tuttavia, il testo tedesco di quest'ultima ordinanza precisa che deve trattarsi di una malattia "bei welcher durch Tuberkelbazillen Schädigungen des menschlichen Körpers hervorgerufen werden" (nel corso della quale bacilli tubercolotici causano lesioni del corpo umano), ciò che implica l'attualità del processo bacillare tubercolotico. 2. Non risulta che l'Ufficio federale delle assicurazioni sociali si sia attenuto al testo dell'art. 29 Ord. III; al contrario l'amministrazione ha continuato ad applicare anche dopo il 1o gennaio 1965 la nozione di tubercolosi così come la definisce il succitato testo tedesco dell'ordinanza esecutiva emanata il 20 giugno 1930 in virtù della legge federale per la lotta contro la tubercolosi. a) Il Tribunale federale delle assicurazioni si occupò del concetto di tubercolosi giusta l'art. 12ter LAMI per la prima volta in STFA 1968 p. 11 segg. Questa sentenza non decise ancora la questione di sapere se per "tubercolosi" si dovesse intendere una manifestazione batterica attuale di questo morbo, oppure se tale affezione comprendesse anche le ripercussioni secondarie di un processo tubercolotico ormai inattivo. Però già quel giudizio poneva il quesito se ed eventualmente quando, nel concreto caso, la tubercolosi vera e propria fosse da ritenere effettivamente guarita (loc.cit., p. 16 cpv. 2). b) Nella sentenza 10 dicembre 1971 in re Sauteur (RJAM 1972, p. 19) questa Corte ha decisamente scartato ogni interpretazione estensiva dell'art. 12ter LAMI. In quella causa era controversa la questione di sapere se, nel caso di un'infiammazione epatica causata da farmaci tubercolostatici, la cura di tale affezione comportasse lo sgravio dalla partecipazione alle spese e dalla franchigia. La sentenza costatò che il trattamento di quel morbo - non tubercolotico, benché conseguenza della tubercolosi stessa - non costituiva una cura specifica di quest'ultima affezione e quindi non era esente da partecipazione e franchigia. Tale soluzione venne confermata dalla sentenza inedita del 21 giugno 1972 in re Perrig. 3. a) Per la prassi amministrativa e la giurisprudenza testé citata milita in primo luogo l'art. 12ter stesso, in quanto prevede prestazioni soltanto "in caso di tubercolosi" ("bei BGE 101 V 146 S. 150 Erkrankung an Tuberkulose"). A ciò ben corrisponde l'esigenza di un processo tubercolotico attuale, tantopiù che in questo campo la legge non prevede nessun'altra prestazione sanitaria all'infuori degli "esami e delle terapie scientificamente riconosciute necessari per la cura della tubercolosi" (v. cpv. 1 lit. b). b) D'altra parte, né la legge 13 giugno 1928, né il messaggio 5 giugno 1961 del Consiglio federale, dai quali è scaturito il vigente art. 12ter LAMI, contengono elementi che permettano un'altra interpretazione di questo disposto legale: aa) Fino all'entrata in vigore dell'ultima revisione legislativa in materia d'assicurazione contro le malattie, l'assicurazione contro la tubercolosi si fondava sulla legge federale del 13 giugno 1928 per la lotta contro la tubercolosi, il cui art. 15, ora abrogato, disponeva: "Fino a che sia riveduta la legge sull'assicurazione contro le malattie, il Consiglio federale può, in conformità della presente legge, assegnare sovvenzioni speciali alle casse-malati riconosciute sempreché nei loro statuti queste casse accordino, in favore della cura dei loro assicurati colpiti da tubercolosi, delle prestazioni maggiori, per la natura o durata, di quelle imposte dalla legge sull'assicurazione sopra citata. Questa disposizione s'applica parimenti alle istituzioni di mutua assicurazione istituite dalle casse-malati ed aventi per scopo di completare i soccorsi forniti da quest'ultime. Queste sovvenzioni sono corrisposte direttamente dal Consiglio federale. Esso determina, mediante ordinanza, le disposizioni più particolareggiate per la concessione delle sovvenzioni, il modo di calcolarle e le modalità di pagamento; queste devono soprattutto impedire che una stessa prestazione sia sovvenzionata due volte." Come già si è detto, per tubercolosi il testo tedesco della ordinanza esecutiva afferente intende la malattia nel corso della quale bacilli tubercolotici causano lesioni del corpo umano, ovvero soltanto processi tubercolotici attivi. bb) Il messaggio del Consiglio federale del 5 giugno 1961 concernente un disegno di legge che modifica il titolo primo della LAMI così si esprime in merito: "Poiché l'art. 15 della legge per la lotta contro la tubercolosi, che costituisce la base giuridica dell'assicurazione contro la tubercolosi, resterà in vigore, come espressamente detto in esso, solo fino a quando sarà riveduta la legge sull'assicurazione contro le malattie, è ora giunto il momento d'includere l'assicurazione contro la tubercolosi nell'assicurazione contro le malattie ordinaria. Il contenuto delle prestazioni non sarà modificato, visto che il sistema vigente si è dimostrato efficace e ha dato buoni risultati dal profilo sociale (Foglio federale 1961 pag. 862 lit. c)." BGE 101 V 146 S. 151 Il testo dell'art. 12ter LAMI contenuto nel disegno di legge venne accettato praticamente senza commenti dalle due Camere. 4. Dato quanto precede, la Corte plenaria del Tribunale federale delle assicurazioni - cui la questione di massima sollevata dalla presente lite venne sottoposta - ha costatato che né il testo legale in vigore, né l'abrogato art. 15 della legge 13 giugno 1928 per la lotta contro la tubercolosi, né il messaggio 5 giugno 1961 del Consiglio federale dimostrano alcuna tendenza ad estendere in modo significativo il campo d'applicazione dell'assicurazione contro la tubercolosi: al contrario, queste fonti legislative escludono l'ipotesi che, nel 1965, mediante l'art. 12ter LAMI si abbia voluto ampliare il concetto di danno coperto dall'assicurazione contro la tubercolosi, così come un'interpretazione grammaticale dell'art. 29 Ord. III potrebbe permetterlo. Tutto ben vagliato, le considerazioni che precedono impongono a questa Corte di confermare tanto la pratica amministrativa, quanto la giurisprudenza, giusta le quali l'art. 12ter LAMI concerne i soli casi di malattia in cui esiste un processo bacillare tubercolotico in atto. L'art. 29 Ord. III non è stato applicato in modo restrittivo, bensì considerato implicitamente illegale per quanto eccedesse i principi contenuti nell'art. 12ter LAMI. Tale concezione merita conferma, tantopiù che la tubercolosi ha ormai dimesso il suo carattere epidemico d'un tempo e che il privilegio giuridico conferitole nei confronti delle altre malattie appare persino discutibile ("Bericht der Eidgenössischen Expertenkommission für die Neuordnung der Krankenversicherung" dell'11 febbraio 1972, p. 243 1.1). 5. Nella fattispecie, secondo i criteri suesposti e giusta le convincenti costatazioni mediche della perizia giudiziaria allestita in sede cantonale, l'opponente W. non ha sofferto di tubercolosi ai sensi dell'art. 12ter LAMI durante il periodo dal maggio 1971 al maggio 1973... Per questi motivi, Dispositiv il Tribunale federale delle assicurazioni dichiara e pronuncia: Il ricorso di diritto amministrativo è accolto e il giudizio cantonale annullato.
null
nan
it
1,975
CH_BGE
CH_BGE_007
CH
Federation
c5bbc47d-0694-443e-b9fa-d9407d799c99
Urteilskopf 91 I 260 41. Urteil vom 15. September 1965 i.S. Dietiker und Siegrist gegen den Grossen Rat des Kantons Aargau.
Regeste Politisches Stimmrecht, Unvereinbarkeit, Art. 85 lit. a OG . 1. Zum Stimmrecht gehört auch der Anspruch des Bürgers darauf, dass die durch das Volk gewählten Behörden nicht mit Personen besetzt werden, welche nach kantonalem Verfassungsrecht nicht gewählt werden dürfen (Erw. 2). 2. Bezirkslehrer dürfen gemäss Art. 28 Abs. 3 der aargauischen Kantonsverfassung nicht Bezirkslehrer bleiben und gleichzeitig dem Grossen Rat des Kantons Aargau angehören (Erw. 3 und 4).
Sachverhalt ab Seite 260 BGE 91 I 260 S. 260 A.- Bei den Gesamterneuerungswahlen für den Grossen Rat des Kantons Aargau wurden am 14. März 1965 folgende Bezirkslehrer als Mitglieder des Grossen Rates gewählt: Paul Binkert, 1917, von Leibstadt, in Wettingen, im Bezirk Baden, Hans Zimmerli, 1915, von und in Rothrist, im Bezirk Zofingen, Werner Schär, 1917, von Murgenthal, in Zofingen, im Bezirk Zofingen. BGE 91 I 260 S. 261 Nach Veröffentlichung der Wahlergebnisse erhob Notar Hans Rudolf Siegrist, Wettingen, Einsprache gegen die Wahl des Bezirkslehrers Paul Binkert in Wettingen. Der Einsprecher verwies auf Art. 28 Abs. 3 der Kantonsverfassung (KV), wonach aus dem Staatsgut besoldete Beamte, deren Wahl nicht dem Volke zusteht, in den Grossen Rat nicht wählbar sind. In der konstituierenden Sitzung des Grossen Rates vom 27. April 1965 wurde über diese Einsprache diskutiert. Die Wahlaktenprüfungskommission stellte fest, dass die Einsprache nicht nur Herrn Binkert betreffe, sondern auch die beiden andern Bezirkslehrer Schär und Zimmerli. Unter Hinweis auf die bisherige Praxis beantragte die Wahlaktenprüfungskommission die Anerkennung dieser Wahlen. Grossrat Hans Strahm, Brugg, stellte einen Gegenantrag. Der Antrag der Wahlaktenprüfungskommission wurde indessen mit 1 lo: 60 Stimmen angenommen. B.- Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 1. Mai 1965 ficht Arthur Dietiker, Mellingen, den Validierungsbeschluss des Grossen Rates vom 27. April 1965 bezüglich der drei genannten Bezirkslehrer an. Er macht geltend, sie seien Beamte, die aus dem Staatsgut bezahlt und nicht vom Volk gewählt werden, sodass Art. 28 Abs. 3 KV verletzt worden sei. C.- Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 25. Mai 1965 verlangt Hans Rudolf Siegrist, Notar in Wettingen, die Aufhebung des Validierungsbeschlusses vom 27. April 1965 insoweit, als er sich auf den Bezirkslehrer Binkert bezieht. Auch mit dieser Beschwerde wird geltend gemacht, Art. 28 Abs. 3 KV sei verletzt. D.- Der Regierungsrat des Kantons Aargau beantragt im Namen des Grossen Rates die Abweisung der beiden staatsrechtlichen Beschwerden. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Arthur Dietiker beantragt die Aufhebung des Validierungsbeschlusses bezüglich aller drei Bezirkslehrer, während Hans Rudolf Siegrist die Aufhebung des Validierungsbeschlusses nur bezüglich Paul Binkert verlangt. Zur Begründung beider Beschwerden werden dieselben, aus Art. 28 Abs. 3 KV abgeleiteten Argumente vorgebracht. Die zweite Beschwerde verhält sich zur ersten wie ein Teil zum Ganzen, sodass es BGE 91 I 260 S. 262 sich rechtfertigt, die beiden staatsrechtlichen Beschwerden gemeinsam zu erledigen. 2. Bei Beschwerden nach Art. 85 lit. a OG ist der Bürger, dem das politische Stimmrecht zusteht, legitimiert, die Rechtmässigkeit der Ergebnisse von Wahlen, die dem Volke zustehen, anzufechten ( BGE 76 I 51 ). Zum Stimmrecht gehört auch der Anspruch des Bürgers darauf, dass die durch das Volk gewählten Behörden nicht mit Leuten besetzt werden, welche nach kantonalem Verfassungsrecht nicht gewählt werden dürfen. Wiewohl Unvereinbarkeitsvorschriften in der Regel vorab im öffentlichen Interesse aufgestellt werden, ist deshalb das Bundesgericht auf staatsrechtliche Beschwerden, mit denen eine Missachtung von Unvereinbarkeitsvorschriften geltend gemacht wurde, eingetreten ( BGE 89 I 75 , BGE 49 I 540 , BGE 50 I 291 ff.). Ob die beiden im Kanton Aargau stimm- und wahlberechtigten Beschwerdeführer schon im kantonalen Verfahren Parteistellung hatten oder nicht, ist für ihre Beschwerdelegitimation ohne Bedeutung ( BGE 79 I 158 , BGE 74 I 379 , BGE 72 I 294 ). Dass Hans Rudolf Siegrist gegen die Wahl des Paul Binkert Einsprache erhoben, Arthur Dietiker dagegen jede Einsprache innerhalb des Kantons unterlassen hat, ist daher ohne Rechtsfolge. Dies gilt umso eher, als der Grosse Rat über die Gültigkeit der Wahlergebnisse von Amtes wegen zu entscheiden hatte (§ 39 des aargauischen Grossratsreglementes). Aus diesem Grunde haben denn auch der Regierungsrat, die Wahlaktenprüfungskommission und der Grosse Rat selber die Wahl von zwei Bezirkslehrern im Bezirk Zofingen in die Prüfung einbezogen, obschon dagegen keine Einsprache erhoben worden war. Der Grosse Rat hat dabei als erste und einzige kantonale Instanz entschieden, sodass ein letztinstanzlicher Entscheid im Sinne von Art. 86 Abs. 1 OG vorliegt. Es handelt sich dabei auch nicht um einen blossen Vollzugsbeschluss zur Volkswahl. Durch sie haben die Wähler lediglich zum Ausdruck gebracht, dass die drei Bezirkslehrer dem kantonalen Parlament angehören sollen; das Parlament aber hatte darüber zu befinden, ob sie Mitglieder des Grossen Rates sein und zugleich Bezirkslehrer bleiben könnten. Dadurch, dass weder die Staatskanzlei noch die Bezirksämter die drei Kandidaten vor der Wahl zu einer Verzichterklärung im Sinne von § 3 Abs. 2 der Vollziehungsverordnung vom 14. März 1921 zum Gesetz über die Verhältniswahl des Grossen Rates vom 10. Januar 1921 (GRWV, GRWG) BGE 91 I 260 S. 263 aufgefordert haben, wurde der Entscheid des Grossen Rates nicht vorweggenommen. Die Beschwerdeführer haben daher ihre staatsrechtliche Beschwerde mit Recht gegen den Validierungsbeschluss vom 27. April 1965 gerichtet. 3. Nach Art. 28 Abs. 3 KV sind die "aus dem Staatsgut besoldeten Beamten, deren Wahl nicht dem Volke zusteht", nicht in den Grossen Rat wählbar. Darüber, dass dies eine blosse Unvereinbarkeitsvorschrift ist, bestehen keine Meinungsverschiedenheiten. Gleich wie Art. 77 BV nicht hindert, dass ein vom Bundesrat gewählter Beamter in den Nationalrat gewählt wird und ihm angehören kann, wenn er auf das Amt verzichtet (RICHARD FRANK, Die Unvereinbarkeit von Bundesbeamtung und Nationalratsmandat, S. 58 ff.), kann auch ein nach Art. 28 Abs. 3 KV "nicht wählbarer" Beamter in den Grossen Rat gewählt werden, wenn er auf das Amt verzichtet, das ihn an der Ausübung des Grossratsmandates hindert. Streitig ist dagegen, ob das Amt, das die drei Bezirkslehrer innehaben, sie zu Beamten im Sinne von Art. 28 Abs. 3 KV mache. Wird auf den klaren Wortlaut dieser Vorschrift abgestellt, so ist offensichtlich, dass alle darin genannten Unvereinbarkeitsmerkmale bei den Bezirkslehrern gegeben sind: a) Die Bezirkslehrer sind Beamte (Art. 6 Abs. 1 KV). Sie erfüllen eine öffentliche Aufgabe, die ihnen mit der Wahl durch eine Behörde für eine feste Amtsdauer übertragen wird. Sie stehen während der Amtsdauer in einem besonderen Gewaltsverhältnis, werden während dieser Zeit von einer Behörde beaufsichtigt und können von ihr disziplinarisch bestraft werden. Alle diese Merkmale charakterisieren das Beamtenverhältnis (vgl. ERICH RICHNER, Umfang und Grenzen der Freiheitsrechte der Beamten nach schweizerischem Recht, 1954, S. 28 ff.; HANS NEF, Öffentlichrechtliche und privatrechtliche Anstellung, in Personalprobleme der öffentlichen Verwaltung, 1944, S. 22 ff.; IM HOF, Das öffentlichrechtliche Dienstverhältnis, in ZSR 1929, S. 233 a ff., insbesondere S. 246 a ff.). b) Die Bezirkslehrer werden nicht vom Volk gewählt. Nach § 56 Abs. 3 des kantonalen Schulgesetzes vom 20. November 1940 (SG) wird die Wahlbehörde vom Regierungsrat speziell bestimmt, sofern das Wahlrecht von den beteiligten Gemeinden nicht dem Gemeinderat und der Schulpflege der Schulortsgemeinde übertragen wird. c) Die Bezirkslehrer werden gemäss Art. 65 Ziff. 2 lit. a KV BGE 91 I 260 S. 264 vom Staate besoldet; die Staatskasse trägt den gesamten Besoldungsaufwand. 4. Sämtliche in Art. 28 Abs. 3 KV erwähnten Merkmale sind somit bei den Bezirkslehrern gegeben. Daraus folgt, dass sie nicht zugleich Bezirkslehrer bleiben und dem Grossen Rat angehören können, es sei denn, eine auf den wahren Sinn der Kantonsverfassung zurückgehende Interpretation würde schlüssig zu einem anderen Ergebnis führen. Was jedoch den Ausgangspunkt für eine derartige Auslegung bilden könnte, ist nicht ersichtlich. Insbesondere bietet ein Rückblick auf die Entwicklung der fraglichen Norm keine Anhaltspunkte für die Auffassung, unter den "Beamten" im Sinne von Art. 28 Abs. 3 KV seien nur die Staatsbeamten zu verstehen. a) Die Staatsverfassung für den Kanton Aargau vom 22. Hornung 1852 enthielt in § 40 Abs. 2 folgende Bestimmung: "Wer eine aus dem Staatsgute besoldete Beamtung oder ein öffentliches Lehramt bekleidet, kann nicht Mitglied des Grossen Rathes sein." Damit war klargestellt, dass alle Lehrer, gleichgültig von wem sie besoldet wurden, dem Grossen Rate nicht angehören konnten. Zur Begründung wurde dafür im Grossen Rat unter anderem ausgeführt: "Das Volk kann nicht wollen, dass Beamte in derjenigen Behörde sitzen sollen, von der sie zu beaufsichtigen sind, kurz dass die Aufsichts- und die beaufsichtigte Behörde eine und dieselbe sei. Sonst hat die Aufsicht nichts zu bedeuten" (vgl. S. 150 der Verhandlungen des Aargauischen Verfassungsrates aus dem Jahre 1851). b) In den Verhandlungen des Grossen Rates über die Verfassungsrevision der Jahre 1862/63 wurde versucht, den Beamtenausschluss einzuschränken, doch führten diese Bemühungen nicht zum Erfolg. Der Grosse Rat behielt § 40 Abs. 2 in seinem bisherigen Wortlaut bei (S. 132 ff. der Verhandlungen des Grossen Rathes des Kantons Aargau, Juni 1862), womit es auch weiterhin beim Ausschluss sämtlicher Lehrer vom Grossen Rate blieb. c) Erst die Verfassungsrevision aus dem Jahre 1885 brachte eine Änderung: Der Verfassungsrat nahm den Beamtenausschluss in der zweiten Lesung mit dem heute geltenden Wortlaut von § 28 Abs. 3 KV in den neuen Verfassungstext auf, wobei schon im Verfassungsrat Klarheit darüber bestand, BGE 91 I 260 S. 265 dass die Lehrer der Kantonsschule und des kantonalens Lehrerseminars, weil diese aus dem Staatsgut besoldet wurden, auch künftig dem Grossen Rate nicht angehören könnten. Massgeblich für den Ausschluss sollte die Abhängigkeit der nicht durch das Volk gewählten Lehrer vom Regierungsrat sein. Es gab damals keine Lehrer, die aus dem Staatsgut besoldet, aber nicht vom Regierungsrat gewählt wurden. Insbesondere wurden die Lehrer an den Gemeindeschulen auch von den Gemeinden bezahlt; Staatsbeiträge erhielten in diesem Zusammenhange nur jene Gemeinden, welche die erforderlichen Mittel nicht selber aufzubringen vermochten (§ 82 des Schulgesetzes für den Kanton Aargau vom 1. Brachmonat 1865), doch wurde dies nicht als Unvereinbarkeitsgrund betrachtet. Dass Lehrer, ausgenommen Kantonsschul- und Seminarlehrer, dem Grossen Rate angehören konnten, war in der Folge nicht umstritten. Insbesondere haben in jener sich bis zum Jahre 1919 erstreckenden Periode auch Bezirkslehrer dem Grossen Rate angehört, ohne dass dies je von irgend einer Seite angefochten worden wäre. d) Durch die Verfassungsrevision vom 10. November 1919 (Volksabstimmung vom 21. Dezember 1919) wurde Art. 65 KV in dem Sinne geändert, dass die Lehrerbesoldungen, namentlich auch die Besoldung der Bezirkslehrer, generell vom Staat übernommen wurden. Ein entsprechendes Gesetz über die Leistungen des Staates für die Volksschulen vom gleichen Datum sah in § 4 Abs. 1 vor: "Die Besoldungen der staatlich anerkannten Lehrer und Lehrerinnen an der Gemeinde-, Fortbildungs- und Bezirksschule sowie an der Arbeitsschule setzen sich zusammen aus Grundgehalt und Dienstalterszulagen. Sie werden vom Staate übernommen und monatlich ausgerichtet." Infolge dieser Neuordnung wurden die Bezirkslehrer zu "aus dem Staatsgut besoldeten Beamten". Die ersten auf diese Änderung folgenden Neuwahlen des Grossen Rates fanden im Jahre 1921 statt. Damals wurden zwei Bezirkslehrer gewählt. Bezeichnenderweise beantragte der Regierungsrat dem Grossen Rat, deren Wahl nicht zu validieren, weil Art. 28 Abs. 3 KV nicht nur Staatsbeamte, sondern alle aus dem Staatsgut besoldeten Beamten betreffe. Der Grosse Rat vertrat jedoch mehrheitlich die gegenteilige Auffassung und erwahrte die Wahl der BGE 91 I 260 S. 266 beiden Bezirkslehrer mit 95: 75 Stimmen. In der Folge wurden in den Jahren 1925, 1929, 1933, 1957 und 1961 wiederum Bezirkslehrer in den Grossen Rat gewählt. Die Frage der Vereinbarkeit ihres Amtes mit der Zugehörigkeit zum Grossen Rat wurde nicht mehr aufgeworfen, nachdem das Problem schon im Jahre 1921 grundsätzlich erörtert worden war. e) Durch die Verfassungsrevision vom 23. Dezember 1945 schliesslich erhielt Art. 65 KV seine heutige Fassung; an der Besoldung der Bezirkslehrer durch den Staat wurde dadurch nichts geändert. 5. Die seit dem Jahre 1921 geübte Praxis, das Amt des Bezirkslehrers als mit der Mitgliedschaft im Grossen Rat vereinbar zu betrachten und die Wahl von Bezirkslehrern in den Grossen Rat zu validieren, erweist sich somit als verfassungswidrig und lässt sich auch nicht auf Gewohnheitsrecht stützen, da solches sich nicht contra constitutionem bilden kann. Die beiden staatsrechtlichen Beschwerden sind deshalb gutzuheissen, ohne dass noch geprüft werden müsste, ob Bezirkslehrer im Kanton Aargau Staats- oder Gemeindebeamte seien. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die beiden staatsrechtlichen Beschwerden werden gutgeheissen; der Validierungsbeschluss des Grossen Rates des Kantons Aargau vom 27. April 1965 wird aufgehoben, soweit er sich auf die Bezirkslehrer Paul Binkert, Hans Zimmerli und Werner Schär bezieht.
public_law
nan
de
1,965
CH_BGE
CH_BGE_001
CH
Federation
c5c07bf7-531b-4ffb-94bd-7fb49c35e7a7
Urteilskopf 110 IV 24 10. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 18. Januar 1984 i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste Art. 148 StGB ; Verhältnis zum Steuerstrafrecht. Wer die Steuerbehörden aufgrund von falschen, gefälschten oder inhaltlich unwahren Urkunden über die für die Quantifizierung des Steueranspruches erheblichen Tatsachen täuscht, um auf diese Weise eine unrichtige, für ihn günstige Einschätzung oder Rückzahlung (beim Quellensteuersystem) zu erreichen, ist nach Steuerstrafrecht zu beurteilen. Wer sich aber aus eigener Initiative dazu entschliesst, sich durch Irreführung der Behörden unrechtmässig zu bereichern, indem er auf raffinierte Weise fiktive Rückerstattungsansprüche existierender oder erfundener Personen geltend macht und mittels falscher Urkunden die Auszahlung erwirkt, begeht einen gemeinrechtlichen Betrug i.S. von Art. 148 StGB zum Nachteil des betroffenen Gemeinwesens.
Sachverhalt ab Seite 25 BGE 110 IV 24 S. 25 A.- Mit Urteil vom 30. März 1983 hat die I. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich X. des wiederholten und fortgesetzten vollendeten und versuchten Betruges ( Art. 148 Abs. 1 StGB , teilweise in Verbindung mit Art. 22 Abs. 1 StGB ) in einem bei den vollendeten Delikten ca. Fr. 1'080'184.-- erreichenden Betrag sowie der wiederholten und fortgesetzten Urkundenfälschung ( Art. 251 Ziff. 1 und 2 StGB ) schuldig gesprochen. Die Strafe wurde auf 2 Jahre Gefängnis bemessen. B.- Gegen dieses Urteil hat X. eine kantonale Kassationsbeschwerde und eine eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde eingereicht. Die kantonale Beschwerde wurde vom Kassationsgericht des Kantons Zürich am 15. November 1983 abgewiesen. Erwägungen Aus den Erwägungen: 1. Der angefochtenen Verurteilung wegen Betruges liegt im wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde: BGE 110 IV 24 S. 26 Der Beschwerdeführer stellte in den Jahren 1971-1978 von der Schweiz, vorwiegend von Zürich aus den Steuerbehörden der USA (Internal Revenue Service) rund 150 Rückerstattungsbegehren für angeblich zuviel bezahlte Quellensteuern, wobei er falsche Personalien und Unterschriften verwendete, die Rückerstattungsformulare mit fingierten Einkommens-, Vermögens- und Quellensteuerangaben ausfüllte, mit den jeweils gewählten Namen unterzeichnete und den Rückerstattungsantrag mit entsprechend gefälschten Lohnausweisduplikaten unterstützte. Durch dieses Vorgehen gelang es ihm, die US-Steuerbehörden zu täuschen und sie zu veranlassen, in über 100 Fällen die verlangten Rückerstattungsbeträge zu erbringen. Die Vorinstanz stellt im angefochtenen Urteil fest, dass die auf diese Weise betrügerisch erlangte Summe sich auf US-$ 409'471 beläuft, was bei einem mittleren Umrechnungskurs rund einer Million Franken entspricht. 2. Gegen den Schuldspruch wegen wiederholten und fortgesetzten vollendeten und versuchten Betruges wird in der Nichtigkeitsbeschwerde eingewendet, die als Betrug bestraften Handlungen hätten sich ausschliesslich gegen die USA, also gegen das Gemeinwesen gerichtet, sie würden vom amerikanischen Verwaltungsstrafrecht erfasst und seien daher nicht als Betrug gemäss Art. 148 StGB zu ahnden, weil in solchen Fällen die Normen des Verwaltungsstrafrechts den Vorrang hätten und das gemeine Strafrecht nicht zur Anwendung gelange ( BGE 103 Ia 218 ). Es könne nicht der Sinn des schweizerischen Strafrechts sein, für Wahrheit und Vollständigkeit im amerikanischen Steuerverfahren zu sorgen. a) Gemäss Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP ist es unzulässig, in der Nichtigkeitsbeschwerde neue Einreden oder neue Bestreitungen vorzubringen. Wie sich aus den Akten ergibt, wurde die Frage, ob es sich um Steuerdelikte handle, bereits bei der Einleitung der Strafuntersuchung aufgeworfen und damals verneint. In den beiden Hauptverhandlungen vor Obergericht hat der Vertreter des Beschwerdeführers die Anwendbarkeit von Art. 148 StGB auf die eingeklagten Täuschungshandlungen gegenüber den US-Steuerbehörden nicht bestritten, sondern selber Schuldspruch wegen wiederholten und fortgesetzten vollendeten und versuchten Betruges beantragt. Es liesse sich daher mit gutem Grund die Auffassung vertreten, die Einrede, es fehle die schweizerische Zuständigkeit zur Bestrafung der Betrugshandlungen, sei im Nichtigkeitsbeschwerdeverfahren BGE 110 IV 24 S. 27 neu und daher prozessual nicht zulässig. Diese verfahrensrechtliche Frage mag hier offen bleiben. b) Das Obergericht hat in seinem ersten (vom Zürcher Kassationsgericht aufgehobenen) Urteil vom 2. Dezember 1981, das aber subsidiär einen Bestandteil des zweiten, hier angefochtenen Urteils vom 30. März 1983 bildet, von Amtes wegen untersucht, ob ein von Art. 148 StGB nicht erfasstes Fiskaldelikt ("Steuerbetrug") vorliege. Es kam zum Schluss, es handle sich um einen gemeinrechtlichen Betrug zum Nachteil des amerikanischen Schatzamtes. Der Angeklagte habe in den zu beurteilenden Fällen nicht als Steuerpflichtiger im eigenen Namen gehandelt, deshalb falle ein Steuerbetrug ausser Betracht. c) Die Beurteilung des damit umschriebenen und in der Nichtigkeitsbeschwerde wieder aufgegriffenen Problems bezieht sich ausschliesslich auf die Tragweite von Art. 148 StGB im Verhältnis zu analogen (privilegierten) Betrugstatbeständen des Verwaltungsstrafrechts. Entscheidend ist dabei die Rechtslage nach schweizerischem Recht. Ob nach dem Recht der Vereinigten Staaten die inkriminierten Handlungen als gemeinrechtliche Delikte oder als Fiskaldelikte zu qualifizieren wären, ist nicht zu prüfen; denn es geht um die Bestrafung von Täuschungen, welche von der Schweiz aus begangen wurden und daher als Inlandtaten zu verfolgen sind. Ob Art. 148 StGB zur Anwendung kommen kann, hängt davon ab, inwiefern nach schweizerischem Recht gegen das Gemeinwesen gerichtete Betrugshandlungen von Art. 148 StGB ausgenommen und einer privilegierenden Sonderregelung (Verwaltungsstrafrecht, Steuerstrafrecht) unterworfen sind. d) Aus verschiedenen Gesetzesbestimmungen lässt sich ableiten, dass die speziellen Tatbestände des Fiskalstrafrechts den analogen Tatbeständen des Strafgesetzbuches in der Regel vorgehen; insbesondere fällt nach unbestrittener Lehre und Praxis der sogenannte Steuerbetrug ausschliesslich unter die entsprechenden (mildern) Strafbestimmungen der Steuererlasse oder des Verwaltungsstrafrechts (vgl. Art. 335 Ziff. 2 StGB , Art. 14 VStrR , Art. 130bis BRB über die Erhebung einer direkten Bundessteuer; BGE 108 IV 27 u. 181, 92 IV 44, BGE 81 IV 169 ; BLUMENSTEIN, System des Steuerrechts, 3. Aufl. S. 318; ZUPPINGER in ZStR 91/1975 S. 113 ff., insbes. S. 165; NOLL in ZStR 74/1959 S. 29 ff., insbes. S. 40). Die Tragweite des gemeinrechtlichen Betrugstatbestandes von Art. 148 StGB wird sinngemäss durch die privilegierenden Bestimmungen des Fiskal- bzw. allgemein des Verwaltungsstrafrechts eingeschränkt. BGE 110 IV 24 S. 28 Diese Einschränkung muss folgerichtig auch dann gelten, wenn im konkreten Fall eine anwendbare Spezialnorm fehlt, z.B. weil der zuständige Kanton keine solche Strafbestimmung kennt oder weil es sich um ein in der Schweiz gegen einen ausländischen Staat begangenes Fiskaldelikt handelt. Der strengere Betrugstatbestand des Strafgesetzbuches kann nicht in jenen Fällen subsidiär eingreifen, wo das für den Bereich der Fiskaldelikte zuständige Recht gar keine Strafbestimmung enthält oder aus irgendwelchen Gründen nicht zur Anwendung kommt (vgl. hiezu BGE 108 IV 184 ). - Für die Auslegung von Art. 148 StGB muss es in jedem Falle dabei bleiben, dass der nach herrschender Rechtsauffassung nicht unter den gemeinrechtlichen Betrugstatbestand fallende Steuerbetrug von der Bestrafung nach der Bestimmung des StGB ausgenommen ist. e) Zu prüfen bleibt somit, ob die dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Betrugshandlungen nach schweizerischer Auffassung als Steuerbetrug zu qualifizieren sind und daher nicht gemäss Art. 148 StGB bestraft werden können oder ob es sich um gemeinrechtlichen Betrug handelt. Dass an sich die Tatbestandselemente von Art. 148 StGB erfüllt sind, wird in der Nichtigkeitsbeschwerde zu Recht nicht bestritten und braucht hier nicht erörtert zu werden. Steuerbetrug wird in der Steuerrechtswissenschaft als Pflichtverletzung des Steuerpflichtigen umschrieben, der die Steuerbehörden aufgrund von falschen, gefälschten oder inhaltlich unwahren Urkunden über die für die Quantifizierung des Steueranspruchs erheblichen Tatsachen täuscht, um auf diese Weise eine unrichtige, für ihn zu günstige Einschätzung zu erreichen (vgl. ZUPPINGER, ZStR 91/1975 S. 165). Als Zweck der Normen des Steuerstrafrechts wird allgemein der Schutz des staatlichen Steueranspruches bezeichnet (ZUPPINGER a.a.O. S. 117; ALBERTINI, Der Steuerbetrug im System der Steuerstrafnormen, Diss. Zürich 1967, S. 12). Erfasst und gegenüber Art. 148 StGB privilegiert wird durch die Vorschriften über Steuerbetrug also das betrügerische Verhalten in einem Veranlagungsverfahren. Dies gilt zweifellos auch für ein solches Verhalten in einem Rückerstattungsverfahren beim Quellensteuersystem. Der gesetzgeberische Grund für eine mildere Strafdrohung kann bei allen Spezialbestimmungen über täuschendes Verhalten in einem Verwaltungsverfahren darin gesehen werden, dass der Täter einer hoheitlich handelnden, mit besondern Kompetenzen ausgestatteten Behörde gegenübersteht und vielfach BGE 110 IV 24 S. 29 - vor allem im Bereich des Abgaberechts - ex lege dem betreffenden Verfahren unterworfen wird. Hat ein Täter aber - wie der Beschwerdeführer - nicht als Steuerpflichtiger in einem gegen ihn eingeleiteten Veranlagungsverfahren oder ihm durch den vorangehenden Quellensteuerabzug aufgezwungenen Rückerstattungsverfahren betrügerische Handlungen begangen, sondern sich aus eigener Initiative entschlossen, durch Irreführung der Behörden sich unrechtmässig zu bereichern, indem er auf raffinierte Weise systematisch fiktive Rückerstattungsansprüche existierender oder erfundener Personen geltend macht und mittels falscher Urkunden die Auszahlung erwirkt, so begeht er gemeinrechtlichen Betrug zum Nachteil des betroffenen Gemeinwesens und nicht Steuerbetrug. Es besteht kein sachlicher Grund, eine solche vorsätzliche Schädigung des Staates durch arglistige Täuschung von Art. 148 StGB auszunehmen und einer privilegierenden Sonderregelung des Steuer- oder Verwaltungsstrafrechts vorzubehalten; denn jeder Zusammenhang mit einem regulären Steuerverfahren fehlt. Im vorliegenden Fall ging es nur um die rein deliktische Ausnützung des amerikanischen Systems der Rückerstattung. Aus dem Umstand, dass es Spezialbestimmungen des Verwaltungsstrafrechts gibt, die den gleichartigen Strafnormen des StGB vorgehen und bei gewissen Delikten zum Nachteil des Gemeinwesens zu einer mildern Bestrafung führen, kann nicht gefolgert werden, Betrug zum Nachteil eines Gemeinwesens falle generell nicht unter Art. 148 StGB , sondern sei stets nur verwaltungsstrafrechtlich zu ahnden. Die Schädigung eines Staates oder einer Gemeinde ist im Prinzip nicht weniger strafwürdig als die Schädigung eines privatrechtlichen Vermögens (vgl. BGE 96 IV 166 ). Privilegierende Ausnahmen sind restriktiv zu interpretieren. Die Annahme der Vorinstanz, in der Schweiz begangene betrügerische Handlungen zum Nachteil eines ausländischen Staates seien gemäss Art. 148 StGB zu bestrafen, auch wenn dabei das Steuerrückerstattungsverfahren als "Instrument" des Betruges eingesetzt wurde, verletzt somit das Bundesrecht nicht.
null
nan
de
1,984
CH_BGE
CH_BGE_006
CH
Federation
c5c17ab5-dbc7-41eb-a908-0674bded087a
Urteilskopf 92 IV 7 3. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 25. Februar 1966 i.S. T. und ihres Vormundes W. gegen Jugendanwaltschaft der Stadt Bern.
Regeste Art. 191 Ziff. 1 und 2 StGB . Der Unzucht mit Kindern kann sich auch schuldig machen, wer selber noch ein Kind ist.
Sachverhalt ab Seite 7 BGE 92 IV 7 S. 7 A.- Die 1949 geborene, bei Pflegeeltern aufgewachsene T. liess sich 1963 und 1964 verschiedentlich von Knaben, die ebenfalls noch nicht 16-jährig waren, bereitwillig ausziehen und unzüchtig betasten. Mit einzelnen von ihnen tauschte sie Zungenküsse und beging abwechslungsweise mit dem einen und andern beischlafsähnliche und andere unzüchtige Handlungen. Schliesslich kam es zwischen ihr und einem der Knaben auch zum Beischlaf. BGE 92 IV 7 S. 8 B.- Die Jugendanwaltschaft der Stadt Bern erklärte T. am 18. September 1965 der wiederholten Unzucht mit Kindern gemäss Art. 191 Ziff. 1 und 2 StGB schuldig. Sie beschloss, T. gestützt auf Art. 91 Ziff. 1 StGB in ein Erziehungsheim einzuweisen. Einen dagegen erhobenen Rekurs der Fehlbaren und ihres Vormundes wies der Regierungsrat des Kantons Bern am 26. Oktober 1965 ab. C.- Hiegegen führen T. und ihr Vormund Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag auf Freisprechung oder Anordnung einer milderen Massnahme. Erwägungen Aus den Erwägungen: Unbestritten ist, dass die von den kantonalen Behörden der T. zur Last gelegten Handlungen den Tatbestand der Unzucht mit Kindern nach Art. 191 Ziff. 1 und 2 StGB erfüllen. Dass T. die unzüchtigen Handlungen mit Wissen und Willen beging, hat der Regierungsrat für den Kassationshof verbindlich festgestellt, indem er hiezu ausführte, aus ihren eigenen Aussagen gehe hervor, dass sie sich mit den Knaben oft verabredete und diese u.a. auch zu Hause aufsuchte, damit unzüchtige Handlungen vorgenommen werden konnten, während sie ihrer Pflegemutter erklärte, sie beabsichtige, eine Kameradin zu treffen. Aus diesem planmässigen Vorgehen und selbständigen Handeln lasse sich schliessen, dass T. nicht das Opfer der Knaben geworden sei, sondern von sich aus die Gelegenheit gesucht habe, Unzucht um ihrer Befriedigung willen zu treiben. Die Beschwerdeführer stellen dies nicht in Abrede. Sie halten aber unter Berufung auf BGE 69 IV 175 dafür, Art. 191 StGB sei auf die sittlichen Entgleisungen der T. mit den (gleich verantwortlichen) Knaben nicht anwendbar. Das Bundesgericht sei allerdings von der erwähnten Rechtsprechung in BGE 82 IV 156 abgewichen, indem es erklärt habe, dass auch Unzuchtshandlungen zwischen Kindern unter 16 Jahren von Art. 191 StGB erfasst werden. Indessen rechtfertige sich gerade im Lichte der jüngsten Entwicklung, diese Rechtsprechung nochmals zu überprüfen. Alle Jugendpsychologen wiesen auf die Tatsache hin, dass in der physischen und psychischen Entwicklung der Kinder und Jugendlichen in den letzten 30 Jahren wesentliche Veränderungen eingetreten seien. Die Geschlechtsreife trete sowohl bei Mädchen und Knaben ungefähr 2 Jahre früher ein als noch vor 20 Jahren. Die geistige und seelische BGE 92 IV 7 S. 9 Entwicklung halte aber mit der viel früher eintretenden körperlichen Reife nicht Schritt. Die Sexualnot sei dementsprechend gegenüber früher vorverlegt und der Drang zu geschlechtlicher Betätigung trete bereits in einem Zeitpunkt ein, da die jungen Menschen diesem Drang keinen genügenden Widerstand entgegenzusetzen vermöchten. Dementsprechend gehe es nicht an, die Jugendlichen für unzüchtige Handlungen oder gar den Geschlechtsverkehr in derselben Weise verantwortlich zu machen, wie ältere Leute, die mit Kindern unter 16 Jahren geschlechtliche Beziehungen unterhielten. Allein, die Erkenntnis ist nicht neu, dass bei Jugendlichen die geistige und charakterliche Entwicklung und Reifung häufig hinter der körperlichen zurückbleiben, wie es auch eine Erfahrungstatsache ist, dass es Fälle gibt, in denen bei Mädchen oder Knaben die Pubertät mit allen damit verbundenen innern und äussern Entwicklungsschwierigkeiten schon vor der im Gesetz berücksichtigten Altersstufe einsetzt. "Vorverlegte Sexualnot", wie sie die Beschwerdeführer geltend machen, ist kein Freibrief und kann es umsoweniger sein, als Art. 191 StGB Kinder unter 16 Jahren schlechthin, und zwar auch gegen ihre eigenen Schwächen, schützen will ( BGE 72 IV 67 , BGE 73 IV 155 , BGE 78 IV 81 , BGE 82 IV 157 ; vgl. ferner BGE 86 IV 213 ). Zu Unrecht wenden die Beschwerdeführer ein, den Jugendlichen würden damit unzüchtige Handlungen in derselben Weise angelastet wie Erwachsenen. Das trifft schon deshalb nicht zu, weil auch bei gleichen Straftatbeständen die Massnahmen des Jugendstrafrechtes ganz andere und bedeutend mildere sind als diejenigen für Erwachsene; sie sind vor allem darauf ausgerichtet, erzieherisch und fürsorgerisch auf den jugendlichen Fehlbaren zu wirken (vgl. THORMANN-OVERBECK, Vorbem. 6 zu Art. 82 ff. StGB ). Ebensowenig hilft den Beschwerdeführern die Berufung auf BGE 82 IV 157 (unten), worin gesagt wurde, dass nicht jede unzüchtige Handlung, der sich Kinder im Schutzalter hingeben, strafbar sei, da es sich dabei häufig um kindliche Spielereien oder Unarten handle, gegen die einzuschreiten wohl Sache der Erzieher und allenfalls der Vormundschaftsbehörde, nicht aber des Strafrichters sei. Die Unzuchtshandlungen, die der T. zur Last gelegt werden, gehen über solche Spielereien oder Unarten hinaus. Das gilt nicht nur für den Beischlaf und die wiederholten beischlafsähnlichen Handlungen (vgl. BGE 82 BGE 92 IV 7 S. 10 IV 158 oben), sondern trifft ebenso auf die übrigen unzüchtigen Handlungen zu, die - wie auch die Zungenküsse - nach den gesamten Umständen nicht einen harmlosen Verstoss gegen das Sittlichkeitsgefühl darstellen (vgl. BGE 76 IV 276 /277).
null
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CH_BGE_006
CH
Federation
c5c187a2-dd8f-400f-a939-c64ecfbced2a
Urteilskopf 108 II 422 82. Estratto della sentenza 6 luglio 1982 della I Corte civile nella causa dott. B. contro A. (ricorso per riforma)
Regeste Haftung des Arztes aus unerlaubter Handlung. 1. Art. 44 Abs. 2 OR . Begriff der groben Fahrlässigkeit und Beurteilung des Grades des Verschuldens unter Berücksichtigung der Ansicht der Experten sowie des vorausgegangenen Strafurteils (E. 2). 2. Art. 43 Abs. 1 OR . Die Schadensberechnung erfolgt unabhängig von der allfälligen Verwendung der Schadenersatzsumme durch den Geschädigten (E. 3). 3. Art. 47 OR . Genugtuung bei fehlendem Bewusstsein des Geschädigten. Anspruch auf Genugtuung (E. 4) und Bemessung der Genugtuungssumme (E. 5).
Sachverhalt ab Seite 423 BGE 108 II 422 S. 423 Il 13 marzo 1972 la quindicenne A. si sottopose a un intervento chirurgico di appendicectomia. A seguito di negligenze commesse dal medico anestesista dott. B., delle quali si dirà nei considerandi di diritto, durante l'operazione la paziente subì un arresto della respirazione e del battito cardiaco; ne seguì un'anossia con gravissime lesioni del cervello. Da allora A. è completamente invalida, ha funzioni cerebrali limitate a reazioni indifferenziate a stimoli esterni e necessita giornalmente di cure intense ad opera di almeno due persone: è assolutamente dipendente per ogni sua funzione vitale e solo con versi e mimiche reagisce in modo primitivo a percezioni che può risentire come piacevoli o spiacevoli. Il perito giudiziario ha asserito che "lo stato di salute di A. è caratterizzato da una tetraspasticità con paralisi di ogni movimento volontario degli arti nonché da una profonda demenza". A dipendenza di questi fatti il dott. B. venne penalmente condannato per gravi lesioni colpose. Il 30 dicembre 1976 A., rappresentata dal padre, promosse direttamente in appello una causa civile, con la quale chiedeva al medico anestesista il risarcimento del danno subito, valutato nelle conclusioni a Fr. 1'399'818.80 oltre interessi. Il convenuto, che ammise la commissione di un atto illecito, chiese che il risarcimento fosse limitato a Fr. 500'000.--. Il 12 febbraio 1982 la II Camera civile del Tribunale di appello ticinese condannò il medico a pagare all'attrice Fr. 1'361'727.20 BGE 108 II 422 S. 424 oltre interessi. Riassumendo il risarcimento comprende le spese del periodo precedente il 1975 (Fr. 117'644.40), quelle sopportate tra il 1975 e il 1981 con capitalizzazione per il futuro (Fr. 457'842.80), la perdita di guadagno passata e futura (Fr. 686'240.--) e il torto morale (Fr. 100'000.--). Contro la sentenza del Tribunale di appello il convenuto ha presentato ricorso per riforma al Tribunale federale, con il quale chiede in via principale che il risarcimento sia contenuto in Fr. 500'000.--, in via subordinata che la causa venga rinviata all'autorità cantonale per nuovo giudizio. Tre sono le censure mosse contro la sentenza impugnata dal ricorrente, che riconosce peraltro la propria responsabilità: con la prima egli rimprovera ai giudici cantonali di avere erroneamente qualificato di grave la sua colpa, impedendo così la riduzione del risarcimento per indigenza del debitore ai sensi dell' art. 44 cpv. 2 CO ; in secondo luogo il ricorrente critica la mancata applicazione del principio della "compensatio lucri cum damno"; da ultimo egli ravvisa una violazione dell' art. 47 CO nella concessione di un'indennità per torto morale a una persona completamente priva di capacità mentali. Erwägungen Considerando in diritto: 2. Secondo l' art. 44 cpv. 2 CO il giudice può ridurre il risarcimento se l'autore dell'atto illecito che non ha cagionato il danno intenzionalmente o per colpa grave sarebbe ridotto al bisogno dal pagamento. È grave la colpa - o la negligenza, come enunciano le versioni tedesca e francese della norma - di colui che viola le regole della più elementare prudenza, le quali sarebbero invece osservate da ogni persona ragionevole posta nelle medesime circostanze ( DTF 105 V 214 , DTF 96 II 177 , DTF 95 II 578 , DTF 93 II 352 e riferimenti). Secondo l'autorità cantonale la colpa commessa dal convenuto è grave; questi ammette di avere violato le regole dell'arte sanitaria ma reputa la sua colpa non grave e, riferendosi a DTF 100 II 338 , asserisce ch'essa potrebbe avere un'intensità media. a) Per chiarire gli aspetti medici della tragedia accaduta il 13 marzo 1972, il Tribunale di appello si è fondato essenzialmente sulla perizia fatta allestire durante il procedimento penale (perizia Gemperle) nonché su quella eseguita per il processo civile (perizia Mumenthaler /Tschirren). Esso ha accertato che prima di iniziare il suo intervento l'anestesista non ha eseguito l'anamnesi della bambina, della quale non conosceva neppure BGE 108 II 422 S. 425 il nome. Il convenuto ha poi adottato una tecnica d'anestesia che la perizia Gemperle - riferendosi, come giustamente osserva il ricorrente, alla mancanza di una "prise en charge complète de la respiration" giustificata dal tipo di rilassante muscolare utilizzato - definisce contraria alle regole dell'arte medica e da proscrivere. Inoltre, il dott. B. ha iniettato nella paziente una dose iniziale eccessiva di alloferina - un miorilassante derivato dal curaro - nonostante le conoscenze che ogni anestesista dovrebbe possedere e le chiare istruzioni fornite con il prodotto: per una bambina di quaranta chilogrammi come l'attrice sarebbero occorsi sei milligrammi di alloferina, mentre l'anestesista ne ha utilizzati otto, com'è usuale per una persona del peso di settanta o ottanta chilogrammi. Infine, sempre secondo il Tribunale di appello, quando lo stato della paziente mostrava chiaramente l'arresto cardiaco, il convenuto ha commesso un ultimo errore riprendendo l'anestesia invece di proseguire l'ossigenazione fino al manifestarsi dei primi sintomi di risveglio. L'autorità cantonale ha stabilito che tutti gli esperti che si sono pronunciati durante i procedimenti civile e penale sono stati concordi sia nel valutare gravi e contrari alle regole dell'arte medica questi errori ed omissioni commessi dal convenuto durante la narcosi, sia nel considerare che essi - ad esclusione della mancanza di un'anamnesi, giudicata irrilevante nella sentenza impugnata - sono stati la causa delle gravi lesioni cerebrali di cui soffre l'attrice. b) Gli accertamenti di fatto contenuti nella sentenza impugnata, fondati sull'apprezzamento delle prove e in particolare sull'interpretazione delle perizie giudiziarie, vincolano il Tribunale federale nella procedura di riforma ( art. 63 cpv. 2 OG ). Si deve pertanto ammettere che l'anestesista, durante la narcosi di A., ha utilizzato una tecnica errata, ha somministrato una sovraddose di alloferina e ha lasciato proseguire l'operazione dopo l'arresto cardiaco. La determinazione del grado di colpa da imputare al convenuto nel caso concreto, ossia l'individuazione delle regole della prudenza violate e del comportamento che un medico anestesista ragionevole avrebbe assunto se si fosse trovato nella medesima situazione, è una questione prettamente tecnica; essa coinvolge esclusivamente problemi della scienza medica, che il giudice non può comprendere senza l'ausilio di periti. Pur trattandosi di un esame di diritto, la valutazione dell'intensità della colpa commessa BGE 108 II 422 S. 426 dal dott. B. dipende quindi in modo considerevole dalle conclusioni peritali (cfr. DTF 70 II 209 , DTF 61 II 111 /112, DTF 53 II 427 ). A questo proposito il ricorrente asserisce giustamente che il giudice civile non è vincolato, in virtù dell' art. 53 cpv. 2 CO , all'apprezzamento giuridico della colpa eseguito dal giudice penale; il giudice civile può tuttavia riferirsi - per quanto lo consenta il diritto processuale cantonale - alle risultanze e agli accertamenti di fatto emersi durante il processo penale e valutare in seguito in modo autonomo questi elementi dal profilo giuridico ( DTF 107 II 157 consid. 5 e riferimenti). Pertanto, contrariamente a quanto sostiene il convenuto, la sentenza impugnata non viola il diritto federale sotto questo aspetto. È vero che il Tribunale di appello, fors'anche per un'infelice formulazione, ha inizialmente lasciato intendere d'essere vincolato al giudizio penale nell'apprezzamento della colpa; nelle pagine seguenti esso ha però valutato in modo indipendente l'esistenza e l'intensità della colpa commessa dal convenuto, sia pure fondandosi in parte sugli accertamenti contenuti nella perizia esperita durante il procedimento penale. c) La conclusione del Tribunale di appello secondo cui la colpa del convenuto è grave non può seriamente essere messa in dubbio: essa rispetta il parere degli esperti. Nella perizia Gemperle si legge che il medico "n'a pas prêté toute l'assistance attendue d'un médecin-anesthésiste". Pur ammettendo con il ricorrente che questa affermazione non consente da sola di definire grave la sua negligenza, essa non permette neppure di considerarla leggera o media. La gravità della colpa emerge invece dalle considerazioni generali che l'esperto ha esposto prima di rispondere ai quesiti peritali, considerazioni che non lasciano dubbi sul suo giudizio. Occorre del resto tenere conto del fatto che il tenore dell'affermazione peritale precitata, rilasciata in risposta a una precisa domanda, riprende praticamente i termini utilizzati nella formulazione del quesito; inoltre, ai fini dell'istruzione penale, non era neppure necessario stabilire con esattezza l'intensità della negligenza commessa dal prevenuto. Ogni dubbio sulla gravità della colpa è comunque levato dalle conclusioni cui sono giunti i periti del processo civile. A loro è stata posta la domanda seguente: "Qualora (essi fossero) del parere che il dott. B abbia commesso in occasione della narcosi di A. errori di arte medica rispettivamente omissioni, sono questi errori ed omissioni talmente gravi, da essere stati fatti in violazione delle più BGE 108 II 422 S. 427 elementari regole di prudenza ovvero che sia stato trascurato ciò che ogni persona ragionevole nella stessa situazione e nelle medesime condizioni avrebbe ritenuto evidente?" Essi hanno risposto: "Ja". Il ricorrente asserisce che questa "laconica" risposta immotivata non permette di trarre conclusioni giuridiche concernenti la colpa. Egli dimentica tuttavia che questa risposta è preceduta da un primo referto peritale di 31 pagine e da un complemento di altre 6 pagine, con i quali i periti hanno delucidato le questioni mediche che si ponevano e hanno complessivamente risposto a 27 domande sottoposte loro dalle parti; essi hanno inoltre confermato espressamente le conclusioni contenute nella perizia esperita durante il procedimento penale. d) In queste circostanze non può essere mosso alcun rimprovero al Tribunale di appello, che ha giudicato grave la colpa commessa dall'anestesista durante l'operazione subita da A. Gli ulteriori argomenti addotti dal ricorrente nulla mutano a questa conclusione. Nella misura in cui non riguardano l'apprezzamento delle prove, essi si riferiscono a presunte contraddizioni e divergenze d'opinioni dei periti in merito a comportamenti del medico - segnatamente ai metodi d'intubazione, alla possibilità di rilevare subito lo stato anormale della paziente e alla posizione nella quale essa è stata posta durante l'intervento chirurgico - che non sono stati ritenuti dal Tribunale di appello come elementi della colpa. Infine, dev'essere aggiunto che nella procedura di riforma il ricorrente deve esporre in modo conciso le sue censure (art. 55 cpv. 1 lett. c OG); il riferimento agli atti della procedura cantonale non è ammissibile ( DTF 104 II 192 consid. 1). Se il convenuto ha commesso una colpa grave, il risarcimento del danno non può essere ridotto in applicazione dell' art. 44 cpv. 2 CO e l'esame dell'eventuale indigenza del medico diviene superfluo. Anche la questione teorica della possibile esistenza di una colpa media non deve essere esaminata. 3. Con la seconda censura il ricorrente rimprovera al Tribunale di appello di avere deciso il risarcimento dell'intero danno subito dall'attrice, senza compensarlo parzialmente con i risparmi ch'essa può conseguire a dipendenza della sua invalidità. Il ricorrente menziona economie sulle spese di vitto, già computate nel risarcimento per cure speciali, di abbigliamento, di vacanze, di attività sportive e ricreative in genere, di viaggi e trasporti. Con questi argomenti egli chiede un'equa riduzione dell'indennità assegnata all'attrice per perdita di guadagno. BGE 108 II 422 S. 428 La motivazione di questa censura si situa, a dire il vero, ai limiti dell'ammissibilità: il ricorrente la formula in termini generici e non precisa l'entità dei presunti risparmi conseguiti dall'attrice. Del resto, se gli argomenti del ricorso risultassero fondati, il Tribunale federale potrebbe unicamente rinviare la causa all'autorità cantonale, poiché a questo riguardo mancano accertamenti di fatto sufficienti nella sentenza impugnata ( art. 64 cpv. 1 OG ). Tale modo di procedere è tuttavia inutile, dal momento che la tesi del ricorrente è infondata nel suo principio. La riduzione per il risparmio concernente il vitto dell'attrice potrebbe eventualmente essere esaminata se il Tribunale di appello avesse conglobato nel calcolo del risarcimento tutte le spese di sostentamento. In questa posta l'autorità cantonale ha però tenuto conto solo del maggior costo dell'alimentazione speciale di cui necessita l'invalida, per cui essa deve comunque fare fronte alle spese usuali. Per quanto riguarda invece i risparmi dovuti al fatto che la completa infermità non consente all'attrice di dedicare parte del suo reddito alle attività di svago, occorre in primo luogo precisare che il risarcimento non deve permetterle di sopperire ai suoi bisogni, come afferma il ricorrente, ma costituisce la ricompensa della diminuzione del suo patrimonio consecutivo all'atto illecito; in particolare, l'indennità stabilita dal Tribunale di appello per il titolo di perdita di guadagno non è in relazione con i bisogni reali della beneficiaria. Una persona in buona salute è libera di utilizzare il reddito del suo lavoro come meglio crede: c'è chi risparmia, chi investe e chi semplicemente spende, in un modo o nell'altro. Nel diritto della responsabilità civile sarebbe inconcepibile graduare ogni risarcimento in funzione di queste attitudini puramente soggettive e non v'è motivo di trattare una persona completamente invalida diversamente da una persona sana o solo parzialmente minorata. Certo, l'attrice potrà difficilmente praticare attività di svago come quelle menzionate dal ricorrente; non è tuttavia da escludere ch'essa possa utilizzare parte del denaro per l'acquisto di apparecchiature speciali che, pur non essendo strettamente necessarie e non potendo quindi giustificare un risarcimento specifico da parte del convenuto, possano in qualche modo migliorare la sua triste condizione. 4. Il Tribunale di appello ha condannato il convenuto a pagare all'attrice un'indennità per torto morale di Fr. 100'000.--. Il debitore osserva che la lesione cerebrale che ha colpito A. non le consente più di avere coscienza del valore di un'indennità pecuniaria e della BGE 108 II 422 S. 429 possibilità di utilizzarla per trovare piaceri morali o spirituali. Il ricorrente ravvisa inoltre una contraddizione nella sentenza impugnata, poiché i giudici cantonali, dopo avere accertato che secondo i periti le capacità intellettive dell'attrice sono praticamente nulle, hanno in seguito concluso di non poter escludere con certezza che essa sia del tutto insensibile al dolore e non soffra per la sua condizione. Con questi argomenti il ricorrente nega la legittimità dell'indennità assegnata per il torto morale. a) Il Tribunale di appello ha considerato che gli elementi oggettivi per il riconoscimento dell'indennità per torto morale sono realizzati, mentre difettano quelli di natura soggettiva: secondo i periti A. giace infatti in uno stato di profonda demenza, ha perso ogni facoltà intellettiva ed è di conseguenza incapace di percepire dolori dello spirito, di avere coscienza del suo stato di salute e di attribuire ogni importanza al denaro. L'autorità cantonale ha però aggiunto che l'attrice, secondo un medico che la segue tuttora, dimostra "molta sensibilità" e reagisce "con il sorriso o con il pianto" alla presenza di persone care. I giudici cantonali hanno pertanto concluso di non poter "escludere in modo certo che A. sia del tutto insensibile al dolore ed allo stato in cui si trova" e le hanno riconosciuto il diritto di percepire un'indennità per torto morale: a loro avviso la perdita di questo diritto si giustifica solo in casi estremi, quando si può escludere con certezza l'esistenza di funzioni sensitive della vittima. Il Tribunale di appello ha infine stabilito in Fr. 100'000.-- il risarcimento del torto morale, tenuto conto della gravità della colpa del convenuto e delle gravissime conseguenze delle sue negligenze. Questo riassunto della motivazione della sentenza impugnata mostra che l'autorità cantonale sembra effettivamente essersi contraddetta: d'un canto ha affermato l'assenza dell'elemento soggettivo per la concessione dell'indennità di torto morale; d'altro canto essa ha rilevato di non poter escludere con certezza la presenza di tale elemento. Le reali capacità percettive di A. sono però problemi di fatto, che i giudici debbono valutare apprezzando perizie e testimonianze secondo i precetti del diritto processuale cantonale. Questo esame sfugge alla procedura di riforma ( art. 43 cpv. 3 OG ) e il Tribunale federale deve limitarsi a costatare che su tale punto gli accertamenti di fatto dell'autorità cantonale non sono completi. Il rinvio della causa per la completazione degli atti secondo l' art. 64 cpv. 1 OG non è tuttavia necessario: come si BGE 108 II 422 S. 430 vedrà, l'indennità per torto morale di Fr. 100'000.--, stabilita dal Tribunale di appello, appare giustificata anche nell'eventualità in cui l'attrice fosse assolutamente incapace di avere coscienza del proprio stato di salute e di attribuire importanza al denaro. b) La riparazione del torto morale presuppone in primo luogo una lesione dei diritti della personalità quali la vita, l'integrità fisica e psichica, l'onore, ecc. (OFTINGER, Schweizerisches Haftpflichtrecht, I, pag. 289; DESCHENAUX/TERCIER, La responsabilité civile, pag. 54; BECKER, art. 47 CO n. 3). Alcuni autori ritengono indispensabile, accanto a questo requisito oggettivo, l'aspetto soggettivo: a mente loro la persona lesa deve essere in grado di percepire il dolore fisico o psichico ed è appunto questa sofferenza soggettiva ad essere oggetto di riparazione (JÄGGI, Fragen des Privatrechtlichen Schutzes der Persönlichkeit, RDS 79/1960, II, pag. 186a nota 96; DESCHENAUX/TERCIER, loc.cit.; TERCIER, La réparation du tort moral: crise ou évolution?, Mélanges en l'honneur de Henri Deschenaux, pagg. 309 segg.; La réparation du tort moral en cas d'inconscience totale et définitive de la victime, SJZ 68/1972 pagg. 245 segg.; cfr. OFTINGER, op.cit. pag. 289 nota 17 e pag. 302). La questione è tuttavia controversa ed è stata tra l'altro oggetto del postulato Dillier del 19 dicembre 1972, al quale il Consiglio federale decise di dare seguito nell'ambito dello studio della revisione del diritto della responsabilità civile e della protezione della personalità (Boll.uff. 83/1973, Consiglio degli Stati, pag. 514). OFTINGER (op.cit. pag. 290), con riferimento a STOLL (Verhandlungen des 45. deutschen Juristentages, 1964, I, pagg. 1 segg. e 127 segg.), critica la teoria soggettiva, asserendo che la lesione della personalità come tale costituisce la premessa per l'assegnazione di un'indennità per torto morale, mentre le conseguenze soggettive sono soltanto indici per la valutazione dell'intensità del danno immateriale. Nel citato articolo apparso in SJZ 68/1972, TERCIER menziona a pag. 246 tre sentenze dei tribunali cantonali di Soletta (SJZ 12/1915-16, pag. 290), Berna (ZBJV 81/1945 pag. 276) e Lucerna (SJZ 65/1969 pag. 297), che sostengono la preponderanza dell'elemento oggettivo del danno morale, nonché una sentenza vallesana che giunge a conclusioni opposte (RVJ 2/1968 pagg. 279 segg.). L'autore trae lo spunto - commentandola e approvandola - da una sentenza della Corte di cassazione francese, con la quale fu deciso che il diritto svizzero non accorda alcuna riparazione BGE 108 II 422 S. 431 del torto morale alla vittima completamente incosciente di un incidente stradale, incapace di soffrire o, perlomeno, di avere coscienza delle sofferenze che subisce. c) Il Tribunale federale non ha finora risolto definitivamente la controversia. In DTF 97 II 349 esso aveva dovuto esaminare la riparazione del torto morale di una persona lesa cerebralmente, sia pure in modo meno grave dell'attrice; dopo essersi domandato se questa persona poteva ancora trovare riparazione nell'indennità pecuniaria, il Tribunale federale aveva concluso che ciò non poteva essere escluso, poiché era verosimile che l'interessato potesse ancora apprezzare il denaro come il cittadino medio. Questa sentenza ha condotto TERCIER (Mélanges, pag. 310) ad affermare che il Tribunale federale non avrebbe accordato indennità alcuna qualora avesse potuto essere certamente escluso che la vittima potesse provare un qualunque sentimento. La deduzione appare invero un poco affrettata: se essa esprimesse realmente l'opinione del Tribunale federale, sarebbe difficilmente giustificabile l'attribuzione d'indennità per torto morale alle persone giuridiche, le quali godono anch'esse di taluni diritti della personalità suscettibili d'essere lesi, ma non possono ovviamente avere percezioni soggettive del danno e della riparazione ( DTF 95 II 488 consid. 4 e 502 consid. 12b e riferimenti). Inoltre, meno comprensibile risulterebbe anche il riconoscimento del diritto alla riparazione morale alle persone prive della capacità di discernimento, pur ammettendo con TERCIER (Contribution à l'étude du tort moral et de sa réparation en droit civil suisse, pagg. 64 e 153) che può esservi sofferenza senza comprensione ( DTF 90 II 83 , DTF 88 II 461 consid. 4 e riferimenti). Nel caso di A. bisogna tenere presente che gli aspetti oggettivi e soggettivi della lesione della personalità sono strettamente legati e possono a malapena essere distinti; l'eventuale incapacità della vittima di avere coscienza della propria condizione - carenza sostenuta dal convenuto - non è altro che una componente della lesione fisica della sua integrità corporale, ossia della lesione cerebrale. La mancanza dell'elemento soggettivo del torto morale s'identifica praticamente con la lesione oggettiva della personalità e, non lo si dimentichi, è una diretta conseguenza dell'atto illecito commesso dal convenuto. In questa situazione non può essere stata l'intenzione del legislatore quella di voler negare in virtù dell' art. 47 CO ogni riparazione del torto morale alla vittima di una lesione cerebrale resa incosciente dall'atto illecito e di BGE 108 II 422 S. 432 accordare invece il risarcimento a una persona che ha subito una lesione meno grave e che possiede ancora facoltà intellettive. In definitiva, nei casi di danni all'integrità corporale, occorre quindi conferire preponderanza all'aspetto oggettivo della lesione dei diritti della personalità e riconoscere di conseguenza il diritto alla riparazione del torto morale anche in assenza di coscienza della vittima. A questa soluzione non osta l'obiezione secondo la quale lo scopo della riparazione del torto morale - che è di consentire alla vittima di ritrovare almeno in parte il benessere perduto, mediante una compensazione della sofferenza con un'indennità pecuniaria - non può essere raggiunto qualora la persona lesa sia incapace di comprendere il valore del denaro (BECKER, art. 47 CO n. 1; OFTINGER, op.cit. pagg. 289/290; TERCIER, Mélanges pag. 316 e SJZ 68/1972 pag. 247). Le conseguenze soggettive della lesione, in particolare l'intensità della sofferenza e del dolore, dovranno essere prese in considerazione per la fissazione dell'ammontare dell'indennità. A titolo di confronto può essere menzionato che nella prassi germanica la predetta obiezione, ritenuta di per sé fondata, non impedisce la concessione d'indennità per torto morale in situazioni analoghe. La Corte suprema federale reputa infatti che l'indennità (Schmerzensgeld) ha due funzioni: una di compensazione (Ausgleich) e una di riparazione (Genugtuung). La prima, normalmente preponderante, cede il passo alla seconda qualora la vittima sia incapace d'intendere e in questo caso la riparazione assume un carattere simbolico e astratto e si concreta in un'indennità pecuniaria ridotta (sentenza del 16 dicembre 1975, in Versicherungsrecht 76 pag. 660). Questa soluzione, che sia pure per motivi diversi si avvicina a quella risultante dall'applicazione del diritto svizzero, manifesta anch'essa la giustificabile volontà di non privare la vittima di gravissime lesioni cerebrali d'ogni indennità per torto morale. 5. Nella valutazione della somma spettante all'attrice per il torto morale occorre in primo luogo considerare l'intensità della lesione della sua personalità. Non è necessario spendere molte parole al fine di dimostrare come non sia immaginabile lesione corporale più grave di quella subita da A.: bambina in ottima salute e non ancora quindicenne essa si ritrovò da un giorno all'altro tetraplegica e demente, senza possibilità - secondo i periti - di mutamento. Il secondo fattore da considerare è la grave colpa commessa dal medico responsabile (cfr. consid. 2). Inoltre, BGE 108 II 422 S. 433 come s'è detto, deve essere esaminata l'intensità della sofferenza morale dell'attrice, che dipende, in sostanza, dalle sue reali capacità cognitive. In modo generale si può affermare che l'indennità per torto morale può essere ridotta in funzione del grado di coscienza e di consapevolezza della vittima. Ciò non significa tuttavia che nessuna indennità spetti a chi è assolutamente incapace d'attività cerebrali; gli aspetti oggettivi e soggettivi della lesione della personalità interagiscono e si combinano tra di loro in modo indipendente e con diverse intensità: se nel caso di A. influisce in modo preponderante o addirittura assoluto il fattore oggettivo, sono facilmente immaginabili eventualità nelle quali prevalga l'elemento soggettivo della sofferenza morale, basti pensare alle conseguenze psichiche che può avere una leggera lesione corporale ad esempio per un concertista o un attore. In questo senso non v'è contraddizione nell'ammettere in un primo momento l'esistenza del diritto alla riparazione del torto morale anche in assenza di attività percettive della vittima e nel considerare in seguito questa mancanza quale fattore di riduzione dell'indennità. Nel caso concreto occorre infine tenere presente che la condizione fisica e mentale dell'attrice rende indispensabile la continua assistenza dei genitori, specialmente della mamma. Senza dubbio lo stato di salute della figlia suscita in loro un dolore immenso e il doversi continuamente occupare delle cure comporta non pochi inconvenienti. Il sacrificio dei genitori è sicuramente benefico per l'attrice, la quale si vede circondata d'affetto e di calore umano che l'assistenza di personale medico ausiliario difficilmente potrebbe darle. Il fatto che questa situazione particolare dei genitori sia dovuta alle gravi conseguenze dell'atto illecito, segnatamente alla mancanza di coscienza, impone di tenerne conto nel calcolo dell'indennità per torto morale spettante alla figlia. In dottrina è già stata difesa la necessità di valutare questi fattori nel caso di gravi invalidità che richiedono assidua assistenza (OFTINGER, op.cit. pag. 308); la motivazione avanzata si scosta invero leggermente da quella esposta sopra e trae origine dalla volontà di accordare alla vittima di simili gravi lesioni i mezzi necessari per dimostrarsi riconoscente verso i genitori che si curano di lei. Anch'essa traduce però implicitamente il desiderio di prendere in considerazione la sofferenza e il dolore dei genitori, colpiti a volte dalla grave invalidità di un figlio in modo fors'anche più duro della morte. Queste considerazioni sono indipendenti BGE 108 II 422 S. 434 dall'esito che avrebbe potuto avere un'eventuale pretesa di risarcimento del torto morale avanzata direttamente dai genitori di A. e non influenzano la prassi del Tribunale federale, che ha finora esitato a riconoscere il diritto di agire ai familiari delle vittime di lesioni corporali. In conclusione, tutte le circostanze menzionate permettono di confermare l'indennità di Fr. 100'000.-- stabilita dal Tribunale di appello. Questa somma sarebbe raggiunta anche se si dovesse computare una riduzione per l'impossibilità dell'attrice di rendersi conto della propria condizione d'invalida; si rammenta che tale questione di fatto è rimasta irrisolta nel considerando 4a. La somma tiene conto dell'attuale tendenza del Tribunale federale, che accorda indennità per torto morale più elevate in caso di lesioni corporali con gravi conseguenze ( DTF 107 II 348 ).
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c5c4852b-a4a0-47ab-9df3-a4feb4a222db
Urteilskopf 136 III 502 72. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit civil dans la cause A. SA et consorts contre Banques X., Y. et Z. (recours en matière civile) 4A_210/2010 / 4A_214/2010 / 4A_216/2010 du 1er octobre 2010
Regeste Schadenersatzklage; längere Verjährungsfrist nach Strafrecht ( Art. 60 Abs. 2 OR ). Einstellung. Unter welchen Bedingungen ist die Einstellungsverfügung der Strafuntersuchungsbehörde für das Zivilgericht verbindlich? (Präzisierung der Rechtsprechung; E. 6.3.1). Die Frage beurteilt sich nach dem materiellen Bundesrecht (E. 6.3.3). Eine rechtskräftige Einstellungsverfügung, die infolge der verspäteten Stellung eines Strafantrags ergangen ist, steht der Anwendung von Art. 60 Abs. 2 OR nicht entgegen, zumal der Strafantrag eine Prozess- und nicht eine Strafbarkeitsvoraussetzung bildet (E. 6.3.1, 6.3.2 und 6.3.4).
Erwägungen ab Seite 503 BGE 136 III 502 S. 503 Extrait des considérants: 6. Il y a lieu de commencer par l'examen des griefs formulés en rapport avec l'interprétation et l'application de l' art. 60 al. 2 CO , étant donné que ces griefs sont communs à l'ensemble des recourants. 6.1 L'action en dommages-intérêts se prescrit par un an à compter du jour où la partie lésée a eu connaissance du dommage ainsi que de la personne qui en est l'auteur et, dans tous les cas, par dix ans dès le jour où le fait dommageable s'est produit ( art. 60 al. 1 CO ). Toutefois, si les dommages-intérêts dérivent d'un acte punissable soumis par les lois pénales à une prescription de plus longue durée, cette prescription s'applique à l'action civile ( art. 60 al. 2 CO ). Cette règle a pour but d'harmoniser la prescription du droit civil avec celle du droit pénal. Il ne serait en effet pas satisfaisant que l'auteur puisse encore être puni alors que le lésé ne serait plus en mesure d'obtenir réparation sur le plan civil. Pour que l' art. 60 al. 2 CO soit applicable, le comportement à l'origine du dommage doit réaliser les éléments constitutifs objectifs et subjectifs d'un acte punissable selon le droit cantonal ou fédéral. Le juge civil appliquera les règles du droit pénal; il est toutefois lié par une condamnation pénale, par un prononcé libératoire constatant l'absence d'acte punissable ou par une décision de suspension de la procédure pénale assortie des mêmes effets qu'un jugement quant à son caractère définitif. L'application de la prescription pénale plus longue suppose également que l'infraction visée soit en relation de causalité naturelle et adéquate avec le préjudice donnant lieu à l'action civile. Il faut de plus que le lésé fasse partie des personnes protégées par la loi pénale. Il s'agit là d'une conséquence de la théorie (objective) de l'illicéité prévalant en droit civil (arrêt 4C.156/2005 du 28 septembre 2005 consid. 3.3 et les références, in SJ 2006 I p. 221). 6.2 Avant de passer en revue les moyens soulevés par les recourants en ce qui concerne l'application de ces principes, il convient de se pencher sur une objection des intimées qui pourrait rendre ces moyens inopérants. On rappellera, au préalable, que la partie intimée au recours peut formuler des griefs, à titre éventuel, contre la décision attaquée, pour le cas où les arguments du recourant seraient suivis ( BERNARD CORBOZ , in Commentaire de la LTF, 2009, n° 29 ad art. 102 LTF ). Selon les intimées, dès lors qu'il y a eu poursuite pénale, même achevée par un non-lieu, le 20 décembre 2004, chaque interruption BGE 136 III 502 S. 504 de la prescription civile intervenue avant cette date a fait courir un nouveau délai de prescription pénale de plus longue durée. Peu importe, à cet égard, que les comportements incriminés aient été punissables ou non, du moment que, jusqu'au prononcé du non-lieu, les personnes physiques poursuivies étaient prévenues d'infractions à la LCD (RS 241). Semblable objection tombe à faux. Comme le souligne avec raison la cour cantonale, à suivre les intimées, il suffirait que l'auteur du dommage fasse l'objet d'une enquête pénale pour que l' art. 60 al. 2 CO s'applique, au moins temporairement, quand bien même le prévenu ferait ensuite l'objet d'un non-lieu, voire d'un acquittement. Une telle interprétation est incompatible avec le texte et le but de la disposition citée. L'adopter permettrait, en effet, d'appliquer cette disposition indépendamment de l'existence d'un "acte punissable", de sorte qu'il suffirait au lésé d'obtenir l'ouverture d'une enquête pénale pour bénéficier de la prescription de plus longue durée, quelle que soit l'issue de la procédure pénale. 6.3 6.3.1 Les recourants font valoir, motif pris de la ratio legis de l' art. 60 al. 2 CO , que, si l'auteur de l'acte dommageable ne peut plus être puni parce qu'il a bénéficié d'un non-lieu ayant un caractère définitif, il ne se justifie plus d'appliquer la prescription pénale de plus longue durée à l'action civile du lésé. Selon eux, il découlerait de la jurisprudence fédérale que le critère pertinent pour savoir si le juge civil est lié par un non-lieu réside, non pas dans la motivation de celui-ci, mais dans son caractère définitif. Revêtu d'un tel caractère en vertu du droit procédural fribourgeois, le non-lieu prononcé le 24 décembre 2004, pour cause de dépôt tardif de la plainte pénale, priverait ainsi les intimées du droit de se prévaloir de la prescription pénale. Force est de constater que les recourants se trompent sur le sens à donner à la jurisprudence censée étayer leur thèse. A leur décharge, il faut certes admettre que la formulation de l'arrêt sur lequel ils se fondent (arrêt 4C.234/1999 du 12 janvier 2000 consid. 5c/aa, in SJ 2000 I p. 421), tout comme celle d'autres précédents (arrêts 4D_80/2007 du 9 avril 2008 consid. 2.2.2; 4C.156/2005, précité, ibid.; ATF 118 V 193 consid. 4a p. 198), n'est pas suffisamment précise pour exclure toute discussion. De fait, dire que "le non-lieu prononcé par le juge pénal ne lie le juge civil que s'il est assorti des mêmes effets BGE 136 III 502 S. 505 qu'un jugement quant à son caractère définitif" est sans doute exact, mais néanmoins incomplet. Semblable affirmation pourrait donner à penser que tout non-lieu entré en force lie le juge civil. Tel n'est cependant pas le cas: l'entrée en force de la décision de non-lieu, i.e. son caractère définitif, est une condition nécessaire mais pas suffisante. A cet égard, il a été jugé, de longue date, qu'une décision de ce genre ne s'impose au juge civil que s'il en appert que les éléments requis pour la réalisation de l'infraction ne sont pas réunis. En d'autres termes, la prescription pénale de plus longue durée ne s'applique pas lorsque la punissabilité de l'auteur a été niée dans la procédure pénale, faute d'un élément objectif ou subjectif ( ATF 106 II 213 consid. 3 et 4; arrêt C.326/1987 du 18 décembre 1987 consid. 1b). En revanche, un non-lieu (ou un acquittement) fondé sur l'extinction de l'action pénale pour cause de prescription n'empêche pas le juge civil d'examiner lui-même librement s'il existe un acte punissable ( ATF 101 II 321 consid. 3 p. 322 et les arrêts cités; ATF 93 II 498 consid. 1 p. 501). Il en va de même pour ce qui est de la décision libératoire (non-lieu ou acquittement) motivée par le défaut de plainte pénale, lorsque l'infraction imputée à l'auteur du dommage ne se poursuit que sur plainte ( ATF 134 III 591 consid. 5.3; ATF 112 II 79 consid. 4a p. 86; arrêts 4C.355/2006 du 1 er février 2007 consid. 5.2.1; 4C.42/1992 du 18 décembre 1992 consid. 2a). L'arrêt cité par les recourants ne dit pas autre chose, si on le considère de plus près. Le non-lieu dont il s'agissait en l'occurrence avait été prononcé par la Chambre d'accusation du canton de Genève en application de l' art. 204 al. 1 CPP /GE, suite à un recours contre une ordonnance de classement du Procureur général (arrêt 4C.234/1999, précité, consid. 5c/bb). Or, il ne peut l'être, en vertu de cette disposition, que lorsque la Chambre d'accusation ne trouve pas des indices suffisants de culpabilité ou lorsqu'elle estime que les faits ne peuvent constituer une infraction (sur la distinction entre le classement et le non-lieu en procédure pénale genevoise, voir l'arrêt 6P.36/1998 du 27 mai 1998 consid. 1b et 3b). L'ordonnance de non-lieu rendue par la Chambre d'accusation revêtait donc non seulement un caractère définitif, puisqu'elle était en force, mais elle niait, de surcroît, l'existence d'un acte punissable. Il était normal, dans ces conditions, que cette décision liât le juge civil et fît obstacle à l'application de l' art. 60 al. 2 CO . L'interprétation que la jurisprudence fédérale donne de cette disposition est du reste largement approuvée par la doctrine, avec des BGE 136 III 502 S. 506 nuances ici ou là (cf., parmi d'autres: VON TUHR/PETER, Allgemeiner Teil des Schweizerischen Obligationenrecht, 3 e éd. 1979, p. 440 ch. III; OFTINGER/STARK, Schweizerisches Haftpflichtrecht, vol. II/1, 4 e éd. 1987, p. 114 n° 377; ALFRED KELLER, Haftpflicht im Privatrecht, vol. II, 2 e éd. 1998, p. 272 ch. 5; FRANZ WERRO, La responsabilité civile, 2005, p. 368 n° 1460; le même , in Commentaire romand, Code des obligations, vol. I, 2003, n° 31 ad art. 60 CO ; HEINZ REY, Ausservertragliches Haftpflichtrecht, 4 e éd. 2008, p. 387 n° 1672; ROLAND BREHM, Commentaire bernois, 3 e éd. 2006, n° 87 ad art. 60 CO ; ROBERT K. DÄPPEN, in Commentaire bâlois, Obligationenrecht, vol. I, 4 e éd. 2007, n° 13 ad art. 60 CO ; BERNARD CORBOZ, La responsabilité des organes en droit des sociétés, 2005, n° 32 ad art. 760 CO ; KURT JOSEPH STEINER, Verjährung haftpflichtrechtlicher Ansprüche aus Straftat [Art. 60 Abs. 2 OR], 1986, p. 61; DENIS TAPPY, La prescription pénale de plus longue durée applicable en matière civile, in Responsabilité civile et assurance, Etudes en l'honneur de Baptiste Rusconi, 2000, p. 405). Elle n'est en rien contraire à la ratio legis de l' art. 60 al. 2 CO . En adoptant cette disposition, le législateur a voulu éviter que le responsable ne puisse plus être recherché sur le plan civil à un moment où il pourrait encore être puni pénalement ( ATF 125 III 339 consid. 3b et les références). Cependant, comme il a édicté cette disposition en faveur du lésé, il serait erroné de vouloir lui prêter, à l'inverse, l'intention d'exclure l'application de l' art. 60 al. 2 CO chaque fois que la condamnation pénale de l'auteur du dommage est désormais impossible pour quelque motif que ce soit, en particulier lorsque l'action publique ne peut plus être exercée (cas du défaut de plainte pénale ou de la tardiveté du dépôt de celle-ci pour une infraction ne se poursuivant que sur plainte), qu'il y a été mis un terme par une décision libératoire à caractère définitif (classement, non-lieu ou acquittement) sans que l'autorité compétente n'ait statué sur les éléments constitutifs de l'infraction en cause (cas de la prescription de l'action pénale) ou encore que la sanction est déjà tombée (cas du jugement condamnatoire en force). Il résulte de ces considérations que la simple entrée en force de l'ordonnance de non-lieu du 20 décembre 2004 n'empêche pas en soi la mise en oeuvre de la prescription pénale de plus longue durée. Aussi l'opinion inverse, professée par les recourants, ne saurait-elle être suivie. Cela étant, point n'est besoin d'examiner l'argument par lequel les intimées affirment avoir contesté que ladite ordonnance BGE 136 III 502 S. 507 soit entrée en force, contrairement à ce qui a été retenu par les juges d'appel. 6.3.2 Dans une argumentation subsidiaire, B. et C. SA s'en prennent à la jurisprudence du Tribunal fédéral selon laquelle la plainte pénale est une condition de l'exercice de l'action publique et non de punissabilité. Ils préconisent d'admettre - du moins lorsque l'infraction n'est poursuivie que sur plainte, sans égard aux rapports existant entre l'auteur et la victime ("absolutes Antragsdelikt") - que la plainte pénale constitue une condition de punissabilité. Ainsi, la tardiveté du dépôt de la plainte pénale, en l'espèce, aurait pour conséquence que le juge civil serait lié par l'ordonnance de non-lieu. La jurisprudence que ces deux recourants remettent en question remonte à l'année 1943 ( ATF 69 IV 69 consid. 5). Le Tribunal fédéral ne s'en est pas écarté depuis lors (voir les arrêts cités par CHRISTOF RIEDO, in Commentaire bâlois, Strafrecht, vol. I, 2 e éd. 2007, n° 20 des Remarques préliminaires ad art. 30 CP ). Au contraire, il l'a encore confirmée dans un arrêt récent, en précisant qu'il ne se justifie pas d'obliger le lésé à déposer une plainte qu'il ne juge pas souhaitable à la seule fin de pouvoir invoquer la prescription pénale de plus longue durée devant le juge civil ( ATF 134 III 591 consid. 5.3). Il n'y a donc pas lieu de soumettre cette jurisprudence à un nouvel examen. 6.3.3 Plus subsidiairement, les mêmes recourants font encore valoir qu'il incombe au droit de procédure cantonal de définir les conséquences de l'absence de plainte pénale. Ils ajoutent que le code de procédure pénale fribourgeois définit le non-lieu comme une décision de renonciation à la poursuite fondée sur un obstacle de droit et acquérant force de chose jugée après l'expiration du délai de recours. A leur avis, l'ordonnance rendue le 20 décembre 2004 entre dans le cadre de cette définition, de sorte que le non-lieu prononcé à cette date liait le juge civil et lui interdisait d'appliquer l' art. 60 al. 2 CO . La prémisse de ce raisonnement est erronée. Il n'appartient pas au droit de procédure cantonal, mais bien au droit matériel fédéral de fixer les conditions auxquelles la disposition citée est applicable. C'est donc à lui de dire quelle est l'incidence du défaut de plainte pénale ou de la tardiveté du dépôt de la plainte pénale sur le cours du délai de l'action civile en dommages-intérêts. Le droit de procédure cantonal peut définir la nature de la décision par laquelle il est BGE 136 III 502 S. 508 mis fin à l'action publique ouverte contre l'auteur présumé d'une infraction (classement, non-lieu, etc.) et préciser quand une telle décision acquiert force de chose jugée. En revanche, il ne saurait paralyser l'application du droit matériel fédéral en décrétant qu'une ordonnance de non-lieu en force fondée sur le défaut de plainte pénale interdit au juge civil de mettre en oeuvre l' art. 60 al. 2 CO . 6.3.4 La plupart des recourants considèrent qu'il serait erroné de confondre la situation dans laquelle aucun juge pénal n'est saisi, faute de plainte, avec celle où un juge est saisi et mène l'instruction jusqu'à son terme avant de constater que la plainte n'a pas été déposée dans le délai fixé par la loi. Leur grief de ce chef s'épuise toutefois dans cette seule affirmation. Au demeurant, la raison d'être de la distinction qu'ils proposent de faire entre ces deux situations n'est pas perceptible. Elle l'est d'autant moins qu'un acquittement prononcé pour le même motif par l'autorité de jugement, au terme de l'instruction, ne lierait pas davantage le juge civil, car il ne s'agirait pas d'un prononcé libératoire constatant l'absence d'acte punissable (cf. ATF 106 II 213 consid. 3 p. 216; ATF 101 II 321 consid. 3 p. 322 i.f.). 6.3.5 D., F. et E., citant un passage de l'ordonnance de non-lieu du 20 décembre 2004, affirment que le juge d'instruction y a catégoriquement exclu toute conscience et volonté de leur part relativement aux actes qui leur étaient reprochés, de sorte qu'il n'aurait pu que nier l'existence des éléments constitutifs de l'infraction prévue à l' art. 23 LCD s'il n'avait pas motivé sa décision par le fait que la plainte pénale de ce chef avait été déposée tardivement. Toutefois, il leur était impossible de faire constater que les conditions de cette infraction n'étaient pas réalisées en l'espèce, car le code de procédure pénale fribourgeois ne permet pas au bénéficiaire d'un non-lieu de s'en prendre aux motifs pour lesquels celui-ci a été prononcé. Les trois recourants en déduisent que, dans la mesure où elle a bel et bien exclu l'existence d'une infraction au sens de l' art. 23 LCD , la décision libératoire prise à la date sus-indiquée liait le juge civil et excluait, partant, l'application de l' art. 60 al. 2 CO . Il n'est pas possible d'entrer dans leurs vues. En effet, les juges d'appel constatent, dans leur arrêt, que le non-lieu était "fondé sur le fait que les infractions réprimées par l' art. 23 al. 1 LCD ne sont punissables que sur plainte et qu'aucune plainte n'a été déposée en temps utile". Ils précisent encore qu'ils ont affaire à un "non-lieu fondé exclusivement sur la tardiveté du dépôt de la plainte pénale". Il s'agit là de constatations de fait, tirées de l'appréciation d'un BGE 136 III 502 S. 509 élément de preuve (le contenu de l'ordonnance de non-lieu), qui lient le Tribunal fédéral ( art. 105 al. 1 LTF ) et que les recourants n'attaquent pas par l'un des moyens prévus à l' art. 105 al. 2 LTF . Dès lors, en tant qu'il repose sur un fait qui n'a pas été constaté, le grief considéré est irrecevable. En tout état de cause, comme les intimées le soulignent à juste titre, le juge d'instruction n'a pas examiné la culpabilité de ces trois recourants au regard de l' art. 23 LCD , mais uniquement en relation avec les infractions réprimées par les art. 164 et 165 CP . Il n'a ainsi pas exclu la punissabilité des actes reprochés aux intéressés sous l'angle de la concurrence déloyale. Dès lors, le juge civil n'était pas non plus lié par l'ordonnance de non-lieu du 20 décembre 2004 en tant qu'elle visait les trois personnes physiques susmentionnées. 6.3.6 Tous les recourants consacrent encore de longues explications à la démonstration de la prétendue absence de lien de causalité entre les actes qui leur sont reprochés sur la base de l' art. 23 LCD et le dommage dont les intimées exigent réparation. Relativement à cette question, ils reprochent, pêle-mêle, à la cour d'appel d'avoir méconnu l' art. 60 al. 2 CO , violé leur droit d'être entendus ( art. 29 al. 2 Cst. ) et appliqué arbitrairement une disposition du droit procédural fribourgeois qui oblige le juge à motiver sa décision ( art. 7 CPC /FR; RSF 270.1). A leur avis, le Tribunal fédéral pourrait examiner lui-même le problème du lien de causalité et constater que cette condition nécessaire à l'application de l' art. 60 al. 2 CO fait défaut en l'espèce. Les griefs formulés dans ce cadre-là sont tous irrecevables. Il ressort, en effet, de l'arrêt attaqué que les juges d'appel ont volontairement renoncé à traiter l'ensemble des questions relatives à l'application de l' art. 23 LCD , y compris celle du lien de causalité, renvoyant la cause à la juridiction de première instance pour instruction et jugement sur toutes ces questions; ils l'ont fait en application de l' art. 305 al. 2 CPC /FR, afin de ne pas priver les parties du double degré de juridiction que la loi d'organisation judiciaire leur accorde. Or, aucun des recourants ne critique cette décision au motif qu'elle résulterait d'une application arbitraire des dispositions du droit de procédure cantonal. Aussi est-ce en vain que ceux-ci formulent des griefs au sujet d'un problème - le rapport de causalité - que la cour d'appel a expressément refusé d'aborder. 6.3.7 En dernier lieu, les recourants, à l'exception de B. et de C. SA, soutiennent, en se fondant sur l' art. 97 al. 1 LTF , que la cour BGE 136 III 502 S. 510 cantonale a omis de constater que les intimées connaissaient déjà tous les tenants et aboutissants de l'affaire au moment du dépôt de leur plainte du 24 octobre 1997 et qu'elles ne pouvaient donc ignorer que les actes incriminés étaient susceptibles de constituer des infractions tombant sous le coup de l' art. 23 LCD , poursuivies sur plainte uniquement. Selon eux, en ne dénonçant pas la violation de cette disposition dans ladite plainte, les intimées auraient intentionnellement renoncé à s'en prévaloir. Aussi commettraient-elles un abus de droit en invoquant la même disposition pour bénéficier de la prescription pénale de plus longue durée. Cet ultime moyen tombe à faux, si tant est qu'il soit recevable. D'abord, contrairement aux affirmations des recourants, la constatation prétendument omise figure dans l'arrêt attaqué, où les juges d'appel décrivent de manière circonstanciée ce que les intimées savaient au fur et à mesure du développement de l'affaire. Ensuite, l'argument tiré de l'abus de droit n'a pas sa place dans un moyen intitulé "Etablissement inexact des faits". Enfin, les recourants passent sous silence le fait que les intimées ont requis l'extension de la mise en prévention à l'infraction d'appropriation de la clientèle, au sens des art. 2, 3 let . d et 23 LCD, en date du 26 octobre 1999, c'est-à-dire bien avant d'ouvrir action en dommages-intérêts contre eux. Au demeurant, comme on l'a déjà relevé plus haut, le dépôt tardif d'une plainte pénale ne constitue pas un empêchement dirimant à l'application de l' art. 60 al. 2 CO . 6.4 Pour les motifs qui viennent d'être énoncés, les trois recours doivent être rejetés, dans la mesure où ils sont recevables, en tant qu'ils contestent la manière dont la cour d'appel a interprété et appliqué la dernière disposition citée.
null
nan
fr
2,010
CH_BGE
CH_BGE_005
CH
Federation
c5c886d7-c8fd-40f3-b83d-2b496172d31c
Urteilskopf 122 IV 292 45. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 31. Oktober 1996 i.S. F. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste Art. 44 Ziff. 6 Abs. 2 StGB ; nachträgliche Einweisung in eine Anstalt für Trunksüchtige. Auch die nachträgliche Anordnung einer stationären Massnahme für Trunksüchtige ist zulässig.
Sachverhalt ab Seite 292 BGE 122 IV 292 S. 292 A.- Am 30. Juni 1994 verurteilte das Bezirksgericht Zürich den zweifach, nämlich in den Jahren 1989 und 1991, einschlägig vorbestraften F. (geboren 1966) wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand BGE 122 IV 292 S. 293 etc. zu sechs Monaten Gefängnis (unbedingt). Am 11. April 1995 stellte F. gestützt auf Art. 44 Ziff. 6 Abs. 2 StGB das Gesuch um nachträgliche Anordnung einer Massnahme für Trunksüchtige unter Aufschub des Strafvollzugs. Das Bezirksgericht Zürich ordnete am 11. Mai 1995 in Gutheissung des Gesuchs die Einweisung von F. in eine Anstalt für Trunksüchtige an und schob den Vollzug der Strafe für die Dauer der Massnahme auf. Es nahm Vormerk vom bereits (nämlich am 10. April 1995) erfolgten Massnahmeantritt von F. in einer Klinik. Zur Begründung seines Entscheides führte es aus, dass Art. 44 Ziff. 6 Abs. 2 StGB nach der Praxis der Gerichte und der Strafvollzugsbehörden auch auf Trunksüchtige anzuwenden sei und dass die Voraussetzungen der nachträglichen Anordnung einer Massnahme im übrigen erfüllt seien. Das Obergericht des Kantons Zürich hob am 11. April 1996 den Beschluss des Bezirksgerichts vom 11. Mai 1995 in Gutheissung des von der Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich dagegen eingelegten Rekurses auf und ordnete den Vollzug der Gefängnisstrafe von sechs Monaten gemäss dem Urteil des Bezirksgerichts vom 30. Juni 1994 an. Zur Begründung wird im wesentlichen ausgeführt, Art. 44 Ziff. 6 Abs. 2 StGB betreffend die nachträgliche Anordnung einer Massnahme unter Aufschub des Strafvollzugs sei nur auf Rauschgiftsüchtige, nicht auch auf Trunksüchtige anwendbar. B.- F. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, der Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich vom 11. April 1996 sei aufzuheben und die Sache zur Bestätigung des Beschlusses des Bezirksgerichts vom 11. Mai 1995 an die Vorinstanz zurückzuweisen. F. ersucht zudem um die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege. Das Obergericht und die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich haben auf Gegenbemerkungen verzichtet. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Art. 44 StGB enthält in den Ziffern 1 bis 5 Vorschriften über die Anordnung von Massnahmen gegenüber Trunksüchtigen und den Vollzug aufgeschobener Strafen nach der Entlassung aus der Anstalt. Diese Vorschriften sind nach Art. 44 Ziff. 6 Abs. 1 StGB sinngemäss auf Rauschgiftsüchtige anwendbar. Art. 44 Ziff. 6 Abs. 2 StGB , angefügt durch Bundesgesetz vom 21. Juni 1991, in Kraft seit 1. Januar 1992, lautet: BGE 122 IV 292 S. 294 Erweist sich ein zu einer Freiheitsstrafe verurteilter Rauschgiftsüchtiger nachträglich als behandlungsbedürftig, behandlungsfähig und behandlungswillig, so kann ihn der Richter auf sein Gesuch hin in eine Anstalt für Rauschgiftsüchtige einweisen und den Vollzug der noch nicht verbüssten Strafe aufschieben. a) Nach Auffassung der Vorinstanz bezieht sich Art. 44 Ziff. 6 Abs. 2 StGB nach seinem Wortlaut und seiner systematischen Stellung im Gesetz eindeutig allein auf rauschgiftsüchtige Täter. Auch in den Verhandlungen der Eidgenössischen Räte sei insoweit ausschliesslich von Rauschgiftsüchtigen die Rede gewesen. Da somit keine Unklarheit bestehe, sei auch kein Bedarf vorhanden, die Bestimmung auszulegen. Hinsichtlich des Heilungsbedarfs gebe es zwischen Trunksüchtigen einerseits und Rauschgiftsüchtigen andererseits einen Unterschied. Während Trunksüchtige von der legalen Droge Alkohol abhängig und allfällige Delikte Sekundärerscheinungen seien, seien Rauschgiftsüchtige von der illegalen Droge Betäubungsmittel abhängig und würden oft bereits wegen ihrer Sucht zwingend straffällig. Da die Abstinenzbehandlung zur Deliktsverhütung bei den Trunksüchtigen demzufolge weniger dringlich sei als bei den Rauschgiftsüchtigen, habe man letzteren eine weitergehende Suchtbehandlung ermöglichen wollen. Auch vor diesem Hintergrund sei anzunehmen, dass Art. 44 Ziff. 6 Abs. 2 StGB ausschliesslich auf Rauschgiftsüchtige anwendbar sei. Das Gesetz lasse daher insofern keine Fragen offen, die es zu beantworten gelte; eine echte Lücke liege demnach auch nicht vor. b) Der Beschwerdeführer stellt nicht in Abrede, dass die grammatikalische, systematische und historische Auslegungsmethode für die Auffassung der Vorinstanz sprechen. Er macht aber wie bereits im kantonalen Verfahren geltend, diese Methoden seien lediglich Hilfsmittel, um den eigentlichen Sinn einer Gesetzesbestimmung zu ermitteln. Massgebend sei die "ratio legis". Nach ihr sei Art. 44 Ziff. 6 Abs. 2 StGB in extensiver Auslegung auch auf Trunksüchtige anwendbar. Allenfalls sei eine echte Lücke anzunehmen, die in freier Rechtsfindung praeter legem durch einen zulässigen Analogieschluss zugunsten des Täters in dem Sinne zu füllen sei, dass Art. 44 Ziff. 6 Abs. 2 StGB betreffend Rauschgiftsüchtige auch auf Trunksüchtige angewendet werde. Es gebe keinen sachlichen Grund, die Trunksüchtigen, die im übrigen gleich behandelt werden wie die Rauschgiftsüchtigen ( Art. 44 Ziff. 6 Abs. 1 StGB ), in bezug auf die Möglichkeit der nachträglichen Anordnung einer Massnahme anders zu behandeln als die Rauschgiftsüchtigen. BGE 122 IV 292 S. 295 2. a) Art. 44 Ziff. 6 Abs. 2 StGB bezieht sich nach seinem Wortlaut ausschliesslich auf rauschgiftsüchtige Straftäter. b) Art. 44 Ziff. 6 Abs. 2 StGB ist bei Gelegenheit der Änderung des Strafgesetzbuches und des Militärstrafgesetzes betreffend strafbare Handlungen gegen Leib und Leben, gegen die Sittlichkeit und gegen die Familie sowie betreffend die disziplinarische Ahndung des Konsums geringer Mengen von Betäubungsmitteln während des Militärdienstes (siehe dazu die Botschaft des Bundesrates, BBl 1985 II 1009 ff., 1098 f.) auf Antrag von Ständerat Jagmetti und Vorschlag der ständerätlichen Kommission von den Eidgenössischen Räten diskussionslos angenommen worden (siehe Amtl.Bull. StR 1987 S. 359, 361, 363, 407 f., Voten Jagmetti und Bundesrätin Kopp; Amtl.Bull. NR 1990 S. 2263, Votum Bundesrat Koller). Ständerat Jagmetti begründete seinen Antrag in der Kleinen Kammer ausführlich (Amtl.Bull. StR 1987 S. 407); (siehe BGE 122 IV 290 E. 1a). Gemäss den Vorstellungen des Gesetzgebers sollte damit im Sinne eines zusätzlichen Beitrags zur Lösung des dringenden gesellschaftspolitischen Problems der Drogenkriminalität die Möglichkeit geschaffen werden, auch noch nach der Verurteilung eines betäubungsmittelabhängigen Straftäters zu einer Freiheitsstrafe und selbst nach Beginn des Strafvollzugs unter den in Art. 44 Ziff. 6 Abs. 2 StGB genannten Voraussetzungen eine Massnahme zur Behandlung des Täters anzuordnen, da die oft noch jungen Drogenabhängigen nicht selten erst in dieser späteren Phase die notwendige Einsicht und Bereitschaft bekunden, sich einer solchen Behandlung zu unterziehen. aa) Der Gesetzgeber wollte mithin unter dem Eindruck des wichtigen und aktuellen Problems der Betäubungsmittelabhängigkeit und der damit zusammenhängenden Kriminalität möglichst rasch eine ergänzende Regelung schaffen, um die soziale Wiedereingliederung von betäubungsmittelabhängigen Tätern zu erleichtern. Er fand die Gelegenheit, diesen Änderungsvorschlag im Gesetzesentwurf C des genannten Revisionspaketes unterzubringen, der die disziplinarische Ahndung des Konsums geringer Mengen von Betäubungsmitteln während des Militärdienstes regelte. Ständerat Jagmetti machte darauf aufmerksam, es gehe dabei nicht nur um irgendeine Finesse im Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuches, sondern letztlich um ein soziales Problem (Amtl.Bull. StR 1987 S. 407). Er wies darauf hin, "dass der ganze Artikel 44, der ursprünglich ausschliesslich für die Alkoholiker gedacht war, etwas kompliziert, unübersichtlich formuliert ist." Wenn nun vorgeschlagen werde, "heute nicht die ganze BGE 122 IV 292 S. 296 Arbeit zu tun, sondern das Wesentliche nur noch beizufügen, so deshalb, weil uns später einmal eine Vorlage erwartet, die den ganzen Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuches betrifft. Für heute geht es einfach um die Lösung dieses an sich wichtigen und aktuellen Problems" (Amtl.Bull. StR 1987 S. 408). bb) Der Gesetzgeber hat im Bestreben, aus aktuellem Anlass möglichst rasch eine Regelung betreffend die nachträgliche Anordnung einer Massnahme für rauschgiftsüchtige Täter zu schaffen und diese im Rahmen des genannten grossen Revisionspaketes zu verabschieden, dem Anschein nach nicht ausreichend bedacht, dass sich die gleichen Fragen auch in bezug auf alkoholsüchtige Straftäter stellen, und dass durch die auf rauschgiftsüchtige Täter beschränkte neue Regelung eine bis anhin nicht bestehende Diskrepanz hinsichtlich der Behandlung der Alkoholsüchtigen einerseits und der Rauschgiftsüchtigen andererseits geschaffen wird. Nichts deutet darauf hin, dass der Gesetzgeber die nachträgliche Anordnung einer Massnahme etwa für alkoholsüchtige Täter aus diesem oder jenem Grunde prinzipiell ablehnte. Unter diesen Umständen muss eine echte Gesetzeslücke angenommen werden. Sie ist unter Rückgriff auf die "ratio legis" auszufüllen. c) Es mag zutreffen, dass die Betäubungsmittelabhängigen trotz ihrer im Vergleich zu den Alkoholabhängigen weit geringeren Zahl gerade auch wegen der Illegalität der Betäubungsmittel in kriminalpolitischer Hinsicht vielfältigere Probleme bereiten als die Alkoholsüchtigen. Daher mag insoweit vielen die Lösung des Betäubungsmittelproblems dringlicher erscheinen als die Lösung des dadurch etwas in den Hintergrund gedrängten Alkoholproblems. Dies ist hier indessen unerheblich. Entscheidend ist vielmehr, dass sich die Frage der nachträglichen Anordnung einer Massnahme in bezug auf einen alkoholabhängigen Täter in genau gleicher Weise stellt wie hinsichtlich eines betäubungsmittelabhängigen Delinquenten. In beiden Fällen kann sich der rechtskräftig zu einer Strafe verurteilte Süchtige unter Umständen erst nachträglich als behandlungsbedürftig, behandlungsfähig und behandlungswillig erweisen. In beiden Fällen ist die nachträgliche Anordnung einer Massnahme im Interesse sowohl des Betroffenen als auch der Allgemeinheit in gleicher Weise sinnvoll. Es gibt keinen sachlichen Grund, die Möglichkeit der nachträglichen Anordnung einer Massnahme auf rauschgiftsüchtige Täter zu beschränken. Nach dem Strafgesetzbuch hat die Massnahme ganz allgemein Vorrang vor der Strafe. Der Richter hat unter BGE 122 IV 292 S. 297 Aufschub des Strafvollzugs die Einweisung des Verurteilten in eine Anstalt anzuordnen, wenn die im Gesetz hiefür genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Insoweit sind insbesondere die trunksüchtigen und die rauschgiftsüchtigen Täter gleichgestellt; nach Art. 44 Ziff. 6 Abs. 1 StGB sind die Bestimmungen betreffend Trunksüchtige ( Art. 44 Ziff. 1-5 StGB ) sinngemäss auf Rauschgiftsüchtige anwendbar. Dieser Vorrang des Vollzugs der Massnahme vor dem Strafvollzug muss konsequenterweise für beide Täterkategorien auch dann in gleicher Weise gelten, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen der Massnahme erst nachträglich erfüllt sind. d) Der Vorentwurf der Expertenkommission von 1993 zum Allgemeinen Teil und zum Dritten Buch des Strafgesetzbuches und zu einem Bundesgesetz über die Jugendstrafrechtspflege sieht in Art. 69 ("Änderung der Sanktion") unter anderem ganz allgemein die Möglichkeit der nachträglichen Anordnung einer stationären Massnahme vor (vgl. dazu HANS WIPRÄCHTIGER, Das Massnahmenrecht der Expertenkommission - Verbesserte Hilfe für die Täter und verbesserter Schutz für die Allgemeinheit, ZStrR 112/1994 S. 405 ff., 425 f.). Dies wird in dem auf der Grundlage der Schlussberichte der Expertenkommission erstellten Bericht des Bundesamtes für Justiz von 1993 damit begründet, dass im Bereich der sozialtherapeutischen Hilfen grösstmögliche Flexibilität ein dringendes praktisches Gebot ist (Bericht S. 89 f.). Art. 69 des Vorentwurfs hat insoweit im Vernehmlassungsverfahren breite Zustimmung gefunden. Auch diese zu erwartende Gesetzesrevision ist zu berücksichtigen, zumal mit ihr nicht das geltende System grundlegend geändert wird, sondern insoweit gerade Lücken des geltenden Rechts unter prinzipieller Beibehaltung der Grundlagen ausgefüllt werden sollen (siehe dazu BGE 110 II 293 E. 2a S. 296; vgl. ferner BGE 117 IV 276 E. 3c S. 279). e) Art. 44 Ziff. 6 Abs. 2 StGB betreffend die nachträgliche Anordnung einer stationären Massnahme für Rauschgiftsüchtige ist somit analog auch auf stationäre Massnahmen für Trunksüchtige anzuwenden. Dies ist kein unzulässiger Analogieschluss zu Ungunsten des Täters. Das Gesetz sieht die stationäre Massnahme für Trunksüchtige und ihren Vorrang vor dem Strafvollzug ausdrücklich vor. Diese Massnahme hat im Interesse des Betroffenen und der Allgemeinheit auch dann Vorrang vor der Strafe, wenn sich die gesetzlichen Voraussetzungen der Massnahme erst nach der rechtskräftigen Verurteilung des Täters zu einer Strafe und allenfalls erst nach dem BGE 122 IV 292 S. 298 Strafantritt als erfüllt erweisen. Daher muss eine stationäre Massnahme für Trunksüchtige, wie dies Art. 44 Ziff. 6 Abs. 2 StGB für stationäre Massnahmen für Rauschgiftsüchtige ausdrücklich vorsieht, vom Richter auch noch nachträglich angeordnet werden können, wenn der Verurteilte darum ersucht. 3. Die Vorinstanz verletzte somit Bundesrecht, indem sie die durch den Beschluss des Bezirksgerichts Zürich vom 11. Mai 1995 in Anwendung von Art. 44 Ziff. 6 Abs. 2 StGB unter Aufschub des Strafvollzugs nachträglich angeordnete Einweisung des Beschwerdeführers in eine Anstalt für Trunksüchtige aufhob und den Vollzug der Strafe von sechs Monaten Gefängnis gemäss dem Urteil des Bezirksgerichts Zürich vom 30. Juni 1994 anordnete mit der Begründung, dass Art. 44 Ziff. 6 Abs. 2 StGB nicht auch auf Trunksüchtige anwendbar sei. Der angefochtene Beschluss ist in Gutheissung der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 4. (Kostenfolgen).
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de
1,996
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CH_BGE_006
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Federation
c5cd102a-17b4-4aaf-b19f-39910b6ab7af
Urteilskopf 116 IV 319 61. Urteil des Kassationshofes vom 14. September 1990 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Landschaft gegen M. und R. X. (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste Art. 148 Abs. 2 Gewerbsmässiger Betrug. Begriff der Gewerbsmässigkeit (Änderung der Rechtsprechung). Gewerbsmässigkeit ist bei berufsmässigem Handeln gegeben. Der Täter handelt berufsmässig, wenn sich aus der Zeit und den Mitteln, die er für die deliktische Tätigkeit aufwendet, aus der Häufigkeit der Einzelakte innerhalb eines bestimmten Zeitraums sowie aus den angestrebten und erzielten Einkünften ergibt, dass er die deliktische Tätigkeit nach der Art eines Berufes ausübt. Diese abstrakte Umschreibung, die für alle Straftaten gegen das Vermögen gilt, hat nur Richtlinienfunktion. Eine Konkretisierung der Umschreibung ist angesichts der unterschiedlichen Phänomene und der unterschiedlich hohen Mindeststrafen bei den verschiedenen Delikten nur für die einzelnen Tatbestände oder für einzelne Gruppen gleichartiger Tatbestände möglich. Eine quasi nebenberufliche deliktische Tätigkeit kann als Voraussetzung für Gewerbsmässigkeit genügen. Auch in diesem Fall kann die erforderliche soziale Gefährlichkeit gegeben sein. Wesentlich ist, dass der Täter sich darauf eingerichtet hat, durch deliktische Handlungen relativ regelmässige Einnahmen zu erzielen, die einen namhaften Beitrag an die Kosten zur Finanzierung seiner Lebensgestaltung darstellen. Ob dies der Fall sei, ist aufgrund der gesamten Umstände zu entscheiden. Dazu gehören die Anzahl bzw. die Häufigkeit der während eines bestimmten Zeitraums bereits verübten Taten, die Entwicklung eines bestimmten Systems bzw. einer bestimmten Methode, der Aufbau einer Organisation, die Vornahme von Investitionen usw. Der Richter hat bei der Entscheidung der Frage, ob in einem konkreten Fall Gewerbsmässigkeit gegeben sei, auch die Höhe der angedrohten Mindeststrafe mitzuberücksichtigen.
Sachverhalt ab Seite 321 BGE 116 IV 319 S. 321 A.- In der Zeit von Anfang 1987 bis April 1988 begingen die Eheleute M. und R. X. insgesamt 22 bis 24 Betrüge zum Nachteil des Möbelgeschäfts Interio AG in einem Deliktsbetrag von total ca. Fr. 5'500.--. Diese Betrüge verübten sie dadurch, dass sie in der Filiale Pratteln die Preisschilder an den Waren, die sie zu kaufen beabsichtigten, gegen Preisschilder mit einem niedrigeren Preis auswechselten, beim Kauf diesen niedrigeren Preis zahlten, einige Tage später die Waren, die sie wieder mit den Original-Preisetiketten versehen hatten, unter irgendeinem Vorwand zu einer Interio-Filiale in Pratteln, Dietlikon ZH, Emmenbrücke LU, Abtwil SG, Morges VD oder in Genf zurückbrachten und sich dafür den höheren Preis gemäss dem Original-Preisschild auszahlen liessen. Zweimal brachten die Eheleute X. die Möbel nicht selber zurück, sondern liessen sie, im Sommer 1987 und im April 1988, durch Bekannte zurückbringen, denen sie für diese Dienste jeweils ca. Fr. 200.-- übergaben. Die Eheleute X. verübten sodann am 2. Mai 1987 und am 1. März 1988 je einen Betrug zum Nachteil der Secura Versicherung und der Europäischen Reise-Versicherungs AG mit einer Deliktssumme von total Fr. 2'786.50. Sie meldeten diesen Versicherungsgesellschaften wahrheitswidrig den angeblichen Diebstahl von Waren, den sie zuvor der Polizei wider besseres Wissen angezeigt hatten. Von der Secura Versicherung erhielten sie den ganzen angeblichen Schaden von Fr. 230.-- ersetzt; von der Europäischen Reise-Versicherung AG, der sie eine Schadenssumme von Fr. 6'805.50 angegeben hatten, erhielten sie den Betrag von Fr. 2'556.50. BGE 116 IV 319 S. 322 B.- Am 13. Januar 1989 verurteilte das Strafgericht Basel-Land M. und R. X. wegen wiederholten und fortgesetzten vollendeten sowie wegen versuchten Betrugs, wegen wiederholter und fortgesetzter Urkundenfälschung und wegen wiederholter Irreführung der Rechtspflege zu bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafen von sechs Monaten bei einer Probezeit von zwei Jahren. Auf Appellation der Staatsanwaltschaft bestätigte das Obergericht des Kantons Basel-Landschaft am 22. August 1989 den erstinstanzlichen Entscheid. C.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Landschaft führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache zur Verurteilung der Angeklagten wegen gewerbsmässigen Betrugs an die Vorinstanz zurückzuweisen. D.- M. und R. X. beantragen Abweisung der Nichtigkeitsbeschwerde. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. a) Die 1. Instanz verneinte die Gewerbsmässigkeit im wesentlichen mit der Begründung, dass die Bereitschaft, um des Verdienstes willen unbestimmt viele Opfer zu schädigen, nicht erstellt sei; die Beschwerdegegner hätten nur die drei Firmen Interio AG (wobei sie allerdings sechs Filialen heimsuchten), Secura Versicherung und Europäische Reise-Versicherungs AG geschädigt und es könne ihnen auch nicht unterstellt werden, dass sie ohne die am 2. Mai 1988 erfolgte Anhaltung ihr deliktisches Tätigkeitsfeld ausgeweitet hätten. Die 1. Instanz vertrat im weiteren die Auffassung, dass auch die Deliktssumme von total rund Fr. 8'300.-- und der angesichts der Spesen für die Autofahrten erheblich geringere Reingewinn eher gegen eine gewerbsmässige Aktivität sprächen. Nach Meinung der 1. Instanz legt das in Art. 148 Abs. 2 StGB statuierte hohe Strafminimum von einem Jahr Zuchthaus eine enge Fassung des Begriffs der Gewerbsmässigkeit nahe. b) Gemäss den Ausführungen im angefochtenen Urteil lässt sich "das im Vergleich zum Grundtatbestand sehr hohe Mindeststrafmass von 1 Jahr Zuchthaus für den gewerbsmässigen Betrug ... nur dadurch erklären, dass der Gesetzgeber der aus einer asozialen Grundhaltung entspringenden sozialen Gefährlichkeit des Täters begegnen wollte". Das Obergericht verweist in diesem BGE 116 IV 319 S. 323 Zusammenhang unter anderem auf BGE 88 IV 61 (betreffend qualifizierten Diebstahl), in dem ebenfalls davon ausgegangen werde, dass die besondere Gefährlichkeit des gewerbsmässigen Vorgehens in einer "asozialen Grundhaltung und sittlichen Hemmungslosigkeit" des Täters begründet sei, aufgrund welcher befürchtet werden müsse, "er werde auch bei andern Gelegenheiten vor gleichen oder ähnlichen Handlungen nicht zurückschrecken". Entscheidend für die Antwort auf die Frage nach der Gewerbsmässigkeit ist nach Meinung des Obergerichts daher, ob beim Täter "eben diese asoziale Grundhaltung und sittliche Hemmungslosigkeit" vorliege. Gemäss den weiteren Ausführungen im angefochtenen Entscheid darf diese asoziale Grundhaltung, die auch in verschiedenen Bundesgerichtsentscheiden erwähnt werde, nicht einfach der Bereitschaft des Täters, gegenüber unbestimmt vielen zu handeln, gleichgestellt werden; diese Bereitschaft könne zwar eine asoziale Grundhaltung anzeigen, lasse aber nicht den zwingenden Schluss auf eine solche zu. Die erforderliche asoziale Grundhaltung bedarf nach Meinung des Obergerichts einer besonderen Begründung in Würdigung der in der Person des Täters liegenden Umstände. Gemäss den weiteren Ausführungen im angefochtenen Entscheid begründet die nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zur Bejahung der Gewerbsmässigkeit unter anderem erforderliche Bereitschaft, gegenüber unbestimmt vielen zu handeln, mithin nur dann die Gewerbsmässigkeit, wenn diese Bereitschaft auf einer asozialen Grundhaltung des Täters beruht, nicht aber dann, wenn die Bereitschaft durch andere Umstände, etwa jugendliches Alter und Unüberlegtheit, finanzielle Notlage usw. hervorgerufen oder begünstigt wird und sich daher eine Mindeststrafe von einem Jahr Zuchthaus nicht rechtfertige. Das Obergericht führt zudem aus, dass die Bereitschaft des Täters, gegen unbestimmt viele zu handeln, als solche kein taugliches Kriterium für die Abgrenzung des gewerbsmässigen Handelns vom wiederholten oder fortgesetzten Handeln bilde; denn bei einem Täter, der die Tat bereits wiederholt begangen hat, werde in den meisten Fällen faktisch allein schon daraus auf die Bereitschaft, gegen unbestimmt viele zu handeln, geschlossen, und werde ein solcher Schluss nur bei Vorliegen ungewöhnlicher Umstände ausnahmsweise nicht gezogen. Auch aus diesem Grunde kann nach Meinung der Vorinstanz nur die einer asozialen Grundhaltung entspringende Bereitschaft, gegen unbestimmt viele zu handeln, Gewerbsmässigkeit begründen. BGE 116 IV 319 S. 324 Das Obergericht hält fest, dass die Beschwerdegegner durch die Aufnahme eines Kleinkredits und den Wegfall des Einkommens der Beschwerdegegnerin 2 zufolge Schwangerschaft unter einen erheblichen finanziellen Druck geraten seien und dass sie sich vor allem angesichts dieser finanziellen Notlage, aber auch aufgrund ihres jugendlichen Alters (sie sind in den Jahren 1964 bzw. 1965 geboren) und ihrer Unüberlegtheit zu den Delikten entschlossen hätten. Es kommt in Würdigung dieser Umstände zum Schluss, dass bei den Beschwerdegegnern keine die hohe Mindeststrafe von einem Jahr Zuchthaus rechtfertigende asoziale Grundhaltung vorliege und ihr Vorgehen daher nicht als gewerbsmässig im Sinne von Art. 148 Abs. 2 StGB qualifiziert werden könne. c) Die Staatsanwaltschaft macht unter Berufung auf die auch im angefochtenen Urteil zitierten BGE 71 IV 115 , BGE 72 IV 110 und BGE 86 IV 10 geltend, dass die Gewerbsmässigkeit entgegen der Meinung des Obergerichts nicht eine (subjektive) asoziale Grundhaltung, sondern eine (objektive) soziale Gefährlichkeit voraussetze. Sie beruft sich auf BGE 74 IV 142 (betreffend Inverkehrbringen gefälschter Waren), wonach es nicht darauf ankommt, "ob der Täter aus Not oder aus Gewinnsucht das Vergehen zum Gewerbe mache". Sie verweist auf TRECHSEL, der festhält (Kurzkommentar, Art. 148 StGB N 30), dass nach der bundesgerichtlichen Praxis "nicht so sehr die besonders verwerfliche Gesinnung des Täters ... als vielmehr die besondere soziale Gefährlichkeit des Täters, von dem eine unbestimmte Vielzahl von Delikten droht", den Qualifikationsgrund ausmacht. Die Staatsanwaltschaft legt dar, dass vorliegend sämtliche Elemente der Gewerbsmässigkeit nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung erfüllt seien. Sie hält fest, dass die Beschwerdegegner innerhalb von 16 Monaten 22 bis 24 Betrüge zum Nachteil der Interio AG und je einen Betrug zum Nachteil von zwei Versicherungsgesellschaften verübt und damit eindeutig wiederholt gehandelt hätten. Sie weist darauf hin, die Beschwerdegegner hätten sich durch diese quasi "nebenberuflich" verübten Taten während des genannten Zeitraums einen monatlichen Zusatzverdienst von mindestens Fr. 300.--, im Durchschnitt von über Fr. 500.-- verschafft und damit in der Absicht gehandelt, zu einem Erwerbseinkommen zu gelangen. Die Staatsanwaltschaft führt weiter aus, dass auch die Bereitschaft, gegenüber unbestimmt vielen zu handeln, gegeben sei. Sie verweist in diesem Zusammenhang auf BGE 94 IV 21 , BGE 116 IV 319 S. 325 wonach diese Bereitschaft auch bestehen kann, "wenn der Täter sich ausschliesslich gegen die gleiche Person vergangen hat", vorausgesetzt nur, "dass nicht aus besonderen Gründen geschlossen werden muss, der Täter habe sich nur gerade gegen diese eine Person vergehen wollen und er wäre gegenüber andern Personen, selbst wenn sich ihm eine passende Gelegenheit geboten hätte, untätig geblieben". Die Staatsanwaltschaft hält dazu fest, dass die Beschwerdegegner zwar zur Hauptsache gegenüber der Interio AG aktiv geworden seien, weil dort ihr System einwandfrei funktioniert habe, dass sie aber die Bereitschaft, auch gegen andere vorzugehen, durch die beiden Versicherungsbetrüge zum Nachteil von zwei Versicherungsgesellschaften eindrücklich demonstriert hätten. Die Staatsanwaltschaft zieht sinngemäss aus der Dauer der deliktischen Tätigkeit, der Zahl der Einzeltaten und ihrer Regelmässigkeit den Schluss, dass die Beschwerdegegner ihre Deliktsserie in der Zukunft fortgesetzt hätten, wenn sie nicht am 2. Mai 1988 angehalten worden wären, nachdem sie die letzte Tat zum Nachteil der Interio AG im April 1988 verübt hatten. Die Staatsanwaltschaft hält fest, dass Gewerbsmässigkeit auch dann gegeben sei, wenn man davon ausgehe, dass die Beschwerdegegner in der Zukunft lediglich gegen die Interio AG nach bewährtem System weiter delinquiert hätten; sie verweist auf BGE 115 IV 34 , wo das Bundesgericht in Präzisierung seiner Praxis die bisher geforderte "Bereitschaft, gegen unbestimmt viele zu handeln", der "Bereitschaft, in unbestimmt vielen Fällen zu handeln", gleichgesetzt habe. 2. Betrug wird gemäss Art. 148 Abs. 1 StGB mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis (von mindestens drei Tagen, Art. 36 StGB ) bestraft. Nach Art. 148 Abs. 2 StGB wird der Betrüger mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren und mit Busse bestraft, wenn er den Betrug gewerbsmässig betreibt. Die Mindeststrafe beträgt in diesem Fall mithin ein Jahr Zuchthaus ( Art. 35 StGB ). Nach der ständigen bundesgerichtlichen Rechtsprechung handelt gewerbsmässig, wer in der Absicht, zu einem Erwerbseinkommen zu gelangen, und mit der Bereitschaft, gegenüber unbestimmt vielen (oder bei jeder sich bietenden Gelegenheit) zu handeln, die Tat wiederholt verübt ( BGE 110 IV 31 E. 2, BGE 107 IV 82 E. 3a, 174 E. 2, BGE 99 IV 88 E. 7, BGE 94 IV 21 E. 1 und andere mehr). Das Bundesgericht hat in BGE 115 IV 34 , der Kreditkartenbetrüge betraf, in Präzisierung dieser Rechtsprechung erkannt, dass nicht auf die Anzahl der Geschädigten oder Getäuschten abzustellen, sondern BGE 116 IV 319 S. 326 vielmehr die Bereitschaft, in unbestimmt vielen Fällen zu handeln, entscheidend sei. a) Die bundesgerichtliche Definition der Gewerbsmässigkeit gemäss der ständigen Rechtsprechung stösst in der herrschenden Lehre seit langer Zeit auf Kritik (HALTER, ZStrR 62/1947, S. 350 ff.; MOPPERT, SJZ 65/1969, S. 172; SCHULTZ, ZStrR 78/1962, S. 10 ff.; derselbe, ZBJV 105/1969, S. 402; derselbe, ZStrR 88/1972, S. 11 f.; STRATENWERTH, Festgabe Schultz, ZStrR 94/1977, S. 88 ff.; REHBERG, Strafrecht III, 5. Auflage, S. 75; NOLL, Strafrecht Besonderer Teil, S. 140 und 206 f.; CHRISTIAN-NILS ROBERT, SJK Nr. 77 (1981); PHILIPPE GRAVEN, SJK Nr. 822 (1974), S. 4; SCHUBARTH, Kommentar zum Strafgesetzbuch, Art. 119 N 26 ff.; neuerdings eingehend BEAT ANDREAS SCHNELL, Der gewerbsmässige Betrug ( Art. 148 Abs. 2 StGB ), Diss. Bern 1989, insbes. S. 63 ff.). Sie ist auch in der kantonalen Praxis immer wieder auf Widerstand gestossen und nicht befolgt worden (vgl. die Nachweise bei STRATENWERTH, op.cit., S. 88; TRECHSEL, Kurzkommentar, Art. 148 StGB N 34; STAUB, ZStrR 103/1986, S. 322 Fn. 5). Diese Kritik wird unter anderem mit dem Hinweis darauf begründet, dass das StGB bei verschiedenen Straftaten für den durch die Gewerbsmässigkeit qualifizierten Tatbestand eine vergleichsweise hohe Mindeststrafe von beispielsweise einem Jahr Zuchthaus (so etwa in Art. 144 Abs. 3 und 148 Abs. 2 StGB) oder gar von drei Jahren Zuchthaus (so in Art. 119 Ziff. 3 StGB ) androht, die zudem wesentlich höher ist als die für die entsprechenden Grundtatbestände angedrohte Mindeststrafe von drei Tagen Gefängnis (Art. 144 Abs. 1, 148 Abs. 1, 119 Ziff. 1 StGB). b) Das Bundesgericht hat in einem nicht publizierten Urteil vom 27. März 1990 in Sachen G. c. ZH eingeräumt, dass es wohl Fälle geben mag, die bei formaler Betrachtungsweise von der bundesgerichtlichen Definition der Gewerbsmässigkeit erfasst werden, bei denen aber eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr, wie sie das StGB etwa für gewerbsmässigen Betrug androht, als stossend erscheint. Schon im nicht publizierten Urteil vom 4. Juni 1984 in Sachen G. c. ZH hat es unter Hinweis auf verschiedene Autoren anerkannt, dass die weit gefasste Umschreibung der Gewerbsmässigkeit, wie sie in der Praxis entwickelt worden ist, bei den Strafnormen, welche für gewerbsmässige Begehung eine Mindeststrafe von einem Jahr Zuchthaus androhen, zu Härtefällen führen kann. Es hat offengelassen, ob der durch solche Härtefälle ausgelösten Kritik durch eine andere Definition des Begriffs der BGE 116 IV 319 S. 327 Gewerbsmässigkeit oder eher durch eine vom Gesetzgeber vorzunehmende Reduktion der betreffenden Strafdrohungen Rechnung zu tragen sei. c) Der Gesetzgeber hat schon verschiedentlich der ständigen bundesgerichtlichen Rechtsprechung betreffend die Gewerbsmässigkeit Rechnung getragen. Die Erhöhung der noch bedingt vollziehbaren Freiheitsstrafen von maximal einem Jahr (Gefängnis) auf höchstens 18 Monate (Gefängnis oder Zuchthaus) durch Bundesgesetz vom 18. März 1971 wurde nicht zuletzt auch damit begründet, dass auch die sogenannten "kleinen Fische", die wegen gewerbsmässigen Betrugs zu einer Zuchthausstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt werden müssen, noch in den Genuss des bedingten Strafvollzugs kommen können sollen (Amtl.Bull. NR 1969 S. 106 f., Voten Gerwig und Schmid, 1970 S. 523, Votum Gerwig; SR 1970 S. 431 f., Votum Hofmann), wobei die Votanten den von ihnen kritisierten Missstand allerdings nicht ausdrücklich auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung zur Gewerbsmässigkeit zurückführten. Durch Bundesgesetz vom 9. Oktober 1981 (betreffend Gewaltverbrechen) hat der Gesetzgeber unter anderem die Regelung bezüglich des qualifizierten Diebstahls dergestalt geändert, dass das gewerbsmässige Stehlen nicht mehr als ein Beispiel der Offenbarung von besonderer Gefährlichkeit des Täters aufgeführt, sondern in einem selbständigen Absatz (1bis) geordnet wird, wobei die Mindeststrafe für gewerbsmässigen Diebstahl bei drei Monaten Gefängnis belassen, während sie für die übrigen Fälle des qualifizierten Diebstahls von drei Monaten auf sechs Monate Gefängnis erhöht worden ist. In den Eidgenössischen Räten wurde dazu unter anderem festgehalten, dass nach der Bundesgerichtspraxis sehr rasch Gewerbsmässigkeit angenommen werde und dass man den kleinen gewerbsmässigen Dieb nicht stärker anpacken möchte, als dies schon heute der Fall sei (Amtl.Bull. NR 1980, Votum Frau Blunschy; SR 1981, Votum Binder). Gemäss Art. 19 Ziff. 2 BetmG liegt ein schwerer Fall des Betäubungsmittelhandels unter anderem dann vor, wenn der Täter "durch gewerbsmässigen Handel einen grossen Umsatz oder einen erheblichen Gewinn erzielt". Diese Erfordernisse der Erzielung eines grossen Umsatzes oder eines erheblichen Gewinns sind aufgestellt worden, damit nicht "kleine Fische" als gewerbsmässige Täter der qualifizierten Bestrafung unterliegen ( BGE 106 IV 234 E. 7c mit Hinweisen auf die Gesetzesmaterialien). Ebenso liegt nach Art. 305bis Ziff. 2 StGB betreffend Geldwäscherei ein schwerer BGE 116 IV 319 S. 328 Fall unter anderem dann vor, wenn der Täter "durch gewerbsmässige Geldwäscherei einen grossen Umsatz oder einen erheblichen Gewinn erzielt". Im Bericht des EJPD zum Vorentwurf über die Änderung des StGB und des Militärstrafgesetzes betreffend die strafbaren Handlungen gegen das Vermögen und die Urkundenfälschung wird festgehalten, dass die bundesgerichtliche Umschreibung der Gewerbsmässigkeit bei der Expertenkommission Bedenken erweckt. Dabei ist der Kommission laut Bericht nicht entgangen, dass die Auslegung dieses Begriffs, insbesondere als Voraussetzung der hohen Mindeststrafe von einem Jahr Zuchthaus für qualifizierten Betrug im Sinne von Art. 148 Abs. 2 StGB , nicht einfach ist. Im Bericht wird darauf hingewiesen, dass das Bundesgericht es in BGE 99 IV 88 abgelehnt habe, den Begriff der Gewerbsmässigkeit auf planmässiges oder organisiertes, einem wirklichen Gewerbe ähnliches, berufsmässiges Verhalten zu begrenzen. Die Expertenkommission hat dennoch davon abgesehen, eine gesetzliche Definition der Gewerbsmässigkeit vorzuschlagen oder diesen Qualifikationsgrund zu streichen. Sie ist der Auffassung, dass das Problem der Auseinandersetzung von Wissenschaft und Praxis zu überlassen sei. Die Kommission schlägt zwecks Milderung der heute bestehenden Härten vor, die Mindeststrafe für gewerbsmässigen Betrug (Art. 146 Abs. 2 VE) auf drei Monate Gefängnis herabzusetzen und die Busse fallenzulassen (vgl. zum ganzen Bericht des EJPD S. 19). Im Bericht und Vorentwurf zur Revision des Allgemeinen Teils und des Dritten Buches des Schweizerischen Strafgesetzbuchs verweist SCHULTZ auf die von STRATENWERTH (op.cit., S. 105) vorgeschlagene Umschreibung, wonach gewerbsmässig handelt, wer das strafbare Verhalten "zum Gewerbe macht" und "durch eben diesen Umstand in der Delinquenz festgehalten" wird. Diese Umschreibung würde gemäss SCHULTZ zur Formel führen, dass gewerbsmässig handelt, wer die strafbare Tätigkeit zu seinem Gewerbe macht und dadurch veranlasst wird, weiter zu delinquieren (Bericht und Vorentwurf S. 241). SCHULTZ hält fest, dass die von STRATENWERTH gefundene Formulierung sachlich volle Zustimmung verdient, "doch scheint sie sich ... nicht zur Aufnahme in das Gesetz zu eignen, weil sie scheinbar tautologisch klingt und der Auslegung bedarf" (Bericht und Vorentwurf S. 241). Im Vorentwurf SCHULTZ wird daher auf eine Definition der Gewerbsmässigkeit im Allgemeinen Teil des StGB verzichtet. BGE 116 IV 319 S. 329 3. a) Die Definition der Gewerbsmässigkeit gemäss der langjährigen bundesgerichtlichen Rechtsprechung kann nicht aufrechterhalten werden. Sie ist vor allem deshalb aufzugeben, weil darunter auch Handlungen fallen können, für welche die in verschiedenen Bestimmungen des StGB für gewerbsmässiges Handeln angedrohte Mindeststrafe - etwa von einem Jahr Zuchthaus gemäss Art. 144 Abs. 3, 148 Abs. 2, 156 Ziff. 2, 157 Ziff. 2 StGB - unverhältnismässig ist. Es kommt hinzu, dass die neu in Art. 19 Ziff. 2 BetmG und Art. 305bis Ziff. 2 StGB durch den Gesetzgeber aufgenommenen Qualifizierungsgründe (vgl. dazu oben E. 2c) auf eine Absage an die Gewerbsmässigkeitsdefinition des Bundesgerichts hinauslaufen. Durch eine restriktive Auslegung dieser Definition - etwa der Merkmale der "wiederholten" Verübung der Tat, des "Erwerbseinkommens", der "Bereitschaft, gegenüber unbestimmt vielen bzw. in unbestimmt vielen Fällen zu handeln" - könnten zwar Härten teilweise vermieden werden. Zweckmässiger ist die Aufgabe der bisherigen Definition. b) Die Umschreibung der Gewerbsmässigkeit in einer vergleichsweise knappen, abstrakten Formel ist schwierig. Sie kann letztlich nur eine Richtlinienfunktion haben. Gewerbsmässigkeit kann, wie bis anhin (vgl. schon BGE 70 IV 16 ), nur dann gegeben sein, wenn erstens der Täter die Tat bereits mehrfach begangen hat; dieses Erfordernis dürfte sich schon aus dem Wortlaut von Art. 148 Abs. 2 StGB ergeben, in dem vom Täter die Rede ist, der den Betrug gewerbsmässig "betreibt". Sodann ist nach wie vor erforderlich, dass der Täter zweitens in der Absicht handelt, ein Erwerbseinkommen zu erlangen, und dass drittens aufgrund seiner Taten geschlossen werden muss, er sei zu einer Vielzahl von unter den fraglichen Tatbestand fallenden Handlungen bereit gewesen. Entscheidend und schwierig sind aber die Antworten auf die Fragen, welches Ausmass und welchen Umfang die bereits verübten und die künftigen Taten sowie das bereits erzielte und das angestrebte Einkommen haben müssen und aus welchen Umständen auf die Bereitschaft zu weiteren gleichartigen Delikten geschlossen werden darf. Der Richter hat bei der Entscheidung der Frage, ob im konkreten Fall Gewerbsmässigkeit gegeben sei, stets auch die Höhe der angedrohten Mindeststrafe zu berücksichtigen. Denn bei der Auslegung von Straftatbeständen ist auch der angedrohten Strafe Rechnung zu tragen (vgl. GERMANN, ZStrR 54/1940, S. 345 ff., derselbe, Kommentar zum Schweizerischen Strafgesetzbuch, Art. 1 N 9.2 ; BGE 106 IV 25 ). Dafür spricht bereits der Grundsatz BGE 116 IV 319 S. 330 der Verhältnismässigkeit, dem gerade auch im Strafrecht eine grosse Bedeutung zukommt, und das Schuldprinzip. Gewerbsmässigkeit darf daher nur bejaht werden, wenn unter Berücksichtigung der gesamten Umstände, zu denen insbesondere auch der Deliktsbetrag gehört, die Ausfällung der im Gesetz angedrohten Mindeststrafe - bei gewerbsmässigem Betrug ein Jahr Zuchthaus - gerechtfertigt erscheint. Zu beachten ist überdies, dass der Richter auch im Rahmen des Grundtatbestandes eine Strafe von beispielsweise über einem Jahr aussprechen kann, wenn Unrechts- und Schuldgehalt der Tat dies erfordern. c) Es fällt auf, dass sich das Problem der Gewerbsmässigkeit bis heute kaum je bei Fällen aus der französischen und aus der italienischen Schweiz gestellt hat. Der Grund hiefür liegt offenbar darin, dass die entsprechenden Formulierungen in den romanischen Gesetzestexten "fait métier" bzw. "fa mestiere" wesentlich plastischer zum Ausdruck bringen, was mit Gewerbsmässigkeit gemeint ist. Die Qualifikation liegt im "berufsmässigen" Handeln. So werden im Kanton Genf beispielsweise wegen gewerbsmässigen Betrugs Täter verfolgt, die unter falschen Angaben gegenüber vielen Personen in grossem Stil Sammlungen organisieren, und werden wegen gewerbsmässigen Diebstahls Einbrecher verfolgt, die, gut organisiert, ganze Quartiere systematisch heimsuchen, oder Taschendiebe, die mit grossem Geschick ihrem Metier nachgehen und von den dabei erzielten Einkünften leben. 4. Im Begriff des berufsmässigen Handelns liegt der Ansatzpunkt für die neue Umschreibung der Gewerbsmässigkeit. Der Täter handelt berufsmässig, wenn sich aus der Zeit und den Mitteln, die er für die deliktische Tätigkeit aufwendet, aus der Häufigkeit der Einzelakte innerhalb eines bestimmten Zeitraums sowie aus den angestrebten und erzielten Einkünften ergibt, dass er die deliktische Tätigkeit nach der Art eines Berufes ausübt. a) Diese abstrakte Umschreibung gilt für das gesamte Vermögensstrafrecht. Sie kann aber, wie gesagt (siehe vorn E. 3b), insoweit nur Richtlinienfunktion haben. Eine Konkretisierung der Umschreibung ist angesichts der unterschiedlichen Phänomene und der unterschiedlich hohen Mindeststrafen bei den verschiedenen Delikten - z.B. ein Jahr Zuchthaus für gewerbsmässigen Betrug, drei Monate Gefängnis für gewerbsmässigen Diebstahl - nur für die einzelnen Tatbestände oder für einzelne Gruppen gleichartiger Tatbestände möglich. Es liegt nämlich auf der Hand, BGE 116 IV 319 S. 331 dass je nach dem konkreten Tatvorgehen ein mehr oder weniger grosser Aufwand an Zeit und Mitteln zur Erzielung der angestrebten Einkünfte erforderlich ist. Kriterien wie "Planmässigkeit", "Organisation" etc., die in der Literatur als Definitionsmerkmale vorgeschlagen werden, können im Einzelfall ein Indiz für Gewerbsmässigkeit sein. Das Kriterium der "Organisation" weist allerdings, soweit damit das sogenannte "organisierte Verbrechen" unter Einbeziehung mehrerer Täter gemeint ist, eher auf Bandenmässigkeit hin. Zwar ist das sogenannte "organisierte Verbrechen" in der Regel ein typischer Fall des gewerbsmässigen bzw. berufsmässigen Verbrechens; doch kann auch der Einzeltäter gewerbsmässig handeln. Entscheidend ist, ob die deliktische Tätigkeit aufgrund der gesamten Umstände als berufsmässige erscheint. b) Es ist sodann entgegen der von verschiedenen Autoren vertretenen Auffassung nicht erforderlich, dass der Täter die deliktische Tätigkeit gewissermassen "hauptberuflich" oder etwa im Rahmen seines legalen Berufes oder Gewerbes betreibt; eine quasi "nebenberufliche" deliktische Tätigkeit kann als Voraussetzung für Gewerbsmässigkeit genügen. Zwar ist nicht zu übersehen, dass die Schwierigkeiten bei der Abgrenzung des gewerbsmässigen vom nicht gewerbsmässigen Handeln gerade auch durch den Einbezug der "nebenberuflichen" deliktischen Tätigkeit unter den Begriff der Gewerbsmässigkeit entstehen, da es in diesem Fall zu bestimmen gilt, in welchem Verhältnis die deliktische zur nicht deliktischen Tätigkeit etwa in bezug auf den Zeitaufwand und insbesondere den Umfang des Einkommens stehen muss, damit noch von Gewerbsmässigkeit gesprochen werden kann. Es könnte sodann an sich genügen, die bloss, aber immerhin "nebenberufliche" deliktische Tätigkeit innerhalb des für den Grundtatbestand festgelegten Strafrahmens (bei Art. 144, 148, 156, 157 StGB: drei Tage Gefängnis bis fünf Jahre Zuchthaus), der bei Annahme wiederholter Tatverübung sich gemäss Art. 68 StGB um die Hälfte (auf 7 1/2 Jahre Zuchthaus) erweitert, straferhöhend zu berücksichtigen. Entscheidend ist aber, dass die besondere soziale Gefährlichkeit des Täters, welche dessen Unterstellung unter den Strafrahmen für den qualifizierten Tatbestand rechtfertigt, weniger davon abhängt, ob der Täter hauptberuflich oder nebenberuflich delinquiert, als vielmehr davon, aus welchen Gründen bzw. mit welcher Zielsetzung er die Straftaten verübt. So kann ein nebenberuflich delinquierender Täter bei hoher Zielsetzung mehr kriminelle Energie entwickeln und daher sozial gefährlicher sein als ein hauptberuflich BGE 116 IV 319 S. 332 delinquierender Täter mit vergleichsweise bescheidenen Ansprüchen. Wesentlich ist nach der insoweit zutreffenden Auffassung von STRATENWERTH (op.cit., S. 105), dass der Täter "in der Delinquenz festgehalten" wird. Dies kann aber, je nach den Zielen des Täters und weiteren Umständen, auch bei nebenberuflicher deliktischer Tätigkeit der Fall sein. Der Verzicht auf eine nebenberufliche deliktische Tätigkeit kann, je nach den Umständen, schwerer fallen als die Aufgabe einer hauptberuflichen deliktischen Tätigkeit. c) Wesentlich für die Annahme von Gewerbsmässigkeit ist, dass der Täter durch die deliktischen Handlungen relativ regelmässige Einnahmen erzielt und anstrebt, die einen namhaften Beitrag an die Kosten zur Finanzierung seiner Lebensgestaltung darstellen. Gerade wenn der Täter, wie aus den gesamten Umständen geschlossen werden muss, "sich darauf eingerichtet hat", durch deliktische Handlungen Einkünfte zu erzielen, die einen namhaften Beitrag an die Kosten zur Finanzierung seiner Lebensgestaltung darstellen, ist die soziale Gefährlichkeit gegeben. Dabei kann Gewerbsmässigkeit aber auch vorliegen, wenn sich der Täter vorgenommen hat, nur beispielsweise bis zur Erreichung eines bestimmten, aber doch relativ hochgesteckten finanziellen Ziels und somit lediglich für eine gewisse, aber immerhin längere Zeit gleichartige Straftaten zu verüben. Ob sich der Täter auf deliktische Tätigkeit eingerichtet hat, ist aufgrund der Umstände zu entscheiden. Auf die Bereitschaft zu deliktischer Tätigkeit in der Zukunft darf indessen nicht allein aus dem Umstand geschlossen werden, dass der Täter die unter den fraglichen Tatbestand fallende Tat schon wiederholt bzw. mehrfach verübt hat; denn in diesem Fall wäre die Unterscheidung zwischen gewerbsmässigem Handeln einerseits und fortgesetztem oder wiederholtem Handeln anderseits faktisch aufgehoben. Hingegen sind aber die Anzahl bzw. die Häufigkeit der während eines bestimmten Zeitraums bereits verübten Taten, teilweise auch die Dauer der deliktischen Tätigkeit, relevante Umstände im Rahmen der Beurteilung der Frage, ob sich der Täter darauf eingerichtet hat, durch Einkünfte aus deliktischer Tätigkeit einen namhaften Beitrag an die Kosten zur Finanzierung seiner Lebensgestaltung zu erzielen. Zu den insoweit relevanten Umständen können auch die Entwicklung eines bestimmten Systems bzw. einer bestimmten Methode, der Aufbau einer Organisation, die Vornahme von Investitionen usw. gehören. Bei diesen Umständen handelt es sich BGE 116 IV 319 S. 333 indessen nicht um notwendige Voraussetzungen für die Annahme von Gewerbsmässigkeit, sondern lediglich um Kriterien, die als Entscheidungshilfen dienen können im Rahmen der Beantwortung der wesentlichen Frage, ob der Täter sich auf deliktische Tätigkeit eingerichtet hat. Nicht erforderlich ist, hinsichtlich der bereits verübten Taten etwa in bezug auf deren Häufigkeit innerhalb eines bestimmten Zeitraums oder in bezug auf den Deliktsbetrag oder bezüglich des Anteils der durch die Delikte erzielten Einnahmen am Gesamteinkommen Zahlen und Ziffern festzulegen. Die Häufigkeit der Einzelakte innerhalb eines bestimmten Zeitraums hängt ja unter anderem auch von der Höhe der durch die einzelnen Taten erzielten Einkünfte sowie etwa davon ab, ob für die einzelne Tat eine mehr oder weniger umfangreiche Planung und Vorbereitung erforderlich ist. Der Sachrichter wird bei der Entscheidung der Frage, ob gewerbsmässiges Handeln gegeben sei oder nicht, stets die im zu würdigenden Tatbestand für gewerbsmässiges Handeln angedrohte Mindeststrafe beachten (vgl. oben E. 3b). Da die Umschreibung des Begriffs der Gewerbsmässigkeit zwangsläufig vage ist und daher, wie erwähnt, nur eine Richtlinienfunktion haben kann, wird der Sachrichter die Gewerbsmässigkeit verneinen, wenn die eingeklagten Taten unter den gegebenen Umständen zwar bei formaler Betrachtungsweise unter die Umschreibung des Begriffs fallen, die angedrohte Strafe aber im konkreten Fall, insbesondere angesichts des Deliktsbetrages, unter Berücksichtigung der für den Grundtatbestand angedrohten Mindeststrafe als zu hoch erscheint, weil der Fall nicht schwer genug wiegt. Daher können etwa beim gewerbsmässigen Diebstahl angesichts der im Vergleich zu andern gewerbsmässigen Straftaten gegen das Eigentum und das Vermögen vergleichsweise niedrigen Mindeststrafe von drei Monaten Gefängnis weniger hohe Anforderungen an die Gewerbsmässigkeit gestellt werden als etwa bei Hehlerei, Betrug, Erpressung und Wucher. d) Die asoziale Grundhaltung des Täters ist nicht eine selbständige Voraussetzung der Gewerbsmässigkeit. Die asoziale Grundhaltung bzw. die soziale Entfremdung kann allenfalls für die Frage von Bedeutung sein, ob an Stelle des Strafvollzugs eine Massnahme anzuordnen sei. Auch der Täter, der sich in einer Notlage, etwa weil er (teil)arbeitslos geworden ist, darauf einrichtet, fortan bis zum ungewissen bzw. unbestimmten Ende dieser Notlage durch Einkünfte aus deliktischer Tätigkeit einen namhaften Beitrag an BGE 116 IV 319 S. 334 die Kosten zur Finanzierung seiner Lebensgestaltung zu erzielen, kann gewerbsmässig handeln. 5. Im Lichte der vorstehenden Ausführungen ist im vorliegenden Fall die Gewerbsmässigkeit im Sinne von Art. 148 Abs. 2 StGB nach der im Ergebnis zutreffenden Auffassung der Vorinstanzen zu verneinen. Die Beschwerdegegner begingen innerhalb von 16 Monaten 22 bis 24 Betrüge zum Nachteil der Interio AG und je einen Versicherungsbetrug zum Nachteil der Secura Versicherung und der Europäischen Reise-Versicherungs AG. Die Häufigkeit der gleichartigen Straftaten innerhalb eines bestimmten Zeitraums spricht für die Annahme von Gewerbsmässigkeit. Die Beschwerdegegner begannen mit diesen Straftaten, weil die Beschwerdegegnerin 2 wegen Schwangerschaft ihre Erwerbstätigkeit aufgeben musste und das Einkommen des Beschwerdegegners 1 allein zur Tilgung der Kleinkreditschulden und zur Bestreitung des Lebensunterhalts nicht ausreichte. Das spricht nicht gegen Gewerbsmässigkeit. Der Umstand, dass die Beschwerdegegner im wesentlichen stets gegen die gleiche Unternehmung, die Interio AG, vorgingen, spricht ebenfalls nicht notwendigerweise gegen die Annahme von Gewerbsmässigkeit. Gewerbsmässig kann auch der Täter handeln, der stets gegen die gleiche, grosse Unternehmung vorgeht, etwa weil er mit deren Strukturen vertraut ist und sich das von ihm angewandte System insoweit bewährt hat (vgl. etwa den BGE 115 IV 34 ff. zugrunde liegenden Sachverhalt: organisierter Missbrauch von Kreditkarten). Das Vorgehen der Beschwerdegegner gegen die Interio AG beruhte auf einem gewissen System, erforderte eine gewisse Organisation, die Aufwendung von Zeit (Reisen in verschiedene Filialen der Interio AG) und den Einsatz von Mitteln (Kauf der Waren, die dann wieder zurückgebracht werden sollten). Das Tatvorgehen war insoweit aber ziemlich umständlich, auch wenn in zwei Fällen zur Rückgabe der gekauften Möbel Drittpersonen eingesetzt werden konnten, und es war wenig ergiebig, erst recht, wenn die eingesetzten Drittpersonen für ihre Dienste belohnt werden mussten. Es ist zweifelhaft, ob diese Umstände den Schluss zulassen, dass sich die Beschwerdegegner für längere Zeit auf eine betrügerische Tätigkeit eingerichtet hatten; wie es sich damit verhält, kann indessen dahingestellt bleiben. Entscheidend ist, dass unter Mitberücksichtigung der beiden Versicherungsbetrüge der Deliktsbetrag total lediglich rund Fr. 8'300.-- ausmacht und dass die beiden Beschwerdegegner somit im Verlauf von BGE 116 IV 319 S. 335 16 Monaten lediglich Bruttoeinnahmen von durchschnittlich etwas über Fr. 250.-- pro Kopf und Monat erzielten. Diese Beträge sind sowohl absolut als auch relativ, d.h. als Beitrag an die Kosten zur Finanzierung der Lebensgestaltung, derart niedrig, dass angesichts der in Art. 148 Abs. 2 StGB angedrohten Mindeststrafe von einem Jahr Zuchthaus nicht Gewerbsmässigkeit im Sinne dieser Bestimmung angenommen werden darf. Die Beschwerdegegner manifestierten durch die ihnen zur Last gelegten Taten nicht jenes Mass an krimineller Energie einerseits und sozialer Gefährlichkeit anderseits, wie sie einem gewerbsmässigen Betrüger eigen sind. Die Beschwerde ist somit abzuweisen.
null
nan
de
1,990
CH_BGE
CH_BGE_006
CH
Federation
c5d0b5f8-0c5b-4471-aa9f-0a18af1ea42e
Urteilskopf 86 IV 29 10. Urteil des Kassatlonshofes vom 22. Januar 1960 i.S. Polizeirichteramt der Stadt Zürich gegen Schwager.
Regeste Art. 1 Abs. 1 MFG. Unter welchen Voraussetzungen untersteht das Areal eines Güterbahnhofes den Regeln des MFG?
Sachverhalt ab Seite 29 BGE 86 IV 29 S. 29 A.- Am 31. Dezember 1958 fuhr Schwager mit einem Lastwagen über das Areal des Güterbahnhofes Zürich. Als er sein Fahrzeug wendete, um rückwärts gegen die Güterhalle zu fahren und dort Waren zum Transport abzuliefern, stiess er mit dem Rollerfahrer Wiesmann zusammen. Das Areal des Güterbahnhofes ist teils durch einen Zaun, teils durch die an der Hohlstrasse liegenden Gebäude eingeschlossen. Die Zufahrt wird durch zwei an jedem Ende des Areals liegende Tore ermöglicht, an denen Tafeln mit der Aufschrift: "Bahnpolizeilich Durchgangsverkehr verboten" angebracht sind. B.- Der Polizeirichter der Stadt Zürich büsste Schwager am 12. März 1959 wegen Übertretung von Art. 48 Abs. 3 MFV mit Fr. 25.-. Schwager verlangte gerichtliche Beurteilung. Der Einzelrichter des Bezirksgerichts Zürich sprach mit Urteil vom 9. Oktober 1959 Schwager von der ihm zur Last gelegten Übertretung frei mit der Begründung, das Areal des Güterbahnhofes Zürich sei keine "dem Motorfahrzeug oder dem Fahrrad geöffnete Strasse" im Sinne von Art. 1 Abs. 1 zweiter Halbsatz MFG. Die Verkehrsvorschriften BGE 86 IV 29 S. 30 des MFG seien daher auf diesem Areal nicht anwendbar, weshalb Schwager nicht wegen Verletzung von Art. 48 MFV bestraft werden könne. C.- Gegen diesen Entscheid führt der Polizeirichter der Stadt Zürich Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil sei aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Schwager beantragt unter Hinweis auf die Erwägungen des angefochtenen Urteils, die Beschwerde sei abzuweisen. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: 1. Das MFG regelt nach Art. 1 Abs. 1 die Verwendung von Motorfahrzeugen und Fahrrädern im öffentlichen Verkehr (vgl. die Art. 5 bis 16 MFG und 7 bis 36 MFV), und es stellt Verkehrsvorschriften auf für die Benützer der dem Motorfahrzeug oder dem Fahrrad geöffneten Strassen (Art. 17 bis 36 MFG und 37 bis 76 MFV). Die beiden Ausdrücke "im öffentlichen Verkehr" ("sur la voie publique") und "dem Motorfahrzeug oder dem Fahrrad geöffnete Strassen" ("routes ouvertes aux véhicules automobiles ou aux cycles") besagen das gleiche: Die Bestimmungen des MFG gelten nur für den Verkehr auf öffentlichen Strassen. Das Verhalten des Beschwerdegegners ist daher nach dem MFG (bzw. der MFV) zu beurteilen, wenn das Areal des Güterbahnhofes Zürich als öffentliche Strasse im Sinne von Art. 1 Abs. 1 MFG zu betrachten ist. 2. Rechtsprechung und Literatur stimmen darin überein, dass der Begriff der öffentlichen Strasse im Sinne des MFG weit ausgelegt werden muss, wenn die Sicherheitsvorschriften des Gesetzes ihren Zweck erfüllen sollen ( BGE 63 II 212 lit. a; STREBEL, Note 15 zu Art. 1 MFG). Auch Plätze, Brücken, Unterführungen usw. sind daher als Strassen anzuerkennen. Gleichgültig ist ferner, ob die Strasse in öffentlichem oder privatem Eigentum steht. Entscheidend ist die Art und Weise ihres Gebrauches: Dem MFG unterstehen alle Strassen, die tatsächlich der BGE 86 IV 29 S. 31 Allgemeinheit zum Verkehr mit Motorfahrzeugen oder Fahrrädern geöffnet sind. Den öffentlichen Charakter verliert eine Strasse selbst dann nicht, wenn sie nur unter gewissen Einschränkungen (z.B. nur als Fahrradweg) oder nur für bestimmte Zwecke (Kirch- oder Schulweg), zu diesem beschränkten Gebrauche aber von jedermann benützt werden darf. In allen diesen Fällen ist der Kreis der Benützer unbestimmbar und damit das Schutzbedürfnis der Öffentlichkeit gegeben. Von diesem weitgefassten Begriff der öffentlichen Strasse abzugehen, rechtfertigt sich umso weniger, als er auch dem neuen Strassenverkehrsgesetz zu Grunde gelegt worden ist. So führte der Bundesrat in seiner Botschaft zum Gesetzesentwurfe aus, öffentlich sei eine Strasse, die von jedermann benützt werden könne, selbst wenn sie nicht allen Verkehrsarten offen stehe; auch der Fahrradweg sei öffentlich, sofern jeder beliebige Radfahrer ihn benützen dürfe (Bundesblatt 1955 II S. 8/9). Und bei den Gesetzesberatungen im Nationalrat erklärte der deutsche Berichterstatter, entscheidend für den öffentlichen Charakter einer Strasse sei die Tatsache des allgemeinen Gebrauches, "die faktische Benützungsmöglichkeit durch jedermann unter für alle gültigen Voraussetzungen". Im Interesse des Publikums dürfe Art. 1 Abs. 1 StrV nicht einschränkend interpretiert werden. Im gleichen Sinne äusserte sich der französische Berichterstatter (StenBull NatR 1956 S. 322). Entsprechend legen auch die deutsche Lehre und Rechtsprechung den Begriff des "öffentlichen Weges" aus. Sie erklären das StVG anwendbar auf jede Strasse, die "von einem nicht durch persönliche Beziehungen untereinander zusammenhängenden Personenkreis... ohne weiteres oder auch nach Erfüllung gewisser Bedingungen (Gebühr), wenn auch nur beschränkt, benützt wird" (vgl. MÜLLER, Strassenverkehrsrecht, 21. Aufl., S. 138). 3. Aus diesen Überlegungen folgt, dass das Areal des Güterbahnhofes Zürich unter den Begriff der öffentlichen BGE 86 IV 29 S. 32 Strassen im Sinne des MFG fällt. Zwar ist es eingezäunt, der Durchgangsverkehr ist verboten, und der Zutritt ist allen Fahrzeugen verwehrt, die nicht Waren abzuholen oder zum Transport aufzugeben haben. Zu diesem beschränkten Zwecke aber darf jeder Kunde der SBB - also ein unbestimmmbarer Personenkreis - das Areal des Güterbahnhofes benützen. Das genügt, um aus dieser Verkehrsfläche eine öffentliche Strasse im Sinne des MFG zu machen. Ob nach den gleichen Grundsätzen die Vorschriften des MFG auch Anwendung zu finden haben auf private Parkplätze von Gaststätten, auf Fabrikareale und dergl., braucht hier nicht entschieden zu werden. Hat sich die Kollision, an der Schwager beteiligt ist, auf einer öffentlichen Strasse ereignet, so hat es die Vorinstanz zu Unrecht abgelehnt, sein Verhalten nach den Bestimmungen des MFG zu überprüfen. Das Urteil ist daher aufzuheben und die Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Einzelrichters in Strafsachen des Bezirks Zürich vom 9. Oktober 1959 wird aufgehoben und die Sache zu neuer Beurteilung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.
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Urteilskopf 116 III 91 20. Arrêt de la Chambre des poursuites et des faillites du 14 août 1990 dans la cause Banque X. (recours LP)
Regeste Aufteilung des Verwertungserlöses unter die Gläubiger einer Pfändungsgruppe, wenn der zu teilende Betrag mit einer von einem Gläubiger eingereichten Strafklage eingetrieben wurde. 1. Die Verteilung des mit einer Strafklage eingetriebenen Betrages unter die Gläubiger ist eine der Beschwerde nach Art. 17 SchKG unterliegende Verfügung (E. 1). 2. Der Betrag, den einer von mehreren Gläubigern mit einer Strafklage eintreiben konnte, dient nicht in erster Linie der Befriedigung dieses Gläubigers und zur Deckung seiner Kosten: Das Betreibungsamt, das diesen Betrag unter allen Gläubigern der gleichen Gruppe aufteilt und zwar nach Klassen, handelt gesetzeskonform (E. 2).
Sachverhalt ab Seite 92 BGE 116 III 91 S. 92 A.- a) La Banque X. a été, en sa qualité de créancière ordinaire de Y., admise à participer, dans la série No 87 080 109, à la saisie des biens de ce dernier; le procès-verbal de saisie, dressé le 12 janvier 1988, fixait une retenue mensuelle de 2'000 francs sur les biens du débiteur. Y. devait ainsi verser régulièrement un montant de 2'000 francs par mois, à partir du 12 janvier 1988, sur le compte de chèques postaux de l'Office des poursuites de Genève. Le montant de la créance de la Banque X. retenu par l'Office des poursuites a été arrêté, en capital et frais, à 18'667 fr. 75. Le 28 avril 1989, l'office a délivré à la Banque X. un acte de défaut de biens après saisie d'un montant total de 18'685 fr. 75. Sur la demande de la Banque X., l'Office des poursuites a remis à celle-ci, le 9 novembre 1989, un duplicata du procès-verbal, d'où il ressortait que le gain saisi n'avait pas été versé. Le procès-verbal spécifiait que le montant des retenues impayées s'élevait à 12'000 francs au total, somme des montants dus pour la période du 8 juillet 1988 au 12 janvier 1989. b) Le 29 novembre 1989, la Banque X. a déposé auprès du Procureur général du canton de Genève une plainte pénale contre Y., pour détournement d'objets mis sous main de justice ( art. 169 CP ). Cette plainte lui ayant été transmise le 15 février 1990, le Président du Tribunal de police a convoqué Y. en qualité d'accusé à l'audience de jugement du 22 mars 1990. La convocation contenait la "remarque" suivante: "Si vous démontrez par pièces, avant l'audience, que vous avez payé la somme due, la cause sera rayée du rôle et vous n'aurez pas à vous présenter." BGE 116 III 91 S. 93 c) Le 21 mars 1990, Y. a versé le montant de 12'000 francs en main de l'Office des poursuites, sans préciser la créance qu'il entendait éteindre par ce versement; quittance lui a été délivrée "pour solde du procès-verbal de non-versement du gain saisi No 87 00109 G (période du 8.7.1988 au 12.1.1989)". Le service des saisies de l'Office des poursuites a réparti la somme ainsi versée, en indemnisant en priorité les créanciers privilégiés; dans le cadre de cette répartition, la Banque X. a été créditée de 448 fr. 40, valeur au 21 mai 1990. B.- La Banque X. a porté plainte auprès de l'autorité cantonale de surveillance, demandant implicitement que la totalité de la somme payée à l'Office des poursuites par Y. lui fût versée. L'autorité cantonale de surveillance a déclaré la plainte irrecevable par décision du 20 juin 1990. Elle a considéré notamment qu'il n'y avait pas en l'espèce une mesure de l'office susceptible de plainte. C.- La Banque X. a recouru au Tribunal fédéral. Elle demandait que la décision attaquée fût annulée et qu'ordre fût donné que le montant de 12'000 francs payé par Y. à l'Office des poursuites de Genève fût versé intégralement à la recourante; subsidiairement que la cause fût renvoyée à l'autorité cantonale de surveillance pour qu'elle statuât dans le sens des considérants. Le Tribunal fédéral a rejeté le recours. Erwägungen Considérant en droit: 1. C'est à tort que l'autorité cantonale de surveillance a estimé qu'il n'y a pas en l'espèce une mesure de l'office au sens de l' art. 17 LP . Comme elle le dit elle-même, par mesure il faut entendre tout acte d'autorité accompli par l'office en exécution d'une mission officielle dans une affaire concrète; il s'agit d'un acte matériel qui a pour objet la continuation ou l'achèvement de la procédure d'exécution forcée et qui produit des effets externes ( ATF 85 III 92 consid. 2; cf. ATF 82 III 134 /135 consid. 1, ATF 94 III 88 consid. 2; JAEGER, n. 3 ad art. 17 LP , trad. fr., I p. 37; AMONN, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 4e éd., par. 6 n. 6 p. 52; GILLIÉRON, Poursuite pour dettes, faillite et concordat, 2e éd., p. 55). Or, ce qui est en cause ici, c'est la distribution entre les créanciers des sommes recouvrées, et non pas simplement une déclaration d'ordre général, une communication de l'office sur ses BGE 116 III 91 S. 94 intentions ou un avis. On est donc en présence d'un acte de nature à provoquer une plainte. 2. a) La recourante soutient que l'Office des poursuites a pris une mesure inopportune et violé son pouvoir d'appréciation. Elle tient, en substance, le raisonnement suivant: La question à résoudre en l'espèce est celle de savoir comment répartir entre les différents créanciers d'une même série les sommes recouvrées par suite de l'intervention de l'un d'eux, lorsque, considérant que la poursuite était infructueuse, l'office avait délivré un acte de défaut de biens et qu'à l'exception d'un seul les créanciers s'étaient implicitement déclarés satisfaits de la décision de l'office, puisqu'ils n'envisageaient pas d'entreprendre des démarches. Ce cas n'est pas expressément réglé par la loi: il doit être assimilé à une saisie complémentaire, qui ne profite qu'au créancier qui l'a requise. On arrive d'ailleurs au même résultat en appliquant par analogie les art. 131 et 260 LP . Si le débiteur n'avait pas été cité à comparaître devant le Tribunal de police ensuite de la plainte de la Banque X., il ne se serait jamais acquitté du solde de la retenue des gains. Il serait donc choquant que des créanciers saisissants, même privilégiés, voient leur inaction récompensée au détriment d'autres créanciers, de rang postérieur mais animés d'une plus grande détermination. L'application par analogie des dispositions légales précitées amène à la conclusion que la somme obtenue doit servir en premier lieu à couvrir les créances et les frais du créancier le plus diligent. b) Cette argumentation ne saurait être accueillie. aa) En vertu de la jurisprudence, si, lors de la saisie, il n'existe pas de biens suffisants, d'après l'estimation de l'office, pour satisfaire le créancier poursuivant, ce dernier peut, s'il découvre que le débiteur possède d'autres biens, en se fondant sur l'acte de défaut de biens provisoire, requérir directement l'office de saisir ces biens ( ATF 88 III 61 consid. 1 et les arrêts cités). Mais en l'espèce la recourante n'a précisément pas adressé de réquisition à l'office. Elle a choisi une voie qui ne relève pas de la procédure d'exécution forcée: elle a cherché à se satisfaire en déposant une plainte pénale contre le débiteur. Il n'est donc pas possible d'assimiler ce cas à une saisie complémentaire. bb) Il n'y a aucune raison non plus d'appliquer par analogie les art. 131 et 260 LP . La situation est tout autre. Selon l' art. 131 BGE 116 III 91 S. 95 al. 2 LP , les saisissants ou l'un d'eux peuvent se charger de faire valoir contre le tiers débiteur, à leurs risques et périls et sans préjudice à leurs droits, une créance ou une prétention du saisi; la somme qu'ils pourront obtenir servira, dans ce cas, à couvrir en premier lieu leurs propres créances et les frais. Mais il faut le consentement de tous les créanciers qui participent à la saisie de la créance, soit de tous les créanciers de la série: la réalisation se fait "dans les mêmes conditions" que celle, prévue à l' art. 131 al. 1 LP , des créances non cotées à la bourse, soit "si tous les créanciers saisissants le demandent" (cf. JAEGER, n. 2 et 8 ad art. 131 LP , trad. fr., I, p. 478 et 480). Il s'agit ainsi d'un mandat de recouvrement accordé, avec le consentement de tous les créanciers saisissants, à un créancier ou à un groupe de créanciers, institution analogue à la cession des droits de la masse de l' art. 260 LP dans la procédure de faillite (cf. GILLIÉRON, op.cit., p. 225). Or, en l'espèce, la recourante a agi d'elle-même, sans mandat aucun des autres créanciers de la série. cc) Si l'on cherche une analogie, elle existe plutôt avec le cas, prévu à l' art. 269 al. 1 LP , où, la faillite clôturée, on découvre des biens qui ont échappé à la liquidation. En effet, afin de se soustraire à la plainte pénale déposée contre lui par la recourante, le débiteur a versé 12'000 francs, non pas directement à celle-ci (comme elle l'aurait voulu), mais, avec raison, à l'Office des poursuites. Dans une telle éventualité, l'Office des faillites procède à une distribution entre les créanciers, suivant leur rang. C'est conforme au principe de l'égalité des créanciers, qui, de manière générale, régit la procédure d'exécution forcée. Les exceptions à ce principe sont prévues par la loi: il ne faut pas les étendre à d'autres cas, comme celui-ci, pour des raisons d'équité. dd) Au surplus, si l'on accédait à la requête de la recourante, non seulement on ne respecterait pas le droit des autres créanciers de la même série, en particulier ceux des créanciers privilégiés, mais on ouvrirait la porte à des procédés de recouvrement en dehors de la voie tracée par la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, qui pourraient avoir des effets inadmissibles dans le cadre de l'exécution forcée: ainsi, on peut imaginer le cas de créanciers connaissant l'existence de biens du débiteur et la taisant, pour pouvoir, après la clôture de la procédure, exercer des pressions au détriment des autres créanciers de la même série; la preuve de la violation des règles de la bonne foi serait, le plus souvent, très difficile à rapporter. BGE 116 III 91 S. 96 3. Vu ce qui précède, la plainte ne pouvait qu'être rejetée si l'autorité cantonale de surveillance était entrée en matière. Le recours apparaît donc mal fondé.
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Urteilskopf 111 Ia 251 43. Estratto della sentenza 8 marzo 1985 della I Corte di diritto pubblico nella causa Comune di Barbengo contro Tribunale amministrativo del Cantone Ticino, Camponovo e Comune di Lamone (ricorso di diritto pubblico)
Regeste Gemeindeautonomie im Bereich der Wohnsitzbestimmung? ( Art. 64 BV , Art. 5 Abs. 1, 6 Abs. 1 und Art. 23 ZGB ). 1. Legitimation der Gemeinden und öffentlichrechtlichen Körperschaften zur staatsrechtlichen Beschwerde gemäss Art. 88 OG im allgemeinen (Zusammenfassung der Rechtsprechung; E. 2). 2. Begriff der Gemeindeautonomie und Prüfungsbefugnis des Bundesgerichts im Rahmen einer staatsrechtlichen Beschwerde wegen Autonomieverletzung; im Bereich der Wohnsitzbestimmung räumt das Tessiner Recht so wenig wie im übrigen das Bundesrecht den Gemeinden Autonomie ein (E. 3).
Sachverhalt ab Seite 251 BGE 111 Ia 251 S. 251 Dario Camponovo, celibe, è insegnante di scuola elementare presso il relativo Consorzio di Barbengo, Grancia e Carabietta. BGE 111 Ia 251 S. 252 Dal 1968 è domiciliato a Barbengo e nel 1973 ha locato un appartamento a Lamone. Membro del consiglio comunale, egli presiede a Barbengo la società di pallacanestro e fa parte del comitato direttivo di un'associazione locale per la protezione dell'ambiente e della natura. Pranza e cena regolarmente a Barbengo, ove è invitato dai genitori della fidanzata la domenica e durante le feste infrasettimanali. Nel 1973 il Comune di Lamone aveva chiesto alla cancelleria comunale di Barbengo il trapasso degli atti di domicilio riguardanti Camponovo. Senza esito, finché nel febbraio 1981 lo stesso Comune di Barbengo ha invitato l'ufficio controllo abitanti di Lamone a domandare il trasferimento di domicilio. Sentito l'interessato, il Comune di Lamone vi si è opposto. Con istanza del 5 giugno 1981 il Municipio di Barbengo ha adito il Consiglio di Stato del Cantone Ticino perché accertasse, come autorità di vigilanza sui comuni, il domicilio di Dario Camponovo. L'esecutivo cantonale si è risolto il 15 febbraio 1984 per il Comune di Lamone; nel contempo ha ordinato la radiazione dell'interessato dai cataloghi elettorali di Barbengo e la sua iscrizione in quelli di Lamone. Il 28 febbraio 1984 Dario Camponovo è insorto al Tribunale cantonale amministrativo, cui ha proposto di confermare il suo domicilio a Barbengo. La corte ha accolto l'impugnativa il 3 aprile 1984. L'11 maggio 1984 il Comune di Barbengo ha introdotto al Tribunale federale un ricorso di diritto pubblico per violazione della propria autonomia. Il Consiglio di Stato del Cantone Ticino si è rimesso al giudizio del Tribunale federale. Dario Camponovo e il Tribunale cantonale amministrativo hanno concluso per il rigetto di ogni censura. Il Comune di Lamone non si è pronunciato sul rimedio. Erwägungen Dai considerandi: 2. La legittimazione a deporre un ricorso di diritto pubblico dev'essere verificata d'ufficio ( DTF 110 Ia 74 consid. 1, 10 consid. 1a, DTF 109 Ia 172 consid. 4a, 170 consid. 3a, 118 consid. 2, 93). Ora, per giurisprudenza costante, la facoltà dell' art. 88 OG spetta alle corporazioni di diritto pubblico solo eccezionalmente, quando siano colpite da un atto d'imperio in condizioni di parità con altri soggetti giuridici o siano lese nella loro autonomia, esistenza o integrità territoriale ( DTF 109 Ia 174 , DTF 108 Ia 85 consid. 1b, DTF 103 Ia 59 consid. 1, BGE 111 Ia 251 S. 253 68 consid. 1a). Nella seconda ipotesi una corporazione pubblica può criticare anche l'inosservanza di taluni principi dedotti dall' art. 4 Cost. , sempre che la medesima sia intimamente legata alla trasgressione dell'autonomia, esistenza o integrità territoriale ( DTF 109 Ia 44 consid. 2a, DTF 107 Ia 178 consid. 1a, 104 Ia 387 consid. 1, 127). Se l'autonomia sussista e sia stata disattesa, è problema di merito, non di legittimazione ( DTF 109 Ia 44 consid. 2a, DTF 108 Ia 84 consid. 1a, DTF 107 Ia 178 consid. 1a). 3. L'art. 5 cpv. 1 della legge organica comunale del Canton Ticino (LOC) prescrive: È domiciliato in un comune il cittadino che vi risiede con l'intenzione di stabilirvisi durevolmente. Identica norma si ritrova all'art. 5 cpv. 1 della legge ticinese sull'esercizio del diritto di voto, sulle votazioni e sulle elezioni (LVE). Secondo il ricorrente, "la concessione del diritto di cittadinanza rientra nell'attività propria del Comune, il quale, in questo campo, ha notevole libertà di decisione". a) È vero che il concetto di domicilio enunciato dall'art. 5 cpv. 1 LOC permette un certo margine d'apprezzamento. Ciò non basta tuttavia per affermare che l'autorità di applicazione fruisce di una sfera autonoma costituzionalmente protetta. Il Tribunale federale ha già avuto modo di spiegare che un Comune beneficia di autonomia tutelabile con ricorso di diritto pubblico solo ove l'ordinamento cantonale non contempli una regolamentazione esaustiva e lasci al Comune un ragguardevole ambito di indipendenza ( DTF 109 Ia 45 consid. 2b, DTF 108 Ia 193 consid. 3, 86 consid. 2, 76 consid. 2a, DTF 108 Ib 238 consid. 3a). Poco importa che la materia in cui il Comune pretende d'essere autonomo sia regolata dal diritto federale, cantonale o comunale; è irrilevante altresì che la decisione impugnata emani da un'autorità di ricorso o di sorveglianza. Decisiva è la latitudine d'autonomia che la costituzione o la legislazione cantonale assicura al Comune nella materia specifica ( DTF 108 Ia 194 consid. 3). Da parte sua, il Tribunale federale vaglia la decisione querelata con libero esame se la disciplina che delimita l'autonomia del Comune è di diritto costituzionale; se si tratta di una legge cantonale, invece, il Tribunale federale limita la propria cognizione all'arbitrio ( DTF 109 Ia 45 consid. 2b, DTF 108 Ia 194 consid. 3, 76 consid. 2a, DTF 104 Ia 138 consid. 3a, 45 consid. 1). BGE 111 Ia 251 S. 254 b) In concreto né la costituzione ticinese, né la legge organica comunale né - del resto - la legge sull'esercizio del diritto di voto, sulle votazioni e sulle elezioni garantiscono ai Comuni la facoltà di decidere autonomamente chi risieda nel comprensorio comunale con l'intenzione di stabilirvisi durevolmente. Certo, il domicilio civile - regolato in maniera esclusiva dall' art. 23 CC ( art. 64 Cost. in relazione con l' art. 5 cpv. 1 CC ) - non tocca il diritto pubblico cantonale ( art. 6 cpv. 1 CC ) e non esclude, sotto questo profilo, una possibile autonomia dei Comuni. Anche la circostanza per cui, stando alla corte cantonale, gli art. 23 CC e 5 cpv. 1 LOC (rispettivamente 5 cpv. 1 LVE) coincidono nel loro significato (cfr. Rivista di diritto amministrativo ticinese, RDAT, 1982 pag. 73 n. 30 consid. 4d) non preclude di per sé ogni potere normativo o decisionale ai Comuni, quantunque in tema di concessione e rifiuto di domicilio il Comune ticinese agisca per mera competenza delegata (BORGHI, Giurisprudenza amministrativa ticinese, pag. 85 n. 214). Determinante è, nella specie, che il diritto cantonale non conferisce ai Comuni alcuna autonomia nella definizione del domicilio. Inoltre, pur prescindendo da tale rilievo, vi sarebbe da chiedersi in che potrebbe consistere simile autonomia: per vero, il solo fatto che due o più comuni siano abilitati a pronunciarsi sul domicilio di uno stesso soggetto giuridico contraddice a priori la nozione di sovranità (v. DTF 110 Ia 50 ). Dato che non si ravvisa, nel caso particolare, alcuna autonomia comunale, un'eventuale violazione della medesima risulta esclusa d'acchito. Non occorre quindi dirimere, nella prospettiva dell' art. 4 Cost. , il merito della controversia, segnatamente le considerazioni che hanno indotto la corte cantonale ad accertare il domicilio di Dario Camponovo a Barbengo. Dispositiv Per questi motivi, il Tribunale federale pronuncia: Il ricorso è respinto.
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Urteilskopf 107 Ia 29 7. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 6. Februar 1981 i.S. Faes gegen Obergericht des Kantons Aargau und Bezirksgericht Kulm (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste Kanzleigebühr. Erstellung von Fotokopien. Ist ein Gebührenansatz von Fr. 2.-- pro Seite mit dem Äquivalenzprinzip vereinbar? Frage verneint bei einer grossen Auflage von Kopien.
Sachverhalt ab Seite 29 BGE 107 Ia 29 S. 29 Der am 19. Dezember 1977 verstorbene Wilhelm Faes hinterliess als Universalerbin seine Ehefrau Elise Faes. Der Erblasser hatte zwei Verfügungen von Todes wegen getroffen. Diese Verfügungen, welche zusammen einen Umfang von 13 Seiten aufweisen, mussten vom Bezirksgericht Kulm in 73 Ausfertigungen eröffnet werden. Mit Einschluss von einigen weiteren Kopien waren dafür insgesamt 944 Seiten Fotokopien herzustellen. Für die Eröffnung der Verfügungen verlangte das Bezirksgericht Kulm von Elise Faes Fr. 3'044.--. In dieser Rechnung war ein Betrag von Fr. 1'888.-- für die notwendigen Fotokopien (d.h. Fr. 2.-- pro Seite) eingeschlossen. Da Elise Feas diesen Betrag für übersetzt hielt, wandte sie sich an die Finanzverwaltung des Kantons Aargau, um eine Reduktion dieser Rechnung zu erwirken. Die Finanzkontrolle teilte darauf der Gerichtskasse Kulm mit, sie sei im vorliegenden Fall im Hinblick auf die grosse Auflage ausnahmsweise bereit, einer Ermässigung des Gebührenansatzes für Fotokopien auf 50%, d.h. auf Fr. 944.-- zuzustimmen. Am 6. März 1979 beriet das Bezirksgericht Kulm erneut über die Elise Feas aufzuerlegende Gebühr und beschloss, am Betrag von Fr. 3'044.-- festzuhalten. Es erachtete zwar den fraglichen Gebührenansatz von Fr. 2.-- pro Seite für hoch, führte jedoch aus, es sei an die regierungsrätliche Verordnung über die Kanzleigebühren vom 23. Dezember 1971, in welcher dieser Ansatz enthalten sei, gebunden. Gegen den Entscheid des Bezirksgerichts führte Elise Faes Beschwerde beim Obergericht des Kantons Aargau. Sie beantragte, der in der Gebührenrechnung enthaltene Anteil für Fotokopien sei BGE 107 Ia 29 S. 30 von Fr. 1'888.-- auf Fr. 944.-- (d.h. auf Fr. 1.-- pro Kopie) zu reduzieren. Die Inspektionskommission des Obergerichts des Kantons Aargau behandelte die Beschwerde als allgemeine Aufsichtsbeschwerde und wies diese mit Entscheid vom 15. Mai 1979 ab. Sie führte in der Begründung aus, nach § 1 lit. c der Verordnung des Regierungsrates über die Kanzleigebühren vom 23. Dezember 1971, hätten die kantonalen Amtsstellen und die Gerichte zuhanden des Staates "für die Erstellung von Kopien auf technischem Wege pro Seite A4 Fr. 2.--" als Kanzleigebühr zu beziehen. An diese Vorschrift, welche gestützt auf § 1 lit. i des Dekretes des Grossen Rates über die vom Staate zu beziehenden Gebühren vom 10. Januar 1976 erlassen worden sei, habe sich das Bezirksgericht halten müssen, selbst wenn ein Ansatz von Fr. 2.-- pro Kopie "reichlich hoch" sei. Elise Faes führt staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid der Inspektionskommission des Obergerichts und beantragt darin die Aufhebung des angefochtenen Entscheides. Sie macht geltend, der Ansatz von Fr. 2.-- pro Seite Fotokopie und der sich daraus ergebende Gebührenbetrag von Fr. 1'888.-- seien willkürlich. Zur Begründung wird in der Beschwerde vorgebracht, das Obergericht habe angenommen, die Verordnung des Regierungsrates über die Kanzleigebühren vom 23. Dezember 1971 könne sich auf das Dekret des Grossen Rates über die vom Staate zu beziehenden Gebühren vom 10. Januar 1967 stützen; dieses Dekret sei aber durch das gleichnamige Dekret vom 23. November 1977 aufgehoben worden. Die Verordnung des Regierungsrates, worauf sich der angefochtene Entscheid stütze, entbehre somit einer gesetzlichen Grundlage. Nach Art. 33 Abs. 1 lit. e KV sei zudem der Grosse Rat zur Festsetzung der dem Staat zukommenden Gebühren und Taxen zuständig. Der Grosse Rat habe in § 7 des Dekretes über die Gebühren in Zivil- und Strafsachen vom 9. Januar 1968 festgehalten, als Kanzleigebühr für die Erstellung von Kopien auf technischem Wege seien pro Seite Fr. 1.50 zu verlangen. Dieses Dekret müsse entgegen der Auffassung des Obergerichtes auf den vorliegenden Fall angewandt werden. Im übrigen bringt die Beschwerdeführerin vor, der Ansatz von Fr. 2.-- pro Seite Fotokopie stehe - abgesehen von der Frage des anwendbaren Rechtes - zum objektiven Wert der Leistung in einem offensichtlichen Missverhältnis und halte sich im Hinblick auf das Äquivalenzprinzip nicht mehr in vernünftigen Grenzen. Die Inspektionskommission des Obergerichts verzichtete darauf, eine Vernehmlassung einzureichen. Das Bezirksgericht Kulm BGE 107 Ia 29 S. 31 beantragte die Abweisung der Beschwerde. Da die finanziellen Interessen des Kantons durch die vorliegende Beschwerde betroffen sind, wurde auch der Regierungsrat des Kantons Aargau zur Vernehmlassung eingeladen. Dieser stellte in seiner Eingabe die folgende Kostenberechnung für eine einzelne Fotokopie auf: Kosten für Papier, Strom und Miete des Gerätes Fr. -.20 Miete und Heizung des Fotokopierraumes Fr. -.06 Lohnkosten des Kanzleibeamten (Verrechnungsansatz Fr. 32.-- pro Stunde) für einen Zeitaufwand von 3 Minuten (Anmarsch, Inbetriebsetzen des Gerätes, Kopieren, Einordnen der Kopie) Fr. 1.60 -------- Herstellungskosten einer einzelnen Kopie Fr. 1.86 Der Regierungsrat macht in weiteren geltend, diese Kosten pro Kopie erhöhten sich auf Fr. 2.26, wenn der Gerichtskassier (Verrechnungsansatz Fr. 40.-- pro Stunde) mit der Herstellung der Fotokopien betraut werde. Im Hinblick auf die gerügte Verletzung des Äquivalenzprinzips führt der Regierungsrat aus, die Eröffnung der letztwilligen Verfügungen sei im vorliegenden Fall eine aufwendige Arbeit gewesen. Es hätten 73 verschiedene Ausfertigungen erstellt werden müssen; der Rationalisierungseffekt könne unter diesen Umständen nicht als gross betrachtet werden. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. (Das Bundesgericht hält die Beschwerde, soweit sie sich gegen den Entscheid der Inspektionskommission des Obergerichts richtet, für unzulässig. Es tritt aber auf die Beschwerde ein, soweit damit ebenfalls der Entscheid des Bezirksgerichts Kulm angefochten wurde.) 2. a) Die vom Bezirksgericht Kulm angewandte Verordnung des Regierungsrates über die Kanzleigebühren vom 23. Dezember 1971 sieht in § 1 lit. c für die Erstellung von Fotokopien einen Ansatz von Fr. 2.-- vor. Diese Bestimmung steht im Gegensatz zu § 7 des Dekretes des Grossen Rates über die Gebühren in Zivil- und Strafsachen und die Entschädigung der Parteien, Zeugen und Sachverständigen vom 9. Januar 1968, denn nach dieser Bestimmung haben die Gerichte für die Erstellung von Fotokopien nur Fr. 1.50 zu erheben. Die regierungsrätliche Verordnungsbestimmung war somit im Anwendungsbereich des genannten Dekretes ungültig, solange in § 7 dieses Dekrets für Fotokopien ein Ansatz von Fr. 1.50 vorgesehen war. Am 19. Dezember 1973 änderte der Grosse Rat jedoch diese Bestimmung ab und legte im neuen Text BGE 107 Ia 29 S. 32 fest, dass die Gerichte ihre Kanzleigebühren nach den jeweils geltenden Ansätzen der Verordnung des Regierungsrates zu erheben hätten. Mit dem abgeänderten § 7 des Dekretes erhielt die regierungsrätliche Verordnung über die Kanzleigebühren, welche für den Bereich der Gerichte zunächst ungültig gewesen war, nachträglich eine genügende gesetzliche Grundlage (vgl. André GRISEL, L'application du droit public dans le temps, ZBl 75/1974, S. 233 ff., 239). Die von der Beschwerdeführerin vorgebrachte Rüge, die im angefochtenen Entscheid angewandte Verordnungsbestimmung könne sich nicht auf ein grossrätliches Dekret stützen, bzw. stehe mit einem solchen im Widerspruch, ist somit unbegründet. b) Die Beschwerdeführerin führt ferner aus, in Art. 33 Abs. 1 lit. e KV werde die Festsetzung der dem Staat zukommenden Gebühren und Taxen dem Grossen Rat übertragen. Offenbar will sie damit rügen, die Festsetzung der Kanzleigebühren sei zu Unrecht an den Regierungsrat delegiert worden. Eine Subdelegation von Rechtsetzungsbefugnissen vom Grossen Rat an den Regierungsrat ist nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung jedoch unter bestimmten Voraussetzungen zulässig und wird auch von Art. 33 KV nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Die Beschwerdeführerin tut nicht dar, dass im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für eine Subdelegation fehlen. Die Rüge der unzulässigen Subdelegation erweist sich somit als ungenügend begründet und ist nicht zu untersuchen ( Art. 90 Abs. 1 lit. b OG ). c) Die Beschwerdeführerin macht weiter geltend, es gebe kein Gesetz, das wenigstens die Grundzüge der hier streitigen Gebühr umschreiben würde. Sie rügt somit, die angefochtene Gebühr könne sich nicht auf eine gesetzliche Grundlage stützen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts bedürfen alle öffentlichen Abgaben - mit Ausnahme der Kanzleigebühren - der Grundlage in einem Gesetz im formellen Sinn, d.h. in einem dem Referendum unterstehenden Erlass ( BGE 106 Ia 202 E. 2a, BGE 105 Ia 4 , 144 ff. E. 5a mit Hinweisen). Unter Kanzleigebühren sind Abgaben für einfache Tätigkeiten der Verwaltung zu verstehen, die ohne besonderen Prüfungs- und Kontrollaufwand erbracht werden und sich in ihrer Höhe in einem bescheidenen Rahmen halten ( BGE 104 Ia 115 E. 3 mit Hinweisen). Die Herstellung von Fotokopien für die Eröffnung von letztwilligen Verfügungen stellt eine einfache Tätigkeit der Verwaltung im Sinne dieser Rechtsprechung dar. Die dafür erhobene Abgabe von Fr. 2.-- pro Fotokopie hält BGE 107 Ia 29 S. 33 sich zudem in einem bescheidenen Rahmen. Dass infolge der Erstellung einer grossen Anzahl von Kopien ein Mehrfaches dieses Ansatzes in Rechnung gestellt worden ist, ändert nichts an dieser Beurteilung, denn durch die Multiplikation von einzelnen "bescheidenen" Beträgen entsteht kein Gesamtbetrag, der nicht mehr als bescheidene Gebühr betrachtet werden könnte. Unter diesen Umständen kann die angefochtene Abgabe als Kanzleigebühr, welche keiner gesetzlichen Grundlage bedarf, betrachtet werden. Die Rüge der fehlenden gesetzlichen Grundlage, dringt somit nicht durch. d) Der Umstand, dass Kanzleigebühren auch ohne formell gesetzliche Grundlage erhoben werden dürfen, schliesst nicht aus, dass sich der Bürger zur Anfechtung solcher Gebühren auf das Äquivalenzprinzip, das Kostendeckungsprinzip sowie das Willkürverbot und den Grundsatz der Rechtsgleichheit berufen kann. Im vorliegenden Fall rügt die Beschwerdeführerin in erster Linie, die angefochtene Gebühr verletze das Äquivalenzprinzip. Nach dem Äquivalenzprinzip, wie es in der bundesgerichtlichen Rechtsprechung verstanden wird, darf die Gebühr zum objektiven Wert der Leistung nicht in ein offensichtliches Missverhältnis geraten und muss sich in vernünftigen Grenzen bewegen ( BGE 103 Ia 89 ). Die im vorliegenden Verfahren streitige Gebühr von Fr. 1'888.-- wurde allein für die Herstellung von 944 Seiten Fotokopien erhoben. Es ist daher zu prüfen, ob dieser Betrag zum objektiven Wert dieser Fotokopien in einem offensichtlichen Missverhältnis steht. Der Regierungsrat geht in seiner Vernehmlassung davon aus, dass die Kosten für eine Fotokopie (Papier, Strom, Miete des Kopiergerätes) Fr. 0.20 betragen. Ferner stellt er Fr. 0.06 für die Miete und Heizung des Fotokopierraumes in Rechnung. Diese Beträge bewegen sich im Rahmen der heute üblichen Kosten und sind daher nicht zu beanstanden. Der Regierungsrat ist im weiteren der Ansicht, für die Herstellung einer Fotokopie würden drei Minuten benötigt. Bei einem Stundenansatz von Fr. 32.-- ergeben sich somit nach seiner Berechnung Lohnkosten von Fr. 1.60 pro Fotokopie. Bei einem Stundenansatz von Fr. 40.-- erhöhen sich diese Kosten sogar auf Fr. 2.26. Wenn für die Herstellung einer Fotokopie drei Minuten eingesetzt werden, würde die Herstellung der im vorliegenden Fall benötigten 944 Kopien ungefähr 5 Arbeitstage in Anspruch nehmen. Ein solcher Zeitraum wird aber für die Herstellung der BGE 107 Ia 29 S. 34 genannten Anzahl von Fotokopien keinesfalls benötigt. Das Bundesgericht ist zwar nicht in der Lage, um genau anzugeben, wieviele Stunden für die Herstellung von 944 Fotokopien einzusetzen sind. Die für diese Arbeit benötigte Zeit hängt stark von den Einrichtungen und insbesondere vom Fotokopiergerät ab, das im Einzelfall benützt wird. Es scheint allerdings, dass ungefähr ein Arbeitstag genügen sollte, um die im vorliegenden Fall benötigten 944 Fotokopien herzustellen und daraus die 73 Ausfertigungen der letztwilligen Verfügungen zusammenzusetzen. Unter diesen Umständen steht die aufgrund einer Herstellungszeit von drei Minuten pro Kopie berechnete Gebühr von Fr. 1'888.-- in einem offensichtlichen Missverhältnis zum objektiven Wert der Leistung. Die Rüge, die beanstandete Gebührenauflage verletze das Äquivalenzprinzip, erweist sich somit als begründet. Dies führt Gutheissung der Beschwerde und zur Aufhebung des angefochtenen Entscheides. Bei einer grossen Auflage von Fotokopien, wie sie im vorliegenden Fall hergestellt werden musste, wäre ein Gebührenansatz von Fr. 1.-- pro Kopie (der von der kantonalen Finanzkontrolle empfohlen und von der Beschwerdeführerin anerkannt wurde) mit dem Äquivalenzprinzip vereinbar. Eine solche Gebühr stünde nicht in einem offensichtlichen Missverhältnis zur Gegenleistung, insbesondere zum benötigten Arbeitsaufwand. Der im vorliegenden Fall angewandte Gebührentarif von Fr. 2.-- pro Fotokopie wäre hingegen bei kleineren Auflagen möglicherweise gerechtfertigt, da bei solchen Auflagen der Arbeitsaufwand pro Kopie grösser ist als bei grossen Auflagen. Über die Frage des anzuwendenden Gebührenansatzes ist im vorliegenden Verfahren aber nicht zu entscheiden. e) Da die Beschwerde bereits aus dem erwähnten Grund gutgeheissen werden muss, ist nicht zu prüfen, ob die angefochtene Gebühr, wie von der Beschwerdeführerin zusätzlich behauptet, auch die Rechtsgleichheit verletzt. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Beschwerde wird gutgeheissen, soweit darauf einzutreten ist, und der Entscheid des Bezirksgerichts Kulm vom 6. März 1979 wird aufgehoben.
public_law
nan
de
1,981
CH_BGE
CH_BGE_002
CH
Federation
c5dc468a-b48a-43d7-b4a7-a29ef8e85523
Urteilskopf 113 V 296 49. Urteil vom 14. Dezember 1987 i.S. I. gegen Christlichsoziale Kranken- und Unfallkasse der Schweiz und Verwaltungsgericht des Kantons Luzern
Regeste Art. 3 Abs. 3 KUVG : Grundsatz der Gegenseitigkeit. Eine Statutenbestimmung, welche die vor ihrem Inkrafttreten wiedereingetretenen Mitglieder gegenüber den erst nach diesem Zeitpunkt wiedereintretenden Mitgliedern in bezug auf die Zuteilung zu einer Eintrittsaltersgruppe benachteiligt, verstösst gegen den Grundsatz der Gegenseitigkeit (Erw. 2). Art. 6bis Abs. 2 KUVG : Abstufung der Mitgliederbeiträge. Die Umteilung in eine andere Eintrittsaltersgruppe stellt eine Änderung im Mitgliedschaftsverhältnis dar. Ein Anspruch auf Umteilung kann mittels Antrag jederzeit mit Wirkung für die Zukunft geltend gemacht werden (Erw. 3).
Sachverhalt ab Seite 296 BGE 113 V 296 S. 296 A.- Marlis I. (geb. 1942) war seit 1943 Mitglied der Christlichsozialen Kranken- und Unfallkasse der Schweiz (CKUS). Im Jahre 1975 schloss sie sich aus beruflichen Gründen einer andern Kasse an. Am 1. Juli 1976 trat sie erneut der CKUS bei. Aufgrund der zu jenem Zeitpunkt geltenden Statuten wurde sie der BGE 113 V 296 S. 297 Beitrittsaltersgruppe B (31. bis vollendetes 40. Altersjahr) zugeteilt. Auf den 1. Januar 1977 traten verschiedene Statutenänderungen in Kraft. Art. 73 Ziff. 6 der Kassenstatuten bestimmte nunmehr, dass bei Wiedereintritt in die Krankenpflege- und Krankengeldversicherung frühere Mitgliedschaftsjahre der Erwachsenenaltersgruppen angerechnet werden. Im Januar 1985 ersuchte Marlis I. die Kasse um Abklärung der Frage, ob sie unter Anrechnung der früher zurückgelegten Beitragsjahre in die Altersgruppe A (Eintrittsalter vom 21. bis zum vollendeten 30. Altersjahr) versetzt werden könne. Am 11. Februar 1985 stellte sie einen entsprechenden Antrag. Mit Verfügung vom 22. Februar 1985 lehnte die Kasse dieses Gesuch ab und stellte fest, dass Marlis I. "bei ihrem Wiedereintritt in die Kasse am 1. Juli 1976 zu Recht der Altersgruppe B (vom 31. bis zum vollendeten 40. Altersjahr) zugeteilt worden" sei. Zur Begründung führte sie aus, dass die Statutenänderung erst ab dem 1. Januar 1977 in Kraft getreten sei, weshalb sie nur für Wiedereintritte, die nach diesem Datum erfolgten, gelte. Selbst wenn die Statutenänderung rückwirkend anwendbar sein sollte, könnte sich Marlis I. nicht darauf berufen, da sie seit 1977 die nach der früher geltenden Regelung festgesetzten Beiträge bezahlt und es damit versäumt habe, der Kasse innert angemessener Frist kundzutun, dass sie mit dieser Einteilung nicht einverstanden sei. B.- Die Versicherte führte hiegegen Beschwerde mit dem Antrag, die Kasse sei zu verpflichten, sie in die Beitrittsaltersgruppe A umzuteilen und ihr die seit 1. Januar 1977 zuviel bezahlten Beiträge zurückzuerstatten. Das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern kam im wesentlichen zum Schluss, Marlis I. habe es bis zu einer Unterredung mit einem Kassenvertreter Ende 1984 widerspruchslos hingenommen, dass sie nach Inkrafttreten der Statutenrevision nicht in die Altersgruppe A umgeteilt worden sei. Erst nach Ablauf von über acht Jahren habe sie eine Abklärung der Altersgruppeneinteilung veranlasst. Diese Zeitspanne liege nicht mehr im Rahmen einer den Umständen angemessenen Überlegungs- und Prüfungsfrist, innert welcher ein Versicherter das Vorgehen der Verwaltung anfechten könne. Es müsse daher angenommen werden, dass Marlis I. die Einteilung in die Altersgruppe B gebilligt habe. Mit dieser Begründung wies das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern die Beschwerde am 1. April 1986 ab. C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt Marlis I. das vorinstanzlich gestellte Rechtsbegehren erneuern. BGE 113 V 296 S. 298 Während die Kasse auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst, beantragt das Bundesamt für Sozialversicherung, in teilweiser Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde sei die Kasse zu verpflichten, die Versicherte mit Wirkung ab Februar 1985 in die Altersgruppe A umzuteilen, eventuell unter Rückerstattung der zuviel bezahlten Beiträge im Rahmen der fünfjährigen Verjährungsfrist. Erwägungen Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 1. (Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde richtet sich gegen eine Verfügung, welche in Anwendung eines Tarifs im Einzelfall ergangen ist; Art. 129 Abs. 1 lit. b OG steht der Verwaltungsgerichtsbeschwerde darum nicht entgegen.) 2. Nach Art. 6bis Abs. 2 KUVG sind die Kassen berechtigt, die Mitgliederbeiträge nach Eintrittsalter, Geschlecht und örtlich bedingten Kostenunterschieden abzustufen. Der auf 1. Januar 1977 in Kraft getretene neue Art. 73 Ziff. 6 der Statuten der Beschwerdegegnerin bestimmt, dass das erwachsene Mitglied während der ganzen Dauer der Mitgliedschaft, sofern diese nicht unterbrochen wurde, die der Einteilung nach Altersgruppen entsprechenden Beiträge zu entrichten hat. Bei Wiedereintritt werden in der Krankenpflege- und Krankengeldversicherung frühere Mitgliedschaftsjahre der Erwachsenenaltersgruppen angerechnet. Diese neue Regelung enthält in zeitlicher Hinsicht keine Schranken. Es fehlt auch eine Übergangsbestimmung. Eine gesetzeskonforme Auslegung führt jedoch zum Schluss, dass die auf 1. Januar 1977 geänderte Regelung nur dahingehend verstanden werden kann, dass sie sich auch auf Versicherte bezieht, die vor deren Inkrafttreten wieder der Kasse beigetreten sind. Die gegenteilige, von der Beschwerdegegnerin vertretene Auffassung, wonach die neue Bestimmung nur Versicherten, die nach dem 1. Januar 1977 wieder beigetreten sind, zugute kommen soll, verletzt das Prinzip der Gegenseitigkeit, nach welchem die anerkannten Krankenkassen laut Art. 3 Abs. 3 KUVG die Krankenversicherung zu betreiben haben. Nach diesem Grundsatz muss zwischen den Beiträgen einerseits und den Versicherungsleistungen anderseits ein Gleichgewicht bestehen. Weiter besagt er, dass Kassenmitgliedern unter den gleichen Voraussetzungen die gleichen Vorteile zu gewähren sind ( BGE 112 V 287 Erw. 3 mit Hinweisen). Der Grundsatz der Gegenseitigkeit verbietet damit, dass ein Versicherter in den BGE 113 V 296 S. 299 Genuss von Vorteilen kommt, welche die betreffende Kasse nicht auch ihren andern Mitgliedern gewährt, die sich in vergleichbarer Lage befinden ( BGE 109 V 148 , BGE 108 V 258 Erw. 3a, BGE 106 V 178 Erw. 3 mit weiteren Hinweisen). Würden die Versicherten bezüglich Einteilung in die Beitrittsaltersgruppen unterschiedlich behandelt je nachdem, ob der Wiedereintritt in die Zeit vor oder erst nach der in Frage stehenden Statutenrevision gefallen ist, hätte dies zur Folge, dass die vor dem 1. Januar 1977 wieder eingetretenen Versicherten für die ganze Mitgliedschaftsdauer ab diesem Datum gegenüber der Gruppe der erst nach diesem Zeitpunkt Wiedereingetretenen offensichtlich schwer benachteiligt würden. Die erste Gruppe hätte für die gleiche Versicherungsdeckung unter Umständen wesentlich höhere Beiträge zu entrichten als die zweite Gruppe. Ein triftiger Grund für diese Ungleichbehandlung ist nicht ersichtlich, befinden sich doch beide Gruppen von Versicherten - abgesehen vom Stichtag des Wiedereintritts - in der genau gleichen Situation. In der angefochtenen Verfügung weist die Kasse im übrigen selbst auf mögliche Konsequenzen dieser Ungleichbehandlung hin, indem sie ausführt, dass ein Versicherter, dessen Wiedereintritt vor dem 1. Januar 1977 erfolgt ist, unter Umständen eine Umteilung in eine andere Altersgruppe dadurch erreichen könnte, dass er aus der Kasse austritt und ihr später erneut beitritt. Wohl müsste er in einem solchen Fall in Kauf nehmen, dass er bezüglich seines Gesundheitszustandes als Neueintretender behandelt würde; dieser Umstand ist indessen im vorliegenden Zusammenhang ohne Bedeutung. Es ist somit davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin als Wiedereintretende für die Altersgruppeneinteilung grundsätzlich die Anrechnung früherer Mitgliedschaftsjahre beanspruchen kann. Bei diesem Ergebnis handelt es sich um einen Fall unechter Rückwirkung; eine solche liegt nach ständiger Rechtsprechung vor, wenn das neue Recht gestützt auf Sachverhalte, die früher eingetreten sind, nur für die Zeit seit seinem Inkrafttreten Anwendung findet bzw. wenn bei der Anwendung des neuen Rechts auf Verhältnisse abgestellt wird, die schon unter der Herrschaft des alten Rechts entstanden sind und beim Inkrafttreten des neuen Rechts noch andauern. Diese Rückwirkung ist grundsätzlich zulässig, sofern ihr nicht wohlerworbene Rechte entgegenstehen ( BGE 108 V 119 , BGE 107 Ib 196 Erw. 3b und 203, BGE 106 Ia 258 Erw. 3a, BGE 104 Ib 219 Erw. 6, BGE 103 V 41 Erw. 3a, BGE 99 V 202 f.; RKUV 1985 Nr. K 627 S. 131 Erw. 2a). Es stellt sich somit noch die Frage, ab welchem BGE 113 V 296 S. 300 Zeitpunkt die Beschwerdeführerin in den Genuss der Statutenänderung gelangt. 3. a) Die Kasse hat die Beschwerdeführerin auf den 1. Juli 1976 in Anwendung der damals geltenden Bestimmungen in die Eintrittsaltersgruppe B eingestuft. Über eine allfällige Umteilung in die Altersgruppe A hat die Kasse bis 1985 nicht entschieden. Dass sie die Umteilung nicht von sich aus - ohne Gesuch der Beschwerdeführerin - auf den 1. Januar 1977 vorgenommen hat, kann entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht als formlose materielle Verfügung oder als Entscheid im Sinne von Art. 30 Abs. 1 KUVG qualifiziert werden, welche nicht mehr angefochten werden können, wenn der Versicherte dagegen nicht innert nützlicher Frist einschreitet und der Kasse seine abweichende Auffassung bekanntgibt (vgl. BGE 110 V 168 Erw. 2b, BGE 102 V 16 Erw. 2a; RSKV 1982 Nr. 474 S. 27 Erw. 3a, 1981 Nr. 434 S. 7 Erw. 1, Nr. 461 S. 206 und Nr. 464 S. 230; GOSSWEILER, Die Verfügung im schweizerischen Sozialversicherungsrecht, Diss. Bern 1983, S. 208 und 220). Im vorliegenden Fall setzte eine allfällige Umteilung in eine andere Altersgruppe als Änderung im Mitgliedschaftsverhältnis notwendigerweise einen Antrag der Versicherten voraus. Da ein solcher fehlte, konnte auch kein materieller Entscheid in einem konkreten Einzelfall mit den dargestellten Folgen bei fehlender Anfechtung getroffen werden. Begehren um Änderungen im Mitgliedschaftsverhältnis können grundsätzlich nur mit Wirkung für die Zukunft gestellt werden, indem angenommen wird, dass ein Versicherter bis zum Zeitpunkt, da er das entsprechende Gesuch stellt, auf eine Änderung verzichtet. Ob ein solcher Verzicht aus Rechtsunkenntnis, Nachlässigkeit, fehlendem Bedarf oder aus anderen Gründen erfolgt, ist unerheblich. Der Versicherte hat es selbst zu vertreten, wenn er von der Möglichkeit der Änderung im Mitgliedschaftsverhältnis als Gestaltungsrecht nicht rechtzeitig Gebrauch macht. Der Verzicht auf eine Änderung während längerer Zeit hat jedoch keine Verwirkung des Anspruchs zur Folge. Da die Berechtigung, Beiträge aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Altersklasse entrichten zu können, ein auf Dauer angelegter Anspruch ist, kann er auch nach längerem Verzicht ohne weiteres jederzeit mit Wirkung für die Zukunft erhoben werden. b) Wie aus der angefochtenen Verfügung ersichtlich ist, hat die Beschwerdeführerin den Anspruch auf Umteilung erstmals mit BGE 113 V 296 S. 301 Schreiben vom 11. Februar 1985 formell geltend gemacht, weshalb sie ab Februar 1985 in die ihren früher zurückgelegten Mitgliedschaftsjahren entsprechende Altersgruppe umzuteilen ist. Über die richtige Einstufung nach Massgabe der früheren Mitgliedschaftsjahre sowie über die Höhe der Beiträge ab 1. Februar 1985 und eine allfällige Rückvergütung zuviel bezahlter Beiträge ab diesem Datum wird die Kasse, an welche die Sache zurückgewiesen wird, noch zu verfügen haben. 4. (Kostenpunkt.) Dispositiv Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in dem Sinne teilweise gutgeheissen, dass der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern vom 1. April 1986 und die angefochtene Kassenverfügung vom 22. Februar 1985 aufgehoben werden und die Sache an die Christlichsoziale Kranken- und Unfallkasse der Schweiz zurückgewiesen wird, damit diese über den Anspruch der Beschwerdeführerin auf Umteilung in eine andere Altersbeitrittsgruppe ab 1. Februar 1985 und die Rückerstattung zuviel bezahlter Beiträge neu verfüge.
null
nan
de
1,987
CH_BGE
CH_BGE_007
CH
Federation
c5de922f-e11a-4ad5-9be7-9d9eeb9e407f
Urteilskopf 136 III 96 13. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. X. GmbH (vormals Y. GmbH) gegen A. (Beschwerde in Zivilsachen) 4A_347/2009 vom 16. November 2009
Regeste Art. 335b und 336b OR ; missbräuchliche Kündigung während der Probezeit; Frist zur schriftlichen Einsprache bei verkürzter Kündigungsfrist. Die Einsprache gegen eine missbräuchliche Kündigung während der Probezeit ist auch bei verkürzter Kündigungsfrist längstens bis zu deren Ende zu erheben, soweit dies möglich und zumutbar ist (E. 2 und 3).
Sachverhalt ab Seite 96 BGE 136 III 96 S. 96 Die X. GmbH (vormals Y. GmbH; Beschwerdeführerin) betrieb einen Nachtclub, in dem einerseits Bardamen arbeiteten und anderseits auch so genannte "Tänzerinnen" als Prostituierte beschäftigt wurden. Die Beschwerdeführerin stellte A. (Beschwerdegegnerin) als Bardame (nicht als Prostituierte) ein. Die Parteien unterzeichneten zwei Arbeitsverträge, die beide eine Probezeit von drei Monaten und eine Kündigungsfrist von drei Tagen vorsehen. Die Beschwerdeführerin kündigte das Arbeitsverhältnis während der Probezeit mit Schreiben vom 9. August 2004, das sie am 10. August 2004 als Einschreiben der Post übergab. Die Kündigung wurde der Beschwerdegegnerin am 12. August 2004 auch mündlich eröffnet. Mit Schreiben vom 18. August 2004 erhob die Beschwerdegegnerin Einsprache und machte geltend, die Kündigung sei erfolgt, weil sie sich geweigert habe, sich im Betrieb der Beschwerdeführerin prostituieren zu lassen und nicht bereit gewesen sei, mit dem Geschäftsführer den Geschlechtsverkehr zu vollziehen. Damit sei die Kündigung BGE 136 III 96 S. 97 missbräuchlich. Zwischen den Parteien ist streitig, ob diese Vorwürfe zutreffen und ob die Einsprache rechtzeitig erfolgte. Mit Beschluss vom 3. September 2008 verpflichtete das Obergericht des Kantons Zürich die Beschwerdeführerin, der Beschwerdegegnerin unter anderem eine Entschädigung von Fr. 13'800.- wegen missbräuchlicher Kündigung nebst Zins zu bezahlen. Mit Beschwerde in Zivilsachen beantragt die Beschwerdeführerin dem Bundesgericht im Wesentlichen, "die von der Beschwerdegegnerin geltend gemachte Strafzahlung" abzuweisen. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut, da die Einsprache verspätet erfolgte. (Zusammenfassung) Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Eine Kündigung kann grundsätzlich auch während der Probezeit missbräuchlich sein. Dabei ist allerdings zu beachten, dass die Missbrauchsbestimmungen mit Blick auf den Zweck der Probezeit gegenüber einem Arbeitsverhältnis mit ordentlicher Kündigungsfrist nur einschränkend zur Anwendung gelangen ( BGE 134 III 108 E. 7.1 S. 110 mit Hinweisen). Ist die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses missbräuchlich ( Art. 336 OR ), hat diejenige Partei, welche die Kündigung ausgesprochen hat, der anderen Partei eine Entschädigung auszurichten ( Art. 336a OR ). Wer eine solche Entschädigung geltend machen will, muss gegen die Kündigung längstens bis zum Ende der Kündigungsfrist beim Kündigenden schriftlich Einsprache erheben ( Art. 336b Abs. 1 OR ). An die Formulierung der Einsprache werden keine allzu hohen Anforderungen gestellt. Es genügt, wenn die betroffene Partei gegenüber der kündigenden Person schriftlich zum Ausdruck bringt, mit der Kündigung nicht einverstanden zu sein ( BGE 123 III 246 E. 4c S. 253). Ist die Einsprache gültig erfolgt und einigen sich die Parteien nicht über die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, kann die Partei, der gekündigt worden ist, ihren Anspruch auf Entschädigung geltend machen. Wird nicht innert 180 Tagen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Klage anhängig gemacht, ist der Anspruch verwirkt ( Art. 336b Abs. 2 OR ). 2.1 Art. 336b OR wurde per 1. Januar 1989 ins Gesetz aufgenommen. Diese Bestimmung fehlte im Entwurf des Bundesrats zu dieser Gesetzesrevision. Sie wurde vom Parlament in Anlehnung an Art. 336g aOR ins Gesetz eingefügt (vgl. RICHARD BARBEY, La BGE 136 III 96 S. 98 procédure relative aux résiliations abusives du contrat de travail, in: Les nouvelles dispositions du Code des obligations en matière de résiliation du contrat de travail, 1990, S. 105) mit der Absicht, die Vertragsparteien nach erfolgter Kündigung zu einer gütlichen Einigung über die Fortführung des Arbeitsverhältnisses zu bewegen und ihnen nach dem Scheitern entsprechender Verhandlungen möglichst schnell Klarheit über die geltend gemachten Ansprüche zu verschaffen. Der Gesetzgeber war sich bewusst, dass Rechtsuchende, die über diese speziellen Fristen nicht orientiert sind, Opfer der Fristen werden könnten, nahm dies aber mit Blick auf die Rechtssicherheit in Kauf (AB 1985 N 1137 f.; AB 1987 S 347). 2.2 Ob das Ziel, eine gütliche Einigung zu fördern, erreicht wird, wird zwar bezweifelt (vgl. ADRIAN STAEHELIN, in: Zürcher Kommentar, 3. Aufl. 1996, N. 1 zu Art. 336b OR mit Hinweisen). Nach einhelliger Lehre ist die form- und fristgerechte Einsprache gegen die missbräuchliche Kündigung aber unabdingbar. Sie entfällt auch nicht, weil Einigungsverhandlungen angesichts der Haltung der Gegenpartei keinen Sinn ergeben. Wird die Einsprache nicht gültig erhoben, stimmt die Partei, der gekündigt worden ist, der Kündigung im Sinne einer unwiderlegbaren Vermutung zu. Dem Gekündigten steht nur eine Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Kündigung zu (STREIFF/VON KAENEL, Arbeitsvertrag, 6. Aufl. 2006, N. 3 zu Art. 336b OR ; MANFRED REHBINDER, Berner Kommentar, 1992, N. 2 zu Art. 336b OR ; RÉMY WYLER, Droit du travail, 2. Aufl. 2008, S. 553 ff.; STAEHELIN, a.a.O., N. 2 zu Art. 336b OR mit weiteren Hinweisen). 2.3 Massgebend für die Einhaltung der Frist gemäss Art. 336b Abs. 1 OR ist nach herrschender Lehre der Zeitpunkt des Zugangs der Einsprache. Diese hat daher als empfangsbedürftige Willenserklärung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zu erfolgen (STAEHELIN, a.a.O., N. 3 zu Art. 336b OR ; REHBINDER, a.a.O., N. 2 zu Art. 336b OR ; STREIFF/VON KAENEL, a.a.O., N. 3 zu Art. 336b OR ; WYLER, a.a.O., S. 555; ROLAND BERSIER, La résiliation abusive du contrat du travail [ art. 336 à 336 b CO], SJZ 89/1993 S. 321; DENIS HUMBERT, Der neue Kündigungsschutz im Arbeitsrecht, 1991, S. 112). Ein Teil der Lehre lässt die Postaufgabe am letzten Tag der Kündigungsfrist genügen (BARBEY, a.a.O., S. 114; CHRISTIANE BRUNNER UND ANDERE, Kommentar zum Arbeitsvertragsrecht, 3. Aufl. 2005, N. 2 zu Art. 336b OR ). Art. 336b OR ist als absolut zwingende Bestimmung ausgestaltet ( Art. 361 Abs. 1 OR ). BGE 136 III 96 S. 99 3. Die für die Probezeit gesetzlich vorgesehene Kündigungsfrist von sieben Tagen ( Art. 335b Abs. 1 OR ) kann - entgegen der Ansicht der Beschwerdegegnerin - durch schriftliche Abrede, Normalarbeitsvertrag oder Gesamtarbeitsvertrag anders bestimmt ( Art. 335b Abs. 2 OR ) oder ganz wegbedungen werden. Bei der so genannten "entfristeten" Kündigung endet das Arbeitsverhältnis mit dem Zugang der Kündigung (STREIFF/VON KAENEL, a.a.O., N. 8 zu Art. 335b OR mit Hinweisen). Gemäss beiden Arbeitsverträgen vereinbarten die Parteien eine verkürzte Kündigungsfrist von drei Tagen. 3.1 Nach den Erwägungen des Obergerichts ergibt sich bei der Geltendmachung einer Entschädigung im Sinne von Art. 336a OR eine Schwierigkeit, wenn während der Probezeit die Kündigungsfrist gegenüber der gesetzlichen Vorgabe von sieben Tagen ( Art. 335b Abs. 1 OR ) deutlich gekürzt oder "entfristet" wird. Nach Art. 336b Abs. 1 OR müsse die erforderliche Einsprache nämlich "längstens bis zum Ende der Kündigungsfrist" erfolgen und zwar dergestalt, dass sie binnen dieser Frist bei der Gegenpartei eintreffe. Dies sei aber bei einer "entfristeten Kündigungsfrist" schon theoretisch, bei einer verkürzten Kündigungsfrist praktisch unmöglich, da einige Tage verstreichen könnten, bis die Kündigung im Herrschaftsbereich der betroffenen Vertragspartei eintreffe. Der Gesetzgeber habe an diese Fälle schlicht nicht gedacht, weshalb von einer Gesetzeslücke auszugehen sei, die mangels Gewohnheitsrecht gemäss Art. 1 Abs. 2 ZGB nach derjenigen Regel zu entscheiden sei, welche das Obergericht als Gesetzgeber aufstellen würde. Die Einsprachefrist müsse während der Probezeit bei verkürzten oder aufgehobenen Kündigungsfristen mindestens sieben Tage entsprechend der dispositiven Kündigungsfrist während der Probezeit ( Art. 335b Abs. 1 OR ) betragen. Damit werde gewährleistet, dass die betroffene Vertragspartei ihre Ansprüche gemäss Art. 336a OR wahren könne. 3.2 Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Annahme, es bestehe eine zu füllende Gesetzeslücke, verstosse gegen Art. 1 Abs. 2 ZGB . Das Obergericht habe Bundesrecht ( Art. 336b Abs. 1 OR ) verletzt, indem es von einer rechtzeitigen Einsprache ausgegangen sei. Überdies sei die Einsprache selbst dann verspätet, wenn man von einer siebentägigen Einsprachefrist ausgehe. 3.3 Eine echte Gesetzeslücke liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts dann vor, wenn der Gesetzgeber etwas zu regeln unterlassen hat, was er hätte regeln sollen, und dem Gesetz BGE 136 III 96 S. 100 diesbezüglich weder nach seinem Wortlaut noch nach dem durch Auslegung zu ermittelnden Inhalt eine Vorschrift entnommen werden kann ( BGE 128 I 34 E. 3b S. 42; BGE 121 III 219 E. 1d/aa S. 225; je mit Hinweisen). Von einer unechten oder rechtspolitischen Lücke ist demgegenüber die Rede, wenn dem Gesetz zwar eine Antwort, aber keine befriedigende zu entnehmen ist (ARTHUR MEIER-HAYOZ, in: Berner Kommentar, 1962, N. 271 ff. zu Art. 1 ZGB ; HENRI DESCHENAUX, Le Titre préliminaire du Code civil, in: SPR, Bd. II/1, 1969, S. 89 ff.). Echte Lücken zu füllen, ist dem Richter aufgegeben, unechte zu korrigieren, ist ihm nach traditioneller Auffassung grundsätzlich verwehrt, es sei denn, die Berufung auf den als massgeblich erachteten Wortsinn der Norm stelle einen Rechtsmissbrauch dar (MEIER-HAYOZ, a.a.O., N. 295 ff. zu Art. 1 ZGB ). 3.4 Wird die Kündigungsfrist während der Probezeit gekürzt oder wegbedungen, verkürzt sich die Dauer der Einsprachefrist entsprechend. Besteht keine Kündigungsfrist und wird die Kündigung umgehend wirksam, ist es in der Tat unmöglich, eine schriftliche Einsprache zu erheben, die bis zum Ablauf der Kündigungsfrist beim Kündigenden eintrifft. Die Vorinstanz ist grundsätzlich zutreffend davon ausgegangen, dass die für die Einsprache aufgestellten Formvorschriften ( Art. 336b OR ) den Anspruch auf Entschädigung bei missbräuchlicher Kündigung ( Art. 336a OR ) nicht vereiteln dürfen. Eine schematische Anwendung einer siebentätigen Einsprachefrist bei gegenüber dem dispositiven Gesetzesrecht verkürzten Kündigungsfristen würde auch Fälle erfassen, in denen es dem Arbeitnehmer möglich und zumutbar ist, innert der verkürzten Kündigungsfrist Einsprache zu erheben. Dies scheint mit Blick auf den vom Gesetz verfolgten Zweck der Rechtssicherheit und der Förderung einer gütlichen Einigung (vgl. E. 2.1) nicht gerechtfertigt. Darf vom Arbeitnehmer nach Treu und Glauben erwartet werden, innerhalb der verkürzten Frist zu reagieren, rechtfertigt es sich nicht, eine Lücke anzunehmen und vom klaren Wortlaut des Gesetzes abzuweichen. Eine Lücke besteht somit nur, wenn die Kündigungsfrist derart verkürzt oder gänzlich wegbedungen ist, dass es dem Arbeitnehmer nicht möglich oder nicht zumutbar ist, fristgerecht Einsprache zu erheben. Die Parteien vereinbarten eine Kündigungsfrist von drei Tagen. Zu prüfen bleibt daher, ob es der Beschwerdegegnerin anhand der gesamten Umstände möglich und zumutbar war, rechtzeitig Einsprache zu erheben. BGE 136 III 96 S. 101 4. 4.4 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das Obergericht Bundesrecht verletzt hat, indem es die Frist für die Einsprache auf die in Art. 335b Abs. 1 OR vorgesehene siebentägige Frist verlängerte, obwohl es der Beschwerdegegnerin möglich und zumutbar gewesen wäre, innert der gemäss Art. 335b Abs. 2 OR vertraglich verkürzten Kündigungsfrist Einsprache zu erheben. Die Einsprache der Beschwerdegegnerin ist daher nicht rechtzeitig erfolgt. Entsprechend steht ihr keine Entschädigungsforderung nach Art. 336a OR zu. Angesichts dieses Ergebnisses kann offenbleiben, ob die Einsprache auch bei der Annahme einer siebentägigen Einsprachefrist verspätet erfolgte und ob die Kündigung missbräuchlich war.
null
nan
de
2,009
CH_BGE
CH_BGE_005
CH
Federation
c5e034f8-c68d-484f-a460-9941b6de154c
Urteilskopf 140 V 77 11. Auszug aus dem Urteil der I. sozialrechtlichen Abteilung i.S. Allianz Suisse Versicherungs-Gesellschaft AG gegen V. (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) 8C_859/2013 vom 24. Februar 2014
Regeste Art. 50 Abs. 1 und 2, Art. 53 Abs. 2 ATSG ; Art. 18 UVG ; Wiedererwägung bei vergleichsgestützter Leistungszusprechung des Unfallversicherers. Der UVG-Versicherer kann seine gestützt auf einen Vergleich mit der versicherten Person erlassene Verfügung über die Zusprechung einer Versicherungsleistung nicht mit der Begründung in Wiedererwägung ziehen, ein einzelnes der anspruchsrelevanten Kriterien - wie etwa der versicherte Verdienst bei einer Invalidenrente - sei offensichtlich unrichtig festgelegt worden. Hiefür müsste sich vielmehr die vergleichsweise verfügte Leistung bei einer auch sämtliche weiteren Anspruchsfaktoren umfassenden Klärung des Sachverhalts und der Rechtslage im Ergebnis als offensichtlich unrichtig erweisen (E. 3).
Sachverhalt ab Seite 77 BGE 140 V 77 S. 77 A. Die 1959 geborene V. war als Küchenangestellte in einem Spital tätig und dadurch bei der Helvetia Unfall (nachfolgend: Helvetia) obligatorisch gegen Unfallfolgen versichert, als sie sich am 8. März 1984 bei einem Autounfall verletzte. Die Helvetia anerkannte ihre BGE 140 V 77 S. 78 Leistungspflicht und erbrachte die gesetzlichen Leistungen. Im März 1998 unterbreitete die Elvia Versicherungen (nachfolgend: Elvia) als Rechtsnachfolgerin der Helvetia der Versicherten den Vorschlag, für die verbleibenden Folgen des Unfalls vergleichsweise eine ab 1. Januar 1998 laufende Invalidenrente bei einem Invaliditätsgrad von 33,33 % und einem versicherten Verdienst von Fr. 54'000.- sowie eine Integritätsentschädigung aufgrund einer Integritätseinbusse von 10 % zuzusprechen. Die Versicherte stimmte dem Vorschlag bis auf den versicherten Verdienst, der auf Fr. 62'000.- zu erhöhen sei, zu. Mit rechtskräftiger Verfügung vom 23. September 1998 erklärte sich die Elvia "unpräjudizierlich" bereit, den versicherten Verdienst und damit die Rente entsprechend anzuheben, und sprach die Leistungen in diesem Sinne zu. Mit Verfügung vom 1. Oktober 2012 zog die Allianz Suisse Versicherungs-Gesellschaft AG (nachfolgend: Allianz) als Rechtsnachfolgerin der Elvia die Verfügung vom 23. September 1998 insofern in Wiedererwägung, als sie rückwirkend ab 1. Januar 1998 den versicherten Verdienst auf Fr. 40'943.- reduzierte und die Rente entsprechend herabsetzte. Zur Begründung führte sie an, der versicherte Verdienst und mit ihm der Rentenanspruch seien in der damaligen Verfügung offensichtlich unrichtig festgesetzt worden. Das müsse berichtigt werden. Auf eine Rückforderung der in der Zeit bis 31. August 2012 zu viel ausgerichteten Betreffnisse werde, soweit nicht ohnehin die Verjährung eingetreten sei, verzichtet. V. erhob Einsprache. Mit Entscheid vom 12. März 2013 hiess die Allianz diese teilweise gut, indem sie den versicherten Verdienst auf Fr. 41'254.60 erhöhte und den Rentenanspruch entsprechend festsetzte. Im Übrigen hielt der Versicherer an der Verfügung vom 1. Oktober 2012 fest. B. In Gutheissung der von V. hiegegen eingereichten Beschwerde hob das Sozialversicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt die Verfügung vom 1. Oktober 2012 und den Einspracheentscheid vom 12. März 2013 auf (Entscheid vom 14. Oktober 2013). C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt die Allianz, es sei der vorinstanzliche Entscheid aufzuheben und der Einspracheentscheid vom 12. März 2013 zu bestätigen. Die vorinstanzlichen Akten wurden eingeholt. Ein Schriftenwechsel wurde nicht durchgeführt. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. BGE 140 V 77 S. 79 Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Den Ausgangspunkt des zu beurteilenden Rechtsstreites bildet die Verfügung vom 23. September 1998. Mit dieser hat die Rechtsvorgängerin der Allianz als obligatorischer Unfallversicherer der Beschwerdegegnerin für die verbleibenden Folgen des erlittenen Unfalls nebst einer Integritätsentschädigung eine ab 1. Januar 1998 laufende Invalidenrente nach Massgabe eines Invaliditätsgrades von 33,33 % und eines versicherten Verdienstes von Fr. 62'000.- zugesprochen. Der Versicherer stützte sich bei der Zusprechung dieser Leistungen auf einen mit der Versicherten geschlossenen Vergleich. Streitig und zu prüfen ist, ob die Allianz zu Recht in Wiedererwägung der Verfügung vom 23. September 1998 den versicherten Verdienst auf Fr. 41'254.60 reduziert und die Invalidenrente entsprechend herabgesetzt hat. 3. 3.1 Gemäss Art. 53 Abs. 2 ATSG (SR 830.1) kann der Versicherungsträger auf formell rechtskräftige Verfügungen oder Einspracheentscheide zurückkommen, wenn diese zweifellos unrichtig sind und wenn ihre Berichtigung von erheblicher Bedeutung ist. Diese Bestimmung wurde in Anlehnung an die Kriterien erlassen, welche die Rechtsprechung bis zum Inkrafttreten des ATSG am 1. Januar 2003 entwickelt hatte ( BGE 133 V 50 E. 4.1 S. 52; vgl. auch BGE 138 V 147 E. 2.1 S. 148 f.). Voraussetzung einer Wiedererwägung ist - nebst der erheblichen Bedeutung der Berichtigung -, dass kein vernünftiger Zweifel an der Unrichtigkeit der Verfügung (gemeint ist hiebei immer auch ein allfälliger Einspracheentscheid) besteht, also nur dieser einzige Schluss denkbar ist. Dieses Erfordernis ist in der Regel erfüllt, wenn eine Leistungszusprache aufgrund falscher Rechtsregeln erfolgt ist oder wenn massgebliche Bestimmungen nicht oder unrichtig angewandt wurden ( BGE 138 V 324 E. 3.3 S. 328). Ob dies zutrifft, beurteilt sich nach der bei Erlass der Verfügung bestandenen Sach- und Rechtslage, einschliesslich der damaligen Rechtspraxis (vgl. BGE 138 V 147 E. 2.1 S. 149, BGE 138 V 324 E. 3.3 S. 328). Um wiedererwägungsweise auf eine verfügte Leistung zurückkommen zu können, genügt es aber nicht, wenn ein einzelnes Anspruchselement rechtswidrig festgelegt wurde. Vielmehr hat sich die Leistungszusprache auch im Ergebnis als offensichtlich unrichtig zu BGE 140 V 77 S. 80 erweisen. So muss etwa, damit eine zugesprochene Rente wegen einer unkorrekten Invaliditätsbemessung wiedererwägungsweise aufgehoben werden kann, - nach damaliger Sach- und Rechtslage - erstellt sein, dass eine korrekte Invaliditätsbemessung hinsichtlich des Leistungsanspruchs zu einem anderen Ergebnis geführt hätte (vgl. BGE 117 V 8 E. 2c/aa S. 20; SVR 2006 UV Nr. 17 S. 60, U 378/05 E. 5.3; sodann aus jüngerer Zeit: Urteil 8C_778/2012 vom 27. Mai 2013 E. 3.1 mit weiteren Hinweisen). Eine Wiedererwägung einer prozentgenauen Invalidenrente bedingt sodann, dass die Differenz des Invaliditätsgrades zu der als zweifellos unrichtig erkannten Verfügung mindestens 5 Prozentpunkte beträgt ( BGE 140 V 85 E. 4 S. 87). 3.2 Bereits vor Inkrafttreten des ATSG war es nach der Rechtsprechung zulässig, sozialversicherungsrechtliche Streitigkeiten zwischen Versicherungsträger und Versicherten vergleichsweise zu regeln (vgl. BGE 133 V 593 E. 4.3 S. 595; BGE 104 V 162 ; UELI KIESER, ATSG-Kommentar, 2. Aufl. 2009, N. 3 ff. zu Art. 50 ATSG ; BARBARA KUPFER BUCHER, Das nichtstreitige Verwaltungsverfahren nach dem ATSG und seine Auswirkungen auf das AVIG, 2006, S. 202). In Art. 50 ATSG wurde dies kodifiziert. Danach können Streitigkeiten über sozialversicherungsrechtliche Leistungen durch Vergleich erledigt werden ( Art. 50 Abs. 1 ATSG ). Der Versicherungsträger hat den Vergleich in Form einer anfechtbaren Verfügung zu eröffnen ( Art. 50 Abs. 2 ATSG ). 3.2.1 Die Befugnis zum Abschluss eines Vergleichs ermächtigt die Behörde nicht, bewusst eine gesetzwidrige Vereinbarung zu schliessen, also von einer von ihr als richtig erkannten Gesetzesanwendung im Sinne eines Kompromisses abzuweichen. Ist der Vergleich im Gesetzesrecht zugelassen, so wird aber damit den Parteien bei ungewisser Sach- oder Rechtslage die Befugnis eingeräumt, ein Rechtsverhältnis vertraglich zu ordnen, um die bestehende Rechtsunsicherheit zu beseitigen. Dabei und damit wird in Kauf genommen, dass der Vergleichsinhalt von der Regelung des Rechtsverhältnisses abweicht, zu der es bei umfassender Klärung des Sachverhalts und der Rechtslage allenfalls gekommen wäre. Ein Vergleich ist somit zulässig, soweit der Verwaltung ein Ermessensspielraum zukommt sowie zur Beseitigung rechtlicher und/oder tatsächlicher Unklarheiten ( BGE 138 V 147 E. 2.4 S. 149 f.; vgl. auch KUPFER BUCHER, a.a.O., S. 198 f. mit Hinweisen auf Gesetzesmaterialien). BGE 140 V 77 S. 81 3.2.2 Rechtsprechungsgemäss kann ein Vergleich grundsätzlich ebenso in Wiedererwägung gezogen werden wie eine Verfügung. Es sind jedoch im Rahmen von Art. 53 Abs. 2 ATSG höhere Anforderungen zu stellen, um dem Vergleichscharakter Rechnung zu tragen ( BGE 138 V 147 E. 2.3 S. 149). Der Mechanismus der Interessenabwägung ist somit bei der Wiedererwägung eines Vergleichs bzw. einer Verfügung der gleiche; Unterschiede ergeben sich jedoch bei der Gewichtung, namentlich des Schutzes des berechtigten Vertrauens in den Bestand, der tendenzmässig beim Vergleich stärker als bei der Verfügung ausfällt ( BGE 138 V 147 E. 2.4 S. 150). Zu beachten ist dabei auch, dass die Zusprechung von Sozialversicherungsleistungen in der Regel auf verschiedenen Anspruchsgrundlagen beruht. Im UVG sind dies, nebst etwa der Versicherungsdeckung und den notwendigen kausalen Zusammenhängen, bei der Invalidenrente in erster Linie der Invaliditätsgrad - mit den diesem zugrunde liegenden Faktoren der Invaliditätsbemessung - und der versicherte Verdienst, bei der Integritätsentschädigung die Integritätseinbusse. Werden Sozialversicherungsleistungen gestützt auf einen Vergleich verfügt, umfasst dieser für gewöhnlich eine gesamthafte Würdigung aller relevanten Anspruchsfaktoren. Das heisst, jede Vergleichspartei bezieht in ihre Überlegungen mit ein und nimmt in Kauf, dass bei der vergleichsweisen Erledigung einige Anspruchsfaktoren eher zu ihren Gunsten, andere eher zu ihren Ungunsten ausgelegt werden als bei einer umfassenden Prüfung, und sie wägt ab, welchem Ergebnis sie bei gesamthafter Betrachtung zustimmen will. Der Versicherungsträger hat sich hiebei im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens zu halten. Für die versicherte Person wird die rasche Zusprechung einer möglichst hohen Leistung im Vordergrund stehen (vgl. E. 3.2.1 hievor). 3.2.3 Der wie dargelegt gesamthaften Betrachtungsweise beim Vergleich und den ihr zugrunde liegenden Wechselwirkungen läuft zuwider, wenn der Unfallversicherer im Nachhinein ein einzelnes Element des Leistungsanspruchs herausgreift und einer Wiedererwägung der damaligen Verfügung zugrunde legen, an den übrigen Anspruchsfaktoren gemäss Vergleich aber ohne nähere Prüfung festhalten will. Um eine Wiedererwägung vornehmen zu können, müsste vielmehr feststehen, dass die vergleichsweise verfügte Leistung bei einer auch sämtliche weiteren Anspruchsfaktoren umfassenden Klärung des Sachverhalts und der Rechtslage - auf damaligem Stand - im Ergebnis als offensichtlich unrichtig zu betrachten ist. BGE 140 V 77 S. 82 4. Im vorliegenden Fall hat der Unfallversicherer sich auf den versicherten Verdienst beschränkt und die übrigen rentenrelevanten Faktoren unberücksichtigt gelassen. Das rechtfertigt, selbst wenn der versicherte Verdienst isoliert betrachtet als offensichtlich unrichtig zu betrachten wäre, keine Wiedererwägung der gestützt auf den Vergleich zugesprochenen Invalidenrente. Hinzu kommt, dass der Vergleich auch eine Integritätsentschädigung umfasste. Inwieweit auch diese zu berücksichtigen wäre, kann aber offenbleiben, da sich die Wiedererwägung schon aufgrund des zuvor Gesagten als unzulässig erweist. Das kantonale Gericht hat den Einspracheentscheid somit zu Recht aufgehoben. Die Beschwerde ist abzuweisen.
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2,014
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c5eb0981-a35b-4986-beb2-997b8bc54cc5
Urteilskopf 114 V 145 31. Extrait de l'arrêt du 15 février 1988 dans la cause B. contre Caisse de compensation de l'Association suisse des patrons boulangers-pâtissiers et Tribunal cantonal valaisan des assurances
Regeste Art. 4 Abs. 1 BV , art. 72 AHVG : Rechtsweg bei formeller Rechtsverweigerung. Verweigert eine kantonale oder eine Verbands-Ausgleichskasse eine Verfügung oder verzögert sie einen Bescheid, so steht es - im Rahmen seiner Aufsichtsbefugnis - dem Bundesamt für Sozialversicherung zu, über eine Beschwerde zu befinden, die ein Versicherter gegen diese Verweigerung einer Verfügung oder gegen diese ungerechtfertigte Verzögerung erhoben hat.
Sachverhalt ab Seite 146 BGE 114 V 145 S. 146 A.- Antoine B. a été au bénéfice d'une rente entière de l'assurance-invalidité du 1er mai 1979 au 1er octobre 1980, date à laquelle cette prestation a été supprimée par décision de la Caisse de compensation de l'Association suisse des patrons boulangers-pâtissiers, du 29 septembre 1980. L'assuré ayant présenté une nouvelle demande de rente le 28 juin 1984, la Commission de l'assurance-invalidité du canton du Valais l'a invité à rapporter la preuve que son invalidité s'était modifiée de façon à influencer ses droits depuis le moment où l'administration avait supprimé sa rente. A cet effet, elle lui a demandé de produire, à ses frais, un "rapport médical détaillé". L'assuré a séjourné à l'Hôpital de S., du 12 au 16 novembre 1984, afin d'y subir des examens médicaux. La commission de l'assurance-invalidité ayant refusé de prendre en charge la facture de 1'425 fr. relative à ces investigations, l'assuré a demandé à l'administration de rendre une décision formelle sur cette question (lettres des 27 janvier et 7 avril 1986). Par décision du 18 avril 1986, la caisse de compensation a notifié à l'assuré qu'elle refusait d'entrer en matière sur sa demande de rente d'invalidité, sans toutefois se prononcer sur la question du remboursement de la facture précitée. B.- Antoine B. a recouru devant le Tribunal cantonal valaisan des assurances en concluant à l'octroi d'une rente d'invalidité; en outre, il a demandé "de condamner l'assurance-invalidité à payer 1'425 fr. pour l'hospitalisation du 12 novembre 1984" ... "ou, accessoirement, de contraindre (l'administration) à porter à ce sujet une décision sujette à recours". Par jugement du 12 novembre 1986, la juridiction cantonale, d'une part, a rejeté le pourvoi en ce qui concerne la demande de rente et, d'autre part, a refusé d'entrer en matière sur la question des frais d'examens médicaux, motif pris que ce point n'avait pas fait l'objet d'une décision formelle de la part de la caisse. C.- Antoine B. interjette recours de droit administratif contre ce jugement en concluant à son annulation et à la prise en charge par l'administration de la facture de l'Hôpital de Sion; il se plaint d'un déni de justice de la part de la caisse qui a refusé de statuer formellement sur cette question. BGE 114 V 145 S. 147 La caisse intimée se réfère à un préavis de la commission de l'assurance-invalidité, laquelle déclare "maintenir (son) prononcé". De son côté, l'Office fédéral des assurances sociales propose le rejet du recours. Erwägungen Extrait des considérants: 3. a) La juridiction cantonale a refusé d'entrer en matière sur la demande subsidiaire du recourant, tendant à ce que l'administration soit astreinte à rendre une décision sujette à recours sur la question de la prise en charge éventuelle des frais relatifs aux mesures d'investigation médicale. Elle a considéré qu'"il (appartenait) à l'assuré lui-même de solliciter de l'administration une décision susceptible de recours à cet égard". Or, dans ses lettres adressées à la caisse intimée les 27 janvier et 7 avril 1986, le recourant a non seulement contesté le refus par cette dernière de prendre en charge les frais d'investigation médicale en milieu hospitalier, mais il lui a également demandé de rendre une décision formelle sur ce point, requête à laquelle la caisse n'a pas donné suite. Ce faisant, cette dernière a commis un déni de justice formel, violant par là l' art. 4 al. 1 Cst. (cf. ATF 103 V 193 consid. 3a et les références; GRISEL, Traité de droit administratif suisse, p. 369; GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2e éd., p. 226; MAURER, Schweizerisches Sozialversicherungsrecht, t. I, p. 452). b) En l'occurrence, il convient de se demander si la juridiction cantonale était compétente pour connaître du recours formé par l'assuré contre ce refus de la caisse de statuer. La législation applicable en matière d'assurance-invalidité prévoit que les décisions prises par des caisses de compensation peuvent faire l'objet d'un recours devant les autorités désignées par les cantons ( art. 69 LAI en corrélation avec l' art. 84 LAVS ). En revanche, à part l' art. 70 PA qui ne s'applique qu'à la procédure à suivre par la Caisse suisse de compensation et la Caisse fédérale de compensation (cf. art. 1 al. 2 let . e et art. 3 let. a PA ; ATF 108 V 230 ), il n'existe pas de disposition de droit fédéral désignant expressément l'autorité qui peut être saisie d'un recours pour retard injustifié ou refus de statuer de la part d'une caisse de compensation. Selon l' art. 72 al. 1 LAVS , dans sa teneur en vigueur depuis le 1er juillet 1987 (RO 1987 I 453), le Conseil fédéral surveille l'exécution de cette loi; il veille à l'application uniforme des BGE 114 V 145 S. 148 prescriptions légales sur l'ensemble du territoire de la Confédération; il édicte à cet effet les ordonnances nécessaires et peut charger l'office fédéral compétent de donner aux organes d'exécution de l'assurance des instructions garantissant une pratique uniforme. Le Conseil fédéral a fait usage de cette faculté en autorisant l'Office fédéral des assurances sociales à donner de telles instructions - en général et dans des cas particuliers - aux services chargés d'appliquer la législation sur l'assurance-vieillesse et survivants ( art. 176 al. 2 RAVS , dans sa teneur en vigueur depuis le 1er juillet 1987 [RO 1987 I 445]). En vertu des compétences qui lui sont attribuées, l'office précité peut notamment donner à une caisse de compensation des instructions impératives concernant un cas d'espèce. En particulier, la Cour de céans a jugé que, si les conditions d'une reconsidération étaient en l'espèce remplies, il pouvait contraindre une caisse de compensation à reconsidérer une décision entrée en force (arrêt non publié G. du 15 novembre 1982). Dès lors, lorsqu'une caisse de compensation cantonale ou professionnelle refuse de statuer ou tarde à se prononcer, c'est l'Office fédéral des assurances sociales - dans le cadre de son pouvoir de surveillance - qui est compétent pour connaître d'un recours formé par un assuré contre ce retard injustifié ou ce refus de statuer. Il s'agit, dans ce cas, d'une véritable voie de droit, et non pas d'une simple dénonciation au sens de l' art. 71 PA . Cela implique que l'autorité fédérale de surveillance est tenue de statuer sous la forme d'une décision contre laquelle un recours de droit administratif peut être formé devant le Tribunal fédéral des assurances, en vertu de l' art. 203 RAVS ; elle ne peut, en d'autres termes, se borner à donner des instructions à la caisse de compensation mise en cause. Cette voie de droit est ouverte non seulement dans le cadre de l'assurance-vieillesse et survivants, mais également dans les autres domaines où l'Office fédéral des assurances sociales exerce un pouvoir de surveillance sur les caisses de compensation, soit en matière d'assurance-invalidité ( art. 64 al. 1 LAI et 89 RAI), de prestations complémentaires à l'assurance-vieillesse, survivants et invalidité ( art. 14 al. 1 LPC et 55 OPC-AVS/AI), d'allocations pour perte de gain en faveur des personnes servant dans l'armée ou dans la protection civile ( art. 23 al. 1 LAPG et 24 RAPG) et d'allocations familiales dans l'agriculture (cf. art. 25 LFA ). L' art. 70 PA demeure toutefois réservé en ce qui BGE 114 V 145 S. 149 concerne les caisses de compensation de la Confédération qui sont soumises à cette loi. c) Au vu des principes ci-dessus exposés, le Tribunal cantonal valaisan des assurances ne pouvait être saisi par l'assuré d'un recours dirigé contre le refus de la caisse de statuer. Toutefois, en vertu d'un principe applicable à toute procédure en matière d'assurance sociale (arrêt non publié P. du 9 mars 1977), il n'aurait pas dû se borner à déclarer ce recours irrecevable, mais devait le transmettre d'office à l'autorité compétente - en l'occurrence l'Office fédéral des assurances sociales...
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c5ee4853-cac8-415c-89e6-6641c68b7b76
Urteilskopf 93 I 200 25. Urteil vom 17. Februar 1967 i.S. de Vigier und Mitbeteiligte gegen Zweckverband Abwasserregion Solothurn-Emme und Regierungsrat des Kantons Solothurn.
Regeste Gewährung des Enteignungsrechtes im Rahmen des Gewässerschutzes; Art. 13 Abs. 1 GSchG . 1. Ist die verwaltungsrechtliche oder die staatsrechtliche Beschwerde unzulässig, wenn sie nicht von allen Mitgliedern einer Erbengemeinschaft eingereicht worden ist (Erw. 1)? 2. Die Grundlage für das Enteignungsrecht, das zur Erstellung von Anlagen des Gewässerschutzes gewährt wird, ist das eidgenössische und nicht das kantonale Recht (Erw. 2). 3. Die Befugnis, das Enteignungsrecht zu verleihen, steht der Kantonsregierung zu (Erw. 3). 4. Voraussetzungen der Gewährung des Enteignungsrechtes; Eigentumsgarantie (Erw. 4a). 5. Angemessenheit eines Entscheides, der das Enteignungsrecht gewährt (Erw. 4b).
Sachverhalt ab Seite 201 BGE 93 I 200 S. 201 A.- Zwanzig Gemeinden der Region Solothurn und untere Emme haben sich zum "Zweckverband Abwasserregion Solothurn-Emme mit Sitz in Solothurn" zusammengeschlossen. Dieser Verband beabsichtigt, eine grosse Kläranlage bei der Einmündung der Emme in die Aare zu errichten. Ursprünglich war vorgesehen, die Kläranlage im Vogelschutzreservat "Inseli" im "Emmenspitz" östlich der Einmündung zu erstellen. In der Folge beschloss jedoch der Regierungsrat des Kantons Solothurn, das Reservat unverändert zu erhalten und die Anlage auf dem gegenüberliegenden Grundstück zu errichten. Dieses gehört der Erbengemeinschaft de Vigier/Studer, welche die Erben W. A. de Vigier, Dr. Charles Studer, Dr. Rudolf Studer und Wilhelm de Vigier umfasst. Am 26. August 1966 erteilte der Regierungsrat gestützt auf Art. 15 Abs. 2 der Kantonsverfassung und § 26 Abs. 1 des kantonalen Wasserrechtsgesetzes (WRG) vom 27. September 1959 dem Zweckverband das Recht, von der der Erbengemeinschaft gehörenden Liegenschaft 49'670 m2 zu enteignen. B.- W. A. de Vigier, Dr. Charles Studer und Dr. Rudolf Studer führen hiegegen Verwaltungsgerichtsbeschwerde und subsidiär staatsrechtliche Beschwerde mit dem Antrag, der BGE 93 I 200 S. 202 regierungsrätliche Entscheid sei im Sinne der Erwägungen aufzuheben. Mit beiden Beschwerden wird eine Missachtung der Eigentumsgarantie, der Gewaltentrennung und der Rechtsgleichheit geltend gemacht. In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird zudem eine Verletzung von Art. 13 des Gewässerschutzgesetzes (GSchG) und Art. 9 des Eidg. Enteignungsgesetzes (EntG) gerügt. Zur Begründung wird im einzelnen vorgebracht, die Enteignung sei immer nur ein letzter Ausweg. Bevor das Enteignungsrecht im vorliegenden Fall hätte erteilt werden dürfen, hätten zum mindesten die Eidg. Anstalt für Wasserversorgung, Abwasserreinigung und Gewässerschutz (EAWAG) und die Fachstelle für Gewässerschutz des Eidg. Departements des Innern begrüsst werden müssen. Wenn schon das Vogelschutzreservat im Emmenspitz erhalten werden solle, sei es ein Unding, die angrenzenden Landzonen mit Industriebauten zu füllen. Zu Unrecht sei auch der von den Beschwerdeführern angebotene Beweis durch Experten, dass andere Lösungsmöglichkeiten in Betracht fallen, nicht abgenommen worden. Zudem werde zu früh expropriiert und überdies zu viel Land. Abgesehen davon könne der Regierungsrat eine entsprechende Kompetenz nicht aus Art. 13 Abs. 1 GSchG ableiten. Wenn dort von der Befugnis der Kantonsregierung die Rede sei, so sei darunter lediglich die Übertragung einer Kompetenz an die nach kantonalem Recht zuständige Instanz zu verstehen, und das sei nach Art. 230 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zum Zivilgesetzbuch der Kantonsrat. Daher verletze der Entscheid auch den Grundsatz der Gewaltentrennung. C.- Der Regierungsrat beantragt, beide Beschwerden seien abzuweisen. Dem Entscheid über die Erteilung des Enteignungsrechtes seien sorgfältige Detailabklärungen vorausgegangen. Die für die Enteignung vorgesehene Fläche stelle ein unbedingt nötiges Minimum für die Anlage dar. Die Zuständigkeit des Regierungsrates ergebe sich unmittelbar aus Art. 13 Abs. 1 GSchG . D.- Das Eidg. Departement des Innern beantragt, die Verwaltungsgerichtsbeschwerde sei abzuweisen. Das Projekt - mit seinen verschiedenen Varianten - sei so gut durchgedacht, dass es möglich sei, den Flächenbedarf für die Kläranlage hinreichend genau zu ermitteln. Es sei unerlässlich, dass der Zweckverband sich auch das Land für die später zu schaffende Schlammverwertungs- BGE 93 I 200 S. 203 und Schlammvernichtungsanlage sichere. Der Standort auf dem Grundstück der Beschwerdeführer sei wesentlich besser gewählt als der ursprünglich vorgesehene Standort im Naturschutzreservat; als Vorfluter komme nur die Aare in Betracht. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Der Regierungsrat hat dem Zweckverband im angefochtenen Entscheid das Recht zur Enteignung von Land erteilt, das der Erbengemeinschaft de Vigier/Studer zur gesamten Hand gehört. Nach Art. 602 und 653 ZGB können die Miterben und Gesamteigentümer nur gemeinsam über die Rechte der Erbschaft verfügen. Das gilt auch im Prozess, wo die Erben eine notwendige Streitgenossenschaft bilden. Die staatsrechtliche und die verwaltungsrechtliche Beschwerde sind indessen nur von drei der vier Mitglieder der Erbengemeinschaft eingereicht worden. Ob die Beschwerden sich nicht schon aus diesem Grunde als unzulässig erweisen oder ob hier ein Individualbeschwerderecht jedes Gesamteigentümers anzunehmen sei, wie dies MEIER-HAYOZ (Komm. zum Sachenrecht, Allg. Teil, N. 6 zu Art. 653, S. 524/5) unter besonderen Umständen zum Schutz der Gemeinschaft gegen schädigende Sonderaktionen einzelner Gemeinschafter gelten lässt, kann jedoch offen bleiben, da die erhobenen Rügen einer materiellen Prüfung ohnehin nicht standhalten. 2. In zweiter Linie fragt sich, ob auf die verwaltungsrechtliche Beschwerde oder auf die staatsrechtliche Beschwerde einzutreten sei. Die Antwort auf diese Frage hängt davon ab, ob der regierungsrätliche Entscheid in Anwendung des Gewässerschutzgesetzes ergangen ist. Trifft dies zu, dann kann er nach Art. 14 mit der verwaltungsrechtlichen Beschwerde angefochten werden und ist die subsidiäre staatsrechtliche Beschwerde ausgeschlossen ( BGE 86 I 193 Erw. 3). Nach Art. 13 Abs. 1 GSchG können die Kantonsregierungen Gemeinden und privaten Unternehmungen, wenn Gründe des öffentlichen Wohles bestehen, für die Erstellung von Anlagen des Gewässerschutzes das Enteignungsrecht gewähren. Das hat der Regierungsrat getan, und die Grundlage ist jene Bestimmung, auch wenn er nicht sie, sondern Vorschriften des kantonalen Wasserrechtsgesetzes genannt hat, die aber ihrerseits auf dem Gewässerschutzgesetz beruhen und seiner Durchführung dienen. BGE 93 I 200 S. 204 Richtig ist, dass der Kanton Solothurn, wie § 27 Abs. 2 der kantonalen Wasserrechtsverordnung vom 22. März 1960/16. Februar 1962 zu entnehmen ist, von der Möglichkeit von Art. 13 Abs. 2 GSchG keinen Gebrauch gemacht hat und die Enteignung nach dem kantonalen Enteignungsgesetz durchführt. Das ändert aber nichts daran, dass die Gewährung des Enteignungsrechtes sich auf Art. 13 Abs. 1 GSchG stützt und der angefochtene Entscheid in Anwendung dieser Bestimmung ergangen ist (vgl. auch das nicht veröffentlichte Urteil der verwaltungsrechtlichen Kammer des Bundesgerichtes vom 22. September 1966 i.S. Britschgi, S. 4/5). Damit ist die verwaltungsrechtliche Beschwerde gegeben. Mit dieser kann auch eine Verletzung der Eigentumsgarantie und der Rechtsgleichheit geltend gemacht werden ( BGE 86 I 192 ). Da sich die Kompetenz des Regierungsrates, wie sich im Folgenden ergibt, aus dem Bundesrecht herleitet, bleibt für die Rüge der Verletzung der Gewaltentrennung kein Raum; denn dieser Grundsatz des kantonalen Verfassungsrechts kann nicht angerufen werden, soweit das Bundesrecht eine Zuständigkeit regelt. Aus der Zulässigkeit der verwaltungsrechtlichen Beschwerde ergibt sich, dass das Bundesgericht frei zu prüfen hat, ob das Gewässerschutzgesetz verletzt sei, ob der angefochtene Entscheid auf einer unrichtigen oder unvollständigen Feststellung des Sachverhalts beruhe ( Art. 105 OG ), ja sogar ob er angemessen sei oder nicht ( Art. 14 GSchG ). 3. Die Beschwerdeführer behaupten, die Kompetenz des Regierungsrates, das Enteignungsrecht zu verleihen, könne weder aus dem kantonalen Recht noch aus dem Gewässerschutzgesetz abgeleitet werden. Art. 13 Abs. 1 GSchG räumt die Befugnis, das Enteignungsrecht zu verleihen, ausdrücklich "der Kantonsregierung" ein. Die Beschwerdeführer glauben, dass diese Bestimmung nicht wörtlich verstanden werden dürfe; der Bund habe allgemein den Kantonen das Enteignungsrecht einräumen wollen; Sache des kantonalen Gesetzgebers sei es, die zur Verleihung zuständigen kantonalen Organe zu bestimmen. Für die Ansicht der Beschwerdeführer kann die Botschaft des Bundesrates vom 9. Februar 1954 (BBl 1954 I S. 342) herangezogen werden, wo in der Tat erklärt wird: "Art. 9 (sc. Abs. 1, jetzt Art. 13 Abs. 1) erteilt den Kantonen die Ermächtigung, Gemeinden und privaten Unternehmen das Enteignungsrecht BGE 93 I 200 S. 205 zu gewähren, falls sie nicht über den für den Bau einer Reinigungsanlage erforderlichen Boden verfügen." Doch hat der Berichterstatter im Ständerat die Bestimmung durchaus im wörtlichen Sinne verstanden (Sten. Bull. StR 1954 S. 204), wenn er ausführte: "Mit den in Abs. 2 a und b vorgesehenen Ausnahmen von den Bestimmungen des Enteignungsgesetzes wird bewirkt, dass hier eine Kantonsregierung die Funktion ausüben kann, die bei einer eidgenössischen Expropriation dem Bundesrat zusteht (Art. 55 und 56 Expropriationsgesetz)." Entgegen der abgekürzten Ausdrucksweise der bundesrätlichen Botschaft ermächtigt Art. 13 Abs. 1 GSchG somit nicht den "Kanton", sondern die "Kantonsregierung", das Enteignungsrecht für Gewässerschutzanlagen zu gewähren. Das ist entscheidend, und es kommt nicht darauf an, ob nach dem (älteren) kantonalen Recht eine andere Behörde zuständig wäre. Es ist daher belanglos, wenn § 230 Abs. 1 EG zum ZGB ausschliesslich den Kantonsrat als zuständig erklärt. 4. a) Materiell geht der Streit darum, ob Gründe des öffentlichen Wohls erfordern, dass die Abwasserreinigungsanlage im Schachen erstellt und deshalb 49'670 m2 Land der Beschwerdeführer enteignet werden. Weil sie das verneinen, erblicken sie in der Gewährung des Enteignungsrechtes eine Verletzung sowohl von Art. 13 Abs. 1 GSchG als auch der Eigentumsgarantie. Sie machen zunächst geltend, die Möglichkeit anderer Standorte sei nicht geprüft worden. Der einzige, der früher vorgeschlagen, vom Regierungsrat zuerst in Aussicht genommen, dann aber aus Gründen des Naturschutzes abgelehnt wurde, wird jetzt auch von ihnen fallen gelassen; andere konkrete Vorschläge haben sie nicht gemacht. Die Beschwerdeführer haben nicht einmal andeutungsweise - weder vor dem Regierungsrat noch vor Bundesgericht - eine Lösung aufgezeigt, bei der mit einem geringeren Eingriff in Privateigentum die vorgesehene Kläranlage errichtet werden könnte. Da nach den Ausführungen des Eidg. Departementes des Innern die Emme ein ungenügender Vorfluter ist, kommt ohnehin nur ein Standort an der Aare in Frage. Der Regierungsrat konnte deshalb, ohne den Beschwerdeführern das rechtliche Gehör zu verweigern, auf die von ihnen beantragte Expertise verzichten. BGE 93 I 200 S. 206 Unter diesen Umständen kann auch von einer Verletzung des Art. 9 EntG , wonach Naturschönheiten soweit möglich zu erhalten sind, keine Rede sein. Die Beschwerdeführer erheben überdies den Vorwurf, die Studien seien zu wenig vorangetrieben, um schon jetzt den Platzbedarf der Abwasserreinigungsanlage und damit den Umfang des zu enteignenden Landes zu bestimmen. Nach der eigenen Darstellung der Beschwerdeführer gehen die Bemühungen um die Errichtung einer Abwasseranlage für die Stadt Solothurn und die längs der unteren Emme gelegenen Gemeinden auf das Jahr 1955 zurück. Der Zweckverband hat schliesslich zwei Vorprojekte beurteilen lassen: eines durch die Zellulose-Fabrik Attisholz, ein anderes - mit drei Varianten - durch die Firma von Roll AG in Zürich. Der Unterschied des Raumbedarfes beträgt bei den beiden im Vordergrund stehenden Untersuchungen ("Von Roll Variante 3" = 50'000 m2 und "Attisholz" - 48'850 m2) 1150 m2 oder nur 2%. Das Eidg. Departement des Innern bezeichnet die vorhandenen Unterlagen als "allgemeines Bauprojekt mit Kostenvoranschlag" und stellt fest, dass in zahlreichen andern Fällen sogar für die Gemeindebeschlüsse und die Beitragszusicherungen der öffentlichen Hand keine derart ausgereiften Projekte vorliegen. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer kann von den Trägern eines Kläranlageunternehmens keine weiter fortgeschrittene Projektierung verlangt werden, bis feststeht, ob ihnen das Enteignungsrecht gewährt wird; denn es wäre einem Gemeinwesen nicht zumutbar, noch grössere Kosten auf sich zu nehmen, solange der Eigentumserwerb nicht feststeht (vgl. BGE 92 I 330 ). Da 1968 mit den Bauarbeiten begonnen werden soll, ist der Vorwurf einer verfrühten Enteignung ebenfalls haltlos. Auch der Einwand, die Enteignung sei vorsorglich angeordnet worden, dringt nicht durch. Das Eidg. Departement des Innern macht mit Recht geltend, es seien bei Enteignungen auch Erweiterungsmöglichkeiten zu berücksichtigen; es sei unerlässlich, dass der Zweckverband sich schon jetzt das Land für die später zu schaffende Schlammverwertungs- und Schlammvernichtungsanlage sichere. Unter diesen Umständen konnte der Regierungsrat vor dem endgültigen Entscheid, welches Projekte verwirklicht werde, das Enteignungsrecht für den Grundbesitz erteilen, der auf jeden Fall beansprucht wird (vgl. auch ZBl 1965 S. 344). b) Aus der Vernehmlassung des Eidg. Departementes des BGE 93 I 200 S. 207 Innern, die auf einer ausführlichen Stellungnahme des Amtes für Gewässerschutz fusst, ergibt sich auch die Angemessenheit des angefochtenen Entscheids. Insbesondere sind die Annahmen für die demographische Entwicklung und für den sich daraus ergebenden Abwasseranfall gestützt auf bisherige Erfahrungen getroffen worden. Die geographische Abgrenzung der Abwasserregion wurde nicht nur finanziellen Überlegungen angepasst, sondern auch nach planerischen, topographischen, baugrund- und gewässerschutztechnischen Gesichtspunkten ausgerichtet. Die Ergebnisse der Vernehmlassung werden durch das nachträgliche Gutachten der Eidg. Anstalt für Wasserversorgung, Abwasserreinigung und Gewässerschutz, das die Vor- und Nachteile der Projekte prüft und ebenfalls vom Bau der Kläranlage im Schachen ausgeht, erhärtet. Eine Verpflichtung, die EAWAG und das Eidg. Gewässerschutzamt vor der Gewährung des Enteignungsrechtes zu begrüssen, besteht entgegen der Darstellung der Beschwerdeführer weder nach Art. 2 noch nach Art. 8 der Vollziehungsverordnung zum Bundesgesetz über den Schutz der Gewässer gegen Verunreinigung. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Beschwerde wird abgewiesen.
public_law
nan
de
1,967
CH_BGE
CH_BGE_001
CH
Federation
c5f715c9-4aa4-4eae-bcdb-438ffb791d53
Urteilskopf 96 I 138 25. Auszug aus dem Urteil vom 25. Februar 1970 i.S. Hall gegen Regierungsrat des Kantons Bern.
Regeste Chiropraktorenberuf; zulässiger Inhalt einer kantonalen Verordnung. Art. 4 und 31 BV , Grundsatz der Gewaltentrennung. Es ist mit den genannten Verfassungsgrundsätzen vereinbar, von den beim Inkrafttreten der neuen Verordnung schon im Kanton Bern tätigen Chiropraktoren eine vorwiegend praktische Prüfung zu verlangen.
Sachverhalt ab Seite 138 BGE 96 I 138 S. 138 A.- Der Regierungsrat des Kantons Bern erliess am 1. Juli 1969 "in Ausführung von § 3 Abs. 2 des Gesetzes vom 14. März 1865 über die Ausübung der medizinischen Berufsarten" BGE 96 I 138 S. 139 eine Verordnung "über die Chiropraktoren". Diese wurde am 6. August 1969 im Amtsblatt veröffentlicht und enthält unter anderem folgende Bestimmungen: "Art. 1. Die Direktion des Gesundheitswesens erteilt im Kanton Bern wohnhaften, gut beleumdeten Schweizer Bürgern, die einen Fähigkeitsausweis im Sinne von Art. 2 dieser Verordnung besitzen, die Bewilligung zur Ausübung der Chiropraktik. Art. 2. 1 Als Fähigkeitsausweis gilt das Zeugnis über das Bestehen der kantonalen Chiropraktorenprüfung (Art. 10 bis 17 und Art. 20). 2... Art. 20. Chiropraktoren, die beim Inkrafttreten dieser Verordnung bereits im Kanton Bern tätig sind, werden von der Direktion des Gesundheitswesens zu einer vorwiegend praktischen Chiropraktorenprüfung zugelassen, sofern sie a) im Kanton Bern niedergelassen und gut beleumdet sind; b) ihre Fachausbildung an einem vom Eidgenössischen Departement des Innern anerkannten Ausbildungsinstitut für Chiropraktoren vor dem 1. Januar 1965 aufgenommen und c) den zur Zeit ihrer Ausbildung vorgeschriebenen Lehrgang dieses Institutes erfolgreich absolviert haben. Ist diese Fachausbildung nach dem 31. Dezember 1964 abgeschlossen worden, so ist überdies eine mindestens einjährige Assistentenzeit bei einem in der Schweiz tätigen Chiropraktor nachzuweisen. Gesuche um Zulassung zu dieser Prüfung sind mit den nötigen Zeugnissen innerhalb dreier Monate seit dem Inkrafttreten dieser Verordnung bei der Direktion des Gesundheitswesens einzureichen. Wird die Prüfung innerhalb zweier Jahre bestanden, so erteilt die Direktion des Gesundheitswesens dem Bewerber die Praxisbewilligung. Die Prüfung kann nur einmal wiederholt werden." B.- Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 12. September 1969 verlangen Frau Eliane R. Hall, geb. Kuchen, Schweizerbürgerin, und ihr Ehemann Harry R. Hall, amerikanischer Staatsangehöriger, die Aufhebung der Art. 2 (richtig: 2 Abs. 1) und 20 der Chiropraktorenverordnung. In der Beschwerde wird festgestellt, Eliane R. Hall habe in Bern die Maturitätsprüfung bestanden, nachher in USA Chiropraktik studiert und am 30. September 1953 an der Palmer School of Chiropractic in Davenport den Grad eines Doktors der Chiropraktik erworben. Am 8. Oktober 1953 habe sie überdies im Staate Georgia das Staatsexamen als Chiro praktorin bestanden. Harry R. Hall habe am 5. März 1951 an der Palmer School BGE 96 I 138 S. 140 of Chiropractic den Grad eines Doktors der Chiropraktik erworben. Am 30. April 1952 habe er im Staate Jowa und am 15. Juli 1953 im Staate Michigan das Staatsexamen bestanden. Beide Beschwerdeführer, die in Muri/BE wohnen, üben seit über 10 Jahren im Kanton Bern den Chiropraktorenberuf aus. Sie halten dafür, die angefochtene Verordnung verletze die Art. 4 und 31 BV . Die einzelnen Rügen und ihre Begründung ergeben sich, soweit erforderlich, aus den nachstehenden Erwägungen. C.- Der Regierungsrat des Kantons Bern beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Über die Ausübung des Chiropraktorenberufes bestanden im Kanton Bern bis in die neueste Zeit keine Vorschriften. Anlass zur Schaffung der umstrittenen Verordnung gab das BG vom 13. März 1964 über die Änderung des Ersten Titels des KUVG (AS 1964 965). Dabei wurde dem Art. 21 KUVG der folgende neue Absatz 4 eingefügt: "Personen, denen ein Kanton auf Grund eines durch besondere Fachausbildung erworbenen und vom Bundesrat anerkannten Befähigungsausweises die Bewilligung zur Ausübung der Chiropraktik erteilt hat, sind berechtigt, innert den Schranken dieser Bewilligung für die Krankenversicherung tätig zu sein. Artikel 15 Absatz 1 und Artikel 17 Absatz 1 finden sinngemäss Anwendung." Gestützt auf Art. 21 Abs. 4 KUVG erliess der Bundesrat am 15. Januar 1965 eine "Verordnung IV über die Krankenversicherung betreffend die Anerkennung kantonaler Befähigungsausweise der Chiropraktoren für die Krankenversicherung" (AS 1965 55). Deren Art. 1 sieht vor, dass kantonale Befähigungsausweise für Chiropraktoren "auf Grund einer in der Schweiz erfolgreich abgelegten Prüfung" anerkannt werden. Zur Prüfung zugelassen werden Bewerber mit schweizerischem oder anderem anerkanntem Maturitätsausweis, die ein vom Eidgenössischen Departement des Innern anerkanntes Ausbildungsinstitut mit vollen 36 Studienmonaten absolviert haben und während mindestens einem Jahr bei einem Chiropraktor mit anerkanntem Befähigungsausweis als Assistent tätig gewesen sind (Art. 2). Für die schon bisher tätigen Chiropraktoren enthält indessen Art. 5 Abs. 1 folgende Übergangsbestimmung: BGE 96 I 138 S. 141 "Chiropraktoren, die am 1. Januar 1965 auf Grund eines den Artikeln 1 und 2 nicht vollständig entsprechenden Befähigungsausweises eine kantonale Bewilligung zur Berufsausübung besitzen, sind zur Betätigung für die Krankenversicherung im Rahmen von Artikel 21 Absatz 4 des Gesetzes zugelassen." Die genannten Vorschriften des Bundesrechtes ermöglichen den Chiropraktoren, unter gewissen Voraussetzungen für die Mitglieder von Krankenkassen tätig zu sein. Dass der Kanton diese Voraussetzungen schaffe, wünschten im Kanton Bern die Chiropraktoren selber. 2. Ausser dem soeben erwähnten Zweck strebte der Regierungsrat mit der hier umstrittenen Verordnung ein weiteres Ziel an: Nicht nur für die Mitglieder der Krankenkassen, sondern zum Schutze jedermanns sollte eine Ordnung getroffen werden, die Personen mit ungenügenden Fähigkeiten von der Chiropraktorentätigkeit ausschliesst. Der Regierungsrat stützt sich dabei auf das Gesetz vom 14. März 1865 über die Ausübung der medizinischen Berufsarten. Dessen § 3 Abs. 2 ermächtigt die Gesundheitsdirektion, "an solche, welche sich zur Ausübung gewisser Verrichtungen der sogenannten niedern Chirurgie anmelden, nach bestandener Prüfung oder auf Vorlegung von Zeugnissen über den Besitz der erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten, besondere Bewilligungen zu erteilen". Die Parteien gehen darin einig, dass die Chiropraktik zum Bereich der "niedern Chirurgie" im Sinne des genannten Erlasses gehört. Die Beschwerdeführer machen auch nicht etwa geltend, Art. 3 Abs. 2 ermächtige die Gesundheitsdirektion nur zu konkreten Verfügungen, nicht aber den Regierungsrat zu einem generellen Erlass. Die Parteien gehen denn auch offensichtlich davon aus, die Befugnis zum Erlass der umstrittenen Verordnung sei in der Vollzugsgewalt des Regierungsrates (Art. 38 KV) eingeschlossen. Streit herrscht nur über den zulässigen Inhalt der Verordnung. 3. Die Beschwerdeführer bestreiten die gesetzliche Grundlage der Verordnung, indem sie vorbringen, der Regierungsrat habe etwas angeordnet, was nur der Gesetzgeber hätte anordnen dürfen. Damit machen sie im Grunde geltend, die kantonale Instanz habe das Prinzip der Gewaltentrennung verletzt. Zu dieser Rüge sind beide Beschwerdeführer, auch Harry R. Hall als ausländischer Ehemann einer Schweizerin legitimiert (nicht veröffentlichte Erw. 1b des Urteils BGE 96 I 45 ff.) BGE 96 I 138 S. 142 a) Die Beschwerdeführer fassen die Klausel über die Erteilung der Erlaubnis "nach bestandener Prüfung oder auf Vorlegung von Zeugnissen" in dem Sinne auf, dass der Regierungsrat nur das eine oder das andere, keinesfalls aber beides hätte anordnen dürfen. Indessen lässt sich Art. 3 Abs. 2 des Gesetzes zwanglos in der Weise verstehen, dass die Bewilligungsinstanz nach ihrem sachverständigen Ermessen die Voraussetzung einer Bewilligung bestimmen darf. Dabei ist es ihr anheimgestellt, eine Prüfung anzuordnen oder vorhandene Zeugnisse zu würdigen; sie darf aber auch den Beweis der Qualifikation teils durch Prüfung, teils durch Zeugnisse erbringen lassen. Selbst wenn man den Gesetzestext ausschliesslich im Sinne einer Alternative verstehen wollte, wäre es mindestens nicht der Bewerber, sondern die Behörde, die entschiede, ob eine Prüfung verlangt oder nicht verlangt werden solle. Dabei könnte ihr nicht verwehrt werden, eine Prüfung in jedem Fall zu verlangen. In dieser Kompetenz eingeschlossen wäre natürlicherweise auch die Bestimmung der Qualifikationsausweise, die ein Bewerber beizubringen hat, damit das Prüfungsverfahren für ihn überhaupt begonnen wird. Wenn dabei auch Zeugnisse ausländischer Institute oder Staaten als solche Ausweise anerkannt werden, so wirkt sich das zugunsten der Prüfungsbewerber, nicht zu deren Nachteil aus. In dieser Hinsicht ist mithin die Rüge, die Verordnung überschreite inhaltlich die gesetzliche Grundlage, nicht begründet. b) Bedenken erwecken könnte die Beschränkung der Prüfung auf Schweizerbürger, wie es Art. 1 der Verordnung vorsieht. § 3 Abs. 2 des Gesetzes erwähnt das Bürgerrecht nicht. Ob zwischen dem Bürgerrecht und der Qualifikation zur Ausübung des Chiropraktorenberufes ein ursächlicher Zusammenhang bestehe, erscheint als sehr zweifelhaft, braucht indessen nicht geprüft zu werden, weil eine solche Rüge in der Beschwerde nicht erhoben wurde. 4. Die Beschwerdeführer erblicken einen Verstoss gegen Art. 4 BV vor allem darin, dass die Verordnung des Regierungsrates für sie keine vollständige Befreiung von jeglicher Prüfung vorsieht. Die Chiropraktorenverordnung ist ein generell abstrakter Erlass, der sich an eine unbestimmte Anzahl von Personen wendet. Für ihn gelten die Regeln, die die Rechtsprechung für die Beurteilung gesetzgeberischer Erlasse entwickelt hat. BGE 96 I 138 S. 143 Danach verstösst ein solcher Erlass nur dann gegen Art. 4 BV , wenn er sich nicht auf ernsthafte Gründe stützen lässt, wenn er sinn- und zwecklos ist, oder wenn er rechtliche Unterscheidungen trifft, für die sich ein vernünftiger Grund in den zu regelnden tatsächlichen Verhältnissen nicht finden lässt ( BGE 93 I 112 , BGE 91 I 84 mit Hinweisen). Innerhalb dieses Rahmens steht der kantonalen Behörde ein weiter Spielraum des Ermessens zu. Der Verfassungsrichter hat diese Befugnis zu achten; er darf nur bei Ermessensmissbrauch oder -überschreitung eingreifen. Dagegen darf er nicht sein eigenes Ermessen an die Stelle desjenigen der ordnenden Behörde setzen und nicht schon dann einschreiten, wenn der Erlass auf gesetzgebungspolitischen Überlegungen beruht, die der Richter als Gesetzgeber nicht angestellt hätte ( BGE 92 I 442 /43). Diesen Kriterien der Rechtsprechung hält der angefochtene Erlass stand. Das Bundesrecht (Art. 1 der erwähnten Verordnung IV) stellt bezüglich der Prüfungsfächer und der Vorbildung der Prüflinge sehr strenge Anforderungen. Die kantonale Verordnung stimmt in ihren Artikeln 11 (Vorbildung der Prüflinge) und 13 (Prüfungsfächer) dem Sinne nach und weitgehend auch im Wortlaut mit den Artikeln 1 und 2 der Verordnung IV überein. Gelten aber erhebliche Anforderungen für alle Personen, die den Chiropraktorenberuf aufnehmen, so lag es nahe, auch die schon praktizierenden, aber in der Schweiz nicht geprüften Chiropraktoren mindestens einer summarischen Befähigungsprüfung zu unterwerfen. Art. 5 der Verordnung IV sieht das vor, indem er es den kantonalen Behörden anheimstellt, denjenigen Berufsangehörigen, die schon bisher praktiziert haben, Bewilligungen zu erteilen "auf Grund eines den Artikeln 1 und 2 nicht vollständig entsprechenden Bildungsausweises". Dieser soll nach Art. 20 der angefochtenen Verordnung durch Bestehen einer ,,, vorwiegend praktischen" Prüfung erbracht werden, einer Prüfung, von der es im "Vortrag" der Gesundheitsdirektion zum Verordnungsentwurf heisst, sie sei so zu gestalten, dass "seriöse, fachkundige Chiropraktoren" sie "jederzeit ohne besondere Vorbereitung bestehen können". Eine solche Prüfung ist nicht nur nicht sinn- und zwecklos, sondern lässt sich auf durchaus ernsthafte Gründe stützen. Erst recht kann keine Rede davon sein, dass unverständliche Unterscheidungen getroffen wurden. Im Gegenteil ist die Übergangsgeneration der Chiropraktoren gegenüber BGE 96 I 138 S. 144 den neu in den Beruf Eintretenden bevorzugt. Ob diese Bevorzugung noch weiter hätte getrieben werden dürfen, z.B. so weit, dass den Absolventen des Palmer College of Chiropractic in Davenport jegliches Examen erlassen worden wäre, braucht hier nicht erörtert zu werden. Diese Frage liegt gerade in jenem Ermessensbereich, in den sich das Bundesgericht nicht einzumischen hat. Die angefochtene Verordnung hielte dem Art. 4 BV übrigens auch dann stand, wenn man nicht die gegenüber den kantonalen Gesetzgebern aufgestellten Kriterien anwenden wollte, sondern sich mit gewöhnlicher Willkürprüfung begnügte. Auch bei solcher Prüfung und unter Beachtung des Umstandes, dass das Palmer College in Davenport zu den vom Eidgenössischen Departement des Innern anerkannten Ausbildungsinstituten gehört (AS 1965 1199), könnte nicht davon gesprochen werden, dass schon die blosse Abnahme einer vorwiegend praktischen Befähigungsprüfung jenseits einer mit vernünftigen Gründen vertretbaren Ordnung liege. 5. Die Beschwerdeführer rügen eine Verletzung von Art. 31 BV und verlangen, dass das Bundesgericht im Zusammenhang damit den Inhalt des kantonalen Rechts frei überprüfe. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer ist die Abnahme einer praktischen Befähigungsprüfung der vorher umschriebenen Art zwar gerade kein Eingriff, "der sich für den Betroffenen besonders einschneidend auswirkt" (vgl. BGE 95 I 16 ). Indessen ergibt sich die freie Prüfung schon daraus, dass es hier um die Anwendung der verfassungsmässigen Handels- und Gewerbefreiheit und damit auch um die Einhaltung des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit ( BGE 93 I 219 ) geht. Ob es sich beim Chiropraktorenberuf geradezu um eine neue wissenschaftliche Berufsart im Sinne des Art. 33 BV handle, kann hier offen bleiben. Jedenfalls stellt die Verordnung IV sowohl bezüglich der Vorbildung (vgl. Art. 2) als auch hinsichtlich der fachlichen Ausbildung (vgl. den Katalog in Art. 1) an diejenigen, die den Beruf neu ergreifen möchten, hohe Anforderungen. Im Vergleich dazu ist das hier umstrittene Erfordernis der vorwiegend praktischen Prüfung als für die Übergangsgeneration der Chiropraktoren günstige Bedingung zu werten. Wie sich dem erwähnten "Vortrag" der Gesundheitsdirektion entnehmen lässt, boten gerade die Übergangsbestimmungen des Art. 20 die grössten Schwierigkeiten bei BGE 96 I 138 S. 145 der Ausarbeitung des Verordnungsentwurfes. Der von einem Juristen präsidierte Arbeitsausschuss, dem Vertreter der medizinischen Fakultät, der Ärzte, der Krankenkassen und der Chiropraktoren sowie ein Neuenburger Chiropraktor (als Experte für die Gestaltung der kantonalen Chiropraktorenprüfung) angehörten, hat sich nach langer Beratung auf den umstrittenen Art. 20 geeinigt. Diesem Befund einer Gruppe von Fachleuten kann das Bundesgericht keinen besser erarbeiteten eigenen Befund entgegenstellen. Namentlich könnte der Staatsgerichtshof nicht feststellen, dass die Prüfung, die den bisher tätigen Chiropraktoren auferlegt wird, im Vergleich zum angestrebten Ziel - Schutz des Publikums vor unqualifizierten Berufsangehörigen - nicht verhältnismässig sei. Der Hinweis der Beschwerdeführer auf angeblich weniger weit gehende Anforderungen in andern Kantonen ist schon deshalb unbehelflich, weil alle Erlasse, auf die sich die Beschwerdeführer stützen, aus den 50-iger Jahren stammen und unter der heutigen Rechtslage (Revision des KUVG vom 13. März 1964, Erlass der Verordnung IV über die Krankenversicherung vom 15. Januar 1965) überholt sind. Dass mit der umstrittenen Übergangsprüfung andere als polizeiliche (etwa gewerbepolitische) Zwecke angestrebt worden seien, machen die Beschwerdeführer zu Recht nicht geltend. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Beschwerde wird abgewiesen.
public_law
nan
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CH_BGE
CH_BGE_001
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Federation
c5f9b6dd-aafc-4592-86e9-3cd5479d4c12
Urteilskopf 90 I 321 49. Auszug aus dem Urteil vom 16. Dezember 1964 i.S. Süess gegen Staatsanwaltschaft und Obergericht des Kantons Aargau.
Regeste Spielapparate. 1. Das Bundesgesetz über die Spielbanken hindert die Kantone nicht, Spiele zu verbieten, die es selber frei lässt. Solche Verbote sind, falls polizeilicher Natur und verhältnismässig, mit Art.31 BV vereinbar (Erw. 2). 2. Grundsatz der Gesetzmässigkeit der Verwaltung. Art. 39 lit. b aarg. KV verleiht dem Regierungsrat kein Rechtsverordnungsrecht (Erw. 3). 3. Willkürliche Anwendung der aarg. Verordnung über die gewerbsmässige Verwendung von Spielautomaten (Erw. 4).
Sachverhalt ab Seite 322 BGE 90 I 321 S. 322 A.- Der Regierungsrat des Kantons Aargau hat am 17. August 1956 eine Verordnung über die gewerbsmässige Verwendung von Spielautomaten (in der Folge kurz Automaten-Verordnung genannt) erlassen, die gemäss § 1 Abs. 1 alle Spielautomaten erfasst, welche nicht unter das in Art. 3 des Bundesgesetzes über die Spielbanken ausgesprochene Verbot fallen. § 1 Abs. 2 der Verordnung untersagt, "Spielapparate, bei denen ein Geld- oder Sachgewinn in Aussicht steht", zum öffentlichen Gebrauch gegen Entgelt aufzustellen. Zuwiderhandlungen gegen dieses Verbot werden laut § 8 der Verordnung mit Busse bis zu Fr. 500.-- bestraft. B.- Süess stellte 1962 in Wirtschaften in Oberentfelden und Beinwil am See sogenannte Flipper-Automaten auf. Es handelt sich um Spielgeräte der in BGE 78 I 80 beschriebenen Art, die den Spieler bei Erreichen einer bestimmten Punktzahl zu einem oder mehreren Freispielen zulassen. Das Bezirksgericht Aarau erblickte darin eine Übertretung des § 1 Abs. 2 der Automaten-Verordnung; es verurteilte Süess deswegen zu einer Busse von Fr. 40.-. Süess zog den Entscheid an das Obergericht des Kantons Aargau weiter, wobei er geltend machte, die Verordnung entbehre der gesetzlichen Grundlage und sei daher nicht anwendbar; jedenfalls aber könne die Vermittlung eines Freispieles nicht als Geld- oder Sachgewinn im Sinne von § 1 Abs. 2 der Verordnung betrachtet werden. Das Obergericht hat am 4. September 1964 diese Einwendungen mehrheitlich als unbegründet erklärt und die Berufung abgewiesen. C.- Süess führt staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 und 31 BV sowie der Gewaltentrennung mit dem Antrag, er sei in Aufhebung des Urteils des Obergerichts freizusprechen. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. (Prozessuales). 2. Das Bundesgericht hat in BGE 78 I 83 ff. erkannt, dass der Betrieb von Spielautomaten der hier in Frage BGE 90 I 321 S. 323 stehenden Art nicht gegen Art 3 des Bundesgesetzes über die Spielbanken verstösst. Dieses Gesetz stellt indessen keine abschliessende Ordnung des Spielapparatewesens auf; es hindert die Kantone nicht, Spiele zu untersagen, die es selber frei lässt ( BGE 80 I 352 ). Art. 31 BV steht dem Erlass eines solchen Verbotes gleichfalls nicht entgegen, sofern es auf polizeilichen Gründen beruht, das heisst der Wahrung der öffentlichen Ordnung, Sicherheit, Sittlichkeit und Gesundheit oder von Treu und Glauben im Geschäftsverkehr dient, und es den Grundsatz der Verhältnismässigkeit berücksichtigt ( BGE 80 I 353 ). Das in § 1 Abs. 2 der aargauischen Automaten-Verordnung ausgesprochene Verbot von Spielapparaten, die einen Geld- oder Sachgewinn in Aussicht stellen, ist klarerweise polizeilicher Natur. Der Beschwerdeführer behauptet zwar, die betreffende Vorschrift sei unverhältnismässig; er tut jedoch nicht dar, inwiefern diese Massnahme über das hinausgehe, was zur Erreichung des angestrebten polizeilichen Zwecks erforderlich ist. Die Rüge der Verletzung des Art. 31 BV ist damit unbegründet. 3. Nach dem Grundsatz der Gesetzmässigkeit der Verwaltung müssen die der Freiheit des Bürgers gezogenen Schranken und die darauf gesetzten Strafen wie jedes Verwaltungshandeln auf gesetzlicher Grundlage beruhen, das heisst sich auf eine generell-abstrakte Norm stützen, die ihrerseits materiell und formell verfassungsmässig ist ( BGE 89 I 470 mit Verweisungen). Das angefochtene Urteil ist in Anwendung des § 1 Abs. 2 der regierungsrätlichen Automaten-Verordnung ergangen. Der Beschwerdeführer bestreitet, dass diese Verordnung die gesetzliche Grundlage für die ausgesprochene Strafe abgeben könne, da sie selber verfassungswidrig sei. Diese Rüge ist zulässig. Mangels Anfechtung der Verordnung innert der Beschwerdefrist des Art. 89 OG kann der Erlass als solcher zwar nicht mehr aufgehoben werden. Das hindert das Bundesgericht aber nicht, in jedem einzelnen Anwendungsfall vorfrageweise zu prüfen, ob die angewendete Bestimmung die Verfassung BGE 90 I 321 S. 324 verletze ( BGE 83 I 113 /14; BGE 84 I 21 Erw. 2, 104 Erw. 2, 110 Erw. 1, 164 Erw. 2; BGE 86 I 274 Erw. 1; BGE 88 I 83 Erw. 1, 265). Der Einwand, § 1 Abs. 2 der Automaten-Verordnung verstosse gegen Art. 31 BV , geht nach dem in Erw. 2 Gesagten fehl. Der Beschwerdeführer verneint jedoch nicht nur die materielle, sondern auch die formelle Verfassungsmässigkeit der angewendeten Bestimmung, indem er geltend macht, dieser fehle die gesetzliche Grundlage. Die genannte Verordnung stützt sich laut Ingress auf "Art. 39, lit. b, der Staatsverfassung, das Gesetz über den Markt- und Hausierverkehr vom 12. März 1879, den § 1, lit. m, des Dekretes betreffend die vom Staate zu beziehenden Gebühren vom 22. März 1921 sowie das Gesetz betreffend die Einführung des Schweizerischen Strafgesetzbuches im Kanton Aargau vom 21. Juli 1941". Das Bundesgericht hat in BGE 83 I 114 ff. festgestellt, dass der Regierungsrat gestützt auf Art. 39 lit. b KV wohl Vollziehungs- und Notverordnungen erlassen kann, nicht aber Rechtsverordnungen. Die Automaten-Verordnung ist ihrem Inhalte und ihrer Entstehung nach keine Notverordnung; es kann sich dabei nur um eine Vollziehungsverordnung handeln. Das Gebühren-Dekret und das EG StGB enthalten keine Bestimmungen, deren Vollziehung der § 1 Abs. 2 der Automaten-Verordnung dienen könnte. Ob das Gesetz über den Markt- und Hausierverkehr den Regierungsrat zum Erlass dieser Vorschrift ermächtige, ist zweifelhaft. Die Frage kann jedoch offen bleiben. Wie sich im Folgenden ergeben wird, ist die Annahme, der vorliegende Sachverhalt erfülle den Tatbestand des § 1 Abs. 2 der Automaten-Verordnung, willkürlich. Der angefochtene Entscheid ist daher selbst dann verfassungswidrig, wenn die angewendete Verordnungsbestimmung in Ausführung des Gesetzes über den Markt- und Hausierverkehr erlassen wurde und damit als solche rechtmässig ist. 4. § 1 Abs. 2 der Automaten-Verordnung verbietet, Spielapparate, "bei denen ein Geld- oder Sachgewinn in BGE 90 I 321 S. 325 Aussicht steht", zu öffentlichem Gebrauch gegen Entgelt aufzustellen. Die vom Beschwerdeführer aufgestellten Flipper-Automaten ermöglichen dem Spieler bei Erreichen einer bestimmten Punktzahl ein oder mehrere Freispiele. Die Mehrheit des Obergerichts hat diesen Vorteil als Geld- oder Sachgewinn angesprochen. Das Bundesgericht kann die Auslegung der Verordnungsbestimmung, die diesem Schlusse zugrunde liegt, ungeachtet der Anrufung der Handels- und Gewerbefreiheit nur unter dem beschränkten Gesichtswinkel der Willkür überprüfen ( BGE 64 I 9 ; BGE 79 I 122 ; BGE 80 I 353 ; BGE 84 I 109 /10; BGE 87 I 119 , 267/68; BONNARD, ZSR 81 II S. 481 ff.). Als der Regierungsrat am 17. August 1956 die Automaten-Verordnung erliess, stand das Bundesgesetz über die Spielbanken vom 5. Oktober 1929 schon mehr als 25 Jahre in Kraft. Bei der Anwendung dieses Gesetzes hatten sich Schwierigkeiten daraus ergeben, dass Art. 2 Abs. 2 nur von Spielen um "Geldgewinne" spricht, während es sich in der Praxis zeigte, dass Spielautomaten, die dem erfolgreichen Spieler statt Geld geldwerte Gebrauchsgegenstände verabfolgen, die gleiche Wirkung auf das Publikum ausüben. Das Bundesgericht hat in ausdehnender Auslegung des Art. 2 Abs. 2 Gegenstände, die für den Gewinner wesentlich dieselbe Bedeutung haben wie Geld, den Geldgewinnen gleichgestellt ( BGE 64 I 119 /20). Es hatte sich sodann darüber auszusprechen, ob dieser erweiterte Gewinnbegriff auch die Abgabe von Freispielen erfasse. In der Erwägung, dass es dem Spieler dabei meistens lediglich um eine Verlängerung der Spieldauer gehe, hat das Bundesgericht diese Folgerung für den Regelfall abgelehnt und nur ausnahmsweise bejaht, wenn bestimmte Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass die Gewinner die zum Freispiel berechtigenden Marken (oder Bälle) in nennenswertem Umfang als Zahlungsmittel benützten oder gegen Geld umwechselten ( BGE 64 I 121 , BGE 78 I 83 Erw. 3). Der Regierungsrat dürfte sich bei Erlass der Automaten-Verordnung auf diese Rechtsprechung gestützt haben; BGE 90 I 321 S. 326 zumindest hat er sich aber die Erkenntnis zu eigen gemacht, dass im Rahmen des gesetzgeberischen Zieles neben den Geldgewinnen auch andere Gewinnformen Bedeutung erlangen. Er stellte daher in § 1 Abs. 2 der Automaten-Verordnung die "Sachgewinne" neben die Geldgewinne. Wenn auch nicht gesagt ist, dass der Sachbegriff dieser kantonalen verwaltungsrechtlichen Bestimmung dem des eidgenössischen Zivilrechts entspreche, das darunter nur körperlich greifbare Güter versteht (MEIER-HAYOZ, Das Eigentum, Systematischer Teil, N. 61), so verbietet es doch schon der Wortsinn, unter einem "Sachgewinn" etwas anderes als ein Gut zu verstehen, das einen Vermögensbestandteil bilden kann. Der Gewinn muss demnach materieller Art sein. Das ergibt sich auch aus der Zwecksetzung der Automaten-Verordnung. Wohl liegt ihr wie dem Spielbankengesetz (vgl. BGE 60 I 250 ) der Gedanke zugrunde, dass das Glücksspiel und die Spielleidenschaft das sittliche Volkswohl gefährde. Um nicht mehr als unbedingt erforderlich in die Privatsphäre der Bürger einzugreifen, hat sich der Gesetzgeber jedoch darauf beschränkt, den sozial schädlichsten Formen des Spielgewerbes entgegenzutreten. Als solche erachtete er jene Einrichtungen, die dem Spieler nicht nur eine Unterhaltung, sondern darüber hinaus einen materiellen Gewinn versprechen. Die Mehrheit des Obergerichts glaubt, die Freispiele, welche die Automaten des Beschwerdeführers in Aussicht stellen, als materiellen Gewinn bezeichnen zu können, weil der Gewinner sich auf diese Weise den Einsatz für das nächste Spiel ersparen könne und er um die Ersparnis bereichert sei, und weil er die Möglichkeit habe, das Anrecht auf das Freispiel einem Dritten zu verkaufen. Diese Überlegungen verkennen die Einstellung und die Gewohnheiten der Benützer derartiger Apparate. Der Spieler, der ein Freispiel gewinnt, wird in der Regel nicht weniger Geld für sein Vergnügen ausgeben, als er es ohnedies getan hätte; er wird lediglich das Spiel etwas länger ausdehnen. Es kann deshalb im Ernste nicht davon die Rede sein, dass der Gewinn eines BGE 90 I 321 S. 327 oder mehrerer Freispiele zu einer Bereicherung des Gewinners führe; der Spieler lässt sich in diesem Sinne nicht einen materiellen Gewinn, sondern vermehrte Unterhaltung in Aussicht stellen. Weil es dem Spieler dergestalt um eine Ausdehnung seines Vergnügens geht, kommt es denn auch, wie das Bundesgericht in BGE 78 I 83 /84 festgestellt hat, im allgemeinen selten vor, dass er das gewonnene Anrecht auf ein Freispiel gegen Entgelt einem Dritten abtritt. Aus den vorliegenden Akten ergibt sich nichts, was die Erfahrung widerlegte und dafür spräche, dass es unter den Benützern der Spielgeräte des Beschwerdeführers mehr als nur ganz vereinzelt zu einem Handel mit Freispielanrechten komme. Auf bloss entfernte Möglichkeiten einer materiellen Verwertung des Gewinns ist aber bei dem hier zu treffenden Entscheid nicht Rücksicht zu nehmen (vgl. BGE 56 I 393 , BGE 64 I 120 , BGE 78 I 84 ). Da es an konkreten Anhaltspunkten für Missbräuche der erwähnten Art fehlt, geht es unter den gegebenen Verhältnissen nicht an, der Gewinn eines oder mehrerer Freispiele als Sachgewinn zu bezeichnen. Es ist daher willkürlich, den § 1 Abs. 2 der Automaten-Verordnung auf die Gegenstand der Untersuchung bildenden Handlungen des Beschwerdeführers anzuwenden. Der angefochtene Entscheid ist insofern verfassungswidrig und deshalb aufzuheben. Unter dem Vorbehalte einer Überprüfung der Verfassungsmässigkeit des § 1 Abs. 2 der Automaten-Verordnung (vgl. Erw. 3) ist es den kantonalen Behörden jedoch unbenommen, erneut gegen den Beschwerdeführer vorzugehen, wenn sich Anzeichen dafür ergeben, dass es unter den Gewinnern von Freispielen zu einem Handel mit Anrechten kommt.
public_law
nan
de
1,964
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CH_BGE_001
CH
Federation
c5fbd5fe-7102-47de-a2b0-563c7f17b47b
Urteilskopf 138 I 321 30. Auszug aus dem Urteil der I. sozialrechtlichen Abteilung i.S. M. und Mitb. gegen Kantonsrat des Kantons Zürich (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) 8C_63/2012 vom 30. August 2012
Regeste Art. 8 und 9 BV ; abstrakte Normenkontrolle; Ziff. I.I. Abs. 1 des Beschlusses des Kantonsrats des Kantons Zürich vom 28. Februar 2011 über die Festsetzung der Besoldungen der Mitglieder des Sozialversicherungsgerichts. Die der angefochtenen Regelung zugrunde liegende unterschiedliche Entlöhnung der Mitglieder des Sozialversicherungsgerichts gegenüber jener der Richterinnen und Richter des Ober- und des Verwaltungsgerichts verstösst mit Blick auf die Unterschiede in der Rechtsmittelfunktion der obersten kantonalen Gerichte weder gegen das Gebot der Rechtsgleichheit noch gegen das Willkürverbot (E. 2-6).
Sachverhalt ab Seite 322 BGE 138 I 321 S. 322 A. Im Rahmen der Schaffung des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich legte der Kantonsrat im Beschluss vom 3. Januar 1994 über die Festsetzung der Besoldungen der Mitglieder des Sozialversicherungsgerichts (LS 212.83; OS 52, 600) die jährliche Besoldung vollamtlicher Mitglieder im ersten Dienstjahr im ersten Maximum der Besoldungsklasse 27 der Beamtenverordnung fest. Die Besoldung der Richterinnen und Richter am Ober- und am Verwaltungsgericht richtete sich demgegenüber für das erste Dienstjahr nach dem ersten Maximum der Besoldungsklasse 29 der Beamtenverordnung. Im Zuge der Anpassung der Beschlüsse betreffend die Besoldung der Richterinnen und Richter an den obersten kantonalen Gerichten an eine Revision des kantonalen Personalrechts stellten die Mitglieder des Sozialversicherungsgerichts am 6. September 2010 den Antrag, wie die Mitglieder des Ober- und des Verwaltungsgerichts in Lohnklasse 29 eingereiht zu werden. Mit Beschluss vom 28. Februar 2011 setzte der Kantonsrat des Kantons Zürich die Anfangsbesoldung der Richterinnen und Richter am Sozialversicherungsgericht rückwirkend per 1. Januar 2011 fest. In Ziff. I.I. Abs. 1 traf er folgende Anordnung: "Die jährliche Besoldung der vollamtlichen Mitglieder des Sozialversicherungsgerichts entspricht im ersten Dienstjahr Lohnstufe 17 der Lohnklasse 27 gemäss Anhang 2 zur Vollzugsverordnung zum Personalgesetz vom 19. Mai 1999." B. Sämtliche zu jenem Zeitpunkt am Sozialversicherungsgericht tätigen ordentlichen Richterinnen und Richter liessen am 15. April 2011 beim Verwaltungsgericht des Kantons Zürich Beschwerde gegen Ziff. I.I. Abs. 1 des am 18. März 2011 im Amtsblatt des Kantons Zürich (ABl 2011 729) publizierten Beschlusses führen. BGE 138 I 321 S. 323 Auf den in der Beschwerdeantwort vom Kantonsrat gestellten verfahrensrechtlichen Antrag, das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich habe gesamthaft in den Ausstand zu treten, trat der Präsident der 4. Abteilung des Verwaltungsgerichts mit Verfügung vom 15. Juli 2011 nicht ein. Mit Urteil 8C_712/2011 vom 18. Oktober 2011 wies das Bundesgericht die vom Kantonsrat dagegen eingereichte Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ab, soweit es darauf eintrat. Mit Entscheid vom 6. Dezember 2011 wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde vom 15. April 2011 ab. C. Die 13 betroffenen Richterinnen und Richter führen Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, es sei Ziff. I.I. Abs. 1 des Beschlusses des Kantonsrats vom 28. Februar 2011 über die Festsetzung der Besoldungen der Mitglieder des Sozialversicherungsgerichts aufzuheben und es seien diese rückwirkend auf den 1. Januar 2011 in der Lohnklasse 29 gemäss Anhang 2 zur Vollzugsverordnung vom 19. Mai 1999 zum Personalgesetz des Kantons Zürich einzureihen, entsprechend dem Antrag der Minderheit der Justizkommission des Kantonsrats vom 30. November 2010. Eventualiter sei der Kantonsrat anzuweisen, die entsprechende Einreihung vorzunehmen. Subeventualiter sei die Sache zu neuem Beschluss an den Kantonsrat zurückzuweisen. Der Kantonsrat schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Bei der Prüfung der Verfassungsmässigkeit eines kantonalen Erlasses im Rahmen der abstrakten Normenkontrolle ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts massgebend, ob der betreffenden Norm nach anerkannten Auslegungsregeln ein Sinn beigemessen werden kann, der sie mit den angerufenen Verfassungsgarantien vereinbar erscheinen lässt. Das Bundesgericht hebt eine kantonale Norm nur auf, wenn sie sich jeder verfassungskonformen (bzw. mit dem höherstufigen Bundesrecht vereinbaren) Auslegung entzieht, nicht jedoch, wenn sie einer solchen in vertretbarer Weise zugänglich bleibt ( BGE 137 I 77 E. 2 S. 82 mit Hinweisen). 3. 3.1 Die Beschwerdeführer rügen eine Verletzung des Rechtsgleichheitsgebots ( Art. 8 Abs. 1 BV und Art. 11 Abs. 1 der Verfassung des BGE 138 I 321 S. 324 Kantons Zürich vom 27. Februar 2005 [KV/ZH; SR 131.211]), indem den Mitgliedern des Sozialversicherungsgerichts aufgrund des angefochtenen Besoldungsbeschlusses eine gegenüber den Mitgliedern des Ober- und des Verwaltungsgerichts um zwei Lohnklassen tiefere Einstufung zugestanden werde. Sie machen zudem geltend, die besoldungsmässige Ungleichbehandlung verstosse gegen das Willkürverbot ( Art. 9 BV ), da sie offensichtlich unhaltbar sei und dem Gerechtigkeitsgedanken in stossender Weise zuwiderlaufe. 3.2 Das Gebot der rechtsgleichen Behandlung ( Art. 8 Abs. 1 BV ) - und der mit diesem eng verbundene Grundsatz des Willkürverbots ( Art. 9 BV ) - ist verletzt, wenn ein Erlass hinsichtlich einer entscheidwesentlichen Tatsache rechtliche Unterscheidungen trifft, für die ein vernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen nicht ersichtlich ist, oder wenn er Unterscheidungen unterlässt, die sich auf Grund der Verhältnisse aufdrängen. Die Rechtsgleichheit ist verletzt, wenn Gleiches nicht nach Massgabe seiner Gleichheit gleich oder Ungleiches nicht nach Massgabe seiner Ungleichheit ungleich behandelt wird. Die Frage, ob für eine rechtliche Unterscheidung ein vernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen ersichtlich ist, kann zu verschiedenen Zeiten unterschiedlich beantwortet werden, je nach den herrschenden Anschauungen und Zeitverhältnissen. Dem Gesetzgeber bleibt im Rahmen dieser Grundsätze und des Willkürverbots ein weiter Spielraum der Gestaltung, den das Bundesgericht nicht durch eigene Gestaltungsvorstellungen schmälert ( BGE 137 V 121 E. 5.3 S. 125 mit Hinweisen). 3.3 Dies gilt insbesondere auch in Besoldungsfragen im öffentlich-rechtlichen Dienstrecht. Den politischen Behörden steht bei der Ausgestaltung der Besoldungsordnung ein grosser Spielraum zu. Innerhalb der Grenzen des Willkürverbots und des Rechtsgleichheitsgebots sind sie befugt, aus der Vielzahl denkbarer Anknüpfungspunkte die Tatbestandsmerkmale auszuwählen, die für die Einteilung und Besoldung massgebend sein sollen, und damit festzulegen, welche Kriterien eine Gleich- bzw. eine Ungleichbehandlung rechtfertigen. Verfassungsrechtlich wird verlangt, dass sich die für die Besoldungshöhe relevanten Anknüpfungspunkte vernünftig begründen lassen. In der Gerichtspraxis werden Motive wie Alter, Dienstalter, Erfahrung, Leistung, Aufgabenbereich oder übernommene Verantwortung als sachliche Kriterien zur Festlegung der Besoldungsordnung erachtet ( BGE 131 I 105 E. 3.1 S. 107; BGE 129 I 161 E. 3.2 S.165; BGE 123 I 1 E. 6b S. 8; BGE 138 I 321 S. 325 BGE 121 I 102 E. 4c S. 105, BGE 121 I 49 E. 3b S. 51; Urteile 8C_991/2010 vom 28. Juni 2011 E. 5.3; 8C_199/2010 vom 23. März 2011 E. 6.2). 4. 4.1 Gemäss Art. 73 Abs. 3 KV/ZH verwalten sich die Gerichte unter der Leitung der obersten kantonalen Gerichte selbst. Art. 74 Abs. 2 KV/ZH bezeichnet Ober-, Verwaltungs- und Sozialversicherungsgericht als oberste kantonale Gerichte. Damit erlangen diese verfassungsmässigen Bestand. Nach den zutreffenden Erwägungen des kantonalen Gerichts kann allein daraus jedoch kein Grundsatz der völligen Gleichstellung der erwähnten Instanzen (vgl. NIKLAUS SCHMID, in: Kommentar zur Zürcher Kantonsverfassung, 2007, N. 1 ff. zu Art. 74 KV/ZH ) und somit auch keine Pflicht zur Gleichstellung ihrer Mitglieder im Hinblick auf die Besoldung abgeleitet werden. 4.2 4.2.1 Die Vorinstanz legt im angefochtenen Entscheid zutreffend dar, dass das Obergericht in erster Linie als Rechtsmittelinstanz in zivil- und strafrechtlichen Angelegenheiten zuständig ist (§ 48 ff. des Gesetzes des Kantons Zürich vom 10. Mai 2010 über die Gerichts- und Behördenorganisation im Zivil- und Strafprozess (GOG; LS 211.1), für welche gemäss Kantonsverfassung zwei gerichtliche Instanzen vorgesehen sind ( Art. 76 KV/ZH ). Als Rechtsmittelinstanz in verwaltungsrechtlichen Angelegenheiten ist das Verwaltungsgericht zuständig (Art. 41 ff. des Zürcher Verwaltungsrechtspflegegesetzes vom 24. Mai 1959 [VRG/ZH; LS 175.2]). Für verwaltungsrechtliche Anordnungen gewährleistet das Gesetz die wirksame Überprüfung durch eine Rekursinstanz sowie den Weiterzug an ein Gericht ( Art. 77 Abs. 1 KV/ZH ). Aufgrund einer statistischen Würdigung der Tätigkeitsgebiete der beiden Gerichte hat die Vorinstanz für das Bundesgericht verbindlich festgestellt ( Art. 97 Abs. 1 BGG ), dass Ober- und Verwaltungsgericht in über 90 Prozent der Fälle nicht als einzige, sondern als Behörde urteilen, welche erstinstanzliche Entscheide unterer kantonaler Gerichte überprüft. Dies wird von den Beschwerdeführern nicht in Frage gestellt. 4.2.2 Eine entsprechende Bestimmung für das Sozialversicherungsgericht fehlt in der Kantonsverfassung. Dieses beurteilt als einzige kantonale Instanz Beschwerden und Klagen auf dem Gebiet des Sozialversicherungsrechts (§§ 2 und 3 des Gesetzes des Kantons Zürich vom 7. März 1993 über das Sozialversicherungsgericht [GSVGer; LS 212.81]; ZÜND/PFIFFNER RAUBER, Gesetz über das BGE 138 I 321 S. 326 Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, 2. Aufl. 2009, S. 17 ff.; vgl. auch Art. 57 ATSG [SR 830.1], welcher für das von diesem Gesetz erfasste Bundessozialversicherungsrecht eine einzige kantonale Instanz vorschreibt; dazu: UELI KIESER, ATSG-Kommentar, 2. Aufl. 2009, N. 6 zu Art. 57 ATSG ). 4.2.3 Das Verwaltungsgericht führt im angefochtenen Entscheid aus, das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich urteile zwar als höchste, jedoch - im Gegensatz zum zur Hauptsache als zweite oder dritte kantonale Instanz zuständigen Ober- und Verwaltungsgericht - als einzige kantonale Gerichts- bzw. Rechtsmittelinstanz. Dem Sozialversicherungsgericht sei keine gerichtliche Behörde vorgelagert. Die vorinstanzlichen Erwägungen, wonach das in Art. 52 Abs. 1 ATSG vorgesehene Einspracheverfahren daran nichts ändere, sind zutreffend. Das sozialversicherungsrechtliche Einspracheverfahren ist zwar ein rechtsmittelmässiger Prozess, der jedoch Teil des erstinstanzlichen Verwaltungsverfahrens bildet ( BGE 133 V 50 E. 4.2.2 S. 55; KIESER, a.a.O., N. 2 zu Art. 52 ATSG ). Es lässt sich daher nicht mit dem im Verwaltungsrecht teilweise vorgesehenen verwaltungsinternen Rekursverfahren vergleichen (ISABELLE HÄNER, in: Kommentar zur Zürcher Kantonsverfassung, 2007, N. 7 ff. zu Art. 77 KV/ZH ). In der Invalidenversicherung als dem weitaus grössten Sachgebiet der Bundessozialversicherung entfällt zudem die Einsprachemöglichkeit ( Art. 57a IVG ; KIESER, a.a.O., N. 48 zu Art. 52 ATSG ). 5. 5.1 Nach den Feststellungen der Vorinstanz liegt bei einer Einreihung der Mitglieder des Sozialversicherungsgerichts in die Lohnklasse 27 deren Besoldung tiefer als jene der Mitglieder von Ober- und Verwaltungsgericht, aber höher als die übliche Besoldung der Mitglieder der Bezirksgerichte. Aus der Tatsache, dass Verwaltungs- und Obergericht zur Hauptsache als zweite oder dritte kantonale Instanz tätig sind, während das Sozialversicherungsgericht als einzige Gerichts- bzw. Rechtsmittelinstanz waltet, folgert die Vorinstanz, es bestehe in funktionaler Hinsicht ein gewichtiger Unterschied zwischen den drei obersten kantonalen Gerichten, welcher erheblich genug sei, um eine lohnmässig tiefere Einstufung der Mitglieder des Sozialversicherungsgerichts gegenüber jenen des Ober- und des Verwaltungsgerichts sachlich zu rechtfertigen. 5.2 Die Beschwerdeführer sind allerdings der Auffassung, der Status des Sozialversicherungsgerichts als einzige kantonale BGE 138 I 321 S. 327 Rechtsmittelinstanz vermöge keine unterschiedliche Besoldung zu begründen. Auch wenn dessen Mitglieder als einzige Instanz urteilten, ändere dies nichts daran, dass es sich wie bei Ober- und Verwaltungsgericht nicht nur um ein oberstes kantonales Gericht im Sinne von Art. 74 Abs. 2 KV/ZH , sondern auch um ein oberes Gericht und damit um eine Vorinstanz zum Bundesgericht gemäss Art. 75 Abs. 2, 80 Abs. 2 und 86 Abs. 2 BGG handle. Da das Sozialversicherungsgericht den beiden anderen kantonalen Gerichten verfassungs- und gesetzmässig hinsichtlich Status und Funktion gleichgestellt sei, verbiete sich eine besoldungsmässige Ungleichbehandlung. 5.3 5.3.1 Es ist nicht zu bezweifeln, dass die Mitglieder des kantonalen Sozialversicherungsgerichts eine anspruchsvolle Aufgabe mit hoher Verantwortung zu erfüllen haben. Die an eine richterliche Tätigkeit zu stellenden Grundanforderungen treffen jedoch für alle Gerichtsinstanzen zu, unabhängig davon, ob sie erstinstanzlich für die richtige und vollständige Sachverhaltsfeststellung und die richtige Rechtsanwendung verantwortlich sind oder als Rechtsmittelinstanz den Entscheid der Vorinstanz überprüfen. Bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung der gerügten Ungleichbehandlung darf jedoch berücksichtigt werden, dass das Sozialversicherungsgericht in erster Linie Verwaltungsverfügungen bzw. Einspracheentscheide zu beurteilen hat und somit erstinstanzlich tätig wird, während Ober- und Verwaltungsgericht in der überwiegenden Anzahl der Fälle gerichtliche Entscheidungen auf ihre Rechtmässigkeit hin überprüfen. Auch wenn Bundesgerichtsgesetz und Kantonsverfassung den oberen bzw. obersten kantonalen Gerichten diesbezüglich keine besondere Funktion zuweisen (vgl. allerdings Art. 76 KV/ZH ), handelt es sich bei der Frage, ob ein Gericht erstinstanzlich oder als Rechtsmittelbehörde tätig ist, um ein prägendes Merkmal der Gerichtsbarkeit. Die Stellung eines Gerichts im Instanzenzug bzw. dessen rechtsprecherische Tätigkeit stellt daher ein sachliches Kriterium dar. Sie betrifft eine rechtliche Unterscheidung, die als vernünftiger Grund für die Lohndifferenz gelten kann (vgl. E. 3.2 f. hievor). Dass die funktional verschiedenen Zuständigkeiten eines Gerichts in diesem Zusammenhang nicht ohne Einfluss sind, zeigt sich nicht zuletzt auch mit Blick auf die Bezirksgerichte, deren Mitglieder (noch) tiefer besoldet werden, als jene des Sozialversicherungsgerichts. 5.3.2 Den Beschwerdeführern ist durchaus zuzugestehen, dass auch vertretbare Gründe vorliegen mögen, welche gegen eine ungleiche BGE 138 I 321 S. 328 Entlöhnung sprechen können. Dies zeigt insbesondere auch ein Blick auf die von diesen erwähnte Diskussion der Vorlage im Kantonsrat, wo das System gleich hoher Löhne für die obersten kantonalen Gerichte relativ knapp verworfen wurde (Protokoll des Zürcher Kantonsrats 2007-2011, S. 13739-13758, Sitzung vom 28. Februar 2011). Insofern sich der beanstandete Besoldungsunterschied zwischen den Mitgliedern des Sozialversicherungsgerichts und jenen des Ober- und des Verwaltungsgerichts jedoch auf objektive Motive stützen kann und mit sachlich haltbaren Argumenten begründen lässt, verstösst er als solcher weder gegen das Willkürverbot noch gegen die Rechtsgleichheit. 5.3.3 Soweit die Beschwerdeführer geltend machen, die Vorinstanz begründe nicht, inwiefern der funktionale Unterschied (einzige Instanz statt vorwiegend zweite kantonale Instanz) für die Frage der Besoldung relevant sein sollte, kann ihnen nicht gefolgt werden. Die Gesichtspunkte, welche als sachlicher Grund für die Unterscheidung sprechen, werden im angefochtenen Entscheid in ausreichender Weise zur Sprache gebracht, weshalb die Begründungspflicht gewahrt ist. 5.3.4 Den Beschwerdeführern ist darin beizupflichten, dass dem kantonalen Sozialversicherungsgericht, gemeinsam mit Ober- und Verwaltungsgericht, die Funktion einer Vorinstanz zum Bundesgericht und damit eines oberen Gerichts im Sinne der genannten Bestimmungen des BGG zukommt. Diese bundesrechtliche wie auch die ins Feld geführten kantonalrechtlichen Gemeinsamkeiten der drei verfassungsmässig obersten kantonalen Gerichte (gemeinsame Justizverwaltung, Prüfung von Beschwerden gegen Erlasse, Gleichbehandlung des Gerichtspersonals, Wählbarkeitsvoraussetzungen [ Art. 40 KV/ZH ], Wahl durch den Kantonsrat, Wahlorgan und Vorgesetzte des Generalsekretärs sowie des juristischen und administrativen Personals) vermögen nichts daran zu ändern, dass eine wesentliche Ungleichheit und damit ein sachlicher Grund für die unterschiedliche Besoldung der Mitglieder des Sozialversicherungsgerichts ausschlaggebend ist. Wie die Vorinstanz zutreffend festgehalten hat, ist nicht massgebend, ob auch andere Kriterien eine Lohndifferenz zu rechtfertigen vermöchten oder ob das Nichtabstellen auf weitere Kriterien die Rechtsgleichheit verletzt, sondern ob das konkret gewählte Kriterium des funktionalen Unterschiedes zwischen den obersten kantonalen Gerichten sachlich begründet ist und verfassungsmässig standhält. Wie bereits dargelegt, besitzen die kantonalen Behörden bei der Ausgestaltung ihrer Besoldungsordnung einen erheblichen Spielraum BGE 138 I 321 S. 329 (E. 3.2 hievor). Das Bundesgericht greift von Verfassungs wegen bloss ein, wenn der Kanton mit den Unterscheidungen, die er trifft, eine Grenze zieht, die sich nicht vernünftig begründen lässt, die unhaltbar und damit in den meisten Fällen auch geradezu willkürlich ist ( BGE 131 I 105 E. 3.1 S. 107; BGE 129 I 161 E. 3.2 S.165; Urteil 1C_358/2007 vom 2. April 2008 E. 5). Dies trifft vorliegend nach dem Gesagten (E. 5.3.1) nicht zu. 5.3.5 Das Bundesrecht schreibt dem Kanton keine bestimmte Wahl der Bemessungskriterien vor. Ein Vergleich mit der zum Bildungsbereich ergangenen Rechtsprechung des Bundesgerichts führt insofern nicht weiter, als sich die richterliche Tätigkeit durchaus an anderen Massstäben orientieren kann. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer ergeben sich auch aus dem kantonalen Personalgesetz keine verbindlichen Vorgaben. Gemäss § 1 Abs. 3 des Gesetzes des Kantons Zürich vom 27. September 1998 über das Arbeitsverhältnis des Staatspersonals (Personalgesetz; LS 177.10) findet dieses auf die Mitglieder der obersten Gerichte keine Anwendung. Folglich verstösst es nicht gegen das Willkürverbot, wenn die Besoldungseinreihung der Mitglieder des Sozialversicherungsgerichts nicht gemäss den personalrechtlich relevanten Kriterien von § 8 Abs. 2 der kantonalen Personalverordnung vom 16. Dezember 1998 (LS 177.11) begründet wurde. Die Einwendungen der Beschwerdeführer erweisen sich daher als unbehelflich. Es liegt im Ermessen der kantonalen Behörde und entzieht sich damit der Bewertung des Bundesgerichts, wenn sie die funktionale Stellung im Instanzenzug als massgeblich betrachten will. 5.3.6 Wenn der Kanton Zürich, anders als andere Kantone - in denen sozialversicherungsrechtliche Streitigkeiten teilweise durch das Verwaltungsgericht beurteilt werden - für die obersten kantonalen Gerichte keine einheitliche Einstufung der Richterinnen und Richter vorgesehen hat und auch die Besoldung am Bundesgericht nicht vom Rechtsgebiet abhängt, stellt dies keine Verletzung der Rechtsgleichheit dar. Die Rechtsgleichheit bezieht sich nur auf den Zuständigkeitsbereich ein und derselben Behörde ( BGE 133 I 249 E. 3.4 S. 255; BGE 125 I 173 E. 6c S. 179). Aufgrund der föderalistischen Grundordnung der Schweiz ist die Organisation der kantonalen Gerichtsbehörden unterschiedlich geregelt. Die Kantone sind nicht verpflichtet, ein einheitliches oberes Gericht für sämtliche öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zu schaffen (ESTHER TOPHINKE, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2011, N. 14 zu Art. 86 BGG ) und müssen von daher auch keine einheitliche Besoldung vorsehen. BGE 138 I 321 S. 330 5.3.7 Da überdies kein Anspruch auf rechtsgleiche Behandlung durch unterschiedliche kantonale Behörden besteht, welche zudem nicht der gleichen Aufsicht unterstehen (Urteil 2P.283/2001 vom 25. Februar 2002 E. 5.1.1), hat die Vorinstanz das Argument der Beschwerdeführer bezüglich einer gleichen Einreihung der Gerichtsschreiberinnen und Gerichtsschreiber an Ober-, Verwaltungs- und Sozialversicherungsgericht zu Recht verworfen. Aus demselben Grund hat es mit Blick auf die in die Kompetenz des Regierungsrates bzw. der obersten Gerichte fallende Zuständigkeit auch hinsichtlich der lohnmässigen Einstufung des Generalsekretärs in Lohnklasse 28 eine Verletzung des Rechtsgleichheitsgebots verneint. Dies ist mit Blick auf das in E. 3.3 Gesagte nicht zu beanstanden. 6. Die Zulässigkeit der Lohnunterschiede ist auch eine Frage des Ausmasses (vgl. bereits erwähntes Urteil 8C_991/2010 E. 5.5). Nach den Darlegungen der Vorinstanz liegt die Differenz der Jahresbesoldungen zwischen den Mitgliedern des Sozialversicherungsgerichts und jenen des Ober- und des Verwaltungsgerichts bei rund 13 Prozent. Es ist mit Blick auf den dem Kanton in Besoldungsfragen zukommenden Spielraum (E. 3) nicht zu beanstanden, wenn das kantonale Verwaltungsgericht zum Schluss gelangt, dies sei zwar nicht unerheblich, im Hinblick auf den funktionellen Unterschied jedoch verfassungsmässig vertretbar. Die Beschwerdeführer machen im Übrigen nicht geltend, der beanstandete Besoldungsunterschied halte sich nicht in einem vernünftigen Rahmen. Dieser erscheint jedenfalls nicht unvertretbar.
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Urteilskopf 88 II 185 30. Urteil der II. Zivilabtellung vom 12. Juli 1962 i.S. Zünd und Meyer gegen Zünd.
Regeste Vorkaufsrecht nach Art. 6 EGG . Rechtsausübung: Form und Fristen; Art. 14 EGG . Preisvergünstigung nach Art. 12 Abs. 1 EGG . 1. Bedeutung der "objektiven" Frist des Art. 14 Abs. 2 EGG (Erw. 1). 2. Gültigkeit einer bestimmt und vorbehaltlos abgegebenen Ausübungserklärung, auch wenn der Erklärende die Nebenabsicht hegte, gegen eine reichliche Abfindung auf den Erwerb zu verzichten (Erw. 2, a). 3. Ein Blutsverwandter des Verkäufers in gerader Linie hat nur dann Anspruch auf die Preisvergünstigung des Art. 12 Abs. 1 EGG , wenn er zur Selbstbewirtschaftung willens und fähig ist. Bestreiten dies die Prozessgegner mit Anrufung von Beweisen, so muss die Beweisführung stattfinden ( Art. 8 ZGB ) (Erw. 2, b).
Sachverhalt ab Seite 186 BGE 88 II 185 S. 186 A.- Karl Zünd, Vater, verkaufte am 18. März 1960 dem Joachim Meyer sein Heimwesen Egg 454 in Herisau, enthaltend unter anderem ein Wohnhaus mit Stadel und 389,27 Aren Land (= etwa 10,8 Jucharten), zum Preise von Fr. 65'500.--. Am gleichen Tage setzte das Grundbuchamt Herisau den Sohn des Verkäufers, Walter Zünd, vom Verkauf in Kenntnis. Dieser erklärte tags darauf mit eingeschriebenem Brief an das Grundbuchamt, das Vorkaufsrecht gemäss Art. 14 EGG auszuüben. Nach ergebnislosen Verhandlungen der Parteien und gescheitertem Vermittlungsbegehren reichte Walter Zünd am 27. Oktober 1960 gegen den Verkäufer und den Käufer (der schon am 18. März 1960 als Eigentümer im Grundbuch eingetragen worden war) beim Bezirksgericht Hinterland Klage ein. Er verlangte damit den Zuspruch der verkauften Liegenschaft zum Schätzungswert von Fr. 38'000.-- und die entsprechende Anweisung an das Grundbuchamt, den auf den Käufer lautenden Eigentumseintrag zu löschen und an dessen Stelle ihn, sei es unmittelbar oder nach Wiedereintragung des Verkäufers, nach Hinterlegung bzw. gegen Bezahlung des nach Anrechnung der zu übernehmenden Grundpfandschulden sich ergebenden Restbetrages von Fr. 5084.--, einzutragen. Die Beklagten beantragten die Abweisung der Klage und machten geltend, der Kläger beabsichtige gar nicht ernstlich, das Heimwesen selber zu bewirtschaften. Er sei dazu auch nicht fähig. Die Beklagten schilderten den Lebensgang des Klägers und dessen Einstellung zur landwirtschaftlichen Betätigung. Zum Beweis ihrer Darstellung riefen sie eine Reihe von Zeugen an. - Endlich sei die Klage zu spät eingereicht worden, da Art. 14 Abs. 2 EGG eine Verwirkungsfrist von drei Monaten seit der Anmeldung des Kaufvertrages beim Grundbuchamt vorsehe. B.- Das Bezirksgericht Hinterland hiess die Klage am 8. Mai 1961 gut, soweit darauf eingetreten werden konnte. Es sprach dem Kläger das Eigentum an der verkauften Liegenschaft zum Preis von Fr. 38'000.-- zu und BGE 88 II 185 S. 187 ermächtigte das Grundbuchamt Herisau, den Kläger nach Hinterlegung der Restsumme von Fr. 5084.-- als Eigentümer der Liegenschaft im Grundbuch einzutragen. C.- Am 29. Januar 1962 wies das Obergericht von Appenzell A.Rh. die gegen dieses Urteil gerichtete Appellation der beiden Beklagten ab. Aus den Gründen: Der Kläger hat die Ausübungserklärung rechtzeitig und formrichtig abgegeben. Eine peremptorische Klagefrist besteht nicht, da Art. 14 Abs. 2 EGG nur vom Erlöschen des Vorkaufsrechts (bei nicht rechtzeitiger Ausübung) handelt. Dem Kläger steht der Erwerb zum Schätzungswert gemäss Art. 12 EGG zu. Es genügt in dieser Hinsicht, dass er die Liegenschaft zur Selbstbewirtschaftung beansprucht. Über das Vorliegen eines dahingehenden Willensentschlusses ist eine Beweisführung nicht möglich. Die Eignung des Klägers ist rechtlich ohne Bedeutung. D.- Gegen dieses Urteil haben die Beklagten Berufung an das Bundesgericht eingelegt mit dem Antrag auf Abweisung der Klage. Der Antrag des Klägers geht auf Abweisung der Berufung und Bestätigung des angefochtenen Urteils. Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Dass die Klageeinreichung verspätet gewesen sei, machen die Beklagten mit Recht nicht mehr geltend. Wie das Obergericht zutreffend ausführt, ist nicht die Klageerhebung, sondern die Ausübung des Vorkaufsrechts, also die Ausübungserklärung, an die dreimonatige Frist des Art. 14 Abs. 2 EGG gebunden. Diese Vorschrift ergänzt diejenige des vorausgehenden Abs. 1, indem sie für diese Rechtsausübung ausser der von der grundbuchamtlichen Mitteilung nach Art. 13 EGG an laufenden Monatsfrist eine zweite, "objektive", ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt dieser (allenfalls verzögerten) amtlichen Mitteilung schon vom Zeitpunkt der Anmeldung des Kaufvertrages an laufende Frist von drei Monaten vorsieht (vgl. JOST, BGE 88 II 185 S. 188 N. 3 zu Art. 14 EGG ). Der Kläger hat mit seiner Erklärung vom 19. März 1960 die eine und die andere dieser Fristen eingehalten. 2. Die Berufung wird im wesentlichen damit begründet, der Kläger habe das Vorkaufsrecht binnen der Fristen des Art. 14 EGG nicht "rechtsgenüglich" ausgeübt. Sodann stehe ihm überhaupt kein Vorkaufsrecht zum Schätzungswert, wie er es beanspruche, zu, weil er nicht gewillt und auch nicht fähig zur Selbstbewirtschaftung sei. a) Die Beklagten räumen ein, dass die Ausübungserklärung vom 19. März 1960 "bestimmt und vorbehaltlos" laute. Dennoch wollen sie die Erklärung nicht als "rechtsgenüglich" gelten lassen, weil es dem Kläger gar nicht um den Erwerb des Heimwesens, sondern nur um eine möglichst hohe Abfindungssumme zu tun gewesen sei. Seine Einstellung zu diesem Verkauf ergebe sich namentlich aus den vor und nach der Klageanhebung geführten Vergleichsverhandlungen. Allein, diese aus Nebenabsichten des Klägers hergeleiteten Einwendungen vermögen das Vorliegen einer rechtzeitig und bei der zuständigen Amtsstelle abgegebenen klaren und vorbehaltlosen Ausübungserklärung nicht aus der Welt zu schaffen. Die Erklärung als solche entsprach allen gesetzlichen Erfordernissen, war also jedenfalls in formeller Hinsicht "rechtsgenüglich". Selbst wenn der Kläger von Anfang an darauf ausgegangen sein sollte, ein hohes Abfindungsangebot zu erhalten, um alsdann auf den Erwerb des Heimwesens zu verzichten, läge im übrigen keine blosse Scheinerklärung vor. Der Kläger wahrte sich durch sein Vorgehen die Möglichkeit, sein Recht durchzusetzen, falls man sich über eine Abfindung nicht einigen konnte. Also lässt sich die Erklärung auch nicht aus dem Gesichtspunkt einer Simulation beanstanden. b) Beachtlich ist dagegen der Einwand der Beklagten, der Kläger sei weder willens noch fähig, die Liegenschaft selber zu bewirtschaften, im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 EGG . An sich steht dem Kläger als einem Sohn des Verkäufers BGE 88 II 185 S. 189 nach Art. 6 Abs. 1 EGG zweifellos ein Vorkaufsrecht zu. Er begnügt sich jedoch nicht mit dem gewöhnlichen Vorkaufsrecht zu den Bedingungen des Kaufvertrages, also zum vereinbarten Kaufpreis, sondern beansprucht die Preisvergünstigung gemäss Art. 12 Abs. 1 EGG , also einen Erwerb zum Schätzungswert nach Entschuldungsgesetz, wie er nach dieser Vorschrift den Blutsverwandten in gerader Linie zusteht, "sofern sie die Liegenschaft zur Selbstbewirtschaftung beanspruchen". Das Obergericht hält dafür, diese vom Gesetz aufgestellte Bedingung sei erfüllt durch die vom Kläger kundgegebene Absicht. Über deren Ernstlichkeit sei eine Beweisführung nicht möglich; der Einwand der Beklagten, es fehle daran, müsse daher unberücksichtigt bleiben. Und auf die Eignung des Übernehmers komme es überhaupt nicht an. Dieser Betrachtungsweise ist weder im einen noch im andern Punkte beizustimmen. Wie in BGE 81 II 570 näher dargelegt worden ist, muss die Selbstbewirtschaftung als Grundlage des Vorrechtes gemäss Art. 12 Abs. 1 EGG "ernstlich gewollt und praktisch möglich" sein. Das Bundesgericht hat sich in jener Entscheidung auch mit der vom Obergericht erwähnten Ansicht von JOST, N. 4 zu Art. 9 EGG , auseinandergesetzt und ausgeführt, die kundgegebene Absicht genüge jedenfalls nur, wenn dahinter ein ernsthafter Wille erkennbar sei. In der Tat muss nach dem Zweck der Preisvergünstigung - dem Übernehmer eine bäuerliche Existenz zu ermöglichen (vgl. F. E. JENNY, Das bäuerliche Vorkaufsrecht, Diss. 1955, S. 127) - ein solcher Wille wirklich bestehen. Erheben sich nicht von vornherein gewichtige Zweifel, so wird freilich die vom Anwärter bekundete Absicht zunächst als ernstlich vorhanden zu betrachten sein, und er selbst wird es sich, bei Bestreitung durch die Gegenpartei, im Beweisverfahren kaum einfallen lassen, seine Erklärung zu entkräften. Allein es bleibt der Gegenpartei unbenommen, Tatsachen zu behaupten und unter Beweis zu stellen, die auf das Fehlen einer wahren Selbstbewirtschaftungsabsicht des BGE 88 II 185 S. 190 Anwärters schliessen lassen und somit geeignet sind, dessen Behauptung auf mittelbarem Wege zu entkräften. Die Beklagten haben solche Gegenbehauptungen aufgestellt und dafür Beweise angeboten. Indem das Obergericht darüber hinweggegangen ist, hat es Art. 8 ZGB verletzt, der der beweisbelasteten oder zur Antretung eines Gegenbeweises veranlassten Partei ein Recht auf Beweisführung gibt (vgl. BGE 62 II 326 , BGE 68 II 139 , BGE 82 II 510 , BGE 83 II 6 ; M. KUMMER, N. 74 ff. zu Art. 8 ZGB ). Gleich verhält es sich mit der Frage der Eignung des Klägers. Auch in diesem Punkte hat das Obergericht den Beklagten zu Unrecht verwehrt, ihre Behauptung zu beweisen, dass der Kläger weder nach seinen geistigen Fähigkeiten noch nach seinen landwirtschaftlichen Kenntnissen imstande sei, einen Bauernbetrieb von etwa zehn Jucharten selbständig zu bewirtschaften. Die Sache wird erst spruchreif sein, wenn die Beweisführung in beiden Punkten nachgeholt sein wird. Somit ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Angelegenheit zu neuer Beurteilung auf Grund der vorzunehmenden ergänzenden Beweismassnahmen an das Obergericht zurückzuweisen. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Berufung wird dahin gutgeheissen, dass das Urteil des Obergerichts des Kantons Appenzell A.Rh. (1. Abteilung) vom 29. Januar 1962 aufgehoben und die Sache zu neuer Beurteilung im Sinne der Erwägungen an das Obergericht zurückgewiesen wird.
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Urteilskopf 126 IV 150 25. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 29. April 2000 in Sachen Erbschaftsverwaltung über den Nachlass von A. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich sowie X. und Y. (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste Legitimation zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde im Strafpunkt nach dem Tod des Opfers beziehungsweise des Geschädigten ( Art. 270 BStP , Art. 2 und Art. 8 Abs. 1 lit. c OHG ); Anordnung der Erbschaftsverwaltung ( Art. 554 ZGB ). Die Erben des Opfers beziehungsweise des Geschädigten sind in dieser Eigenschaft nicht zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde im Strafpunkt befugt (E. 4, Bestätigung der Rechtsprechung). Der Erbschaftsverwalter ist in dieser Eigenschaft im Rahmen seiner Prozessführungsbefugnis betreffend den Nachlass des Opfers beziehungsweise des Geschädigten ebenfalls nicht zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde im Strafpunkt legitimiert (E. 5 u. 6).
Sachverhalt ab Seite 151 BGE 126 IV 150 S. 151 A.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich warf X. unter anderem gewerbsmässigen Betrug, eventuell gewerbsmässigen Wucher, sowie Aussetzung vor, alles angeblich begangen zum Nachteil von A., verstorben am 26. Januar 1996. Im Wesentlichen wurde ihr zur Last gelegt, sie habe von dem rund 40 Jahre älteren A. durch Vortäuschung von Liebe und Zuneigung und durch zahlreiche falsche Angaben vermögenswerte Leistungen in erheblichem Umfang erschlichen und sie habe ihn entgegen den getroffenen Vereinbarungen nicht umsorgt und gepflegt, sodass er bei seiner Einlieferung ins Spital am 18. November 1995 völlig verwahrlost und unterernährt gewesen sei und an verschiedenen Krankheiten gelitten habe. Y. wurde wegen Gehilfenschaft zu gewerbsmässigem Betrug, eventuell Gehilfenschaft zu gewerbsmässigem Wucher, angeklagt. B.- 1. Das Bezirksgericht Meilen sprach X. am 27. Mai 1997 schuldig des versuchten gewerbsmässigen Betrugs (zum Nachteil von A.). Es verurteilte sie deswegen sowie wegen verschiedener weiterer Straftaten (die nicht A. betrafen) zu 24 Monaten Gefängnis. Vom Vorwurf der Aussetzung (zum Nachteil von A.) wurde sie freigesprochen. Y. wurde vollumfänglich freigesprochen. BGE 126 IV 150 S. 152 Die Zivilansprüche wurden - mit Ausnahme einer im vorliegenden Verfahren nicht relevanten Forderung - auf den Zivilweg verwiesen. 2. Gegen dieses Urteil erhoben zum einen die Verurteilte X. und zum andern, in getrennten Eingaben, B. (der Bruder von A.) sowie die Erbschaftsverwaltung über den Nachlass von A. Berufung. X. beantragte ihre vollumfängliche Freisprechung. B. beantragte unter anderem, X. sei des gewerbsmässigen Betrugs, eventuell des gewerbsmässigen Wuchers, sowie der Aussetzung schuldig zu sprechen. B. ist während des Berufungsverfahrens, am 15. Februar 1999, verstorben. Seine Tochter C. trat in das Berufungsverfahren ein. Die Erbschaftsverwaltung über den Nachlass von A. stellte unter anderem den Antrag, X. sei des gewerbsmässigen Betrugs schuldig zu sprechen und im Berufungsverfahren adhäsionsweise zu verschiedenen vermögenswerten Leistungen zu verpflichten. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich zog ihre Berufung zurück. 3. Das Obergericht des Kantons Zürich trat mit Entscheid vom 29. September 1999 auf die Berufung von C. (vormals B.) sowie auf die Berufung der Erbschaftsverwaltung über den Nachlass von A. nicht ein. Es sprach X. in teilweiser Gutheissung ihrer Berufung vom Vorwurf des gewerbsmässigen Betrugs, eventuell des gewerbsmässigen Wuchers, frei. Es verurteilte sie wegen verschiedener Straftaten, die allesamt nicht A. betrafen, zu einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von fünf Monaten. Y. wurde freigesprochen. Auf das Schadenersatzbegehren von C. (vormals B.) respektive der Erbschaftsverwaltung über den Nachlass von A. trat das Obergericht nicht ein. C.- Die Erbschaftsverwaltung über den Nachlass von A. beantragt mit eidgenössischer Nichtigkeitsbeschwerde die Aufhebung des Urteils. Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde steht dem Angeklagten und dem öffentlichen Ankläger des Kantons zu (Art. 270 Abs. 1 Satz 1 des Bundesgesetzes über die Bundesstrafrechtspflege; BStP, SR 312.0). Sie steht auch dem Geschädigten zu, wenn er sich BGE 126 IV 150 S. 153 bereits vorher am Verfahren beteiligt hat und soweit sich der Entscheid auf die Beurteilung seiner Zivilforderung auswirken kann ( Art. 270 Abs. 1 Satz 2 BStP ). Richtet sich die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde des Geschädigten etwa gegen ein freisprechendes Urteil, so ist nach der Praxis zudem grundsätzlich erforderlich, dass der Geschädigte, soweit zumutbar, seine Zivilforderung aus der behaupteten strafbaren Handlung im kantonalen Strafverfahren adhäsionsweise geltend gemacht hat ( BGE 120 IV 44 E. 4; BGE 122 IV 139 E. 1; BGE 124 IV 188 E. 1c). Gemäss Art. 2 Abs. 2 OHG werden der Ehegatte des Opfers, dessen Kinder und Eltern sowie andere Personen, die ihm in ähnlicher Weise nahe stehen, dem Opfer gleichgestellt, unter anderem bei der Geltendmachung von Verfahrensrechten und Zivilansprüchen (Art. 8 und 9 des Opferhilfegesetzes; OHG, SR 312.5), soweit ihnen Zivilansprüche gegenüber dem Täter zustehen ( Art. 2 Abs. 2 lit. b OHG ). Zu den Verfahrensrechten gemäss Art. 8 OHG gehört unter anderem das Recht des Opfers, den Gerichtsentscheid mit den gleichen Rechtsmitteln anzufechten wie der Beschuldigte, wenn es sich bereits vorher am Verfahren beteiligt hat und soweit der Entscheid seine Zivilansprüche betrifft oder sich auf deren Beurteilung auswirken kann ( Art. 8 Abs. 1 lit. c OHG ). Die in Art. 2 Abs. 2 OHG genannten Personen sind mithin unter den in Art. 2 Abs. 2 lit. b und Art. 8 Abs. 1 lit. c OHG genannten und daraus sich ergebenden Voraussetzungen zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde etwa gegen ein den Beschuldigten freisprechendes Urteil befugt. In bestimmten Fällen ist das Opfer ungeachtet der im Gesetz genannten Voraussetzungen zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde legitimiert, beispielsweise soweit die Opfer-Eigenschaft und/oder Opferrechte zur Diskussion stehen (siehe BGE 120 IV 44 E. 3 und 7; BGE 122 IV 71 E. 2, 79 E. 1; BGE 124 IV 188 E. 1c). Entsprechendes muss beispielsweise für die Rüge gelten, eine bestimmte Person sei von der Strafverfolgungsbehörde zu Unrecht nicht als eine dem Opfer nahe stehende Person im Sinne von Art. 2 Abs. 2 OHG qualifiziert worden (siehe nicht publiziertes Urteil des Kassationshofes vom 4. November 1999 i.S. B. c. AG, E. 1d). Die gesetzliche Regelung der Legitimation zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde in Art. 270 BStP und in Art. 2 in Verbindung mit Art. 8 Abs. 1 lit. c OHG ist insoweit nicht abschliessend, als nach der Praxis in gewissen Bereichen auch Personen als legitimiert erachtet werden, die weder Geschädigte im Sinne des Strafprozessrechts noch Opfer gemäss dem Opferhilfegesetz sind, so beispielsweise BGE 126 IV 150 S. 154 Berufsverbände und Interessenorganisationen als Strafantragsteller bei unlauterem Wettbewerb ( BGE 120 IV 154 E. 3c/cc) sowie die durch eine Einziehung oder eine andere Massnahme im Sinne von Art. 58 ff. StGB Betroffenen ( BGE 122 IV 365 E. 1a; siehe schon BGE 108 IV 154 E. 1a). 4. Der Kassationshof hat sich in BGE 126 IV 42 mit der Frage der Legitimation zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde im Strafpunkt nach dem Tod des Geschädigten beziehungsweise des Opfers auseinander gesetzt. a) Zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde im Strafpunkt, etwa gegen ein den Beschuldigten freisprechendes Urteil, ist nicht schon befugt, wer behauptet, über eine Zivilforderung aus strafbarer Handlung zu verfügen. Hiefür ist nach der insoweit abschliessenden gesetzlichen Regelung zusätzlich erforderlich, dass der Beschwerdeführer ein Geschädigter ( Art. 270 Abs. 1 Satz 2 BStP ), ein Opfer ( Art. 2 Abs. 1 OHG ) oder eine dem Opfer gleichgestellte Person ( Art. 2 Abs. 2 OHG ) ist. Die Erben eines Geschädigten beziehungsweise eines Opfers gehören in ihrer Eigenschaft als Erben nicht zu diesem Personenkreis. Sie sind daher, auch wenn sie einen Zivilanspruch aus angeblich strafbarer Handlung durch Erbgang erworben haben, nicht zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde im Strafpunkt legitimiert (ebenso SCHWERI, Eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde in Strafsachen, 1993, N. 261, 294; SCHMID, Strafprozessrecht, 3. Aufl. 1997, N. 1093; anderer Auffassung insbesondere BERNHARD STRÄULI, Pourvoi en nullité et recours de droit public au Tribunal Fédéral, Diss. Genf 1995, N. 105 f., 128 f.). Daran ist festzuhalten. b) Wohl sind die Erben des Geschädigten beziehungsweise des Opfers zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde im Zivilpunkt legitimiert, wenn der Zivilanspruch zusammen mit der Strafklage beurteilt worden ist und die übrigen gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Daraus folgt aber nicht, dass die Erben zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde im Strafpunkt befugt sind, wenn und weil der angefochtene Entscheid im Strafpunkt sich negativ auf die Beurteilung der Zivilforderung auswirkt. aa) Das Opferhilfegesetz will nach seinem Sinn und Zweck den Opfern gemäss Art. 2 Abs. 1 OHG und den diesen nahe stehenden Personen im Sinne von Art. 2 Abs. 2 OHG die adhäsionsweise Durchsetzung ihrer Zivilansprüche gegen den Beschuldigten im Strafverfahren erleichtern und ihnen damit nach Möglichkeit einen unter Umständen aufwendigen und kostspieligen Zivilprozess ersparen. BGE 126 IV 150 S. 155 Die Opfer und die ihnen nahe stehenden Personen sollen daher über gewisse Rechte im Strafverfahren verfügen und unter den gesetzlichen Voraussetzungen auch zu Rechtsmitteln gegen Einstellungsbeschlüsse und freisprechende Urteile befugt sein, unter anderem auch zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde im Strafpunkt. Auch die Geschädigten, die nicht Opfer im Sinne von Art. 2 Abs. 1 OHG oder diesen gleichgestellte Personen im Sinne von Art. 2 Abs. 2 OHG sind, können gemäss Art. 270 Abs. 1 Satz 2 BStP unter den gesetzlichen Voraussetzungen eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde etwa gegen Einstellungsbeschlüsse und freisprechende Urteile erheben. Der Gesetzgeber hat es als sinnvoll erachtet, diese übrigen Geschädigten wenigstens in Bezug auf die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde im Strafpunkt den Opfern gleichzustellen (siehe die Botschaft zum Opferhilfegesetz, BBl 1990 II 961ff., 997). Ob die übrigen Geschädigten in Bezug auf die kantonalen Rechtsmittel den Opfern gleichgestellt sind, bestimmt das kantonale Prozessrecht. Zur staatsrechtlichen Beschwerde etwa wegen willkürlicher Beweiswürdigung sind die Geschädigten, die nicht Opfer sind, im Unterschied zu den Opfern nach der Praxis nicht legitimiert (siehe dazu BGE 120 Ia 157 E. 2). bb) Aus dem Opferhilfegesetz und aus Art. 270 BStP ergibt sich nicht, dass auch irgendwelche - unter Umständen entfernte - gesetzliche oder gar eingesetzte Erben von Opfern und übrigen Geschädigten zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde im Strafpunkt befugt seien, nur weil sie einen angeblichen Zivilanspruch aus strafbarer Handlung durch Erbgang erworben haben. Die Legitimation zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde im Strafpunkt ist nicht sachbezogen, das heisst nicht allein von der angeblichen Existenz eines Anspruchs aus strafbarer Handlung abhängig. Sie ist vielmehr personenbezogen. cc) BGE 83 IV 183 , auf den die Beschwerdeführerin sich beruft, ist nicht einschlägig. Der Entscheid betrifft die Frage der Beschwerdelegitimation von Angehörigen des Strafantragstellers nach dessen Ableben. Stirbt ein Verletzter, ohne dass er den Strafantrag gestellt oder auf den Strafantrag ausdrücklich verzichtet hat, so steht gemäss Art. 28 Abs. 4 StGB das Antragsrecht jedem Angehörigen zu. Wenn ein Angehöriger des verstorbenen Verletzten Strafantrag stellte, so war er in seiner Eigenschaft als Strafantragsteller gemäss Art. 270 BStP in der damals geltenden Fassung zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde im Strafpunkt legitimiert. Aus dieser gesetzlichen Regelung hat der Kassationshof in BGE 83 IV 183 gefolgert, BGE 126 IV 150 S. 156 dass jeder Angehörige auch dann zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde im Strafpunkt befugt sein müsse, wenn der Verletzte zu Lebzeiten noch selbst Strafantrag gestellt hatte; denn in diesem Fall vollstreckten die Angehörigen mit der Ergreifung des Rechtsmittels den eindeutig bekundeten Willen des Verstorbenen, dass die Strafverfolgung durchgeführt werde. BGE 83 IV 183 betrifft damit eine spezielle Frage, deren Beantwortung sich zum einen aus dem materiellen Recht ( Art. 28 Abs. 4 StGB ) und zum anderen aus der damals geltenden gesetzlichen Regelung der Beschwerdelegitimation des Strafantragstellers (in Art. 270 aBStP) ergibt. Aus BGE 83 IV 183 kann nicht abgeleitet werden, dass in Anbetracht der heute geltenden gesetzlichen Regelung, wonach allgemein der Geschädigte zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde befugt ist, nach dessen Tod folgerichtig die Angehörigen und/oder die Erben des Geschädigten zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde im Strafpunkt legitimiert seien (anderer Auffassung aber BERNHARD STRÄULI, a.a.O., N. 104 ff.). Wohl soll durch Art. 270 Abs. 1 Satz 2 BStP in der Fassung gemäss Opferhilfegesetz die Legitimation der von einer Straftat Betroffenen zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde im Strafpunkt nicht eingeschränkt, sondern ausgeweitet werden, indem nicht mehr der Strafantragsteller (und der Privatstrafkläger), sondern allgemein der Geschädigte legitimiert ist. Dies bedeutet aber nicht, dass nunmehr auch jeder Angehörige (und/oder die Erben) des Geschädigten zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde im Strafpunkt befugt sei. Das materielle Bundesrecht enthält, was unter anderem entscheidend ist, keine Art. 28 Abs. 4 StGB entsprechende Bestimmung etwa in dem Sinne, dass die Verfahrensrechte des Geschädigten nach dessen Tod jedem Angehörigen (oder den Erben) zustehen, falls der Geschädigte zu Lebzeiten darauf nicht ausdrücklich verzichtet hat. dd) Allerdings bestimmt Art. 270 Abs. 2 BStP , dass die Nichtigkeitsbeschwerde (im Strafpunkt) nach dem Tod des Angeklagten (Verurteilten) seinen Verwandten und Verschwägerten in auf- und absteigender Linie, seinen Geschwistern und dem Ehegatten zustehe (siehe entsprechend auch Art. 231 Abs. 1 lit b BStP betreffend die Legitimation zur Revision). Daraus lässt sich indessen nicht die Beschwerdelegitimation der Erben des Geschädigten zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde im Strafpunkt ableiten. In Art. 270 Abs. 2 BStP ist nicht von den Erben die Rede, sondern von bestimmten Verwandten, Verschwägerten und vom Ehegatten. Nicht die Erben des Verurteilten sind mithin - etwa zur Abwendung zivilrechtlicher BGE 126 IV 150 S. 157 Verpflichtungen des Verstorbenen aus strafbarer Handlung - zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde im Strafpunkt befugt. Vielmehr sind die in Art. 270 Abs. 2 BStP genannten Verwandten etc. des Angeklagten (Verurteilten) zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde im Strafpunkt legitimiert. "Auf diese Weise erhalten die Angehörigen die Möglichkeit, die diffamierenden Folgen einer - in unrichtiger Anwendung des Bundesrechts erfolgten - Verurteilung des Verstorbenen zu beseitigen" (Botschaft des Bundesrates zum Entwurf eines neuen Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege, BBl 1943 S. 97 ff., 160). Die Freisprechung des Beschuldigten ist für die Verwandten des verstorbenen Geschädigten indessen nicht in ähnlicher Weise diffamierend. c) Demnach ist in Bestätigung der Rechtsprechung daran festzuhalten, dass die Erben des Opfers beziehungsweise des Geschädigten nicht zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde im Strafpunkt legitimiert sind. 5. Die Legitimation zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde gegen ein den Beschuldigten freisprechendes Urteil ist demnach - unter Vorbehalt von hier nicht in Betracht fallenden Ausnahmen - untrennbar mit der Person des Geschädigten ( Art. 270 Abs. 1 Satz 2 BStP ), des Opfers ( Art. 2 Abs. 1 OHG ) und der diesem nahe stehenden Person ( Art. 2 Abs. 2 OHG ) verknüpft. Nach dem Tod dieser Personen geht die Beschwerdelegitimation nicht auf Dritte über, auch dann nicht, wenn diese einen allfälligen Zivilanspruch des Verstorbenen aus angeblich strafbarer Handlung, wie etwa die Erben durch Erbgang, erworben haben. Daraus folgt aber, dass im Falle der behördlichen Anordnung einer Erbschaftsverwaltung aus irgendwelchen Gründen (siehe Art. 554 ZGB ) auch der Erbschaftsverwalter im Rahmen seiner den Nachlass betreffenden Prozessführungsbefugnis nicht zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde im Strafpunkt legitimiert ist. 6. a) Der Kassationshof hat in BGE 126 IV 42 erkannt, dass die dem Opfer nahe stehenden Personen im Sinne von Art. 2 Abs. 2 OHG zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde im Strafpunkt (gemäss Art. 2 Abs. 2 lit. b in Verbindung mit Art. 8 Abs. 1 lit. c OHG ) nicht nur dann legitimiert sind, wenn sie ihrerseits im Strafverfahren adhäsionsweise Zivilansprüche wegen Beeinträchtigung ihrer Person geltend gemacht haben, sondern auch dann, wenn sie eine vom Opfer selbst zu Lebzeiten adhäsionsweise geltend gemachte Zivilforderung nach dessen Tod durch Erbgang erworben BGE 126 IV 150 S. 158 haben und sich der angefochtene Entscheid negativ auf deren Beurteilung auswirken kann (E. 3). Der Kassationshof hat im genannten Entscheid offen gelassen, ob in einer Konstellation, in der die dem Opfer nahe stehenden Personen mit den Erben des Opfers identisch sind, der vom Verstorbenen eingesetzte Willensvollstrecker (siehe Art. 517 f. ZGB) im Rahmen seiner Prozessführungsbefugnis auch zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde im Strafpunkt legitimiert ist. b) Die Frage der Legitimation der Beschwerdeführerin gestützt auf Art. 2 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 8 Abs. 1 lit. c OHG kann sich nur in Bezug auf die behauptete Aussetzung gemäss Art. 127 StGB stellen, nicht auch hinsichtlich des behaupteten Betrugs (eventuell Wuchers), da A. höchstens allenfalls durch die behauptete Aussetzung in seiner physischen Integrität unmittelbar beeinträchtigt worden und somit allein insoweit Opfer im Sinne von Art. 2 Abs. 1 OHG war. c) Die Beschwerdeführerin ist in ihrer Eigenschaft als Erbschaftsverwalterin, ungeachtet der Gründe für die behördliche Anordnung der Sicherungsmassregel der Erbschaftsverwaltung, keine dem Opfer nahe stehende Person im Sinne von Art. 2 Abs. 2 OHG , da sie in dieser Eigenschaft dem Opfer A. nicht durch verwandtschaftliche oder ähnliche persönliche Beziehung verbunden ist. Die Beschwerdeführerin behauptet nicht, dass sie für eine dem Opfer A. nahe stehende Person handle. Die einzige Person, die allenfalls dem Opfer A. nahe stand und welche möglicherweise über einen Zivilanspruch gegen die Beschuldigte X. aus der behaupteten Aussetzung - sei es eventuell infolge Erbgangs, sei es allenfalls wegen Verletzung der eigenen persönlichen Verhältnisse - verfügt, ist C., die Nichte des Opfers A. Diese hat aber ihrerseits selber im kantonalen Strafverfahren Rechte ausgeübt, Berufung eingereicht sowie gegen das vorinstanzliche Urteil eine eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde erhoben. Ob C., soweit den Vorwurf der Aussetzung betreffend, gestützt auf Art. 2 Abs. 2 lit. b in Verbindung mit Art. 8 Abs. 1 lit. c OHG zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde legitimiert ist, ist in dem sie betreffenden Verfahren zu prüfen. Der vorliegende Fall ist somit nicht mit der Konstellation vergleichbar, die BGE 126 IV 42 zu Grunde lag, in welchem Entscheid die Frage der Legitimation des Willensvollstreckers zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde im Strafpunkt offen gelassen worden ist. BGE 126 IV 150 S. 159 d) Die Beschwerdeführerin hat im Übrigen in ihrer kantonalen Berufung, lediglich die Verurteilung von X. wegen gewerbsmässigen Betrugs beantragt, den erstinstanzlichen Freispruch vom Vorwurf der Aussetzung dagegen nicht angefochten, und sie hat denn auch im Berufungsverfahren hinsichtlich des Vorwurfs der Aussetzung keine Zivilforderungen geltend gemacht. Die Beschwerdeführerin ist daher nicht befugt, erstmals in der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde irgendwelche Anträge und Rügen betreffend den Vorwurf der Aussetzung gemäss Art. 127 StGB zu stellen.
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Urteilskopf 105 III 38 9. Auszug aus dem Entscheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 27. Februar 1979 i.S. C. (Rekurs)
Regeste Auskunft über Betreibungen ( Art. 8 Abs. 2 SchKG ). Nachweis des Interesses. Auch ein Rechtsanwalt muss durch Vorweisung oder Bekanntgabe von Unterlagen sein Interesse an der Auskunftserteilung glaubhaft machen. In dem blossen Hinweis auf den Auftrag eines Klienten ist kein ernsthaftes Indiz für das Bestehen eines Interesses zu erblicken.
Sachverhalt ab Seite 38 BGE 105 III 38 S. 38 Mit Schreiben vom 19. Oktober 1978 verlangte Rechtsanwalt C. vom Betreibungsamt Chur die Zustellung eines Auszugs aus dem Betreibungsregister über den in Chur wohnhaften H. Sein Begehren begründete er mit der Behauptung, er sei von einer Klientin in Sargans mit dem Inkasso einer Forderung gegen H. beauftragt worden. Das Betreibungsamt Chur lehnte dieses Begehren ab, weil ein Interesse an der gewünschten Auskunft nicht nachgewiesen sei. C. vertrat demgegenüber die Meinung, die Mitteilung eines Rechtsanwalts, dass er mit dem Inkasso einer Forderung gegenüber der Person, über welche ein Betreibungsauszug verlangt werde, betraut sei, müsse als Interessennachweis genügen. Das Betreibungsamt Chur lehnte hierauf das Begehren von Rechtsanwalt C. mit Verfügung vom 1. November 1978 ab. Gegen diese Verfügung reichte Rechtsanwalt C. beim Kantonsgerichtsausschuss von Graubünden als Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs Beschwerde ein. Diese wurde am 27. November 1978 abgewiesen. C. führt Rekurs an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts mit dem Antrag, der Entscheid der kantonalen BGE 105 III 38 S. 39 Aufsichtsbehörde sei aufzuheben und das Betreibungsamt Chur anzuweisen, den mit Schreiben vom 19. Oktober 1978 verlangten Betreibungsauszug betreffend H. sofort und unter Abzug der bereits per Nachnahme erhobenen Fr. 5.40 zuzustellen. Die kantonale Aufsichtsbehörde beantragt Abweisung des Rekurses. Erwägungen Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammerzieht in Erwägung: 1. Gemäss Art. 8 Abs. 2 SchKG kann jedermann, der ein Interesse nachweist, die von den Betreibungs- und Konkursämtern geführten Protokolle einsehen und sich Auszüge aus ihnen geben lassen. Erforderlich ist nach der Rechtsprechung ein besonderes und gegenwärtiges Interesse. Dieses Interesse braucht nicht notwendigerweise finanzieller Art zu sein; vielmehr genügt ein rechtliches Interesse anderer Art. Ein strenger Nachweis des Interesses darf vom Gesuchsteller nicht verlangt werden, sondern die Einsicht ist ihm zu gewähren, wenn ernsthafte Indizien das Bestehen des Interesses wahrscheinlich machen ( BGE 99 III 44 , BGE 94 III 45 E. 1, BGE 93 III 6 , BGE 52 III 75 und 79). Nach der Praxis genügt die Tatsache, dass zwischen dem Gesuchsteller und der Person, in deren Akten er Einsicht nehmen will, ein Prozess hängig ist, um das Interesse darzutun ( BGE 91 III 96 und BGE 58 III 120 , vgl. auch BGE 102 III 62 ). Hingegen wurde die Vorlage der Kopie eines Bestätigungsschreibens über den Eingang eines Kreditgesuchs als nicht genügend erachtet ( BGE 94 III 45 ). 2. Im vorliegenden Fall ist umstritten, Ob die blosse Mitteilung eines Rechtsanwalts, er sei mit dem Inkasso einer Forderung beauftragt, unter gleichzeitiger Angabe der Person des Gläubigers und des Schuldners, genügt, um ein Interesse im Sinne von Art. 8 Abs. 2 SchKG darzutun. Der Rekurrent stellt sich auf den Standpunkt, dass die Mitteilung eines Anwalts als solche hiefür generell genüge. Er macht in der Rekursschrift geltend, dem Anwalt komme in der Öffentlichkeit und im besondern in der Rechtspflege eine Vertrauensstellung zu, was sich auch in der staatlichen Bewilligung für die Berufsausübung ausdrücke. Der Rechtsanwalt dürfe daher erwarten, dass ihm sowohl die Rechtsuchenden als BGE 105 III 38 S. 40 auch die staatlichen Behörden Glauben und Vertrauen schenken, jedenfalls solange, als nicht konkrete Anhaltspunkte für seine Unglaubwürdigkeit vorlägen. Die Gerichte würden dementsprechend die Prozessvollmacht eines Anwalts vermuten und ihm die Akten regelmässig auf die blosse Mitteilung hin, er vertrete eine Partei, zur Einsichtnahme zustellen. Umso mehr sollte ein Betreibungsamt die Richtigkeit einer Mitteilung eines Anwalts annehmen, gehe es doch bloss um die Auskunft aus dem Betreibungsregister und müsse das Interesse nicht strikte nachgewiesen, sondern nur wahrscheinlich gemacht werden. Nach der Auffassung der Vorinstanz könnten jedoch die Äusserungen eines Anwalts nicht einmal mehr die Wahrscheinlichkeit für sich in Anspruch nehmen. 3. Die kantonale Aufsichtsbehörde hat in ihrem Entscheid darauf hingewiesen, dass dem Gesuchsteller, der eine Auskunft aus dem Betreibungsregister verlangt, zuzumuten sei, schriftliche Dokumente oder Kopien davon vorzulegen, die zu beschaffen bei zweckmässiger Organisation nur wenig Zeit und Mühe erfordere. Die beigebrachten Unterlagen habe der Betreibungsbeamte grundsätzlich nach freiem Ermessen zu würdigen. Dem Gesuch eines Rechtsanwalts, dem keine weitern Unterlagen beigelegt würden, komme aber nicht von vorneherein erhöhte Glaubwürdigkeit oder höherer Beweiswert zu, auch wenn darin der Name des Auftraggebers und dessen rechtliche Beziehung zur Person, über die Auskunft verlangt werde, genannt seien. Je nach den konkreten Umständen des Einzelfalles könne sich der Betreibungsbeamte zwar damit begnügen. Anderseits sei ihm nicht verwehrt, wenn er von den gemachten Angaben nicht genügend überzeugt sei, Beweisunterlagen, die ohne unzumutbaren Aufwand zu beschaffen seien, zu verlangen. Wenn der Betreibungsbeamte im vorliegenden Fall sich mit dem Gesuch eines Rechtsanwalts, der nicht im Kanton Graubünden tätig und dem Betreibungsbeamten nicht persönlich bekannt sei, nicht begnügt habe, so habe er von seinem Ermessen nicht in unzutreffender Weise Gebrauch gemacht, dies umso weniger, als auch die Person des Gläubigers dem Betreibungsbeamten nicht bekannt sei und über dessen angebliche Forderung keine Angaben im Register des Betreibungsamtes Chur enthalten seien. 4. ... Obwohl nach dem Wortlaut von Art. 8 Abs. 2 SchKG für die Auskunftserteilung ein Interesse "nachgewiesen" BGE 105 III 38 S. 41 werden muss (vgl. dazu JAEGER, N. 5 zu Art. 8 SchKG ), verlangt die oben angeführte Praxis nur das Glaubhaftmachen eines Interesses (insbesondere BGE 52 III 76 ). Sie umschreibt die Glaubhaftmachung in dem Sinne, dass ernsthafte Indizien das Bestehen des behaupteten Interesses wahrscheinlich machen müssen ( BGE 94 III 45 E. 2 und BGE 93 III 6 ). Dies kann aber nicht ohne die Vorlage oder wenigstens Bekanntgabe irgendwelcher Unterlagen geschehen. Eine blosse Behauptung vermittelt noch keine ernsthaften Indizien, auch wenn sie von einem patentierten Rechtsanwalt stammt. Einer solchen Behauptung zum vorneherein die Glaubhaftigkeit zuzuerkennen, ist trotz der besondern Vertrauensstellung eines Anwalts demnach nicht angängig. Es gibt zudem auch andere Berufe, die nur aufgrund eines Fähigkeitsausweises ausgeübt werden können und in gewissen Kantonen einer Bewilligungspflicht unterstehen, wie Treuhänder, Rechtsagenten, etc. Diese könnten dann von den Betreibungsämtern mit gutem Recht dieselbe Behandlung verlangen, wie sie den Rechtsanwälten zuteil würde. Auch stellte sich die Frage, ob auch in andern Verfahren, in denen das Glaubhaftmachen von Tatsachen verlangt wird, auf die blosse Behauptung eines Rechtsanwalts abzustellen wäre. Auf jeden Fall würde die Abgrenzung erhebliche Schwierigkeiten bereiten. Der Argumentation des Rekurrenten, die Gerichte verlangten von patentierten Anwälten keine Vollmacht, ist entgegenzuhalten, dass dieser Grundsatz im bündnerischen Zivilprozess auf jeden Fall nicht gilt ( Art. 41 ZPO des Kantons Graubünden). Einer Behörde ist es aber auch dann unbenommen, eine schriftliche Vollmacht zu verlangen, wenn in der Regel ein Anwalt auch ohne Vorlage einer Vollmacht als Vertreter anerkannt wird (z.B. Art. 120 des Gesetzes über die Zivilrechtspflege des Kantons St. Gallen). Im übrigen geht es im vorliegenden Fall gar nicht um die Frage der Bevollmächtigung, welche vom Betreibungsamt Chur nicht in Zweifel gezogen wurde. Vielmehr hat der Betreibungsbeamte vom Rekurrenten mit Recht einen Nachweis über den Bestand der Forderung seiner Klientin verlangt, nachdem er in seinen Registern vergeblich nach einer Forderung derselben gegen den Schuldner H. Nachschau gehalten hatte. Eine diese Forderung betreffende Betreibung hätte das Betreibungsamt als genügenden Interessennachweis gelten lassen, wie aus BGE 105 III 38 S. 42 der Verfügung vom 1. November 1978 hervorgeht. Es kann daher nicht gesagt werden, das Betreibungsamt Chur habe die Anforderungen an den Nachweis des Interesses im Sinne von Art. 8 Abs. 2 SchKG überspannt. Wenn die Vorinstanz das Vorgehen des Betreibungsamts Chur geschützt hat, kann ihr nach dem Ausgeführten keine Verletzung von Bundesrecht vorgeworfen werden. Dispositiv Demnach erkennt die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer: Der Rekurs wird abgewiesen.
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Urteilskopf 139 IV 41 5. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit public dans la cause A. contre Ministère public de l'arrondissement de Lausanne (recours en matière pénale) 1B_788/2012 du 5 février 2013
Regeste Art. 3 EMRK , Art. 234 Abs. 1 und Art. 235 Abs. 1 StPO ; Vollzug der Untersuchungshaft. Nicht jede Unregelmässigkeit bei der Untersuchungshaft (vorliegend ein 14-tägiger Aufenthalt in einer für eine Dauer von höchstens 48 Stunden ausgerichteten Zelle) rechtfertigt eine Haftentlassung (E. 2). Der Beschuldigte hat jedoch das Recht auf Prüfung der von ihm geltend gemachten schlechten Behandlung und gegebenenfalls auf unverzügliche entsprechende Feststellung (E. 3).
Sachverhalt ab Seite 41 BGE 139 IV 41 S. 41 A. A. (...) a été interpelé le 20 octobre 2012 à Lausanne et mis en prévention de vol et dommages à la propriété notamment (...). Par ordonnance du 23 octobre 2012, le Tribunal des mesures de contrainte du canton de Vaud (Tmc) a ordonné sa mise en détention provisoire pour trois mois (...). Le prévenu a saisi la Chambre des recours pénale du Tribunal cantonal vaudois, en relevant qu'il était détenu depuis quatorze jours à l'Hôtel de police alors que les cellules n'étaient prévues que pour des séjours de quarante-huit heures au plus. B. Par arrêt du 19 novembre 2012, la Chambre des recours pénale a rejeté le recours et confirmé l'ordonnance du 23 octobre 2012. Il n'était pas contesté que les conditions d'une mise en détention provisoire étaient réalisées. (...) Les prévenus ne pouvaient, selon la loi vaudoise d'introduction du CPP du 19 mai 2009 (LVCPP; RSV 312.01), être BGE 139 IV 41 S. 42 détenus que 48h dans les cellules des postes de police. En l'occurrence, le placement dans un établissement pénitentiaire n'avait pu être exécuté qu'après quatorze jours, vraisemblablement en raison d'un manque de place. Cette durée excessive ne devait toutefois pas entraîner la libération du prévenu. Il n'y avait donc pas lieu d'examiner les griefs de violation des art. 3 et 9 CEDH , ni de donner suite aux requêtes d'expertise et d'inspection locale. C. Par acte du 27 décembre 2012, A. forme un recours en matière pénale. Il demande la réforme de l'arrêt cantonal en ce sens que sa libération immédiate est ordonnée. Subsidiairement, il conclut à l'annulation de l'arrêt attaqué et au renvoi de la cause à la cour cantonale pour nouvelle décision. (...) (extrait) Erwägungen Extrait des considérants: 2. A l'appui de ses conclusions, le recourant se plaint d'établissement inexact des faits et de violation de son droit d'être entendu, s'agissant des conditions dans lesquelles il a été détenu à l'Hôtel de police durant quatorze jours. Sur le fond, il invoque les art. 3 et 9 CEDH , ainsi que la loi vaudoise du 7 novembre 2006 sur l'exécution de la détention avant jugement (LEDJ; RSV 312.07). 2.1 La cour cantonale a reconnu que les quatorze jours de détention à l'Hôtel de police constituaient une violation crasse de l'art. 27 al. 1 LVCPP, qui limitait ce genre de détention à quarante-huit heures. Toutefois, le recourant était désormais détenu dans un établissement pénitentiaire de détention avant jugement. La détention était justifiée et le recourant ne prétendait pas qu'en raison de sa détention à l'Hôtel de police, sa santé serait à ce point altérée que la détention provisoire devrait être levée. 2.2 Le recourant ne conteste pas cette appréciation. Celle-ci est au demeurant conforme à la jurisprudence selon laquelle des irrégularités entachant la procédure de détention provisoire (défaut de titre de détention durant une certaine période - cf. SJ 2004 I p. 138 -, irrégularité durant la procédure de placement ou de prolongation de la détention - ATF 137 IV 118 ) n'entraînent pas la mise en liberté immédiate du prévenu, dans la mesure où les conditions de mise en détention provisoire sont par ailleurs réunies. Or, le recourant admet expressément que les conditions d'une mise en détention provisoire au sens de l' art. 221 CPP , en particulier l'existence de forts soupçons (al. 1) et BGE 139 IV 41 S. 43 d'un risque de fuite (let. a), sont réalisées. Le placement contesté ayant pris fin, le recourant se trouvant depuis le 2 novembre 2012 dans un établissement adapté à la détention provisoire, il n'apparaît pas que l'admission de ses griefs devrait conduire à sa mise en liberté. 3. En revanche, c'est à tort que la cour cantonale a estimé qu'il n'y avait pas lieu d'examiner si les conditions de détention subies durant quatorze jours constituaient une violation des art. 3 et 9 CEDH , de la législation fédérale et de la réglementation cantonale relatives aux conditions de détention. 3.1 La jurisprudence considère en effet que lorsqu'une irrégularité constitutive d'une violation d'une garantie constitutionnelle a entaché la procédure relative à la détention provisoire, celle-ci doit en principe être réparée par une décision de constatation ( ATF 138 IV 81 consid. 2.4 p. 85; ATF 137 IV 92 consid. 3 p. 96; ATF 136 I 274 consid. 2.3 p. 278). Il doit en aller de même lorsque le prévenu estime avoir subi, du fait de la mise en détention provisoire, un traitement prohibé par l' art. 3 CEDH . Dans un tel cas, l'intéressé dispose d'un droit propre à ce que les agissements dénoncés fassent l'objet d'une enquête prompte et impartiale ( ATF 138 IV 86 consid. 3.1.1 .p. 88; ATF 131 I 455 consid. 1.2.5 p. 462). Ainsi, même si les violations alléguées par le recourant se rapportaient au régime carcéral auquel il a été soumis, et non au principe même de la mise en détention qui était l'objet de la décision du Tmc, c'est à cette juridiction, investie du contrôle de la détention, qu'il appartenait d'intervenir en cas d'allégations crédibles de traitement prohibés. 3.2 L' art. 3 CEDH , qui interdit (à l'instar d'autres dispositions constitutionnelles et conventionnelles) la torture et les peines ou traitements inhumains ou dégradants, impose notamment des standards minimaux en matière de détention ( ATF 124 I 231 consid. 2 p. 235), concrétisés par les Règles pénitentiaires européennes adoptées le 11 janvier 2006 par le Comité des Ministres du Conseil de l'Europe (Recommandation Rec [2006]2; voir https://wcd.coe.int/ViewDoc.jsp ). En matière de procédure pénale, l' art. 3 CPP pose également le principe du respect de la dignité. L' art. 234 al. 1 CPP prévoit qu'en règle générale, la détention provisoire et pour des motifs de sûreté est exécutée dans des établissements réservés à cet usage et qui ne servent qu'à l'exécution de courtes peines privatives de liberté. L' art. 235 CPP régit l'exécution de la détention; il pose le principe général de proportionnalité (al. 1) et précise (al. 5) que les cantons règlent les droits et les obligations des prévenus en détention. L'art. 27 LVCPP prévoit que BGE 139 IV 41 S. 44 la personne qui a fait l'objet d'une arrestation provisoire peut être retenue dans les cellules des locaux de gendarmerie ou de police durant quarante-huit heures au maximum (al. 1). S'il requiert la mise en détention provisoire auprès du Tmc, le procureur rend une ordonnance en vue du transfert dans un établissement de détention avant jugement. Les art. 10 ss LEDJ fixent de manière précise les conditions de détention avant jugement, notamment les relations avec le monde extérieur (art. 14), les activités hors de la cellule (art. 15) et l'assistance (art. 17). Le règlement du 16 janvier 2008 applicable au statut des détenus avant jugement (...) (RSDAJ; RSV 340.02.5) s'applique à toutes les personnes adultes qui sont placées dans un établissement pénitentiaire de détention avant jugement du canton de Vaud. Il apporte de nombreuses précisions sur le régime carcéral applicable à ces personnes. 3.3 En l'occurrence, la cour cantonale a reconnu que l'art. 27 LVCPP avait été violé de manière évidente, le délai de quarante-huit heures pour une détention dans "d'autres locaux" ayant été largement dépassé. Une ordonnance de transfert dans un établissement de détention avant jugement avait bien été rendue par le Ministère public conformément à l'art. 27 al. 2 LVCPP, mais celle-ci n'avait pu être exécutée, "selon toute vraisemblance en raison d'un manque de place dans les établissements de détention avant jugement". Le recourant allègue pour sa part que sa cellule à l'Hôtel de police faisait moins de 4,5 m 2 , qu'elle était dépourvue de fenêtre, la lumière étant allumée en permanence, que les toilettes étaient situées à la tête du lit et qu'il n'y avait pas d'eau courante; il n'aurait pu se doucher que deux fois par semaine, ne pouvait lire l'heure (ce qui l'aurait empêché de pratiquer son culte) et n'aurait eu que quinze minutes de promenade en plein air par jour. Il n'aurait pas pu changer de vêtements et de sous-vêtements durant quatorze jours (à l'exception de son T-shirt). Il n'aurait eu aucun accès aux médias, aucun livre à disposition ni aucune possibilité de téléphoner. Il aurait requis en vain l'assistance d'un psychologue. Le recourant mentionne diverses dispositions de la LEDJ et du RSDAJ, ainsi que les principes déduits de l' art. 3 CEDH . Il estime également avoir été privé de son droit à l'exercice de sa religion. L'ensemble de ces affirmations - en l'état non contestées - rend à tout le moins crédible l'existence d'une violation des dispositions conventionnelles, légales et réglementaires précitées. Le délai maximum de quarante-huit heures fixé dans la loi laisse au demeurant supposer que les cellules des locaux de gendarmerie ou de police ne sont pas appropriés pour une détention de plus longue durée. BGE 139 IV 41 S. 45 3.4 Dans ces conditions, il appartenait à l'autorité saisie de la demande de mise en détention de vérifier que celle-ci avait lieu dans des conditions acceptables, au regard notamment des art. 234 et 235 al. 1 CPP qui imposent une exécution de la détention provisoire dans des établissements appropriés, et conforme au principe de la proportionnalité. Saisies d'allégations de mauvais traitements subis dans ce cadre, il lui appartenait d'élucider les faits et de constater, le cas échéant, les irrégularités dénoncées. Comme cela est relevé ci-dessus, une telle constatation ne saurait avoir pour conséquence la remise en liberté du prévenu. Par ailleurs, ce n'est qu'à l'issue de la procédure qu'il y aurait lieu de tirer les conséquences d'une telle constatation (cf. les art. 429 ss CPP s'agissant de l'indemnisation). Toutefois, l'intéressé a droit à une enquête prompte et sérieuse, de sorte que ses griefs doivent être examinés immédiatement. 4. Sur le vu de ce qui précède, le recours doit être admis partiellement. L'arrêt attaqué est maintenu en tant qu'il confirme la prolongation de la détention provisoire, et la demande de mise en liberté est rejetée. Il est annulé pour le surplus et la cause est renvoyée à la cour cantonale afin que les allégations du recourant soient examinées. Il appartiendra à la Chambre des recours pénale de décider si elle entend elle-même procéder à cet examen, ou si elle renvoie la cause au Tmc. Le recourant, qui obtient gain de cause sur ce point, a droit à des dépens, à la charge du canton de Vaud. Cela rend sans objet sa demande d'assistance judiciaire. Conformément à l' art. 66 al. 4 LTF , il n'est pas perçu de frais judiciaires. Les frais et dépens de la procédure cantonale peuvent également être fixés dans le présent arrêt ( art. 67 et 68 al. 5 LTF ). Les dépens sont ainsi arrêtés de manière globale pour les procédures cantonale et fédérale, et les frais judiciaires de l'instance cantonale sont laissés à la charge du canton de Vaud.
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Urteilskopf 101 Ia 401 66. Estratto della sentenza del 4 giugno 1975 nella causa Mauro Tani contro Ministero pubblico della Confederazione
Regeste Auslieferung; Art. 7 Abs. 1 und Art. 8 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens vom 13. Dezember 1957; Bundesbeschluss über dessen Genehmigung vom 27. September 1966, Art. 2 zu Art. 7 und 8 (des Übereinkommens). Das Bundesgericht hat die Auslieferung zu verweigern, wenn sie wegen Straftaten verlangt wird, die - mindestens teilweise - auf dem Staatsgebiet der Schweiz begangen wurden (Erw. 3), oder wenn die Person, deren Auslieferung begehrt wird, wegen der die Grundlage des Auslieferungsbegehrens bildenden Delikte bereits in der Schweiz verfolgt wird (Erw. 4), es sei denn, die Auslieferung müsse wegen weiterer strafbarer Handlungen auf dem Gebiet des ersuchenden Staates ohnehin bewilligt werden.
Sachverhalt ab Seite 402 BGE 101 Ia 401 S. 402 Mauro Tani, cittadino italiano, venne arrestato a Neuchâtel il 25 maggio 1974 nell'ambito di un'inchiesta penale per furti e ricettazioni di opere d'arte; in possesso di Tani vennero trovati parecchi quadri di pittori italiani. Il Sostituto Procuratore della Repubblica di Livorno spiccò, in data 11 ottobre 1974, un "ordine di cattura" contro Mauro Tani, siccome prevenuto colpevole di ricettazione ai sensi dell' art. 648 del Codice penale italiano (CPI) per aver acquistato da persona non conosciuta, al fine di procacciarsi un indebito profitto, almeno quattro quadri dei pittori Manaresi, Rondini e Benvenuti, compendio di un furto commesso a Livorno agli inizi del mese di luglio 1971. Con nota 11 novembre 1974, fondandosi sulla Convenzione europea di estradizione (la Convenzione) conclusa a Parigi il 13 dicembre 1957, l'Ambasciata d'Italia a Berna ha chiesto l'estradizione di Tani producendo il mandato di cattura e la trascrizione dell'art. 648 CPI sulla ricettazione. Mauro Tani si è opposto all'estradizione e il Dipartimento federale di Giustizia e Polizia ha trasmesso l'incarto al Tribunale federale. Il Tribunale federale ha accolto l'opposizione di Tani. Erwägungen Considerato in diritto: 1. 2.- ... 3. A norma dell'art. 7 cpv. 1 della Convenzione la parte richiesta potrà rifiutare di estradare l'individuo richiesto se l'infrazione per la quale l'estradizione è domandata venne, in tutto o in parte, perpetrata, secondo la sua legislazione, sul suo territorio. Per contro la LEstr., realizzandosi tale condizione, prevede il rifiuto dell'estradizione ( art. 12 LEstr .). a) È vero che, secondo la Convenzione, la parte richiesta fruisce di una grande libertà d'apprezzamento, nel senso che, verificandosi le condizioni dell'art. 7, non ha l'obbligo né di accordare né di rifiutare l'estradizione. La Svizzera ha però dichiarato di rifiutare, verificandosi le condizioni dell'art. 7, l'estradizione per infrazioni commesse sul suo territorio, a meno che, in applicazione dell'art. 2 § 2 della Convenzione, l'estradizione debba essere comunque concessa per altri fatti non sottoposti alla giurisdizione svizzera. BGE 101 Ia 401 S. 403 Il Tribunale federale è pertanto tenuto a rifiutare l'estradizione se la stessa è chiesta a dipendenza di fatti commessi, almeno in parte, su territorio svizzero, salvo che l'estradizione debba essere comunque accordata a dipendenza di altre infrazioni commesse sul territorio dello Stato richiedente; solo in questo caso eccezionale il giudice dell'estradizione dispone di un certo apprezzamento per accordarla o rifiutarla. Tale soluzione è conforme alla tradizione del diritto svizzero in materia: già secondo l'autore dell'avamprogetto della LEstr., il dovere primordiale di punire un'infrazione compete allo Stato sul territorio del quale l'infrazione stessa venne commessa, e lo Stato non può esentarsene facendo capo all'estradizione (cfr. ALPHONSE RIVIER, Motifs à l'appui d'un avant-projet de loi fédérale sur l'extradition, présentés au Département fédéral de justice et police, du 12 octobre 1889, pag. 21; v. anche HANS SCHULTZ, Das schweizerische Auslieferungsrecht, pag. 65; MANFRED BURGSTALLER, Das europäische Auslieferungsübereinkommen und seine Anwendung in Österreich, Vienna 1970, pagg. 32 e 33). Pure la giurisprudenza costante di questo Tribunale federale nega che l'estradizione a uno Stato estero possa essere accordata a dipendenza di infrazioni commesse in territorio elvetico in quanto, ritenuta la competenza dei tribunali svizzeri, non sussiste nessuna ragione perché questi ne siano spossessati a favore di tribunali stranieri (cfr. DTF 43 I 66 segg. e sentenze citate), precisando che la validità del principio non viene sminuita nei casi in cui l'infrazione è commessa parzialmente sul territorio dello Stato richiedente e parzialmente sul territorio svizzero ( DTF 78 I 39 segg. consid. 4b). b) Secondo l' art. 7 CP un crimine o un delitto si reputa commesso tanto nel luogo in cui l'agente lo compie, quanto in quello in cui si verifica l'evento. Nel caso in esame Tani ha dichiarato di aver acquistato il quadro firmato Maranesi nel 1971/72, unitamente ad una trentina di altri di poco valore a un mercato di robivecchi a Milano, di averlo portato a Livorno per trasportarlo in seguito a Neuchâtel nel proprio appartamento; per quanto concerne gli altri quadri, Tani dichiara di averli ricevuti in pegno a Livorno e di averli trasportati poi in Svizzera, dove vennero sequestrati dopo il suo arresto. BGE 101 Ia 401 S. 404 Il reato di ricettazione, secondo la costante e unanime dottrina e giurisprudenza, viene punito in quanto ha l'effetto di far durare, a pregiudizio della vittima del primitivo delitto, lo stato di fatto contrario al diritto, originato da questa primitiva infrazione. Nel caso in esame appare che Tani, pur essendo entrato in possesso in Italia delle tele rubate, ha dissimulato le stesse in Svizzera dove, poco prima del suo arresto, ha nuovamente tentato di sottrarre gli oggetti alle ricerche della polizia facendoli trasportare presso la cognata. Il tentativo è però fallito, in quanto il sequestro delle tele è intervenuto nel suo appartamento il giorno del suo arresto. Consta pertanto che Tani ha commesso in Svizzera almeno uno degli atti costitutivi del reato di ricettazione, per cui la sua estradizione all'Italia deve essere rifiutata in applicazione dell'art. 7 della Convenzione, integrato dalla citata riserva formulata dal Consiglio federale. 4. In data 15 marzo 1974 il Procuratore generale del Cantone di Neuchâtel ha richiesto l'apertura di un'inchiesta penale a carico di Mauro Tani, prevenuto di ricettazione. In data 25 maggio dello stesso anno il giudice istruttore neocastellano ha disposto l'arresto di Mauro Tani con l'imputazione di ricettazione di quadri rubati in Italia. Il giudice istruttore, dopo aver interrogato Tani circa la provenienza dei quadri, ha proseguito la sua inchiesta anche su altre piste. Ne risulta che a carico di Tani è stato aperto un procedimento penale in Svizzera a dipendenza dei fatti per i quali venne chiesta l'estradizione. Secondo l'art. 8 della Convenzione, in simile evenienza l'estradizione può essere rifiutata. Come per l'art. 7, la Svizzera ha però limitato la portata di tale norma, nel senso che essa nega in tal caso l'estradizione, salvo che questa debba comunque esser accordata per altro titolo. L'estradizione deve quindi esser rifiutata anche in applicazione dell'art. 8 della Convenzione, integrato dalla menzionata riserva.
public_law
nan
it
1,975
CH_BGE
CH_BGE_002
CH
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c60c2b70-e557-4e0d-b9e0-4c4e774ff9fe
Urteilskopf 100 Ia 272 38. Auszug aus dem Urteil vom 22. Februar 1974 i.S. Gemeinde Parpan gegen Hosang und Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden.
Regeste Gemeindeautonomie auf dem Gebiete des Gewässerschutzes: Die Gesetzgebung des Bundes lässt nicht Raum für eine Autonomie der Gemeinden bei der Anwendung des in Art. 28 der Allgemeinen Gewässerschutzverordnung des Bundesrates verwendeten Begriffes des "engeren Baugebietes".
Sachverhalt ab Seite 273 BGE 100 Ia 272 S. 273 A.- Die Gemeinde Parpan hat noch kein Baugesetz mit Zonenplan und kein generelles Kanalisationsprojekt; es sind erst Studien hierüber im Gange. Indes besteht im Dorfkern bereits ein öffentliches Kanalisationsnetz. Am 7. Juli 1972 ersuchte Georg Hosang den Gemeindevorstand Parpan um die Bewilligung für den Bau zweier Mehrfamilienhäuser mit insgesamt 15 Wohnungen auf der Parzelle Nr. 126 A im Geissboden. Das Grundstück ist etwa 800 m vom Dorfkern entfernt. Auf dem Geissboden befinden sich ausser einem Bauernhaus schon ein Ferienheim und sieben Ferienhäuser für je eine oder zwei Familien. Für die Ferienhäuser besteht ein gemeinsames privates Kanalisationsnetz mit einer mechanischen Reinigungsanlage, deren Abfluss in einen Bach mündet. Bei der Erstellung dieser Anlage wurde ein Anschluss für höchstens zwei Einfamilienhäuser auf der Parzelle Nr. 126 A einberechnet. In dem von Hosang eingereichten Projekt war der Bau einer gemeinsamen Kläranlage für die beiden geplanten Mehrfamilienhäuser vorgesehen. Nach den Angaben der Gemeinde soll das Gebiet des Geissbodens weder in die Bauzone noch in das generelle Kanalisationsprojekt einbezogen werden. Der Gemeindevorstand lehnte das Baugesuch Hosangs am 25. Oktober 1972 gestützt auf Art. 19 GSchG ab. B.- Auf Rekurs des Gesuchstellers hin hob das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden am 28. Februar 1973 die Verfügung des Gemeindevorstandes auf und wies diesen an, die nachgesuchte Baubewilligung unter den üblichen Auflagen zu erteilen. Es nahm an, massgebend sei Art. 28 der Allgemeinen Gewässerschutzverordnung des Bundesrates (AGSchV). Der Geissboden sei engeres Baugebiet im Sinne dieser Bestimmung, da dort bereits ein Kanalisationsnetz vorhanden sei. C.- Die Gemeinde Parpan ficht das Urteil des kantonalen Verwaltungsgerichtes mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen BGE 100 Ia 272 S. 274 Verletzung der Gemeindeautonomie und des Art. 4 BV an. Es wird geltend gemacht, der in Art. 28 AGSchV verwendete Ausdruck "engeres Baugebiet" sei ein unbestimmter Rechtsbegriff und lasse daher der Bündner Gemeinde, die für die Anwendung der Bestimmung zuständig sei, eine relativ erhebliche Entscheidungsfreiheit. Die Beschwerdeführerin sei deshalb in diesem Bereich autonom. Das kantonale Verwaltungsgericht hätte demzufolge nur einschreiten können, wenn der Gemeindevorstand seine Befugnis überschritten oder missbraucht oder verfassungsmässige Rechte der Bürger verletzt hätte, was nicht der Fall sei. Dagegen habe das kantonale Gericht nicht seine eigene Auslegung des Art. 28 AGSchV durchsetzen dürfen. Zudem sei diese Auslegung willkürlich. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. Erwägungen Aus den Erwägungen: 5. Der Gewässerschutz ist Gegenstand der Gesetzgebung des Bundes. Daraus folgt jedoch nicht notwendigerweise, dass in diesem Bereich kein Raum für eine Autonomie der Gemeinden ist. Allerdings ist die Gemeindeautonomie eine Institution des kantonalen Rechts; sie besteht nur, wenn und soweit dieses sie zulässt. Sie wird nicht auch durch die Bundesverfassung gewährleistet, so dass es dem eidgenössischen Gesetzgeber an sich nicht verwehrt ist, sie in den von ihm geregelten Rechtsgebieten auszuschliessen. Wenn er das tun will, muss er es aber angesichts der grossen staatspolitischen Bedeutung, welche der Institution in der Schweiz von alters her zukommt, im Gesetz klar zum Ausdruck bringen. Würde im Gegenteil angenommen, dass allein schon das Bestehen einer Gesetzgebung des Bundes die Gemeindeautonomie in dem betreffenden Bereich ausschliesse, so könnte diese Institution schliesslich unversehens bedeutungslos werden, da der eidgenössische Gesetzgeber mehr und mehr auf den verschiedensten Gebieten der öffentlichen Verwaltung eingreift. Zudem liefe diese An. nahme auf eine Rückkehr zu der Rechtsprechung hinaus, welche eine Autonomie der Gemeinde nur in deren eigenem und nicht auch in dem ihr übertragenen Wirkungskreis anerkannte, Rechtsprechung, die längst aufgegeben ist ( BGE 93 I 431 E. 3 b; BGE 96 I 152 ). BGE 100 Ia 272 S. 275 Diese Überlegungen führen zum Schluss, dass der Bund die Kantone dann, wenn er ihnen den Vollzug seiner Gesetze überlässt und ihnen dabei in bestimmten Punkten eine relativ erhebliche Entscheidungsfreiheit einräumt, auch ermächtigt, ihrerseits den Gemeinden in diesen Punkten und im Rahmen dieser Entscheidungsfreiheit eine gewisse Autonomie zuzugestehen, sofern er nicht das Gegenteil bestimmt. 6. Der Vollzug des GSchG ist nach Art. 5 Sache der Kantone. Dieses Gesetz schliesst nicht aus, dass die Kantone Aufgaben, die es ihnen überlässt, an die Gemeinden delegieren. Eine gewisse Autonomie der Gemeinden bei der Anwendung des GSchG ist somit denkbar, wenn sie sich aus dem kantonalen Recht ergibt, aber nur in den Punkten, in denen das Bundesrecht den Kantonen selber eine relativ erhebliche Entscheidungsfreiheit einräumt; denn die Kantone können den Gemeinden nicht mehr Autonomie delegieren, als sie selbst besitzen. Die im vorliegenden Fall anwendbaren bundesrechtlichen Vorschriften - Art. 19 GSchG und Art. 28 AGSchV - untersagen unter bestimmten Voraussetzungen die Erteilung einer Baubewilligung. Dieses Verbot ist zwingend und lässt daher keinen Raum für die relativ erhebliche Entscheidungsfreiheit, die das Kennzeichen der Gemeindeautonomie ist. Daran ändert es nichts, dass der in Art. 28 AGSchV verwendete Begriff des "engeren Baugebietes", der hier just umstritten ist, ein unbestimmter Rechtsbegriff ist. Die Beschwerdeführerin beruft sich vergeblich auf BGE 96 I 372 -374 und 725/726. Im erstgenannten Urteil hat das Bundesgericht freilich anerkannt, dass eine Gemeinde bei der Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffes autonom sein kann; aber der Entscheid betrifft den Fall, wo der unbestimmte Begriff dem autonomen Recht der Gemeinde angehört, und im zweiten der beiden Urteile wie auch später (BGE 99 I/a 253) hat das Gericht erklärt, dass selbst in diesem Fall die Gemeinde bei der Rechtsanwendung nur autonom ist, soweit der Umfang der Überprüfungsbefugnis, die der kantonalen Rekursinstanz nach dem Gesetz zusteht, dafür Raum lässt. Enthält ein kantonales Gesetz, das in erster Instanz von der Gemeindebehörde anzuwenden ist, einen unbestimmten Rechtsbegriff, so genügt dies nicht für die Annahme, dass die Gemeinde bei der Anwendung dieses Begriffes autonom sei (Urteil vom 28. Juni BGE 100 Ia 272 S. 276 1972 i.S. Gemeinde Meisterschwanden, nicht publiziert). Gleich verhält es sich erst recht dann, wenn ein solcher Begriff in einem Gesetz des Bundes vorkommt; denn andernfalls wäre die einheitliche Anwendung dieses Gesetzes in Frage gestellt. Der Einwand, dass in Graubünden die Baupolizei von jeher Sache der Gemeinden sei, hilft der Beschwerdeführerin nicht; damit ist gegen die Feststellung, dass der eidgenössische Gesetzgeber in Art. 19 GSchG und Art. 28 AGSchV zwingende Vorschriften aufgestellt hat, nicht aufzukommen. Damit in einem Falle, wie er hier vorliegt, von Autonomie gesprochen werden könnte, müsste die Bundesgesetzgebung im Zusammenhang mit dem unbestimmten Rechtsbegriff eine Bestimmung enthalten, die klar erkennen liesse, dass der Gesetzgeber den Kantonen, und eventuell den Gemeinden, eine relativ erhebliche Entscheidungsfreiheit habe einräumen wollen. Eine solche Anordnung findet sich aber hinsichtlich des unbestimmten Begriffs, der hier in Frage steht, weder in Art. 19 GSchG noch in Art. 28 AGSchV . Anders wäre es etwa dann, wenn in Art. 28 AGSchV von den Zonen, welche der Kanton oder die Gemeinde als engeres Baugebiet betrachtet, die Rede wäre. Ausserdem ist zu beachten, dass nach Art. 10 GSchG die Beschwerdeinstanz des Bundes auch die Angemessenheit der in Anwendung der eidgenössischen Gesetzgebung über den Gewässerschutz ergehenden Verfügungen überprüfen kann. Diese Ordnung schliesst für den vorliegenden Fall vollends jede Möglichkeit einer Gemeindeautonomie aus. Wenn auch das Bundesgericht Verfügungen kantonaler Instanzen insoweit, als die Anwendung des Bundesrechts von der Würdigung örtlicher Verhältnisse abhängt, nur mit einer gewissen Zurückhaltung überprüfen wird, so bedeutet das keineswegs, dass eine Autonomie der Gemeinde besteht. Hat demnach die Gemeinde Parpan im vorliegenden Fall nicht auf Grund einer autonomen Entscheidungsbefugnis gehandelt, so erweist sich ihre staatsrechtliche Beschwerde ohne weiteres als unbegründet.
public_law
nan
de
1,974
CH_BGE
CH_BGE_002
CH
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c60ed74b-8187-4527-a6d4-90fedc8aa5db
Urteilskopf 139 V 106 15. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. IV-Stelle Zug gegen A. (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) 9C_454/2012 vom 18. März 2013
Regeste Art. 25 Abs. 2 erster Satz ATSG; Auslösung der Verwirkungsfrist. Bei der Rückforderung zu Unrecht bezogener Invalidenrenten genügt es für die Auslösung der einjährigen Verwirkungsfrist, wenn sich die Unrechtmässigkeit der Leistungserbringung aus den bei der IV-Stelle vorhandenen Akten ergibt und sich gleichzeitig die rückerstattungspflichtigen Personen und die entsprechenden Rückerstattungsbeträge anhand der bei der zuständigen Ausgleichskasse geführten Rentendaten unmittelbar eruieren lassen. Der mit dem blossen Datenaustausch zwischen IV-Stelle und Ausgleichskasse verbundene (geringfügige) zeitliche Aufwand führt grundsätzlich nicht zu einem Aufschub des Fristbeginns (E. 7.2).
Erwägungen ab Seite 107 BGE 139 V 106 S. 107 Aus den Erwägungen: 7. 7.2 Die IV-Stelle wendet weiter ein, auch die Abklärungen der zuständigen Ausgleichskasse (hier die Ausgleichskasse des Kantons St. Gallen) würden eine gewisse Zeit beanspruchen, müsse doch in Erfahrung gebracht werden, "wem Leistungen ausbezahlt worden" seien "und in welchem Umfang". 7.2.1 Im Zusammenhang mit der Zusprechung von Invalidenrenten sind die Aufgaben nach dem Gesetz zwischen IV-Stellen und Ausgleichskassen aufgeteilt: Die IV-Stellen klären die versicherungsmässigen Voraussetzungen ab, bemessen die Invalidität und verfügen über die Leistungen der Invalidenversicherung (Art. 57 Abs. 1 lit. c, f und g IVG). Die Ausgleichskassen wirken bei der Abklärung der versicherungsmässigen Voraussetzungen mit, berechnen die Renten und zahlen diese aus (Art. 60 Abs. 1 lit. a, b und c IVG). Ist für die Leistungsfestsetzung (oder die Rückforderung) das Zusammenwirken mehrerer mit der Durchführung der Versicherung betrauter Behörden notwendig, genügt es für den Beginn des Fristenlaufs, dass die nach der Rechtsprechung erforderliche Kenntnis wenigstens bei einer der zuständigen Verwaltungsstellen vorhanden ist ( BGE 139 V 6 E. 4.1 S. 8; BGE 119 V 431 E. 3a S. 433; BGE 112 V 180 E. 4c S. 182; ZAK 1989 S. 558, H 212/88 E. 4b in fine; Urteile 9C_534/2009 vom 4. Februar 2010 E. 3.2.2 und 9C_1057/2008 vom 4. Mai 2009 E. 4.1.2). 7.2.2 Von eigentlichen "Abklärungen", wie sie die beschwerdeführende IV-Stelle Zug geltend macht, kann im Rückerstattungsfall in aller Regel keine Rede sein: Die rentenauszahlende Ausgleichskasse hat aus den bei ihr geführten Rentendaten lediglich die unrechtmässig ausgerichteten Rentenbeträge abzurufen, die auf die jeweiligen Auszahlungsadressaten entfallen. Mit Blick auf die hievor zitierte Rechtsprechung muss deshalb bei der Rückforderung zu Unrecht bezogener Invalidenrenten für die Auslösung der einjährigen Verwirkungsfrist genügen, wenn sich die Unrechtmässigkeit der Leistungserbringung aus den bei der IV-Stelle vorhandenen Akten ergibt (nicht publ. E. 4 in fine) und sich gleichzeitig die rückerstattungspflichtigen Personen und die entsprechenden Rückerstattungsbeträge anhand der bei der zuständigen Ausgleichskasse geführten Rentendaten unmittelbar eruieren lassen. Der mit dem blossen Datenaustausch zwischen IV-Stelle und Ausgleichskasse verbundene (geringfügige) zeitliche Aufwand führt demnach nicht zu einem Aufschub BGE 139 V 106 S. 108 des Fristbeginns. Diese Lösung drängt sich schon deshalb auf, weil die IV-Stellen oftmals im gleichen Gebäude untergebracht sind wie die kantonalen Ausgleichskassen. Es liegt auf der Hand, dass diesfalls der Austausch zwischen den beiden involvierten Behörden rascher vonstatten geht, wenn sich die IV-Stelle an die Ausgleichskasse ihres eigenen Kantons als rentenauszahlende Kasse wenden kann, als wenn sie an die Ausgleichskasse eines andern Kantons (wie hier) oder an eine Verbandsausgleichskasse gelangen muss. Derartige rein zufallsbedingte Unterschiede bei der gemeinsamen Bearbeitung von Rückerstattungsfällen sollten sich auf die Frage nach dem Zeitpunkt der Fristauslösung nicht auswirken, was mit der dargelegten Ausserachtlassung von reinem Koordinationsaufwand gewährleistet wird. Eine andere Betrachtungsweise ist nach dem Gesagten nur in jenen Ausnahmefällen einzunehmen, in denen die zuständige Ausgleichskasse tatsächlich ergänzende Abklärungsmassnahmen ergreifen muss. Etwa weil aufgrund der gegebenen Aktenlage nicht klar ist, ob es sich bei einem Auszahlungsadressaten um einen tatsächlich Rückerstattungspflichtigen oder aber um eine blosse Inkassostelle handelt, von welcher die zu Unrecht ausbezahlten Rentenbetreffnisse nicht zurückgefordert werden können ( BGE 118 V 214 E. 4 S. 221).
null
nan
de
2,013
CH_BGE
CH_BGE_007
CH
Federation
c61e2ef6-f206-4599-82b5-99063734f521
Urteilskopf 88 IV 133 34. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofcs vom 1. November 1962 i.S. Stöekli gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern.
Regeste 1. Art. 40 ff. TSG , Art. 269 ff. VOTSG, Art. 9 RTubG, Art. 8 BRB vom 23. Dezember 1953/9. November 1956 über die Bekämpfung des Rinderabortus Bang. Verhältnis der Strafbestimmungen der Tierseuchengesetzgebung zu den gemeinrechtlichen Strafnormen. Verfehlungen eines Kantonstierarztes, die keine seuchenpolizeilichen Tatbestände betreffen, sondern bloss im Zusammenhang mit Massnahmen zur Bekämpfung von Tierseuchen begangen wurden, sind, sofern sie Tatbestände des StBG erfüllen, nach den Bestimmungen dieses Gesetzes zu ahnden (Erw. 1-3). 2. Art. 159 StGB . Dem Beamten, dem kraft seiner Stellung die ausschliessliche Befugnis zusteht, über Gelder einer öffentlichen Kasse zu verfügen, ist jedenfalls dann, wenn es sich hiebei nicht um bloss unbedeutende Werte handelt, die Geschäftsführung über Vermögen im Sinne dieser Bestimmung übertragen (Erw. 4).
Sachverhalt ab Seite 134 BGE 88 IV 133 S. 134 Aus dem Tatbestand: A.- 1. Dr med. vet. Stöckli war von 1952 bis 1958 Kantonstierarzt von Luzern. In dieser Eigenschaft oblag ihm unter anderem die Leitung der kantonalen Tierseuchenpolizei und insbesondere der Verfahren zur Ausmerzung der Rindertuberkulose und des Rinderabortus Bang. Diese Verfahren umfassten die Untersuchung der Viehbestände, die Schätzung der dabei festgestellten kranken Tiere und die Schlachtung bzw. Einstellung der Reagenten in nicht sanierten Beständen. An die Ausmerzverfahren schloss sich jeweils das Entschädigungsverfahren BGE 88 IV 133 S. 135 an, das für alle zur Schlachtung gebrachten oder als Nutzreagenten ausgeschiedenen Tiere einheitlich geordnet war. Den Eigentümern solcher Tiere wurde eine Entschädigungssumme ausgerichtet, die sich aus dem Verwertungserlös sowie aus dem Bundes- und dem Kantonsbeitrag zusammensetzte. Der Einfachheit halber zahlte die Genossenschaft für Schlachtviehverwertung (GSV), die sich gegenüber dem Kanton Luzern vertraglich zur Übernahme aller Schlachtreagenten verpflichtet hatte, dem Tiereigentümer gestützt auf das sog. Abrechnungsverbal die Entschädigungssumme direkt aus und bezog ihrerseits von der Viehentschädigungskasse bzw. der Staatskasse auf Grund einer Zahlungsanweisung des Kantonstierarztes den Kantons- und Bundesbeitrag. Bei mangelhafter Anwendung der Vorschriften über die Tierseuchenpolizei und bei schweren Verstössen gegen diese Bestimmungen waren die Bundesbeiträge von Bundesrechts wegen zu kürzen oder überhaupt zu streichen (Art. 25 Abs. 2 des BG vom 13. Juni 1917 betreffend die Bekämpfung von Tierseuchen [TSG], Art. 27 der Vollziehungsverordnung vom 22. Dezember 1950 zum BG über die Bekämpfung der Rindertuberkulose [RTubG], Art. 7 des BRB vom 23. Dezember 1953/9. November 1956 über die Bekämpfung des Rinderabortus Bang, Art. 19 der Verfügung des Eidg. Volkswirtschaftsdepartementes [EVD] vom 10. April 1951 über die Bekämpfung der Rindertuberkulose). Die Voraussetzungen für die Streichung der Beiträge wurden von den Bundesbehörden insbesondere bei verspäteter Schlachtung der Tiere, mangelnder oder verspäteter Ablieferung der Sektionsbefunde, Fehlen der Banguntersuchungsbefunde und bei Nichtführung der Kontrolle über die Nutzreagenten für gegeben erachtet. In Anlehnung an entsprechende kantonale Vorschriften hatte sich die GSV zusammen mit dem Schweiz. Schlachtviehproduzentenverband (SPV) gegenüber dem Kanton Luzern am 9. Juli 1954 vertraglich verpflichtet, unter Vorbehalt höherer Gewalt, für den Ausfall von Entschädigungen BGE 88 IV 133 S. 136 aufzukommen, der wegen nicht termingemässer Schlachtung von Reagenten oder nicht fristgerechter Ablieferung von Sektionsbefunden entstehen könnte. Anderseits hatte der Kantonstierarzt fehlende Sektionsbefunde der Fleischschauer acht Tage nach dem vorgeschriebenen Schlachtungstermin der GSV zu melden, damit diese den Einzug der fehlenden Befunde innert Frist besorgen konnte. 2. Im Zusammenhang mit den genannten Ausmerzaktionen liess sich Stöckli, von dessen Entscheid jeweils die Ausrichtung der Bundes- und Kantonsbeiträge abhing, eine Reihe von Unregelmässigkeiten zuschulden kommen. So unterliess er es, ein Verzeichnis über die in seinem Gebiete befindlichen Reagenten zu führen, nicht innert Frist eingegangene Sektionsbefunde der GSV zu melden, bei verspäteter Schlachtung die Auszahlung von Ausmerzbeiträgen zu verhindern, schon bezahlte Beiträge zurückzufordern und allenfalls die GSV haftbar zu machen, für die Vollständigkeit wichtiger Belege, bei deren Fehlen die öffentlichen Beiträge gekürzt oder gestrichen werden konnten, besorgt zu sein und bei Differenzen zwischen Sektionsbefunden und Abrechnungsverbalen, namentlich hinsichtlich der Trächtigkeit der Tiere, Nachforschungen anzustellen und ungerechtfertigte Auszahlungen von Subventionen zu verhindern oder zurückzufordern. Überdies fälschte er in grosser Zahl verschiedene Belege, indem er das Signum des mit der Korrektur von Abrechnungsverbalen betrauten Experten selber hinsetzte, mit diesem Schriftzeichen Rasuren oder Korrekturen des Experten verdeckte, um Abrechnungsverbale mit den abweichenden Sektionsbefunden in Übereinstimmung zu bringen, eine Revision der Schatzungen zu vermeiden und damit zu verschleiern, dass zu hohe Entschädigungssummen ausbezahlt worden waren. Schliesslich brachte er in Fällen verspäteter Schlachtung oder verspäteter Einreichung von Belegen auf den entsprechenden Formularen Eingangsstempel mit falschen Daten an. BGE 88 IV 133 S. 137 B.- Am 17. Juli 1962 verurteilte das Obergericht des Kantons Luzern Stöckli wegen fortgesetzter ungetreuer Geschäftsführung ( Art. 159 Abs. 1 StGB ), fortgesetzter Urkundenfälschung ( Art. 317 Abs. 1 StGB ) und fortgesetzter Widerhandlung gegen Art. 15 der Verfügung des EVD vom 10. April 1951/30. Dezember 1955 über die Bekämpfung der Rindertuberkulose zu zwei Jahren Gefängnis. Ferner entsetzte es ihn des Amtes, erklärte ihn auf fünf Jahre als nicht wählbar zu einem Amte ( Art. 51 StGB ) und überband ihm die Verfahrenskosten. C.- Stöckli ficht dieses Urteil mit der Nichtigkeitsbeschwerde an. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: 1. Der Beschwerdeführer macht zunächst geltend, seine allfälligen Verfehlungen wären einzig nach den Strafbestimmungen der Spezialgesetzgebung über die Tierseuchenbekämpfung und nicht nach dem gemeinen Strafrecht zu beurteilen gewesen. Das StGB finde nur Anwendung, soweit andere Bundesgesetze nicht selbst Strafnormen aufstellten. Der der allgemeinen Doktrin und der Praxis entsprechende Grundsatz, wonach die lex specialis der lex generalis vorgehe, müsse insbesondere dann gelten, wenn die Sonderregelung milder sei als die gemeinrechtliche Ordnung. Dieser Auffassung kann in solch allgemeiner Form nicht beigepflichtet werden. Das Bundesgericht hat die Frage nach dem Verhältnis von Sonderbestimmungen zu gemeinrechtlichen Strafnormen nie allgemein, sondern stets nur für den Einzelfall entschieden, indem es jeweils prüfte, ob die betreffende Spezialbestimmung das strafbare Verhalten hinsichtlich aller seiner Merkmale erfasse und die Tat in vollem Umfang abgelte. Traf dies zu, dann wurde nach dem Grundsatz "lex specialis derogat legi generali" verfahren und ausschliesslich die besondere Norm angewendet (s. BGE 82 IV 136 , BGE 83 IV 127 , BGE 85 IV 176 ). Dagegen wurde jeweils BGE 88 IV 133 S. 138 Idealkonkurrenz angenommen, wenn sich der besondere Tatbestand mit demjenigen des StGB nicht deckte, für die gleichzeitige Anwendung beider Bestimmungen Raum blieb und der Kumulation nicht eine besondere Kollisionsnorm des Spezialgesetzes entgegenstand ( BGE 72 IV 16 ; BGE 78 IV 92 ; BGE 80 IV 39 ; BGE 81 IV 112 , 161, 246; BGE 83 IV 139 ; BGE 86 IV 92 ; BGE 87 IV 97 , in welchem Falle auf Grund einer besonderen Kollisionsnorm des Nebenstrafgesetzes ausschliesslich gemeines Strafrecht angewendet wurde). Daraus aber erhellt, dass jedenfalls nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes, von der abzugehen kein Anlass besteht, nicht die Rede davon sein kann, dass immer dann, wenn ein Spezialgesetz Strafbestimmungen aufstellt, die Anwendung gemeinrechtlicher Strafnormen von vorneherein ausgeschlossen sei. Vielmehr ist, wie dargetan, im Einzelfalle zu prüfen, wie es sich damit verhält. 2. Im vorliegenden Falle ist das Obergericht nach eingehender Prüfung der Rechtsfrage zum Ergebnis gelangt, dass abgesehen von den Widerhandlungen gegen Art. 15 der Verfügung des EVD vom 10. April 1951 keine der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Verfehlungen von der einschlägigen Spezialgesetzgebung erfasst werde und dass die nach Art. 159 und 317 StGB geahndeten Handlungen nach der Tierseuchengesetzgebung überhaupt nicht strafbar seien. Tatsächlich finden sich in den zahlreichen Erlassen zur Tierseuchenpolizei - mit der oben erwähnten Ausnahme - keine mit Strafsanktionen verbundenen Bestimmungen, die sich mit den Pflichten des Kantonstierarztes und den Massnahmen befassen, die dieser vorzukehren hat, um die ungerechtfertigte Auszahlung von Subventionen zu verhindern, und auch der Beschwerdeführer ist nicht in der Lage, solche Sondervorschriften namhaft zu machen. Die Voristanz hat daher mit Recht angenommen, dass im Verhalten Stöcklis, soweit es von ihr dem gemeinen Strafrecht unterstellt wurde, kein Verstoss gegen ein bestimmtes Gebot oder Verbot der Sondergesetzgebung liege. BGE 88 IV 133 S. 139 3. Der Beschwerdeführer hält das für belanglos, weil die Tierseuchenpolizei in der Sondergesetzgebung eine umfassende und erschöpfende Regelung erfahren habe, so dass die ihm vorgeworfenen Verfehlungen, die mit seiner Tätigkeit als Kantonstierarzt be i der Bekämpfung der Tierseuchen zusammenhingen, wenn überhaupt, so nur nach den Strafbestimmungen der Art. 40 ff. TSG , Art. 9 RTubG und Art. 8 des BRB über die Bekämpfung des Rinderabortus Bang geahndet werden könnten. Richtig ist, dass der Gesetzgeber die Tierseuchenpolizei durch verschiedene Spezialerlasse umfassend geordnet und insbesondere eingehende Vorschriften über die Bekämpfung bereits vorhandener Seuchenherde, die Verhinderung ihrer Ausbreitung und die Einschleppung neuer Seuchen aufgestellt hat. Damit ist jedoch nicht gesagt, dass diese Ordnung auch strafrechtlich in dem Sinne eine abschliessende Regelung gefunden habe, dass für die Anwendung des StGB auf Handlungen, die keine seuchenpolizeilichen Tatbestände betreffen, sondern bloss im Zusammenhang mit Massnahmen zur Bekämpfung von Tierseuchen begangen wurden, nicht Raum bliebe. Ein Blick auf die Strafbestimmungen des Tierseuchengesetzes (Art. 40-46) und der Vollziehungsverordnung (Art. 269-271), auf die sich die übrigen Erlasse, insbesondere das Bundesgesetz über die Bekämpfung der Rindertuberkulose (Art. 9) und der Bundesratsbeschluss über die Bekämpfung des Rinderabortus Bang (Art. 8) berufen, zeigt, dass die Missachtung nur ganz bestimmter, artikelweise genannter Gebote oder Verbote unter Strafe gestellt wurde, die ihrerseits ausschliesslich seuchenpolizeilicher Natur sind und der praktischen Bekämpfung von Tierseuchen dienen sollen. Vorschriften über die Beitragsleistung von Bund und Kantonen an die Kosten der Seuchenbekämpfung ( Art. 21-28 TSG , Art. 262-268 der Vollziehungsverordnung) oder Bestimmungen über den Aufgaben- und Pflichtenkreis der Kantonstierärzte (Art. 22-27 der Vollziehungsverordnung zum TSG) sind denn auch nirgends unter den mit Strafsanktionen BGE 88 IV 133 S. 140 ausgestatteten Artikeln zu finden. Diese gesetzliche Ordnung lässt erkennen, dass der Gesetzgeber lediglich die im einzelnen aufgeführten, der eigentlichen Bekämpfung von Tierseuchen (Verhinderung der Ausbreitung und Verschleppung) dienenden Anordnungen, deren Missachtung eine Gefahr für gesunde Viehbestände bedeutete, mit Strafsanktionen ausstatten wollte. Dass damit gleichzeitig die Anwendung des gemeinen Strafrechtes auf andere, in den Spezialerlassen nicht geregelte Straftatbestände für den Fall habe ausgeschlossen werden wollen, dass diese im Zusammenhang mit Massnahmen der Tierseuchenbekämpfung gesetzt werden, ist nicht anzunehmen; dies umso weniger, als auch die Materialien zur Tierseuchengesetzgebung die Tendenz erkennen lassen, einzig diejenigen Widerhandlungen, durch welche die Bekämpfung der Tierseuchen in ihrem Erfolg unmittelbar gefährdet oder beeinträchtigt würde, unter Strafe zu stellen, und von einer weitergehenden Regelung oder einem Ausschluss des gemeinen Strafrechtes weder in den Botschaften des Bundesrates noch in den parlamentarischen Beratungen je die Rede war (s. die bundesrätlichen Botschaften zum TSG und RTubG in BBl 1915 I S. 353 und 1949 II S. 568, sowie die Beratungen des NatR in StenBull 1916 S. 220/2 und 1949 S. 872 und des StR in StenBull 1916 S. 212 und 1950 S. 43). Soweit daher die dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Verfehlungen keinen der in der Tierseuchengesetzgebung umschriebenen Straftatbestände erfüllen, stellt sich die Frage einer Konkurrenz mit dem StGB überhaupt nicht und es steht somit der Anwendung des gemeinen Strafrechtes ( Art. 159 und 317 StGB ) nichts entgegen, mögen die betreffenden Handlungen von Stöckli auch in seiner Eigenschaft als Kantonstierarzt und bei Durchführung tierseuchenpolizeilicher Massnahmen begangen worden sein. 4. Der Beschwerdeführer ficht seine Verurteilung nach Art. 159 StGB weiter mit der Begründung an, er sei nicht BGE 88 IV 133 S. 141 Geschäftsführer des Staates gewesen, da ihm keine Verfügung über Staatsvermögen anvertraut worden sei und er für solches Vermögen auch nicht tatsächlich zu sorgen gehabt habe. Wie die Vorinstanz zum objektiven Tatbestand feststellt, oblag dem Beschwerdeführer im Rahmen der ihm vom Tierseuchengesetz übertragenen Amtspflichten die umfassende Leitung der Bekämpfung der Rindertuberkulose und des Rinderabortus Bang, sowie die Fürsorge für die Gelder der Viehentschädigungskasse, aus der die staatlichen Beiträge an die Ausmerzaktionen geleistet wurden. Stöckli nahm bei der Gewährung dieser Subventionen die Schlüsselstellung ein, indem er allein befugt war, nach den gesetzlichen Bestimmungen Auszahlungen aus der genannten Kasse zu verfügen. Die Ausrichtung der Subventionen hing von ihm ab, und er erteilte denn auch der Viehentschädigungskasse bzw. dem Personal der Staatskasse, die den betreffenden Fonds verwaltete, gestützt auf die Rückvergütungsansprüche der GSV die Zahlungsanweisungen, worauf die Kantons- und Bundesbeiträge ohne weiteres ausgerichtet wurden. Eine Prüfung der Rechtmässigkeit der genannten Anweisungen war dem Kassenpersonal weder überbunden noch möglich. Nach diesen für den Kassationshof verbindlichen tatsächlichen Annahmen unterliegt keinem Zweifel, dass Stöckli den Tatbestand des Art. 159 StGB - die Unterstellung der eingeklagten Verfehlungen unter Art. 314 StGB wurde vom Obergericht mit zutreffenden Gründen verneint ( BGE 81 IV 228 ) - objektiv erfüllt hat. Denn wem, wie dem Beschwerdeführer, kraft seiner hohen amtlichen Stellung die ausschliessliche Befugnis zusteht, über Gelder einer bestimmten öffentlichen Kasse zu verfügen, dem ist jedenfalls dann, wenn es sich hiebei nicht um bloss unbedeutende Werte handelt, die Geschäftsführung über Vermögen im Sinne von Art. 159 StGB übertragen, unbekümmert darum, ob er die betreffende Kasse persönlich führt oder durch andere Beamte führen lässt und ob er für den BGE 88 IV 133 S. 142 Staat Rechtsgeschäfte tätigt oder nicht. Nach Art. 159 StGB genügt, dass der Entscheid über die Verwendung der betreffenden Gelder ihm zusteht und dass er auf Grund seiner amtlichen Stellung mindestens zur tatsächlichen Fürsorge für den durch die betreffende Kasse vertretenen Teil des Staatsvermögens verpflichtet ist ( BGE 81 IV 276 , BGE 86 IV 12 ), was beim Beschwerdeführer festgestelltermassen zutraf. Dadurch, dass Stöckli Subventionen, die nach den gesetzlichen Bestimmungen nicht oder nicht in der festgesetzten Höhe hätten ausbezahlt werden dürfen, zur Zahlung anwies und zu Unrecht bezogene staatliche Beiträge nicht zurückforderte, hat er demnach jene ihm von Amtes wegen obgelegene Fürsorgepflicht verletzt und den Staat am Vermögen geschädigt.
null
nan
de
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CH
Federation
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Urteilskopf 113 Ia 412 62. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 18. März 1987 i.S. X., Y. und Z. gegen Kanton Bern (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste Schaffung eines Wirtschaftsstrafgerichts gemäss Abänderungsgesetz des Kantons Bern vom 10. September 1985. Durch die Errichtung dieses auf verfassungsmässiger Grundlage beruhenden Wirtschaftsstrafgerichts wird weder der Grundsatz der Öffentlichkeit (E. 2) noch derjenige der Unmittelbarkeit (E. 3) verletzt; ebensowenig liegt eine Verletzung von Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK vor (E. 3c). Ferner verstösst seine Schaffung auch nicht gegen Art. 58 Abs. 1 BV oder gegen das Rechtsgleichheitsgebot (E. 5). Schliesslich ist ebenfalls die in den Übergangsbestimmungen gemäss Abänderungsgesetz enthaltene Rückwirkungsregelung nicht verfassungswidrig (E. 6).
Sachverhalt ab Seite 412 BGE 113 Ia 412 S. 412 Der Grosse Rat des Kantons Bern verabschiedete am 10. September 1985 das Gesetz betreffend die Änderung des Gesetzes über die Organisation der Gerichtsbehörden, des Gesetzes über das Strafverfahren des Kantons Bern, des Gesetzes betreffend die BGE 113 Ia 412 S. 413 Einführung des schweizerischen Strafgesetzbuches und des Gesetzes über das Dienstverhältnis der Behördemitglieder und des Personals der bernischen Staatsverwaltung. Nachdem die Referendumsfrist unbenutzt abgelaufen war, wurde das Abänderungsgesetz mit Beschluss des Regierungsrates des Kantons Bern vom 11. Februar 1986 auf diesen Tag hin in Kraft gesetzt. Die Publikation der Inkraftsetzung erfolgte im Amtsblatt des Kantons Bern vom 15. Februar 1986. Das Abänderungsgesetz enthielt u.a. folgende Bestimmungen: "I. Gesetz über die Organisation der Gerichtsbehörden (GOG [neue Fassung vom 10. September 1985 nachfolgend mit nGOG bezeichnet]): Art. 9a: Eine der beiden Kriminalkammern bildet das Wirtschaftsstrafgericht des Kantons. II. Gesetz über das Strafverfahren des Kantons Bern (StrV [neue Fassung vom 10. September 1985 nachfolgend mit nStrV bezeichnet]): Art. 29 Das Geschworenengericht beurteilt die mit Zuchthaus von mehr als fünf Jahren bedrohten Verbrechen. Vorbehalten bleiben die Artikel 208, 208a und 208b. Art. 208 2 Handelt es sich um politische Verbrechen oder Vergehen oder um in der Presse begangene Ehrverletzungen, die öffentliche Interessen berühren, so sind die Überweisungsbehörden auch befugt, an ein Gericht mit anderer, insbesondere höherer sachlicher Zuständigkeit zu überweisen, wenn besondere Gründe dafür sprechen. Ebenso können unter den in Artikel 208b genannten Voraussetzungen Straffälle in der Zuständigkeit des Amtsgerichts an das Wirtschaftsstrafgericht überwiesen werden. Art. 208b (neu) Ein Fall soll an das Wirtschaftsstrafgericht überwiesen werden, wenn zur Hauptsache strafbare Handlungen gegen das Vermögen oder Urkundenfälschungen in Frage stehen und deren Beurteilung besondere wirtschaftliche Kenntnisse oder die Würdigung einer grossen Zahl schriftlicher Beweismittel voraussetzt; die in Artikel 208a genannten Erfordernisse müssen nicht vorliegen. Art. 296 1 Die Kriminalkammer und das Wirtschaftsstrafgericht befolgen bei der Behandlung der ihnen überwiesenen Fülle die Vorschriften über das Hauptverfahren vor dem Amtsgericht und dem Einzelrichter. Anstelle von Artikel 235 ist Artikel 285 anwendbar. 2 Zu berücksichtigen sind die folgenden, besonderen Bestimmungen: 1. Die Akten zirkulieren vor der Hauptverhandlung bei allen Mitgliedern des Gerichts. 2. Hatte der Angeschuldigte oder sein Verteidiger schon in der Voruntersuchung Gelegenheit, einem Zeugen oder Sachverständigen Fragen zu stellen, steht es im Ermessen des Gerichtes, diese Personen zur Hauptverhandlung vorzuladen und abzuhören. ... Art. 398 Dieses Gesetz und dessen spätere Änderungen treten auf den vom Regierungsrat festzusetzenden Zeitpunkt in Kraft mit folgenden BGE 113 Ia 412 S. 414 Einschränkungen: 1. Strafprozesse, welche in diesem Zeitpunkte in das Rechtsmittelverfahren eingetreten und in denen die Vorladungen zur Verhandlung ergangen sind, werden nach altem Recht zu Ende geführt; doch gilt betreffend Beweiswürdigung, Wiederaufnahme des Verfahrens, Vollstreckung und Begnadigung das neue Recht, ebenso, wenn die Sache zu neuer Verhandlung an die erste Instanz zurückgewiesen wird. 2. Strafprozesse, welche in diesem Zeitpunkte in das Hauptverfahren eingetreten und in denen die Vorladungen zur Hauptverhandlung ergangen sind, werden nach altem Recht in der betreffenden Instanz zu Ende geführt; doch gilt das neue Recht betreffend Beweiswürdigung, Rechtsmittel, Vollstreckung und Begnadigung, ebenso, wenn die Sache zu neuer Verhandlung an die erste Instanz zurückgewiesen wird. 3. Unverändert." Am 25. Februar 1986 erhoben X., Y. und Z., die alle im Kanton Bern wohnhaft sind, staatsrechtliche Beschwerde gegen dieses Abänderungsgesetz wegen Verletzung des Öffentlichkeits- und Unmittelbarkeitsprinzips (Art. 50 der bernischen Kantonsverfassung [KV]; Art. 211, 230, 244, 249, 289 und 295 Abs. 1 StrV; Art. 58 Abs. 1 und Art. 4 BV ; Art. 6 Ziff. 1 EMRK ), wegen Verletzung der Garantie des Geschworenengerichtes (Art. 61 KV), wegen fehlender Verfassungsgrundlage für das Wirtschaftsstrafgericht(Art. 49 KV), wegen Verletzung des Rechts auf den verfassungsmässigen Richter und des Verbots von Ausnahmegerichten (Art. 49 KV; Art. 58 Abs. 1 und Art. 4 BV ; Art. 6 Ziff. 1 EMRK ), wegen willkürlicher Zuweisungsregelung (Art. 208b nStrV ; 58 Abs. 1 und Art. 4 BV ) sowie wegen willkürlicher Übergangsbestimmungen (Art. 398 nStrV; Art. 58 Abs. 1 und Art. 4 BV ). Sie stellen den Antrag, Art. 9a nGOG sowie Art. 29 Satz 2, Art. 208 Abs. 2 Satz 2, Art. 296 Abs. 2 Ziff. 1 und 2 und Art. 398 Ziff. 1 und 2 nStrV seien aufzuheben. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit auf sie eingetreten werden kann. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Hatte der Angeschuldigte oder sein Verteidiger schon in der Voruntersuchung Gelegenheit, einem Zeugen oder Sachverständigen Fragen zu stellen, so steht es gemäss Art. 296 Abs. 2 Ziff. 2 nStrV im Ermessen des Gerichtes, diese Personen zur Hauptverhandlung vorzuladen und abzuhören. Die Beschwerdeführer machen geltend, diese Bestimmung verletze das Öffentlichkeitsprinzip, welches sie in Art. 50 KV, in der Bundesverfassung BGE 113 Ia 412 S. 415 (als ungeschriebenes Verfassungsrecht, evtl. in Art. 58 Abs. 1 oder in Art. 4 BV ) und in Art. 6 Ziff. 1 EMRK gewährleistet sehen. a) Nach Art. 50 KV gilt für die Verhandlungen vor den Gerichten als Regel der Grundsatz der Öffentlichkeit und der Mündlichkeit, wobei die Gesetzgebung Ausnahmen gestatten kann. Der Gewährleistung verfassungsmässiger Rechte der Kantone kommt allerdings nur dort selbständige Bedeutung zu, wo ihr Schutzgehalt über den der verfassungsmässigen Rechte der Bundesverfassung oder der Europäischen Menschenrechtskonvention hinausgeht ( BGE 112 Ia 126 E. 3a, 103 Ia 171, BGE 99 Ia 266 E. II, je mit Hinweisen; s. auch WALTER KÄLIN, Das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde, Bern 1984, S. 78). Ob der Grundsatz der Öffentlichkeit der Strafgerichtsverhandlung im Sinne der Auffassung der Beschwerdeführer als ungeschriebenes Verfassungsrecht der Bundesverfassung anerkannt werden kann, war vom Bundesgericht bisher nicht zu entscheiden und erscheint als fraglich. Die Frage kann jedoch offenbleiben, da jedenfalls Art. 6 Ziff. 1 EMRK das Öffentlichkeitsprinzip der Strafgerichtsverhandlung gewährleistet und auf ein erstinstanzliches Verfahren grundsätzlich unmittelbar anwendbar ist ( BGE 111 Ia 243 f. E. 6, BGE 108 Ia 92 E. 2c, je mit Hinweisen). Da das Bundesgericht im Rahmen der abstrakten Normenkontrolle frei und umfassend prüft, ob der angefochtene Erlass die angerufene Verfassungs- oder Konventionsbestimmung verletzt (s. BGE 111 Ia 24 f. E. 2 mit Hinweisen), kommt der von den Beschwerdeführern im vorliegenden Zusammenhang zusätzlich erhobenen Rüge, mit Art. 296 Abs. 2 Ziff. 2 nStrV werde auch das Willkürverbot verletzt, keine selbständige Bedeutung zu. Die Beschwerdeführer haben im übrigen nicht dargetan, weshalb diese Bestimmung mit "keinen hinreichenden Gründen sachlicher Natur zu rechtfertigen", d.h. willkürlich sein soll; ihr insoweit blosser Verweis auf andernorts in ihrer Beschwerde gemachte Ausführungen vermag jedenfalls ihre Willkürrüge nicht rechtsgenüglich zu substantiieren ( Art. 90 Abs. 1 lit. b OG ; vgl. BGE 110 Ia 3 f. E. 2a). Inwiefern der Grundsatz der Öffentlichkeit der Strafgerichtsverhandlung durch Art. 58 BV gewährleistet sein soll, wie dies die Beschwerdeführer ebenfalls geltend machen, ist nicht ersichtlich. Die Bestimmung des Art. 58 BV ist gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung als Garantie eines unparteiischen und unabhängigen Richters zu verstehen; sie gewährleistet jedermann die Freiheit, nur von dem Richter Recht zu nehmen, der nach den bestehenden Verfassungsnormen, Gesetzen und Verordnungen allgemein BGE 113 Ia 412 S. 416 für die Streitsachen zuständig ist, zu denen der in Frage stehende Prozess gehört ( BGE 91 I 401 mit Hinweisen), und sie gibt jedermann Anspruch auf richtige Besetzung des Gerichts (s. BGE 112 Ia 290 ff., BGE vom 4. Februar 1987 in EuGRZ 1987, S. 156 f., je mit Hinweisen). Soweit Unabhängigkeit, Unparteilichkeit und Gesetzmässigkeit durch Art. 58 BV gewährleistet sind, stimmt zwar diese Bestimmung mit Art. 6 Ziff. 1 EMRK überein (s. auch BGE 105 Ia 166 E. 7 und 180 E. 6; Entscheide der Europäischen Kommission für Menschenrechte vom 1. Dezember 1986 i.S. K. und i.S. S. gegen die Schweiz [auszugsweise publ. in VPB 1987 Nr. 78] in welchen die Kommission sowohl die Divisionsgerichte als auch das Militärkassationsgericht gemäss schweizerischer Militärstrafprozessordnung als unabhängige und unparteiliche Gerichte im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK erachtet; ferner: JÖRG PAUL MÜLLER/STEFAN MÜLLER, Grundrechte, Besonderer Teil, Bern 1985, S. 279). Mit dem Grundsatz der Öffentlichkeit als weiterem, eigenständigem Schutzgehalt von Art. 6 Ziff. 1 EMRK (s. nachf. lit. b und c) hat die Garantie des Art. 58 BV an sich jedoch nichts zu tun. b) Aus diesen Gründen und weil die Beschwerdeführer nicht behauptet haben, Art. 50 KV gehe weiter als Art. 6 Ziff. 1 EMRK , ist die von ihnen erhobene Rüge der Verletzung des Öffentlichkeitsprinzips ausschliesslich im Lichte dieser letztgenannten Bestimmung zu beurteilen. Die Schweiz hat zu Art. 6 Ziff. 1 EMRK in bezug auf den Grundsatz der Öffentlichkeit einen Vorbehalt angebracht, doch betrifft dieser nicht die im vorliegenden Verfahren einzig zur Diskussion stehende Strafgerichtsverhandlung, sondern das Verfahren vor Verwaltungsbehörden sowie die Öffentlichkeit der Urteilsverkündung an sich (s. hiezu LUZIUS WILDHABER, Internationaler Kommentar zur EMRK, Köln/Berlin/Bonn/München 1986, N. 603 ff. zu Art. 6 EMRK ). Es ist daher hier nicht auf diesen Vorbehalt einzugehen. c) Der in Art. 6 Ziff. 1 EMRK enthaltene Grundsatz der Öffentlichkeit der Gerichtsverhandlung bezieht sich nicht bloss auf die Partei-, sondern auch auf die Publikumsöffentlichkeit ( BGE 111 Ia 244 E. 7a). Er bedeutet eine Absage an jede Form geheimer Kabinettsjustiz und soll durch die Kontrolle der Öffentlichkeit dem Angeschuldigten und allen übrigen am Prozess Beteiligten eine korrekte und gesetzmässige Behandlung gewährleisten. Der Öffentlichkeit soll darüber hinaus ermöglicht werden, Kenntnis BGE 113 Ia 412 S. 417 davon zu erhalten, wie das Recht verwaltet und wie die Rechtspflege ausgeführt wird. Durch die Öffentlichkeit der Hauptverhandlung wird es der Allgemeinheit ermöglicht, den Strafprozess unmittelbar zu verfolgen. Die rechtsstaatliche und demokratische Bedeutung des Grundsatzes der Öffentlichkeit im Strafprozess verbietet einen Ausschluss der Öffentlichkeit dort, wo nicht überwiegende Gründe der staatlichen Sicherheit, öffentlichen Ordnung und Sittlichkeit oder schützenswerte Interessen Privater das vordringlich gebieten. In diesem Sinn sieht auch Art. 6 Ziff. 1 EMRK Ausnahmen vom Grundsatz der Öffentlichkeit vor ( BGE 111 Ia 245 E. 7b, BGE 108 Ia 92 E. 3a mit Hinweisen; Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 22. Februar 1984 i.S. Sutter, Publications de la Cour européenne des droits de l'homme, Série A Nr. 74, nichtamtliche deutsche Übersetzung in VPB 1984 Nr. 83; s. ferner: GERARD PIQUEREZ, Précis de procédure pénale suisse, Lausanne 1987, S. 158 ff.; HERBERT MIEHSLER/THEO VOGLER, Internationaler Kommentar zur EMRK, N. 331 ff. zu Art. 6 EMRK ; JOCHEN FROWEIN/WOLFGANG PEUKERT, EMRK Kommentar, Kehr/Strassburg/Arlington 1985, N. 79 ff. zu Art. 6 EMRK ; ROBERT HAUSER, Kurzlehrbuch des schweizerischen Strafprozessrechts, 2. Aufl., Basel 1984, S. 140 ff.; HANS SCHULTZ, Die Strafprozessreform in der Schweiz, Juristische Rundschau 1981, S. 50; HANS SCHULTZ, Der Grundsatz der Öffentlichkeit im Strafprozess, SJZ 1973 S. 129 ff.; HEINZ GURADZE, Die Europäische Menschenrechtskonvention, Kommentar, Berlin und Frankfurt a.M. 1968, S. 99). Der Öffentlichkeitsgrundsatz besagt jedoch nicht, welche Prozesshandlungen an der Hauptverhandlung vorgenommen werden müssen und in welcher Form sie zu geschehen haben. Er enthält insbesondere keine Aussage darüber, ob bzw. welche Zeugen in der Hauptverhandlung anzuhören sind. Dies betrifft vielmehr Fragen der Prinzipien der Unmittelbarkeit und der Mündlichkeit, die zwar mit dem Grundsatz der Öffentlichkeit in einem gewissen Zusammenhang stehen, dabei aber Prinzipien mit durchaus je eigenständigem Gehalt darstellen (s. GERARD PIQUEREZ, a.a.O., S. 163 ff.; ROBERT HAUSER, a.a.O., S. 136 ff.; ROBEBRT HAUSER, Zum Prinzip der Unmittelbarkeit, ZStrR 1981 S. 168 ff.; ROLF KÜNG-HOFER, Die Beschleunigung des Strafverfahrens unter Wahrung der Rechtsstaatlichkeit, Diss. Bern 1984, S. 228; KARL PETERS, Strafprozess, 4. Aufl., Heidelberg/Karlsruhe 1985, S. 317 ff. und S. 557 f.; CLAUS ROXIN, Strafverfahrensrecht, 20. Aufl., München 1987, S. 281 ff.; vgl. auch MARTIN SCHUBARTH, Die BGE 113 Ia 412 S. 418 Artikel 5 und 6 der Konvention, insbesondere im Hinblick auf das schweizerische Strafprozessrecht, ZSR 1975 Bd. I, S. 502; s. im übrigen nachf. E. 3). Entscheidend ist im Lichte des Öffentlichkeitsgrundsatzes, dass ebenfalls der unbeteiligte Dritte, also die Öffentlichkeit, am gesamten Prozessgeschehen der Hauptverhandlung, so wie sie - allenfalls unter Vorbehalt der in Art. 6 Ziff. 1 EMRK genannten Ausnahmefälle - in den einzelnen Strafprozessgesetzen geregelt ist, teilnehmen und derart die Rechtspflege kontrollieren kann. Die Teilnahme in diesem Sinne ist auch nach den im Abänderungsgesetz vom 10. September 1985 enthaltenen Bestimmungen des bernischen Strafverfahrens gewährleistet. Die Beschwerde ist demnach unbegründet, soweit mit ihr eine Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes gerügt wird. 3. a) Die Beschwerdeführer leiten aus der in Art. 50 KV gewährleisteten Öffentlichkeit und Mündlichkeit des Verfahrens den Grundsatz der Unmittelbarkeit ab. Diesen Grundsatz sehen sie durch Art. 230 und 254 StrV konkretisiert, wonach die notwendigen - als Urteilsgrundlage unerlässlichen - Beweismassnahmen auf den Zeitpunkt der Hauptverhandlung anzuordnen sind und der Richter das Ergebnis der Beweisaufnahme auf Grund der Hauptverhandlung zu würdigen hat. Sie machen geltend, Art. 296 Abs. 2 Ziff. 1 und 2 nStrV stelle eine Ausnahmeregelung für das Wirtschaftsstrafgericht und die Kriminalkammer dar, welche das Unmittelbarkeitsprinzip verletze, indem sie den Richter davon entbinde, Zeugen oder Sachverständige zur Hauptverhandlung vorzuladen und in dieser abzuhören. Ferner werde das Unmittelbarkeitsprinzip durch die genannte Ausnahmeregelung dadurch verletzt, dass sie dem Richter Aktenkenntnis schon vor der Hauptverhandlung verschaffe (soweit mit dieser Aktenkenntnis auch die Kenntnis der Einvernahmeprotokolle der Voruntersuchung gemeint sein sollte). Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass die Hauptverhandlung nach bernischem Strafverfahren aufgrund der darin enthaltenen Vorschriften vom Grundsatz der Unmittelbarkeit beherrscht ist (vgl. das den Straffall Gasser betreffende Urteil des Kassationshofes des Kantons Bern vom 26. August 1983 i.S. B. in ZBJV 1984, S. 422 ff.; GERARD PIQUEREZ, Traité de procédure pénale bernoise et jurassienne, Neuchâtel 1983, Bd. I S. 96 ff. und Bd. II S. 634 ff.; FRITZ FALB, Das bernische Strafverfahren, Vorlesungsskriptum, 3. Aufl. 1975, S. 57 ff.). Indes kann dahingestellt bleiben, ob sich dieser Grundsatz aus der die Prinzipien der Öffentlichkeit und BGE 113 Ia 412 S. 419 Mündlichkeit gewährleistenden Bestimmung des Art. 50 KV ergibt. Wäre dies der Fall, so könnte die Gesetzgebung gemäss der erwähnten kantonalen Verfassungsnorm auch insoweit Ausnahmen vorsehen, wie dies der Kassationshof des Kantons Bern im soeben angeführten Urteil vom 26. August 1983 selber - zutreffend - festgestellt hat (ZBJV 1984, S. 423; s. auch BGE vom 11. November 1983 in ZBJV 1984, S. 433 ff.). Aus diesem Urteil vermögen die Beschwerdeführer daher im vorliegenden Zusammenhang entgegen ihrer Auffassung nichts zu ihren Gunsten abzuleiten. Ausnahmen der genannten Art sind denn auch bereits in der bisherigen Fassung des Strafverfahrens vorgesehen, so beispielsweise bezüglich der Verlesung von Abhörungsprotokollen (Art. 249 StrV). Solche Ausnahmen stellen aber auch die Vorschriften von Art. 296 Abs. 2 Ziff. 1 und 2 nStrV dar. Da Ziff. 1 dieser Bestimmung schon in der Fassung des Strafverfahrens vom 7. Mai 1980 im damaligen Art. 295 enthalten war, ist es fraglich, ob diese Teilbestimmung überhaupt noch Gegenstand des vorliegenden Normenkontrollverfahrens bilden kann. Diese Frage kann hier jedoch letztlich offenbleiben, da sich Art. 296 Abs. 2 nStrV insgesamt weder als bundesverfassungs- noch als konventionswidrig erweist, hat doch der Beschuldigte weder nach der Verfassung noch nach der Europäischen Menschenrechtskonvention einen Anspruch darauf, dass das Unmittelbarkeitsprinzip im Beweisverfahren schrankenlos zum Tragen kommt (vgl. JOCHEN FROWEIN/WOLFGANG PEUKERT, a.a.O., N. 71 ff. zu Art. 6 EMRK ; ARTHUR HAEFLIGER, Alle Schweizer sind vor dem Gesetze gleich, Bern 1985, S. 246). Die gesetzlich vorgesehene Einschränkung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes für das Beweisverfahren im Rahmen der Hauptverhandlung bei der Kriminalkammer und beim Wirtschaftsstrafgericht erfolgt nicht deshalb, um - wie die Beschwerdeführer behaupten - dieses "Prinzip in sein Gegenteil" zu "verkehren" und "es praktisch auszuhöhlen", sondern aus dem einzigen Grund, bei den komplexen und äusserst umfangreichen Wirtschaftsstraffällen die Durchführung einer Strafgerichtsverhandlung in vernünftigem Rahmen und in angemessener Zeitdauer überhaupt zu ermöglichen. Damit erfolgt diese Einschränkung des Grundsatzes der Unmittelbarkeit nicht nur im Interesse der Justiz und der Rechtspflege an sich, deren Lahmlegung es zu verhindern gilt, sondern insbesondere auch im Interesse des Beschuldigten selber. Dass die Strafuntersuchung innert angemessener Frist zu Ende geführt wird, gehört auch zu den Rechten eines Beschuldigten; BGE 113 Ia 412 S. 420 das in diesem Zusammenhang zu beachtende Beschleunigungsgebot ist vom Bundesgericht aus Art. 4 BV abgeleitet worden (vgl. BGE 103 V 190 ff., s. auch BGE 107 Ib 165 ), und es ist in Art. 6 Ziff. 1 EMRK ebenfalls ausdrücklich enthalten (vgl. hiezu auch ROLF KÜNG-HOFER, a.a.O., insbesondere S. 78 ff., und S. 99 ff.; JOCHEN FROWEIN/WOLFGANG PEUKERT, a.a.O., N. 98 ff. zu Art. 6 EMRK ; WOLFGANG PEUKERT, Die überlange Verfahrensdauer ( Art. 6 Abs. 1 EMRK ) in der Rechtsprechung der Strassburger Instanzen, EuGRZ 1979 S. 261 ff.; JÖRG PAUL MÜLLER/STEFAN MÜLLER, a.a.O., S. 232). Im Lichte dieses Gebotes darf ein Kanton prozessuale Bestimmungen, die es verunmöglichen, eine Strafuntersuchung innert vernünftiger Frist zu beenden, nicht gelten lassen. Dementsprechend und in Anbetracht der grossen Probleme, welche die bisherige bernische Regelung der Wirtschaftskriminalkammer mit sich brachte, ist nicht zu beanstanden, dass der bernische Gesetzgeber das Abänderungsgesetz vom 10. September 1985 besser als die frühere Regelung nach dem Beschleunigungsgebot ausrichtete. Im übrigen wird die Einvernahme eines Zeugen in der Hauptverhandlung durch Art. 296 Abs. 2 Ziff. 2 nStrV weder ausdrücklich noch durch die Praxis ausgeschlossen. Nur dort, wo der Angeschuldigte oder sein Verteidiger schon in der Voruntersuchung die Gelegenheit hatte, einem Zeugen oder Sachverständigen Fragen zu stellen, steht es im Ermessen des Gerichts, diese Person zur Hauptverhandlung vorzuladen und abzuhören (was, wie nachfolgend [lit. c] aufzuzeigen ist, auch keine Verletzung von Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK darstellt); bestand diese Möglichkeit der Fragestellung aber in der Voruntersuchung nicht, so muss in der Hauptverhandlung vor dem Strafgericht dafür Gelegenheit eingeräumt werden. Entgegen der Behauptung der Beschwerdeführer steht dem Richter somit nicht das "generelle und unbeschränkte Recht auf Verweigerung der Zeugenabhörungen in der Hauptverhandlung" zu. Vielmehr hat er sein Ermessen nach allgemeinen Grundsätzen pflichtgemäss auszuüben. Das Unmittelbarkeitsprinzip darf also nur dann im dargelegten Umfang eingeschränkt werden, wenn die genannten gesetzlichen Voraussetzungen hiefür erfüllt sind. Als gesetzmässige Beschränkung des Unmittelbarkeitsprinzips hält die Regelung gemäss Art. 296 Abs. 2 Ziff. 2 nStrV aber - wie ausgeführt - vor der Verfassung und vor der Europäischen Menschenrechtskonvention stand. b) Die Beschwerdeführer machen ferner geltend, die durch das Abänderungsgesetz vom 10. September 1985 vorgesehene Einschränkung BGE 113 Ia 412 S. 421 des Unmittelbarkeitsprinzips verstosse auch gegen das Grundrecht des "fair trial", also gegen den Grundsatz des fairen bzw. gerechten Verfahrens. Dieser Grundsatz ergibt sich namentlich aus Art. 6 Ziff. 1 EMRK , wonach - wie schon erwähnt worden ist - jedermann Anspruch darauf hat, dass seine Sache in billiger Weise gehört wird, und nebstdem ist er auch durch Art. 6 Ziff. 3 EMRK garantiert (vgl. dazu insbesondere: JOCHEN FROWEIN/WOLFGANG PEUKERT, a.a.O., N. 1 und N. 54 ff. zu Art. 6 EMRK ; ROBERT HAUSER, a.a.O., S. 153 f.; WOLFGANG PEUKERT, Die Garantie des "fair trial" in der Strassburger Rechtsprechung, EuGRZ 1980, S. 247 ff.; STEFAN TRECHSEL, Die Verteidigungsrechte in der Praxis zur Europäischen MRK, ZStrR 1979, S. 375 ff.). Die Beschwerdeführer rufen in diesem Zusammenhang indes nicht Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention an, sondern sie machen geltend, der Grundsatz des fairen Verfahrens sei als ungeschriebener Verfassungsgrundsatz in der Bundesverfassung enthalten oder ergebe sich allenfalls aus Art. 58 Abs. 1 BV . Allerdings begründen sie diese Behauptung nicht näher. Der Grundsatz des fairen oder gerechten Verfahrens ist im schweizerischen Verfassungsrecht zwar nicht ausdrücklich, jedoch der Sache nach garantiert; es sind damit dem Gehalte nach im wesentlichen die vom Bundesgericht in seiner Rechtsprechung zu Art. 4 BV entwickelten Prinzipien eines rechtsstaatlichen Verfahrens gemeint (vgl. hiezu: PETER SALADIN, Das Verfassungsprinzip der Fairness, in: Erhaltung und Entfaltung des Rechts in der Rechtsprechung des Schweizerischen Bundesgerichts, Basel 1975, S. 41 ff., insbesondere S. 81 ff.; s. auch JÖRG PAUL MÜLLER/STEFAN MÜLLER, a.a.O., S. 227 ff. und 259 ff.). Konkret rügen die Beschwerdeführer unter dem Titel des fairen Verfahrens allerdings nur, dass aufgrund der Bestimmungen des Abänderungsgesetzes vom 10. September 1985 keine Waffengleichheit bestehe, indem der Beschuldigte in verschiedener Hinsicht gegenüber dem Untersuchungsrichter als Anklagevertreter erheblich benachteiligt würde. Diese Rüge der Verletzung des Gebotes der Waffengleichheit ist indes nicht rechtsgenüglich substantiiert ( Art. 90 Abs. 1 lit. b OG ); auch der insoweit erfolgte Hinweis auf andernorts in der Beschwerdeschrift gemachte Ausführungen vermag keine hinreichende Begründung dafür abzugeben. Es ist daher nicht weiter darauf einzugehen. BGE 113 Ia 412 S. 422 c) Weiter machen die Beschwerdeführer geltend, die Einschränkung des Unmittelbarkeitsprinzips gemäss Art. 296 Abs. 2 Ziff. 2 nStrV verstosse ebenfalls gegen Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK . Gemäss dieser Bestimmung steht jedem Angeklagten das Recht zu, Fragen an die Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen und die Ladung und Vernehmung der Entlastungszeugen unter denselben Bedingungen wie die der Belastungszeugen zu erwirken. Nach der Rechtsprechung ist dem Beschuldigten gestützt auf Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK unabhängig von der Ausgestaltung des kantonalen Prozessrechtes mindestens einmal während des Verfahrens Gelegenheit zu geben, der Einvernahme von Zeugen, die ihn belasten, beizuwohnen und Ergänzungsfragen zu stellen oder aber, sofern er der Vernehmung nicht beiwohnen kann, nach Einsicht in die Aussagen schriftlich ergänzende Fragen anzubringen ( BGE 105 Ia 397 , BGE 104 Ia 319 ). Aus Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK lässt sich jedoch nicht ableiten, dass dem Beschuldigten mehrmals Gelegenheit geboten werden müsse, zu verlangen, dass Zeugen in seiner Gegenwart oder ein zweites Mal ergänzend befragt werden ( BGE 104 Ia 319 ). Insbesondere lässt sich aus dieser Bestimmung auch nicht ableiten, dass alle Zeugeneinvernahmen vor dem Richter in der Hauptverhandlung vor dem Strafgericht zu erfolgen haben. Vielmehr will diese Bestimmung lediglich ausschliessen, dass ein Strafurteil auf Aussagen von Zeugen abgestützt werde, ohne dass dem Beschuldigten wenigstens einmal Gelegenheit geboten worden ist, nach deren Vernehmung oder nach Einsicht in deren Aussagen Ergänzungsfragen zu stellen (s. die soeben zitierten Urteile). Dabei genügt es, wenn diese Möglichkeit irgend einmal im Laufe des Verfahrens gewährt wird (vgl. STEFAN TRECHSEL, a.a.O., S. 371; s. auch JOCHEN FROWEIN/WOLFGANG PEUKERT, a.a.O., N. 137 f. zu Art. 6 EMRK ; vgl. ferner JÖRG PAUL MÜLLER/STEFAN MÜLLER, a.a.O., S. 239). Dieses Recht wird durch Art. 296 Abs. 2 Ziff. 2 nStrV klarerweise nicht beeinträchtigt. Demnach erweist sich die Beschwerde auch insoweit als unbegründet, als damit eine Verletzung des Unmittelbarkeitsprinzips gerügt wird. 4. (Das Wirtschaftsstrafgericht laut Abänderungsgesetz vom 10. September 1985 widerspricht der bernischen Kantonsverfassung nicht; vielmehr stellt diese klarerweise eine hinreichende verfassungsmässige Grundlage zu seiner Schaffung dar.) 5. a) Die Schaffung eines Wirtschaftsstrafgerichts verstösst entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer auch nicht gegen BGE 113 Ia 412 S. 423 Art. 58 Abs. 1 BV . Laut dieser Bestimmung darf niemand seinem verfassungsmässigen Richter entzogen werden, und es dürfen keine Ausnahmegerichte eingeführt werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts gelten als Ausnahmegerichte Gerichte, die ausserhalb der verfassungsmässigen Gerichtsorganisation stehen und nur für einen oder mehrere konkrete Fälle gebildet werden ( BGE 110 Ib 281 E. 5). Keine Ausnahmegerichte sind demgegenüber ständige Spezialgerichte, die für zum voraus generell bestimmte Sachbereiche zuständig sind (so z.B. die Handels- und Gewerbegerichte gemäss kantonalen Prozessgesetzen, ebenso die Militärgerichte gemäss Militärstrafprozessordnung, vgl. hiezu die bereits erwähnten Entscheide der Europäischen Kommission für Menschenrechte vom 1. Dezember 1986). Voraussetzung ist allerdings, dass die Zuständigkeit derartiger Spezialgerichte durch Gesetz festgelegt und die Errichtung sachlich begründet ist (vgl. JÖRG PAUL MÜLLER/STEFAN MÜLLER, a.a.O., S. 272; JÖRG PAUL MÜLLER, Die Garantie des verfassungsmässigen Richters in der Bundesverfassung, ZBJV 1970, S. 257). Wie festgestellt worden ist, wurde das Wirtschaftsstrafgericht gemäss Abänderungsgesetz vom 10. September 1985 für einen zum voraus generell festgelegten Sachbereich geschaffen, nämlich für Straffälle, bei welchen zur Hauptsache strafbare Handlungen gegen das Vermögen oder Urkundenfälschungen in Frage stehen und deren Beurteilung besondere wirtschaftliche Kenntnisse oder die Würdigung einer grossen Zahl schriftlicher Beweismittel voraussetzt. Wirtschaftliche Kenntnisse gelten allgemein als sachliche Begründung von Spezialgerichten (Fachgerichten), wie dies die Schaffung von Handelsgerichten in verschiedenen Kantonen belegt. Ebenso lässt es sich vertreten, Wirtschaftsstrafsachen, bei welchen zahlreiche schriftliche Beweismittel zu würdigen sind, einem solchen Spezialgericht mit für derart umfangreiche Verfahren geeigneten Prozessbestimmungen zu unterstellen. Davon, die Schaffung des bernischen Wirtschaftsstrafgerichts verletze Art. 58 Abs. 1 BV , kann demnach nicht die Rede sein. b) Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer wird Art. 58 Abs. 1 BV auch nicht durch die die Überweisung an das Wirtschaftsstrafgericht regelnde Bestimmung von Art. 208b nStrV verletzt. Diese Zuweisungsregel ist notwendig, um den Sachbereich der Zuständigkeit des Wirtschaftsstrafgerichts generell festzulegen, BGE 113 Ia 412 S. 424 und sie ist - wie ausgeführt worden ist - auch durch sachliche Gründe gerechtfertigt. Entgegen der Behauptung der Beschwerdeführer ist der Zuständigkeitsbereich in sachlicher Hinsicht ohne weiteres bestimmbar, und nebstdem steht diese sachliche Zuständigkeit keineswegs im Widerspruch zur übrigen sachlichen Zuständigkeitsordnung der bernischen Strafgerichte. Darin und auch in den Verfahrensvorschriften von Art. 296 Abs. 2 Ziff. 2 nStrV liegt im übrigen entgegen der Darstellung der Beschwerdeführer ebenfalls kein Verstoss gegen das Rechtsgleichheitsgebot. Diesen Grundsatz verletzt ein Erlass, der sich nicht auf ernsthafte sachliche Gründe stützt, sinn- und zwecklos ist oder rechtliche Unterscheidungen trifft, für die ein vernünftiger Grund in den zu regelnden tatsächlichen Verhältnissen nicht ersichtlich ist ( BGE 112 Ia 243 f. E. 4a und 258 E. 4b, BGE 111 Ia 91 E. 3a, mit Hinweisen; ARTHUR HAEFLIGER, a.a.O., S. 62; s. auch JÖRG PAUL MÜLLER/STEFAN MÜLLER, a.a.O., S. 191 ff.). Dass die genannten Vorschriften durchaus sinnvoll und zweckmässig sind, ist bereits dargelegt worden. Es werden jedoch durch sie auch nicht rechtliche. Unterschiede getroffen, für die ein vernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen nicht zu finden ist (vgl. ARTHUR HAEFLIGER, a.a.O., S. 63). Vielmehr weist Art. 208b nStrV klare Kriterien auf, aufgrund welcher die Zuweisung erfolgt, und diese Regelung - wie übrigens auch diejenige der speziellen Verfahrensvorschriften gemäss Art. 296 Abs. 2 Ziff. 2 nStrV - ist sachlich vernünftig begründet durch die Notwendigkeit, komplexe und umfangreiche Strafprozesse zu beschleunigen und durch kompetente Richter mit besonderen Fach- und Personenkenntnissen beurteilen zu lassen. Im übrigen entsteht dadurch keine Benachteiligung des Beschuldigten. So werden insbesondere auch die Verteidigungsrechte durch die Neuregelung nicht beeinträchtigt. 6. Art. 398 nStrV entspricht mit Ausnahme kleinerer Präzisierungen dem bisherigen Art. 398 StrV. Die Beschwerdeführer machen geltend, die Regelung gemäss Art. 398 nStrV sei willkürlich, indem darin bestimmt werde: "... doch gilt betreffend Beweiswürdigung, Wiederaufnahme des Verfahrens (bzw. Rechtsmittel), Vollstreckung und Begnadigung das neue Recht, ebenso, wenn die Sache zur neuen Verhandlung an die erste Instanz zurückgewiesen wird." Sie rügen, diese Vorschrift bezwecke, rückwirkend die Verteidigungsrechte zu beschneiden und die Anwendbarkeit des Abänderungsgesetzes vom 10. September 1985 auf den - bereits an anderer Stelle erwähnten - Fall Gasser zu ermöglichen. Damit BGE 113 Ia 412 S. 425 rügen die Beschwerdeführer jedoch gerade den Passus der genannten Bestimmung als willkürlich, welcher mit der früheren Regelung praktisch übereinstimmt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts liegt eine Rückwirkung eines Erlasses dann vor, wenn bei der Anwendung des neuen Rechts an ein Ereignis angeknüpft wird, das in der Vergangenheit liegt und vor Erlass des Gesetzes abgeschlossen wurde ( BGE 107 Ib 196 E. 3b mit Hinweisen). Es lässt in seiner Rechtsprechung zu Art. 4 BV die Rückwirkung regelmässig nur dann zu, wenn sie ausdrücklich angeordnet oder nach dem Sinn des Erlasses klar gewollt ist, in zeitlicher Beziehung mässig ist, zu keinen stossenden Rechtsungleichheiten führt, sich durch beachtenswerte Gründe rechtfertigen lässt und nicht in wohlerworbene Rechte eingreift ( BGE 102 Ia 72 E. 3 mit Hinweisen, BGE 102 Ib 338 E. 2b). Keine - bzw. eine sog. unechte - Rückwirkung ist dann gegeben, wenn der Gesetzgeber lediglich auf Verhältnisse abstellt, die zwar noch unter der Herrschaft des alten Rechts entstanden sind, beim Inkrafttreten des neuen Rechts aber noch andauern ( BGE 107 Ib 196 E. 3b, 203 E. 7b/aa, mit Hinweisen; s. auch ALFRED KÖLZ, Intertemporales Verwaltungsrecht, ZSR 1983 Bd. II, S. 164 ff.). Im Verfahrensrecht das neue Recht auf alle pendenten Angelegenheiten anzuwenden, gilt in der Praxis nicht als eigentliche Rückwirkung im aufgezeigten Sinne ( BGE 79 I 87 E. 1; vgl. auch MAX IMBODEN/RENE A. RHINOW, Verwaltungsrechtsprechung, 6. Aufl. 1986, Bd. I, S. 106 f.). Ganz allgemein kommt der Grundsatz der Nichtrückwirkung im Verfahrensrecht und damit auch im Falle einer Revision einer Strafprozessordnung nicht zum Tragen (vgl. BGE 112 Ib 584 f. E. 2; s. auch HANS SCHULTZ, Das schweizerische Auslieferungsrecht, Basel 1953, S. 323). Nur eine sog. unechte Rückwirkung ist denn auch für die im Abänderungsgesetz vom 10. September 1985 vorgesehenen Übergangsbestimmungen - wie übrigens auch schon für die bisherigen - ausdrücklich vorgesehen. Es werden lediglich gewisse Einschränkungen für die Anwendbarkeit des neuen Rechts im Hinblick auf Strafprozesse festgelegt, welche sich in einem bestimmten Verfahrensstadium befinden, wobei aber auch für die betreffenden Strafprozesse teilweise wieder das neue Recht als anwendbar erklärt wird. Inwiefern diese Regelung verfassungswidrig sein soll, haben die Beschwerdeführer nicht dargetan und ist denn auch nicht ersichtlich. Vor allem gilt das neue Recht, soweit es gestützt auf die von den Beschwerdeführern beanstandete Regelung von BGE 113 Ia 412 S. 426 Art. 398 Ziff. 1 und 2 nStrV anzuwenden ist, nicht nur für den Fall Gasser, sondern auch für die anderen im selben Verfahrensstadium befindlichen Strafprozesse. Demnach erweist sich die Beschwerde ebenfalls insoweit als unbegründet.
public_law
nan
de
1,987
CH_BGE
CH_BGE_002
CH
Federation
c6270069-6bf6-4ec2-a44f-0c0ec0f6d65b
Urteilskopf 103 IV 8 3. Urteil des Kassationshofes vom 18. März 1977 i.S. K. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich
Regeste Art. 69 StGB ; Anrechnung der Untersuchungshaft. 1. Einfaches Leugnen schliesst wie die Auskunftsverweigerung die Anrechnung der Untersuchungshaft nicht aus (E. 3a und b). Vorbehalten bleiben Fälle, in denen der Beschuldigte das Verteidigungsrecht zur Erreichung sachfremder Zwecke missbraucht (E. 3c). 2. Nicht anzurechnen ist die Haftzeit, soweit der Beschuldigte durch falsche Angaben unnötige Erhebungen veranlasst und dadurch das Verfahren über die ordentliche Dauer hinaus verlängert (E. 3c).
Sachverhalt ab Seite 9 BGE 103 IV 8 S. 9 Der türkische Staatsangehörige K. ist am 1. Oktober 1970 vom Obergericht des Kantons Zürich wegen Diebstahls usw. zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt und für die Dauer von 15 Jahren des Landes verwiesen worden. In der Nacht vom 4./5. Oktober 1970 floh er aus der Strafanstalt Regensdorf. Im Oktober 1970 verübte er u.a. durch Einbrüche eine erste Reihe strafbarer Handlungen, die vor allem seinem Fortkommen nach der Flucht dienten und eher geringfügig waren. Wegen verschiedener Einbruchdiebstähle im Ausland war er sodann in der Zeit vom März 1971 bis Juni 1975 immer wieder in Gefängnissen in Italien, Österreich und Deutschland inhaftiert. Ab 1. September 1975 reiste er trotz der Landesverweisung wiederholt in die Schweiz ein und beging hier schwere Einbruchdiebstähle, bis er am 21. Oktober 1975 in Lausanne verhaftet wurde. Von da an bis und mit dem 10. Mai 1976 war er in Untersuchungshaft. Seither befindet er sich im Strafvollzug, um die frühere, durch Urteil vom 1. Oktober 1970 ausgefällte Strafe zu verbüssen. Am 27. September 1976 erklärte das Obergericht des Kantons Zürich K. des gewerbsmässigen und des fortgesetzten Diebstahls, der fortgesetzten Sachbeschädigung und des fortgesetzten Hausfriedensbruchs, des wiederholten und des fortgesetzten Verweisungsbruchs usw. schuldig. Es verurteilte ihn zu zwei Jahren Gefängnis und verwies ihn auf Lebenszeit des Landes. Von der erstandenen Untersuchungshaft rechnete es ihm 100 Tage an. Mit Nichtigkeitsbeschwerde beantragt K. die Aufhebung des obergerichtlichen Urteils, soweit ihm nur 100 statt 202 Tage Untersuchungshaft angerechnet wurden. Die Staatsanwaltschaft, die vor Obergericht die Anrechnung der vollen Untersuchungshaft beantragt hatte, verzichtet auf Gegenbemerkungen. BGE 103 IV 8 S. 10 Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Der Richter rechnet dem Verurteilten die Untersuchungshaft auf die Freiheitsstrafe an, soweit der Täter die Untersuchungshaft nicht durch sein Verhalten nach der Tat herbeigeführt oder verlängert hat ( Art. 69 StGB ). Nach der neuen Rechtsprechung des Kassationshofes unterbleibt eine Anrechnung nicht schon dann, wenn der Verurteilte die Haft oder deren Verlängerung verursacht hat. Sein Tun oder Unterlassen muss ihm darüber hinaus nach rechtsstaatlich vertretbaren Verfahrensgrundsätzen vorwerfbar sein ( BGE 102 IV 157 /158). 2. Der Beschwerdeführer wurde in Untersuchungshaft gesetzt, weil er aus dem Strafvollzug geflohen war und daher wieder Gefahr bestand, er könnte sich erneut durch Flucht dem Strafvollzug entziehen. Dieser Haftgrund stützt sich somit auf ein Verhalten vor der Begehung der neuen Straftaten. Zu Recht wurde deshalb die teilweise Nichtanrechnung nicht mit der Flucht aus dem Gefängnis begründet. 3. Die Vorinstanz hat die teilweise Nichtanrechnung der Untersuchungshaft damit begründet, dass der Beschwerdeführer während Monaten bestrebt gewesen sei, durch lügenhaftes Verhalten die Untersuchung zu erschweren. So sei er erst geständig gewesen, als und soweit ihm durch Fingerabdruckspuren seine Taten hätten nachgewiesen werden können. Auch die letzten und am schwersten wiegenden Einbruchdiebstähle habe er erst am 25. März 1976 nach Vorlage eines daktylographischen Gutachtens zugegeben. Es könnten ihm demzufolge nur die nach diesem Zeitpunkt folgenden 100 Tage Untersuchungshaft auf die Strafe angerechnet werden. a) Nach verfahrensrechtlich anerkannten Grundsätzen ist ein Beschuldigter nicht gehalten, Straftaten zu offenbaren, zu denen er nicht befragt wird; er darf sie deshalb verschweigen. Ebenso ist er nicht verpflichtet, die Untersuchung zu seinem Nachteil zu fördern oder zu erleichtern. Den Nachweis der Schuld zu erbringen, liegt von Gesetzes wegen bei den Behörden, die den Beschuldigten in keiner Weise zu einem Geständnis zwingen dürfen (vgl. Art. 41 Abs. 1 BStP , Art. 39 Abs. 5 VStrR ). Er ist daher berechtigt, die Aussagen zu einer ihm vorgeworfenen Tat zu verweigern, um sich nicht selbst belasten zu müssen. Durch Ausübung des Schweigerechts wird die BGE 103 IV 8 S. 11 Untersuchung zwar nicht erleichtert, aber auch nicht erschwert. Das Verfahren hat in einem solchen Fall vielmehr seinen ordentlichen Gang zu nehmen wie dann, wenn der Beschuldigte unverschuldet abwesend wäre. b) Der Beschwerdeführer hat nicht nur die Aussage verweigert, sondern die Straftaten, solange sie ihm nicht nachgewiesen werden konnten, bestritten, sie also wider besseres Wissen geleugnet. Damit ist er zwar über die Verweigerung von Auskünften hinausgegangen. Einfache Bestreitungen haben jedoch auf den Gang und die Dauer des Verfahrens keine weitergehenden Auswirkungen als die Aussageverweigerung. Beschränkt sich der Beschuldigte darauf, die ihm vorgeworfenen Straftaten, die ihn belastenden Indizien oder die Glaubwürdigkeit der gesammelten Beweise zu bestreiten, um einer Verurteilung zu entgehen, so unterlässt er es, die gegen ihn vorhandenen belastenden Beweise zu bestärken, und versagt damit die Mitwirkung an seiner Überführung, zu der er nicht verpflichtet ist. Das Verfahren wird dadurch noch nicht erschwert oder verlängert, denn die Lügen des Beschuldigten schmälern nicht die Beweiskraft der gesammelten Beweise und haben nur zur Folge, dass das Verfahren ohne Geständnis des Beschuldigten abgeschlossen werden muss oder in Fällen, in denen der Schuldbeweis noch nicht vollständig erbracht ist, nicht verkürzt werden kann. Es ist infolgedessen gerechtfertigt, blosses Leugnen der erlaubten Aussageverweigerung gleichzustellen; es schliesst daher die Anrechnung der Untersuchungshaft nicht aus. c) Anders verhält es sich, wenn die lügenhaften Bestreitungen nicht bloss Anlass geben, einen ohnehin ungenügenden Beweis zu ergänzen, sondern der Beschuldigte durch unwahre Behauptungen und Einwendungen die Behörden zu weiteren Untersuchungshandlungen nötigt, durch die das Verfahren über die Dauer hinaus verlängert wird, die nötig gewesen wäre, um den Beschuldigten ohne seine geständige Mithilfe der Schuld zu überführen. In diesem Falle verursacht er schuldhaft eine Verlängerung des Verfahrens im Sinne des Art. 69 StGB , so dass ihm diese Haftzeit nicht anzurechnen ist. Gleiches gilt auch, wenn ein Beschuldigter sein Verteidigungsrecht offensichtlich dazu missbraucht, einen sachfremden Zweck zu erreichen. Das trifft beispielsweise zu, wenn er BGE 103 IV 8 S. 12 bewusst darauf ausgeht, die Untersuchungshaft zu verlängern, um dadurch den Strafvollzug entsprechend zu verkürzen (DUBS, ZStR 76 S. 193 f.). 4. Die Vorinstanz stellt bloss fest, der Beschwerdeführer habe die Straftaten geleugnet und sie erst nach Vorhalt von belastendem Beweismaterial eingestanden. Es wird ihm aber nicht vorgeworfen, er habe darüber hinaus durch irreführende Angaben die Untersuchungsbehörde auf eine falsche Spur geführt und zu unnötigen Erhebungen veranlasst oder in der rechtsmissbräuchlichen Absicht geleugnet, durch Verlängerung der Haftzeit sich dem Strafvollzug zu entziehen. Es besteht somit kein Grund, ihm die Untersuchungshaft nicht voll anzurechnen. Dispositiv Demnach erkennt das Bundesgericht: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 27. September 1976 hinsichtlich der Anrechnung der Untersuchungshaft aufgehoben und die Sache an die Vorinstanz zurückgewiesen mit der Weisung, dem Beschwerdeführer 202 Tage Untersuchungshaft auf die Strafe anzurechnen.
null
nan
de
1,977
CH_BGE
CH_BGE_006
CH
Federation
c629822b-7d25-48c8-be4b-4da60d1773e0
Urteilskopf 120 V 1 1. Arrêt du 26 janvier 1994 dans la cause B. contre Caisse cantonale vaudoise de compensation AVS et Tribunal des assurances du canton de Vaud
Regeste Art. 8 Ziff. 1, Art. 12 und 14 EMRK , Art. 22 Abs. 1 AHVG . Der durch Heirat begründete Verlust von sozialversicherungsrechtlichen Rechten oder Vorteilen verletzt weder das Recht auf Familienleben im Sinne von Art. 8 Ziff. 1 EMRK noch das Recht auf Heirat, welches von Art. 12 EMRK garantiert wird. In casu Ablösung der zwei einfachen Altersrenten durch eine Ehepaarrente nach Heirat (E. 2). Art. 6 Ziff. 1 EMRK , Art. 85 Abs. 2 lit. e AHVG . Öffentlichkeit der Verhandlung im Sozialversicherungsrecht. Vorschriften des Art. 6 Ziff. 1 EMRK in bezug auf die Mündlichkeit. Zusammenfassung der diesbezüglichen Rechtsprechung in BGE 119 V 375 . Im vorliegenden Fall waren die kantonalen Behörden nicht verpflichtet, eine Verhandlung anzusetzen (E. 3).
Sachverhalt ab Seite 2 BGE 120 V 1 S. 2 A.- P. B., né en 1922, et F. C., née en 1928, se sont mariés le 3 avril 1992. Avant leur mariage, ils étaient tous deux au bénéfice d'une rente simple de vieillesse. La rente de l'épouse, fondée sur l'échelle de rente 44, s'élevait à 1'800 francs par mois. Celle du mari, calculée en fonction de l'échelle de rente 40, se montait à 1'636 francs. Par deux décisions du 25 mai 1992, la Caisse cantonale vaudoise de compensation a alloué à chacun des époux, en remplacement des rentes simples dont ils bénéficiaient, une demi-rente ordinaire de vieillesse pour couple de 1'228 francs par mois, à partir du 1er mai 1992. La rente pour couple était calculée sur la base d'un revenu annuel moyen de 154'440 francs et d'une durée de cotisations de 34 années et 10 mois, entraînant l'application de l'échelle de rente 40. B.- F. et P. B. ont recouru contre cette décision en concluant au versement d'une rente correspondant au montant total des rentes que chacun des époux toucherait s'il ne s'était pas marié. Subsidiairement, ils concluaient au versement d'une rente pour couple fondée sur l'échelle de rente 44 (rente complète). Par jugement du 21 janvier 1993, le Tribunal des assurances du canton de Vaud a rejeté le recours. C.- Contre ce jugement, les époux B. interjettent un recours de droit administratif dans lequel ils reprennent leurs précédentes conclusions. La caisse de compensation conclut au rejet du recours, ce que propose aussi l'Office fédéral des assurances sociales. Erwägungen Considérant en droit: 1. a) C'est à juste titre, au regard de la réglementation légale, que la caisse de compensation a remplacé les rentes simples dont bénéficiaient les recourants par une rente pour couple, dont le calcul, au surplus, est conforme à la loi. En effet, en raison de son mariage avec F. C., qui avait alors accompli sa 62e année, le recourant avait droit à une rente de vieillesse pour couple ( art. 22 al. 1 LAVS ) succédant aux rentes de vieillesse simples allouées BGE 120 V 1 S. 3 auparavant aux époux ( art. 21 al. 2 LAVS ). La rente pour couple fut versée par moitié à chacun des conjoints, conformément à l' art. 22 al. 2 LAVS (cf., en ce qui concerne la réglementation entrée en vigueur le 1er janvier 1993: art. 5 de l'arrêté fédéral concernant l'amélioration des prestations de l'AVS et de l'AI, ainsi que leur financement, du 19 juin 1992 [RS 831.100.1]). Quant au calcul de la rente pour couple, il a été effectué, conformément à l' art. 32 LAVS , sur la base du revenu annuel moyen du mari, compte tenu des revenus de l'activité lucrative sur lesquels l'épouse a payé des cotisations ( art. 32 al. 1 et 2 LAVS ). Dans ce calcul, c'est la durée de cotisations du mari qui est déterminante ( art. 32 al. 1 LAVS en corrélation avec l' art. 30 al. 1 LAVS ), d'où l'application, en l'espèce, de l'échelle de rente 40 (et non 44). On relèvera que l' art. 32 al. 3 LAVS n'entrait pas en considération en l'espèce (selon cette disposition, si le montant d'une rente simple de vieillesse qui serait octroyée à l'épouse sur la base des seuls revenus de sa propre activité lucrative et des années de cotisations correspondantes est supérieur à celui de la rente de vieillesse pour couple, cette dernière rente est augmentée d'un supplément la portant au niveau de ladite rente simple). b) Les recourants, au demeurant, ne prétendent pas que les décisions litigieuses soient contraires à la LAVS ou à ses dispositions d'exécution. Mais ils font valoir que la réglementation précitée entraîne une inégalité de traitement entre couples mariés et concubins. Ils soutiennent aussi que ladite réglementation viole l' art. 4 al. 2 Cst. , notamment en raison du fait que la rente pour couple est calculée sur la base de l'échelle de rente applicable au mari et non sur celle - en l'espèce plus favorable - applicable à l'épouse. Comme l'a cependant rappelé la juridiction cantonale, le juge n'a pas le pouvoir de contrôler la constitutionnalité d'une loi fédérale (art. 113 al. 3 et 114bis al. 3 Cst.; ATF 118 V 4 consid. 3, ATF 117 V 107 consid. 3c): il ne saurait, au mépris du principe de la séparation des pouvoirs, se substituer au législateur en adoptant la solution qu'il jugerait adéquate en droit désirable ( ATF 118 V 173 consid. 2b). Au demeurant, les problèmes soulevés par les recourants ne sont pas nouveaux (voir par ex.; KOHLER, La situation de la femme dans l'AVS, thèse Lausanne 1986, pp. 185 et 203; RIEMER-KAFKA, Die Gleichstellung von Mann und Frau in der schweizerischen Sozialversicherung, SZS 1991 p. 296). Il est prévu de supprimer, en partie tout au moins, les inégalités dont ils se plaignent dans le cadre de la 10e révision de l'AVS. Ainsi, le système de la rente pour couple sera abandonné si les Chambres fédérales adoptent le principe de la rente BGE 120 V 1 S. 4 individuelle indépendante de l'état civil, notamment selon le système - approuvé en mars 1993 par le Conseil national (BO 1993 CN 254) - du "splitting" du revenu (voir Sécurité sociale 2/1993 pp. 16 ss). Néanmoins, dans cette hypothèse, il subsistera une différence de traitement entre les couples mariés et non mariés, puisqu'il est prévu que les rentes individuelles d'un couple marié ne devront pas, ensemble, dépasser 150 pour cent de la rente simple maximale individuelle. 2. Comme en procédure cantonale, les recourants soutiennent que l'extinction de deux rentes individuelles, entraînant une perte de 408 francs par mois pour le mari et de 572 francs par mois pour l'épouse, viole les art. 8 et 12 CEDH , en relation avec l' art. 14 CEDH . En vertu du principe de la primauté du droit international, le Tribunal fédéral des assurances examine la conformité du droit interne au droit international ( ATF 119 V 171 ), notamment sa conformité aux principes consacrés par la CEDH ( ATF 105 V 1 ; RCC 1991 p. 436 consid. 3d; MEYER-BLASER, Die Bedeutung von Art. 4 Bundesverfassung für das Sozialversicherungsrecht, RDS 111 [1992] p. 454 s.; cf. aussi ATF 118 Ia 353 consid. 5, ATF 118 Ib 281 consid. 3b, ATF 117 Ib 372 consid. 1e). a) Selon l' art. 8 CEDH , toute personne a droit au respect de sa vie privée et familiale, de son domicile et de sa correspondance (ch. 1). L'art. 12, pour sa part, garantit le droit de se marier et de fonder une famille selon les lois nationales régissant l'exercice de ce droit. D'après la jurisprudence, ces principes conventionnels ne sont pris en considération pour l'interprétation et l'application des droits constitutionnels, notamment la liberté personnelle et le droit au mariage ( art. 54 Cst. ), qu'en tant qu'ils les concrétisent (voir ATF 119 II 267 consid. 4, ATF 119 Ia 73 consid. 3a, ATF 114 Ia 282 consid. 3). Comme l'expose pertinemment la juridiction cantonale, les normes conventionnelles invoquées protègent le citoyen contre les atteintes que l'on pourrait porter, en particulier, au respect de sa vie familiale ou à son droit de contracter mariage. Si, dans certaines circonstances, l' art. 8 CEDH impose à l'Etat une obligation - positive - d'agir, sous la forme de la délivrance d'une autorisation de séjour ( ATF 118 Ib 152 consid. 4a, 157), il ne confère en revanche aucun droit à l'obtention de prestations sociales de l'Etat ( ATF 113 V 32 ; WILDHABER, Internationaler Kommentar zur Europäischen Menschenrechtskonvention, notes 136 et 378 ad art. 8 CEDH ; HOTTELIER, La Convention européenne des droits de l'homme dans la jurisprudence du Tribunal fédéral, thèse Genève 1985, p. 99, note 40). BGE 120 V 1 S. 5 La perte de droits ou d'avantages découlant de lois fiscales ou d'assurances sociales, en raison du mariage, ne viole pas la CEDH (VELU/ERGEC, La Convention européenne des droits de l'homme, Extrait du Répertoire pratique du droit belge, Complément, tome VII, 1990, p. 575, no 703; sur la portée de la jurisprudence des organes de la CEDH relative aux liens familiaux: JACOT-GUILLARMOD, Les liens familiaux dans la jurisprudence de Strasbourg, in: Problèmes de droit de la famille, Recueil de travaux publiés par la Faculté de droit et des sciences économiques de l'Université de Neuchâtel, 1987, p. 79 ss). C'est ainsi que le droit de se marier et de fonder une famille n'est pas dépouillé de sa substance par l'imposition des époux prévue à l' art. 13 AIFD , laquelle n'est pas dirigée contre la conclusion du mariage en tant que telle, même s'il peut en résulter une charge fiscale sensiblement plus élevée pour les personnes mariées par rapport aux couples vivant en union libre (RDAF 1991 p. 464 consid. 4). De même, le fait que la LAVS ne prévoit pas le droit à la rente de veuf ne viole pas l' art. 8 CEDH ; n'est pas non plus contraire à cette disposition l'existence de méthodes de calcul différentes pour les rentes d'orphelins de mère et les rentes d'orphelins de père (arrêt en la cause D. du 5 mai 1993). b) L'interdiction de toute discrimination formulée par l' art. 14 CEDH ne peut, quant à elle, être invoquée que lorsqu'une discrimination touche à la jouissance des autres libertés reconnues dans la convention (VILLIGER, Handbuch der Europäischen Menschenrechtskonvention [EMRK], p. 378, note 632; HAEFLIGER, Die Europäische Menschenrechtskonvention und die Schweiz, Berne 1993, p. 257 s.; MEYER-BLASER, loc.cit. p. 456; ATF 118 Ia 347 consid. 3a, ATF 105 V 3 ; RCC 1991 p. 436). Du moment que les griefs invoqués par les recourants échappent au domaine d'application de la convention, une violation de l' art. 14 CEDH est d'emblée exclue en l'espèce (cf. RDAF 1991 p. 466 consid. 4c). 3. Sur le plan de la procédure, les recourants font valoir que l'autorité cantonale, qui a statué sans audience publique, a violé le principe de la publicité des débats énoncé par l' art. 6 ch. 1 CEDH . a) Selon l' art. 6 ch. 1 CEDH , toute personne a droit à ce que sa cause soit entendue équitablement, publiquement et dans un délai raisonnable, par un tribunal indépendant et impartial, lorsque le tribunal statue sur des droits et obligations de caractère civil. Savoir si une procédure met en cause des droits et obligations de caractère civil au sens de cette disposition - critère déterminant pour l'applicabilité de celle-ci - dépend de la nature des droits et obligations BGE 120 V 1 S. 6 invoqués et non du genre de procédure - administrative ou civile - qui est ouverte au justiciable. Sur ce point, les organes de la convention se prononcent librement, sans égard aux conceptions du droit national de l'Etat défendeur ( ATF 115 V 254 consid. 4c et les références citées). En matière d'assurance sociale, la Cour européenne des droits de l'homme a tout d'abord reconnu l'applicabilité de l' art. 6 ch. 1 CEDH dans une affaire portant sur le versement d'allocations d'assurance-maladie selon la législation hollandaise (arrêt Feldbrugge du 29 mai 1986, Publications de la Cour européenne des droits de l'homme, Série A, vol. 99), ainsi que dans un litige relatif à une pension complémentaire de veuve de l'assurance-accidents selon le régime de la sécurité sociale allemande (arrêt Deumeland du 29 mai 1986, Série A, vol. 100). Dans les deux cas, elle a estimé que la nature personnelle et patrimoniale du droit contesté, le rattachement de celui-ci aux rapports de travail, ainsi que les affinités avec une assurance de droit commun, l'emportaient sur les aspects de droit public considérés (caractère de la législation, caractère obligatoire de l'assurance, prise en charge de la protection sociale par la puissance publique). Ultérieurement, la Cour a déclaré que l' art. 6 ch. 1 CEDH était applicable de manière générale aux litiges en matière de prestations d'assurance sociale ou d'assistance sociale, eu égard à la diversité dans la manière pour les Etats membres de concevoir dans leur législation et leur pratique la nature du droit aux prestations d'assurance sociale et compte tenu du principe d'égalité de traitement qui imposait, dans ces conditions, une uniformité dans l'applicabilité de l' art. 6 ch. 1 CEDH (arrêt Salesi du 26 février 1993, Série A, vol. 257 C; KLEY-STRULLER, Art. 6 EMRK als Rechtsschutzgarantie gegen die öffentliche Gewalt, Zurich 1993, p. 33 s.). Dans l'arrêt Schuler-Zgraggen du 24 juin 1993 (Série A, vol. 263), la Cour a, conformément à l'arrêt précédent, déclaré applicable l' art. 6 ch. 1 CEDH aux procès en matière de prestations de l'assurance-invalidité suisse. Tirant les conséquences de ces derniers développements de la jurisprudence européenne, le Tribunal fédéral des assurances a récemment tranché la question - jusqu'alors laissée ouverte (cf. ATF 115 V 254 consid. 4c, d et les références) - de l'applicabilité de l' art. 6 ch. 1 CEDH au contentieux de l'assurance sociale en général. Il a ainsi jugé que les garanties de procédure prévues par cette disposition s'étendaient à toutes les branches de l'assurance sociale suisse, dans les litiges en matière de prestations; il a laissé indécise la question de l'applicabilité de l' art. 6 ch. 1 CEDH aux autres contestations, BGE 120 V 1 S. 7 notamment celles en matière de cotisations ou de primes ( ATF 119 V 375 ; cf. également SCHWEIZER, Die schweizerischen Gerichte und das europäische Recht, RDS 112 [1993] II p. 678). A l'avenir, les litiges relatifs à des prestations d'assurance sociale devront donc satisfaire - notamment en procédure cantonale - aux exigences de l' art. 6 ch. 1 CEDH . Il est à relever, à ce propos, que la garantie de la publicité des débats vise, en priorité, le contentieux devant l'autorité judiciaire de première instance (HAEFLIGER, op.cit., p. 153 en bas). b) En matière d'AVS, la procédure de recours devant l'autorité cantonale est réglée par les cantons, sous réserve d'exigences minimales fixées par l' art. 85 al. 2 LAVS . Selon l' art. 85 al. 2 let . e LAVS, le juge ordonne des débats "si les circonstances le justifient". L'art. 15 al. 2 de la loi cantonale vaudoise sur le Tribunal des assurances (LTA; RSV 2.2/A) prévoit, sans autres précisions ou conditions, que le président "peut ordonner des débats". L' art. 85 al. 2 let . e LAVS, ainsi que les éventuelles règles adoptées par les cantons en exécution de cette disposition, doivent, sur le vu de ce qui a été dit plus haut, être interprétés en fonction des garanties de l' art. 6 ch. 1 CEDH , relatives à la publicité des débats. Ce dernier principe vise non seulement la présence des parties aux débats judiciaires, mais aussi celle du public en général. Il protège le justiciable contre une justice secrète échappant au contrôle de la population. Il doit permettre à celle-ci de prendre connaissance de la manière dont la loi est appliquée et du déroulement de la procédure; le public doit pouvoir suivre directement la procédure et être ainsi en mesure d'exercer son contrôle. Il s'agit, en effet, d'assurer la transparence dans l'administration de la justice et de préserver la confiance des citoyens dans les tribunaux. Fondé sur l'Etat de droit et les règles démocratiques, le principe de la publicité interdit le huis clos, du moins en l'absence de motifs tirés de la sécurité de l'Etat, de la moralité, de l'ordre public ou d'intérêts privés dignes de protection ( ATF 119 Ia 104 consid. 4a et les références). L'art. 6 ch. 1 de la convention prévoit d'ailleurs des exceptions au principe de la publicité, dans l'intérêt de la moralité, de l'ordre public ou de la sécurité nationale, ou lorsque les intérêts des mineurs ou la protection de la vie privée des parties au procès l'exigent, ou encore lorsque dans des circonstances spéciales la publicité serait de nature à porter atteinte aux intérêts de la justice (cf. ATF 119 Ia 104 consid. 4 et les références). c) Dans l'affaire Schuler-Zgraggen, déjà citée, la requérante dénonçait l'absence de débats devant le Tribunal fédéral des assurances. La Cour BGE 120 V 1 S. 8 européenne des droits de l'homme a rappelé que la publicité des débats judiciaires constituait un principe fondamental consacré par l' art. 6 ch. 1 CEDH . Ni la lettre ni l'esprit de ce texte n'empêchent une personne d'y renoncer de son plein gré de manière expresse ou tacite, mais pareille renonciation doit être non équivoque et ne se heurter à aucun intérêt public important (confirmé par l'arrêt Zumtobel du 21 septembre 1993, Série A, vol. 268 A). Elle a cependant rejeté le grief tiré d'un manquement aux exigences de l' art. 6 CEDH en matière d'oralité, considérant que: - le règlement du Tribunal fédéral des assurances ménageait en termes exprès la possibilité de débats "à la requête d'une partie ou d'office" (art. 14 al. 2 RTFA); - la requérante n'avait pas sollicité d'audience publique et l'on pouvait considérer qu'elle avait renoncé sans équivoque à son droit à une telle audience; - le différend (relatif à des prestations de l'assurance-invalidité) ne soulevait pas des questions d'intérêt public rendant nécessaires des débats; - le litige, hautement technique, se prêtait mieux à des écritures qu'à des plaidoiries; - son caractère médical et intime aurait sans doute dissuadé l'intéressée de souhaiter la présence du public; - en matière d'assurances sociales, les autorités nationales tiennent compte d'impératifs d'efficacité et d'économie, de sorte que l'organisation systématique de débats pourrait constituer un obstacle à "la particulière diligence" requise en matière d'assurance sociale et, à la limite, empêcher le respect du "délai raisonnable" visé à l' art. 6 ch. 1 CEDH . d) Sur la base de ces considérations, il y a lieu de constater que l'obligation d'organiser des débats - en première et en dernière instance - dans le contentieux de l'assurance sociale suppose une demande explicite ou tacite du plaideur, sous réserve d'un intérêt public important (cf. également JACOT-GUILLARMOD, Le juge suisse face au droit européen, RDS 112 [1993] II p. 484; MEYER-BLASER, loc.cit. p. 461, note 13). Saisi d'une telle demande, le tribunal examinera encore s'il convient de renoncer à des débats, au regard des critères rappelés ci-dessus, notamment de l'exigence de la rapidité de la procédure (voir par exemple les art. 85 al. 2 let. a LAVS , 108 al. 1 let. a LAA et 73 al. 2 LPP) et de la nature du litige. En tout cas, l'organisation systématique d'audiences dans les procès en matière d'assurance sociale irait à l'encontre des impératifs d'efficacité et d'économie évoqués par la Cour (voir à ce sujet: VILLIGER, op.cit., p. 452 en haut; SCHÜRMANN, Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte - Chronik der Rechtsprechung [1.1.-30.6.1993], PJA 1993, BGE 120 V 1 S. 9 p. 1291). Ce dernier aspect doit tout particulièrement être pris en considération en cas de recours manifestement irrecevable ou manifestement mal fondé (voir par exemple l' art. 36a OJ ). e) Sous chiffre 12 de leur mémoire de recours de droit cantonal, les recourants ont invoqué le principe de la publicité des débats consacré par l' art. 6 ch. 1 CEDH . La juridiction cantonale a considéré qu'ils n'avaient, formellement, pris aucune conclusion tendant à la tenue d'une audience publique, de sorte qu'il n'y avait pas lieu d'en organiser une. Un tel formalisme n'a toutefois pas cours dans le contentieux de l'assurance sociale (cf. art. 85 al. 2 let. a LAVS ). Le passage précité du mémoire des recourants devait, indiscutablement, être interprété comme une demande, au moins implicite, de débats. Peu importe que cette demande n'ait pas été reprise et formulée explicitement dans les conclusions du recours. En l'espèce toutefois, il n'y a pas eu violation du principe de la publicité des débats. Le litige portait sur une question à caractère exclusivement juridique, pour laquelle une procédure écrite était la mieux appropriée. De plus, le recours était manifestement infondé du moment que les décisions litigieuses étaient à l'évidence conformes à la LAVS et que, selon les principes constitutionnels, le juge, on l'a vu, n'est pas habilité à contrôler la constitutionnalité d'une loi fédérale. Dans des situations de ce genre, la tenue systématique d'audiences ne ferait que retarder sans raison le cours de la justice. f) En conclusion, le grief tiré d'une violation de l' art. 6 ch. 1 CEDH est mal fondé. 4. On peut se demander si, implicitement, les recourants ne demandent pas aussi des débats publics devant le Tribunal fédéral des assurances. Quoi qu'il en soit, il n'y a pas lieu d'en ordonner dans le cas particulier, pour les mêmes motifs que ceux exposés ci-dessus. Dispositiv Par ces motifs, le Tribunal fédéral des assurances prononce: Le recours est rejeté.
null
nan
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1,994
CH_BGE
CH_BGE_007
CH
Federation
c62f6072-c481-4b66-8d09-8b0c7f443db0
Urteilskopf 109 V 161 31. Extrait de l'arrêt du 11 novembre 1983 dans la cause Office fédéral des assurances sociales contre Geissmann et Tribunal des assurances du canton de Vaud
Regeste Art. 18 Abs. 2 und Art. 23 Abs. 1 AHVV . - Die Frage, ob eine Liegenschaft zum Geschäftsvermögen eines Versicherten gehört, ist eine Rechtsfrage, die das Eidgenössische Versicherungsgericht frei prüft. - Bewertung des im Betrieb eines Immobilienhändlers arbeitenden Eigenkapitals. Die Ausscheidung der zum Betriebsvermögen und der zum Privatvermögen gehörenden Liegenschaften darf sich nicht auf ein einziges Kriterium stützen, sondern hängt von den gesamten Umständen des konkreten Falles ab. Man kann jedenfalls nicht a priori einzig die vom Versicherten veräusserten Liegenschaften als Geschäftsvermögen betrachten. - Anwendbare Normen für die Bewertung der Liegenschaften, die zum im Betrieb arbeitenden Eigenkapital gehören.
Erwägungen ab Seite 162 BGE 109 V 161 S. 162 Considérant en droit: 4. a) Aux termes de l'art. 18 al. 2 seconde phrase RAVS, le capital propre est évalué selon les dispositions de la législation sur l'impôt pour la défense nationale (impôt fédéral direct depuis le 1er janvier 1983; RO 1982 144) et arrondi aux 1'000 francs immédiatement supérieurs. L' art. 23 al. 1 RAVS dispose qu'il incombe aux autorités fiscales cantonales de calculer ce capital en se fondant sur la taxation passée en force de l'impôt cantonal adaptée aux normes de l'impôt pour la défense nationale, puis de communiquer le résultat de leur calcul à la caisse de compensation. La base du capital propre, déterminante dans le temps, est fixée - à défaut d'une prescription spéciale de la LAVS - d'après les règles juridiques concernant l'impôt sur la fortune. Selon ces règles, on considère comme jour déterminant pour l'estimation de la fortune le premier jour après la fin de la période de calcul (art. 8 et 30 AIN; depuis le 1er janvier 1983: AIFD). Dans la pratique, on ne tient compte, par conséquent, que des éléments de fortune qui étaient engagés dans l'exploitation le 1er janvier de l'année qui suit la période de calcul. Ceci vaut pour l'estimation du capital propre selon les procédures ordinaire et extraordinaire de fixation des cotisations (RCC 1981 p. 359 consid. 2a). b) Toutefois, la qualification d'un élément de fortune comme fortune privée ou fortune commerciale est souvent sans importance du point de vue fiscal. Dans ces cas-là, la communication du fisc ne constitue pas une base sûre pour la fixation des cotisations, si bien que la question doit être jugée dans la procédure relative à la fixation des cotisations (RCC 1983 p. 373 consid. 4c, 1981 p. 325 consid. 2b, 1979 p. 271 consid. 2b). Pour la qualification, en matière de cotisations AVS, d'éléments de la fortune, on se fonde sur la jurisprudence concernant la délimitation entre fortune privée et capital commercial, lorsqu'il s'agit d'impôt sur des gains en capital selon l' art. 21 al. 1 let . d AIFD. D'après cette jurisprudence, le critère décisif permettant d'attribuer un actif au capital commercial est que cet actif a été acquis à des fins commerciales ou qu'il sert effectivement à la marche de l'entreprise. Dans les cas douteux, on jugera sur la base BGE 109 V 161 S. 163 de l'ensemble des circonstances. Le fait qu'un actif tienne lieu, par exemple, de réserve pour l'entreprise et ne serve, en cette qualité, qu'indirectement à celle-ci, n'implique pas encore son transfert au capital commercial. Un élément du patrimoine ne devient pas non plus partie intégrante de la fortune commerciale du simple fait que le produit de sa réalisation est mis à disposition de l'entreprise. La volonté d'un contribuable, telle qu'elle se manifeste dans sa façon de passer ses écritures comptables (inscription du bien dans les actifs commerciaux ou au contraire distraction du bien de ces actifs), est généralement un indice important pour l'attribution fiscale d'un bien (RCC 1981 p. 325 consid. 2b et les arrêts cités). En ce qui concerne plus spécialement l'attribution d'un immeuble à la fortune commerciale ou à la fortune privée, la jurisprudence du Tribunal fédéral relative à l' art. 21 al. 1 let . d AIFD a élaboré certains critères qu'il n'est pas nécessaire de reproduire ici (cf. notamment MASSHARDT/GENDRE, Comm. IDN [éd. 1980], p. 132 ss n. 124 ad art. 21 AIN, et RYSER, Dix leçons introductives au droit fiscal [2e éd. 1980], p. 148 ss, ainsi que la jurisprudence citée par ces auteurs), mais auxquels il convient en principe de se référer pour décider, dans la procédure en fixation des cotisations AVS/AI/APG, si un bien immobilier fait partie du capital propre engagé dans l'exploitation, au sens de l' art. 9 al. 2 let . e LAVS (RCC 1980 p. 411 consid. 3b). La distinction est particulièrement difficile à faire dans le cas où l'immeuble appartient à un assuré qui pratique le commerce de biens immobiliers à titre professionnel. Examinant le problème sous l'angle du droit fiscal, un auteur, cité par l'intimé dans sa réponse au recours, soutient qu'elle est même "pratiquement impossible" dans la mesure où un commerçant est prêt à saisir toute occasion de mettre son immeuble en vente (RIVIER, Droit fiscal suisse. L'imposition du revenu et de la fortune, p. 145). La jurisprudence est toutefois plus nuancée puisqu'elle considère que le seul fait qu'un assuré pratique le commerce d'immeubles n'est pas décisif quand il s'agit de savoir si tel ou tel immeuble a un caractère privé ou commercial. On ne saurait présumer d'emblée, en effet, qu'un assuré revendra un immeuble, à moins que cette hypothèse ne soit corroborée par des indices (RCC 1979 p. 272). c) En l'espèce, il ressort des explications données par le témoin E. que les montants communiqués à la caisse de compensation par le fisc vaudois, au titre de capital propre engagé dans l'exploitation, ont été fixés en fonction de la valeur fiscale - c'est-à-dire BGE 109 V 161 S. 164 la valeur officielle inscrite au registre foncier - des seuls immeubles aliénés par l'intimé au cours de l'année considérée. Autrement dit, l'administration fiscale s'est fondée sur un critère unique, l'aliénation d'un immeuble, pour décider son attribution à la fortune commerciale de l'assuré. Les premiers juges, tout en estimant que ce procédé pouvait "apparaître entaché d'artifice", ont néanmoins considéré qu'il devait être approuvé parce que "conforme à une pratique du fisc communément admise". d) Savoir si un immeuble entre dans la fortune privée ou dans la fortune commerciale d'un assuré est une question de droit que le Tribunal fédéral des assurances revoit librement, sans être lié par l'opinion de l'autorité cantonale de recours (RDAF 1981 p. 222 consid. 2 in fine). Comme cela résulte des principes exposés ci-dessus, la distinction entre immeubles appartenant au patrimoine commercial, c'est-à-dire au capital propre engagé dans l'exploitation au sens de la législation sur l'AVS, et immeubles rentrant dans la fortune privée d'un assuré, ne saurait se fonder sur un critère unique mais dépend de l'ensemble des circonstances du cas concret. On ne saurait donc considérer, a priori, comme entrant dans la fortune commerciale les seuls immeubles vendus, de même que l'on ne peut se contenter d'inclure dans celle-ci les seuls biens immobiliers qui demeurent en possession de l'assuré à la date déterminante (cf. RCC 1983 p. 372 consid. 4a). De plus, le critère retenu en l'occurrence par l'autorité fiscale était assurément mal choisi puisque, comme n'ont pas manqué de le remarquer les juges cantonaux, il vide pratiquement de son sens la règle selon laquelle le jour déterminant pour évaluer le capital investi dans l'entreprise est le 1er janvier de l'année qui suit l'échéance de la période de calcul (let. a ci-dessus). Par ailleurs, en ne retenant que la valeur officielle inscrite au registre foncier, décisive en droit fiscal vaudois, la commission d'impôt du district de Lausanne a méconnu l' art. 23 al. 1 RAVS qui lui prescrivait de tirer le capital propre engagé dans l'entreprise de la taxation passée en force de l'impôt cantonal adaptée aux normes de l'impôt pour la défense nationale. Les normes en question figurent à l' art. 31 AIFD , dans l'ordonnance du Département fédéral des finances et des douanes sur l'estimation des immeubles selon l' art. 31 AIFD du 14 octobre 1958 (RS 642.112) et dans les règles concernant l'estimation des immeubles, édictées par l'Administration fédérale des contributions en application de l'art. 9 de l'ordonnance précitée ( ATF 98 V 92 consid. 2; cf. en BGE 109 V 161 S. 165 outre le ch. m. 26 des directives de l'Office fédéral des assurances sociales aux administrations fiscales concernant la procédure de communication du revenu aux caisses de compensation, annexe 3 aux directives sur les cotisations des travailleurs indépendants et des non-actifs, valables dès le 1er janvier 1980). Ainsi, pour la 16e période IDN, ces dispositions prescrivaient, pour l'estimation de la valeur des immeubles non agricoles dans le canton de Vaud, en règle générale, un coefficient correctif de 110% (Archives 39 p. 510), alors que pour les 17e et 18e périodes IDN, on pouvait se fonder sur la taxe cadastrale pour les immeubles qui avaient fait l'objet d'une estimation récente (Archives 41 p. 575 et 43 p. 568). e) Dans le cas particulier, la Cour de céans ne peut se prononcer en connaissance de cause sur la valeur exacte du capital qui a été, le cas échéant, investi par l'intimé dans son commerce d'immeubles pendant les diverses périodes de calcul visées par les décisions litigieuses. Il faudrait connaître, en effet, les données sur lesquelles s'est basée l'autorité fiscale, telles que la composition du patrimoine immobilier de l'assuré, la taxation cantonale dont il a fait l'objet et les mutations survenues au cours des années. Or, ce sont autant de points sur lesquels n'a pas porté l'instruction, l'autorité inférieure s'étant bornée à recueillir les déclarations des parties et du témoin E., sans ordonner la production des dossiers fiscaux de l'intéressé. Pourtant, la caisse elle-même, dans une lettre adressée le 27 octobre 1981 à la juridiction cantonale, à l'issue de l'audience d'instruction du 21 octobre 1981, écrivait: "Dans l'état actuel des choses, seule l'autorité fiscale supérieure pourrait déterminer avec précision le montant du capital propre investi depuis l'année 1970 par M. Geissmann dans toutes ses opérations immobilières." Force est dès lors d'inviter la caisse de compensation, à laquelle le dossier doit de toute manière être renvoyé, à fixer à nouveau le montant du capital propre sur lequel doit être calculé l'intérêt déductible du revenu, au taux prescrit par l' art. 18 al. 2 RAVS . S'il y a lieu, elle devra procéder comme il est dit aux ch. m. 103a et 148a des directives sur les cotisations des travailleurs indépendants et des non-actifs.
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c634442a-af87-4924-921b-fe98645a0c51
Urteilskopf 99 V 12 3. Extrait de l'arrêt du 9 mai 1973 dans la cause Pianaro contre Caisse nationale suisse d'assurance en cas d'accidents et Tribunal des assurances du canton de Neuchâtel
Regeste Art. 71 Abs. 1 KUVG , Art. 12 VwG. Die Verwendung unrechtmässig erwirkten Beweismaterials ist nur dann unzulässig, wenn es nicht rechtmässig hätte beschafft werden können (hier: Muskelfasern, die ohne Einwilligung der Hinterlassenen des Versicherten von dessen Leiche entnommen wurden).
Erwägungen ab Seite 12 BGE 99 V 12 S. 12 Extrait des considérants: La recourante demande que soit éliminée du dossier l'analyse du prélèvement musculaire, ce moyen de preuve ayant été obtenu d'une manière illicite et qui, de plus, l'avait privée de ses possibilités de défense. a) Il est constant que la Caisse nationale a chargé le Dr B. d'opérer un prélèvement musculaire sur le corps du défunt, à des fins d'analyse, sans requérir l'assentiment des proches. Ceux-ci n'ont appris le prélèvement qu'après coup, ainsi qu'en témoigne un entretien téléphonique du lendemain 9 mars (1971) entre le frère du défunt et un fonctionnaire de la Caisse nationale. Plainte pénale a été déposée par la veuve le 2 juillet 1971 pour atteinte à la paix des morts. Dans sonjugement du 5 avril 1972, le Tribunal de police du district de La Chaux-de-Fonds a considéré BGE 99 V 12 S. 13 que le fonctionnaire de la Caisse nationale responsable du prélèvement paraissait avoir commis objectivement le délit de soustraction d'une partie d'un cadavre humain au sens de l'art. 262 al. 2 CP; qu'il était douteux qu'il pût se prévaloir de l'art. 32 CP, selon lequel ne constitue pas une infraction l'acte ordonné par un devoir de fonction ou que la loi déclare permis; que le prévenu pouvait toutefois être mis au bénéfice de l'erreur de droit selon l'art. 20 CP, sa façon d'agir répondant en de telles circonstances à une pratique courante qui n'avait provoqué jusqu'alors ni réaction ni plainte de la part de ceux qui auraient pu se sentir blessés dans leurs sentiments intimes, et qu'il devait donc être libéré. b) L'art. 71 al. 1 LAMA dispose que, sitôt informée de l'accident, la Caisse nationale en fait constater les circonstances, les causes et les suites; elle peut à cet effet avoir recours aux autorités cantonales. L'art. 12 LPA, qui lui est applicable, précise qu'elle constate les faits d'office et procède s'il y a lieu à l'administration de preuves, notamment par expertises; enfin, l'art. 13 al. 1 LPA impose aux parties l'obligation de collaborer à la constatation des faits. Dans les circonstances de l'espèce, où seule une défaillance du conducteur pouvait expliquer l'accident - il n'est en effet nulle part question de verglas, mais tout au plus de route "légèrement givrée", et la voiture était par ailleurs munie de pneus à clous -, la température ambiante, le lieu et l'heure de l'accident devaient nécessairement faire penser au premier chef à un état d'ivresse. Aussi la Caisse nationale avait-elle non seulement la faculté, mais encore le devoir de vérifier l'hypothèse vraisemblable d'une alcoolémie. La police n'ayant pas ordonné de prise de sang (aucun tiers n'était impliqué dans l'accident, et le décès du conducteur éteignait toute poursuite pénale éventuelle selon les art. 55 et 91 al. 1 LCR) et le temps écoulé entre le moment de l'accident et celui où la Caisse nationale en a eu connaissance privant ce moyen courant d'investigation de la sûreté indispensable, seule demeurait possible l'analyse d'un prélèvement musculaire. Mais la Caisse nationale peut-elle ordonner un tel prélèvement de sa propre autorité et sans l'assentiment de proches? Les termes de l'art. 71 al. 1 LAMA n'excluent pas pareille faculté, mais ils ne l'octroient pas non plus expressément. Les travaux préparatoires de la loi ne fournissent guère de lumières sur ce point (FF 196 VI pp. 335 et 379; Bull. stén. CN 1908 pp. BGE 99 V 12 S. 14 133, 162, 467 et 468). Quant à l'art. 12 LPA, il ne précise pas la portée qu'il entend donner à la notion d'expertise et au pouvoir de l'administration d'y procéder. Là aussi, les travaux préparatoires ne sont d'aucun secours (FF 1965 II p. 1402; Bull. stén. CN 1966 p. 633). Le jugement cantonal relève à raison que la doctrine est partagée à propos de l'autopsie: certains auteurs reconnaissent à la Caisse nationale le droit d'ordonner une telle mesure (HAFTER, Revue pénale suisse 1940, p. 272; BIERI, Der strafrechtliche Schutz des Totenfriedens, thèse Fribourg 1954, pp. 92 à 94); d'autres nient ce droit ou le mettent en doute (GRAVEN, Fiches Juridiques Suisses no 348, p. 8; MAURER, Recht und Praxis, 2e éd., 1963, p. 178). Dans des arrêts déjà anciens, le Tribunal fédéral des assurances est manifestement parti de l'idée que la Caisse nationale ne pouvait ordonner une autopsie contre la volonté des proches (ATFA 1936 p. 27 et, en matière d'assurance militaire, ATFA 1942 p. 95); ces arrêts concernaient toutefois, non le problème de l'autopsie en soi, mais l'effet d'un défaut d'autopsie sur la charge de la preuve (voir à ce dernier propos la critique de MAURER, op.cit., p. 178). Il ne s'agit cependant pas, en l'occurrence, d'autopsie au sens usuel du terme - auquel cas la Caisse nationale s'efforce régulièrement d'obtenir l'assentiment préalable des ayants droit -, mais de simple prélèvement musculaire à seule fin de vérifier l'hypothèse vraisemblable de l'état d'ivresse. Il est permis de se demander si une intervention aussi minime doit être qualifiée d'autopsie partielle, comme l'admet le juge cantonal, ou si elle n'est pas plutôt le corollaire, en cas de décès, de la prise de sang effectuée sur un vivant, ainsi que la Caisse nationale le plaide à l'appui de sa pratique constante. Il est dès lors permis aussi, sans aucunement empiéter sur le domaine dujuge pénal, de se demander si un tel prélèvement en de telles circonstances constitue encore une soustraction d'une partie de cadavre. Mais, quelque compréhensible que soit le désir de la Caisse nationale de voir faire "une lumière définitive sur les compétences appartenant à l'assurance dans le cadre de l'art. 71 al. 1 LAMA", les questions soulevées n'exigent pas en l'espèce de réponse. c) Même en admettant que la Caisse nationale ne pouvait ordonner le prélèvement musculaire de sa propre autorité et sans l'assentiment des proches, voire qu'il y a eu infraction au sens de BGE 99 V 12 S. 15 l'art. 262 al. 2 CP, ainsi qu'en a jugé le Tribunal de police du district de La Chaux-de-Fonds, aucun motif n'exige que soit éliminé du dossier le moyen de preuve tiré de l'analyse du prélèvement. L'utilisation d'une preuve obtenue de manière illicite n'est en effet inadmissible que s'il était impossible de se la procurer par un moyen conforme au droit (RO 96 I 437). Ce principe jurisprudentiel a certes été posé en matière pénale où, comme le relève la recourante, l'ordre public commande impérativement que la lumière soit faite par tous les moyens possibles. Mais cet impératif vaut aussi, et même à plus forte raison encore, lorsqu'un ayant droit entend déduire des faits un droit à des prestations fondées sur le droit public. Eliminer un tel moyen du dossier serait d'ailleurs en contradiction flagrante avec les principes qui dominent la procédure de l'assurance sociale, à savoir celui de l'intervention d'office et celui de la libre appréciation des preuves par le juge. Or la preuve ici en cause pouvait être obtenue de façon indubitablement légale, ainsi que le constate et l'affirme le juge cantonal. Il serait d'ailleurs inadmissible qu'un canton pût refuser son concours, contrairement à l'art. 71 al. 1 LAMA, dans un cas où les circonstances rendent vraisemblable la commission d'un acte délictueux, même si le décès a éteint l'action pénale, lorsque l'ayant droit entend déduire des conséquences de cet acte un droit à des prestations de droit public. La recourante voit un déni de justice et une violation du droit d'être entendu dans le fait que, l'analyse ayant été faite à son insu, elle a été privée de ses possibilités de défense, en particulier de la faculté de faire effectuer un second prélèvement et de le faire analyser dans un autre laboratoire. Mais le juge cantonal relève à raison que de telles mesures n'auraient pu en rien ébranler les conclusions du rapport d'analyse. Même s'il devait y avoir eu informalité, on ne saurait admettre que les droits de la partie s'en seraient trouvés réduits d'une manière qui eussent pu modifier le sort de la cause.
null
nan
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1,973
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c634ad24-fb5c-4cc5-81b4-c2134e4c331c
Urteilskopf 138 III 646 97. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit civil dans la cause dame X. contre X. (recours en matière civile) 5A_324/2012 du 15 août 2012
Regeste Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen dem Eheschutzgericht und dem Massnahmengericht; Präzisierung der Rechtsprechung. Die vom Eheschutzgericht angeordneten Massnahmen dauern so lange fort, bis sie das Massnahmengericht abändert. Sofern kein Zuständigkeitskonflikt besteht, kann der Entscheid des Eheschutzgerichts sogar ergehen, nachdem die Scheidung rechtshängig gemacht wurde (E. 3).
Sachverhalt ab Seite 647 BGE 138 III 646 S. 647 A. Dame X., née en 1959, et X., né en 1966, se sont mariés le 20 août 1999 devant l'officier de l'état civil de Thalwil (ZH). Statuant sur mesures protectrices de l'union conjugale le 20 juillet 2009, le Tribunal de district de Wollerau (SZ) a notamment condamné l'époux au paiement d'une contribution d'entretien mensuelle de 11'200 fr. en faveur de son épouse. Le 4 juin 2009, soit antérieurement au prononcé des mesures protectrices de l'union conjugale, X. a déposé une demande en divorce devant le Tribunal civil de l'arrondissement de La Côte. Par requête de mesures provisionnelles déposée le 11 janvier 2011 devant la Présidente du Tribunal civil de l'arrondissement de La Côte, dame X. a notamment conclu à ce que son mari soit condamné à contribuer à son entretien à raison d'une pension de 13'300 fr. par mois, dès et y compris le 1 er juillet 2009. Le 31 janvier 2011, le mari a déposé des déterminations ainsi qu'une requête de mesures provisionnelles, concluant, avec suite de frais et dépens, au rejet des conclusions de la requête de mesures provisionnelles déposée par son épouse et à la libération du paiement de toute contribution d'entretien en faveur de celle-ci à compter du 1 er janvier 2010. Par ordonnance de mesures provisionnelles du 8 novembre 2011, la Présidente du Tribunal d'arrondissement a, entre autres, rejeté les requêtes de mesures provisionnelles des deux parties. Statuant le 6 février 2012 sur appel de chacun des époux, le Juge délégué de la Cour d'appel civile du Tribunal cantonal du canton de Vaud les a rejetés, confirmant ainsi l'ordonnance du 8 novembre 2011. B. Saisi d'un recours en matière civile de l'épouse, le Tribunal fédéral l'a rejeté en date du 15 août 2012. (résumé) Erwägungen BGE 138 III 646 S. 648 Extrait des considérants: 3. 3.1 La recourante sollicite avant tout une interprétation de l'arrêt 5A_139/2010, rendu le 13 juillet 2010 par la Cour de céans, estimant que cette jurisprudence créerait une confusion dans la répartition des compétences du juge des mesures protectrices et de celui du divorce. Soutenant que, dans l'hypothèse où le Tribunal fédéral devait considérer, au regard de ce dernier arrêt, que les mesures protectrices ordonnées par les tribunaux du canton de Schwyz ne perdureraient pas au-delà de l'ouverture de l'action en divorce formée le 4 juillet 2009, la recourante affirme que la décision entreprise devrait alors être réformée en ce sens qu'une contribution d'entretien lui soit accordée par voie de mesures provisionnelles avec effet rétroactif au jour du dépôt de la demande en divorce. 3.2 Le magistrat cantonal a jugé à cet égard que la jurisprudence invoquée par la recourante ne remettait pas en cause la jurisprudence constante du Tribunal fédéral selon laquelle, lorsque la compétence du juge des mesures protectrices de l'union conjugale a été fondée avant l'introduction de l'action en divorce, mais que la décision ne peut être rendue qu'après l'ouverture de l'action, les mesures protectrices de l'union conjugale restent en vigueur tant qu'elles n'ont pas été révoquées ou modifiées par le juge des mesures provisoires ( ATF 129 III 60 consid. 3; ATF 101 II 1 ). Dès lors que les conditions d'une modification des mesures protectrices n'étaient pas réalisées en l'espèce, la décision de mesures protectrices rendue le 20 juillet 2009 demeurait en vigueur, l'époux étant contraint de verser à la recourante une contribution mensuelle d'un montant de 11'200 fr. 3.3 3.3.1 La recourante dispose d'un intérêt à ce que la question soit clarifiée dès lors que, si la solution développée par le juge cantonal vaudois n'est pas suivie et que l'on s'en tient à l'arrêt 5A_139/2010, l'épouse aurait droit à sa pension de 11'200 fr. jusqu'au 4 juin 2009 seulement, date de l'ouverture de l'action en divorce. L'intimé pourrait ainsi prétendre ne pas avoir d'obligation de verser une contribution d'entretien au-delà de cette dernière date. 3.3.2 Dans l' ATF 129 III 60 , le Tribunal de céans a délimité les compétences respectives du juge des mesures protectrices et de celui des mesures provisionnelles lorsque l'action en divorce est introduite. Il BGE 138 III 646 S. 649 a tout d'abord rappelé les principes déjà dégagés par la jurisprudence et toujours applicables: le juge des mesures protectrices est compétent pour la période antérieure à la litispendance de l'action en divorce, tandis que le juge des mesures provisionnelles l'est dès ce moment précis; les mesures protectrices ordonnées avant la litispendance continuent toutefois de déployer leurs effets tant que le juge des mesures provisionnelles ne les a pas modifiées (consid. 2). Dans cet arrêt de principe, le Tribunal fédéral a ensuite tranché la question du sort de la procédure de mesures protectrices lorsque le juge des mesures provisionnelles est saisi: la procédure de mesures protectrices ne devient pas sans objet, le juge des mesures protectrices demeurant en effet compétent pour la période antérieure à la litispendance, et ce, même s'il ne rend sa décision que postérieurement (consid. 3). Dans l'arrêt 5A_139/2010, le Tribunal fédéral a considéré qu'il n'était pas arbitraire d'admettre l'incompétence du juge saisi d'une requête de modification des mesures protectrices introduite quelques jours seulement avant l'ouverture de l'action en divorce, la recourante n'ayant effectivement pas d'intérêt à obtenir une modification pour une durée de quelques jours (consid. 2.5). Le résumé de l' ATF 129 III 60 figurant au consid. 2.3 est cependant erroné. En vertu de la jurisprudence publiée aux ATF, la décision de mesures protectrices déploie ses effets - au-delà de la litispendance - jusqu'à ce que le juge des mesures provisionnelles l'ait modifiée ( ATF 101 II 1 p. 3 cité dans l' ATF 129 III 60 consid. 2); s'il n'y a pas de conflit de compétences, il importe peu que, en raison du temps nécessaire au traitement du dossier par le tribunal, la décision de mesures protectrices ait ainsi été rendue avant ou après la litispendance de l'action en divorce. Dès lors que, sous réserve du sort du présent recours examiné ci-après, le juge des mesures provisionnelles a rejeté les requêtes présentées par les époux, la contribution due par l'intimé à la recourante demeure régie par la décision de mesures protectrices de l'union conjugale du 20 juillet 2009, dite décision le condamnant à verser 11'200 fr. à l'intéressée.
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2,012
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c636412a-51d1-451c-bd4d-947cfa7aed37
Urteilskopf 107 Ib 341 60. Estratto della sentenza 7 ottobre 1981 della I Corte di diritto pubblico nella causa Carloni SA c. Emanuele Centonze SA, Stiftung für Personalfürsorge Reederi AG e Consiglio di Stato del Canton Ticino (ricorso di diritto amministrativo)
Regeste Gewässerverunreinigung; Haftungskonkurrenz bei mehreren Verursachern. Verwaltungsgerichtliches Verfahren. 1. Feststellende Teilverfügungen - nicht zu verwechseln mit den Zwischenverfügungen - sind mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde direkt und selbständig innert 30 Tagen anfechtbar ( Art. 106 Abs. 1 OG ; E. 1). 2. Hebt das Bundesgericht eine letztinstanzliche kantonale Verfügung wegen Verweigerung des rechtlichen Gehörs auf und weist es die Sache zur neuen Entscheidung an die kantonale Behörde zurück, so kann diese eine Partei im Vergleich zur aufgehobenen Verfügung stärker belasten (E. 2). 3. Reformatio in peius der angefochtenen Verfügung ( Art. 114 Abs. 1 OG ); Fehlen der erforderlichen Voraussetzungen im vorliegenden Fall (E. 3). 4. Unzulässigkeit der Anschlussbeschwerde im verwaltungsgerichtlichen Verfahren (E. 4).
Sachverhalt ab Seite 342 BGE 107 Ib 341 S. 342 Nel maggio del 1974, la società amministratrice dello stabile situato a Chiasso in via Guisan 23 e di proprietà della Stiftung für Personalfürsorge Reederei AG in Basilea ha incaricato la ditta Carloni SA in Bellinzona dei lavori di revisione della cisterna. Alla ditta Emanuele Centonze SA di Chiasso, cui era stato attribuito inizialmente il compito di vuotare il serbatoio per consentire l'esecuzione dei suddetti lavori, è poi stato impartito l'ordine di procedere a due riempimenti, il primo parziale ed il secondo totale. In seguito all'infiltrazione di circa 2000 litri di olio combustibile nel sottosuolo per l'esistenza di un foro nella vasca di contenimento, il Dipartimento delle opere sociali (DOS) ha attribuito alla ditta Centonze la responsabilità amministrativa dell'accaduto, obbligandola inoltre a rimborsare allo Stato gli importi da quest'ultimo anticipati per le misure di prevenzione e di risanamento. Questa decisione è stata però modificata su ricorso dal Consiglio di Stato che, con risoluzione del 21 novembre 1978, ha attribuito la responsabilità amministrativa in ragione di 1/3 ciascuna alla ditta Centonze, alla ditta Carloni e alla proprietaria dello stabile. Contro questa risoluzione, la ditta Carloni ha proposto ricorso presso il Tribunale federale che, con sentenza del 29 marzo 1979, ha accertato la violazione del diritto d'essere sentito della ricorrente, ha annullato la pronunzia impugnata ed ha rinviato gli atti al Governo cantonale per nuova decisione nel senso dei considerandi. Dopo aver chiamato in causa la ditta Carloni, il Consiglio di Stato - con risoluzione del 19 settembre 1979 - ha parzialmente accolto il ricorso 24 maggio 1976 della ditta Centonze, ha riannullato il provvedimento del DOS ed ha attribuito la responsabilità amministrativa dell'incidente alla ditta Centonze in ragione del 50%, alla ditta Carloni in ragione del 40% e alla proprietaria dell'immobile in ragione del 10%. L'importo esatto dovuto BGE 107 Ib 341 S. 343 sarebbe stato comunicato in seguito dal Dipartimento dell'ambiente. Con tempestivo ricorso di diritto amministrativo, la ditta Carloni ha impugnato anche questa seconda risoluzione del Consiglio di Stato, chiedendo al Tribunale federale di annullarla. Il Governo del Cantone Ticino ha proposto la reiezione del gravame. La ditta Centonze ha invece postulato anch'essa l'annullamento della decisione querelata con conseguente accoglimento del suo ricorso sottoposto il 24 maggio 1976 al Consiglio di Stato. Da parte sua, il Dipartimento federale dell'interno (DFI) ha chiesto addirittura che s'aggravi la responsabilità della ricorrente e che le si assegni in sostanza una quota superiore di partecipazione alle spese. Erwägungen Dai considerandi: 1. Con la risoluzione impugnata, il Governo ticinese s'è limitato ad accertare la responsabilità amministrativa delle ditte coinvolte, lasciando tuttavia al Dipartimento dell'ambiente l'incarico di comunicare "ai responsabili l'importo esatto da essi dovuto" (dispositivo n. 6). Trattasi pertanto d'una decisione parziale d'accertamento con cui l'autorità cantonale ha constatato l'esistenza e l'estensione di un obbligo di diritto pubblico. Una simile decisione, da non confondersi con quelle incidentali ai sensi degli art. 101 lett. a OG e 45 cpv. 1 PA, è impugnabile col ricorso di diritto amministrativo immediatamente e a titolo indipendente nel termine di 30 giorni previsto dall' art. 106 cpv. 1 OG ( DTF 100 Ib 431 /32, DTF 91 I 299 consid. 1; Rep. 1980, 2 consid. 1b; FF 1965 II 921e 924; GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, pag. 109; GYGI, Verwaltungsrechtspflege und Verwaltungsverfahren im Bund, I ediz., pag. 91; IMBODEN/RHINOW, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, n. 36, pag. 224 VI). Contrariamente a quel che la ricorrente assevera, ciò non significa tuttavia che la prossima decisione del Dipartimento le sarà intimata senza possibilità di difesa: questa nuova decisione sarà per contro ancora impugnabile, beninteso non nella misura in cui gradua la responsabilità amministrativa delle ditte coinvolte, ma nella misura in cui giustifica gl'importi richiesti. 2. Con la prima decisione, annullata dal Tribunale federale per violazione del diritto di essere sentito, il Consiglio di Stato BGE 107 Ib 341 S. 344 aveva posto a carico di ciascuna delle parti 1/3 delle spese sopportate, mentre nella successiva risoluzione esso ha aumentato la quota di spese pretesa dalla ditta Carloni, portandola al 40%. Ora la ricorrente sembra revocare in dubbio la legittimità di questo provvedimento, anche se i suoi accenni al riguardo non sono invero particolarmente motivati. Questi dubbi sono comunque infondati. a) Con la sentenza del 24 marzo 1979, il Tribunale federale ha annullato infatti l'intera decisione e non solo la parte della stessa riguardante la ditta Carloni (cfr. in senso analogo DTF 102 Ib 203 ove il detto Tribunale aveva annullato una risoluzione del Consiglio di Stato lucernese, rinviando gli atti per ulteriori accertamenti sulla responsabilità di un terzo non coinvolto inizialmente nel procedimento). Ne deve esser dedotto che, per principio e pur con eccezioni procedurali dipendenti da particolari eventi non ravvisabili in casu, l'ente pubblico ha il diritto al risarcimento di tutte le spese sopportate e fa valere questo diritto stabilendo un rapporto tra i vari responsabili della turbativa o della temuta turbativa. b) È evidente che il Consiglio di Stato, con la decisione impugnata, ha peggiorato la situazione della ditta ricorrente mettendole a carico il 40% delle spese, mentre in precedenza le aveva addossato soltanto un terzo delle stesse. Ci si può pertanto chiedere se, legittimamente, dopo la sentenza d'annullamento e rinvio da parte del Tribunale federale, un'istanza cantonale possa rendere una nuova decisione a pregiudizio dell'interessato. Il tema nei suoi aspetti generali può tuttavia rimanere aperto, dal momento che un reclamo per ritardata o denegata giustizia non ha effetto devolutivo e che l'annullamento della decisione ha luogo per motivi formali, senza che l'istanza di ricorso esamini l'aspetto materiale o sostanziale dei temi controversi (cfr. SALADIN, Das Verwaltungsverfahrensrecht des Bundes, pag. 205, n. 22.13). Ciò non impedisce pertanto all'istanza cantonale che ha piena cognizione - una volta ammessa come in concreto la parte all'esercizio del suo diritto di essere sentita - di rendere una nuova decisione, se del caso più onerosa rispetto alla precedente che è stata annullata. 3. Come già rilevato in ingresso, il DFI chiede addirittura che s'aggravi la responsabilità della ricorrente e che le si assegni in particolare una quota superiore di partecipazione alle spese: l'autorità federale postula quindi, in sostanza, una "reformatio in pejus". Questa domanda dev'essere respinta. BGE 107 Ib 341 S. 345 Giusta l' art. 114 cpv. 1 OG , il Tribunale federale non può scostarsi infatti dalle conclusioni delle parti a loro vantaggio o pregiudizio salvo in materia di contribuzioni pubbliche per violazione del diritto federale o per accertamento inesatto o incompleto dei fatti. Orbene l'onere per il perturbatore di sopportare le spese dell'intervento delle pubbliche autorità nella prevenzione dell'inquinamento non rientra nell'ambito delle contribuzioni pubbliche, che sono tasse, imposte, contributi di miglioria, contributi sostitutivi ecc. (cfr. GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, pag. 185). Nell'evenienza concreta si tratta per contro del risarcimento delle spese cagionate allo Stato da un comportamento particolare o dall'essere titolari di una situazione particolare: trattasi in sostanza del pagamento da parte dell'obbligato delle spese d'esecuzione d'ufficio sopportate dall'ente pubblico. D'altronde, anche se si volesse riconoscere alla pretesa un carattere contributivo, dovrebbe pur esser soggiunto che la decisione querelata - per i motivi che si vedranno in seguito - non è censurabile di violazione del diritto o d'accertamento inesatto dei fatti, cosicché la "reformatio in pejus" sarebbe comunque esclusa già per questo motivo (cfr. DTF 105 Ib 379 consid. 18a, 103 Ib 369). 4. Con la risposta al ricorso, la ditta Centonze postula anch'essa l'annullamento della decisione impugnata e chiede in particolare di essere prosciolta da ogni responsabilità. Anche questa domanda - negata l'esistenza dei presupposti legali per la "reformatio in pejus" - è irricevibile. Salvo eccezioni non date in concreto, la procedura del ricorso di diritto amministrativo non conosce infatti il ricorso adesivo: se del caso l'interessata avrebbe quindi dovuto ricorrere a titolo indipendente, rispettando i termini d'impugnazione previsti dall' art. 106 cpv. 1 OG (cfr. DTF 99 Ib 98 /99 consid. 1b).
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1,981
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c63d37f4-f4c5-4628-958f-1695ee4fa471
Urteilskopf 105 V 9 3. Urteil vom 9. März 1979 i.S. Ackermann gegen Ausgleichskasse Gewerbe St. Gallen und Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen
Regeste Witwenrente ( Art. 23 Abs. 1 lit. c AHVG ). - Eine Ehefrau gilt nach dem Tode ihres Mannes so lange als Witwe, als sie nicht wieder heiratet. - Pflegekinder, die von einer früheren Witwe nach ihrer Wiederverheiratung an Kindes Statt angenommen wurden, gelten nicht als "Kinder der Witwe".
Sachverhalt ab Seite 9 BGE 105 V 9 S. 9 A.- Die 1937 geborene Margrith Ackermann war in erster Ehe mit Arthur Ackermann verheiratet. Das Ehepaar Ackermann hatte während seiner Ehe Jörg K., geb. 22. April 1961, und Ursula I., geb. 16. Februar 1964, als Pflegekinder in den gemeinsamen Haushalt aufgenommen. Arthur Ackermann starb am 21. März 1968. Die Ausgleichskasse Gewerbe St. Gallen sprach den beiden Kindern ab 1. April 1968 je eine einfache Waisenrente und Margrith Ackermann eine einmalige Witwenabfindung zu. Am 5. Juni 1970 heiratete Margrith Ackermann J. S. Gemeinsam mit ihrem zweiten Ehemann adoptierte sie am 5. Juli 1973 die beiden Pflegekinder, womit deren Anspruch auf eine Waisenrente erlosch. Am 27. September 1977 wurde diese Ehe geschieden. Die beiden Adoptivkinder wurden Margrith Ackermann zugesprochen. In der Folge stellte diese ein Gesuch um Ausrichtung einer Witwenrente. Die Ausgleichskasse verneinte mit Verfügung vom 2. März 1978 einen diesbezüglichen Anspruch. B.- Gegen diese Verfügung beschwerte sich Margrith Ackermann beim Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, welches die Beschwerde am 20. September 1978 abwies. C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde erneuert Rechtsanwalt M. für Margrith Ackermann das Begehren, es sei ihr in BGE 105 V 9 S. 10 Anwendung von Art. 23 Abs. 1 lit. c AHVG eine Witwenrente auszurichten, eventuell sei gemäss Art. 114 OG die Sache zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz oder an die Ausgleichskasse zurückzuweisen. Sowohl die Ausgleichskasse als auch das Bundesamt für Sozialversicherung beantragen die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Erwägungen Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 1. Anspruch auf eine Witwenrente haben Witwen u.a. laut Art. 23 Abs. 1 lit. c AHVG , sofern im Zeitpunkt der Verwitwung eines oder mehrere Pflegekinder im Sinne von Art. 28 Abs. 3 AHVG im gemeinsamen Haushalt leben, die durch den Tod des Ehemannes Anspruch auf eine Waisenrente erwerben, und sofern der Ehemann unmittelbar vor dem Tode versichert war und zudem das oder die Pflegekinder von der Witwe an Kindes Statt angenommen werden. Der Anspruch erlischt mit der Wiederverheiratung, mit der Entstehung eines Anspruches auf eine einfache Altersrente oder mit dem Tode der Witwe ( Art. 23 Abs. 3 AHVG ). Nach Art. 46 Abs. 3 AHVV in Verbindung mit Art. 23 Abs. 3 AHVG lebt der Anspruch auf eine Witwenrente, der mit der Wiederverheiratung der Witwe erloschen ist, am 1. Tag des der Auflösung der Ehe folgenden Monats wieder auf, wenn die Ehe nach weniger als 10jähriger Dauer geschieden oder als ungültig erklärt wird. 2. Streitig ist, ob der Anspruch auf eine Witwenrente entstanden ist, obwohl die Beschwerdeführerin die Pflegekinder nicht im Zeitpunkt der Verwitwung, sondern erst nach der Wiederverheiratung zusammen mit ihrem zweiten Ehemann adoptiert hat. Entscheidend für die Beantwortung dieser Frage ist, welche Bedeutung dem Begriff der Witwe zukommt. Die Vorinstanz legt den Begriff der Witwe im Sinne von Art. 23 Abs. 1 lit. c AHVG so aus, dass darunter nur eine Frau zu verstehen ist, die sich nach dem Tode ihres Mannes nicht wieder verheiratet hat. Demgegenüber lässt die Beschwerdeführerin geltend machen, der Begriff der Witwe bezeichne nach dem allgemeinen Sprachgebrauch nicht nur eine verwitwete Frau, die nicht erneut geheiratet habe, sondern auch eine solche, die wieder verheiratet sei. Das gehe insbesondere auch aus Art. 23 Abs. 3 AHVG hervor, wo der Gesetzgeber ausführe, dass der BGE 105 V 9 S. 11 Anspruch auf eine Witwenrente wieder auflebe, wenn die neue Ehe der Witwe geschieden oder ungültig erklärt werde; hier gehe es offensichtlich ausschliesslich um Frauen, die nach ihrer Verwitwung wieder geheiratet hätten und nach Auffassung der Vorinstanz nicht mehr als Witwen bezeichnet werden könnten. Hätte der Gesetzgeber die Auffassung der Vorinstanz geteilt, hätte er von der neuen Ehe der ehemaligen Witwe sprechen müssen. Entgegen dieser Auffassung versteht man sowohl im allgemeinen Sprachgebrauch als auch im juristischen Sinne unter einer Witwe eine Ehefrau nach dem Tode ihres Mannes, solange sie nicht wieder geheiratet hat (vgl. u.a. BROCKHAUS, Enzyklopädie, Bd. 20, 1974). Das Familienbüchlein der Beschwerdeführerin enthält denn auch den Eintrag "Zivilstand vor der Trauung: verwitwet". Nach der zweiten Heirat würde er selbstverständlich "verheiratet" und nach der Scheidung "geschieden" lauten. Es trifft zwar zu, dass der Ausdruck "die neue Ehe der Witwe" in Art. 23 Abs. 3 AHVG ungenau ist, doch wollte der Gesetzgeber in diesem Artikel keineswegs eine andere Definition des Begriffes Witwe geben. Er hätte dies sonst auch sprachlich und gesetzestechnisch in einer anderen Weise getan. Dass in Art. 23 Abs. 3 AHVG keine andere Bedeutung der Witwe gemeint ist, wird besonders deutlich, wenn die französischen und italienischen Texte herbeigezogen werden. So lautet der betreffende Passus in der französischen Fassung: "en cas d'annulation ou de dissolution du second mariage..."; in der italienischen: "se le nuove nozze sono dichiarate nulle o vengono disciolte..." Diese Texte enthalten demnach nichts, was die Auslegung, die die Beschwerdeführerin dem deutschen Wortlaut geben möchte, stützen könnte. Unbehelflich ist sodann der Einwand, dass die Vorinstanz in ihrem Entscheid einmal den Ausdruck "wiederverheiratete Witwe" verwendete, da es sich dabei offensichtlich um eine verkürzte Ausdrucksweise zur Bezeichnung eines im Zusammenhang klaren Tatbestandes handelt. Ist daher unter einer Witwe eine Ehefrau nach dem Tode ihres Mannes, solange sie nicht wieder geheiratet hat, zu verstehen, so gilt auch als erstellt, dass die Beschwerdeführerin die in Art. 23 Abs. 1 lit. c AHVG genannte Voraussetzung der Adoption der Pflegekinder als Witwe nicht erfüllt. Vielmehr hat sie die beiden Kinder erst nach der zweiten Heirat, also als Verheiratete, BGE 105 V 9 S. 12 zusammen mit ihrem zweiten Ehemann adoptiert. Wie bereits die Vorinstanz zutreffend erläuterte, erhielten die Kinder damit die Rechtsstellung eigener Kinder der Adoptiveltern, so dass der Ehemann für die Kinder selbst nach einer Scheidung in erster Linie aufzukommen hat. Die in der zweiten Ehe der Beschwerdeführerin mit ihrem damaligen Ehemann adoptierten Kinder sind somit richtigerweise wie Kinder aus dieser geschiedenen Ehe zu behandeln. Anders ist indes die Lage, wenn eine Witwe die Pflegekinder adoptiert. Sie übernimmt in diesem Fall als Alleinstehende die Verpflichtung, für die Kinder aufzukommen. Die Fassung von Art. 23 Abs. 1 lit. c AHVG trägt diesem sachlichen Unterschied Rechnung. Es ist daher auch nicht etwa von einer Gesetzeslücke zu sprechen. Eine solche darf nach dem allgemeinen Grundsatz des Art. 1 Abs. 2 ZGB nur dann angenommen werden, wenn das Gesetz eine sich unvermeidlicherweise stellende Rechtsfrage nicht beantwortet ( BGE 99 V 21 mit Hinweisen). Aus dem Umstand, dass in Art. 23 AHVG die Fälle, in denen eine Witwenrente ausgerichtet wird, explizit aufgezählt sind, ist hingegen zu schliessen, dass in allen andern Fällen kein Anspruch besteht. Die unterschiedliche Behandlung einer nach ihrer Verwitwung wieder verheirateten Frau im Scheidungsfalle je nach dem, ob sie die Pflegekinder vor oder nach der abermaligen Eheschliessung adoptiert hat, ist somit als Absicht des Gesetzgebers zu betrachten. Da die Beschwerdeführerin aufgrund von Art. 23 Abs. 1 lit. c AHVG in keinem Zeitpunkt einen Anspruch auf eine Witwenrente erworben hat, stellt sich die Frage des Wiederauflebens eines solchen Anspruches im Sinne von Art. 46 Abs. 3 AHVV nicht. Dispositiv Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
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CH_BGE
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c63e7efe-6b7a-459e-a3c1-c166eae0876f
Urteilskopf 87 III 106 20. Sentenza 6 dicembre 1961 nella causa Vanetti.
Regeste 1. Ist ein Erbanteil gepfändet worden und unter den Beteiligten keine Einigung zustandegekommen, so hat die Aufsichtsbehörde ohne Rücksicht auf materiellrechtliche Einreden die Verwertung des Anteils auf einem der in Art. 132 Abs. 3 SchKG und in der Verordnung vom 17. Januar 1923 vorgesehenen Wege anzuordnen (Erw. 1). 2. Die Bestimmung von Art. 132 Abs. 3 SchKG , wonach die Aufsichtsbehörde nach Anhörung der Beteiligten entscheidet, bedeutet nicht, dass diese Behörde die Beteiligten neu vorzuladen habe, sondern nur, dass sie die von ihnen geäusserte Meinung berücksichtigen müsse (Erw. 2).
Sachverhalt ab Seite 106 BGE 87 III 106 S. 106 A.- Con atto del 5 dicembre 1960 l'Ufficio di esecuzione di Locarno procedette, in un'esecuzione promossa da Umberto e Felicita Banfi, al pignoramento della quota spettante all'escusso Mario Vanetti nella successione del padre Giovanni Vanetti, dandone comunicazione ai coeredi Sidonia, Angelo, Piera Maria e Natale Vanetti. Questi informarono l'Ufficio che l'escusso era da considerare estromesso dalla comunione, conformemente a quanto previsto dalle disposizioni testamentarie lasciate dal defunto. Ricevuta la domanda di vendita, l'Ufficio convocò gli interessati per l'esperimento di conciliazione previsto dall'art. 9 cpv. 1 del regolamento 17 gennaio BGE 87 III 106 S. 107 1923 sul pignoramento e la realizzazione di quote in comunione, esperimento che, per l'assenza dell'escusso e degli altri coeredi, non ebbe nessun esito. Lo stesso giorno, l'Ufficio diramò agli interessati, conforme al prescritto dell'art. 10 cpv. 1 del citato regolamento, l'invito a formulare entro dieci giorni le loro proposte circa il modo di realizzazione: trascorso infruttuoso il termine, trasmise gli atti all'autorità di vigilanza, chiedendo che questa ultima avesse a determinare il modo di realizzazione della quota pignorata, a'sensi dell'art. 10 cpv. 2 del regolamento. Ciò che l'autorità fece in data 8 novembre 1961, ordinando che la realizzazione avvenisse mediante pubblico incanto. B.- Contro tale decisione l'escusso e i suoi coeredi insorgono con il ricorso in esame, chiedendo la revoca dell'ordine di realizzazione e lo stralcio dal verbale di pignoramento della quota ereditaria di spettanza di Mario Vanetti. Nella motivazione del gravame i ricorrenti fanno presente che non esiste ormai più una quota di spettanza dell'escusso, quest'ultimo essendo stato integralmente tacitato dai coeredi con atto di divisione in data 3 gennaio 1961 e che, abbondanzialmente la misura disposta dall'autorità di vigilanza sarebbe comunque di nessun effetto, l'eventuale assegnatario della quota non potendo prevalere nei confronti degli altri coeredi in seguito alle chiare disposizioni di ultima volontà lasciate dal decujus. Inoltre, l'autorità di vigilanza, omettendo di interpellare gli interessati sull'istanza presentata dall'Ufficio, avrebbe violato il disposto dell'art. 132 cpv. 3 LEF. Erwägungen Considerando in diritto: 1. Il pignoramento, eseguito il 5 dicembre 1960, non fu impugnato da nessun interessato, e crebbe quindi regolarmente in giudicato. Secondo le allegazioni del ricorso, la divisione dell'eredità sarebbe intervenuta con atto del 3 gennaio 1961. Consegue che la comunione ereditaria era ancora esistente al momento del pignoramento BGE 87 III 106 S. 108 della quota, sicchè, per la realizzazione dell'oggetto pignorato, deve trovare applicazione l'art. 132 LEF. D'altra parte, gli organi esecutivi non sono chiamati e competenti a decidere questioni di diritto materiale, quali le eccezioni sollevate dai ricorrenti circa l'avvenuta liquidazione, in base alle disposizioni testamentarie, del coerede escusso e la conseguente inesistenza di una quota ereditaria a favore dello stesso. Sulla base dell'eseguito pignoramento ed in assenza di un accordo tra gli interessati, l'autorità di vigilanza deve ordinare la realizzazione della quota in uno dei modi indicati dall'art. 132 cpv. 3 LEF e dall'art. 10 del regolamento del 17 gennaio 1923 (RU 61 III 162; 62 III 27 ). L'assegnatario del diritto così realizzato non riceve infine nulla più di quanto la quota contestata, gravata di tutte le eccezioni sollevate circa la sua esistenza e consistenza, effettivamente valga. 2. A norma dell'art. 132 cpv. 3 LEF, l'autorità di vigilanza procede ai suoi incombenti "uditi gli interessati". Quest'ultima espressione non va presa alla lettera, nel senso che l'autorità di vigilanza debba nuovamente citare gli interessati per dar loro occasione di esporre verbalmente il loro punto di vista, dopo che l'Ufficio di esecuzione ha già provveduto a tale bisogna. Il precetto della legge vuole per contro significare solamente che l'autorità di vigilanza, nel dare il suo giudizio, è tenuta a considerare il parere espresso dagli interessati, e ciò indipendentemente dal verificarsi di una nuova udienza, che non potrebbe avere altro significato se non quello di un ulteriore esperimento di conciliazione. Una diversa interpretazione si urterebbe al tenore dell'art. 10 cpv. 1 del regolamento del 17 gennaio 1923, che esplicitamente attribuisce carattere facoltativo ai tentativi di conciliazione avanti l'autorità di vigilanza. Nel caso concreto, gli interessati non si presentarono all'esperimento di conciliazione, al quale erano stati regolarmente citati dall'Ufficio di esecuzione, ed un loro reclamo tendente ad ottenere che ne venisse indetto un secondo fu respinto dall'autorità di vigilanza BGE 87 III 106 S. 109 con decisione cresciuta in giudicato. Pure senza esito restò l'invito rivolto loro dall'Ufficio conformemente all'art. 10 cpv. 1 del regolamento, in seguito al quale essi avrebbero avuto la possibilità di comunicare nel termine di dieci giorni le loro proposte circa le misure da adottare per la realizzazione. Appare quindi evidente che l'autorità di vigilanza non ha violato la legge ritenendo superfluo un nuovo esperimento di conciliazione. D'altra parte, la decisione di ricorrere ai pubblici incanti quale modo di realizzazione della quota rientra, secondo l'art. 132 cpv. 3 LEF, nel potere di apprezzamento dell'autorità di vigilanza. Dispositiv La Camera di esecuzione e dei fallimenti pronuncia: Il ricorso è respinto.
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it
1,961
CH_BGE
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CH
Federation
c63ea30a-a043-4504-8665-4d67a8cd261a
Urteilskopf 107 IV 146 41. Urteil des Kassationshofes vom 11. Mai 1981 i.S. S. gegen Polizeirichteramt der Stadt Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste Art. 106 Abs. 3 SVG , § 15 Abs. 1 des zürcherischen Gesetzes über die Verkehrsabgaben und den Vollzug des Strassenverkehrsrechtes des Bundes vom 11. September 1966. Kantonalrechtliche Pflicht des Fahrzeughalters gegenüber der Polizei zur Bekanntgabe des Lenkers seines Fahrzeugs. Die dem Fahrzeughalter gemäss § 15 Abs. 1 des genannten zürcherischen Gesetzes auferlegte Pflicht, der Polizei Auskunft zu geben, wer das Fahrzeug geführt oder wem er es überlassen hat, ist ausschliesslich strafprozessualer Natur und stellt keine der Rechtssetzungskompetenz der Kantone entzogene Vorschrift des Strassenverkehrsrechts des Bundes dar (E. 2b, 3).
Sachverhalt ab Seite 147 BGE 107 IV 146 S. 147 A.- Am 9. Juni 1979, 03.08 Uhr, stellte das automatische Messgerät der Stadtpolizei Zürich fest, dass der Lenker des Personenautos ZH ... auf der Frankentalerstrasse in Zürich 10 die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h um 18 km/h überschritten hatte. Mit Verzeigungsvorbehalt wurde die als Halterin ermittelte Firma X. S.A. beziehungsweise deren verantwortlicher Leiter, Dr. S., aufgefordert, die Personalien des unbekannten Fahrzeuglenkers bekannt zu geben. Dieser weigerte sich auf polizeiliche Anfrage hin, den Namen eines auswärtigen Geschäftsfreundes, dem an diesem Abend das Automobil ausgeliehen wurde, aus "geschäftspolitischen Gründen" zu nennen. B.- Der Polizeirichter der Stadt Zürich bestrafte mit Verfügung vom 16. August 1979 Dr. S. wegen Aussageverweigerung gegenüber der Polizei mit einer Busse von Fr. 40.-- nebst Kosten gestützt auf §§ 15 Abs. 1 und 18 des kantonalen Gesetzes über die Verkehrsabgaben und den Vollzug des Strassenverkehrsgesetzes des Bundes vom 11. September 1966. Mit Urteil vom 30. April 1980 wurde diese Strafverfügung, deren gerichtliche Beurteilung S. verlangt hatte, vom Einzelrichter in Strafsachen am Bezirksgericht Zürich bestätigt. Dagegen erhob der Beschuldigte beim Obergericht des Kantons Zürich erfolglos Nichtigkeitsbeschwerde; diese wurde von der I. Strafkammer am 3. März 1981 abgewiesen. C.- Gegen diesen abweisenden Entscheid führt Dr. S. eidg. Nichtigkeitsbeschwerde und subsidiär staatsrechtliche Beschwerde. Mit der Nichtigkeitsbeschwerde wird Aufhebung des angefochtenen Entscheides und Rückweisung der Sache an das Obergericht zur Freisprechung des Beschuldigten unter Kosten- und Entschädigungsfolgen beantragt. Das Obergericht verzichtet auf Gegenbemerkungen. BGE 107 IV 146 S. 148 Erwägungen Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1. Der Beschwerdeführer macht geltend, mit dem Erlass des § 15 Abs. 1 des kantonalen Gesetzes über die Verkehrsabgaben und den Vollzug des Strassenverkehrsrechtes des Bundes, welcher eine allgemeine Auskunftspflicht des Motorfahrzeughalters gegenüber der Polizei - bei Zuwiderhandlung nach § 18 mit Haft oder Busse strafbar - statuiere, habe der Kanton Zürich seine Rechtssetzungskompetenz auf dem Gebiet des Strassenverkehrs überschritten. Die Art. 3 und 106 Abs. 2 und 3 SVG , die die Befugnisse der Kantone in diesem Bereich abschliessend regelten, erlaubten jenen nicht, den Haltern von Fahrzeugen zusätzliche Pflichten zu auferlegen. Vor allem sei gemäss Art. 106 Abs. 3 SVG den Kantonen die Zuständigkeit zum Erlass ergänzender Vorschriften über den Strassenverkehr in bezug auf Motorfahrzeuge, Fahrräder sowie Eisenbahnfahrzeuge entzogen worden. Mit der Anwendung des § 15 Abs. 1 des besagten Gesetzes habe die Vorinstanz somit gegen die Art. 3 und 106 Abs. 2 und 3 SVG verstossen, mithin eidgenössisches Recht verletzt. Diese Vorbringen sind im Rahmen des vorliegenden Verfahrens zulässig. Die Rüge, zu Unrecht sei kantonales statt Bundesrecht angewendet worden, kann mit Nichtigkeitsbeschwerde an das Bundesgericht erhoben werden. Insbesondere hat der Kassationshof zu entscheiden, ob ein bestimmter Tatbestand infolge qualifizierten Schweigens des eidg. Rechts auch nicht nach kantonalem Übertretungsstrafrecht geahnet werden soll ( BGE 104 IV 290 E. 2, 107; BGE 101 IV 376 ; BGE 89 IV 95 ). Auf die Nichtigkeitsbeschwerde ist daher einzutreten. 2. § 15 Abs. 1 des zürcherischen Gesetzes über die Verkehrsabgaben und den Vollzug des Strassenverkehrsrechtes des Bundes vom 11. September 1966 lautet: "Der Halter eines Motorfahrzeuges oder Fahrrades ist verpflichtet, der Polizei Auskunft zu geben, wer das Fahrzeug geführt oder wem er es überlassen hat. Vorbehalten bleibt das Recht, der Polizei in sinngemässer Anwendung der Bestimmungen der Strafprozessordnung über das Zeugnisverweigerungsrecht die Auskunft zu verweigern." a) Nach Auffassung der Vorinstanz handelt es sich bei dieser Vorschrift um eine auf die Bedürfnisse des Strassenverkehrs zugeschnittene Bestimmung strafprozessualen Charakters. Eine effiziente Strafverfolgung auf dem Gebiet des Strassenverkehrs erfordere, dass ihre Organe jederzeit die nötigen Auskünfte erhalten BGE 107 IV 146 S. 149 könnten. Da die Zürcher Strafprozessordnung der Polizei kein Recht zur Zeugeneinvernahme einräume, brauche es strafprozessuale Normen, welche die Polizeiorgane ermächtigten, Personen unter Aussagezwang einzuvernehmen. Der umstrittene § 15 Abs. 1 verfolge einzig diesen strafprozessualen Zweck. Er diene der den Kantonen durch Art. 103 Abs. 2 SVG übertragenen Strafverfolgung. b) Es ist unverkennbar, dass der im zweiten Satz enthaltene Hinweis auf die sinngemässe Anwendung der strafprozessualen Bestimmungen über das Zeugnisverweigerungsrecht § 15 Abs. 1 formell und materiell als prozessrechtliche Norm charakterisiert. Er umschreibt lediglich die Stellung und Bedeutung des Fahrzeughalters als Beweismittel in einem Strafverfahren, das gegen den unbekannten Lenker seines Fahrzeugs geführt wird. Hingegen enthält diese kantonale Norm keine zusätzlichen, allein dem Strassenverkehrsrecht des Bundes vorbehaltenen Bestimmungen, wie der Beschwerdeführer behauptet. Verkehrsvorschriften sind Regeln, welche das Verhalten eines Verkehrsteilnehmers gegenüber anderen auf den Verkehrswegen befindlichen Personen ordnen (SCHULTZ, Rechtsprechung und Praxis zum Strassenverkehrsrecht in den Jahren 1973-1977, S. 209). Die dem Fahrzeughalter auferlegte kantonalrechtliche Pflicht, der Polizei über bestimmte Punkte Auskunft zu geben, stellt zweifelsohne keine Verkehrsvorschrift im genannten Sinne dar. Vielmehr legt § 15 Abs. 1 eine dem kantonalen Strafverfahrensrecht eigene Beweisführungsart fest. Wie das Verfahren zur Vernehmung des Auskunftspflichtigen zum eigentlichen Zeugenverhör abgegrenzt wird, steht - unter Wahrung verfassungsmässiger Grundsätze - im Belieben des zur Prozessrechtssetzung befugten Kantons (vgl. ROBERT HAUSER, Der Zeugenbeweis im Strafprozess mit Berücksichtigung des Zivilprozesses, 1974, S. 47-52, S. 85/86; HANSJÖRG TARNUTZER, Die Stellung des Beschuldigten im Bündner Strafprozess, 1972, S. 24) und könnte im übrigen mit eidgenössischer Nichtigkeitsbeschwerde nicht beanstandet werden. 3. Ist aber § 15 Abs. 1 des Gesetzes über die Verkehrsabgaben und den Vollzug des Strassenverkehrsrechts des Bundes nach dem Gesagten ausschliesslich strafprozessualer Natur, hält die darin aufgestellte Aussagepflicht des Motorfahrzeughalters bzw. deren strafrechtliche Sanktionierung vor dem Bundesrecht stand. Art. 335 Abs. 2 StGB behält den Kantonen die Befugnis vor, die Übertretung kantonaler Prozessvorschriften mit Strafe zu BGE 107 IV 146 S. 150 bedrohen. Diese Kompetenz wird durch die einschlägigen Bestimmungen des Strassenverkehrsrechts des Bundes in keiner Weise eingeschränkt. Weder Art. 3 noch Art. 106 Abs. 2 und 3 SVG enthalten Vorschriften, welche die den Kantonen auch im Verkehrswesen obliegende Strafverfolgung ( Art. 103 Abs. 2 SVG ) betreffen oder den am Strafverfahren zu beteiligenden Personenkreis irgendwie begrenzen. Auch bedeutet das Fehlen entsprechender eidgenössischer Bestimmungen nicht, dass die Verweigerung der Aussagepflicht nicht zum Gegenstand eines kantonalen Übertretungstatbestandes gemacht werden dürfte; in den angeblich verletzten SVG-Bestimmungen ist kein qualifiziertes Schweigen in dem Sinne erkennbar, dass das fragliche, vom Kanton Zürich unter Strafe gestellte Verhalten überhaupt straflos zu bleiben hat. 4. Mit dem Erlass der streitigen kantonalen Strafnorm wurde der Grundsatz der derogatorischen Kraft des Bundesrechts demnach nicht verletzt. Daher ist gegen die im angefochtenen Urteil gestützt auf § 15 Abs. 2 des Gesetzes über die Verkehrsabgaben und den Vollzug des Strassenverkehrsrechts des Bundes ausgefällte Busse jedenfalls von Bundesrechts wegen nichts einzuwenden. Die Beschwerde erweist sich als unbegründet und ist abzuweisen.
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1,981
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Federation
c642316e-069e-415b-af33-8d1d34acc75b
Urteilskopf 108 II 15 3. Urteil der II. Zivilabteilung vom 21. Januar 1982 i.S. Fussballclub Zürich gegen Nationalliga des Schweizerischen Fussballverbandes (Berufung)
Regeste Vereinsrecht; Abgrenzung von Spielregeln und Mitgliedschaftspflichten. 1. Streitigkeiten um die Gültigkeit von Vereinsbeschlüssen sind nicht vermögensrechtlicher Natur und daher stets berufungsfähig (E. 1a). 2. Beschlüsse des Vereinsvorstandes können nur dann gerichtlich angefochten werden, wenn sie in die Mitgliedschaftsrechte der Vereinsmitglieder eingreifen (E. 2). 3. Die Frage, ob ein Vereinsorgan eine Spielregel richtig angewendet habe, ist richterlicher Überprüfung nicht zugänglich, auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Grundsatzes der Gleichbehandlung der Vereinsmitglieder (E. 3). 4. Die Pflicht der in der Nationalliga zusammengeschlossenen Fussballclubs, gegenüber den Zuschauern für Ordnung auf dem Spielfeld zu sorgen, kann nicht nur eine Spielregel darstellen, sondern auch eine mitgliedschaftliche Pflicht, welche die Clubs unabhängig vom Verlauf der einzelnen Spiele als Verbandsmitglieder trifft. Die Frage, ob diese Pflicht verletzt sei und ob deswegen gegenüber dem fehlbaren Verein eine Sanktion ausgesprochen werden müsse, ist richterlicher Überprüfung insoweit nicht zum vornherein entzogen. Im vorliegenden Fall verstiess das Absehen von einer Sanktion nicht gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung der Vereinsmitglieder (E. 4).
Sachverhalt ab Seite 16 BGE 108 II 15 S. 16 A.- Beim Fussballspiel zwischen dem FC Sion und dem FC Zürich vom 26. April 1980 wurde der dem FC Zürich angehörende Spieler Zappa schon kurz nach Spielbeginn auf dem Platz des Gegnerclubs durch eine Flasche, die aus den Zuschauerreihen geschleudert worden war, am Kopf verletzt. Zappa wurde zufolge der Verletzung vom Spielfeld getragen und in ärztliche Pflege gebracht. Auf Anraten des Arztes musste er auf die Teilnahme an einem drei Tage später stattfindenden Länderkampf zwischen der Schweiz und Irland verzichten. Diese Verletzung veranlasste den Spielführer des FC Zürich zu einem unverzüglichen Protest beim Schiedsrichter. Im Spiel blieb der FC Sion mit 3:2 Toren siegreich. Am 28. April 1980 verlangte der FC Zürich, dass das Komitee der Nationalliga des Schweizerischen Fussball-Verbandes (SFV) das Spiel in Anwendung von Art. 73 Ziff. 3 lit. i in Verbindung mit Art. 14 des Wettspiel-Reglementes des SFV für den FC Sion 0:3 verloren (forfait) erkläre. Mit Entscheid vom 14. Mai 1980 wies das nach Art. 30 Abs. 2 des Reglementes für den Spielbetrieb der Nationalliga des SFV endgültig entscheidende Komitee den Protest des FC Zürich ab. Gleichzeitig wurde aber der FC Sion in Anwendung von Art. 37 und 38 des Reglementes für den Spielbetrieb der Nationalliga und von Art. 14 des Wettspiel-Reglementes mit einem Verweis und einer Busse von Fr. 6'000.-- belegt. BGE 108 II 15 S. 17 B.- Am 6. Juni 1980 erhob der FC Zürich beim Gerichtspräsidenten III von Bern gegen die Nationalliga des SFV Klage mit folgendem Rechtsbegehren: "1. Es sei gerichtlich festzustellen, dass der Entscheid des Komitees der Nationalliga vom 14. Mai 1980 in Sachen Protest des Fussballclubs Zürich zum Spiel FC Sion: FC Zürich vom 26. April 1980 die Vereinsstatuten verletzt (Feststellungsklage). 2. Der Entscheid des Komitees der Nationalliga vom 14. Mai 1980 in Sachen Protest FC Zürich gegen das Spiel FC Sion: FC Zürich vom 26. April 1980 sei aufzuheben und die Beklagte aufzufordern, einen mängelfreien Beschluss zu fassen (Gestaltungsklage)." Mit Urteil vom 5. Januar 1981 hiess der Gerichtspräsident die Klage gut und stellte fest, dass der Entscheid des Komitees der Nationalliga die Statuten bzw. Reglemente verletze; er hob diesen Entscheid auf und wies die Sache zur Fällung eines reglementskonformen Entscheids an das Komitee der Nationalliga zurück. In Gutheissung einer Appellation der Beklagten wies der Appellationshof des Kantons Bern mit Urteil vom 19. Mai 1981 die Klage ohne Prüfung der Begründetheit zurück. C.- Gegen dieses Urteil erhob der Kläger Berufung an das Bundesgericht mit dem Antrag, es sei die sachliche Zuständigkeit des ordentlichen Zivilrichters für die materielle Behandlung der Prozessangelegenheit festzustellen und das Urteil des Gerichtspräsidenten vollumfänglich zu bestätigen. Für den Fall, dass das Bundesgericht die Sache als vermögensrechtlich qualifizieren sollte, verlangt er, seine Eingabe sei als Nichtigkeitsbeschwerde entgegenzunehmen. Die Beklagte beantragt, auf die Berufung sei nicht einzutreten, eventuell sei sie abzuweisen. Das Bundesgericht weist die Berufung ab aus folgenden Erwägungen Erwägungen: 1. a) Gemäss Art. 1 ihrer Statuten ist die Nationalliga eine als Verein verselbständigte Abteilung des Schweizerischen Fussball-Verbandes. Ihre Mitglieder, zu denen auch der Kläger gehört, sind ihrerseits Vereine. Das Komitee der Nationalliga wird von der Generalversammlung gewählt und bildet den Vereinsvorstand. Mit der Klage wird geltend gemacht, der Entscheid des Komitees vom 14. Mai 1980 verstosse im Sinne von Art. 75 ZGB gegen die Vereinsstatuten beziehungsweise -reglemente. Streitigkeiten um die BGE 108 II 15 S. 18 Gültigkeit von Vereinsbeschlüssen sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts nicht vermögensrechtlicher Natur und daher nach Art. 44 Abs. 1 OG stets berufungsfähig (vgl. BGE 82 II 296 , BGE 51 II 527 ). Ist aber die Berufung grundsätzlich zulässig, so fällt der Eventualantrag des Klägers, die Sache sei als Nichtigkeitsbeschwerde entgegenzunehmen, dahin. b) Die Beklagte begründet ihren Nichteintretensantrag damit, es fehle dem Kläger am Rechtsschutzinteresse. Selbst wenn nämlich das Spiel vom 26. April 1980 in Gutheissung der Klage zugunsten des Klägers "forfait" erklärt würde, hätte dies keine Änderung der Rangierung des Klägers in der Meisterschaft 1980 zur Folge, ganz abgesehen davon, dass der Ausgang jenes Spiels und jener Meisterschaft nur noch von sporthistorischem Interesse sei. Damit vermengt die Beklagte aber das Interesse am Rechtsmittel mit jenem an der Klage. Dass der Kläger durch den Nichteintretensentscheid der Vorinstanz beschwert ist und er deshalb ein Interesse an dessen Anfechtung hat, liegt auf der Hand. Das genügt aber als Voraussetzung für die Berufung. Ob heute noch ein Interesse an der Gutheissung der Klage besteht, ist gegebenenfalls bei der materiellen Behandlung der Berufung zu prüfen. c) Auf die Berufung ist somit einzutreten. Der Verweis des Klägers auf seine Vorbringen im kantonalen Verfahren ist indessen unbeachtlich ( BGE 104 II 192 E. 1). Das gleiche gilt für seine erst nach Ablauf der Berufungsfrist eingegangene Eingabe vom 9. Dezember 1981. 2. Nach Art. 75 ZGB können Vereinsbeschlüsse, die das Gesetz oder die Statuten verletzen, von jedem Vereinsmitglied, das nicht zugestimmt hat, binnen Monatsfrist beim Richter angefochten werden. Mit dieser Bestimmung soll nicht nur dem einzelnen Vereinsmitglied Rechtsschutz gegen die korporative Mehrheit hinsichtlich seiner Mitgliedschaft eingeräumt, sondern - unbesehen von Marginale und Gesetzessystematik - darüber hinaus ganz allgemein für die Rechtmässigkeit des korporativen Lebens gesorgt werden (HEINI, in: Schweizerisches Privatrecht, Bd. II, S. 548/549). Indessen haben Lehre und Rechtsprechung die beiden Rechtsschutzbereiche insofern unterschiedlich gewichtet, als dem Schutz der Mitgliedschaftsrecht zufolge ihrer Personenbezogenheit besondere Bedeutung zukommen soll. Ein Beschluss, der Mitgliedschaftsrechte verletzt, kann daher auch dann richterlich überprüft werden, wenn er nicht von der Vereinsversammlung, dem obersten Organ des Vereins, sondern von einem abschliessend BGE 108 II 15 S. 19 zuständigen unteren Vereinsorgan gefasst worden ist, während ein Vorstandsbeschluss, der nicht Mitgliedschaftsrechte betrifft, einer richterlichen Kontrolle entzogen bleibt (HEINI, a.a.O. S. 549; TUOR/SCHNYDER, Das Schweizerische Zivilgesetzbuch, 9. Aufl., S. 123). Freilich hat das Bundesgericht in BGE 76 II 65 bemerkt, es sei nie bezweifelt worden, dass die direkte gerichtliche Anfechtung von Beschlüssen verwaltender Organe des Vereins nicht zulässig sei. Diese Bemerkung geht jedoch zu weit und kann sich nur auf die Anfechtung von Beschlüssen des Vereinsvorstandes beziehen, die entweder nicht letztinstanzlich sind oder nicht in die mitgliedschaftlichen Rechte der Vereinsmitglieder eingreifen. Dass Beschlüsse unterer, aber abschliessend entscheidender Vereinsorgane angefochten werden können, wenn sie Mitgliedschaftsrechte verletzen, hat das Bundesgericht denn auch verschiedentlich angenommen (vgl. z. B. BGE 85 II 535 und BGE 70 II 63 ff. bezüglich der Anfechtung eines durch den Vereinsvorstand letztinstanzlich verfügten Ausschlusses, BGE 52 I 72 ff. bezüglich der Überprüfbarkeit einer vom Vorstand gegen ein Vereinsmitglied ausgefällten Vereinsbusse). Der Umstand, dass der Beschluss eines der Generalversammlung untergeordneten Organs der Beklagten angefochten wird, steht dem Eintreten auf die Klage daher nicht zum vornherein entgegen. 3. Der vereinsintern nicht weiterziehbare Beschluss des Komitees der Nationalliga vom 14. Mai 1980 verletzt nach Auffassung des Klägers in dem Sinne seine Mitgliedschaftsrechte, dass durch eine falsche Anwendung der Art. 14 und 73 des Wettspiel-Reglementes des SFV beziehungsweise durch den Verzicht auf eine Forfait-Erklärung des Spieles zwischen dem FC Sion und dem Kläger vom 26. April 1980 zugunsten des letzteren unter den in der Nationalliga als Konkurrenten zusammengeschlossenen Fussballvereinen eine rechtsungleiche Behandlung eingetreten sei. Diese rechtsungleiche Behandlung habe für den Kläger wie für jedes andere derart behandelte Mitglied der Nationalliga insofern weittragende Folgen, als nicht nur Erfolg und Misserfolg im Fussballwettkampf, sondern auch spürbare finanzielle Auswirkungen im positiven oder negativen Sinn im Spiele stünden. Eine solche Betrachtungsweise müsste aber dazu führen, dass jeder Fehlentscheid eines Spielrichters in einem einzelnen Wettkampf, der dann schliesslich über Erfolg oder Misserfolg in diesem Wettkampf entscheidet, als rechtsungleiche Behandlung angesehen BGE 108 II 15 S. 20 werden könnte und damit unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Mitgliedschaftsrechten richterlicher Überprüfung zugänglich würde. Soweit kann aber das Recht nicht in die Regelung von Spiel und Sport eingreifen, ohne Spiel und Sport am Lebensnerv zu treffen. Die in Rechtsprechung und Lehre vorgenommene Ausscheidung von Bereichen, die bei der Abwicklung von Spiel und Sport rechtlicher Regelung zugänglich oder davon ausgeschlossen bleiben sollen, findet gerade darin ihre Rechtfertigung, dass das Spiel letztlich nicht dadurch sinnlos wird, dass es immer wieder durch den Gang zum Richter unterbrochen wird. Auch wenn ein entsprechender rechtsgeschäftlicher oder korporativer Wille an sich und unbesehen von Art. 513 OR denkbar wäre und tatsächlich zum Ausdruck gebracht würde, bliebe eines nicht zu verkennen: Die Regeln, die das Spiel in seiner konkreten Ausführung auf dem Spielfeld regeln und insoweit nicht einfach eine bestimmte Spielart abstrakt umschreiben, auf die sich verschiedene Spieler und Spielervereine verpflichten, lassen sich nicht in eine privatrechtliche Rechtsbeziehung einkleiden. So weist KUMMER (Spielregel und Rechtsregel, S. 35 ff.) zu Recht darauf hin, dass sowohl die rechtliche Ausgestaltung wie auch die rechtliche Durchsetzung von konkreten Regeln über das Spielverhalten zu Schwierigkeiten Anlass geben würden. Tatsächlich lässt sich eine rechtzeitige Durchsetzung von Unterlassungspflichten, die für den korrekten Ablauf eines Spieles von grosser Bedeutung sind, kaum vorstellen, wie auch eine Sanktion für "Schlechterfüllung" zu absonderlichen Ergebnissen führen müsste. Für die Einhaltung der Spielregeln auf dem Spielfeld ist vielmehr regelmässig ein Spielrichter vorgesehen, der innerhalb des Spielablaufs endgültig entscheidet und auch grundsätzlich endgültig entscheiden muss, da der Spielverlauf in ein Ganzes einmündet und sich auch das Spielverhalten der einzelnen Spieler immer von neuem gegenseitig bedingt. Und dies gilt dem Grundsatz nach auch dann, wenn dem Spielrichter selber Fehler unterlaufen, die ihren Einfluss auf Erfolg oder Misserfolg im Spiel haben können. Damit soll indessen nur festgehalten werden, dass es bei Spiel und Sport einen rechtsfreien Raum gibt, in dem nicht jede Unkorrektheit, die ohne weitere auf das Spiel bezogene Sanktion bleibt, einer ungleichen Behandlung von Vereinsmitgliedern gleichkommt (vgl. dazu auch BGE 103 Ia 410 ff. und BGE 97 I 488 ff. sowie die Urteile des Kassationsgerichts Zürich in SJZ 53/1957 S. 152 ff. und des Obergerichts Luzern in ZBJV 100/1964 S. 550 ff.). Tatsächlich BGE 108 II 15 S. 21 kommt es aber immer wieder vor, dass bestimmte Formen von Fehlverhalten beim Spiel auch ausserhalb des Spieles und unabhängig von dessen Ergebnis vereinsintern besonders geahndet werden. Regelmässig sehen Spielreglemente von Vereinen und Verbänden besondere Sanktionen ausserhalb des Spieles vor, wenn besonders krass oder wiederholt gegen eine Spielregel verstossen worden ist. Es handelt sich hier um Massnahmen, mit denen bezweckt wird, das sportliche Wohlverhalten zu fördern. Dass eine solche vereinsinterne Massregelung den betroffenen Spieler oder den einzelnen Mitgliederverein eines Verbandes auch in seiner Person hart treffen und dass dadurch auch die mitgliedschaftsrechtliche Stellung des Betroffenen im Verein oder Verband berührt werden kann, leuchtet ohne weiteres ein, wenn man an Verweis, Busse, Spielverbot und anderes mehr denkt. Es geht hier um eine mit der Spielregel zwar verknüpfte, aber doch getrennt von ihr bleibende Vereinsstrafe, die der richterlichen Überprüfung durchaus zugänglich sein kann (KUMMER, a.a.O. S. 48 ff.). Eine richterliche Überprüfung von solchen Sanktionen ist auch dort vorzubehalten, wo sich zwar diese "Strafe" auf das Ergebnis eines Spieles oder eines Wettkampfes bezieht, der Tatbestand, an den die Sanktion angeknüpft wird, aber nichts mit einem Spiel, sondern mit allgemeinen Spieler- oder Spielervereinspflichten zu tun hat. So verhält es sich beispielsweise, wenn die verspätete Bezahlung von Mitgliederbeiträgen mit einem Abzug von Wettkampfpunkten geahndet wird (KUMMER, a.a.O. S. 47). Dass der Richter schliesslich auch dort nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann, wo mitgliedschaftsrechtliche Beziehungen zwischen Spieler und Verein oder Spielerverein und Dachverband zur Diskussion stehen, bedarf kaum der besonderen Erwähnung. 4. Mit der Klage wird nun geltend gemacht, das Verhalten eines Spielzuschauers habe dazu geführt, dass der Spielverlauf im Wettkampf FC Sion - FC Zürich vom 26. April 1980 in gröbster Weise gestört worden sei. Der Wettkampf hätte daher entgegen dem Spielergebnis von 3:2 zugunsten des FC Sion in Anwendung der Art. 14 und 73 des Wettspiel-Reglementes des SFV zu dessen Ungunsten 0:3 verloren erklärt werden müssen. a) Auf begründeten Protest hin ist nach Art. 73 des Wettspiel-Reglementes ein Wettspiel mit 0:3 Toren forfait für jene Mannschaft verloren zu erklären, durch deren Verschulden unter anderem die normale Abwicklung des Spiels beeinträchtigt wird. Das soll gemäss Ziffer 3 lit. i dieser Bestimmung auch dann zutreffen, BGE 108 II 15 S. 22 wenn ein Zuschauer anlässlich eines Wettspiels einen Spieler mit einem Wurfgeschoss verletzt. Gestützt auf das bisher Ausgeführte darf nun zur Beantwortung der Frage, ob dem Richter die Kontrolle einer Anwendung von Art. 73 Ziff. 3 lit. i des Wettspiel-Reglementes verwehrt bleiben muss, nicht allein auf die Tatsache abgestellt werden, dass ein Fehlverhalten eines Zuschauers, das seitens des Fussballverbandes einem Fussballverein zugerechnet wird, mit einer Sanktion geahndet wird, die ein tatsächlich erzieltes Spielergebnis zuungunsten des Fehlbaren abändert. Vielmehr gilt es zusätzlich zu prüfen, ob hier eine Spielstrafe für eine Spielregelverletzung oder eine solche für eine Verletzung von mitgliedschaftsrechtlichen Pflichten vorgesehen wird. Trifft letzteres zu, bleibt der Entscheid der Vereinsinstanz der richterlichen Überprüfung nicht von vornherein entzogen, und in diesem Rahmen ist es auch nicht ausgeschlossen, den Gesichtspunkt der Gleichbehandlung der Vereinsmitglieder miteinzubeziehen (dazu KUMMER, a.a.O. S. 61 mit Verweis auf MERZ zu entsprechenden Verhältnissen beim Kartell). b) Nun hat zwar das Komitee der Nationalliga im Zusammenhang mit dem Protest des Klägers den fraglichen Art. 73 des Wettspiel-Reglementes präzisierend ausgelegt: Vom protestierenden Verein wird ein Nachweis darüber verlangt, dass eine bestimmte Beziehung zwischen dem das Spiel behindernden Zuschauer und dem im Sinne einer Spielstrafe zur Verantwortung zu ziehenden Wettkampfteilnehmer besteht. Und dieser Nachweis geht nicht im Sinne einer Tatsachenvermutung zu Lasten des Platzclubs, solange keine andern Umstände nachgewiesen sind. Damit ist aber noch nichts darüber ausgesagt, ob die hier den Wettkampfvereinen zugedachte Ordnungspflicht als mitgliedschaftliche Pflicht der einzelnen Verbandsmitglieder oder als reine Spielregel angesehen werden muss. Letzteres bejaht die Vorinstanz in Übereinstimmung mit KUMMER, der die Pflicht der Wettkampfvereine, für einen auch seitens der Zuschauer nicht gestörten Spielablauf zu sorgen, den Spielregeln im weiteren Sinne, und zwar den Regeln über die technischen Spielbehelfe, zuordnet (a.a.O. S. 76). Die entgegengesetzte Auffassung vertritt der Gerichtspräsident von Bern, der die Pflicht der Wettkampfvereine, für Ordnung auf dem Spielfeld auch gegenüber Zuschauern zu sorgen, als allgemeine, vom einzelnen Spielverlauf unabhängige, vereinsrechtliche Pflicht ansieht. Es ist in der Tat nicht zu übersehen, dass eine allgemeine Ordnungspflicht gegenüber Zuschauern sich nicht ohne BGE 108 II 15 S. 23 weiteres mit Regeln über die technischen Voraussetzungen eines Spiels vergleichen lässt, wie sie etwa in den Anforderungen an die Ausrüstung der Spieler und des Spielfeldes zum Ausdruck kommen. Auf der andern Seite lässt sich nicht leichthin bestreiten, dass die Ordnungspflicht gegenüber dem Publikum eines Wettkampfes auch zum Zweck hat, dass nicht auf den nach Spielregeln verlaufenden Wettkampf von Drittseite unzulässig eingegriffen und damit das Spielergebnis verfälscht wird. c) Angesichts dieser Grenzsituation hat das Komitee der Nationalliga auf die vom Kläger verlangte Spielstrafe gemäss Art. 73 Ziff. 3 lit. i des Wettspiels-Reglementes verzichtet und gestützt auf Art. 37 und 38 des Reglementes für den Spielbetrieb der Nationalliga und auf Art. 14 des Wettspiel-Reglementes dem Platzclub FC Sion bloss einen Verweis und eine Busse auferlegt. Derartige Vereinsstrafen sind nach dem Gesagten einer richterlichen Überprüfung nicht von vornherein entzogen. Sie wurden indessen im konkreten Fall vom Betroffenen nicht in Frage gestellt. Der Kläger ist durch sie nicht berührt. Er macht vielmehr geltend, seine mitgliedschaftsrechtliche Stellung im Rahmen der Nationalliga sei dadurch verletzt worden, dass das Komitee der Nationalliga in rechtsungleicher Weise eine Spielstrafe nicht ausgesprochen habe, die im Zusammenhang mit einer mitgliedschaftsrechtlichen und nicht bloss spielregelmässigen Pflichtverletzung hätte ausgesprochen werden müssen. Der Prüfung dieser Frage hätte sich die Vorinstanz nicht grundsätzlich entziehen dürfen. Von einer Rückweisung der Sache kann indessen abgesehen werden, da jeder Nachweis fehlt, dass das Komitee der Nationalliga in gleichgelagerten Fällen einen andern Massstab zur Anwendung gebracht hat, der einer ungleichen Behandlung verschiedener Wettkampfvereine innerhalb der Nationalliga gleichkäme. Der Hinweis des Klägers darauf, dass das Komitee der Nationalliga beabsichtige, Vorfälle wie jenen vom 26. April 1980 in Sion auch in Zukunft in gleicher Weise zu "regeln", deutet vielmehr in die entgegengesetzte Richtung. Ist aber ein Verstoss gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung der Vereinsmitglieder nicht dargetan, so ist die Klage zum vornherein abzuweisen, ohne dass die Reglementskonformität des angefochtenen Beschlusses geprüft werden müsste. Ein anderweitiger Eingriff in die Mitgliedschaftsrechte des Klägers ist nicht behauptet worden; ein Vorstandsbeschluss, der nicht Mitgliedschaftsrechte betrifft, ist aber nach dem in Erwägung 2 Gesagten der BGE 108 II 15 S. 24 richterlichen Kontrolle entzogen. Unter diesen Umständen kann dahingestellt bleiben, ob der Richter überhaupt befugt wäre, über die blosse Aufhebung des angefochtenen Vereinsbeschlusses hinaus einen Verein dazu zu verhalten, gegenüber einem nicht am Prozess beteiligten Vereinsmitglied eine Sanktion, zumal eine Spielstrafe, auszusprechen, wie dies der Kläger sinngemäss verlangt. Ebensowenig braucht entschieden zu werden, ob der Kläger heute noch ein Interesse an einer solchen Sanktion hat. d) Die Berufung erweist sich somit als unbegründet. Indessen kann das Urteil der Vorinstanz insoweit nicht bestätigt werden, als die Klage zurückgewiesen statt abgewiesen worden ist.
public_law
nan
de
1,982
CH_BGE
CH_BGE_004
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Federation
c6475e3f-8479-4c73-b97b-4c7cf6d6ee38
Urteilskopf 95 II 119 17. Estratto della sentenza 28 maggio 1969 della I. Corte civile nella causa Monney contro Industria meccanica fratelli Minali.
Regeste Rechtliche Mängel einer in Mailand von einer italienischen Firma an einen schweizerischen Kunden verkauften Maschine, die der Käufer in Genf benützen will. Wegbedingung der Gewährspflicht. 1. Der tessinische Richter wendet das ausländische Recht nicht von Amtes wegen an; im Gebiete des Vertragsrechts, wo die Anwendung fremden Rechts nicht zwingend vorgeschrieben ist, verstösst diese Praxis nicht gegen Bundesrecht (Erw. 1). 2. Rechtliche Mängel der Maschine, weil ihre elektrische Ausrüstung den Vorschriften der genferischen industriellen Betriebe nicht entspricht (Erw. 3 b). 3. Stillschweigende Wegbedingung der Gewährspflicht mit Rücksicht darauf, dass die Maschine in Italien durch eine italienische Firma ohne schweizerische Zweigniederlassungen oder Vertretungen angeboten und verkauft wurde, die nicht verpflichtet war, die genferischen Vorschriften zu kennen (Erw. 4). 4. "Gewöhnliche Aufmerksamkeit", die der Käufer anzuwenden hat (Erw. 5). 5. Die Gewährspflicht für Mängel verschafft dem Käufer nur die Wahl zwischen Wandelung und Minderung (Erw. 6).
Sachverhalt ab Seite 120 BGE 95 II 119 S. 120 A.- Nella primavera del 1966 Emile Monney, di Ginevra, esaminò alla fiera di Milano, accompagnato da un tecnico, una macchina per la levigatura e la pulitura dei marmi e dei graniti, esposta dalla Industria meccanica fratelli Minali, di Bergamo. Il 22 aprile 1966 Monney acquistò la macchina per il prezzo di fr. 32 700.--. Secondo il contratto, questa doveva essere fornita a Ginevra nel termine di 30 giorni e messa in grado di funzionare entro il 25 maggio. Quando la macchina (con alcuni giorni di ritardo) giunse a Ginevra, e un tecnico della venditrice si apprestò ad installarla, Monney scoperse che il quadro elettrico non era conforme alle prescrizioni ginevrine. Dopo aver interpellato i Servizi industriali di Ginevra, egli incaricò due ditte del luogo di apportare le necessarie modifiche e di mettere quindi la macchina in grado di funzionare. Questi adattamenti alle prescrizioni ginevrine costarono a Monney la somma di fr. 9518.40. L'acquirente mise al corrente la fornitrice di questi inconvenienti e, con lettera del 21 luglio 1966, le domandò il rimborso del citato importo, oltre che la rifusione di fr. 2094.60 per danni e spese. La venditrice negò di dovere qualsiasi somma. Il 2 novembre 1966 Monney ottenne il sequestro, presso una ditta di Cresciano, d'un credito di 2 500 000 lire italiane, vantato dalla venditrice verso quest'ultima. B.- Mediante petizione del 28 novembre 1966 Emile Monney convenne la ditta Industria meccanica fratelli Minali davanti alla Pretura del distretto di Riviera, quale foro del sequestro. Egli chiese la condanna della ditta al pagamento di un importo di fr. 11 613.-- oltre interessi e spese. BGE 95 II 119 S. 121 Il Pretore respinse la petizione con giudizio del 29 aprile 1968. Egli osservò innanzitutto che l'attore non ha affatto provato il preteso impegno della convenuta di adattare l'impianto elettrico della macchina alle esigenze dei Servizi industriali ginevrini. D'altra parte, aggiunse il Pretore, la macchina non era inficiata da un difetto materiale ai sensi dell'art. 197 CO, perchè, nell'assetto in cui è stata fornita, con l'impianto elettrico originale, essa era certamente in grado di funzionare. Il Pretore negò ugualmente che le deficienze lamentate dall'attore potessero assurgere a difetto giuridico, dato che la convenuta non aveva offerto pubblicamente la macchina in Svizzera, nè aveva qui succursali od agenzie. Del resto, l'acquirente, che ha esaminato la macchina a Milano in compagnia d'un tecnico di fiducia, avrebbe potuto e dovuto riconoscere le asserite deficienze dell'impianto elettrico: non avendo in quell'occasione rilevato nulla, la responsabilità del venditore sarebbe esclusa ai sensi dell'art. 200 CO. C.- La Camera civile del Tribunale di appello del Cantone Ticino, adita dall'attore, confermò il giudizio pretoriale mediante sentenza del 29 ottobre 1968. Essa si riferì esplicitamente ai motivi esposti dal Pretore, che fece propri. Aggiunse poi che macchine del tutto simili a quella fornita a Monney furono vendute dalla convenuta nel Ticino e nella Svizzera romanda, ove poterono essere adattate senza difficoltà e senza eccessive spese alle reti elettriche. Del resto, Monney doveva presumere che la venditrice non conosceva le severe esigenze poste dalle imprese elettriche ginevrine. In ogni caso, l'attore e il suo consulente avrebbero dovuto rilevare a Milano le particolarità dell'impianto elettrico. D.- Monney impugna questa sentenza mediante un tempestivo ricorso per riforma davanti al Tribunale federale. Egli chiede la condanna della convenuta a versargli un importo di fr. 10 113.-- oltre interessi, corrispondente alla pretesa fatta valere in sede di petizione, meno una somma di fr. 1500.-- riconosciuta alla venditrice per due accessori forniti in più. In via subordinata l'attore postula il rinvio degli atti all'istanza cantonale per nuovo giudizio. Il ricorrente rimprovera alla Corte cantonale d'aver violato gli art. 97, 197 e 204 CO, oltre che le regole di diritto federale in materia di prove. E.- L'intimata propone la reiezione del ricorso. BGE 95 II 119 S. 122 Erwägungen Estratto dei considerandi: 1. Il contratto di compravendita litigioso è stato concluso il 22 aprile 1966 tra Emile Monney, in qualità di acquirente, e l'Industria meccanica fratelli Minali, in qualità di venditrice. Secondo le regole del diritto internazionale privato, il presente contratto è retto dal diritto italiano, vale a dire dal diritto del domicilio del venditore (SCHÖNENBERGER-JÄGGI, N. 266 e 267). Sennonchè, entrambe le giurisdizioni ticinesi hanno applicato il diritto svizzero, senza nemmeno sollevare il quesito del diritto applicabile. Non risulta comunque che le parti abbiano invocato l'applicabilità della legge italiana. Al contrario, nella petizione al Pretore di Riviera, l'attore si è esplicitamente fondato sulle regole del diritto svizzero, mentre da parte sua la convenuta, in sede di risposta, non ha affatto preteso che questo diritto non fosse applicabile. Infine, davanti al Tribunale federale, il ricorrente invoca ancora le norme del diritto svizzero e non rimprovera affatto alla Corte cantonale la mancata applicazione della legge italiana. Non v,è quindi motivo, in tali circostanze, di annullare d'ufficio la sentenza cantonale e di invitare la precedente istanza ad esaminare e risolvere il quesito del diritto applicabile. Giusta l'art. 35 del codice cantonale di procedura civile, il giudice ticinese applica infatti d'ufficio il diritto federale e i diritti cantonali, mentre applica le leggi estere soltanto se le parti le invocano e le giustificano. Ciò significa in tutta evidenza che il diritto straniero non viene applicato d'ufficio dai giudici ticinesi. In materia contrattuale, ove l'applicazione del diritto estero non è imperativa, questa prassi non contrasta affatto con il diritto federale. Ne consegue che, applicando il diritto svizzero, la precedente istanza non ha affatto violato, in concreto, il diritto federale; il ricorso è pertanto ricevibile. Il quesito di sapere se la precedente istanza ha applicato il diritto svizzero perchè ha ravvisato nel comportamento delle parti una convenzione elettiva di diritto, oppure perchè l'ha considerato come diritto estero suppletivo, non ha rilevanza ai fini del presente giudizio, e può essere lasciato aperto. 2. ... 3. Giusta l'art. 197 CO il venditore risponde verso il compratore dei difetti che, materialmente o giuridicamente, tolgono o diminuiscono notevolmente il valore della cosa o l'attitudine all'uso cui è destinata. BGE 95 II 119 S. 123 a) La Corte cantonale, seguendo il giudizio del Pretore, ha negato che la macchinalitigiosa fosse inficiata da difetti materiali. Essa ha infatti constatato che la levigatrice era stata fornita a Monney in perfetto stato, e in grado di funzionare normalmente. Questo accertamento, che concerne i fatti, vincola il Tribunale federale (art. 63 cpv. 2 OG), e l'art. 55 cpv. 1 lett. c OG vieta al ricorrente di criticarlo. Vero è che quest'ultimo rimprovera a tale riguardo alla Corte cantonale di non aver fatto allestire una perizia. Tuttavia, a parte il fatto che dagli atti non risulta che l'assunzione di una simile prova sia stata postulata, il quesito sollevato dal ricorrente, concernendo la procedura cantonale, sfugge all'esame di questa giurisdizione. La precedente istanza poteva d'altra parte, senza violare il diritto federale, fondare la propria convinzione sulle deposizioni testimoniali e rinunciare ad una perizia che appariva destinata, dopo tutto, a chiarire punti non controversi (cfr. RU 87 II 232, 90 II 224 b e 309 c). Ne consegue che, sulla base delle constatazioni della Corte cantonale, si deve ammettere che la macchina venduta a Monney non era inficiata da difetti materiali. b) Anche un difetto giuridico può togliere o diminuire l'utilità dell'oggetto venduto e fondare quindi la responsabilità del venditore ai sensi del citato articolo (cfr., per quanto riguarda tale genere di difetti, RU 55 II 188 e 60 II 442). Nella fattispecie, è pacifico che la macchina, non essendo conforme alle prescrizioni regolamentari, non poteva essere utilizzata dall'acquirente a Ginevra, vale a dire là dove essa doveva essere fornita e installata dal venditore. D'altra parte, è pure fuori discussione che i requisiti relativi all'impianto elettrico differiscono in Svizzera da una regione all'altra, e talora in modo sensibile. Se ne deve dedurre che la macchina è inficiata da un difetto giuridico (che le toglie l'utilità al luogo in cui deve funzionare) e che questo difetto ha un carattere in qualche maniera locale. Il presente caso può essere paragonato a quello della vendita di un'automobile in grado di funzionare, ma non ammessa alla circolazione dall'autorità amministrativa, che non la considera rispondente a certi requisiti regolamentari relativi, ad esempio, al dispositivo di illuminazione, all'assenza di cinghie di sicurezza - obbligatorie in taluni paesi -, ecc. (v. RGP 1937, p. 462; per il diritto tedesco cfr. STAUDINGER, N. 45 b al § 459; SOERGEL-SIEBERT, N. 17 al § 459; cfr. inoltre la sentenza del Tribunale di appello di Basilea-città del 16 febbraio BGE 95 II 119 S. 124 1950, pubblicata in SJZ, 1950, p. 331). Certo, la garanzia non è dovuta che nella misura in cui i difetti privino la cosa dell'utilità prevista. Tuttavia, in concreto, questa utilità era, secondo quanto il venditore sapeva, l'uso della macchina a Ginevra. L'esistenza d'un difetto giuridico ai sensi dell'art. 197 CO è quindi, in tali circostanze, oggettivamente realizzata. 4. Discende però dell'art. 199 CO che, eccettuato il caso di dolo del venditore, la garanzia per i difetti può essere convenzionalmente soppressa. La clausola d'esclusione della garanzia non soggiace al rispetto di una forma particolare. Come il Tribunale federale l'ha già implicitamente riconosciuto (v. RU 41 II 436-437), essa non ha bisogno d'essere stipulata in modo esplicito. D'altra parte, già in virtù dell'art. 1 cpv. 2 CO, tale esclusione può essere tacita (in questo senso: OSER-SCHÖNENBERGER, N. 2 all'art. 199). La giurisdizione cantonale reputa che, nel caso d'una vendita conclusa all'estero, la garanzia per i difetti risultanti da disposizioni amministrative è esclusa quando il venditore non possiede in Svizzera nè agenzie nè succursali, e ivi non offre pubblicamente la sua merce. La Corte cantonale sembra pertanto considerare che, in un simile caso, le parti siano presunte rinunciare a quella garanzia. Per quanto attinente ai fatti, tale presunzione poggia su considerazioni tratte dall'esperienza generale: essa può quindi essere riveduta da codesto Tribunale (RU 87 II 237 e riferimenti, 89 II 130 consid. 4). La presunzione appare fondata. Innanzitutto, le prescrizioni amministrative di cui si tratta hanno un carattere speciale e variano, talvolta sensibilmente, da una regione all'altra della Svizzera. Al venditore che offre la propria merce ad un prezzo determinato in una esposizione italiana non si può imporre la presunzione di conoscere quelle prescrizioni, di concepire l'ampiezza delle modifiche da apportare alla macchina, e quindi di adattare l'impianto elettrico a norme che variano nel tempo e nello spazio. Egli offre la macchina così com'essa è. Ed è appunto in questa sua presentazione e in questo suo assetto che il ricorrente l'ha acquistata. Benchè accompagnato da un consulente tecnico che ha fornito al venditore precisazioni sul voltaggio, egli non si è preoccupato degli altri elementi. In tali circostanze, o l'acquirente conosceva già tutti i requisiti posti dai Servizi industriali ginevrini, e allora, giusta l'art. 200 cpv. 2 CO, gli è preclusa la facoltà di invocare la garanzia, o egli li ignorava BGE 95 II 119 S. 125 puramente e semplicemente. Ma pure in questa seconda ipotesi (che è la più plausibile) egli doveva sapere che esistono prescrizioni precise. Gli incombeva quindi prevedere l'eventualità d'un adattamento necessario. Presentandosi su un mercato estero, e rivolgendosi ad un venditore ch'egli sapeva ignorare quelle prescrizioni (tanto che ha giudicato opportuno ragguagliarlo sul voltaggio), il ricorrente non poteva in buona fede considerare che la controparte si obligasse ad adattare gratuitamente l'apparecchiatura elettrica alle prescrizioni ginevrine. Al contrario, Monney doveva rendersi conto che la macchina gli veniva venduta così come essa si presentava, e che il venditore non intendeva obbligarsi ad eseguire a sue spese le modifiche che si fossero rivelate necessarie. Si deve, in definitiva, presumere che chi acquista all'estero da un venditore straniero una merce colà fabbricata rinunci alla garanzia dei difetti giuridici che levano alla cosa l'utilità prevista, quando simili difetti risultano da prescrizioni amministrative speciali e più severe, che l'acquirente sa essere ignorate dal venditore. Il ricorso dev'essere di conseguenza respinto. 5. A ragione le giurisdizioni cantonali hanno altresì invocato l'art. 200 cpv. 2 CO, il quale libera, di massima, il venditore dall'obbligo di rispondere per i difetti che l'acquirente avrebbe dovuto conoscere usando l'ordinaria diligenza. In effetti, incombeva all'acquirente l'obbligo di informarsi sulle esigenze dei servizi industriali ginevrini. Certo, l'"ordinaria diligenza" che l'art. 200 cpv. 2 CO esige dal compratore si riferisce all'esame della cosa in sè. Tuttavia si deve pretendere dall'acquirente che, nelle circostanze della fattispecie, accentrasse la sua attenzione e il suo esame anche sulle complicazioni che potevano risultare dall'adattamento alle norme svizzere - o a quelle ginevrine - d'una apparecchiatura elettrica costruita all'estero. Secondo gli accertamenti vincolanti della Corte cantonale, Monney si è curato di farsi assistere a Milano da un consulente specializzato. Egli ha quindi riconosciuto la necessità di esaminare la conformità della macchina alle norme del luogo in cui essa sarebbe entrata in funzione. Sennonchè, siffatto esame si è rivelato insufficiente, essendo stato limitato alla sola questione del voltaggio. La responsabilità del venditore è quindi in concreto esclusa. 6. Oltre che per le ragioni esposte, il ricorso è infondato anche per un altro motivo. Contrariamente a quanto prevede BGE 95 II 119 S. 126 l'art. 368 cpv. 2 CO per il contratto d'appalto, la garanzia dei difetti non conferisce all'acquirente un diritto alla riparazione dei vizi, quest'ultimo non potendo optare che tra l'azione redibitoria e l'azione estimatoria. Ora, nella fattispecie, il ricorrente non propone nè l'una nè l'altra di queste azioni. Egli reclama, piuttosto, una indennità che lo compensi delle spese d'adattamento della macchina e del ritardo che questo lavoro ha cagionato alla sua messa in esercizio. Vero è che la giurisprudenza autorizza l'acquirente a ricorrere all'azione generale fondata sull'inadempimento: ma in un simile caso il venditore può liberarsi provando, giusta l'art. 97 CC, che nessuna colpa gli è imputabile. Ora, nella fattispecie, gli accertamenti di fatto operati dalla Corte cantonale escludono qualsiasi colpa del venditore, cui non si può rimproverare di aver ignorato le speciali prescrizioni ginevrine che nemmeno l'acquirente e il suo consulente sembrano aver conosciuto. La convenuta ha senz'altro eseguito la sua prestazione, fornendo e installando a Ginevra la levigatrice comperata da Monney. Nessuna colpa le può essere imputata nè al momento della conclusione del contratto, nè al momento del suo adempimento. Dispositiv Il Tribunale federale pronuncia: Il ricorso è respinto.
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CH_BGE_004
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Federation
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Urteilskopf 103 Ia 65 15. Estratto della sentenza del 26 gennaio 1977 nella causa Ordine degli ingegneri e degli architetti del Cantone Ticino e Rima c. Gran Consiglio del Cantone Ticino
Regeste Art. 88 OG . Legitimation einer öffentlichen Korporation (E. 1a), eines Berufsverbandes (E. 1b). Die Legitimation der Mitbewerber zur Anfechtung einer Berufsausübungsbewilligung setzt eine Verletzung verfassungsrechtlich geschützter nicht bloss tatsächlicher Interessen voraus (E. 1c). Art. 4 BV ; Teilweise Gleichstellung von HTL-Ingenieuren und -Architekten mit ETH-Ingenieuren und -Architekten. In Anbetracht der den HTL-Ingenieuren und -Architekten durch das kant. (TI) Baugesetz bewilligten beruflichen Tätigkeit ist es nicht willkürlich, sie unter gewissen Voraussetzungen zur Tessiner Ingenieur- und Architekten-Kammer zuzulassen und sie somit den ETH-Ingenieuren und -Architekten insofern gleichzustellen, als sie damit die Möglichkeit erhalten, Aufträge der öffentlichen Hand anzunehmen.
Sachverhalt ab Seite 66 BGE 103 Ia 65 S. 66 Il Gran Consiglio del Canton Ticino ha adottato il 16 febbraio 1976 la legge concernente la protezione e l'esercizio delle professioni di ingegnere e di architetto (LPPIA). Questa nuova legge regge l'Ordine degli ingegneri e degli architetti, di cui fanno parte gli iscritti all'albo (art. 2 e 3 LPPIA). In particolare hanno diritto all'iscrizione all'albo cantonale, in virtù dell'art. 3 cpv. 1 lett. b anche "gli ingegneri-tecnici e gli architetti-tecnici diplomati presso una STS riconosciuta dalla Confederazione, con almeno 5 anni di pratica presso un ufficio pubblico o privato del ramo dopo il conseguimento del diploma". L'Ordine cantonale degli ingegneri e architetti (OTIA) e Augusto Rima impugnano con distinti ricorsi di diritto pubblico l'art. 3 cpv. 1 lett. b LPPIA, chiedendone la soppressione. Osservano che finora nell'Ordine cantonale degli ingegneri e degli architetti possono entrare a far parte, di regola, solamente coloro che hanno conseguito il diploma in una scuola politecnica (SPFZ o SPFL o scuola estera equiparata e riconosciuta). Ritenuto che le autorità giudiziarie e le pubbliche amministrazioni cantonali e comunali devono assegnare i lavori di ingegneria e di architettura agli iscritti nell'albo, in futuro anche i diplomati da una Scuola tecnica superiore (STS) potranno assumere gli incarichi conferiti dagli enti pubblici. Questa parificazione degli ingegneri-tecnici e degli architetti-tecnici ai diplomati da un'università non si giustifica oggettivamente ed è pertanto arbitraria. Per gli ingegneri e gli architetti con titoli accademici ciò costituisce una violazione del principio dell'uguaglianza dinanzi alla legge poiché situazioni sostanzialmente diverse sono disciplinate nella stessa BGE 103 Ia 65 S. 67 maniera. È inoltre arbitrario che la nuova legge non imponga ai diplomati STS l'iscrizione nel registro svizzero A, mentre l'art. 3 cpv. 1 lett. a esige dai diplomati accademici, per poter essere ammessi all'OTIA, l'iscrizione in detto registro. Parimenti arbitrario è che i presupposti per l'ammissione di persone del ramo con formazione accademica nell'OTIA siano stati inaspriti. La nuova legge esige infatti dagli accademici una pratica di almeno tre anni e l'iscrizione nel registro svizzero, mentre nel contempo permette ai diplomati STS di essere ammessi all'OTIA senza particolari condizioni, all'infuori della prova di aver svolto una pratica di almeno cinque anni. Il Gran Consiglio del Canton Ticino, rappresentato dal Consiglio di Stato, nelle sue osservazioni propone, in via principale, di respingere in ordine ambedue i ricorsi e, subordinatamente, di respingerli nel merito. A proposito della legittimazione ricorsuale - osserva il legislativo ticinese - si pone il problema a sapere se una corporazione di diritto pubblico può impugnare con un ricorso di diritto pubblico un decreto del legislatore, con cui se ne permette l'accesso ad una cerchia più estesa di persone. Nella prassi più recente inoltre non è riconosciuta la legittimazione delle associazioni professionali e dei loro membri ad impugnare le decisioni dell'autorità, con cui sono concessi a dei concorrenti i permessi per l'esercizio di una professione. L'ente pubblico peraltro è libero di scegliere, tra i diversi concorrenti, gli assegnatari di un lavoro: le ditte escluse non sono legittimate a ricorrere. Ci si deve chiedere se le stesse considerazioni non debbano valere anche per un atto legislativo che estende la cerchia dei possibili concorrenti. La norma in esame non fa che codificare un diritto riconosciuto all'ente pubblico. I membri dell'OTIA, per i quali la possibilità di assumere mandati da pubbliche autorità rimane inalterata, non sono lesi nei loro diritti. Il diploma di una STS riconosciuta dalla Confederazione e una pratica di cinque anni danno peraltro sufficiente affidamento nelle capacità professionali, per poter conferire anche agli architetti-tecnici ed ingegneri-tecnici dei pubblici incarichi nel campo dell'edilizia. I diplomati da una STS sono abilitati, senza alcuna restrizione, ad allestire progetti di costruzione secondo la legge edilizia cantonale. Non si vede per quale motivo occorrano maggiori requisiti, quando si tratta di opere pubbliche. BGE 103 Ia 65 S. 68 Erwägungen Considerato in diritto: 1. Secondo l' art. 88 OG legittimati a interporre un ricorso di diritto pubblico sono i privati e gli enti collettivi che si trovano lesi nei loro diritti da decreti o decisioni, che li riguardano personalmente o che rivestono carattere obbligatorio generale. Il diritto di ricorrere è subordinato alla lesione di un interesse giuridicamente rilevante che competa al ricorrente nel campo retto dalla norma costituzionale invocata. a) Istituito e retto dal diritto pubblico cantonale, l'OTIA non può impedire con un ricorso di diritto pubblico, allegando la violazione di diritti che direttamente spetterebbero alla corporazione stessa, che il legislatore estenda la cerchia delle persone che possono entrare a far parte dell'ordine. Per costante giurisprudenza, la facoltà di interporre un ricorso di diritto pubblico è riconosciuta solo eccezionalmente alle corporazioni di diritto pubblico: ciò si verifica segnatamente per i comuni, quando insorgono a tutela della loro esistenza e della loro autonomia, oppure quando l'atto d'imperio dello Stato li colpisce alla stessa stregua di un privato (H. MARTI, Die staatsrechtliche Beschwerde, pag. 108 seg.; cfr. DTF 97 I 640 , DTF 99 Ia 110 ). Non esistono tuttavia validi motivi per riconoscere all'OTIA una legittimazione ricorsuale analoga a quella del comune. b) Secondo i suoi statuti, l'OTIA svolge tuttavia, almeno in parte, una funzione simile a quella di un ordine professionale privato: deve difendere i diritti dei suoi membri. A dipendenza di questa funzione, all'OTIA deve essere riconosciuta la legittimazione nella stessa misura in cui essa è ammessa per gli ordini professionali privati. Una corporazione è legittimata ad interporre ricorso in difesa dei diritti dei suoi membri, alla condizione che la legittimazione ricorsuale a tutela dei diritti in questione competa ai singoli membri, molti di essi siano colpiti dalla regolamentazione impugnata, e gli statuti affidino all'associazione la difesa di codesti interessi comuni ( DTF 99 Ia 239 consid. 1 396 consid. 1b, 359 consid. 2, 597 consid. 1, DTF 100 Ia 99 consid. 1b). BGE 103 Ia 65 S. 69 Se si considera l'OTIA alla stregua di un'associazione chiamata a tutelare gli interessi degli architetti e degli ingegneri, la sua legittimazione ricorsuale dipende dal quesito a sapere se gli architetti e gli ingegneri, che ne fanno parte, sono legittimati ad impugnare l'art. 3 cpv. 1 lett. b LPPIA. E poiché un membro dell'OTIA, Augusto Rima, ha interposto separatamente ricorso, la questione della legittimazione dell'Ordine si identifica con quella concernente la veste di Rima. c) Augusto Rima ed i restanti membri dell'OTIA non subiscono alcuna limitazione nell'esercizio della loro professione a dipendenza della norma impugnata. Con l'ammissione di diplomati da una STS all'albo cantonale, gli incarichi degli enti pubblici possono essere conferiti in futuro - contrariamente al disciplinamento finora vigente nel Canton Ticino - anche agli ingegneri-tecnici ed agli architetti-tecnici. La cerchia dei possibili concorrenti viene pertanto allargata. Finora la giurisprudenza ha negato che l'autorizzazione di esercitare una professione possa essere impugnata dai concorrenti, nella misura in cui l'obbligo di conseguirla è istituito a tutela dell'interesse pubblico generale, vale a dire nella misura in cui esso costituisce in senso lato una restrizione di polizia e non persegue fini di natura economica. Così i ricorrenti possono impugnare la concessione di una patente d'esercizio pubblico solo allorché la clausola del bisogno è predisposta, giusta l' art. 31ter cpv. 1 Cost. , anche per la protezione degli esercizi esistenti dagli effetti della concorrenza eccessiva ( DTF 79 I 155 ; negazione della legittimazione fondata unicamente sulla restrizione di polizia insita nella clausola del bisogno DTF 74 I 379 ). Così, a singoli medici e all'associazione di medici è stata negata la legittimazione ad impugnare con ricorso di diritto pubblico l'autorizzazione di praticare, rilasciata ad un medico estero, per il motivo che i ricorrenti non apparivano lesi nei loro diritti personali; all'infuori dell'interesse pubblico essi potevano addurre solo il mero interesse economico di fatto nei confronti della concorrenza ( DTF 93 I 172 ). Dal principio per cui la legittimazione dei concorrenti è riconosciuta solo quando la legge stessa istituisce una tutela contro gli effetti della concorrenza, il Tribunale federale si è scostato in un singolo caso, ove oggetto di impugnativa era un BGE 103 Ia 65 S. 70 decreto disciplinante un ordine professionale e segnatamente l'ammissione all'esercizio della professione. Benché avesse affermato in DTF 85 I 52 segg. che facilitazioni accordate a terzi (in casu: privilegi fiscali previsti dalla legge) non possono essere impugnate con ricorso di diritto pubblico, né in occasione di decisioni concrete, né al momento dell'adozione della norma, nella sentenza pubblicata in DTF 86 I 284 esso ha infatti esaminato nel merito il gravame interposto da odontotecnici, i quali impugnavano la costituzionalità di una norma transitoria, introdotta su iniziativa popolare, che prevedeva l'esenzione dall'esame di odontotecnico, altrimenti richiesto, per una determinata cerchia di persone esercitanti tale professione. In quest'ultimo caso, il Tribunale opinò che - diversamente che nella sentenza DTF 85 I 52 - i ricorrenti non perseguissero unicamente un interesse pubblico generale, bensì fossero colpiti, in quanto odontotecnici, in modo speciale (e non come qualsiasi cittadino) dal fatto che concorrenti potessero evitare di sottoporsi allo speciale esame, che da loro invece s'era richiesto per l'abilitazione. Da questa sentenza sembra ricavarsi la massima che nelle professioni, il cui esercizio presuppone un esame di capacità, i concorrenti siano legittimati ad impugnare delle eccezioni ingiustificate (ammissione senza esame); nel caso concreto la norma impugnata intendeva creare un vero e proprio privilegio (esenzione dall'esame) a favore di coloro che in precedenza avevano lavorato illecitamente come odontotecnici. La motivazione del cennato singolo caso è tuttavia a stento conciliabile con la giurisprudenza costante circa la legittimazione dei concorrenti. Il concorrente è invero sempre colpito in modo speciale, e non come un qualsiasi altro cittadino, dall'(ingiustificata) ammissione di terzi alla professione. L'interesse di fatto alla limitazione del numero dei concorrenti al beneficio dello stesso regime giuridico può tuttavia assurgere a presupposto per la legittimazione ricorsuale - nel senso dei considerandi della sentenza pubblicata nella DTF 79 I 155 - solo quando la protezione economica dei titolari di autorizzazione nei confronti della concorrenza costituisce lo scopo delle norme, di cui è denunciata un'applicazione od una disapplicazione incostituzionale. Giova pertanto attenersi, giusta la lettera dell' art. 88 OG , al criterio secondo cui ha veste per interporre ricorso di diritto BGE 103 Ia 65 S. 71 pubblico solo colui che è colpito non già nei suoi interessi fattuali, bensì nei suoi interessi giuridicamente protetti. La LPPIA può disciplinare l'esercizio delle professioni di architetto e di ingegnere, limitando la portata della libertà di industria e di commercio, solo per motivi di polizia e non per considerazioni economiche. Né nel gravame si afferma che essa intenda effettivamente proteggere dalla concorrenza, o possa farlo, alla stregua di una clausola del bisogno simile a quella prevista nell' art. 31ter Cost. Interpretata costituzionalmente la legge, il disciplinamento dell'Ordine e l'istituzione di un albo professionale sono volti esclusivamente a salvaguardare l'interesse pubblico, non a prestare una protezione economica nei confronti di una concorrenza indesiderata. Siffatto scopo della LPPIA esclude pertanto che i professionisti, già in precedenza appartenenti all'Ordine, abbiano veste per insorgere con ricorso di diritto pubblico avverso la nuova e diversa regolamentazione dei requisiti richiesti per l'ammissione. Ambedue i ricorsi di diritto pubblico sono quindi irricevibili. 2. D'altronde, si prescindesse dalla loro irricevibilità, essi sarebbero infondati nel merito. I ricorrenti rimproverano in sostanza al legislatore di aver parificato, con la norma impugnata, gli ingegneri-tecnici STS e gli architetti-tecnici STS agli ingegneri e agli architetti diplomati da un'università, benché tra queste due categorie di professionisti esista una differenza fondamentale. a) È pacifico che tra i diplomati da un politecnico o da un'università, da un canto, ed in diplomati da una scuola tecnica superiore, dall'altro, esistono delle differenze sostanziali sotto il profilo della formazione scientifica e della capacità a risolvere compiti difficili. D'altronde, neppure la LPPIA pretende di trattar egualmente, sotto ogni profilo, le due formazioni professionali. Così, ad esempio, il diplomato STS non può qualificarsi quale "ingegnere diplomato" o "architetto diplomato", codesto titolo rimanendo riservato ai titolari di un diploma accademico: i diplomati STS debbono di contro qualificarsi quali "ingegnere-tecnico STS" o "architetto-tecnico STS". Non può quindi affermarsi che, eliminando ogni distinzione, la BGE 103 Ia 65 S. 72 legge intenda interferire nel campo della concorrenza economica. L'art. 3 cpv. 1 lett. b LPPIA si limita a permettere l'accesso all'OTIA agli ingegneri-tecnici e agli architetti-tecnici. La parificazione così attuata tende in sostanza unicamente a consentire d'ora innanzi agli enti pubblici di affidare incarichi non solo a professionisti con formazione accademica, bensì, in linea di principio, anche a diplomati da una STS iscritti nell'albo cantonale. Occorre quindi esaminare se la parificazione su questo punto (facoltà di assumere incarichi pubblici) appaia insostenibile a causa delle differenze di formazione. b) Nelle scuole tecniche vengono formati ingegneri-tecnici ed architetti-tecnici, i quali sono in grado di progettare opere di costruzione in maniera indipendente e di dirigerne l'esecuzione. La legge edilizia ticinese (LE) abilita questi diplomati STS ad allestire progetti di costruzione (art. 38 cpv. 1 lett. c del regolamento d'applicazione della LE). Non si vede per quale ragione un ingegnere-tecnico od un architetto-tecnico, che può effettuare in maniera indipendente lavori di ingegneria o di architettura per dei privati, non sia anche in grado di assumere tali incarichi per conto del cantone o di un comune. In realtà non sussiste alcun valido motivo di polizia per doverlo escludere dai concorsi concernenti i lavori pubblici. Che quindi i diplomati da una STS riconosciuta possano essere tenuti in considerazione anche per l'attribuzione di lavori da parte del cantone e dei comuni, lungi dal violare l' art. 4 Cost. , elimina una situazione di svantaggio, oggettivamente infondata ma ancora vigente, dei diplomati STS in campi di attività, per cui essi hanno ricevuto un'adeguata formazione. Dispositiv Il Tribunale federale pronuncia: I ricorsi sono inammissibili.
public_law
nan
it
1,977
CH_BGE
CH_BGE_002
CH
Federation
c659af25-b852-42c3-8930-5b3af614b81d
Urteilskopf 126 III 75 15. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour civile du 13 janvier 2000 dans la cause Elena Prokina contre la Fondation du Grand-Théâtre de Genève (recours en réforme)
Regeste Art. 119 Abs. 3 und Art. 324a Abs. 1 OR . Gefahrtragung bei unverschuldeter nachträglicher Unmöglichkeit der vom Arbeitnehmer versprochenen Leistung. Die Folgen der unverschuldeten nachträglichen Unmöglichkeit der vom Arbeitnehmer versprochenen Leistung sind in Art. 324a und Art. 324b OR geregelt. Der Arbeitnehmer hat in einem solchen Fall nur dann einen Anspruch auf Lohnzahlung, wenn das Arbeitsverhältnis mehr als drei Monate gedauert hat oder für mehr als drei Monate eingegangen wurde (E. 2).
Sachverhalt ab Seite 76 BGE 126 III 75 S. 76 A.- Par contrat signé le 5 janvier 1995, la Fondation du Grand-Théâtre de Genève (ci-après: le Grand-Théâtre) engagea la cantatrice Elena Prokina pour jouer le rôle de Nedda dans l'opéra "I Pagliacci" de Ruggero Leoncavallo. Les répétitions devaient se dérouler dès le 10 septembre 1996 et 7 représentations étaient prévues, du 18 octobre au 3 novembre 1996. La rémunération brute convenue était de 8'000 fr. par représentation, auxquels s'ajoutaient 8'000 fr. pour la période des répétitions et le remboursement d'un billet d'avion en classe économique Saint-Pétersbourg - Genève et retour. La cantatrice s'engageait à observer les instructions données par le metteur en scène, le chef d'orchestre et l'éventuel chorégraphe. Elle avait l'obligation de s'assurer personnellement contre la maladie; selon la convention, elle devait informer immédiatement la direction du Grand-Théâtre en cas d'indisponibilité ou de maladie. Les parties étaient convenues d'appliquer le droit suisse et de soumettre tout différend éventuel aux tribunaux du canton de Genève. Le 14 août 1996, l'agent d'Elena Prokina adressa un fax au metteur en scène, exposant que la cantatrice souhaitait lui parler d'une "affaire personnelle". Aucun autre renseignement à ce sujet ne fut donné ni au metteur en scène, ni au Grand-Théâtre. Dans la deuxième semaine du mois de septembre 1996, l'agent local d'Elena Prokina informa pour la première fois la directrice du Grand-Théâtre que la cantatrice était enceinte, sans toutefois préciser l'état d'avancement de cette grossesse. Par lettre du 13 septembre 1996, la directrice demanda à l'agent précité d'indiquer de combien de mois l'intéressée était enceinte et si elle serait en mesure "non pas de chanter, mais d'assurer la partie scénique, et l'interprétation". Lorsque Elena Prokina arriva à Genève, à la veille des répétitions qui avaient été repoussées au 17 septembre 1996, elle était enceinte de 25 semaines, de sorte qu'au moment de la dernière représentation, elle aurait été enceinte de 32 semaines, soit 8 mois. Le metteur en scène refusa de faire jouer le rôle de Nedda à Elena Prokina. Cet opéra comprend en effet des scènes de violence réelles BGE 126 III 75 S. 77 et non fictives. L'artiste Jan Blinkhof estima impossible de jeter une femme enceinte de 8 mois sur ses épaules, de marcher ainsi sur la rambarde séparant la scène de la fosse d'orchestre, enfin de la jeter à terre et de mimer le fait de l'étrangler et de la poignarder dans le bas-ventre; selon lui, il était inconcevable de jouer ces scènes sans faire prendre des risques à sa partenaire, ce qui aurait été un facteur de stress tant pour lui que pour tous les participants au spectacle. L'ensemble des artistes, ainsi que le régisseur et le chef des chants, partageaient le point de vue que le rôle de Nedda, compte tenu des scènes de violence qu'il comporte, ne pouvait pas être interprété par une femme enceinte de 8 mois. Entre le 17 et le 20 septembre 1996, le Grand-Théâtre fit savoir à l'agent local d'Elena Prokina qu'il n'était pas possible de confier à cette dernière le rôle de Nedda. Le 20 septembre 1996, le Grand-Théâtre adressa un fax à Elena Prokina, laquelle le reçut dans la soirée; selon cette télécopie, la grossesse de la cantatrice constituait un problème insoluble, si bien que le Grand-Théâtre se voyait dans l'obligation de renoncer à sa collaboration. B.- Le 30 juin 1997, Elena Prokina a assigné le Grand-Théâtre devant la juridiction des prud'hommes du canton de Genève, réclamant le paiement de son salaire et de ses frais de déplacement, par 64'709 fr., ainsi que d'une indemnité de 192'000 fr. pour licenciement injustifié. Par jugement du 7 septembre 1998, le Tribunal des prud'hommes a condamné la Fondation du Grand-Théâtre de Genève à verser à la demanderesse la somme de 64'000 fr. brut à titre de salaire, 709 fr. à titre de remboursement des frais de voyage et 128'000 fr. à titre d'indemnité pour licenciement immédiat injustifié. Saisie par la défenderesse, la Chambre d'appel de la juridiction des prud'hommes du canton de Genève, par arrêt du 7 juin 1999, a réformé ce jugement et condamné la Fondation du Grand-Théâtre de Genève à verser à Elena Prokina 30'000 fr. net à titre d'indemnité pour congé abrupt injustifié, sous déduction d'un montant déjà reçu de 3'141 fr.05. C.- Elena Prokina exerce un recours en réforme au Tribunal fédéral. Invoquant une violation de l' art. 337c CO , elle soutient qu'elle a fait l'objet d'une résiliation immédiate injustifiée, de sorte qu'elle a droit à ce qu'elle aurait gagné si le contrat s'était poursuivi ( art. 337c al. 1 CO ), soit 64'709 fr., ainsi qu'à une indemnité en application de l' art. 337c al. 3 CO qu'elle évalue à 128'000 fr. BGE 126 III 75 S. 78 L'intimée propose le rejet du recours. Elle forme également un recours joint, demandant l'annulation de l'arrêt attaqué et le déboutement de sa partie adverse de toutes ses conclusions. Le Tribunal fédéral rejette le recours principal, admet partiellement le recours joint et réforme l'arrêt attaqué en ce sens que la défenderesse est condamnée à payer à la demanderesse la somme de 3'709 fr. en capital, sous déduction de 3'141 fr.05. Erwägungen Extrait des considérants: 2. a) Selon l'accord passé entre les parties, la demanderesse s'est engagée, moyennant rémunération, à déployer une activité personnelle pendant une certaine durée, en obéissant aux instructions données par le metteur en scène, le chef d'orchestre et l'éventuel chorégraphe. Une telle convention doit manifestement être qualifiée de contrat individuel de travail ( art. 319 al. 1 CO ; cf. à ce propos ATF 112 II 41 consid. 1a/aa p. 46). b) Au moment où devaient avoir lieu les représentations fixées, la recourante principale aurait été enceinte de six à huit mois. Comme le rôle qu'elle devait jouer comportait des scènes de violence physique, elle ne pouvait l'assumer sans danger pour elle-même et son enfant; la cour cantonale a donc admis qu'il était impossible de faire jouer le rôle à la demanderesse, compte tenu de l'avancement de sa grossesse. Il s'agit là de constatations de fait, qui lient le Tribunal fédéral saisi d'un recours en réforme ( art. 63 al. 2 OJ ). c) Il en résulte que la recourante principale était empêchée, sans sa faute, de fournir, pendant toute la durée du contrat, le travail promis. Cette impossibilité entraîne sa libération ( art. 119 al. 1 CO ). S'agissant d'un contrat bilatéral, le cocontractant est en principe également libéré de l'obligation de fournir la contrepartie de la prestation impossible ( art. 119 al. 2 CO ). Cette règle ne vaut cependant que si la loi ou le contrat ne met pas le risque à sa charge ( art. 119 al. 3 CO ). d) Pour le contrat de travail, le problème du risque est régi spécialement par les art. 324a et 324b CO . La convention conclue en l'espèce ne contient aucune disposition qui étendrait les droits du travailleur au-delà du régime légal (cf. art. 362 al. 1 CO ). L'hypothèse de la grossesse est envisagée par l' art. 324a al. 3 CO , qui renvoie à la règle générale contenue dans les deux alinéas précédents. BGE 126 III 75 S. 79 L' art. 324a al. 1 CO prévoit que si le travailleur est empêché de travailler sans faute de sa part pour des causes inhérentes à sa personne, l'employeur lui verse le salaire pour un temps limité, y compris une indemnité équitable pour le salaire en nature perdu, dans la mesure où les rapports de travail ont duré plus de trois mois ou ont été conclus pour plus de trois mois. Le droit au salaire n'existe donc, en pareille situation, que si le rapport de travail a duré plus d'un trimestre ou s'il a été conclu pour plus d'un trimestre (MANFRED REHBINDER, Commentaire bernois, n. 17 ad art. 324a CO ; du même auteur, Commentaire bâlois, n. 1 ad art. 324a CO ; ADRIAN STAEHELIN, Commentaire zurichois, n. 16 et 32 ad art. 324a CO ; FRANK VISCHER, Der Arbeitsvertrag, in: Traité de droit privé suisse, VII/1, III, p. 130; JÜRG BRÜHWILER, Kommentar zum Einzelarbeitsvertrag, 2e éd., n. 22, 15 et 16 ad art. 324a CO ; PHILIPPE GNAEGI, Le droit du travailleur au salaire en cas de maladie, thèse Neuchâtel 1996, p. 44). Cette limitation repose sur l'idée que l'employeur doit protéger le travailleur dans l'hypothèse seulement où ce dernier lui montre une certaine fidélité, qui résulte de la durée de l'emploi; en d'autres termes, il ne se justifie pas de mettre à la charge de l'entreprise les conséquences d'une incapacité de travail lorsque l'emploi revêt un caractère purement temporaire (GABRIEL AUBERT, Le droit au salaire en cas d'empêchement de travailler, in: Journée 1991 du droit du travail et de la sécurité sociale, p. 86). Il est vrai que l'auteur cité a critiqué cette règle, mais seulement de lege ferenda; de surcroît, sa critique se fonde sur des hypothèses de précarité sans rapport avec la situation d'une cantatrice d'opéra renommée. Le législateur a clairement voulu lier l'obligation de payer le salaire pendant un empêchement à la durée des rapports de travail (cf. art. 324a al. 2 CO ), c'est-à-dire à l'ensemble des prestations que l'employeur a reçues ou devait recevoir du travailleur dans le temps. Avec l'exigence de durée figurant à l' art. 324a al. 1 CO , le législateur n'a pas souhaité que l'employeur doive payer le salaire dans un cas où, en raison de la brièveté des rapports de travail, il ne reçoit pratiquement aucune prestation du travailleur empêché. En l'espèce, le contrat n'a pas été conclu pour plus de trois mois et il n'a pas duré plus de trois mois. En conséquence, faute de convention spéciale, l'employeur n'est pas tenu de payer le travailleur pendant son empêchement non fautif. e) Il est vrai que la recourante principale voulait néanmoins fournir son travail. Il a cependant été constaté en fait - d'une manière BGE 126 III 75 S. 80 qui lie le Tribunal fédéral ( art. 63 al. 2 OJ ) - qu'elle n'était pas en état de le faire. Comme l'employeur doit manifester les égards voulus pour la santé du travailleur ( art. 328 al. 1 CO ) et qu'il est tenu de prendre les mesures commandées par les circonstances pour protéger sa vie, sa santé et son intégrité personnelle ( art. 328 al. 2 CO ), on ne saurait reprocher à un employeur de refuser le travail offert par un employé qui, pour cause de maladie, d'invalidité ou de grossesse, n'est pas à même de fournir sa prestation sans danger pour lui-même. f) La cour cantonale a estimé que l'employeur avait résilié le contrat de travail de manière injustifiée. Cette opinion ne peut pas être suivie. Dans son fax du 20 septembre 1996, l'employeur constate que la grossesse crée un problème insoluble, qu'elle ne permet pas une mise en scène crédible et que le rôle exige un engagement physique soutenu, dont il n'entend pas prendre la responsabilité. En réalité, l'employeur s'est borné à constater l'empêchement non fautif du travailleur; vu la nature de l'empêchement et la brièveté du rapport de travail convenu, il était évident que cette circonstance déploierait ses effets jusqu'au terme du contrat. On reste cependant dans l'hypothèse déjà étudiée d'un empêchement non fautif de fournir le travail (cf. art. 119 et 324a CO ). Raisonner avec une résiliation revient à imputer à l'employeur un comportement absurde. En effet, un congé ordinaire était d'emblée exclu, s'agissant d'un contrat de durée déterminée ( art. 334 al. 1 CO ); une résiliation immédiate pour juste motif était également exclue, puisque ne pouvait être considéré comme tel le fait que le travailleur était sans sa faute empêché de travailler ( art. 337 al. 3 CO ). En réalité, la construction juridique adoptée a pour seul but d'amener l'employeur à indemniser la demanderesse (cf. art. 337c CO ), en détournant l'exigence de durée contenue à l' art. 324a al. 1 CO . g) Il n'est pas nécessaire de trancher la question de savoir si la recourante principale a violé ses obligations contractuelles en tardant à annoncer sa grossesse, car la défenderesse ne demande aucune réparation de ce fait. h) Il reste à reprendre le décompte effectué par la cour cantonale. aa) Les juges cantonaux ont alloué à la demanderesse 5'000 fr. pour les "frais de voyage et de déplacement engagés". La recourante principale n'a toutefois droit, selon les clauses du contrat, qu'au remboursement du billet d'avion Saint-Pétersbourg BGE 126 III 75 S. 81 - Genève et retour qu'elle a effectivement assumé dans l'intérêt de l'employeur, ce qui représente 709 fr. bb) La Chambre d'appel a accordé 10'000 fr. à la demanderesse pour le travail de préparation du rôle. Mais la recourante principale ne peut prétendre à une telle rémunération, parce qu'elle n'était pas prévue au contrat. Il n'est d'ailleurs pas rare qu'un emploi suppose une formation préalable qui n'est pas prise en charge par l'employeur. cc) La cour cantonale a estimé, sur la base de la clause contractuelle, à 3'000 fr. le montant de la rémunération due pour les répétitions effectuées par la recourante principale entre le 17 et le 20 septembre 1996. Pour ce qui est des répétitions, une rémunération était prévue. Il a été constaté en fait que la demanderesse avait participé à certaines répétitions. Il importe peu que ce travail se révèle en définitif sans utilité pour l'employeur, puisque le travailleur n'assume aucune obligation de résultat. Le montant arrêté par la Chambre d'appel n'étant pas discuté par les parties, il doit être alloué. dd) L'autorité cantonale a enfin octroyé à la demanderesse 12'000 fr. "pour les circonstances du licenciement". Pour les raisons déjà évoquées ci-dessus, la recourante principale n'a pas droit à une rémunération pour les représentations qu'elle a été empêchée d'effectuer, et encore moins à une indemnité "pour les circonstances du licenciement", dès lors qu'elle n'a pas été congédiée.
null
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c659c48f-9e3d-4574-9f37-c79ef3a8ca95
Urteilskopf 141 III 141 20. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit civil dans la cause A. contre Banque B. et Etablissement d'assurance contre l'incendie et les éléments naturels du canton de Vaud (ECA) (recours en matière civile) 5A_852/2014 du 23 mars 2015
Regeste Art. 17 und 140 Abs. 2 SchKG , Art. 39 VZG ; Lastenverzeichnis, Rechtsweg. Unterscheidung zwischen Beschwerde und Lastenbereinigungsklage; Form der Bestreitung (E. 4.2). Rechtsweg im Fall, dass der Schuldner die Anwendung des im Grundbuch eingetragenen Zinssatzes auf die Forderung und den Beginn des Zinsenlaufs bestreitet (E. 4.3).
Sachverhalt ab Seite 141 BGE 141 III 141 S. 141 A. A. fait l'objet de la poursuite en réalisation de gage immobilier n° x exercée par l'Office des poursuites du district de Morges (ci-après: l'office) à l'instance de la Banque B. et de l'Etablissement BGE 141 III 141 S. 142 cantonal d'assurance contre les incendies et les éléments naturels (ci-après: l'ECA), respectivement créancière hypothécaire en premier rang et bénéficiaire d'hypothèques légales privilégiées. B. Par pli recommandé du 3 octobre 2013, l'office a communiqué aux intéressés, soit notamment à A., l'état des charges relatif à l'immeuble grevé, avis leur étant donné que les charges invoquées seraient censées reconnues aussi bien quant à leur existence que quant à leur échéance, leur étendue et leur rang, si elles n'étaient pas contestées à l'office dans les dix jours dès la réception dudit avis. L'état des charges mentionnait les hypothèques légales privilégiées en faveur de l'ECA, la cédule hypothécaire en premier rang de 700'000 fr. propriété de la Banque B., ainsi que quatre cédules hypothécaires au porteur grevant en deuxième rang la parcelle du débiteur. Ces dernières cédules, dont le porteur était inconnu, étaient chacune portées à l'état des charges pour le montant de leur capital, majoré des intérêts courant à compter du jour du dépôt de la réquisition de vente, soit dès le 5 janvier 2011, au taux d'intérêt de 10 % correspondant au taux maximum inscrit au Registre foncier. C. Par lettre du 21 octobre 2013, invoquant l' art. 140 LP , A. s'est opposé à l'état des charges, contestant le taux et le point de départ de l'intérêt arrêté pour les cédules en deuxième rang. Il a demandé l'application d'un intérêt de 5 % à partir du jour de la vente, faute de production des titres par le détenteur. L'office refusant de donner suite à cette requête, réitérée les 1 er novembre 2013 et 14 novembre 2013, A. a déposé une plainte pour déni de justice le 19 novembre 2013, qui n'a pas bénéficié de l'effet suspensif en dépit de nombreux recours jusqu'au Tribunal fédéral. L'immeuble, objet du gage, a été vendu aux enchères publiques le 13 décembre 2013 et adjugé à la Banque B. Le même jour, le poursuivi a déposé une plainte tendant à l'annulation de l'adjudication. Le 11 avril 2014, la Présidente du Tribunal d'arrondissement de La Côte, en sa qualité d'autorité inférieure de surveillance, a rejeté la plainte pour déni de justice du 19 novembre 2013. Par arrêt du 17 octobre 2014, la Cour des poursuites et faillites du Tribunal cantonal vaudois a rejeté le recours interjeté par A. et confirmé le prononcé entrepris. D. Saisi d'un recours en matière civile de A., le Tribunal fédéral l'a admis dans la mesure de sa recevabilité. Il a réformé l'arrêt entrepris BGE 141 III 141 S. 143 en ce sens que l'office a été invité à donner suite à l'opposition du 21 octobre 2013 dans le sens des considérants. (résumé) Erwägungen Extrait des considérants : 4. 4.2 A l'instar de l'état des charges dans la poursuite par voie de faillite ( art. 247 ss LP ; cf. ATF 119 III 84 consid. 2) - qui fait partie intégrante de l'état de collocation (art. 125 al. 2 de l'ordonnance du Tribunal fédéral du 23 avril 1920 sur la réalisation forcée des immeubles [ORFI; RS 281.42]) -, l'état des charges dans la poursuite par voie de saisie ou de réalisation de gage ( art. 140 et 156 al. 1 LP ; art. 34 ss et 102 ORFI ) est susceptible de plainte à l'autorité de surveillance ( art. 17 LP ) lorsque l'office des poursuites a violé des prescriptions formelles à l'occasion de son établissement ( ATF 120 III 20 consid. 1; arrêt 5A_275/2012 du 29 juin 2012 consid. 2.1 avec les citations; cf. pour la doctrine: INGRID JENT-SØRENSEN, Die Rechtsdurchsetzung bei der Grundstückverwertung in der Spezialexekution, 2003, p. 134 ss et les nombreuses références). En revanche, l'action en épuration de l'état des charges est ouverte lorsque le demandeur entend contester l'existence, l'étendue, le rang ou l'exigibilité d'un droit inscrit à l'état des charges ( art. 37 al. 2 ORFI ; JENT-SØRENSEN, op. cit., p. 178 ss; FRANÇOIS BOHNET, Actions civiles, 2014, § 124 avec les références). Cette distinction est consacrée de longue date par la jurisprudence (cf. notamment: ATF 30 I 148 consid. 1; 38 I 273 ; 43 III 302 consid. 1; 57 III 131 consid. 1; ATF 140 III 234 consid. 3.1). La contestation ne doit pas être motivée et ne doit pas non plus indiquer si elle porte sur la créance même, le droit de gage, le rang ou l'exigibilité (JENT-SØRENSEN, op. cit., n. 363 ss p. 151 ss; GERHARD KUHN, in Commentaire ORFI, 2012, n° 6 ad art. 37 ORFI et les références). 4.3 En l'espèce, selon l'arrêt entrepris, invoquant l' art. 140 LP , le recourant a "contesté le taux d'intérêt calculé aux cédules de deuxième rang" ainsi que la date de départ des intérêts au 5 janvier 2011. Plus particulièrement, il a fait valoir que devait figurer à l'état des charges l'intérêt moratoire ordinaire de 5 %, ainsi qu'il en allait pour la Banque B., et que les intérêts devaient courir dès le jour de la vente, dès lors que le détenteur des titres ne les avait pas produits. Face à une telle requête, la Cour des poursuites et faillites ne pouvait se retrancher, par renvoi aux motifs de l'autorité inférieure de BGE 141 III 141 S. 144 surveillance, derrière l'obligation, découlant de l' art. 36 al. 2 ORFI (cf. aussi ATF 112 III 102 consid. 1; ATF 121 III 24 consid. 2b et les références), pour l'office de porter à l'état des charges celles figurant dans l'extrait du Registre foncier. Il ne ressort pas du courrier du recourant que celui-ci aurait reproché à l'office d'avoir porté à l'état des charges le taux de 10 % ou qu'il se serait prévalu d'un autre défaut de nature formelle, comme une erreur de report ou une transcription peu claire ou incomplète, griefs pouvant faire l'objet d'une plainte. Il apparaît qu'il s'est plaint de l'application à la créance du taux d'intérêt de 10 % tel qu'il résultait du Registre foncier et du point de départ des intérêts. Contrairement à ce qu'a retenu l'autorité cantonale, il s'en est ainsi pris à l'étendue de la créance garantie (cf. art. 818 CC ; cf. PIERRE-ROBERT GILLIÉRON, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, vol. II, 2000, n° 53 ad art. 140 LP ; DÜRR/ZOLLINGER, Zürcher Kommentar, 2 e éd. 2013, n os 6 et 12 ad art. 818 CC ), grief qui déclenchait l'ouverture de la procédure d'épuration des charges conformément aux art. 106-109 LP (art. 140 al. 2, 2 e phrase, LP; ATF 112 III 109 consid. 4a; arrêt 5A_272/2014 du 21 juillet 2014 consid. 4.1). Selon l' art. 39, 1 re phrase, ORFI, applicable par renvoi de l' art. 102 ORFI , l'office devait ainsi procéder conformément à l' art. 107 al. 5 LP , soit répartir les rôles dans la procédure d'épuration de l'état des charges (cf. pour les principes de répartition: art. 39, 2 e phrase, ORFI; arrêt 5A_272/2014 du 21 juillet 2014 consid. 4.1) et assigner un délai péremptoire de vingt jours au demandeur pour ouvrir action (BOHNET, op. cit., p. 1366).
null
nan
fr
2,015
CH_BGE
CH_BGE_005
CH
Federation
c65a0921-fef7-451c-af43-8194b31ddca3
Urteilskopf 124 IV 254 42. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 11. November 1998 i.S. P. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste Art. 43 Ziff. 2, Art. 44 Ziff. 1 und 6 StGB . Der Richter kann auf die Entscheidung der Fragen, ob eine Massnahme anzuordnen und der Vollzug der von ihm ausgefällten Freiheitsstrafe aufzuschieben sei, nicht mit der Begründung verzichten, dass sich die Frage der Anordnung einer Massnahme auch in einem andern, hängigen Strafverfahren stellen werde (E. 3 und 4).
Sachverhalt ab Seite 254 BGE 124 IV 254 S. 254 A.- Ende 1991 knüpfte P. eine Beziehung zu B. an, die als Prostituierte arbeitete. Die Beziehung dauerte vier Monate. Im ersten Monat besuchte er Frau B. mindestens viermal, in den folgenden drei Monaten insgesamt fünfmal. Jedesmal brachte er Kokain mit, welches sie gleichzeitig und gemeinsam konsumierten. P. gab Frau B. unter neun Malen insgesamt rund 50 g Kokain ab. 45 g konsumierte Frau B. in Anwesenheit von P., den Rest konsumierte sie allein. B.- Das Obergericht des Kantons Aargau sprach P. am 7. Mai 1998 der Widerhandlung im Sinne von Art. 19 Ziff. 1 Abs. 4 BetmG schuldig und verurteilte ihn deswegen sowie wegen einfacher Verletzung von Verkehrsregeln durch Nichteinhalten eines ausreichenden Abstandes beim Hintereinanderfahren zu einer unbedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von acht Monaten und zu einer Busse von 100 Franken, als Zusatzstrafe zum Urteil des Richteramtes VII Bern vom 31. Januar 1992. Das Obergericht hielt zudem in Ziff. 3 des Urteilsdispositivs fest, über die Anordnung einer Massnahme gestützt auf Art. 44 Ziff. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 43 Ziff. 2 StGB sowie den allfälligen Aufschub des Vollzugs der Gefängnisstrafe von acht Monaten habe der Sachrichter im neuen Strafverfahren gegen P. zu entscheiden. BGE 124 IV 254 S. 255 C.- P. ficht das Urteil des Obergerichts mit staatsrechtlicher Beschwerde und mit eidgenössischer Nichtigkeitsbeschwerde an. Mit der letzteren beantragt er, es sei aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Zudem ersucht er um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau beantragt sinngemäss die Abweisung der Nichtigkeitsbeschwerde. Erwägungen Auszug aus den Erwägungen: 3. a) Der Beschwerdeführer beantragte im Berufungsverfahren eventualiter die Einholung eines psychiatrischen Gutachtens unter anderem zu den Fragen seiner Zurechnungsfähigkeit und Massnahmebedürftigkeit. Die Vorinstanz hielt in ihrem Beschluss vom 29. Mai 1997 fest, ein solches Gutachten werde demnächst bereits vom Bezirksamt Aarau in einem andern hängigen Verfahren wegen Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz in Auftrag gegeben. Die Vorinstanz wies das Bezirksamt an, ihr nach Eingang des Gutachtens eine Kopie desselben zuzustellen. Eine Kopie des Gutachtens des Forensischen Dienstes der Psychiatrischen Klinik Königsfelden vom 31. Oktober 1997 ging am 20. November 1997 bei der Vorinstanz ein. b) Die Vorinstanz setzt sich im angefochtenen Urteil nicht mit den Schlussfolgerungen des Gutachtens betreffend die Anordnung einer stationären Massnahme auseinander und prüft nicht, ob der Vollzug der von ihr ausgefällten Gefängnisstrafe von acht Monaten in Würdigung des Gutachtens etwa zu Gunsten einer stationären Massnahme gemäss Art. 44 StGB aufzuschieben sei. Zur Begründung hält sie fest, es sei zu berücksichtigen, dass das Bezirksamt Aarau gegen den Beschwerdeführer erneut eine Strafuntersuchung wegen Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz durchführe. Dem Beschwerdeführer werde vorgeworfen, von Herbst 1995 bis Ende März 1996 zirka 1,55 kg Kokain zum Weiterverkauf erworben zu haben. Die Untersuchung stehe kurz vor dem Abschluss. Im Falle einer Verurteilung habe der Beschwerdeführer mit einer massiven Freiheitsstrafe zu rechnen. Die Frage der Anordnung einer Massnahme und des Aufschubs der Freiheitsstrafe werde sich auch im neuen Verfahren stellen. Sie soll durch den Entscheid im vorliegenden, vergleichsweise untergeordneten Verfahren nicht präjudiziert werden und sei dem Sachrichter im neuen Verfahren zu überlassen. Für den Antritt einer allfälligen Massnahme sei keine Dringlichkeit geboten. BGE 124 IV 254 S. 256 c) Der Beschwerdeführer macht im Wesentlichen geltend, dieses Vorgehen der Vorinstanz sei im Gesetz nicht vorgesehen und daher bundesrechtswidrig. Zudem verstosse es, wie auch in der konnexen staatsrechtlichen Beschwerde geltend gemacht wird, gegen den Grundsatz der Unschuldsvermutung, da der Ausgang des hängigen Verfahrens, auf welches die Vorinstanz verweise, offen sei. d) Die Beschwerdegegnerin vertritt in ihren Gegenbemerkungen die Auffassung, dass sich eine einheitliche Beurteilung der Frage des Strafaufschubs für das vorliegende und für das neue Verfahren geradezu aufdränge. Sie habe sich einem Aufschub nicht grundsätzlich widersetzt, sondern nur eine Präjudizierung dieser Frage für das schwerer wiegende neue Verfahren verhindern wollen. In diesem neuen Verfahren sei nun zwischenzeitlich am 4. August 1998 beim Bezirksgericht Aarau Anklage erhoben und beantragt worden, die neu auszufällende Strafe (Antrag: 3 1/2 Jahre Zuchthaus) zusammen mit der im angefochtenen Urteil ausgefällten Strafe von acht Monaten Gefängnis aufzuschieben. Eine gesonderte vorgezogene bundesgerichtliche Beurteilung dieser Frage für das erste Verfahren dürfte sich damit erübrigen. 4. Gemäss Art. 44 Ziff. 1 i.V.m. Ziff. 6 StGB kann der Richter die Einweisung des Täters in eine Heilanstalt anordnen, wenn dieser rauschgiftsüchtig ist, die Tat damit in Zusammenhang steht und durch diese Massnahme die Gefahr künftiger Verbrechen oder Vergehen verhütet werden kann. Der Richter kann auch ambulante Behandlung anordnen. Art. 43 Ziff. 2 StGB ist entsprechend anwendbar. Wird vom Richter Einweisung in eine Heil- oder Pflegeanstalt angeordnet, so schiebt er im Falle einer Freiheitsstrafe deren Vollzug auf. Zwecks ambulanter Behandlung kann der Richter den Vollzug der Strafe aufschieben, um der Art der Behandlung Rechnung zu tragen. Das Gesetz sieht nicht vor, dass der Richter die Entscheidung über die Anordnung einer Massnahme und den allfälligen Aufschub des Vollzugs der von ihm ausgefällten Freiheitsstrafe unter Umständen einem andern Richter in einem andern, hängigen Verfahren betreffend gleichartige Straftaten überlassen dürfe. Die Vorinstanz hätte selber darüber entscheiden müssen. Dass das bei ihr hängige Verfahren gegen den Beschwerdeführer wegen Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz, begangen Ende 1991/Anfang 1992, im Vergleich zum andern, vor dem Bezirksamt Aarau hängigen Verfahren gegen den Beschwerdeführer wegen Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz, angeblich begangen zwischen Herbst 1995 und März 1996, allenfalls von vergleichsweise BGE 124 IV 254 S. 257 untergeordneter Bedeutung ist, ist belanglos. Auch ein relativ geringfügiges Vergehen, ja unter Umständen sogar eine Übertretung (siehe Art. 19a Ziff. 4 BetmG [SR 812.121]), kann Anlass für eine Massnahme sein. Dass sich die Frage der Anordnung einer Massnahme allenfalls auch im andern, hängigen Verfahren stellen könnte, ist unerheblich. Der Richter im andern Verfahren hat gar nicht die Möglichkeit, den Vollzug der von der Vorinstanz ausgefällten Gefängnisstrafe von acht Monaten in Anwendung von Art. 44 Ziff. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 43 Ziff. 2 StGB nachträglich zu Gunsten der von ihm angeordneten Behandlung aufzuschieben. Unerheblich ist ferner, dass nach der Auffassung der Vorinstanz «für den Antritt einer allfälligen Massnahme ... keine Dringlichkeit geboten» sei. Diese Dringlichkeit ist keine Voraussetzung für die richterliche Anordnung einer Massnahme. Die Dringlichkeit ist nur dann von Bedeutung, wenn etwa Massnahmen nach Art. 44 StGB und Freiheitsstrafen im Vollzug zusammentreffen; in diesem Fall ist von der zuständigen Behörde vorerst die am dringlichsten oder zweckmässigsten erscheinende Massnahme oder Strafe zu vollziehen und der Vollzug der andern aufzuschieben (siehe Art. 2 Abs. 8 VStGB 1 ). Inwiefern der Entscheid der Vorinstanz zur Frage der Anordnung einer Massnahme einen Entscheid im andern Verfahren präjudiziert hätte, ist nicht ersichtlich. Der Richter im andern Verfahren ist an die diesbezügliche Auffassung der Vorinstanz nicht gebunden. Insbesondere aber musste die Vorinstanz nach dem Grundsatz der Unschuldsvermutung davon ausgehen, dass der Ausgang des zur Zeit der Ausfällung des angefochtenen Urteils noch vor dem Bezirksamt Aarau hängigen Verfahrens bis zu dessen rechtskräftigem Abschluss sowohl im Schuldpunkt als auch hinsichtlich der Sanktion ungewiss ist. Das Vorgehen der Vorinstanz läuft, zumindest indirekt, auch auf eine Verletzung des Grundsatzes der Unschuldsvermutung hinaus. Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde ist daher in diesem Punkt gutzuheissen, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit diese darüber entscheide, ob eine Massnahme anzuordnen sei.
null
nan
de
1,998
CH_BGE
CH_BGE_006
CH
Federation
c6623601-a3b9-4e4c-9126-9c79df983355
Urteilskopf 140 I 99 7. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. A. und Mitb. gegen Gemeinderat Weiningen und Bezirksrat Dietikon (subsidiäre Verfassungsbeschwerde) 1D_3/2013 vom 14. Februar 2014
Regeste Art. 5 Abs. 3 und Art. 29 BV ; Verfahren der ordentlichen Einbürgerung. Lädt die für die Einbürgerung zuständige Gemeindebehörde die Bewerber zu einem Gespräch ein, das ausdrücklich dem Kennenlernen und der Erläuterung ihrer Motive dienen soll, und wird bei diesem Gespräch unangekündigt eine Prüfung des Allgemeinwissens durchgeführt, verstösst dies gegen die Grundsätze von Treu und Glauben sowie der Fairness im Verfahren (E. 2 und 3).
Sachverhalt ab Seite 99 BGE 140 I 99 S. 99 A. A.a Die Ehegatten B., geb. 1961, und A., geb. 1970, ersuchten am 16. Mai 2012 für sich und ihre Kinder D., geb. 1998, und C., geb. 2000, um Erteilung der eidgenössischen Einbürgerungsbewilligung. Am 14. August 2012 überwies das Gemeindeamt des Kantons Zürich die Gesuchsunterlagen der Gemeinde Weiningen zum Entscheid BGE 140 I 99 S. 100 über die Aufnahme ins Gemeindebürgerrecht. In der Folge lud die Bürgerkommission der Gemeinde Weiningen die Ehegatten A. und B. zu einem Gespräch ein, an dem auch die beiden Kinder teilnahmen. A.b Mit Beschluss vom 22. Oktober 2012 wies der Gemeinderat Weiningen das Einbürgerungsgesuch der Familie A., B., C. und D. ab. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, die Bewerber seien nicht in die schweizerischen Verhältnisse eingegliedert und nicht mit den hiesigen Landesgewohnheiten, Sitten und Gebräuchen vertraut; insbesondere seien die Eltern A. und B. der deutschen Sprache nur dürftig mächtig und hätten sehr einfache geografische und staatsbürgerliche Fragen nicht in genügender Weise beantworten können. B. Am 27. Februar 2013 wies der Bezirksrat Dietikon einen dagegen erhobenen Rekurs der Familie A., B., C. und D. ab. C. Mit Urteil vom 26. August 2013 wies auch das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich eine dagegen eingereichte Beschwerde ab. Im Wesentlichen wurde dies damit begründet, die Beschwerdeführer hätten sich auf das Einbürgerungsgespräch einstellen und sich rechtsgenüglich zur Sache äussern können. In der Sache sei zwar davon auszugehen, dass auch die Eltern A. und B. die deutsche Sprache knapp genügend beherrschten, dass die Familie A., B., C. und D. insgesamt unter Würdigung der persönlichen Verhältnisse aber nicht genügend in die schweizerischen Verhältnisse eingegliedert sei. D. Mit subsidiärer Verfassungsbeschwerde an das Bundesgericht beantragen B. und A. sowie ihre Kinder D. und C., das Urteil des Verwaltungsgerichts aufzuheben und dem Einbürgerungsgesuch zu entsprechen; eventuell sei die Angelegenheit zur Neubeurteilung an das Verwaltungsgericht zurückzuweisen. Zur Begründung machen sie im Wesentlichen einen Verstoss gegen die Grundsätze eines rechtsstaatlichen Verfahrens geltend, weil sie sich mangels genügender Orientierung nicht korrekt auf das Einbürgerungsgespräch hätten vorbereiten können. E. Die Gemeinde Weiningen schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Der Bezirksrat Dietikon und das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich haben auf eine Vernehmlassung verzichtet. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut. BGE 140 I 99 S. 101 Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. 2.1 Für die ordentliche Einbürgerung muss der Gesuchsteller die gesetzlichen Wohnsitzerfordernisse erfüllen (vgl. Art. 15 des Bundesgesetzes vom 29. September 1952 über Erwerb und Verlust des Schweizer Bürgerrechts [BüG; SR 141.0]), die hier nicht strittig sind. Überdies ist gemäss Art. 14 BüG vor Erteilung der Bewilligung zu prüfen, ob der Bewerber zur Einbürgerung geeignet ist, insbesondere ob er in die schweizerischen Verhältnisse eingegliedert ist (lit. a), mit den schweizerischen Lebensgewohnheiten, Sitten und Gebräuchen vertraut ist (lit. b), die schweizerische Rechtsordnung beachtet (lit. c) und die innere oder äussere Sicherheit der Schweiz nicht gefährdet (lit. d). Die Kantone sind in der Ausgestaltung der Einbürgerungsvoraussetzungen insoweit frei, als sie hinsichtlich der Wohnsitzerfordernisse oder der Eignung Konkretisierungen des bundesgesetzlich vorgeschriebenen Rahmens vornehmen können ( BGE 138 I 305 E. 1.4.3 S. 311). 2.2 Im Kanton Zürich werden die bundesrechtlichen Voraussetzungen umgesetzt in Art. 20 der Verfassung des Kantons Zürich vom 27. Februar 2005 (KV/ZH; SR 131.211), in den §§ 20-31 des zürcherischen Gemeindegesetzes vom 6. Juni 1926 (GG; LS 131.1) sowie in der kantonalen Bürgerrechtsverordnung vom 25. Oktober 1978 (BüV; LS 141.11). Danach müssen die Bewerber unter anderem über angemessene Kenntnisse der deutschen Sprache verfügen ( Art. 20 Abs. 3 lit. a KV/ZH ), in der Lage sein, für sich und ihre Familien aufzukommen ( Art. 20 Abs. 3 lit. b KV/ZH , § 21 Abs. 1 in Verbindung mit § 22 Abs. 1 GG und § 5 BüV), in die schweizerischen Verhältnisse eingegliedert sein (§ 21 Abs. 2 lit. a BüV), mit den schweizerischen Lebensgewohnheiten, Sitten und Gebräuchen vertraut sein (§ 21 Abs. 2 lit. b BüV, Art. 20 Abs. 3 lit. c KV/ZH ), die schweizerische Rechtsordnung beachten ( Art. 20 Abs. 3 lit. d KV/ZH , § 21 Abs. 2 lit. c BüV) sowie über einen unbescholtenen Ruf verfügen (§ 21 Abs. 1 GG und § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 6 BüV). 3. 3.1 Die Gemeinde verfügt beim Entscheid über eine ordentliche Einbürgerung über ein gewisses Ermessen. Obwohl diesem Entscheid auch eine politische Komponente innewohnt, ist das Einbürgerungsverfahren kein rechtsfreier Vorgang, wird doch darin über den rechtlichen Status von Einzelpersonen entschieden. Zu beachten sind BGE 140 I 99 S. 102 daher die einschlägigen Verfahrensbestimmungen, und die Gemeinde darf nicht willkürlich, rechtsungleich oder diskriminierend entscheiden und muss ihr Ermessen insgesamt pflichtgemäss ausüben (vgl. BGE 138 I 305 E. 1.4.3 S. 311). 3.2 Die Beschwerdeführer rügen, sie seien zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden und hätten dann unerwarteterweise eine Prüfung ihrer Kenntnisse der schweizerischen und lokalen Verhältnisse ablegen müssen. Die entsprechenden, von der Gemeinde offenbar als ungenügend beurteilten Ergebnisse hätten zum ablehnenden Entscheid geführt. Das verstosse gegen den Grundsatz eines fairen Verfahrens nach Art. 29 Abs. 1 BV . 3.3 Das Verwaltungsgericht ging davon aus, weder das Bundesrecht noch das kantonale Recht legten fest, wie die Prüfung ablaufen soll, ob die Voraussetzungen für die Erteilung des Gemeindebürgerrechts erfüllt seien. Die Gemeinden könnten dies selbst regeln, sofern sich das gewählte Verfahren zur Überprüfung der Voraussetzungen eigne. Aufgrund des erhaltenen Einladungsschreibens hätten die Beschwerdeführer damit rechnen müssen, dass gestützt auf das Gespräch ihre Deutschkenntnisse beurteilt würden. Da die Gemeinde nicht verpflichtet sei, Sachkenntnisse schriftlich zu prüfen und aus dem Einladungsschreiben hervorgegangen sei, dass hernach Antrag an den Gemeinderat gestellt werde, hätten sich die Beschwerdeführer auch darauf einstellen können, dass bereits Allgemeinwissen abgefragt werde. Die gestellten etwa 20 Fragen zum orts- und staatskundlichen Allgemeinwissen seien eher einfacher Natur gewesen und hätten dem Fragebogen der Gemeinde entsprochen, wie er auch in anderen Fällen Anwendung finde. Die Beschwerdeführer seien weder rechtsungleich behandelt noch in ihren Parteirechten verletzt worden. 3.4 Zur durch Art. 29 BV geschützten Verfahrensfairness gehört der in Art. 29 Abs. 2 BV besonders aufgeführte Anspruch auf rechtliches Gehör (vgl. RHINOW/SCHEFER, Schweizerisches Verfassungsrecht, 2. Aufl. 2009, Rz. 3040). Dieser dient der Sachaufklärung und garantiert den Verfahrensbeteiligten ein persönlichkeitsbezogenes Mitwirkungsrecht. Sie haben insbesondere Anspruch auf Äusserung zur Sache vor Fällung des Entscheids, auf Abnahme ihrer erheblichen, rechtzeitig und formrichtig angebotenen Beweise und auf Mitwirkung an der Erhebung von Beweisen oder zumindest auf Stellungnahme zum Beweisergebnis ( BGE 135 II 286 E. 5.1 S. 293; BGE 140 I 99 S. 103 BGE 134 I 140 E. 5.3 S. 148; BGE 127 I 54 E. 2b S. 56). Voraussetzung dafür sind genügende Kenntnisse über den Verfahrensverlauf, was auf das Recht hinausläuft, in geeigneter Weise über die entscheidwesentlichen Vorgänge und Grundlagen vorweg orientiert zu werden. Dabei geht es nicht nur um formelle Abläufe wie insbesondere die Abnahme von Beweisen, sondern auch um inhaltliche Anforderungen (vgl. MICHELE ALBERTINI, Der verfassungsmässige Anspruch auf rechtliches Gehör im Verwaltungsverfahren des modernen Staates, 2000, S. 206 ff.; MÜLLER/SCHEFER, Grundrechte in der Schweiz, 4. Aufl. 2008, S. 860; RHINOW/KOLLER/KISS/THURNHERR/BRÜHL-MOSER, Öffentliches Prozessrecht, 2. Aufl. 2010, Rz. 318; GEROLD STEINMANN, in: Die schweizerische Bundesverfassung, Kommentar, Ehrenzeller und andere [Hrsg.], 2. Aufl. 2008, N. 24 zu Art. 29 BV ). Eine Ausnahme kann nur für solche Verfahrensschritte gelten, die unaufschiebbar sind oder von der Natur her eine vorgängige Ankündigung ausschliessen, weil sie diesfalls gar nicht erfolgreich sein könnten, wie dies etwa für Überwachungen oder verdeckte Ermittlungen im Strafverfahren zutreffen kann. 3.5 Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung kann der Beschwerdeführer als Partei im kantonalen Einbürgerungsverfahren die Verletzung bundesverfassungsrechtlicher Verfahrensgarantien geltend machen, deren Missachtung eine formelle Rechtsverweigerung darstellt ( BGE 133 I 185 E. 6.2 S. 199; BGE 132 I 167 E. 2.1 S. 168). Das ergibt sich aus der Rechtsnatur des Entscheides über eine ordentliche Einbürgerung als individuell-konkretem Hoheitsakt und trifft insbesondere auf die Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gemäss Art. 29 Abs. 2 BV zu. Im Bürgerrechtsgesetz ausdrücklich genannt wird der Anspruch auf Begründung bei Verweigerung der Einbürgerung ( Art. 15b BüG ), der bisher auch in der Rechtsprechung und im einschlägigen Schrifftum im Vordergrund stand (vgl. BGE 135 I 265 E. 1.3 S. 270; BGE 134 I 56 E. 2 S. 58; BGE 130 I 140 E. 4.2 S. 147; BGE 129 I 232 E. 3 S. 234 ff.; LAURA CAMPISI, Die rechtliche Erfassung der Integration im schweizerischen Migrationsrecht, 2014, S. 306 ff.; CÉLINE GUTZWILLER, Droit de la nationalité et fédéralisme en Suisse, 2008, S. 369 ff.; YVO HANGARTNER, Grundsatzfragen der Einbürgerung nach Ermessen, ZBl 110/2009 S. 304 f.). An keiner Stelle wird jedoch die Auffassung vertreten, die anderen Verfahrensgarantien seien im Einbürgerungsverfahren unbeachtlich. Im Gegenteil wird der Anspruch auf Begründung stets als Konkretisierung der im Einbürgerungsverfahren allgemein geltenden BGE 140 I 99 S. 104 prozessualen Rechte dargestellt. Das stimmt im Übrigen mit dem auf Einbürgerungsverfahren ergänzend anwendbaren Art. 29 VwVG (SR 172.021) überein. Die verfassungsrechtlichen Verfahrensgarantien gelten daher in geeigneter Weise auch im Verfahren der ordentlichen Einbürgerung. Dazu zählt das Recht auf vorgängige Orientierung. Die Bewerber sind jedenfalls über diejenigen Verfahrensschritte vorweg zu informieren, die geeignet sind, den Entscheid über die Einbürgerung zu beeinflussen, und auf die sich die Bewerber gezielt vorbereiten können. Eine Ausnahme gilt auch hier nur, wenn sich eine solche aufgrund der besonderen Natur des Verfahrensschrittes bzw. der damit verbundenen Beweisaufnahme rechtfertigt. 3.6 Zum fairen Verfahren gehört sodann die Beachtung des Grundsatzes von Treu und Glauben gemäss Art. 5 Abs. 3 BV . Der Vertrauensschutz gilt auch in prozessualer Hinsicht (vgl. etwa BGE 135 I 257 E. 1.6 S. 261). Im Einbürgerungsverfahren darf der Bewerber ebenfalls damit rechnen, dass sich die Behörde an Auskünfte über das Verfahren, die sie ihm erteilt hat, so wie sie vernünftigerweise zu verstehen waren, hält. Das bedeutet, dass die Behörde ohne besondere Rechtfertigung für ein abweichendes Vorgehen nicht ohne neue vorgängige Orientierung vom bekannt gegebenen Verfahrensablauf abweichen kann. 3.7 Am 8. Oktober 2012 sandte die Gemeinde Weiningen das folgende an die beiden erwachsenen Beschwerdeführer adressierte Schreiben: " Ihr Bürgerrechtsgesuch / Einladung zu einem Gespräch ... Von den kantonalen Amtsstellen haben wir Ihr Einbürgerungsgesuch erhalten. Die Bürgerkommission hat nun darüber zu befinden, ob sie Ihre Aufnahme in das Bürgerrecht der Gemeinde Weiningen an den Gemeinderat beantragen kann. Vor Antragsstellung möchte sich die Bürgerkommission mit Ihnen unterhalten, damit diese Sie kennen lernen und etwas über Ihre Beweggründe zum Einbürgerungsgesuch erfahren kann. Wir bitten Sie deshalb beide , am ... (Datum, Zeit, Ort) ... vorzusprechen. ..." 3.7.1 Das Einladungsschreiben der Gemeinde zu einem Gespräch mit den Beschwerdeführern enthält keine Orientierung darüber, dass im Gespräch die Eignung zur Einbürgerung geprüft werde. Vielmehr wird als Gesprächszweck angegeben, es gehe darum, die BGE 140 I 99 S. 105 Gesuchsteller kennenzulernen und ihre Motive für die Einbürgerung zu erfahren. Dass Fragen zu den Beweggründen gestellt wurden, ist nicht zu beanstanden. Auch scheinen allgemeine Rückschlüsse auf die Sprachkenntnisse nicht von vornherein unzulässig. Gestützt auf das ihnen gesandte Schreiben mussten die Beschwerdeführer jedoch nicht damit rechnen, bereits eine Prüfung über ihre Kenntnisse der schweizerischen und lokalen Verhältnisse, insbesondere solche geografischer und staatskundlicher Natur sowie zur Zusammensetzung von Behörden oder zu einzelnen Behördenvertretern ablegen zu müssen. Das Stellen von Testfragen, die im Übrigen entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts zum Teil über generell als bekannt vorauszusetzendes Allgemeinwissen hinausgingen, nahm den Charakter einer eigentlichen Prüfung an. Es war für die Beschwerdeführer aufgrund der im Einladungsschreiben verwendeten Formulierung nicht vorweg erkennbar, dass eine solche am Gesprächstermin stattfinden würde. Auch war der Hinweis auf eine spätere Antragsstellung an den Gemeinderat entgegen den entsprechenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts nicht so zu verstehen, dieser Antrag werde bereits unmittelbar im Anschluss an das Motivationsgespräch formuliert und es würden später keine Beweise zur Eignung für die Einbürgerung mehr abgenommen. Insbesondere sprachen der frühe Zeitpunkt im Verfahren sowie der im Einladungsschreiben angegebene Gesprächszweck für das Gegenteil, weshalb ein solcher Schluss nicht nahelag. 3.7.2 Zwar steht es im Ermessen der Gemeinde, im Einbürgerungsverfahren bei der Prüfung der Integration auch Fragen zum Allgemeinwissen zu stellen. Die Beschwerdeführer durften jedoch aufgrund des frühen Verfahrensstadiums sowie des Einladungsschreibens davon ausgehen, dass eine Eignungsprüfung erst später stattfinden werde und sie sich noch angemessen darauf vorbereiten könnten. Wird insbesondere wie im vorliegenden Zusammenhang Wissen geprüft, so drängt sich eine vorgängige Orientierung darüber auf. Nicht nur ist es diesfalls für die Bewerber einfacher als bei anderen Kriterien der Integration, sich darauf inhaltlich einzurichten, sondern es ermöglicht ihnen, sich mental darauf einzustellen und durch den Überraschungseffekt bewirkte kurzfristige Wissenslücken zu vermeiden. Es ist denn auch notorisch, dass sich Bewerber für eine Einbürgerung ähnlich wie bei schulischen Examen teilweise vertieft und unter Verwendung spezifischer Lehrmittel auf die Prüfung des Wissens vorbereiten, das ihre Integration belegen soll. Da die BGE 140 I 99 S. 106 Beschwerdeführer über den wahren Zweck des Gesprächs nicht orientiert worden waren, mussten sie nicht mit einer solchen Prüfung rechnen und hatten sie noch keinen Anlass, sich auf die ihnen ohne Ankündigung unvermittelt gestellten Testfragen in angemessener Weise vorzubereiten. 3.7.3 Aufgrund des Motivationsgespräches verneinte die Gemeinde, dass die Beschwerdeführer über genügende Sprachkenntnisse verfügen. Die Vorinstanz beurteilte diese hingegen als knapp ausreichend. An den Sprachkenntnissen scheiterte das Einbürgerungsgesuch demnach nicht. Sodann erachteten beide Vorinstanzen die Motivation nicht als ungenügend. Hingegen schlossen sie gestützt auf die von den Beschwerdeführern auf dem Fragebogen ausgefüllten Antworten, diese seien nicht genügend in die schweizerischen Verhältnisse eingegliedert. Diese Beurteilung führte zur Ablehnung ihres Einbürgerungsgesuchs bzw. zur Abweisung ihrer Beschwerde an die Vorinstanz. Die mangelnde Orientierung über den wahren Zweck des Gesprächs zeitigte also unmittelbare rechtliche Auswirkung. Eine besondere Rechtfertigung für das Fehlen der Ankündigung, das Allgemeinwissen der Beschwerdeführer zu prüfen, gibt es nicht und wird von der Gemeinde auch nicht geltend gemacht. Das Vorgehen der Gemeinde verstösst demnach gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 29 Abs. 2 BV bzw. in allgemeinerer Weise gegen den Grundsatz der Verfahrensfairness gemäss Art. 29 Abs. 1 BV . Überdies verletzte die Gemeinde in prozessualer Hinsicht das Prinzip von Treu und Glauben nach Art. 5 Abs. 3 BV . 3.8 Aufgrund der formellen Natur des Verfahrensmangels ist der angefochtene Entscheid unabhängig von dessen inhaltlicher Rechtmässigkeit aufzuheben. Mangels genügender Sachverhaltsabklärung kann dem Antrag der Beschwerdeführer, direkt ihrem Einbürgerungsgesuch stattzugeben, nicht entsprochen werden. Die Sache ist vielmehr an die Gemeinde zurückzuweisen zur Vornahme der erforderlichen ergänzenden Verfahrensschritte und Sachverhaltsabklärung sowie zu neuem Entscheid.
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Urteilskopf 100 II 84 15. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 2. Mai 1974 i.S. Jaggi gegen Suter
Regeste Ersatzanschaffungen ( Art. 196 Abs. 2 ZGB ). Werden vom Ehemann aus seinem eingebrachten baren Geld, den andern vertretbaren Sachen und den Inhaberpapieren, die nur der Gattung nach bestimmt worden sind, Anschaffungen gemacht, so ist fraglich, ob die angeschafften Vermögenswerte wiederum als eingebrachtes Gut vermutet werden können. Frage offen gelassen.
Sachverhalt ab Seite 84 BGE 100 II 84 S. 84 Aus deem Tatbestand: Margrith Suter und Johann Jaggi gingen am 2. September 1961 die Ehe ein. Zunächst wohnten sie in Gränichen. Am 18. Februar 1962 erwarb der Ehemann vom Onkel der Ehefrau ein Grundstück, auf dem er ein Haus erstellen liess, das die Ehegatten im Oktober desselben Jahres bezogen. Ende. Februar 1968 verliess die Ehefrau den ehelichen Haushalt und in der Folge lebten die Ehegatten getrennt. Die Ehe wurde am 10. Juli 1973 vom Obergericht des Kantons Aargau geschieden. Gegen dessen Urteil erklärte der Kläger die Berufung an BGE 100 II 84 S. 85 das Bundesgericht, mit der er eine Abänderung der vom Obergericht angeordneten güterrechtlichen Auseinandersetzung beantragt. Das Bundesgericht weist die Berufung ab und bestätigt das Urteil des Obergerichtes. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Nach den Feststellungen der Vorinstanz verfügte die Beklagte im Zeitpunkt der Eheschliessung über kein Vermögen, der Kläger dagegen über ein Sparkapital von Fr. 46488.25. Der Kläger schaffte aus seinen Ersparnissen die Aussteuer und ein Auto an. Die Vorinstanz behandelte diese Gegenstände als Ersatz für eingebrachtes Gut und liess sie bei der Vorschlagsberechnung ausser Betracht. Ihr Urteil ist insoweit nicht angefochten. Am 18. Februar 1962 verkaufte der Onkel der Beklagten dem Kläger ein Stück Bauland zum Preise von Fr. 8.-/m2, obwohl das Land einen Verkehrswert von Fr. 15.-/m2 aufwies. Die Differenz zwischen dem Kaufpreis und dem Verkehrswert (total Fr. 3857.--) bildete sein nachträgliches Hochzeitsgeschenk an beide Parteien. Das Bauland wurde also nach Eheabschluss zum einen Teil vom Onkel der Beklagten beiden Parteien geschenkt (wobei der jeder Partei geschenkte Betrag sich auf die Hälfte von Fr. 3857.--, d.h. auf Fr. 1928.50 belief) und zum andern Teil vom Kläger aus Mitteln des eingebrachten Gutes für Fr. 4408.-- erworben. Der anschliessende Hausbau wurde zunächst finanziert durch Fr. 25 000.--, die der Kläger aus seinem eingebrachten Sparkapital beisteuerte, sowie durch hypothekarisch gesicherte Darlehen von vorerst rund Fr. 50 000.--, die später dann noch erhöht wurden. (Im Zeitpunkt der Scheidung beliefen sie sich auf Fr. 69 500.--.) Der Kanalisationsanschluss wurde im Jahre 1963 erstellt. Nachträglich wurde das Haus in ein Zweifamilienhaus umgebaut. Die Umgebungsarbeiten, deren Wert nach dem bei den Akten liegenden Gutachten auf 8% der Gebäudekosten zu veranschlagen ist, verrichtete der Kläger selbst, wobei der Vater der Beklagten ihn teilweise unterstützte. Im Jahre 1971 wurde schliesslich noch ein Ofen für Ölfeuerung eingebaut. Die nachträglichen Investitionen wurden gemäss den verbindlichen vorinstanzlichen Feststellungen aus während der Ehe Erspartem finanziert. (Der Verkehrswert BGE 100 II 84 S. 86 der Liegenschaft wurde im Zeitpunkt der Scheidung auf Fr. 169 000.-- geschätzt.) Die Liegenschaft wurde somit teils durch eingebrachtes Gut des Klägers (Fr. 4408.-- für den Landerwerb, Fr. 25 000.-- für den Hausbau und Fr. 1928.50 als Geschenk des Onkels der Beklagten), teils durch eingebrachtes Gut der Beklagten (Fr. 1928.50 als Geschenk ihres Onkels), teils durch Hypothekardarlehen und Mitteln finanziert, die bei der güterrechtlichen Auseinandersetzung der Errungenschaft gutgeschrieben werden müssen (vgl. LEMP, N. 44 zu Art. 195 ZGB ). Der Verdienst, den der Kläger während der Dauer des Güterstandes der Güterverbindung, also auch nach Auflösung des gemeinsamen Haushaltes erzielte, zählt entgegen seiner Ansicht zur Errungenschaft. Der Kläger vertritt die Auffassung, da das Haus ohne wesentlichen finanziellen Beitrag der Beklagten aus seinen eingebrachten Ersparnissen und seinem Verdienst gebaut und ausgebaut worden sei, habe es als eingebrachtes Gut zu gelten. Diese Ansicht stützt sich wohl zum Teil auf eine analoge Anwendung des Art. 196 Abs. 2 ZGB . Diese Bestimmung, welche die Vermutung aufstellt, dass Anschaffungen, die während der Ehe zum Ersatz für Vermögenswerte der Ehefrau gemacht werden, wiederum zum Frauengut gehören, soll der Auflösung des eingebrachten Frauengutes in blosse Ersatzforderungen gegen den Ehemann entge-. genwirken. Das Gesetz will der Ehefrau dadurch in möglichst weitem Umfang Eigentum zuhalten, da sie damit in der Regel besser gesichert ist als durch blosse Ersatzforderungen gegen den Mann (vgl. LEMP, Ersatzanschaffungen nach ehelichem Güterrecht in ZbJV 93, S. 303/304; derselbe, N. 20 zu Art. 196 ZGB ; KNAPP, Le régime matrimonial de l'union des biens, N. 60, S. 38). Diese gesetzliche Regelung bewirkt zugleich - obwohl vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt - auch eine Sicherung gegen die zunehmende Geldentwertung. Art. 196 Abs. 2 ZGB ist nach unbestrittener Auffassung auf eingebrachtes Gut des Ehemannes analog anwendbar ( BGE 91 II 90 , BGE 75 II 276 ). Doch können Anschaffungen, die der Ehemann aus seinem Verdienst bezahlt, den er während der Dauer des Güterstandes der Güterverbindung erzielt, nicht als Ersatzanschaffungen im Sinne von Art. 196 Abs. 2 ZGB gelten, da dieser Verdienst nicht ins eingebrachte Gut fällt. Die Wertvermehrungen, BGE 100 II 84 S. 87 welche im vorliegenden Fall auf die persönlichen Arbeitsleistungen und die nachträglichen Investitionen des Klägers zurückzuführen sind, können demnach nicht zum eingebrachten Gut zählen, sondern sind der Errungenschaft zuzurechnen. Falls bares Geld, andere vertretbare Sachen und Inhaberpapiere, die nur der Gattung nach bestimmt worden sind, von der Ehefrau bei der Güterverbindung eingebracht werden, gehen diese gemäss Art. 201 Abs. 3 ZGB in das Eigentum des Ehemannes über und die Ehefrau erhält für deren Wert eine Ersatzforderung. Art. 196 Abs. 2 ZGB kann auf diese Vermögenswerte demnach nicht anwendbar sein (LEMP, N. 28 zu Art. 196 ZGB ; KNAPP, a.a.O., N. 168, S. 40). Werden solche Vermögenswerte dagegen vom Ehemann eingebracht, so verbleiben diese in seinem Eigentum. Fragen kann man sich nun, ob Anschaffungen, die er als Ersatz für diese Vermögenswerte macht, wiederum als sein eingebrachtes Gut vermutet werden oder ob die Vermutung auf diejenigen Vermögenswerte beschränkt sein soll, für die sie der Frau ebenfalls zugute kommt. Namentlich in unserer durch die Geldentwertung gezeichneten Zeit kommt der Beantwortung dieser Frage wesentliche Bedeutung zu. Die Frage kann im vorliegenden Fall jedoch offen bleiben. Da nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz eingebrachtes Gut des Ehemannes mit eingebrachtem Gut der Ehefrau und vor allem mit Errungenschaft in erheblichem Umfang vermischt worden ist, so dass nicht mehr festgestellt werden kann, um wieviel der Wert des eingebrachten Gutes einer jeden Partei und um wieviel der Wert der Errungenschaftsmasse zugenommen hat, rechtfertigt es sich - wie die Vorinstanzen bereits gestützt auf LEMP (N. 47 zu Art. 214 ZGB ) zutreffenderweise angenommen haben -, die ganze Liegenschaft der Errungenschaft zuzurechnen und für die eingebrachten Güter Ersatzforderungen zuzulassen. Schulden aus einer Anschaffung lasten auf jener Vermögensmasse, welche die angeschaffte Leistung erhält (LEMP, N. 25 zu Art. 196 und N. 37 zu Art. 214 ZGB ). Da die hypothekarisch gesicherten Darlehen dem Hausbau dienten und somit zur Vergrösserung der Errungenschaft beitrugen, sind die Hypothekarschulden dieser Vermögensmasse zu belasten. Das Vorgehen der Vorinstanz, welche den Wert der Liegenschaft BGE 100 II 84 S. 88 unter Abzug der Hypothekarschulden der Errungenschaft zurechnete und für die eingebrachten Güter Ersatzforderungen zuliess, entsprach somit Bundesrecht. Die Berufung erweist sich infolgedessen in diesem Punkte als unbegründet.
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Urteilskopf 117 Ia 372 58. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 21. August 1991 i.S. A. gegen Staatsanwaltschaft und Anklagekammer des Kantons Thurgau (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste Art. 5 Ziff. 4 EMRK ; Haftüberprüfung, richterliche Behörde, Beschleunigungsgebot. 1. Die Anklagekammer des Kantons Thurgau erfüllt die Voraussetzungen einer richterlichen Behörde i.S. v. Art. 5 Ziff. 4 EMRK . Dies trifft auch für den Fall zu, dass der Präsident der Anklagekammer, der im Haftprüfungsverfahren mitwirkt, bereits eine frühere Hafterstreckung bewilligt hat (E. 2). 2. Die Garantien von Art. 5 Ziff. 4 EMRK gelten auch für den Untersuchungs- bzw. Sicherheitshäftling, der sich im vorzeitigen Straf- oder Massnahmevollzug befindet (E. 3a). 3. Umstände unter denen ein Haftprüfungsverfahren, welches bis zur Versendung des Entscheiddispositives 29 Tage und bis zur Ausfertigung der Urteilsmotivation 47 Tage gedauert hat, den Anforderungen des Beschleunigungsgebotes genügt (E. 3b-c).
Sachverhalt ab Seite 373 BGE 117 Ia 372 S. 373 Gegen A. ist ein Strafverfahren wegen qualifizierter Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz, Betrug, Diebstahl und weiteren Delikten hängig. Am 15. Februar 1991 wurde A. durch das Bezirksamt Frauenfeld in Untersuchungshaft gesetzt. Mit Verfügungen vom 2. März und 11. April 1991 bewilligte der Präsident der Anklagekammer des Kantons Thurgau die Haftverlängerung. Mit Verfügung des Präsidenten des Kriminalgerichtes des Kantons Thurgau vom 16. April 1991 wurde Rechtsanwalt Dr. X. als amtlicher Verteidiger von A. bestellt. Seit 13. Mai 1991 befindet sich A. im vorzeitigen Straf- bzw. Massnahmevollzug. Am 27. Mai 1991 erteilte A. Rechtsanwalt Y. Vollmacht zur Einreichung eines Haftprüfungsbegehrens, welches vom 28. Mai 1991 datiert. Die Anklagekammer des Kantons Thurgau behandelte die Eingabe als Haftbeschwerde und wies sie mit Beschluss vom 25. Juni 1991 ab. Die von A. dagegen erhobene staatsrechtliche Beschwerde weist das Bundesgericht ab, soweit es darauf eintritt. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. a) Gemäss thurgauischem Gesetz über die Strafrechtspflege vom 30. Juni 1970 entscheidet der zuständige Untersuchungsrichter innert dreier Tage über Haftentlassungsgesuche ( § 122 Abs. 2 StPO /TG). Daneben besteht die Möglichkeit, die Rechtmässigkeit der Haft mittels Beschwerde zu prüfen (§§ 223 ff. i.V.m. § 207 Abs. 3 StPO /TG). Der Beschwerdeführer rügt, die Anklagekammer des Kantons Thurgau könne im Haftprüfungsverfahren nicht als unabhängige richterliche Instanz im Sinne von Art. 5 Ziff. 4 EMRK betrachtet werden. Dass diese Auffassung nicht zutrifft, hat das Bundesgericht bereits in mehreren Entscheiden, welche dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers bekannt sind, mit ausführlicher Begründung BGE 117 Ia 372 S. 374 dargetan (unver. Urteile vom 17. August 1990 i.S. U., E. 2a sowie vom 28. September 1989 i.S. W., E. 4b = EuGRZ 1989 S. 441 ff.; vgl. BGE 116 Ia 63 E. 2). Schon im zitierten Urteil vom 17. August 1990 musste der gleiche Rechtsvertreter darauf hingewiesen werden, dass die neuerlich identisch erhobene Rüge füglich hätte unterbleiben können. b) Der Beschwerdeführer bringt vor, die Anklagekammer sei im besonderen deshalb nicht als unbefangenes Gericht im Haftprüfungsverfahren anzuerkennen, weil der Präsident der Anklagekammer am 2. März und 11. April 1991 schon über die Bewilligung der Hafterstreckungen entschieden habe. Diese Rüge erscheint nicht nur unbegründet, sondern geradezu mutwillig erhoben. Nachdem der Beschwerdeführer in seiner Vernehmlassung vom 19. Juni 1991 selber die Frage der Vorbefassung des Präsidenten der Anklagekammer aufgeworfen hatte, trat dieser für den angefochtenen Entscheid vom 25. Juni 1991 vorsorglich in den Ausstand. Dies wird schon aus dem Dispositiv des angefochtenen Entscheides deutlich, ist dieses doch ausdrücklich nicht vom Präsidenten der Anklagekammer sondern an dessen Stelle von "ein(em) Mitglied" (Fürsprech A. Biedermann) unterzeichnet. Für den Beschwerdeführer und seinen Anwalt war somit erkennbar, dass der Präsident der Anklagekammer am angefochtenen Entscheid gar nicht mitgewirkt hat. c) Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass selbst für den Fall, dass der Präsident der Anklagekammer am angefochtenen Entscheid mitgewirkt hätte, keine unzulässige Vorbefassung des Gerichtes vorläge. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes vermag der Umstand, dass ein Richter in einem früheren Verfahren in der Sache des Gesuchstellers gegen diesen entschieden hat, keinen tauglichen Ausstandsgrund zu bilden ( BGE 114 Ia 279 E. 1; BGE 105 Ib 304 E. 1c mit Hinweisen). Das gilt auch für den Fall, dass ein Richter in einem Strafverfahren die Hafterstreckung bewilligt und in einem späteren Stadium über eine weitere Haftverlängerung zu entscheiden hat (unver. Urteil vom 5. September 1990 i.S. G., E. 5, S. 8). d) Aus dem Gesagten ergibt sich, dass die Rüge der Verletzung des Anspruches auf einen unabhängigen Haftprüfungsrichter gemäss Art. 5 Ziff. 4 EMRK unbegründet ist. Nachdem die Rüge geradezu mutwillig erhoben wurde, ist der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers darauf aufmerksam zu machen, dass bei erneuter ungebührlicher Prozessführung die Verhängung einer BGE 117 Ia 372 S. 375 Ordnungsbusse in Betracht gezogen werden müsste ( Art. 31 Abs. 2 OG ). Inwiefern über Art. 5 Ziff. 4 EMRK hinaus der Anspruch auf den "verfassungsmässig garantierten Richter" verletzt worden sein soll, legt der Beschwerdeführer im übrigen (entgegen den Anforderungen von Art. 90 Abs. 1 lit. b OG ) nicht dar, so das diesbezüglich auf die Beschwerde nicht eingetreten werden kann. 3. Der Beschwerdeführer macht im weiteren geltend, dass Haftüberprüfungsverfahren vor der Anklagekammer verstosse im vorliegenden Fall gegen das Beschleunigungsgebot von Art. 5 Ziff. 4 EMRK . a) Gemäss Art. 5 Ziff. 4 EMRK hat jedermann, dem seine Freiheit durch Festnahme oder Haft entzogen wird, das Recht, ein Verfahren zu beantragen, in dem von einem Gericht raschestmöglich ("à bref délai") über die Rechtmässigkeit der Freiheitsentziehung entschieden und im Falle der Widerrechtlichkeit seine Entlassung angeordnet wird. Nach der neueren Praxis des Bundesgerichtes ist die Zustimmung des Angeschuldigten zum vorzeitigen Strafvollzug zwar unwiderruflich, der Angeschuldigte ist indessen berechtigt, jederzeit ein Begehren um Entlassung aus der Haft bzw. dem vorzeitigen Strafvollzug zu stellen ( BGE 117 Ia 78 E. 1d). Insofern gelten die Garantien von Art. 5 Ziff. 4 EMRK auch für den Untersuchungs- bzw. Sicherheitshäftling, der sich im vorzeitigen Strafvollzug befindet. Diese Vorschrift verpflichtet das Gericht, über ein Haftentlassungsbegehren so rasch als möglich zu befinden. Dabei kann die Frage, innerhalb welcher Frist entschieden werden muss, nicht abstrakt beurteilt werden; der Entscheid hängt vielmehr von der Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalles ab. Der Anspruch auf einen raschestmöglichen Entscheid wird dann nicht verletzt, wenn der Behörde auf Grund der Umstände des Falles ein früherer Entscheid vernünftigerweise nicht möglich war ( BGE 115 Ia 61 ; BGE 114 Ia 91 E. 5c, je mit Hinweisen). So hat die Rechtsprechung etwa schon eine Verfahrensdauer von 31 bzw. 46 Tagen (Urteil Sanchez-Reisse, EGMR Série A, vol. 107 = EuGRZ 1988 S. 523 ff.) oder von 41 Tagen ( BGE 114 Ia 92 E. c) als übermässig betrachtet. Ein Haftprüfungsverfahren vor der Anklagekammer des Kantons Thurgau, welches 30 Tage gedauert hat, hält nach der Praxis des Bundesgerichtes vor dem Beschleunigungsgebot von Art. 5 Ziff. 4 EMRK nicht stand, sofern der Haftfall keine besonderen verfahrensrechtlichen oder materiellen Schwierigkeiten aufweist und das Verhalten des Beschwerdeführers BGE 117 Ia 372 S. 376 zu keinen Verzögerungen Anlass gegeben hat (unver. Urteil des Bundesgerichtes vom 17. August 1990 i.S. U., E. 6b). Ein Haftprüfungsverfahren nach Thurgauer Strafprozessordnung, welches mehr als 50 Tage gedauert hat, ist auch dann als überlang zu qualifizieren, wenn der Beschwerdeführer Verzögerungen von ca. zehn Tagen zu verantworten hat (unver. Urteil des Bundesgerichtes vom 28. September 1989 i.S. W., E. 4d, cc). Im vorliegenden Fall ist das Haftprüfungsgesuch am 29. Mai 1991 bei der Anklagekammer eingegangen. Am 27. Juni 1991 erfolgte der Versand des Entscheiddispositives, und am 15. Juli 1991 wurde die Urteilsmotivation expediert. b) Ein Haftüberprüfungsverfahren, welches bis zur Versendung des Entscheiddispositives 29 Tage und bis zur Ausfertigung der Urteilsmotivation 47 Tage dauert, muss angesichts des Beschleunigungsgebotes von Art. 5 Ziff. 4 EMRK gewisse Bedenken wecken. Im vorliegenden Fall sind allerdings verschiedene besondere Umstände zu berücksichtigen. Am 28. Mai 1991 hat der Beschwerdeführer gleichzeitig dem Verhörrichteramt, der Staatsanwaltschaft, der Anklagekammer sowie dem Präsidium des Obergerichtes des Kantons Thurgau eine gleichlautende Eingabe eingereicht. Die Eingabe wurde weder als Haftentlassungsgesuch gemäss § 122 Abs. 2 noch als Haftbeschwerde gemäss § § 223 ff. StPO /TG bezeichnet. Sie war mit dem Vermerk "an den zuständigen Richter" versehen und nur kursorisch begründet. Noch in seiner Vernehmlassung vom 19. Juni 1991 hat der Beschwerdeführer die Zuständigkeit der Anklagekammer für die anbegehrte Haftprüfung ausdrücklich bestritten. Bevor die Anklagekammer die Eingabe als Beschwerde behandelte, waren daher verschiedene Abklärungen insbesondere betreffend sachliche Zuständigkeit notwendig. Es wurden unverzüglich die Vernehmlassungen des Verhörrichteramtes sowie des damaligen amtlichen Verteidigers des Beschwerdeführers eingeholt, welche am 10. Juni 1991 wiederum dem Beschwerdeführer zur Stellungnahme bis zum 14. Juni vorgelegt wurden. Einen Tag vor Ablauf der Frist verlangte der Beschwerdeführer dafür eine Fristerstreckung bis zum 17. Juni 1991. Am letzten Tage der auf 17. Juni verlängerten Frist ersuchte der Beschwerdeführer um eine nochmalige Fristerstreckung bis zum 19. Juni 1991. Diese dritte Frist schöpfte der Beschwerdeführer wiederum voll aus, bevor er seine Vernehmlassung einreichte, welche am 20. Juni 1991 bei der Anklagekammer eintraf. In der gleichen Vernehmlassung warf der Beschwerdeführer erstmals die BGE 117 Ia 372 S. 377 Frage der Befangenheit des Präsidenten der Anklagekammer auf, die noch im Verfahren vor Bundesgericht ausdrücklich (wenn auch zu Unrecht, s. E. 2b) gerügt worden ist. Die Anklagekammer sah sich dadurch veranlasst, während des bereits angelaufenen Beschwerdeverfahrens von Amtes wegen auch noch ein Ausstandsverfahren durchzuführen. Aus dem Gesagten ergibt sich, dass der Beschwerdeführer mit seinem prozessualen Verhalten einen erheblichen Teil des Zeitaufwandes für das Beschwerdeverfahren selbst zu verantworten hat. Im weiteren ist zu berücksichtigen, dass die Anklagekammer zwar keinen besonders schwierigen Sachverhalt zu beurteilen hatte, dass in verfahrensrechtlicher Hinsicht indessen eher komplizierte Verhältnisse vorlagen. So war in Betracht zu ziehen, dass sich der Beschwerdeführer nicht in Untersuchungs- oder Sicherheitshaft sondern im vorzeitigen Straf- bzw. Massnahmenvollzug befand. Ausserdem war der Beschwerdeführer amtlich verteidigt, schaltete für die Haftüberprüfung aber einen zusätzlichen Anwalt ein. Es waren aufgrund des prozessualen Verhaltens des Beschwerdeführers besondere Zuständigkeits- und Ausstandsfragen zu klären. Schliesslich waren auch die zu entscheidenden materiellen Rechtsfragen nicht völlig anspruchslos, insbesondere war die in Rechtsfortbildung begriffene Praxis der Strassburger Organe zu Art. 5 EMRK sowie die neueste einschlägige Rechtsprechung des Bundesgerichtes beim Entscheid zu berücksichtigen. c) Die Anklagekammer hat ihren Entscheid am 25. Juni 1991 und damit immerhin fünf Tage nach Vorliegen der notwendigen Vernehmlassungen gefällt. Zwei Tage später wurde das Entscheiddispositiv versandt. Obwohl das Beschwerdeverfahren bis zur Expedierung des Entscheides 29 Tage beansprucht hat, erscheint dem Beschleunigungsgebot von Art. 5 Ziff. 4 EMRK im vorliegenden Fall damit in Würdigung sämtlicher Umstände noch Genüge getan. Wenn der Beschwerdeführer geltend macht, nach ständiger Praxis dürfe ein Haftüberprüfungsverfahren nicht länger als sieben Tage dauern, dann verwechselt er Art. 5 Ziff. 4 mit Ziff. 3 EMRK. Die Pflicht zur "unverzüglichen" Vorführung vor einen Haftrichter gilt nur für die erste Anordnung der Haft gemäss Art. 5 Ziff. 3 EMRK (vgl. FROWEIN/PEUKERT, EMRK-Kommentar, Kehl 1985, Art. 5 N. 94; BGE 107 Ia 138 ff.), nicht aber für das Haftprüfungsverfahren gemäss Ziff. 4. Dass die Ausfertigung des motivierten Entscheides noch zusätzlich 18 Tage in Anspruch genommen hat, erscheint unter dem BGE 117 Ia 372 S. 378 Gesichtspunkt des Beschleunigungsgebotes weder EMRK- noch verfassungswidrig, war doch der Beschwerdeführer schon nach Versand des Dispositives über den Ausgang des Beschwerdeverfahrens so weit informiert, dass er den Entscheid sachgerecht beim Bundesgericht anfechten konnte. Im Verfahren vor Bundesgericht wurde dem Beschwerdeführer am 19. Juli 1991 noch einmal zusätzlich Gelegenheit eingeräumt, zum Beschwerdeverfahren - und damit auch zur am 15. Juli 1991 versandten Entscheidbegründung - Stellung zu nehmen. Auch im Beschwerdeverfahren vor Bundesgericht hat der Beschwerdeführer im übrigen Verzögerungen verursacht: Der Termin zur Einreichung einer allfälligen Replik wurde im Interesse der beförderlichen Behandlung auf 26. Juli 1991 - somit innerhalb der vom 15. Juli bis und mit 15. August 1991 dauernden Gerichtsferien - angesetzt. In seiner Beschwerdeschrift vom 8. Juli 1991 hatte sich der Beschwerdeführer eine zweite Eingabe ausdrücklich vorbehalten. Der Beschwerdeführer hätte nach Ansetzung des Termines entweder eine Replik einreichen oder den Verzicht auf eine Replik erklären können. Da er dies nicht getan hat, musste dem Beschwerdeführer angesichts der Wirkungen der Gerichtsferien das rechtliche Gehör bis zum ersten Werktag nach deren Ablauf, nämlich bis zum 16. August 1991 (Postaufgabe), gewährleistet werden (vgl. POUDRET, Commentaire OJ, vol. 1, Bern 1990, Art. 34 n. 2.2.).
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Urteilskopf 96 I 496 77. Auszug aus dem Urteil vom 25. September 1970 i.S. Seebach gegen Kluser und Eidg. Mietzinsrekurskommission
Regeste Unterstellung einer Wohnung unter die Mietzinsüberwachung (BB vom 30. September 1965 über Mietzinse für Immobilien). Finden die Vorschriften über die Mietzinsüberwachung auch Anwendung auf das Verhältnis einer Erbengemeinschaft zu einzelnen Erben, die ein Erbschaftsobjekt bewohnen? (Erw. 4). Untersteht die einer Erbengemeinschaft gehörende Wohnung auch dann der Mietzinsüberwachung, wenn ihr Mieter mit einem Erben verheiratet ist und dieser Erbe die Wohnung mitbewohnt? (Erw. 5).
Sachverhalt ab Seite 497 BGE 96 I 496 S. 497 A.- Friedrich Heinemann-Stohr war Eigentümer der Liegenschaft Hadlaubstrasse 42 in Zürich. Er starb am 8. Mai 1967. Seine gesetzlichen Erben sind: Paul Heinemann, Dr. med. dent., Alfred Heinemann (Söhne des Erblassers), Anna Kluser-Heinemann, Elsa Seebach-Heinemann (Töchter des Erblassers), Martin Heinemann, Bernhard Heinemann (Söhne des vorverstorbenen Sohnes Fritz Heinemann). Mit letztwilliger Verfügung vom 26. Oktober 1962 hatte der Erblasser die Liegenschaft Hadlaubstrasse 42 seiner Tochter Anna Kluser-Heinemann und seinem Sohn Paul Heinemann zugeteilt. Wegen der Erbteilung ist beim Bezirksgericht Zürich ein Prozess anhängig. In diesem Prozess ist u.a. der Übernahmewert der erwähnten Liegenschaft umstritten. Zwei 5-Zimmerwohnungen des Hauses Hadlaubstrasse 42 werden von Erben bewohnt. Mieter sind aber Dr. med. Edwin Kluser, Ehemann der Erbin Anna Kluser-Heinemann und Frau Marlies Heinemann-Lustenberger, Mutter der Erben Martin und Bernhard Heinemann. Mit Verfügung vom 4. Dezember 1968 stellte die Preiskontrolle der Stadt Zürich fest, dass die Mietzinse sämtlicher Wohnungen der erwähnten Liegenschaft der Mietzinsüberwachung unterstehen. Gegen diese Verfügung erhoben Dr. Alfred Heinemann und Frau Elsa Seebach-Heinemann bei der Justizdirektion des Kantons Zürich Rekurs. Die Justizdirektion hiess den Rekurs am 19. März 1969 teilweise gut und stellte fest, "dass die von Miterben bewohnten Wohnungen den Bestimmungen über Mietzinse und Kündigungsbeschränkung nicht unterstehen". Den Entscheid der Justizdirektion des Kantons Zürich fochten Dr. Edwin Kluser und dessen Ehefrau Anna Kluser-Heinemann BGE 96 I 496 S. 498 sowie Frau Marlies Heinemann-Lustenberger bei der Eidg. Preiskontrollstelle an. Diese hiess am 17. Juli 1969 beide Beschwerden gut, hob den Entscheid der Justizdirektion des Kantons Zürich vom 19. März 1969 auf und stellte jenen der Preiskontrolle der Stadt Zürich vom 4. Dezember 1968 wieder her. Die Preiskontrolle der Stadt Zürich wurde eingeladen, "auf die Prüfung der höchstzulässigen Mietzinse einzutreten". Gegen den Entscheid der Eidg. Preiskontrollstelle führten Frau Elsa Seebach-Heinemann und ihr Gatte Dr. A. Seebach Beschwerde bei der Eidg. Mietzinsrekurskommission mit dem Antrag, es sei festzustellen, dass die von Miterben bewohnten Wohnungen im Haus Hadlaubstrasse 42 den Vorschriften über die Mietzinsüberwachung nicht unterstehen. Die Eidg. Mietzinsrekurskommission hat dieses Begehren am 16. Dezember 1969 abgewiesen. B.- Gegen den Entscheid der Eidg. Mietzinsrekurskommission führen Frau Elsa Seebach-Heinemann und ihr Gatte Dr. A. Seebach rechtzeitig Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht. Sie beantragen: "Es sei in Gutheissung der Beschwerde der angefochtene Entscheid, damit auch der Rekursentscheid des Eidg. Volkswirtschaftsdepartements, Preiskontrolle, vom 17. Juli 1969 aufzuheben, die Verfügung Nr. 238/68 der Direktion der Justiz des Kantons Zürich vom 19. März 1969 zu bestätigen und festzustellen, dass die von den Miterben Frau Marlies Heinemann-Lustenberger und Dr. Edwin Kluser-Heinemann bewohnten Wohnungen der Liegenschaft Hadlaubstrasse 42 in Zürich den Bestimmungen über Mietzinse und Kündigungsbeschränkungen nicht unterstehen". Zur Begründung führen sie u.a. aus, der angefochtene Entscheid verstosse durch die Anwendung der Mietzinsüberwachung auf Miterben gegen Sinn und Zweck des einschlägigen Bundesrechts. Miterben könnten sich zivilrechtlich gegen tatsächlich oder vermeintlich übersetzte Mietzinse wehren. Sie seien des Schutzes der Mietzinsüberwachung nicht bedürftig. Bei der Verkehrswertberechnung eines Hauses spiele der Ertragswert der Wohnungen eine Rolle. Den Erben, denen die Liegenschaft zugeteilt sei, gehe es nur darum, auf dem Wege der Mietzinsbeschränkung einen niedrigen Anrechnungswert zu erwirken. Art. 1 des BB vom 30. September 1965 beziehe sich nicht auf Wohnungen von Miterben. Der in Art. 9 desselben BB enthaltene BGE 96 I 496 S. 499 Schutzgedanke treffe das Verhältnis der Erbengemeinschaft zu einzelnen Erben nicht. Art. 23 der Verordnung über Mietzinse und Kündigungsbeschränkung vom 30. Dezember 1965 (VMK) sei nicht anwendbar, da im vorliegenden Falle nur zu entscheiden sei, ob die fraglichen Wohnungen der Mietzinsüberwachung unterständen, nicht aber, welches gegebenenfalls die höchstzulässigen Mietzinse seien. C.- Die Eheleute Kluser-Heinemann und die Eidg. Mietzinsrekurskommission beantragen, die Beschwerde abzuweisen. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab. Erwägungen Aus den Erwägungen: 4. Die Beschwerdeführer meinen, die Vorschriften betreffend die Mietzinsüberwachung fänden auf das Verhältnis einer Erbengemeinschaft zu einzelnen Erben, die ein Erbschaftsobjekt bewohnen, keine Anwendung. In ihrer Beschwerde an die Eidg. Mietzinsrekurskommission haben die Beschwerdeführer bestätigt, dass die Wohnungen im zweiten und dritten Stock nicht an Miterben vermietet sind, sondern an Personen, die nicht zur Erbengemeinschaft gehören. Ihr Vorbringen trifft deshalb streng genommen den hier vorliegenden Sachverhalt nicht. Es ist aber wohl auch so zu verstehen, dass die VMK unanwendbar sei, wenn Mitglieder der Erbengemeinschaft von Nichterben gemietete Wohnungen mitbewohnen. Zwar wird nicht behauptet, die VMK sehe für einen solchen Fall eine Ausnahme vor, wohl aber, ihre Anwendung darauf verstosse gegen ihren eigentlichen Sinn und Zweck. Die Beschwerdeführer behaupten zur Begründung ihrer Ansicht, die Miterben könnten sich "zivilrechtlich gegen tatsächlich oder vermeintlich übersetzte Mietzinsforderungen zur Wehr setzen". Demgegenüber ist folgendes zu beachten: Die Miterben können wohl innerhalb der Erbengemeinschaft zugunsten der ihnen nahestehenden Mieter intervenieren, dabei aber nichts erzwingen. Ist der Willensvollstrecker vom Erblasser mit der Verwaltung der Liegenschaft bis zur Teilung beauftragt, was nach Art. 518 Abs. 2 ZGB zu vermuten ist, so entscheidet er mit gleicher Kompetenz wie ein Vermieter über die Leistungen der Mieter, ohne an Weisungen der Erben gebunden zu sein (TUOR, 2. Auflage ZGB Art. 518 N. 20; ESCHER, 2. Auflage ZGB Art. 518 N. 7). Wäre der Willensvollstrecker nach dem Willen des Erblassers nicht mit dieser BGE 96 I 496 S. 500 Kompetenz ausgerüstet, so könnte jeder der uneinigen Erben die Bestellung eines Erbenvertreters ( Art. 602 Abs. 3 ZGB ) erwirken. Auch dieser aber würde ohne Instruktion der einen oder andern der unter sich uneinigen Erben seines Amtes walten (TUOR/PICENONI, ZGB Art. 602 N. 54; ESCHER 2. Auflage ZGB Art. 602 N. 78). Weder dem Willensvollstrecker noch einem Erbenvertreter gegenüber steht den betroffenen Erben und Mietern ein anderer Rechtsbehelf gegen einen übersetzten Mietzins zu, als eben die Anrufung der Mietzinsüberwachung. Der Hinweis der Beschwerdeführer auf die zivilrechtlichen Behelfe der Beschwerdegegner ist daher verfehlt. Dies ganz abgesehen davon, dass den Miterben unter mehreren möglichen Rechtsbehelfen die freie Auswahl zustände. Die Beschwerdeführer machen geltend, die Höhe des Mietzinses beeinflusse den Ertragswert des Grundstücks, und dieser sei ein Element zur Berechnung des Anrechnungswertes des Grundstücks bei der Erbteilung. Nach dem Willen des Erblassers wird ihnen die Liegenschaft nicht zugewiesen werden. Sie sind daher an einem möglichst hohen Anrechnungswert interessiert. Frau Kluser-Heinemann und ihr Bruder Paul Heinemann haben die Anwartschaft, unter Ausschluss aller übrigen Erben miteinander Eigentümer des Grundstücks zu werden. Sie sind daher umgekehrt an einem möglichst niedrigen Anrechnungswert interessiert. Dieser Sachverhalt spricht weder für noch gegen die Unterstellung der Wohnungen unter die Mietzinsüberwachung, sowenig, wie etwa die Folgen einer öffentlich-rechtlichen Eigentumsbeschränkung etwas über Bestand oder Nichtbestand dieser Eigentumsbeschränkung aussagen. Aufgabe der Mietzinsüberwachung ist es, zu verhindern, dass der Mieter mit einem übermässigen Zins belastet wird. Ihre Auswirkungen auf die Bestimmung des Anrechnungswertes in der Erbteilung sind tatsächlicher Art und taugen weder als Argument für die Unterstellung noch als Argument gegen sie. Aus dem von den Beschwerdeführern angerufenen Grundsatz schonungsvoller Interpretation von Vorschriften, welche Eingriffe in die private Eigentumssphäre begründen, lässt sich für den vorliegenden Fall nichts ableiten. Die Beschwerdeführer gehen von der Fiktion aus, Mieter und Miterben seien identisch. Bezüglich des Eigentums stehen alle Erben in gleichen Rechten. Ihre Interessen aber sind einander entgegengesetzt. Der Vorteil des einen ist der Nachteil des andern. Die Frage nach dem BGE 96 I 496 S. 501 schonungsvolleren Eingriff aber wäre nur dann zu prüfen, wenn sie sich für alle Erben in gleicher Weise stellen würde. 5. Tatsache ist, dass Erben und Mieter nicht identisch sind. Im vorliegenden Falle ist zu entscheiden, ob die Wohnungen im Haus Hadlaubstrasse 42 der Mietzinsüberwachung unterstehen und namentlich, ob der Mieter des einer Erbengemeinschaft gehörenden Objektes des Schutzes verlustig geht, wenn er mit einer Person verheiratet ist, die zur Erbengemeinschaft gehört, und diese Person die Mietwohnung zusammen mit ihm bewohnt. Mit dem Zweck der Mietzinsüberwachung lässt sich eine solche Ausnahme nicht motivieren, erst recht nicht für eine Mieterin, welche unter ihrer elterlichen Gewalt stehende unmündige Kinder unterhält und erzieht, die ihrerseits zur Erbengemeinschaft gehören. Die Mietzinsüberwachung soll den am Mietverhältnis beteiligten Parteien "grundsätzlich die freie Mietzinsbildung ermöglichen", zugleich aber dem Mieter Gewähr bieten "gegen ein unangemessenes Ansteigen des Mietzinses"... (Art. 9 Abs. 1 des BB vom 30. September 1965 über Mietzinse für Immobilien). Dem entsprechen Art. 4 VMK , der das Prinzip der freien Vereinbarung ausspricht, und Art. 6 bis 8 VMK, die die Behelfe des Mieters umschreiben. Indem Art. 2 lit. d VMK die 1962 frei gegebenen Wohnungen von der Überwachung ausnimmt, behält er sie für alle übrigen Wohnungen (soweit sie nicht unter eine andere Ausnahmevorschrift fallen) bei. Es wäre system- und zweckwidrig, Objekte, die einer Erbengemeinschaft gehören, von der Überwachung auszunehmen, wenn Erben mit einem Mieter zusammen wohnen, würde das doch bedeuten, dass nicht Lage und Zustand der Wohnung, sondern abweichend von allen andern Fällen, die sie bewohnenden Personen für die Unterstellung entscheidend wären, somit statt eines objektiven ein subjektives Kriterium angewendet würde. Die Frage, ob das Mietobjekt der Mietzinsüberwachung untersteht, kann nicht losgelöst von der Höhe des zu Ende des Jahres 1961 zulässig gewesenen Mietzinses beurteilt werden, denn dieser ist ein wichtiges Element für die Beurteilung des heute zulässigen Mietzinses (vgl. Art. 11 BB vom 30. September 1965 sowie Art. 6 lit. a und Art. 13 VMK ). Der Hinweis der Vorinstanz auf Art. 23 Abs. 1 VMK war deshalb nicht abwegig.
public_law
nan
de
1,970
CH_BGE
CH_BGE_001
CH
Federation
c671dd41-a0f9-4b80-85d3-7658ac03c905
Urteilskopf 122 V 377 57. Auszug aus dem Urteil vom 7. November 1996 i.S. S. gegen IV-Stelle des Kantons Aargau und Versicherungsgericht des Kantons Aargau
Regeste Art. 12 IVG , Art. 2 Abs. 1 IVV : Übernahme des Cochlea-Implantats bei Kindern als medizinische Eingliederungsmassnahme. Die Verwaltungspraxis, wonach das Cochlea-Implantat auch bei Geburts- und Frühertaubten von der Invalidenversicherung übernommen wird, lässt sich nicht beanstanden (Präzisierung der Rechtsprechung). Die Versorgung mit einem Cochlea-Implantat ist auch bei verknöcherter Cochlea indiziert.
Erwägungen ab Seite 377 BGE 122 V 377 S. 377 Aus den Erwägungen: 2. a) Die beim Beschwerdeführer seit 1989 als Folge einer Pneumokokkensepsis mit Meningoencephalitis bestehende beidseitige Gehörlosigkeit stellt einen stabilen Defektzustand dar und ist medizinischen Eingliederungsmassnahmen der Invalidenversicherung daher grundsätzlich zugänglich. Ebenso steht fest, dass es sich beim Cochlea-Implantat (CI) im Sinne von Art. 2 Abs. 1 IVV um eine nach bewährter BGE 122 V 377 S. 378 Erkenntnis der medizinischen Wissenschaft angezeigte Massnahme handelt ( BGE 115 V 195 ff. Erw. 4a-d). b) Streitig und zu prüfen ist zunächst, ob die Massnahme den Eingliederungserfolg in einfacher und zweckmässiger Weise anstrebt, wie dies nach Art. 2 Abs. 1 IVV verlangt wird. Im Hinblick auf die geforderte Zweckmässigkeit der Versorgung mit einem CI als medizinische Eingliederungsmassnahme nach Art. 12 IVG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 IVV wurde in BGE 115 V 198 oben Erw. 4e/bb u.a. festgehalten, dass sich das CI vor allem für den postlingual Ertaubten mit guten Kenntnissen der Muttersprache eignet, und gemäss BGE 115 V 207 Erw. 6a i.f. sind die Chancen der kommunikativen Rehabilitation bei einem Versicherten, der an einer unmittelbar nach der Geburt aufgetretenen - prälingualen - Gehörlosigkeit leidet, nicht günstig. Bei angeborener Taubheit würden daher aufgrund der Testerfahrungen nur besonders ausgewählte Versicherte für ein CI in Frage kommen. aa) Das kantonale Gericht führte unter Berufung auf BGE 115 V 198 oben Erw. 4e/bb und 206 f. Erw. 6a aus, dass die Massnahme nicht als zweckmässig erachtet werden könne, weil beim Beschwerdeführer eine prälinguale Ertaubung vorliege. Im weiteren müssten die Erfolgsaussichten bei verknöcherter Cochlea, wie sie beim Versicherten bestehe, aufgrund der Aussagen der Spezialärzte der Universitätsklinik X und des Kantonsspitals K. als schlecht eingestuft werden. Aus allen eingeholten Arztberichten ergebe sich, dass wohl eine Operationsmöglichkeit bestehe, der durch das Implantat erzielbare Gewinn indessen als gering zu betrachten sei. Unter den gegebenen Umständen bestehe ein Missverhältnis zwischen den Kosten der Massnahme und dem damit verfolgten Zweck; das Erfordernis der Einfachheit sei deshalb ebenfalls nicht erfüllt. Der Beschwerdeführer wendet unter Hinweis auf die Darlegungen des Dr. Seeger, Basel, vorgetragen an der Cochlear Implant-Konsensus-Konferenz der Schweizer CI-Gruppe (HNO-Kliniken der Universitäts- und Kantonsspitäler Basel, Bern, Genf, Luzern, Zürich) vom 18. März 1993, ein, nach wissenschaftlichen Erkenntnissen sei heute gesichert, dass prälingual ertaubte und geburtstaube Kinder nach einer etwas längeren Eingewöhnungszeit vom CI in gleicher Weise profitierten wie peri- und postlingual ertaubte Kinder. Insoweit sei BGE 115 V 206 f. Erw. 6a als wissenschaftlich überholt zu bezeichnen, wovon im übrigen auch das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) ausgehe: Nach dessen IV-Rundschreiben Nr. 7 vom 15. Juni 1994 und Nr. 15 vom 10. August 1995 werde BGE 122 V 377 S. 379 das CI auch bei angeborener oder prälingualer Ertaubung von der Invalidenversicherung übernommen. Unter Beilage verschiedener wissenschaftlicher Publikationen aus dem Ausland wird in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ferner geltend gemacht, neueste Erfahrungen zeigten, dass Kinder mit verknöcherter Cochlea ebenso gute Erfolgsaussichten haben könnten wie Empfänger von Implantaten mit normaler Cochlea. bb) Soweit aus BGE 115 V 198 oben Erw. 4e/bb und 207 Erw. 6a geschlossen werden muss, dass bei angeborener oder prälingualer Taubheit nur besonders ausgewählte Versicherte für ein CI in Frage kommen, weil die Erfolgsaussichten der Versorgung mit einem CI nicht günstig sind, kann an diesen Aussagen im Lichte neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse nicht festgehalten werden. Dr. Seeger (CI-Resultate bei Kindern und Erwachsenen aus internationaler Sicht in: Dokumentation Konsensus-Konferenz Cochlear Implant, 18. März 1993) hält als wichtige Langzeit-Ergebnisse von Untersuchungen in den USA, Australien und mehreren europäischen Staaten bei geburtstauben und prälingual ertaubten Kindern folgendes fest: - Alle Kinder zeigen deutliche Verbesserungen ihrer sprachperzeptiven Fähigkeiten über die Zeit hinweg. - Alle Kinder, die ihr CI mindestens drei Jahre hatten, also auch die Geburtstauben und Frühertaubten, erreichten ein offenes Sprachverstehen. - Anfängliche Unterschiede zwischen kongenital und prälingual ertaubten Kindern auf der einen und postlingual ertaubten Kindern auf der andern Seite wurden mit zunehmender Zeit immer geringer. Zusammenfassend stellte Dr. Seeger fest, die bisher vorliegenden Untersuchungen bei geburtstauben und prälingual ertaubten Kindern gäben zu Optimismus Anlass: Es scheint, dass sie nach einiger Zeit des regelmässigen Gebrauchs ähnlich gut von ihrem CI profitieren wie es die peri- und postlingual ertaubten Kinder tun. Dass diese Darlegungen keinen Eingang ins Ergebnisprotokoll der Cochlear Implant-Konsensus-Konferenz der Schweizer CI-Gruppe vom 18. März 1993 (Protokoll vom 19. April 1993) gefunden haben, spricht nicht gegen deren Zuverlässigkeit, sondern ist auf die fehlenden Erfahrungen an den Schweizer Kliniken zurückzuführen, wie aus anderen Stellen im Protokoll deutlich ersichtlich wird. Es ist demnach nicht zu beanstanden, dass das CI nach der Verwaltungspraxis (IV-Rundschreiben des BSV Nr. 7 vom 15. Juni 1994 und Nr. 15 vom 10. August 1995) auch bei Geburts- und Frühertaubten von der Invalidenversicherung übernommen wird. BGE 122 V 377 S. 380 cc) Mit dem Erfordernis, dass die medizinische Massnahme den therapeutischen Erfolg in einfacher und zweckmässiger Weise anstrebt, bringt Art. 2 Abs. 1 IVV den als allgemeines Prinzip im gesamten Leistungsrecht der Invalidenversicherung geltenden Verhältnismässigkeitsgrundsatz ( BGE 119 V 254 mit Hinweisen) zum Ausdruck, der die Relation zwischen den Kosten der medizinischen Massnahme einerseits und dem mit der Eingliederungsmassnahme verfolgten Zweck anderseits beschlägt. Eine betragsmässige Begrenzung der notwendigen Massnahme käme mangels einer ausdrücklichen gegenteiligen Bestimmung nur in Frage, wenn zwischen der Massnahme und dem Eingliederungszweck ein derart krasses Missverhältnis bestünde, dass sich die Übernahme der Eingliederungsmassnahme schlechthin nicht verantworten liesse ( BGE 115 V 198 Erw. 4e/cc mit Hinweisen). Soweit die Vorinstanz die Übernahme des CI unter dem Gesichtswinkel der Einfachheit der Massnahme mit der Begründung ablehnte, dass bei verknöcherter Cochlea die Erfolgsaussichten als gering bezeichnet werden müssten, weshalb zwischen der Massnahme und dem angestrebten Erfolg ein Missverhältnis bestehe, kann ihr ebenfalls nicht gefolgt werden. Dem Ergebnisprotokoll der Cochlear Implant-Konsensus-Konferenz ist zwar zu entnehmen, dass bei Verknöcherung der Schnecke (Cochlea) gewisse operative Schwierigkeiten auftreten, indem unter Umständen nicht alle Elektroden implantiert werden können. Indessen wird eingeräumt, dass mehrere Autoren von guten Ergebnissen auch bei partiellen Implantationen berichteten, und es wird wiederum auf die mangelnde Erfahrung der Schweizer ORL-Kliniken in solchen Fällen hingewiesen. Aus den mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde neu aufgelegten wissenschaftlichen Publikationen geht hervor, dass die Forschung eine Verknöcherung der Cochlea für die Vornahme einer Cochlear-Implantation anfänglich als Kontraindikation betrachtete. Durch die Entwicklung der chirurgischen Technik in den letzten Jahren habe man das Problem der verknöcherten Cochlea jedoch besser in den Griff bekommen. Neueste Erfahrungen zeigten, dass Kinder mit ossifizierter Cochlea ebenso gute Erfolgsaussichten haben könnten wie Empfänger von Implantaten mit normaler Cochlea (JON K. SHALLOP u.a., Multichannel Cochlear Implant in Children with Labyrinthitis Ossificans, Wien 1994; O. DEGUINE u.a., Technique chirurgicale et résultats de l'implant cochléaire dans les cochlées normales et ossifiées, in Revue de laryngologie, Bd. 114 Nr. 1, 1993, S. 5 ff.; JOHN L. KEMINK u.a., Auditory Performance of Children With Cochlear Ossification and Partial Implant Insertion, in Laryngoscope 102, September 1992). Im Lichte dieser neuesten wissenschaftlichen Forschungsergebnisse ist der Argumentation der Vorinstanz, die Versorgung mit einem CI müsse im vorliegenden Fall wegen der Verknöcherung der Cochlea als unverhältnismässig und damit dem Gebot der Einfachheit der Massnahme gemäss Art. 2 Abs. 1 IVV widersprechend bezeichnet werden, die Grundlage entzogen. Vielmehr kann als erstellt gelten, dass die hohen Kosten für das CI auch bei den vorliegenden anatomischen Gegebenheiten in einem vernünftigen Verhältnis zum angestrebten Eingliederungserfolg stehen. Die Voraussetzungen nach Art. 2 Abs. 1 IVV sind somit entgegen den Ausführungen der Vorinstanz als erfüllt zu betrachten.
null
nan
de
1,996
CH_BGE
CH_BGE_007
CH
Federation
c672ee8a-3848-4e17-8557-a655226a8e9c
Urteilskopf 104 III 77 19. Entscheid vom 22. August 1978 i.S. B.
Regeste Art. 93 SchKG ; Lohnpfändung. Bei der Ermittlung des Notbedarfs darf der Arbeitserwerb eines minderjährigen Kindes, das mit seinen Eltern in häuslicher Gemeinschaft lebt, nicht mehr zum Lohn des betriebenen Elternteils hinzugerechnet werden. Hingegen darf dieser Elternteil nicht zum Nachteil seiner Gläubiger auf einen Unterhaltsbeitrag gemäss Art. 323 Abs. 2 ZGB aus dem Arbeitserwerb des Kindes verzichten.
Sachverhalt ab Seite 77 BGE 104 III 77 S. 77 Im Rahmen einer Lohnpfändungsrevision vom 27. April 1978 hat das zuständige Betreibungsamt den Notbedarf des Schuldners B. und seiner Familie neu berechnet. Bei einem monatlichen Bruttolohn von Fr. 3'540.- setzte das Betreibungsamt das Existenzminimum auf Fr. 3'087.50 und die pfändbare Quote auf Fr. 450.- pro Monat fest. Der Schuldner erhob hierauf bei der unteren kantonalen Aufsichtsbehörde Beschwerde, die mit Entscheid vom 19. Mai 1978 abgewiesen wurde. B. zog diesen Entscheid an die obere kantonale Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs weiter. Diese wies den Rekurs am 3. Juli 1978 ab. Mit Eingabe vom 12. Juli 1978 führt der Schuldner Rekurs an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts. Er wendet sich gegen die Berücksichtigung eines Beitrages aus dem Lehrlingslohn seiner Tochter bei der Berechnung des Notbedarfs. BGE 104 III 77 S. 78 Erwägungen Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung: Bei einer Lohnpfändung gemäss Art. 93 SchKG war nach bisheriger Praxis der Arbeitserwerb eines minderjährigen Kindes, das mit seinen Eltern im gemeinsamen Haushalt lebt, zum Lohn des betriebenen Elternteils zu zählen, um dessen Gesamtverdienst zu ermitteln. Hingegen war der Erwerb des Kindes insoweit unpfändbar, als er notwendig war, um dem Kind ein seinen Lebensumständen entsprechendes Auskommen zu sichern ( BGE 84 III 27 f., BGE 78 III 2 und BGE 62 III 117 ). Das neue Kindesrecht hat nun eine wesentliche Änderung gebracht, indem nach Art. 323 Abs. 1 ZGB der Arbeitserwerb des minderjährigen Kindes diesem selbst zur Verwaltung und Nutzung überlassen wird. Die Eltern können jedoch nach Absatz 2 dieser Bestimmung verlangen, dass das Kind in diesem Fall einen angemessenen Beitrag an seinen Unterhalt leiste, sofern es mit ihnen in häuslicher Gemeinschaft lebt. Aus dieser neuen Rechtslage folgt, dass der Lohn eines minderjährigen Kindes nicht mehr zum Einkommen des betriebenen Elternteils hinzugerechnet werden darf. Anderseits steht es nicht im Belieben desjenigen Elternteils, gegen den eine Lohnpfändung durchgeführt wird, zum Nachteil seiner eigenen Gläubiger auf den Unterhaltsbeitrag des mit ihm in Hausgemeinschaft lebenden minderjährigen Kindes gemäss Art. 323 Abs. 2 ZGB zu verzichten, wie die Vorinstanz mit Recht festgehalten hat. Das Betreibungsamt ist demnach richtig vorgegangen, wenn es in den Notbedarf des Rekurrenten für dessen 17jährige Tochter einerseits den geltenden Kinderzuschlag von Fr. 210.- pro Monat eingesetzt, anderseits aber einen monatlichen Beitrag der Tochter von Fr. 170.- in Abzug gebracht hat. Entgegen der Auffassung des Rekurrenten hat auch die Vorinstanz nicht gegen Bundesrecht verstossen, wenn sie den vom Betreibungsamt festgesetzten Beitrag der Tochter an ihren Unterhalt als Zuschlag zum Einkommen des Vaters zugelassen hat. Die Höhe dieses Beitrages von monatlich Fr. 170.- bei einem Lehrlingseinkommen von Fr. 550.- ist vom Rekurrenten an sich nicht in Frage gestellt worden. Seine Festsetzung liegt im Ermessen der kantonalen Behörden, das der Überprüfung durch das Bundesgericht gemäss Art. 19 SchKG entzogen ist. BGE 104 III 77 S. 79 Dispositiv Demnach erkennt die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer: Der Rekurs wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden kann.
null
nan
de
1,978
CH_BGE
CH_BGE_005
CH
Federation
c676d5ab-1a3c-4de7-896e-54e222213942
Urteilskopf 88 III 50 9. Entscheid vom 28. Mai 1962 i.S. Giannetta.
Regeste Unpfändbarkeit von Berufsgeräten ( Art. 92 Ziff. 3 SchKG ). Tonübertragungs- und -modulationsgeräte des Leiters einer Musikkapelle. Übt dieser einen Beruf aus, oder betreibt er ein Unternehmen? Ist die Verwendung der fraglichen Geräte unwirtschaftlich?
Sachverhalt ab Seite 50 BGE 88 III 50 S. 50 Mit Zahlungsbefehl vom 5. Februar 1962 betrieb W. Bestgen, Musikhaus, Luzern, den für die Dauer der Wintersaison im Dancing "Sarazena" in Pontresina tätigen italienischen Kapellmeister Giannetta für eine Forderung gemäss Rechnung vom 24. März 1959 im Betrage von Fr. 1880.-- nebst 5% Zins seit 24. April 1959 und Fr. 41.50 Spesen (Betreibung Nr. 913 des Betreibungsamtes Oberengadin). Der Betriebene erhob Rechtsvorschlag. Darauf erwirkte Bestgen am 14. März 1962 beim Kreisamt Oberengadin für eine Forderung von Fr. 2600.--, als deren Grund er angab: "Kauf einer Mikronanlage mit Echo gemäss Faktura vom 24. März 1959, Arrest- und Betreibungskosten und ausseramtliche Entschädigung", gestützt auf Art. 271 Ziff. 4 SchKG einen Arrestbefehl, der als Arrestgegenstände nannte: "1 Polyphon, 1 Mikroanlage mit Echo, 1 Revox mit Fernsteuerung, 1 Verstärker, 2 Lautsprechersäulen, 1 Transistorenpult, verschiedene Spezialinstrumente, Lohnguthaben, Barschaft, Wertgegenstände und überhaupt sämtliche pfändbaren Gegenstände, die sich beim Schuldner befinden." Das Betreibungsamt Oberengadin lehnte die Arrestierung der im Arrestbefehl genannten Geräte ab, weil sie als unentbehrliche Berufswerkzeuge nicht pfändbar seien. BGE 88 III 50 S. 51 Dagegen arrestierte es von der täglichen Gage des Schuldners, die Fr. 69.- abzüglich AHV und Steuern, zuzüglich Kost ausmachte, den Betrag von Fr. 25.-. Auf Beschwerde des Gläubigers hin hat die kantonale Aufsichtsbehörde das Betreibungsamt mit Entscheid vom 8. Mai 1962 angewiesen, die im Arrestbefehl genannten Geräte mit Arrest zu belegen. Diesen Entscheid hat der Schuldner an das Bundesgericht weitergezogen mit dem Antrag, die streitigen Geräte seien als unpfändbar zu erklären. Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer schützt dieses Begehren. Erwägungen Erwägungen: 1. Die Vorinstanz stellt fest, den Geräten, die der Gläubiger arrestieren lassen möchte, komme im heutigen Unterhaltungsmusikbetrieb eine grosse Bedeutung zu; es sei heute nicht mehr möglich, anspruchsvolle Unterhaltungslokale ohne die Verwendung solcher Geräte zu bedienen. Sie ist aber der Meinung, diesen Geräten sei der Charakter unentbehrlicher Berufswerkzeuge im Sinne von Art. 92 Ziff. 3 SchKG deswegen abzusprechen, weil die Tätigkeit des Schuldners, der als Kapellmeister unter Einsatz beträchtlicher technischer Mittel eine Ensemble von 3-4 Mann leite, nicht als Ausübung eines Berufs im Sinne von Art. 92 Ziff. 3 SchKG , sondern als Unternehmen anzusehen sei und weil die fraglichen Geräte für die Ausübung des Musikerberufs nicht nötig seien und der Schuldner keinen Anspruch darauf habe, diesen Beruf in leitender Stellung ausüben zu können. a) Diese letzte Erwägung ist schon deshalb nicht stichhaltig, weil der Schuldner, der seit Jahren als Kapellmeister tätig ist und dabei neben den im Arrestbefehl genannten technischen Einrichtungen nur gelegentlich Hilfsinstrumente wie Schlagzeug oder eine Gitarre bedient, nicht in der Lage wäre, sein Brot als allein auftretender Musiker oder als Orchestermusiker zu verdienen. BGE 88 III 50 S. 52 b) Es geht aber auch nicht an, aus der Tatsache, dass der Schuldner ein Ensemble von 3-4 Mann leitet, ohne weiters zu schliessen, seine Tätigkeit stelle ein Unternehmen dar. Dieser Schluss würde sich wohl dann rechtfertigen, wenn er das ganze Entgelt für die Tätigkeit der Musikkapelle einzöge und seine Mitarbeiter daraus entlöhnen würde, m.a.W. wenn diese seine Angestellten wären (vgl. BGE 49 III 101 , BGE 61 III 48 , BGE 65 III 15 , BGE 82 III 108 ). So verhält es sich aber nicht. Wie sich aus dem Arrestbefehl ergibt und vom Vorsteher des Betreibungsamts ausdrücklich bestätigt worden ist, erhält der Schuldner von der Direktion des Dancings "Sarazena" nur seine eigene Gage von Fr. 69.- pro Tag ausbezahlt. Er erzielt also, wenn er auch die Mitarbeiter für sein Ensemble mitgebracht hat, keinerlei "Unternehmergewinn", sondern hat selber nur die Stellung eines (leitenden) Angestellten. c) Ebensowenig lässt sich das Vorliegen eines Unternehmens aus dem Umfang der vom Schuldner verwendeten Hilfsmittel ableiten. Nach den Angaben des Schuldners haben die fraglichen Geräte, die ihm der Gläubiger im Jahre 1959 verkauft hatte, damals rund Fr. 4400.-- gekostet, wovon nach den Angaben des Gläubigers in einer Zahlungsaufforderung vom 13. Juli 1961 und im Zahlungsbefehl vom 5. Februar 1962 noch ein Kapitalbetrag von Fr. 1880.-- ausstehen soll. Es handelt sich dabei, wie die Vorinstanz selber festgestellt hat, um Hilfsmittel, die heute bei der Erzeugung von Unterhaltungsmusik in Lokalen mit anspruchsvoller Kundschaft allgemein gebräuchlich sind. Der Kapellmeister muss sie selber mitbringen. Dass er vom Inhaber der Gaststätte verlangen könnte, sie bereitzustellen, ist nicht behauptet und nicht wahrscheinlich. Der Schuldner muss also über diese Geräte verfügen, um konkurrenzfähig zu bleiben. Dass der in der Verwendung dieser Geräte liegende Einsatz materieller Mittel seine persönliche Arbeitsleistung an Bedeutung übertreffe und damit seiner Tätigkeit den Charakter eines Berufs nehme und sie zum Unternehmen stemple (vgl. BGE 85 III 22 ), BGE 88 III 50 S. 53 trifft nicht zu. Seine tägliche Gage von Fr. 69.-, der bei Tätigkeit während 7-8 Saisonmonaten ein Jahreseinkommen von mindestens Fr. 15'000.-- entspricht, ist zweifellos zum weit überwiegenden Teil nicht das Entgelt für den Einsatz der erwähnten Apparate, sondern das Entgelt für die persönliche Arbeitsleistung des Schuldners. 2. Dem Kompetenzanspruch des Schuldners lässt sich bei dieser Sachlage auch nicht entgegenhalten, die Verwendung der in Frage stehenden Hilfsmittel sei unwirtschaftlich (vgl. hiezu BGE 84 III 20 , BGE 86 III 49 ff., BGE 87 III 62 ). Der Schuldner verdient so viel, dass ihm nach der Annahme des Betreibungsamts ein Lohnbetrag von Fr. 25.- pro Tag oder ca. Fr. 750.-- pro Saisonmonat gepfändet werden kann. Auch scheint er die streitigen Geräte zum grössten Teil bereits abbezahlt zu haben. Von einem Missverhältnis zwischen Aufwand und Ertrag kann daher nicht die Rede sein. Die streitigen Geräte sind also gemäss Art. 92 Ziff. 3 SchKG unpfändbar.
null
nan
de
1,962
CH_BGE
CH_BGE_005
CH
Federation
c676fa28-5432-4229-9603-43687ce3f58f
Urteilskopf 98 IV 22 5. Urteil des Kassationshofes vom 3. März 1972 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Schaffhausen gegen Läderach.
Regeste Art. 140 Ziff. 1 StGB . Der Veruntreuung macht sich auch der Tankwart schuldig, der von Kunden erhaltene Trinkgelder nicht gemäss betriebsinterner Abmachung in die gemeinsame Kasse der Arbeitnehmer legt, sondern für sich verwendet (Erw. 1). Art. 142 StGB . Ob eine Sache von geringem Wert sei, entscheidet sich nach den objektiven und subjektiven Umständen des einzelnen Falles (Erw. 2).
Sachverhalt ab Seite 23 BGE 98 IV 22 S. 23 A.- Läderach trat am 1. Februar 1970 bei der Auto-Silo AG in Schaffhausen als Tankwart und Personalchef-Stellvertreter in Dienst. Sein monatliches Gehalt setzte sich aus einem Grundlohn von Fr. 1100.-- und Trinkgeldern in Höhe von Fr. 500.-- bis Fr. 600.-- zusammen. Gemäss interner Regelung hatten die Tankwarte sämtliche von Kunden erhaltenen Trinkgelder in eine gemeinsame Kasse zu legen, deren Inhalt jeweils bei Schichtwechsel gleichmässig unter die beteiligten Angestellten verteilt wurde. Nachgewiesenermassen hat Läderach am 6., 9. und 10. März 1970 bei seiner Arbeit als Tankwart Trinkgelder, die er von den Kunden erhalten hatte und die er abmachungsgemäss in die gemeinsame Trinkgeldkasse der diensttuenden Angestellten hätte einlegen müssen, in die eigene Tasche gesteckt und überdies Trinkgelder, die sein Arbeitskollege Attanasio in die gemeinsame Kasse gelegt hatte, an sich genommen. Insgesamt hatte Läderach in den genannten Tagen Trinkgelder im Höchstbetrag von Fr. 26.25 in eigenem Nutzen verwendet. B.- Am 30. April 1971 verurteilte das Kantonsgericht Schaffhausen Läderach wegen wiederholter und fortgesetzter Veruntreuung gemäss Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB zu einer bedingt aufgeschobenen Gefängnisstrafe von 10 Tagen. Auf Berufung des Verurteilten und der Staatsanwaltschaft bejahte zwar auch das Obergericht des Kantons Schaffhausen die unrechtmässige Verwendung anvertrauter Gelder durch Läderach. Es hielt jedoch dafür, dass es sich dabei um geringfügige Veruntreuungen im Sinne von Art. 142 StGB gehandelt habe, und setzte Läderach mangels Strafantrags mit Urteil vom 17. September 1971 ausser Strafverfolgung. C.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Schaffhausen führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichtes sei insoweit aufzuheben, als es Läderach mit Bezug auf die begangenen Veruntreuungen ausser Strafverfolgung BGE 98 IV 22 S. 24 gesetzt habe, und es sei die Sache zur Verurteilung des Beschwerdegegners wegen fortgesetzter und wiederholter Veruntreuung nach Art. 140 Ziff. 1 Abs. 2 StGB an die Vorinstanz zurückzuweisen. D.- Läderach beantragt Abweisung der Beschwerde. Erwägungen Der Kassationshof zieht in Erwägung: 1. Beide kantonalen Instanzen haben eine Veruntreuung sowohl hinsichtlich der vom Beschwerdegegner der Trinkgeldkasse entnommenen Beträge, als auch bezüglich der von Läderach von den Kunden erhaltenen und nicht abmachungsgemäss in jene Kasse gelegten Trinkgelder angenommen. a) Die Qualifikation der erstgenannten Handlungen als Veruntreuung wird vom Beschwerdegegner mit Recht nicht angefochten. Nach der verbindlichen Feststellung der Vorinstanz bestand zwischen dem Beschwerdegegner und seinem Arbeitskollegen Attanasio bezüglich der Trinkgelder ein Vertrauensverhältnis, und gestützt auf dieses verwalteten sie die Trinkgeldkasse gemeinsam und hatten auch beide gleicherweise Zugang dazu. Keiner von ihnen durfte nach Belieben und allein über deren Inhalt verfügen. Vielmehr wurde dieser nach der Arbeit von ihnen gleichmässig unter sich verteilt. Angesichts dessen hat der kantonale Richter mit Fug angenommen, der Inhalt der Trinkgeldkasse sei dem Beschwerdegegner anvertraut gewesen. Dass Attanasio an den in der Kasse befindlichen Trinkgeldern Mitgewahrsam gehabt hat, steht der Annahme einer Veruntreuung nicht entgegen. Art. 140 StGB und entsprechend auch Art. 142 StGB stellen nicht darauf ab, ob sich die Sache im ausschliesslichen Gewahrsam des Täters befunden hat, sondern einzig darauf, ob sie ihm anvertraut gewesen ist. Die dem Eigentümer oder einem Dritten neben dem Täter zustehende tatsächliche Verfügungsgewalt schliesst demnach die Anwendung jener Bestimmungen nicht aus ( BGE 71 IV 8 , BGE 72 IV 153 ). b) Der Beschwerdegegner bezeichnet dagegen in seiner Vernehmlassung als bundesrechtswidrig die Unterstellung seines Verhaltens unter Art. 140 bzw. 142 StGB, soweit dieses darin bestand, dass er von Kunden erhaltene Trinkgelder nicht abmachungsgemäss in die Trinkgeldkasse gelegt, sondern für sich verwendet hat. Er macht geltend, diese Trinkgelder persönlich erhalten zu haben, weswegen sie in sein Eigentum übergegangen BGE 98 IV 22 S. 25 seien. Dann aber seien sie für ihn keine fremden Sachen mehr gewesen, und es könne infolgedessen von einer Veruntreuung nicht die Rede sein. Der Umstand, dass die Kunden, die um die betriebsinterne Abmachung wahrscheinlich nicht wussten, die Trinkgelder dem Beschwerdegegner vorbehaltlos und ohne die Auflage, sie in die Trinkgeldkasse einzulegen, gegeben haben, dürfte den Tatsachen entsprechen, ist jedoch im vorliegenden Falle unbehelflich. Gemäss vertraglicher Abmachung zwischen der Auto-Silo AG und ihren Tankwarten bestand deren Gehalt aus einem Grundlohn und den Trinkgeldern. Diese mussten von den jeweils diensttuenden Angestellten in eine gemeinsame Kasse gelegt und bei Schichtwechsel gleichmässig aufgeteilt werden. Jeder der Tankwarte war somit kraft jener internen Vereinbarung, der auch der Beschwerdegegner zugestimmt hatte, beim Empfang der Trinkgelder gleichsam Treuhänder seiner Arbeitskollegen, die gleich dem Beschwerdegegner aus der Vereinbarung vermögensrechtliche Ansprüche ableiteten. Die in seinen Besitz gelangten Trinkgelder waren ihm demnach im Vertrauen darauf belassen, dass er sie bestimmungsgemäss verwende, d.h. an die gemeinsame Kasse abliefere. Dass diese Zweckbestimmung ihnen nicht von den Kunden beigelegt wurde, tut nichts zur Sache. Auch dem Arbeitgeber, dem zur Bezahlung der AHV-Beiträge seiner Angestellten einzig die Geschäftseinnahmen zur Verfügung stehen, sind diese im Umfang jener Beträge anvertraut, obschon seine Kunden ohne entsprechende Auflage an ihn persönlich bezahlt hatten, die Zweckbestimmung der Gelder insoweit also nicht von den Kunden ausgegangen war. Damit stimmt auch überein, dass es nach Art. 140 und 142 StGB belanglos ist, von wem der Täter die Sache erhält, ob vom Verletzten oder von einem Dritten. Entscheidend ist, dass er die Sache hat, und dies auf Grund eines Vertrauensverhältnisses ( BGE 94 IV 139 ), das auf einer vertraglichen Vereinbarung beruhen kann, an welcher die Person, die dem Täter die Sache gegeben hat, in keiner Weise beteiligt ist. Im vorliegenden Falle waren somit die dem Beschwerdegegner von den Kunden gegebenen Trinkgelder kraft der betriebsinternen Regelung in dem Augenblick anvertraut, in welchem sie in seine Hände gelangten. Dass sie möglicherweise mit der Inempfangnahme zivilrechtlich sein Eigentum wurden, ändert nichts daran, dass sie jedenfalls wirtschaftlich BGE 98 IV 22 S. 26 fremdes Gut waren, über das er nicht nach Belieben verfügen durfte ( BGE 81 IV 233 ). 2. Die Staatsanwaltschaft wirft ihrerseits dem Obergericht vor, insofern Bundesrecht verletzt zu haben, als es auf den vorliegenden Fall anstelle von Art. 140 Ziff. 1 StGB die Bestimmung des Art. 142 StGB angewendet habe. Es habe aus dem Wortlaut dieses Artikels geschlossen, dass es im Gegensatz zu Art. 138 StGB bei Art. 142 StGB lediglich auf die Geringfügigkeit des Objekts und nicht auf die Motive des Täters ankomme. Eigenartigerweise habe dann aber die Vorinstanz doch bei der Qualifikation der Tat auch das Vorleben des Beschwerdegegners berücksichtigt. Diese widersprüchliche Haltung zeige, dass die vom blossen Gesetzeswortlaut abgeleitete Auffassung nicht zu befriedigen vermöge. Es sei mit der betont subjektiven Grundhaltung unseres Strafrechtes nicht vereinbar, einfach auf die objektive Geringfügigkeit der veruntreuten Sache abzustellen. Ausschlaggebend sei vielmehr, ob die Tat vor allem nach subjektiven Momenten als geringfügig erscheine. Davon könne jedoch im vorliegenden Fall keine Rede sein. Einmal hätten die Trinkgelder für die Tankwarte der Auto-Silo AG einen nicht unwesentlichen Teil ihrer Entlöhnung gebildet. Zum andern habe Läderach zum Nachteil eines ihm unterstellten Arbeitskollegen gehandelt, was seinen Vertrauensmissbrauch als ausgesprochen gemein erscheinen lasse. Wenn man den Begriff des geringen Wertes in Art. 142 StGB als ein normatives Tatbestandsmerkmal auffasse, das vom Richter in wertender Würdigung aller, auch der subjektiven Umstände der Tat im Einzelfall anzuwenden sei, dann könnten die vom Beschwerdegegner begangenen Handlungen, auch wenn man gemäss BGE 68 IV 135 die Deliktsbeträge für die drei in Frage stehenden Tage einzeln betrachte, nicht mehr als geringfügige Veruntreuungen bezeichnet werden. Die Auffassung des Obergerichtes, wonach Art. 142 StGB im Unterschied zu Art. 138 StGB kein Handeln des Täters aus einem besonderen entlastenden Motiv oder einer besonderen seelischen Verfassung heraus voraussetzt, trifft zu. Es genügt in der Tat als Privilegierungsgrund die Geringfügigkeit der veruntreuten Sache (GERMANN, Das Verbrechen im neuen Strafrecht, S. 269, N. 1 zu Art. 142; LOGOZ, N. 1 und 2 zu Art. 142). Das will jedoch nicht heissen, dass dieser Begriff bloss im objektiven Sinne zu verstehen sei. Auch wenn Art. 142 StGB nicht BGE 98 IV 22 S. 27 zusätzlich einen bestimmten Beweggrund des Handelns verlangt, so ist die veruntreute Sache nichtsdestoweniger unter Berücksichtigung aller, d.h. sowohl der objektiven wie der subjektiven Umstände zu würdigen, mit der Folge, dass ein und derselbe Wert je nach den Besonderheiten des konkreten Falles einmal als gering erscheint, das andere Mal nicht. Es wäre denn auch nicht einzusehen, warum der Begriff der Sache von geringem Wert nach Art. 142 StGB anders ausgelegt werden sollte als in Art. 138 StGB . Wenn das Bundesgericht in Anwendung der letztgenannten Bestimmung entschieden hat, dass es für die Beantwortung der Frage nach der Geringfügigkeit der Sache auf alle, auch die subjektiven Umstände ankomme ( BGE 80 IV 242 ), so hat es damit nicht in erster Linie die in Art. 138 StGB selber genannten Motive gemeint, die neben der Geringfügigkeit der Sache selbständige Tatbestandsmerkmale darstellen, sondern ganz allgemein das Verschulden des Täters im Auge gehabt, was insbesondere auch aus der Tatsache folgt, dass es unter den subjektiven Umständen ausdrücklich das Wissen des Täters um die wirtschaftliche Lage des Opfers erwähnt hat ( BGE 68 IV 135 , BGE 75 IV 54 ; LOGOZ, a.a.O. N. 2 zu Art. 138 mit Verweisungen). Dass der Gesetzgeber in Art. 142 StGB vom Erfordernis besonderer Beweggründe abgesehen hat, führt somit nicht zum Schluss, dass der Begriff der Geringfügigkeit der Sache anders zu verstehen sei als in Art. 138 StGB . Er ist in beiden Bestimmungen vielmehr der gleiche (HAEFLIGER, Der Deliktsbetrag, ZStR 70, S. 86; LOGOZ, N. 1 zu Art. 142 StGB ; SCHWANDER, Das Schweizerische Strafgesetzbuch, 2. Aufl., Nr. 547 i.f. in Verbindung mit Nr. 543 Ziff. 1). Im vorliegenden Fall hat das Obergericht unter Berufung auf BGE 68 IV 135 zunächst festgestellt, dass "im Zweifel" der Richter den Umständen des einzelnen Falles Rechnung tragen müsse. Sodann hat es seine Auffassung, wonach ein Betrag von Fr. 26.25 zweifellos einen geringen Wert darstelle, einzig mit der starken Geldentwertung der letzten Jahre begründet, um schliesslich zum Ergebnis zu gelangen, es liege "in Würdigung aller Umstände, vor allem auch der Tatsache, dass der Angeklagte mit Ausnahme von vier Strassenverkehrsdelikten ... nicht vorbestraft ist", bloss eine geringfügige Veruntreuung vor. Indem die Vorinstanz damit eine Berücksichtigung aller Umstände, einschliesslich der subjektiven Verhältnisse, grundsätzlich bloss im Zweifelsfall für geboten hielt, hat sie verkannt, BGE 98 IV 22 S. 28 dass die Rechtsprechung zu Art. 138 StGB inzwischen über die Aussagen in BGE 68 IV 135 hinausgegangen und in Übereinstimmung mit der Lehre (LOGOZ, N. 2 i.f. und die dort angeführte Literatur, insbes. HAEFLIGER, a.a.O.) allgemein eine Würdigung des Wertes der Sache auch nach subjektiven Gesichtspunkten gefordert hat ( BGE 80 IV 242 ). Des weitern ist nicht ersichtlich, was das Obergericht mit der Würdigung "aller Umstände" ausser der erwähnten Geldentwertung und dem Vorleben des Beschwerdegegners im einzelnen gemeint hat. Die Geldentwertung jedoch stellt ein bloss objektives Wertungsmoment dar, und was die Tatsache anbelangt, dass Läderach bis anhin nur wegen Strassenverkehrsdelikten bestraft worden ist, handelt es sich dabei um einen Umstand, der wohl im Rahmen der Strafzumessung beachtlich ist ( Art. 63 StGB ), darüber jedoch, ob die veruntreute Sache von geringem Wert gewesen sei, im vorliegenden Fall nichts auszusagen vermag. Angesichts dessen lässt sich eine Rückweisung der Sache zu neuer Entscheidung nicht umgehen. Zwar ist der Vorinstanz zuzugestehen, dass bei Anlegung bloss objektiver Masstäbe die veruntreuten Gelder von geringem Wert waren, zumal wenn man von dem auch von der Staatsanwaltschaft insoweit nicht angefochtenen, auf wiederholte und fortgesetzte Tatbegehung lautenden Schuldspruch ausgeht. Danach hat nämlich das Obergericht in Übereinstimmung mit dem Kantonsgericht angenommen, dass Läderach an den drei hier in Betracht fallenden Tagen (6., 9. und 10. März 1970) jeweils bei Arbeitsantritt den Vorsatz gefasst hatte, einen Teil der Trinkgelder zu veruntreuen. Entsprechend hat es drei zunächst zeitlich getrennte Tatgruppen unterschieden und diese als wiederholte Veruntreuungen bezeichnet, um sodann die innerhalb einer jeden Tatgruppe verübten und durch ein und denselben Vorsatz gedeckten Handlungen als fortgesetzte Begehung zu qualifizieren. Da nach der Rechtsprechung bei wiederholter Tatbegehung der Wert der verschiedenen veruntreuten Sachen nicht zusammenzuzählen ist ( BGE 68 IV 99 ), belaufen sich im vorliegenden Falle die drei Deliktswerte, wie sie nach dem angefochtenen Urteil auf die genannten drei Tage entfallen, auf Fr. 12.-, Fr. 7.85 und Fr. 6.40. Das sind objektiv gesehen geringfügige Beträge, die zweifelsfrei unterhalb jenes obersten Grenzwertes liegen, der in jedem Fall die Veruntreuung nach Art. 142 StGB von derjenigen des Art. 140 StGB scheidet (vgl. SJZ 1969, S. 79). BGE 98 IV 22 S. 29 Indessen ergibt sich weder aus dem angefochtenen Urteil noch aus den Akten, in welchem Verhältnis diese Beträge zum Tagesverdienst des Geschädigten standen, welches dessen vermögensrechtliche Lage war, ob dieser für den Unterhalt einer eigenen Familie oder weiterer Angehöriger aufzukommen hatte, wie gross die Zahl der ihm gegenüber Unterhaltsberechtigten war usw. Diese Fragen wird die Vorinstanz noch beantworten müssen. Sollte sich dabei ergeben, dass jene Beträge einen nicht unwesentlichen Teil eines Taglohns des Geschädigten ausmachten, dass dieser angesichts seiner familienrechtlichen Verpflichtungen dringend auf seinen vollen Verdienst angewiesen war und dass dem Beschwerdegegner in seiner Stellung als Personalchef-Stellvertreter und Tankwart dies bekannt war, dann könnte von geringfügigen Veruntreuungen im Sinne des Art. 142 StGB nicht mehr die Rede sein, und es wäre Läderach unbekümmert um die objektive Geringfügigkeit der unrechtmässig verwendeten Geldbeträge wegen Veruntreuung nach Art. 140 Ziff. 1 StGB zu bestrafen. Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Beschwerde wird gutgeheissen, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.
null
nan
de
1,972
CH_BGE
CH_BGE_006
CH
Federation
c67747c0-d946-4969-8ce5-777e43d4bc71
Urteilskopf 91 IV 130 35. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 22. Juni 1965 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich gegen Riederer.
Regeste Art. 140. Ziff. 1 Abs. 1 StGB. Veruntreuung. 1. Die Bereicherung eines Dritten wird dadurch, dass der Täter diesem gegenüber einen Rückerstattungsanspruch hat, nicht aufgehoben. Die Absicht vorübergehender Bereicherung genügt. 2. Ob ein Verwalter die ihm anvertrauten Gelder jederzeit zur Verfügung seines Arbeitgebers zu halten hat, hängt von seinen Pflichten ab (Erw. 2 a). 3. Ersatzfähigkeit liegt nur vor, wenn das Geld für den Täter griffbereit ist, nicht, wenn er es nach der Tat erst noch bei Dritten, die ihm gegenüber zu keiner Leistung verpflichtet sind, beschaffen muss (Erw. 2 aa). 4. Der Wille jederzeitigen Ersatzes fehlt, wenn der Täter ihm anvertraute Gelder ungesichert als Darlehen hingibt (Erw. 2 bb). 5. Der Vorsatz ist gegeben, wenn der Täter weiss, dass es sich um fremde, ihm anvertraute Sachen handelt, und er sie sich bewusst und gewollt aneignet, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern (Erw. 2 b).
Sachverhalt ab Seite 131 BGE 91 IV 130 S. 131 A.- Riederer war vom 1. April 1954 bis zu seiner Verhaftung am 27. Mai 1963 Verwalter des Landwirtschaftlichen Vereins Egg (LVE). In dieser Zeit amtete er auch als Leiter der Ortsgetreidestelle. Am 7. Mai 1958 übernahm er zudem die Geschäftsführung der Konserven AG, Wetzikon, an deren Aktienkapital er mit Fr. 10'000.-- beteiligt war. Die Konserven AG arbeitete mit Verlusten und hatte deshalb dauernd mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen. Daran änderte sich auch nichts, als ihr Betrieb im Jahre 1962 erweitert und unter der Firmenbezeichnung FROSA in Stäfa weitergeführt wurde. Ende Mai 1958 begann Riederer, von Bankkonten und -Guthaben des LVE heimlich grössere Beträge abzuheben und sie als zinslose Darlehen der Konserven AG zu überlassen. Auf diese Weise verschaffte er der Gesellschaft in der Zeit vom 31. Mai 1958 bis zum 2. November 1962 insgesamt Fr. 158'929.50. Die Darlehen bezahlte er teils nach Wochen, teils nach Monaten zurück. Am 17. Januar 1963 liess Riederer einen an den LVE zahlbaren Wechsel einlösen. Mit dem Erlös von Fr.47'522.40 tilgte er Schulden der FROSA und hielt das Geld erst am 12. März und 29. Mai 1963 zur Verfügung des LVE. Die Eidgenössische Getreideverwaltung liess Riederer am 5. Oktober 1962 Fr. 32'205.45 zukommen, die er als Leiter der Ortsgetreidestelle Egg, wie er wusste, sogleich an die Getreidelieferanten hätte auszahlen sollen. Riederer unterliess es, die Summe ins Getreidebuch einzutragen, und verwendete Fr. 26'929.75 zunächst für Schulden der Konserven AG oder BGE 91 IV 130 S. 132 der FROSA. Er brachte das Geld erst am 20. Dezember 1962 wieder bei. B.- Riederer wurde unter anderem der wiederholten und fortgesetzten Veruntreuung von Fr. 206'451.90 im Sinne des Art. 140 Ziff. 1 und der Veruntreuung von Fr. 26'929.75 im Sinne des Art. 140 Ziff. 2 StGB angeklagt. Das Schwurgericht des Kantons Zürich sprach Riederer am 1. Februar 1965 in diesen Anklagepunkten frei. Es begründete den Freispruch im wesentlichen damit, der Angeklagte habe sich die genannten Beträge, die ihm anvertraut gewesen seien, zwar angeeignet; er habe dies aber nicht in der Absicht getan, die Konserven AG oder die FROSA unrechtmässig zu bereichern, da er ihnen das Geld lediglich als Darlehen zur Verfügung gestellt und es jederzeit habe zurückverlangen können. Er sei zudem fähig und gewillt gewesen, das Geld jederzeit sofort zurückzuerstatten. Auch habe er nicht mit Wissen und Willen gehandelt. C.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Schwurgerichts aufzuheben und die Sache zur Verurteilung Riederers an die Vorinstanz zurückzuweisen. D.- Riederer beantragt, die Beschwerde abzuweisen. Erwägungen Aus den Erwägungen: 2. Die Beschwerdeführerin macht geltend, aus dem angefochtenen Urteil und dem schwurgerichtlichen Protokoll gehe deutlich hervor, dass die Vorinstanz nicht nur die Begriffe der Absicht unrechtmässiger Bereicherung und der Ersatzbereitschaft, sondern auch den Begriff des Vorsatzes verkannt habe. a) Dass das Schwurgericht den Begriff der Absicht unrechtmässiger Bereicherung missverstanden hat, erhellt in der Tat bereits aus den Fragen an die Geschworenen und deren Antworten. Danach hätte dem Angeklagten die Bereicherungsabsicht schon deshalb gefehlt, weil er die genannten Beträge der Konserven AG oder der FROSA lediglich als Darlehen überlassen und ihm deshalb gegenüber den Gesellschaften ein Anspruch auf Rückerstattung zugestanden habe. Damit lässt sich die Absicht unrechtmässiger Bereicherung indes nicht verneinen. Aus der Hingabe des Geldes ergibt sich im Gegenteil, dass der Beschwerdegegner die Konserven AG und die FROSA nicht nur bereichern wollte, sondern auch tatsächlich bereichert hat. BGE 91 IV 130 S. 133 Die Darlehen bedeuteten für die beiden Gesellschaften, die dauernd in finanziellen Schwierigkeiten steckten, erhebliche wirtschaftliche Vorteile. Sowohl die unrechtmässige Bereicherung wie die dahinzielende Absicht liegen deshalb auf der Hand. Dass es der Beschwerdegegner nicht auf eine dauernde Bereicherung der Gesellschaften abgesehen hatte, sondern das Geld nach Wochen oder Monaten wieder zurückfordern wollte, hilft ihm nicht. Die Konserven AG und die FROSA waren zumindest vorübergehend, nämlich bis zur Rückzahlung der Darlehen, bereichert. Das genügt ( BGE 77 IV 13 ). Der Beschwerdegegner wendet ein, der Verwalter des LVE habe erst zwei Monate nach dem Abschluss des Rechnungsjahres über seine Geschäftsführung Rechenschaft abzulegen; auf diesen Zeitpunkt aber hätten die von ihm bezogenen Beträge dem Verein stets wieder zur Verfügung gestanden. Aus dem Umstand, dass Riederer nur einmal im Jahr abzurechnen hatte, ergibt sich indes keineswegs, dass er in der Zwischenzeit das anvertraute Geld im Interesse der beiden Gesellschaften verwenden durfte, ohne jederzeit willens und fähig zu sein, es zu ersetzen. Ob er das tun durfte, hing von seinen Pflichten als Verwalter ab. Dass ihm seine Vorgesetzten je gestattet hätten, die Mittel der LVE für Darlehen zu verwenden, behauptet der Beschwerdegegner selber nicht. Nach seinen Angaben steht im Gegenteil fest, dass er eigenmächtig vorging, die Darlehen in der Buchhaltung nicht in Erscheinung treten liess und sie dem Vereinsvorstand verschwieg. Das zeigt, dass der Beschwerdegegner sich seiner Pflicht, die ihm anvertrauten Gelder jederzeit zur Verfügung seiner Arbeitgeberin zu halten, durchaus bewusst war. Indem die Vorinstanz feststellt, der Angeklagte habe heimlich gehandelt, spricht sie ihm denn auch den guten Glauben ab. Die Absicht unrechtmässiger Bereicherung hätte dem Beschwerdegegner daher nur gefehlt, wenn er jederzeit gewillt und auch fähig gewesen wäre, die verbrauchten Beträge zu ersetzen ( BGE 74 IV 31 , BGE 77 IV 12 ). aa) Das Schwurgericht glaubt, die Ersatzfähigkeit bejahen zu dürfen, weil der Angeklagte den Rückerstattungsanspruch jederzeit habe geltend machen können. Wieso das der Fall gewesen sein sollte, ist jedoch umsoweniger zu ersehen, als der Beschwerdegegner das Geld im eigenen Namen und ohne die Gesellschaftsorgane zu begrüssen hingab. Diese hätten sich den Berechtigten gegenüber auf den Standpunkt stellen können, dass BGE 91 IV 130 S. 134 die Darlehen mangels besonderer Vereinbarung nur unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Wochen zurückzuzahlen seien ( Art. 318 OR ). Dazu kommt, dass die Gesellschaften selber dauernd in Finanznöten steckten; wie sie unter diesen Umständen die Darlehen jederzeit hätten zurückzahlen können, ist unerfindlich. Die Vorinstanz fügt freilich bei, dass der Angeklagte mit der sofortigen Erfüllung des Rückerstattungsanspruches durch die hinter den Gesellschaften stehenden Aktionäre habe rechnen dürfen. Der Beschwerdegegner hat sich jedoch nach seinen eigenen Angaben nie vergewissert, ob die Aktionäre die Darlehen sicherstellen und jederzeit zurückzahlen würden. Er ging vielmehr heimlich und eigenmächtig, also ohne Wissen und Zusicherungen Dritter vor. Fehlte aber eine rechtliche Verpflichtung der Aktionäre zur Sicherstellung und zu jederzeitiger Rückzahlung der Darlehen, so kann davon, dass Riederer schon im Augenblick, als er über das Geld anderweitig verfügte, die Mittel beieinander gehabt habe, um die Eigentümer schadlos zu halten, keine Rede sein. Ersatzfähigkeit liegt nur vor, wenn das Geld für den Täter griffbereit ist, nicht aber, wenn er es erst noch bei Dritten, die ihm gegenüber zu keiner Leistung verpflichtet sind, beschaffen muss. Wer vollends auf den guten Willen Dritter angewiesen ist, wie der Beschwerdegegner, kann daher nicht als ersatzfähig gelten, mag er auch annehmen, dass ihn diese gegebenenfalls nicht im Stiche lassen würden. bb) Das Schwurgericht fasst auch den Begriff des Ersatzwillens nicht so auf, dass der Beschwerdegegner bereits zur Zeit der Tat bereit gewesen. wäre, die veruntreuten Beträge den Berechtigten jederzeit zur Verfügung zu halten, denn dass ihm dieser Wille im Augenblick der Wegnahme fehlte, geht schon aus dem Zweck der Aneignung hervor. Riederer wollte das Geld den Gesellschaften ungesichert als Darlehen, also auf längere Zeit zur Verfügung stellen, was er denn auch getan hat. Gegen seinen sofortigen Ersatzwillen spricht zudem, dass er die Darlehen heimlich gewährte, sie insbesondere nicht als Ausgaben verbuchte. Wäre er wirklich willens gewesen, die Beträge jederzeit zu ersetzen, so hätte er sich sofort an die Aktionäre gewandt. Statt dessen begnügte er sich mit der Hoffnung, dass nötigenfalls Dritte einspringen würden, und liess die veruntreuten Beträge Wochen, ja viele Monate lang ungedeckt. Das genügt nicht zur Bejahung des Ersatzwillens. Soll die Berufung BGE 91 IV 130 S. 135 auf Ersatzbereitschaft nicht zur leeren Ausrede für Veruntreuungen werden, so muss es mit dem Nachweise dieser Bereitschaft streng genommen werden, wie es der Kassationshof seit dem UrteilBGE 74 IV 31denn auch stets getan hat. Blosse Aussichten auf die Zukunft, wie sie dem angefochtenen Urteil zugrunde liegen, reichen dazu nicht aus (vgl. nicht veröffentlichtes Urteil des Kassationshofes vom 9. November 1950 i.S. Bielinski). b) Das Schwurgericht geht offensichtlich auch von einem falschen Begriff des Vorsatzes aus. Der Beschwerdegegner wusste, dass die veruntreuten Beträge fremdes Gut und dass sie ihm anvertraut waren. Er hat mit Recht auch nie bestritten, dass er das Geld den beiden Gesellschaften bewusst und gewollt zukommen liess; anders kann sein Verhalten gar nicht ausgelegt werden. Die Feststellung dieses Wissens und Willens liegt übrigens in den Antworten der Geschworenen, wonach der Angeklagte über das Geld wie ein Eigentümer verfügte und es heimlich hingab. Der Vorsatz der Aneignung anvertrauter fremder Sachen ist somit gegeben. Die Absicht des Beschwerdegegners, die beiden Gesellschaften unrechtmässig zu bereichern, liegt, wie bereits ausgeführt worden ist, ebenfalls vor. Dass er die veruntreuten Beträge gelegentlich ersetzen wollte und sie nachträglich mit Hilfe Dritter auch ersetzte, macht die Veruntreuung, die mit der Aneignung anvertrauter fremder Sachen vollendet war, nicht ungeschehen. Das war Schadensdeckung, die nichts daran ändert, dass der Beschwerdegegner sich im Zeitpunkt der Tat das Geld bewusst und gewollt angeeignet hat, um damit die Konserven AG oder die FROSA jedenfalls vorübergehend unrechtmässig zu bereichern. ..... Dispositiv Demnach erkennt der Kassationshof: Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Schwurgerichtes des Kantons Zürich vom 1. Februar 1965 aufgehoben und die Sache zur Bestrafung des Beschwerdegegners wegen Veruntreuung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
null
nan
de
1,965
CH_BGE
CH_BGE_006
CH
Federation
c677b5b4-40b5-4fd4-a126-465b65b04a46
Urteilskopf 97 IV 241 45. Extrait de l'arrêt de la cour de cassation pénale, du 15 octobre 1971, dans la cause Bravo contre Ministère public du canton de Vaud.
Regeste Art. 68 Ziff. 2 StGB . Diese Bestimmung ist nur anwendbar, wenn die erste Verurteilung rechtskräftig ist (Praxisänderung).
Erwägungen ab Seite 241 BGE 97 IV 241 S. 241 Datant du 23 novembre 1969, le viol pour lequel Bravo a été condamné par le Tribunal criminel du district d'Orbe est antérieur au jugement du 1er février 1971 par lequel le Tribunal de police de Morges lui a infligé un mois d'emprisonnement, avec sursis, pour violence contre un fonctionnaire. Ce jugement faisant l'objet d'un recours à la Cour de cassation vaudoise et n'étant par conséquent pas entré en force, cette autorité a estimé que la question du concours rétrospectif ne se posait pas en l'état. Le recourant prétend que l'art. 68 ch. 2 CP s'applique alors même que le premier jugement n'est pas définitif et exécutoire. Il aurait pu invoquer l'arrêt Meuwly, du 2 mai 1947 (RO 73 IV 162), selon lequel est condamné au sens de cette disposition tout accusé tombant sous le coup d'un jugement de condamnation, que ce dernier soit ou non déféré à une autorité supérieure. WAIBLINGER a critiqué cette jurisprudence: une condamnation non passée en force n'a pas le caractère d'une condamnation, puisque l'autorité de recours peut modifier le jugement ou l'annuler; le juge du concours rétrospectif doit donc attendre que la décision relative à la peine principale soit passée en force (ZbJV 1949 p. 431). Cette critique est fondée: seul un premier jugement passé en force constitue une base solide pour le prononcé d'une peine additionnelle (BADER, Die retrospektive Realkonkurrenz, p. 8). La jurisprudence précitée doit donc être modifiée et, sur ce point, l'arrêt entrepris ne viole pas le droit fédéral.
null
nan
fr
1,971
CH_BGE
CH_BGE_006
CH
Federation
c685764f-9b85-4e34-b0ad-6119f3bf4784
Urteilskopf 101 III 68 14. Extrait de l'arrêt du 9 juillet 1975 dans la cause Morandi
Regeste Lohnpfändung zu Lasten des Ehemannes, um der Ehefrau die regelmässige Zahlung des im Trennungsurteil festgesetzten Unterhaltsbeitrages zu sichern. Reduktion des pfändbaren Betrages durch die Aufsichtsbehörde auf Beschwerde des Ehemannes hin, ohne dass die Gläubigerin zu den Vorbringen des Schuldners hätte Stellung nehmen können. Im Beschwerdeverfahren ist der Anspruch auf rechtliches Gehör, wozu insbesondere das Recht auf Beschwerdeantwort und auf Stellungnahme gehört, durch das Bundesrecht garantiert. Die Verweigerung des rechtlichen Gehörs kann jedoch nicht mit einer Beschwerde wegen (formeller) Rechtsverweigerung gemäss Art. 19 Abs. 2 SchKG gerügt werden, sondern gegen eine innert zehn Tagen anfechtbare Massnahme ist die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte zulässig (Bestätigung und Präzisierung der Rechtsprechung).
Sachverhalt ab Seite 68 BGE 101 III 68 S. 68 A.- Par jugement de séparation de corps rendu le 9 mai 1974, le Tribunal de première instance du canton de Genève a BGE 101 III 68 S. 69 notamment astreint Marcel Morandi, à Onex, à verser à sa femme, Yolande Morandi, au Petit-Lancy, une pension alimentaire de 1'300 fr. par mois. Le 14 mars 1975, dame Morandi a fait notifier à son mari une poursuite No 508902, réclamant les pensions des mois de janvier et février 1975, soit deux fois le montant de 1'300 fr., moins deux acomptes, de 500 fr. chacun, versés les 7 janvier et 4 février 1975. Cette poursuite, qui n'a pas été frappée d'opposition, a abouti, le 30 avril 1975, à une saisie de 1'300 fr. par mois sur le salaire du débiteur. B.- Le 15 mai 1975, Morandi a déposé plainte auprès de l'autorité cantonale de surveillance. Il soutenait qu'étant donné sa situation économique il était dans l'incapacité de supporter la saisie-salaire. Dans son rapport, l'office a estimé la part saisissable du salaire de Morandi à 935 fr. 45 par mois; Il a donc proposé d'accepter la plainte et de diminuer la saisie-salaire. C.- Par décision du 11 juin 1975, l'Autorité de surveillance des offices de poursuite pour dettes et de faillite du canton de Genève a ramené à 930 fr. par mois le montant saisissable sur le salaire du débiteur. D.- Yolande Morandi recourt contre cette décision. Elle demande que le montant saisissable du salaire de Morandi soit fixé à 1'300 fr. par mois. L'intimé Marcel Morandi conclut au rejet du recours. C'est également dans ce sens que se détermine implicitement dans ses observations l'Office des poursuites du canton de Genève. Erwägungen Considérant en droit: 1. La recourante reproche à l'autorité cantonale de surveillance de ne pas l'avoir invitée à se déterminer sur les moyens invoqués par le débiteur à l'appui de sa plainte. La réglementation de la procédure de plainte au sens des art. 17 ss LP appartient dans l'essentiel aux cantons (FRITZSCHE, Schuldbetreibung und Konkurs, 2e éd., I, p. 48). Dans les arrêts publiés au RO 23 I 943 (p. 945 consid. 1) et 24 I 729 (p. 731), il a été expressément dit qu'aucune prescription du droit fédéral n'exige que, dans la procédure de plainte, la partie adverse du plaignant soit entendue (dans le même sens JAEGER, n. 6 ad art. 17 LP). A cela s'oppose cependant la BGE 101 III 68 S. 70 jurisprudence du Tribunal fédéral relative au droit d'être entendu: l'art. 4 Cst. assure aux justiciables et, à certaines conditions, aux administrés la faculté d'être entendus avant qu'une décision qui les touche ne soit prise; on ne saurait modifier au détriment d'une partie une situation juridique établie par décision judiciaire sans avoir donné auparavant au justiciable l'occasion de s'exprimer (cf. AUBERT, Traité de droit constitutionnel suisse, II p. 650 ss par. 1804 ss, ainsi que la jurisprudence et la doctrine citées). Le Tribunal fédéral a d'ailleurs conformé à ces principes sa pratique en matière de recours formés en vertu de l'art. 19 LP. Selon l'art. 81 OJ, le Tribunal fédéral apprécie s'il y a lieu de provoquer des réponses; la Chambre des poursuites et des faillites interprète cette disposition en ce sens qu'il y a toujours lieu de provoquer des réponses quand la situation juridique de l'intimé, telle qu'elle a été établie par la décision attaquée, risque de subir une atteinte: tel est le cas même lorsque la décision cantonale est annulée et que la cause est renvoyée à l'autorité cantonale de surveillance pour nouvelle décision, s'il est possible que cette nouvelle décision cantonale soit moins favorable à l'intimé. La loi d'application dans le canton de Genève de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite (du 16 mars 1912) prévoit, à son art. 14, que l'autorité de surveillance décide, dans chaque cas, s'il y a lieu d'ordonner la comparution des parties (cf. un exposé d'ensemble des réglementations cantonales très diverses dans NÜNLIST, Die Organisation des Betreibungs- und Konkurswesens in den Kantonen, BlSchK 32/1968 p. 97 ss 129 ss et 161 ss). Cette règle doit être précisée à la lumière de la jurisprudence fédérale dégagée de l'art. 4 Cst.: on doit admettre l'existence d'un droit d'être entendu, soit notamment de répliquer et de se déterminer, garanti par le droit fédéral (cf. SORG, Das Beschwerdeverfahren in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen im Kanton Zürich, thèse Zurich 1954, p. 88/89, d'où il ressort - sans que cela soit dit, il est vrai, très clairement -que la partie qui n'a pas été entendue peut déférer une décision qui lui est défavorable à l'autorité immédiatement supérieur à celle qui a statué). Mais le refus du droit d'être entendu n'ouvre pas la voie de la plainte qui peut être portée en tout temps au Tribunal BGE 101 III 68 S. 71 fédéral contre l'autorité cantonale pour déni de justice (art. 19 al. 2 LP). Seul constitue un déni de justice, en matière de poursuite, le déni de justice formel, soit le refus par l'office de procéder à une opération dûment requise ou à laquelle il était tenu de procéder sans autre; il ne peut en être question en matière de déni de justice matériel, savoir quand une mesure, susceptible d'être attaquée dans les 10 jours, a été prise, fût-elle illégale ou irrégulière (RO 54 III 142; 80 III 96 ; 96 III 53 consid. 1; 97 III 31 ). Dans de tels cas, l'art. 43 al. 1, 2e phrase, OJ, auquel renvoie l'art. 81 OJ, réserve le recours de droit public pour violation des droits constitutionnels des citoyens. Dans l'arrêt publié au RO 99 III 18 (p. 21 consid. 6), la Chambre des poursuites et des faillites a examiné, il est vrai, dans le cadre d'un recours formé en vertu de l'art. 19 LP, si l'art. 4 Cst. prescrit aux autorités cantonales de surveillance de permettre au recourant de se déterminer sur les observations de l'office; mais il s'agissait là de considérations accidentelles, émises dans le cas où la décision attaquée est confirmée, dont on ne saurait se prévaloir pour modifier un système bien établi. Il conviendrait donc, au vu du moyen invoqué par la recourante, de rechercher si le présent recours, formé en vertu de l'art. 19 LP, doit être interprété différemment et considéré comme un recours de droit public. Mais la question peut demeurer indécise en l'espèce; en effet, la cause doit, de toute façon, être renvoyée devant l'autorité cantonale de surveillance. N'ayant pas été entendue devant l'autorité cantonale, la créancière doit être autorisée, sur la base de l'art. 79 al. 1, 2e phrase OJ, à présenter des allégations et des preuves nouvelles devant le Tribunal fédéral (RO 74 I 10; 87 III 104 /5; 91 III 91 ). Mais il sera alors nécessaire d'établir des faits nouveaux qui ne portent pas sur des points purement accessoires: le Tribunal fédéral ne saurait donc, lui-même, compléter les constatations de l'autorité cantonale sur le vu du dossier et statuer sur le litige (art. 64 al. 2, 81 OJ). 2.- 3. - (...) Dispositiv Par ces motifs, la Chambre des poursuites et des faillites: Admet le recours, annule la décision attaquée et renvoie la cause à l'autorité de surveillance du canton de Genève pour nouvelle décision dans le sens des motifs.
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1,975
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Federation
c6895b17-b36d-415c-a9bd-058808d1ade8
Urteilskopf 125 III 435 73. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour civile du 28 septembre 1999 dans la cause Crédit Lyonnais (Suisse) S.A. contre S. et G. (recours en réforme)
Regeste Bürgschaft auf Zeit ( Art. 510 Abs. 3 OR ). Art. 510 Abs. 3 OR findet auf die befristete Bürgschaft Anwendung. Davon zu unterscheiden ist der Fall, in dem die vereinbarte Befristung nicht die Bürgschaftsverpflichtung, sondern die verbürgten Forderungen betrifft.
Sachverhalt ab Seite 435 BGE 125 III 435 S. 435 A.- a) L'entreprise X. S.A. a été inscrite au registre du commerce de Lausanne le 10 mai 1991. S. et G. en étaient, respectivement, le président du conseil d'administration et le directeur, avec signature collective à deux. Le 29 avril 1991, Crédit Lyonnais (Suisse) S.A. (ci-après: la Banque) a confirmé à X. S.A. qu'elle lui accordait une ligne de crédit sous la forme d'une avance à terme fixe de 100'000 fr. et d'une avance en compte courant de 200'000 fr. Par acte authentique signé le 1er mai 1991, S. et G. se sont portés cautions solidaires de X. S.A. envers la Banque à concurrence d'un montant maximum de 300'000 fr. b) La faillite de X. S.A. a été prononcée le 24 décembre 1992. La Banque a produit, le 29 mars 1993, une créance de 250'241 fr. 84 correspondant au solde débiteur du compte de ladite société. Elle n'a touché aucun dividende sur cette créance, qui a été admise dans son intégralité. Par lettres du 8 avril 1993, la Banque a interpellé S. et G. au sujet du remboursement du prêt octroyé à leur société et elle leur a indiqué le solde précité. Les 8 novembre et 7 décembre 1995, la Banque a fait notifier à S. et G. un commandement de payer la somme de 250'241 fr. 84 avec intérêts à 5% dès le 24 décembre 1992. Les poursuivis ont formé opposition totale et la Banque n'a pas obtenu la mainlevée provisoire de ces oppositions. BGE 125 III 435 S. 436 B.- Le 18 mars 1996, la Banque a assigné S. et G., pris solidairement, en paiement de la somme et des intérêts susmentionnés. Elle a requis, en outre, la mainlevée définitive des oppositions aux commandements de payer y relatifs. Les défendeurs ont conclu au rejet intégral de la demande. Par jugement du 16 avril 1998, la Cour civile du Tribunal cantonal du canton de Vaud a fait droit aux conclusions de la demanderesse. C.- Les défendeurs interjettent un recours en réforme au Tribunal fédéral. Ils y reprennent leurs conclusions libératoires. La demanderesse propose le rejet du recours. Le Tribunal fédéral rejette le recours et confirme le jugement attaqué. Erwägungen Extrait des considérants: 1. Seul est litigieux, à ce stade de la procédure, le point de savoir si le cautionnement en cause a été donné pour un temps déterminé ou pour un temps indéterminé. Les défendeurs estiment que l'on se trouve, en l'occurrence, dans la première de ces deux hypothèses et ils fondent leur libération sur l' art. 510 al. 3 CO . Aux termes de cette disposition, la caution qui ne s'est engagée que pour un temps déterminé est libérée, si le créancier ne poursuit pas juridiquement l'exécution de ses droits dans les quatre semaines qui suivent l'expiration de ce temps et s'il ne continue ses poursuites sans interruption notable. La demanderesse soutient, au contraire, que ledit cautionnement a été donné pour un temps indéterminé, de sorte que la disposition citée est inapplicable en l'espèce. Tel est aussi l'avis exprimé par la cour cantonale. Décider si un cautionnement a été donné pour un temps déterminé ou pour un temps indéterminé est une question d'interprétation (GIOVANOLI, Commentaire bernois, n. 10 ad art. 510 CO ; PESTALOZZI, Commentaire bâlois, n. 11 ad art. 510 CO ). Il convient donc de rappeler quelles sont les règles qui régissent l'interprétation des contrats, puis d'examiner la clause controversée à la lumière de ces règles. 2. a) aa) Pour apprécier la forme et les clauses d'un contrat, le juge doit rechercher, dans un premier temps, la réelle et commune intention des parties ( art. 18 al. 1 CO ), le cas échéant empiriquement, sur la base d'indices; cette recherche débouchera sur une constatation de fait. S'il ne parvient pas à déterminer ainsi la volonté réelle des parties ou s'il constate qu'une partie n'a pas compris la volonté réelle manifestée par l'autre, le juge recherchera quel sens BGE 125 III 435 S. 437 les parties pouvaient ou devaient donner, de bonne foi, à leurs manifestations de volonté réciproques (application du principe de la confiance); il résoudra ainsi une question de droit. Cette interprétation se fera non seulement d'après le texte et le contexte des déclarations, mais aussi d'après les circonstances qui les ont précédées et accompagnées ( ATF 122 III 106 consid. 5a, 420 consid. 3a; ATF 121 III 118 consid. 4b/aa p. 123; ATF 118 II 365 consid. 1). bb) L'interprétation d'une clause insérée dans un contrat de cautionnement, s'agissant en particulier de déterminer la durée de l'engagement pris par la caution, suppose que l'on considère la spécificité de cette forme de garantie. Le cautionnement se caractérise par sa nature accessoire: l'obligation de la caution dépend de l'existence et du contenu de la dette principale ( ATF 120 II 35 consid. 3a p. 37 et les arrêts cités). Le cautionnement ne peut exister que sur une obligation valable, laquelle peut aussi être future ou conditionnelle ( art. 492 al. 2 CO ). Conformément à la règle générale relative à l'extinction des accessoires de l'obligation ( art. 114 al. 1 CO ), lorsque l'obligation principale s'éteint par le paiement ou d'une autre manière, le cautionnement s'éteint également ( art. 509 al. 1 CO ). Par essence, une telle garantie est donc limitée dans le temps, puisqu'elle partage le sort de la dette principale. Cependant, indépendamment de cette cause d'extinction du cautionnement, liée à la nature même du type de garantie en question, la durée du cautionnement peut être limitée par la loi ou les parties, sans égard à la dette garantie. C'est ainsi que la loi fixe une limite de vingt ans à la durée du cautionnement donné par une personne physique, sous réserve des exceptions qu'elle énumère ( art. 509 al. 2 CO ). Elle envisage, d'autre part, à l' art. 510 al. 3 CO précité, l'hypothèse dans laquelle la caution ne s'est engagée que pour un temps déterminé. Il s'agit du cas où l'obligation même de la caution est limitée conventionnellement dans le temps au moyen d'une date, d'une durée ou d'un terme objectivement déterminable (PESTALOZZI, ibid.; BECK, Das neue Bürgschaftsrecht, Kommentar, n. 29 ss ad art. 510 CO ; OSER/SCHÖNENBERGER, Commentaire zurichois, n. 17 ad art. 510 CO ; SCYBOZ, Le contrat de garantie et le cautionnement, in Traité de droit privé suisse, t. VII/2, p. 114; ENGEL, Contrats de droit suisse, p. 611). De ce cas de figure, il sied de bien distinguer celui où la limite temporelle concerne, non pas l'obligation de la caution, mais l'obligation cautionnée, en ce sens que seules les dettes susceptibles de naître durant un certain laps de temps seront garanties par le cautionnement (BECK, op.cit., n. 32 ad art. 510 CO ; GIOVANOLI, BGE 125 III 435 S. 438 ibid.). Dans cette seconde hypothèse, qui s'applique essentiellement aux obligations futures dont la naissance n'est pas certaine, en particulier à celles résultant de l'ouverture d'un crédit en compte courant (OSER/SCHÖNENBERGEr, ibid.; dans le même sens, en droit allemand, cf., parmi d'autres: STAUDINGER/HORN, Kommentar, 13e éd., n. 5 ad § 777 BGB), la caution répond sans limite de temps des dettes tombant, ratione temporis, sous le coup du cautionnement (cf. ATF 16 p. 434; SCYBOZ, op.cit., p. 114, note 6). Cette seconde hypothèse sort du champ d'application de l' art. 510 al. 3 CO (cf., mutatis mutandis: MünchKomm/Pecher, 3e éd., n. 2 ad § 777 BGB). En cas de doute, le cautionnement est présumé avoir été donné pour un temps indéterminé, ce qui est conforme à sa fonction de garantie. Il appartient donc à la caution d'établir les circonstances propres à infirmer cette présomption (PESTALOZZI, ibid.; BECK, op.cit., n. 35 ad art. 510 CO ). b) La clause litigieuse du cautionnement souscrit par les défendeurs a la teneur suivante: "L'engagement du (des) soussigné (s) restera en vigueur aussi longtemps qu'il existera un rapport d'affaires entre le débiteur principal et la Banque, et cela même si un crédit accordé devait être momentanément remboursé ou rester inutilisé pendant un certain temps." Les juges précédents n'ont pas établi de volonté réelle des parties, quant à cette clause, de sorte que l'interprétation qu'ils en ont donnée peut être revue par la juridiction fédérale de réforme. Selon les défendeurs, à la lecture de ladite clause, ils auraient compris et pouvaient comprendre de bonne foi que leur engagement, en tant que cautions solidaires, prendrait fin en même temps que le rapport d'affaires entre la demanderesse et la société débitrice. A les en croire, leur engagement se serait donc éteint le 24 décembre 1992, date du prononcé de la faillite de cette société. Semblable opinion ne résiste pas à l'examen. Ainsi, à suivre les défendeurs, la créancière aurait consenti d'avance à les libérer en cas de faillite de sa débitrice. Or, c'est justement pour écarter ce risque-là que la demanderesse avait exigé la souscription d'un cautionnement en sa faveur. Le cautionnement, faut-il le rappeler, a pour but de protéger le créancier contre le risque d'insolvabilité du débiteur. Aussi les défendeurs ne pouvaient-ils raisonnablement interpréter la clause litigieuse dans le sens d'une renonciation anticipée de la créancière à une telle protection. En réalité, pour saisir le sens de cette clause, il y a lieu de mettre en évidence la nature de l'obligation garantie en l'espèce. Le cautionnement souscrit par les défendeurs devait garantir le remboursement BGE 125 III 435 S. 439 d'un crédit en compte courant octroyé à leur société. Dans le cautionnement d'un rapport de compte courant, la garantie porte sur le solde négatif ( ATF 120 II 35 consid. 5 et les références). Or, il n'était nullement exclu que, postérieurement à la signature de l'acte de cautionnement, le compte courant ne présentât plus de solde négatif à un moment donné en fonction de l'utilisation du crédit faite par la débitrice et des remboursements opérés par elle. Il n'y aurait alors plus eu de dette principale, fût-ce temporairement, et la question de l'extinction simultanée du cautionnement eût donc pu se poser, vu le caractère accessoire de cette forme de garantie (cf. BECK, op.cit., n. 41 in fine ad art. 499 CO ). C'est donc manifestement pour ne pas devoir refaire un cautionnement dès que le solde du compte courant redeviendrait négatif que la demanderesse a fait insérer la clause susmentionnée dans l'acte de cautionnement. Le texte de celle-ci n'autorise pas une autre interprétation. Il s'est agi, dans l'intérêt de la Banque, de faire durer le cautionnement, nonobstant une absence passagère de dette principale. Quant aux termes "aussi longtemps qu'il existera un rapport d'affaires entre le débiteur principal et la Banque", y voir une limitation dans le temps de l'obligation des cautions reviendrait à réduire à néant l'effet protecteur de la garantie en cause, ce que n'a pu vouloir la demanderesse et que les défendeurs ne pouvaient pas non plus admettre de bonne foi dans les circonstances du cas particulier. Dûment interprété à la lumière des principes rappelés plus haut, ce membre de phrase signifie simplement que la garantie fournie par les défendeurs s'appliquera à toutes les dettes issues de la relation contractuelle entre la Banque et la débitrice principale, à l'exclusion de celles qui pourraient naître ultérieurement et qui ne découleraient pas de cette relation. En bref, la limitation stipulée en ces termes ne visait pas l'obligation des cautions, mais les dettes cautionnées; elle n'entre pas en ligne de compte en l'espèce, dès lors que ces dettes sont nées avant l'extinction du contrat de prêt liant la demanderesse et la débitrice principale. 3. Il suit de là que l' art. 510 al. 3 CO , sur lequel les défendeurs fondent toute leur argumentation, est inapplicable en l'espèce, attendu que le cautionnement litigieux n'a pas été donné pour un temps déterminé. Le jugement attaqué, en tant qu'il condamne les défendeurs à honorer l'engagement qu'ils ont souscrit en faveur de la demanderesse, ne viole donc pas le droit fédéral.
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CH_BGE_005
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c6992394-79fb-4627-b4c6-c3e7f4856808
Urteilskopf 103 Ia 329 54. Extrait de l'arrêt du 23 mars 1977 en la cause Conseil d'Etat du canton de Genève contre Confédération suisse
Regeste Kompetenzkonflikt zwischen eidgenössischen und kantonalen Behörden, Art. 83 lit. a OG ; Art. 24bis, quater und quinquies BV; Art. 4 und Art. 7 AtG ; Bau eines Atomkraftwerkes. Kompetenzkonflikt gemäss Art. 83 lit. a OG (E. 2). Die von der zuständigen Bundesbehörde erteilte Bewilligung betreffend Standort eines Atomkraftwerkes erlaubt dem Bewilligungsempfänger nicht, die Atomanlage an dem für den Bau bestimmten Ort zu erstellen, ohne Rücksicht zu nehmen auf die kantonale und kommunale Zoneneinteilung. Im Hinblick auf das Kernkraftwerk Verbois muss der Kanton Genf eine Umzonung (von Landwirtschafts- in Industriezone) vornehmen (E. 3 bis E. 6). Ist die Kompetenz des Kantons in dieser Hinsicht beschränkt? Frage offen gelassen (E. 7). Der Kanton hat sich auch über die Konzession oder Bewilligung für die Benützung der öffentlichen Gewässer zur Kühlung des Kernkraftwerkes auszusprechen (E. 8).
Sachverhalt ab Seite 330 BGE 103 Ia 329 S. 330 La société anonyme de l'Energie de l'Ouest-Suisse (ci-après: EOS), à Lausanne, a requis du Conseil fédéral, le 23 décembre 1970, l'autorisation d'implanter dans le site de Verbois (canton de Genève) une centrale nucléaire d'une puissance de 800 à 1100 MWe (net) avec réacteur à eau légère (PWR) ou avec réacteur à haute température refroidi au gaz (HTGR), utilisant l'eau du Rhône comme agent de refroidissement. Après avoir pris l'avis de la Commission fédérale pour la sécurité des installations atomiques et de la Commission fédérale pour la protection de la nature et des sites, le Conseil fédéral a encore requis l'avis du Conseil d'Etat du canton de Genève. Dans son préavis, favorable, ce dernier demandait notamment que les procédures de déclassement en zone industrielle des terrains nécessaires à la construction de la centrale - immeubles sis actuellement en zone agricole 5B au sens de l'art. 11 de la loi BGE 103 Ia 329 S. 331 genevoise sur les constructions et installations diverses du 25 mars 1961 (LCI) - demeurent réservées, ainsi que la procédure cantonale d'autorisation de construire. La décision du Grand Conseil genevois en ce qui concerne la concession pour le prélèvement de l'eau nécessaire au refroidissement de la centrale devait également être réservée. Le 7 mai 1974, le Département fédéral des transports et communications et de l'énergie (DFTCE) a pris la décision suivante: "Le site de Verbois pour l'implantation d'une centrale nucléaire d'une puissance de 800 à 1100 MWe (net) avec réacteur à eau légère (PWR) ou avec réacteur à haute température refroidi au gaz (HTGR), utilisant l'eau du Rhône comme agent de refroidissement est approuvé conformément aux plans et descriptions fournis par le requérant." Cette décision réservait: "- les attributions de police de la Confédération et du canton de Genève, en particulier en ce qui concerne les constructions, le feu et les eaux (art. 4 al. 3 de la loi atomique); - les modalités de la concession à octroyer par le canton de Genève pour le prélèvement et la restitution de l'eau de refroidissement et utilisée à d'autres fins; - la législation existante et future de la Confédération et du canton de Genève." Il était enfin précisé que "la demande d'autorisation de construire tiendra notamment compte des conditions contenues dans le préavis de la Commission fédérale pour la sécurité des installations atomiques, du passage du futur canal fluvial et de la possibilité de fournir de la chaleur pour l'alimentation d'un éventuel réseau de chauffage à distance". Dans une lettre adressée le même jour au Conseil d'Etat du canton de Genève, le DFTCE précisait ce qui suit: "Par notre décision du 7 mai 1974, le site est approuvé conformément à la loi fédérale du 23 décembre 1959 sur l'utilisation pacifique de l'énergie atomique et la protection contre les radiations pour une centrale nucléaire refroidie par les eaux du Rhône et sise sur les terrains prévus à Verbois par la société requérante. En conséquence, nous nous permettons de vous rendre attentifs au fait que, selon notre point de vue, qui se fonde sur des arrêts du Tribunal fédéral et sur un avis de droit établi pour le Conseil d'Etat du canton de Berne le 14 avril 1972 par MM. les professeurs Hans Huber et Fritz Gygi, les instances cantonales ne sont pas habilitées à refuser une autorisation ou une concession dans l'unique but de faire obstruction à la réalisation d'un projet approuvé par les autorités fédérales. L'exécution BGE 103 Ia 329 S. 332 d'autorisations octroyées par la Confédération ne peut dans de telles conditions pas être empêchée par le refus d'autorisations relevant du droit cantonal. L'application de l'article 3 de la Constitution fédérale, selon lequel le droit fédéral prime le droit cantonal, serait rendu illusoire dans le cas contraire. En ce qui concerne le déclassement des terrains situés à Verbois, dont l'utilisation pour la construction d'une centrale nucléaire a été approuvée par notre département, il n'est à notre avis pas nécessaire pour les mêmes raisons. Nous vous prions de bien vouloir tenir compte de cette situation juridique dans vos décisions ultérieures." Le 5 juin 1974, le Conseil d'Etat du canton de Genève a formé un recours administratif auprès du Conseil fédéral contre les décisions du DFTCE du 7 mai 1974, approuvant le site de Verbois pour l'implantation d'une centrale nucléaire, selon la demande présentée par la société EOS. Il concluait à ce qu'il plaise au Conseil fédéral de: "1. Réformer et mettre à néant ces décisions en tant qu'elles dénient au canton de Genève la compétence de se déterminer souverainement sur l'affectation en zone industrielle au sens de la loi genevoise sur les constructions et installations diverses, des terrains nécessaires à la construction de la centrale nucléaire de Verbois ainsi que sur l'octroi de la concession d'eau de refroidissement, selon la loi genevoise sur les eaux. En conséquence, dire et prononcer que les compétences du canton de Genève dans ces deux domaines demeurent expressément réservées. 2. Dire et prononcer que la décision approuvant le site de Verbois pour l'implantation d'une centrale nucléaire sera assortie des conditions supplémentaires suivantes: ..." Par décision du 10 septembre 1975, le Conseil fédéral a déclaré irrecevable le recours du Conseil d'Etat en tant qu'il avait trait au conflit de compétence entre la Confédération et le canton, s'agissant des questions de déclassement de zone et d'octroi de la concession d'eau de refroidissement. Le recours a été transmis au Tribunal fédéral. Les autres conclusions du recours ont fait l'objet d'une décision ultérieure, rendue par le Conseil fédéral le 14 janvier 1976. Le dossier de l'affaire a été transmis au Tribunal fédéral pour décision, le mémoire du canton de Genève du 5 juin 1974 étant considéré comme une réclamation de droit public au sens de l' art. 83 OJ . BGE 103 Ia 329 S. 333 Erwägungen Considérant en droit: 1. (Procédure.) 2. a) Le conflit de compétence visé par l' art. 83 lettre a OJ est un désaccord entre la Confédération et un ou plusieurs cantons au sujet de l'étendue de leurs attributions. Il a pour objet la délimitation des souverainetés fédérale d'une part, cantonale d'autre part ( ATF 81 I 39 et les arrêts cités; FAVRE, op.cit., p. 107/108; AUBERT, Traité de droit constitutionnel suisse, Nos 1620 ss, vol. II, p. 580 ss). Il peut toucher à la législation ou à l'application de la loi. En règle générale, la contestation doit porter sur un acte posé par le pouvoir, non sur un simple projet (FAVRE, op.cit., p. 108; BURCKHARDT, Kommentar zur Bundesverfassung, 3e éd., p. 776; FLEINER-GIACOMETTI, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, p. 876). La doctrine admet toutefois que la réclamation puisse être déposée alors que l'acte contesté n'est qu'envisagé (cf. notamment BIRCHMEIER, op.cit., p. 285). Le Tribunal fédéral a d'ailleurs jugé que la Confédération pouvait agir par la voie de la réclamation lorsqu'un canton entreprend une procédure législative dans un domaine sur lequel l'autorité fédérale revendique sa compétence ( ATF 65 I 114 consid. 1). De même, la lettre adressée par le Conseil fédéral au mandataire d'un canton et par laquelle cette autorité se reconnaît le pouvoir d'accorder une concession en vertu des art. 6 et 38 LUFH renferme une décision positive de l'autorité fédérale sur la question de compétence ( ATF 78 I 24 ). La condition d'un conflit actuel et concret de compétence peut ainsi être remplie lors de l'introduction d'une procédure conduisant à l'adoption d'une règle de droit ou à celle d'une décision d'application de la loi. Il convient à cet égard de se prononcer en tenant compte des circonstances du cas. b) En l'espèce, la réclamation de droit public a pour objet un conflit de compétence actuel et concret. Dans son préavis du 13 février 1974 relatif à la demande d'approbation de site pour l'implantation d'une centrale nucléaire à Verbois, le Conseil d'Etat genevois avait demandé que cette autorisation réserve la compétence des autorités cantonales de procéder au déclassement des terrains et à l'octroi de la concession d'eau. Le DFTCE n'a satisfait que très partiellement à cette requête. L'autorisation délivrée le BGE 103 Ia 329 S. 334 7 mai 1974 réserve "les modalités de la concession à octroyer par le canton de Genève pour le prélèvement et la restitution de l'eau de refroidissement et utilisée à d'autres fins"; elle ne réserve en revanche pas la procédure de déclassement des terrains. Les explications données sur ce point dans la lettre adressée le même jour au Conseil d'Etat genevois sont quelque peu ambiguës. L'autorité fédérale explique d'une part que les instances cantonales ne sont pas habilitées à refuser une autorisation ou une concession dans l'unique but de faire obstruction à la réalisation d'un projet approuvé par les autorités fédérales. Elle soutient d'autre part que "le déclassement des terrains situés à Verbois, dont l'utilisation pour la construction d'une centrale nucléaire a été approuvée..., n'est pas nécessaire". Il faut ainsi retenir qu'à l'avis du DFTCE, la délivrance de l'autorisation de site résout de manière définitive la question de l'implantation de la centrale, qui pourra être construite à l'endroit choisi sans égard au fait que les terrains en cause sont situés en zone agricole. Les questions litigieuses en l'espèce se posent donc en termes concrets et actuels. Il s'agit de savoir si l'autorité fédérale a empiété sur les attributions du canton de Genève en déniant à ce dernier le droit de procéder au déclassement des terrains et de se prononcer sur l'octroi (et non pas seulement sur les modalités) de la concession d'eau. 3. a) Aux termes de l' art. 24quinquies Cst. , accepté en votation populaire du 24 novembre 1957, "la législation atomique est du domaine de la Confédération". Celle-ci "édicte des prescriptions sur la protection contre les dangers des rayons ionisants". La loi fédérale sur l'utilisation pacifique de l'énergie atomique et la protection contre les radiations (LUA) a été adoptée par l'Assemblée fédérale le 23 décembre 1959. Selon l'art. 4 al. 1 lettre a LUA, une autorisation de la Confédération est requise pour la construction et l'exploitation d'une installation atomique. Cette autorisation doit être refusée ou subordonnée à l'accomplissement de conditions ou d'obligations appropriées si cela est nécessaire à la sauvegarde de la sûreté extérieure de la Suisse et au respect de ses engagements internationaux ou à la protection des personnes, des biens d'autrui ou de droits importants (art. 5 al. 1 LUA). La demande d'autorisation de construire, d'exploiter ou de BGE 103 Ia 329 S. 335 modifier une installation atomique est accompagnée d'un rapport technique détaillé. L'autorité compétente doit se procurer un avis permettant d'établir, en particulier, si le projet prévoit toutes les mesures que l'on peut raisonnablement exiger pour la protection des personnes, des biens d'autrui et de droits importants. Le canton sur le territoire duquel l'installation atomique doit être érigée sera en outre invité à donner son préavis (art. 7 LUA). L'art. 3 de l'ordonnance concernant les définitions et les permis dans le domaine de l'énergie atomique, du 13 juin 1960, précise que le DFTCE est compétent pour délivrer les autorisations relatives à la construction et à l'exploitation d'une installation atomique où l'on doit produire de l'énergie électrique. Pour des raisons pratiques, mais sans que cela soit formellement prévu dans la loi, la délivrance de l'autorisation de construire et d'exploiter une centrale nucléaire a lieu en plusieurs étapes. Le DFTCE prend tout d'abord une décision d'autorisation de site; il délivre ensuite l'autorisation de construire. Celle-ci est suivie de l'autorisation de mise en exploitation d'essai. Ce n'est que lorsque cette dernière s'est poursuivie durant un certain temps avec succès que l'autorisation d'exploiter est octroyée (cf. FISCHER, Die Kompetenzordnung bei der Bewilligung von Kernkraftwerken, ZBl 74/1973 p. 92; RHINOW, Ist das Verfahren zur Bewilligung des Kernkraftwerkes Kaiseraugst formell rechtsmässig abgewickelt worden? BJM 1976 p. 76 et 79). La décision d'approbation de site permet à l'autorité fédérale d'examiner si le site envisagé répond à certaines des exigences qui lui seront posées, en particulier du point de vue de la protection contre les radiations. Selon le Conseil fédéral, "la procédure d'autorisation de site évite au requérant d'engager des dépenses considérables qu'occasionne l'établissement du dossier complet en vue de la demande d'autorisation de construire lorsque les premières études générales liées au site (étude des types de réacteurs, concentration de la population, protection de la nature et du paysage, nature du sol, système de refroidissement, etc.) démontrent que des objections fondamentales peuvent être immédiatement opposées à la construction d'une centrale à cet endroit" (décision du Conseil fédéral du 14 janvier 1976, publiée in JAAC 1976, fasc. 40/I, No 16, p. 65). BGE 103 Ia 329 S. 336 b) Il ressort du texte et de la genèse de l' art. 24quinquies Cst. que la compétence de la Confédération en matière d'énergie atomique est exclusive et que les cantons ne peuvent plus légiférer dans le domaine réglé par la loi fédérale. En raison de l'importance que l'utilisation de cette énergie est appelée à prendre dans l'économie énergétique de la Suisse, comme aussi des problèmes spéciaux liés à la construction et à l'exploitation d'installations atomiques - problèmes que de nombreux cantons ne seraient pas en mesure de dominer de manière convenable - il s'est révélé indispensable d'édicter des prescriptions fédérales uniformes pour la construction et l'exploitation d'installations atomiques et d'en confier l'exécution aux organes de la Confédération. Cela se justifiait d'autant plus que l'exploitation de telles installations ne touche pas seulement les intérêts du canton où elles se trouvent, mais aussi ceux des cantons voisins et de pays étrangers. Cette réglementation de compétence doit d'une part assurer que toutes les mesures de protection nécessaires et possibles selon le dernier état de la science et de la technique soient prises lors de la construction et de l'exploitation d'installations atomiques; elle doit d'autre part éviter que l'utilisation de l'énergie atomique, qui est dans l'intérêt du pays tout entier, ne soit rendue difficile à l'excès par des conditions et charges inappropriées. Dans cette mesure, la loi fédérale tend également à encourager l'utilisation de l'énergie atomique et à rendre possible la construction de centrales nucléaires ( ATF 99 Ia 256 consid. 5 b). Cela ne signifie toutefois pas que la construction de centrales nucléaires constitue une tâche de la Confédération. Le législateur a certes admis que le développement de l'énergie atomique est d'intérêt public, mais il a considéré que le but essentiel - garantir et satisfaire le mieux possible les besoins en énergie et autres biens - pouvait être atteint aux meilleures conditions par le jeu de la concurrence, qui contraint l'offre à s'adapter sans cesse à la demande (FF 1958 II 1555). L'utilisation de l'énergie nucléaire était l'affaire de l'économie, et il convenait de préserver le libre jeu de la concurrence dans toute la mesure possible (FF 1957 I 1190; 1958 II 1553 ). Des quatre solutions possibles (monopole d'Etat avec compétence exclusive de la Confédération, système de la concession, BGE 103 Ia 329 S. 337 régime de l'autorisation s'inspirant de considérations relevant de la politique économique et simple autorisation de police), le législateur a choisi la dernière citée. Celle-ci était à même d'assurer le libre épanouissement de toutes les initiatives de l'économie helvétique. Ce régime s'imposait d'autant plus que l'on ne pouvait prévoir toutes les possibilités d'application de l'énergie atomique (FF 1958 II 1555/1556). En revanche, le danger des radiations inséparables de l'énergie atomique justifiait une surveillance rigoureuse exercée par la Confédération. Ainsi, le législateur a voulu essentiellement donner à la Confédération les moyens d'intervenir dans l'intérêt de la sécurité et de la santé publiques. En revanche, il a clairement renoncé à faire de la construction et de l'exploitation d'installations atomiques une tâche de l'Etat. Il n'a pas considéré la construction de centrales nucléaires comme des travaux d'intérêt public justifiant l'octroi du droit d'expropriation (cf. RAUSCH, Rechtliche Probleme der Lagerung radioaktiver Abfälle aus Kernkraftwerken, RSJ 73/1977, p. 34/35). Les entreprises qui entendent édifier de telles centrales doivent acquérir les terrains nécessaires dans les formes du droit privé. Le refus de vendre d'un seul propriétaire peut donc mettre en échec la réalisation de l'ouvrage dans le site choisi. A cet égard, la législation sur l'énergie atomique se distingue nettement de la réglementation concernant la construction et l'exploitation des chemins de fer (cf. art. 3 et 5 de la loi fédérale sur les chemins de fer, du 20 décembre 1957), la navigation aérienne (cf. art. 37 et 50 de la loi fédérale sur la navigation aérienne, du 21 décembre 1948; cf. également ATF 102 Ia 358 consid. 6) ou les installations de transport par conduites (cf. art. 1er, 2 et 10 de la loi fédérale sur les installations de transport par conduites, de combustibles ou carburants liquides ou gazeux, du 4 octobre 1963; cf. aussi les art. 13 et 43 de la loi fédérale concernant les installations électriques à faible et à fort courant, du 24 juin 1902). Les entreprises qui construisent des usines hydrauliques doivent obtenir des concessions de droits d'eau, octroyées par le ou les cantons intéressés ou, le cas échéant, par le Conseil fédéral. Si des motifs d'utilité publique l'exigent, l'autorité concédante doit accorder au concessionnaire le droit d'exproprier les biens-fonds et les droits réels nécessaires à la construction de l'usine, ainsi que les droits d'utilisation qui s'y opposent BGE 103 Ia 329 S. 338 (cf. art. 38 ss, ainsi que l'art. 47 de la loi fédérale sur l'utilisation des forces hydrauliques, du 22 décembre 1916). Il est vrai que la solution adoptée par le législateur dans le cadre de la LUA paraît être actuellement discutée. Cela ressort du rapport du Conseil fédéral à l'Assemblée fédérale concernant les grandes lignes de la politique gouvernementale pendant la législature 1975-1979, du 28 janvier 1976. L'autorité fédérale y expose que, "dans notre pays, les problèmes que pose l'utilisation de l'énergie nucléaire sont actuellement au premier plan de nos préoccupations. On détermine le meilleur emplacement possible des centrales nucléaires compte tenu des besoins prévus d'énergie, des exigences de la sécurité de la protection de l'environnement et du paysage, de l'économie des eaux, de l'aménagement du territoire et de la défense nationale. Afin d'adapter le régime de l'autorisation aux connaissances et aux impératifs les plus récents, nous avons entrepris une revision générale de la loi sur l'énergie atomique..." (FF 1976 I 496; cf. également GYGI, Die rechtlichen Probleme des Baus von Kernkraftwerken in der Schweiz, RSJ 72/1976, p. 209 ss). c) Aux termes de l'art. 7 al. 2 LUA, le canton sur le territoire duquel l'installation atomique doit être érigée est invité à donner son préavis. Un préavis favorable ne signifie pas qu'aucune disposition de droit cantonal ne s'oppose à la construction et à l'exploitation de la centrale nucléaire projetée. L'autorité cantonale qui doit préaviser peut d'ailleurs ne pas être celle qui est compétente pour trancher les questions de droit cantonal liées à la construction de l'installation atomique. On ne saurait donc considérer en l'espèce que le préavis favorable émis par le Conseil d'Etat du canton de Genève rend inutile toute décision portant sur le déclassement des terrains de Verbois ou sur l'octroi de la concession d'eau. Cette argumentation tomberait d'ailleurs à faux in casu, puisque l'autorité exécutive genevoise a précisément demandé que l'autorisation de site réserve les compétences cantonales dans les domaines précités. 4. a) Il convient ainsi d'examiner si l'autorité fédérale a empiété sur la souveraineté genevoise en déniant au canton le droit de procéder au déclassement des terrains visés par l'autorisation de site. A l'avis de l'autorité fédérale, l'entreprise bénéficiaire de cette autorisation a le droit de construire BGE 103 Ia 329 S. 339 la centrale nucléaire à l'endroit choisi sans égard à la règlementation de droit cantonal affectant le secteur intéressé à une zone agricole. Si l'on devait réserver la procédure cantonale de déclassement des terrains en zone industrielle, cela reviendrait pratiquement à mettre dans la compétence du canton la décision de refus ou d'octroi de l'autorisation de construire une installation atomique. b) En vertu de l' art. 22quater Cst. , adopté en 1969, la Confédération édicte par la voie législative des principes applicables aux plans d'aménagement que les cantons seront appelés à établir en vue d'assurer une utilisation judicieuse du sol et une occupation rationnelle du territoire. L'aménagement du territoire reste ainsi de la compétence des cantons, la Confédération pouvant en revanche poser des principes généraux en cette matière. En l'état actuel de la législation, il appartient donc aux cantons et aux communes de procéder à l'affectation de leur territoire en différentes zones. L' art. 22quater al. 3 Cst. impose à la Confédération l'obligation de tenir compte, dans l'accomplissement de ses tâches, des besoins de l'aménagement national, régional et local du territoire. On ne peut déduire de cette disposition qu'il est dans la compétence de l'autorité fédérale de fixer impérativement et définitivement, en tenant compte des besoins précités, le lieu d'implantation d'une centrale nucléaire. La construction d'une telle centrale n'est pas une tâche de la Confédération. En revanche, cette dernière a pour attribution de délivrer l'autorisation de construire et d'exploiter une installation atomique. Elle doit certes, dans le cadre de cette tâche, tenir compte des besoins de l'aménagement du territoire. Mais cela ne signifie pas que la compétence d'affecter les terrains choisis à une zone industrielle lui a été conférée. L' art. 22quater al. 3 Cst. ne donne pas à l'autorité fédérale des attributions qu'elle n'a pas en vertu d'autres dispositions constitutionnelles. Lors des discussions parlementaires, on s'est d'ailleurs demandé si cette disposition n'était pas superflue, l'obligation qu'elle impose à la Confédération allant de soi (BO CN 1968, p. 521). 5. a) Selon l'art. 10 de la loi genevoise sur les constructions et les installations diverses, du 25 mars 1961 (CCI), le canton est divisé en zones dont les périmètres respectifs sont fixés par les plans annexés à la loi, afin de déterminer les BGE 103 Ia 329 S. 340 conditions dans lesquelles doivent être établies les constructions et les installations. Toute modification des limites de zones doit être soumise à l'approbation du Grand Conseil (art. 12 al. 1 LCI). Cette décision est prise sous forme d'une loi, qui peut être l'objet d'un référendum ( art. 53 Cst. gen.). En l'espèce, les terrains sur lesquels doit être édifiée la centrale nucléaire de Verbois sont situés dans la cinquième zone agricole (5e zone B), destinée aux exploitations et habitations agricoles. Le déclassement de ces fonds en zone industrielle requiert donc l'approbation du Grand Conseil. Le cas échéant, le peuple peut être appelé à se prononcer. b) Aux termes de l'art. 4 al. 3 LUA, "les attributions de police de la Confédération et des cantons, en particulier en ce qui concerne les constructions, le feu, les eaux et la surveillance du matériel de guerre, sont réservées...". Ainsi que l'a relevé la doctrine, la répartition des compétences entre Confédération et cantons, instituée par la LUA, manque de clarté (RHINOW, op.cit., p. 81). Selon la jurisprudence, les questions liées à la construction d'une centrale nucléaire, examinées et tranchées dans la procédure fédérale d'autorisation, ne peuvent pas encore faire l'objet d'une procédure complémentaire d'autorisation du droit cantonal; cela découle du caractère exclusif de la compétence législative attribuée à la Confédération en matière d'énergie atomique et du but de la loi fédérale, qui était de créer une réglementation uniforme dans ces domaines déterminés. Le canton ne saurait donc interdire l'installation ou l'exploitation d'une centrale nucléaire en faisant valoir des intérêts publics dont la sauvegarde est prise en considération dans la procédure fédérale d'autorisation. En ce sens, l' art. 24quinquies Cst. et la LUA entraînent une limitation du pouvoir cantonal de police. Sans doute l'art. 4 al. 3 LUA réserve-t-il les attributions de police des cantons, en particulier en ce qui concerne les constructions, le feu et les eaux. Mais cette réserve n'a pas de portée indépendante. Elle a simplement la valeur d'un renvoi de nature toute générale aux attributions de police qui restent aux cantons. L'étendue de ces dernières ne découle pas de l'art. 4 al. 3 LUA, mais de la répartition de compétences dont il a été question ci-dessus. Les attributions cantonales ne peuvent pas aller au-delà de ce qui est compatible avec le sens et le but de la loi et avec les autres prescriptions du droit fédéral ( ATF 99 Ia 257 /258). BGE 103 Ia 329 S. 341 c) La division du territoire en différentes zones fait partie des mesures d'aménagement relevant de la compétence exclusive des cantons. Ces mesures appartiennent à la police des constructions au sens usuel du terme; elles font partie des règles impératives de droit public limitant la faculté d'utiliser un immeuble et d'y construire. C'est dans cette acception qu'il convient de comprendre "les mesures de police des constructions" réservées par l'art. 4 al. 3 LUA. On ne saurait en effet se fonder à ce propos sur la notion étroite de mesure de police, utilisée par le Tribunal fédéral pour opérer la distinction entre restriction de la propriété non indemnisable et expropriation matérielle (cf. E. GRISEL, La définition de la police, in Stabilité et dynamisme du droit dans la jurisprudence du Tribunal fédéral suisse, p. 112), pour prétendre que les mesures concernant l'affectation du territoire en différentes zones ont été exclues du champ de la réserve contenue à l'art. 4 al. 3 LUA. Une telle opinion n'a pas été soutenue en doctrine. Le raisonnement a contrario qu'elle implique irait d'ailleurs à l'encontre du principe selon lequel la Confédération est soumise, pour ses propres constructions, aux règles établies par le droit cantonal et communal, dans la mesure en tout cas où l'application de ce droit ne lui rend pas impossible ou beaucoup plus difficile l'accomplissement de ses tâches constitutionnelles ( ATF 102 Ia 360 ; cf. consid. 5 lettre e ci-après). Cette contradiction serait d'autant plus évidente que la construction de centrales nucléaires ne constitue précisément pas une tâche de la Confédération. d) Dans son arrêt du 13 août 1973 en la cause Jost, concernant la centrale nucléaire de Kaiseraugst, le Tribunal fédéral a jugé que les questions liées à la construction d'une centrale nucléaire, examinées et tranchées dans la procédure fédérale d'autorisation, ne peuvent plus faire l'objet d'une procédure complémentaire d'autorisation de droit cantonal. Le canton ne saurait interdire la construction ou l'exploitation d'une installation atomique en faisant valoir des intérêts publics dont la sauvegarde a été prise en considération dans la procédure fédérale d'autorisation ( ATF 99 Ia 257 /258). Cette jurisprudence ne doit pas être interprétée en ce sens que les autorités fédérales peuvent, en étendant le cercle des questions examinées, soustraire ces dernières à la compétence des cantons. Le principe dégagé dans l'arrêt cité ne vaut que dans la mesure où l'autorité fédérale reste dans le cadre des BGE 103 Ia 329 S. 342 attributions que la loi lui confère. Le Tribunal fédéral a ainsi déclaré que la question des bruits provenant des tours de refroidissement, comme le problème des répercussions météorologiques de ces installations, étaient examinés définitivement au cours de la procédure fédérale d'autorisation. En revanche, il a laissé indécise la question de savoir dans quelle mesure les exigences de la protection de la nature et des sites pouvaient encore être examinées par les cantons ( ATF 99 Ia 261 ). Certains auteurs soutiennent que la compétence de la Confédération en ce domaine est exclusive (H. HUBER et F. GYGI, Avis de droit rédigé à la demande du Conseil exécutif du canton de Berne, du 14 avril 1972, p. 18/19), alors que FISCHER n'exclut pas que le canton conserve certaines attributions (op.cit., p. 94). Cette question n'a pas à être tranchée in casu. En revanche, il est certain qu'il n'appartient pas à l'autorité fédérale d'examiner si, au regard des exigences de l'aménagement du territoire, les terrains visés par la demande d'autorisation de site doivent être affectés à une zone industrielle, agricole ou destinée à l'habitation. L'aménagement de leur territoire est de la compétence exclusive des cantons. C'est à eux qu'il incombe de décider si des terrains doivent être attribuées à une zone agricole ou à une zone industrielle. Le DFTCE ne prétend d'ailleurs pas en l'espèce qu'il est dans ses attributions d'affecter le territoire genevois à différentes zones. Il soutient en revanche qu'en accordant l'autorisation de site, il donne à l'entreprise requérante le droit d'implanter l'installation atomique dans le lieu choisi, sans égard au fait que ce dernier se trouve en zone agricole. Il considère ainsi que l'autorité fédérale ne procède pas à un déclassement de zone et en veut pour preuve que seule l'entreprise requérante, mais non pas d'autres entreprises, peut construire à l'endroit choisi. Cette argumentation ne pourrait être retenue que si la LUA avait attribué à l'autorité fédérale la compétence d'examiner la demande d'autorisation de site au regard des exigences d'une utilisation judicieuse du sol et d'une occupation rationnelle du territoire. Mais tel n'est pas le cas. Il convient enfin de relever que l'opinion défendue en l'espèce par l'autorité fédérale paraît être difficilement conciliable avec certains motifs de la décision sur recours prise le 14 janvier 1976 par le Conseil fédéral. Les recourants prétendaient BGE 103 Ia 329 S. 343 alors que le déclassement des terrains en zone industrielle favoriserait une extension excessive, incompatible avec l'exiguïté du territoire. Le Conseil fédéral a déclaré ce grief irrecevable, en considérant que "l'affectation des secteurs de son territoire dans différentes zones est une affaire de la compétence exclusive du canton. La décision du DFTCE d'approuver un site pour l'implantation d'une centrale nucléaire ne touche pas à la répartition de zones sur le territoire cantonal de manière directe et ne saurait donc avoir pour effet de déclasser en zone industrielle un terrain actuellement situé en zone agricole" (JAAC 1976, fasc. 40/I, No 16, p. 71 consid. 5). e) La société EOS soutient que l'autorisation de site crée une "extraterritorialité" par rapport aux plans de zones cantonal et communal et à la législation qui s'y rapporte. Une telle extraterritorialité serait d'ailleurs prévue dans d'autres domaines où la compétence de la Confédération est exclusive et reconnue, notamment en matière d'installations ferroviaires et d'ouvrages militaires. Cette argumentation n'est pas fondée. Selon la jurisprudence, la Confédération doit, pour ses propres constructions, respecter les règles établies par le droit cantonal et communal des constructions, dans la mesure en tout cas où l'application de ce droit ne rend pas impossible ou beaucoup plus difficile l'accomplissement des tâches constitutionnelles de la Confédération. L'on ne s'écarte de ce principe que dans les cas où le droit fédéral y apporte une exception expresse, prévoyant la compétence exclusive des organes de la Confédération. Il y a exception notamment en cas de travaux servant à la défense nationale, qui ne peuvent être soumis par les cantons à une autorisation préalable ( art. 164 OM ; cf. ATF 101 Ia 315 ). Il y en a une autre pour les chemins de fer; la loi fédérale sur les chemins de fer, du 20 décembre 1957, dit dans quelle mesure l'autorité fédérale, qui est appelée à octroyer une concession pour l'exploitation d'un chemin de fer et qui approuve les projets d'installation après avoir consulté les autorités cantonales intéressées (les cantons devant eux-mêmes consulter les communes), doit tenir compte de la réglementation cantonale; selon l'art. 18 al. 3 de la loi, les propositions faites par les cantons sur la base de leur législation, notamment en ce qui concerne la police des constructions, du feu et de l'hygiène publique, doivent être retenues BGE 103 Ia 329 S. 344 dans la mesure où elles sont compatibles avec la législation fédérale et les nécessités de la construction. En revanche, dans le cas de la LUA, le législateur a certes prévu qu'une autorisation de la Confédération est requise pour la construction et l'exploitation d'une centrale atomique; il a cependant réservé expressément les attributions de police de la Confédération et des cantons, en particulier en ce qui concerne les constructions, cela alors même que le canton intéressé est appelé à donner son avis. L'obligation pour celui qui entend construire une installation atomique de requérir une autorisation de la Confédération n'exclut donc pas celle de la soumettre à la procédure cantonale d'autorisation; la réglementation cantonale subsiste dans la mesure où elle n'est pas incompatible avec le sens et le but de la loi ( ATF 102 Ia 360 consid. 6 d; cf. également KÖLZ, Die Beschwerdebefugnis der Gemeinde in der Verwaltungsrechtspflege, ZBl 78/1977, p. 119-121). 6. a) Les considérations qui précédent conduisent à admettre que l'autorité fédérale a empiété sur les attributions du canton de Genève en déniant à celui-ci le droit de procéder au déclassement des terrains destinés à la construction de la centrale nucléaire de Verbois. Cette conclusion est corroborée par le fait que la loi sur l'utilisation pacifique de l'énergie atomique a consacré sans équivoque le système de la simple autorisation de police. Le législateur a laissé à l'entreprise le soin de chercher le lieu d'implantation d'une telle installation. L'autorité fédérale doit examiner si le site choisi satisfait aux exigences posées par le droit fédéral. Elle ne peut pas conférer à l'entreprise le droit d'expropriation. L'entreprise doit ainsi acquérir les terrains nécessaires par des moyens de droit privé; l'opposition d'un seul propriétaire peut dès lors suffire à paralyser la réalisation du projet. Dans ces conditions, il serait difficilement soutenable d'admettre que le choix du site par l'entreprise requérante peut s'opérer sans égard à la règlementation cantonale du droit de construire. b) A la demande du Tribunal fédéral, l'Office fédéral de l'économie énergétique a précisé quelle a été la pratique suivie jusqu'à présent. On constate que, sous réserve d'une exception, les cantons intéressés ont procédé au déclassement des terrains. Lorsque les autorisations de site des centrales de Beznau I BGE 103 Ia 329 S. 345 et II ont été accordées, la commune de Döttingen n'avait ni règlement des constructions ni plan de zones. A l'heure actuelle, les terrains en cause sont sis en zone industrielle. La commune a en effet adopté un plan de zones le 10 mai 1972; ce plan fut approuvé par l'autorité cantonale argovienne le 24 mars 1976. Au moment où l'autorisation de site de la centrale de Mühleberg a été délivrée, la commune n'avait pas de plan de zones. Les parcelles visées sont rangées actuellement au nombre des terres groupant celles qui sont utilisables pour l'exploitation agricole, sylvicole ou viticole, ainsi que tous les fonds ne constituant pas du terrain à bâtir (art. 23 de la loi bernoise sur les constructions du 7 juin 1970). Le Conseil exécutif bernois a accordé une autorisation pour la construction de la centrale, en application de l'art. 24 de la loi précitée. La centrale nucléaire de Gösgen-Däniken est située sur les territoires des communes de Däniken et de Gretzenbach. Lorsque l'autorisation de site a été octroyée, la commune de Däniken avait un plan de zones affectant les terrains choisis en zone agricole. En revanche, la commune de Gretzenbach n'avait pas, et n'a toujours pas, de plan de zones général. Les deux communes ont établi et adopté un plan de zone partiel "pour l'industrie et la production d'énergie dans la région de l'Aar", qui comprend le site de la centrale. Ce plan a été approuvé par l'autorité cantonale soleuroise. L'octroi de l'autorisation de site de la centrale de Leibstadt, commune qui n'avait ni plan de zones, ni règlement des constructions, a été suivi de l'adoption, par les autorités communales, d'un plan de zone partiel visant les terrains de la centrale. C'est à la suite d'une votation populaire que les terrains destinés à la construction de la centrale nucléaire du Kaiseraugst ont été affectés en zone industrielle. L'autorisation de site a été accordée après cette consultation populaire. L'affectation à une zone industrielle des terrains retenus pour la construction d'une centrale nucléaire à Inwil (canton de Lucerne) a également été l'objet d'une votation populaire, L'autorisation de site pour cette centrale n'a pas encore été accordée par la Confédération. Ainsi, en pratique, on n'a pas considéré jusqu'à présent que l'autorisation de site délivrée par l'autorité fédérale permettait BGE 103 Ia 329 S. 346 à l'entreprise de construire au lieu choisi sans égard à la réglementation de zones instituée par le droit cantonal ou communal. La seule exception concerne la centrale nucléaire de Graben. Se fondant sur la jurisprudence du Tribunal fédéral ( ATF 99 Ia 257 ss), la direction des Travaux publics du canton de Berne a estimé que la question du site était définitivement tranchée lors de l'octroi de l'autorisation de site et que le Conseil exécutif n'avait donc pas à accorder l'autorisation exceptionnelle prévue à l'art. 24 de la loi bernoise sur les constructions. Cette décision repose sur une interprétation erronée de l'arrêt cité et n'entre donc pas en ligne de compte en l'espèce. 7. En déniant au canton de Genève le droit de procéder au déclassement des terrains destinés à la construction de la centrale nucléaire de Verbois, l'autorité fédérale a empiété sur les attributions du canton. La réclamation de droit public formée par le Conseil d'Etat genevois doit ainsi être admise sur ce point. Dans ces conditions, le Tribunal fédéral peut laisser indécise la question de savoir si la compétence du canton de procéder au déclassement des terrains ne peut s'exercer que dans certaines limites, opinion que défendent la doctrine et le Département fédéral de justice et police (DFJP). FISCHER admet qu'il incombe aux autorités cantonales de procéder au classement en zone industrielle des fonds destinés à la construction d'une centrale nucléaire. Il n'exclut pas que le canton puisse affecter les terrains en cause à une autre zone (zone d'habitation ou zone non constructible, par exemple), mais il considère qu'une telle décision serait inadmissible si elle avait pour seul but d'empêcher la construction de l'installation atomique. L'affectation à une zone autre qu'industrielle serait en revanche compatible avec le droit fédéral si elle se fondait sur de sérieux motifs d'aménagement du territoire (op. cit., p. 96/97). HANS HUBER relève que la question des rapports entre la procédure fédérale d'autorisation et la règlementation cantonale concernant l'aménagement du territoire est quelque peu épineuse. Il souligne qu'en pratique, l'entreprise requérante ne portera pas son choix sur des terrains sis dans une zone d'habitation, mais qu'elle s'efforcera de trouver un site situé en zone industrielle. A son avis, l'autorité fédérale peut accorder l'autorisation de site même si les terrains BGE 103 Ia 329 S. 347 concernés sont situés en zone agricole. Cet auteur considère en effet que les dispositions de droit cantonal et communal sur l'affectation du territoire en différentes zones ne sont pas nécessairement déterminantes et fait valoir à ce propos deux arguments. D'une part, la réalisation des buts visés par le droit fédéral et l'exécution de la procédure fédérale d'autorisation ne doivent pas être mises en échec par des décisions prises par les autorités cantonales, dans le cadre de leur compétence. Par ailleurs, l'affectation d'une partie du territoire à la zone agricole a souvent un caractère provisoire, cette zone pouvant comprendre des terrains dont la vocation agricole n'est pas évidente (Die Bewilligung von Kernkraftwerken, in Neue Zürcher Zeitung, édition du matin du 4 juillet 1973, No 303, p. 23). Cet auteur ne tranche cependant pas clairement la question de la répartition des compétences entre Confédération et cantons. On doit certes admettre que l'autorité fédérale peut accorder l'autorisation de site même si les terrains intéressés sont situés dans une zone agricole. Mais cela ne signifie pas que l'octroi de l'autorisation permet à l'entreprise bénéficiaire de construire la centrale nucléaire, alors même que le canton refuse de procéder au déclassement des terrains. Dans ses observations sur la réclamation, le Conseil fédéral a rapporté l'opinion défendue par le DFJP. Ce département soutenait en l'espèce que le DFTCE avait empiété sur les attributions du canton en niant que ce dernier soit en droit de procéder au déclassement des terrains de Verbois; mais il relevait "que le refus de déclassement devrait être considéré comme inacceptable s'il intervenait dans le seul but d'empêcher la réalisation du projet, alors que rien ne s'opposerait en principe, du point de vue de l'aménagement du territoire, à ce déclassement. Ce n'est que pour des motifs impératifs touchant directement à l'aménagement du territoire que le canton pourrait refuser d'y procéder. La requérante aurait alors la possibilité de déférer ce refus - ou le refus qui en découlerait d'autoriser la construction de la centrale - au Tribunal fédéral, en invoquant la violation de l' art. 4 Cst. ou d'autres droits constitutionnels, ces griefs se confondant, en l'espèce et finalement, avec celui tiré de la force dérogatoire du droit fédéral. Une entreprise approuvée par la Confédération ne saurait en effet être rendue illusoire par une application arbitraire du droit cantonal ou communal en vigueur." BGE 103 Ia 329 S. 348 Les arguments développés par la doctrine et repris par le DFJP ne manquent pas de poids. Les questions soulevées présentent une certaine analogie avec celles que le Tribunal fédéral a examinées dans l'arrêt du 21 janvier 1976 en la cause Magasins Zum Globus et consorts ( ATF 102 Ia 107 ss). Elles n'ont cependant pas à être tranchées en l'espèce. La réclamation de droit public doit en effet être admise, que la compétence du canton soit ou non limitée. 8. La centrale nucléaire de Verbois doit utiliser l'eau du Rhône comme agent de refroidissement. Aux termes de l'art. 2 de la loi genevoise sur les eaux, du 5 juillet 1961, le Rhône fait partie du domaine public cantonal. Toute utilisation des eaux publiques, qui excède l'usage commun, est subordonnée à autorisation, permission ou concession. Selon l'art. 46 de la loi précitée, l'utilisation des eaux publiques pour le chauffage ou la réfrigération, quelle que soit sa durée, est soumise à une permission du Conseil d'Etat. Ce dernier observe cependant, dans sa réclamation de droit public, qu'une telle permission a un caractère précaire et que l'utilisation des eaux du Rhône par la centrale nucléaire de Verbois devrait faire l'objet d'une concession accordée soit par le Conseil d'Etat soit par le Grand Conseil (art. 18 de la loi sur le domaine public, du 24 juin 1961). La société EOS conteste le bien-fondé de cette interprétation du droit cantonal. Il n'y a cependant pas lieu de se prononcer sur ce point, car il est en tout cas admis que l'entreprise doit obtenir des autorités compétentes genevoises le droit d'utiliser l'eau du Rhône. Le DFTCE a accordé l'autorisation de site "sous réserve des modalités de la concession à octroyer par le canton de Genève pour le prélèvement et la restitution de l'eau de refroidissement et utilisée à d'autres fins". Il considère ainsi que le canton de Genève doit accorder la concession. Dans un avis adressé le 15 août 1974 au DFJP, il avait souligné que la concession d'utilisation des eaux n'était pas visée par l'art. 4 al. 3 LUA, car il s'agissait non pas d'une mesure de police, mais d'un acte relevant de la souveraineté du canton (ou des communes) sur les eaux publiques. On doit certes souscrire à cette opinion. Mais on ne saurait en conclure qu'il n'est pas dans la compétence des autorités cantonales d'accorder le droit d'utiliser les eaux publiques cantonales. Si le législateur BGE 103 Ia 329 S. 349 entendait donner à l'autorité fédérale le droit de porter atteinte au domaine public cantonal ou communal, il aurait dû le faire expressément. On peut d'ailleurs se demander si le législateur aurait été en droit de limiter la compétence des cantons en matière d'utilisation des eaux publiques. Certes, selon l' art. 24bis al. 1 Cst. , la Confédération peut, pour assurer l'utilisation rationnelle et la protection des ressources en eau, édicter des principes répondant à l'intérêt général "sur l'utilisation des eaux pour la production d'énergie et pour le refroidissement". L' art. 24bis al. 3 Cst. précise toutefois que "sous réserve des droits privés, il appartient aux cantons ou aux titulaires que désigne la législation cantonale de disposer des ressources en eau et de percevoir des redevances pour leur utilisation". Des exceptions à ce principe ne sont prévues que si l'octroi ou l'exercice du droit d'eau touche les rapports intercantonaux ou internationaux ( art. 24bis al. 4 Cst. ; cf. ISLER, Die Kompetenzabgrenzung zwischen Bund und Kantonen auf dem Gebiet der Wasserkraftausnutzung, thèse Zurich 1935, p. 22 ss). Il paraît ainsi douteux qu'une loi fédérale puisse limiter les attributions des cantons en matière d'utilisation des eaux publiques. Quoi qu'il en soit, il serait en tout cas nécessaire que cette loi soit explicite sur ce point. Or, la LUA ne contient à cet égard aucune disposition. D'ailleurs, il ne suffirait pas d'admettre que la LUA donne à l'autorité fédérale le droit de décider de l'utilisation d'une eau publique cantonale pour l'exploitation d'une centrale nucléaire. Il faudrait encore que l'examen par l'autorité fédérale des questions liées à un tel usage soit si étendu qu'il exclue toute décision cantonale refusant la concession ou la permission. Tel n'est pas le cas. Certes, l'autorité fédérale s'est prononcée en l'espèce sur les effets thermiques de l'utilisation du Rhône pour le refroidissement de la centrale. Elle paraît également avoir tenu compte des exigences de la protection de la faune et de la flore. Mais ce ne sont pas là les seules questions susceptibles de se poser. Dans sa réclamation de droit public, le Conseil d'Etat genevois relève que l'autorité cantonale compétente devra décider de l'octroi de la concession au regard de la garantie des droits concédés aux Services industriels de Genève pour l'utilisation de la force hydraulique du Rhône. Or l'examen de l'autorité fédérale n'a certainement BGE 103 Ia 329 S. 350 pas porté sur ce point. A l'avis du Conseil d'Etat genevois, il conviendra également de tenir compte de "l'utilisation idéale de la capacité d'absorption thermique des eaux du Rhône entre les différents utilisateurs actuels et potentiels". On ne saurait soutenir que la centrale nucléaire bénéficie, en cette matière, d'un droit de priorité. Ainsi, il n'est nullement exclu que de sérieux motifs puissent justifier le refus, par l'autorité cantonale compétente, de la concession ou de la permission d'utilisation des eaux du Rhône pour le refroidissement de la centrale nucléaire. Dans ces conditions, il convient d'admettre que le DFTCE a empiété sur les attributions du canton de Genève en ne réservant que les modalités de la concession à octroyer. La réclamation de droit public doit donc être admise sur ce point également. Dispositiv Par ces motifs, le Tribunal fédéral: Admet la réclamation de droit public et déclare le canton de Genève compétent a) pour entreprendre la procédure de classement en zone industrielle du site de Verbois destiné à l'implantation d'une centrale nucléaire, b) pour se prononcer sur l'octroi d'une concession d'eau de refroidissement.
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c69ce1cc-a136-46d4-b076-1125b0941c28
Urteilskopf 136 III 486 69. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit civil dans la cause A. SA contre X. (recours en matière civile) 4A_293/2010 du 31 août 2010
Regeste Örtliche Zuständigkeit; doppelrelevante Tatsachen. Im Stadium eines selbständigen Entscheides über die Zuständigkeit ist der Nachweis doppelrelevanter Tatsachen nicht notwendig, auch nicht im Umfang der blossen Wahrscheinlichkeit (E. 4 und 5).
Sachverhalt ab Seite 486 BGE 136 III 486 S. 486 A. A. SA est une société anonyme enregistrée au Luxembourg, où elle a son siège social; elle a une succursale à Genève, auparavant à Zurich, inscrite sur le registre du commerce. Elle se consacre surtout à la prise de participations dans d'autres entreprises. M. et N. ont assumé les fonctions d'administrateurs de la succursale et O. l'a représentée avec droit de signature individuelle. B. SA, en liquidation, a son siège à Genève. M. et P. ont été ses administrateurs. B. Le 5 décembre 2007, X. a ouvert action contre ces deux sociétés devant le Tribunal de première instance du canton de Genève. Elles devaient être condamnées à lui rendre compte du ou des mandats de gestion de biens que, selon ses allégations, elles avaient reçus de son défunt père, W. Les défenderesses ont contesté les relations de mandat alléguées par la demanderesse; A. SA a excipé de l'incompétence à raison du lieu. BGE 136 III 486 S. 487 Le Tribunal de première instance a d'abord rejeté cette exception au motif qu'elle était tardive, puis la Cour de justice a annulé ce premier jugement. Le tribunal s'est derechef prononcé sur l'exception d'incompétence le 1 er octobre 2009. Il l'a rejetée et s'est jugé compétent au regard des faits allégués dans la demande, dont la preuve devait être renvoyée à la suite de l'instance. La Cour de justice a statué le 16 avril 2010 sur l'appel de la défenderesse; elle a confirmé le jugement. C. Agissant par la voie du recours en matière civile, la défenderesse A. SA a requis le Tribunal fédéral d'annuler l'arrêt de la Cour de justice et de prononcer que les tribunaux genevois sont incompétents. Des conclusions subsidiaires tendaient à l'annulation de l'arrêt et au renvoi de la cause à la Cour de justice pour nouvelle décision. La demanderesse a conclu principalement à l'irrecevabilité du recours et subsidiairement à son rejet. Le Tribunal fédéral a rejeté le recours, dans la mesure où il était recevable. Erwägungen Extrait des considérants: 4. En règle générale, selon la jurisprudence, le juge saisi doit examiner sa compétence sur la base des allégués, moyens et conclusions de la demande, sans tenir compte des objections de la partie défenderesse. Les faits déterminants pour la compétence, seulement, doivent être prouvés, s'ils sont contestés, avant une éventuelle décision séparée sur la compétence, tandis que la preuve des faits déterminants pour la compétence et pour le bien-fondé de l'action - faits doublement pertinents ou de double pertinence - est renvoyée à la suite de l'instance. D'après certains arrêts du Tribunal fédéral, la preuve des faits doublements pertinents n'est ainsi différée que s'ils sont allégués "avec une certaine vraisemblance" ( ATF 135 V 373 consid. 3.2 p. 377; ATF 133 III 282 consid. 3.2 p. 286; ATF 131 III 153 consid. 5.1 p. 157, consid. 6.4 p. 162; ATF 128 III 50 consid. 2b/aa; ATF 121 III 495 consid. 6d p. 503), tandis que d'autres arrêts ne mentionnent pas cette condition ( ATF 134 III 27 consid. 6.2.1 p. 34; ATF 133 III 295 consid. 6.2 p. 298; ATF 122 III 249 consid. 3b/bb-cc p. 252; ATF 119 II 66 ). En doctrine, un auteur explique que ladite condition est étrangère à la théorie des faits de double BGE 136 III 486 S. 488 pertinence à l'origine de la jurisprudence actuelle du Tribunal fédéral, issue du droit allemand, et qu'elle ne se justifie pas (URS HOFFMANN-NOWOTNY, Doppelrelevante Tatsachen in Zivilprozess und Schiedsverfahren, 2010, p. 120 n os 190 et 191; voir aussi, également critique, ANDREAS BUCHER, L'examen de la compétence internationale par le juge suisse, 2007, SJ 2007 II 153 p. 158/159). Dès ses premières décisions relatives au for des réclamations personnelles, alors garanti par l' art. 59 al. 1 aCst. , le Tribunal fédéral a jugé que la compétence se détermine d'après la nature et le contenu de la demande, sans égard aux objections élevées contre elle, et cela même dans le cas où cette demande apparaîtrait d'emblée inconsistante (ATF 9 p. 30 consid. 1 et 2; voir aussi ATF 24 I 657 consid. 2 p. 660; 45 I 302 consid. 2 p. 307; 74 II 187 consid. 2 p. 188). Il a réservé l'éventualité où la demande serait présentée sous une forme destinée à en déguiser la nature véritable et à éluder la règle de for applicable ( ATF 22 I 32 consid. 2 p. 37; 22 I 50 consid. 2 p. 58/59; 66 II 179 consid. 2 p. 183; voir aussi ATF 3 p. 626 consid. 3). Plus tard, dans une cause où la partie demanderesse cumulait deux actions, l'une d'elles est apparue manifestement mal fondée au regard d'un élément introduit par l'autre partie, incontesté et confirmé par le dossier; le Tribunal fédéral a alors admis que la règle de for régissant l'autre action se trouvait éludée ( ATF 91 I 121 consid. 5 p. 122). Dans un arrêt de 2007, il a réservé l'éventualité d'allégués "manifestement faux" ( ATF 134 III 27 consid. 6.4 in fine p. 37). L'exigence d'une "certaine vraisemblance", selon le libellé de quelques arrêts du Tribunal fédéral, ne fait référence qu'à ces hypothèses exceptionnelles où la thèse de la demande apparaît d'emblée spécieuse ou incohérente, ou, sinon, se trouve réfutée immédiatement et sans équivoque par la réponse et les documents de la partie défenderesse. Cette exigence protège cette partie-ci, le cas échéant, contre une tentative abusive, qui procéderait d'un abus de droit, de l'attraire au for choisi par l'autre partie (sur l'interdiction de l'abus de droit au regard de la théorie des faits de double pertinence: HOFFMANN-NOWOTNY, op. cit., p. 124 n° 195, avec références à d'autres auteurs). Il demeure donc que même au degré de la simple vraisemblance, la preuve des faits doublement pertinents n'est pas requise au stade d'une décision séparée sur la compétence. 5. En l'espèce, la Cour de justice aurait donc pu se dispenser de rechercher s'il est vraisemblable, d'après les pièces du dossier, que le BGE 136 III 486 S. 489 personnel de la succursale de Genève ait accepté au nom de la défenderesse A. SA un mandat ayant pour objet la gestion de biens provenant de W. Il suffisait de constater qu'une pareille éventualité ne présente en elle-même rien d'impossible et que rien, non plus, ne dénote une tentative d'attraire abusivement la défenderesse devant les tribunaux genevois. Pour ce motif déjà, quant à l'ajournement de la preuve, la décision critiquée se révèle conforme aux règles fédérales du droit de procédure civile international (cf. ATF 133 III 295 consid. 6.1 p. 298; ATF 122 III 249 consid. 3a in fine p. 251). Au surplus, les déductions que le juge opère sur la base d'indices relèvent de l'appréciation des preuves, de sorte qu'en principe, avec la constatation des faits, elles échappent au contrôle du Tribunal fédéral ( ATF 117 II 256 consid. 2b p. 258; ATF 128 III 390 consid. 4.3.3 in fine p. 398; ATF 126 III 10 consid. 2b p. 12/13). Seules les déductions exclusivement fondées sur l'expérience générale de la vie se rattachent à l'application du droit ( ATF 126 III 10 consid. 2b p. 12; ATF 115 II 440 consid. 5b p. 448/449; ATF 107 II 269 consid. 2b p. 274). En conséquence, il n'appartient de toute manière pas au Tribunal fédéral de revoir l'appréciation que la Cour de justice a effectuée sur la base des pièces du dossier quant à la vraisemblance du mandat allégué par la demanderesse. A cette appréciation, A. SA n'oppose que de simples dénégations, quoiqu'elle les développe longuement et sur chacun des indices relevés dans la décision; cela ne constitue pas une argumentation suffisante au regard de la jurisprudence précitée relative à l' art. 97 al. 1 LTF .
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c6a141c5-ec1c-49f7-86b2-0b4baacaff8e
Urteilskopf 139 II 271 18. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. Helvetia Nostra gegen X., Gemeinde Savognin, Gemeinde Disentis/Mustér und Y. (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) 1C_649/2012 und 1C_650/2012 vom 22. Mai 2013
Regeste Beschwerdelegitimation von Natur- und Heimatschutzverbänden gegen Baubewilligungen für Zweitwohnungsbauten ( Art. 2 und 12 NHG ; Art. 75b und 78 Abs. 2 BV ). Voraussetzungen für das Vorliegen einer Bundesaufgabe im Sinne von Art. 78 Abs. 2 BV und Art. 2 NHG im Allgemeinen (E. 9) und auf dem Gebiet der Raumplanung im Besonderen (E. 10). Die Plafonierung des Zweitwohnungsbaus gemäss Art. 75b BV stellt eine Bundesaufgabe dar, die der Schonung der Natur und des heimatlichen Landschaftsbildes dient. Baubewilligungen können daher wegen Verletzung von Art. 75b BV und seiner Übergangs- und Ausführungsbestimmungen mit Beschwerde gemäss Art. 12 NHG angefochten werden (E. 11).
Sachverhalt ab Seite 271 BGE 139 II 271 S. 271 A. Am 11. Mai 2012 reichte X. (im Folgenden: Beschwerdegegner 1) bei der Gemeinde Savognin ein Gesuch um Erstellung eines Mehrfamilienhaus-Neubaus auf Parzelle Nr. 981 ein. BGE 139 II 271 S. 272 Gegen das Bauvorhaben erhob die als Verein konstituierte Helvetia Nostra Einsprache und beantragte sinngemäss die Verweigerung der Baubewilligung, gestützt auf den am 11. März 2012 in Kraft getretenen Art. 75b BV (Zweitwohnungen). Die Gemeinde Savognin wies die Einsprache am 20. August 2012 ab und erteilte am 21. August 2012 die Baubewilligung unter Bedingungen und Auflagen. B. Am 25. Juni 2012 reichte Y. (im Folgenden: Beschwerdegegnerin 2) bei der Gemeinde Disentis/Mustér ein Baugesuch für die Erstellung eines Mehrfamilienhaus-Neubaus auf Parzelle Nr. 2325 in Buretsch/Segnas ein. (...) Am 8. August 2012 erhob die Helvetia Nostra Einsprache gegen das Bauvorhaben wegen Verletzung von Art. 75b BV . Der Gemeindevorstand Disentis/Mustér wies die Einsprache am 20. August 2012 ab und erteilte gleichzeitig die Baubewilligung. C. Gegen die Entscheide der Gemeinden Savognin und Disentis/Mustér erhob die Helvetia Nostra am 19. September 2012 Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden. Sie beantragte, die angefochtenen Entscheide seien aufzuheben und die Baubewilligungen seien nicht zu erteilen. Das Verwaltungsgericht verneinte die Beschwerdelegitimation der Helvetia Nostra und trat deshalb in zwei Urteilen vom 5. und 7. November 2012 auf die Beschwerden nicht ein. (...) D. Gegen beide Urteile erhob die Helvetia Nostra am 14. Dezember 2012 Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht. (...) Am 22. Mai 2013 hiess das Bundesgericht die Beschwerden in öffentlicher Sitzung gut. Es hob die angefochtenen Urteile auf und wies die Sache zu neuer Beurteilung an das Verwaltungsgericht zurück. (Auszug) Erwägungen Aus den Erwägungen: 3. Streitig ist in erster Linie, ob die Beschwerdeführerin gemäss Art. 12 des Bundesgesetzes vom 1. Juli 1966 über den Natur- und Heimatschutz (NHG; SR 451) zur Beschwerde befugt ist. Es ist unstreitig, dass sie zu den nach Art. 12 Abs. 1 lit. b NHG beschwerdebefugten Organisationen im Bereich des Natur- und BGE 139 II 271 S. 273 Heimatschutzes gehört (vgl. Anhang der Verordnung vom 27. Juni 1990 über die Bezeichnung der im Bereich des Umweltschutzes sowie des Natur- und Heimatschutzes beschwerdeberechtigten Organisationen [VBO; SR 814.076]). Wie sich bereits aus dem Titel des 1. Abschnitts des NHG ergibt ("Naturschutz, Heimatschutz und Denkmalpflege bei Erfüllung von Bundesaufgaben"), steht die Verbandsbeschwerde jedoch nur offen, soweit der angefochtene Entscheid die Erfüllung einer Bundesaufgabe im Sinne von Art. 78 Abs. 2 BV und Art. 2 NHG betrifft (ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. BGE 123 II 5 E. 2c S. 7 f.). (...) 9. Gemäss Art. 78 Abs. 1 BV sind für den Natur- und Heimatschutz grundsätzlich die Kantone zuständig; Bundeskompetenzen bestehen lediglich im Bereich des Biotop- und Artenschutzes (Abs. 4) und zum Schutz von Mooren und Moorlandschaften von nationaler Bedeutung (Abs. 5). Gemäss Art. 78 Abs. 2 BV nimmt jedoch der Bund bei der Erfüllung seiner Aufgaben Rücksicht auf die Anliegen des Natur- und Heimatschutzes und schont Landschaften, Ortsbilder, geschichtliche Stätten sowie Natur- und Kunstdenkmäler; er erhält sie ungeschmälert, wenn das öffentliche Interesse es gebietet. 9.1 Was unter der Erfüllung einer Bundesaufgabe im Sinne von Art. 78 Abs. 2 BV zu verstehen ist, führt Art. 2 Abs. 1 NHG in nicht abschliessender Weise aus: Dazu gehören insbesondere die Planung, Errichtung und Veränderung von Werken und Anlagen durch den Bund, wie z.B. Bauten und Anlagen der Bundesverwaltung, Nationalstrassen oder Bauten und Anlagen der Schweizerischen Bundesbahnen (lit. a), die Erteilung von Konzessionen und Bewilligungen, wie zum Bau und Betrieb von Verkehrsanlagen, Transportanstalten, Werken und Anlagen zur Beförderung von Energie, Flüssigkeiten oder Gasen oder zur Übermittlung von Nachrichten sowie Bewilligungen zur Vornahme von Rodungen (lit. b) sowie die Gewährung von Beiträgen an Planungen, Werke und Anlagen, wie Meliorationen, Sanierungen landwirtschaftlicher Bauten, Gewässerkorrektionen, Anlagen des Gewässerschutzes und Verkehrsanlagen (lit. c). Entscheide kantonaler Behörden über Vorhaben, die voraussichtlich nur mit Beiträgen nach Absatz 1 Buchstabe c verwirklicht werden, sind der Erfüllung von Bundesaufgaben gleichgestellt ( Art. 2 Abs. 2 NHG ). 9.2 Nach ständiger Rechtsprechung kann eine Bundesaufgabe auch dann vorliegen, wenn eine kantonale Behörde verfügt hat, BGE 139 II 271 S. 274 beispielsweise bei der Erteilung einer raumplanungsrechtlichen Ausnahmebewilligung gemäss Art. 24 RPG (SR 700; grundlegend BGE 112 Ib 70 E. 4b S. 74 ff.). Ausdrücklich in Art. 2 Abs. 1 lit. b NHG erwähnt ist die Rodungsbewilligung: Erteilt eine kantonale Forstbehörde eine Rodungsbewilligung oder stellt sie diese verbindlich in Aussicht, so erfüllt sie eine Bundesaufgabe ( BGE 121 II 190 E. 3c/cc S. 197). Auch der Biotopschutz gemäss Art. 18 ff. NHG ist eine den Kantonen übertragene Bundesaufgabe ( BGE 133 II 220 E. 2.2 S. 223). Gleiches gilt für die Bewilligung von technischen Eingriffen in ein Gewässer nach Art. 8 ff. des Bundesgesetzes vom 21. Juni 1991 über die Fischerei (BGF; SR 923.0) bzw. die Erteilung von fischereirechtlichen Bewilligungen (BGE 110 lb 160 E. 2 S. 161). Zu den Bundesaufgaben gehören auch der Gewässerschutz und die Sicherung angemessener Restwassermengen (Urteil des Bundesgerichts 1C_262/2011 vom 15. November 2012 E. 1.1, nicht publ. in: BGE 139 II 28 ), der Schutz von Mooren und Moorlandschaften von besonderer Schönheit und nationaler Bedeutung ( BGE 118 Ib 11 E. 2e S. 15 f.) sowie von wildlebenden Säugetieren und Vögeln ( BGE 136 II 101 E. 1.1 S. 103), auch wenn kantonale oder kommunale Behörden entscheiden. 9.3 Voraussetzung für das Vorliegen einer "Bundesaufgabe" ist danach in erster Linie, dass die angefochtene Verfügung eine Rechtsmaterie betrifft, die in die Zuständigkeit des Bundes fällt und bundesrechtlich geregelt ist. In seinem Zuständigkeitsbereich ist der Bund gemäss Art. 78 Abs. 2 BV verpflichtet, auf die Anliegen des Natur- und Heimatschutzes Rücksicht zu nehmen. In diesem Zusammenhang räumt Art. 12 NHG den gesamtschweizerischen Natur- und Heimatschutzverbänden ein Beschwerderecht ein, damit sie den Anliegen des Natur- und Heimatschutzes bei der Erfüllung von Bundesaufgaben notfalls gerichtlich Geltung verschaffen können (JOSEF ROHRER, in: Kommentar NHG, Allg. Teil, 1997, Keller/Zufferey/Fahrländer [Hrsg.], 3. Kap. Rz. 4). Das Recht zur Beschwerdeführung setzt nicht voraus, dass ein vom Bund nach Art. 5 NHG inventarisiertes Schutzobjekt betroffen wird; es genügt vielmehr, dass die Verletzung von Bestimmungen gerügt wird, die der Erfüllung der Bundesaufgaben im Bereich des Natur- und Heimatschutzes dienen (so schon BGE 118 Ib 11 E. 2e S. 16; BGE 117 Ib 97 E. 3a S. 100 mit Hinweisen). Solche Bestimmungen sind insbesondere im NHG enthalten; sie können sich aber auch aus der jeweiligen Spezialgesetzgebung BGE 139 II 271 S. 275 ergeben (z.B. Erfordernis der Standortgebundenheit und der Interessenabwägung gemäss Art. 24 RPG ; Rodungsvoraussetzungen nach Art. 5 des Bundesgesetzes vom 4. Oktober 1991 über den Wald [WaG; SR 921.0]; Voraussetzungen für technische Eingriffe in Gewässer gemäss Art. 8-10 BGF ). Die Anforderungen im Bereich des Natur- und Heimatschutzes können sich auch aus einer Verfassungsbestimmung ergeben, soweit diese unmittelbar anwendbar ist (JEAN-BAPTISTE ZUFFEREY, in: Kommentar NHG, 1997, N. 12 zu Art. 2 NHG S. 151), wie beispielsweise der mit der Rothenthurm-Initiative eingeführte Art. 24 sexies Abs. 5 aBV (heute: Art. 78 Abs. 5 BV ). Das darin enthaltene absolute Veränderungsverbot für Moore und Moorlandschaften von besonderer Schönheit und nationaler Bedeutung konnte deshalb, schon vor seiner Umsetzung im NHG, mit Verbandsbeschwerde nach Art. 12 NHG geltend gemacht werden ( BGE 118 Ib 11 E. 2e S. 15 f.). 9.4 Wie das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt und mit Zitaten belegt hat, genügt nicht jegliche Anwendung von Bundesrecht, um die Beschwerdebefugnis nach Art. 12 NHG auszulösen, sondern es muss eine konkrete Bundesaufgabe vorliegen, die einen Bezug zum Natur-, Landschafts- und Heimatschutz aufweist. Dies ist einerseits der Fall, wenn die bundesrechtliche Regelung (zumindest auch) den Schutz von Natur, Landschaft oder Heimat bezweckt (ZUFFEREY, a.a.O., N. 12 zu Art. 2 NHG S. 150 f.); andererseits ist eine Bundesaufgabe i.S. von Art. 78 Abs. 2 BV und Art. 2 NHG zu bejahen, wenn der bundesrechtliche Auftrag die Gefahr der Beeinträchtigung schützenswerter Natur, Orts- oder Landschaftsbilder in sich birgt und deshalb die Rücksichtnahme auf die Anliegen des Natur- und Heimatschutzes sichergestellt werden muss ( BGE 131 II 545 E. 2.2 S. 547 f. mit Hinweisen; ZUFFEREY, a.a.O., N. 13 zu Art. 2 NHG S. 151 f.). 10. Im Bereich der Raumplanung sind grundsätzlich die Kantone zuständig; dem Bund steht nur (aber immerhin) eine Grundsatz-Gesetzgebungskompetenz zu ( Art. 75 Abs. 1 BV ). 10.1 Wo sich das RPG auf Rahmenbestimmungen beschränkt (Nutzungsplanung; Bewilligung von Bauten innerhalb der Bauzone), liegt grundsätzlich keine Bundesaufgabe i.S. von Art. 2 NHG vor. Dagegen wird eine Bundesaufgabe bejaht, soweit es um die Erteilung von Ausnahmebewilligungen ausserhalb der Bauzone geht, die vom Bund detailliert und i.d.R. abschliessend geregelt worden sind ( Art. 24 ff. RPG ). BGE 139 II 271 S. 276 10.2 Regeln jedoch Nutzungspläne oder ordentliche Baubewilligungen ausnahmsweise (ganz oder teilweise) konkrete bundesrechtliche Gesichtspunkte, so gelten sie insoweit als Verfügung i.S. von Art. 5 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vom 20. Dezember 1968 (VwVG; SR 172.021) und können dem Beschwerderecht nach Art. 12 NHG unterliegen (vgl. Art 12c Abs. 3 und 4 NHG ; BGE 135 II 328 E. 2.1 S. 332 mit Hinweisen; PETER M. KELLER, in: Kommentar NHG, 1997, N. 3 zu Art. 12 NHG S. 256). Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung sind die Natur- und Heimatschutzverbände daher zur Beschwerde gegen ordentliche Baubewilligungen und Nutzungspläne befugt, die schutzwürdige Biotope berühren (Urteil 1A_44/1991 vom 19. November 1992 E.1, nicht publ. in: BGE 118 Ib 485 ; BGE 118 Ib 11 E. 2e S. 15/16 zu Mooren und Moorlandschaften von nationaler Bedeutung). Gleiches gilt, wenn die Umgehung von Art. 24 RPG durch die Schaffung unzulässiger Kleinbauzonen gerügt wird (Urteil 1C_164/2007 vom 6. Dezember 2007 E. 1.3 und 3.1 mit Hinweisen). 10.3 Nach der bundesgerichtlichen Praxis ist die Erstellung von Zivilschutzbauten (Urteil 1A.231/1998 vom 12. Juli 1999 E. 1b/bb, in: RDAF 2000 I S. 141 und URP 2000 S. 659) und von Mobilfunkanlagen ( BGE 131 II 545 E. 2.2 S. 547 f. mit Hinweis) eine Bundesaufgabe, und zwar auch dann, wenn dies im ordentlichen Baubewilligungsverfahren innerhalb der Bauzone geschieht. Der Bund verpflichtet die Kantone zur Gewährleistung eines ausgewogenen Schutzplatzangebots bzw. die Mobilfunkkonzessionärinnen zum Aufbau eines je eigenen, landesweiten Mobilfunknetzes, was sich negativ auf schützenswerte Landschaften und Ortsbilder auswirken kann. Die Anwendbarkeit von Art. 3 und 6 NHG ist das notwendige Korrelat, um sicherzustellen, dass diese Verpflichtung nicht auf Kosten von Natur- und Heimat erfüllt wird. Dies hat zur Folge, dass solche Baubewilligungen der Verbandsbeschwerde gemäss Art. 12 NHG unterliegen. 11. Art. 75b Abs. 1 BV setzt einen Höchstanteil für Zweitwohnungen von 20 % pro Gemeinde fest, gemessen einerseits am Gesamtbestand der Wohneinheiten und andererseits an der für Wohnzwecke genutzten Bruttogeschossfläche. Art. 75b Abs. 2 und Art. 197 Ziff. 9 Abs. 1 BV beauftragen den "Gesetzgeber", die hierfür nötigen Ausführungsbestimmungen zu erlassen. 11.1 Es entspricht einhelliger Auffassung, dass damit der Bund und nicht die Kantone zur Ausführungsgesetzgebung verpflichtet wird. BGE 139 II 271 S. 277 Dies lässt sich aus Art. 197 Ziff. 9 Abs. 1 BV ableiten, der den Bundesrat (und nicht die Kantonsregierungen) ermächtigt, nötigenfalls die Ausführungsbestimmungen durch Verordnung zu erlassen (BERNHARD RÜTSCHE, Vollzug des Zweitwohnungsverbots, in: Rechtliche Umsetzung der Zweitwohnungsinitiative, Norer/Rütsche [Hrsg.], 2013, S. 82). Insoweit ist der Bund nicht mehr auf eine Grundsatzgesetzgebung (nach Art. 75 BV ) beschränkt; die Sicherstellung der Plafonierung des Zweitwohnungsbaus stellt vielmehr fortan eine Bundesaufgabe dar (so auch BERNHARD WALDMANN, Zweitwohnungen - vom Umgang mit einer sperrigen Verfassungsnorm, in: Schweizerische Baurechtstagung, 2013, S. 136 oben). Davon ging auch der Bundesrat in seiner Botschaft vom 29. Oktober 2008 zur eidgenössischen Volksinitiative "Schluss mit uferlosem Bau von Zweitwohnungen!" aus (BBl 2009 8757 ff.): "Da es sich um eine bundesrechtliche Regelung handelt, wäre im Prinzip letztlich der Bund für die Sicherstellung ihrer Anwendung zuständig." (a.a.O., S. 8764 Ziff. 3.3). "Die Initiative will auch dem Bund Kompetenz für die Regelung des Zweitwohnungsbaus übertragen. Der Bund wäre wohl gehalten, die Einhaltung der Kontingente zu kontrollieren und müsste Aufgaben übernehmen, die der Sache nach auf einer anderen bundesstaatlichen Ebene erfüllt werden sollten. Die Kontrolle der Kontingente wäre mit erheblichem personellem und organisatorischem Aufwand verbunden, der in diesem Umfang vom Bund allein nicht geleistet werden könnte. Ebenso verhält es sich mit der Aufarbeitung und Aktualisierung von Angaben zur Nutzung der Wohnungen im GWR." (a.a.O., S. 8768 Ziff. 4.3). 11.2 Art. 75b BV ist eine raumplanerische Bestimmung, die eine bestimmte Nutzung (Zweitwohnungen) beschränkt. Diese Beschränkung ist jedoch nicht Selbstzweck: Ziel der Initiative "Schluss mit uferlosem Bau von Zweitwohnungen" war in erster Linie der Schutz von Natur und Landschaft. So argumentierte das Initiativkomitee in den Erläuterungen zur Abstimmung vom 11. März 2012, dass durch den ausufernden Zweitwohnungsbau immer grössere Teile der Schweizer Berge verstädtert, unersetzliche Landschaften verschandelt und die Natur für immer zerstört werde; die schönsten und kostbarsten Landschaften würden durch immer neue Einzonungen, Umzonungen und Sonderbewilligungen bedroht und würden auf diese Weise Stück für Stück vernichtet. Zweitwohnungsprojekte, die innerhalb von RPG-konformen Bauzonen, insbesondere im bereits überbauten Gebiet, erstellt werden, zerstören in der Regel für sich allein keine Natur- und BGE 139 II 271 S. 278 Landschaftsobjekte. Sie verbrauchen jedoch Baulandreserven, mit der Folge, dass für andere Bauvorhaben (insbesondere Erstwohnungen, Hotel- und Gewerbebetriebe) auf Kosten von Natur- und Landschaft Neueinzonungen vorgenommen werden müssen. Insofern dient das Baubewilligungsverbot für neue Zweitwohnungen in Gemeinden, in denen der Zweitwohnungsanteil schon 20 % oder mehr beträgt, in erheblichem Mass der Schonung der Natur und des heimatlichen Landschaftsbildes. Dies genügt für die Bejahung der Beschwerdelegitimation i.S. von Art. 12 NHG . Diese Bestimmung verlangt nicht, dass sich die konkrete Baubewilligung auf ein geschütztes oder schutzwürdiges Gebiet bezieht (Urteile 1C_382/2010 vom 13. April 2011 E. 1.2, nicht publ. in: BGE 137 II 338 ; 1C_344/2007 vom 12. März 2010 E. 1.2, nicht publ. in: BGE 136 II 214 ; BGE 123 II 289 E. 1c S. 291; Urteil 1A.301/2000 vom 28. Mai 2011 E. 2b, in: ZBl 103/2002 S. 354; RDAF 2003 I S. 503). 11.3 Die Prüfung, ob eine Baubewilligung für eine Zweitwohnung nach Art. 75b Abs. 1 i.V.m. Art 197 Ziff. 9 Abs. 2 BV und seiner Ausführungsbestimmungen erteilt werden darf, erfolgt nach geltendem Recht entweder im ordentlichen Baubewilligungsverfahren (innerhalb der Bauzone) oder im Ausnahmebewilligungsverfahren nach Art. 24 ff. RPG (ausserhalb der Bauzone). Im zuletzt genannten Fall handelt es sich um eine bundesrechtliche Bewilligung, die klarerweise in Erfüllung einer Bundesaufgabe ergeht. Gleiches muss aber auch gelten, soweit die Konformität eines Bauvorhabens mit Art. 75b BV und seinen Ausführungsbestimmungen im ordentlichen Baubewilligungsverfahren geprüft wird: Insoweit stützt sich die Baubewilligung auf spezielle, bundesrechtlich geregelte Tatbestände und ergeht in Erfüllung einer Bundesaufgabe (so auch RÜTSCHE, a.a.O., S. 81 f.). 11.4 Im Ergebnis ist daher eine Bundesaufgabe i.S. von Art. 78 Abs. 2 BV und Art. 2 NHG zu bejahen. Dies hat zur Folge, dass die streitigen Baubewilligungen von der Helvetia Nostra nach Art. 12 NHG angefochten werden können. Das Verwaltungsgericht Graubünden hat daher die Einsprache- und Beschwerdebefugnis der Beschwerdeführerin zu Unrecht verneint.
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2,013
CH_BGE
CH_BGE_004
CH
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