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---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
c2056048-1081-4459-8b80-c6bddf58eb95 | Urteilskopf
114 V 51
11. Urteil vom 30. Januar 1988 i.S. Schweizerische Unfallversicherungsanstalt gegen Schweizerische Mobiliar Versicherungsgesellschaft betreffend Zuständigkeit und Leistungspflicht i.S. G. | Regeste
Art. 105 Abs. 2, 110 Abs. 1 UVG,
Art. 118, 130 OG
: Kompetenzkonflikt zwischen zwei Versicherern.
- Es geht nicht an, ausserhalb der im UVG und OG vorgesehenen Zuständigkeitsordnung Kompetenzkonflikte unter Versicherern durch Privatvereinbarung dem Eidg. Versicherungsgericht auf dem Wege der verwaltungsrechtlichen Klage zum Entscheid zu unterbreiten (Erw. 2a).
- Die Prorogation nach
Art. 118 OG
ist für das Eidg. Versicherungsgericht in den entsprechenden Verweisungsvorschriften nicht vorgesehen (Erw. 2b). | Sachverhalt
ab Seite 51
BGE 114 V 51 S. 51
A.-
Nicola G. arbeitete vom Montag, 29. April 1985, bis Freitag, 3. Mai 1985, als Handlanger bei der Firma B. in Camorino und war als Arbeitnehmer dieser Firma bei der Schweizerischen Mobiliar Versicherungsgesellschaft (nachfolgend Mobiliar) obligatorisch gegen die Folgen von Berufs- und Nichtberufsunfällen versichert. Er beabsichtigte, am Montag, 6. Mai 1985, bei der
BGE 114 V 51 S. 52
Garage P. eine neue Stelle als Hilfsmechaniker anzutreten. Die Arbeitnehmer dieses Betriebes sind bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) versichert.
An diesem Montag um 2.15 Uhr verursachte Nicola G. nach dem Besuch mehrerer Gaststätten im Verlaufe des Sonntagabends mit seinem Personenwagen einen Selbstunfall, bei welchem er eine Kompressionsfraktur eines Brustwirbels mit konsekutiver inkompletter Paraplegie erlitt. Durch Dekret des Procuratore Pubblico della Giurisdizione Sopracenerina vom 5. Februar 1986 wurde er wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand und fahrlässiger schwerer Körperverletzung mit 15 Tagen Gefängnis bestraft. Nachdem er bereits ab 1. Oktober 1985 teilweise und ab 1. Januar 1986 vollständig arbeitsfähig gewesen war, ist er nunmehr nach einem im April 1986 eingetretenen Rückfall seit 1. November 1986 wieder uneingeschränkt arbeitsfähig.
B.-
Die Mobiliar überwies am 18. Juli 1985 die Akten der gemäss ihrer Auffassung für die Schadenserledigung zuständigen SUVA.
Mit Verfügung vom 4. November 1985 lehnte die SUVA die Ausrichtung von Versicherungsleistungen an Nicola G. infolge Unzuständigkeit ab, wogegen dieser Einsprache erheben liess. Daraufhin ging die SUVA davon aus, dass zweifelsohne einer der beiden Versicherer für die Unfallfolgen aufzukommen habe und es Nicola G. nicht zumutbar sei, bis zur Lösung des Kompetenzkonfliktes auf Leistungen zu warten. Sie teilte ihm daher am 11. März 1986 mit, dass sie - bei grundsätzlichem Festhalten an ihrer Unzuständigkeit - die (allenfalls wegen grobfahrlässiger Herbeiführung des Unfalles zu kürzenden) Versicherungsleistungen erbringen und sich mit der Mobiliar direkt auseinandersetzen werde.
In der Folge kam zwischen der Mobiliar und der SUVA keine Einigung zustande.
C.-
Die SUVA erhob am 16. Februar 1987 gegen die Mobiliar verwaltungsrechtliche Klage und stellte folgende Rechtsbegehren:
"1. Es sei festzustellen, dass die Beklagte für den Versicherungsfall des
Nicola G. vom 6. Mai 1985 zuständig und leistungspflichtig ist.
2. Eventuell sei die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin Fr. 27'199.95
zu bezahlen, und es sei festzustellen, dass die Beklagte für die weiteren
Auslagen aus dem Versicherungsfall vom 6. Mai 1985 nach dem 31. Oktober
1986 leistungspflichtig ist.
3. Subeventuell sei die Beklagte zur Bezahlung des Betrages von Fr.
27'199.95 an die Klägerin zu verpflichten und dieser sei ein
BGE 114 V 51 S. 53
Nachklagerecht
für künftige Aufwendungen im Versicherungsfall des Nicola G. einzuräumen."
Die Mobiliar beantragt, die klägerischen Rechtsbegehren seien abzuweisen und es sei festzustellen, dass die SUVA für den Versicherungsfall des Nicola G. allein zuständig sei. Widerklageweise stellt sie den Antrag, die SUVA sei zu verurteilen, ihr den Betrag von Fr. 24'320.-- zu bezahlen. Die SUVA beantragt, die Widerklage sei abzuweisen.
Erwägungen
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
a) Erachtet sich ein Versicherer als unzuständig, so überweist er die Sache unverzüglich an den zuständigen Versicherer (
Art. 78 UVG
). Gemäss dieser Bestimmung überwies die Mobiliar die Unfallmeldung vom 28. Mai 1985 am 18. Juli 1985 der SUVA, welche sich mit Verfügung vom 4. November 1985 als unzuständig erklärte. Die SUVA behandelte die hiegegen erhobene Einsprache des Nicola G. nicht, sondern erbrachte statt dessen - bei grundsätzlichem Festhalten an ihrer Unzuständigkeit - die Versicherungsleistungen; dabei erklärte sie, sich mit der Mobiliar direkt auseinanderzusetzen.
b) Gegen Einspracheentscheide, welche die Zuständigkeit eines Versicherers betreffen, kann innert 30 Tagen Beschwerde beim Bundesamt für Sozialversicherung (
Art. 105 Abs. 2 UVG
) und gegen dessen Entscheid Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Eidg. Versicherungsgericht erhoben werden (
Art. 110 Abs. 1 UVG
).
Die SUVA hat Nicola G. den gesetzlich vorgesehenen Rechtsweg nicht geöffnet, sondern die Versicherungsleistungen ausgerichtet. Sie vertritt die Auffassung, die Beschreitung des dargelegten Rechtsweges sei demjenigen Versicherten unzumutbar, der - wie hier - auf jeden Fall gegenüber einem der beiden Versicherer leistungsberechtigt sei. Zudem wäre es verfahrensrechtlich unzulässig, die Leistungen ohne Anerkennung einer Rechtspflicht zu erbringen und den Versicherten zugleich auf den Beschwerdeweg zu verweisen. Der Rechtsweg nach
Art. 105 Abs. 1 und 2 UVG
sei nur gangbar, wenn die Leistungspflicht eines Versicherers allein streitig sei. Daher habe sie unpräjudiziell die Führung des Versicherungsfalles übernommen und die gesetzlichen Leistungen erbracht. Sie fordere nunmehr von der Mobiliar als dem zuständigen Versicherer die Übernahme des Falles und dessen Weiterführung.
BGE 114 V 51 S. 54
Es gehe somit um eine geldwerte Streitigkeit zwischen Versicherern. Das hiefür zulässige Rechtsmittel sei die verwaltungsrechtliche Klage an das Eidg. Versicherungsgericht als einziger Instanz gemäss
Art. 110 Abs. 2 UVG
in Verbindung mit
Art. 130 und 116 lit. k OG
. Allenfalls könnte dieses Gericht als von beiden Parteien prorogierte Instanz analog
Art. 41 lit. c OG
auf die Streitsache eintreten.
2.
Dieser Auffassung, welche von der Mobiliar geteilt wird, kann nicht beigepflichtet werden.
a) Die in Art. 105 Abs. 2 und 110 Abs. 1 UVG getroffene Regelung des Rechtsweges ist für - positive und negative - Kompetenzkonflikte zwischen Versicherern generell anwendbar (MAURER, Schweizerisches Unfallversicherungsrecht, S. 74 f.) und mithin nicht nur in Fällen, da allein die Leistungspflicht eines einzigen Versicherers streitig ist. Insbesondere erweist sich der Schluss als unzutreffend, dass der in Erw. 1b dargestellte Rechtsweg bei Kompetenzkonflikten nicht anwendbar sei und die Versicherer den Zuständigkeitsstreit direkt vor dem Eidg. Versicherungsgericht austragen könnten, sofern die Leistungspflicht des einen Versicherers auf jeden Fall gegeben sei. Für eine solche Einschränkung der gesetzlichen Ordnung bieten weder der Wortlaut noch die Materialien einen Anhaltspunkt. Zwar beurteilt das Eidg. Versicherungsgericht gemäss
Art. 110 Abs. 2 UVG
im Verfahren der verwaltungsrechtlichen Klage (Art. 116 lit. k in Verbindung mit
Art. 130 OG
) als einzige Instanz geldwerte Streitigkeiten zwischen Versicherern (vgl. dazu Botschaft des Bundesrates zum Bundesgesetz über die Unfallversicherung vom 18. August 1976, BBl 1976 III 226 in fine). Indessen geht es nicht an, ausserhalb der klaren, für Zuständigkeitsstreitigkeiten geschaffenen gesetzlichen Regelung Kompetenzkonflikte unter Versicherern durch Privatvereinbarung dem Eidg. Versicherungsgericht auf dem Wege der verwaltungsrechtlichen Klage zum Entscheid zu unterbreiten (vgl. GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl., S. 103). Dem Umstand, dass sich die geltende Regelung des Verfahrens bei Kompetenzkonflikten für den Versicherten in zeitlicher Hinsicht ungünstig auswirkt, können die beteiligten Versicherer dadurch Rechnung tragen, dass sie sich bei an sich klaren Leistungsfällen auf eine unpräjudizierliche Vorleistung einigen.
b) Nach
Art. 118 OG
ist das Bundesgericht verpflichtet, als einzige Instanz die Beurteilung anderer Streitigkeiten verwaltungsrechtlicher Natur zu übernehmen, wenn es von beiden Parteien
BGE 114 V 51 S. 55
angerufen wird und der Streitwert in Streitigkeiten vermögensrechtlicher Natur wenigstens Fr. 20'000.-- beträgt. Diese Prorogation ist für das Eidg. Versicherungsgericht in den entsprechenden Bestimmungen des OG nicht vorgesehen. In den Verweisungsvorschriften der Art. 130, 131, 133 und 135 OG fehlt ein Hinweis auf die Anwendbarkeit von
Art. 118 OG
. Es erweist sich denn auch nicht als notwendig, dass das Eidg. Versicherungsgericht als einzige Instanz über die für das verwaltungsrechtliche Klageverfahren vorgesehenen Streitigkeiten auf dem Gebiet der Sozialversicherung (Art. 116 lit. b-h und k in Verbindung mit
Art. 130 OG
) hinaus Streitigkeiten mit Streitwert ab Fr. 20'000.-- beurteilt, sofern es durch Parteivereinbarung angerufen wird oder der Beklagte sich auf die Klage einlässt (GYGI, a.a.O., S. 103).
3.
Nach dem Gesagten kann auf die verwaltungsrechtliche Klage der SUVA und die Widerklage der Mobiliar nicht eingetreten werden. Die SUVA hat die Einsprache des Nicola G. gegen die Verfügung vom 4. November 1985 zu behandeln.
4.
(Kostenpunkt.)
Dispositiv
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
Auf die verwaltungsrechtliche Klage und die Widerklage wird nicht eingetreten. | null | nan | de | 1,988 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
c20b8ece-ba9d-4f29-b85d-afb343a8800f | Urteilskopf
115 Ib 263
37. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 14. Juli 1989 i.S. Eidgenössische Steuerverwaltung gegen X., Kantonale Verwaltung für die direkte Bundessteuer St. Gallen und Steuerrekurskommission des Kantons St. Gallen (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Art. 21 Abs. 1 lit. d BdBSt
; Kapitalgewinn durch Einbringen von Geschäftsliegenschaften in eine Immobiliengesellschaft bei Umwandlung der Einzelfirma.
1. Voraussetzungen, unter denen stille Reserven bei der Umwandlung steuerneutral auf die neue Gesellschaft übertragen werden können (E. 2).
2. Steuerneutrale Übertragung stiller Reserven auf Liegenschaften bei Aufspaltung einer Einzelfirma in eine Betriebs- und eine Immobiliengesellschaft? (E. 3). | Sachverhalt
ab Seite 263
BGE 115 Ib 263 S. 263
X. führte bis Ende Juni 1982 ein Spenglerei- und Sanitärgeschäft (Einzelfirma). In der Folge gründete er zwei Aktiengesellschaften,
BGE 115 Ib 263 S. 264
die X. Spenglerei und Sanitär AG sowie die X. Immobilien AG. Auf den 1. Juli 1982 brachte er das Spenglereigeschäft in die X. Spenglerei und Sanitär AG ein, während er die Liegenschaften auf die X. Immobilien AG übertrug. Die Übertragung erfolgte durch entsprechende Sacheinlage zu den Buchwerten.
Mit Rücksicht auf die Umwandlung der Einzelfirma in zwei Aktiengesellschaften und den damit verbundenen Berufswechsel (Wechsel von einer selbständigen zu einer unselbständigen Erwerbstätigkeit) wurde X. auf den 1. Juli 1982 zwischenveranlagt. Gleichzeitig wurde eine Jahressteuer gemäss
Art. 43 BdBSt
(damals WStB) für einen Kapitalgewinn im Sinne von
Art. 21 Abs. 1 lit. d BdBSt
von Fr. ... erhoben. Die Veranlagungsbehörde (Kantonale Verwaltung für die direkte Bundessteuer St. Gallen) anerkannte die Gründung der X. Spenglerei und Sanitär AG als steuerneutrale Umwandlung der früheren Einzelunternehmung. Sie fand jedoch, dass mit der Gründung der X. Immobilien AG mit Liegenschaften der früheren Einzelfirma als Sacheinlage der Steuerpflichtige Vermögensstücke ihrem geschäftlichen Zweck entzogen und damit die auf den Liegenschaften eingetretenen Mehrwerte realisiert habe (Privatentnahme).
Eine Einsprache gegen diese Veranlagung wurde teilweise gutgeheissen und der Kapitalgewinn auf Fr. ... herabgesetzt.
Die vom Pflichtigen gegen diese Veranlagung erhobene Beschwerde hiess die Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen gut und hob die Jahressteuer auf. Sie hielt die Voraussetzungen für eine steuerneutrale Übertragung der stillen Reserven auf den Liegenschaften der bisherigen Einzelfirma auf die neugegründete X. Immobilien AG als erfüllt.
Die Eidgenössische Steuerverwaltung führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde, mit der sie beantragt, der Entscheid der Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen sei aufzuheben und der steuerbare Liquidationsgewinn gemäss Einspracheentscheid festzusetzen.
Der Steuerpflichtige und die Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen beantragen, die Beschwerde der Eidgenössischen Steuerverwaltung abzuweisen, während die Kantonale Steuerverwaltung St. Gallen in ihrer Vernehmlassung auf Gutheissung der Beschwerde schliesst.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut und weist die Sache zur Veranlagung eines Liquidationsgewinnes an die Veranlagungsbehörde zurück.
BGE 115 Ib 263 S. 265
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
Nach
Art. 43 BdBSt
ist beim Aufhören der Steuerpflicht und bei Vornahme einer Zwischenveranlagung neben der Steuer vom übrigen Einkommen eine volle Jahressteuer auf den in der Berechnungs- und in der Veranlagungsperiode erzielten Kapitalgewinnen und Wertvermehrungen im Sinne von
Art. 21 Abs. 1 lit. d und f BdBSt
zu dem Steuersatz geschuldet, der sich für dieses Einkommen allein ergibt. Der Beschwerdegegner (Steuerpflichtige) brachte sein als Einzelfirma geführtes Spenglerei- und Sanitärgeschäft in eine neugegründete Aktiengesellschaft (X. Spenglerei und Sanitär AG) ein und wurde damit zum unselbständig Erwerbenden. Es war deshalb bei ihm auf den 1. Juli 1982 eine Zwischenveranlagung wegen Berufswechsels (
Art. 96 BdBSt
, damals WStB) vorzunehmen. Die Veranlagungsbehörde nahm jedoch an, dass mit der Auflösung der Einzelunternehmung und der Übertragung der Geschäftsvermögen bildenden Liegenschaften auf die neue Immobiliengesellschaft (X. Immobilien AG) die stillen Reserven auf den Liegenschaften realisiert worden seien, und veranlagte den Beschwerdegegner mit einer Jahressteuer gemäss
Art. 43 und
Art. 21 Abs. 1 lit. d BdBSt
. Demgegenüber kam die Rekurskommission zum Schluss, es seien alle Voraussetzungen für eine steuerfreie Betriebsteilung erfüllt.
2.
a) Nach
Art. 21 Abs. 1 lit. d BdBSt
gelten in einer zur Buchführung verpflichteten Unternehmung Kapitalgewinne dann als erzielt, wenn Teile des Geschäftsvermögens veräussert oder verwertet werden. Keine solche Veräusserung ist indessen unter Umständen anzunehmen, wenn eine Unternehmung bloss die Rechtsform wechselt. So kann es sich namentlich verhalten, wenn der Inhaber einer Einzelfirma sein Geschäft auf eine oder mehrere neue Aktiengesellschaften überträgt, sofern die übernommenen Betriebe unverändert weitergeführt werden und die Beteiligungen nicht zur Weiterveräusserung bestimmt sind. Werden die Aktiven und Passiven gesamthaft zu den bisherigen Buchwerten übernommen, so stellt die Übertragung im wirtschaftlichen Sinn keine Liquidation oder Veräusserung dar. Aber auch steuerrechtlich fehlt es an einer Realisierung der übertragenen stillen Reserven. In der Rechtsprechung und Steuerpraxis wird deshalb in solchen Fällen - unter näher genannten Voraussetzungen - auf die Besteuerung der stillen Reserven verzichtet; bei Einzelfirmen und Personengesellschaften wird dabei an Art. 21 Abs. 1 lit. d, bei
BGE 115 Ib 263 S. 266
juristischen Personen an
Art. 12 Abs. 2 BdBSt
angeknüpft (
BGE 102 Ib 53
; ASA 52, 559/60; 38, 500 ff. E. 1; KÄNZIG, Die eidgenössische Wehrsteuer, 2. Aufl. 1982, N. 177 ff. zu Art. 21; MASSHARDT, Kommentar zur direkten Bundessteuer, 2. Aufl. 1985, N. 99 f. zu Art. 21; vgl. auch
BGE 98 Ib 413
E. 5 und ASA 40, 116, betreffend
Art. 12 Abs. 2 BdBSt
).
b) Über die Erfordernisse, unter denen bei Unternehmungsumwandlungen, -teilungen usw. auf eine steuerliche Abrechnung auf den eingetretenen Mehrwerten verzichtet werden kann, herrscht in der Steuerpraxis und Literatur allerdings nicht vollständige Übereinstimmung. Bemängelt wird in der Literatur namentlich, dass die Teilung oder Aufspaltung einer Handels-, Dienstleistungs- oder Fabrikationsunternehmung in eine Betriebsgesellschaft und eine parallele Immobiliengesellschaft (Schwestergesellschaft) nicht als steuerneutrale Unternehmungsteilung, d.h. als Teilung in "wirkliche Betriebe" (vgl. MASSHARDT, a.a.O., N. 31 zu Art. 53), anerkannt wird: Was Gegenstand einer rechtlich selbständigen Unternehmung (Kapitalgesellschaft) sein kann - Betriebe, Beteiligungen, Immobilien -, müsse auch als selbständiger Unternehmungsteil steuerneutral abgespalten werden können (so namentlich CAGIANUT/HÖHN, Unternehmungssteuerrecht, § 19 N. 57 S. 645/6; W. JAKOB, Die steuerliche Behandlung der Unternehmungsteilung, Diss. St. Gallen 1983, S. 156 ff., besonders 161; H. WEIDMANN, Steuerfragen bei Unternehmungsumwandlungen und -teilungen, StR 41/1986, S. 14/5). - Das Bundesgericht hat im Entscheid vom 3. Juli 1970 die Frage offengelassen, ob die Aufspaltung einer Fabrikationsunternehmung in eine Betriebsgesellschaft und eine Immobiliengesellschaft als erfolgsneutrale Unternehmungsteilung behandelt werden kann (ASA 40, 117 E. 2). In einem weiteren Entscheid vom 8. Juni 1983 erachtete es die Voraussetzungen für eine steuerneutrale Übertragung der stillen Reserven bei der Aufspaltung einer Einzelfirma in eine Betriebsgesellschaft und eine Immobiliengesellschaft - verbunden mit einer Änderung der Beteiligungsverhältnisse - nicht als gegeben, nahm dabei jedoch zur Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Teilung in eine Betriebsgesellschaft und eine Immobiliengesellschaft steuerneutral erfolgen könne, nicht allgemein Stellung (ASA 52, 559 ff. E. 4, 5). Unter welchen Bedingungen auf die Besteuerung der stillen Reserven bei einer Unternehmungsteilung verzichtet werden kann und dies namentlich bei der Abspaltung einer Immobiliengesellschaft in Betracht fällt, wurde auch in dem - der
BGE 115 Ib 263 S. 267
Vorinstanz und dem Anwalt des Beschwerdegegners bekannten - Urteil vom 3. März 1989 in Sachen Eidgenössische Steuerverwaltung gegen I. AG nicht allgemein beantwortet.
c) Es erscheint nicht ausgeschlossen, dass auch eine Immobiliengesellschaft, die über den Rahmen blosser Vermögensverwaltung hinaus eine grosse Zahl von Liegenschaften durch eigene Dienstleistungen (Vermietung, Verwaltung) betreut oder mit ihnen Handel treibt, die typischen Eigenschaften eines Betriebes im steuerrechtlichen Sinn aufweisen kann (so auch M. REICH, Die Realisation stiller Reserven im Bilanzsteuerrecht, Zürich 1983, S. 193, und A. ROUILLER, Unternehmungsteilungen, ASA 56 S. 308 f.). Ebenso ist unter Umständen einer Einzelunternehmung, die viele Immobilien verwaltet und mit ihnen eventuell Handel treibt, die Qualifikation als Betrieb nicht zum vornherein abzusprechen. Das Bundesgericht versteht den Begriff des Betriebes nicht im rein technischen Sinn, d.h. als Herstellung und Verkauf von Waren. Vielmehr kommen als Gegenstand eines geschäftlichen Betriebes auch Dienstleistungen in Betracht, etwa die Vermietung, wie das Bundesgericht in seiner Rechtsprechung zu
Art. 22 Abs. 1 lit. b BdBSt
(Frage der Abzugsfähigkeit von Abschreibungen und Rückstellungen bei geschäftlichen Betrieben) wiederholt festgestellt hat (
BGE 110 Ib 24
E. 4
;
91 I 288
/9; ASA 52, 369 ff. E. 6, 7).
Von einem Betrieb kann allerdings nur gesprochen werden, wenn die Verwaltung sich nicht in dem erschöpft, was mit der blossen Anlage von Kapital einer Unternehmung in Immobilien ohnehin verbunden ist. Die stillen Reserven auf Vermögensstücken sind durch den Zweck, dem diese in der Unternehmung dienen, mit ihrem Geschäftsbetrieb verbunden. Ein Besteuerungsaufschub ist sachlich nur begründet, wenn die stillen Reserven bei der Umwandlung durch Teilung der Unternehmung jenem Geschäftsbetrieb erhalten bleiben, der seine rechtliche Form ändert (
BGE 102 Ib 53
E. 3a/aa; REICH, a.a.O., S. 189 ff.). Steuerfrei übertragen werden können die Vermögensstücke mit einem (Teil-) Betrieb mit eigenständiger Zwecksetzung. Werden dagegen Kapitalanlage und Betrieb getrennt, so verlieren die stillen Reserven ihre bisherige betriebliche Verknüpfung. Deshalb ist es u.a. nicht möglich, stille Reserven auf Liegenschaften, die bisher der Unternehmung nur als Kapitalanlage dienten, steuerneutral auf eine Immobiliengesellschaft zu übertragen, selbst wenn sie dort einem neuen Betrieb dienen sollten.
BGE 115 Ib 263 S. 268
3.
a) Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdegegner seine als Einzelfirma verfasste Unternehmung in zwei neugegründete Aktiengesellschaften eingebracht. Während die Steuerbehörden die steuerneutrale Übertragung stiller Reserven der bisherigen Einzelfirma auf die neugegründete X. Spenglerei und Sanitär AG ohne weiteres zuliessen, ist umstritten, ob dies auch in bezug auf die stillen Reserven der Liegenschaften, welche der Beschwerdegegner in die X. Immobilien AG einbrachte, zu gelten habe. Bei diesen Liegenschaften handelt es sich um ein Mehrfamilienhaus, ein unüberbautes Grundstück, einen Miteigentumsanteil an einem solchen Grundstück, ein Grundstück mit Wohnhaus und Magazin sowie ein Grundstück mit einer Werkstatt. Die beiden zuletzt genannten Grundstücke dienten dem Spenglerei- und Sanitärgeschäft als Betriebsliegenschaften (Magazin, Werkstatt). Die übrigen Liegenschaften bildeten Kapitalanlage, allenfalls Betriebsreserve, und dienten damit ebenfalls dem Betrieb der Spenglerei. Mit der Teilung der Personenunternehmung sind indessen diese Liegenschaften aus ihrer bisherigen betrieblichen Verknüpfung herausgelöst worden. Die Aufteilung der Einzelunternehmung in eine Immobiliengesellschaft kann deshalb nicht als steuerneutraler Vorgang anerkannt werden.
b) Die Rekurskommission will dem Beschwerdegegner allerdings auch zubilligen, er habe im Rahmen der früheren Personenunternehmung neben dem Spenglerei- und Sanitärgeschäft einen regen Liegenschaftenhandel betrieben, der als selbständiger Betriebsteil habe abgespalten und in der neuen Immobiliengesellschaft verselbständigt werden können.
Dieser Betrachtungsweise kann nicht beigepflichtet werden. Der Beschwerdegegner mag zwar vor der Gründung der Immobiliengesellschaft mit Liegenschaften Handel getrieben haben, wie namentlich seine Beteiligungen an mehreren Baugesellschaften zeigen. Trotzdem ist wohl nicht von einem eigentlichen Betriebszweig Liegenschaftenhandel der Einzelfirma zu sprechen. Die Frage kann aber offenbleiben: Jedenfalls ging an die X. Immobilien AG ein Bestand an Liegenschaften der Einzelfirma über, der sich für die Führung einer selbständigen Unternehmung des Liegenschaftenhandels nur zum kleinen Teil eignet. Das ist erst recht der Fall, nachdem die X. Immobilien AG das unüberbaute Grundstück (Verkehrswert Fr. ...) verkauft hatte und ihr als Liegenschaften für eine eigentliche Handelstätigkeit nur das Mehrfamilienhaus und der Miteigentumsanteil an der unüberbauten Liegenschaft verblieben
BGE 115 Ib 263 S. 269
sind. Diese Liegenschaften bilden daher Vermögensanlage, aber keine wirtschaftliche Unternehmung.
c) Es trifft allerdings zu, dass das Bundesgericht den Begriff des Liegenschaftenhandels in anderem Zusammenhang wesentlich weiter gefasst hat, nämlich wenn es um die Frage ging, ob ein Veräusserungsgewinn Einkommen aus einer auf Erwerb gerichteten Tätigkeit im Sinne von
Art. 21 Abs. 1 lit. a BdBSt
bildet (oder als Kapitalgewinn mangels Buchführungspflicht steuerfrei bleibt,
Art. 21 Abs. 1 lit. d BdBSt
). Es hat dabei in langjähriger Rechtsprechung (namentlich zum Liegenschaftenhandel) eine auf Erwerb gerichtete Tätigkeit schon dann bejaht, wenn der Veräusserungsgewinn nicht im Rahmen einer hauptberuflichen oder mit dem Hauptberuf zusammenhängenden nebenberuflichen, sondern bei einer bloss gelegentlichen Tätigkeit erzielt wurde (zuletzt in
BGE 112 Ib 81
). Dabei ist jedoch zu beachten, dass
Art. 21 Abs. 1 lit. a BdBSt
grundsätzlich an die auf Erwerb gerichtete Tätigkeit anknüpft und für die Steuerbarkeit solcher Veräusserungsgewinne die Führung eines geschäftlichen Betriebes nicht erforderlich ist (ASA 52, 368 E. 5; R. PATRY, La notion d'entreprise commerciale en droit administratif et fiscal suisse, in: Mélanges Henri Zwahlen, Lausanne 1977, S. 662; kritisch dazu J.-A. REYMOND, Distinction entre gain en capital et revenu d'activité, in: Das schweizerische Steuerrecht. Eine Standortbestimmung. Festschrift zum 70. Geburtstag von Ferdinand Zuppinger, Bern 1989, S. 239 ff., besonders 242 ff.). Aus der auf
Art. 21 Abs. 1 lit. a BdBSt
bezüglichen Rechtsprechung lässt sich für den vorliegenden Fall deshalb nichts ableiten. | public_law | nan | de | 1,989 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
c2191a1e-cf02-4b91-8a7a-adea55cc2723 | Urteilskopf
108 IV 185
47. Urteil des Kassationshofes vom 17. September 1982 i.S. Zbinden gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde) | Regeste
Art. 293 StGB
; Auslegung des Begriffs "geheim"; Verhältnis zu
Art. 22 GRN
(SR 171.13).
1. Der Begriff "geheim" ist gleichbedeutend mit gesetzlich oder behördlich erklärtem Ausschluss der Öffentlichkeit. Ein als "vertraulich" bezeichneter Bericht des EMD an die Mitglieder der Geschäftsprüfungskommission des Nationalrates ist solange "geheim", als er nicht für die Öffentlichkeit bestimmt ist (E. 1a).
2. Die gesetzliche oder behördliche Erklärung bestimmt Dauer und Umfang der Geheimhaltung sowie den Kreis der dem Geheimhaltungsgebot unterstehenden Personen (E. 1b).
3. Dem in
Art. 22 GRN
statuierten "Sitzungsgeheimnis" sind nicht nur die Verhandlungen, sondern auch deren Gegenstand bildende Unterlagen unterstellt, sofern sie nicht zum vornherein allgemein zugänglich sind (E. 1c und d). | Sachverhalt
ab Seite 186
BGE 108 IV 185 S. 186
A.-
Am 2. Juni 1980, ca. 17 Uhr, erhielten die Mitglieder der Geschäftsprüfungskommission (GPK) des Nationalrates im Anschluss an eine kurze Sitzung einen Bericht der Sektion EMD über ihre Abklärungen zur Angelegenheit Bachmann/Schilling mit Beilage (Antworten des EMD auf 16 Fragen der GPK). Der Bericht sollte am darauffolgenden Tage in einer Sitzung der GPK beraten werden und war als "vertraulich" gekennzeichnet.
Am späteren Nachmittag des 2. Juni 1980 erkundigte sich der Bundeshausredaktor der Tageszeitung "Blick", Jürg Zbinden, beim damaligen Mitglied der GPK, Nationalrat Georg Nef, nach Neuigkeiten im Fall Bachmann/Schilling, worauf dieser bemerkte, er sei im Besitz des diesbezüglichen Berichtes. Das Begehren Zbindens, ihm den Bericht auszuhändigen, lehnte Nef mit der Begründung ab, dass er diesen zuerst selber lesen müsse. Ungefähr zehn Minuten später traf Zbinden erneut auf Nationalrat Nef, der ihn dahin informierte, dass nichts Relevantes im Bericht stehe. Auf Anfrage Zbindens, ob er den Bericht zum Fotokopieren haben dürfe, um am darauffolgenden Tag in der Zeitung "Blick" einen Artikel darüber schreiben zu können, händigte Nationalrat Nef ihm Bericht und Beilage aus. Zbinden kopierte beide und gab sie kurz darauf an Nef zurück.
Unter dem Titel "Oberst Bachmann sollte neuen Geheimdienst aufziehen" veröffentlichte Zbinden in der Nummer 126 des "Blick" vom 3. Juni 1980 Auszüge und teils auch wörtliche Passagen aus beiden Dokumenten.
B.-
Das Obergericht des Kantons Zürich verurteilte Zbinden am 8. April 1982 in Bestätigung eines Urteils des Einzelrichters in Strafsachen des Bezirksgerichtes Zürich vom 2. Juli 1981 wegen der Veröffentlichung amtlicher geheimer Verhandlungen (
Art. 293 Abs. 1 StGB
) zu einer bedingt vorzeitig löschbaren Busse von Fr. 750.--.
BGE 108 IV 185 S. 187
C.-
Zbinden führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache sei zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Gleichzeitig hat er staatsrechtliche Beschwerde erhoben (BGE 108 Ia ...).
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Der Beschwerdeführer macht geltend,
Art. 293 StGB
verlange als Voraussetzung für die Strafbarkeit, dass die Unterlagen geheim gewesen seien. Diese Bestimmung spreche nämlich nur von "geheim", nicht auch von "vertraulich". Die beiden Ausdrücke bedeuteten nicht dasselbe, und
BGE 77 IV 182
verwende ebenfalls den Begriff "geheim". Wenn sich die Praxis in Auslegung von
Art. 293 StGB
schon auf den formellen Geheimnisbegriff stütze, was erwiesenermassen zu unbefriedigenden Ergebnissen führe, so dürfe sie nicht zusätzlich noch "Geheimheit und Vertraulichkeit" gleichsetzen. Das aber habe die Vorinstanz getan, indem sie nicht genügend zur Kenntnis genommen habe, dass die vom Beschwerdeführer teilweise veröffentlichten Dokumente zum Teil mit der Aufschrift "vertraulich bis nach Behandlung in der Kommission" versehen gewesen seien. Von "geheim" habe darauf nichts gestanden. Die Vorinstanz habe die beiden Begriffe vermischt, und gleicherweise sei dies auch durch das Büro des Nationalrates in einem Papier vom 8. Januar 1980 geschehen. Das sei aber die Folge der unklaren Formulierung von
Art. 22 GRN
(SR 171.13), der die Ausdrücke "geheim" und "vertraulich" verwende. Im übrigen habe niemand behauptet, dass die fraglichen Dokumente Amtsgeheimnisse enthalten hätten. Ob die Kommission den Bericht genehmigt habe oder nicht, spiele keine Rolle; der Hinweis "vertraulich bis nach Behandlung in der Kommission" besage lediglich, dass er tel quel nach Behandlung durch die Kommission habe veröffentlicht werden dürfen. Im übrigen zeigten jene Unklarheiten, dass der Beschwerdeführer zu Unrecht mit einer strafrechtlichen Sanktion bedacht worden sei.
a) Nach
Art. 293 Abs. 1 StGB
macht sich der Veröffentlichung amtlicher geheimer Verhandlungen schuldig, wer, ohne dazu berechtigt zu sein, aus Akten, Verhandlungen oder Untersuchungen einer Behörde, die durch Gesetz oder durch Beschluss der Behörde im Rahmen ihrer Befugnis als geheim erklärt worden sind, etwas an die Öffentlichkeit bringt. Wie das Bundesgericht entschieden hat, liegt diesem Tatbestand der formelle Geheimnisbegriff
BGE 108 IV 185 S. 188
zugrunde. Es kommt also nicht darauf an, ob die ausgespähte oder offenbarte Tatsache wirklich geheim ist. Entscheidend ist einzig die durch Gesetz oder durch Verfügung der Behörde abgegebene Erklärung, die Akten, Verhandlungen oder Untersuchungen seien geheim (das zur Veröffentlichung bestimmte Urteil i.S. M. K. vom 27.11.1981; ebenso STRATENWERTH, 2. Aufl. II S. 303). Da überdies nicht der Wortlaut der gesetzlichen oder behördlichen Erklärung, sondern deren Sinn massgebend ist (
BGE 77 IV 182
und Urteil i.S. M. K.), macht es auch keinen wesentlichen Unterschied aus, ob in concreto Akten, Verhandlungen oder Untersuchungen als "geheim" oder als "vertraulich" und dgl. bezeichnet werden; es muss nur klar sein, dass damit die Öffentlichkeit hat ausgeschlossen werden wollen. Der in
Art. 293 StGB
verwendete Begriff "geheim" kennt denn auch keine graduellen Abstufungen im Sinne von "streng geheim", "geheim", "vertraulich" usw., sondern umfasst alle Klassifizierungen, denen zufolge die Kenntnis auf einen durch Gesetz bzw. durch Beschluss der zuständigen Behörde bestimmten Personenkreis beschränkt bleiben soll. Geheim im Sinne von
Art. 293 StGB
ist somit gleichbedeutend mit gesetzlich oder behördlich erklärtem Ausschluss der Öffentlichkeit (s. die bei STRATENWERTH, a.a.O. zitierten Beispiele). Damit unterscheidet sich dieser Begriff von dem engeren, den Art. 162, 267, 320 und 321 StGB zugrunde liegenden materiellen Geheimnisbegriff, und er lässt - wie sich im folgenden ergeben wird - eine sachlich, zeitlich und personell differenzierte Geheimhaltung zu, die in der Praxis und insbesondere im Parlamentsbetrieb häufig mit dem Ausdruck der Vertraulichkeit bezeichnet wird, ohne aber einen begriffsmässigen Unterschied zum Ausdruck "geheim" im Sinne von
Art. 293 StGB
zu markieren (s. C. BURKHARD, Die parlamentarischen Kommissionen der schweiz. Bundesversammlung, Diss. Zürich 1952, S. 3 Ziff. II und S. 191, Zirkular des Büros des Nationalrats vom 8.1.1980).
b) Hängt nach dem Gesagten das Geheimhaltungsgebot von einer gesetzlichen oder behördlichen Erklärung ab, so kann diese - immer unter Vorbehalt des Amtsgeheimnisses und der militärischen Geheimhaltung - bestimmen, während welcher Dauer und in welchem Umfang Akten, Verhandlungen und Untersuchungen geheimzuhalten sind. Darüber hinaus folgt aus der formellen Natur des Geheimnisbegriffs des
Art. 293 StGB
, dass durch die genannte Erklärung auch der Kreis derjenigen Personen umschrieben werden kann, die Kenntnis von den fraglichen Akten,
BGE 108 IV 185 S. 189
Verhandlungen und Untersuchungen haben dürfen. Dass zu diesem Kreis, soweit behördliche Verhandlungen in Frage stehen, die Sitzungsteilnehmer zählen, versteht sich von selbst. Es können aber in begrenztem Masse auch bestimmte nichtbeteiligte Dritte einbezogen werden. Dadurch verlieren die Verhandlungen nicht ihren geheimen Charakter, sofern diese Dritten ihrerseits zur Geheimhaltung verpflichtet werden (s.
BGE 64 II 171
E. 7, wo das sogar für den materiellen Geheimnisbegriff angenommen wurde).
c) Bezieht man in das Gesagte die Regelung des
Art. 22 GRN
ein, so ergibt sich als erstes, dass diese Bestimmung hinsichtlich der Kommissionsverhandlungen, die allein ausdrücklich erwähnt werden, ein sog. Sitzungsgeheimnis anordnet, mit der Bedeutung, dass über solche Verhandlungen die Kommissionsmitglieder und die anderen Sitzungsteilnehmer so lange nicht öffentlich berichten dürfen, bis Presse, Radio und Fernsehen durch das von der Kommission bezeichnete Mitglied orientiert worden sind (
BGE 107 IV 185
). Auch danach unterliegen sie noch in dem Masse jenem Geheimhaltungsgebot, als sie nicht bekanntmachen dürfen, wie andere Teilnehmer Stellung bezogen haben (Abs. 2).
Soll dieser für die Verhandlungen geltende Ausschluss der Öffentlichkeit seinen Zweck erfüllen, so muss es der Kommission aber auch anheimgestellt sein, Unterlagen, die Gegenstand ihrer Verhandlungen bilden und nicht a priori allgemein zugänglich sind (wie z.B. Vorlagen mit der Botschaft des Bundesrates, die schon vor der Behandlung durch parlamentarische Kommissionen gedruckt herausgegeben werden), dem Sitzungsgeheimnis zu unterstellen. Das folgt ohne weiteres aus dem Sinn jener Ordnung und erhellt auch aus dem öffentlichen Interesse an einer möglichst freien und durch keinerlei unzeitige Beeinflussung beeinträchtigten Meinungsbildung in einer parlamentarischen Kommission (
BGE 107 IV 188
E. 2a und Urteil des Kassationshofes zur staatsrechtlichen Beschwerde Zbindens, Nr. P. 1280/82 vom 17.9.1982, E. 1c).
d) Der Umstand, dass nach
Art. 22 Abs. 3 GRN
die Kommissionsmitglieder dem Sitzungsgeheimnis unterstellte Tatsachen den Mitgliedern und Funktionären ihrer Fraktion bekanntgeben dürfen, ändert an dem formell geheimen Charakter solcher Mitteilungen nichts, weil diese Personen in derselben Bestimmung ausdrücklich verpflichtet werden, solche Mitteilungen nicht bekanntzumachen (s. oben lit. b). Zu einem anderen Ergebnis führt auch nicht, dass
Art. 22 Abs. 3 GRN
nicht von geheimen, sondern von vertraulichen Mitteilungen spricht. Gerade die Tatsache, dass das
BGE 108 IV 185 S. 190
Reglement den genannten Personen verbietet, die ihnen gemachten vertraulichen Mitteilungen weiterzugeben, kennzeichnet diese als geheim im Sinne des
Art. 293 StGB
, wird doch dadurch klar der Wille kundgemacht, die Öffentlichkeit auszuschliessen (s. oben E. 1a). Zudem können sich diese Mitteilungen nach dem Zusammenhang, in welchem sie in
Art. 22 Abs. 3 GRN
erwähnt werden, ihrem Gehalt nach ja nur auf die Kommissionsverhandlungen, die - wie dargetan - grundsätzlich geheim sind, oder auf Verhandlungsunterlagen beziehen, für welche die Kommission den Ausschluss der Öffentlichkeit durch einen entsprechenden Vermerk angeordnet hat.
e) Nach dem Gesagten ist nicht ersichtlich, inwiefern bei diesen sich ohne weiteres aus dem genannten Reglement ergebenden Schlüssen
Art. 22 GRN
der gebotenen Klarheit ermangeln sollte. Soweit die Beschwerde das behauptet, erweist sie sich als unbegründet.
2.
Im vorliegenden Fall ist verbindlich festgestellt, dass der von Nationalrat Nef dem Beschwerdeführer am 2. Juni 1980 ausgehändigte Bericht der Sektion EMD, der anderntags Gegenstand der Beratungen der GPK des Nationalrats bilden sollte, den Hinweis "vertraulich bis nach Behandlung in der Kommission" trug. Darin lag eine Erklärung der zuständigen Instanz, dass das genannte Papier jedenfalls bis nach der Beratung durch die Kommission im Sinne von
Art. 293 Abs. 1 StGB
geheim zu bleiben hatte. Diese Erklärung hatte selbstverständlich auch Gültigkeit für die beigelegten Antworten des EMD auf die von der GPK gestellten Fragen, bildeten jene doch integrierenden Bestandteil des sich auf sie stützenden Berichts. Indem Zbinden in der Ausgabe der Zeitung "Blick" vom 3. Juni 1980 Bericht und Antwortbogen auszugsweise veröffentlichte, brachte er, ohne dazu berechtigt gewesen zu sein, etwas an die Öffentlichkeit, was dieser nach Massgabe von
Art. 22 GRN
nicht oder noch nicht hätte zugänglich gemacht werden dürfen und damit im Sinne von
Art. 293 Abs. 1 StGB
hätte geheim bleiben sollen.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen. | null | nan | de | 1,982 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
c21d2812-05e9-40e2-ab17-4e8c8da68020 | Urteilskopf
102 Ia 509
69. Estratto della sentenza 30 gennaio 1976 della Corte di cassazione penale nella causa Geuer e Kemperdick c. Procuratore pubblico della giurisdizione sopracenerina | Regeste
Art. 17 Abs. 1 OG
.
Die Beratungen und Abstimmungen des Kassationshofes des Bundesgerichts sind nicht öffentlich, auch dann nicht, wenn der Kassationshof als Staatsgerichtshof eine staatsrechtliche Beschwerde beurteilt. | Erwägungen
ab Seite 509
BGE 102 Ia 509 S. 509
Dai considerandi:
1.
La difesa ha chiesto di poter assistere alla deliberazione orale della Corte di cassazione penale del Tribunale federale sedente quale Corte di diritto pubblico. Tale richiesta appare fondata sull'art. 17 cpv. 1 della legge federale sull'organizzazione giudiziaria, del 16 dicembre 1943 (OG), secondo cui, in linea di principio, le deliberazioni e le votazioni del Tribunale federale e delle sue sezioni sono pubbliche. La stessa norma eccettua tuttavia da tale regola, tra l'altro, le deliberazioni e le votazioni delle sezioni penali del Tribunale federale. Trattasi quindi di sapere se questa eccezione si riferisca anche al caso in cui la Corte di cassazione penale deliberi oralmente quale Corte di diritto pubblico su un ricorso di diritto pubblico, in virtù dell'art. 2 n. 1 cpv. 2 e 3 del Regolamento del Tribunale federale svizzero, del 21 ottobre 1944.
BGE 102 Ia 509 S. 510
Il Tribunale federale non ha avuto occasione in passato di pronunciarsi al proposito. In dottrina, BIRCHMEIER (Bundesrechtspflege, ad
art. 17 OG
, oss. 2) è pure silente su questo punto, limitandosi ad evocare una proposta Klöti, tendente a prescrivere la pubblicità delle deliberazioni della Corte di cassazione penale, proposta che fu peraltro respinta.
Il testo dell'art. 17 cpv. 1 OG va interpretato nel senso che le deliberazioni e votazioni della Corte di cassazione penale non sono mai pubbliche, indipendentemente dalle funzioni con cui detta Corte siede. A differenza di quanto stabilito nell'art. 34 cpv. 2 OG (in cui si parla di "materia penale"), nell'art. 17 cpv. 1 OG non si fa riferimento alla natura della causa, bensì all'organo giudicante ("sezioni penali"). Prescindendo da questo argomento desumibile dal testo stesso, una siffatta interpretazione è altresì suffragata dallo scopo della norma in questione. Il ricorso di diritto pubblico per violazione di regole sulle prove concernenti fatti relativi alla causa penale e il ricorso per cassazione sono infatti strettamente connessi, vertendo ambedue sulla stessa causa; l'esito di tutti e due suole essere per l'imputato di pari importanza. Le ragioni che giustificano l'esclusione del pubblico dalla deliberazione su un ricorso per cassazione (opportunità di evitare all'imputato la tensione consistente nell'assistere passivamente alla decisione del proprio caso; opportunità d'impedire che l'imputato consideri una decisione di condanna come dovuta solo ad una maggioranza di giudicanti o eventualmente a circostanze casuali; necessità per il giudice di conservare intera la propria libertà durante la deliberazione e di poter modificare eventualmente la propria opinione nel corso della stessa, ciò che gli riuscirebbe disagevole in presenza delle parti), valgono nella stessa misura per la trattazione di altri ricorsi proposti nell'ambito di cause penali. Inoltre la procedura diverrebbe, sul piano pratico, eccessivamente complicata, ove si dovesse deliberare su ricorsi connessi, in parte pubblicamente, in parte a porte chiuse.
La disciplina prevista per ciò che riguarda i termini dall'art. 34 cpv. 2 OG risulta diversa non soltanto per la diversa formulazione usata dal legislatore, bensì anche per esigenze di carattere pratico: le parti ed i tribunali devono poter fondarsi su termini e su sospensioni di termini uguali per tutti i ricorsi di diritto pubblico.
BGE 102 Ia 509 S. 511
La Corte di cassazione penale ha pertanto deciso, previa concertazione con i presidenti della Camera di diritto pubblico e della Camera competente per i ricorsi fondati sull'art. 4 Cost., che le deliberazioni e le votazioni concernenti ricorsi di diritto pubblico proposti in cause penali e su cui è chiamata a decidere la Corte di cassazione penale, devono aver luogo a porte chiuse. | public_law | nan | it | 1,976 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
c21e943e-5049-418b-b88c-ca4649680d0b | Urteilskopf
89 III 83
18. Arrêt du 15 octobre 1963 dans la cause Tornado AG | Regeste
Eintragung des in einem Abzahlungsvertrage vorgesehenen Eigentumsvorbehaltes.
Begriff der nach Art. 4 Abs. 5 lit. c der Verordnung des Bundesgerichts vom 19. Dezember 1910/29. Oktober 1962 erforderlichen Bescheinigung. | Sachverhalt
ab Seite 84
BGE 89 III 83 S. 84
A.-
Le 2 août 1963, la société anonyme Tornado, à Bâle, a produit à l'Office des poursuites de Genève, pour qu'il inscrive la réserve de propriété, le contrat de vente par acomptes d'un aspir ateur signé le 6 février précédent par Janine Beutler, qui y reconnaît en avoir reçu une copie. Le 22 février, Mlle Beutler a déclaré "résilier" le contrat. Elle a constamment refusé par la suite d'attester qu'elle avait reçu au moins cinq jours plus tôt une copie du contrat signé par les deux parties et qu'elle n'avait pas renoncé durant ce délai à la conclusion du contrat, comme l'art. 226 c CO lui en donne la faculté.
Le 5 août, le préposé a refusé de procéder à l'inscription, la requérante n'ayant pas produit l'attestation prévue par l'ordonnance.
B.-
Le 20 septembre, l'Autorité genevoise de surveila rejeté la plainte formée par la société contre ce refus.
Erwägungen
Considérant en droit:
2.
Le contrat de vente par acomptes n'entre en vigueur pour l'acheteur que cinq jours après la remise en ses mains d'une copie signée par les parties. Pendant ce délai, l'acheteur peut déclarer par écrit au vendeur qu'il renonce à la conclusion du contrat (art. 226 c al. 1 CO; ROLF 1962 p. 1083). Il suit de là que l'acheteur a le droit de mettre obstacle à la perfection du contrat dans un délai déterminé. Pour éviter l'inscription de pactes nuls, il est apparu utile, vu le très grand nombre de requêtes fondées sur des ventes par acomptes, de faciliter la procédure que doit suivre le proposé. Aussi le Tribunal fédéral a-t-il prévu que l'acheteur doit attester qu'il a reçu au moins cinq jours plus tôt une copie du contrat signé par les deux parties et qu'il n'y a pas renoncé durant ce délai, comme l'art. 226 c CO lui en donne la faculté (art. 4 al. 5 litt. c de l'ordonnance du 29 octobre 1962; ROLF 1962 p. 1401). Le préposé doit évidemment se contenter, comme "attestation", de déclarations écrites dont la validité de la vente résulte indubitablement.
BGE 89 III 83 S. 85
La recourante, en l'espèce, a produit le contrat dans lequel l'acheteur déclare avoir reçu une copie signée des deux parties. Cette attestation datée du 6 février 1963 établit que l'acheteur a reçu une copie cinq jours avant la réquisition d'inscription (le 2 août suivant). La recourante a remis en outre à l'office une lettre du 22 février 1963 par laquelle l'acheteur prétendait se trouver - en raison d'une maladie et faute d'une occupation lucrative - dans un cas de force majeure et déclarait "devoir résilier le contrat". Adressée quinze jours après la réception de la copie du contrat, cette déclaration ne se réfère à aucune autre et manifeste pour la première fois la renonciation de son auteur. Sa rédaction même suppose implicitement que l'acheteur n'a pas fait usage de la faculté prévue par la loi dans le délai de cinq jours que celle-ci lui impartit. Par ces deux déclarations, produites par le vendeur et requérant, l'acheteur lui-même atteste donc qu'il a ratifié la vente.
Dispositiv
Par ces motifs, la Chambre des poursuites et des faillites
Admet le recours, annule la décision attaquée et ordonne à l'Office des poursuites de Genève d'inscrire le pacte de réserve de propriété convenu dans le contrat de vente passé le 6 février 1963 entre la société anonyme Tornado et Janine Beutler. | null | nan | fr | 1,963 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
c223656b-bf52-4ff8-8b57-13c280be984f | Urteilskopf
82 III 23
9. Entscheid vom 7. März 1956 i.S. Gebr. Rosenzweig. | Regeste
Das Existenzminimum des Schuldners und seiner Familie, das nach
Art. 93 SchKG
bei einer Lohnpfändung vorbehalten bleibt, erhöht sich, wenn der Schuldner unentbehrliches, nach
Art. 92 Ziff. 1 SchKG
unpfändbares Mobiliar auf Abzahlung gekauft hat, um den Betrag der periodisch zu leistenden Abzahlungsraten, sofern ihm dafür keine andern Mittel zur Verfügung stehen.
Massgebend ist die Höhe und Dauer der Abzahlungen, wie sie vereinbart sind. | Sachverhalt
ab Seite 24
BGE 82 III 23 S. 24
A.-
Die Rekurrenten erhielten am 20. Januar 1956 in ihrer Betreibung Nr. 2897 gegen Frau Mattmann eine leere Pfändungsurrkunde als Verlustschein. Darin war das Ergebnis des Pfändungsvollzuges in folgender Weise festgehalten:
"Beim Schuldner konnte kein pfändbares Vermögen festgestellt und auch kein künftiger Lohn gepfändet werden. Die Schuldnerin arbeitet seit Mitte Dezember 1955 i/Fa. Landis & Gyr, Zug, und hat ihr Kind für Fr. 100.-- p.Mt. verkostgeldet. Das Einkommen beider Ehegatten beträgt Fr. 740.-- p.Mt., das Existenzminimum muss aber auf Fr. 760.-- festgesetzt werden. (Möbelamortisation Fr. 170.-- p.Mt.). Die Ehefrau ist deshalb gezwungen, ihren ganzen Verdienst für den Notbedarf aufzuwenden. 1 Kind geb. 1955."
B.-
Darüber beschwerten sich die Rekurrenten und verlangten die Vornahme einer Lohnpfändung ohne Rücksicht auf die Möbelamortisation. Das Betreibungsamt liess sich zur Beschwerde dahin vernehmen: Es handle sich nicht um eine Lohnabtretung, sondern um Abzahlungen für notwendige Haushaltgegenstände. Die Eheleute Mattmann hätten bisher nur ein Schlafzimmer gehabt und nun, gleichfalls auf Abzahlung, ein Wohnzimmer dazu gekauft, und zwar nur die allernotwendigsten Möbel.
C.-
Auf Grund dieses Berichtes wies die kantonale Aufsichtsbehörde mit Entscheid vom 13. Februar 1956 die Beschwerde ab, mit der Begründung, es sei kein pfändbarer Lohn vorhanden, da den auf Abzahlung gekauften Möbeln Kompetenzqualität nach
Art. 92 Ziff. 1 SchKG
zukomme.
D.-
Mit vorliegendem Rekurs halten die Gläubiger an ihrer Beschwerde fest. Sie beantragen:
a) es sei bei der Fixierung des Existenzminimums die Möbelzahlung von Fr. 170.-- nicht zu berücksichtigen,
BGE 82 III 23 S. 25
eventuell:
b) es sei für die Berechnung des Existenzminimums nicht die volle Abzahlungsquote von Fr. 170.-- pro Monat zu berücksichtigen, sondern es sei bei der Bemessung der Amortisationsquote von einer Lebensdauer der Möbel von 20 Jahren auszugehen und das Existenzminimum nur um den Betrag zu erhöhen, der sich durch die Division der Möbelschuld durch 240 (Monate) ergibt.
Erwägungen
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
1.
Die Rekurrenten wollen die Abzahlungen für die Zimmereinrichtung in erster Linie deshalb nicht berücksichtigt wissen, weil dies nach ihrer Ansicht auf einen doppelten Abzug zugunsten der Schuldnerin hinauslaufe. Denn der notwendige Aufwand für den Haushalt werde ohnehin bei der Berechnung des Existenzminimums schon berücksichtigt. Diese Betrachtungsweise ist jedoch irrtümlich. Bei Bemessung der unpfändbaren Lohnquote nach
Art. 93 SchKG
wird vom normalen Mindestaufwand ausgegangen, wie er sich bei Freigabe der nach
Art. 92 SchKG
unpfändbaren Gegenstände ergibt. Dazu gehören freilich auch die Kosten des laufenden Ersatzbedarfs für verbrauchte Haushaltgegenstände, wie Geschirr usw. (vgl.
BGE 81 III 98
Erw. 3). Der eigentliche Anschaffungspreis für die Zimmer- und Kücheneinrichtung usw. ist aber darin nicht inbegriffen. Ist dieses Mobiliar noch abzuzahlen, so stellen die Abzahlungsquoten einen zusätzlichen Aufwand dar, der erst nach völliger Tilgung des Preises wegfällt. Wie in
BGE 60 III 175
entschieden worden ist, muss dem Schuldner zur Begleichung von Abzahlungsschulden für unentbehrliches, nach
Art. 92 Ziff. 1 SchKG
unpfändbares Mobiliar ein entsprechender Lohnbetrag über das sonstige Existenzminimum hinaus frei gegeben werden. Diese Erweiterung des durch
Art. 93 SchKG
geschützten Notbedarfs
BGE 82 III 23 S. 26
dient der Verwirklichung der Kompetenzansprüche gemäss
Art. 92 SchKG
*.
Dem steht nicht entgegen, dass ein Schuldner die Freigabe von Lohn nicht für ungewisse zukünftige Aufwendungen verlangen kann. Hier handelt es sich um bereits gekauftes und im Gebrauch stehendes Mobiliar, das die Schuldnerin nach vorinstanzlicher Feststellung (die sich freilich nicht auf ein bei den Akten befindliches genaues Verzeichnis stützt, jedoch unbestritten ist) nicht entbehren kann. Um im Genuss dieser Kompetenzstücke zu bleiben, muss die Schuldnerin ihrer Abzahlungspflicht nachkommen, und beim Fehlen anderer Mittel (vgl.
BGE 65 III 131
,
BGE 77 III 154
) steht ihr dafür eben nur der Arbeitslohn zur Verfügung.
Wird bei Bemessung des zusätzlichen Notbedarfs der Rahmen von
Art. 92 SchKG
nicht überschritten, so ist die Befürchtung der Rekurrenten nicht begründet, "es könnte jeder Schuldner dieses Existenzminimum beliebig durch entsprechende Transaktionen in die Höhe treiben".
2.
Nach dem Eventualantrag wären die Abzahlungsquoten auf die ganze voraussichtliche Gebrauchsdauer des Mobiliars zu verlegen, die die Rekurrenten auf zwanzig Jahre schätzen, und es wäre daher allmonatlich nur 1/240 des Kaufpreises zu berücksichtigen. Diese Rechnungsweise scheitert jedoch an den Abzahlungsvereinbarungen, an die sich die Schuldnerin zu halten hat.
* Siehe auch Seite 28/29 hienach.
Dispositiv
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird abgewiesen. | null | nan | de | 1,956 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
c2256516-36d6-435b-9654-34d3b57417e6 | Urteilskopf
82 II 332
45. Urteil der I. Zivilabteilung vom 10. Juli 1956 i.S. Jaussi gegen Aeschbacher. | Regeste
Wohnrechtsvertrag, Schadenersatz wegen Nichterfüllung, Berufung.
Anforderungen an die Berufungsbegründung,
Art. 55 Abs. 1 lit. c OG
(Erw. 2).
Zulässigkeit eines Vertrags zwischen Schwiegervater und Schwiegersohn auf Leistung von Arbeit bei Hausumbau und Finanzierung desselben gegen Einräumung eines Wohnrechts (Erw. 4).
Unmöglichkeit der Vertragserfüllung: Subjektive Unmöglichkeit genügt. Vorliegen solcher? Ermittlung des Schadens und Festsetzung des Ersatzes;
Art. 97 Abs. 1 OR
(Erw. 5). | Sachverhalt
ab Seite 332
BGE 82 II 332 S. 332
A.-
Walter Aeschbacher war Eigentümer eines Wohnhauses in Uetendorf. Im Jahre 1941 vereinbarte er mit seinem Schwiegervater Gottfried Jaussi, dass dieser mit seiner Ehefrau und der zweiten Tochter Klara im Hause Aeschbachers Wohnung nehmen solle. Zu diesem Zwecke wurde dort eine weitere Wohnung eingerichtet. Die hiefür notwendigen Umbauarbeiten führte Gottfried Jaussi, der von Beruf Maurer ist, zur Hauptsache selbst aus. Er bezahlte ferner eine Anzahl von Rechnungen anderer Bauhandwerker. Endlich stellte er Aeschbacher auch noch
BGE 82 II 332 S. 333
den Betrag von Fr. 3100.-- für den Kauf einer angrenzenden Landparzelle zur Verfügung.
Im Jahre 1943 zogen die Eheleute Jaussi mit ihrer Tochter Klara in die für sie bereitgestellte Wohnung ein. Kurz darauf unterzeichneten die Eheleute Aeschbacher im Hinblick auf die von Gottfried Jaussi für den Umbau bezahlten Rechnungen einen Vorempfangsschein, durch den sie anerkannten, von den Eltern Jaussi auf Anrechnung an das Erbteil der Frau Aeschbacher Fr. 12'000.-- erhalten zu haben. Gottfried Jaussi führte auch nach 1943 noch verschiedene Arbeiten im Hause seines Schwiegersohnes aus.
In der Folge verschlechterten sich die Beziehungen der Eheleute Aeschbacher, weshalb die Ehefrau im Frühjahr 1951 das Scheidungsverfahren einleitete. Daraufhin liess Aeschbacher im Juli 1951 seine Schwiegereltern aus dem Hause weisen. Im Scheidungsverfahren, das 1952 zur Auflösung der Ehe führte, machte Frau Aeschbacher den Vorempfang von Fr. 12'000.-- als Frauengutsforderung gegenüber dem Ehemann geltend. Dieser bezahlte hieran Fr. 8000.--. Über die restlichen Fr. 4000.-- wurde in der vom Gericht genehmigten Scheidungskonvention nichts gesagt.
Nach seiner Ausweisung machte Gottfried Jaussi in einem Aussöhnungsverfahren gegenüber Aeschbacher für die an dessen Haus geleistete Arbeit eine Forderung von Fr. 10'915.10 geltend. Eine Klage reichte er indessen nicht ein. Dagegen betrieb er Anfang Januar 1953 Aeschbacher auf Bezahlung von Fr. 14'915.10, wobei er als Grund der Forderung angab: "Vorempfangsschein und Rechnung für geleistete Arbeit". Aeschbacher erhob Rechtsvorschlag.
Am 20. Februar 1953 bezahlte Aeschbacher an einen gewissen Zimmermann, den Gottfried Jaussi und seine Tochter Alida, geschiedene Aeschbacher mit der Eintreibung ihrer Forderungen beauftragt hatten, Fr. 3000.-- "à conto Vorempfangsschein zu Handen von Familie Jaussi".
BGE 82 II 332 S. 334
Am 17. November 1953 traten Gottfried und Alida Jaussi ihre restlichen Ansprüche gegen Aeschbacher an Klara Jaussi ab.
B.-
Klara Jaussi belangte Aeschbacher auf Bezahlung eines Betrages von Fr. 11 915.10 nebst Zinsen und Kosten auf Grund der folgenden Rechnung:
Barleistungen gemäss Vorempfangsschein Fr. 12'000.--
Entschädigung für ausgeführte Bauarbei-
ten " 10'915.10
Total Fr. 22'915.10
abzüglich Zahlungen Aeschbachers " 11'000.--
Restschuld Fr. 11 915.10
Der Beklagte beantragte Abweisung der Klage.
C.-
Der Appellationshof des Kantons Bern schützte mit Urteil vom 31. Januar 1956 die Klage im Betrage von Fr. 1000.-- nebst Zins und Kosten und wies sie im übrigen ab.
Der Zuspruch der Fr. 1000.-- wurde damit begründet, dass es sich dabei um den Restbetrag der von Aeschbacher geschuldeten Frauengutsforderung laut Vorempfangsschein handle.
Einen Entschädigungsanspruch des Gottfried Jaussi für die von ihm am Hause des Beklagten geleistete Arbeit verneinte der Appellationshof mit der Begründung, Jaussi habe diese Arbeiten nicht auf Grund eines obligationenrechtlichen Vertrages ausgeführt, sondern ausschliesslich im Hinblick darauf, dass er nach der Meinung der Beteiligten mit seiner Frau bis zum Tode unentgeltlich im Hause des Beklagten wohnen könne. Es handle sich somit um Abmachungen und gegenseitige Leistungen zwischen Eltern und Kindern im Rahmen ihres besonderen familienrechtlichen Verhältnisses, die nach dem Willen der Beteiligten keine Lohn- oder Entschädigungsansprüche begründen sollten. Mit dem vom Beklagten veranlassten Verlassen des Hauses durch die Eheleute Jaussi sei der Grund für die Zuwendungen des Gottfried Jaussi weggefallen,
BGE 82 II 332 S. 335
so dass der Beklagte um den Wert der Arbeit des letzteren ungerechtfertigt bereichert worden sei. Der dadurch begründete Bereicherungsanspruch sei aber verjährt.
D.-
Mit der vorliegenden Berufung beantragt die Klägerin Verurteilung des Beklagten zur Bezahlung von Fr. 9847.10 nebst Zinsen und Kosten, eventuell die Rückweisung des Falles an die Vorinstanz zu neuer Beurteilung.
Der Beklagte beantragt, es sei auf die Berufung nicht einzutreten. Eventuell schliesst er auf Abweisung der Berufung und auf dem Wege der Anschlussberufung auf gänzliche Abweisung der Klage.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Auf die Anschlussberufung kann nicht eingetreten werden, da der Beklagte die Frist des
Art. 59 Abs. 1 OG
zur Einreichung von Abänderungsanträgen versäumt hat und ein von ihm eingereichtes Wiederherstellungsgesuch durch Zwischenentscheid vom 7. Juni 1956 abgewiesen worden ist.
2.
Zur Begründung seines Antrages, auf die Berufung sei nicht einzutreten, macht der Beklagte geltend, die Berufung behaupte zwar, das angefochtene Urteil verletze Bundesrecht, lasse es aber an einer entsprechenden Substanzierung völlig fehlen, und die ganze Begründung erschöpfe sich in einer Kritik an der vorinstanzlichen Beweiswürdigung.
Wenn die Berufungsbegründung auch nicht als mustergültig bezeichnet werden kann, so rügt sie immerhin eindeutig, dass die Vorinstanz das Vorliegen eines obligationenrechtlichen Vertrages zwischen dem Beklagten und Gottfried Jaussi verneint habe. Das ist aber, wie im folgenden zu zeigen sein wird, gerade der Kern des heutigen Streites. Ob die Berufung dieses obligationenrechtliche Verhältnis, falls ein solches vorliegen sollte, rechtlich
BGE 82 II 332 S. 336
zutreffend charakterisiert, wenn sie von Werkvertrag und Darlehen spricht, ist unwesentlich, da der Richter den ihm von den Parteien zur Beurteilung unterbreiteten Tatbestand von Amtes wegen zu qualifizieren hat.
3.
Die Rechtsbeziehungen zwischen dem Beklagten und Gottfried Jaussi sind teilweise dadurch klargestellt und geordnet worden, dass die Eheleute Aeschbacher den Eheleuten Jaussi den Vorempfangsschein über Fr. 12'000.-- ausstellten. Dieser Vorempfangsschein bezog sich nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz (Urteil S. 5) auf die von Gottfried Jaussi zur Bezahlung von Handwerkerrechnungen und für den Zukauf der Landparzelle gemachten Barleistungen. Mit der Ausstellung des Vorempfangsscheins wurde zum Ausdruck gebracht, dass Gottfried Jaussi den Anspruch auf Ersatz dieser Auslagen seiner Tochter als Frauengut zuwende.
Infolge der Auflösung der Ehe Aeschbacher-Jaussi entstand dann auf Grund des Vorempfangsscheins eine Frauengutsschuld des Beklagten gegenüber seiner geschiedenen Frau in der Höhe von Fr. 12'000.--. Seine Schuldpflicht aus diesem Titel hat der Beklagte anerkannt, indem er daran im Scheidungsverfahren Fr. 8000.--- und später weitere Fr. 3000.-- abzahlte. Die restlichen Fr. 1000.-- hat er nun auch noch zu begleichen auf Grund des Urteils der Vorinstanz, das in diesem Punkte nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens bildet.
Damit sind die Barleistungen des Gottfried Jaussi in der Hauptsache als abgegolten zu betrachten. Es kann sich nur noch fragen, ob er, bezw. die Klägerin als seine Rechtsnachfolgerin, für die beim Wohnungsbau geleistete Arbeit vom Beklagten etwas zu fordern habe. Dieser Anspruch wird von der Klägerin im Berufungsverfahren noch auf Fr. 9847.15 beziffert.
4.
Die Klägerin glaubt zu Unrecht, den genannten Betrag auf Grund eines Werkvertrages zwischen dem Beklagten und Gottfried Jaussi fordern zu können. Ein solcher scheidet nach den verbindlichen tatsächlichen
BGE 82 II 332 S. 337
Feststellungen der Vorinstanz aus. Danach hatte nämlich Gottfried Jaussi nie die Absicht, einen derartigen Anspruch geltend zu machen. Man ging vielmehr beiderseits von der Meinung aus, dass, wenn Gottfried Jaussi beim Umbau mit Geld und Arbeit helfe, er und seine Frau dann bis zu ihrem Tod unentgeltlich im Hause des Beklagten wohnen könnten.
In diesem Sinne lag aber eine vertragliche Abmachung der Beteiligten vor. Wie die Klägerin im kantonalen Verfahren zutreffend ausführte, stellte das Einräumen der Wohnung die vertragliche Gegenleistung des Beklagten für die von Gottfried Jaussi erbrachten (Geld- und) Arbeitsleistungen dar. Dass die Klägerin im Berufungsverfahren ihren Anspruch nicht mehr in dieser Weise begründete, ist belanglos. Es genügt, dass ein Anspruch dieser Art als Rechtsgrund der eingeklagten Forderung aus dem Sachverhalt abgeleitet werden kann, der dem Richter zur Beurteilung unterbreitet wird.
Im Anschluss an die Feststellung, es habe die Meinung gehabt, dass die Eltern Jaussi bis zu ihrem Tode unentgeltlich im Hause des Beklagten wohnen könnten, hat die Vorinstanz weiter erklärt, Gottfried Jaussi habe nicht die Absicht gehabt, "darüberhinaus" für seine Arbeit etwas zu fordern. Die Vorinstanz verkennt jedoch, dass es im vorliegenden Streit nicht darum geht, ob Gottfried Jaussi über die Einräumung eines Wohnrechtes hinaus für seine Arbeit etwas zu fordern habe, sondern dass es vielmehr darauf ankommt, ob den Eltern Jaussi ein Rechtsanspruch zustehe, bis zum Ableben im Hause des Beklagten wohnen zu können.
Die Möglichkeit einer obligationenrechtlichen Abmachung dieses Inhalts wird von der Vorinstanz zu Unrecht verneint. Es ist nicht einzusehen, wieso nicht auch unter Verwandten eine solche Vereinbarung getroffen werden könnte, zumal es sich im vorliegenden Fall mit Rücksicht auf die von Gottfried Jaussi geleistete Arbeit nicht um die unentgeltliche Einräumung eines Wohnrechts handelte.
BGE 82 II 332 S. 338
5.
Dieser obligationenrechtliche Vertrag, der Leistung von Arbeit und vorläufige Finanzierung des Umbaus auf der einen und Einräumung eines Wohnrechts auf der andern Seite vorsah, ist nun vom Beklagten nicht erfüllt worden, indem er den Eltern Jaussi das Wohnrecht nicht während der ganzen in Aussicht genommenen Zeitspanne gewährt hat. Es handelt sich somit um eine Frage der Folgen der Nichterfüllung, nicht um eine solche der ungerechtfertigten Bereicherung, wie die Vorinstanz irrtümlich angenommen hat.
Nach
Art. 97 Abs. 1 OR
hat der Schuldner, wenn die Erfüllung einer Verbindlichkeit nicht oder nicht gehörig bewirkt werden kann, für den daraus erwachsenden Schaden Ersatz zu leisten, sofern er nicht beweist, dass ihm keinerlei Verschulden zur Last fällt.
Unmöglichkeit der Vertragserfüllung im Sinne dieser Bestimmung liegt auch bei bloss subjektiver Unmöglichkeit vor, und eine solche ist schon dann als verwirklicht anzusehen, wenn nach Treu und Glauben im Verkehr dem Schuldner die weitere Erfüllung nicht mehr zumutbar ist.
Mit einer subjektiven Unmöglichkeit in diesem Sinne hat man es hier zu tun. Dem Beklagten konnte nicht zugemutet werden, seinen ehemaligen Schwiegereltern auch nach der Scheidung weiterhin das Wohnrecht zu gewähren und auf diese Weise ständig Begegnungen mit seiner vormaligen Ehefrau ausgesetzt zu sein. Die Ausweisung der Eheleute Jaussi war daher die natürliche Lösung einer subjektiv unmöglich gewordenen Situation.
Für den aus dieser Unmöglichkeit der Vertragserfüllung erwachsenen Schaden hat der Beklagte nach der oben genannten Bestimmung Ersatz zu leisten, sofern er nicht beweist, dass ihm kein Verschulden zur Last fällt. Praktisch läuft das auf die Frage des Verschuldens des Beklagten an der Scheidung der Ehe hinaus, da die Unmöglichkeit der Erfüllung auf diese zurückzuführen ist.
Die Vorinstanz, an die der Fall zu neuer Beurteilung zurückzuweisen ist, hat daher zur Frage der Exkulpation
BGE 82 II 332 S. 339
des Beklagten Stellung zu nehmen. Kommt sie zum Schlusse, dieser Entlastungsbeweis sei nicht erbracht, so hat sie weiter die Höhe des Schadens und des vom Schuldner zu leistenden Ersatzes zu bestimmen. Dabei ist vom Wert des Wohnrechts auszugehen, das dieses im Zeitpunkt der Ausweisung der Eheleute Jaussi in Anbetracht ihrer Lebenserwartungen noch hatte. Das Mass der Haftung sodann richtet sich auf Grund von
Art. 99 Abs. 2 OR
nach der besonderen Natur des Geschäftes; im übrigen finden die Bestimmungen über das Mass der Haftung bei unerlaubten Handlungen entsprechende Anwendung (
Art. 99 Abs. 3 OR
). Es bleibt somit einmal Raum für die Berücksichtigung eines allfälligen Mitverschuldens der Ehefrau an der Ehescheidung. Darüber hinaus ist aber auch noch den besondern Umständen des Falles Rechnung zu tragen. Dazu gehört vorab, dass es sich um Beziehungen zwischen Verwandten handelte, dass der Berufungsbeklagte durch die Abtragung der Frauengutsforderung von Fr. 12'000.-- in diesem Umfange Barauslagen für die Erstellung der Wohnung auf sich genommen hat, dass auf der andern Seite Gottfried Jaussi seinerseits bei der Erstellung der Wohnung unbezahlte Arbeit geleistet hat usw.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.- Auf die Anschlussberufung wird nicht eingetreten. 2. - Die Berufung wird dahin gutgeheissen, dass das Urteil des Appellationshofs des Kantons Bern vom 31. Januar 1956 aufgehoben und die Sache zu neuer Beurteilung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen wird. | public_law | nan | de | 1,956 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
c22a3bf8-30b1-4cf8-8e12-fab444bda63c | Urteilskopf
96 IV 115
30. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 9. November 1970 i.S. A. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Schaffhausen. | Regeste
Art. 25 in Verbindung mit 191 Ziff. 1 Abs. 1 oder 200 StGB.
Verhältnis der beiden Bestimmungen zueinander. | Sachverhalt
ab Seite 115
BGE 96 IV 115 S. 115
A.-
Durch Rekursentscheid des Regierungsrates des Kantons Schaffhausen vom 20. Juni 1969 wurde A. die elterliche Gewalt über seine am 19. Oktober 1954 geborene Tochter X. entzogen und diese unter Vormundschaft gestellt. Ferner wurde beschlossen, das Kind auf unbestimmte Zeit in ein Mädchenheim einzuweisen. Da A. sich mit diesen Massnahmen nicht abfinden konnte, vereinbarte er am 31. Juli 1969 mit dem 1950 geborenen Freund seiner Tochter, Y., dass dieser mit seinem Auto X. ins Ausland fahren solle. A. sagte jede mögliche Unterstützung zu. Am 1. August 1969 fuhr Y. mit X. für einige Wochen nach Frankreich. A. unterhielt mit ihnen regelmässigen brieflichen und telefonischen Kontakt und liess ihnen wiederholt Bargeld, insgesamt etwa Fr. 1'100.--, zukommen; er sandte ihnen auf ihr Begehren auch gewisse Ersatzteile für das defekt gewordene Auto. Am 19. September 1969 traten Y. und X. die Heimreise an. Am 7. Oktober 1969 wurden sie in Locarno von der Polizei festgenommen. Nach ihren übereinstimmenden Aussagen war es während der gemeinsamen Flucht zwischen ihnen wiederholt zum Geschlechtsverkehr gekommen.
B.-
Mit Entscheid vom 11. Februar 1970 erklärte das
BGE 96 IV 115 S. 116
Kantonsgericht Schaffhausen A. schuldig des Entziehens und Vorenthaltens einer Unmündigen, der Anstiftung dazu sowie der Gehilfenschaft zur Unzucht mit einem Kinde und bestrafte ihn mit 75 Tagen Gefängnis. Es billigte dem Verurteilten den bedingten Strafvollzug zu, unter Ansetzung einer Probezeit von zwei Jahren. In teilweiser Gutheissung der von A. gegen dieses Urteil eingelegten Berufung erklärte das Obergericht des Kantons Schaffhausen diesen am 15. Mai 1970 nur des Entziehens und Vorenthaltens einer Unmündigen, der Anstiftung dazu und der Begünstigung der Unzucht gemäss
Art. 200 StGB
schuldig und ermässigte die Gefängnisstrafe auf 40 Tage, für welche ihm auf eine Probezeit von zwei Jahren der bedingte Strafvollzug zugebilligt wurde.
C.-
Gegen diesen Entscheid führt die Staatsanwaltschaft Nichtigkeitsbeschwerde an das Bundesgericht mit dem Begehren, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit sie A. nicht der Begünstigung der Unzucht, sondern der Gehilfenschaft zur Unzucht mit einem Kinde gemäss Art. 25 und 191 Ziff. 1 Abs. 1 StGB schuldig erkläre und die Strafe neu festsetze.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
Um entscheiden zu können, ob das von der Vorinstanz verbindlich festgestellte Verhalten von A. als Gehilfenschaft zur Unzucht mit einem Kinde gemäss Art. 25 und 191 Ziff. 1 Abs. 1 StGB oder aber als Begünstigung der Unzucht gemäss
Art. 200 StGB
zu qualifizieren sei, ist der Gehalt der beiden in Frage kommenden Strafbestimmungen und ihr Verhältnis zueinander klarzustellen.
Die Auffassung der Vorinstanz ist zutreffend, wonach zwischen der Hilfeleistung i.S. des Art. 25 und der Vorschubleistung gemäss
Art. 200 StGB
zur Unzucht insofern kein Unterschied gemacht werden kann, als in beiden Fällen jeder irgendwie geartete kausale Tatbeitrag gemeint ist. Aber auch in subjektiver Hinsicht besteht bei der Gehilfenschaft - entgegen der Meinung des Obergerichts - keineswegs "eine direktere psychische Beziehung zur konkreten Deliktshandlung des Haupttäters" als bei der Begünstigung der Unzucht. Wieso im letztern Fall bloss eine relativ unbestimmte Vorstellung des Täters über die von ihm begünstigten Handlungen bestehen soll, ist nicht einzusehen. Sowohl bei der Gehilfenschaft nach
BGE 96 IV 115 S. 117
Art. 25 und 191 StGB
als auch bei der Begünstigung nach
Art. 200 StGB
wird übereinstimmend vorausgesetzt, dass der Täter auf irgendeine Weise fremde Unzucht unterstütze und fördere.
Ein Unterschied zwischen der Gehilfenschaft zur Unzucht mit einem Kinde im Sinne von
Art. 25 und 191 StGB
und der Begünstigung der Unzucht mit einem Kinde gemäss
Art. 200 StGB
besteht hingegen darin, dass eine Hilfeleistung nach
Art. 25 StGB
nur dort vorliegt, wo die Unzucht ein Verbrechen oder ein Vergehen darstellt, während nach
Art. 200 StGB
eine Begünstigung auch dort gegeben ist, wo die Unzucht an sich bloss als Übertretung oder überhaupt nicht unter Strafe steht.
Im vorliegenden Fall stellt die Unzucht mit einem Kind im Sinne von
Art. 191 Ziff. 1 Abs. 1 StGB
, deren Förderung und Unterstützung A. von der Vorinstanz vorgeworfen wird, ein Verbrechen dar. Daher ist Art. 25 in Verbindung mit
Art. 191 Ziff. 1 Abs. 1 StGB
anwendbar, wie das Kantonsgericht im Einklang mit der herrschenden Lehre richtig angenommen hatte (SCHWANDER; Das schweiz. Strafgesetzbuch, 2. Auflage, S. 421 Nr. 646 Ziff. 2; HAFTER, bes. Teil, S. 145 N. 5; THORMANN/VON OVERBECK, N. 3 zu
Art. 200 StGB
). Daneben erfüllen die von A. begangenen Handlungen gleichzeitig aber auch den Tatbestand des
Art. 200 StGB
. Zwischen den genannten Bestimmungen besteht Gesetzeskonkurrenz, weil die erstere der beiden Strafnormen den Unrechts- und Schuldgehalt der von A. verübten Tat wertmässig nach allen Richtungen erfasst (SCHWANDER, a.a.O. S. 150 Nr. 315, S. 151 Nr. 317). Der Straftatbestand des
Art. 200 StGB
wird durch den weit schwereren Tatbestand der Art. 25 und 191 Ziff. 1 Abs. 1 StGB also konsumiert.
In Gutheissung der Beschwerde ist das angefochtene Urteil daher aufzuheben und die Sache an das Obergericht zurückzuweisen, damit es A. ausser wegen Entziehens und Vorenthaltens einer Unmündigen und Anstiftung dazu gemäss
Art. 24 Abs. 1 und 200 StGB
auch wegen Beihilfe zur Unzucht mit Kindern gemäss Art. 25 und 191 Ziff. 1 Abs. 1 StGB (
BGE 87 IV 54
) schuldig erkläre und die Strafe dementsprechend neu festsetze. | null | nan | de | 1,970 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
c22b39ae-cfa8-4ec8-861c-be1f6642a88e | Urteilskopf
99 Ia 567
69. Arrêt du 28 mars 1973 dans la cause Fondation de famille de Zurich-de Reynold contre Commission de recours en matière d'impôt du canton de Fribourg. | Regeste
Ausgleichsabgabe für die Verminderung von Kulturland. Willkür. Verweigerung des rechtlichen Gehörs.
Art. 5 EGG
und freiburgisches Ausführungsgesetz dazu.
Art. 4 BV
.
Es ist nicht willkürlich, die Ausgleichsabgabe zu erheben im Falle der Veräusserung eines landwirtschaftlichen Grundstücks, das in einer Bauzone liegt (Erw. 2).
Art. 4 BV
verpflichtet die entscheidende Behörde nicht, den Parteien Gelegenheit zur Berichtigung ihrer rechtlichen Vorbringen zu geben (Erw. 3). | Sachverhalt
ab Seite 567
BGE 99 Ia 567 S. 567
A.-
Selon l'art. 5 de la loi fédérale sur le maintien de la
BGE 99 Ia 567 S. 568
propriété foncière rurale, du 12 juin 1951, "les cantons décident si, à quelles conditions et sous quelle forme il y aura lieu de compenser une diminution de la surface productive résultant d'un acte d'aliénation, soit en mettant des terres au service de l'agriculture, soit en versant des montants à cet effet ou pour ameliorer des terres déjà utilisées pour l'agriculture; ils tiennent compte, le cas échéant, des dispositions sur le plan d'aménagement régional". La loi fribourgeoise d'application, du 18 novembre 1971, modifiant celle du 25 novembre 1952, prévoit en particulier à son art. 2 qu'en cas d'aliénation de terrains productifs entraînant une diminution de l'aire agricole, le canton prélève un montant compensatoire, en espèces, montant qui est dû par l'aliénateur.
B.-
Le 29 janvier 1972, la Fondation de famille de Zurichde Reynold a vendu une parcelle de 1399 m2 détachée de l'article 313 aa, champ de 17 958 m2, sis sur la commune de Villarssur-Glâne, au lieu dit "Grande Fin".
Par décision du 30 mars 1972, le conservateur du registre foncier de l'arrondissement de la Sarine a frappé cette vente de la taxe compensatoire pour diminution de l'aire agricole, à concurrence de 4% du prix de vente, plus un émolument de 2 fr. 70.
La Fondation de famille de Zurich-de Reynold a recouru contre cette décision auprès de la Commission cantonale de recours en matière d'impôt. Elle soutenait en particulier que si un plan d'aménagement communal réserve à la construction une certaine partie du territoire communal - ce qui serait le cas en l'espèce pour la parcelle vendue -, la décision comportant sortie de l'aire agricole est en réalité prise par la commune. Statuant le 22 septembre 1972, la Commission cantonale a rejeté le recours, sauf en ce qui concerne l'émolument de 2 fr. 70. Elle relève que la vente qui a donné lieu à la taxation attaquée a été effectuée alors qu'aucun plan de zones n'existait encore dans la commune de Villars-sur-Glâne, et se réfère à ce propos à une lettre des autorités de cette dernière du 30 août 1972, dont il résulte qu'à cette date le plan n'avait pas encore été publié, ni même approuvé par le Conseil d'Etat.
C.-
Agissant par la voie du recours de droit public et se fondant sur l'art. 4 Cst., la Fondation de Zurich-de Reynold requiert l'annulation de la décision de la Commission cantonale de recours en matière d'impôt.
BGE 99 Ia 567 S. 569
D.-
Dans sa réponse au recours de droit public, la Commission cantonale de recours conteste, sans conclure, la pertinence des moyens invoqués par la recourante. La Direction des finances du canton de Fribourg déclare souscrire aux observations de la Commission cantonale.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
...
2.
La recourante soutient tout d'abord que lorsque le terrain vendu est compris dans un plan d'aménagement communal, ce n'est pas la vente par le propriétaire à un acquéreur quelconque qui fait sortir le terrain de l'aire agricole, mais bien la décision de la commune créant des zones réservées à la construction. En l'espèce, le terrain vendu serait en zone de construction, en vertu d'une part du plan d'aménagement de Villars-sur-Glâne et d'autre part d'un plan de quartier spécial.
a) Dans la décision attaquée, la Commission cantonale de recours relève que le plan d'aménagement invoqué, établi par la commune en 1971, n'était pas encore en vigueur lors de la vente - ni même lors de sa décision - faute d'avoir été approuvé par le Conseil d'Etat. Aussi juge-t-elle superflu de se prononcer définitivement sur le mérite de l'argumentation de droit de la recourante. Cette manière de procéder ne viole pas l'art. 4 Cst. Sans doute est-il exact qu'un plan d'aménagement en voie d'élaboration peut déjà déployer certains effets, pour éviter de compromettre le résultat visé. Mais la recourante ne cherche pas même à démontrer en quoi il serait arbitraire de ne pas tenir compte d'un plan non encore en vigueur dans le domaine particulier de la perception de la taxe compensatoire.
b) La Fondation fait encore état, dans son recours de droit public - elle n'en avait pas parlé dans son recours cantonal -, du plan de quartier spécial régissant le secteur de la "Grande Fin", plan approuvé par le Conseil d'Etat en septembre 1971, soit avant la vente objet de la taxe litigieuse. Ce moyen est nouveau. On peut se dispenser d'examiner s'il est néanmoins recevable, à titre exceptionnel, sur le vu des principes posés par la jurisprudence (RO 97 I 491 consid. 3, 817 consid. 3), car il n'apparaît pas fondé. Certes, comme le relève la Commission de recours elle-même, l'art. 1er de la loi fribourgeoise d'application de la loi fédérale sur le maintien de la propriété foncière rurale permet aux communes, avec l'approbation du Conseil
BGE 99 Ia 567 S. 570
d'Etat, de déclarer la loi inapplicable aux zones à bâtir indispensables pour le développement d'une localité. Mais il n'en résulte pas nécessairement que l'adoption d'un plan d'aménagement ou de quartier ait de plein droit pour effet de rendre la loi inapplicable à toutes les zones de construction. Dans un réglement du 31 octobre 1969, relatif à l'exécution des art. 1er et 2 de la loi fribourgeoise d'application du 25 novembre 1952 de la loi fédérale sur le maintien de la propriété foncière rurale, le Conseil d'Etat avait adopté la solution contraire, en posant en principe (art. 1er al. 2) que la taxe devait aussi être prélevée en cas de vente de terrains agricoles compris dans le périmètre d'un plan d'aménagement approuvé par le Conseil d'Etat. Cette solution n'apparaît pas insoutenable non plus sous l'empire du droit nouveau. Elle n'est en tout cas pas dépourvue de sens et de but, car elle permet seule de conserver une portée pratique à la taxe compensatoire. Il est évident en effet que, dans la plupart des cas, les terrains productifs distraits de l'aire agricole sont affectés à la construction ou à des installations industrielles ou commerciales et que cette affectation présuppose en principe l'existence d'un plan d'aménagement ou d'un autre plan d'urbanisme. Si l'on suivait la recourante, la taxe compensatoire ne serait presque jamais perçue. Il n'est pas contesté, au demeurant, que le fonds objet de la vente du 29 janvier 1972 était un terrain agricole et que la vente a eu pour effet de le distraire de l'aire agricole. L'imposition de la recourante n'est donc pas contraire à l'art. 4 Cst.
3.
La recourante se plaint encore de violation du droit d'être entendu, pour n'avoir pas eu l'occasion de se déterminer sur une lettre adressée à la Commission cantonale de recours par la commune de Villars-sur-Glâne, le 30 août 1972. N'invoquant aucune disposition de droit cantonal, elle se réfère uniquement à l'art. 4 Cst.
L'autorité communale se borne, dans sa lettre du 30 août 1972, répondant à une réquisition de production de la Commission cantonale de recours, à exposer que son règlement des constructions est en cours d'impression et que le plan de zone n'a pas encore été publié, étant donné qu'il n'a pas été approuvé par le Conseil d'Etat. Cette lettre n'apporte donc aucun élément de fait pertinent à la cause. Elle n'éclaire qu'un point de droit, le régime juridique des fonds aliénés. Or, si le droit d'être entendu implique celui de se déterminer sur le résultat de
BGE 99 Ia 567 S. 571
l'administration des preuves, il ne va pas juqu'à imposer à l'autorité de décision l'obligation de donner aux parties l'occasion de rectifier et de compléter une argumentation reposant sur une appréciation inexacte de la situation juridique initiale. La recourante pouvait fort bien se renseigner elle-même sur ce point avant de déposer son recours et ne saurait s'en prendre qu'à elle-même si elle ne l'a pas fait.
Ce grief formel est ainsi mal fondé lui aussi. | public_law | nan | fr | 1,973 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
c22f60e4-d81d-429f-be48-87ac52cab910 | Urteilskopf
103 IV 23
7. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 21. Januar 1977 i.S. B. gegen Staatsanwaltschaft Graubünden | Regeste
Art. 110,
Art. 251 StGB
; Beweiseignung.
1. Einer Schrift muss, auch wenn sie vom Aussteller zum Beweis hergestellt wurde, überdies nach Gesetz oder Verkehrsübung Beweiseignung zukommen, um als Urkunde gelten zu können (Erw. 1a).
2. Einer von der Kontrollstelle nicht geprüften und von der Generalversammlung nicht abgenommenen Bilanz kommt nicht von Gesetzes wegen Beweiseignung zu (Erw. 1b).
3. Das Fehlen der Unterschriften auf der Bilanz ist für die Frage der Beweiseignung ohne Belang, sofern sich feststellen lässt, dass sie vom Unterzeichnungspflichtigen (
Art. 961 OR
) aufgestellt oder genehmigt wurde (Erw. 1b). | Erwägungen
ab Seite 24
BGE 103 IV 23 S. 24
Aus den Erwägungen:
1.
Der Beschwerdeführer behauptet, es fehle an einer falschen Urkunde.
a) Er macht geltend, die fragliche Bilanz sei keine endgültige, sondern nur eine Probebilanz gewesen. Sie sei deshalb nicht geeignet gewesen, Tatsachen von rechtlicher Bedeutung zu beweisen. Dass sie weder von der Kontrollstelle geprüft, noch von der Generalversammlung genehmigt worden sei, sei unbestritten. Auch sei sie von den zuständigen Organen nicht unterzeichnet worden.
Ob die "Bilanz" nach der Meinung des Beschwerdeführers und der übrigen an der Fälschung Beteiligten provisorischen oder definitiven Charakter gehabt habe, ist eine Tatfrage, die bereits mit der staatsrechtlichen Beschwerde zur Entscheidung gestellt wurde und in diesem Verfahren nicht aufgeworfen werden kann. Es muss deshalb bei der als nicht willkürlich befundenen Feststellung des Kantonsgerichts sein Bewenden haben, dass die Bilanz nach Auffassung des Beschwerdeführers und der übrigen Beteiligten definitiven Charakter hatte.
BGE 103 IV 23 S. 25
Damit, dass der Täter eine Bilanz als endgültig ansieht und ihr Beweisbestimmung gibt, ist indessen noch nicht gesagt, dass die Schrift auch zum Beweis objektiv geeignet sei. Nach neuester Rechtsprechung muss einer Schrift, auch wenn sie vom Aussteller zum Beweis hergestellt wurde, überdies nach Gesetz oder Verkehrsübung Beweiseignung zukommen (
BGE 101 IV 279
).
b) Die Bilanz ist nach
Art. 961 OR
vom Firmainhaber und wenn es sich um eine Aktiengesellschaft handelt, von den mit der Geschäftsführung betrauten Personen zu unterzeichnen. Die Unterschrift ist jedoch nicht Gültigkeitserfordernis für die Bilanz;
Art. 961 OR
ist nur eine Ordnungsvorschrift (BEELER, Die Buchführung nach schweizerischem Obligationenrecht, S. 31; BLUMMER/GRAF, Kaufmännische Bilanz und Steuerbilanz, S. 80; HIS, Kommentar, N 21/22 zu
Art. 961 OR
). Das Fehlen der Unterschriften auf der Bilanz ist demnach für die Frage der Beweiseignung ohne Belang, sofern sich feststellen lässt, dass sie vom Unterzeichnungspflichtigen aufgestellt oder genehmigt wurde, was hier zutraf.
Dagegen ist nach
Art. 698 Abs. 2 Ziff. 3 OR
bei der Aktiengesellschaft die von der Verwaltung aufgestellte und von der Kontrollstelle geprüfte Bilanz von der Generalversammlung "abzunehmen". Diese Abnahme der Bilanz ist nicht eine blosse Genehmigung. Vielmehr kann die Generalversammlung die Bilanz eingehend prüfen, Zwischenrevisionen anordnen und zur Prüfung besondere Kommissäre oder Sachverständige beiziehen (
Art. 731 OR
). Schliesslich wird die Bilanz von der Generalversammlung bindend festgestellt (BEELER, a.a.O. S. 93; V. STEIGER, Das Recht der Aktiengesellschaft, 4. Aufl. S. 201). BEELER bezeichnet deshalb die von der Verwaltung aufgestellte Bilanz als einen Entwurf. Angesichts dessen kann nicht gesagt werden, einer von der Kontrollstelle nicht geprüften und von der Generalversammlung nicht abgenommenen Bilanz komme von Gesetzes wegen Beweiseignung zu. Dass die Bilanz erst durch Beschluss der Generalversammlung zu dem wird, was das Gesetz in
Art. 963 OR
als zum Beweis geeignete Schrift versteht, ergibt sich auch aus
Art. 704 OR
, wonach auf Begehren eines Gesellschaftsgläubigers das Handelsregisteramt die Auflegung nicht irgendeiner Bilanz, sondern der "Bilanz in der von den Aktionären genehmigten Fassung" anzuordnen hat.
BGE 103 IV 23 S. 26
c) Zu prüfen bleibt deshalb, ob einer Bilanz, wie sie hier in Frage steht, nach der Verkehrsübung Beweiseignung zukommt. Das lässt sich aufgrund des angefochtenen Urteils nicht zuverlässig beantworten. Die Vorinstanz stellt einzig fest, die Bilanz sei in den Besitz der Kantonalbank gelangt und habe dieser zur Beurteilung der Kreditwürdigkeit der A. AG gedient. Damit ist indessen noch nicht erwiesen, dass Banken in schweizerischen Verhältnissen bei Prüfung von Kreditbegehren allgemein schon auf solche von der Kontrollstelle nicht geprüfte und von der Generalversammlung nicht abgenommene Bilanzen wie auf eine Beweisurkunde abzustellen pflegen. Der in der Vernehmlassung der Staatsanwaltschaft enthaltene Hinweis auf Kriminalistik 1975, S. 456/457 hilft diesbezüglich deswegen nicht weiter, weil es sich bei den dort erwähnten Bankbilanzen um vom Steuerberater testierte Bilanzen gehandelt hat, was hier nicht der Fall war, und der Artikel im übrigen deutsche Verhältnisse betrifft. Eine schweizerische Verkehrsübung im vorgenannten Sinn ist somit nicht dargetan. Zu einem andern Schluss führt auch die Tatsache nicht, dass die fragliche Bilanz der S. Treuhandgesellschaft AG, welche im Auftrag der T. AG die von der R. AG geführten Bücher überprüfte, übergeben und von ihr in ihrem Bericht an die T. AG verarbeitet worden war. Dass jene Bilanz dabei als Beweisurkunde Verwendung gefunden habe, ist nicht festgestellt; zudem wäre auch damit eine schweizerische Verkehrsübung nicht erwiesen.
Die Sache ist daher an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit sie abkläre, ob es einer in schweizerischen Geschäftskreisen, namentlich bei Banken, herrschenden Übung entspricht, von der Verwaltung einer AG aufgestellte, von der Kontrollstelle indessen noch nicht geprüfte und von der Generalversammlung nicht abgenommene Bilanzen bei der Behandlung von Kreditbegehren massgeblich zugrunde zu legen. Sollte sich ergeben, dass dem so ist, dann wäre die Beweiseignung zu bejahen. | null | nan | de | 1,977 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
c232bde8-a5a1-4aa7-8146-f3718993ddcb | Urteilskopf
125 IV 4
2. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 11. Dezember 1998 i.S. S. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde) | Regeste
Art. 58 Abs. 4 StGB
i.V.m. Abs. 1 lit. a StGB a.F.; Ersatz-Einziehung bei versuchter Hehlerei?
Wer irrtümlich davon ausgeht, dass die von ihm veräusserten Gegenstände aus einer strafbaren Vortat stammen, handelt objektiv rechtmässig. Einnahmen aus einem objektiv legalen Verkaufsgeschäft unterliegen nicht der Ersatz-Einziehung (E. 2). | Sachverhalt
ab Seite 4
BGE 125 IV 4 S. 4
A.-
S. wird vorgeworfen, zwischen Mai 1987 und Oktober 1993 als langjähriger leitender Angestellter der U. AG von einem Mitarbeiter der Firma, R., aufgefrischte gebrauchte Computerteile übernommen und sie an über 40 Geschäfte weiterverkauft zu haben, obschon er aufgrund der Umstände und seiner guten Kenntnisse der Computerbranche wusste oder annehmen musste, dass R. die gelieferten Waren unrechtmässig erlangt hatte. Von den Gesamteinnahmen in der Höhe von Fr. 986'412.40 gab S. 65% an R. weiter und behielt die restlichen 35% für sich. Gestützt auf das Geständnis von R., die an S. gelieferten Waren von seinem Arbeitgeber veruntreut zu haben, wurde R. am 5. Oktober 1993 in Holland wegen Veruntreuung
BGE 125 IV 4 S. 5
zu einer durch unbezahlte wohltätige Arbeit zu verbüssenden unbedingten Gefängnisstrafe von 6 Monaten sowie zu einer bedingten Gefängnisstrafe von 6 Monaten verurteilt.
B.-
Das Bezirksgericht Horgen sprach S. am 11. Oktober 1995 der gewerbsmässigen Hehlerei und der mehrfachen Urkundenfälschung schuldig und verurteilte ihn zu einer Gefängnisstrafe von 2 3/4 Jahren. Zudem verpflichtete das Gericht S. zur Zahlung einer Ersatzforderung an den Staat in der Höhe von Fr. 275'458.--, unter dem Vorbehalt der Rückübertragung eingezogener Vermögenswerte auf den Täter, sofern dieser der Geschädigten eingezogene Vermögenswerte zuerkenne.
Auf Berufung des Verurteilten hin sprach ihn das Obergericht des Kantons Zürich, II. Strafkammer, am 6. März 1997 der vollendeten, teilweise untauglich versuchten gewerbsmässigen Hehlerei sowie der mehrfachen Urkundenfälschung schuldig und verurteilte ihn zu einer bedingten Gefängnisstrafe von 18 Monaten. Im Übrigen bestätigte es den angefochtenen Entscheid. Den Schuldspruch der untauglich versuchten gewerbsmässigen Hehlerei begründete das Obergericht im Wesentlichen damit, dass in Bezug auf einen Teil der Warenlieferungen eine strafbare Vortat von R. nicht schlüssig nachgewiesen sei.
Die von S. dagegen erhobene kantonale Nichtigkeitsbeschwerde hiess das Kassationsgericht des Kantons Zürich am 28. Juni 1998 in Bezug auf die Verteilung der Verfahrenskosten teilweise gut; im Übrigen wies es die Beschwerde ab.
C.-
S. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, Ziffer 5 des angefochtenen Urteilsdispositivs (Einziehung) aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Das Obergericht des Kantons Zürich hat auf eine Stellungnahme zur Beschwerde verzichtet. Die Staatsanwaltschaft hat innert Frist keine Gegenbemerkungen eingereicht.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Der Beschwerdeführer beschränkt sich auf den Antrag, die Angelegenheit unter Aufhebung von Ziffer 5 des obergerichtlichen Urteilsdispositivs - in welcher er zur Zahlung einer Ersatzforderung von Fr. 275'458.-- verpflichtet wurde - an die Vorinstanz zurückzuweisen. Über diesen Antrag darf das Bundesgericht nicht hinausgehen (
Art. 277bis Abs. 1 Satz 1 BStP
; vgl. auch BGE 123 IV
BGE 125 IV 4 S. 6
125). Im Übrigen ist seine Verurteilung wegen vollendeter, teilweise untauglich versuchter gewerbsmässiger Hehlerei im Lichte der von der Vorinstanz getroffenen tatsächlichen Feststellungen bundesrechtlich nicht zu beanstanden.
2.
Der Beschwerdeführer bringt vor, selbst wenn untaugliche Versuche der Hehlerei strafbar wären, könne deren Kausalität für Vorteile im Sinne von
Art. 58 StGB
a.F. nicht gegeben sein. Es fehle an einer strafbaren Vortat als Anlasstat der Ausgleichs-Einziehung. Zudem habe die Absatzhehlerei keinen deliktischen Gewinn des Hehlers zur Folge. Das Erfordernis der Unrechtmässigkeit der von ihm erlangten Vermögensvorteile sei nicht erfüllt, weil er zivilrechtlich Anspruch auf den Verkaufserlös gehabt habe; damit sei eine Ersatzforderung des Staates ausgeschlossen.
a) Die Vorinstanz ordnete eine Ersatz-Einziehung im Sinne von Art. 58 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 lit. a StGB a.F. an.
aa) Gemäss
Art. 58 Abs. 1 lit. a StGB
a.F. verfügt der Richter ohne Rücksicht auf die Strafbarkeit einer bestimmten Person die Einziehung von (...) Vermögenswerten, die durch eine strafbare Handlung hervorgebracht oder erlangt worden sind (...), soweit die Einziehung zur Beseitigung eines unrechtmässigen Vorteils oder Zustandes als geboten erscheint; sind (...) Vermögenswerte bei demjenigen, der durch sie einen unrechtmässigen Vorteil erlangt hat und bei dem sie einzuziehen wären, nicht mehr vorhanden, so wird nach
Art. 58 Abs. 4 StGB
a.F. auf eine Ersatzforderung des Staates in der Höhe des unrechtmässigen Vorteils erkannt. Sinn und Zweck dieser Bestimmungen ist es, zu verhindern, dass der Täter im Genuss eines durch eine strafbare Handlung erlangten Vermögensvorteils bleibt; strafbares Verhalten soll sich nicht lohnen (
BGE 119 IV 17
E. 2a S. 20 mit Hinweisen). Sind mehrere Täter an einer Transaktion beteiligt, so erfolgt die Einziehung anteilsmässig (
BGE 119 IV 17
E. 2b S. 21 f.).
bb) Einziehung ist nur im Zusammenhang mit einer strafbaren Handlung vorgesehen, welche mindestens tatbestandsmässig und rechtswidrig sein muss. Anlasstat einer Ersatz-Einziehung können sowohl die den rechtswidrigen Vorteil unmittelbar begründenden Delikte als auch Sekundärtaten wie Hehlerei und Geldwäscherei sein (zur vergleichbaren Regelung in
Art. 59 StGB
n.F. NIKLAUS SCHMID, StGB 59 § 2 N. 23 in: Schmid (Hrsg.), Kommentar Einziehung, organisiertes Verbrechen und Geldwäscherei, Bd. I, Zürich 1998). Ob es sich um ein Vorsatz- oder Fahrlässigkeitsdelikt handelt oder der Tatbestand als Verletzungs- oder Gefährdungsdelikt konzipiert ist,
BGE 125 IV 4 S. 7
spielt im Prinzip keine Rolle (STEFAN TRECHSEL, Kurzkommentar Strafgesetzbuch, 1. Aufl. Zürich 1989, Art. 58 N. 18).
Was die Frage anbetrifft, bis zu welchem Stadium der Tatbestandsverwirklichung das Täterverhalten gelangt sein muss, damit die Ersatz-Einziehung von Vermögenswerten überhaupt greifen kann, sollen nach Schmid zwar unvollendeter oder vollendeter Versuch sowie Teilnahme genügen, doch seien zum Beispiel Fälle des untauglichen Versuchs auszuklammern, um den Anwendungsbereich der Massnahme nicht zu überdehnen (SCHMID, op.cit., § 2 N. 24 und Anm. 118, mit Hinweisen).
Die Ersatz-Einziehung kommt überall dort in Betracht, wo jemand durch die einzuziehenden Gegenstände oder Vermögenswerte mindestens zugleich einen unrechtmässigen Vorteil erlangt hat (GÜNTER STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil II, Bern 1989, § 14 N. 70). Dabei ist unbeachtlich, ob der Vermögensvorteil rechtlich oder bloss tatsächlich, direkt oder indirekt durch die strafbare Handlung erlangt worden ist (STRATENWERTH, op.cit., § 14 N. 54; vgl. auch
BGE 115 IV 175
). Auf die Unrechtmässigkeit der Vorteile darf aber nicht schon aufgrund der Tatbegehung selbst geschlossen werden, sondern der Vorteil muss «in sich» unrechtmässig sein (JÜRG LUZIUS MÜLLER, Die Einziehung im schweizerischen Strafrecht (Art. 58 und 58bis), Diss. Basel 1993, S. 83 mit Hinweis auf STRATENWERTH). Dies ist beispielsweise dann nicht der Fall, wenn die fragliche Handlung objektiv nicht verboten ist (STRATENWERTH, op.cit., § 14 N. 24).
b) Der Beschwerdeführer hat aus Geschäften, die von der Vorinstanz als vollendete, teilweise untauglich versuchte gewerbsmässige Hehlerei gewertet wurden, einen Gewinn in der Höhe von rund Fr. 340'000.-- erzielt. Soweit der Erlös aus denjenigen Handlungen stammt, welche die Vorinstanz als vollendete gewerbsmässige Hehlerei qualifiziert hat, sind die Voraussetzungen zur Anordnung einer Ersatz-Einziehung unstreitig erfüllt. Fraglich ist einzig, ob dies auch für diejenigen Vermögenswerte gilt, die der Beschwerdeführer durch vollendet untauglich versuchte Hehlerei erlangt hat. Das ist aus den folgenden Gründen zu verneinen.
aa) Bei der hier zu prüfenden Einziehungsvariante ergibt sich aus der Formulierung, wonach die Gegenstände und Vermögenswerte durch eine strafbare Handlung hervorgebracht oder erlangt worden sein müssen, dass die Handlung - jedenfalls bei Delikten gegen das Vermögen - mindestens bis zum Versuchsstadium gediehen sein muss.
BGE 125 IV 4 S. 8
bb) Vorliegend hat der Beschwerdeführer von einem Arbeitskollegen Computerteile übernommen und weiterverkauft und dabei mindestens in Kauf genommen, dass sie durch eine strafbare Handlung erlangt worden waren; nachträglich stellte sich dann heraus, dass teilweise keine tatbestandsmässige und rechtswidrige Haupttat vorlag. Soweit die Computer-Teile nicht nachweislich aus einer strafbaren Vortat stammten, war der Vertrag zwischen dem Beschwerdeführer und dem oder den Käufern objektiv nicht rechtswidrig und hatte der Beschwerdeführer zivilrechtlich Anspruch auf den Kaufpreis. Die fraglichen Veräusserungshandlungen erfüllten allein aufgrund der falschen Einschätzung des Beschwerdeführers den Straftatbestand der (untauglich versuchten) Hehlerei. Sein deliktischer Wille als solcher genügt bei den nicht durch ein Delikt gegen das Vermögen erlangten Tatobjekten indessen nicht, um den von
Art. 58 Abs. 1 lit. a StGB
a.F. vorausgesetzten Zusammenhang zwischen strafbarer Handlung und Vermögensvorteil zu begründen. Soweit die Einnahmen des Beschwerdeführers aus einem objektiv legalen Rechtsgeschäft stammten, waren diese Vermögenswerte nicht das Produkt einer strafbaren Handlung und mithin nicht «unrechtmässig» im Sinne von
Art. 58 Abs. 1 lit. a und Abs. 4 StGB
a.F. Im genannten Umfang besteht keine Grundlage für eine Einziehung und folglich für eine Ersatzforderung des Staates.
c) Die Nichtigkeitsbeschwerde ist daher gutzuheissen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Kosten aufzuerlegen und ist dem Beschwerdeführer eine angemessene Entschädigung aus der Bundesgerichtskasse auszurichten (
Art. 278 Abs. 2 und 3 BStP
).
Bei der Neubeurteilung wird die Vorinstanz den Betrag der Vermögenswerte ausscheiden müssen, die aus objektiv legalen Rechtsgeschäften stammen und deshalb nicht der Einziehung unterliegen. Sollte die Feststellung der einzuziehenden Vermögenswerte mit einem unverhältnismässigen Aufwand verbunden sein, wäre auch eine Schätzung des Deliktserlöses zulässig, sofern feststeht, dass der geschätzte Betrag nicht höher ist als der tatsächlich erlangte unrechtmässige Vermögensvorteil. | null | nan | de | 1,998 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
c236254b-ae76-4ec9-a8cb-942dde933139 | Urteilskopf
86 I 38
7. Auszug aus dem Urteil vom 7. April 1960 i. S. Karl Fritz AG gegen Brenn und Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt. | Regeste
Art. 86 Abs. 2,
Art. 87 OG
.
Ausnahme vom Erfordernis der Erschöpfung des kantonalen Instanzenzugs, wenn die Ergreifung des kantonalen Rechtsmittels eine reine Formalität bliebe.
Mit der Beschwerde gegen den Endentscheid kann auch ein ihm vorausgegangener Zwischenentscheid angefochten werden, soweit er noch Bedeutung hat. | Erwägungen
ab Seite 39
BGE 86 I 38 S. 39
Der Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt hiess eine Beschwerde, die Marie Brenn gegen ein Urteil der Staatlichen Schlichtungsstelle für Mietstreitigkeiten erhoben hatte gut; er wies die Sache an die Schlichtungsstelle zurück, damit sie im Sinne der Erwägungen neu urteile.
Die Karl Fritz A.-G., welche vor dem Regierungsrat unterlag, führte gegen dessen Entscheid staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung des
Art. 4 BV
. Das Bundesgericht ist nicht darauf eingetreten, weil sich die Beschwerde auf einen blossen Zwischenentscheid bezieht, der für die Beschwerdeführerin keinen nicht wiedergutzumachenden Nachteil rechtlicher Art zur Folge hat. Es hat im weiteren ausgeführt:
Vom Erfordernis der Letztinstanzlichkeit des angefochtenen Entscheids, das sich mit dem der Erschöpfung des kantonalen Instanzenzugs deckt (
BGE 84 I 234
), kann nach der Rechtsprechung abgesehen werden, wenn die angefochtene Verfügung auf einem Entscheid der kantonalen Rechtsmittelinstanz beruht und von dieser dergestalt zum voraus gebilligt worden ist, so dass sich die Ergreifung eines weiteren kantonalen Rechtsmittels als zwecklos und als leere Formalität erwiese (
BGE 38 I 438
,
BGE 66 I 7
,
BGE 68 I 29
Erw. 2,
BGE 84 I 239
). Die Schlichtungsstelle wird im Sinne der Erwägungen des Regierungsrats ein neues Urteil zu fällen haben. Ob dieses mit Bezug auf die Fragen, die Gegenstand der ersten kantonalen Beschwerde bildeten, an den Regierungsrat weitergezogen werden könnte, kann offen bleiben, da es sich dabei jedenfalls um
BGE 86 I 38 S. 40
eine leere Formalität handeln würde. Die Beschwerdeführerin wird darum die staatsrechtliche Beschwerde insofern unmittelbar an das neue Urteil der Schlichtungsstelle anknüpfen können. Sie wird damit auch den hier im Spiele stehenden Zwischenentscheid anfechten können, soweit dieser dannzumal noch von Bedeutung sein wird (BIRCHMEIER, Handbuch, S. 353 Ziff. 3). | public_law | nan | de | 1,960 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
c23951b2-2e05-401c-9ac4-cfc99d3254f2 | Urteilskopf
97 I 241
36. Auszug aus dem Urteil vom 5. Mai 1971 i.S. Bättig gegen Güter- und Waldzusammenlegungskorporation Rickenbach und Umgebung, Rekurskommission für Meliorationssachen Thurgau und Regierungsrat des Kantons St. Gallen. | Regeste
Interkantonales Bodenverbesserungsunternehmen im Sinne des Art. 83 des BG über die Förderung der Landwirtschaft (LWG).
Genügt für die Errichtung eines solchen Unternehmens die Verständigung unter den Kantonsregierungen oder bedarf es dafür eines förmlichen interkantonalen Staatsvertrages? | Sachverhalt
ab Seite 242
BGE 97 I 241 S. 242
Aus dem Tatbestand:
A.-
Art. 83 des Bundesgesetzes über die Förderung der Landwirtschaft (LWG) lautet:
V. Interkantonale Unternehmen
"Liegen Bodenverbesserungen oder Siedlungswerke auf dem Gebiet mehrerer Kantone und können sich die beteiligten Kantone nicht verständigen, so kann der Bundesrat auf Verlangen einer Kantonsregierung das ganze Unternehmen einer einheitlichen Leitung und einem einheitlichen Verfahren unterstellen."
Art. 55 Ziff. 6 der Kantonsverfassung des Kantons St. Gallen bestimmt:
"Er (der Grosse Rat) schliesst Verkommnisse und Verträge mit andern Kantonen und Staaten innert der Schranken der Bundesverfassung."
B.-
Im Zusammenhang mit dem Landerwerb für den Bau der Nationalstrasse N 1 Winterthur - Wil - St. Gallen erachteten die Kantonsregierungen von Thurgau und St. Gallen die Schaffung eines interkantonalen Güterzusammenlegungsunternehmens als wünschbar. Nach vorangegangenen Verhandlungen zwischen den beiden Kantonsregierungen beschlossen die Grundeigentümer der Munizipalgemeinde Rickenbach (TG) und angrenzender Gebiete der thurgauischen Gemeinde Busswil sowie der sanktgallischen Gemeinden Wil, Kirchberg und Jonschwil am 23. April 1963 die Durchführung eines entsprechenden Projektes. Am 28. Mai 1963 gründeten sie die "Güter- und Waldzusammenlegungskorporation Rickenbach und Umgebung" und nahmen entsprechende Statuten an. Gemäss deren § 1 stützt sich das Unternehmen auf
Art. 83 LWG
, Art. 30-34 des Bundesgesetzes über die Nationalstrassen (NSG) sowie die Bestimmungen des thurgauischen und des sanktgallischen Einführungsgesetzes zu
Art. 703 ZGB
(EG/ZGB). Die Statuten wurden am 24. Juni 1963 vom Regierungsrat des Kantons Thurgau und am 1. August 1963 vom Regierungsrat des Kantons St. Gallen genehmigt.
Dem Übergewicht der thurgauischen Grundeigentümer Rechnung tragend, sind diese in den Organen der Korporation, d.h.
BGE 97 I 241 S. 243
im Vorstand, in der Schätzungskommission, in der Schlichtungskommission und in der Rekurskommission stärker vertreten. Über die Rekurskommission, an die mit gewissen, in § 44 der Statuten umschriebenen Ausnahmen alle Beschlüsse und Entscheide der Korporationsversammlung und der Korporationsorgane weitergezogen werden können und die endgültig entscheidet, bestimmt § 45 Abs. 2 der Statuten:
"Die Rekurskommission setzt sich gemäss Vereinbarung der beiden Kantonsregierungen zusammen aus dem Präsidenten und zwei von ihm bestimmten weiteren Mitgliedern der thurgauischen Rekurskommission für Meliorationssachen, sowie aus zwei vom Regierungsrat des Kantons St. Gallen gewählten Mitgliedern."
Mit Botschaft des Regierungsrates vom 16. September 1963 über die Gewährung eines Staatsbeitrages an den sanktgallischen Teil der Melioration Rickenbach und Umgebung wurde der Grosse Rat über das interkantonale Unternehmen orientiert. Er opponierte dem geplanten Verfahren nicht und bewilligte den kantonalen Subventionsbeitrag. Der entsprechende Beschluss vom 21. November 1963 trat nach unbenützter Referendumsfrist am 23. Dezember 1963 in Kraft.
C.-
Paul Bättig ist Eigentümer einer Liegenschaft in der Gemeinde Kirchberg (SG). Er hatte ein erstes Mal im Jahre 1965 Beschwerde erhoben wegen Führung der Güterstrasse im Norden seines Grundbesitzes, war aber am 21. Januar 1966 von der gemäss § 45 der Statuten bestellten Rekurskommission abgewiesen worden. Im Jahre 1969 erhob er erneut Einsprache, diesmal gegen die Neuzuteilung und die Strassenführung und zog den die Einsprache nur teilweise gutheissenden Entscheid der Schlichtungskommission an die Rekurskommission weiter. Diese entsprach am 31. Dezember 1969 in bezug auf die Neuzuteilung von zwei Parzellen dem Begehren Bättigs; im übrigen wies sie seinen Rekurs ab. In der Begründung führte sie im wesentlichen aus, die Zuständigkeit der Schlichtungskommission und der Rekurskommission sei gegeben, da
Art. 83 LWG
die nötige gesetzliche Grundlage für ein derartiges interkantonales Güterzusammenlegungsunternehmen bilde. Die Errichtung der Korporation sei eine Vollzugsmassnahme dieser Bestimmung und bedürfe keiner kantonalen gesetzlichen Grundlage. Es sei nicht einzusehen, weshalb die Kantonsregierungen, die im Falle der Nichteinigung über das Verfahren den Bundesrat zum Entscheid anrufen können, sich nicht selber darüber einigen dürften.
BGE 97 I 241 S. 244
Ferner sei der Grosse Rat des Kantons St. Gallen über die Errichtung der Korporation orientiert worden; er habe den beantragten Staatsbeitrag gewährt, dem beabsichtigten Verfahren nicht widersprochen und dieses damit stillschweigend gebilligt.
D.-
Gegen diesen Entscheid führt Bättig staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 55 Ziff. 6 und Art. 101 der sanktgallischen Kantonsverfassung. Er macht geltend, interkantonale Güterzusammenlegungskorporationen bedürfen einer staatsvertraglichen Vereinbarung, da sie von den Rechtsordnungen zweier oder mehrerer Kantone berührt werden. Zum Abschluss derartiger Vereinbarungen sei der Grosse Rat zuständig; er habe diese Kompetenz nicht delegiert und könnte sie auch nicht delegieren. Eine konkludente Zustimmung des Grossen Rates im Zusammenhang mit der Gewährung eines Staatsbeitrages für das Unternehmen genüge nicht, da sonst das Referendumsrecht des Volkes missachtet würde. Zu Unrecht berufe sich die Vorinstanz auf
Art. 83 LWG
. Dieser begründe lediglich die Kompetenz des Bundesrates für den Fall, dass sich die Kantone über ein einheitliches Verfahren nicht verständigen können. Nachdem nun der im Kanton St. Gallen für eine solche Verständigungslösung zuständige Grosse Rat nicht einmal begrüsst worden sei, komme
Art. 83 LWG
im vorliegenden Fall nicht zur Anwendung.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Die Tätigkeit der Güter- und Waldzusammenlegungskorporation Rickenbach und Umgebung und der Rekurskommission, deren Entscheid angefochten ist, beruht auf einer "Verständigung" (
Art. 83 LWG
) oder, wie § 45 der Statuten sagt, auf einer "Vereinbarung" zwischen den beteiligten Kantonsregierungen. Der Regierungsrat des Kantons St. Gallen hat zudem mit Botschaft vom 16. September 1963 den Grossen Rat über das interkantonale Unternehmen orientiert, und dieser hat durch die Bewilligung des kantonalen Beitrages der Durchführung der Güterzusammenlegung zugestimmt. Der Beschwerdeführer nimmt aber an, diese nur implicite Zustimmung des Grossen Rates habe nicht genügt, um das interkantonale Unternehmen und dessen Rekurskommission verfassungskonform
BGE 97 I 241 S. 245
zu konstituieren. Vielmehr hätte es dazu einer formellen interkantonalen Vereinbarung im Sinne von Art. 55 Ziff. 6 KV bedurft. Eine solche sei nicht zustandegekommen.
a) Es ist anerkannt, dass interkantonale Vereinbarungen eine unterschiedliche Tragweite haben können und dass dementsprechend auch die verfassungsrechtliche Zuständigkeit zum Abschluss solcher Vereinbarungen verschieden geordnet sein kann. Das Bundesgericht hat bereits in
BGE 40 I 395
und erneut in
BGE 96 I 213
festgehalten, dass nicht jede Verständigung zwischen Kantonen ein "Konkordat" im Sinne der einschlägigen Kantonsverfassungen ist. In jenen beiden Entscheiden ging es darum, ob bestimmte interkantonale Vereinbarungen der Volksabstimmung zu unterwerfen waren oder nicht, und es wurde festgehalten, dass dies nur dann zu bejahen sei, wenn der Gegenstand der interkantonalen Vereinbarung der Volksabstimmung unterläge, sofern der Kanton einseitig eine entsprechende Anordnung träfe. Im vorliegenden Fall steht nun nicht die Abgrenzung der Zuständigkeit zwischen Volk und Grossem Rat, sondern die Abgrenzung der Zuständigkeit zwischen Regierungsrat und Grossem Rat zur Diskussion. Ob es im Kanton St. Gallen bei interkantonalen Staatsverträgen überhaupt ein Referendum gibt - die KV sieht es nicht ausdrücklich vor - ist an dieser Stelle ohne Belang. Zu entscheiden ist vielmehr, ob schlechthin jede Verständigung des Kantons St. Gallen mit einem Nachbarkanton ein "Verkommnis" oder einen Vertrag mit einem andern Kanton im Sinne von Art. 55 Ziff. 6 KV darstellt, oder ob auch die sanktgallische KV Formen der vertraglichen Verständigung unmittelbar zwischen den Kantonsregierungen zulässt, bzw. ob hier ein solcher Fall vorliegt.
b) In der deutschen Staatsrechtslehre ist die Zulässigkeit von "Verwaltungsabkommen", die zwischen den Exekutiven von Gliedstaaten abgeschlossen werden, grundsätzlich anerkannt (SCHNEIDER, Verträge zwischen Gliedstaaten im Bundesstaat, Veröffentlichungen der Vereinigung der deutschen Staatsrechtslehrer, Heft 19 (1961), S. 9 ff.). In der Schweiz scheinen Lehre und Rechtsprechung noch weniger gefestigt. Immerhin wird der Begriff des Konkordates (Verkommnis) häufig diskutiert, vor allem hinsichtlich der Frage, ob innerhalb der Gesamtheit der interkantonalen Vereinbarungen die Konkordate als ein engerer Begriff- Vereinbarungen von erhöhter Wichtigkeit oder Vereinbarungen mit rechtsetzender Bedeutung - herauszuheben seien
BGE 97 I 241 S. 246
(HÄFELIN, Der kooperative Föderalismus in der Schweiz, ZSR 1969, S. 587 ff.; DOMINICE, Fédéralisme coopératif, ZSR 1969, S. 832 ff.; SCHAUMANN, Verträge zwischen Gliedstaaten im Bundesstaat, Veröffentlichungen der Vereinigung deutscher Staatsrechtslehrer, Heft 19 (1961), S. 92 ff; AUBERT, Traité de droit constitutionnel, S. 330 ff.; KEHRLI, Interkantonales Konkordatsrecht, Diss. Zürich 1968, S. 21 ff.). Auf die verschiedenen Lehrmeinungen braucht jedoch hier nicht näher eingegangen zu werden, denn es ginge auf jeden Fall zu weit, anzunehmen, dass jede Form der Verständigung zwischen zwei Kantonen über irgendeine gemeinsame Verwaltungsaufgabe in die Form eines "Konkordates" gekleidet werden müsste - selbst dann, wenn bereits die gesetzlichen Voraussetzungen für eine solche Verständigung gegeben sind. Vielmehr ist anzunehmen, dass dort, wo dies der Fall ist, die "Verständigung" zwischen den Kantonen durchaus durch gleichgerichtete Willenserklärungen der Kantonsregierungen, also durch Verwaltungsvereinbarungen, erfolgen kann.
Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall erfüllt.
Art. 83 LWG
sieht die Schaffung interkantonaler Güterzusammenlegungsunternehmen auf dem Wege der Verständigung zwischen den Kantonen ausdrücklich vor. Unter diesen Umständen erscheint die Verständigung zwischen den Kantonen als ein Akt der Rechtsanwendung, der grundsätzlich in die Kompetenz der Exekutive fällt. Wie der St. Galler Regierungsrat in seiner Vernehmlassung mit Recht ausführt, ergibt sich seine Zuständigkeit zur Errichtung interkantonaler Bodenverbesserungsunternehmen unmittelbar aus dem Bundesrecht. Dass
Art. 83 LWG
so auszulegen ist, wird erst recht deutlich, wenn diese Bestimmung im Zusammenhang mit den andern Vorschriften des 5. Titels des LWG (Art. 77 ff.) gesehen wird. So ist der Erlass allgemein verbindlicher Normen, die für alle Bodenverbesserungsunternehmen gelten, der Gesetzgebung der Kantone überlassen (Art. 77 Abs. 4, 81 Abs. 4), während im Zusammenhang mit einzelne Unternehmen betreffenden Fragen stets die Kantonsregierung oder die "zuständige kantonale Behörde" genannt wird (Art. 77 Abs. 3, 80 Abs. 2, 82 Abs. 1). Das bedeutet auch hier - analog zu andern Rechtsgebieten - dass allgemein verbindliche Vorschriften über Bodenverbesserungen und Bodenverbesserungsgenossenschaften durch die Legislative erlassen werden, während die Errichtung der einzelnen Genossenschaft
BGE 97 I 241 S. 247
nur noch Rechtsanwendung ist. Dieses Auslegungsergebnis entspricht auch den übrigen bundesrechtlichen Bestimmungen betreffend Güterzusammenlegungen (
Art. 30 ff. NSG
,
Art. 703 ZGB
), auf die sich die Beschwerdegegnerin ebenfalls stützt. Aus diesen Bestimmungen geht eindeutig hervor, dass die Kantone zwar durch zusätzliche Vorschriften das Verfahren für Landumlegungen näher zu ordnen haben, durch allgemein verbindliche Normen also, deren Erlass in der Regel in die Kompetenz der Legislative fällt, dass aber die Durchführung eines einzelnen Landumlegungsunternehmens stets ein Akt der Rechtsanwendung ist. So bestimmt z.B.
Art. 36 NSG
: "Die kantonale Regierung kann für den Strassenbau notwendige Landumlegungen verfügen." Ferner hat das Bundesgericht schon vor einigen Jahren festgehalten, dass es sich bei Güterzusammenlegungen und Landumlegungen um Verfahren handelt, die auf die Verwirklichung eines konkreten Projekts gehen, mit der rechtskräftigen Neuverteilung schliessen und über diese hinaus keine rechtlichen Wirkungen entfalten (
BGE 86 I 148
/9). Dass die Durchführung eines Güterzusammenlegungsunternehmens blosse Rechtsanwendung ist, geht schliesslich schon daraus hervor, dass bei direkter Verständigung der Grundeigentümer gar keine staatliche Mitwirkung erforderlich ist (vgl. Art. 125 des sanktgallischen EG/ZGB).
Was aber von Bundesrechts wegen innerkantonal Rechtsanwendung ist, bleibt auch interkantonal Rechtsanwendung. Im vorliegenden Fall stellten nun die Kantone St. Gallen und Thurgau nicht allgemein verbindliche Vorschriften betreffend gemeinsame Landumlegungen auf, sondern sie beschlossen die Durchführung eines konkreten Güterzusammenlegungsunternehmens in Ausführung von
Art. 83 LWG
,
Art. 30-34 NSG
und der beiden kantonalen EG/ZGB. Dass dadurch eine grosse Zahl von Grundstücken und Grundeigentümern erfasst wird, sowie der Umstand, dass für dieses Unternehmen Statuten aufgestellt und Kommissionen eingesetzt werden mussten, ändern am Rechtsanwendungscharakter dieser Massnahme nichts (vgl. den bereits zitierten
BGE 86 I 148
/9).
Insbesondere erachtet der Beschwerdeführer als verfassungswidrig, dass ihm der Regierungsrat durch sein Vorgehen die Möglichkeit der Anrufung der Verwaltungsrekurskommission und des Verwaltungsgerichts genommen habe. Gemäss Art. 141 und 146 des sanktgallischen EG/ZGB können Entscheide des
BGE 97 I 241 S. 248
Gemeinderates oder der Schätzungskommission durch Rekurs an die Verwaltungsrekurskommission weitergezogen werden. Der Beschwerdeführer anerkennt jedoch selber, dass die Art. 125-147 EG/ZGB nur für rein sanktgallische Güterzusammenlegungskorporationen gelten. Ihre Anwendung auf ein interkantonales Unternehmen wäre folglich nur dann möglich, wenn die beteiligten Kantone oder der Bundesrat das Unternehmen dem sanktgallischen Verfahren unterstellen würden (vgl.
Art. 83 LWG
). Dies ist im vorliegenden Fall nicht geschehen. Der Regierungsrat hat dem Beschwerdeführer das erwähnte Rechtsmittel somit nicht vorenthalten, da bei interkantonalen Landumlegungen gar kein Anspruch darauf besteht. Die von den Regierungen der Kantone Thurgau und St. Gallen getroffene Lösung erscheint übrigens als zweckmässig und gerecht: In Anbetracht des Übergewichts der thurgauischen Grundeigentümer wurde grundsätzlich das thurgauische Verfahren gewählt, wobei jedoch der Kanton St. Gallen in allen Gremien mitvertreten ist. Auf die Möglichkeit, dass der Bundesrat im Falle der Uneinigkeit der beiden Kantone das Unternehmen ganz dem thurgauischen Verfahren hätte unterstellen können, sei immerhin hingewiesen. Ferner sei noch festgehalten, dass dem Beschwerdeführer in bezug auf Beschlüsse betreffend Umgrenzung des Beizugsgebietes und die Pflicht zur Beteiligung an Unternehmen der Rekurs an den Regierungsrat des Kantons St. Gallen zur Verfügung gestanden hat (§ 44 Abs. 1 der Statuten).
Die übereinstimmende Genehmigung der Statuten der Beschwerdegegnerin durch die Kantonsregierungen von St. Gallen und Thurgau bildet somit kein Verkommnis und keinen Vertrag im Sinne von Art. 55 Ziff. 6 der sanktgallischen KV. Diese Bestimmung darfnicht rein wörtlich ausgelegt werden. Sie steht in einem Spannungsverhältnis zu Art. 60 KV, wonach der Regierungsrat die oberste Verwaltungsbehörde des Kantons ist. Als solche kann er alle Massnahmen treffen, zu denen ihn das Bundesrecht oder das kantonale Recht ermächtigt, einschliesslich der Verständigung mit Nachbarkantonen über die Durchführung solcher Massnahmen. In ähnlicher Weise kann ja auch der Bundesrat im Rahmen seiner Verordnungskompetenzen mit bindender Wirkung Gegenrechtserklärungen abgeben und andere Verwaltungsvereinbarungen abschliessen (vgl. dazu GUGGENHEIM, Traité de droit international public, 2. A. 1967 I S. 151). Es ist zuzugeben, dass die Tragweite, die dem
Art. 83 LWG
in den vorstehenden
BGE 97 I 241 S. 249
Erwägungen gegeben wird, im Wortlaut der Bestimmung nicht klar zum Ausdruck kommt; die Lösung entspricht jedoch dem Zweck der Bestimmung, die Durchführung derartiger interkantonaler Unternehmen zu erleichtern. Im vorliegenden Fall ist das Ergebnis umso weniger stossend, als der Grosse Rat im Rahmen des Antrages des Regierungsrates hinsichtlich der Kreditgewährung über das eingeschlagene Vorgehen orientiert worden war und ihm im Rahmen der - unbestrittenermassen verfassungskonformen - Kreditgewährung stillschweigend zugestimmt hat.
Die Rüge des Beschwerdeführers, die Beschwerdegegnerin und die im Zusammenhang damit bestellte Rekurskommission seien in Verletzung der St. Galler KV errichtet worden, erweist sich somit als unbegründet. Unter diesen Umständen braucht nicht geprüft zu werden, ob die Beschwerde schon deshalb abzuweisen wäre, weil der Beschwerdeführer in einem früheren Verfahren die Verfassungsmässigkeit des interkantonalen Güterzusammenlegungsunternehmens und der von den beiden Kantonsregierungen bestellten Rekurskommission nicht gerügt hatte. | public_law | nan | de | 1,971 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
c239a3b0-df3f-4075-a5cc-30dbf7ba21fc | Urteilskopf
123 II 376
41. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 10. September 1997 i.S. R. Gonseth u. Mitb. gegen Monsanto (Suisse) SA und Eidgenössisches Departement des Innern (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Art. 6 VwVG
u.
Art. 48 VwVG
;
Art. 15 LMV
;
Art. 6 EMRK
; Parteistellung und Beschwerdelegitimation im Verfahren um die Zulassung von aus genmanipulierter Soja ("GTS"- Soja) hergestellten Lebensmitteln.
Die Beschwerdelegitimation gemäss
Art. 48 lit. a VwVG
bestimmt sich nach objektiven Kriterien und setzt eine besondere, beachtenswerte, nahe Beziehung zur Streitsache voraus (E. 2 u. 3). Eine solche besteht nicht für Konsumenten, die gegen einen lebensmittelrechtlichen Zulassungsentscheid aus ideellen Gründen Beschwerde führen (E. 4a) und durch diesen nicht stärker betroffen werden als die Allgemeinheit (E. 4b). Sie fehlt auch "Bio"-Produzenten und Vertreibern entsprechender Artikel, die sich gegen Konkurrenzprodukte wehren wollen (E. 5).
Art. 6 EMRK
verschafft in solchen Fällen keine Legitimation (E. 6). | Sachverhalt
ab Seite 377
BGE 123 II 376 S. 377
Das Bundesamt für Gesundheit liess am 20. Dezember 1996 auf Gesuch der Monsanto (Suisse) SA Lebensmittelerzeugnisse (food ingredients) zu, die aus Glyphosat-toleranter Soja (GTS) gewonnen werden. Dabei handelt es sich um eine neue, von der Firma Monsanto entwickelte Sojasorte, die aufgrund gentechnischer Veränderungen die Anwendung des Herbizids "Roundup" zur Unkrautbekämpfung ermöglicht. Die Bewilligung wurde am 30. Dezember 1996 im Schweizerischen Handelsamtsblatt veröffentlicht und mit verschiedenen Auflagen - insbesondere bezüglich der Deklarationspflicht - verbunden.
Hiergegen gelangten mehrere natürliche und juristische Personen an das Eidgenössische Departement des Innern. Dieses trat auf die Beschwerde mangels Legitimation der Beschwerdeführer jedoch nicht ein, da sie weder als Konsumenten noch als Konkurrenten in einer besonderen, beachtenswerten, nahen Beziehung zur Streitsache stünden.
Ruth Gonseth, Simonetta Sommaruga, Herbert Karch, Christine Lerf, die Firma Soyana (Walter Dänzer), der Verband Schweizerischer Reform- und Diätfachgeschäfte (biona), die Reformhaus Müller AG sowie die Roth Käse AG haben gegen diesen Entscheid beim Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereicht.
Am 3. Juni 1997 hat der Abteilungspräsident das damit verbundene Gesuch um aufschiebende Wirkung bzw. Erlass einer vorsorglichen Massnahme abgewiesen.
BGE 123 II 376 S. 378
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt,
Erwägungen
aus folgenden Erwägungen:
2.
Als Parteien gelten im Bundesverwaltungsverfahren Personen, deren Rechte oder Pflichten die Verfügung berühren soll, und andere Personen, Organisationen oder Behörden, denen ein Rechtsmittel gegen die Verfügung zusteht (
Art. 6 VwVG
). Nach
Art. 48 lit. a VwVG
ist zur Beschwerde berechtigt, wer durch die angefochtene Verfügung berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung hat. Dieses kann rechtlicher oder auch bloss tatsächlicher Natur sein und braucht mit dem Interesse, das durch die vom Beschwerdeführer als verletzt bezeichneten Normen geschützt wird, nicht übereinzustimmen. Immerhin muss der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Entscheid stärker als jedermann betroffen sein und in einer besonderen, beachtenswerten, nahen Beziehung zur Streitsache stehen. Sein Interesse ist schutzwürdig, wenn er durch das Beschwerdeverfahren einen materiellen oder ideellen Nachteil von sich abwenden kann (
BGE 120 Ib 379
E. 4b S. 386 f., mit Hinweisen; KÖLZ/HÄNER, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, Zürich 1993, Rz. 235). Diese Anforderungen sollen die Popularbeschwerde ausschliessen. Ihnen kommt dann besondere Bedeutung zu, wenn - wie hier - nicht der Verfügungsadressat, sondern ein Dritter den Entscheid anficht (vgl. FRITZ GYGI, Vom Beschwerderecht in der Bundesverwaltungsrechtspflege [im weitern: Beschwerderecht], in: recht 1986 S. 8 ff.; derselbe, Bundesverwaltungsrechtspflege, Bern 1983, S. 148 f.; LUCREZIA GLANZMANN-TARNUTZER, Die Legitimation des Konkurrenten zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht, Diss. St. Gallen 1996, S. 23). Nur wenn auch in einem solchen Fall ein unmittelbares Berührtsein, eine besondere Beziehungsnähe gegeben ist, hat der Beschwerdeführer ein schutzwürdiges Interesse daran, dass der angefochtene Entscheid aufgehoben oder abgeändert wird (vgl.
BGE 121 II 176
E. 2a S. 177 f., mit Hinweisen). Der Beschwerdeführer muss durch den angefochtenen Akt persönlich und unmittelbar einen Nachteil erleiden. Ein bloss mittelbares (vgl. GYGI, Beschwerderecht, a.a.O., S. 10; ANDREAS JOST, Zum Rechtsschutz im Wirtschaftsverwaltungsrecht, in: ZSR 1982 II 540ff.) oder ausschliesslich allgemeines öffentliches Interesse (vgl.
BGE 113 Ib 363
E. 3d S. 367;
BGE 123 II 376 S. 379
RHINOW/KOLLER/KISS, Öffentliches Prozessrecht und Justizverfassungsrecht des Bundes, Basel 1996, Rz. 1269) berechtigt - ohne die erforderliche Beziehungsnähe zur Streitsache selber - nicht zur Verwaltungs- oder Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
3.
Herbert Karch, Simonetta Sommaruga, Christine Lerf und Ruth Gonseth sind als Privatpersonen und Konsumenten an das Departement gelangt; Ruth Gonseth zudem in ihrer Funktion als Ärztin. Sie machen geltend, sie würden ideell in der vorliegenden Frage weit mehr betroffen als der Durchschnitt der Bevölkerung. Die Auseinandersetzung um die Gentechnologie betreffe Grundfragen der Existenz und der Ethik. Es sei zudem nicht hinreichend erstellt, dass von der genmanipulierten neuen Soja keine Gefahr ausgehe. Durch deren Zulassung werde die Wahlfreiheit des Konsumenten sowie die Handels- und Gewerbefreiheit von Bio-Betrieben beeinträchtigt, da herkömmliche Soja auf dem Markt praktisch nicht mehr erhältlich sei. Der Einzelne werde so gegen seinen Willen zum Konsum von genmanipulierten Lebensmitteln gezwungen und damit in seiner "Wahlfreiheit auf möglichst natürliche, nicht gentechnisch veränderte Lebensmittel" beschränkt. Im Hinblick auf die Gefahren und die Schwere des mit der Bewilligungserteilung verbundenen Eingriffs in die persönliche Freiheit müssten sämtliche Personen als beschwerdelegitimiert gelten, "welche die Beschränkung ihrer persönlichen Freiheit bewusst wahrnehmen und sich daher auch subjektiv beeinträchtigt fühlen".
4.
Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden:
a) Die Beschwerdelegitimation nach
Art. 48 VwVG
bestimmt sich nach objektiven Kriterien und hängt nicht davon ab, wie weit sich jemand subjektiv betroffen und in seinen Rechten beeinträchtigt fühlt. Der Beschwerdeführer muss durch den angefochtenen Entscheid stärker als jedermann berührt sein und in einer besonderen, beachtenswerten, nahen Beziehung zur Streitsache stehen. Eine solche ergibt sich nicht bereits daraus, dass er sich für eine Frage aus ideellen Gründen besonders interessiert (vgl. Pierre Moor, Droit administratif, Bd. 2, Bern 1991, S. 413) oder sich aus persönlicher Überzeugung für oder gegen ein Projekt engagiert (vgl.
BGE 123 II 115
E. 2b/cc S. 119). Ebensowenig kann genügen, dass er angeblich "bewusster lebt" als andere Personen.
b) aa) Das mit einer bewilligungspflichtigen Tätigkeit verbundene Risiko begründet für Dritte eine beachtenswerte, nahe Beziehung zum entsprechenden Bewilligungsverfahren nur, wenn diese sowohl in bezug auf die Wahrscheinlichkeit des Schadeneintritts wie in
BGE 123 II 376 S. 380
bezug auf die mögliche Schwere der Beeinträchtigung einem nicht unwesentlich höheren Risiko ausgesetzt sind als die Allgemeinheit. Bloss Gefahren von einer gewissen Bedeutung und von einer gewissen Wahrscheinlichkeit vermögen eine Beschwerdebefugnis zu begründen, nicht rein theoretische und weit entfernte, weil sonst eine sinnvolle Abgrenzung zur Popularbeschwerde nicht mehr möglich ist (
BGE 121 II 176
E. 3a S. 180). Das Bundesgericht verneinte demgemäss die Beschwerdeberechtigung von Anwohnern einer Eisenbahnlinie, auf der mehrmals jährlich radioaktive Rückstände transportiert werden (
BGE 121 II 176
ff.). Einem Beschwerdeführer, der für seine Legitimation auf die Risiken hingewiesen hatte, die durch den Bau und Betrieb einer Eisenbahnlinie für die Trinkwasserversorgung entstünden, sprach es die Einspracheberechtigung ab, da eine allfällige Störung des Grundwasservorkommens nicht in erster Linie die einzelnen Trinkwasserbenützer, sondern die für die Trinkwasserversorgung verantwortlichen Personen oder Behörden treffe. Weder bestehe beim Eisenbahnbau eine besonders ausgeprägte Tendenz zu Grundwasserverschmutzungen, noch zeitigten allfällige Eingriffe in Wasservorkommen in der Regel quantitativ oder qualitativ speziell schwere Folgen (
BGE 120 Ib 431
E. 1 S. 435).
bb) Ähnliche Überlegungen gelten hier: Genmanipulierte Lebensmittel, Zusatzstoffe oder Verarbeitungshilfsstoffe werden erst nach einem umfassenden, interdisziplinären Bewilligungsverfahren zugelassen und nur, soweit nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft eine Gesundheitsgefährdung ausgeschlossen werden kann (vgl.
Art. 15 LMV
[SR 817.02] und die Verordnung vom 19. November 1996 über das Bewilligungsverfahren für GVO-Lebensmittel, GVO-Zusatzstoffe und GVO-Verarbeitungshilfsstoffe; VBGVO; AS 1996 S. 2983 ff.). Zwar hat an sich jeder Konsument ein Interesse daran, dass keine gesundheitsgefährdenden bzw. der Lebensmittelgesetzgebung widersprechenden Produkte auf den Markt kommen. Dies allein begründet aber keine hinreichende persönliche Betroffenheit und schutzwürdige Beziehungsnähe im Sinne von
Art. 48 lit. a VwVG
. Es ist in einem solchen Fall in erster Linie an den Behörden, für einen gesetzeskonformen Vollzug der einschlägigen Bestimmungen und gestützt darauf für die Sicherheit der Bevölkerung zu sorgen (vgl.
BGE 121 II 176
E. 3c S. 182). Der Konsument kann auf ihr Verhalten mittels Anzeigen und Aufsichtsbeschwerden Einfluss nehmen. Eigentliche Parteirechte stehen ihm dabei jedoch nicht zu. Die von den Beschwerdeführern geltend gemachten allfälligen Gesundheitsgefährdungen (Allergenität,
BGE 123 II 376 S. 381
Gefährdung durch Östrogene) sind zwar aufgrund zukünftig besserer Erkenntnisse nicht gänzlich auszuschliessen, jedoch zurzeit nicht belegt und unbestimmter Natur. Gestützt auf die vorhandenen Unterlagen wurden denn ähnliche Bewilligungen wie die vorliegende auch in den USA, Kanada, Japan, Argentinien, Mexiko und der Europäischen Union erteilt. Die Beschwerdeführer sind jedenfalls weder hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit der Realisierung der Gefahr noch der Schwere einer allfälligen Beeinträchtigung einem höheren Risiko ausgesetzt als die Allgemeinheit (
BGE 121 II 176
E. 3a S. 180). Sie bestreiten dies auch nicht; ihnen geht es vielmehr um die ideellen und ethischen Aspekte der Gentechnik und der damit verbundenen Risiken schlechthin. Diese können sie aber nicht losgelöst von einem schutzwürdigen Interesse am konkreten Bewilligungsverfahren geltend machen. Sie haben ihre entsprechenden Anliegen in die politische Diskussion einzubringen.
c) Fehlt den Beschwerdeführern die nach
Art. 48 lit. a VwVG
erforderliche persönliche Beziehungsnähe zum Streitgegenstand, können sie sich hierfür auch nicht auf die persönliche Freiheit berufen. Die Frage der Legitimation ist von den Beschwerdegründen zu trennen und beurteilt sich ausschliesslich nach
Art. 48 VwVG
(vgl.
BGE 121 I 267
E. 3c in fine S. 270). Würde dem Konsumenten über diese Bestimmung hinaus ein Beschwerderecht eingeräumt, öffnete dies im übrigen indirekt die (egoistische) Verbandsbeschwerde (vgl. hierzu KÖLZ/HÄNER, a.a.O., Rz. 243 ff.) für Konsumentenschutzorganisationen. Ein solches Beschwerderecht wurde bei den Beratungen des Lebensmittelgesetzes (Bundesgesetz vom 9. Oktober 1992 über Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände, LMG; SR 817.0) jedoch gerade verworfen (vgl. Amtl. Bull. 1990 S. 785 f.), weshalb es nicht über eine entsprechende Auslegung von
Art. 48 VwVG
durch den Richter wieder eingeführt werden kann.
5.
a) Die Firma Soyana (Walter Dänzer), der Verband Schweizerischer Reform- und Diätfachgeschäfte (biona), die Reformhaus Müller AG und die Roth Käse AG berufen sich zur Begründung ihrer Legitimation auch auf die Handels- und Gewerbefreiheit. Sie bzw. ihre Mitglieder (für die "biona") erlitten durch die Zulassung von GVO-Soja auf dem Markt, "die auch die Vermischungsstrategie des Agrobusiness kritiklos" hinnehme, schwerwiegende Marktnachteile. Solange es nicht gelinge, alternative Quellen für herkömmliche Soja bzw. daraus gewonnene Erzeugnisse zu erschliessen, könnten sie ihre Produkte ganz oder teilweise nicht mehr produzieren. Selbst wenn es ihnen gelingen sollte, nicht genmanipulierte Soja-Posten
BGE 123 II 376 S. 382
oder entsprechende Produkte zu kaufen und getrennte Transport- und Verarbeitungswege durchzusetzen, entstünden ihnen aus dem "enormen" Kontrollaufwand doch sehr hohe Mehrkosten, die nicht auf die Käuferschaft überwälzt werden könnten.
b) aa) Das Bundesgericht hat im Zusammenhang mit der Beschwerdebefugnis von Konkurrenten festgestellt, dass nicht jedes beliebige tatsächliche Berührtsein ein nach
Art. 48 lit. a VwVG
erforderliches schutzwürdiges Interesse zu begründen vermag (vgl. GEROLD STEINMANN, Fragen der Beschwerdebefugnis im Bereiche der Preisüberwachung - Konsumenten-Beschwerde? in: ZBl 80/1979, S. 294 f. u. FN 47). Es bedarf hierfür einer spezifischen, qualifizierten Beziehungsnähe etwa durch eine spezielle wirtschaftsverwaltungsrechtliche Zulassungs- oder Kontingentierungsordnung, welcher die Konkurrenten gemeinsam unterworfen sind (
BGE 109 Ib 198
E. 4d S. 202; vgl. PETER KARLEN, in: GEISER/MÜNCH [Hrsg.], Prozessieren vor Bundesgericht, Rz. 3.43).
bb) Die beschwerdeführenden Hersteller bzw. Vertreiber von Sojaprodukten stehen, wie sie selber geltend machen, zur Beschwerdegegnerin in keinem direkten Konkurrenzverhältnis. Diese stellt weder Lebensmittel her, noch verkauft sie solche; sie führt auch keine Sojabohnen in die Schweiz ein. Sie hat die "Roundup Ready"-Technologie entwickelt, die sie an Saatgutfabrikanten lizenziert, welche ihrerseits Saatgut unterschiedlicher Sojabohnenarten produzieren und an die Bauern verkaufen. Die Beschwerdeführer versuchen als Dritte, sich gegen das Inverkehrbringen von Produkten zu wehren, die ihre Erzeugnisse verdrängen und lediglich insofern - indirekt - ihre wirtschaftliche Tätigkeit berühren könnten (sog. Produktekonkurrenz). Ein so geartetes Interesse am Bewilligungsverfahren ist jedoch nicht schutzwürdig: Im Zusammenhang mit der gesundheitspolizeilichen Zulassung eines Pulvers zur Herstellung von Schlagrahmersatz hat das Bundesgericht festgestellt, dass den Milchproduzenten die erforderliche Beziehungsnähe zum Bewilligungsgegenstand fehle, auch wenn sie bei einem Umsatzrückgang aufgrund der milchwirtschaftlichen Ordnung (Butterverwertung, Schmälerung des Produzentenmilchpreises) finanzielle Lasten zu tragen hätten (
BGE 100 Ib 331
E. 2b u. c S. 337 ff.). Bezug nehmend auf die in der Doktrin hieran teilweise geübte Kritik (GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, S. 158 f.; derselbe, Beschwerderecht, a.a.O., S. 12 FN 44; JACQUES MEYLAN, La jurisprudence administrative du Tribunal fédéral en 1974, in RDAF 32/1976 S. 21 f.; ANDREAS JOST, a.a.O., S. 546; zustimmend demgegenüber: AUGUSTIN
BGE 123 II 376 S. 383
MACHERET, La qualité pour recourir, in: ZSR 94/1975 II S. 172; GEROLD STEINMANN, a.a.O., S. 294 f.) hielt das Bundesgericht in einem andern den Zentralverband der Schweizerischen Milchproduzenten betreffenden Fall im Zusammenhang mit der Zulassung eines Brotaufstrichs aus eingesottener Butter, Wasser und Sonnenblumenöl fest, dass es keine rechtslogisch stringente, begrifflich fassbare, sondern nur eine praktisch vernünftige Abgrenzung zur Popularbeschwerde gebe. Wo diese Grenze verlaufe, sei für jedes Rechtsgebiet gesondert zu beurteilen. Bei der gesundheitspolizeilichen Zulassung von Produkten sei nicht zu übersehen, dass zahlreichen Produzenten und Händlern ähnlicher Produkte und auch Konsumenten ein gewisses faktisches Interesse nicht abgesprochen werden könne. An die Beziehungsnähe seien daher "besonders hohe Anforderungen" zu stellen, solle die Popularbeschwerde ausgeschlossen bleiben. Erforderlich sei eine Beziehung zur Streitsache, die sich von jener der zahlreichen Produzenten und Händler ähnlicher Produkte abhebe, die dasselbe oder ähnliche Bedürfnisse befriedigen (
BGE 113 Ib 363
E. 3 S. 366 ff.).
cc) Eine solche Beziehungsnähe fehlt hier: Die strittige Bewilligung ermöglicht, ähnliche Produkte wie sie ein Teil der Beschwerdeführer anbietet, künftig auch aus "GTS"-Soja hergestellt auf den Markt zu bringen. Der Import und Vertrieb von traditioneller Soja bzw. daraus hergestellter Produkte wird durch die angefochtene Bewilligung nicht untersagt. Die darin detailliert geregelte Deklarationspflicht schliesst eine Täuschungsgefahr der Konsumenten aus. Es wird an ihnen liegen, ob sich die "GTS"-Soja gegenüber der konventionellen Soja durchsetzen wird. Im Hinblick auf die weltweite Verbreitung der "GTS"-Soja und deren Vermischung mit traditionellen Bohnen wird es für "Bioprodukte"-Produzenten und -Vertreiber zwar allenfalls schwieriger werden, künftig zu nicht genmanipulierten Sojabohnen (vgl. immerhin die Liste von Greenpeace International der nordamerikanischen Anbieter gentech-freier Soja) bzw. aus solchen hergestellten Produkten zu kommen. Die damit verbundenen Nachteile sind jedoch bloss indirekter Natur. Es handelt sich dabei um (mögliche) Folgen der Marktentwicklung. Solche verschaffen jedoch keine spezifische Beziehungsnähe zum lebensmittelrechtlichen Zulassungsentscheid. Den Beschwerdeführern wird nicht verboten, ihre Produkte weiterhin "umweltbewusst" herzustellen und zu verkaufen. Die angefochtene Bewilligung ermöglicht lediglich auch nicht an bestimmte (selbst auferlegte) Produktionslabels gebundenen Anbietern, ähnliche
BGE 123 II 376 S. 384
Produkte aus einer anderen Soja-Bohnenart herzustellen und zu vertreiben.
dd) Sind nach dem Gesagten bereits die einzelnen Hersteller oder Verteiler von Bio- bzw. Reformprodukten nicht beschwerdelegitimiert, gilt dies auch für den Verband Schweizerischer Reform- und Diätfachgeschäfte "biona", weshalb sich weitere Ausführungen zu dessen Beschwerdebefugnis erübrigen (vgl. zu den Voraussetzungen der "egoistischen" Verbandsbeschwerde:
BGE 119 Ib 374
E. 2a/aa S. 376 f.,
BGE 113 Ib 363
E. 2a S. 365, mit Hinweisen).
6.
An der fehlenden Beschwerdelegitimation ändert schliesslich auch
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
nichts: Diese Bestimmung ist nur anwendbar, wenn ein aus dem innerstaatlichen Recht abzuleitender Anspruch zivilrechtlicher Natur in Frage steht und der Ausgang des Streits für diesen direkt entscheidend ist (vgl. FROWEIN/PEUKERT, Europäische Menschenrechtskonvention, 2. Aufl., Kehl/Strassburg/Arlington 1996, Rz. 6 zu Art. 6; MARK E. VILLIGER, Handbuch der Europäischen Menschenrechtskonvention [EMRK], Zürich 1993, Rz. 376; ARTHUR HAEFLIGER, Die Europäische Menschenrechtskonvention und die Schweiz, Bern 1993, S. 114). Weder aus
Art. 31 BV
noch aus dem Lebensmittelrecht ergibt sich jedoch ein Recht auf Schutz vor Konkurrenz. Die staatliche (Polizei-)Bewilligung an einen Konkurrenten, ein Produkt auf den Markt zu bringen, hat keine unmittelbaren Auswirkungen auf vermögenswerte Rechte Dritter, wenn diesen - wie hier - freisteht, das entsprechende Produkt ebenfalls zu verkaufen oder in der bewilligten Art herzustellen. Der vorliegende Fall ist nicht mit den Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Sachen "Neves e Silva" (PCourEDH A 153 A) oder "Editions Périscope SA" (PCourEDH A 234 B) vergleichbar, wo es um Staatshaftungsansprüche gestützt auf angeblich in widerrechtlicher Weise nur an Konkurrenten eingeräumte Vorteile ging. Das Recht auf Zugang zu einem Gericht im Sinne von
Art. 6 EMRK
gilt im übrigen nicht absolut. Es kann insofern eingeschränkt werden, als die Legitimation von einer konkreten, überdurchschnittlichen Gefährdung abhängig gemacht werden darf (so der Unzulässigkeitsentscheid der Europäischen Kommission für Menschenrechte vom 1. Juli 1996 bezüglich
BGE 121 II 176
ff.). | public_law | nan | de | 1,997 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
c2418019-e558-4e62-be30-bc3dd9446666 | Urteilskopf
102 II 427
62. Arrêt de la Ire Cour civile du 7 décembre 1976 dans la cause Schmidt-Agence S.A. et consorts contre Société coopérative d'achat et de distribution des négociants en tabacs et journaux | Regeste
Kartellgesetz.
Kartellähnliche Organisation, Begriff der stillschweigenden Abstimmung des Verhaltens (
Art. 3 lit. b KG
; E. 3 und 4a).
Massnahme, die darauf abzielt, eine im Gesamtinteresse erwünschte Struktur des Verkaufs von Zeitungen und Zeitschriften zu fördern (
Art. 5 Abs. 2 lit. c KG
; E. 5). | Sachverhalt
ab Seite 427
BGE 102 II 427 S. 427
Par exploit du 6 avril 1965, la Société coopérative d'achat et de distribution des négociants en tabacs et journaux (ci-après: la Coopérative) a assigné devant la Cour de justice de Genève la Librairie Hachette S.A., à Paris (Hachette), les Nouvelles Messageries de la presse parisienne, à Paris (les Nouvelles Messageries), Naville et Cie S.A., à Genève (Naville), et Schmidt-Agence S.A., à Bâle (Schmidt). Elle demandait à la Cour de déclarer illicites les entraves à la concurrence exercées contre elle par les défenderesses, d'ordonner la cessation de ces entraves, d'ordonner aux deux premières défenderesses de lui livrer, aux mêmes conditions qu'aux autres agences, tous
BGE 102 II 427 S. 428
les périodiques et journaux français dont elles assument la distribution en Suisse et de condamner les défenderesses à des dommages-intérêts et à réparation du tort moral. Elle exposait à l'appui de ses conclusions que les agences suisses de journaux, au nombre de quatre, dont Naville et Schmidt, ont conclu le 28 janvier 1959 un "arrangement général" destiné à éviter la concurrence et par lequel elles se sont partagé le marché suisse; le 28 mars 1961, des détaillants en journaux qui n'étaient plus liés à Naville ou entendaient s'en séparer ont créé la Coopérative demanderesse, dans le but de lui assurer la livraison directe de journaux et périodiques français; Hachette et les Nouvelles Messageries, qui assument la distribution exclusive en Suisse de ces journaux et périodiques, ont refusé d'approvisionner la Coopérative en invoquant un accord d'exclusivité conclu avec les quatre agences suisses de journaux. La demanderesse faisait valoir en droit que l'accord d'exclusivité liant ces agences à leur fournisseur français, joint à l'arrangement de 1959, constitue un cartel vertical doublé d'un cartel horizontal, tous deux illicites au regard de la loi fédérale du 20 décembre 1962 sur les cartels et organisations analogues (LCart).
Hachette et les Nouvelles Messageries ont décliné la compétence des tribunaux suisses. Le Tribunal fédéral a admis le déclinatoire par arrêt du 21 mars 1967 (
ATF 93 II 192
ss) et déclaré les tribunaux du for de Genève incompétents pour connaître de l'action, en tant qu'elle était dirigée contre Hachette et les Nouvelles Messageries. Le procès s'est poursuivi entre la demanderesse et les deux autres défenderesses.
Le 1er novembre 1965, la Coopérative a également ouvert devant la Cour de justice de Genève une action fondée sur les mêmes faits contre Librairie-Commission S.A., à Genève, devenue ultérieurement Presse-Import S.A., à Fribourg (PISA), qui a pour mandat de surveiller la vente des produits Hachette en Suisse, établissant notamment les factures destinées aux agences suisses.
Parallèlement à ces actions civiles, la Coopérative a saisi en été 1964 le Département fédéral de l'économie publique, en lui demandant d'inviter la Commission des cartels à procéder à une enquête sur la situation du marché dans le domaine de la distribution des journaux et périodiques en Suisse. A la suite d'une enquête fondée sur l'
art. 18 al. 1 LCart
, cette Commission a déposé le 7 juillet 1971 un rapport sur les conditions de
BGE 102 II 427 S. 429
concurrence en matière de distribution des journaux et périodiques (Publications de la Commission suisse des cartels 1971, p. 159 ss).
Par arrêt du 17 mai 1974, la Cour de justice de Genève a ordonné la jonction des causes Naville et Schmidt d'une part, PISA d'autre part.
Dans ses conclusions finales, la demanderesse a invité la Cour, notamment, à déclarer illicites les ententes cartellaires conclues par les défenderesses tant entre elles qu'avec les Nouvelles Messageries et Hachette, ainsi que les entraves à la concurrence exercées contre elle par les défenderesses; ordonner à PISA de ravitailler immédiatement la demanderesse aux mêmes prix et conditions que les autres distributeurs suisses et aux défenderesses de transmettre à Hachette et aux Nouvelles Messageries les commandes en journaux et périodiques français de la demanderesse et de faire en sorte que celle-ci "soit ravitaillée aux mêmes conditions, dans les mêmes délais et au même prix que les autres distributeurs suisses des mêmes articles"; condamner les défenderesses à payer à la demanderesse diverses sommes à titre de dommages-intérêts et de réparation du tort moral pour le boycott exercé contre elle; ordonner la publication de l'arrêt.
Statuant le 14 mars 1975, la Cour de justice de Genève a constaté l'illicéité des mesures prises par les défenderesses contre la demanderesse, l'empêchant d'avoir en Suisse romande une activité de grossiste dans le marché des journaux, périodiques et livres à grand tirage de langue française; ordonné la cessation immédiate de ces mesures; condamné Naville et en tant que de besoin PISA à transmettre immédiatement, comme les leurs, toutes les commandes de tels imprimés émanant de la demanderesse aux éditeurs de France, à Hachette et aux Nouvelles Messageries et à en assurer l'exécution afin de permettre à la demanderesse d'obtenir ces imprimés aux conditions, délais et prix des distributeurs suisses; condamné d'une part Naville, PISA et Schmidt à payer solidairement à la demanderesse 126'000 fr. avec intérêt a 5% dès le jour du jugement, d'autre part Naville et PISA à verser solidairement à la demanderesse 174'000 fr. avec intérêt de 5% dès la même date.
Ce jugement ne renferme pas d'état de fait; la Cour de justice déclare se référer à celui de son arrêt incident du 17 mai 1974.
BGE 102 II 427 S. 430
Naville et Cie S.A. et Presse-Import S.A. recourent en réforme au Tribunal fédéral contre les arrêts du 17 mai 1974 et du 14 mars 1975. Elles concluent à l'annulation de ces deux jugements et au déboutement de la demanderesse, subsidiairement au renvoi de la cause à l'autorité cantonale pour qu'elle procède à des mesures probatoires.
Par acte séparé, Schmidt-Agence S.A. recourt également en réforme au Tribunal fédéral contre l'arrêt du 14 mars 1975. Elle conclut à la réformation de ce jugement "dans la mesure où la recourante y a un intérêt", et au déboutement de la demanderesse de toutes ses conclusions envers elle.
La demanderesse propose la confirmation des deux arrêts du 17 mai 1974 et du 14 mars 1975.
Les défenderesses ont également formé deux recours de droit public pour violation de l'
art. 4 Cst.
que la cour de céans a rejetés en tant qu'ils étaient recevables, par arrêt du 27 avril 1976.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
a) (Indication des chefs de conclusions encore litigieux en instance fédérale.)
b) Il ressort des conclusions de la demande et de leur motivation que le marché en cause, au sens des
art. 2 et 3 LCart
, est celui des "journaux et périodiques français" fournis par Hachette et les Nouvelles Messageries. La Cour de justice a donc méconnu l'objet du procès en définissant le marché comme "celui des "imprimés" ou "titres" concernant les journaux, périodiques et livres à grand tirage, principalement en langue française" et en déterminant en conséquence, dans le dispositif de son arrêt du 14 mars 1975, l'activité de grossiste que la demanderesse a été empêchée d'exercer. Cette définition étend indûment le marché litigieux aux livres à grand tirage et aux journaux et périodiques autres que ceux fournis par Hachette et les Nouvelles Messageries.
Au point de vue territorial, les entraves à l'exercice de la concurrence dont se plaint la demanderesse concernent uniquement le marché des journaux et périodiques en question en Suisse romande, soit dans la zone d'influence réservée à Naville par l'arrangement de 1959.
c) La demanderesse fonde ses conclusions sur les art. 2 à 6 LCart exclusivement. Cette loi ne s'appliquant qu'aux faits
BGE 102 II 427 S. 431
postérieurs au 15 février 1964 (
ATF 90 II 505
), le Tribunal fédéral n'a pas à juger des entraves à l'exercice de la concurrence que la demanderesse a pu subir avant cette date. L'arrêt déféré constate d'ailleurs que "c'est seulement à dater du 15 février 1964 que la demanderesse réclame réparation de son préjudice", et il fixe en conséquence à 133 mois (février 1964 à mars 1975) la "période du boycott" déterminante pour le calcul du dommage. La demanderesse n'élève aucune critique à cet égard.
d) Il convient encore de distinguer, à l'intérieur de cette période, avant et après 1968. Deux événements, de nature à influer sur la solution du litige, se sont en effet produits cette année: d'une part, la cession par Hachette à Naville Holding S.A. (actuellement Financière de Presse S.A.) des actions de Librairie-Commission S.A. (devenue PISA), contre une participation de 11,07% de Hachette au capital de la société holding. D'autre part, la cession par Schmidt à Naville de ses 150 points de vente en Suisse romande. Du fait de cette cession, relève la Cour de justice, "les conclusions de la demanderesse en cessation de l'entrave apportée par Schmidt n'ont plus d'objet, elle le reconnaît"; quant aux autres conclusions, seule la période de 1964 à 1968 entre en considération pour cette défenderesse.
2.
A propos des conclusions 3 de la demanderesse, l'arrêt déféré considère en substance qu'il n'est pas contesté qu'il y ait cartel horizontal entre les quatre agences suisses de journaux - dont Naville et Schmidt -, celles-ci étant liées par des accords très stricts; depuis le rachat du "marché romand" de Schmidt, Naville Holding exerce un vrai monopole des imprimés de langue française en Suisse romande. Sur le plan vertical, l'existence d'un véritable cartel n'est pas démontrée à satisfaction de droit, mais il y a "organisation analogue" au sens de l'
art. 3 LCart
: "en premier lieu la trame tissée par Naville avec l'étranger est impressionnante autant qu'efficace grâce à son rôle prépondérant dans la holding qui porte son nom et qui lie notamment Hachette et PISA"; "en second lieu, l'organisation verticale de Naville descend aux détaillants par ses contrats d'exclusivité avec 1200 d'entre eux en Suisse romande". Pour la Cour de justice, "on peut en définitive souscrire à la thèse de la Coopérative ... selon laquelle "l'efficacité du cartel horizontal présuppose des accords d'exclusivité,
BGE 102 II 427 S. 432
notamment avec les maisons Hachette et NMPP'". Il ne fait aucun doute, estime l'autorité cantonale, qu'il y a eu "entrave" au sens de l'
art. 4 LCart
pour la demanderesse, qui a fait l'objet d'un boycott au sens de la définition courante. Quant au rapport de causalité entre l'organisation en cause et le refus des éditeurs français de ravitailler la demanderesse, l'arrêt déféré admet que "la puissance de l'organisme Naville et la durée même de ses relations avec les éditeurs ne pouvaient qu'influer sérieusement sur leur liberté de décision ... La tradition qui s'était instaurée dans leurs relations avec le consortium Naville et le cartel des agences empêchait qu'ils répondent favorablement à l'outsider qu'était la demanderesse." Vu l'"effet massif du boycott dont (la demanderesse) est l'objet depuis plus de 13 ans", conclut la Cour de justice, les obstacles mis à sa liberté économique par les défenderesses sont illicites au regard de l'
art. 4 LCart
.
Les défenderesses se plaignent d'une violation des
art. 8 CC
et 2 à 5 LCart. Elles reprochent à la Cour de justice d'avoir renversé le fardeau de la preuve et refusé d'administrer les preuves offertes à l'appui de divers faits allégués à l'encontre de la thèse soutenue par la demanderesse. Naville et PISA contestent notamment l'existence d'une organisation analogue au sens de l'
art. 3 LCart
. Schmidt soutient qu'elle n'a jamais boycotté la demanderesse, "qui ne lui a jamais demandé livraison comme sous-agence ou avec un contrat spécial à définir".
3.
Selon les constatations de la Cour de justice, la Coopérative demanderesse s'est assigné comme but "l'obtention de fournitures directes des éditeurs", en qualité de grossiste; elle a demandé à "être approvisionnée en journaux et en revues directement par les éditeurs, sans passer par l'intermédiaire de Naville". Elle s'est toutefois heurtée à un refus, qui l'empêche de vendre à ses membres et à ses clients les journaux et périodiques français diffusés par Hachette et les Nouvelles Messageries. A l'appui de ses prétentions, la demanderesse allègue en substance l'existence d'un accord vertical d'exclusivité - cartel ou organisation analogue - entre ces fournisseurs français d'une part, le cartel des agences suisses de journaux d'autre part, accord qui constituerait un boycott illicite.
Les défenderesses nient l'existence d'un tel accord et contestent leur participation au refus de Hachette et des Nouvelles
BGE 102 II 427 S. 433
Messageries de ravitailler la demanderesse. Ce refus s'explique selon elles par la volonté unilatérale des éditeurs, qui restent propriétaires de la marchandise et assument donc le risque des invendus, de ne traiter qu'avec des distributeurs auxquels ils font entièrement confiance pour la mise en oeuvre d'un système de diffusion aussi rationnel que possible.
a) Il appartient à la demanderesse, qui se prévaut de l'existence d'un cartel ou d'une organisation analogue et de l'illicéité des mesures prises à son encontre, d'établir que les conditions d'application des art. 2 à 4 LCart sont remplies (
art. 8 CC
;
ATF 90 II 513
ss consid. 9).
L'existence d'une organisation analogue à un cartel, au sens de l'art. 3 litt. b LCart, n'implique pas un lien contractuel entre les entreprises intéressées. Il suffit qu'elles "accordent tacitement leur comportement", si elles arrivent par là à dominer le marché en cause ou à l'influencer de manière déterminante (
ATF 90 II 509
). Mais cet accord ne peut pas être déduit de la seule concordance des attitudes; l'"organisation" analogue à un cartel suppose une action concertée, une communauté d'intentions qui ne soit pas simplement dictée par des réactions découlant normalement des particularités du marché considéré (SCHÜRMANN, Bundesgesetz über Kartelle und ähnliche Organisationen, p. 56; KUMMER, Der Begriff des Kartells, Abhandlungen zum schweizerischen Recht, vol. 372, p. 27 ss).
b) L'arrangement par lequel les agences suisses de journaux se sont partagé le marché en 1959 ne permet pas de conclure à l'existence de l'accord vertical d'exclusivité litigieux. Cette convention de cartel horizontale, incontestée, régit les rapports des grossistes entre eux et avec les détaillants, et non pas les relations entre grossistes et éditeurs. Elle ne dispense nullement la demanderesse d'établir la réalité des relations d'exclusivité, dont elle déduit ses prétentions, entre les parties à l'arrangement de 1959 et les fournisseurs français. Contrairement à ce qu'admet la Cour de justice, la convention cartellaire horizontale des agences suisses ne forme pas un seul complexe juridique avec la prétendue "organisation analogue" entre celles-ci et Hachette et les Nouvelles Messageries. Elle peut très bien n'être qu'un moyen des grossistes suisses de répondre à une exigence unilatérale des éditeurs. Il y a lieu de relever à cet égard que Hachette n'a qu'un distributeur en
BGE 102 II 427 S. 434
Belgique, en Allemagne et en Italie, ce qui donne à penser que cette maison entend traiter avec un seul distributeur par pays. Il en allait vraisemblablement de même jusqu'en 1968 en Suisse, où Librairie-Commission S.A., devenue par la suite PISA, était l'instrument de Hachette.
c) La "trame tissée par Naville avec l'étranger", la puissance de cette société, la durée de ses relations avec les éditeurs français et la tradition qui s'était instaurée dans les relations entre ceux-ci et le cartel des agences suisses, éléments que retient la Cour de justice pour admettre l'existence d'un rapport de causalité entre l'entrave incriminée et l'"organisation analogue" alléguée en demande, ne suffisent pas à établir que les conditions de l'art. 3 litt. b LCart sont remplies. L'arrêt déféré constate en effet que "ce sont bien ces éditeurs à qui le produit est commandé qui l'ont refusé à la demanderesse". Or, dans la mesure où ils l'ont fait de leur propre initiative et pour défendre leurs propres intérêts, indépendamment des voeux et des intérêts des agences suisses, il n'y a pas entre leur attitude et celle des défenderesses d'accord tacite de comportement au sens de l'art. 3 litt. b LCart (
ATF 90 II 509
s.). Les circonstances invoquées par l'arrêt déféré ne constituent, à l'instar d'autres qualités telles que le sérieux en affaires, la solvabilité, l'appareil technique et commercial, que des arguments d'ordre économique de nature à influencer la décision de l'éditeur, qui ressortit à la liberté de contracter, et à le convaincre de s'en tenir à ses distributeurs traditionnels plutôt que de courir un risque en désorganisant le système de vente en place. Elles ne sauraient être considérées comme des preuves, ni même des indices de l'appartenance des défenderesses à une organisation analogue à un cartel, sur le plan vertical.
En considérant que la puissance de Naville ne pouvait "qu'influer sérieusement" sur la liberté de décision des éditeurs français, la Cour de justice méconnaît la portée du marché dominé par cette défenderesse. Ce marché concerne les rapports entre grossistes et détaillants, réglés par l'arrangement de 1959 entre les agences suisses de journaux. Rien n'indique que, dans les rapports entre fournisseurs et grossistes, la position de Naville impose à Hachette et aux Nouvelles Messageries le choix de leur distributeur en Suisse romande. Même si l'importance du système de distribution
BGE 102 II 427 S. 435
joue un rôle, ce choix relève du pouvoir de décision de l'éditeur. Il est normal que celui-ci, qui supporte la charge des invendus, préfère recourir aux services d'une agence qui a fait ses preuves et offre de solides garanties commerciales, plutôt qu'à un nouveau venu dont la clientèle est incertaine. Une telle décision n'implique pas à elle seule l'existence d'un accord avec le distributeur, visant à dominer le marché des journaux et périodiques en question.
La Cour de justice déduit en outre l'"influence de Naville" de l'intervention de celle-ci auprès des Nouvelles Messageries, en 1961, afin de faire cesser le ravitaillement clandestin d'un détaillant suisse en France, ravitaillement découvert grâce à la mise en oeuvre d'un détective et interrompu à fin novembre 1961. Mais cet épisode, d'ailleurs antérieur à l'entrée en vigueur de la loi sur les cartels, ne saurait suffire à établir l'existence d'une entente cartellaire entre Naville et les Nouvelles Messageries, ni à plus forte raison Hachette. Il ne suppose pas nécessairement que la première ait inspiré à l'origine aux éditeurs français la décision de ne pas ravitailler la demanderesse.
d) Les arguments de l'arrêt déféré relatifs au "double rôle" commercial de Naville, à la fois grossiste et détaillante, et aux conditions des contrats qu'elle a imposés à ses dépositaires lors de la mise en place du cartel de 1959 sont sans pertinence pour juger s'il existe entre cette défenderesse et ses fournisseurs français une organisation analogue à un cartel. Ces considérations concernent les rapports entre grossistes et détaillants et sortent du cadre de ce procès, qui vise les relations d'éditeurs à grossistes. Si la situation des détaillants qui résulte de la position de Naville en Suisse romande et de l'arrangement intervenu entre les agences suisses de journaux peut expliquer la fondation de la Coopérative demanderesse, elle ne prouve nullement que le refus auquel celle-ci s'est heurtée de la part des éditeurs français soit en rapport de causalité avec un accord entre ces éditeurs et les défenderesses.
e) La Cour de justice relève encore que "nombreux sont les éditeurs qui opposèrent à la demande de livraison, formulée par la Coopérative, l'"exclusivité" qui les lie à Naville ..., tandis que d'autres invoquent des accords ou des engagements". Elle donne dans son arrêt du 17 mai 1974 une liste, par ordre chronologique, de la correspondance échangée à cet
BGE 102 II 427 S. 436
égard. Les refus qui ressortent de cette correspondance sont toutefois sans pertinence, dans la mesure où ils concernent des requêtes émanant non pas de la demanderesse, mais de détaillants ou de la section genevoise de l'Union suisse des négociants en cigares, et où ils se rapportent à des journaux et périodiques autres que ceux diffusés par Hachette et les Nouvelles Messageries, qui seuls font l'objet du présent procès (cf. consid. 2 b ci-dessus). Pour le surplus, ils établissent la difficulté pour la demanderesse d'obtenir les journaux et périodiques en cause, c'est-à-dire l'entrave à l'exercice de la concurrence dont elle est victime, mais non pas que cette entrave serait imputable aux défenderesses. Selon les constatations de la Cour de justice, le refus auquel s'est heurtée la demanderesse est le fait des éditeurs français, et non pas des agences suisses. La demanderesse ne prétend d'ailleurs pas s'être adressée à ces agences pour obtenir lesdits journaux et périodiques. Elle entend au contraire être approvisionnée directement par les éditeurs et sans passer par l'intermédiaire de Naville, qui est sa concurrente.
Dans le cadre du présent litige, il n'y a en définitive lieu de retenir, de la correspondance citée par l'arrêt du 17 mai 1974, que la déclaration des Nouvelles Messageries, selon laquelle Naville est leur "mandataire en Suisse" et "répond des conditions dans lesquelles la distribution et la vente sont effectuées" et le refus de Hachette, déclarant qu'elle ne voulait pas "multiplier de façon déraisonnable le nombre des points de vente" et que le "statu quo actuel est conforme aux intérêts des éditeurs, des distributeurs, des dépositaires ainsi que du public en général". Or ces déclarations ne permettent nullement d'admettre que l'exclusivité dont bénéficie Naville résulterait d'un accord entre elle et Hachette, et non pas simplement d'une décision unilatérale de l'éditeur, dictée par le souci de ne confier la distribution de ses produits qu'à une entreprise lui offrant les meilleures garanties commerciales. La référence expresse aux "intérêts des éditeurs" paraît plutôt s'opposer à la thèse de la demanderesse.
f) Se référant à une lettre du 21 janvier 1966 de la Commission des cartels au conseil de la demanderesse, la Cour de justice relève que cette commission "pense qu'il est "impossible à un dissident d'être fourni en journaux étrangers (français) étant donné que les sociétés étrangères ... de distribution
BGE 102 II 427 S. 437
(NMPP, Hachette, etc.) sont liées par des accords d'exclusivité ou cartels'". Il s'agit là, comme l'indique le terme "pense", d'une opinion de la Commission des cartels et non pas d'une constatation de fait de l'autorité cantonale, qui lierait le Tribunal fédéral en instance de réforme. Dans la lettre en question, antérieure au début de son enquête, la Commission des cartels n'indique d'ailleurs pas d'autres circonstances à l'appui de ces "accords d'exclusivité" que "le cas de la "Coopérative" qui, boycottée par le cartel, a cherché vainement à s'approvisionner chez des commerçants étrangers". Quant au rapport du 7 juillet 1971, auquel se réfère le même passage de l'arrêt attaqué, il constate seulement "que les organes français de presse ... sont importés presque exclusivement par la maison Naville, et qu'elle les distribue à tous les points de vente situés dans sa zone d'influence", exerçant ainsi dans cette zone "le contrôle effectif de la distribution exclusive des journaux français".
4.
a) Les circonstances relevées par l'arrêt déféré ne permettent donc pas d'admettre que le boycott dont se plaint la demanderesse résulte d'un accord tacite de comportement au sens de l'art. 3 litt. b LCart entre Hachette et les Nouvelles Messageries d'une part, qui refusent de livrer les journaux et périodiques qu'elles diffusent, et les défenderesses Naville et Schmidt d'autre part. La position occupée par Naville en Suisse romande en vertu de l'arrangement de 1959 et la tradition de ses relations commerciales avec Hachette, en particulier, n'emportent pas la preuve que cette défenderesse ait exercé sur la décision de l'éditeur français une influence sortant du cadre de ce que l'on peut attendre du jeu de la libre concurrence, eu égard aux particularités du marché des journaux et périodiques. La thèse des défenderesses en revanche, selon laquelle le refus des fournisseurs français serait dû non pas à une intervention des agences suisses, mais à la volonté de l'éditeur de ne pas augmenter le nombre des points de vente, afin d'"éviter la multiplication des invendus, qui sont l'un des soucis majeurs de tous les éditeurs", trouve appui dans la position adoptée par le Département étranger Hachette, notamment dans une lettre du 12 juin 1963, en réponse à la demande d'approvisionnement de la Coopérative. Cette lettre fait état des raisons, déjà exposées en 1960, "pour lesquelles le monde de l'édition, en général, ne désire pas
BGE 102 II 427 S. 438
agrandir le nombre de ses correspondants à l'étranger", et a pour but de "réaliser le chiffre de vente maximum tout en réduisant autant qu'il est possible la proportion des exemplaires invendus, élément important du prix de revient", et, pour cela, "de ne pas multiplier de façon déraisonable le nombre des postes de vente, au risque de voir s'élever dangereusement le coefficient d'invendus". Le rapport de la Commission des cartels constate dans le même sens (op.cit., p. 184): "A réitérées reprises, les éditeurs ont fait observer que le journal représente une marchandise donnée en commission; autrement dit, le risque de vente de ce produit incombe a l'éditeur. Par conséquent, le groupement optimum des points de vente l'intéresse au plus haut point ... Les éditeurs en ont conclu ... qu'il est préférable de confier presque exclusivement leur marchandise en commission aux quatre agences pilotes et de renoncer aux services d'autres partenaires commerciaux, bien que la possibilité de livrer directement soit tout à fait réalisable, en soi."
La Cour de justice a méconnu l'art. 3 litt. b LCart en admettant, sur la base des faits retenus dans son arrêt du 17 mai 1974, que les entraves à la concurrence dont se plaint la demanderesse ont été prises par une organisation analogue à un cartel au sens de cette disposition, existant entre Hachette et les Nouvelles Messageries d'une part, les défenderesses Naville et Schmidt d'autre part. La demanderesse, à qui incombait le fardeau de la preuve, n'a pas établi l'existence d'une telle organisation. En ce qui concerne Schmidt, elle n'a d'ailleurs même pas allégué que cette défenderesse aurait contribué, autrement que par sa participation à l'arrangement de 1959, au boycott incriminé.
b) La demanderesse invoque en outre l'art. 3 litt. c LCart en faisant état de la participation de 11,07% de Hachette dans Naville Holding S.A. et en affirmant que "la position dominante de Naville résulte du fait que sa partenaire française, Hachette, qui est son actionnaire, lui assure l'exclusivité de sa distribution qu'elle exerce de son côté soit directement, soit par son influence dans NMPP de façon quasi monopolistique". Mais cette argumentation ne tient pas compte du fait que seule Naville et C;e S.A. est partie au procès. La société holding Naville, qui contrôle plusieurs sociétés dans le domaine de la diffusion des livres, journaux et périodiques,
BGE 102 II 427 S. 439
dont les défenderesses Naville et PISA, n'a jamais été prise à partie et n'a donc pas eu l'occasion de se défendre. Au surplus, la participation de 11,07% de Hachette au capital de la société holding ne permet pas, à elle seule, d'imputer aux défenderesses que celle-ci contrôle le refus de l'éditeur de ravitailler la demanderesse.
La situation de la défenderesse PISA se présente en revanche différemment pour la période où elle appartenait à Hachette, soit jusqu'en 1968, année où celle-ci en a cédé les actions à Naville Holding S.A. Jusqu'alors, elle était l'instrument de l'éditeur français dont elle suivait les décisions. C'est donc à tort que la Cour de justice s'est bornée à appliquer sans autre à cette défenderesse les considérations développées à propos de Naville, en omettant de distinguer la période à partir de laquelle PISA a été incorporée au groupe Naville de celle où elle dépendait de Hachette. Or cette distinction s'impose pour juger de la participation de PISA à un cartel ou à une organisation analogue avec Hachette et les Nouvelles Messageries. L'autorité cantonale ne l'ayant pas faite, il conviendrait de lui renvoyer la cause pour qu'elle examine si la demanderesse a satisfait, selon les règles de la procédure cantonale, à son obligation d'alléguer les faits et de proposer les preuves nécessaires à l'appui de ses conclusions contre Librairie-Commission S.A., devenue Presse-Import S.A., pour la période du 15 février 1964 à une date en 1968 qu'il y aurait lieu de préciser.
On peut toutefois se dispenser de ce renvoi si les entraves à la concurrence dont se plaint la demanderesse sont licites au regard de l'
art. 5 LCart
, comme le soutiennent les défenderesses, les conclusions de la demande étant alors de toute façon privées de fondement, aussi bien contre PISA que contre Naville et Schmidt, et cela pour toute la période considérée.
5.
Selon l'
art. 5 al. 1 LCart
, les entraves à la concurrence sont licites lorsqu'elles sont justifiées par des intérêts légitimes prépondérants et ne restreignent pas la libre concurrence de manière excessive par rapport au but visé ou du fait de leur nature ou de la façon dont elles sont appliquées. L'art. 5 al. 2 litt. a à e indique des exemples de mesures qui peuvent être justifiées par des intérêts légitimes prépondérants. Il appartient aux auteurs des entraves incriminées d'établir l'existence
BGE 102 II 427 S. 440
de circonstances exceptionnelles au sens de l'art. 5 (
ATF 91 II 490
).
a) En l'espèce, les défenderesses se prévalent de l'art. 5 al. 2 litt. c LCart. Elles soutiennent que "la volonté des éditeurs français de limiter le nombre des distributeurs suisses est d'autant plus légitime qu'elle vise à promouvoir dans la vente des journaux et périodiques concernés une structure souhaitable dans l'intérêt général".
La Cour de justice admet avec la Commission des cartels que l'organisation actuelle de distribution des imprimés de langue française en Suisse romande est l'aboutissement de techniques raisonnables et a promu une structure souhaitable dans l'intérêt général. Elle considère toutefois que ces circonstances ne sont pas décisives et reproche aux défenderesses de n'avoir pas "fourni de faits précis dont il résulterait que ces éléments positifs de leur cartellisation étaient "prépondérants" par rapport à la grande nuisance que celle-ci occasionnait à la demanderesse". Les défenderesses, relève l'arrêt attaqué, ont d'emblée refusé l'idée d'une autre mesure que le boycott et s'en sont tenues sans plus à leurs "avantages concurrentiels importants, face aux propriétaires de kiosques indépendants".
b) La Commission des cartels admet dans son rapport qu'à l'échelon du commerce de gros, la collaboration instituée par la convention générale entre les agences s'est traduite par une rationalisation et une amélioration importante de l'appareil de distribution. Quant au commerce de détail, la limitation de la concurrence devrait avoir pour effet de supprimer des frais superflus, sans aucune justification économique. Selon la Commission, l'économie publique et la politique nationale tirent avantage et profitent à coup sûr du fait que sont coordonnées l'expédition et la livraison des journaux et périodiques aux différents points de vente; en effet, le maintien d'une presse politique et d'opinion suffisamment diversifiée suppose que celle-ci soit distribuée aussi rapidement que possible. A propos des structures, que la convention générale contribue à maintenir, le rapport considère qu'elles "sont rationnelles en soi et qu'elles fonctionnent bien". Examinant la situation particulière de la Suisse romande, la Commission des cartels constate que Naville occupe une position prédominante sur le marché de gros des journaux, des périodiques et
BGE 102 II 427 S. 441
des livres, position dont elle a indubitablement la possibilité d'abuser; l'enquête n'a toutefois relevé aucun indice concluant qui permettrait d'affirmer qu'elle tire un profit abusif de cette position de force.
Sur le vu de ces considérations, auxquelles se rallie l'autorité cantonale, et compte tenu de l'intérêt public à une diffusion rapide et rationnelle de la presse écrite, il y a lieu d'admettre que l'exclusivité dont les agences suisses de journaux jouissent dans leur réseau de distribution, et notamment celle de Naville en Suisse romande pour la diffusion des journaux et périodiques fournis par Hachette et les Nouvelles Messageries, vise à promouvoir une structure souhaitable dans l'intérêt général.
c) La Cour de justice considère toutefois que les intérêts poursuivis par les défenderesses ne peuvent être tenus pour prépondérants et que l'entrave apportée à l'exercice de la concurrence est excessive par rapport au but recherché.
Pour juger de ces questions, il faut mettre en balance les intérêts qui s'affrontent et rechercher si les mesures incriminées respectent le principe de la proportionnalité, compte tenu des circonstances du cas particulier (
ATF 99 II 235
s. consid. 3, 98 II 376).
En l'espèce, l'intérêt de la Coopérative demanderesse, fondée par des détaillants qui n'étaient pas d'accord de signer le nouveau contrat proposé par Naville, consiste à pouvoir fournir à ses membres et à ses clients les journaux et périodiques diffusés par Hachette et les Nouvelles Messageries, afin de les soustraire à la dépendance des défenderesses et plus spécialement de Naville, seul grossiste en Suisse romande pour ces produits. Du fait du refus opposé par les éditeurs en général et par Hachette en particulier, la Coopérative a dû limiter son activité, selon le rapport de la Commission des cartels, à la distribution de "certains articles de kiosque tels que tabacs et confiseries, cartes de géographie, romans-magazines, articles de papeterie, accessoires pour photographies, etc.", et de quelques périodiques.
A cet intérêt s'oppose celui des éditeurs, qui restent propriétaires des journaux qu'ils diffusent et supportent par conséquent le risque des invendus, à une distribution rationnelle et rapide de leurs publications, condition qu'ils estiment garantie de façon optimale par le système actuellement en vigueur. A
BGE 102 II 427 S. 442
cet égard, on ne saurait suivre la Cour de justice lorsqu'elle considère que "le problème de la prolifération des invendus manque de pertinence". De par sa nature, un journal quotidien ou un hebdomadaire est un produit "périssable" qui se déprécie pratiquement en vingt-quatre heures, respectivement en sept jours, c'est-à-dire dès la parution du prochain numéro. L'intérêt de l'éditeur à une diffusion rapide est donc évident. D'autre part, la proportion des exemplaires invendus par rapport aux exemplaires vendus constitue un facteur essentiel au point de vue de la rentabilité. L'éditeur est donc fondé à viser le maintien d'un système de distribution qui réduit au maximum le risque de mévente de sa marchandise.
La Cour de justice fait valoir à tort qu'"un cartel d'entreprises n'est jamais d'utilité publique". L'
art. 5 LCart
ne postule nullement l'existence d'un intérêt public. Outre l'intérêt général - qui est compris dans la notion d'"intérêts légitimes" -, et pourvu qu'ils ne lui soient pas opposés, des intérêts particuliers peuvent déjà suffire à l'application de cette disposition (
ATF 98 II 377
). Mais en l'espèce, on l'a vu, les mesures litigieuses visent à promouvoir une structure souhaitable dans l'intérêt général.
La Cour de justice considère que, vu "la pénétration, dans presque tous les foyers et lieux de rassemblement public, des émissions" de radio et télévision, "l'intérêt général ne commande plus que la presse assure avec la même urgence qu'autrefois la diffusion des nouvelles ... Ainsi, une diffusion très rapide, comme les défenderesses prétendent l'assurer à elles seules, n'est plus un élément de l'intérêt général envisagé par la LCart". Cette argumentation méconnaît totalement d'une part les difficultés notoires de la presse écrite, dues notamment à la concurrence de la radio et de la télévision, d'autre part et surtout l'intérêt général de l'ensemble de la population au maintien d'une presse diversifiée, ce qui suppose une diffusion rapide des informations et des opinions non seulement par les moyens audio-visuels, mais aussi par l'imprimé. Ainsi que le relève la Commission des cartels, l'économie et la politique du pays profitent à coup sûr de la coordination efficace de l'expédition et de la livraison des journaux et périodiques aux différents points de vente. Il est donc dans l'intérêt général de sauvegarder cette coordination. Or, dans ses considérations sur les conséquences possibles de
BGE 102 II 427 S. 443
l'annulation totale ou partielle de la convention de 1959, considérations fondées notamment sur une comparaison avec la situation qui avait précédé la conclusion de la première convention en 1954, la Commission des cartels admet qu'avec un régime de libre concurrence dans le secteur du commerce de gros, toute collaboration en matière de distribution des organes de presse serait presque inconcevable.
Il y a dès lors lieu d'admettre que, dans la mesure où il serait imputable aux défenderesses, soit à PISA pour la période de 1964 à 1968, le refus de livrer des journaux et périodiques opposé à la demanderesse par Hachette et les Nouvelles Messageries ne restreindrait pas la libre concurrence de manière excessive par rapport au but visé, ni du fait de sa nature ou de la façon dont il est appliqué.
6.
Les entraves à la concurrence dont se plaint la demanderesse n'étant pas illicites au regard des
art. 4 et 5 LCart
, les conclusions de la demande qui restent litigieuses en instance fédérale sont privées de fondement et doivent être rejetées, sans qu'il soit nécessaire de se prononcer sur les autres griefs soulevés par les défenderesses contre l'arrêt attaqué.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral:
1. Admet les recours et annule le jugement rendu le 14 mars 1975 par la Cour de justice du canton de Genève.
2. Rejette la demande. | public_law | nan | fr | 1,976 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
c24aebdd-ee94-45d4-abce-b47c7d777b29 | Urteilskopf
89 IV 209
42. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 7. November 1963 i.S. Burri gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Schwyz. | Regeste
Art. 45 Abs. 3 MFV
; Vortrittsrecht des Fussgängers.
1. Der Fussgänger soll die Strasse ungehindert überqueren können, wenn er die Fahrbahn so frühzeitig betreten hat, dass es dem nahenden Fahrzeugführer noch möglich ist, ihm den Vortritt zu gewähren, ohne jemanden zu gefährden.
2. Der Fussgänger ist solange vortrittsberechtigt, als er sich auf dem Streifen befindet; er ist nicht gehalten, in der Strassenmitte einen Halt einzuschalten. | Sachverhalt
ab Seite 209
BGE 89 IV 209 S. 209
A.-
Stiller fuhr am 17. Januar 1960 am Steuer seines Personenwagens Opel-Rekord auf der Kantonsstrasse von Pfäffikon nach Rapperswil. Etwa um 17 Uhr näherte er sich, einen mit 70 km/Std. fahrenden Personenwagen überholend, ausserorts der spitzwinklig von rechts einmündenden Hurdenerstrasse. Als er beim Wiedereinschwenken der Einmündung zwischen 120 und 110 m nahe war, betrat der 64-jährige Burri, aus der Hurdenerstrasse kommend, den von dort quer über die 8 m breite Hauptstrasse führenden Fussgängerstreifen. Stiller sah den Fussgänger zu spät, um noch vor dem Streifen anhalten zu können. Er versuchte nach links auszuweichen, streifte
BGE 89 IV 209 S. 210
dabei Burri und geriet auf die linke Seite der Fahrbahn, wo er frontal mit einem Personenwagen zusammenstiess, der, von Werren geführt, in der Gegenrichtung fuhr. Stiller, Werren, ihre Mitfahrer und Burri erlitten erhebliche Verletzungen. Ausserdem entstand beträchtlicher Sachschaden.
B.-
Das Bezirksgericht Höfe erklärte Stiller und Burri am 3. Januar 1961 der fahrlässigen Störung des öffentlichen Verkehrs (
Art. 237 Ziff. 2 StGB
), der fahrlässigen Körperverletzung (
Art. 125 StGB
) sowie der fahrlässigen Sachbeschädigung (§ 13 EG zum StGB) schuldig und verurteilte ersteren zu Fr. 300.--, letzteren zu Fr. 75.- Busse.
Das Kantonsgericht von Schwyz bestätigte am 25. April 1961 dieses Urteil mit der Ausnahme, dass es Burri bloss der fahrlässigen Störung des öffentlichen Verkehrs schuldig fand. Es warf ihm vor, auf den Strassenverkehr zu wenig Rücksicht genommen zu haben.
C.-
Burri führt Nichtigkeitsbeschwerde. Er beantragt dem Bundesgericht, das Urteil des Kantonsgerichtes aufzuheben und die Sache zu seiner Freisprechung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
D.-
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Schwyz beantragt, die Beschwerde gutzuheissen.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1.
Nach
Art. 45 Abs. 3 MFV
haben die Motorfahrzeugführer vor Fussgängerstreifen die Geschwindigkeit zu mässigen und nötigenfalls anzuhalten, um den sich schon darauf befindenden Fussgängern die ungehinderte Überquerung der Fahrbahn zu ermöglichen. Diese Bestimmung räumt dem Fussgänger auf dem Streifen den Vortritt ein, den er gegenüber den Fahrzeugführern allerdings nicht beliebig, sondern nur dann beanspruchen darf, wenn er die Fahrbahn auf angemessene Entfernung vor den nahenden Fahrzeugen betreten hat (
BGE 86 IV 37
f.). Der Fussgänger hat trotz seines Vortrittsrechts auf die Strassen- und Verkehrsverhältnisse Rücksicht zu nehmen
BGE 89 IV 209 S. 211
und aufmerksam zu sein. Art. 35 Abs. 1 MFG hält ihn denn auch ausdrücklich an, die Strasse vorsichtig zu überschreiten. Dies setzt voraus, dass er sich noch vor dem Betreten der Fahrbahn sorgfältig nach links und rechts vergewissert, ob von dieser oder jener Seite ein Fahrzeug sich nähere, mit dem es zum Zusammenstoss kommen könnte. Wenn er sieht oder bei gehöriger Aufmerksamkeit sehen könnte, dass ihm ein Fahrzeugführer den Vortritt nicht lassen will oder nicht mehr lassen kann, darf er ihn nicht erzwingen. Er muss bei solcher Lage vor dem Fussgängerstreifen warten. Hat er aber die Fahrbahn so frühzeitig betreten, dass es dem nahenden Fahrzeugführer noch möglich ist, ihm den Vortritt zu gewähren, ohne jemanden zu gefährden, so soll der Fussgänger sein Vorhaben ungehindert ausführen können. Er darf alsdann damit rechnen, dass der Fahrzeugführer sich vorschriftsgemäss verhalten und ihm die Ausübung seines Rechts ermöglichen werde (vgl.
BGE 65 I 59
f.,
BGE 86 IV 37
Erw. 1,
BGE 89 II 51
Erw. 1).
2.
Als der Beschwerdeführer die Fahrbahn betrat, war der Personenwagen Stillers nach den tatsächlichen und gemäss
Art. 277bis Abs. 1 BStP
verbindlichen Feststellungen des Kantonsgerichtes noch zwischen 120 und 110 m vom Fussgängerstreifen entfernt. Auf diese Entfernung hätte der Fahrzeugführer bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit Zeit genug gehabt, die Geschwindigkeit zu mässigen und dem Fussgänger den Vortritt zu gewähren, und zwar selbst dann, wenn er, wie die Vorinstanz feststellt, soeben einen andern Wagen mit erheblich mehr als 70 km/Std. überholt hatte. Das Kantonsgericht schliesst denn auch nicht aus, dass Burri die Strasse auf angemessene Entfernung vor den aus Richtung Pfäffikon herkommenden Fahrzeugen zu überschreiten begonnen hat. Traf dies aber zu, so kann darauf, wie der Beschwerdeführer die Geschwindigkeit Stillers einschätzte, nichts ankommen. Dass der Fahrzeuglenker auf der geraden und übersichtlichen Strecke den Fussgänger zu spät wahrnahm, weil er unaufmerksam war, brauchte der Beschwerdeführer nicht in Rechnung
BGE 89 IV 209 S. 212
zu stellen. Nachdem er die Fahrbahn rechtzeitig betreten hatte, durfte er wegen seines Vortrittsrechtes gegenteils voraussetzen, dass Stiller den Lauf mässigend auf ihn Rücksicht nehmen und hinter ihm durchfahren werde. Letzteres wäre dem Fahrzeuglenker bei nur mässig verminderter Geschwindigkeit denn auch möglich gewesen, hat er doch den Fussgänger nach dem Unfallplan gestreift, nachdem Burri die Strasse schon zur Hälfte überschritten hatte. Der Beschwerdeführer hatte somit keine begründete Veranlassung, das Überqueren der Fahrbahn bis nach der Durchfahrt Stillers aufzuschieben und damit auf sein Vortrittsrecht zu verzichten.
Dazu musste ihn auch der Umstand nicht bewegen, dass gleichzeitig ein Personenwagen von rechts nahte. Der noch offene Zwischenraum von 85 m genügte dessen Lenker, der mit 50-60 km/Std. fuhr, vollauf, um nötigenfalls vor dem Fussgängerstreifen anzuhalten und Burri die ungehinderte Überquerung der Fahrbahn zu ermöglichen. Werren hat darauf übrigens pflichtgemäss Rücksicht genommen, indem er die Fahrt verlangsamte, als er den Fussgänger die Strasse betreten sah. Folglich durfte der Beschwerdeführer auch diesem Fahrzeugführer gegenüber den Vortritt beanspruchen. Er wäre entgegen der Annahme der Vorinstanz keineswegs gehalten gewesen, in der Strassenmitte anzuhalten, um den von rechts kommenden Wagen Werrens vor ihm durchfahren zu lassen. Solange der Fussgänger sich auf dem Streifen befindet, ist er vortrittsberechtigt (
BGE 89 II 53
), mag der vortrittsbelastete Fahrzeugführer sich ihm von rechts oder von links nähern. Der Fahrzeuglenker hat entweder anzuhalten, wie dies
Art. 45 Abs. 3 MFV
vorschreibt, oder von vorneherein, sofern es die Strassen- und Verkehrsverhältnisse erlauben, soweit nach rechts oder links auszuholen, dass der Fussgänger ungefährdet weitergehen kann. Anstand und Rücksichtnahme mögen dem Fussgänger namentlich auf breiten Strassen und bei grossem Fahrverkehr von rechts nahe legen, in der Strassenmitte einen Halt einzuschalten. Aber verpflichtet ist er dazu nicht. Im vorliegenden
BGE 89 IV 209 S. 213
Falle wäre dies dem Beschwerdeführer schon deshalb nicht zuzumuten gewesen, weil die Fahrbahn durch dünne Schneeschichten eingeengt war und von rechts einzig Werren auf den Streifen zufuhr.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Kantonsgerichts Schwyz vom 25. April 1961 aufgehoben und die Sache zur Freisprechung des Beschwerdeführers an die Vorinstanz zurückgewiesen. | null | nan | de | 1,963 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
c24c954a-8869-48bd-9f82-986de4d32572 | Urteilskopf
84 II 131
17. Arrêt de la Ire Cour civile du 28 janvier 1958 dans la cause Huber contre Barthe et Monti. | Regeste
Berufung.
Gegen die unrichtige Auslegung eines in einem kantonalen Gesetz verwendeten Begriffs des Bundesrechts ist die Berufung nur zulässig, wenn der kantonale Gesetzgeber in der in Frage stehenden Beziehung zur Berücksichtigung des Bundesrechts verpflichtet war (Bestätigung der Rechtsprechung). | Sachverhalt
ab Seite 131
BGE 84 II 131 S. 131
A.-
Aux termes de l'art. 1er de la loi organique genevoise sur les Conseils de prud'hommes, du 12 mai 1897, les contestations qui s'élèvent entre maîtres et ouvriers, patrons et employés, patrons et apprentis, maîtres et domestiques pour tout ce qui concerne le louage de services, l'exécution du travail et le contrat d'apprentissage, sont jugées par les Tribunaux de prud'hommes.
BGE 84 II 131 S. 132
B.-
En janvier 1957, Monti et dame Barthe, qui exploitent un dancing à Genève, ont engagé pour le mois de février le chef d'orchestre Bob Huber et son ensemble. Le 3 février, ils ont résilié le contrat pour le lendemain.
Huber a actionné Monti et dame Barthe, devant le Tribunal de prud'hommes de Genève, en paiement de 5750 fr. à titre de salaire et d'indemnité pour rupture de contrat.
Les défendeurs ont excipé de l'incompétence du Tribunal de prud'hommes, disant qu'ils n'avaient jamais été liés à Huber et à ses musiciens par un contrat de travail.
Statuant en dernière instance cantonale, la Cour mixte de prud'hommes a, par arrêt du 1er juillet 1957, admis la thèse des défendeurs et déclaré les Tribunaux de prud'hommes incompétents pour connaître du litige.
C.-
Contre cet arrêt, Huber recourt en réforme en concluant à ce que le Tribunal fédéral dise que la convention liant les parties est un contrat de travail et que les Tribunaux de prud'hommes sont compétents pour connaître du litige.
Les intimés proposent le rejet du recours.
Erwägungen
Considérant en droit:
L'arrêt attaqué est une décision finale selon l'art. 48 al. 1 OJ. Mais, pour que le recours en réforme soit recevable, il faut aussi, en particulier, qu'il dénonce une violation du droit fédéral (art. 43 al. 1 et 55 al. 1 litt. c OJ).
Dans le dispositif de son arrêt, la Cour mixte a simplement statué sur un conflit de compétence entre autorités genevoises: elle a déclaré les Tribunaux de prud'hommes incompétents pour connaître du litige. C'est là un point qui relève du droit cantonal. Cependant, pour résoudre cette question, elle a dû examiner la nature juridique de la convention qui liait les parties et elle a considéré qu'il ne s'agissait pas d'un contrat de travail. Elle s'est ainsi prononcée, à titre préjudiciel, sur une question de droit fédéral.
BGE 84 II 131 S. 133
Or le Tribunal fédéral a jugé que l'application du droit fédéral, ne serait-ce que dans les motifs d'un jugement portant sur des points de droit cantonal, est sujette à la censure de la juridiction de réforme (RO 76 II 250; cf. également RO 68 IV 156). Mais, ainsi qu'il l'a précisé dans d'autres décisions (RO 80 II 183 et les arrêts cités), cette jurisprudence n'est valable que si le législateur cantonal a l'obligation, sur le point considéré, de tenir compte de la loi fédérale. C'est dans ce cas seulement, en effet, que le contrôle de la juridiction de réforme est nécessaire, puisqu'il est destiné à garantir les résultats que le législateur fédéral a voulu atteindre.
Cette condition n'est pas remplie en l'espèce. Les cantons peuvent en principe régler comme ils l'entendent la compétence matérielle de leurs tribunaux. Du point de vue du droit fédéral, il importe peu que le législateur genevois ait, pour définir les pouvoirs des Tribunaux de prud'hommes, utilisé comme critère la notion du contrat de travail; la loi fédérale ne l'y obligeait pas. Dès lors, en niant la compétence de cette juridiction, la Cour mixte n'aurait pu violer la loi suisse même si elle avait mal résolu la question de droit fédéral sur laquelle elle devait statuer préjudiciellement. Le recours en réforme est donc irrecevable.
Toutefois, si Huber introduit action devant les tribunaux ordinaires et forme ensuite un nouveau recours au Tribunal fédéral, celui-ci pourra alors se prononcer sur la nature juridique des rapports noués entre les parties. Au cas où il les qualifierait autrement que la Cour mixte et renverrait l'affaire aux autorités cantonales, il appartiendrait à ces dernières de décider si la cause doit être confiée aux Tribunaux de prud'hommes pour être jugée à nouveau (RO 80 II 184). | public_law | nan | fr | 1,958 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
c24dc5be-f969-42ac-81b1-9718d00e4204 | Urteilskopf
98 V 214
52. Auszug aus dem Urteil vom 16. August 1972 i.S. Mosimann gegen Ausgleichskasse des Kantons Bern und Versicherungsgericht des Kantons Bern | Regeste
Art. 12 Abs. 1 IVG
.
Anspruch Jugendlicher auf medizinische Massnahmen bei gewissen Deformitäten der Wirbelsäule (Änderung der Rechtsprechung). | Erwägungen
ab Seite 214
BGE 98 V 214 S. 214
Aus den Erwägungen:
2.
Es fragt sich, ob Käthi Mosimann allenfalls gestützt auf
Art. 12 IVG
ein Anspruch auf medizinische Massnahmen zusteht.
Gemäss
Art. 12 Abs. 1 IVG
hat der Versicherte Anspruch auf medizinische Massnahmen, die nicht auf die Behandlung des Leidens an sich, sondern unmittelbar auf die berufliche Eingliederung gerichtet und geeignet sind, die Erwerbsfähigkeit dauernd und wesentlich zu verbessern oder vor wesentlicher Beeinträchtigung zu bewahren. Um "Behandlung des Leidens an sich" geht es in der Regel bei der Heilung oder Linderung labilen pathologischen Geschehens. Unter solchen Umständen ist die Vorkehr nicht "unmittelbar" auf die Eingliederung gerichtet. Die Invalidenversicherung übernimmt im Prinzip nur unmittelbar auf die Beseitigung oder Korrektur stabiler Defektzustände oder Funktionsausfälle gerichtete Vorkehren, sofern diese die Wesentlichkeit und Beständigkeit des angestrebten Erfolges im Sinn von
Art. 12 Abs. 1 IVG
voraussehen lassen (EVGE 1966 S. 212). Bei nichterwerbstätigen minderjährigen Versicherten ist insbesondere zu beachten, dass diese als invalid gelten, wenn ihr Gesundheitsschaden künftig wahrscheinlich eine Erwerbsunfähigkeit zur Folge haben wird
BGE 98 V 214 S. 215
(
Art. 5 Abs. 2 IVG
). Nach der Rechtsprechung können daher medizinische Vorkehren bei Jugendlichen schon dann überwiegend der beruflichen Eingliederung dienen und trotz des einstweilen noch labilen Leidenscharakters von der Invalidenversicherung übernommen werden, wenn ohne diese Vorkehren in absehbarer Zeit eine Heilung mit Defekt oder ein sonstwie stabilisierter Zustand einträte, wodurch die Berufsbildung oder die Erwerbsfähigkeit oder beide beeinträchtigt würden. Selbstverständlich müssen auch die übrigen Voraussetzungen erfüllt sein (EVGE 1963 S. 117, 1966 S. 213, 1968 S. 48, 1969 S. 51 und 230).
Im Bereich der idiopathischen Skoliose hat die Rechtsprechung ursprünglich erkannt, dass Jugendliche nur in den allerschwersten Fällen Anspruch auf medizinische Eingliederungsmassnahmen der Invalidenversicherung und nur in Form von Operationen gegen Ende des evolutiven Stadiums haben. Konservative Vorkehren hingegen wurden als Behandlung des Leidens an sich betrachtet; dies vor allem in Anwendung des bis zum 31. Dezember 1967 gültig gewesenen
Art. 2 Abs. 1 IVV
, wonach als medizinische Eingliederungsmassnahmen nur einmalige oder während begrenzter Zeit wiederholte Vorkehren gewährt werden durften (ZAK 1968 S. 345, EVGE 1964 S. 27, 1963 S. 51 und 59). Die am 1. Januar 1968 in Kraft getretene revidierte Fassung des
Art. 2 IVV
hat diese Schranke beseitigt.
Neulich ist die Frage, inwieweit Jugendliche nach Abschluss des akuten Stadiums von Poliomyelitis medizinische Massnahmen beanspruchen können, gemäss folgenden Überlegungen entschieden worden: Poliomyelitische Restlähmungen seien geeignet, bis zum Abschluss der Wachstumsperiode, d.h. bis gegen das 20. Altersjahr, stabile Skelettveränderungen herbeizuführen, die es im Interesse der künftigen Erwerbsfähigkeit des Invaliden zu verhüten gelte; in diesen Fällen werde mit physiotherapeutischen Massnahmen einem die berufliche Ausbildung oder die künftige Erwerbsfähigkeit beeinträchtigenden Defektzustand vorgebeugt, weshalb die Invalidenversicherung für die Kosten solcher Präventivbehandlung bis zur Volljährigkeit aufzukommen habe.
Nicht nur bei Skelettveränderungen poliomyelitischer Genese, sondern auch bei Skoliosen, Kyphosen (Scheuermannscher Rundrücken) und Lordosen drohen stabile Defektzustände, welche ohne entsprechende Therapie die spätere Erwerbsfähigkeit des Jugendlichen voraussichtlich beeinträchtigen
BGE 98 V 214 S. 216
würden. Im Rahmen des Art. 12 in Verbindung mit
Art. 5 Abs. 2 IVG
lässt sich eine unterschiedliche rechtliche Behandlung der Skelettveränderungen poliomyelitischen Ursprungs einerseits und der Skoliosen, Kyphosen und Lordosen anderseits nicht rechtfertigen. Demzufolge haben - generell typisiert - an Kyphose, Skoliose oder Lordose leidende Jugendliche bis zum Abschluss des Wachstumsalters Anspruch auf jene medizinischen Vorkehren, welche notwendig sind, um dauernde Skelettschäden zu verhüten, die ihre Berufsbildung oder ihre spätere Erwerbsfähigkeit beeinträchtigen würden. Dieser Anspruch besteht im Einzelfall nur dann nicht, wenn und solange kein derart schwerwiegender Defektzustand droht. Da durch frühen Behandlungsbeginn die Entstehung einer schweren Wirbelsäulenverkrümmung und damit allenfalls eine Operation sich vermeiden lassen, sind die indizierten Massnahmen frühzeitig genug zu gewähren. - In diesem Sinn ist die bisherige Rechtsprechung gemäss Beschluss des Gesamtgerichts zu ändern.
3.
Käthi Mosimann leidet an schwerer Skoliose, die zur Zeit noch mit einer Milwaukee-Korsett-Behandlung angegangen wird, später allenfalls sogar einer Operation bedarf. Nach den Darlegungen in Erwägung 2 hat die Beschwerdeführerin bis zu ihrer Volljährigkeit Anspruch auf die notwendigen medizinischen Massnahmen gemäss
Art. 12 IVG
, zu denen auch die Behandlung mit dem Milwaukee-Korsett gehört. - Es ist Sache der Ausgleichskasse, in einer neuen Verfügung festzulegen, welche Massnahmen der Versicherten im einzelnen zustehen.
Dispositiv
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Bern vom 12. Januar 1972 sowie die Kassenverfügung vom 27. Juli 1971 aufgehoben und die Sache im Sinn der Erwägung 3 an die Verwaltung zurückgewiesen. | null | nan | de | 1,972 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
c2508691-fcd0-4739-b8b4-44c22d63f059 | Urteilskopf
125 III 337
58. Auszug aus dem Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 12. August 1999 i.S. K. (Beschwerde) | Regeste
Art. 149 SchKG
.
Die Ausstellung eines Verlustscheines, ohne dass eine Pfändung und Verwertung durchgeführt wurde, ist nichtig. | Sachverhalt
ab Seite 337
BGE 125 III 337 S. 337
A.-
Der Kantonsgerichtsausschuss von Graubünden ist am 5. Juli 1999 auf eine Beschwerde der Frau K. nicht eingetreten. In der Begründung seines Entscheides stellte der Kantonsgerichtsausschuss unter anderem fest, dass die Ausstellung des Verlustscheines (am 7. Juni 1999; Betreibung Nr. 0.; Verlustschein Nr. 1.) nicht zu beanstanden sei.
B.-
Diesen Entscheid hat K. mit einer am 1. August 1999 dem Postamt 7000 Chur 1 übergebenen Beschwerdeschrift innert der Frist des
Art. 19 Abs. 1 SchKG
an die Schuldbetreibungs- und Konkurs-kammer des Bundesgerichts weitergezogen.
Auf die Aufforderung hin, alle die genannte Betreibung betreffenden Akten der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts zuzustellen, hat die kantonale Aufsichtsbehörde der
BGE 125 III 337 S. 338
Kanzlei des Bundesgerichts am 10. August 1999 telefonisch mitgeteilt, dass weder das Betreibungsamt noch die kantonale Aufsichtsbehörde über weitere als die am 5. August 1999 dem Bundesgericht bereits zugestellten Akten verfügten.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
a) In der dem Bundesgericht eingereichten Beschwerde erklärt K., sie habe im kantonalen Verfahren «nicht gegen den Verlustschein Beschwerde eingereicht, sondern gegen die Betreibung und erneuten Rechtsvorschlag in der Betreibungssache eingereicht».
b) Die Behauptung der Beschwerdeführerin, sich beim Kantonsgerichtsausschuss nicht über den Verlustschein beschwert zu haben, ist zutreffend. Sie hat in ihrer der Vorinstanz eingereichten Beschwerde vom 24. Juni 1999 nur ihrer Befürchtung Ausdruck gegeben, dass ein Verlustschein ausgestellt werden könnte.
Hat aber die Schuldnerin im kantonalen Verfahren nicht Beschwerde gegen die Ausstellung des Verlustscheins geführt, so kann diesbezüglich auf ihre Beschwerde - die im Übrigen den Anforderungen, welche
Art. 79 Abs. 1 OG
an die Begründung einer Beschwerde stellt, nicht genügt - nicht eingetreten werden.
3.
a) Den Akten lässt sich entnehmen, dass die Stadtverwaltung B. das Betreibungsamt B. mit Schreiben vom 4. Juni 1999 um Ausstellung eines Verlustscheines ersucht hat mit der Begründung, es sei «praktisch kein Vermögen mehr vorhanden». Durch Ausstellung des Verlustscheines hat das Betreibungsamt am 7. Juni 1999 diesem Ersuchen entsprochen. Eine Pfändungsurkunde findet sich nicht bei den Akten.
b) Aus dieser Sach- und Aktenlage muss der Schluss gezogen werden, dass der Verlustschein (in welchem die volle Forderung der Stadtkasse zuzüglich Kosten als ungedeckt gebliebener Betrag bezeichnet wird) ohne Durchführung der Pfändung und Verwertung ausgestellt worden ist. Darin liegt eine Verletzung von
Art. 149 SchKG
dergestalt, dass die Ausstellung des Verlustscheins als nichtig zu betrachten ist (vgl.
BGE 80 III 141
E. 1).
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts stellt die Nichtigkeit der betreibungsamtlichen Verfügung von Amtes wegen fest (
Art. 22 Abs. 1 SchKG
; HANS ULRICH WALDER, Beschwerdeverfahren, Abgrenzung kantonales Recht/Bundesrecht, Fristen, Nichtige Verfügungen, in ZSR 115/1996 I, S. 202, lit. c). Daran ist sie durch den Abschluss der Betreibung nicht gehindert (
BGE 73 III 23
E. 3,
BGE 72 III 42
). | null | nan | de | 1,999 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
c2547a65-ed54-4132-a3fb-9ddf2ef2c90e | Urteilskopf
110 Ib 138
23. Estratto della sentenza 11 gennaio 1984 della I Corte di diritto pubblico nella causa Donini e Balmelli contro Consiglio di Stato del Cantone Ticino e Comune di Porza (ricorso di diritto pubblico) | Regeste
Raumplanung; vorläufige Regelungen der Kantone im Sinne von
Art. 36 Abs. 2 RPG
.
1.
Art. 36 Abs. 2 RPG
verpflichtet die Kantone, vorläufige Regelungen zu treffen bis zur Einführung kantonaler Anwendungsvorschriften auf dem ordentlichen Gesetzgebungswege (E. 3a).
2. Die Kantone haben die Möglichkeit, solche Regelungen auf dem Verordungswege zu schaffen, ohne sich dabei an die Bestimmungen des kantonalen Rechts über den Erlass abstrakter Normen halten zu müssen. Sie können in diesem Rahmen auch Zuständigkeits- und Verfahrensvorschriften erlassen, so etwa durch Subdelegation ein Departement beauftragen, für jede einzelne Gemeinde allfällige Planungszonen festzusetzen (E. 3b). | Erwägungen
ab Seite 139
BGE 110 Ib 138 S. 139
Dai considerandi:
3.
I ricorrenti ritengono che il Consiglio di Stato, delegando al Dipartimento dell'ambiente il compito di determinare, per ogni singolo Comune, le zone di pianificazione (
art. 16 del
decreto esecutivo ticinese sull'ordinamento provvisorio in materia di pianificazione del territorio, DEPT), avrebbe violato la Costituzione. La censura attiene alla base legale di un provvedimento che comporta una restrizione grave per i diritti dei proprietari: pertanto essa va esaminata liberamente (
DTF 108 Ia 35
consid. 3a,
DTF 104 Ia 331
consid. 4, 338,
DTF 102 Ia 115
consid. 4).
a) I principi pianificatori fissati nella LPT, legge quadro, devono essere completati e precisati dai Cantoni (
art. 36 cpv. 1 LPT
), in modo da consentire l'adempimento del mandato costituzionale enunciato dall'
art. 22quater Cost.
(
DTF 107 Ib 114
). Per evitare che, dal momento dell'entrata in vigore della legge federale sino all'adozione delle norme cantonali nelle vie legislative ordinarie, subentri un vuoto, l'
art. 36 cpv. 2 LPT
autorizza i governi dei Cantoni a emanare "ordinamenti provvisionali" finché il diritto cantonale non avrà designato altre autorità. Questa facoltà d'intervento è tanto più necessaria in quanto - giusta l'
art. 35 cpv. 3 LPT
- i piani direttori e i piani di utilizzazione cantonali operanti al momento dell'entrata in vigore della legge rimangono validi secondo il diritto cantonale fin quando non saranno approvati piani conformi alla LPT (si confronti il testo francese dell'
art. 35 cpv. 3 LPT
; si vedano pure i voti Butty e Friedrich in: Boll.uff. 1979 CN 717).
b) Come si desume dalla materia e dalla terminologia adottata dal legislatore, che impiega l'espressione generica di "ordinamenti" ("Regelungen", "mesures"), la delega contenuta nell'
art. 36 cpv. 2 LPT
conferisce ai governi dei Cantoni la possibilità di legiferare nelle vie dell'ordinanza, senza attenersi alle regole del diritto cantonale che disciplinano l'adozione di norme astratte. In tale facoltà, ancorata a una legge federale la cui costituzionalità non può essere vagliata dal Tribunale federale (
art. 113 cpv. 3 Cost.
), è chiaramente inclusa quella di emanare, sia pure a titolo provvisorio, disposizioni concernenti la competenza e la procedura, che in determinate circostanze possono contribuire ad assicurare gli scopi perseguiti dall'
art. 36 cpv. 2 LPT
con la stessa efficacia
BGE 110 Ib 138 S. 140
di norme del diritto materiale (BASCHUNG, Einführung in das Raumplanungsgesetz, in: Das Bundesgesetz über die Raumplanung, Berna 1980, pag. 11 segg., in particolare pag. 18). Accanto alla ricordata facoltà legislativa, l'
art. 36 cpv. 2 LPT
abilita i governi cantonali ad adottare misure concrete, segnatamente piani; questi ultimi, secondo la giurisprudenza, partecipano e della natura astratta della norma e di quella concreta di una decisione (
DTF 107 Ia 276
consid. 2b con richiami, 334 consid. 1b, 106 Ia 58, 79, 316 consid. 3, 387 consid. 3c). L'
art. 36 cpv. 2 LPT
menziona espressamente - per l'evidente importanza dell'istromento pianificatorio nel preciso contesto - le zone di pianificazione, che "l'autorità cantonale competente" può stabilire, per comprensori esattamente delimitati, se i piani di utilizzazione mancano o devono essere modificati (
art. 27 LPT
).
Ne discende che, sino all'entrata in vigore della legislazione cantonale, il Consiglio di Stato può emanare in via d'ordinanza norme concernenti la competenza e la procedura, nonché adottare direttamente piani. Tenendo conto di questa situazione, degli scopi perseguiti dall'
art. 36 cpv. 2 LPT
e della natura dei problemi da risolvere nell'ordinamento transitorio, si deve concludere che, se il governo cantonale non può subdelegare ad altra autorità inferiore il compito di legiferare per ordinanza (in ossequio al principio ora codificato nel diritto federale dall'art. 7 cpv. 5 della legge federale sull'organizzazione dell'amministrazione, RS 172.010, per cui la subdelega del potere legislativo è ammissibile soltanto se è prevista dalla legge corrispondente: v. AUBERT, Traité de droit constitutionnel suisse, vol. III, n. 1537 con riferimenti), simile restrizione non vale ove, attraverso l'ordinanza, il Consiglio di Stato subdeleghi a un Dipartimento la mansione concreta di determinare, per ogni singolo Comune, eventuali zone di pianificazione conformi all'
art. 27 LPT
.
Del resto, quand'anche il Consiglio di Stato fosse costretto - come autorità collegiale - a promulgare direttamente le zone di pianificazione per i Comuni ticinesi, quest'adozione si risolverebbe, per la natura delle cose, in un mero esercizio formale di approvazione; i provvedimenti emanati, infatti, sarebbero comunque studiati ed elaborati a livello dipartimentale. A favore della soluzione adottata dal governo ticinese sta poi l'ulteriore circostanza per cui, con il DEPT, il Consiglio di Stato si è riservato il ruolo di autorità di ricorso. Come tale, esso rivede liberamente le decisioni del Dipartimento dell'ambiente anche sotto il
BGE 110 Ib 138 S. 141
profilo dell'opportunità: con ciò è ossequiata l'esigenza secondo cui il diritto cantonale deve garantire il riesame completo da parte di almeno un'istanza (
art. 33 cpv. 3 lett. b LPT
; KUTTLER, Problemi inerenti alla protezione giuridica secondo la LPT, in: Rep. 1982 pag. 250 segg., in particolare pag. 259 lett. e;
DTF 109 Ia 2
con rinvii).
Il Consiglio di Stato ha dunque fatto un uso corretto della facoltà conferitagli dal diritto federale, in specie dall'
art. 36 cpv. 2 LPT
(in senso analogo: CATENAZZI, Delle zone di pianificazione e di alcune considerazioni attinenti all'ordinamento provvisorio in materia di pianificazione del territorio, in: Rivista di diritto amministrativo ticinese, 1981 pag. 233 segg., in particolare pag. 236 seg.). Ciò posto, è superfluo esaminare se esso si sia conformato anche alle regole del diritto cantonale, in tale misura inapplicabili. | public_law | nan | it | 1,984 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
c2568663-11f7-4e91-a23e-61db824f7973 | Urteilskopf
108 Ia 64
14. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit public du 3 mars 1982 dans la cause X contre Chambre d'accusation du canton de Genève (recours de droit public) | Regeste
Haftverlängerung; persönliche Freiheit.
1. Die Anwendung kantonalen Verfassungsrechts überprüft das Bundesgericht grundsätzlich frei (E. 2b).
2. Die Voraussetzungen der Haftverlängerung sind dieselben, ob die Verlängerung im Untersuchungsverfahren oder für den Zeitraum zwischen Urteilsfällung und Eintritt der Rechtskraft durch das urteilende Gericht angeordnet wird (E. 3). | Sachverhalt
ab Seite 64
BGE 108 Ia 64 S. 64
X a été arrêtée, pour sa participation à un important vol de métaux précieux, commis à main armée dans l'établissement Y. La Chambre d'accusation a, à plusieurs reprises, soit refusé la mise en liberté provisoire de la prévenue, soit autorisé la prolongation de sa détention, en se fondant sur les motifs de la gravité concrète de l'infraction, des besoins de l'instruction et du risque de collusion.
BGE 108 Ia 64 S. 65
Par jugement du 19 juin 1981, la Cour d'assises du canton de Genève a condamné X. à la peine de 20 mois d'emprisonnement pour complicité de brigandage, vol, diffamation et calomnie, alors que le procureur général avait requis contre elle une peine de 5 ans de réclusion, notamment pour brigandage. Le procureur général s'est pourvu en cassation contre ce jugement, les actes imputés à l'accusé ne relevant pas, à son avis, de la simple complicité mais de la coactivité de brigandage simple. Par arrêt du 10 novembre 1981, la Cour de cassation du canton de Genève a admis le pourvoi, annulé l'arrêt de la Cour d'assises en ce qui concerne la participation de X. au brigandage commis chez Y. et renvoyé la cause à cette juridiction pour qu'elle statue à nouveau.
Un pourvoi en nullité et un recours de droit public dirigés par X. contre cet arrêt sont actuellement pendants devant la Cour de cassation du Tribunal fédéral.
Le 15 décembre 1981, X. a requis la Chambre d'accusation de la mettre en liberté provisoire sous caution. Le procureur général a préavisé défavorablement cette requête, en se fondant sur les charges suffisantes, la gravité de l'infraction et les risques de fuite et de collusion. Par ordonnance du 23 décembre 1981, la Chambre d'accusation a rejeté la demande de mise en liberté. Après avoir admis que la requérante se trouvait toujours en détention préventive, le jugement rendu contre elle n'étant pas exécutoire, elle a toutefois considéré que cette détention revêtait un caractère particulier du fait même de ce jugement. Les recours dirigés contre ce dernier ne pouvant conduire à l'acquittement pur et simple, l'accusée ne bénéficierait plus de la présomption d'innocence. Or, c'est cette présomption d'innocence qui exclurait que la gravité de l'infraction puisse, à elle seule, justifier la prolongation d'une détention préventive. La gravité des actes reprochés à la requérante n'étant pas contestable, elle suffit ainsi à fonder le rejet de sa demande de mise en liberté. Se référant purement et simplement à cette ordonnance et à sa motivation, la Chambre d'accusation a, le 13 janvier 1982, rejeté une nouvelle demande de mise en liberté provisoire.
Agissant par la voie du recours de droit public, X. demande au Tribunal fédéral, d'une part, d'annuler les ordonnances de la Chambre d'accusation du canton de Genève des 23 décembre 1981 et 13 janvier 1982 et, d'autre part, d'ordonner sa mise en liberté provisoire. Elle soutient, en substance, que l'autorité cantonale a violé la garantie de la liberté personnelle, telle qu'elle découle du
BGE 108 Ia 64 S. 66
droit constitutionnel non écrit, et des
art. 5 et 6 CEDH
. Elle invoque, en outre, une violation arbitraire des
art. 25 et 17 Cst.
gen. et 154 du code de procédure pénale genevois du 29 juillet 1977 (CPP gen.).
La Chambre d'accusation et le procureur général du canton de Genève concluent au rejet du recours. Le Tribunal fédéral admet le recours dans le sens des considérants.
Erwägungen
Considérant en droit:
2.
Hormis les violations de la liberté personnelle découlant du droit constitutionnel non écrit, la recourante allègue que les décisions attaquées reposent, d'une part, sur une application arbitraire de l'
art. 154 CPP
gen. et des
art. 25 et 27 Cst.
gen. du 24 mai 1944 et, d'autre part, sur une violation des
art. 5 et 6 CEDH
.
a) Le grief tiré de l'application arbitraire du droit de procédure cantonale est, comme tel, recevable; invoqué en même temps que la violation de la liberté personnelle, il n'a toutefois pas une portée indépendante puisque, dans les cas d'incarcération, le Tribunal fédéral a un plein pouvoir d'examen de l'application et de l'interprétation du droit cantonal (
ATF 105 Ia 29
et arrêts cités,
ATF 104 Ia 302
/303).
b) Le Tribunal fédéral examine en principe librement l'application du droit constitutionnel cantonal quel que soit le principe dont la violation est alléguée, et non seulement sous l'angle restreint de l'arbitraire, comme paraît le concevoir la recourante (
ATF 105 Ia 174
consid. 2a,
ATF 98 Ia 53
consid. 3). Il faut toutefois relever que, des deux dispositions du droit constitutionnel cantonal dont celle-ci allègue la violation, l'art. 25 contient les règles que la Chambre d'accusation doit respecter lorsqu'elle prolonge la détention et l'art. 27 énumère les conditions auxquelles une demande de mise en liberté peut être refusée. La recourante ne prétend pas que les garanties qu'elles comportent aillent au-delà de celles offertes par le droit constitutionnel fédéral non écrit. Le grief tiré de la violation du droit constitutionnel cantonal n'a ainsi pas non plus de portée propre.
c) La recourante se borne à citer les
art. 5 et 6 CEDH
dans le préambule de ses conclusions. L'acte de recours n'y fait aucune autre allusion. Il est dès lors douteux que la simple invocation de ce grief réponde aux exigences de motivation posées par l'
art. 90 al. 1 OJ
. Quoi qu'il en soit, le Tribunal fédéral examine
BGE 108 Ia 64 S. 67
principalement si le maintien en détention se justifie au regard de la liberté personnelle telle qu'elle découle du droit interne. Les principes institués par la Convention européenne ne sont pris en considération pour l'interprétation et l'application de cette garantie qu'en tant qu'ils la concrétisent (
ATF 105 Ia 29
consid. 2b, 102 Ia 381 consid. 2, 101 Ia 69 consid. 2c).
3.
Selon l'article 154 CPP gen., qui reproduit les termes de l'
art. 27 Cst.
gen., la mise en liberté d'une personne détenue préventivement ne peut être refusée que si:
a) la gravité de l'infraction l'exige;
b) les circonstances font penser qu'il y a danger de fuite, de collusion, de nouvelle infraction;
c) l'intérêt de l'instruction l'exige.
L'autorité intimée ne conteste pas que la recourante se trouve toujours en détention préventive bien que la Cour d'assises ait rendu son jugement, celui-ci n'étant pas encore entré en force.
Elle ne conteste pas davantage que la gravité de l'infraction ne suffit pas, à elle seule, à justifier une prolongation de la détention préventive (
ATF 106 Ia 407
consid. c). Il faut qu'en plus de cet élément l'une au moins des autres conditions posées à l'
art. 154 CPP
gen. soit réalisée. A cet égard, on peut relever que la perspective d'une longue peine privative de liberté constituera souvent une présomption de danger de fuite (
ATF 107 Ia 6
consid. 5) qui justifiera, le cas échéant, le maintien en détention préventive, s'il n'est pas possible d'envisager objectivement d'autres mesures de nature à le prévenir (Préavis Bonnechaux SJ 1980 p. 586).
La Chambre d'accusation, de même que le procureur général dans ses observations, soutient simplement que la situation d'un inculpé, détenu préventivement, change dès qu'il a été condamné par l'autorité de jugement indépendamment du caractère exécutoire ou non de cette condamnation. Elle prétend que cette conception est conforme à la jurisprudence du Tribunal fédéral, telle qu'elle a été développée dans l'arrêt Pindeus (
ATF 104 Ia 297
ss). C'est ce qu'il y a lieu d'examiner.
a) Dans cet arrêt, le Tribunal fédéral a été appelé à vérifier la constitutionnalité des nouvelles dispositions du code genevois de procédure pénale; ces dernières autorisent la mise en arrestation d'un prévenu par l'autorité de jugement ou son maintien en détention, après condamnation non encore en force, sans que la
BGE 108 Ia 64 S. 68
Chambre d'accusation ait été invitée à se prononcer sur une requête de prolongation au sens de l'
art. 35 al. 2 CPP
gen. Il a, au préalable, considéré qu'une privation de liberté peut résulter exclusivement soit d'un jugement exécutoire, soit d'un mandat d'arrêt décerné pour les nécessités de l'instruction. Avant d'être exécutoire, un jugement ne constitue pas un jugement privant l'accusé de sa liberté, à moins que des dispositions précises du droit de procédure cantonale n'en permettent l'application provisionnelle. S'agissant de la privation de liberté d'une personne condamnée en vertu d'un jugement non exécutoire, le Tribunal fédéral a envisagé deux hypothèses: celle du prévenu qui, au moment de sa comparution devant l'autorité de jugement, se trouve en détention préventive, et celle où, alors qu'il se présente libre, il est placé immédiatement en état d'arrestation par le Tribunal. Cette deuxième hypothèse doit être assimilée à la première, l'arrestation par le Tribunal équivalant fondamentalement à la délivrance d'un mandat d'arrêt par le juge d'instruction. Il a admis que, dans les deux cas, la personne condamnée peut être maintenue en détention jusqu'à l'entrée en force du jugement, date à laquelle elle pourra commencer à exécuter sa peine. Si, pour des raisons pratiques, il ne se justifie pas de soumettre cette détention préventive au contrôle périodique de la Chambre d'accusation qui doit, ordinairement, en autoriser la prolongation conformément à l'
art. 35 CPP
gen., une telle réglementation ne se concilie avec les exigences de la liberté personnelle que si le condamné peut en tout temps s'adresser à la Chambre d'accusation pour demander sa mise en liberté provisoire, selon les
art. 151 ss CPP
gen. (
ATF 104 Ia 300
-302 consid. 3a et b).
b) L'autorité intimée et le procureur général dans ses observations donnent à cette jurisprudence, qui doit être maintenue, une portée qu'elle n'a pas. Hormis un assouplissement formel, elle ne soumet en effet pas à une différence de traitement, sur le plan matériel, la personne détenue à titre préventif, selon qu'elle l'est avant le jugement ou après celui-ci mais avant son entrée en force. Une solution différente conduirait à des résultats insoutenables. Celui qui a fait usage d'une voie de recours pour obtenir un allègement de sa condamnation, pourrait par exemple être privé de sa liberté, pour le seul motif de la gravité de son infraction, alors même que, s'il avait commencé l'exécution de sa peine, il remplirait les conditions pour être libéré conditionnellement, en conformité de l'
art. 38 CP
. L'
art. 154 CPP
gen., qui fixe
BGE 108 Ia 64 S. 69
les conditions permettant la prolongation de la détention, doit donc s'appliquer à tous les cas de détention préventive, qu'elle soit ordonnée pour la période précédant ou suivant le prononcé du jugement et que, dans cette dernière hypothèse, elle résulte d'un maintien en détention ou d'une arrestation lors du jugement. Contrairement à l'opinion défendue dans les décisions attaquées, la gravité de l'infraction ne peut ainsi, à elle seule, faire obstacle à la mise en liberté d'un justiciable placé ou maintenu en détention après un jugement qui le condamne à une peine ferme privative de liberté, mais avant qu'il ait commencé l'exécution de cette peine. Méconnaissant ce principe, les ordonnances entreprises reposent sur une violation de la liberté personnelle telle qu'elle est garantie par le droit constitutionnel non écrit et concrétisée par les dispositions du droit cantonal de procédure. | public_law | nan | fr | 1,982 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
c257f632-a61a-4ff9-b09d-634c250b60cc | Urteilskopf
104 V 87
19. Auszug aus dem Urteil vom 22. Mai 1978 i.S. Kolly gegen Ausgleichskasse des Kantons Basel-Landschaft und Versicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft | Regeste
Art. 7 Abs. 2 und 3 HV
.
Der Ersatz von Reifen an Elektrofahrstühlen ist gleich zu behandeln wie derjenige an Autos. | Erwägungen
ab Seite 87
BGE 104 V 87 S. 87
Aus den Erwägungen:
1.
...
a) Gemäss
Art. 7 Abs. 2 HV
werden die Kosten, die bei Hilfsmitteln trotz sorgfältigen Gebrauchs infolge Reparatur, Anpassung oder teilweiser Erneuerung entstehen, von der Invalidenversicherung übernommen, soweit nicht ein Dritter ersatzpflichtig ist. Geringfügige Kosten hat der Versicherte selbst zu tragen. Die Kosten für den Betrieb von Hilfsmitteln gehen, von Beiträgen in Härtefällen abgesehen, nicht zu Lasten der Versicherung (
Art. 7 Abs. 3 HV
).
b) Nach der Rechtsprechung (vgl. EVGE 1963 S. 272 Erw. 2) ist die normale Reifenabnützung gleich zu behandeln wie der Verbrauch eigentlicher Betriebsstoffe und der Reifenersatz demnach dem Betriebsaufwand zuzurechnen. Hingegen liegt Erneuerungs- bzw. Reparaturaufwand vor, wenn unfallmässig oder sonstwie gewaltsam beschädigte Reifen ersetzt oder instandgestellt werden müssen. Diese Regelung gilt nicht nur für Reifen an Autos, sondern auch für solche an Elektrofahrstühlen.
Der Beschwerdeführer weist in seiner Verwaltungsgerichtsbeschwerde darauf hin, dass die Reifen infolge normaler Abnützung ersetzt werden mussten. Die dabei entstandenen Kosten gehören deshalb zum Betriebsaufwand und sind vom Beschwerdeführer zu tragen. | null | nan | de | 1,978 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
c25bcdd6-c149-4678-8b2a-98e63dab2c41 | Urteilskopf
106 V 183
42. Urteil vom 12. September 1980 i.S. Z. gegen Ausgleichskasse des Kantons Appenzell A.Rh. und Rekurskommission für Sozialversicherung des Kantons Appenzell A.Rh. | Regeste
Art. 5 FLG
.
- Bei der Prüfung, ob ein hauptberuflich landwirtschaftlicher Erwerb vorliegt, darf der Vermögensertrag nicht berücksichtigt werden (Erw. 1 und 2).
- Kostenbeiträge für Rindviehhalter gemäss BG über Kostenbeiträge an Viehhalter im Berggebiet und in der voralpinen Hügelzone gehören nicht zum anrechenbaren Einkommen (Erw. 3). | Sachverhalt
ab Seite 183
BGE 106 V 183 S. 183
A.-
Herbert Z. bewirtschaftet als Pächter einen Betrieb von 1100 Aren Wiesland, 200 Aren Weideland und 21 Grossvieheinheiten. Nebenberuflich ist er als selbständiger Schreiner tätig. Mit Verfügung vom 23. November 1979 verneinte die Ausgleichskasse des Kantons Appenzell A. Rh. den Anspruch auf Familienzulagen für Kleinbauern für die Jahre 1978/79, weil das aufgrund der Steuerakten ermittelte reine Einkommen 1975/76 sich auf Fr. 35'800.-- belaufe und damit die massgebende Einkommensgrenze von Fr. 34'000.-- übersteige.
BGE 106 V 183 S. 184
B.-
Die gegen diese Verfügung erhobene Beschwerde des Herbert Z. wurde von der Rekurskommission für Sozialversicherung des Kantons Appenzell A. Rh. am 31. Januar 1980 abgewiesen mit der Begründung: Die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Schuldzinsen von rund 51'000 Franken seien vom rohen Einkommen von Fr. 104'341.-- (steuerlich) bereits abgezogen, so dass sich unter Berücksichtigung der Gebäudeunterhaltskosten und der Sozialabzüge ein massgebendes Einkommen von Fr. 35'883.-- ergebe.
C.-
Herbert Z. lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und sein Begehren um Ausrichtung von Familienzulagen erneuern. Vom steuerbaren Einkommen 1977/78 von Fr. 36'318.-- müssten noch die Schuldzinsen und die Assekuranzsteuer abgezogen werden; alsdann resultiere ein massgebendes anrechenbares Einkommen von Fr. 33'018.--.
Die Ausgleichskasse beantragt die Abweisung, das Bundesamt für Sozialversicherung die Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
Erwägungen
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Gemäss
Art. 5 Abs. 1 FLG
haben jene hauptberuflich selbständigen Landwirte Anspruch auf Familienzulagen für Kleinbauern, deren reines Einkommen 16'000 Franken im Jahr nicht übersteigt; diese Einkommensgrenze erhöht sich um 1'500 Franken für jedes Kind im Sinne von
Art. 9 FLG
.
Als hauptberuflich selbständiger Landwirt gilt jener Kleinbauer, der im Verlauf des Jahres vorwiegend in seinem landwirtschaftlichen Betrieb tätig ist und aus dem Ertrag seiner Tätigkeit in überwiegendem Masse den Lebensunterhalt seiner Familie bestreitet (
Art. 5 Abs. 2 FLG
). In Rz 50 seiner Erläuterungen zur Familienzulagenordnung schreibt das Bundesamt für Sozialversicherung vor, dass bei der Prüfung, ob ein hauptberuflich landwirtschaftlicher Erwerb vorliegt, der Vermögensertrag nicht berücksichtigt werden darf, weil er in der Regel nicht zur Bestreitung des Lebensunterhalts der Familie verwendet wird. Diese Verwaltungspraxis ist nicht zu beanstanden.
2.
Die Ausgleichskasse vertritt den Standpunkt, der Beschwerdeführer könne nicht als hauptberuflich selbständiger Landwirt gelten, weil er den Lebensunterhalt seiner Familie nicht überwiegend aus dem Ertrag der Landwirtschaft bestreite.
BGE 106 V 183 S. 185
Diese Auffassung gründet sich offensichtlich auf die Tatsache, dass für die Jahre 1975/76 steuerlich ein Vermögensertrag von durchschnittlich über 100'000 Franken ausgewiesen ist, dem ein Verlust aus Erwerbstätigkeit von durchschnittlich rund 11'000 Franken gegenübersteht. Das bedeutet, dass der Beschwerdeführer in den beiden genannten Jahren den Lebensunterhalt seiner Familie aus den Vermögenserträgnissen bestreiten musste. Da aber nach den Darlegungen in Erw. 1 der Vermögensertrag nicht berücksichtigt werden darf, bleibt es dabei, dass der Beschwerdeführer hauptberuflich selbständiger Landwirt ist.
3.
Gestützt auf
Art. 6 Abs. 1 und 2 FLV
verglich die Ausgleichskasse die gesetzliche Einkommensgrenze mit dem in den Jahren 1975/76 steuerlich ausgewiesenen Durchschnittseinkommen. Dieses belief sich laut Meldung der kantonalen Steuerverwaltung auf Fr. 104'341.--. Nach Abzug der Schuldzinsen von Fr. 50'915.-- sowie der Gebäudeunterhaltskosten von Fr. 13'543.-- und unter Berücksichtigung der Sozialabzüge von Fr. 4'000.-- ergibt sich ein Einkommen von Fr. 35'883.--. Von diesem Betrag können keine weiteren Schuldzinsen abgezogen werden, denn die in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde geltend gemachten Schuldzinsen von jährlich Fr. 3'300.-- sind im Betrag von Fr. 50'915.-- bereits berücksichtigt, wie aus dem Expertenbericht der Eidgenössischen Wehrsteuerverwaltung ersichtlich ist.
Anderseits ist zu beachten, dass die Buchhaltung des Beschwerdeführers für die Jahre 1975/76 einen von der Steuerverwaltung anerkannten Verlust aufweist. Dieser wird in der Steuermeldung und in der Steuerausscheidung übereinstimmend auf Fr. 10'257.--, in der Steuerveranlagung dagegen auf Fr. 10'658.-- beziffert. Welche dieser beiden Zahlen richtig ist, kann, weil im Ergebnis unerheblich, offenbleiben. Entscheidend ist, dass bei der Berechnung dieses Verlustes die Kostenbeiträge mitberücksichtigt wurden, welche der Beschwerdeführer aufgrund des Bundesgesetzes vom 28. Juni 1974 über Kostenbeiträge an Viehhalter im Berggebiet und in der voralpinen Hügelzone erhielt. Diese Beiträge beliefen sich auf jährlich Fr. 2'100.-- und müssen vom reinen Einkommen abgezogen werden, denn sie stellen Einkommenszuschüsse dar, die kumulativ zu den Familienzulagen zu gewähren sind. Der gesetzgeberische Zweck der Familienzulagen und der Betriebsbeiträge,
BGE 106 V 183 S. 186
nämlich die Einkommensverbesserung der Kleinbauern, verbietet es, die Betriebsbeiträge in das massgebende anrechenbare Einkommen des
Art. 5 Abs. 1 FLG
einzubeziehen. Sonst bestände das Risiko, dass gerade wegen dieser Beiträge der Anspruch auf Familienzulagen verneint werden müsste. Zieht man also vom reinen Einkommen von Fr. 35'883.-- die Betriebsbeiträge von jährlich Fr. 2'100.-- ab, so ergibt sich ein massgebendes anrechenbares Einkommen von Fr. 33'783.--.
4.
Der Betrag von Fr. 33'783.-- muss mit der gesetzlichen Einkommensgrenze des
Art. 5 Abs. 1 FLG
verglichen werden. Vom Januar 1978 hinweg hatte der Beschwerdeführer 12 Kinder. Demnach betrug die Einkommensgrenze (12 x 1'500.-- + 16'000 =) Fr. 34'000.--. Sie war somit höher als das massgebende anrechenbare Einkommen, weshalb der Anspruch auf Familienzulagen für die Jahre 1978 und 1979 bejaht werden muss.
Dispositiv
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden der Entscheid der Rekurskommission für Sozialversicherung des Kantons Appenzell A. Rh. vom 31. Januar 1980 und die Kassenverfügung vom 23. November 1979 aufgehoben. Die Ausgleichskasse wird verpflichtet, dem Beschwerdeführer für die Jahre 1978 und 1979 Familienzulagen auszurichten. | null | nan | de | 1,980 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
c263098d-0344-4188-af75-d954753ef573 | Urteilskopf
107 Ib 155
29. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 23. Januar 1981 i.S. M. gegen Kanton Zürich (Verfahren nach
Art. 42 OG
) | Regeste
Haftung des Gemeinwesens für Rechtsverzögerung (Gesetz des Kantons Zürich über die Haftung des Staates und der Gemeinden sowie ihrer Behörden und Beamten).
Der Kanton kann zum Ersatz des Schadens aus einer übermässig langen Prozessdauer nicht verpflichtet werden, wenn die geschädigte Partei nicht alle ihr zur Verfügung stehenden Vorkehren getroffen hat, um - mit entsprechenden Eingaben an das Gericht oder wenn nötig mit einer Rechtsverzögerungsbeschwerde - auf eine Beschleunigung des Verfahrens hinzuwirken. | Sachverhalt
ab Seite 155
BGE 107 Ib 155 S. 155
Am 19. März 1970 wurden die Ehegatten M.-B. auf Begehren der Ehefrau, welche eine Scheidung anstrebte, vor dem Friedensrichter der Stadt Zürich geladen. Diese Sühneverhandlung verlief ergebnislos. Am 22. Mai 1970 machte die Ehefrau die Scheidungsklage
BGE 107 Ib 155 S. 156
beim Bezirksgericht Zürich anhängig. Sie beantragte, die Ehe sei gemäss
Art. 137 ZGB
, eventuell gemäss
Art. 142 ZGB
, zu scheiden. In seiner Klageantwort vom 8. Juli 1970 verlangte der Ehemann die Abweisung der Klage.
Das Scheidungsverfahren vor dem Bezirksgericht dauerte ungefähr 6 1/2 Jahre. Im Laufe dieses Verfahrens wurden verschiedene Beweismassnahmen getroffen. So führte das Gericht Beweis über die Frage, ob der Ehemann Ehebruch begangen hatte, was dieser bestritt, und ob die Ehe tief zerrüttet war. Im Rahmen der güterrechtlichen Auseinandersetzung wurden verschiedene Immobilien, welche der Ehemann während der Ehe erworben hatte, mit Expertisen geschätzt. Verzögerungen des Verfahrens ergaben sich auch aus den, schliesslich erfolglosen, Vergleichsverhandlungen. Zu weiteren Verlängerungen des Prozesses führten verschiedene Rekurse an das Obergericht, eine Strafanzeige wegen falschen Zeugnisses und die Anordnung vorsorglicher Massnahmen. Ein Teil der langen Prozessdauer ist schliesslich auch darauf zurückzuführen, dass den Parteien Fristen zur Einreichung von Stellungnahmen im Haupt- und in der Nebenverfahren angesetzt und dass diese Fristen auf Begehren der Anwälte teilweise verlängert wurden.
Mit Urteil vom 12. Januar 1977 schied das Bezirksgericht die Eheleute M.-B. gestützt auf
Art. 142 ZGB
. Die Ehefrau erklärte in der Folge die Berufung an das Obergericht. Der Ehemann schloss sich dieser Berufung an. Da der Scheidungspunkt nicht mehr angefochten wurde, beschränkte sich das Berufungsverfahren auf die Frage der Rente an die Ehefrau und das Güterrecht. Mit Urteil vom 2. November 1978 erklärte das Obergericht die Hauptberufung für teilweise begründet, die Anschlussberufung für unbegründet. Es verurteilte den Beklagten gestützt auf
Art. 151 ZGB
, der Klägerin monatlich eine Rente von Fr. 800.-- zu überweisen. Im weiteren verpflichtete es ihn, der Klägerin als Vorschlagsanteil Fr. 104'342.05 zu bezahlen. Dieses Urteil wurde rechtskräftig. Am 19. Dezember 1977 reichte die heutige Klägerin beim Regierungsrat des Kantons Zürich ein Schadenersatzbegehren ein mit der Begründung, sie sei durch die übermässig lange Dauer des Scheidungsverfahrens vor Bezirksgericht geschädigt worden, denn ihr Ehemann habe während dieser Zeit das eheliche Vermögen und somit ihren Vorschlagsanteil stark vermindert. Der Regierungsrat des Kantons Zürich lehnte dieses Begehren ab und verwies die Klägerin für eine gerichtliche Geltendmachung ihres Anspruchs an das Bundesgericht.
BGE 107 Ib 155 S. 157
Mit der vorliegenden Klage vom 14. Januar 1980 stellt die Klägerin den Antrag, der Kanton Zürich sei zu verpflichten, ihr Fr. 146'266.-- nebst 5% Zins seit dem 12. Januar 1977 zu bezahlen. Die Klägerin macht geltend, ihr ehemaliger Ehemann sei zwischen Ende 1972 und Ende 1975 nicht mehr einem Erwerb nachgegangen. Das eheliche Vermögen habe sich daher in dieser Zeit um Fr. 541'300.-- verringert. Von diesem Betrag habe das Obergericht dem Ehemann zwar Fr. 102'500.-- als unberechtigte Ausgaben angerechnet. Die Klägerin ist aber der Auffassung, dass Ende 1972/Anfang 1973, d.h. im Zeitpunkt, in dem das erstinstanzliche Verfahren hätte abgeschlossen sein können, der auf die Ehegatten aufzuteilende Vorschlag noch um Fr. 438'800.-- höher gewesen wäre als Ende 1975. Durch die widerrechtlich saumselige Prozessleitung des verantwortlichen Richters am Bezirksgericht Zürich habe sie somit einen Schaden im Sinne von § 6 des Haftungsgesetzes des Kantons Zürich erlitten.
Das Bundesgericht weist die Klage ab, aus folgenden
Erwägungen
Erwägungen:
1.
Gemäss
Art. 42 OG
beurteilt das Bundesgericht als einzige Instanz "zivilrechtliche Streitigkeiten" zwischen einem Kanton einerseits und Privaten oder Korporationen andererseits, wenn eine Partei es rechtzeitig verlangt und der Streitwert mindestens Fr. 8'000.-- beträgt. Hierbei begründet es keinen Unterschied, ob die Streitigkeiten nach der kantonalen Gesetzgebung im ordentlichen Prozessverfahren oder in einem besonderen Verfahren vor besonderen Behörden auszutragen wären. Ausgenommen sind jedoch Enteignungssachen.
Im vorliegenden Fall ist die vermögensrechtliche Verantwortlichkeit des Kantons Zürich für ein angeblich rechtswidriges Verhalten des Bezirksgerichts von Zürich streitig. Der eingeklagte Anspruch untersteht daher dem kantonalen öffentlichen Recht (
BGE 101 II 184
f. E. 2b mit Hinweisen). Der in
Art. 42 OG
verwendete Begriff der "zivilrechtlichen" Streitigkeit hat indessen den Sinn behalten, den der historische Gesetzgeber ihm beilegte; er umfasst auch derartige Streitsachen öffentlichrechtlichen Charakters (
BGE 96 II 344
E. 3c,
BGE 92 I 552
E. 1 mit Hinweisen). Die Klägerin hat das Bundesgericht im Sinne von
Art. 42 OG
"rechtzeitig" angerufen, d.h. bevor für den gleichen Streitgegenstand die kantonale Gerichtsbarkeit in Anspruch genommen ist. Der Streitwert übersteigt den Betrag von Fr. 8'000.--. Das Bundesgericht kann somit die Klage an die Hand nehmen.
BGE 107 Ib 155 S. 158
2.
a) Nach § 6 des zürcherischen Gesetzes über die Haftung des Staates und der Gemeinden sowie ihrer Behörden und Beamten (Haftungsgesetz) vom 14. September 1969 haftet der Staat für den Schaden, den ein Beamter in Ausübung hoheitlicher Verrichtungen einem Dritten widerrechtlich zufügt. Diese Bestimmung ist auch auf die Gerichte anwendbar (§ 1 Haftungsgesetz).
b) § 7 Haftungsgesetz sieht vor, dass der Richter die Ersatzpflicht ermässigen oder gänzlich von ihr entbinden kann, wenn der Geschädigte in die schädigende Handlung eingewilligt oder Umstände, für die er einstehen muss, auf die Entstehung oder Verschlimmerung des Schadens eingewirkt haben. Diese Bestimmung entspricht im wesentlichen
Art. 44 Abs. 1 OR
(und im übrigen auch Art. 4 des Bundesgesetzes über die Verantwortlichkeit des Bundes sowie seiner Behördemitglieder und Beamten, VG). Für die Beurteilung der Gründe, welche gemäss § 7 Haftungsgesetz eine Ermässigung oder ein Ausschluss der Ersatzpflicht herbeiführen können, kann somit die Rechtsprechung zum Selbstverschulden gemäss
Art. 44 Abs. 1 OG
herangezogen werden. Ein Selbstverschulden im Sinne des Zivilrechts liegt vor, wenn es der Geschädigte unterlässt, zumutbare Massnahmen zu ergreifen, die geeignet sind, der Entstehung oder Verschlimmerung eines Schadens entgegenzuwirken. Der Geschädigte hat mit anderen Worten diejenigen Massnahmen zu treffen, die ein vernünftiger Mensch in der gleichen Lage ergreifen würde, wenn er keinerlei Schadenersatz zu erwarten hätte (OFTINGER, Schweiz. Haftpflichtrecht I, 4. Aufl., S. 266 f.,
BGE 60 II 229
).
Droht ein Schaden durch die Handlung oder Unterlassung eines Gerichts, besteht die Möglichkeit, sich gegen solche Schäden innerhalb des betreffenden Verfahrens, d.h. mit den vom Prozessrecht zur Verfügung gestellten Mitteln zur Wehr zu setzen. Es sind in diesem Zusammenhang zwei Fälle zu unterscheiden.
aa) Entsteht ein Schaden durch die Auswirkungen einer fehlerhaften prozessleitenden Verfügung der eines fehlerhaften Endentscheides, hat die betroffene Partei zunächst diese Entscheide mit den gegebenen Rechtsmitteln anzufechten. Die Rechtmässigkeit eines unangefochten gebliebenen Entscheides kann in einem späteren Staatshaftungsverfahren nicht mehr überprüft werden (§ 21 Abs. 1 des zürcherischen Haftungsgesetzes, vgl. auch
Art. 12 VG
,
BGE 100 Ib 11
E. 2b). Soweit die Rechtswidrigkeit eines Entscheides nicht mehr festgestellt werden kann, entfällt auch eine Haftung des Staates.
bb) Wenn zu befürchten ist, dass aus einer langen Prozessdauer
BGE 107 Ib 155 S. 159
ein Schaden entsteht, kann der betroffenen Partei zugemutet werden, das Gericht auf den drohenden Schaden aufmerksam zu machen und es um eine raschere Abwicklung des Verfahrens zu ersuchen (vgl. den Bundesgerichtsentscheid in ZBl 81/1980, S. 268 E. 2d). Wird durch eine solche Massnahme der Gang des Verfahrens nicht beschleunigt und besteht keine Aussicht mehr, dass das Verfahren innerhalb einer angemessenen Frist abgeschlossen werden kann, ist es der betroffenen Partei zudem zuzumuten, eine Rechtsverzögerungsbeschwerde zu ergreifen (zur Frage der unrechtmässigen Rechtsverzögerung vgl.
BGE 103 V 192
ff.). Solche Mittel sind zu ergreifen, bevor auf dem Weg der Staatshaftung versucht wird, vom Staat Schadenersatz zu erlangen. Insofern besteht eine gewisse Subsidiarität der Staatshaftung (FRANZ SCHÖN, Staatshaftung als Verwaltungsrechtsschutz, Basler Studien zur Rechtswissenschaft, Heft 116, S. 189 ff.). Wenn eine Partei die Beschleunigung des Verfahrens nicht mit den genannten Massnahmen versucht hat, muss ihr in einem allfälligen späteren Staatshaftungsprozess ein Selbstverschulden im Sinne von § 7 Haftungsgesetz entgegengehalten werden.
c) Die Klägerin macht nicht geltend, dass sie das Bezirksgericht Zürich unter Hinweis auf den drohenden Schaden um eine schnellere Abwicklung des Verfahrens ersucht habe. Zudem ergriff sie unbestrittenermassen keine Rechtsverzögerungsbeschwerde gegen das Bezirksgericht, obschon im Hinblick auf die lange Prozessdauer in guten Treuen behauptet werden konnte, es liege widerrechtliche Rechtsverzögerung vor. Die Klägerin unterliess es somit, die zumutbaren Massnahmen zu ergreifen, um den geltend gemachten Schaden abzuwehren. Dieses Untätigsein muss ihr als Selbstverschulden angerechnet werden. Dadurch wurde der Kausalzusammenhang zwischen der beanstandeten Prozessführung durch das Bezirksgericht und einem eventuellen Schaden unterbrochen. Bei dieser Rechtslage ist eine Haftung des Kantons Zürich gemäss § 7 Haftungsgesetz ausgeschlossen.
3.
Nachdem die Klage bereits aufgrund von § 7 Haftungsgesetz abgewiesen werden muss, braucht nicht mehr geprüft zu werden, ob die beanstandete Prozessführung eine widerrechtliche Handlung bzw. Unterlassung gemäss § 6 Abs. 1 Haftungsgesetz darstellt und ob und in welcher Höhe der behauptete Schaden entstanden ist. Im weiteren kann dahingestellt bleiben, ob die als Schaden bezeichnete Verminderung des ehelichen Vermögens durch den Ehemann nicht im Rahmen der Berechnung und Teilung des Vorschlags zu berücksichtigen gewesen wäre und ob
BGE 107 Ib 155 S. 160
dieser Schaden daher - nachdem die Vorschlagsteilung rechtskräftig geworden ist - im Staatshaftungsverfahren noch geltend gemacht werden kann (§ 21 Abs. 1 Haftungsgesetz). | public_law | nan | de | 1,981 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
c2658567-d930-494c-b51c-fcf6df94b8f6 | Urteilskopf
105 IV 341
87. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 27. November 1979 i.S. Ha. gegen Generalprokurator des Kantons Bern (Nichtigkeitsbeschwerde) | Regeste
Art. 36 Abs. 2 SVG
und
Art. 14 Abs. 1 VRV
. Missachtung des Vortrittsrechts.
Fall eines Automobilisten, der in eine Hauptstrasse einbog in der Absicht, diese gleich darauf wieder zu verlassen, um auf einen Parkplatz zu gelangen, und der schon beim Einbiegen erkannte, dass er auf der Hauptstrasse verkehrsbedingt werde anhalten müssen und dadurch einen auf dieser Strasse daherkommenden Verkehrsteilnehmer in seiner freien Fahrt behindern werde. | Erwägungen
ab Seite 341
BGE 105 IV 341 S. 341
Aus den Erwägungen:
3.
a) Wer zur Gewährung des Vortritts verpflichtet ist, darf den Vortrittsberechtigten in seiner Fahrt nicht behindern (
Art. 14 Abs. 1 VRV
). Das Vortrittsrecht ist verletzt, wenn der Berechtigte durch das Verhalten des Vortrittsbelasteten zu brüskem Bremsen, Beschleunigen oder Ausweichen vor, auf oder kurz nach der Verzweigung gezwungen wird, gleichgültig, ob eine Kollision erfolgt oder nicht.
Gewiss ist im dichten Innerortsverkehr eine etwas elastische Handhabung der Vortrittsregeln notwendig. In gewissen Situationen mag ein Verzicht auf das Vortrittsrecht im Interesse der Sicherheit und Flüssigkeit des Verkehrs angezeigt sein und daher als wünschbar erscheinen, dass ein Berechtigter, auch wenn er dazu gesetzlich nicht verpflichtet ist, einem Wartepflichtigen durch Verlangsamen der Fahrt und nötigenfalls Anhalten das Einbiegen ermögliche, wenn dies ohne Gefährdung
BGE 105 IV 341 S. 342
anderer Verkehrsteilnehmer geschehen kann. Auch kommt es bei sich auf kurze Distanz folgenden Kreuzungen und Einmündungen nicht selten vor, dass ein eben eingebogenes Fahrzeug schon bei der nächsten Verzweigung wieder nach links oder nach rechts abschwenken wird und dabei verkehrsbedingt, etwa wegen der entgegenkommenden Fahrzeuge oder wegen der die Seitenstrasse überquerenden Fussgänger, anhalten muss. Im Interesse der Rechtssicherheit, der gerade im Bereich des Strassenverkehrs grosse Bedeutung zukommt, ist aber auch in solchen Fällen nur mit grösster Zurückhaltung anzunehmen, ein Wartepflichtiger habe das Vortrittsrecht nicht vollständig zu respektieren.
b) Im vorliegenden Fall stellen sich indessen solche Fragen nicht. Weder in der Moosgasse noch auf der Hauptstrasse Kerzers-Ins herrschte dichter Verkehr. Obschon der Beschwerdeführer bei der Einmündung der Nebenstrasse in die Hauptstrasse nach eigenen Angaben einen Sicherheitshalt von über einer Minute eingelegt hatte, befanden sich hinter ihm, mit Ausnahme des ihm folgenden Wagens seiner Tochter, keine weiteren Fahrzeuge. Ha. bemerkte den auf der Hauptstrasse aus Richtung Kerzers nahenden Lastenzug auf eine Distanz von 120 m. Die Sicht in Richtung Ins war auf 195 m frei, und der Beschwerdeführer sah von dort einen einzelnen Personenwagen herannahen. Es bestand überhaupt kein Grund, diese beiden vortrittsberechtigten Fahrzeuge nicht vorbeifahren zu lassen, zumal Ha. nicht auf der Hauptstrasse beschleunigend in normaler Geschwindigkeit zumindest bis zu einer nächsten Verzweigung fahren wollte, sondern beabsichtigte, kurz nach dem Einbiegen die Hauptstrasse wieder zu verlassen, um auf den Parkplatz vor dem Eckhaus (Restaurant "Rössli") zu gelangen. Die Vorinstanz beziffert die von Ha. auf der Hauptstrasse zurückgelegte Fahrtstrecke nicht; sie stellt lediglich fest, er habe "gleich darauf" auf den Parkplatz abschwenken wollen. Im Polizeirapport wird zweimal eine Strecke von 20 m erwähnt; nach dem Plan und den Fotos sind es eher noch weniger. Jedenfalls konnte und wollte der Beschwerdeführer auf der Hauptstrasse nicht beschleunigen; vielmehr benötigte er für sein Manöver - Wegfahren aus der Moosgasse bis zum Stillstand auf der Hauptstrasse - nach den Feststellungen der Vorinstanz gegen neun Sekunden. Ha. konnte dabei von Anfang an erkennen, dass sich das von ihm beabsichtigte Manöver
BGE 105 IV 341 S. 343
nicht rasch und in einem Zuge ausführen liess, sondern dass er wegen des aus Richtung Ins entgegenkommenden Wagens auf der Hauptstrasse werde anhalten müssen und dadurch den aus Richtung Kerzers kommenden Ho. in seiner Fahrt behindern werde.
Bei dieser Sachlage kann der Verkehrsablauf entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht in zwei getrennte Phasen zerlegt werden, deren zweite so weit entfernt wäre, dass für sie das in der ersten Phase zugunsten Ho. bestehende Vortrittsrecht nicht mehr gelten würde. Indem Ha. trotz genügender Sicht auf die beiden vortrittsberechtigten Fahrzeuge ganz langsam in die Hauptstrasse einbog und auf dieser nach wenigen Metern schliesslich anhielt, hat er eindeutig das Vortrittsrecht des Ho. missachtet. Wie weit auch Ho. sich vorschriftswidrig verhalten hat - er wurde rechtskräftig gebüsst - ist in diesem Verfahren nicht zu beurteilen.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen. | null | nan | de | 1,979 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
c2765cdd-1690-4c1d-bf51-ade4459cf06a | Urteilskopf
104 Ib 239
38. Auszug aus dem Urteil vom 19. Mai 1978 i.S. Baumann gegen Eidgenössisches Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartement (EVED) | Regeste
Beanstandung des Inhalts einer Radiosendung - Programmbeschwerde.
- Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen einen Entscheid des EVED, das ein gegen den Bescheid des Generaldirektors der SRG eingelegtes Rechtsmittel als Aufsichtsbeschwerde behandelt.
- Begriff der anfechtbaren Verfügung im Sinne von
Art. 97 OG
in Verbindung mit
Art. 5 VwVG
.
- Die Anordnung des Programmdienstes der SRG, dass eine bestimmte Radiosendung zu veranstalten sei, ist keine Verfügung im Sinne von
Art. 5 VwVG
. | Sachverhalt
ab Seite 239
BGE 104 Ib 239 S. 239
Am Sonntag, dem 12. September 1976, kurz vor Mittag, las der Schweizer Schriftsteller Urs Widmer im zweiten Programm
BGE 104 Ib 239 S. 240
des Radios der deutschen und rätoromanischen Schweiz (DRS) aus seinem Buch "Schweizer Geschichten" den Abschnitt "Appenzell". Fritz Baumann, der den Vortrag an seinem Telefonrundspruchapparat hörte, erachtete ihn als pornographisch. Er führte daher bei der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) Beschwerde wegen Verletzung des Art. 13 der ihr vom Bundesrat am 27. Oktober 1964 erteilten Konzession (Konzession SRG), wonach die von ihr verbreiteten Programme unter anderem zur sittlichen Bildung beitragen sollen. Er beantragte der SRG, dem für die Sendung verantwortlichen Funktionär des Radios eine Rüge zu erteilen und dafür zu sorgen, dass pornographische Sendungen in Zukunft unterbleiben. Die Beschwerde wurde gemäss den Richtlinien der SRG für das Beschwerdewesen in Programmfragen dem Direktor des Radios und Fernsehens DRS übergeben, der sie abwies. Diesen Entscheid zog Fritz Baumann an den Generaldirektor der SRG weiter, der den Rekurs ebenfalls abwies. Fritz Baumann gelangte daraufhin mit Beschwerde an das Eidgenössische Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartement (EVED). Dieses behandelte die Eingabe als Aufsichtsbeschwerde gemäss
Art. 71 VwVG
. Es teilte dem Beschwerdeführer in einem Brief mit, die vom Departement durchgeführte Untersuchung habe ergeben, dass die beanstandete Sendung die Konzession SRG nicht verletzt habe; für die Einzelheiten verwies es auf den dem Schreiben beigelegten Untersuchungsbericht. Gegen diesen Bescheid erhob Fritz Baumann beim Bundesgericht Beschwerde, das sie abwies, soweit auf das Rechtsmittel einzutreten war.
Erwägungen
Erwägungen:
1.
Nach
Art. 97 Abs. 1 OG
beurteilt das Bundesgericht letztinstanzlich Verwaltungsgerichtsbeschwerden gegen Verfügungen im Sinne des
Art. 5 VwVG
.
Art. 97 Abs. 2 OG
bestimmt, dass als Verfügung auch das unrechtmässige Verweigern oder Verzögern einer Verfügung gilt.
Gemäss
Art. 5 Abs. 1 VwVG
gelten als Verfügungen Anordnungen der Behörden im Einzelfall, die sich auf öffentliches Recht des Bundes stützen und zum Gegenstand haben:
"a) Begründung, Änderung oder Aufhebung von Rechten oder Pflichten;
b) Feststellung des Bestehens, Nichtbestehens oder Umfanges von
BGE 104 Ib 239 S. 241
Rechten oder Pflichten;
c) Abweisung von Begehren auf Begründung, Änderung, Aufhebung oder Feststellung von Rechten oder Pflichten, oder Nichteintreten auf solche Begehren."
Aus dieser Umschreibung ergibt sich, dass es sich um Akte handeln muss, durch die eine Behörde ein individuelles und konkretes verwaltungsrechtliches Verhältnis in Anwendung des öffentlichen Rechts des Bundes in verbindlicher Weise regelt. Die Verbindlichkeit für die Verwaltung und die Betroffenen ist ein Merkmal der Anordnungen, von denen in
Art. 5 Abs. 1 VwVG
die Rede ist. Sie ist der Grund dafür, dass solche Anordnungen gegebenenfalls mit förmlicher Beschwerde - Verwaltungsbeschwerde (
Art. 44 VwVG
) oder Verwaltungsgerichtsbeschwerde (
Art. 97 OG
) - angefochten werden können. Wären sie nicht verbindlich, so könnte niemand ein genügendes Interesse an ihrer Anfechtung auf dem Beschwerdeweg haben (
BGE 102 Ib 82
f.).
2.
Das EVED, das nach einem (nicht veröffentlichten) BRB vom 27. Oktober 1953 mit der Aufsicht über die Ausübung der Konzession SRG durch die Konzessionärin betraut ist, hat gemäss seiner Praxis (VPB 40/1976 Nr. 65) die ihm von Fritz Baumann eingereichte Beschwerde als Aufsichtsbeschwerde (Anzeige) im Sinne des
Art. 71 VwVG
behandelt. Es ist zum Schluss gekommen, dass es keinen Anlass habe, als Aufsichtsbehörde wegen der vom Anzeiger beanstandeten Radiosendung gegen die SRG einzuschreiten. Es hat also der als Aufsichtsbeschwerde aufgefassten Eingabe Baumanns keine Folge gegeben. Eine solche auf Anzeige hin getroffene Entscheidung einer Aufsichtsbehörde kann nicht eine beschwerdefähige Verfügung im Sinne des
Art. 5 VwVG
sein; denn sie stellt nicht einen Akt dar, durch den ein individuelles und konkretes verwaltungsrechtliches Verhältnis in verbindlicher Weise geregelt würde mit der Folge, dass jemand ein ausreichendes Interesse an der Anfechtung durch förmliche Beschwerde haben könnte. Der Beschluss einer Aufsichtsbehörde, einer Anzeige nicht Folge zu geben, kann auch nicht mit Rechtsverweigerungs- oder Rechtsverzögerungsbeschwerde gemäss
Art. 70 VwVG
oder
Art. 97 Abs. 2 OG
angefochten werden. Denn es ist von vornherein ausgeschlossen, dass durch ihn eine Verfügung "unrechtmässig" verweigert oder verzögert werden kann, da der Anzeiger keinen Anspruch darauf hat,
BGE 104 Ib 239 S. 242
dass die Aufsichtsbehörde sich mit dem ihr angezeigten Fall befasst (
BGE 102 Ib 85
).
Gibt das EVED einer Aufsichtsbeschwerde gegen die SRG keine Folge, so ist diese Entscheidung daher nicht mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht anfechtbar.
3.
Der Beschwerdeführer ist jedoch der Meinung, seine Beschwerde gegen den Bescheid des Generaldirektors der SRG hätte vom EVED nicht als blosse Aufsichtsbeschwerde, sondern als förmliche Beschwerde behandelt werden sollen. Er habe tatsächlich eine eigentliche Beschwerde eingereicht, doch sei das Departement darauf nicht eingetreten; es habe damit eine Verfügung im Sinne von
Art. 5 Abs. 1 lit. b und c VwVG
getroffen.
Im Entscheid des Generaldirektors der SRG war der Beschwerdeführer darauf hingewiesen worden, dass er den Sachverhalt dem EVED jederzeit durch eine Anzeige gemäss
Art. 71 VwVG
zur Kenntnis bringen könne. Demgegenüber hat Fritz Baumann in seiner an das EVED gerichteten Beschwerde die Auffassung vertreten, dass diese Eingabe als eigentliche Beschwerde entgegengenommen und beurteilt werden müsse. Das EVED hat dies abgelehnt; es hat in dem seinem Schreiben vom 21. November 1977 an den Beschwerdeführer beigelegten Untersuchungsbericht erklärt, dass im vorliegenden Fall nur die Aufsichtsbeschwerde in Betracht komme. Darin liegt eine beschwerdefähige Verfügung, denn das Departement hat damit eine Anordnung in einem Einzelfall getroffen, die sich auf öffentliches Recht des Bundes (Ordnung des Beschwerdewesens) stützt und eine unter
Art. 5 Abs. 1 lit. b oder c VwVG
fallende Entscheidung - Feststellungsverfügung oder Nichteintretensentscheid - zum Gegenstand hat (
BGE 98 Ib 57
und 70 f.).
Gegen diese Verfügung eines Departements des Bundes ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig (
Art. 97, 98 lit. b OG
); eine Ausnahmebestimmung der
Art. 99 ff. OG
steht dem Eintreten nicht entgegen. Fritz Baumann ist nach
Art. 103 lit. a OG
berechtigt, gegen den Entscheid des EVED, der eine förmliche Verwaltungsbeschwerde im vorliegenden Fall unzulässig erklärt, Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu erheben (
BGE 98 Ib 70
f.).
4.
(Beurteilung formeller Rügen).
5.
Die Entscheidung des EVED, dass die Eingabe Baumanns vom 27. Juli 1977 nicht als förmliche Verwaltungsbeschwerde,
BGE 104 Ib 239 S. 243
sondern als blosse Aufsichtsbeschwerde entgegenzunehmen sei, könnte nur dann beanstandet werden, wenn die mit der Eingabe angefochtene Stellungnahme des Generaldirektors der SRG als Verfügung im Sinne des
Art. 5 VwVG
anzusehen wäre (
Art. 44 VwVG
). Diesen Charakter könnte aber der Bescheid des Generaldirektors nur haben, sofern auch schon der darin in Schutz genommene Akt des Programmdienstes der SRG - die Aufnahme der vom Beschwerdeführer als pornographisch empfundenen Lesung ins Radioprogramm - als Verfügung nach
Art. 5 VwVG
zu betrachten wäre.
a) Die Bestimmungen des VwVG finden Anwendung auf das Verfahren in Verwaltungssachen, die durch Verfügungen von Bundesverwaltungsbehörden zu erledigen sind (
Art. 1 Abs. 1 VwVG
). Als solche Behörden gelten auch gewisse Organisationen ausserhalb der Bundesverwaltung, soweit sie in Erfüllung ihnen übertragener öffentlichrechtlicher Aufgaben des Bundes verfügen (
Art. 1 Abs. 2 lit. e VwVG
).
Eine solche Aufgabe hat der Bundesrat der SRG mit der Konzession vom 27. Oktober 1964 übertragen. Die SRG ist aufgrund der Konzession berechtigt, Einrichtungen der PTT-Betriebe zur öffentlichen Verbreitung von Radio- und Fernsehprogrammen zu benützen. Sie ist dazu auch verpflichtet, wobei sie sich an die in der Konzession umschriebenen Grundsätze zu halten hat (Art. 1 Konzession SRG). Sie versieht einen öffentlichen Dienst, der ähnlich wie Post, Telephon und Telegraph jedermann zu den gleichen Bedingungen zur Verfügung steht (TUASON, Das Recht der schweizerischen PTT-Betriebe, 2. Aufl. 1959, S. 37; GYGI, Die Grundlagen der verfassungsrechtlichen Ordnung von Radio und Fernsehen, in Wirtschaft und Recht 25/1973, S. 17 ff.). Für den Empfang der Sendungen der SRG ist eine Konzession erforderlich, die von den PTT-Betrieben erteilt wird. Sie begründet ein öffentlichrechtliches Anstaltsnutzungsverhältnis zwischen dem Konzessionär und den PTT-Betrieben (TUASON, a.a.O., S. 65 ff.).
Die SRG gilt demnach als Behörde im Sinne des
Art. 1 Abs. 1 VwVG
, soweit sie in Erfüllung der ihr übertragenen öffentlichrechtlichen Aufgabe "verfügt" (
Art. 1 Abs. 1 lit. e VwVG
).
b) Dass die SRG Verfügungen im Sinne des
Art. 5 VwVG
treffen kann, hat das Bundesgericht im Urteil vom 22. November 1978 über eine Verwaltungsgerichtsbeschwerde der Genfer politischen Bewegung "Vigilance" implicite anerkannt
BGE 104 Ib 239 S. 244
(
BGE 97 I 731
). Die SRG hatte dem Begehren dieser Bewegung, in Fernsehsendungen über die bevorstehenden Wahlen in den National- und den Ständerat wie andere politische Parteien auftreten zu dürfen, nicht entsprochen, und das EVED hatte die hiegegen gerichtete Beschwerde der Gesuchstellerin abgewiesen. Das Bundesgericht hat den Beschwerdeentscheid des Departements als Verfügung im Sinne des
Art. 5 VwVG
betrachtet (
BGE 97 I 733
E. 1) und damit mittelbar auch den vom Departement bestätigten Bescheid der SRG als solche Verfügung qualifiziert.
Im vorliegenden Fall steht jedoch nicht der Anspruch von Personen oder Organisationen, selber in Radio- oder Fernsehsendungen zu Gehör zu kommen, in Frage, noch geht es um die Verletzung allfälliger Persönlichkeitsrechte von Personen, die durch eine Sendung unmittelbar betroffen werden. Der Streit geht vielmehr darum, ob eine von der SRG durchgeführte Sendung den in Art. 13 Konzession SRG umschriebenen Anforderungen an die Qualität entspreche oder nicht.
Es fragt sich deshalb, ob die Anordnung des Programmdienstes der SRG, dass eine bestimmte Sendung zu veranstalten sei, eine Verfügung im Sinne des
Art. 5 VwVG
darstelle. Als solche würde sich diese Anordnung an die Gesamtheit der Inhaber von Konzessionen für Radio- und Fernsehempfang, wenn nicht gar an die Gesamtheit der potentiellen Hörer oder Zuschauer, richten, müssen doch die Programme der SRG vor der Sendung in den Publikationsorganen veröffentlicht werden (Art. 15 Konzession SRG). Nicht als Adressaten der Verfügung anzusehen wären die mit der Durchführung der Sendung betrauten Angestellten der SRG und aussenstehende Personen, die in der Sendung auftreten oder deren Urheberrechte dabei zu berücksichtigen sind; denn die Beziehungen zwischen der SRG und allen diesen Personen sind nicht öffentlichrechtlicher, sondern privatrechtlicher Natur.
Die Hörer oder Zuschauer und insbesondere die Inhaber von Empfangskonzessionen haben ohne Zweifel ein allgemeines Interesse daran, dass die SRG sich bei der Gestaltung ihrer Programme an die Vorschriften hält. In den Programmkommissionen der zur SRG gehörenden Regionalgesellschaften sollen denn auch "die verschiedenen Radiohörer- und Fernsehteilnehmerschichten" vertreten sein (Art. 8 Konzession SRG). Es ist indes schon fraglich, ob überhaupt von einem öffentlichrechtlichen Verhältnis von Rechten und Pflichten zwischen der
BGE 104 Ib 239 S. 245
SRG einerseits und den Hörern oder Zuschauern oder den Inhabern von Empfangskonzessionen anderseits die Rede sein kann. Die der SRG vom Bundesrat erteilte Konzession regelt im wesentlichen die Rechte und Pflichten der Konzessionärin gegenüber dem Bund, und die Empfangskonzession begründet ein Anstaltsnutzungsverhältnis zwischen ihrem Inhaber und den konzedierenden PTT-Betrieben, die aber dem Konzessionär keine Gewähr für die Qualität der Rundspruch- und Fernsehsendungen bieten (TUASON, a.a.O., S. 65 ff.). Jedenfalls wird durch die Veranstaltung einer bestimmten Radio- oder Fernsehsendung nicht ein verwaltungsrechtliches Verhältnis zwischen der SRG und den Hörern oder Zuschauern oder den Inhabern einer Empfangskonzession als solches in verbindlicher Weise geregelt. Mit einer derartigen Anordnung der SRG werden eigentliche Rechte Privater ihr als Behörde gegenüber weder begründet noch geändert, auch wird dadurch nicht das Bestehen oder Nichtbestehen oder der Umfang solcher Rechte festgestellt.
6.
Hat demnach die Aufnahme der vom Beschwerdeführer beanstandeten Lesung in das Radioprogramm nicht den Charakter einer Verfügung im Sinne des
Art. 5 VwVG
, so verstösst die Entscheidung des EVED, dass die Eingabe des Beschwerdeführers vom 27. Juli 1977 nicht als förmliche Verwaltungsbeschwerde, sondern als blosse Aufsichtsbeschwerde zu behandeln sei, nicht gegen das Bundesrecht. In diesem Punkte erweist sich die Verwaltungsgerichtsbeschwerde als unbegründet.
Im übrigen kann auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht eingetreten werden, weil dieses Rechtsmittel gegen den Bescheid des Departementes, dass der Aufsichtsbeschwerde keine Folge zu geben sei, wie bereits dargelegt, nicht zulässig ist. | public_law | nan | de | 1,978 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
c27889a7-f00f-4459-a9a4-209e8ad21159 | Urteilskopf
96 I 154
28. Urteil vom 24. April 1970 i.S. Kantonales Steueramt Zürich, Abteilung für Wehrsteuer gegen X. und Wehrsteuer-Rekurskommission des Kantons Zürich | Regeste
Wehrsteuer: Einkommenssteuer
Der Tod des Geschäftsinhabers führt nicht zur Besteuerung der vorhandenen stillen Reserven, wenn die Erben das Geschäft als Ganzes zu den Buchwerten übernehmen; er gibt jedoch Anlass zur Erhebung der Sondersteuer nach Art. 43 WStB, wenn der Erblasser vor seinem Tode in der Berechnungs- und in der Veranlagungsperiode Kapitalgewinne und Wertvermehrungen im Sinne von Art. 21 Abs. 1 lit. d und f WStB erzielt hat (Erw. 2).
Aufwertungsgewinne auf dem Warenlager (Art. 21 Abs. 1 lit. f WStB); Steuerpflicht des Erblassers aufgrund besonderer Verhältnisse verneint (Erw. 3). | Sachverhalt
ab Seite 155
BGE 96 I 154 S. 155
A.-
X., Inhaber eines Handelsgeschäftes in Y. und Z., ist am 25. Dezember 1965 in Y. gestorben. Seine Ehefrau und seine Tochter führen den Betrieb weiter.
X. pflegte seine Warenvorräte buchhalterisch wie folgt zu behandeln: Auf der Aktivseite der Bilanz führte er ein Konto "Wareninventar", auf der Passivseite stellte er einen Bewertungsposten mit der Bezeichnung "Warenreserve" ein. Diesen löste er zu Beginn des Geschäftsjahres zugunsten der Betriebsrechnung (und damit mittelbar zugunsten der Gewinn- und Verlustrechnung) auf, um ihn anlässlich des Geschäftsabschlusses unter entsprechender Belastung der Betriebsrechnung erneut zu bilden, wobei er dafür jeweils einen Drittel des ausgewiesenen Wareninventarwertes einsetzte. Ende 1964 betrug das Wareninventar Fr. 400'918.--, die "Warenreserve" Fr. 133'700.--. Gestützt darauf brachte X. der Betriebsrechnung zu Beginn des Geschäftsjahres 1965 den Betrag von Fr. 133'700.-- gut. Am Jahresende unterliessen es jedoch seine Erben, die Betriebsrechnung - entsprechend dem Vorgehen in den Vorjahren - mit einem Drittel des Wareninventarwertes, der mit Fr. 397'192.60 ausgewiesen wurde, zu belasten. Dies führte für das Geschäftsjahr zu einem Waren-Bruttogewinn
BGE 96 I 154 S. 156
von Fr. 1'009,655.28. Wäre die "Warenreserve" nach der Methode des Erblassers eingestellt worden, so hätte sich ein Bruttogewinn von Fr. 877'255.28 ergeben und der Reingewinn wäre von Fr. 664'406.80 auf Fr. 532'006.80 gefallen.
B.-
Mit Rücksicht auf die erwähnten Buchungen zog die zuständige Veranlagungsbehörde die Erben X. als Steuernachfolger zu einer Sondersteuer nach Art. 43 WStB heran und setzte den steuerlich massgebenden Gewinn auf Fr. 266'000.-- fest. Sie ging davon aus, es sei ein Aufwertungsgewinn in der Höhe von Fr. 133'700.-- erzielt worden. Im übrigen nahm sie an, es seien im Jahre vor dem Tode des Geschäftsinhabers in erheblichem Masse stille Reserven aufgelöst worden, die ebenfalls mit der Sondersteuer nach Art. 43 WStB erfasst werden müssten. Zur Begründung wies sie darauf hin, dass der im Geschäftsabschluss für 1965 ausgewiesene Bruttogewinn von Fr. 1'009,655.-- 66,14% des Bruttoumsatzes von Fr. 1'526,516.-- ausmache, während der entsprechende Prozentsatz im Jahre 1964 lediglich 44,58 und in den drei Vorjahren 1962-1964 insgesamt bloss 48,71 betragen habe. Diese Veranlagung wurde im Einspracheverfahren bestätigt.
C.-
Die Erben X. fochten den Einspracheentscheid bei der Wehrsteuerrekurskommission des Kantons Zürich an. Diese hiess die Beschwerde am 20. Juni 1969 gut und hob die angefochtene Veranlagungsverfügung auf. Dabei merkte sie vor, dass die Warenlagerreserve in der Höhe von Fr. 133'700.-- in die Übernahmebilanz der Erben aufgenommen werden dürfe. Die Erwägungen der Wehrsteuer-Rekurskommission lassen sich wie folgt zusammenfassen: Die Erben X. hätten das Geschäft am Todestag des Erblassers zu den bisherigen Buchwerten übernommen. Da sie weder eine Aufwertung vorgenommen noch Teile des Geschäftsvermögens veräussert hätten, sei kein steuerbarer Aufwertungs- bzw. Kapitalgewinn erzielt worden, denn der erbrechtliche Übergang eines Geschäftes sei wehrsteuerrechtlich erfolgsneutral. Was die Auflösung der "offenen Warenlagerreserven" im Betrage von Fr. 133'700.-- anbelange, so sei sie auf Weisung der Erbschaftssteuerbehörde erfolgt; sie sei deshalb nicht zu berücksichtigen. Die beim Tode des Erblassers im Warenlager enthaltenen und bis dahin nicht als Einkommen versteuerten offenen und stillen Reserven seien demnach noch nicht realisiert worden und könnten deshalb auch nicht Gegenstand einer Jahressteuer
BGE 96 I 154 S. 157
nach Art. 43 WStB sein; es bestehe somit kein Anlass, eine solche zu erheben.
D.-
Das Kantonale Steueramt Zürich, Abteilung Wehrsteuer, führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, der Entscheid der Wehrsteuerrekurskommission vom 20. Juni 1969 sei aufzuheben und der Pflichtige sei für einen nach Art. 43 WStB steuerbaren Kapitalgewinn von Fr. 131'700.-- (Fr. 133'700.-- ./. Fr. 2.000.-- Abzug gemäss Art. 25 Abs. 1 lit. a WStB) zu veranlagen. Zur Begründung wird im wesentlichen folgendes geltend gemacht: Der erbrechtliche Übergang eines Geschäftes sei zwar wehrsteuerrechtlich grundsätzlich erfolgsneutral. Im vorliegenden Fall sei indessen vor dem Erbgang eine Warenreserve von Fr. 133'700.--aufgelöst, d.h. am 1. Januar 1965 im Sinne von Art. 43 in Verbindung mit Art. 21 Abs. 1 lit. f WStB buchmässig realisiert worden, da die Erben X. am Ende des Geschäftsjahres 1965 auf die übliche Bildung einer "Warenreserve" zulasten der Betriebsrechnung verzichtet hätten. Entgegen der Ansicht der Wehrsteuer-Rekurskommission habe die Erbschaftssteuerverwaltung eine solche Reservenauflösung nicht verlangt, zumal sie bei der Veranlagung der Erbschaftssteuer nicht an die Buch- und Bilanzwerte gebunden sei, sondern die in Frage stehenden Aktiven und Reserven nach den für sie geltenden Vorschriften frei zu bewerten habe. Eine nachträgliche Bilanzkorrektur, wie sie von den Erben nunmehr verlangt werde, sei schon deshalb unzulässig, weil das Warenlager ohnehin offensichtlich unterbewertet worden sei.
E.-
Frau X. beantragt als Erbenvertreterin, die Beschwerde sei abzuweisen. Sie führt in ihrer Vernehmlassung aus, die Bilanz per Ende 1965 sei nach eingehender Beratung mit den Inventarisationsbehörden erstellt worden. Sie sei nun nachträglich im Sinne des Verstorbenen abgeändert worden, indem man wiederum einen Drittel des Wareninventarwertes als Rückstellung ausgewiesen habe. Diese Bilanzänderung sei anzuerkennen. Im übrigen sei das Wareninventar nie unterbewertet, sondern im Gegenteil eher überbewertet worden.
F.-
Die Eidgenössische Steuerverwaltung (EStV) schliesst sich in ihrer Vernehmlassung dem Antrag des Beschwerdeführers an. Sie geht ebenfalls davon aus, es sei im vorliegenden Falle eine Jahressteuer gemäss Art. 43 WStB auf einem Aufwertungsgewinn von Fr. 133'700.-- verfallen. Wohl sei der
BGE 96 I 154 S. 158
erbrechtliche Übergang eines Geschäftes auf die Erben wehrsteuerrechtlich grundsätzlich erfolgsneutral. Aus der von den Erben aufgestellten Bilanz per 31. Dezember 1965 ergebe sich jedoch, dass eine Aufwertungsbuchung vorgenommen worden sei. Diese sei nicht auf Veranlassung der Erbschaftssteuerbehörden erfolgt; die Erben X. seien dabei vielmehr irrtümlich von der Annahme ausgegangen, beim streitigen Aufwertungsgewinn handle es sich um einen Betriebsgewinn, der im Zusammenhang mit der notwendig gewordenen Zwischenveranlagung in die Bemessungslücke falle und somit weder beim Erblasser noch bei den Erben steuerlich erfasst werden könne. Die Erben seien bei ihren buchhalterischen Vorkehren zu behaften. Die Voraussetzungen, unter denen ausnahmsweise eine nachträgliche Bilanzänderung zugelassen werde, seien im vorliegenden Fall nicht erfüllt.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Der Beschwerdeführer macht vor Bundesgericht nicht mehr geltend, es seien im Geschäftsjahr 1965 ausser der streitigen Warenreserve von Fr. 133'700.-- noch weitere stille Reserven auf dem Warenlager aufgelöst worden. Zu prüfen bleibt demnach bloss, ob im Umfang der streitigen Aufwertung ein Kapitalgewinn im Sinne von Art. 21 Abs. 1 lit. f WStB erzielt worden ist, der mit einer Jahressteuer gemäss Art. 43 WStB erfasst werden kann.
2.
Wertvermehrungen auf dem Geschäftsvermögen einer buchführungspflichtigen Einzelfirma oder Personengesellschaft werden wehrsteuerrechtlich erst dann zu Ertrag und damit zu Einkommen des Geschäftsinhabers bzw. -teilhabers, wenn sie tatsächlich (d.h. durch Veräusserung oder Verwertung) oder buchmässig (z.B. durch Aufwertung des betreffenden Geschäftsaktivums) realisiert werden (Art. 21 Abs. 1 lit. d und f WStB). Geht ein Geschäft infolge Todes des Inhabers zu den Buchwerten auf die Erben über, so liegt wehrsteuerrechtlich kein Realisationsakt vor (
BGE 82 I 112
ff; KÄNZIG, N. 103 zu Art. 21 WStB; MASSHARDT, Fragen aus dem Gebiet der Besteuerung von Liquidationsgewinnen bei der Wehrsteuer, ASA Bd. 26 S. 168). Im Übergang des Geschäftsvermögens auf die Erben ist mithin weder eine Veräusserung noch eine Verwertung zu erblicken. Ebensowenig sind die Erben in diesem
BGE 96 I 154 S. 159
Zusammenhang verpflichtet, die vorhandenen stillen Reserven buchmässig aufzulösen. Diese können vielmehr erst dann besteuert werden, wenn die betreffenden Aktiven und Passiven mit Rücksicht auf ihren tatsächlichen Wert bzw. Schuldbetrag höher bzw. tiefer bilanziert werden oder wenn (insbesondere anlässlich der Erbteilung) ein Kapitalgewinn im Sinne von Art. 21 Abs. 1 lit. d WStB erzielt wird. Da die stillen Reserven in diesen Fällen erst nach dem Erbgang realisiert werden, sind für die Gewinne allein die Erben steuerpflichtig (
BGE 82 I 117
oben).
Nach der allgemeinen Regel des Art. 41 WStB bilden die in der Berechnungsperiode erzielten Kapitalgewinne und verbuchten Wertvermehrungen im Sinne von Art. 21 Abs. 1 lit. d und f WStB zusammen mit dem übrigen Einkommen des Steuerpflichtigen die Bemessungsgrundlage der jeweils für zwei Jahre veranlagten Wehrsteuer. Davon macht Art. 43 WStB eine Ausnahme, wenn die Steuerpflicht dahinfällt, beispielsweise weil der Steuerpflichtige stirbt (Art. 9 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 10 Abs. 1 WStB). In diesem Fall wird auf den in der Berechnungs- und in der Veranlagungsperiode erzielten Kapitalgewinnen und Wertvermehrungen an Stelle der ordentlichen Einkommenssteuer eine gesondert berechnete, volle Jahressteuer erhoben. Dabei handelt es sich um eine steuerliche Schlussabrechnung über die in den letzten Jahren der Betriebsführung aufgelösten, bisher nicht als Gewinn versteuerten Reserven (PERRET/MASSHARDT, Kommentar zur eidg. Wehrsteuer 1965-1974, Ziff. 2 zu Art. 43 WStB). Damit soll insbesondere verhindert werden, dass in der Zeit zwischen dem Ende der Berechnungsperiode und dem Dahinfallen der Steuerpflicht im Verlaufe der Veranlagungsperiode stille Reserven steuerfrei aufgelöst werden können, zumal der ordentliche Betriebsgewinn dieses Zeitraums steuerlich ausser Betracht fällt (vgl. KÄNZIG, N. 115 zu Art. 21 WStB). Stirbt der Geschäftsinhaber und verfällt eine Jahressteuer gemäss Art. 43 WStB, da er im genannten Zeitabschnitt vor dem Erbgang einen Aufwertungsgewinn erzielt hat, so treten seine Erben als Steuernachfolger in die Steuerschuld ein (Art. 10 Abs. 1 WStB; BGE vom 4. Juli 1965 i.S. Erben G. S., Erw. 2, veröffentlicht in ASA Bd. 34 S. 156; KÄNZIG, N. 15 zu Art. 43 WStB; PERRET/MASSHARDT, Ziff. 4 zu Art. 43 WStB). Erzielen die Erben nach dem Tode des Geschäftsinhabers einen Aufwertungsgewinn, so
BGE 96 I 154 S. 160
wird dieser entweder nach der allgemeinen Regel anteilsmässig dem übrigen Einkommen der Erben zugerechnet oder aber ebenfalls mit einer Sondersteuer nach Art. 43 WStB erfasst, wenn ein Zwischenveranlagungsgrund vorliegt (MASSHARDT in ASA Bd. 26 S. 169; KÄNZIG, N. 4 in Verbindung mit N. 15-18 zu Art. 43 WStB).
3.
Der Beschwerdeführer und die EStV gehen davon aus, X. habe am 1. Januar 1965 sein Warenlager im Umfang von Fr. 133'700.-- aufgewertet, indem er den entsprechenden Passivposten "Warenreserve" der Bilanz per 31. Dezember 1964 zugunsten der Betriebsrechnung aufgelöst habe. Da seine Erben im Zusammenhang mit dem Geschäftsabschluss per 31. Dezember 1965 bewusst darauf verzichtet hätten, die "Warenreserve" in der Höhe eines Drittels des Wareninventarwertes erneut zu bilden und die Betriebsrechnung entsprechend zu belasten, habe sich die zu Beginn des Geschäftsjahres 1965 vorgenommene Auflösung der "Warenreserve" von Fr. 133'700.-- "endgültig als Aufwertungsgewinn ausgewirkt" (Vernehmlassung der EStV, Ziff. 7, S. 8), der mit einer Jahressteuer gemäss Art. 43 WStB belastet werden müsse, wobei die Erben als Steuernachfolger in die Steuerpflicht des Verstorbenen einzutreten hätten. Diese Betrachtungsweise überzeugt nicht.
Die Jahressteuer, welche wegen Wegfalls der Steuerpflicht infolge Todes erhoben wird, setzt - wie bereits erwähnt - voraus, dass der verstorbene Steuerpflichtige in der Berechnungs- oder Veranlagungsperiode einen Kapitalgewinn oder eine Wertvermehrung erzielt hat. Aufwertungsgewinne gemäss Art. 21 Abs. 1 lit. f WStB gelten grundsätzlich in dem Zeitpunkt als realisiert, in dem die entsprechenden Buchungen getroffen werden (vgl. KÄNZIG, N. 122 zu Art. 21 WStB); Voraussetzung ist dabei allerdings, dass der Steuerpflichtige damit tatsächlich einen solchen Gewinn erzielen, d.h. in seinen Büchern ausweisen will. Diese Absicht ist ohne weiteres zu vermuten, wenn die betreffenden Buchungen am Ende des Geschäftsjahres vorgenommen werden und unmittelbar zu einem ausgewiesenen Gewinn führen. Ist dies jedoch ausnahmsweise nicht der Fall, so bedarf die Buchhaltung in diesem Zusammenhang einer näheren Prüfung, um daraus - wenn nötig unter Berücksichtigung der Vorjahre - Hinweise auf die mit den fraglichen Buchungen verfolgten Absichten des Steuerpflichtigen zu gewinnen.
BGE 96 I 154 S. 161
Im vorliegenden Fall brachte es die besondere buchhalterische Behandlung des Warenlagers mit sich, dass X. seine "Warenreserve" jeweils zu Beginn des Geschäftsjahres formell auflösen musste. Es unterliegt jedoch keinem Zweifel, dass er damit nicht etwa eine Aufwertung vornehmen wollte, die zu einer entsprechenden Besteuerung hätte Anlass geben können. Am Ende des Geschäftsjahres glich er die erwähnte Gutschrift auf die Betriebsrechnung nämlich stets wieder aus, indem er im Soll einen Drittel des ausgewiesenen Wareninventarwertes als neue "Warenreserve" verbuchte. Dieses Vorgehen ist von den Steuerbehörden immer anerkannt worden. Sie dachten denn auch nicht daran, den Steuerpflichtigen im Zusammenhang mit der streitigen Steuerveranlagung für die zu Beginn der Geschäftsjahre 1963 und 1964 (Berechnungsperiode) vorgenommenen Gutschriften auf die Betriebsrechnung zu einer Jahressteuer nach Art. 43 WStB heranzuziehen. Sie trugen vielmehr richtigerweise dem Umstand Rechnung, dass der Steuerpflichtige auch in diesen Jahren keinen Aufwertungsgewinn auf dem Warenlager erzielen wollte, zumal er jeweils die Betriebsrechnung am Schluss des Geschäftsjahres in der soeben erwähnten Weise belastete. Behandelt also ein Steuerpflichtiger sein Warenlager buchhalterisch nach der von X. gewählten Methode und wird dies von den Steuerbehörden grundsätzlich anerkannt, so hat ein bezüglicher Aufwertungsgewinn erst dann als erzielt zu gelten, wenn es der Pflichtige im Zusammenhang mit der Erstellung des ordentlichen oder eines ausserordentlichen Abschlusses willentlich unterlässt, zulasten der Betriebsrechnung eine neue "Warenreserve" zu bilden. Die EStV nimmt sinngemäss keinen andern Standpunkt ein, wenn sie in ihrer Vernehmlassung (Ziff. 7 S. 8) ausführt, die streitige Gutschrift habe sich am Ende des Geschäftsjahres 1965 "endgültig als Aufwertungsgewinn" ausgewirkt, weil die Betriebsrechnung im Zusammenhang mit dem Jahresabschluss nicht entsprechend belastet worden sei.
X. ist am 25. Dezember 1965, also wenige Tage vor dem ordentlichen Jahresabschluss, gestorben. Er hatte somit nach dem Gesagten gar keine Möglichkeit mehr, im ersten Jahr der Veranlagungsperiode 1965/66 einen Aufwertungsgewinn auf seinem Warenlager zu erzielen. Aufgrund der von ihm erstellten Jahresabschlüsse darf zudem angenommen werden, dass er in der Bilanz per 31. Dezember 1965 wiederum eine "Warenreserve"
BGE 96 I 154 S. 162
gebildet und dadurch deutlich zum Ausdruck gebracht hätte, dass er auch im Geschäftsjahr 1965 nicht daran dachte, sein Warenlager tatsächlich aufzuwerten. Es ist unbestritten, dass seine Erben es im Zusammenhang mit der von ihnen erstellten Jahresabschlussbilanz per 31. Dezember 1965 unterlassen haben, die Betriebsrechnung mit einem Drittel des ausgewiesenen Wareninventarwertes zu belasten. Aus den gesamten Umständen und aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass damit höchstens die Erben (und nicht der Erblasser) einen Aufwertungsgewinn erzielt haben, und zwar im eigenen Namen und auf eigene Rechnung (vgl. Erw. 2 am Ende); ob sie im Rahmen ihrer Veranlagung auf den einmal eingereichten Jahresabschluss zurückkommen können und wie sich gegebenenfalls der Jahresabschluss per Ende 1965 auf ihre Steuerpflicht auswirkt, ist im vorliegenden Verfahren nicht zu prüfen.
Da X. selbst keinen Aufwertungsgewinn auf seinem Warenlager erzielt hat, fehlt es an den Voraussetzungen zur Erhebung einer Jahressteuer nach Art. 43 WStB, für welche seine Erben als Steuernachfolger einzutreten hätten.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen. | public_law | nan | de | 1,970 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
c27e457a-9518-4b39-92b8-90d25b42db06 | Urteilskopf
107 II 26
5. Urteil der II. Zivilabteilung vom 25. März 1981 i.S. T. gegen Direktion des Innern des Kantons Zürich (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Wahl der Vornamen (
Art. 301 Abs. 4 ZGB
;
Art. 69 Abs. 2 ZStV
).
Unzulässigkeit des Vornamens "Wiesengrund" mit Rücksicht auf das Kindeswohl und die Interessen Dritter. | Sachverhalt
ab Seite 26
BGE 107 II 26 S. 26
A.-
Der Vater T. meldete am 17. August 1980 beim Zivilstandsamt der Stadt Zürich die Geburt seines Sohnes an. Als die vier Vornamen des Kindes nannte er Florio, Wiesengrund, Walter, Tibor.
Mit Schreiben vom 25. August 1980 lehnte das Zivilstandsamt Zürich die Eintragung von "Wiesengrund" als Vornamen ab. Die Eltern erhoben hierauf Beschwerde bei der Direktion des Innern des Kantons Zürich als kantonaler Aufsichtsbehörde im Zivilstandswesen. Diese wies die Beschwerde mit Verfügung vom 6. Oktober 1980 ab.
B.-
Gegen den Entscheid der Direktion des Innern des Kantons Zürich führen die Eltern Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht. Sie beantragen dessen Aufhebung und verlangen die Eintragung von "Wiesengrund" als Vorname ihres Sohnes in das Zivilstandsregister.
Die kantonale Aufsichtsbehörde und das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement beantragen in ihren Vernehmlassungen die Abweisung der Beschwerde.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Das den Eltern nach
Art. 301 Abs. 4 ZGB
grundsätzlich zustehende Recht, den Vornamen ihres Kindes frei zu wählen, wird eingeschränkt durch
Art. 69 Abs. 2 ZStV
, der die Zivilstandsbeamten anhält, Vornamen zurückzuweisen, welche die Interessen des Kindes oder Dritter offensichtlich verletzen, insbesondere anstössige oder widersinnige sowie Vornamen, die allein oder zusammen mit andern das Geschlecht des Kindes
BGE 107 II 26 S. 27
nicht eindeutig erkennen lassen. Unter diesem Gesichtspunkt ist das Begehren der Beschwerdeführer zu prüfen, es sei für ihren Sohn der Vorname "Wiesengrund" in das Zivilstandsregister einzutragen.
a) "Wiesengrund" ist vor allem eine Sachbezeichnung. Mag einer grossen Zahl von Menschen die von dieser Sachbezeichnung angeregte Volksweise "Im schönsten Wiesengrunde ..." bekannt sein, so wissen doch nur wenige, dass "Wiesengrund" im deutschen Sprachraum vereinzelt als Familienname auftritt. Als Vorname hingegen wird "Wiesengrund" überhaupt nicht erkannt; in dieser Hinsicht besteht ein Unterschied zum Beispiel zu "Arnold", "Ernst" oder "Peter", die sowohl als Familiennamen wie als Vornamen im Gebrauch sind.
Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer ist "Wiesengrund" auch nicht vergleichbar mit den Namen "Heidelinde", "Burglinde" und "Bergfriede". Diese Namen sind in der Schweiz nicht üblich, werden aber immerhin noch als Vornamen erkannt. Doch sogar wenn die Beschwerdeführer ein Beispiel zu nennen wüssten, welches der Vorschrift von
Art. 69 Abs. 2 ZStV
widerspricht, gäbe das ihnen selbst noch keinen Anspruch auf Eintragung eines solchen Vornamens.
Ganz allgemein können die Beschwerdeführer nicht damit argumentieren, dass viele Vornamen auf Sachbezeichnungen zurückgehen (hiezu wären die von ihnen in anderem Zusammenhang erwähnten "Rosa", "Rösli", "Viola" zu zählen). Solche Vornamen haben den Realitätsbezug weitgehend verloren. Auch wenn gedanklich noch hie und da die Verbindung zur Sache hergestellt werden mag, wird hier eindeutig ein Vorname erkannt. Anderseits hat das Bundesgericht gerade deshalb eine Bezeichnung als nicht eintragungsfähig erklärt, weil sie nicht als Vornamen erkannt würde und dadurch die Interessen Dritter an klaren Namensverhältnissen offensichtlich verletzen würde (
BGE 71 I 366
: "Mayor").
Die Beschwerdeführer widersprechen sich selbst, wenn sie einerseits darauf hinweisen, dass viele Namen auf Sachbezeichnungen zurückgehen oder - in ihren Worten - "beeinflusst wurden durch die Gewichtung der Lebensinhalte der Eltern", und sich anderseits daran stossen, dass eine grosse Zahl von Vornamen religiösen Ursprungs sind. Wenn die Eltern die Verbindung zu einer Religion nicht hergestellt wissen wollen, so bleibt - eben unter den Namen, die ursprünglich eine
BGE 107 II 26 S. 28
Sachbezeichnung waren, und unter Namen irgendwelchen Ursprungs - noch immer eine grosse Auswahl von Vornamen, die eindeutig als solche erkannt werden und dennoch keine Dutzendnamen zu sein brauchen.
b) Entscheidend für die Namensgebung ist letztlich nicht die Einstellung der Eltern zur Religion und auch nicht das Bedürfnis nach Originalität, sondern was hier zählt, ist das Kindeswohl (vgl. die Leitgedanken der
Art. 301 Abs. 1 und
Art. 302 Abs. 1 ZGB
). Im Interessen des Kindes hat die in der Frage der Namensgebung sonst sehr zurückhaltende Rechtsordnung Vorkehren getroffen, dass dem Kind (welches naturgemäss hiezu nicht befragt werden kann) kein Name gegeben werde, welcher ihm während seines ganzen Lebens schaden könnte. Selbst einmal erwachsen, wird sich der Namensträger der mit einem widersinnigen Vornamen verbundenen Nachteile möglicherweise zu entledigen wissen. Zu Recht aber weisen die Vernehmlassungen darauf hin, dass vor allem das Kind im Schulalter wegen seines Namens dem Spott der Kameraden ausgesetzt wäre, woraus psychische Störungen entstehen könnten, die sich hindernd auf das ganze Leben des Betroffenen auswirken. Kinder haben in aller Regel kein bewusstes Bedürfnis nach Originalität; sie leiden im Gegenteil darunter, wenn sie - auf welche Weise auch immer - unter ihresgleichen auffallen.
c) Es mag in diesem Zusammenhang dahingehend argumentiert werden, dass es den Eltern und dem Kind noch immer freistehe, den ins Zivilstandsregister eingetragenen Vornamen als Rufnamen zu verwenden oder nicht. Einmal eingetragen jedoch, kann der Gebrauch des missverständlichen oder nachteiligen Namens nicht verwehrt werden. Es muss deshalb im Interesse der Dritten und des Kindes schon die Eintragung untersagt werden (
BGE 71 I 366
). Das bedeutet entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer keineswegs, dass geradezu ein Verbot der Eintragung neuer Namen bestünde (vgl.
BGE 69 I 61
).
2.
Die Beschwerdeführer rügen schliesslich, in der Verfügung vom 6. Oktober 1980 habe die Direktion des Innern des Kantons Zürich ihnen Verehrung für den Philosophen und Soziologen Theodor W. Adorno unterstellt. Bei flüchtiger Betrachtung könnte man aus der entsprechenden Stelle der Verfügung eine solche Aussage herauslesen. Doch ging es der kantonalen Behörde selbstverständlich keineswegs um Adorno -
BGE 107 II 26 S. 29
dessen Familienname früher "Wiesengrund" war, was später zu der bekannten, als Vornamen aufgefassten Benennung "Theodor W." führte -, sondern wiederum um das Anliegen des Kindeswohls. Nicht die Vorliebe der Eltern für diese oder jene Persönlichkeit, für diesen oder jenen Namen hat Gewicht; entscheidend ist vielmehr einzig und allein der Anspruch des Kindes, nicht unnötigerweise in der Entfaltung seiner Persönlichkeit gehemmt zu werden.
3.
Nach dem Gesagten kann eine Verletzung von Bundesrecht in dem Entscheid der kantonalen Behörden nicht erblickt werden. Die Beschwerde ist deshalb abzuweisen. | public_law | nan | de | 1,981 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
c2826d7c-e7d2-43a4-8ad2-f42dce28532c | Urteilskopf
103 Ia 218
38. Estratto della sentenza del 26 gennaio 1977 nella causa Cicchelero c. Dipartimento federale di giustizia e polizia | Regeste
Auslieferung: Steuerdelikte.
1. Begriff der unechten Gesetzeskonkurrenz zwischen einem Steuer- und einem Auslieferungsdelikt des gemeinen Strafrechts. Eine solche Gesetzeskonkurrenz schliesst die Auslieferung aus (E. 2).
2. Auf Leistungs- und Abgabebetrug, auf Urkundenfälschung und Erschleichung einer falschen Beurkundung sind, falls sich das Delikt ausschliesslich gegen das Gemeinwesen richtet und vom VStrR erfasst wird, lediglich die Bestimmungen des VStrR anwendbar (Art. 14 und Art. 15), unter Ausschluss der entsprechenden des gemeinen Strafrechts (insbesondere der
Art. 148,
Art. 251 und
Art. 246 StGB
). Es handelt sich dann um Steuerdelikte, welche als solche keine Auslieferung begründen können (E. 7). | Sachverhalt
ab Seite 219
BGE 103 Ia 218 S. 219
Nel 1976 il Governo Italiano chiedeva l'estradizione del cittadino italiano Cicchelero per fatti punibili in Italia quali contrabbando aggravato, associazione per delinquere, contraffazione di sigilli, falso in scrittura privata e corruzione attiva. I reati di falsità avevano per oggetto documenti d'origine e sigilli ufficiali destinati esclusivamente a fini doganali; il reato di corruzione attiva sarebbe avvenuto nei confronti di un sottufficiale della guardia di finanza italiana in occasione di una sua venuta in Svizzera. Il ricercato si opponeva all'estradizione, sollevando obiezioni formali e sostanziali.
Il Tribunale federale ha accolto l'opposizione e negato l'estradizione.
Erwägungen
Considerando in diritto:
1.
(Principi generali in materia estradizionale.)
2.
L'entrata in vigore della Convenzione europea d'estradizione, segnatamente dell'art. 5 di essa, nulla ha modificato a proposito dell'esclusione dell'estradizione per reati fiscali, dettata dall'
art. 11 LEstr
. Secondo costante giurisprudenza, l'esclusione dell'estradizione per reati fiscali non consente di rifiutarla anche per reati di diritto comune, che con i primi siano connessi, o in relazione di concorso ideale o reale, se le altre condizioni dell'estradizione sono adempiute, e ciò diversamente da quanto accade per i delitti politici (
art. 11 cpv. 2 LEstr
.;
DTF 39 I 115
segg.;
DTF 40 I 140
segg.;
DTF 50 I 260
consid. 5;
DTF 60 I 212
segg.;
DTF 78 I 246
;
DTF 92 I 287
). Eccezione al principio: allorché tra il reato fiscale e il reato estradizionale del diritto comune sussista un cosiddetto concorso improprio (unechte Gesetzeskonkurrenz), cioè quando la fattispecie (
DTF 83 IV 127
) ricade sotto due disposizioni contemporaneamente, e quella di natura fiscale, che osta all'estradizione, la regge sotto ogni suo aspetto (
DTF 39 I 116
;
DTF 50 I 261
/62;
DTF 78 I 246
;
DTF 92 I 287
; sentenza inedita Gässler del 4 luglio 1962, consid. 3 pag. 25).
BGE 103 Ia 218 S. 220
In applicazione analogica dei principi della doppia incriminazione e della reciprocità (che, in tal ambito, non è esclusa dall'art. 26 Convenzione, cfr.
DTF 101 Ia 608
consid. 8 a), basta che la qualificazione di reato fiscale possa esser attribuita alla fattispecie, per cui l'estradizione è richiesta, in virtù del diritto dello Stato richiesto oppure in virtù di quello della Parte richiedente (
DTF 39 I 231
;
DTF 78 I 246
; SCHULTZ, Auslieferungsrecht, pag. 464, nota 15). Sotto quest'ultimo profilo, tuttavia, il Tribunale federale, secondo una giurisprudenza criticata in dottrina (SCHULTZ, op.cit. pag. 236), rifiuta di esaminare a fondo questioni giuridiche controverse dello Stato richiedente, ove questo possa appoggiarsi su giurisprudenza di suoi tribunali superiori o prevalenti opinioni di dottrina. Segnatamente il Tribunale federale non esamina, in tali condizioni, la questione se, secondo il diritto dello Stato richiedente, il reato giustificante l'estradizione, sotto cui la fattispecie e sussunta, non si trovi in concorso improprio con un reato che non l'ammette, e se esso ne sia pertanto assorbito (
DTF 50 I 262
, consid. 5;
DTF 60 I 217
consid. 3;
DTF 78 I 227
consid. 4b). In questo caso, il Tribunale federale, quale giudice dell'estradizione, abbandona tale questione al giudice del merito. Come si vedrà in seguito, non è necessario esaminare se questa giurisprudenza possa essere mantenuta.
3.
(Inammissibilità delle obiezioni del ricercato circa la propria colpevolezza.)
4.
(Questioni formali.)
5.
(Per il reato di associazione per delinquere l'estradizione è esclusa, mancando il requisito della doppia incriminazione.)
6.
(Natura fiscale del reato di contrabbando.)
7.
a) La falsificazione di documenti di origine, che per il diritto italiano integra la fattispecie di cui all'art. 485 CPI, sarebbe di per sé punibile secondo il diritto svizzero quale falsità in documenti (
art. 251 CP
, cfr.
DTF 96 IV 150
). Per la falsificazione di sigilli doganali (art. 468 CPI) potrebbe entrare in considerazione, tenuto conto dell'ampiezza della nozione di "documenti" secondo l'
art. 110 n. 5 CP
, lo stesso
art. 251 CP
, oppure l'
art. 246 CP
, che ha per oggetto la falsificazione di marche ufficiali: e poiché per ambedue questi reati i requisiti dell'estradizione sarebbero adempiuti, non occorrerebbe nemmeno esaminare il delicato problema della loro reciproca relazione. Da esaminare resta invece se le falsificazioni contestate
BGE 103 Ia 218 S. 221
all'opponente non debbano essere qualificate, in ragione della loro natura, quali reati fiscali che, come già si è illustrato, non consentono l'estradizione.
b) Prima della riforma introdotta con la Legge federale sul diritto penale amministrativo del 22 marzo 1974 (DPA), che ha, tra l'altro (
art. 104 DPA
), modificato la legge federale sulle dogane del 1o ottobre 1925 (LD), una falsificazione di documenti destinata a frodare il dazio era in ogni caso punibile quale contravvenzione doganale ai sensi dell'
art. 74 n. 8 LD
, nel testo allora vigente. La natura fiscale del reato di cui all'
art. 74 n. 8 LD
era indubbia, tanto in ragione della "sedes materiae", quanto della commisurazione della pena (multa in base al dazio frodato o pregiudicato) e della procedura applicabile. Controversa era invece la disciplina del concorso di tale norma con le norme del diritto penale comune in materia di falsità in documenti. Il testo allora vigente dell'
art. 85 cpv. 2 LD
stabiliva infatti che le disposizioni penali della LD si applicavano senza pregiudizio di quelle della legislazione penale concorrente, ossia prevedeva, in linea di principio, una applicazione cumulativa delle sanzioni penali. Controverso era tuttavia se non dovesse ammettersi un concorso improprio, e prescindersi dal cumulo delle pene, ove la falsificazione si esaurisse nella lesione di interessi fiscali: questione che il Tribunale federale aveva sempre lasciato aperta (
DTF 77 IV 46
/47, 80 IV 39, 96 IV 151).
c) Con l'entrata in vigore del DPA e la correlativa riforma della LD, alla repressione del contrabbando e delle connesse infrazioni doganali, le cui fattispecie sono contenute negli art. 74, 76, 78 e 79 LD, si applicano, in virtù dell'
art. 80 LD
, le disposizioni del titolo secondo del DPA (art. 2 segg. DPA).
Nella misura in cui, come in casu, il DPA è applicabile (cfr.
art. 1 DPA
), tanto la truffa (
art. 14 DPA
), quanto la falsità in documenti ed il conseguimento di una falsa attestazione (
art. 15 DPA
) sono perseguibili esclusivamente - se il reato è rivolto unicamente contro l'ente pubblico - in base alle predette norme speciali e privilegianti, e sono pertanto sottratte alle corrispondenti norme del codice penale ordinario, segnatamente alle norme di cui agli art. 251 (falsità in documenti), 246 (falsificazione di marche ufficiali), 148 (truffa).
Con tale riforma il legislatore federale ha inteso perseguire un triplice scopo: da un lato, porre nella misura del possibile
BGE 103 Ia 218 S. 222
fine alle disparità di trattamento derivanti dalla dispersione delle disposizioni del diritto penale amministrativo in disparate leggi federali; dall'altro, consentire un maggior rigore nella repressione delle infrazioni amministrative qualificate (pene detentive, anziché solo pecuniarie); infine, risolvere - almeno nell'ambito di applicazione della nuova legge - lo spinoso problema del concorso tra norme penali amministrative e norme penali del diritto comune, cui la giurisprudenza del Tribunale federale aveva potuto sotto il precedente regime dare solo parzialmente una soluzione soddisfacente (cfr. P. NOLL, Nebenstrafrecht und Rechtsgleichheit, in Revue pénale suisse, 74 (1959) pag. 29 segg., in part. 41 segg.; Messaggio del CF del 21 aprile 1971 sul disegno del DPA, FF 1971, pag. 727 segg., in particolare n. 2.3 (pag. 733 segg.) e n. 3, pag. 743; R. PFUND, Der Entwurf eines Bundesgesetzes über das Verwaltungsstrafrecht, ZBl 74 (1973), pag. 58 segg., in modo speciale 67 segg.; lo stesso, Das neue Verwaltungsstrafrecht des Bundes unter bes. Berücksichtigung des Steuerstrafrechtes, in ASA 42 (1974), pag. 161 segg. in part. 166 segg.; lo stesso, Verwaltungsstrafrecht - Strafrecht, Revue de droit suisse NF 90 II ( 1971) pag. 107, in modo speciale 171 segg.; JEAN GAUTHIER, La loi fédérale sur le droit pénal administratif, Mémoires publiés par la Faculté de Droit de Genève vol. 46, in part. pag. 30 e nota 17, pag. 46 segg., EMILIO CATENAZZI, Alcune considerazioni sul concorso tra diritto penale ordinario e diritto penale fiscale, in Repertorio giurisprudenza patria 1974, pag. 1 segg.; MARKUS PETER, Das neue Bundesgesetz über das Verwaltungsstrafrecht, Revue pénale suisse 90 (1974), pag. 22 segg.; inoltre, il testo delle deliberazioni del Consiglio nazionale, Bollettino stenografico CN vol. 83 (1973), in particolare pag. 456 (Votum Bächtold), 470/71 (Votum König e Aubert).
Il fatto che la falsificazione di documenti ai fini di trarre in inganno l'autorità doganale non sia più formalmente prevista nella LD, ma sia stata con la riforma citata ricondotta sotto una fattispecie più generale del diritto penale amministrativo, non ha fatto di essa un reato di diritto comune, idoneo come tale a dar luogo ad estradizione. La natura fiscale del reato, che esclude l'estradizione, non dipende dalla circostanza che la norma penale applicabile sia contenuta in una legge fiscale o in una legge di carattere generale: determinante è che il reato
BGE 103 Ia 218 S. 223
di cui si tratta si esaurisca nella violazione di una norma concernente la riscossione di pubblici tributi (cfr. GUT, Die fiskalischen und militärischen Vergehen im schweizerischen Auslieferungsrecht, Tesi Zurigo 1943, pagg. 60/61).
Certo, come già sotto il regime anteriore all'entrata in vigore del DPA, anche sotto quello vigente il concorso ideale rimane possibile: laddove la falsità in documenti non si esaurisca in un pregiudizio dell'ente pubblico in una materia regolata dal diritto amministrativo federale, ma comporti pure la lesione di altri interessi (cfr.
DTF 96 IV 152
consid. 1,
DTF 101 IV 57
/58), possono cumulativamente applicarsi le disposizioni del DPA e quelle del CP o di altri testi legali che reprimano la fattispecie concreta.
d) Ora, nella motivazione della loro domanda, le autorità italiane non asseverano, e tantomeno dimostrano, che gli atti e le marche che si ritengono falsificati o contraffatti ad altro potessero servire che alla commissione del reato doganale. In simili condizioni, dal punto di vista svizzero, le falsificazioni rimproverate al ricercato si qualificano come reati fiscali, perseguibili in applicazione dell'
art. 15 DPA
e non sussumibili sotto le norme degli art. 251, risp. 246 CP. Ad un'estradizione per tali imputazioni fanno quindi ostacolo l'art. 5 della Convenzione e l'
art. 11 LEstr
.
8.
(Per il reato di corruzione attiva, la richiesta d'estradizione è priva di un sufficiente esposto dei fatti. L'estradizione non potrebbe comunque essere accordata a titolo principale per tale imputazione, essendo i fatti su cui questa si fonda avvenuti, quanto meno in parte, su territorio svizzero.) | public_law | nan | it | 1,977 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
c284e13f-8a45-494c-93f7-7bba17f152f8 | Urteilskopf
96 IV 45
11. Auszug aus dem Entscheid der Anklagekammer vom 25. Februar 1970 i.S. Frauenknecht gegen Schweiz. Bundesanwaltschaft und eidg. Untersuchungsrichter. | Regeste
Art. 48 Abs. 1 Satz 2 BStP
.
Diese Bestimmung geht den Ordnungsvorschriften der kantonalen Anstaltsreglemente vor.
Nach Bundesrecht, nicht nach der jeweils geltenden Anstaltsordnung ist daher zu prüfen, ob die Zulassung von Radio- oder Fernsehgeräten die Ordnung im Untersuchungsgefängnis stören könne. | Sachverhalt
ab Seite 45
BGE 96 IV 45 S. 45
A.-
Frauenknecht wird in einer eidgenössischen Voruntersuchung des wirtschaftlichen Nachrichtendienstes, der Verletzung militärischer Geheimnisse und eventuell des militärischen Nachrichtendienstes beschuldigt. Er befindet sich im Untersuchungsgefängnis des Kantons Basel-Stadt im Lohnhof zu Basel in Untersuchungshaft.
Am 10. Februar 1970 ersuchte sein Verteidiger den eidgenös sischen Untersuchungsrichter unter anderem, dem Beschuldigten den Gebrauch von Geräten zum Empfang der Radio- und der Fernsehsendungen zu gestatten. Der Untersuchungsrichter wies am 12. Februar 1970 dieses Begehren mit der Begründung ab, die Benützung solcher Geräte komme nach der Hausordnung des Basler Untersuchungsgefängnisses nicht in Frage.
B.-
Mit Eingabe vom 13./16. Februar 1970 führt der Ver teidiger im Namen und im Auftrage Frauenknechts gegen diese
BGE 96 IV 45 S. 46
Verfügung Beschwerde. Er beantragt der Anklagekammer des Bundesgerichts, dem Beschuldigten zu gestatten, in seiner Zelle einen (kombinierten) Radio-Fernsehapparat zu halten.
C.-
Der Untersuchungsrichter und die Bundesanwaltschaft beantragen, die Beschwerde abzuweisen.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
Nach
Art. 48 Abs. 1 BStP
darf der Untersuchungsgefangene in seiner Freiheit nicht weiter beschränkt werden, als es der Zweck der Haft und die Aufrechterhaltung der Ordnung im Gefängnis erfordern.
a) Die Untersuchungshaft will vor allem der Gefahr vorbeugen, dass der Beschuldigte sich durch Flucht der Strafverfolgung entzieht oder mit Dritten kolludiert, um die Abklärung der Straftat zu vereiteln. Ein Radio- oder Fernsehgerät darf daher einen Untersuchungsgefangenen nicht in die Lage versetzen, mit Dritten Verbindung aufzunehmen, die ihm Weisungen erteilen oder ihn über Fluchtmöglichkeiten, Beseitigung von Beweisen, Beeinflussung von Zeugen usw. unterrichten könnten. Daran ist namentlich bei Beschuldigten zu denken, die wegen verbotenen Nachrichtendienstes im Sinne von
Art. 272 ff. StGB
in Untersuchungshaft genommen werden und die ihre Aufträge über Radioapparate entgegenzunehmen hatten.
Dass im vorliegenden Falle eine solche Gefahr bestehe, wird von keiner Seite behauptet. Der Untersuchungsrichter erklärt im Gegenteil, dass der Zweck der Haft den Gebrauch von Geräten für Radio- und Fernsehempfang nicht verbiete, und die Bundesanwaltschaft begnügt sich mit dem Hinweis, der Untersuchungsrichter begründe die Abweisung des Gesuches einzig mit der Hausordnung des Basler Untersuchungsgefängnisses. Fragen kann sich somit nur, ob die Verwendung solcher Geräte durch den Beschuldigten sich mit der "Aufrechterhaltung der Ordnung im Gefängnis" (
Art. 48 Abs. 1 BStP
) vertrage.
b) In dieser Wendung des Bundesrechts ist entgegen der Annahme der Bundesanwaltschaft und des Untersuchungsrichters kein Verweis auf die Hausordnung des Untersuchungsgefängnisses zu erblicken, in dem der Beschuldigte in Haft gehalten wird. Gewiss ist der Bund, weil er keine eigenen Untersuchungsgefängnisse hat, auf kantonale Anstalten angewiesen. Auch ist es Sache des Kantons, nicht des Bundes, dem der Kanton gemäss
Art. 27 BStP
durch den Vollzug der Untersuchungshaft
BGE 96 IV 45 S. 47
Rechtshilfe leistet, in der Anstalt für Ordnung zu sorgen. Es ist zudem zu vermuten, dass das, was kantonale Anstaltsreglemente vorsehen, auch im Interesse der Aufrechterhaltung der Ordnung im Gefängnis liegt.
Das ändert jedoch nichts daran, dass
Art. 48 Abs. 1 BStP
den Ordnungsvorschriften der kantonalen Anstaltsreglemente vorgeht. Denn der Grundsatz, dass der Verhaftete in seiner Freiheit nicht weiter beschränkt werden darf, als es (der Zweck der Haft und) die Aufrechterhaltung der Ordnung im Gefängnis erfordern, ist nach seinem Sinn und Wortlaut kein blosser Vorbehalt zugunsten des kantonalen Rechtes, sondern eine selbständige Norm des Bundesrechts. Nach diesem Satz, nicht nach der jeweils geltenden Hausordnung ist daher zu prüfen, ob die Zulassung von Radio- oder Fernsehgeräten die Ordnung im Untersuchungsgefängnis stören könne. Folglich kann auch nichts darauf ankommen, ob
Art. 48 Abs. 1 BStP
sich im Ergebnis mit der Hausordnung decke oder davon abweiche und deswegen zu einer rechtsungleichen Behandlung von Untersuchungsgefangenen führe.
c) Dass der Gebrauch von Radio- und Fernsehapparaten wegen der Tonsendungen die Ordnung in einem Untersuchungsgefängnis stören kann, liegt auf der Hand. Besondere Rücksicht auf andere ist beim Radiohören eher selten und von Untersuchungsgefangenen umsoweniger zu erwarten, als sie versucht sein können, den Apparat den ganzen Tag laufen zu lassen. Die Gefahr, andere zu stören, entfällt indessen, wenn dem Untersuchungsgefangenen die Pflicht auferlegt wird, Tonsendungen nur mit dem Kopfhörer zu empfangen. Ist er, wie der Beschwerdeführer, mit dieser Auflage einverstanden, so erfordert es die Aufrechterhaltung der Ordnung im Gefängnis nicht, ihm den Empfang von Ton- und Bildsendungen in der Zelle zu verbieten und seine Freiheit deswegen weiter zu beschränken. Unter diesen Umständen lässt sich das Begehren des Beschwerdeführers nicht abweisen.
Das heisst nicht, dass der Beschwerdeführer nach
Art. 48 Abs. 1 BStP
einen Anspruch auf irgendwelche Sonderleistungen der Anstalt habe. Ein kantonales Untersuchungsgefängnis ist auch einem eidgenössischen Untersuchungsgefangenen gegenüber nur zu den in der Hausordnung vorgesehenen oder in der Anstalt üblichen Leistungen verpflichtet. Da nach der Hausordnung des Lohnhofes den Untersuchungsgefangenen keine
BGE 96 IV 45 S. 48
Radio- oder Fernsehgeräte bewilligt werden, darf der Beschwerdeführer daher von der Anstalt nichts verlangen, was für den Betrieb oder den Unterhalt eines solchen Gerätes nötig ist; er hat ihr gegenüber insbesondere keinen Anspruch auf Anschluss an die Stromleitung oder eine bereits bestehende Antenne. In Frage kommt vielmehr nur ein Apparat mit Batterieantrieb und eingebauter Antenne. Auch versteht sich von selbst, dass dem Beschwerdeführer der Gebrauch des Apparates jederzeit wieder verweigert werden kann, wenn er sich über die ihm auferlegten Bedingungen hinwegsetzen sollte.
Dispositiv
Demnach erkennt die Anklagekammer:
Die Beschwerde wird in dem Sinne gutgeheissen, dass dem Beschuldigten gestattet wird, in seiner Zelle einen Batterieradio-Fernsehapparat zu halten, sofern er denselben nur mit einem Kopfhörer benützt. | null | nan | de | 1,970 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
c2862ed7-8d82-49d1-a87c-6a7aafa8639c | Urteilskopf
113 Ia 126
22. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit public du 1er avril 1987 dans la cause Giovanna Armengol et consorts contre corps électoral du canton de Genève (recours de droit public) | Regeste
Art. 4, 22ter, 31 BV
, Art. 2 ÜbBestBV; Verfassungsmässigkeit eines Genfer Gesetzes, das die Veräusserung von Wohnungen, an welchen auf dem Wohnungsmarkt Mangel herrscht, der iBewilligungspflicht unterstellt.
1. Legitimation zur staatsrechtlichen iBeschwerde (E. 3) und zu deren Beantwortung (E. 4); Grundsätze der abstrakten Normenkontrolle (E. 5).
2. Voraussetzungen, unter denen die Bewilligungspflicht nicht gegen
Art. 22ter BV
verstösst (E. 6 und 7). Einschränkende Vorschriften, welche die Berücksichtigung berechtigter privater Interessen nicht erlauben, verletzen das Prinzip der Verhältnismässigkeit und sind mit der Eigentumsgarantie unvereinbar (E. 7b aa).
3. Die Bewilligungspflicht ist mit
Art. 31 BV
vereinbar, wenn sie eine zur Bekämpfung des Wohnungsmangels ergriffene Massnahme der Wohnungspolitik darstellt; sie ist verfassungswidrig, wenn sie ausschliesslich einen wirtschaftspolitischen Charakter aufweist (E. 8).
4. Die mit Bewilligung veräusserten Wohnungen dürfen nicht der Mietzinskontrolle unterstellt werden (E. 8d cc).
5. Art. 2 ÜbBestBV (E. 9). Das kantonale Recht kann in die direkten Beziehungen zwischen Vermieter und Mieter nicht eingreifen (E. 9d).
6. Teilweise Aufhebung des angefochtenen Gesetzes, beschränkt auf die verfassungswidrigen Bestimmungen (E. 11). | Sachverhalt
ab Seite 128
BGE 113 Ia 126 S. 128
Le 10 mars 1985, le corps électoral du canton de Genève a adopté une loi proposée par initiative populaire, destinée à compléter la loi du 26 juin 1983 sur les démolitions, transformations et rénovations de maisons d'habitation (LDTR). Le nouveau texte a la teneur suivante:
"CHAPITRE III A (nouveau)
Aliénation d'appartements loués
Art. 9 A (nouveau)
1 L'aliénation, sous quelque forme que ce soit (notamment cession de droits de copropriété d'étages ou de parties d'étages, d'actions, de parts sociales), d'un appartement à usage d'habitation, jusqu'alors offert en location, est soumise à autorisation dans la mesure où cet appartement entre, à raison de son loyer ou de son type, dans une catégorie de logements où sévit la pénurie.
2 Le département des travaux publics refuse l'autorisation lorsqu'un motif prépondérant d'intérêt public ou d'intérêt général s'y oppose notamment lorsque:
a) la demande d'appartements à louer ne peut être satisfaite dans la catégorie de logements concernés;
b) le logement concerné a été construit avec l'aide des pouvoirs publics;
c) l'offre de logements à vendre est suffisante dans la catégorie de logements concernés;
d) le prix de vente de l'appartement dépasse le montant du capital investi, en tenant compte, pour autant que l'entretien de l'immeuble a été normalement assuré, de l'adaptation au coût de la vie.
3 Toutefois, le département des travaux publics ne peut refuser l'autorisation si:
a) l'appartement n'a jamais été loué;
b) l'appartement est déjà soumis au régime de la propriété par étage ou à une forme de propriété analogue.
4 Lorsque l'appartement est loué, la demande d'autorisation doit être déposée en dehors de toute résiliation de bail. Au cas où l'autorisation est délivrée, celle-ci peut être soumise à certaines conditions concernant le relogement du locataire. L'autorité peut aussi fixer le prix maximum auquel l'appartement acheté peut être reloué à des tiers au cas où le propriétaire ne l'utiliserait pas pour ses propres besoins ou ceux de proches parents ou alliés.
5 Le présent article ne s'applique pas aux maisons d'habitation individuelles sises dans la 5e zone de construction instituée par la loi sur les constructions et les installations diverses, du 25 mars 1961. 6 Le Conseil d'Etat édicte les dispositions d'application du présent article et définit en particulier les catégories de logements où sévit la pénurie ainsi que le type de conditions auxquelles l'autorisation de vente
BGE 113 Ia 126 S. 129
peut être assujettie."
Six recours de droit public, émanant de septante et une personnes, tendant à l'annulation de la loi, ont été formés devant le Tribunal fédéral. Les recours dénoncent une violation des
art. 4, 22ter, 31 Cst.
et 2 Disp. trans. Cst. Le Conseil d'Etat du canton de Genève a conclu à leur rejet. Le Rassemblement pour une politique sociale du logement, une association promotrice de l'initiative populaire, a fait une demande d'intervention aux fins d'être invité à déposer des mémoires.
Le Tribunal fédéral a partiellement admis les recours, dans la mesure où ils sont recevables. Il a supprimé le deuxième alinéa de l'art. 9A LDTR dès le mot "notamment", ainsi que la première et la troisième phrase du quatrième alinéa.
Erwägungen
Considérant en droit:
I. Procédure
3.
La qualité pour recourir contre un arrêté de portée générale appartient à toute personne dont les intérêts juridiquement protégés sont effectivement ou pourront un jour être touchés par l'acte attaqué. Une atteinte virtuelle est suffisante, pourvu qu'elle présente un minimum de vraisemblance (
ATF 110 Ia 10
consid. 1a,
ATF 109 Ia 118
consid. 2b,
ATF 106 Ia 357
/358 consid. 1a). En l'espèce, les recourants agissent à des titres divers et ils ne se trouvent pas tous dans la même situation.
a) De nombreux recourants sont des propriétaires d'immeubles ou d'appartements. Leur faculté d'aliéner leurs biens est soumise à des restrictions par la nouvelle disposition de la loi sur les démolitions, transformations et rénovations de maisons d'habitation. La qualité pour recourir doit en conséquence leur être reconnue, qu'il s'agisse de personnes physiques ou de personnes morales de droit privé. Il en va de même des propriétaires d'actions ou de certificats d'actions de sociétés immobilières, l'art. 9A visant l'aliénation sous quelque forme que ce soit (notamment la cession de droits de copropriété d'étages ou de parties d'étages, d'actions, de parts sociales) d'un appartement à usage d'habitation (al. 1).
b) D'autres recourants sont des locataires. Ils soutiennent que les restrictions imposées à la vente d'appartements loués sont de nature à les empêcher d'acquérir un tel appartement, voire d'acquérir celui qu'ils occupent. En cela ils se trouvent dans la même situation que
BGE 113 Ia 126 S. 130
quiconque, locataire ou non, voudrait acheter un appartement. Ces recourants se plaignent non d'une atteinte à leurs droits de locataires, mais d'une restriction de leur droit d'accéder à la propriété. La garantie de l'institution de la propriété n'assure pas seulement une protection au propriétaire, mais garantit aussi le libre accès à la propriété (
ATF 105 Ia 141
consid. 3a; IVO HANGARTNER, Grundzüge des schweizerischen Staatsrechts, vol. II: Grundrechte, p. 161; ARTHUR MEIER-HAYOZ, in Berner Kommentar, Das Eigentum, n. 424 ad Systematischer Teil). Dans la mesure où les recourants locataires envisagent de se porter un jour acquéreurs d'un appartement, ils pourront être touchés par l'acte attaqué. Vu le développement de la propriété par étages dans le canton de Genève, le minimum de vraisemblance exigé par la jurisprudence est réalisé. La qualité pour agir de ces recourants doit être reconnue.
c) Deux recourants prétendent être touchés dans leur profession de courtiers, parce que la disposition litigieuse porterait atteinte à leur liberté de négocier la vente d'appartements, commerce qui constitue une partie importante de leur activité. L'
art. 31 Cst.
garantit en principe l'exercice d'une activité professionnelle à des fins lucratives (
ATF 110 Ia 102
consid. 5a,
ATF 103 Ia 262
consid. 2a) et notamment l'activité de courtier (
ATF 65 I 86
; HANS MARTI, Die Wirtschaftsfreiheit, 1976, p. 45). Or, l'art. 9A LDTR ne régit ni ne limite l'activité des recourants. Il ne les touche qu'indirectement, en ce sens que les ventes d'appartements étant soumises à des restrictions, leur activité dans ce domaine est réduite. Il peut en résulter pour eux des conséquences d'ordre économique, soit un gain moins élevé qu'auparavant, mais cela ne constitue pas une atteinte à un intérêt juridiquement protégé. Sous cet angle, leur situation n'est pas différente de celle des brasseries dans l'arrêt publié aux
ATF 109 Ia 36
consid. 2c. Il en résulte que les recours des personnes qui agissent exclusivement en qualité de courtiers sont irrecevables.
4.
La qualité pour s'opposer aux recours dirigés contre une loi cantonale appartient exclusivement au canton intéressé, représenté, sauf disposition particulière, par son gouvernement; elle n'est pas reconnue à un éventuel comité d'initiative (
ATF 94 I 5
consid. 2). Le Rassemblement pour une politique sociale du logement n'a donc pas qualité pour intervenir dans la procédure; il n'avait dès lors pas à recevoir notification des recours ni à être invité à déposer des réponses.
BGE 113 Ia 126 S. 131
5.
Saisi d'un recours contre un arrêté de portée générale, le Tribunal fédéral contrôle librement la conformité de cet arrêté avec le droit constitutionnel fédéral (
ATF 111 Ia 24
consid. 2,
ATF 106 Ia 132
consid. 1b). De même, en cas de recours pour violation de l'art. 2 Disp. trans. Cst., il examine en principe librement dans chaque espèce si les normes de droit cantonal sont compatibles avec le droit fédéral (
ATF 109 Ia 67
consid. 2a, 74 consid. 3,
ATF 107 Ia 289
consid. 4a). Le Tribunal fédéral est toutefois lié non seulement par les conclusions des parties, mais aussi par les moyens que celles-ci invoquent et motivent conformément aux exigences de l'
art. 90 al. 1 lettre b OJ
(
ATF 109 Ia 120
consid. 3a). Il n'annule la norme attaquée que si elle ne se prête à aucune interprétation conforme à la Constitution; il s'en abstient si l'une des interprétations possibles qui peut être admise de façon soutenable ne viole pas la Constitution (
ATF 111 Ia 25
consid. 2,
ATF 109 Ia 301
consid. 12c) et si la perspective d'un contrôle ultérieur offre des garanties suffisantes (
ATF 111 Ia 25
consid. 2,
ATF 102 Ia 109
consid. 1b). Dans le cadre du contrôle abstrait des normes, le Tribunal fédéral annule au besoin tout l'arrêté mais, dans la mesure du possible, l'annulation ne porte que sur les dispositions contraires à la Constitution (
ATF 110 Ia 13
consid. 1e).
Selon la jurisprudence, la conformité d'une norme avec le droit constitutionnel fédéral et cantonal s'apprécie principalement en fonction du texte même de la disposition attaquée. Si la formulation en est claire et non équivoque, le sens littéral ne peut être modifié au moyen d'une interprétation conforme. Celle-ci n'est donc admissible que dans la mesure où le sens de la loi contestée apparaît ambigu, imprécis ou lacunaire. Pour déterminer si une norme litigieuse se prête à une interprétation conforme ou si elle doit être annulée, il s'impose tout d'abord d'apprécier la gravité de l'atteinte dont sont menacés les droits constitutionnels des recourants et la possibilité que ces derniers ont de faire respecter leurs droits lors d'un contrôle concret de la norme. Le juge constitutionnel doit ensuite rechercher dans quelles circonstances pratiques la disposition en cause sera appliquée et ne pas se borner à traiter le problème de manière purement abstraite. La façon dont la loi sera vraisemblablement mise en oeuvre, de même que la qualité de ses organes d'exécution jouent, dès lors, un rôle important dans l'examen de la conformité de la disposition à la Constitution (
ATF 111 Ia 25
/26 consid. 2 et les références).
BGE 113 Ia 126 S. 132
II. Garantie de la propriété
6.
Selon l'
art. 22ter al. 2 Cst.
, les cantons peuvent, par voie législative et pour des motifs d'intérêt public, prévoir des restrictions à la propriété. Cependant, ces restrictions ne doivent pas porter atteinte à la substance de la propriété en tant qu'institution fondamentale de l'ordre juridique suisse (Institutsgarantie). Le législateur cantonal doit sauvegarder les droits essentiels de disposition et de jouissance qui découlent de la propriété (
ATF 103 Ia 418
consid. 2,
ATF 99 Ia 37
consid. 3,
ATF 96 I 558
consid. 3 et les références). En tant que protection de l'institution, la garantie de la propriété laisse au législateur un large pouvoir d'appréciation dans la délimitation de la liberté de la propriété. Il n'y a pas d'atteinte à l'institution lorsque la possibilité d'acquérir la propriété privée, d'en jouir et de l'aliéner à nouveau est fondamentalement maintenue (
ATF 103 Ia 418
/419 consid. 3). Le mode d'utilisation de la propriété foncière peut donc être limité en vertu des
art. 22ter al. 2 et 22quater Cst.
sans que le principe même de la propriété privée puisse être considéré comme affecté; ainsi, des restrictions tendant à maintenir pendant quelques années la destination de certaines maisons d'habitation n'ont-elles pas pour résultat de vider la propriété privée de sa substance (
ATF 101 Ia 514
consid. 5d aa).
En l'espèce, l'art. 9A LDTR n'interdit pas l'aliénation et, par voie de conséquence, l'acquisition de tout appartement, mais il soumet à autorisation l'aliénation des appartements à usage d'habitation jusqu'alors offerts en location, pour autant encore que ces appartements entrent dans une catégorie de logements où sévit la pénurie (al. 1). Cette disposisition prévoit aussi des cas dans lesquels l'autorisation ne peut être refusée (al. 3). Même si des restrictions importantes sont apportées à la propriété privée par la nouvelle législation, il découle des principes exposés plus haut qu'elle ne porte pas atteinte à l'institution même de la propriété. Dans la mesure où les recourants adressent ce grief à l'art. 9A LDTR, leurs recours sont mal fondés.
7.
Les restrictions de droit public à la propriété doivent également être compatibles avec la garantie des droits individuels concrets du propriétaire (Bestandesgarantie). Selon la jurisprudence, elles doivent reposer sur une base légale - ce qui est le cas en l'espèce -, répondre à un intérêt public suffisant et respecter le principe de la proportionnalité (
ATF 109 Ia 258
consid. 4,
ATF 103 Ia 418
consid. 2). Le Tribunal fédéral examine librement si l'intérêt public justifie les
BGE 113 Ia 126 S. 133
restrictions ordonnées, si cet intérêt est suffisamment important pour prévaloir sur les intérêts privés opposés et si les restrictions ne vont pas au-delà de ce qu'exige ledit intérêt. Il fait cependant montre de retenue dans l'examen de questions d'appréciation ou de circonstances locales dont les autorités cantonales ont une meilleure connaissance (
ATF 103 Ia 419
/420 consid. 4,
ATF 99 Ia 38
consid. 3a,
ATF 98 Ia 376
consid. 4).
a) Quant à l'exigence d'un intérêt public suffisant, les avis divergent en l'espèce en ce qui concerne le but de la législation contestée. Pour l'intimé, il s'agit de la lutte contre la pénurie de logements; les recourants y voient, en général, principalement une mesure de protection des locataires. Ni le titre donné à l'initiative ("Initiative populaire pour protéger les locataires contre les congés-ventes"), ni les arguments des initiants dans la notice explicative du Conseil d'Etat, ni enfin les propos tenus au Grand Conseil, qui vont aussi bien dans le sens de la protection des locataires que dans celui de la lutte contre la pénurie de logements (par exemple Mémorial du Grand Conseil 1983, p. 3743; 1984, p. 3748, 3760 et 3779 ss) ne sont à eux seuls déterminants.
En soumettant à autorisation les aliénations d'appartements à usage d'habitation dans une catégorie de logements où sévit la pénurie (al. 1), et en prévoyant que l'autorisation sera refusée notamment lorsque la demande d'appartements à louer ne peut être satisfaite dans la catégorie de logements concernée (al. 2 lettre a), l'art. 9A tend à lutter contre la pénurie de logements; il vise à conserver sur le marché certains types de logements qui répondent à un besoin soit en raison de leur coût, soit en raison de leur importance ou de leur conception. Le fait que cette mesure corresponde aussi à l'intérêt des locataires en général n'y change rien. En revanche, dans la mesure où l'art. 9A al. 4 fait dépendre la demande d'autorisation de l'absence d'une résiliation du bail, le législateur intervient indirectement dans les rapports entre propriétaire et locataire, afin de protéger ce dernier contre les conséquences d'une résiliation. Une telle disposition tend uniquement à la protection du locataire et n'a rien à voir avec le maintien de certains logements sur le marché. Le titre de l'initiative en est d'ailleurs le reflet. Quant à la faculté donnée à l'autorité de fixer le prix maximum du loyer lorsque l'appartement acheté est reloué à des tiers (art. 9A al. 4), elle sert aussi bien à la lutte contre la pénurie de logements qu'à la protection du locataire.
BGE 113 Ia 126 S. 134
Il découle de ce qui précède que la loi attaquée poursuit un double but, soit la lutte contre la pénurie dans certaines catégories de logements, ainsi que la protection des locataires en cas de décision du propriétaire de vendre des logements jusqu'alors loués. L'art. 9A LDTR touche dans son ensemble à la politique du logement; or le Tribunal fédéral a reconnu à de nombreuses reprises que cette politique relève de l'intérêt public (
ATF 111 Ia 26
et les arrêts cités). Les recourants qui contestent l'existence de cet intérêt le font par conséquent à tort.
b) En vertu du principe de la proportionnalité, une restriction à la propriété privée ne doit pas entraîner une atteinte plus grave que ne l'exige le but d'intérêt public recherché; il faut en outre que ce but ne puisse pas être atteint par l'emploi de moyens moins rigoureux. Enfin, il doit exister un rapport raisonnable entre la limitation de la propriété et le résultat recherché (
ATF 111 Ia 27
consid. 3b,
ATF 109 Ia 37
consid. 4,
ATF 101 Ia 511
consid. 5b et les arrêts cités).
aa) D'une manière générale, les recourants reprochent à la disposition attaquée de soumettre à autorisation toute aliénation - non seulement la vente - et de ne laisser à l'autorité aucun pouvoir d'appréciation, l'obligeant ainsi à accorder ou à refuser l'autorisation aux conditions fixées dans la loi, sans pouvoir tenir compte de circonstances particulières, notamment des intérêts en présence. L'intimé soutient pour sa part que la norme incriminée se prête à une interprétation conforme à la Constitution, dès lors que l'autorité administrative, jouissant d'un certain pouvoir d'appréciation, devra procéder à la pesée des intérêts publics et privés en présence. Il se réfère à cet égard au règlement d'application modifié de la LDTR (art. 11 nouveau). Celui-ci n'est toutefois pas déterminant. Non seulement il n'est pas en cause dans la présente procédure, mais l'existence et l'étendue d'un pouvoir d'appréciation laissé à l'autorité administrative dépendent de l'art. 9A de la loi. Le règlement fait d'ailleurs l'objet d'un recours de droit public tendant à l'annulation des art. 8 al. 3 et 11 pour le motif que le Conseil d'Etat, en édictant ces dispositions, ne s'est pas conformé à l'art. 9A LDTR.
Le premier alinéa de l'art. 9A soumet à autorisation toute forme d'aliénation. Sous l'angle de la garantie de la propriété et sous réserve du respect du principe de la proportionnalité, rien ne s'oppose à ce que non seulement les ventes, mais aussi les donations soient soumises à autorisation. Il en va de même en cas d'aliénation forcée,
BGE 113 Ia 126 S. 135
d'avancement d'hoirie, de partage ou de liquidation d'un régime matrimonial, pour autant que ces aliénations aient pour conséquence la transformation d'un appartement offert en location en logement soumis au régime de la propriété par étages. Dans toutes ces hypothèses, la restriction au droit d'aliéner prévue à l'art. 9A LDTR peut subsister, comme d'ailleurs toute autre restriction qui affecterait l'immeuble. Mais dans toutes ces hypothèses aussi, l'intérêt du propriétaire ou de ses ayants droit à aliéner sous forme de propriété par étages, comme celui de l'acquéreur à se rendre propriétaire d'un logement et non de tout l'immeuble, peuvent faire apparaître une interdiction absolue de procéder à cette opération comme étant excessive par rapport au but auquel tend l'art. 9A.
Même en cas de simple vente, les conséquences d'un refus peuvent, selon les circonstances, apparaître disproportionnées. Les recourants relèvent avec raison l'hypothèse du locataire qui désire acquérir l'appartement qu'il occupe, sans qu'il soit mis devant l'alternative d'acheter ou de s'en aller, ou sans que le prix de vente soit abusif. Une telle opération peut être non seulement dans l'intérêt bien compris des parties - propriétaire et locataire -, mais aussi dans celui de la collectivité, car, sinon, on comprendrait mal les dispositions de la législation fédérale destinée à favoriser l'accession à la propriété. C'est dire que l'autorité doit pouvoir disposer d'un certain pouvoir d'appréciation qui lui permette de tenir compte, dans chaque cas, de tous les intérêts en présence, et on ne voit pas que le système du refus inconditionnel de l'al. 2, tel qu'il apparaît à l'examen de ce texte, soit exigé par les buts de la disposition attaquée.
L'art. 9 al. 2 LDTR dispose que le Département des travaux publics refuse l'autorisation lorsqu'un motif prépondérant d'intérêt public ou d'intérêt général s'y oppose, notamment dans quatre hypothèses définies sous lettres a à d. A l'opposé, l'al. 3 envisage deux cas dans lesquels l'autorisation ne peut être refusée. Le législateur a encore prévu que l'autorisation peut être soumise à certaines conditions concernant le relogement du locataire (al. 4). En revanche, aucune réserve n'a été faite dans les cas où l'autorisation doit être refusée, les quatre hypothèses envisagées entraînant nécessairement le refus de l'autorisation. L'al. 6 ne permet au Conseil d'Etat que d'édicter des dispositions d'application, de définir les catégories de logements où sévit la pénurie et le type de conditions auxquelles l'autorisation de vente peut être assujettie,
BGE 113 Ia 126 S. 136
ce qui constitue un renvoi à l'al. 4 et ne s'applique manifestement qu'à celui-ci. La lettre a de l'al. 2 vise la situation où "la demande d'appartements à louer ne peut être satisfaite dans la catégorie de logements concernés", autrement dit lorsqu'il y a pénurie, et on ne voit pas comment il pourrait être possible, par voie réglementaire ou d'interprétation, de déroger au texte clair de la loi sur ce point. Il en découle qu'une pesée des intérêts en présence est exclue lorsqu'une des quatre éventualités visées à l'al. 2 est réalisée. La situation est différente de celle examinée dans l'arrêt publié aux
ATF 101 Ia 502
où il a été jugé que l'autorité compétente était tenue, dans chaque cas, de procéder à la pesée des intérêts en présence, en appliquant les principes de l'égalité de traitement et de la bonne foi (arrêt cité, p. 515, consid. 5d, bb in fine). Une interprétation conforme à la Constitution par l'autorité cantonale était alors possible, contrairement à ce qui est le cas en l'espèce où, s'agissant du refus de l'autorisation d'aliéner, aucune circonstance n'est laissée à l'appréciation du Département des travaux publics. Une interprétation conforme était également possible dans l'
ATF 99 Ia 35
, l'autorité devant appliquer une disposition facultative ("Kannvorschrift") qui lui laissait un certain pouvoir d'appréciation (
ATF 99 Ia 41
consid. c). Il en était de même dans l'
ATF 111 Ia 23
où le Tribunal fédéral a rappelé que dans la procédure de contrôle abstrait des normes, il n'est pas possible d'envisager d'emblée tous les effets de l'application du texte légal, notamment lorsqu'il laisse une certaine marge d'appréciation à l'autorité qui est chargée de l'appliquer (arrêt cité, p. 25 consid. 2). Dans le cas particulier, l'autorité disposait d'un "vaste pouvoir d'appréciation" (arrêt cité, p. 27 consid. 3b; voir aussi p. 28 consid. 3b in fine).
En l'espèce, l'autorité chargée d'appliquer les quatre clauses particulières de l'art. 9A al. 2 LDTR n'a, elle, aucun pouvoir d'appréciation. Ces clauses s'imposent avec une rigidité absolue pour assurer la lutte contre la pénurie de logements et ne permettent pas de prendre en considération les intérêts privés légitimes qui peuvent exister dans certaines circonstances. Elles portent donc atteinte au principe de la proportionnalité et elles ne sont pas compatibles avec la garantie constitutionnelle des droits individuels concrets du propriétaire (Bestandesgarantie). En revanche, la clause générale de l'art. 9A al. 2 LDTR, c'est-à-dire le principe du refus de l'autorisation lorsqu'un motif prépondérant d'intérêt public ou d'intérêt général s'y oppose, peut être appliquée de manière conforme à ce principe. Il a été exposé plus
BGE 113 Ia 126 S. 137
haut que la situation de pénurie dans la catégorie de logements concernée peut être considérée comme un motif d'intérêt public de restreindre la liberté d'aliénation du propriétaire (cf. consid. 7a ci-dessus); il n'est pas indispensable que cette cause de refus de l'autorisation reste expressément mentionnée par la loi. Puisque selon le texte, seul un motif prépondérant d'intérêt public exige le refus de l'autorisation, l'autorité doit effectuer une pesée des intérêts en présence; elle doit en particulier évaluer l'importance du motif de refus envisagé en regard des intérêts privés opposés. Cette pesée d'intérêts correspond aux exigences du principe de la proportionnalité. En conséquence, le Tribunal fédéral pourra se limiter à n'annuler, dans l'art. 9A al. 2 LDTR, que les clauses particulières, à partir du mot "notamment", pour autant que les autres griefs soulevés par les recourants n'exigent pas l'annulation de l'art. 9A en entier. Au surplus, du moment que l'art. 9A a pour but de lutter contre la pénurie de logements et que cette pénurie, selon l'al. 2 lettre a, est elle-même un motif inconditionnel de refus d'une autorisation, les trois autres motifs (lettres b, c et d) n'ont aucune portée indépendante, le refus découlant de toute façon du premier. Soumettre ces motifs à l'examen de l'autorité est en conséquence sans rapport aucun avec le but d'intérêt public que poursuit l'art. 9A. L'intimé soutient qu'interprété a contrario, l'al. 2 laisse plusieurs possibilités de délivrer une autorisation, mais il perd de vue l'obligation de la refuser si les conditions de la lettre a sont réalisées, qu'il n'y a pas, dans cet examen, de possibilité de peser les intérêts en présence et que les hypothèses qu'il envisage ne se concrétiseront jamais, à moins d'aller à l'encontre du texte clair, sur ce point, de l'art. 9A. Quant à la constitutionnalité des lettres c et d prises individuellement, elle sera examinée plus loin.
bb) Les recourants reprochent encore à l'art. 9A LDTR d'être applicable dans tout le canton et sans limitation dans le temps. On peut se demander si, comme le soutient l'intimé, le régime d'autorisation est une mesure à caractère temporaire parce qu'il est lié à une pénurie de logements. La disposition légale restera en vigueur même après disparition de la pénurie et elle pourra être appliquée à nouveau dès qu'une telle situation se représentera, cela sans limitation dans le temps. De toute façon, le fait que l'application des mesures prévues est liée à une situation économique bien précise est suffisant. Il a en effet été jugé que l'interdiction de démolir des maisons d'habitation, considérée comme un moyen de lutte contre la pénurie de logements, pouvait être
BGE 113 Ia 126 S. 138
envisagée comme une tâche durable de la collectivité et justifier, selon les circonstances, une restriction de durée illimitée à la propriété (
ATF 99 Ia 40
in fine). Enfin, il est constant que la pénurie de logements sévit dans tout le canton de Genève (art. 2 al. 2, 3 al. 1 AMSL; 1 de l'ordonnance désignant les communes soumises à l'AMSL, du 11 décembre 1978); les recourants n'allèguent d'ailleurs pas le contraire et ne disent pas en quoi, dans l'hypothèse d'une pénurie généralisée du logement, une loi s'appliquant à l'ensemble du canton ne serait pas conforme au principe de la proportionnalité. Leurs griefs sur ce point sont irrecevables, car ils ne respectent pas les exigences de l'
art. 90 al. 1 lettre b OJ
.
III. Liberté du commerce et de l'industrie
8.
La plupart des recourants reprochent au nouvel art. 9A LDTR de porter atteinte à la liberté du commerce et de l'industrie garantie par l'
art. 31 Cst.
a) Une même mesure peut apporter simultanément une restriction à la garantie de la propriété et à la liberté économique (
ATF 111 Ia 29
consid. a,
ATF 103 Ia 592
,
ATF 102 Ia 113
,
ATF 99 Ia 618
). La validité des restrictions affectant ces deux droits fondamentaux est soumise à certaines conditions communes telles que l'existence d'une base légale et le respect du principe de la proportionnalité. Les raisons d'intérêt public à la restriction de chacun des deux droits ne sont en revanche pas exactement les mêmes. Alors que les limitations à la propriété peuvent être fondées sur des motifs très variés, y compris des considérations de politique économique, les limitations à l'activité économique ne doivent pas, sous réserve d'habilitation constitutionnelle spéciale, s'appuyer sur de tels motifs (
ATF 111 Ia 29
consid. 4a et les références). Exception faite de ce qui a trait aux points communs, déjà examinés en rapport avec la violation de la garantie de la propriété, il faut rechercher si la liberté du commerce et de l'industrie est aussi touchée.
b) La garantie assurée par l'
art. 31 Cst.
n'est pas absolue. L'
art. 31 al. 2 Cst.
réserve notamment les prescriptions sur l'exercice du commerce et de l'industrie édictées par les cantons. Selon la jurisprudence, les mesures de politique économique prohibées par l'
art. 31 Cst.
sont celles qui interviennent dans la libre concurrence pour assurer ou favoriser certaines branches de l'activité lucrative ou certaines formes d'exploitation et qui tendent à diriger l'activité économique
BGE 113 Ia 126 S. 139
selon un certain plan (
ATF 104 Ia 198
consid. 2b,
ATF 103 Ia 262
,
ATF 102 Ia 543
consid. e,
ATF 97 I 504
consid. a et les arrêts cités). En revanche, l'
art. 31 Cst.
ne s'oppose pas à des mesures dites sociales ou de politique sociale, qui tendent à procurer du bien-être à l'ensemble ou à une grande partie des citoyens, ou à accroître ce bien-être par l'amélioration des conditions de vie, de la santé ou des loisirs (
ATF 102 Ia 544
,
ATF 97 I 504
consid. b). Il en découle que des mesures de politique sociale prises par les cantons, tant qu'elles n'ont pas pour but d'intervenir dans la libre concurrence, sont compatibles avec l'
art. 31 Cst.
à la condition qu'elles se conforment aux principes constitutionnels auxquels toutes les restrictions des libertés individuelles doivent obéir (
ATF 111 Ia 29
consid. b,
ATF 99 Ia 619
,
ATF 97 I 506
). Ces principes sont ceux de la légalité, de l'intérêt public, de la proportionnalité et de l'égalité (
ATF 111 Ia 187
,
ATF 108 Ia 146
consid. bb,
ATF 106 Ia 269
).
c) Dans la mesure où les recourants invoquent une violation de la liberté contractuelle, ce grief doit aussi être examiné en fonction de l'
art. 31 Cst.
Cette liberté énoncée à l'
art. 19 CO
bénéficie de la protection assurée par le principe de la force dérogatoire du droit fédéral (
ATF 100 Ia 449
consid. 4), mais elle découle aussi de la liberté du commerce et de l'industrie (
ATF 102 Ia 542
consid. a; MÜLLER/MÜLLER, Grundrechte, Bes. Teil., p. 319) et encore de la garantie de la propriété (SCHÖNENBERGER/JÄGGI, Obligationenrecht, vol. V 1 a, n. 206, p. 222). Le grief tiré de la violation de la liberté contractuelle n'a ainsi pas de portée propre (
ATF 102 Ia 542
consid. a). Au surplus, si l'
art. 19 al. 1 CO
pose le principe de la liberté contractuelle, cette liberté n'est pas illimitée; elle est subordonnée aux restrictions qui sont réservées non seulement à l'al. 1, mais encore à l'al. 2 de cette disposition, ainsi qu'à l'
art. 20 CO
. La jurisprudence a admis que certaines dérogations à cette liberté peuvent se justifier dans le domaine du logement, ce problème présentant un caractère général et les mesures prises pour le résoudre relevant de la préoccupation des pouvoirs publics d'assurer à chacun un logement décent (
ATF 101 Ia 509
consid. b et les arrêts cités).
d) Il découle des principes qui viennent d'être rappelés que, puisque l'art. 9A LDTR est une mesure de politique du logement destinée à maintenir en suffisance sur le marché locatif certains types d'appartements, la soumission de l'aliénation d'appartements loués à un régime d'autorisation n'est pas en elle-même incompatible avec l'
art. 31 Cst.
Les recourants s'en prennent d'ailleurs plus particulièrement
BGE 113 Ia 126 S. 140
aux lettres c et d de l'al. 2, ainsi qu'à la dernière phrase de l'al. 4.
aa) L'al. 2, lettre c, prescrit au Département des travaux publics de refuser l'autorisation lorsque l'offre de logements à vendre est suffisante dans la catégorie de logements concernée. A supposer que ce motif ait une portée propre (cf. consid. 7b aa in fine), il apparaîtrait comme une mesure ayant exclusivement un caractère de politique économique. A défaut de pénurie d'appartements à louer dans une catégorie déterminée, on ne voit pas en quoi un marché suffisant d'appartements à vendre pourrait justifier d'imposer non seulement une procédure d'autorisation d'aliéner, mais encore un refus de cette autorisation. Une telle intervention sur le marché immobilier est étrangère au but qui ressort des termes mêmes de l'art. 9A et n'est pas compatible avec l'
art. 31 Cst.
bb) L'al. 2, lettre d, prévoit que l'autorisation d'aliéner doit aussi être refusée lorsque le prix de vente de l'appartement dépasse le montant du capital investi, en tenant compte, pour autant que l'entretien de l'immeuble ait été normalement assuré, de l'adaptation au coût de la vie. Cette disposition n'est pas sans analogie avec la précédente, un contrôle du prix de vente par l'autorité étant superflu dès que l'état de pénurie de logements impose à lui seul le refus de l'autorisation d'aliéner. Au surplus, dans l'arrêt rendu le 16 décembre 1986 en la cause Rassemblement en faveur d'une politique sociale du logement et consorts, le Tribunal fédéral a jugé qu'une disposition liant la modification de l'état locatif d'un immeuble à une adaptation des fonds propres à l'évolution du coût de la vie est inconstitutionnelle. D'une part, un tel procédé revient à geler la valeur de l'immeuble à sa valeur initiale qui, après un certain nombre d'années, ne correspond plus à la valeur actuelle de l'immeuble. D'autre part, l'adaptation des fonds propres à l'évolution du coût de la vie, autrement dit à l'indice des prix à la consommation, ne peut entrer en ligne de compte parce que l'indice est déterminé par une moyenne pondérée de différents prix à la consommation, lesquels n'ont pas nécessairement de relation avec l'évolution des valeurs immobilières. Une fixation des loyers en fonction de tels critères est dès lors contraire à la garantie de la propriété, à la liberté du commerce et des contrats, et ne respecte pas le principe de la proportionnalité. Il en va de même, à plus forte raison, lorsqu'il s'agit de limiter non plus le montant du loyer, mais - pour autant que cela soit possible, question qui peut rester ouverte - celui du prix de vente d'un immeuble ou d'une partie
BGE 113 Ia 126 S. 141
d'immeuble.
cc) L'art. 9A al. 4, troisième phrase, LDTR soumet les appartements dont la vente est autorisée à un contrôle des loyers. Le contrôle des prix en général et des loyers en particulier est une mesure qui n'est pas compatible avec la liberté du commerce et de l'industrie; elle nécessite une habilitation constitutionnelle spéciale (voir les arrêtés fédéraux du 21 décembre 1960 et du 9 octobre 1964 sur le maintien de mesures temporaires en matière de contrôle des prix; ROLF 1961 p. 291 et 1964 p. 1441). Dans la cause Righi (
ATF 99 Ia 620
), le Tribunal fédéral a jugé conforme à l'
art. 31 Cst.
un contrôle des loyers qui était en rapport étroit avec d'autres mesures, relevant de la politique d'aménagement du territoire; ce contrôle avait de ce fait une portée limitée. La situation est différente en l'espèce; le contrôle des loyers peut être appliqué à tout appartement qui fait l'objet d'une autorisation d'aliéner et il pourra, à terme, affecter une part importante du parc immobilier genevois. Ce contrôle s'apparente ainsi à un contrôle général des loyers, que les cantons ne sont pas habilités à introduire. La phrase litigieuse doit être annulée pour ce motif déjà, sans qu'il soit nécessaire d'examiner les autres griefs dirigés contre elle.
IV. Force dérogatoire du droit fédéral
9.
Les recourants font grief à l'art. 9A LDTR de ne pas respecter le principe de la force dérogatoire du droit fédéral (art. 2 Disp. trans. Cst.), qui interdit aux cantons de légiférer dans les domaines que la législation fédérale régit de manière exhaustive (
ATF 109 Ia 47
consid. aa,
ATF 106 Ib 58
consid. 2 et les références). Ils prétendent que la disposition attaquée porte atteinte à des règles du code civil (art. 6, 11, 13, 641 ss et 712a ss CC), du code des obligations (art. 19, 184 ss, 214, 259, 260, 267 ss CO) et de lois spéciales (arrêté fédéral instituant des mesures contre les abus dans le secteur locatif et son ordonnance d'application; loi fédérale encourageant la construction et l'accession à la propriété de logements).
a) Les rapports entre le droit civil fédéral et le droit public cantonal sont régis par l'
art. 6 CC
, lequel dispose que les lois civiles de la Confédération laissent subsister les compétences des cantons en matière de droit public. Selon la jurisprudence, les cantons ne peuvent toutefois en faire usage dans une matière déterminée que si trois
BGE 113 Ia 126 S. 142
conditions sont réunies: le législateur fédéral doit n'avoir pas entendu réglementer cette matière de manière exhaustive, les règles cantonales doivent être motivées par un intérêt public pertinent et ces règles ne doivent ni éluder le droit civil fédéral, ni en contredire le sens ou l'esprit (
ATF 110 Ia 113
consid. 3b,
ATF 109 Ia 66
consid. 2a,
ATF 101 Ia 505
consid. b et les arrêts cités). Le législateur fédéral a reconnu qu'en période de pénurie de logements, les locataires ont besoin d'une protection particulière (cf. notamment les
art. 267a-267f CO
et l'AMSL) et le Tribunal fédéral l'a maintes fois constaté lors du contrôle constitutionnel d'arrêtés cantonaux tendant à la protection des locataires (
ATF 110 Ia 115
consid. 4 et les arrêts cités).
b) Le droit public fédéral, en revanche, prime d'emblée et toujours le droit public cantonal dans les domaines que la Constitution ou un arrêté fédéral urgent place dans la compétence de la Confédération et que celle-ci a effectivement réglementés. En conséquence, les règles cantonales qui seraient contraires au droit fédéral, notamment par leur but ou les moyens qu'elles mettent en oeuvre, devraient céder le pas devant le droit fédéral. Mais, là aussi, le principe de la force dérogatoire du droit fédéral n'exclut une réglementation cantonale que dans les matières que le législateur fédéral a entendu régler de manière exhaustive. Les cantons restent compétents pour édicter dans les autres domaines des dispositions de droit public dont les buts et les moyens convergent avec ceux du droit fédéral (
ATF 109 Ia 67
, 101 Ia 506).
c) Certains recourants reprochent à la disposition attaquée d'être contraire aux
art. 712a ss CC
régissant la propriété par étages. Celle-ci a pour but de faciliter au plus grand nombre de familles l'acquisition de leur appartement (Message, FF 1962 II 1455), plus particulièrement à celles appartenant aux classes moyennes (personnes excerçant des professions indépendantes, employés, fonctionnaires, ouvriers) (ibidem, p. 1456). Elle n'est rien d'autre qu'un type particulier de copropriété (ibidem, p. 1468) qui est défini à l'
art. 712a al. 1 CC
. Cette conception a été confirmée par la jurisprudence, pour laquelle la propriété par étages est un droit de copropriété spécialement aménagé (
ATF 94 II 236
in fine).
Le nouvel art. 9A LDTR ne touche pas à la possibilité de constituer en propriété par étages les parts de copropriété d'un immeuble. Il n'intervient en rien dans la réglementation de la propriété par étages telle qu'elle découle des
art. 712a ss CC
; il ne la modifie ni ne la
BGE 113 Ia 126 S. 143
complète. Il soumet l'aliénation d'appartements qui se trouvent dans une catégorie de logements où sévit la pénurie à un régime d'autorisation, mais cette restriction est étrangère à l'institution de la propriété par étages en tant que telle et à son organisation. L'art. 9A n'est ainsi pas incompatible avec les
art. 712a ss CC
.
d) Les recourants estiment que la disposition attaquée est incompatible avec les règles du code des obligations régissant le bail à loyer, notamment avec l'
art. 259 al. 1 CO
(droit de l'acheteur de ne pas reprendre le bail), l'
art. 260 CO
(annotation du bail au registre foncier) et les
art. 267 ss CO
(droit de congé). Ces critiques ne peuvent pas être dissociées de celles que les recourants adressent à l'art. 9A LDTR examiné en rapport avec les dispositions de l'AMSL: l'art. 9A interviendrait directement dans les relations entre locataire et bailleur en les empêchant (sauf exception) de conclure un contrat de vente, en les privant du droit de congé ainsi qu'en imposant au bailleur qui résilie le contrat des conditions concernant le relogement du locataire. L'AMSL contient des règles qui ressortissent en partie au droit public et en partie au droit privé (
ATF 102 Ia 375
consid. 2 et les arrêts cités). Les règles qui tendent à protéger le locataire contre des loyers abusifs et d'autres prétentions abusives du bailleur modifient celles du code des obligations relatives au bail à loyer; la fixation même du loyer est aussi régie essentiellement par des procédés de droit civil (
ATF 99 Ia 626
). Selon la jurisprudence, cette législation est exhaustive en ce sens que le canton ne peut compléter les dispositions fédérales en prévoyant d'autres règles sur les rapports directs entre bailleur et locataire, sous réserve d'une réglementation concernant les sûretés fournies par le preneur (
ATF 101 Ia 508
).
Dans son arrêt du 27 mars 1985 en la cause Marini et consorts (publié partiellement dans SJ 108/1986, p. 1 ss), le Tribunal fédéral a jugé que l'art. 13 LDTR viole le principe de la force dérogatoire du droit fédéral dans la mesure où il fait obligation au propriétaire d'informer et de consulter les locataires "en dehors de toute résiliation de bail" lorsqu'il a l'intention d'entreprendre des travaux au sens de cette loi. En l'espèce, ce principe est violé de la même manière par l'art. 9A al. 4, première phrase, qui dispose que, lorsque l'appartement est loué, la demande d'autorisation d'aliéner doit être déposée en dehors de toute résiliation de bail. Il s'agit d'une mesure de protection des locataires, qui constitue une ingérence du législateur cantonal dans les rapports directs entre bailleur et locataire. L'interdiction de résilier les
BGE 113 Ia 126 S. 144
baux, telle qu'elle est prévue par l'art. 9A LDTR, est incompatible avec le droit fédéral.
e) La deuxième phrase de l'al. 4 dispose qu'au cas où l'autorisation est délivrée, celle-ci peut être soumise à certaines conditions concernant le relogement du locataire. La loi ne définit pas ces conditions, elle laisse au Conseil d'Etat le soin de le faire en édictant les dispositions d'application. Dans le cadre du contrôle abstrait de la disposition contestée, il n'est pas possible de déterminer si ces conditions, pour autant qu'elles n'interviennent pas dans les rapports directs entre bailleur et locataire, heurteront le droit fédéral. Leur constitutionnalité pourra en revanche être examinée à l'occasion d'un cas déterminé.
f) La loi fédérale encourageant la construction et l'accession à la propriété de logements du 4 octobre 1974 poursuit des buts différents de ceux de l'art. 9A LDTR, même si elle les rejoint sur certains points. La loi fédérale ne touche que la conversion de logements à louer mis au bénéfice d'un abaissement de base au sens de l'art. 35 al. 2 lettre a, en logements en propriété dont la Confédération encourage l'acquisition (art. 49; FF 1973 II 731). La disposition attaquée ne violerait l'art. 2 Disp. trans. Cst. que dans l'hypothèse où elle empêcherait une conversion prévue par l'art. 49 de la loi fédérale, éventualité qui n'a pas à faire ici l'objet d'un examen plus étendu.
V. Egalité de traitement
10.
Selon la jurisprudence, l'
art. 4 Cst.
lie le législateur cantonal, qui doit respecter, outre les autres limites qui découlent du droit constitutionnel et du droit fédéral, le principe de l'égalité devant la loi et l'interdiction de l'arbitraire. Une norme générale et abstraite viole ces principes constitutionnels lorsqu'elle n'est pas fondée sur des motifs sérieux et objectifs, qu'elle est dépourvue de sens et d'utilité, qu'elle opère des distinctions juridiques que les faits à réglementer ne justifient pas ou qu'elle omet, au contraire, des distinctions juridiques indispensables. Dans ces limites, le législateur jouit d'un large pouvoir d'appréciation; le juge constitutionnel n'intervient qu'en cas d'abus ou d'excès de ce pouvoir et il ne substitue pas sa propre appréciation à celle du législateur (
ATF 110 Ia 13
consid. 2b,
ATF 109 Ia 124
consid. 5a,
ATF 106 Ia 296
consid. d,
ATF 106 Ib 188
consid. 4a,
ATF 103 Ia 84
consid. c et les références).
BGE 113 Ia 126 S. 145
L'un des recourants soutient en vain que l'art. 9A LDTR viole l'
art. 4 Cst.
en faisant passer la protection des locataires avant l'encouragement à l'accession à la propriété. La situation des locataires et celle des propriétaires ne sont pas semblables; les intérêts des uns et des autres divergent et peuvent même être opposés. Si, dans la recherche d'une solution aux problèmes créés par une pénurie de logements ou par d'autres facteurs, le législateur a mis l'accent sur la protection des locataires plutôt que sur l'encouragement à l'accession à la propriété, il n'a pas traité de manière semblable des situations qui ne le sont pas, ni de façon différente des situations semblables. C'est également à tort qu'il est reproché à la disposition attaquée de ne viser que les appartements à usage d'habitation, jusqu'alors offerts en location, et d'introduire ainsi une discrimination avec les autres objets de propriété. La situation du marché du logement n'est pas nécessairement celle du marché des locaux commerciaux. L'aliénation d'appartements peut avoir, sur le marché du logement, des conséquences que l'aliénation d'un immeuble commercial n'entraînera pas. Les recourants ne disent d'ailleurs pas en quoi l'égalité de traitement postulerait que tous les objets de propriété soient soumis aux mêmes règles d'aliénation. Le législateur fédéral lui-même a soumis la vente d'immeubles agricoles à des restrictions qui ne frappent pas les autres ventes immobilières. On ne saurait reprocher au législateur d'avoir limité son intervention à une catégorie de vente immobilière qui, à son avis, justifierait cette intervention. Enfin, dès lors que la loi nouvelle règle de manière différente la situation des immeubles déjà soumis au régime de la propriété par étages avant son entrée en vigueur et celle des immeubles qui n'y sont pas soumis, elle a réglementé des situations différentes. Il a d'ailleurs été jugé que, si les restrictions à la propriété sont soumises au principe d'égalité formulé par l'
art. 4 Cst.
, cela ne signifie pas que tous les propriétaires doivent pouvoir utiliser leurs fonds dans la même mesure (
ATF 101 Ia 515
consid. 6). Les recourants ne peuvent dès lors pas invoquer une inégalité de traitement entre les propriétaires d'immeubles soumis à un régime juridique ou à une utilisation différents.
VI. Résumé et conclusion
11.
Il résulte des considérants qui précèdent que sous l'angle du contrôle abstrait des normes, l'al. 2 de l'art. 9A LDTR est
BGE 113 Ia 126 S. 146
inconstitutionnel dans la mesure où il énumère des motifs de refus absolus, ne laissant à l'autorité compétente pour se prononcer sur les requêtes en autorisation aucune possibilité de tenir compte des intérêts en présence. Au surplus, les lettres c et d sont aussi contraires à la Constitution, de même que la première et la troisième phrase de l'al. 4. En revanche, le principe du régime d'autorisation destiné à limiter la vente d'appartements touchés par la pénurie peut être appliqué de manière conforme à la Constitution. Même amputé de ses parties inconstitutionnelles, l'art. 9A LDTR conserve son utilité et s'inscrit dans l'économie de l'ensemble de la loi. On peut admettre qu'informé de la nullité des parties en question, le législateur eût également adopté la norme dans sa teneur réduite. Dès lors, une annulation partielle de la disposition attaquée, limitée à ses éléments inconstitutionnels, s'impose (
ATF 110 Ia 13
consid. e). | public_law | nan | fr | 1,987 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
c286a43b-1d48-4a37-afea-61e19ca6fdb1 | Urteilskopf
82 III 145
37. Entscheid vom 5. November 1956 i.S. Pragma AG | Regeste
Beschwerdeverfahren. Bundesrecht und kantonales Recht. Kantonalrechtliches Verbot der Änderung der Rechtsbegehren. Auslegung der mit Beschwerde und kantonalem Rekurs gestellten Anträge.
Arrest auf Forderungen, die auf den Namen eines Dritten lauten, aber nach den Behauptungen des Arrestgläubigers dem Arrestschuldner gehören. Zulässigkeit. Widerspruchsverfahren. | Sachverhalt
ab Seite 146
BGE 82 III 145 S. 146
A.-
Am 23. Juni 1950 erliess der Zivilgerichtspräsident von Glarus auf Begehren der Manufacturers Trust Company und der New York Trust Company in New York Arrestbefehle gegen die Ungarische Escompte- und Wechslerbank und die Pester Ungarische Commerzialbank in Budapest. Als Arrestgegenstände waren in jedem dieser vier Arrestbefehle genannt: "Bei der Pragma AG, Glarus, sämtliche Guthaben und Vermögensstücke der Arrestschuldnerin." Das Betreibungsamt Glarus-Riedern vollzog diese Befehle wie folgt: "Es werden ... verarrestiert: Bei der Pragma AG, Glarus, sämtliche direkt oder indirekt auf Rechnung der Arrestschuldnerin bei und unter dem Namen dieser Gesellschaft" (d.h. der Pragma AG) "direkt oder indirekt, insbesondere auch aus Auftrag oder andern Rechtsverhältnissen verwahrten oder verwalteten Vermögensstücke und Guthaben, sämtliche Forderungen der Arrestschuldnerin gegenüber der Pragma AG als Gläubigerin oder Hinterlegerin, ... insbesondere aber:... Forderungen gegen folgende Gesellschaften ...:... Mobiliare Verkehrs AG, Zürich, ..." Vier Forderungen gegen die Mobiliare Verkehrs AG im Betrage von 66'500 bzw. 140'000 Schweizerfranken und 56'000 bzw. 27'800 Dollars wurden im Anschluss an die allgemeine Umschreibung der arrestierten Vermögensstücke noch besonders erwähnt. Mit Schreiben vom 23. Juni 1950 brachte das Betreibungsamt der Pragma AG diese Arreste zur Kenntnis. Die Pragma AG teilte dem Betreibungsamt am 19. Juli 1950 mit, sie verwalte für Rechnung der Arrestschuldner keinerlei Vermögenswerte; die in der Arrestnotifikation besonders bezeichneten Vermögenswerte halte sie, soweit überhaupt vorhanden, nicht für Rechnung der Arrestschuldner, sondern für eigene Rechnung, weshalb der Arrest diese Werte nicht erfasse. In der Folge setzte das Betreibungsamt den Gläubigern gemäss
Art. 109 SchKG
Frist zur Klage gegen die Pragma AG auf Aberkennung der Eigentumsansprache, die diese Gesellschaft in ihrem Schreiben vom 19. Juli 1950 geltend gemacht
BGE 82 III 145 S. 147
habe. Diese Klage wurde am 20. November 1950 beim Zivilgericht Glarus eingeleitet und ist dort heute noch hängig. Die Arrestgläubiger machen in diesem Prozess geltend, die Pragma AG verwalte die arrestierten Forderungen treuhänderisch für die Arrestschuldner.
B.-
Am 12. Februar 1954 fiel die Mobiliare Verkehrs AG in Konkurs. Die Pragma AG meldete in diesem Verfahren Forderungen von etwas mehr als Fr. 600 000.-- an. Das Betreibungsamt Glarus schrieb dem Konkursamt Zürich-Altstadt am 18. März 1954:
"Das Betreibungsamt Glarus-Riedern hat bei der Pragma AG in Glarus am 23. Juni 1950 mit Arrest belegt u.a.:
Forderung gegen Mobiliare Verkehrs AG Zürich Fr. 66'500.--
do. " 140'000.--
do. USA $ 56'000.--
do. " 27'800.--
Wir ersuchen Sie höfl. um Kollozierung. Diesem Schreiben fügen wir noch zu Ihrer Orientierung die Kopie der Notifikation vom 23. Juni 1950 bei."
Im Kollokationsplan, wo die von der Pragma AG angemeldeten Forderungen teils zugelassen, teils abgewiesen wurden, merkte das Konkursamt in einer "Nota" den Arrest vor. Der von der Pragma AG gegen die Konkursmasse eingeleitete Kollokationsprozess endigte mit einem Vergleich, wonach die Pragma AG mit einer Forderung von Fr. 496'801.30 in 5. Klasse endgültig kolloziert wurde. Als das Konkursamt sich weigerte, der Pragma AG die auf diesen Betrag entfallende Abschlagsdividende von 12% auszuzahlen, solange das Betreibungsamt Glarus die Sperre nicht aufgehoben habe, und dieses einem Gesuch um Widerruf der Sperre nicht stattgab, führte die Pragma AG am 24. Februar 1956 gegen das Konkursamt und am 26. Februar 1956 gegen das Betreibungsamt Beschwerde.
Mit der ersten Beschwerde verlangte sie, das Konkursamt sei anzuweisen, ihr die erwähnte Abschlagsdividende auszuzahlen. Die obere Aufsichtsbehörde des Kantons Zürich erledigte diese Beschwerde mit Entscheid vom 16. Mai 1956, der rechtskräftig wurde, teils durch Nichteintreten, teils durch Abweisung.
BGE 82 III 145 S. 148
Die zweite Beschwerde enthielt das Begehren, "das Betreibungsamt Glarus sei anzuweisen, seinen Anspruch auf die Auszahlung einer Konkursdividende auf das Guthaben der Beschwerdeführerin im Konkurs über die Mobiliare Verkehrs AG, Zürich, zurückzuziehen". Die untere Aufsichtsbehörde des Kantons Glarus wies sie am 6. August 1956 ab mit der Begründung, das Schreiben des Betreibungsamtes an das Konkursamt vom 18. März 1954 stelle lediglich eine Arrestanzeige im Sinne von
Art. 275 und 99 SchKG
dar; die Arrestierung der streitigen Guthaben, von denen die Arrestgläubiger behaupten, dass sie in Wirklichkeit den Arrestschuldnern gehören, sei zulässig; die Frage, wem die arrestierten Guthaben zustehen, sei im Widerspruchsverfahren abzuklären; da dasBetreibungsamt einen Anspruch auf Auszahlung einer Konkursdividende gar nie erhoben habe, könne er auch nicht zurückgezogen werden.
C.-
Am 11. August 1956 zog die Pragma AG diesen Entscheid an die obere kantonale Aufsichtsbehörde weiter mit dem Begehren, "das Betreibungsamt Glarus sei anzuweisen, dem Konkursamt Zürich-Altstadt mitzuteilen, dass seine Notifikation vom 18. März 1954 mit Bezug auf die Forderung der Rekurrentin an die Konkursmasse der Mobiliare Verkehrs AG gegenstandslos ist, bzw. einer Auszahlung der auf diese Forderung entfallenden Dividende an die Rekurrentin zuzustimmen". Die obere kantonale Aufsichtsbehörde hat am 23. August 1956 erkannt, auf die Beschwerde (d.h. auf den Rekurs) werde nicht eingetreten, weil das in zweiter Instanz gestellte Rechtsbegehren ganz anders laute und weiter gehe als der ursprüngliche Beschwerdeantrag und das massgebende kantonale Verfahrensrecht die Änderung und Erweiterung eines Rechtsbegehrens nicht gestatte, und weil die Rekursbegründung zudem neue Behauptungen enthalte, was ebenfalls unzulässig sei.
D.-
Gegen diesen Entscheid hat die Pragma AG an das Bundesgericht rekurriert mit dem Antrag, die Notifikation
BGE 82 III 145 S. 149
des Betreibungsamtes Glarus an das Konkursamt Zürich-Altstadt vom 18. März 1954 sei aufzuheben, eventuell sei die Sache zur materiellen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Erwägungen
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
1.
Von
Art. 18 SchKG
abgesehen, enthält das Bundesrecht keine besondern Bestimmungen über die Weiterziehung an die obere kantonale Aufsichtsbehörde. Die Praxis nimmt an, die Zulassung neuer Vorbringen dürfe im kantonalen Beschwerde- und Rekursverfahren nicht an strengere Voraussetzungen geknüpft werden, als
Art. 79 OG
sie für die bundesgerichtliche Instanz aufstellt (
BGE 73 III 33
). Anderseits folgt aus
Art. 17 SchKG
, dass vor der zweiten Instanz nicht eine Verfügung angefochten werden kann, die mangels Anfechtung durch Beschwerde an die untere Aufsichtsbehörde rechtskräftig geworden ist. Unter Vorbehalt dieser Regeln ist es grundsätzlich Sache des kantonalen Rechts, das kantonale Weiterziehungsverfahren zu ordnen und insbesondere zu bestimmen, ob vor der obern kantonalen Aufsichtsbehörde neue Begehren, Tatsachen, Bestreitungen und Beweismittel angebracht werden dürfen. Die Anwendung des kantonalen Rechts kann das Bundesgericht nicht überprüfen (vgl. Art. 81 in Verbindung mit
Art. 43 OG
). Die Annahme der Vorinstanz, dass die Rekurrentin das ursprüngliche Beschwerdebegehren nach glarnerischem Verfahrensrecht vor der obern kantonalen Aufsichtsbehörde nicht habe ändern oder erweitern dürfen, ist demnach für das Bundesgericht verbindlich. Wenn die Rekurrentin in zweiter Instanz wirklich ein anderes Begehren gestellt hätte als in der Beschwerde an die untere Aufsichtsbehörde, so wäre zu sagen, dass sie Gelegenheit gehabt hätte, dieses Begehren schon vor erster Instanz anzubringen, so dass die Anwendung des kantonalen Verbots der Änderung der Rechtsbegehren nicht gegen die Regel verstiesse, dass das kantonale Recht hinsichtlich
BGE 82 III 145 S. 150
der Zulassung neuer Vorbringen nicht strenger sein darf als
Art. 79 OG
.
Das Bundesgericht kann aber in jedem Fall untersuchen, welches der Sinn der Anträge sei, die mit der Beschwerde und mit dem kantonalen Rekurs gestellt wurden, da die Prüfung dieser Frage zur materiellen Beurteilung der ihm durch Rekurs nach
Art. 19 SchKG
unterbreiteten Beschwerdesache gehört. Massgebend ist dabei nicht einfach der Wortlaut der Anträge, sondern die Bedeutung, die diesen angesichts der gegebenen Umstände vernünftigerweise beizulegen ist (vgl.
BGE 82 II 178
). Betrachtet man die Anträge der Rekurrentin von diesem Gesichtspunkt aus, so ergibt sich, dass von einer Änderung und Erweiterung des ursprünglichen Beschwerdebegehrens nicht die Rede sein kann. Was die Rekurrentin letzlich erreichen wollte und noch will, ist unzweifelhaft die Auszahlung der auf die Forderung von Fr. 496'801.30 entfallenden Abschlagsdividende an sie. Deshalb suchte sie im kantonalen Verfahren von Anfang an den Widerruf der Mitteilung des Betreibungsamtes an das Konkursamt vom 18. März 1954 zu bewirken, derentwegen das Konkursamt die verlangte Auszahlung verweigerte. Da sie zunächst annahm, das Betreibungsamt erhebe seinerseits Anspruch auf Auszahlung der streitigen Dividende, welche Auffassung angesichts des letzten Absatzes des Schreibens vom 18. März 1954 durchaus vertretbar war, verlangte sie vor erster Instanz, das Betreibungsamt sei anzuweisen, diesen Anspruch zurückzuziehen. Als dann die untere Aufsichtsbehörde die Mitteilung vom 18. März 1954 als Arrestanzeige qualifizierte, stellte die Rekurrentin vor zweiter Instanz wie nachher vor Bundesgericht einen Antrag, der dem Sinne nach auf Annullierung dieser Anzeige geht. Sachlich lag darin keine Abweichung vom ursprünglichen Begehren. Gewechselt haben nur die Bezeichnung der Verfügung, deren Beseitigung die Rekurrentin anstrebt, und die Worte, mit denen sie ihr Verlangen nach dem Widerruf dieser Verfügung zum Ausdruck brachte. Indem die Vorinstanz
BGE 82 III 145 S. 151
auf die Unterschiede im Wortlaut der Anträge abstellte, ohne ihren übereinstimmenden Sinn zu beachten, verschrieb sie sich einem unzulässigen Formalismus. Sie hätte also auf den Rekurs eintreten sollen. Ihr Nichteintretensentscheid bedeutet geradezu eine Rechtsverweigerung im Sinne von
Art. 19 Abs. 2 SchKG
, gegen die nach dieser Bestimmung jederzeit Beschwerde geführt werden kann (
BGE 80 III 96
).
2.
Lehnt die kantonale Aufsichtsbehörde die materielle Behandlung eines Begehrens zu Unrecht ab, so kommt es normalerweise zu einer Rückweisung. Diese Massnahme erübrigt sich jedoch im vorliegenden Falle, weil die Sache spruchreif ist. Die Forderungen, welche die Rekurrentin gegen die Mobiliare Verkehrs AG zu haben behauptet und in deren Konkurs angemeldet hat, sind arrestiert worden, weil die Arrestgläubiger geltend machten, dass sie in Wirklichkeit nicht der Rekurrentin, sondern den Arrestschuldnern zustehen. Wie die obere Aufsichtsbehörde des Kantons Zürich in ihrem Entscheid vom 16. Mai 1956 zutreffend ausgeführt hat, ist es zulässig, Guthaben zu arrestieren, die zwar auf den Namen eines Dritten lauten, aber nach den Behauptungen des Arrestgläubigers dem Arrestschuldner gehören, und muss in einem solchen Falle die Frage, wem die arrestierte Forderung zustehe, im Widerspruchsverfahren abgeklärt werden (
BGE 63 III 67
,
BGE 80 III 90
Erw. 4,
BGE 82 III 70
Abs. 2). Solange dieses Verfahren schwebt, bleibt der Arrest (unter Vorbehalt des Hinfalls nach
Art. 278 Abs. 4 SchKG
) aufrecht und muss daher auch die gegenüber dem Schuldner der arrestierten Forderung verfügte Sperre bestehen bleiben. Die Beschwerde der Rekurrentin ist demnach unbegründet. Die von ihr angerufenen Entscheide BGE 54 III Nr. 36 (wo es sich um die Pfändbarkeit eines Guthabens und um die amtliche Verwahrung arrestierter und von einem Dritten zu Eigentum angesprochener körperlicher Gegenstände handelte) und BGE 60 III Nr. 37 (der die Arrestierung von Wertpapieren bei einem den
BGE 82 III 145 S. 152
Gewahrsam bestreitenden Dritten betraf und übrigens durchBGE 63 III 65ff. überholt ist) haben mit dem vorliegenden Falle nichts zu tun.
Dispositiv
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird abgewiesen. | null | nan | de | 1,956 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
c286be35-c721-462c-b278-0d0458cf3a29 | Urteilskopf
81 II 358
57. Urteil der I. Zivilabteilung vom 14. Juni 1955 i. S. Lüscher gegen Schnetzler & Schoch. | Regeste
Kollektivgesellschaft, Parteifähigkeit. Einfluss der Löschung des Handelsregistereintrags vor Beendigung der Liquidation, bzw., bei Fortsetzung des Geschäfts durch einen Teilhaber, vor Beendigung der Abschichtung, auf die Parteifähigkeit.
Art. 562, 579, 589 OR
(Erw. 1).
Vertragsschluss, Beurteilung der Frage, ob ein Vertrag zustande gekommen sei, im Lichte des Vertrauensprinzips.
Art. 1 OR
(Erw. 2).
Mäklervertrag, Anspruch auf Rückerstattung eines zu Unrecht bezogenen Mäklerlohns, Voraussetzungen, Verjährung.
Art. 413, 400, 127 OR
. (Erw. 3). | Sachverhalt
ab Seite 358
BGE 81 II 358 S. 358
A.-
Die Kollektivgesellschaft Schnetzler & Schoch erteilte am 31. Juli 1952 dem Liegenschaftsagenten Lüscher den Auftrag, die von ihr betriebene galvanische Anstalt zum Nettopreis von Fr. 55'000.-- zu verkaufen. Die Provision Lüschers wurde auf 5% des Verkaufspreises festgesetzt; ferner sollte ihm ein Fr. 55'000.-- übersteigender Mehrerlös zufallen. Provision und Mehrerlös waren bei der ersten Anzahlung des Käufers auszurichten.
Gestützt auf diesen Auftrag trat Lüscher mit verschiedenen Kaufsinteressenten in Verbindung. Einer von ihnen,
BGE 81 II 358 S. 359
W. Trautmann, unterzeichnete am 5. September 1952 einen von einem Angestellten Lüschers abgefassten "Vorkaufsvertrag". Darin wurde einleitend festgestellt, dass Lüscher im Auftrag der Firma Schnetzler & Schoch das Geschäft zum Preis von Fr. 60'000.-- an Trautmann verkaufe. Dieser leistete, wie weiter vereinbart wurde, sofort eine Anzahlung von Fr. 5000.--, die Lüscher entgegennahm. Diese Anzahlung sollte bei "Nichterfüllung des Kaufsabschlusses" durch Trautmann als Reugeld verfallen. Im weiteren wurde vereinbart, der Vertrag trete "in volle Rechtskraft", wenn sich Trautmann "über die von Schnetzler & Schoch gemachten Angaben anlässlich seines Besuches überzeugt" habe. Hinsichtlich der Zahlungsbedingungen wurde festgestellt, dass Trautmann am 1. Oktober 1952 mindestens Fr. 25'000.-- in bar zu leisten habe; als Sicherheit für weitere Zahlungen sollte er auf seinem Einfamilienhaus eine Hypothek im 3. Rang errichten, die nach Verkauf des Hauses abgelöst werden sollte; die Zahlungsbedingungen für die restlichen Fr. 10'000.-- sowie die Frage der Verzinsung der in Aussicht genommenen Hypothek über Fr. 20'000.-- waren zwischen Trautmann und der Firma Schnetzler & Schoch noch direkt zu regeln.
Gleichzeitig wie mit Trautmann verhandelte Lüscher auch noch mit einem weiteren Interessenten namens Weinmann. Die Verhandlungen mit diesem wurden jedoch am 9. September 1952 abgebrochen, da er es ablehnte, innert der ihm von Lüscher am gleichen Tage angesetzten Frist von nur 3 Stunden einen endgültigen Bescheid zu erteilen. Daraufhin sandte Lüscher ebenfalls am 9. September 1952 ein Exemplar des sogenannten "Vorkaufsvertrages" mit Trautmann an Schnetzler & Schoch mit der Aufforderung zur Unterzeichnung und umgehenden Rücksendung. Diesem Begehren kamen Schnetzler & Schoch noch am gleichen Tage nach.
Nach Besichtigung des Geschäftes und Einsichtnahme in die Bücher lehnte Trautmann jedoch mit Schreiben vom 25. September 1952 den Kauf ab und verlangte am 1. Oktober
BGE 81 II 358 S. 360
1952 die Rückerstattung der an Lüscher gemachten Anzahlung von Fr. 5000.--. Schnetzler & Schoch bezahlten ihm am 30. Oktober 1952 diesen Betrag zurück. Ihre hierauf an Lüscher gerichtete Aufforderung zur Herausgabe der von Trautmann empfangenen Anzahlung blieb erfolglos.
B.-
Am 22. Mai 1954 erhob die Firma Schnetzler & Schoch beim Handelsgericht Zürich gegen Lüscher Klage auf Bezahlung des Betrages von Fr. 5000.-- nebst 5% Zins seit 30. Oktober 1952.
Der Beklagte beantragte, die Klage sei von der Hand zu weisen, weil die als Klägerin auftretende Kollektivgesellschaft im Zeitpunkt der Klageerhebung im Handelsregister gelöscht gewesen sei, so dass ihr die Parteifähigkeit fehle.
Das Handelsgericht Zürich verwarf jedoch diesen Einwand mit Beschluss vom 26. August 1954.
Daraufhin beantragte der Beklagte die Abweisung der Klage, im wesentlichen mit der Begründung, zwischen der Klägerin und Trautmann sei am 5. September 1952 ein rechtsgültiger Kaufvertrag zustande gekommen, womit sein Anspruch auf den Mäklerlohn zur Entstehung gelangt sei.
C.-
Das Handelsgericht Zürich verneinte jedoch das Zustandekommen eines Kaufvertrages und verpflichtete daher mit Urteil vom 27. Januar 1955 den Beklagten zur Rückgabe der von Trautmann empfangenen Fr. 5000.-- nebst 5% Zins seit 30. Oktober 1952 an die Klägerin.
D.-
Dieses Urteil sowie den Zwischenentscheid vom 26. August 1954 über die Parteifähigkeit der Klägerin ficht der Beklagte mit der vorliegenden Berufung an. Er beantragt erneut, die Klage sei von der Hand zu weisen, eventuell, sie sei abzuweisen, und weiter eventuell, die Sache sei zur Beweiserhebung und neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Die Klägerin ersucht um Abweisung der Berufung und Bestätigung des angefochtenen Entscheides.
BGE 81 II 358 S. 361
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Die Klage wurde am 22. Mai 1954 durch die Kollektivgesellschaft Schnetzler & Schoch beim Handelsgericht anhängig gemacht. Die genannte Firma war indessen schon am 8. Dezember 1953, also vor Anhängigmachung der Klage, im Handelsregister gelöscht worden, weil der Gesellschafter Schoch ausgetreten war und das Geschäft vom andern Teilhaber Schnetzler im Sinne von
Art. 579 OR
als Einzelfirma fortgesetzt wurde.
Der Beklagte vertritt nun die Ansicht, infolge der Löschung im Handelsregister habe die Klägerin die in
Art. 562 OR
umschriebene Rechts- und Parteifähigkeit eingebüsst (
Art. 589 OR
), weshalb ihre Klage hätte von der Hand gewiesen werden müssen.
Diese Auffassung ist unrichtig. Bei der Klägerin handelte es sich um eine kaufmännische Kollektivgesellschaft. Eine solche entsteht gemäss Art. 552 /3 OR unabhängig vom Handelsregistereintrag. Ebensowenig bewirkt im Falle einer Liquidation die Löschung des Eintrags das Ende der Gesellschaft. Entscheidend ist die Beendigung der Liquidation. Solange eine aufgelöste Gesellschaft noch Ansprüche gegen Dritte besitzt oder Forderungen Dritter gegen sie vorhanden sind, besteht sie trotz Löschung im Handelsregister weiter, und es kann denn auch grundsätzlich ihre Wiedereintragung verlangt werden (vgl.
BGE 64 I 335
,
BGE 59 II 58
ff.; ferner WIELAND, Handelsrecht I S. 679; SIEGWART, OR Art. 562 N. 7 und 10; STRÄULI /HAUSER, Zürcher ZPO § 29 Bem. I a und § 49 Bem. III). Folgerichtig kann unbekümmert um die zu Unrecht erfolgte Löschung einer Kollektivgesellschaft em vor beendigter Liquidation angehobener Aktiv- oder Passivprozess ohne Änderung der Partei weitergeführt und es können neue Prozesse im Namen der Gesellschaft oder gegen sie angehoben werden, wobei das Urteil auf den Namen der Gesellschaft auszufällen ist.
BGE 81 II 358 S. 362
Im vorliegenden Falle handelt es sich nun allerdings um eine sogenannte Abschichtung im Sinne von
Art. 579 OR
, d.h. um die Fortführung des Gesellschaftsunternehmens durch den einen Gesellschafter unter Abfindung des ausgetretenen anderen Teilhabers. Eine solche Abschichtung bedeutet keine Liquidation, sondern Umwandlung des früheren Gesellschaftsvermögens in alleiniges Vermögen des nunmehrigen Geschäftsinhabers durch Anwachsung (
BGE 75 I 274
f.; SIEGWART, OR Art. 579 N. 1 /2). Allein wie im Falle einer Liquidation die Kollektivgesellschaft erst mit deren Abschluss zu bestehen aufhört, so endigt sie im Falle der Geschäftsfortführung durch einen einzigen Gesellschafter nach
Art. 579 OR
erst mit der Vollendung der Abschichtung, d.h. erst mit der vollständigen Ausrichtung seines Anteils an den ausscheidenden Gesellschafter. Bis zu diesem Zeitpunkt bleibt somit die Gesellschaft weiterbestehen. Demgemäss bleibt auch eine im Gang befindliche, aber noch nicht abgeschlossene Abschichtung gleich wie jede sonstige Änderung des bisherigen Bestandes der Gesellschaft ohne Wirkung auf hängige Prozesse oder auf die Möglichkeit neuer Prozesse der Gesellschaft (WIELAND a.a.O. I S. 724 f.; SIEGWART OR Art. 562 N. 7).
Wie das Handelsgericht in seinem Beschluss vom 26. August 1954 festgestellt hat, ist im vorliegenden Falle die Abschichtung noch nicht beendigt, da mindestens mit Bezug auf ein allfälliges positives Ergebnis des Prozesses gegen Lüscher die Auseinandersetzung unter den beiden Gesellschaftern noch vorgenommen werden muss. Dem Berufungsantrag, die Klage sei von der Hand zu weisen, ist daher nicht stattzugeben.
2.
In der Sache selbst ist davon auszugehen, dass das Vertragsverhältnis, welches die Parteien am 31. Juli 1952 abschlossen, einen Mäklervertrag in der Gestalt der Vermittlungsmäkelei darstellte. Nach der durch die Parteivereinbarung nicht abgeänderten gesetzlichen Regelung des
Art. 413 OR
war der vorgesehene Mäklerlohn durch den
BGE 81 II 358 S. 363
Beklagten verdient, wenn und sobald der Geschäftsverkauf durch seine Vermittlung zustande gekommen war.
Der Beklagte behauptet nun, diese Voraussetzung sei erfüllt, da auf Grund seiner Bemühungen zwischen der Klägerin und Trautmann ein Kaufvertrag abgeschlossen worden sei.
Zur Begründung dieses Standpunktes hatte der Beklagte im kantonalen Verfahren vorgebracht, der Kaufvertrag zwischen der Klägerin und Trautmann sei am 5. September 1952 dadurch zustande gekommen, dass Trautmann das als "Vorkaufsvertrag" bezeichnete Schriftstück unterschrieben habe. Über die Unhaltbarkeit dieser von der Vorinstanz verworfenen Rechtsauffassung hat sich der Beklagte offenbar Rechenschaft gegeben, da er in der Berufung nicht mehr auf sie zurückkommt. Er macht jetzt geltend, durch die Unterzeichnung des Vorkaufsvertrages am 5. September 1952 habe Trautmann eine Kaufsofferte gestellt, die dann am 9. September seitens der Klägerin dadurch angenommen worden sei, dass sie das ihr vom Beklagten übersandte Doppel des "Vorkaufsvertrages" unterzeichnet und an den Beklagten zurückgeschickt habe; damit sei der Kaufvertrag am 9. September 1952 so, wie er im "Vorkaufsvertrag" umschrieben wurde, zustande gekommen.
Es ist deshalb zu prüfen, ob diese neue rechtliche Würdigung des von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalts zutreffe. Welche Tragweite dem von Trautmann am 5. September 1952 unterzeichneten "Vorkaufsvertrag" in rechtlicher Beziehung zukomme, sowie welche rechtliche Bedeutung die Zustellung dieses Schriftstücks durch die Beklagte an die Klägerin und seine Unterzeichnung und Rücksendung durch diese gehabt habe, muss im Lichte des Vertrauensprinzipes beurteilt werden.
Geht man hievon aus, so ergibt sich, dass weder Trautmann noch der Beklagte in guten Treuen der Meinung sein konnten, das Schriftstück vom 5. September 1952, das bezeichnenderweise als "Vorkaufsvertrag" überschrieben
BGE 81 II 358 S. 364
war, stelle inhaltlich eine Offerte zu einem fertigen Kaufvertrag dar, an den die Klägerin gebunden sei, sobald sie ihre Unterschrift darunter setze. Vor allem aber brauchte die Klägerin, bzw. deren Teilhaber, dies nach den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht so aufzufassen. Denn ganz abgesehen von dem Vorbehalt, wonach Trautmann noch Gelegenheit geboten sein sollte, die ihm gemachten Angaben im Geschäft zu überprüfen, waren ja die Zahlungsbedingungen noch weitgehend offen und bedurften, wie der Vorvertrag ausdrücklich erwähnte, noch der Besprechung und Bereinigung durch die Kaufvertragsparteien. Die Behauptung des Beklagten, es habe sich dabei um blosse Nebenpunkte im Sinne von
Art. 2 OR
gehandelt, widerspricht der Lebenserfahrung. Jeder Verkäufer will sich doch über die Zahlungsfähigkeit des Käufers vergewissern, die Zahlungsweise für so beträchtliche Summen festlegen und sich allenfalls dafür Sicherheit geben lassen. Dies gilt in ganz besonderem Masse für die hier vorliegenden Verhältmsse; denn es versteht sich von selbst, dass für die Kläger als kleine Handwerker ein Betrag zwischen Fr. 10'000.-- und 30'000.--, der die Hälfte des vorgesehenen Kaufpreises ausmachte, keine Kleinigkeit darstellte. Unter diesen Umständen durfte daher der Beklagte dem Schriftstück vom 5. September 1952 niemals die von ihm heute behauptete Tragweite beimessen, und noch weniger brauchten die Kläger dies bei seiner Unterzeichnung zu tun. Die am 9. September 1952 vorhandene Sachlage konnte vielmehr von ihnen in guten Treuen nur dahin verstanden werden, dass Trautmann ein ernsthafter Kaufsinteressent sei, der grundsätzlich bereit sei, einen Kaufpreis von Fr. 60'000.-- auszulegen und zur Bestätigung seines Kaufwillens bereits Fr. 5000.-- anbezahlt habe; ferner dass er nächstens zu ihnen ins Geschäft kommen werde, um die ihm gemachten Angaben genau zu überprüfen und naturgemäss sich die Angelegenheit je nach dem Ergebnis dieser Prüfung nochmals zu überlegen; endlich dass noch eingehend zu verhandeln sei über den von Trautmann im
BGE 81 II 358 S. 365
"Vorkaufsvertrag" gemachten unfertigen Vorschlag zur Regelung der Zahlungsbedingungen. Sie durften also mit andern Worten zum Schlusse kommen, dass die Verkaufsverhandlungen bis zu einem gewissen Punkte gediehen seien, aber bezüglich der genannten wichtigen Fragen noch eine Einigung erzielt werden müsse, bevor der Kaufvertrag abgeschlossen werden könne, und dass Trautmann zu weiteren Unterhandlungen bei ihnen im Geschäft erscheinen werde. Die Unterzeichnung des "Vorkaufsvertrages" durch die Kläger besagte deshalb bloss, dass sie von diesem Stand der Dinge Kenntnis nahmen und mit dem vorgesehenen weiteren Vorgehen einverstanden waren, aber nicht mehr.
Nach dem Gesagten fehlten somit im Zeitpunkt der Unterzeichnung des sogenannten Vorkaufsvertrages durch die Kläger noch zwei Dinge zum Zustandekommen des Kaufvertrages: Erstens die Einigung über die genauen Zahlungsbedingungen für den in Aussicht genommenen Kaufpreis von Fr. 60'000.--, und zweitens eine Überprüfung der dem Interessenten gemachten Angaben durch diesen.
Der Beklagte behauptet nun selber nicht, dass über den ersten Punkt eine Besprechung, geschweige denn eine Einigung stattgefunden habe. Schon aus diesem Grunde ist daher ein Kaufvertrage nie zustandegekommen. Es braucht deshalb nicht untersucht zu werden, wie es sich mit der oben genannten zweiten Voraussetzung des Vertragsschlusses verhält.
3.
Mangels Zustandekommens des beabsichtigten Kaufvertrages hat der Beklagte den Mäklerlohn nicht verdient. Er konnte daher auch nicht einen Anspruch dieser Art mit den Fr. 5000.-- verrechnen, die ihm von Trautmann als Kaufpreisanzahlung im Hinblick auf einen allfälligen Kaufvertrag mit der Klägerin übergeben worden waren. Da diese infolge Nichtzustandekommens des Kaufvertrages grundlos erfolgte Zahlung dem Trautmann durch die Klägerin zurückerstattet worden ist, muss der Beklagte als Beauftragter gemäss
Art. 400 OR
, welche Bestimmung
BGE 81 II 358 S. 366
nach
Art. 412 Abs. 2 OR
auf den Mäklervertrag anwendbar ist, der Klägerin als Auftraggeberin das aushändigen, was er in Erfüllung des Auftrages empfangen hat. Dieser Anspruch der Klägerin ist entgegen der Meinung des Beklagten nicht ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung, der in einem Jahre verjähren würde; es handelt sich dabei vielmehr um eine aus dem Auftragsverhältnis fliessende Forderung, für deren Verjährung die 10-jährige Frist des
Art. 127 OR
gilt, wie die Vorinstanz zutreffend angenommen hat.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 27. Januar 1955 wird bestätigt. | public_law | nan | de | 1,955 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
c288d7b4-fa22-40b9-b14a-4cf7fe39580e | Urteilskopf
119 Ib 374
38. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 30. September 1993 i.S. Gewerkschaft Verkauf, Handel, Transport, Lebensmittel (VHTL) und Kaufmännischer Verband Zürich (KVZ) gegen Eidgenössisches Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartement u. Mitb. (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Art. 40 Abs. 1 lit. g EBG
und
Art. 48 VwVG
; Beschwerdebefugnis von Gewerkschaften im eisenbahnrechtlichen Anstandsverfahren um Ladenöffnungszeiten.
Die Gewerkschaft Verkauf, Handel, Transport, Lebensmittel (VHTL) und der Kaufmännische Verband Zürich (KVZ) sind weder nach
Art. 48 lit. a VwVG
(E. 2a) noch nach dessen lit. b (E. 2b) legitimiert, eine im eisenbahnrechtlichen Anstandsverfahren ergangene Verfügung über Nebenbetriebsstatus und Öffnungszeiten von Verkaufsgeschäften im Hauptbahnhof Zürich mit Verwaltungsbeschwerde beim Eidgenössischen Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartement anzufechten. | Sachverhalt
ab Seite 375
BGE 119 Ib 374 S. 375
Das Bundesamt für Verkehr (Bundesamt; BAV) bezeichnete am 11. Juli 1990 19 Geschäfte und Dienstleistungsbetriebe im Hauptbahnhof Zürich gemäss Mieterverzeichnis der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) vom 12. März 1990 als Nebenbetriebe im Sinne von Art. 39 Abs. 1 und 3 des Eisenbahngesetzes vom 20. Dezember 1957 (EBG; SR 742.101). Es ordnete an, dass diese täglich zwischen 08.00 und 20.00 Uhr offenzuhalten seien. Für 29 Geschäfte sah es eine kommerzielle Nutzung nach
Art. 39 Abs. 4 EBG
im Rahmen der kantonalen und städtischen Öffnungs- und Schliessungszeiten vor.
Auf verschiedene Beschwerden hin bestätigte das Eidgenössische Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartement am 24. November 1992 die vorgesehenen Ladenöffnungszeiten, anerkannte insgesamt aber 38 Geschäfte und Dienstleistungsunternehmungen als Bahnnebenbetriebe. Fünf Einrichtungen bewertete es aufgrund der vorgelegten Geschäftskonzepte als kommerzielle Nutzungen. Soweit die Gewerkschaft Verkauf, Handel, Transport, Lebensmittel (VHTL) und der Kaufmännische Verband Zürich (KVZ) gegen den Entscheid des Bundesamtes Beschwerde geführt hatten, trat das Departement auf ihre Eingabe nicht ein.
Die Gewerkschaft Verkauf, Handel, Transport, Lebensmittel (VHTL) und der Kaufmännische Verband Zürich (KVZ) machen mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde geltend, das Departement habe ihnen "mit einer völlig unhaltbaren Argumentation" die Beschwerdelegitimation nach
Art. 48 VwVG
abgesprochen: Die Zahl der Verbandsmitglieder, die im Hauptbahnhof Zürich tätig seien, könne für die Beschwerdeberechtigung nicht ausschlaggebend sein. Mit Blick auf den Verbandszweck und Art. 65 der Verordnung II vom 14. Januar 1966 zum Bundesgesetz über die Arbeit in Industrie, Gewerbe und Handel (Vo II zum ArG; SR 822.112) seien VHTL und
BGE 119 Ib 374 S. 376
KVZ durch die Nebenbetriebsfrage besonders betroffen und daher beschwerdelegitimiert.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab
Erwägungen
aus folgenden Erwägungen:
2.
Die Legitimation zur Verwaltungsbeschwerde gegen den Entscheid des Bundesamtes bestimmt sich nach
Art. 48 VwVG
(vgl.
BGE 116 Ib 349
E. 2c; bestätigt im unveröffentlichten Entscheid vom 8. November 1990 i.S. Mietervereinigung Zentrum Hauptbahnhof Zürich u. Mitb. c. EVED, E. 2a). Nach dieser Bestimmung kann Beschwerde führen, wer durch die angefochtene Verfügung berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung hat (lit. a), oder jede andere Person, Organisation oder Behörde, die das Bundesrecht als solche zur Beschwerde ermächtigt (lit. b).
a) aa) Das schutzwürdige Interesse nach
Art. 48 lit. a VwVG
kann rechtlicher oder bloss tatsächlicher Natur sein und braucht mit dem Interesse, das durch die vom Beschwerdeführer als verletzt bezeichneten Normen geschützt wird, nicht übereinzustimmen. Immerhin wird verlangt, dass der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Entscheid stärker als jedermann betroffen ist und in einer besonderen, beachtenswerten, nahen Beziehung zur Streitsache steht. Ein schutzwürdiges Interesse liegt vor, wenn die tatsächliche oder rechtliche Situation des Beschwerdeführers durch den Ausgang des Verfahrens beeinflusst werden kann. Diese Anforderungen sollen die Popularbeschwerde ausschliessen. Ihnen kommt dann besondere Bedeutung zu, wenn, wie hier, nicht der Verfügungsadressat im materiellen Sinn, sondern ein Dritter den Entscheid anficht. Ist auch in einem solchen Fall ein unmittelbares Berührtsein, eine spezifische Beziehungsnähe gegeben, so hat der Beschwerdeführer ein ausreichendes Rechtsschutzinteresse daran, dass der angefochtene Entscheid aufgehoben oder abgeändert wird. Sein Interesse besteht im praktischen Nutzen, den ihm die erfolgreiche Beschwerde eintragen würde, das heisst in der Abwendung eines materiellen oder ideellen Nachteils, den der angefochtene Entscheid für ihn zur Folge hätte (
BGE 116 Ib 323
E. 2a).
Einem Berufsverband steht die Beschwerdelegitimation nach
Art. 48 lit. a VwVG
zur Wahrung der Interessen seiner Mitglieder zu, wenn er als juristische Person konstituiert ist, die einzelnen Mitglieder
BGE 119 Ib 374 S. 377
zur Beschwerde legitimiert wären, die Wahrung der Interessen der Mitglieder zu seinen statutarischen Aufgaben gehört und er tatsächlich ein Interesse der Mehrheit oder mindestens einer Grosszahl seiner Mitglieder vertritt (
BGE 113 Ib 365
E. 2a; ALFRED KÖLZ/ISABELLE HÄNER, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, Zürich 1993, Rz. 244; FRITZ GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, Bern 1983, S. 159 ff.).
bb) Die Gewerkschaft Verkauf, Handel, Transport, Lebensmittel (VHTL) ist ein Verein im Sinne von
Art. 60 ZGB
, der nach Art. 2 seiner Statuten als Arbeitnehmerorganisation die materiellen, beruflichen, sozialen und kulturellen Interessen seiner Mitglieder wahrnimmt und für eine gerechte Gesellschaft- und Wirtschaftsordnung kämpft. Die Verfügung des Bundesamtes für Verkehr über die Bahnnebenbetriebe und ihre Öffnungszeiten im Hauptbahnhof Zürich berührte ihn nicht unmittelbar in seiner eigenen rechtlichen oder tatsächlichen Stellung; mit der Beschwerde an das Departement hätte er bei einem Obsiegen weder einen materiellen noch einen ideellen Nachteil von sich selber abwenden können, weshalb das Departement ihm die Beschwerdelegitimation nacht
Art. 48 lit. a VwVG
zu Recht abgesprochen hat. Dasselbe gilt für den Kaufmännischen Verband Zürich (KVZ), der die "Sicherung und Verbesserung der wirtschaftlichen, sozialen, gesellschaftlichen und rechtlichen Lage seiner Mitglieder" bezweckt. Dass beide Organisationen die Interessen des Verkaufspersonals zu schützen suchen und als Vertragspartner an einer Vielzahl von Gesamtarbeitsverträgen beteiligt sind, lässt sie durch den Entscheid des Bundesamtes noch nicht in einem schutzwürdigen, eigenen Interessen betroffen erscheinen.
cc) Die Beschwerdeführer berufen sich sinngemäss auch auf ein Beschwerderecht zugunsten ihrer Mitglieder. Zu Unrecht: Wenn überhaupt, sind höchstens einige wenige der rund 25'000 VHTL- und der etwa 16'000 KVZ-Mitglieder durch den Entscheid des Bundesamtes für Verkehr betroffen. Ob diese selber zur Beschwerde legitimiert wären, braucht unter diesen Umständen nicht geprüft zu werden. Die Beschwerdeführer machen zwar geltend, es komme nicht darauf an, wie viele Gewerkschaftsmitglieder in den entsprechenden Betrieben beschäftigt würden, sondern allein darauf, dass "mit Sicherheit, mindestens mit grösster Wahrscheinlichkeit, immer wieder Mitglieder der beiden Arbeitnehmerverbände in den betroffenen Läden tätig sein" werden. Wenn nach den privaten Erhebungen der Beschwerdegegner (die Beschwerdeführer konnten keine entsprechenden Angaben liefern) von den 183 Angestellten im Hauptbahnhof
BGE 119 Ib 374 S. 378
Zürich zurzeit nur gerade zwei Mitglieder des KVZ sind, hingegen keiner dem VHTL angehört, erscheint bereits jene Vorgabe zweifelhaft; unabhängig hiervon ist aber die Konstruktion einer virtuellen Betroffenheit, welche daraus abzuleiten wäre, dass die Mitglieder der beiden Verbände zumindest potentielles Verkaufspersonal im Hauptbahnhof Zürich bilden, der Beschwerdelegitimation nach
Art. 48 lit. a VwVG
und
Art. 103 lit. a OG
fremd. Das Eidgenössische Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartement ist demnach auf die Eingabe der beiden Arbeitnehmerorganisationen auch unter diesem Gesichtswinkel zu Recht nicht eingetreten.
b) Zu prüfen bleibt, ob die Beschwerdeführer allenfalls gestützt auf eine andere Bestimmung des Bundesrechts - insbesondere der Arbeitsgesetzgebung - zur Beschwerde legitimiert gewesen wären (
Art. 48 lit. b VwVG
).
aa) Nach dem Bundesgesetz vom 13. März 1964 über die Arbeit in Industrie, Gewerbe und Handel (Arbeitsgesetz, ArG; SR 822.11) ist Nacht- und Sonntagsarbeit grundsätzlich verboten (
Art. 16 und
Art. 18 ArG
). Die kantonale Behörde kann vorübergehende Nacht- und Sonntagsarbeit bewilligen, sofern ein dringendes Bedürfnis nachgewiesen ist; das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit bewilligt für industrielle, die kantonale Behörde für andere Betriebe die dauernde oder regelmässig wiederkehrende Nacht- oder Sonntagsarbeit, wenn eine solche aus technischen oder wirtschaftlichen Gründen unentbehrlich erscheint (
Art. 17 und
Art. 19 ArG
). Die entsprechenden Entscheide können mit Beschwerde angefochten werden, wobei hierzu neben den beteiligten Arbeitgebern und Arbeitnehmern auch "deren Verbände" legitimiert sind, ohne dass es darauf ankäme, ob die betroffenen Arbeitnehmer oder einzelne von ihnen Verbandsmitglieder sind (
Art. 58 Abs. 1 ArG
;
BGE 116 Ib 271
E. 1a, 286 E. 1b).
bb) Aus dieser Regelung lässt sich für das eisenbahnrechtliche Anstandsverfahren nichts ableiten. Die Verfügung des Bundesamtes für Verkehr ergeht weder in Anwendung des Arbeitsgesetzes noch durch eine der dort vorgesehenen Behörden. Wenn der eisenbahnrechtliche Entscheid über den Nebenbetriebsstatus und die Öffnungszeiten mit Blick auf Art. 65 ff. der Vo II zum ArG (Sonderbestimmungen für bestimmte Gruppen von Betrieben oder Arbeitnehmern) für Kioske und Betriebe, die den Bedürfnissen der Reisenden dienen, unter Umständen auch gewisse arbeitsrechtliche Konsequenzen nach sich zieht, rechtfertigt dies eine Ausdehnung der in
Art. 58 ArG
enthaltenen Verbandsbeschwerdebefugnis - über den direkten
BGE 119 Ib 374 S. 379
Anwendungsbereich dieses Gesetzes hinaus - nicht: Bahnnebenbetriebe sind gerade wegen ihres besonderen, an die Bedürfnisse der Reisenden und des Bahnbetriebes geknüpften Status, über den die eisenbahnrechtlichen Aufsichtsbehörden zu befinden haben, von gewissen Regelungen des Arbeitsgesetzes ausgenommen; die nur dort vorgesehene Verbandsbeschwerde kann ohne besondere gesetzliche Grundlage nicht einfach auf das eisenbahnrechtliche Anstandsverfahren übertragen werden.
Art. 39 EBG
regelt als spezielleres Gesetz indirekt die Voraussetzungen, unter denen in Bahnnebenbetrieben Nacht- oder Sonntagsarbeit zulässig ist; gebieten die Bedürfnisse des Bahnbetriebes und der Reisenden abweichende Öffnungszeiten, rechtfertigt sich auch die Anwendung arbeitsrechtlicher Sonderbestimmungen. Art. 65 Vo II zum ArG behält in Abs. 4 die Verfügungen der Eisenbahnaufsichtsbehörden nach
Art. 40 Abs. 1 lit. g EBG
ausdrücklich vor. Das Bundesgesetz vom 8. Oktober 1971 über die Arbeit in Unternehmen des öffentlichen Verkehrs (Arbeitszeitgesetz, AZG; SR 822.21), dem gemäss dessen Art. 1 Abs. 4 durch Verordnung "Nebenbetriebe, die eine notwendige oder zweckmässige Ergänzung eines in Absatz 1 genannten Unternehmens bilden", unterstellt und damit im Hinblick auf die besonderen Bedürfnisse des Reiseverkehrs dem Geltungsbereich des Arbeitsgesetzes ganz entzogen werden können (
Art. 2 Abs. 1 lit. b ArG
), sieht seinerseits die Möglichkeit einer -
Art. 58 Abs. 1 ArG
entsprechenden - Verbandsbeschwerde nicht vor (vgl.
Art. 18 Abs. 2 und 3 AZG
).
Kantonale Ladenschlussvorschriften dürfen heute nur noch der Sicherung der Nacht- und Feiertagsruhe und allenfalls dem Schutz der nicht dem Arbeitsgesetz unterstehenden Personen dienen; der Arbeitnehmerschutz als solcher ist durch das eidgenössische Arbeitsgesetz grundsätzlich abschliessend geregelt (
BGE 101 Ia 486
ff. E. 7). Geht es in
Art. 39 Abs. 3 EBG
nun aber primär um Abweichungen von kantonal- und kommunalrechtlichen Ladenschlussvorschriften, welche gerade nicht dem Schutz des Personals dienen, rechtfertigt sich eine Ausdehnung der Beschwerdebefugnis der Gewerkschaften auf das eisenbahnrechtliche Anstandsverfahren auch vor diesem Hintergrund nicht. | public_law | nan | de | 1,993 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
c28926eb-2146-4c52-aef2-e1c5793ff5f7 | Urteilskopf
112 Ia 413
64. Estratto della sentenza 30 dicembre 1986 della I Corte di diritto pubblico nella causa Meuli c. Schmidt, Municipio di Gerra Gambarogno e Tribunale amministrativo del Cantone Ticino (ricorso di diritto pubblico) | Regeste
Art. 88 OG
; Legitimation des Nachbarn zur Anfechtung einer Baubewilligung mit staatsrechtlicher Beschwerde.
- Grundsatz.
- Der Nachbar ist legitimiert, die Verletzung von Normen über die ästhetische Einordnung von Bauten geltend zu machen, sofern es keine auf das fragliche Projekt anwendbaren spezielle Vorschriften über die Gebäudehöhe und die Grenzabstände gibt: in solchen Fällen erlauben allein diese Normen, die Höchstmasse und die Art der zulässigen Bauten zu umschreiben, und dienen daher teilweise auch dem Schutz der Nachbarn. | Sachverhalt
ab Seite 413
BGE 112 Ia 413 S. 413
Con decisione del 24 giugno 1985 il Municipio di Gerra Gambarogno ha rilasciato a Wolfgang Schmidt la licenza edilizia per la riattazione
BGE 112 Ia 413 S. 414
e l'ampliamento dello stabile e del rustico situati sulle particelle n. 253 e 255, nella zona NV 3 del piano regolatore comunale (PR). Rosemarie Meuli, proprietaria dell'attigua particella n. 256 e già opponente, si è aggravata contro la decisione del Municipio davanti al Consiglio di Stato, che ha respinto l'impugnativa con risoluzione del 7 agosto 1985, poi confermata anche dal Tribunale cantonale amministrativo con sentenza del 25 ottobre successivo.
Rosemarie Meuli è insorta contro codesta sentenza con tempestivo ricorso di diritto pubblico fondato sulla violazione dell'
art. 4 Cost.
ed ha chiesto al Tribunale federale di annullarla, unitamente alla decisione del Consiglio di Stato e alla licenza edilizia rilasciata dal Municipio. Wolfgang Schmidt, il Municipio di Gerra Gambarogno, il Governo cantonale ed il Tribunale amministrativo hanno concluso alla reiezione del gravame.
Erwägungen
Dai considerandi:
1.
(...)
a) Secondo costante giurisprudenza, i terzi sono legittimati ad insorgere contro una licenza edilizia concessa dall'autorità cantonale solo nella misura in cui alleghino, da un lato, la violazione di norme erette quantomeno parzialmente a tutela dei vicini e non solo nell'interesse pubblico, e dimostrino, dall'altro, che la violazione di codeste norme li concerne direttamente, cioè che va loro riconosciuta la qualità di vicini nel caso concreto (
DTF 112 Ia 89
consid. 1b,
DTF 109 Ia 93
/94 consid. b, 172 consid. 4a,
DTF 105 Ia 356
consid. 3a).
b) Gli art. 49 e 52 delle norme d'attuazione del piano regolatore (NAPR), a cui la ricorrente esplicitamente si richiama, disciplinano gli interventi edilizi ammissibili nei nuclei di villaggio ed in particolare nel nucleo di villaggio 3 (NV 3). Ora, la ricorrente pretende che l'art. 49 NAPR è stato arbitrariamente disatteso poiché l'ampliamento e la soprelevazione autorizzati dall'autorità comunale eccedono le possibilità edificatorie consentite dal PR e verrebbero a snaturare l'edificio esistente e l'ambiente circostante; d'altra parte, essa assevera che la licenza edilizia contrasta anche con l'art. 52 n. 4 NAPR poiché l'elevazione di un piano ed il notevole aumento della volumetria creerebbero un blocco ingombrante e disproporzionato che andrebbe a deturpare tutta la zona e a danneggiare in modo particolare la
BGE 112 Ia 413 S. 415
sua proprietà, togliendo luce, spazio e sole.
ba) In linea di principio, le disposizioni comunali e cantonali che concernono l'integrazione estetica delle costruzioni nel quadro paesaggistico ed ambientale sono emanate nell'interesse della collettività ed il vicino non è quindi legittimato ad invocarne la disattenzione mediante ricorso di diritto pubblico (
DTF 112 Ia 90
,
DTF 101 Ia 544
,
DTF 99 Ia 261
consid. 6c; sentenza 4 luglio 1979, in ZBl 81/1980 pagg. 26/27 consid. 3b; sentenza 17 marzo 1986 in re Ziegler, consid. 3b). Nella citata sentenza del 4 luglio 1979 il Tribunale federale ha nondimeno rilevato che per una parte della dottrina e della prassi cantonale queste disposizioni, accanto ad interessi di natura pubblica di per sé preponderanti, possono tutelare in determinate circostanze anche gli interessi privati dei vicini: il confinante che intende avvalersi di questa particolare protezione deve tuttavia dimostrare che la costruzione da lui avversata, dal momento che comporta un grave intervento nel quadro del paesaggio, può determinare anche un pregiudizio diretto per la sua proprietà (ZBl 81/1980 pag. 27 consid. 3c e riferimenti; inoltre: BIANCHI, La legittimazione ricorsuale del terzo in materia estetica, RDAT 1980 pag. 298; SCOLARI, Commentario della Legge edilizia, n. 15 all'art. 43). Fatta questa premessa, il Tribunale federale ha quindi giudicato non arbitraria l'opinione del Tribunale amministrativo grigionese che, chiamato a statuire su un ricorso di un vicino che s'opponeva alla colorazione in blu scuro di una facciata di uno stabile nel centro di Coira, aveva ammesso la legittimazione ricorsuale di questo, ritenendo che con la prevista facciata non poteva esser escluso né un grave deturpamento del quadro ambientale, né un effetto gravemente pregiudizievole del tinteggio sulla proprietà del vicino (ZBl 81/1980 pagg. 27/28 consid. 3d/e).
bb) Nel Comune di Gerra Gambarogno non vi sono disposizioni specifiche sulle altezze degli edifici e sulle distanze da confine che debbono essere osservate per l'ampliamento e la riattazione di uno stabile situato nel nucleo di villaggio 3: in casi di questa indole, le norme di PR invocate dalla ricorrente sull'integrazione estetica degli edifici sono pertanto le uniche che si applicano ad un progetto come quello in rassegna e che consentono soprattutto di definire le dimensioni massime delle costruzioni nei limiti degli interventi edilizi da esse consentiti. Ora, le disposizioni che disciplinano la volumetria degli edifici tendono
BGE 112 Ia 413 S. 416
a garantire buone condizioni abitative nonché un minimo di luce e di sole e sono quindi dettate, sotto questo profilo, nell'interesse dei vicini: ne consegue che gli art. 49 e 52 NAPR, se servono soprattutto a tutelare l'estetica delle costruzioni e a salvaguardare l'interesse pubblico, tendono anche a proteggere gli interessi privati dei vicini, a cui va pertanto riconosciuta la veste per dolersi con ricorso di diritto pubblico d'una loro violazione.
c) La ricorrente si prevale altresì d'una lesione dell'art. 17 n. 2 NAPR ed insorge contro la deroga alla prevista distanza di m 3 che il Municipio ha concesso al resistente onde consentirgli di istallare il corpo ascensore della propria abitazione ad appena 1 m e 50 dal ciglio di un sentiero comunale; essa reputa in sostanza che questa deroga è arbitraria poiché contrasta con lo scopo delle norme che disciplinano l'attività edilizia nei nuclei di villaggio e pregiudica gli interessi dei vicini e della collettività. Ora, per ragioni analoghe a quelle già esposte, la legittimazione della ricorrente dev'essere ammessa anche su codesto punto: in effetti, la norma d'attuazione appena citata non è eretta ad esclusiva tutela dell'interesse pubblico, ma giova anche ai vicini e la ricorrente può quindi pretendere d'essere colpita nei suoi interessi giuridici quale proprietaria del fondo adiacente.
d) Se ne deve concludere che la ricorrente è legittimata ad insorgere contro la licenza edilizia confermata dal Tribunale amministrativo, allegando la violazione degli art. 49, 52 e 17 n. 2 NAPR, e che il ricorso è dunque ricevibile sotto il profilo dell'
art. 88 OG
. | public_law | nan | it | 1,986 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
c28da44c-4162-49ae-9b8c-eac059a5b272 | Urteilskopf
111 Ia 86
17. Arrêt de la IIe Cour de droit public du 7 juin 1985 dans la cause Masse en faillite W. contre Commission cantonale de recours en matière d'impôt du canton de Vaud (recours de droit public) | Regeste
Art. 4 BV
. Grundstückgewinnsteuer, Art. 40, 41 lit. g und 50ter des waadtländischen Steuergesetzes vom 26. November 1956. Masseverbindlichkeit.
1. Zu den Masseverbindlichkeiten gehören ausser den eigentlichen Konkurskosten die von der Masse eingegangenen sowie die von ihr übernommenen Verbindlichkeiten, sowie die öffentlichrechtlichen Schulden - insbesondere die Grundstückgewinnsteuer -, die erst nach der Konkurseröffnung entstanden sind (E. 2c).
2.
Art. 262 SchKG
behandelt alle Massegläubiger gleich und ein Kanton kann sich bei fehlender bundesrechtlicher Vorschrift für seine Steuerforderungen nicht mittels kantonaler Bestimmungen eine Vorrangstellung einräumen (E. 2d).
3. Es ist nicht willkürlich, die Pfandgläubiger, die in gewissen Fällen von der Grundstückgewinnsteuer befreit werden, anders zu behandeln als die nicht pfandgesicherten Gläubiger (E. 3).
4. Verfassungsmässigkeit der Bestimmungen über die Grundstückgewinnsteuer hinsichtlich des Art. 19 KV-VD (E. 4). | Sachverhalt
ab Seite 87
BGE 111 Ia 86 S. 87
Agissant dans le cadre de la faillite de W., l'Office des poursuites d'Yverdon a vendu le 23 décembre 1981 un immeuble du failli aux enchères publiques. La Commission d'impôt du district d'Yverdon a réclamé, à cette occasion, le versement de l'impôt sur les gains immobiliers, correspondant aux 18% du bénéfice réalisé.
Le 8 mars 1982, après avoir payé la totalité du montant demandé, le Préposé à l'Office des poursuites d'Yverdon en a
BGE 111 Ia 86 S. 88
réclamé le remboursement à la Commission d'impôt de district. Celle-ci a rejeté cette demande le 2 juillet 1982.
Saisie du dossier, l'Administration cantonale des impôts a admis partiellement le recours de la masse en faillite en date du 2 décembre 1983. Invoquant sa pratique, elle a décidé de garder le 5% du prix de vente, acceptant de rembourser la différence qui devait être colloquée en cinquième classe dans la faillite. Pour procéder de la sorte, cette autorité se fondait sur l'article 50ter de la loi du 26 novembre 1956 sur les impôts directs cantonaux (LI) qui, en son alinéa 1, dispose:
"Si le contribuable n'a pas de domicile en Suisse ou s'il est notoirement insolvable, les parties contractantes doivent consigner le 5% du prix de vente de l'immeuble afin de garantir le paiement de l'impôt dû."
La masse en faillite a recouru contre cette décision devant la Commission cantonale de recours en matière d'impôt qui l'a déboutée par arrêt du 16 août 1984. L'autorité de recours a estimé en substance que les ventes faites en matière d'exécution forcée sont des aliénations à même de dégager un gain immobilier imposable selon l'art. 40 LI et que l'impôt réclamé constitue, dans le cas particulier, une dette de la masse. Admettant que l'art. 50ter LI n'est pas contraire au droit fédéral, la Commission de recours a relevé la retenue dont a fait preuve l'autorité fiscale dans l'application de cette disposition, le 5% du prix de vente de l'immeuble ne représentant en l'espèce que le 45% du montant total de l'impôt dû; en revanche, le solde d'impôt ne pouvait, à son avis, être colloqué en cinquième classe, puisqu'il s'agit d'une dette de la masse. Le fisc devait par conséquent procéder à une remise pure et simple de ce solde.
Agissant en temps utile par la voie du recours de droit public, la masse en faillite conclut à l'annulation de l'arrêt de la Commission cantonale de recours en invoquant la violation de l'
art. 4 Cst.
, du principe de la force dérogatoire du droit fédéral ainsi que de l'
art. 19 Cst.
vaud.
Le Tribunal fédéral a rejeté le recours dans la mesure où il était recevable.
Erwägungen
Considérant en droit:
2.
La recourante - qui ne conteste pas en soi que les ventes opérées dans le cadre d'une exécution forcée sont des aliénations à même de procurer un gain immobilier imposable au sens
BGE 111 Ia 86 S. 89
des art. 40 et 51 LI - soutient principalement que la décision de la Commission cantonale de recours viole l'
art. 4 Cst.
lorsqu'elle considère que l'impôt sur les gains immobiliers fait partie en l'espèce des dettes de la masse. A l'appui de ce moyen, la recourante se réfère à l'arrêt Ambühl & Co S.A. rendu le 8 décembre 1981 par la Chambre des poursuites et des faillites du Tribunal fédéral (
ATF 107 III 113
).
a) S'agissant de savoir si la dette d'impôt doit être considérée comme une dette de la masse en faillite ou comme une dette ordinaire, il n'appartient pas, selon la jurisprudence, aux autorités de surveillance de la poursuite et de la faillite de trancher une telle question, mais à l'autorité compétente pour statuer sur le fond de la prétention en cause, soit en l'occurrence aux autorités et juridictions administratives (
ATF 107 Ib 304
/305,
ATF 106 III 121
/122 consid. 1,
ATF 85 I 124
consid. 1).
b) Une décision apparaît arbitraire lorsqu'elle viole manifestement une règle claire et incontestée ou lorsqu'elle lèse le sentiment de l'équité d'une manière choquante (
ATF 107 Ia 114
;
ATF 105 Ia 322
, 300;
ATF 104 Ia 295
;
ATF 101 Ib 151
;
100 Ia 468
). Il convient donc d'examiner si l'arrêt de la Commission cantonale de recours est insoutenable quand il admet que la dette d'impôt constitue dans le cas particulier une dette de la masse. A cet égard, il s'avère inutile de décider si la jurisprudence dégagée par le Tribunal fédéral dans son arrêt Ambühl & Co S.A. peut être maintenue dès lors qu'il ne s'agit pas des mêmes états de fait. Dans l'arrêt du 8 décembre 1981, le Tribunal fédéral a tranché un problème relatif à une saisie dans le cadre de laquelle un séquestre fiscal cantonal a été déclaré inadmissible, alors que la présente affaire concerne une masse en faillite.
c) Outre les frais de faillite proprement dits au sens de l'
art. 262 al. 1 LP
, les dettes de la masse comprennent les obligations contractuelles conclues ou reprises par la masse elle-même, ainsi que des obligations de droit public dont l'origine se trouve dans un fait réalisé après l'ouverture de la faillite (
ATF 107 Ib 305
). Cette règle vaut également pour les créances d'impôt, notamment pour l'impôt sur les gains immobiliers (
ATF 96 I 246
,
ATF 62 III 130
, 51 III 212; Archives 30, p. 313; RIVIER, Droit fiscal suisse, p. 365; REIMANN/ZUPPINGER/SCHÄRRER, Kommentar zum zürcher Steuergesetz, rem. 18, ad part. 116, p. 577; BLUMENSTEIN, Die Zwangsvollstreckung für öffentlich-rechtliche Geldforderungen nach schweiz. Recht, in Festgabe zur
BGE 111 Ia 86 S. 90
Feier des 50. Bestehens des schweiz. Bundesgerichtes, Berne 1924, p. 248-251).
Comme en l'occurrence la vente de l'immeuble en cause s'est produite après la déclaration de faillite, la dette fiscale relative à l'impôt sur les gains immobiliers apparaît, à l'évidence, comme une dette de la masse, non susceptible d'être colloquée, en tout ou partie, en cinquième classe (
ATF 106 III 124
; BLUMENSTEIN, Handbuch des schweiz. Schuldbetreibungsrecht, p. 773). L'arrêt de la Commission cantonale de recours n'est dès lors nullement insoutenable à cet égard et le grief d'arbitraire soulevé à son propos par la recourante s'avère ainsi manifestement mal fondé. Peu importe que l'autorité fiscale ait utilisé, en l'espèce, comme critère de la quotité de ses prétentions, le 5% du prix de vente de l'immeuble. En effet, l'impôt étant dû dans sa totalité en application des art. 40 et 51 LI, le fisc n'avait pas, contrairement à ce que semble soutenir la recourante, à se fonder en plus sur l'art. 50ter LI pour justifier sa créance. Si l'autorité fiscale a finalement limité ses prétentions au montant consigné, elle n'a procédé de la sorte que par mesure d'équité. La masse en faillite ne saurait invoquer, par conséquent, une éventuelle inconstitutionnalité de l'art. 50ter LI relatif aux sûretés pour contester son obligation de verser la somme exigée.
d) Sur le fond, la recourante ne critique pas la demande même des sûretés qui lui ont été réclamées par l'Administration cantonale des impôts, mais le prélèvement de l'impôt sur les gains immobiliers. Dès lors, il n'appartient pas au Tribunal fédéral, statuant dans le cadre d'un recours de droit public, d'examiner si le fait d'exiger dans le cas particulier des sûretés viole le droit constitutionnel fédéral ou cantonal; il est lié par les moyens que la recourante fait effectivement valoir dans son mémoire (
ATF 107 Ia 186
,
ATF 96 I 17
, 451). Tout au plus convient-il de relever que le canton ne peut, par le biais de dispositions de droit public et sous le couvert de l'
art. 44 LP
qui réserve la réalisation d'objets confisqués en vertu des lois pénales et fiscales de la Confédération et des cantons, introduire en sa faveur un privilège par rapport aux autres créanciers de la masse. L'
art. 262 LP
place en effet tous ces créanciers sur un même pied et un canton n'est pas habilité, en l'absence de norme fédérale, à s'attribuer un tel avantage pour ses créances de droit public. Toutefois, dans le cas particulier, il ressort de l'état de fait que toutes les dettes de la masse sont largement couvertes par le produit de la vente de l'immeuble; le fisc ne
BGE 111 Ia 86 S. 91
bénéficie donc d'aucun avantage indu dans la mesure où, d'une part, tous les autres créanciers de la masse ont été payés et, d'autre part, en vertu de l'
art 262 LP
qui impose à la masse en faillite d'acquitter ses dettes avant la distribution des deniers, l'impôt aurait été de toute façon payé avant les créances colloquées, même en l'absence de sûretés.
3.
Considérant que "l'impôt sur les gains immobiliers ne fait en définitive qu'augmenter la perte des créanciers chirographaires", la recourante prétend que l'art. 41 lettre g LI - qui prévoit une exemption du paiement de l'impôt en cas de vente forcée lorsque les créanciers garantis par gage sur l'immeuble aliéné ne sont pas entièrement désintéressés - consacrerait une inégalité de traitement entre créanciers, incompatible avec l'
art. 4 Cst.
a) Selon la jurisprudence, le principe de l'égalité de traitement ne permet pas de faire, entre divers cas, des distinctions qu'aucun fait important ne justifie ou de soumettre à un régime identique des situations de fait qui présentent entre elles des différences importantes et de nature à rendre nécessaire un traitement différent (
ATF 110 Ia 13
/14,
ATF 103 Ia 519
,
ATF 100 Ia 328
). On admet également qu'une réglementation viole l'
art. 4 Cst.
lorsqu'elle ne repose pas sur des motifs sérieux, n'a ni sens ni but, opère des distinctions qui ne trouvent pas de justification dans les faits à réglementer ou n'opère pas celles qui s'imposent en raison de ces faits (
ATF 108 Ia 114
,
ATF 104 Ia 295
). Dans ces limites, le législateur dispose toutefois d'un pouvoir formateur étendu (
ATF 110 Ia 14
, notamment pour ce qui concerne la façon d'aménager les impôts, c'est-à-dire dans un domaine qui dépend très largement de facteurs politiques (
ATF 104 Ia 295
,
ATF 99 Ia 653
). Aussi le pouvoir d'examen du Tribunal fédéral en la matière ne s'exerce-t-il que sous l'angle restreint de l'arbitraire et avec une grande retenue.
b) Dans le cas particulier, le législateur cantonal a exempté, dans certains cas, les créanciers gagistes de l'impôt sur les gains immobiliers, alors qu'il n'a pas prévu cette possibilité pour les créanciers chirographaires. Cette différence de traitement se justifie cependant en raison de la nature particulière de chaque catégorie de créances. Celles-ci ne sont en effet pas identiques quant à leur relation avec l'immeuble, objet de l'aliénation sujette à l'impôt sur les gains immobiliers, et cette différence est déjà consacrée par le droit fédéral qui, à l'
art. 219 LP
, aménage un privilège important au bénéfice des créanciers gagistes. Dès lors, établissant une distinction justifiée par des situations différentes, la réglementation
BGE 111 Ia 86 S. 92
prévue aux art. 40 et 41 lettre g LI ne constitue pas une inégalité de traitement contraire à l'
art. 4 Cst.
; les critiques de la recourante à cet égard ne peuvent être que rejetées.
c) Il convient, en outre, de relever que le grief tiré du principe de la force dérogatoire du droit fédéral et dirigé également contre l'art. 41 lettre g LI n'est pas motivé selon les exigences posées par l'
art. 90 OJ
; bien qu'elle cite à ce propos de la jurisprudence, la recourante omet d'indiquer quelles dispositions du droit fédéral seraient, selon elle, touchées par la disposition cantonale contestée. En l'absence de cet élément essentiel, le moyen concernant une éventuelle violation de l'art. 2 Disp. trans. Cst. doit être déclaré irrecevable.
4.
La recourante soutient par ailleurs que le prélèvement de l'impôt est contraire à l'
art. 19 Cst.
vaud., qui consacre le principe de l'imposition du contribuable en fonction de ses facultés économiques. Ce grief est recevable, bien qu'il n'ait pas été invoqué devant la juridiction cantonale, dans la mesure où celle-ci pouvait revoir librement la décision des autorités fiscales et devait appliquer le droit d'office (
ATF 107 Ia 266
, 191;
ATF 102 Ia 246
;
ATF 100 Ia 270
; KÄLIN, Das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde, p. 314).
Il convient tout d'abord de relever que l'impôt sur les gains immobiliers en droit vaudois est un impôt à caractère réel prépondérant, frappant non pas le revenu d'une personne déterminée mais une opération, soit l'aliénation d'un immeuble dégageant un gain immobilier, sans tenir compte en principe de la capacité contributive ou des pertes éventuelles que le contribuable a subies par ailleurs (PASCHOUD, L'impôt sur les gains immobiliers en droit vaudois, thèse Lausanne 1981, p. 21; RIVIER, op.cit., p. 39). D'une manière générale, on peut douter que l'
art. 19 Cst.
vaud. prohibe un tel impôt, dont l'existence est généralement admise en Suisse. Il n'est du reste pas arbitraire de soutenir que l'existence même du gain immobilier fait apparaître une capacité contributive.
Dans le cas particulier du gain réalisé lors d'une vente par une masse en faillite, on peut certes se demander s'il est équitable de prélever un tel impôt. Bon nombre de législations cantonales, mais pas toutes, y renoncent. La doctrine est partagée à ce sujet, tant sur le bien-fondé d'une exemption que sur ses modalités (DIETLER, Die Grundstückgewinnsteuer in den Kantonen, thèse Berne 1964, p. 44 et 47;
BGE 111 Ia 86 S. 93
LOCHER, Das Objekt der bernischen Grundstückgewinnsteuer, thèse Berne 1976, p. 175/176, 213 s.; OCHSNER, Die Besteuerung der Grundstückgewinne in der Schweiz, thèse Zurich 1976, p. 113; NEKOLA, Besteuerung des Grundeigentums im Privatvermögen in der Schweiz, thèse Zurich 1976, p. 116; STOFFEL, Die Liegenschaftsgewinnsteuer im Kanton Wallis, thèse Fribourg 1971, p. 84/85; HÖHN, Die Problematik der zürcherischen Grundstückgewinnsteuer, ZBl 59/1958, p. 219). Le droit vaudois lui-même a prévu certains assouplissements (art. 41 lettres g et h LI). Enfin, l'arrêt
ATF 52 I 211
, invoqué par la recourante, a précisément laissé la question ouverte pour un impôt du type de celui ici en cause. Dans ces conditions, compte tenu de l'importante marge d'appréciation que le Tribunal fédéral reconnaît en la matière au législateur cantonal (ATF
ATF 104 Ia 295
), le prélèvement de l'impôt ne constitue pas en l'espèce une violation de l'
art. 19 Cst.
vaud. | public_law | nan | fr | 1,985 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
c2937492-6cfb-4994-92b4-d8dca46bec5f | Urteilskopf
116 II 622
110. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour civile du 29 novembre 1990 dans la cause N. contre Banque X. et Cour de justice du canton de Genève (recours de droit public) | Regeste
Internationales Privatrecht; Zuständigkeit der Gerichte; Gerichtsstandsvereinbarung; Übergangsrecht (
Art. 5 und 197 IPRG
,
Art. 49 Abs. 1 OG
).
Ist eine Klage unter der Herrschaft des alten Rechts eingeleitet worden, so ist die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts im Lichte des kantonalen oder eidgenössischen Rechts zu prüfen, das die Zuständigkeit im Einzelfall regelte. Vorliegend bestimmte sich die örtliche Zuständigkeit der Genfer Gerichte, da sie sich aus einer Gerichtsstandsklausel ergab, ausschliesslich nach kantonalem Prozessrecht, dessen Verletzung nur auf dem Wege der staatsrechtlichen Beschwerde geltend gemacht werden kann. | Sachverhalt
ab Seite 622
BGE 116 II 622 S. 622
A.-
Le 30 juillet 1986, la Banque X., dont le siège principal est à Y. (Suisse), a assigné N., industriel libanais domicilié à Sao Paulo
BGE 116 II 622 S. 623
(Brésil), devant les tribunaux genevois, en paiement d'une somme d'argent. Le défendeur a excipé d'entrée de cause de l'incompétence ratione loci des juridictions genevoises.
Par jugement du 5 janvier 1989, le Tribunal de première instance du canton de Genève a admis son incompétence à raison du lieu et déclaré la demande irrecevable. Statuant le 22 septembre 1989, sur appel de la demanderesse, la Cour de justice du canton de Genève, après avoir annulé le jugement attaqué, a constaté la compétence des tribunaux genevois pour connaître de la cause et renvoyé le dossier au Tribunal de première instance pour instruction et nouvelle décision.
B.-
Parallèlement à un recours en réforme, qui a été déclaré irrecevable, le défendeur a exercé un recours de droit public pour violation de l'
art. 4 Cst.
en concluant à l'annulation de l'arrêt de la Cour de justice et à la constatation de l'irrecevabilité de la demande du fait de l'incompétence ratione loci des autorités judiciaires genevoises.
Le Tribunal fédéral a rejeté le recours, dans la mesure où il était recevable, au motif que la cour cantonale n'avait pas violé l'
art. 4 Cst.
en admettant la validité de la clause de prorogation de for en faveur des tribunaux genevois figurant dans les conditions générales de la banque.
Erwägungen
Extrait des considérants:
5.
b) Selon la jurisprudence, les modifications de la loi fédérale d'organisation judiciaire (OJ), introduites par la loi fédérale sur le droit international privé (LDIP), ne s'appliquent qu'aux décisions rendues postérieurement au 1er janvier 1989 (
ATF 115 II 301
/302). L'
art. 49 al. 1 OJ
modifié est donc applicable en l'espèce, du moment que l'arrêt attaqué est postérieur à cette date; il ouvre la voie du recours en réforme contre les décisions préjudicielles ou incidentes prises séparément du fond par les juridictions visées à l'
art. 48 al. 1 et 2 OJ
pour violation des prescriptions de droit fédéral sur la compétence à raison de la matière ou sur la compétence territoriale, soit locale, soit internationale. La modification intervenue n'a ainsi pas d'incidence in casu, puisqu'elle laisse intacte l'exigence de la violation d'une prescription de droit fédéral.
La loi fédérale sur le droit international privé régit, en matière internationale, la compétence des autorités judiciaires ou
BGE 116 II 622 S. 624
administratives suisses (
art. 1er al. 1 let. a LDIP
). La compétence du juge - suisse ou étranger - ressortit donc exclusivement à la nouvelle loi (VOLKEN, Conflits de juridictions, entraide judiciaire, reconnaissance et exécution des jugements étrangers, in: Le nouveau droit international privé suisse, Lausanne 1988, p. 238 ss; KNOEPFLER/SCHWEIZER, Précis de droit international privé suisse, p. 197 n. 609; BROGGINI, Norme procedurali della nuova legge, in: Il nuovo diritto internazionale privato in Svizzera, Milan 1990, p. 294). Il en va notamment ainsi pour l'élection de for, laquelle est reconnue et réglée expressément par l'
art. 5 LDIP
(VOLKEN, op.cit., p. 242; VON OVERBECK, Les élections de for selon la loi fédérale sur le droit international privé, in: Festschrift für Max Keller zum 65. Geburtstag, p. 610; STAEHELIN, in: Das neue Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht in der praktischen Anwendung, Zurich 1990, p. 108). Ladite loi était-elle applicable en l'espèce? Pour le savoir, il faut en analyser les dispositions transitoires.
Aux termes de l'
art. 197 al. 1 LDIP
, les autorités judiciaires ou administratives suisses saisies d'actions et requêtes avant l'entrée en vigueur de la présente loi le restent, même si leur compétence n'est plus établie par cette loi. La disposition citée, qui reprend, avec une modification sans incidence sur la question à trancher, l'art. 184 al. 1 du projet de loi, vise, entre autres objectifs, à garantir une continuité et une certaine sécurité du droit (Message du Conseil fédéral du 10 novembre 1982, FF 1983 I 454/455); elle prévoit à cette fin, pour les procès pendants, la survie de la loi ancienne lorsque celle-ci établit la compétence d'une autorité judiciaire ou administrative suisse, alors que la nouvelle loi supprime cette compétence (ROSSEL, Le champ d'application dans le temps des règles sur l'arbitrage international contenues dans le chapitre 12 de la loi fédérale sur le droit international privé, in: Bulletin de l'Association suisse de l'arbitrage, 1988, p. 295). Par conséquent, si une action a été introduite sous l'empire de la loi ancienne, la compétence du tribunal saisi doit être examinée à la lumière du droit alors applicable, soit du droit cantonal ou du droit fédéral qui déterminait la compétence dans le cas particulier. L'ancien droit, s'il était du domaine réservé aux cantons, n'en devient pas pour autant du droit fédéral. Les arguments avancés par l'autorité intimée à l'appui de la solution retenue par elle - applicabilité de l'
art. 5 LDIP
pour décider de la validité de la prorogation de for - n'apparaissent guère convaincants: l'
art. 196
BGE 116 II 622 S. 625
LDIP
, auquel la Cour de justice se réfère, ne règle pas la question du droit transitoire en matière de compétence (
ATF 116 II 211
consid. 2b); quant à l'
art. 197 al. 2 LDIP
, ses conditions d'application ne sont manifestement pas réalisées en l'espèce, puisque le jugement de première instance a été rendu après l'entrée en vigueur de ladite loi et que, de surcroît, la cour cantonale estime que la compétence des autorités judiciaires suisses devrait être admise même s'il fallait faire abstraction, en l'espèce, de l'
art. 5 LDIP
.
Il reste à rechercher si la compétence des autorités judiciaires saisies sous l'empire de l'ancien droit était alors fondée sur des règles de droit fédéral ou de droit cantonal. Selon une jurisprudence constante, les clauses de prorogation de for sont régies par le droit cantonal, même si elles dérogent à une règle dispositive du droit fédéral sur le for (
ATF 102 II 393
/394 consid. 7 et les arrêts cités). Cette jurisprudence vaut également pour les procédures présentant un caractère d'extranéité (
ATF 87 III 27
ss,
ATF 76 II 249
/250 consid. 1), en l'absence d'un traité international (
ATF 76 II 250
consid. 2).
c) Au terme de cet examen, il apparaît qu'au moment de l'introduction de l'action, la compétence des autorités saisies était régie exclusivement par le droit cantonal de procédure. Le recours de droit public est, en conséquence, recevable, dès lors que la Cour de justice a appliqué à tort le droit fédéral pour résoudre le problème litigieux. | public_law | nan | fr | 1,990 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
c294d995-6b59-4d69-aa08-28eb9b57e519 | Urteilskopf
105 Ib 136
21. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 6. Februar 1979 i.S. S. gegen Eidg. Zollrekurskommission (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Gemeinschaftliches Versandverfahren (Abkommen zwischen der Schweiz und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vom 23. November 1972); Bedeutung von Dienstanweisungen.
1. Dienstanweisungen sind nicht Verfügungen im Sinne von
Art. 5 VwVG
und können weder mit Verwaltungsbeschwerde, noch mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten werden. Überprüfung einer in Anwendung einer Dienstanweisung ergangenen Verfügung.
2. Begriff der "Umladung" im Sinne von Art. 24 Abs. 1 der Verordnung über das gemeinschaftliche Versandverfahren. | Sachverhalt
ab Seite 137
BGE 105 Ib 136 S. 137
Im Juli 1975 gab S. im süddeutschen Raum mittels Prospekten und Preislisten bekannt, dass er Personen, die in der Bundesrepublik Deutschland wohnen, zollfrei Spirituosen, Tabakwaren und Parfums liefern könne. Er nahm diesbezügliche Bestellungen entgegen, leitete diese nach Belgien weiter und liess dort die bestellten Waren in Pakete verpacken, die lediglich soviel Gegenstände enthielten, dass sie im Rahmen der Toleranzen zollfrei in die Bundesrepublik eingeführt werden konnten. Die Pakete wurden in der Folge im gemeinschaftlichen Versandverfahren, mit Versandpapieren T 1, die vom Zollamt Antwerpen ausgestellt worden waren, über Luxemburg, Frankreich und die Schweiz nach St. Margrethen gebracht und bei der dortigen Gepäckaufbewahrungsstelle der SBB deponiert. Die Kunden wurden anschliessend verständigt, dass ihr Paket am genannten Ort zum Abholen bereit liege. Die bestellte Ware war bei einer Bank in St. Margrethen zu bezahlen. Dort wurde den Kunden nach Entrichtung des Kaufpreises der Gepäckaufbewahrungsschein und das Versandpapier T 1 ausgehändigt. Die Kunden holten in der Folge ihre Pakete ab und wiesen diese und die dazugehörenden Versandpapiere beim Verlassen der Schweiz zwecks zollamtlicher Feststellung der Wiederausfuhr vor. Die Ware wurde anschliessend über Österreich nach der Bundesrepublik Deutschland gebracht, wo sie als "Reisemitbringsel" zollfrei eingeführt werden konnte. Nachdem S. seinen Handel eine gewisse Zeit unangefochten betrieben hatte, verweigerte das Zollamt Basel-Lisbüchel am 7. August 1975 die Transitabfertigung von 53 Kleinpaketen mit Tabak, Spirituosen und Parfums, die je mit einem vom Zollamt Antwerpen ausgestellten Versandpapier T 1 versehen waren. Diese Pakete hätten wie frühere Sendungen zur Abwicklung der oben beschriebenen Geschäfte nach St. Margrethen befördert werden sollen. Das Zollamt Basel-Lisbüchel stützte sich bei der Verweigerung der Abfertigung auf eine Dienstanweisung der Oberzolldirektion vom 24. Juli 1975. Mit dieser wurde das Zollamt Basel-Lisbüchel angewiesen, die Transitabfertigung zu verweigern, falls weiterhin Tabakwaren, Spirituosen und Parfums zum Transit durch die Schweiz angemeldet würden, mit dem Zweck, sie in
BGE 105 Ib 136 S. 138
St. Margrethen (nach der Art von Tax-free-shops) an Personen zu verkaufen, die ins Ausland reisen. (Am folgenden Tag gelang es S. allerdings für die gleiche Ware beim Zollamt La Cure die gewünschte Transitabfertigung zu erhalten.)
Am 19. August 1975 erliess die Oberzolldirektion eine Dienstanweisung folgenden Inhalts an alle Zollämter:
"Transit von Waren in Kleinpaketen im gemeinschaftlichen Versandverfahren.
Seit einiger Zeit werden im gemeinschaftlichen Versandverfahren Kleinpakete, enthaltend Tabakwaren, Spirituosen, Parfums und dgl., durch die Schweiz befördert. Diese Pakete werden nach Art der Tax-free-shops verkauft und im Zollinland an ausreisende Personen übergeben. Es handelt sich hierbei um eine missbräuchliche Inanspruchnahme des gemeinschaftlichen Versandverfahrens.
Die ZA haben daher ab sofort die Durchfuhr solcher von Versandanmeldungen T 1 begleiteter Sendungen zu verweigern."
Am 21. August 1975 wurde im Auftrag von S. erneut die Transitabfertigung einer Anzahl von Kleinpaketen mit Versandpapieren T 1 beantragt. Das Zollamt Boncourt, bei welchem die Einreise dieses Mal versucht wurde, verweigerte die Transitabfertigung für diese Pakete vorerst aufgrund der Dienstanweisung vom 19. August 1975. In der Folge wurde die Transitabfertigung jedoch ausnahmsweise bewilligt, weil S. von der genannten Dienstanweisung noch keine Kenntnis erhalten hatte und die Sendungen bereits unterwegs waren.
Ungefähr ein Jahr später, d.h. am 23. Juli 1976, verweigerte das Zollamt Basel-Lisbüchel wiederum eine von S. beantragte Transitabfertigung von mehreren Kleinpaketen, welche mit Versandpapieren nach dem deutschen Bestimmungszollamt Lindau versehen waren. Die Verweigerung erfolgte in Absprache mit der Oberzolldirektion und wurde auf den Versandpapieren T 1 vermerkt.
S. erhob Beschwerden gegen die Verfügungen vom 7. August 1975 und vom 23. Juli 1976. Die Direktion des I. Zollkreises trat darauf nicht ein, soweit damit die Feststellung der Rechts- und Gesetzwidrigkeit der Weisungen der Oberzolldirektion, auf welche die angefochtenen Verfügungen gestützt wurden, beantragt worden war. Im übrigen wies sie die Beschwerden ab. Gegen diesen Entscheid erhob S. ohne Erfolg Beschwerde bei der Eidg. Zollrekurskommission.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde verlangt S. die Aufhebung des Entscheides der Eidg. Zollrekurskommission. Ferner
BGE 105 Ib 136 S. 139
beantragt er, die allgemeinen Weisungen der Oberzolldirektion vom 24. Juli 1975 und vom 19. August 1975 sowie die spezielle Weisung vom 23. Juli 1976 an das Zollamt Basel-Lisbüchel seien aufzuheben oder es sei deren Rechtswidrigkeit festzustellen. Schliesslich verlangt er, es sei festzustellen, dass die Verweigerungen der Transitabfertigung von Waren mit internationalen Versandpapieren T 1 durch das Zollamt Basel-Lisbüchel am 7. August 1975 und am 23. Juli 1976 ohne Rechtsgrundlage und damit gesetzwidrig erfolgt seien.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Mit dem Antrag, es seien verschiedene Weisungen der Oberzolldirektion aufzuheben, rügt der Beschwerdeführer sinngemäss, die Vorinstanz habe zu Unrecht diese Weisungen nicht überprüft.
Im Verwaltungsverfahren und im verwaltungsgerichtlichen Verfahren kommen als Anfechtungsobjekte grundsätzlich nur Verfügungen im Sinne von
Art. 5 VwVG
in Frage (
Art. 44 VwVG
,
Art. 97 Abs. 1 OG
). Die vom Beschwerdeführer beanstandeten Weisungen der Oberzolldirektion sind keine Verfügungen, denn sie ordnen nicht individuelle und konkrete verwaltungsrechtliche Verhältnisse, sondern stellen - ohne sich an den Bürger zu richten - verwaltungsinterne Regeln für das Verhalten der Beamten auf. Die beanstandeten Dienstanweisungen der Oberzolldirektion können folglich weder mit Verwaltungsbeschwerde noch mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten werden.
Der Beschwerdeführer beruft sich zur Begründung seines Antrags auf
BGE 98 Ia 510
. In diesem Entscheid wurde eine staatsrechtliche Beschwerde im Sinne der abstrakten Normenkontrolle gegen eine, allgemeine Regeln enthaltende Dienstanweisung zugelassen. Das Bundesgericht gelangte zu diesem Entscheid, weil im Gebiet, das von der angefochtenen Dienstanweisung geregelt wird, kaum formelle und anfechtbare Verfügungen erlassen werden und weil ein wirksamer Grundrechtsschutz nur durch die Zulassung der Beschwerde gegen die Dienstanweisung gewährleistet werden konnte (vgl. auch
BGE 102 Ia 187
f.). Aus dieser Rechtsprechung kann jedoch nichts für das Verwaltungsverfahren und das verwaltungsgerichtliche Verfahren abgeleitet werden, da in diesen Verfahren die abstrakte Normenkontrolle ausgeschlossen ist.
BGE 105 Ib 136 S. 140
Aus diesen Gründen hat die Vorinstanz dem Antrag des Beschwerdeführers, die genannten Weisungen der Oberzolldirektion seien aufzuheben, zu Recht nicht entsprochen.
2.
Der Beschwerdeführer beantragt im weiteren, es sei festzustellen, dass die genannten Weisungen der Oberzolldirektion rechts- und gesetzwidrig seien.
Das Bundesgericht kann auf diesen Antrag nicht eingehen, denn es überprüft im Verfahren der Verwaltungsgerichtsbeschwerde grundsätzlich nur, ob die angefochtene Verfügung vor dem Bundesrecht, d.h. vor den einschlägigen Verordnungen, Gesetzen, Staatsverträgen und der Verfassung standhalten (
Art. 104 lit. a OG
). Im vorliegenden Verfahren ist somit nur die Rechtmässigkeit des Entscheides der Eidg. Zollrekurskommission vom 25. August 1978 zu beurteilen. Bei dieser Gelegenheit könnte das Bundesgericht, im Anwendungsfall, auch die Gesetzmässigkeit von Verordnungen überprüfen, sowie über deren Verfassungsmässigkeit befinden, sofern die Delegationsnorm die Abweichung von der Verfassung nicht selber erlaubt (
BGE 104 Ib 209
E. 3b mit Hinweis). Es kann sich aber nicht darüber aussprechen, ob auch die Dienstanweisungen, nach welchen die Verwaltung ihre Verfügungen erlässt, rechtmässig sind, denn Dienstanweisungen stellen nicht Bundesrecht im Sinne von
Art. 104 lit. a OG
dar und sind für den Richter nicht verbindlich (
BGE 99 Ib 6
, 310 E. 3; GYGI, Verwaltungsrechtspflege und Verwaltungsverfahren im Bund, 2. Aufl., S. 144 f.). Die angefochtenen Verfügungen werden in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vielmehr direkt daraufhin überprüft, ob sie in Übereinstimmung mit den einschlägigen Verordnungen, Gesetzen, Staatsverträgen und der Bundesverfassung stehen. Die Frage der Rechtmässigkeit einer Dienstanweisung wird allerdings indirekt durch die Beurteilung einer, aufgrund einer solchen Dienstanweisung ergangenen Verfügung beantwortet, denn wenn eine Verfügung, welche eine Dienstanweisung genau befolgt, bundesrechtswidrig ist, wird auch die fragliche Dienstanweisung rechtliche Fehler enthalten. Insofern kann sich das Bundesgericht im vorliegenden Fall auch über die Rechtmässigkeit der vom Beschwerdeführer beanstandeten Dienstanweisungen aussprechen. Eine formelle Stellungnahme zu dieser Frage ist jedoch ausgeschlossen.
Dadurch, dass die beanstandeten Dienstanweisungen der Oberzolldirektion nicht unmittelbar überprüft werden, verliert
BGE 105 Ib 136 S. 141
der Beschwerdeführer, entgegen seinen Ausführungen, keinen Rechtsschutz, denn die Oberzolldirektion wird eine Dienstanweisung aufheben, wenn sich aufgrund eines Urteils des Bundesgerichts ergibt, dass Verfügungen, die in Anwendung dieser Dienstanweisung erlassen werden, vom Bundesgericht aufgehoben werden.
3.
(Die Beschwerde wird in bezug auf die Verfügung des Zollamtes Basel-Lisbüchel vom 7. August 1975 als gegenstandslos erklärt, weil der Beschwerdeführer am folgenden Tag die beantragte Transitabfertigung erhalten hat.)
4.
...
a) Der Beschwerdeführer hatte die Absicht, seine Pakete im gemeinschaftlichen Versandverfahren zu befördern. Nach dem Abkommen zwischen der Schweiz und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vom 23. November 1972 (AS 1974, S. 281 ff.) findet das gemeinschaftliche Versandverfahren auch auf Waren Anwendung, die zwischen zwei in der Europäischen Gemeinschaft gelegenen Orten durch schweizerisches Gebiet befördert werden. Zweck des gemeinschaftlichen Versandverfahrens ist nach der Präambel des Abkommens die Erleichterung der Zollförmlichkeiten beim Grenzübertritt von Warentransporten. Dieses Verfahren ermöglicht darum die Warenbeförderung zwischen zwei in der Gemeinschaft gelegenen Orten aufgrund eines einzigen Versandpapiers, das von der Abgangszollstelle zuhanden der Bestimmungszollstelle ausgestellt wird. Dabei sind die betreffenden Zollstellen wechselseitig für die richtige Abwicklung des Zollverfahrens verantwortlich.
Man unterscheidet zwei Arten von gemeinschaftlichen Versandverfahren: Das eine ist für Waren bestimmt, die bei der Einfuhr in die einzelnen Länder der EWG der Zoll- und Abgabepflicht unterliegen (externes gemeinschaftliches Versandverfahren, Kurzbezeichnung T 1), das andere ist den Waren vorbehalten, die sich in der Gemeinschaft im freien Verkehr befinden, d.h. für welche bei der Einfuhr die Zölle und Abgaben erhoben worden sind oder welche in der Gemeinschaft erzeugt worden sind (internes gemeinschaftliches Versandverfahren, Kurzbezeichnung T 2). Im vorliegenden Fall wurden die Waren mit Versandpapieren T 1 befördert, da sie aus dem Zollfreilager Antwerpen stammten und in der Gemeinschaft nicht verzollt worden waren. Für Zölle und andere Abgaben, welche im Verlaufe eines externen gemeinschaftlichen Versandverfahrens
BGE 105 Ib 136 S. 142
erhoben werden könnten, ist bei der Abgangszollstelle eine Sicherheit zu leisten (vgl. die Botschaft des Bundesrates betreffend Abkommen mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zur Anwendung der Bestimmungen über das gemeinschaftliche Versandverfahren, BBl 1973 I, S. 185 ff.).
Das gemeinschaftliche Versandverfahren erlaubt nicht nur, dass die mit den entsprechenden Versandpapieren begleiteten Waren mit einem einzigen Beförderungsmittel zwischen zwei in der Gemeinschaft gelegenen Orten transportiert werden. Art. 24 Abs. 1 der Verordnung über das gemeinschaftliche Versandverfahren in der hier anwendbaren Fassung vom 18. März 1960 (nachfolgend: Verordnung; AS 1974, S. 290 ff.) bestimmt für das externe gemeinschaftliche Versandverfahren, dass Waren ohne neue Anmeldung auf ein anderes Beförderungsmittel umgeladen werden dürfen. Die Umladung hat unter Aufsicht einer Zollstelle des Mitgliedstaates, auf dessen Gebiet sie vorgenommen wird, zu erfolgen. Als Mitgliedstaat gilt im Rahmen des gemeinschaftlichen Versandverfahrens auch die Schweiz (Art. 2 Abs. 2 des Abkommens zwischen der Schweiz und der EWG).
b) Der Beschwerdeführer ist der Auffassung, die von ihm beabsichtigte Beförderung von Paketen von Belgien nach St. Margrethen falle unter Art. 24 Abs. 1 der Verordnung, denn die Pakete würden in St. Margrethen von einem Sammelfahrzeug auf die Fahrzeuge seiner Kunden umgeladen. Dass diese Umladung nicht unmittelbar erfolge und eine Zwischenlagerung vorgenommen werde, schliesse die Anwendung von Art. 24 der Verordnung nicht aus.
Diese Auslegung von Art. 24 Abs. 1 der Verordnung entspricht nicht dem Wortlaut der Bestimmung. Das Abladen einer grösseren Zahl von Einzelpaketen, deren Einlagerung bei einer SBB-Gepäckaufbewahrungsstelle und das anschliessende schrittweise Abholen der einzelnen Pakete durch eine Vielzahl von Kunden kann nicht als "Umladen" bezeichnet werden. Das Verbringen von Waren von einem Beförderungsmittel auf ein anderes stellt grundsätzlich nur dann ein "Umladen" dar, wenn es unmittelbar erfolgt. Sobald eine Ware jedoch nach dem Abladen eine gewisse Zeit irgendwo eingelagert und erst später auf ein anderes Beförderungsmittel geladen wird, kann darin kein "Umladen" mehr erblickt werden. Im vorliegenden Fall ist es daher ausgeschlossen, von einem "Umladen" zu
BGE 105 Ib 136 S. 143
sprechen, weil die Pakete nicht unmittelbar von einem Fahrzeug auf ein anderes gebracht, sondern bei der SBB für eine gewisse Zeit hinterlegt worden sind.
Die vom Beschwerdeführer vertretene Auslegung von Art. 24 der Verordnung lässt sich auch nicht mit dem Zweck des gemeinschaftlichen Versandverfahrens vereinbaren, denn dieses Verfahren soll die Zollförmlichkeiten beim Grenzübertritt von Warentransporten erleichtern. In bezug auf die Schweiz soll das Verfahren vor allem dem durch das Land gehenden Transitverkehr zwischen Orten in der Europäischen Gemeinschaft zugute kommen. Die Durchführung eines Handels mit zollfreien Spirituosen und Tabakwaren, wie er vom Beschwerdeführer beabsichtigt und auch bereits betrieben worden ist, entspricht dem Zweck des gemeinschaftlichen Versandverfahrens offensichtlich nicht. Die Ausnützung der durch dieses Verfahren gewährten Zollerleichterungen für den genannten Handel muss daher als rechtsmissbräuchlich bezeichnet werden.
Da die vom Beschwerdeführer beabsichtigte Geschäftsabwicklung nicht mit einem Umladen im Sinne von Art. 24 Abs. 1 der Verordnung verbunden gewesen wäre, hat ihm das Zollamt Basel-Lisbüchel am 23. Juli 1976 zu Recht die Transitabfertigung für verschiedene Pakete verweigert. Der Entscheid der Eidg. Zollrekurskommission, mit dem diese Verweigerung bestätigt worden ist, verletzt somit kein Bundesrecht.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. | public_law | nan | de | 1,979 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
c2987dd2-b9aa-4d56-8079-558b0a6f5d2a | Urteilskopf
116 II 91
15. Urteil der II. Zivilabteilung vom 16. Januar 1990 i.S. S. gegen S. (Berufung) | Regeste
Art. 48 Abs. 1 OG
; Berufungsfähigkeit von Revisionsentscheiden.
Der Entscheid, mit dem ein Revisionsgesuch abgewiesen wird, ist nicht berufungsfähig. | Sachverhalt
ab Seite 91
BGE 116 II 91 S. 91
Mit Urteil vom 13. Juli/11. August 1988 schied das Bezirksgericht Arbon die von P. S. und R. I. eingegangene Ehe, wobei es den damaligen Beklagten unter anderem verpflichtete, seiner geschiedenen Ehefrau eine monatliche Rente gemäss
Art. 151 ZGB
von Fr. 300.-- zu bezahlen. Am 1. November 1988 stellte P. S. ein Revisionsgesuch, mit dem er die Aufhebung der ihm auferlegten Rente verlangte. Mit Urteil vom 11. Januar/31. März 1989 hiess das Bezirksgericht Arbon das Gesuch teilweise gut und kürzte die Rente um die Hälfte auf Fr. 150.-- pro Monat. Demgegenüber wies das Obergericht des Kantons Thurgau mit Urteil vom 28. November 1989 in Gutheissung einer Berufung der Gesuchsgegnerin das Revisionsgesuch ab. Gegen dieses Urteil hat der Gesuchsteller Berufung an das Bundesgericht erhoben, mit dem Antrag, es sei aufzuheben und das Revisionsurteil des Bezirksgerichts Arbon sei zu bestätigen. Eine Berufungsantwort ist nicht eingeholt worden.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
Nach ständiger Rechtsprechung sind Entscheide, die aufgrund eines ausserordentlichen kantonalen Rechtsmittels ergangen sind, nicht als berufungsfähige Endentscheide im Sinne von
Art. 48 Abs. 1 OG
zu betrachten, es sei denn, die Rechtsmittelinstanz urteile neu in der Sache selbst (
BGE 112 II 96
, mit Hinweisen, und 287). Das gilt namentlich auch für kantonale Revisionsurteile, mit denen nicht materiell über den streitigen Anspruch befunden, sondern nur über eine prozessuale Frage entschieden wird
BGE 116 II 91 S. 92
(
BGE 93 II 153
E. 2 und 436 E. 2, mit Hinweisen; BIRCHMEIER, Bundesrechtspflege, S. 163; WURZBURGER, Les conditions objectives du recours en réforme au Tribunal fédéral, S. 187/188). In
BGE 93 II 153
ist das Bundesgericht freilich auf eine Berufung gegen einen kantonalen Entscheid eingetreten, der ein Revisionsgesuch aufgrund der Beurteilung einer bundesrechtlichen Vorfrage als unzulässig erklärt hatte. Man kann sich fragen, ob an dieser Rechtsprechung festzuhalten sei, da das Vorliegen einer bundesrechtlichen Vorfrage an sich nichts am Fehlen eines Endentscheids ändert. Wie es sich damit verhält, kann indessen dahingestellt bleiben, denn im vorliegenden Fall hat die Vorinstanz das vom Berufungskläger gestellte Revisionsgesuch nicht wegen einer vom Bundesrecht beherrschten Vorfrage abgewiesen, sondern weil sie der Auffassung war, die neu vorgelegten Beweismittel seien nicht erheblich im Sinne der kantonalen Bestimmungen über die Revision. Es ist denn auch ausschliesslich Sache des kantonalen Prozessrechts, die Voraussetzungen des ausserordentlichen Rechtsmittels der Revision zu umschreiben. Soweit die Vorinstanz die Frage der Erheblichkeit der neuen Beweismittel sinngemäss nach bundesrechtlichen Gesichtspunkten beurteilte, indem sie das Verschulden der Gesuchsgegnerin am Scheitern der Ehe weiterhin als minim betrachtete, wandte sie somit Bundesrecht als kantonales Ersatzrecht an, dessen Verletzung mit der Berufung nicht gerügt werden darf (
BGE 89 II 212
E. 3 und 271,
BGE 88 II 279
,
BGE 83 II 355
/356,
BGE 81 II 303
/304). Auf die Berufung kann demzufolge nicht eingetreten werden. Als staatsrechtliche Beschwerde kann die Berufungseingabe nicht entgegengenommen werden, da die Begründung den Anforderungen von
Art. 90 Abs. 1 lit. b OG
nicht genügt. | public_law | nan | de | 1,990 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
c29acc54-6336-4f42-8c12-2f8644dfebc0 | Urteilskopf
108 V 256
57. Urteil vom 12. November 1982 i.S. Schweizerische Grütli gegen L. und Versicherungsgericht des Kantons Bern | Regeste
Art. 1 Abs. 2 Satz 2,
Art. 3 Abs. 5 KUVG
.
Eine statutarische Bestimmung einer anerkannten Krankenkasse, wonach bei Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik aus der neben der Grundversicherung abgeschlossenen Spitalzusatzversicherung nur die Hälfte des versicherten Spitalgeldes ausgerichtet wird, ist nicht bundesrechtswidrig. | Sachverhalt
ab Seite 256
BGE 108 V 256 S. 256
A.-
Frau L. ist Mitglied der Krankenkasse Grütli (nachstehend Kasse genannt) und bei dieser für Krankenpflege (Abteilung A), für ein Krankengeld von Fr. 2.-- (Abteilung B) und ein Spitalgeld von Fr. 72.-- pro Tag (Abteilung C) sowie für Behandlungskosten von Fr. 5'000.-- (Abteilung E) versichert. Vom 14. April bis 24. Mai 1977 hielt sich die Versicherte zu Behandlungszwecken in der psychiatrischen Privatklinik X auf. Die Kosten hiefür beliefen sich auf insgesamt Fr. 4'722.10. Ausgehend von 34 Spitaltagen (41 Tage abzüglich 7 Tage Urlaub) erbrachte die Kasse daran pro Tag Fr. 30.-- aus der Versicherungsabteilung A und in Anwendung von Art. 32 Abs. 3 lit. c ihres Leistungsreglements das halbe versicherte Spitalgeld (Fr. 36.--) sowie Fr. 1'173.10 aus der Abteilung E, total demnach Fr. 3'417.10 (34 x Fr. 66.-- und Fr. 1'173.10). Die entsprechende Kassenverfügung erging am 21. März 1978.
B.-
In der gegen diese Verfügung erhobenen Beschwerde liess die Versicherte die Rechtmässigkeit der Halbierung des Spitalgeldes gemäss Art. 32 Abs. 3 lit. c des Leistungsreglements in Frage stellen und die Ausrichtung der Kassenleistungen auch für die Urlaubstage beantragen. Am 28. August 1980 entschied das Versicherungsgericht des Kantons Bern, die Gewährung des nur halben versicherten Spitalgeldes
BGE 108 V 256 S. 257
bei Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik verstosse gegen den Grundsatz der Gegenseitigkeit und der Verhältnismässigkeit; die Kasse habe daher das volle versicherte Spitalgeld zu bezahlen. Es erkannte ferner, dass die Kasse auch für die 7 Urlaubstage entschädigungspflichtig sei.
C.-
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde verlangt die Kasse die Aufhebung des kantonalen Urteils und die Bestätigung der Verfügung vom 21. März 1978. In der Begründung führt sie im wesentlichen aus, dass eine Leistungsdifferenzierung nach der Eigenart der Behandlung und der Hospitalisation grundsätzlich zulässig sein müsse, da die Krankenpflege in psychiatrischen Kliniken weniger aufwendig als in andern (Akut-)Spitälern und die vertraglichen Pauschalen dementsprechend niedriger seien. Hinsichtlich der Entschädigungspflicht für die Urlaubstage stellte sie sich auf den Standpunkt, dass sich diese nach dem Vertrag richte, der vom Kantonalverband Bernischer Krankenkassen und der Krankenkasse für den Kanton Bern mit verschiedenen psychiatrischen Kliniken abgeschlossen worden sei; demnach bestehe im vorliegenden Fall für die Urlaubstage keine Leistungspflicht. Die Versicherte lässt auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen. Das Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf einen Antrag.
Erwägungen
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Nach Art. 32 Abs. 1 des Leistungsreglements der Schweizerischen Grütli bestehen die Leistungen in der Spitalzusatzversicherung (Abteilung C) in einem täglichen Spitalgeld, das nach Wahl des Versicherten mindestens Fr. 6.-- beträgt und je in Stufen von weiteren Fr. 6.-- abgeschlossen werden kann. Gemäss Art. 32 Abs. 3 lit. a des Reglements richtet die Kasse bei Aufenthalt in Spitälern für Akutkranke und in Tuberkuloseheilanstalten das volle versicherte Taggeld aus. Nach lit. c des Art. 32 Abs. 3 erbringt sie demgegenüber bei Aufenthalt in Heilanstalten für Chronischkranke und in psychiatrischen Kliniken die Hälfte des versicherten Spitalgeldes. Im vorliegenden Fall ist die Frage streitig, ob die Halbierung des gemäss Art. 32 Abs. 1 versicherten Spitalgeldes bei Hospitalisierung in einer psychiatrischen Klinik zulässig ist.
2.
Nach
Art. 1 Abs. 2 Satz 2 KUVG
richten sich die Krankenkassen nach ihrem Gutfinden ein, soweit das Gesetz keine entgegenstehenden
BGE 108 V 256 S. 258
Vorschriften enthält. Dies berechtigt sie, in ihren Satzungen ergänzend höhere und andere Leistungen vorzusehen, als nach der gesetzlichen Grundversicherung zu erbringen sind. Weite Verbreitung haben insbesondere die Spitalzusatzversicherungen gefunden, welche es den Kassenmitgliedern ermöglichen sollen, die nicht unter die gesetzlichen Pflichtleistungen fallenden Kosten etwa für Unterkunft und Verpflegung im Spital und/oder die Mehrkosten für die Behandlung und Pflege in einer Privatklinik oder auf einer Privatabteilung eines öffentlichen Spitals abzudecken, was denn auch mit der im vorliegenden Fall in Frage stehenden Spitalzusatzversicherung bezweckt wird.
Aufgrund der mit
Art. 1 Abs. 2 Satz 2 KUVG
gewährleisteten Autonomie sind die Krankenkassen in der statutarischen oder reglementarischen Ausgestaltung dieser Zusatzversicherungen zur Grundversicherung grundsätzlich frei. Diese Gestaltungsfreiheit ist indessen nicht unbeschränkt. Die Kassen haben sowohl bei der Reglementierung dieser sozialversicherungsrechtlichen Zusatzversicherungen als auch bei der Rechtsanwendung im Einzelfall die allgemeinen Rechtsgrundsätze zu beachten, wie sie sich aus dem allgemeinen Bundessozialversicherungsrecht und dem übrigen Verwaltungsrecht sowie der Bundesverfassung ergeben. Insbesondere haben sie sich an die wesentlichen Grundsätze der sozialen Krankenversicherung zu halten, wie z.B. an den Grundsatz der Gegenseitigkeit (vgl.
BGE 106 V 178
f. Erw. 3 mit Hinweisen = RSKV 1981 Nr. 437 S. 31, RSKV 1970 Nr. 82 S. 217).
3.
a) Der Grundsatz der Gegenseitigkeit besagt, dass zwischen Beiträgen einerseits und den Versicherungsleistungen anderseits ein Gleichgewicht bestehen muss. Weiter beinhaltet er, dass allen Kassenmitgliedern unter den gleichen Voraussetzungen die gleichen Vorteile zu gewähren sind. Diese sind gemäss der Höhe der Beiträge differenzierbar. Der Grundsatz der Gegenseitigkeit verbietet damit, dass ein Versicherter in den Genuss von Vorteilen kommt, welche die betreffende Kasse nicht auch ihren andern Mitgliedern gewährt, die sich in vergleichbarer Lage befinden (
BGE 106 V 178
Erw. 3,
BGE 105 V 280
f. Erw. 3b,
BGE 97 V 68
f.; EVGE 1968 S. 164 und 1967 S. 11; RSKV 1973 Nr. 177 S. 149 und 1971 Nr. 87 S. 21; MAURER, Schweizerisches Sozialversicherungsrecht, Band II, S. 284 f.; derselbe in der Schweizerischen Zeitschrift für Sozialversicherung, 1972 S. 199). Im vorliegenden Fall kann davon ausgegangen werden, dass die Halbierung des Spitalgeldes bei Aufenthalt in einer psychiatrischen
BGE 108 V 256 S. 259
Klinik (Art. 32 Abs. 3 lit. c des Leistungsreglements) in der Prämienberechnung und -festsetzung ihren Niederschlag gefunden hat und dass von daher nichts für eine Störung des Gleichgewichts zwischen Prämien und Leistungen spricht. Weiter werden reglementarisch alle Kassenmitglieder der Spitalzusatzversicherung (Abteilung C) hinsichtlich dieser Bestimmung gleich behandelt. Insofern liegt demnach keine Verletzung des Grundsatzes der Gegenseitigkeit vor.
b) Zu prüfen bleibt somit, ob die Kasse die in einer psychiatrischen Klinik hospitalisierten (akutkranken) Versicherten leistungsmässig anders behandeln darf als Mitglieder in einem nichtpsychiatrischen Spital für Akutkranke (vgl. Art. 32 Abs. 3 lit. a und lit. c des Leistungsreglements) bzw. ob es ihr gestattet ist, die Leistungen aus ihrer Spitalzusatzversicherung nach der Art des Spitals, der Behandlung oder der Erkrankung zu differenzieren.
Die Hospitalisationskosten in nichtpsychiatrischen Heilanstalten liegen - allenfalls von Spitälern oder Abteilungen für Chronischkranke und Geriatriepatienten abgesehen - praktisch durchwegs über denjenigen gleichrangiger psychiatrischer Kliniken. Daher werden in den Verträgen zwischen Krankenkassen und Heilanstalten die beiden Arten von Spitälern regelmässig gesondert behandelt und entsprechend der Kostenstruktur unterschiedliche Entschädigungen vereinbart. Die Vorinstanz hält zutreffend fest, dass diese vertraglichen Differenzierungen nicht gegen den Grundsatz der Gegenseitigkeit verstossen. Diese Verträge enthalten allerdings praktisch ohne Ausnahme nur eine Taxordnung für die allgemeine Abteilung der Vertragsspitäler. Begibt sich dagegen der Versicherte in eine Privatabteilung einer öffentlichen Heilanstalt oder in eine Privatklinik, so ist das betreffende Spital im Rahmen allfälliger kantonaler oder kommunaler Bestimmungen oder eines privatklinikinternen Reglements zu freier Rechnungsstellung berechtigt. Damit entstehen Kosten, welche über diejenigen für einen Aufenthalt in der allgemeinen Abteilung eines Vertragsspitals hinausgehen und die in der Regel durch eine Spitalzusatzversicherung abgedeckt werden können, wie das auch mit der vorliegend in Frage stehenden Zusatzversicherung möglich ist.
In diesem Zusammenhang erweist sich die unterschiedliche Kostenstruktur der erwähnten beiden Arten von Heilanstalten genauso als bedeutsam wie hinsichtlich einer vertraglichen Taxordnung für die allgemeine Abteilung der Vertragsspitäler. Doch können die Kassen in diesem Falle sowohl auf die Wahl eines
BGE 108 V 256 S. 260
bestimmten Spitals oder einer besseren Spitalklasse durch den Versicherten wie allenfalls auf die Rechnungsstellung der Klinik nur im Rahmen der gewährten Versicherungsdeckung Einfluss nehmen, wie das die Beschwerdeführerin mit der in Frage stehenden Abstufung der Ansprüche getan hat. Wäre nämlich die streitige Leistungsdifferenzierung unzulässig, könnten sich die Kassenmitglieder wegen der erwähnten unterschiedlichen Kostenstruktur und aufgrund der Spitalzusatzversicherung in einer psychiatrischen Klinik regelmässig einen besseren Komfort erlauben als in einem nichtpsychiatrischen Akutspital. So ergäbe sich - vereinfacht dargestellt - bei entsprechendem Versicherungsumfang beispielsweise die Möglichkeit, dass das volle versicherte Spitalgeld zusammen mit den gesetzlichen Pflichtleistungen die Kosten für die Halbprivatabteilung einer psychiatrischen Klinik abzudecken vermöchte, im nichtpsychiatrischen Vertragsspital für Akutkranke dagegen nur für die Abgeltung der Gesamtkosten der allgemeinen Abteilung ausreichen würde; ebenso wäre etwa möglich, dass der für die Privatabteilung einer öffentlichen psychiatrischen Heilanstalt oder eine psychiatrische Privatklinik genügende Versicherungsschutz im nichtpsychiatrischen Vertragsspital für Akutkranke nur die Halbprivatabteilung zuliesse. Die leistungsmässige Andersbehandlung der Psychiatriepatienten rechtfertigt sich somit durch das Bestreben, die Mitglieder der Spitalzusatzversicherung mit Bezug auf die Möglichkeiten bei der Heilanstalt - insbesondere einer besseren Klasse - gleichzuhalten. Dieses Recht kann der Kasse nicht abgesprochen werden, wenngleich Sinn und Zweck dieser Versicherung allgemein gerade dahin geht, die nicht unter die gesetzlichen Pflichtleistungen fallenden Hospitalisierungskosten und namentlich auch die sich aus der Wahl einer gehobeneren Heilanstaltsklasse ergebenden Mehrkosten ganz oder teilweise abzudecken. Da sich demnach die streitige Leistungsdifferenzierung auf hinreichende sachliche Gründe stützen lässt, liegt weder eine Verletzung des Grundsatzes der Gegenseitigkeit noch eine unzulässige rechtsungleiche Behandlung vor.
c) Allerdings könnte die aus der Gewährung des vollen versicherten Spitalgeldes resultierende Besserstellung des Psychiatriepatienten in bezug auf die Möglichkeiten bei der Wahl des Spitals oder der Spitalklasse mehr oder weniger ausgeprägt sein, mit andern Worten, diese Vorteile in unterschiedlichem Grade ermöglichen. So liessen sich etwa die Mehrkosten aus der Wahl einer besseren Heilanstaltsklasse, als sich ein Kassenmitglied von
BGE 108 V 256 S. 261
der Versicherungsdeckung her bei Hospitalisierung in einem nichtpsychiatrischen Akutspital leisten könnte, durch die Ausrichtung des vollen versicherten Taggeldes je nach Fall vollständig oder nur teilweise abgelten. Dies hinge von der Höhe der abgeschlossenen Spitalzusatzversicherung, den Taxen der in Frage stehenden Arten von Heilanstalten und dergleichen Faktoren mehr ab. Das vermag indessen am Prinzip, das der streitigen Anspruchsdifferenzierung zugrundeliegt und diese rechtfertigt, nichts zu ändern; der Ausgleich der verschiedenen Grade möglicher Besserstellung des Psychiatriepatienten ist eine Frage des Masslichen bei der Abstufung der Leistungen. Die Regelung in der vorliegenden Spitalzusatzversicherung sieht lediglich eine Halbierung des versicherten Spitalgeldes vor, was wohl nicht immer eine befriedigende Lösung ergibt, weshalb eine feinere - beispielsweise mehrstufige - Leistungsdifferenzierung wünschbar erscheinen könnte. Da die Halbierung des versicherten Spitalgeldes jedoch der Mehrzahl der Fälle gerecht zu werden vermag und einer feineren Abstufung Gründe der Praktikabilität entgegenstehen dürften, kann diese reglementarische Ordnung nicht beanstandet werden, zumal sie gegenüber der Beschwerdegegnerin nicht zu einem stossenden Ergebnis führt. Offenbleiben kann hier die Frage, wie in Sonderfällen - etwa bei Schlechterstellung des Psychiatriepatienten in bezug auf die Spitalwahl - zu entscheiden wäre.
4.
a) Nach dem Gesagten kann der hauptsächlich von
BGE 101 V 77
ausgehenden Rechtsauffassung der Vorinstanz nicht gefolgt werden. In diesem Entscheid hatte das Eidg. Versicherungsgericht erkannt, dass eine statutarische Bestimmung, welche bei Aufenthalt in einer Trinkerheilanstalt (Art. 23 Abs. 2 Vo III KUVG) die Zahlung eines das gesetzliche Minimum von Fr. 2.-- (
Art. 12bis Abs. 1 KUVG
) übersteigenden Taggeldes ausschliesst, bundesrechtswidrig ist; der Grundsatz der Gegenseitigkeit verbiete es den anerkannten Krankenkassen, ohne ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung ihre Leistungen nach verschiedenen Arten von Krankheiten zu differenzieren, und überdies liefe dies dem Zweck des KUVG zuwider, der in der Förderung einer sozial gerechten Versicherung bestehe.
Leistungen aus der Taggeldversicherung - insbesondere aufgrund einer Kollektivversicherung wie in
BGE 101 V 77
- sind im wesentlichen zum Ersatz für entgangenes Erwerbseinkommen bestimmt und sollen daher bei gleicher Verdiensteinbusse im Rahmen des versicherten Tagesansatzes gleich hoch ausfallen, so dass
BGE 108 V 256 S. 262
die Art der Erkrankung oder des Heilanstaltsaufenthalts keine Rolle spielen darf; eine Differenzierung der Taggeldansprüche nach diesen Kriterien liess sich durch nichts rechtfertigen und erwies sich daher als willkürlich. Im vorliegenden Fall liegen die Verhältnisse indessen anders, da die hier streitige Abstufung der Ansprüche nicht als Differenzierung nach der Art der Erkrankung zu werten ist und die fragliche Regelung zudem sachlich auf zureichender Begründung beruht. Bei Hospitalisierung in nichtpsychiatrischen Heilanstalten für Akutkranke fallen in der Regel erfahrungsgemäss höhere Kosten für Behandlung und Aufenthalt an als in gleichrangigen psychiatrischen Kliniken, was nicht ohne Einfluss auf die sich aus der Spitalzusatzversicherung ergebenden Vorteile bleibt und sich deshalb - wie oben dargelegt - eine Sonderbehandlung der Psychiatriepatienten nicht beanstanden lässt. Daraus erhellt, dass die hier streitige Leistungsdifferenzierung entscheidend von den unterschiedlichen Kostenstrukturen der in Frage stehenden Heilanstalten und dem Bestreben um Gleichbehandlung der Mitglieder mit Bezug auf die aus dieser Versicherung resultierenden Vorteile ausgeht und daher nicht den Charakter einer Abstufung der Ansprüche nach der Art der Erkrankung aufweist.
b) Die Vorinstanz hat die Unzulässigkeit der Halbierung des versicherten Spitalgeldes schliesslich noch damit begründet, dass es dabei lediglich um eine Sparmassnahme zur Gewährleistung einer ausgeglichenen Kassenrechnung gehe und einzig Gründe der Wirtschaftlichkeit wegleitend gewesen seien, was im vorliegenden Fall gegen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit verstosse. Die Erwägungen hievor haben indes gezeigt, dass die fragliche Regelung keine willkürliche Benachteiligung des Psychiatriepatienten darstellt und dass weder unter diesem Blickwinkel noch unter dem der risikogerechten Prämie eine Verletzung des Grundsatzes der Gegenseitigkeit vorliegt. Daher ist nichts dagegen einzuwenden, dass die Kasse mit der streitigen Leistungsdifferenzierung allenfalls auch die Erhaltung eines gesunden finanziellen Kassenhaushalts bezweckte, indem sie - im Einklang mit den allgemeinen Rechtsprinzipien der sozialen Krankenversicherung - Leistungsbeschränkungen einführte und damit möglicherweise auch auf die Tarife oder die Art der Rechnungsstellung durch die Nichtvertragsspitäler einen gewissen Einfluss nimmt. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern hiebei der Grundsatz der Verhältnismässigkeit verletzt sein könnte.
BGE 108 V 256 S. 263
5.
Auch die Einwendungen der Beschwerdegegnerin sind unbehelflich. Sie vertritt die Auffassung, dass eine spezielle Leistungsbegrenzung wie in Art. 32 Abs. 3 lit. c des Leistungsreglements überhaupt nicht erforderlich sei, da sich die unterschiedlichen Kostenstrukturen der verschiedenen Arten von Spitälern in den vertraglichen Tarifen niederschlage und die Taggelder höchstens bis zum Betrage der tatsächlich entstandenen Kosten zu erbringen seien. Die Beschwerdegegnerin lässt dabei jedoch unbeachtet, dass die Spitalzusatzversicherung der Deckung der nicht unter die gesetzlichen Pflichtleistungen fallenden Kosten dient und dass diese - von den Pensionskosten für die allgemeine Abteilung der Vertragsspitäler abgesehen - in aller Regel von den Tarifverträgen nicht erfasst werden. Hiebei können, wie oben dargelegt, durchaus Gründe für eine reglementarische Leistungsdifferenzierung sprechen. Aber auch dort, wo Nichtpflichtleistungen wie etwa die Kosten für Unterkunft und Verpflegung auf der allgemeinen Spitalabteilung tarifvertraglich festgelegt sind, ist eine solche Regelung nicht gegenstandslos, da sich in diesem Bereich die Leistungspflicht der Kasse gegenüber der Heilanstalt nicht notwendigerweise mit derjenigen gegenüber dem Versicherten deckt (vgl. dazu etwa RSKV 1980 Nr. 428 S. 243).
Entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin verhält es sich auch nicht so, dass Art. 32 Abs. 3 lit. c des Leistungsreglements nur zum Tragen kommt, wenn sich ein Versicherter in eine vertraglich nicht gebundene Heilanstalt begibt. Die fragliche Bestimmung gilt allgemein. Es kann auch nicht gesagt werden, dass die Beschwerdegegnerin hinsichtlich der Leistungen aus der Spitalzusatzversicherung besser gestellt gewesen wäre, wenn sie sich in einer psychiatrischen Vertragsheilanstalt hätte behandeln lassen.
6.
a) Die Beschwerdegegnerin hatte sich in ein Spital begeben, das dem Vertrag zwischen dem Kantonalverband Bernischer Krankenkassen sowie der Krankenkasse des Kantons Bern einerseits und verschiedenen psychiatrischen Kliniken anderseits nicht angeschlossen ist. Die Kasse hat daher ihre Leistungen aus der Grundversicherung grundsätzlich nach dem Tarif des Vertragsspitals am Wohnort der Beschwerdegegnerin oder in dessen Umgebung zu bemessen (Art. 14 Abs. 3 lit. b des Leistungsreglements,
Art. 19bis Abs. 3 KUVG
).
Die Vorinstanz hat zutreffend erkannt, dass diesfalls die vertragliche Urlaubsregelung auch hinsichtlich der hier streitigen 7 Urlaubstage
BGE 108 V 256 S. 264
anwendbar ist, der Beschwerdegegnerin demzufolge aus der Krankenpflegeversicherung hiefür keine Vergütung zusteht und die Kasse demnach mit der Ausrichtung der vertraglichen Pauschale für 34 zu entschädigende Spitalaufenthaltstage ihrer Leistungspflicht aus der Grundversicherung vollumfänglich nachgekommen ist.
b) Auch mit Bezug auf die Spitalgeldversicherung ist die Berechnung der Kasse richtig. Nach Art. 32 Abs. 1 des Leistungsreglements richtet die Kasse aus dieser Versicherung ein tägliches Spitalgeld aus. Das der Beschwerdegegnerin auszuzahlende Betreffnis ergibt sich somit aus der Multiplikation der anspruchsberechtigenden Spitalaufenthaltstage mit dem versicherten Tagesansatz. Die tarifvertragliche Urlaubsregelung ist auch für den Bereich der Spitalgeldversicherung massgeblich, so dass sich die anrechenbaren Spitaltage hier ebenfalls auf 34 belaufen und die Kasse demnach für die streitigen 7 Urlaubstage auch aus der Zusatzversicherung nicht leistungspflichtig ist.
Zu Unrecht hat die Vorinstanz im vorliegenden Fall eine Leistungspflicht aus Art. 34 des Leistungsreglements abgeleitet. Diese Bestimmung umschreibt lediglich, welche Kosten in die Berechnung einer allfälligen Überversicherung mit einzubeziehen sind. Anhaltspunkte für eine Überentschädigung sind hier nicht gegeben. Nach den Akten werden die aus der Krankenpflegeversicherung und der Spitalzusatzversicherung zu erbringenden Leistungen vollumfänglich benötigt, um die Hospitalisierungskosten während den anspruchsberechtigenden 34 Spitaltagen zu begleichen. Es verbleibt somit kein Restguthaben, mit welchem die Beschwerdegegnerin die Reservationskosten des Spitals während der fraglichen Urlaubstage kompensieren könnte.
Dispositiv
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Bern vom 28. August 1980 aufgehoben. | null | nan | de | 1,982 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
c29afa67-9e74-43cb-82fe-6a63addd27ce | Urteilskopf
89 III 58
13. Entscheid vom 26. Juni 1963 i.S. Fira AG | Regeste
Erfordernis der schriftlichen Zustimmung des Ehegatten zum Abzahlungsvertrag, falls die Ehegatten einen gemeinsamen Haushalt führen und die Verpflichtung tausend Franken übersteigt (
Art. 226 b Abs. 1 OR
): Diese Zustimmung ist notwendig, wenn die gesamte Verpflichtung des Käufers (Gesamtkaufpreis nebst allfälligen andern Leistungen, gemäss Art. 226 a Abs. 2 Ziffern 5 und 6 OR) tausend Franken übersteigt, gleichgültig ob die nach Abzug der Anzahlung oder des Wertes einer auf den Preis anzurechnenden Sache sich ergebende Restschuld jenen Betrag nicht erreicht. - Verordnung betreffend die Eintragung der Eigentumsvorbehalte, Art. 4 Abs. 5 lit. b. | Sachverhalt
ab Seite 59
BGE 89 III 58 S. 59
A.-
Am 30. März 1963 verkaufte die Firma Logo Möbelgeschäft Basel verschiedene Möbelstücke an Julius Meury-Jardin und trat die Rechte aus dem Vertrag an die Fira AG, Basel, ab.
Vereinbart wurde ein Barkaufpreis von Fr. 1410.--
mit einem Teilzahlungszuschlag von Fr. 108.10
zusammen Fr. 1518.10
Nach Abzug der Baranzahlung von Fr. 650.--
ergab sich ein Restkaufpreis von Fr. 868.10
zahlbar in 18 aufeinanderfolgenden Monatsraten von Fr. 50.45, erstmals am 30. April 1963 (was mehr als jenen Restbetrag, nämlich Fr. 908.10, ergeben würde).
B.-
Das Betreibungsamt lehnte die Eintragung des im Kaufvertrage vereinbarten Eigentumsvorbehaltes mangels Zustimmung der Ehefrau des Käufers ab.
C.-
Darüber beschwerte sich die Fira AG, indem sie die Ansicht vertrat, man habe es hier nicht mit einer Fr. 1000.-- übersteigenden "Verpflichtung" im Sinne von
Art. 226 b Abs. 1 OR
zu tun, so dass die schriftliche Zustimmung der Ehefrau erforderlich wäre. Entgegen der Auffassung des Betreibungsamtes falle als "Verpflichtung" nach der erwähnten Vorschrift nur der Restkaufpreis in
BGE 89 III 58 S. 60
Betracht, "d.h. die dem Käufer effektiv kreditierte Summe, welche sich ergibt, nachdem vom Gesamtkaufpreis die Baranzahlung (oder eine eventuelle Gutschrift für an Zahlung genommene Ware) abgezogen wurde." Da der Restkaufpreis im vorliegenden Fall nicht mehr als Fr. 1000. -, sondern bloss Fr. 868.10 betrage, bedürfe es der Zustimmung der Ehefrau nicht.
D.-
Gegen den die Beschwerde abweisenden Entscheid der kantonalen Aufsichtsbehörde vom 12. Juni 1963 richtet sich der vorliegende Rekurs der Fira AG an das Bundesgericht. Die Rekurrentin erneuert den Antrag, das Betreibungsamt sei anzuweisen, den Eigentumsvorbehalt an den im Kaufvertrag angeführten Gegenständen einzutragen.
Erwägungen
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
Nach
Art. 226 b Abs. 1 OR
bedarf der Abzahlungsvertrag zu seiner Gültigkeit der schriftlichen Zustimmung des Ehegatten, "falls die Ehegatten einen gemeinsamen Haushalt führen und die Verpflichtung tausend Franken übersteigt." Die Rekurrentin stellt den hier vom Gesetze verwendeten Begriff der Verpflichtung den Begriffen des Barkaufpreises und des Gesamtkaufpreises in
Art. 226 a Abs. 2 und 3 OR
gegenüber. Sie hält dafür, entsprechend der von diesen Benennungen abweichenden Ausdrucksweise des
Art. 226 b OR
sei hier unter der "Verpflichtung" etwas anderes als der Gesamtkaufpreis, nämlich der nach Abzug der Baranzahlung oder des Wertes einer auf den Preis anzurechnenden Sache sich ergebende Restkaufpreis zu verstehen. Zum gleichen Ergebnis wie diese durch den Wortlaut der gesetzlichen Bestimmungen nahegelegte Auslegung führe der gesetzgeberische Grund des
Art. 226 a OR
. Die bereits bei Vertragsabschluss oder spätestens bei der Übergabe der Kaufsache zu leistende Anzahlung (
Art. 226 d OR
) belaste den Käufer in Zukunft nicht.
BGE 89 III 58 S. 61
Er brauche nicht geschützt zu werden "für das, was er bar erlegt, sondern nur für das, was ihn in Zukunft finanziell belastet", also für den restlichen Kaufpreis nach Abzug der Anzahlung.
Dieser Betrachtungsweise ist die kantonale Aufsichtsbehörde mit Recht nicht gefolgt. Nimmt man die Vorschrift des
Art. 226 b Abs. 1 OR
zunächst für sich allein, so erscheint als "Verpflichtung" alles, was der Käufer nach dem Abzahlungsvertrag zu leisten hat, und nicht bloss, was ihm nach Erlegung der Anzahlung (oder nach Übergabe einer auf den Kaufpreis und allfällige weitere Leistungen des Verkäufers anzurechnenden Sache) in Raten zu leisten bleibt. Zu keinem andern Ergebnis gelangt man, wenn man diese Vorschrift dem die Einzelangaben des Abzahlungsvertrages bezeichnenden
Art. 226 a Abs. 2 OR
gegenüberstellt. "Verpflichtung" des Käufers ist zweifellos der volle (aus dem "Preis bei sofortiger Barzahlung" und dem "Teilzahlungszuschlag", Ziffern 3 und 4 daselbst) zusammengesetzte "Gesamtkaufpreis" (Ziff. 5) ohne Abzug der Anzahlung. Ja, die "Verpflichtung" des Käufers erschöpft sich mitunter nicht in diesem von der Vorinstanz einzig berücksichtigten Preise. Falls ihm darüber hinaus "andere Leistungen" obliegen, die gesondert vom Gesamtkaufpreis anzuführen sind (Ziff. 6), vermehrt seine "Verpflichtung" um deren Betrag oder Wert.
Diese dem Gesetzestext entsprechende Auslegung erscheint als sinnvoll. Um die gewichtigen von den kleinen Abzahlungsverträgen zu unterscheiden, hat man richtigerweise die gesamten einandergegenüberstehenden Leistungen in Rechnung zu stellen. Die Anzahlung hiebei als unerheblich auszuscheiden, rechtfertigt sich um so weniger, als sie in manchen Fällen erst nach dem Vertragsabschluss, bei der Übergabe der Kaufsache (gemäss
Art. 226 d OR
), geleistet wird, während die Zustimmung des Ehegatten "spätestens bei der Unterzeichnung des Vertrages durch den Käufer" zu erteilen ist (
Art. 226 b Abs. 3 OR
). Im übrigen kann sich die Anzahlung ebenso wie die in Zukunft
BGE 89 III 58 S. 62
zu leistenden Raten als Schmälerung der für den ordentlichen Aufwand der Familie verfügbaren Mittel auswirken.
Beigefügt sei, dass die zahlenmässige Grenze des Zustimmungserfordernisses auch bei der Gesetzesberatung durchwegs unter dem Gesichtspunkt des gesamten Preises oder der gesamten dem Käufer überhaupt erwachsenden Verpflichtungen erörtert worden ist. Davon gingen bereits die Vernehmlassungen zum ersten Vorentwurf von Dr. Stofer aus (vgl. die Zusammenstellung S. 43-48: "... die Zustimmung des Ehegatten erst für die Käufe über Fr. 1000.-- vorzusehen ..."; "... sofern der Gesamtkaufpreis den Betrag von Fr. 1000. - übersteigt"; "... Abzahlungsvertrag ... über einen Gesamtkaufpreis von mehr als Fr. 800.--, ..."; "Die Zustimmung des Ehegatten scheint nur notwendig für grössere Geschäfte, beispielsweise ab Fr. 500.--"; "Abzahlungsverträge über Fr. 200.--"; "Käufe über Fr. 300.--"; "... Auch sollten Verträge mit einer Schuldsumme bis zu Fr. 500.-- ausgeschlossen sein"; "Allenfalls könnte die Zustimmung des andern Ehegatten dann verlangt werden, wenn es sich um grössere Verpflichtungen (über Fr. 2000 oder 3000) handelt"; "Allerdings sollte die Zustimmung auf Geschäfte über Fr. 500.-- beschränkt sein"). Der Nationalrat beriet über den Vorschlag der Minderheit seiner Kommission, "bei Verträgen von 1000 Franken und mehr die Unterschrift beider im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten zu verlangen" (Sten. Bull. 1961 NR S. 372; Votum Ernst Schmid; ebenda S. 374, Votum Schürmann: "für Abzahlungsgeschäfte, bei denen der Betrag mehr als 1000 Franken ausmacht"; übereinstimmend Sten.Bull. 1962 NR S. 3, Votum Ernst Schmid: "Geschäfte von einem gewissen Ausmass - eben was über 1000 Franken geht und mit Abzahlungsraten verbunden ist"; S. 4, Votum Huber: "wenn der Kaufpreis 1000 Franken überschreitet"; "bei Abzahlungsverträgen über 1000 Franken"; S. 256, Votum Eder: "... teure Perserteppiche oder Automobile, die über 1000 Franken kosten ...").
BGE 89 III 58 S. 63
Diesem Ausgangspunkt entspricht denn auch, wie dargetan, der klare Gesetzestext, der die Verpflichtung aus dem Abzahlungsvertrage schlechthin, ohne Abzug der Anzahlung, ins Auge fasst.
Dispositiv
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird abgewiesen. | null | nan | de | 1,963 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
c2a73691-af5e-4134-bcd3-15e184a435a7 | Urteilskopf
87 I 223
38. Urteil der I. Zivilabteilung vom 13. Juni 1961 i.S. N. N. gegen Eidgenössisches Amt für geistiges Eigentum. | Regeste
Art. 47 Abs. 1 PatG
,
Art. 103 Abs. 1 OG
.
Der Beauftragte des Patentbewerbers kann weder vom Amt für geistiges Eigentum noch vom Bundesgericht als Beschwerdeinstanz im eigenen Namen verlangen, dass der Auftraggeber in den früheren Stand wiedereingesetzt werde. | Sachverhalt
ab Seite 223
BGE 87 I 223 S. 223
A.-
Ottmar Knapp in Sickenhausen, DBR, wollte eine Erfindung, die er am 12. Dezember 1959 in der Bundesrepublik Deutschland zum Schutz als Gebrauchsmuster angemeldet hatte, vom Eidgenössischen Amt für geistiges Eigentum unter Beanspruchung des Prioritätsrechtes patentieren lassen. Zu diesem Zwecke ersuchte in seinem Auftrag ein deutscher Patentanwalt den Zürcher Patentanwalt N. N. am 7. Dezember 1960 schriftlich, die Anmeldung vorzunehmen. Obschon N. N. den Auftrag am 8. Dezember 1960 erhalten haben will und auf dem Schreiben bemerkt war: "Bitte vor dem 12.12.1960 einreichen", stellte er das Patentgesuch - Nr. 13 990/60 - erst am 16. Dezember 1960. Um die Folgen der Verwirkung des Prioritätsrechts abzuwenden, das gemäss
Art. 17 Abs.1 PatG
nur während zwölf Monaten seit der in Deutschland
BGE 87 I 223 S. 224
erfolgten Anmeldung bestand, ersuchte er gleichzeitig das Amt für geistiges Eigentum im Namen Knapps und im eigenen Namen um Wiedereinsetzung in den früheren Stand (
Art. 47 PatG
). Er wies auf Vorgänge in seinem Büro hin, die seines Erachtens seine Säumnis in der Einreichung des Patentgesuches entschuldigen.
B.-
Das Amt für geistiges Eigentum wies am 22. Februar 1961 das Wiedereinsetzungsgesuch, "gestellt von Ottmar Knapp..., vertreten durch N. N.", zurück, weil die Versäumung der Prioritätsfrist einem unentschuldbaren Organisationsfehler im Büro N. N.s zuzuschreiben sei.
C.-
N. N. führt im eigenen Namen gemäss
Art. 97 ff. OG
Beschwerde. Er beantragt dem Bundesgericht, die Verfügung des Amtes für geistiges Eigentum aufzuheben und in Bezug auf die Prioritätsfrist der Patentanmeldung Nr. 13 990/60 die Wiedereinsetzung zu gewähren.
Das Amt für geistiges Eigentum beantragt, die Beschwerde abzuweisen.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
Gemäss
Art. 103 Abs. 1 OG
ist zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde berechtigt, "wer in dem angefochtenen Entscheide als Partei beteiligt war oder durch ihn in seinen Rechten verletzt worden ist".
a) Das Amt für geistiges Eigentum hat die Verfügung vom 22. Februar 1961 zu dem "von Ottmar Knapp ..., vertreten durch N. N.", gestellten Gesuch getroffen, N. N. im angefochtenen Entscheid also ausdrücklich nur als Vertreter, nicht als Partei behandelt, obwohl, er das Wiedereinsetzungsgesuch ausser im Namen des Knapp auch im eigenen Namen gestellt hatte. Der Beschwerdeführer war somit nicht "in dem angefochtenen Entscheide als Partei beteiligt". Er ist daher zur Beschwerdeführung nur berechtigt, wenn er durch diesen "in seinen Rechten verletzt worden ist".
b) Mit der Versäumung der Prioritätsfrist geht nur ein Recht des Patentbewerbers, nicht auch ein solches seines
BGE 87 I 223 S. 225
Vertreters unter. Das Gesuch um Wiedereinsetzung in den früheren Stand ist daher im Namen des Patentbewerbers, nicht im Namen seines Vertreters zu stellen, und Wiedereinsetzung kann nur jenem, nicht auch diesem gewährt werden. Der Vertreter hat auch nicht Anspruch darauf, dass der Patentbewerber wiedereingesetzt werde. Dieser allein kann bestimmen, ob er sein Prioritätsrecht wiederherstellen lassen will. Diese Ordnung ergibt sich denn auch deutlich aus
Art. 47 Abs. 1 PatG
, der lautet: "Vermag der Patentbewerber oder Patentinhaber glaubhaft zu machen, dass er ohne sein Verschulden an der Einhaltung einer durch das Gesetz oder die Vollziehungsverordnung vorgeschriebenen oder vom Amt für geistiges Eigentum angesetzten Frist verhindert wurde, so ist ihm auf sein Gesuch hin Wiedereinsetzung in den früheren Stand zu gewähren". Diese Bestimmung sagt nichts von einem Gesuch des Vertreters oder von dessen Wiedereinsetzung in den früheren Stand. Die Auffassung von BLUM/PEDRAZZINI, Das schweizerische Patentrecht, Bern 1959, S. 668, der Vertreter sei zum Antrag auf Wiedereinsetzung legitimiert, wenn er einen in seiner Person liegenden Wiedereinsetzungsgrund glaubhaft machen könne, entbehrt der gesetzlichen Grundlage.
Die Wiedereinsetzung in die Prioritätsfrist dient selbst dann nicht der Wahrung eines Rechtes des Vertreters, wenn dieser den Ablauf der Frist verschuldet hat und daher Gefahr läuft, vom Patentbewerber auf Ersatz eines Schadens belangt zu werden. Die Wiedereinsetzung würde zwar diese Gefahr bannen, läge also insofern in seinem Interesse, als er dann keinen Schadenersatzprozess zu befürchten brauchte. Zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde befugt ist jedoch jemand nicht schon, wenn ihm die Anfechtung des Entscheides nützen kann, er also an ihr interessiert ist (
BGE 75 I 381
ff.). Der Entscheid muss ihn vielmehr in seinen Rechten (droits, diritti) verletzen. Rechte des Vertreters wären durch die Nichtwiederherstellung der Prioritätsfrist jedoch nur verletzt, wenn damit verbindlich
BGE 87 I 223 S. 226
festgestellt wäre, dass er dem Patentbewerber Schadenersatz schulde. Von einer solchen Feststellung kann keine Rede sein. Indem das Amt für geistiges Eigentum die Wiedereinsetzung Knapps in den früheren Stand mit der Begründung ablehnte, die Versäumung der Prioritätsfrist sei einem unentschuldbaren Organisationsfehler im Büro des Vertreters des Patentbewerbers zuzuschreiben, entschied es nicht, N. N. sei dem Knapp zum Ersatz von Schaden verpflichtet. Es bejahte damit die Schadenersatzpflicht nicht einmal vorfrageweise und dem Grundsatze nach. Dem Beschwerdeführer bleibt unbenommen, es zu einem Prozesse vor dem Zivilrichter kommen zu lassen, wenn Knapp gegen ihn Schadenersatzansprüche stellt, und der Zivilrichter hat dann in jeder Hinsicht frei zu prüfen, ob der Beschwerdeführer seine Pflichten aus dem Rechtsverhältnis zu seinem Auftraggeber verletzt habe. Auch ein zur Verschuldensfrage Stellung nehmender Entscheid des Bundesgerichtes als Verwaltungsgericht würde den Zivilrichter im Schadenersatzprozess zwischen Knapp und N. N. nicht binden.
Der Beschwerdeführer ist in seinen Rechten auch nicht etwa deshalb verletzt, weil der Vorwurf, er habe den erhaltenen Auftrag nicht mit der nötigen Sorgfalt ausgeführt, sein seelisches Gleichgewicht oder sein berufliches Ansehen beeinträchtigen mag. Der Umstand allein, dass Entscheidungsgründe der Verwaltung jemanden in seinen Gefühlen verletzen oder seinem Ansehen schaden können, also in die Sphäre seiner Persönlichkeit eindringen, berechtigt den Betroffenen nicht, den Entscheid durch Verwaltungsgerichtsbeschwerde anzufechten. Nur wer durch das Dispositiv eines Entscheides in seinen Rechten verletzt wird, ist zur Beschwerde legitimiert.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. | public_law | nan | de | 1,961 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
c2a7960a-8af3-4f97-8e6b-d1de6d0fa130 | Urteilskopf
111 Ia 273
48. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 29. November 1985 i.S. Dr. X gegen Gerichtskommission See und Kantonsgericht (Rekurskommission) des Kantons St. Gallen (staatsrechtliche Beschwerde) | Regeste
Art. 4 BV
; rechtliches Gehör.
Ordnungsbusse wegen Nichterscheinen eines Anwalts zu einem Gerichtstermin; Tragweite des Anspruchs auf rechtliches Gehör. | Sachverhalt
ab Seite 273
BGE 111 Ia 273 S. 273
Rechtsanwalt Dr. X. war von dem in Untersuchungshaft befindlichen jugoslawischen Staatsangehörigen N.A. als Verteidiger in dessen Strafsache bestimmt. Ein ursprünglich für den 12. April 1984 vorgesehener Gerichtstermin des Bezirksgerichts See (Kanton St. Gallen) wurde auf Wunsch des Verteidigers auf den 10. Mai 1984 verschoben. Da der Haftbefehl bis zum 15. April 1985 befristet war, von einer Haftverlängerung jedoch abgesehen werden sollte, wurde N.A. am 14. April aus der Haft entlassen und aus der Schweiz ausgeschafft. Dies hatte zur Folge, dass der Angeklagte von der Pflicht zur Teilnahme an der Gerichtsverhandlung befreit wurde. Dem Verteidiger, der von diesen Vorgängen keine Kenntnis hatte, wurde durch einen nachträglichen Vermerk auf einer zweiten Vorladung mitgeteilt, dass der Angeschuldigte von der Teilnahmepflicht an der Verhandlung dispensiert sei. Am Vormittag des 10. Mai 1984 teilte der Verteidiger der Gerichtskanzlei des Bezirksgerichts See telefonisch mit, er werde an der auf 15.15 Uhr festgesetzten Verhandlung in Sachen N.A. nicht teilnehmen. Die Gerichtskommission See behandelte die Strafsache gleichwohl und verurteilte den Angeklagten zu 11 Wochen Gefängnis, 5 Jahren
BGE 111 Ia 273 S. 274
Landesverweisung und erklärte eine früher verhängte Strafe als vollstreckbar. Im gleichen Urteil auferlegte sie dem Verteidiger wegen Trölerei eine Ordnungsbusse von Fr. 50.--.
Der Verteidiger focht das Urteil, soweit es die ihm auferlegte Ordnungsbusse betraf, rechtzeitig mit Rechtsverweigerungsbeschwerde beim Kantonsgericht St. Gallen an. Die Rekurskommission verwarf die vom Beschwerdeführer erhobene Rüge der Gehörsverletzung und stellte fest, es sei aufgrund der Umstände nicht willkürlich gewesen, das Verhalten des Beschwerdeführers als Trölerei zu werten und ihm eine Ordnungsbusse aufzuerlegen. Dementsprechend wurde die Beschwerde kostenfällig abgewiesen.
Eine gegen diesen Entscheid gerichtete Beschwerde wies das Bundesgericht ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
a) Der Anspruch auf rechtliches Gehör wird zunächst durch das massgebende kantonale Verfahrensrecht umschrieben. Sind die kantonalen Vorschriften ungenügend, greift der unmittelbar aus
Art. 4 BV
fliessende bundesrechtliche Minimalanspruch Platz.
Im vorliegenden Fall beruft sich der Beschwerdeführer nicht auf das kantonale Recht. Es ist daher einzig zu prüfen, ob der angefochtene Entscheid vor
Art. 4 BV
standhält (
Art. 90 Abs. 2 lit. b OG
). Der vom Beschwerdeführer ebenfalls angerufene
Art. 6 EMRK
verschafft keine weitergehenden Rechte als
Art. 4 BV
(
BGE 109 Ia 178
). Eine gesonderte Überprüfung des angefochtenen Entscheids auf seine Vereinbarkeit mit
Art. 6 EMRK
erübrigt sich daher.
b) Nach der neueren bundesgerichtlichen Rechtsprechung bestimmt sich die Tragweite des Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht vorab aufgrund der Verfahrensart (Zivil-, Straf- oder Verwaltungsverfahren), sondern nach der konkreten Interessenlage im Einzelfall. Zu berücksichtigen ist das Bedürfnis des Privaten, gehört zu werden, welches dort besonders intensiv ist, wo die Gefahr der Beschwerung durch einen staatlichen Hoheitsakt besteht. Ferner ist der Dringlichkeit und der Tragweite der Anordnung Rechnung zu tragen; im weitern ist namentlich von Bedeutung, ob der angefochtene Entscheid frei in Wiedererwägung gezogen werden kann bzw. ob ein die volle Überprüfung gestattendes Rechtsmittel gegeben ist (
BGE 105 Ia 196
f., mit Hinweisen).
BGE 111 Ia 273 S. 275
c) Disziplinarfehler im Laufe eines gerichtlichen Verfahrens werden im Normalfall durch das Prozessgericht "séance tenante" geahndet. Je nach Art des Sachverhalts können Inhalt und Umfang des Gehörsanspruches variieren. Soll bloss eine Busse zur Ahndung einer Ordnungswidrigkeit ausgesprochen werden, erwächst der Gehörsanspruch nicht aus dem persönlichkeitsbezogenen Mitwirkungsrecht des Betroffenen, sondern höchstens aus der allfälligen Notwendigkeit zur Sachabklärung. Wird beispielsweise mutwillig oder trölerisch prozessiert, in den Rechtsschriften oder in den Parteivorträgen der gebotene Anstand missachtet, ein Termin nicht eingehalten, ergibt sich mithin der Disziplinarfehler aus dem aktenkundigen Verhalten des Betroffenen selbst, so vermag eine zusätzliche Anhörung in der Regel den Sachverhalt nicht weiter zu erhellen. In solchen Fällen erübrigt es sich unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten, dem Betroffenen vorgängig des Disziplinarentscheids Gehör zu gewähren. Dies zumal dann, wenn der Entscheid frei in Wiedererwägung gezogen werden kann bzw. ein die volle Überprüfung gestattendes Rechtsmittel gegeben ist, so dass sich der Gebüsste im nachhinein vollumfänglich Gehör verschaffen kann. In diesem Sinne ist der in SJZ 1981, S. 188, wiedergegebene Brief des Bundesgerichtspräsidenten zu präzisieren.
d) Im vorliegenden Fall ist der Beschwerdeführer der Sitzung vom 10. Mai 1984, welche auf sein Betreiben angesetzt worden war, ferngeblieben. Die Gerichtskommission legte dem Beschwerdeführer im Bussenentscheid zur Last, durch die von ihm veranlasste Verschiebung das Verfahren unnötig verzögert, d.h. den Strafverfolgungsbehörden die speditive Erledigung erschwert zu haben, ohne daraus irgendwelchen prozessualen Nutzen zu ziehen. Diese Auffassung war im damaligen Zeitpunkt naheliegend, nachdem der Beschwerdeführer zwar am Vormittag des Verhandlungstages sein Ausbleiben angekündigt hatte, jedoch ohne irgendwelche Erklärung. Unter diesen Umständen war die Gerichtskommission nicht gehalten, sich vor Ausfällung der Busse von Fr. 50.-- beim Beschwerdeführer nach den Gründen des Ausbleibens zu erkundigen. Anderes würde nach dem in lit. c Gesagten höchstens dann gelten, wenn der Bussenbeschluss nicht frei in Wiedererwägung gezogen bzw. mit einem die volle Überprüfung gestattenden Rechtsmittel angefochten werden konnte. Dies ist jedoch nicht der Fall. Art. 194 Abs. 6 des st. gallischen Gesetzes über die Zivilrechtspflege (ZPO), der gemäss Art. 3 Abs. 2 des Gesetzes über die
BGE 111 Ia 273 S. 276
Strafrechtspflege auch für das Strafverfahren gilt, gibt nämlich dem Gebüssten die Möglichkeit, sich zu entschuldigen, womit nach der vom Beschwerdeführer nicht angefochtenen Darstellung des Kantonsgerichts nicht eine Entschuldigung im umgangssprachlichen Sinne gemeint ist, sondern das Vorbringen von Einwänden gegen die Busse, welche gegebenenfalls zu einer Abänderung oder einem Widerruf des Bussenerkenntnisses führen können. Mit einer solchen Regelung wurde dem Gehörsanspruch im vorliegenden Fall genügend Rechnung getragen. | public_law | nan | de | 1,985 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
c2a9f0d4-b419-446d-b9f5-219acab30421 | Urteilskopf
137 V 405
41. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit social dans la cause M. contre Caisse nationale suisse d'assurance en cas d'accidents (recours en matière de droit public)
8C_92/2011 du 29 septembre 2011 | Regeste
Art. 24 Abs. 1 UVV
.
Der Begriff Kurzarbeit in
Art. 24 Abs. 1 UVV
kann sich nur nach der Regelung im AVIG richten. Es handelt sich um einen Arbeitsausfall im Sinne der
Art. 31 ff. AVIG
(E. 4). | Sachverhalt
ab Seite 405
BGE 137 V 405 S. 405
A.
A.a
M. travaillait en qualité de manoeuvre pour le compte de l'entreprise X. SA. A ce titre, il était assuré contre le risque d'accidents auprès de la Caisse nationale suisse d'assurance en cas d'accidents (CNA).
Le 12 janvier 1999, il a été victime d'un accident. La CNA a pris en charge le cas. Par décision du 4 septembre 2000, elle a alloué à l'assuré une indemnité pour atteinte à l'intégrité d'un taux de 15 %. Dans une autre décision, du 23 novembre suivant, elle l'a reconnu apte à
BGE 137 V 405 S. 406
exercer en plein son activité professionnelle dès le 4 décembre 2000 et, par conséquent, mis un terme au versement des indemnités journalières à partir de cette date. L'assuré a formé opposition à ces deux décisions. La CNA les a écartées dans une nouvelle décision du 22 janvier 2002. Statuant le 15 mai 2003, le Tribunal des assurances du canton de Vaud (actuellement la Cour des assurances sociales du Tribunal cantonal vaudois) a rejeté le recours formé contre la décision sur opposition de la CNA. Sur recours de l'assuré, le Tribunal fédéral des assurances, par arrêt du 24 août 2004, a annulé ce jugement. Il a renvoyé la cause à la CNA pour qu'elle procède à une instruction complémentaire afin de déterminer la nature exacte des troubles attestés par les médecins - en particulier au regard de la question de la causalité naturelle avec l'accident de l'assuré -, et leurs répercussions sur la capacité de travail de celui-ci. Après quoi, la CNA était invitée à rendre une nouvelle décision (cause U 226/03).
A.b
A la suite de cet arrêt, la CNA a repris l'instruction du cas. Elle a rendu une décision, le 7 janvier 2008, par laquelle elle a alloué à M. une rente dès le 1
er
janvier 2008 fondée sur une incapacité de gain de 100 %, un gain annuel assuré de 43'415 fr., soit une rente mensuelle de 2'894 fr. 35. Elle lui a reconnu le droit à une indemnité pour atteinte à l'intégrité complémentaire de 35 %. L'assuré a formé opposition en contestant, d'une part, le montant du gain annuel assuré servant à la détermination du montant de la rente et, d'autre part, le taux de l'atteinte à l'intégrité. La CNA a très partiellement admis l'opposition par décision du 14 juillet 2008 en fixant le montant du gain assuré à 43'458 fr.
B.
M. a recouru contre cette dernière décision en concluant à ce que la rente d'invalidité soit fixée sur la base d'un gain annuel assuré de 47'913 fr. et au versement d'une indemnité pour atteinte à l'intégrité d'un montant plus élevé.
La Cour des assurances sociales du Tribunal cantonal vaudois a rejeté le recours par arrêt du 15 septembre 2010.
C.
M. exerce un recours en matière de droit public dans lequel il conclut au versement d'une rente calculée sur la base d'un gain annuel assuré de 48'143 fr.
La CNA conclut au rejet du recours. L'Office fédéral de la santé publique ne s'est pas déterminé.
Le recours a été rejeté.
BGE 137 V 405 S. 407
Erwägungen
Extrait des considérants:
2.
Selon l'art. 15 de la loi fédérale du 20 mars 1981 sur l'assurance-accidents (LAA; RS 832.20), entrée en vigueur le 1
er
janvier 1984, les indemnités journalières et les rentes sont calculées d'après le gain assuré (al. 1). Est déterminant pour le calcul des rentes le salaire que l'assuré a gagné durant l'année qui a précédé l'accident (art. 15 al. 2, 2
e
phrase, LAA). Le Conseil fédéral édicte des prescriptions sur le gain assuré pris en considération dans des cas spéciaux (al. 3). Faisant usage de cette délégation de compétence, le Conseil fédéral a édicté des dispositions dans l'ordonnance du 20 décembre 1982 sur l'assurance-accidents (OLAA; RS 832.202), notamment à son art. 24 intitulé "Salaire déterminant pour les rentes dans les cas spéciaux".
3.
Pour déterminer le gain assuré, la CNA s'est fondée sur des données salariales fournies par l'ancien employeur du recourant. Il en résultait que l'assuré avait perçu durant l'année ayant précédé l'accident (12 janvier 1998 au 11 janvier 1999) un salaire de 38'874 fr. 70 (conformément à l'extrait du livre de paie de l'employeur). Elle a fait application de l'
art. 24 al. 2 OLAA
. D'après cette disposition, lorsque le droit à la rente naît plus de cinq ans après l'accident ou l'apparition de la maladie professionnelle, le salaire déterminant est celui que l'assuré aurait reçu, pendant l'année qui précède l'ouverture du droit à la rente, s'il n'avait pas été victime de l'accident ou de la maladie professionnelle, à condition toutefois que ce salaire soit plus élevé que celui qu'il touchait juste avant la survenance de l'accident ou l'apparition de la maladie professionnelle. Aussi bien la CNA a-t-elle fixé le gain que l'assuré aurait réalisé du 1
er
janvier 2007 au 31 décembre 2007 en adaptant le montant de 38'874 fr. 70 à l'indice des salaires nominaux établi par l'Office fédéral de la statistique (OFS) pour les hommes dans les industries manufacturières, l'indice de référence étant de 104.7 pour les années 1998/1999 et 115.2 pour l'année 2006. Elle a tenu compte, à raison d'une augmentation de 1,6 %, de l'évolution des salaires nominaux en 2007. Elle a obtenu un gain annuel assuré de 43'458 fr. selon le calcul suivant:
38'874 fr. 70 : 104.7 x 115.2 + 1,6 % = 43'458 fr.
La juridiction cantonale a confirmé ce calcul.
4.
4.1
L'
art. 24 al. 1 OLAA
prévoit que si, au cours de l'année qui précède l'accident, le salaire de l'assuré a été réduit par suite de service
BGE 137 V 405 S. 408
militaire, de service civil, de service de protection civile, ou par suite d'accident, de maladie, de maternité, de chômage ou de réduction de l'horaire de travail, le gain assuré est celui que l'assuré aurait reçu sans la survenance de ces éventualités.
4.2
Le recourant se prévaut de cette disposition. Comme en première instance, il fait valoir que son horaire de travail normal était de 45 heures par semaine. Il a été réduit durant les mois d'août, novembre et décembre 1998, mois pour lesquels il n'a pas reçu un plein salaire. En août, la baisse s'expliquait par les fortes chaleurs ainsi que par les vacances généralisées durant cette période. Pour ce qui est des mois de novembre et décembre, il s'agissait d'une baisse qui tient "généralement aux conditions météorologiques". Le recourant soutient donc que son revenu devrait être annualisé en fonction d'une durée normale de travail, c'est-à-dire non compte tenu des baisses d'activité durant les trois mois précités. Il fait valoir à ce propos que la réduction de son horaire de travail n'était pas volontaire, de sorte qu'elle doit être considérée comme une réduction de l'horaire de travail au sens de l'
art. 24 al. 1 OLAA
.
4.3
Selon la jurisprudence, la loi (au sens large) s'interprète en premier lieu selon sa lettre (interprétation littérale). Si le texte n'est pas absolument clair, si plusieurs interprétations de celui-ci sont possibles, il convient de rechercher quelle est la véritable portée de la norme, en la dégageant de tous les éléments à considérer, soit notamment des travaux préparatoires (interprétation historique), du but de la règle, de son esprit, ainsi que des valeurs sur lesquelles elle repose, singulièrement de l'intérêt protégé (interprétation téléologique) ou encore de sa relation avec d'autres dispositions légales (interprétation systématique). Le sens que prend la disposition dans son contexte est également important (
ATF 135 III 640
consid. 2.3.1 p. 644 et la jurisprudence citée).
4.4
La disposition réglementaire en cause vise des situations où l'assuré a subi une perte de salaire dans l'année de référence en raison de l'une des éventualités énumérées. Contrairement à l'avis du recourant et comme l'ont retenu avec raison les premiers juges, les termes "réduction de l'horaire de travail" ("Kurzarbeit"; "lavoro ridotto") recouvrent une notion précise du droit des assurances sociales. Ils correspondent littéralement à la terminologie utilisée dans l'assurance-chômage en matière de réduction de l'horaire de travail justifiant le droit à une indemnité en application des art. 31 ss de la loi
BGE 137 V 405 S. 409
fédérale du 25 juin 1982 sur l'assurance-chômage obligatoire et l'indemnité en cas d'insolvabilité (loi sur l'assurance-chômage, LACI; RS 837.0). Il est à relever aussi que la version initiale en français de l'
art. 24 al. 1 OLAA
parlait dans l'énumération de (...) "maternité, de chômage ou de chômage partiel" (RO 1983 38). Cette dernière expression de chômage partiel correspondait du point de vue de la terminologie à la réduction de l'horaire de travail sous l'empire du régime transitoire du 8 octobre 1976, abrogé avec l'entrée en vigueur de la LACI, le 1
er
janvier 1984 (voir BORIS RUBIN, Assurance-chômage, 2
e
éd. 2006, p. 474 n° 6.1.1.2.1). Elle a été corrigée par la publication d'un erratum dans la Feuille fédérale (RO 2001 1663), mentionnant désormais, en lieu et place du chômage partiel et conformément au vocabulaire de la LACI, la réduction de l'horaire de travail dans les causes de réduction du salaire énumérées à l'
art. 24 al. 1 OLAA
. On notera encore que le Conseil fédéral, contrairement à ce qu'il a prévu pour le calcul de l'indemnité journalière (
art. 23 al. 3 OLAA
), n'a pas adopté dans le domaine des rentes de réglementation spéciale pour les situations où le salaire a subi de fortes variations. Cela s'explique par le fait que la période de référence d'une année est suffisamment longue et qu'il n'est donc pas inéquitable de tenir compte de ces variations (cf. RAMA 1990 p. 385, U 90/89 consid. 3c; voir aussi ANDRÉ PIERRE HOLZER, Der versicherte Verdienst in der obligatorischen Unfallversicherung, RSAS 2010 p. 222 ss). A elles seules, des fluctuations de salaire au cours de certains mois de l'année qui a précédé l'accident ne justifient donc pas une adaptation du gain annuel en fonction du gain (plus élevé) réalisé les autres mois.
4.5
Il s'avère donc, que la notion de réduction de l'horaire de travail au sens de l'
art. 24 al. 1 OLAA
ne peut s'interpréter que par référence à la réglementation de la LACI en ce domaine (dans ce sens également, ALFRED MAURER, Schweizerisches Unfallversicherungsrecht, 1985, p. 330, note de bas de page 814a).
4.6
En l'espèce, le recourant ne prétend pas que la baisse d'activité alléguée a donné lieu à des indemnités de l'assurance-chômage. Du reste, les pertes de travail habituelles dans la branche, la profession ou l'entreprise, de même que les fluctuations saisonnières de l'emploi ne sont pas prises en considération au titre de perte de travail indemnisable par l'assurance-chômage (
art. 33 al. 1 let. b LACI
). Or, de l'aveu même du recourant, c'est bien de cela qu'il s'agit en
BGE 137 V 405 S. 410
l'espèce, à savoir des variations qui surviennent à des périodes déterminées de l'année et qui n'ont de ce fait rien d'extraordinaire. En l'espèce, il en est certes résulté une diminution de salaire pour les mois considérés. Le recourant ne prétend toutefois pas qu'il avait droit durant ces périodes à un salaire correspondant à un horaire de travail non réduit (cf. l'
art. 22 al. 4, 1
re
phrase, OLAA). Hormis les exceptions prévues à l'
art. 24 OLAA
(voir aussi l'art. 22 al. 4, 2
e
phrase, OLAA), la règle est celle du salaire effectivement perçu et non le salaire hypothétique que l'assuré aurait touché si son horaire de travail n'avait pas été sujet à variations.
4.7
Le moyen soulevé est dès lors mal fondé. | null | nan | fr | 2,011 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
c2b1e5de-0d51-4424-98ee-21b673ea315e | Urteilskopf
99 Ia 370
42. Arrêt du 23 mai 1973 dans la cause Société coopérative Migros Genève contre Conseil d'Etat du canton de Genève. | Regeste
Handels- und Gewerbefreiheit. Verkauf von Medikamenten.
Art. 31 Abs. 2 BV
.
1. Ausnahme von der kassatorischen Natur der staatsrechtlichen Beschwerde (Erw. 1 b).
2. Kantonale Bestimmungen über die Ausübung von Handel und Gewerben; möglicher Inhalt (Erw. 2).
3. Gesetzliche Grundlage für kantonale Beschränkungen des Verkaufs von Heilmitteln (Erw. 3).
4. Erforderliches öffentliches Interesse an solchen Beschränkungen (Erw. 4).
5. Verhältnismässigkeit von einschränkenden Massnahmen (Erw. 5).
6. Rechtsungleiche Behandlung (Erw. 6). | Sachverhalt
ab Seite 370
BGE 99 Ia 370 S. 370
A.-
La Société coopérative Migros Genève (en abrégé:
BGE 99 Ia 370 S. 371
Migros Genève) a mis en vente dans ses magasins, le samedi matin 27 novembre 1971, des tubes de 10 comprimés effervescents de vitamine C à 1000 mg, sous le nom de "MC Vit", au prix de 1 fr. 15 le tube. La vente se faisait en libre-service; elle était stimulée par de grands panneaux publicitaires et par une réclame enregistrée sur bandes magnétiques.
Par lettre du 29 novembre 1971, le chef du Département cantonal de la prévoyance sociale et de la santé publique a sommé la société de cesser immédiatement cette vente, non conforme aux prescriptions légales: s'agissant d'un médicament, il doit être enregistré à l'Office intercantonal de contrôle des médicaments (OICM) et sa mise dans le commerce doit faire l'objet d'une autorisation du Département; sa vente est réservée aux pharmaciens et aux droguistes, elle ne peut se faire en libreservice et toute réclame incitant à une consommation abusive est interdite. La lettre contenait en outre une menace de confiscation. Le même département a ordonné aux Laboratoires Sauter SA, qui avaient livré les tubes de "MC Vit" à Migros Genève, de cesser immédiatement cette livraison. Le 1er décembre 1971, le Conseil d'Etat a dénoncé au Procureur général les infractions commises tant par Migros Genève que par les Laboratoires Sauter SA
B.-
Le 8 décembre 1971, douze coopératives Migros ont demandé au Service fédéral de l'hygiène publique l'autorisation - prévue à l'art. 20 de l'OCF du 26 mai 1936 sur les denrées alimentaires et les objets usuels (ODA) - de vendre des comprimés "MC Vit" à 1000 mg, considérés par elles comme des denrées alimentaires, puis, par lettre du 12 décembre 1971, l'autorisation de vendre des comprimés de vitamines C à 300 mg. Par décision du 4 janvier 1972, susceptible de recours au Département fédéral de l'intérieur, le Service fédéral de l'hygiène publique a rejeté la demande pour les comprimés de 1000 mg, considérés comme médicaments (art. 5 de l'ordonnance du Département fédéral de l'intérieur, du 7 mars 1957, concernant l'addition de vitamines aux denrées alimentaires et la réclame y relative); par lettre du 23 décembre 1971, il a répondu que la seconde demande pourrait être prise en considération, à la condition qu'il s'agisse de tablettes pour limonade gazeuse avec dose de vitamine C ne dépassant pas 225 mg (art. 290 ODA et 5 de l'ordonnance précitée sur l'addition de vitamines). Les
BGE 99 Ia 370 S. 372
sociétés requérantes n'ont, semble-t-il (du moins la recourante ne le prétend-elle pas), pas recouru contre la décision du 4 janvier 1972.
C.-
Contre la décision du chef du Département cantonal du 29 novembre 1971, Migros Genève a recouru au Conseil d'Etat le 20 décembre 1971, en alléguant la violation de l'art. 31 Cst. Elle soutenait que le produit "MC Vit" à 1000 mg n'était pas un médicament, mais un complément utile et bienfaisant de l'alimentation; que même si on voulait le qualifier de médicament, son enregistrement par l'OICM ne serait pas nécessaire, le même produit se vendant déjà depuis longtemps, avec autorisation, sous le nom de "Redoxon"; que le classement en catégorie D (vente exclusive dans les pharmacies et drogueries) ne se justifiait pas, la "MC Vit" ne pouvant être nuisible pour la santé, même à forte dose; enfin qu'aucune raison de police sanitaire ne pouvait justifier l'interdiction de vente.
Statuant le 5 juillet 1972, le Conseil d'Etat du canton de Genève a rejeté le recours, retenant que la "MC Vit" était un médicament, que selon l'expert de l'OICM elle pouvait à haute dose être nuisible pour la santé, qu'il n'appartenait pas aux cantons de se prononcer sur la compétence des experts mis en oeuvre par l'OICM et que, dans ces conditions, des raisons valables de santé publique commandaient de réserver la vente d'un tel produit aux pharmaciens et aux droguistes, en vertu de la loi cantonale sur l'exercice des professions médicales et des professions auxiliaires (en abrégé: LPM), du 11 décembre 1926.
D.-
Agissant par la voie du recours de droit public, la Société coopérative Migros Genève requiert le Tribunal fédéral d'annuler la décision du Conseil d'Etat et de renvoyer l'affaire à l'autorité cantonale en lui enjoignant de donner suite à la requête de la recourante. Elle allègue la violation de l'art. 31 Cst., soutenant qu'en raison de l'innocuité du produit "MC Vit" la décision attaquée ne se justifie par aucun intérêt public, que la vente exclusive par les pharmacies et drogueries n'est pas le moyen approprié pour atteindre le but visé et qu'elle apparaît comme une mesure disproportionnée à ce but. Elle allègue également la violation de l'art. 4 Cst., la décision attaquée constituant à son avis une inégalité de traitement et une application arbitraire du droit cantonal. Elle fait état, en outre, de
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trois jugements cantonaux récents, qui seraient favorables à sa thèse.
Le Conseil d'Etat conclut au rejet du recours.
Les arguments des parties seront repris ci-dessous dans la mesure utile.
E.-
En conformité de l'art. 95 OJ, divers renseignements ont été demandés à l'OICM et à l'Organisation mondiale de la santé. Ont également été produits les jugements cités par la recourante, ainsi que d'autres jugements, notamment celui du Tribunal administratif du canton de Zurich, rendu le 27 mars 1973.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
a) (décision de dernière instance cantonale).
b) Le recours de droit public ne peut tendre en principe qu'à l'annulation de la décision attaquée. S'agissant cependant du cas où une autorisation de police a été refusée prétendument à tort, le recourant peut requérir le Tribunal fédéral d'enjoindre à l'autorité cantonale d'accorder l'autorisation litigieuse (RO 98 I a 38 consid. 1 et les arrêts cités). Le recours est donc recevable sur ce point également.
2.
La fabrication et la vente des médicaments bénéficient de la protection de l'art. 31 Cst., qui garantit la liberté du commerce et de l'industrie (RO 93 I 219, 95 I 15 et 426 consid. 4). Les cantons peuvent cependant y apporter des restrictions commandées par l'intérêt public. L'art. 31 al. 2 dispose en effet que "les prescriptions cantonales sur l'exercice du commerce et de l'industrie ainsi que sur leur imposition sont réservées". Dans un arrêt récent (RO 97 I 504 ss.), le Tribunal fédéral a relevé qu'il fallait entendre par "prescriptions cantonales sur l'exercice du commerce et de l'industrie" non seulement les mesures de police au sens strict, savoir celles qui visent à préserver d'un danger ou à l'écarter, mais également d'autres mesures, notamment celles qui sont destinées à procurer ou à augmenter le bien-être, comme par exemple des mesures de politique sociale; seules sont prohibées les mesures de politique économique, c'est-à-dire celles qui interviennent dans la libre concurrence pour assurer ou favoriser certaines branches de l'activité lucrative ou certaines formes d'exploitation et tendent à diriger l'activité économique selon un certain plan. Les mesures que peuvent prendre les cantons doivent
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cependant se conformer aux principes constitutionnels auxquels sont soumises toutes les restrictions aux libertés individuelles, savoir la légalité, l'intérêt public, la proportionnalité et l'égalité de traitement; elles ne peuvent notamment être considérées comme répondant à un intérêt public que si elles satisfont à un besoin assez généralement reconnu pour que l'Etat se charge d'y pourvoir.
Le Tribunal fédéral examine librement si les principes d'intérêt public et de proportionnalité sont respectés par l'arrêté ou la décision attaqués (RO 94 I 134 s., 95 I 426 consid. 4); il en est de même du principe de la légalité, lorsque la restriction critiquée constitue une grave atteinte aux intérêts du recourant (RO 95 I 16); dans les autres cas, son pouvoir d'examen se limite à l'arbitraire.
3.
a) Au sujet de la base légale, la recourante conteste avec raison que la convention intercantonale sur le contrôle des médicaments du 16 juin 1954 - à laquelle tous les cantons ont adhéré - et son règlement d'exécution du 10 juin 1955 puissent en tenir lieu en l'espèce; cette convention est en effet non pas un acte normatif, mais un acte essentiellement contractuel et organisateur; elle ne confère aucun pouvoir de puissance publique à l'OICM, ni n'impose d'obligation aux administrés (FELIX WÜST, Die interkantonale Vereinbarung über die Kontrolle der Heilmittel vom 16. Juni 1954, thèse St-Gall, 1969 p. 88-91; SUSANNE IMBACH, Die Heilmittelkontrolle in der Schweiz aus staats- und verwaltungsrechtlicher Sicht, thèse Berne, 1970 p. 94 s., avec référence à des avis de droit de Fritz Gygi et Hans Huber). Le fait que le Tribunal fédéral ait reconnu à la disposition particulière de l'art. 17 al. 2 - relative à l'émolument de chancellerie pour la délivrance d'autorisations de vente - le caractère de clause normative (cf. RO 81 I 358 ss.), tout en laissant ouverte la question de principe, n'implique nullement la reconnaissance de ce caractère à l'ensemble de la convention. En tout cas, l'art. 13 al. 2 relatif au mode de vente n'a aucun caractère normatif, selon son texte même: il charge simplement l'OICM de communiquer le résultat de ses expertises aux cantons.
b) En revanche, la base légale se trouve dans la loi cantonale "sur l'exercice des professions médicales et des professions auxiliaires" du 11 décembre 1926. Cette loi réserve aux seuls pharmaciens diplômés le droit de dispenser des médicaments au
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public (art. 27 et 29 al. 1), en dehors de ceux dont la vente par les droguistes est autorisée (art. 29 al. 2) ou de ceux qui figurent sur une liste spéciale établie par le Conseil d'Etat et qui peuvent être vendus par tous les commerces (art. 29 al. 3 lettre b). La vitamine C ne figure pas dans cette liste.
La recourante ne prétend pas que les dispositions de la loi cantonale violent, en elles-mêmes, la liberté du commerce et de l'industrie, ni que le Conseil d'Etat ait dépassé, dans les dispositions réglementaires, les limites de la compétence déléguée par le législateur. Elle soutient cependant que l'application de la loi et du règlement constitue une violation de dispositions claires (Missachtung klaren Rechtes), ce qui n'est guère compréhensible; la vitamine C ne figure pas, en effet, dans la liste établie par le Conseil d'Etat en application de l'art. 29 al. 3 lettre b LPM de sorte que l'interdiction critiquée était conforme à la loi.
Ce que la recourante attaque en réalité, c'est le refus du Conseil d'Etat de mettre la vitamine C dans la liste des produits dont le commerce est libre, refus que confirme implicitement la décision attaquée. Le Conseil d'Etat n'était pas lié par le classement en catégorie D proposé par l'OICM. Il devait en décider en vertu d'un pouvoir autonome; à défaut de directive contenue dans la législation cantonale, il devait s'inspirer des principes d'ordre constitutionnel en matière de police sanitaire et de restrictions à la liberté du commerce, les recommandations de l'OICM ne constituant pour lui qu'une indication de nature scientifique.
Il s'agit donc d'examiner s'il a respecté ces principes, et c'est bien sur ce terrain que se place la recourante.
4.
Alors qu'elle avait prétendu, devant le Conseil d'Etat, que les comprimés de vitamines C à 1000 mg étaient un simple produit alimentaire, dont la vente ne pouvait pas être soumise à restriction, la recourante ne conteste plus, devant la Cour de céans, que ces comprimés constituent un médicament, par quoi il faut entendre, selon la 6e édition de la Pharmacopée suisse, mise en vigueur par l'arrêté du Conseil fédéral du 25 août 1971 (ROLF 1971 p. 1182), "toute substance ou composition présentant des propriétés curatives ou préventives à l'égard des maladies humaines ou animales, ou pouvant être administrée à l'homme ou à l'animal en vue d'établir un diagnostic médical ou de restaurer, corriger ou modifier leurs fonctions organiques"; tout au plus émet-elle un doute à ce sujet, doute qui,
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faute d'être motivé, ne peut pas être retenu comme moyen de recours.
a) Il est généralement admis que la vente des médicaments au public soit en principe réservée aux magasins spécialisés, c'est-à-dire à des personnes compétentes qui ont reçu une formation appropriée. Le monopole des pharmaciens se justifie par la préoccupation de protéger la santé publique contre les dangers que peut provoquer la consommation de médicaments, notamment aussi l'abus d'une telle consommation. Le monopole implique d'ailleurs des obligations et des servitudes assez lourdes pour les pharmaciens: des exigences leur sont imposées quant aux locaux et aux installations qu'ils utilisent pour la préparation et la conservation des médicaments; ils doivent tenir à la disposition du public (dans certains cantons en tout cas et notamment à Genève: art. 27 du Règlement de la LPM, du 25 octobre 1927) tous les produits de la Pharmacopée suisse ou être en mesure de les procurer dans les plus brefs délais; ils doivent tenir des registres spéciaux; ils ont l'obligation d'assurer, par rotation, le service des médicaments la nuit et le dimanche. Quant aux droguistes, ils ont reçu eux aussi une formation adéquate en vue de la vente des produits de la liste D de l'OICM: ils doivent être titulaires du "diplôme des examens supérieurs de droguistes" (art. 2 du règlement cantonal du 29 avril 1955 relatif à l'exercice de la profession de droguiste, en abrégé RD), ce qui implique des connaissances spéciales en la matière (cf. art. 15 du Règlement des examens professionnels supérieurs pour droguistes, du 22 avril 1952, approuvé par le Département fédéral de l'économie publique le 1er mai 1952); ils ont l'obligation de s'abonner au fichier relatif aux spécialités pharmaceutiques dont la vente est admise par les drogueries (art. 4 RD) et de tenir certains registres (art. 2 du règlement cantonal du 21 décembre 1951 "fixant le tableau des drogues pouvant être vendues par les droguistes"); ils sont aussi soumis aux dispositions générales de la LPM et de son règlement d'exécution (art. 9 RD), et à certaines exigences quant aux locaux et installations (art. 5, 6 et 8 RD).
Si le monopole de la vente des médicaments est de nature à favoriser une certaine organisation cartellaire et des abus en matière de prix, il permet cependant aussi d'assurer en fait une certaine dispersion géographique des pharmacies, qui est finalement favorable à l'ensemble de la population et répond à
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un intérêt public. Aussi bien la Commission suisse des cartels, qui s'est occupée de la question des prix des produits pharmaceutiques, a-t-elle estimé que le régime en vigueur se justifiait par des considérations d'hygiène et de santé publique (cf. publications de la Commission suisse des cartels, année 1966, p. 303).
La recourante ne conteste pas le principe lui-même du monopole de la vente des médicaments par les pharmacies (et les drogueries pour les produits de la liste D). Elle prétend en revanche qu'en raison du caractère inoffensif des comprimés de vitamines C à 1000 mg, la restriction de vente dont le Conseil d'Etat frappe ce produit n'est justifiée par aucun intérêt public et qu'elle viole ainsi la liberté du commerce et de l'industrie.
b) A l'appui de sa thèse, la recourante fait état des effets bénéfiques de la vitamine C sur la santé humaine et soutient qu'il est dans l'intérêt public d'en favoriser la consommation par la vente libre, ce qui permet d'en abaisser sensiblement le prix. Elle allègue d'autre part que, selon les plus récentes connaissances scientifiques, la vitamine C est absolument inoffensive - même absorbée à haute dose de façon prolongée - pour l'organisme humain et qu'elle ne provoque pas d'effets secondaires. Elle cite de nombreux avis scientifiques favorables à sa thèse, ainsi que des arrêts récents rendus par des tribunaux administratifs cantonaux (d'Argovie du 1er septembre 1971 et de Soleure du 28 janvier 1972, comme celui de l'Amtsgericht de Lucerne-Ville du 13 août 1971), qui ont déclaré injustifiée l'exclusivité de la vente des comprimés de vitamines C à 1000 mg par les pharmacies et drogueries.
Dans la décision attaquée comme dans sa réponse au recours, le Conseil d'Etat cite d'autres avis scientifiques qui aboutissent à des conclusions contraires: une consommation accrue de vitamines C ne serait ni nécessaire, ni souhaitable pour la santé humaine, tandis qu'une consommation prolongée à haute dose pourrait avoir des effets nocifs, notamment par la formation de calculs rénaux.
En présence de ces opinions divergentes, l'autorité cantonale pouvait en tout cas retenir que la possibilité d'effets nocifs d'une consommation prolongée de vitamines C à haute dose n'était pas exclue. Mais il s'agit d'examiner si cette constatation lui permettait de conclure que la vente exclusive des comprimés de vitamines C à 1000 mg par les pharmaciens et les droguistes devait être maintenue.
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c) La recourante soutient, dans son recours, qu'un danger abstrait pour la santé publique ne peut justifier une restriction de police que s'il en résulte dans la majorité des cas, selon le cours ordinaire des choses, un danger concret pour le bien juridique protégé, ce qui ne serait pas le cas en l'espèce. C'est également sur cette distinction entre danger abstrait et danger concret que s'est fondé le Tribunal administratif du canton de Zurich dans un arrêt du 27 mars 1973 où il a admis - au sens des considérants - le recours de sociétés coopératives Migros dans une affaire semblable à la présente (cf. ZBl. 1973 p. 361).
On peut douter qu'une telle distinction, connue semble-t-il de la seule jurisprudence zurichoise (l'arrêt précité ne cite ni auteurs, ni jurisprudence autre que celle de deux précédents arrêts zurichois) et d'ailleurs difficile à opérer dans la pratique, puisse s'appliquer en matière de santé publique, où l'importance du bien juridique à protéger devrait inciter à tenir compte de tout danger quelconque. Il n'est cependant pas nécessaire de trancher ce point, car même si l'on voulait retenir comme pertinentes les considérations du tribunal administratifzurichois, elles ne seraient pas déterminantes à elles seules pour la solution du cas: d'autres éléments encore devraient en effet entrer en ligne de compte.
D'une part, le but à atteindre par les autorités sanitaires consiste à éviter non seulement le danger que pourrait constituer la consommation prolongée de vitamines C à haute dose, mais également le danger général que fait courir à la santé publique l'abus de médicaments de tout genre. Or la libéralisation de la vente de vitamines C à haute dose ne ferait que renforcer ce danger général, surtout si la vente se faisait en libre-service et si la libéralisation devait entraîner à sa suite, comme on peut le craindre, celle d'autres produits figurant dans la liste D de l'OICM. Aussi doit-on admettre que le maintien de la vente exclusive par les pharmacies et les drogueries se justifie comme une mesure de police sanitaire.
D'autre part, même si elle ne voulait reconnaître qu'un caractère abstrait au danger d'une consommation prolongée de vitamines C à haute dose et lui dénier la faculté de justifier une mesure restrictive de police du commerce, la Cour de céans pourrait cependant admettre, sans courir le risque de donner une extension trop large aux autres mesures évoquées par l'arrêt
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Griessen (RO 97 I 504), que la vente exclusive par les pharmacies et les drogueries constitue une mesure destinée à promouvoir et à sauvegarder cet élément du bien-être général que représente la santé de la population.
On ne saurait donc nier l'existence d'un intérêt public à la base de la décision attaquée.
d) Pour que la mesure contestée soit compatible avec la constitution, il faut encore que l'intérêt public l'emporte sur l'intérêt privé de la recourante à l'annulation de la restriction dont elle se plaint.
Or les comprimés de 1000 mg de vitamines C ne forment qu'une modeste part des très nombreux articles que la recourante offre en vente à ses clients, de sorte que son bénéfice net ne serait sans doute pas influencé de façon sensible par la décision incriminée. D'autre part, si les comprimés de 1000 mg de vitamines C sont des médicaments, dont la vente peut être soumise à restriction, en revanche les tablettes pour limonade, d'une contenance en vitamine C correspondant à la dose journalière suffisante pour l'organisme (fixée à 75 mg par l'ordonnance du Département fédéral de l'intérieur concernant l'addition de vitamines aux denrées alimentaires, du 7 mars 1957, qui autorise cependant une contenance triple - 225 mg - pour compenser les pertes provoquées par le stockage) sont considérées, par la réglementation fédérale, comme des denrées alimentaires dont la vente est autorisée; la recourante pratique effectivement la vente d'un tel produit. Dans ces conditions, elle ne saurait prétendre être lésée dans un intérêt privé qui puisse prévaloir sur l'intérêt public à la sauvegarde de la santé.
La recourante soutient cependant encore qu'il y a un intérêt pour le consommateur à pouvoir se procurer, au prix avantageux que permettrait une vente libre, des comprimés de vitamines C à 1000 mg. Même en prenant en considération un tel intérêt - qui n'est pas celui de la recourante elle-même, mais de tiers non parties à la présente procédure -, on devrait également reconnaître qu'il n'est pas de nature à prévaloir sur l'intérêt public à la lutte contre l'abus des médicaments. En effet, il est admis que le besoin journalier moyen en vitamines C est de 75 mg; les particuliers peuvent se procurer librement des tablettes d'une telle contenance, et à un prix sensiblement plus bas que celui des comprimés de 1000 mg vendus en pharmacies
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et drogueries. C'est donc en vain qu'ils prétendraient être lésés dans un intérêt privé qui devait l'emporter sur l'intérêt public dont se préoccupent les autorités.
5.
La recourante soutient que la décision attaquée viole le principe dit de la proportionnalité des mesures administratives: d'une part des mesures moins restrictives suffiraient pour atteindre le but visé par les autorités; d'autre part, la vente exclusive des comprimés de vitamines C à 1000 mg par les pharmacies et drogueries ne serait pas le moyen approprié pour atteindre ce but.
a) Selon la recourante, les pharmaciens et les droguistes vendent les comprimés à 1000 mg sans restriction de quantité et sans aucune mise en garde, de sorte que le résultat escompté ne serait pas plus atteint par la vente en pharmacie et droguerie que par la vente libre. La recourante fait même état de la publicité pratiquée par certains pharmaciens en vue de la vente en gros par correspondance, ce qui exclut toute mise en garde.
Or, la mise en garde contre les abus de médicaments fait partie des devoirs déontologiques des pharmaciens; si certains d'entre eux négligent leurs obligations sur ce point, ce n'est pas une raison pour renoncer à une réglementation destinée à sauvegarder la santé publique. D'autre part, le simple fait qu'on ne peut se procurer un médicament que dans une pharmacie ou une droguerie constitue déjà à lui seul une certaine mise en garde, tandis que la possibilité de l'obtenir dans n'importe quel commerce ne peut que contribuer à renforcer la tendance - reconnue dangereuse pour la santé - à faire une consommation abusive de médicaments.
b) La recourante prétend qu'il suffirait d'exiger de joindre aux tubes de vitamine C à 1000 mg un prospectus contenant les indications et les mises en garde éventuellement nécessaires. Mais le consommateur ne lit guère les prospectus, en général; il les lirait sans doute moins encore s'il s'agissait d'un produit en vente libre. Le moyen proposé par la recourante n'est donc pas de nature à remplacer la mise en garde à laquelle on peut s'attendre, le cas échéant, de la part d'un pharmacien ou d'un droguiste conscient de ses responsabilités, ni même la mise en garde implicite que constitue le fait qu'un médicament ne peut être obtenu que dans une pharmacie ou une droguerie.
6.
a) La recourante soulève encore le grief d'inégalité de traitement: à son avis, la vente des vitamines C par les pharmacies
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et drogueries n'offrirait pas plus de protection contre la consommation abusive de médicaments que la vente libre, de sorte qu'en traitant différemment des situations semblables les autorités cantonales auraient commis une inégalité de traitement.
On a vu ci-dessus (consid. 4 et 5) que les conséquences d'une vente libre et celles d'une vente exclusive par les pharmacies et drogueries ne sont pas les mêmes, de sorte que le grief d'inégalité de traitement se révèle mal fondé.
Il en est de même du grief d'arbitraire: si la décision attaquée est compatible avec l'art. 31 Cst., à plus forte raison n'est-elle pas contraire à l'art. 4 Cst.
b) La recourante ne prétend pas que le rejet de son recours créerait une inégalité de traitement de canton à canton, en raison des arrêts rendus par des tribunaux administratifs cantonaux qui ont déclaré incompatible avec l'art. 31 Cst. l'exclusivité de la vente dans les pharmacies et drogueries. Il est sans doute regrettable que le régime de vente soit différent d'un canton à l'autre. Mais une telle situation ne constitue pas une inégalité de traitement contraire à l'art. 4 Cst.; elle est la conséquence de la sphère d'autonomie (Eigenständigkeit) dont jouissent les cantons (RO 97 I 122 consid. 5 a, 96 I 704 consid. 4 b et les arrêts cités). C'est donc avec raison que la recourante n'a pas soulevé le grief d'inégalité de traitement sur ce point.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral:
Rejette le recours. | public_law | nan | fr | 1,973 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
c2b1f1fc-4b4e-48c4-9250-4e39eeccc5d2 | Urteilskopf
105 Ib 175
28. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit public du 2 mars 1979 en la cause société X. contre Administration fédérale des contributions (recours de droit administratif) | Regeste
Bundesgesetz über die Stempelabgaben vom 27. Juni 1973 (StG).
Die Umwandlung von Partizipationsscheinen in Aktien schafft neue Beteiligungsrechte, was die Erhebung der Emissionsabgabe nach
Art. 5 Abs. 1 lit. a StG
erlaubt, selbst wenn diese Abgabe bereits bei der Schaffung der Partizipationsscheine entrichtet worden ist (E. 2).
Begriff der "Zuschüsse" i.S. von
Art. 6 Abs. 1 lit. d StG
(E. 3). | Sachverhalt
ab Seite 175
BGE 105 Ib 175 S. 175
En 1972, la société X. a créé notamment 54'300 bons de participation de catégorie A, nominatifs, d'une valeur nominale de 260 fr. chacun. Les art. 6 lettre a et 8 des statuts, adoptés à la même date par l'assemblée générale, prévoyaient, en substance, que la conversion de ces bons en actions pourrait être décidée par une assemblée générale qui devrait modifier les statuts en conséquence. Une action nominative de catégorie C, P ou T, de même valeur nominale que le bon, serait remise contre chaque bon de participation convertible.
BGE 105 Ib 175 S. 176
Le droit d'émission de 2% a été payé en novembre 1972 sur les bons ainsi créés.
En 1975, une assemblée générale extraordinaire a décidé d'augmenter le capital-actions de 5'495'100 fr. à 17'441'100 fr., soit une augmentation de 11'946'000 fr., par la conversion des 54'300 bons de participation de catégorie A, à concurrence d'une fraction de la valeur nominale de chaque bon, par 220 fr., en 119'460 actions nominatives nouvelles C, P et T. Après cette opération, les bons de 260 fr. avaient une valeur nominale réduite de 40 fr.; ils furent réunis en 21'720 bons de participation de catégorie A d'une valeur nominale nouvelle de 100 fr. chacun.
L'Administration fédérale des contributions (AFC) a considéré que les 119 460 actions nominatives, émises à la suite d'une conversion de bons de participation, constituaient des titres créant incontestablement de nouveaux rapports de participation; dès lors, les conditions d'assujettissement au droit d'émission étaient réalisées. Par décision du 15 février 1978, l'administration a fixé ce droit à 238'920 fr., soit le 2% de la valeur nominale des actions nouvelles.
La société X. a formé une réclamation contre cette décision, en contestant devoir le droit de timbre réclamé. Cette réclamation a été rejetée par décision de l'AFC du 19 mai 1978.
Agissant par la voie du recours de droit administratif, la société X. requiert le Tribunal fédéral d'annuler la décision prise par l'AFC le 19 mai 1978 et de dire qu'elle ne doit pas le droit de timbre d'émission réclamé.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
L'émission, en 1972, de 54 300 bons de participation de catégorie A a donné lieu à la perception du droit de timbre, conformément à l'art. 25 de la loi fédérale sur les droits de timbre du 4 octobre 1917. En 1975, la société a converti ces bons en 119 460 actions nominatives nouvelles. Cette deuxième opération doit être examinée au regard des dispositions de la loi fédérale sur les droits de timbre du 27 juin 1973 (LT), entrée en vigueur le 1er juillet 1974.
2.
a) Selon l'art. 5 al. 1 lettre a LT, le droit d'émission a notamment pour objet la création, à titre onéreux ou gratuit, de droits de participation sous la forme d'actions de sociétés anonymes suisses.
BGE 105 Ib 175 S. 177
Le droit d'émission est un impôt frappant des transactions résultant d'opérations juridiques fixées par la loi indépendamment de la présence ou de l'absence de documents (Archives, vol. 17, p. 468; vol. 24, p. 59). Il est donc applicable chaque fois qu'une société a créé des droits de participation qui n'existaient pas ou qu'elle augmente la valeur nominale de droits de participation déjà existants. Seuls font exception les droits de participation énumérés limitativement à l'art. 6 al. 1 LT.
Il s'agit dès lors, pour savoir si la recourante est débitrice ou non de l'impôt que lui réclame l'AFC, de déterminer si la conversion de bons de participation en actions a créé de nouveaux rapports de droit. A cet égard, il y a lieu d'examiner d'abord quelle est la nature de ces titres.
b) Les bons de participation ont été institués, il y a quelques années, par des sociétés ayant besoin de fonds pour assurer leur développement financier, mais qui voulaient éviter d'augmenter le capital social pour ne pas accroître le nombre des actionnaires. Du point de vue juridique, la doctrine considère les bons de participation comme des bons de jouissance au sens de l'art. 657 CO (Patry, Précis de droit suisse des sociétés, vol. II, p. 126). Tel est également le cas en matière de droit d'émission, car si la loi fédérale sur le droit de timbre ne mentionne pas expressément les bons de participation, le message du Conseil fédéral relatif à cette loi précise, qu'étant des droits de participation, ils doivent sans autre être assimilés à des bons de jouissances (FF 1972 II 1287).
Sous l'angle patrimonial, les droits des porteurs de bons de participation (droits à une part du bénéfice net et au produit de liquidation) peuvent correspondre à ceux dont sont titulaires les actionnaires et présenter de ce fait le même caractère (Archives 22, 166, consid. 2). Toutefois, sur le plan juridique, le capital-bons de participation doit être nettement distingué du capital-actions. Seule la participation à ce dernier confère la qualité d'actionnaire (Archives 16, 127; 17, 540; 22, 166). Cela signifie que le porteur de bons de participation, qui est exclu de par la loi] du droit de vote (art. 657 al. 4 CO), l'est également des droits sociaux typiques, tels que le droit d'attaquer les décisions de l'assemblée générale des actionnaires (art. 706 CO), d'être élu (art. 707 al. 1 et 2 CO) ou représenté au conseil d'administration (art. 708 al. 4/5 CO) et de requérir la dissolution de la société pour justes motifs (art. 736 al. 1 ch. 4 CO) (Henggeler, Le bon de participation, FJS 131 p. 11).
BGE 105 Ib 175 S. 178
Appelé à se prononcer sur la conversion de bons de participation en actions dans le cadre de l'ancienne ordonnance d'exécution de la loi fédérale concernant les droits de timbre du 7 juin 1928, le Tribunal fédéral avait jugé que la société devait s'acquitter du droit d'émission, car la conversion n'avait pas laissé subsister, en le modifiant, le rapport juridique initial, objet de l'impôt perçu lors de la création des bons de participation (Archives, vol. 46 p. 542).
Ce principe est d'autant plus justifié sous l'empire de la nouvelle législation qui précise bien que le droit d'émission frappe la création de droits de participation et non le nouveau document comme tel. Or, en l'espèce, il est évident que la conversion opérée par la recourante en 1975 a créé de nouveaux rapports de droit, puisqu'en remettant des actions aux porteurs de bons de participation ceux-ci sont devenus actionnaires et ont dès lors acquis les droits spécifiques qui s'y rattachent.
c) La recourante invoque que, selon l'art. 8 de ses statuts, l'assemblée générale pouvait imposer aux porteurs de bons de la catégorie A, même contre leur gré, la transformation de leurs bons en actions. Elle en conclut que la conversion n'a été que l'exercice d'un droit formateur reconnu statutairement et faisant partie de la nature même des bons de participation.
Ainsi que l'a relevé à juste titre l'AFC dans la décision attaquée, rien ne permet de soutenir que l'art. 5 al. 1 LT ne s'applique pas à la conversion que l'émetteur peut imposer aux porteurs de bons. Par ailleurs, dans son arrêt du 1er juillet 1977 déjà cité (Archives, vol. 46, p. 542), le Tribunal fédéral a considéré que "le seul fait que l'éventualité d'une conversion du bon en action ait été prévue dès l'origine ne suffit pas à conférer à cette opération le caractère d'une simple modification de titre". Par conséquent, le fait que la conversion des bons de participation en actions dépendait de la volonté exprimée par l'assemblée générale - ce que la recourante a appelé la "conversion forcée" - n'est en rien décisif quant à la création de droits de participation nouveaux lors de cette conversion.
C'est donc à bon droit que l'AFC a estimé qu'en cas de conversion de bons de participation en actions à la suite de l'augmentation du capital-actions par incorporation du compte capital-bons de participation, une deuxième perception du droit d'émission devait avoir lieu (Henggeler, op.cit., p. 19).
3.
La recourante soutient encore que la conversion du
BGE 105 Ib 175 S. 179
12 décembre 1975 doit bénéficier de l'exonération prévue par l'art. 6 al. 1 lettre d LT, car les droits de participation, nés de la conversion des bons en actions, ont été créés au moyen de versements qui ont déjà été soumis à l'imposition lors de l'émission des bons de participation. Pour sa part, l'AFC considère que les versements dont parle l'art. 6 al. 1 lettre d LT ne peuvent être que "supplémentaires", de même que ceux mentionnés à l'art. 5 al. 2 lettre a LT, et qu'en conséquence la recourante ne peut bénéficier de l'exception qu'elle invoque.
L'art. 6 al. 1 lettre d LT est ainsi libellé:
"Ne sont pas soumis au droit d'émission, les droits de participation qui sont créés ou augmentés au moyen de précédents agios et versements des actionnaires ou associés, pour autant que la société prouve qu'elle a payé le droit d'émission sur ces agios et versements."
La société ne prétend pas à juste titre qu'il pourrait s'agir ici d'un agio. En effet, en matière de création de droits de participation nouveaux, l'agio ne peut que représenter la différence entre la valeur nominale et le prix supérieur payé à la société en contrepartie de ces droits. Or, en l'espèce, le capital-bons de participation de 11'946'000 fr. représentait la valeur nominale, réduite de 40 fr., de 54'300 bons de participation de 260 fr., émis en 1972. Il ne s'agit donc pas d'un agio.
Quant aux "versements", on ne saurait soutenir, comme le fait la recourante, que le législateur a voulu donner un sens général à ce terme et que, dans le cas particulier, les montants versés à la société lors de l'émission des bons en 1972 sont des versements au sens de la disposition précitée.
Dans son message à l'Assemblée fédérale concernant la nouvelle loi sur le droit de timbre, le Conseil fédéral a ajouté de manière significative le qualificatif de "supplémentaires" à propos des versements prévus à l'art. 6 al. 1 lettre d LT. Il a notamment déclaré qu'il s'agissait d'une disposition nouvelle, statuant que "les agios et versements supplémentaires des actionnaires ou associés qui n'ont pas été incorporés dans le capital social ne sont pas imposés une seconde fois, lorsqu'ils sont utilisés plus tard pour libérer des actions gratuites, etc., s'il est prouvé que les droits dus ont été payés sur ces versements" (FF 1972 II 1281). Il y a donc lieu de considérer que l'interprétation faite par l'AFC de l'art. 6 al. 1 lettre d LT est exacte. Cette interprétation est d'ailleurs confirmée par le texte allemand de l'art. 6 al. 1 lettre d LT qui utilise la
BGE 105 Ib 175 S. 180
même expression ("Zuschüsse") qu'à l'art. 5 al. 2 lettre a LT pour qualifier ces versements supplémentaires. Cependant, il faut se garder de confondre les versements dont parle l'art. 6 al. 1 lettre d LT et ceux dont il est question à l'art. 5 al. 2 lettre a LT. Dans cette dernière disposition, il s'agit de versements supplémentaires que les actionnaires ou les associés font à la société sans contreprestation correspondante et sans augmentation du capital social, c'est-à-dire qu'il n'y a pas création de droits de participation, comme à l'art. 6 al. 1 lettre d LT.
Il apparaît dès lors qu'en concédant l'exonération prévue par l'art. 6 al. 1 lettre d LT, le législateur a voulu éviter une double imposition lorsque l'agio qui a normalement été frappé du droit lors de l'émission des titres de participation au-dessus du pair, ou un versement supplémentaire lors de son exécution, viennent à être incorporés au capital social (Oberson, La nouvelle loi fédérale sur les droits de timbre, in Treizième journée juridique, Mémoires publiés par la Faculté de Droit de Genève, p. 12). Par versements supplémentaires au sens de l'art. 6 al. 1 lettre d LT, il faut entendre, par exemple, ceux que les associés de la société à responsabilité limitée ou les membres de la société coopérative seront appelés à effectuer, selon les statuts dans la mesure nécessaire pour éteindre des pertes constatées par le bilan (art. 803; 871 CO) (Patry, op.cit., p. 302, 322, 353).
Or tel n est pas le cas en l'espèce, puisque les versements n'ont pas été effectués par les actionnaires, mais qu'il y a eu versement sui generis à la recourante. La conversion de 1975 n'a donc consisté qu'en la transformation des rapports juridiques entre les titulaires des bons de participation et la société, conduisant à la création de droits de participation nouveaux. Le capital-bons de participation ne saurait dès lors constituer un "versement" au sens de l'art. 6 al. 1 lettre d LT.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral:
Rejette le recours. | public_law | nan | fr | 1,979 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
c2b91d30-f242-42b9-a0d2-733e427b358c | Urteilskopf
119 IV 49
9. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 29. Januar 1993 i.S. B. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen (Nichtigkeitsbeschwerde) | Regeste
Art. 187 Abs. 2 aStGB und
Art. 190 Abs. 3 StGB
; qualifizierte Vergewaltigung, Grausamkeit.
Der qualifizierte Tatbestand ist nur bei einer erheblichen Erhöhung des Unrechtsgehalts erfüllt (Bestätigung der Rechtsprechung). Der Täter handelt grausam, wenn er dem Opfer besondere Leiden zufügt, die erheblich über das Mass dessen hinausgehen, was zur Erfüllung des Grundtatbestandes notwendig ist.
Massives, minutenlanges und intermittierendes Würgen ist grausam. | Sachverhalt
ab Seite 50
BGE 119 IV 49 S. 50
Das Kantonsgericht St. Gallen verurteilte B. am 4. Mai 1992 wegen wiederholter, teilweise qualifizierter Vergewaltigung, wiederholten, teilweise qualifizierten Vergewaltigungsversuchs, wegen Nötigung zu einer unzüchtigen Handlung und wiederholten Versuchs dazu sowie wegen wiederholten Diebstahls zu sechseinhalb Jahren Zuchthaus.
B. führt Nichtigkeitsbeschwerde und beantragt sinngemäss, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und die Sache sei zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Die Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen verzichtete in der Vernehmlassung auf eine Stellungnahme.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
3.
a) Der Beschwerdeführer bringt vor, die Vorinstanz habe Bundesrecht verletzt, als sie die qualifizierte Tatbestandsvariante der Notzucht (Daniela) bzw. des Notzuchtversuchs (Alice und Claudia) annahm. Er begründet im wesentlichen, die Gewaltanwendung sei jeweils einzig auf die Erzwingung der Duldung des Beischlafs gerichtet gewesen, auf die Aufgabe des Widerstands durch das Opfer, nicht auf eine Unfähigkeit des Opfers zum Widerstand.
Sinngemäss rügt er damit, die Vorinstanz habe die Tatbestandsmerkmale des
Art. 187 Abs. 2 StGB
verkannt. Soweit er die vorinstanzlichen Feststellungen hinsichtlich seines Denkens, Tuns und Wollens beanstandet, sind seine Rügen unzulässig (vgl.
BGE 118 IV 124
, mit Hinweisen).
b) Gemäss den Feststellungen der Vorinstanz ging der Beschwerdeführer in allen drei Fällen nach dem gleichen Handlungsmuster vor. Er packte sein Opfer jeweils an der Brust und zwischen den Beinen, trug es auf die angrenzende Wiese, griff es an Brüsten und Geschlecht aus, entblösste es und suchte den Geschlechtsakt zu vollziehen, was ihm in einem Fall gelang, während er in den beiden
BGE 119 IV 49 S. 51
andern Fällen infolge des vorzeitigen Samenergusses davon abliess. Während der Tat hinderte er die sich wehrenden Frauen am Schreien und machte sie sich durch Würgen oder im Würgegriff gefügig. Es ist zu prüfen, ob aufgrund dieses Tatelements eine qualifizierte Tatbestandsverwirklichung anzunehmen ist.
Im einzelnen führt die Vorinstanz aus, Alice habe ausgesagt, der Beschwerdeführer habe sie schon fest gewürgt, sie hätte aber Luft zum Atmen gehabt. Er habe übereinstimmend erklärt, als die Frau geschrieen und sich gewehrt habe, habe er sie massiv ca. zwei bis drei Minuten am Hals bzw. Kehlkopf gewürgt, solange bis sie wehrlos und ruhig geworden sei.
Claudia erklärte gemäss Vorinstanz, der Beschwerdeführer habe sie so stark fixiert und gewürgt, dass sie nicht schreien konnte; sie sei in Todesangst gewesen. Der Beschwerdeführer sagte, er habe sie solange gewürgt, bis sie sich nicht mehr gewehrt bzw. nicht mehr geschrieen habe. Er habe erkannt, dass sie grosse Angst hatte.
Zur Vergewaltigung von Daniela erklärte der Beschwerdeführer: "Auch sie schrie, wehrte sich und versuchte, sich loszureissen. Ich würgte sie wiederum mit dem Arm von hinten, bis sie jeglichen Widerstand aufgab. Ich merkte dabei, dass sie nach Luft rang. Ich erklärte ihr auch, ich würde sie umbringen, wenn sie mich nicht gewähren lasse. Ich glaube, sie war völlig unfähig, nachdem ich sie so gewürgt hatte, weiteren Widerstand zu leisten." Daniela sagte aus: "Ich wehrte mich und wollte mich losreissen, doch hatte ich keine Chance. Er würgte mich so stark, dass ich keine Luft mehr bekam." Sie habe ihm gesagt, hör' auf zu würgen, ich bekomme keine Luft mehr. Er habe erwidert, bleib' ruhig, sonst bringe ich dich um.
Die Vorinstanz kommt in allen drei Fällen zum Schluss, es liege jeweils der qualifizierte Tatbestand vor, weil der Beschwerdeführer seine Opfer gänzlich habe widerstandsunfähig machen wollen bzw. gemacht habe.
c) Gemäss
Art. 187 Abs. 2 StGB
wird mit Zuchthaus nicht unter drei Jahren bestraft, wer mit einer Frau den ausserehelichen Beischlaf vollzieht, nachdem er sie zu diesem Zwecke bewusstlos oder zum Widerstand unfähig gemacht hat.
In
BGE 118 IV 52
hat das Bundesgericht seine bisherige Rechtsprechung zu
Art. 187 Abs. 2 StGB
überprüft. Es schloss, schon wegen der Schwierigkeiten einer sachgerechten Unterscheidung zwischen
Art. 187 Abs. 1 und 2 StGB
sowie der vorgesehenen und in diesem Punkt unbestrittenen Änderung des Strafgesetzbuches sei
Art. 187 Abs. 2 StGB
restriktiv auszulegen und insbesondere bei
BGE 119 IV 49 S. 52
grausamer Begehung in körperlicher oder psychischer Hinsicht anzunehmen. Die restriktive Auslegung ergäbe sich auch aus der Interpretation gemäss der angedrohten Strafe. Die Voraussetzungen der Qualifikation seien deshalb nur dann zu bejahen, wenn gegenüber dem Grundtatbestand gemäss
Art. 187 Abs. 1 StGB
eine erhebliche Erhöhung des Unrechtgehalts vorliege; dabei sei zu beachten, dass bereits der Grundtatbestand einen schwerwiegenden Angriff auf die Persönlichkeit der Frau darstelle und ihre Integrität aufs schwerste verletze.
Das neue Gesetz fasst die Tatbestände der bisherigen einfachen und qualifizierten Notzucht in
Art. 190 Abs. 1 StGB
zusammen; die Strafdrohung lautet auf Zuchthaus bis zu zehn Jahren. Handelt der Täter grausam, ist die Strafdrohung Zuchthaus nicht unter drei Jahren (Abs. 3). Der Bundesrat schrieb in der Botschaft zum Qualifikationsgrund, das Merkmal der Gewalt erfahre in der Grausamkeit (definiert als Rohheit, Gefühllosigkeit, Quälerei) eine Steigerung in körperlicher oder psychischer Hinsicht. Grausamkeit sei gegeben, wenn der Täter dem Opfer wissentlich und willentlich besondere Leiden zufüge, die über das Mass dessen hinausgingen, was schon zur Erfüllung des Grundtatbestandes gehöre (BBl 1985 II 1074f., mit Hinweis auf
BGE 106 IV 367
f.).
Der Begriff der grausamen Begehung im Sinne der geänderten Rechtsprechung zu Art. 187 Abs. 2 aStGB (
BGE 118 IV 56
E. 2d) deckt sich inhaltlich mit jenem der grausamen Handlung gemäss Art. 190 Abs. 3 nStGB. Deshalb ist das neue Recht in die Auslegung miteinzubeziehen.
d) Wie dargelegt, ist nicht mehr die Widerstandsunfähigkeit, sondern die Grausamkeit objektives qualifizierendes Tatbestandsmerkmal. Eine herabgesetzte Empfindungsfähigkeit des Opfers (z.B. Halbohnmacht) oder eine grössere physische und psychische Belastbarkeit und Widerstandsfähigkeit schliessen daher das Merkmal nicht aus. Die als grausam zu bewertenden Elemente der Begehungsweise (eigentliche Ausführungshandlungen und besondere Tatumstände) sind Bestandteile des Tatgeschehens. Unter Tatumständen sind rechtserhebliche Tatsachen zu verstehen, die unmittelbar (direttamente) mit der Begehung der Tat zusammenhängen; nur dies verträgt sich mit dem Tatschuldprinzip (
BGE 117 IV 390
f.).
Die Vergewaltigung ist wesentlich ein Sexualdelikt; die Gewaltanwendung ist Machtmittel des Vergewaltigers zur Erzwingung des Beischlafs. Gewalt und Drohung sind bereits Tatbestandsmerkmale der einfachen Notzucht nach
Art. 187 Abs. 1 StGB
(
BGE 115 IV 217
E. 2a).
BGE 119 IV 49 S. 53
Die Vergewaltigung erfüllt erst bei grausamer Begehung (
BGE 118 IV 56
E. 2d; Art. 190 Abs. 3 nStGB) den qualifizierten Tatbestand, wenn also der Täter unverhältnismässige oder gefährliche Tatmittel einsetzt und dadurch besondere Leiden zufügt, d.h. andere Leiden, als diejenigen, die die Frau schon deswegen erleidet, weil sie vergewaltigt wird. Dies sind Leiden, die mit der Begehung nicht notwendigerweise verknüpft sind, sondern die durch Sadismus oder zumindest durch die Absicht, Schmerzen zuzufügen (vgl.
BGE 106 IV 364
, 367 f., zu Art. 182 aStGB), oder durch Rücksichtslosigkeit (Rohheit) und gegen fremde Leiden unbarmherzige Gesinnung (Gefühllosigkeit) bestimmt sind. Der qualifizierte Tatbestand ist daher umfassender. Er setzt die einfache Begehung, die Vergewaltigung, voraus und erfordert zusätzlich die Tatmodalität der Grausamkeit.
In
BGE 107 IV 181
hat das Bundesgericht die Qualifikation deshalb angenommen, weil der Täter Küchenmesser, Pistole und Würgen als Tatmittel einsetzte, die beim Opfer Todesangst und absolute Wehrlosigkeit zur Folge hatten. In diesem Entscheid wird nicht vorausgesetzt, es müssten diese Tatmittel kumulativ eingesetzt werden. Gemäss dem neuen
Art. 190 Abs. 3 StGB
handelt grausam, wer "namentlich" eine gefährliche Waffe oder einen andern gefährlichen Gegenstand verwendet. Auch massives, minutenlanges und intermittierendes Würgen ist eine grausame (und gefährliche) Begehungsweise. Damit fügt der Täter dem Opfer besondere physische und psychische Leiden zu und versetzt es in der Regel in Todesangst. Wer das tut, handelt grausam.
e) Der grobschlächtige Zugriff des körperlich überlegenen Beschwerdeführers war gewalttätig. Die Gewaltanwendung diente dem Zweck, die sich wehrenden Frauen gefügig zu machen, und dauerte, bis diese keinen Widerstand mehr leisteten und er sein Ziel, den Samenerguss auszulösen, erreicht hatte. Er nötigte die Opfer zur Mitwirkung und bändigte sie mit roher Gewalt. Zwar quälte er die Opfer nicht in sadistischer Weise und ergötzte sich nicht an ihrer Angst und ihrem Schmerz. Er verwendete keine gefährlichen Gegenstände. Die Gewaltanwendung war jedoch massiv, und mit minutenlangem intermittierendem Würgen brach er ihren Widerstand. Der Würgegriff verursachte bei den Frauen Todesangst (Claudia, Daniela), und letzterer drohte er sogar, sie umzubringen. Dass Alice eine Todesangst in ihren Aussagen nicht eigens erwähnt, ist nicht entscheidend, weil die Grausamkeit, nicht die Todesangst objektives Tatbestandselement ist. Er ging ihr gegenüber mit der gleichen Grausamkeit vor.
BGE 119 IV 49 S. 54
Damit fügte er den Opfern besondere Leiden zu, die über das Mass dessen hinausgingen, was zur Erfüllung des Grundtatbestands notwendig ist, oder die mit dessen Verwirklichung notwendig verbunden sind (vgl.
BGE 118 IV 57
).
Handelte der Beschwerdeführer somit grausam im Sinne der neuen Rechtsprechung, müssen alle drei Fälle unter den qualifizierten Tatbestand subsumiert werden. Die Vorinstanz hat daher im Ergebnis kein Bundesrecht verletzt, wenn sie jeweils
Art. 187 Abs. 2 StGB
anwandte. | null | nan | de | 1,993 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
c2bdb796-8770-4b65-8ddb-a8c3f4323fdf | Urteilskopf
82 IV 71
15. Arrêt de la Cour de cassation du 18 mai 1956 dans la cause Jaccard contre Loriol. | Regeste
Art. 27 und 173 StGB
; Ehrverletzung durch die Presse.
a) Der Redaktor einer Zeitung ist verantwortlich für die Veröffentlichung einer ehrverletzenden Meldung der Schweizerischen Depeschenagentur (Erw. 1 und 2); Entlastungsbeweise (Erw. 3).
b) Ist auch strafbar, wer im Betrieb der Schweizerischen Depeschenagentur für die Zustellung der Meldung an die Abonnenten verantwortlich ist? (Erw. 4). | Sachverhalt
ab Seite 71
BGE 82 IV 71 S. 71
A.-
Le quotidien "La Nouvelle Revue de Lausanne" (NRL) a publié en caractères gras, à la dernière page de son numéro du 20 avril 1953, les informations suivantes:
"Une des plus graves affaires d'espionnage d'après-guerre?
Un financier suisse arrêté, puis relâché.
Paris (A.F.P.). - Venant de Troyes, où il avait été arrêté hier, le financier suisse Gérard de Loriol a été transféré à Paris et conduit cet après-midi au Palais de justice.
Après avoir été inculpé d'infraction à la loi sur les sociétés, il a immédiatement été mis en liberté. C'est en vertu de la loi prévoyant pour les délinquants une simple peine d'amende que l'inculpation a été prononcée.
Il ne semble pas, à l'examen des pièces constituant le dossier, que des activités illégales puissent être reprochées à M. de Loriol. Paris. - L'A.F.P. donne les renseignements suivants sur cette affaire:
La police a arrêté vendredi à Troyes plusieurs trafiquants parmi lesquels se trouve un sujet suisse, M. Gérard de Loriol. Cette opération a été effectuée sur ordre venant de Paris.
Malgré le mutisme de la police, on estime qu'il s'agit d'une affaire très importante. Un commissaire de la Sûreté nationale
BGE 82 IV 71 S. 72
est spécialement venu de Paris pour interroger Gérard de Loriol. Celui-ci voyageait dans une automobile en compagnie de son amie Yvonne Denais et a été arrêté par un barrage de police sur la route de Paris. Il serait recherché depuis plusieurs années pour fausse déclaration de société après décès, trafic d'armes et stupéfiants.
Gérard de Loriol est le propriétaire du yacht "Wagrand" ayant appartenu à Guillaume II et battant pavillon uruguayen, qui est évalué un million et demi de dollars. Ce yacht serait truqué pour des transports clandestins. Cette affaire est suivie avec intérêt par toute la presse. Selon "L'Aurore", de Loriol serait le chef d'une organisation mondiale d'espionnage.
Ce ne serait qu'un biais. Il s'agirait - selon les termes mêmes du quotidien - les affaires d'ordre atomique mises à part, d'une des plus graves histoires d'espionnage de l'après-guerre, et la plus grave sûrement, enregistrée en France."
Le 2 juillet 1953, Gérard de Loriol a porté plainte pénale pour calomnie, éventuellement diffamation, contre l'auteur de cet article, subsidiairement contre le rédacteur de la "Nouvelle Revue de Lausanne"; il n'a pas incriminé les informations contenues dans les trois premiers alinéas de l'article mais ne s'en est pris qu'aux allégations rapportées dans la deuxième partie de celui-ci.
B.-
Par jugement du 4 février 1954, le Tribunal de simple police du district de Lausanne a condamné Michel-Henri Jaccard, rédacteur de la "Nouvelle Revue de Lausanne", pour diffamation par la voie de la presse, à une amende de 100 fr., avec délai d'épreuve et de radiation d'un an, et a ordonné la publication, sans commentaire, de certains extraits du jugement en première page de la "Nouvelle Revue de Lausanne". Il a tenu pour constants les faits suivants:
A la suite de l'arrestation de Gérard de Loriol à Troyes, le 17 avril 1953, le journal français "L'Aurore" a publié deux articles à sensation jetant sur lui le soupçon d'être un trafiquant et un espion international. Le 18 avril 1953, l'Agence France-Presse (AFP) a communiqué par téléscripteur à l'Agence télégraphique suisse (ATS) une nouvelle dont le texte correspond à celui de la seconde information publiée par la NRL, sous réserve de différences d'ordre secondaire. L'ATS, qui ne connaissait pas Gérard de Loriol, a transmis à ses abonnés le texte de l'information
BGE 82 IV 71 S. 73
de l'agence française sans le modifier et en se bornant à le faire précéder des lettres "Ag", qui la désignent, ainsi que des mots: "L'Agence France-Presse communique". La rédaction de la NRL a apporté quelques modifications sans importance à l'information reçue de l'ATS et lui a donné des titres frappants qu'elle a composés elle-même. Par déclaration écrite du 11 janvier 1956, signée de son directeur, l'ATS a pris la responsabilité des nouvelles transmises à la NRL au sujet de Gérard de Loriol.
En droit, le Tribunal de simple police a estimé notamment que l'ATS ne pouvait pas être considérée comme l'auteur de l'article incriminé, que cet auteur était probablement un correspondant de "L'Aurore" ou de l'AFP ou encore un collaborateur de la NRL, qu'il était de toute façon inconnu, de sorte que Jaccard devait répondre de l'infraction en tant que rédacteur responsable, conformément à l'art. 27 ch. 3 CP.
C.-
Par arrêt du 12 mars 1956, la Cour de cassation du Tribunal cantonal du canton de Vaud a rejeté le recours formé par Jaccard contre le jugement du Tribunal de simple police et a confirmé le prononcé entrepris. Elle a admis également que l'ATS ne pouvait pas être regardée comme l'auteur de la diffamation et que le rédacteur de la NRL devait être puni comme auteur du délit.
D.-
Jaccard s'est pourvu en nullité au Tribunal fédéral contre cet arrêt, concluant à l'annulation de celui-ci et au renvoi de la cause à l'autorité cantonale pour qu'elle prononce sa libération. Il se plaint d'une violation des art. 27 et 173 CP.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
Il est constant que l'information incriminée porte gravement atteinte à la considération et à l'honneur du plaignant et constitue une diffamation. Le recourant ne le conteste pas.
BGE 82 IV 71 S. 74
La responsabilité pénale d'une infraction commise par la voie de la presse incombe en première ligne à l'auteur de l'écrit (art. 27 ch. 1 CP); le rédacteur signant comme responsable n'est punissable que si l'auteur ne peut être découvert ou traduit en Suisse devant un tribunal ou si l'article a été publié à son insu ou contre sa volonté (art. 27 ch. 3 al. 1 CP); sa responsabilité n'est que subsidiaire (RO 76 IV 4/5, 67;
70 IV 149
).
La première question à trancher est dès lors celle de savoir si les conditions de la responsabilité du rédacteur sont réalisées en l'espèce. Il y a lieu, à ce sujet, d'examiner tout d'abord si l'Agence télégraphique suisse (ATS) est l'auteur, au sens de l'art. 27 ch. 3 CP, de l'information qu'elle a communiqué à la NRL, ainsi que le prétend le recourant. Elle ne saurait en être considérée comme l'auteur dans la signification que le langage usuel donne à ce terme, car le texte visé par la plainte n'a pas été conçu et rédigé par ses soins. Toutefois, la notion de l'auteur qui est à la base de l'art. 27 ch. 3 CP est plus large: selon la jurisprudence (RO 73 IV 220), l'auteur d'un article de journal est non seulement celui qui le conçoit et lui donne sa forme extérieure en vue de la publication, en l'écrivant lui-même ou en le dictant, mais encore celui qui le fait rédiger par un tiers et le transmet ensuite à la presse pour le faire publier comme étant l'expression de sa propre pensée ou celui qui d'une autre manière se donne pour l'auteur de l'écrit et en assume la responsabilité. Contrairement à l'opinion du recourant, même si l'on part de cette notion élargie, on ne peut voir dans l'ATS l'auteur de l'information incriminée. Elle n'a pas chargé un tiers de la rédaction du texte de l'article afin de le remettre à la presse, pour le faire publier, en le donnant comme l'expression de sa propre pensée. Elle n'a pas non plus prétendu en être l'auteur ni n'en a pris, à ce titre, la responsabilité. La déclaration du 11 janvier 1956 par laquelle, sous la signature de son directeur, elle certifie avoir reçu de l'Agence France-Presse les
BGE 82 IV 71 S. 75
informations concernant le plaignant et dit qu'elle "prend la responsabilité de ces nouvelles qu'elle a transmises à la Nouvelle Revue de Lausanne" ne signifie pas qu'elle reconnaît en être l'auteur suivant l'art. 27 ch. 3 CP: l'ATS ne s'attribue pas la qualité d'auteur et ce terme ne figure pas dans la déclaration; elle indique, en revanche, nettement que la source des nouvelles qu'elle a transmises à ses abonnés est l'Agence France-Presse; la déclaration ne précise enfin pas la nature de la responsabilité assumée et ne contient aucun élément permettant d'admettre que l'ATS entend être considérée comme responsable en qualité d'auteur. Au demeurant, il n'appartient pas à ceux qui sont impliqués à des degrés divers dans des infractions commises par la voie de la presse de qualifier juridiquement à leur gré l'activité qu'ils ont eue; seul le juge est compétent pour procéder à cette qualification; il n'est pas lié par l'opinion des intéressés à ce sujet et ne peut reconnaître comme auteur que celui qui a agi à ce titre au sens de l'art. 27 ch. 3 al. 1 CP.
S'il est exact que l'ATS ne transmet pas machinalement à ses abonnés toutes les informations qu'elle reçoit, on ne saurait cependant la tenir pour l'auteur de celles qu'elle leur communique. Lorsqu'elle opère un tri entre les nouvelles qui lui parviennent, élimine certaines d'entre elles et décide d'en diffuser d'autres, elle fait un travail qui correspond, quant à sa nature, à celui de la rédaction d'un journal: les rédacteurs font également un choix entre les informations et les articles qui leur sont envoyés et n'en publient qu'une partie; or, en acceptant un article et le faisant imprimer, le rédacteur n'en devient pas pour autant l'auteur.
Bien que l'ATS ait fait précéder des lettres "Ag", qui la désignent, la nouvelle qu'elle a communiquée à ses abonnés, elle ne s'est pas donnée comme en étant l'auteur; elle a, au contraire, souligné que celle-ci provenait d'une agence étrangère et précisé qu'elle émanait de l'Agence France-Presse. Il suit de là que l'ATS ne peut être considérée
BGE 82 IV 71 S. 76
comme l'auteur, au sens de l'art. 27 ch. 3 CP, de l'article publié par la NRL.
Pour les informations dont elle traduit fidèlement le texte dans une autre langue que celle de la transmission et qu'elle diffuse sans se donner pour leur auteur, l'ATS n'a pas non plus cette qualité. En revanche, si des erreurs de traduction qui changent le sens de la nouvelle communiquée sont commises par ses services, elle en répond comme auteur.
Si l'ATS n'est pas l'auteur de l'information parue dans la NRL, celui-ci ne peut être qu'un correspondant ou un rédacteur du journal français "L'Aurore" ou de l'Agence France-Presse. Il n'est cependant pas nécessaire de décider auquel d'entre eux revient cette qualité. On peut de même laisser indécise la question de savoir si l'information parue dans "L'Aurore" n'a pas été transmise par les agences et publiée dans la presse suisse, en particulier dans la NRL, à l'insu ou contre la volonté de son auteur. Il suffit de constater que l'auteur ne peut pas être traduit devant un tribunal suisse; dès lors, les conditions de la responsabilité pénale subsidiaire du rédacteur se trouvent réunies.
2.
Le recourant fait valoir que, pour la majorité des journaux suisses, l'ATS est la seule source d'information; elle remplit la fonction d'une agence officieuse et son objectivité et son sérieux sont reconnus; par ailleurs, elle est seule en mesure de contrôler les nouvelles qui lui parviennent de l'étranger et les journaux se trouvent dans la nécessité de se fier à elle. Il en déduit que l'on ne saurait le rendre responsable de l'article visé par la plainte.
Cette argumentation ne cadre pas avec le régime établi par l'art. 27 ch. 3 al. 1 CP, qui ne connaît que deux responsables possibles lorsqu'une infraction a été commise par la voie d'un article paru dans un journal, savoir à titre primaire l'auteur ou subsidiairement le rédacteur. Ce n'est que si l'agence qui a communiqué une nouvelle à un
BGE 82 IV 71 S. 77
journal en est l'auteur au sens de cette disposition que sa responsabilité à ce titre exclut celle du rédacteur. En revanche, dans le système de l'art. 27 ch. 3 al. 1 CP, entre la responsabilité de l'auteur et celle du rédacteur, il n'y a pas de responsabilité intermédiaire de l'agence qui a transmis à ses abonnés une nouvelle dont elle n'est pas l'auteur, et il n'est pas possible de l'introduire alors qu'elle n'est pas prévue par le texte clair de la loi.
Au demeurant, le recourant ne saurait prétendre que les journaux pouvaient en l'espèce se fier totalement à l'information transmise par l'ATS et la publier sans encourir de responsabilité. S'agissant d'une nouvelle contenant de graves accusations à l'égard d'un particulier, la plus grande prudence s'imposait. Les conditions difficiles dans lesquelles travaillent les journalistes et la rapidité avec laquelle ils doivent assurer l'information des lecteurs n'excusent pas la légèreté dont a fait preuve la NRL en publiant l'article visé par la plainte; la rédaction du journal avait l'obligation de se montrer d'autant plus circonspecte que la source des nouvelles était le quotidien français "L'Aurore" qui, selon les constatations de fait de la Cour cantonale, est "connu pour sa recherche de la sensation". En outre, l'intérêt public n'exigeait nullement la publication immédiate de l'information, comme cela peut être le cas pour des événements politiques importants, de sorte que, mis en présence de cette nouvelle susceptible de porter une atteinte très grave à l'honneur d'un particulier, le journaliste diligent devait s'abstenir de la publier avant de s'être assuré de sa véracité. Il ressort par ailleurs de la procédure que l'ATS a transmis à ses abonnés successivement deux informations concernant Loriol: la première est celle dont la publication dans la NRL est visée par la plainte, et la seconde celle que le plaignant n'a pas incriminée et qui figure au début de l'article du journal vaudois. Recevant de l'ATS, après une première communication qui relatait des faits extrêmement graves à la charge du plaignant, une seconde
BGE 82 IV 71 S. 78
information qui exposait notamment qu'il avait été mis en liberté, l'examen du dossier ayant fait ressortir que des activités illégales ne semblaient pas pouvoir lui être reprochées, le journaliste diligent devait se rendre compte qu'il y avait une contradiction entre elles; il était tenu, en conséquence, de faire preuve d'une prudence accrue et de vérifier l'exactitude des nouvelles par les moyens à sa disposition, cas échéant en s'adressant à l'ATS pour lui demander des renseignements complémentaires. Le rédacteur encourt la responsabilité prévue par l'art. 27 ch. 3 al. 1 CP, lorsqu'il accepte dans son journal, sans examen critique, un article délictueux; il ne peut se disculper en invoquant la confiance qu'il avait dans son correspondant ou en faisant valoir qu'il n'a pas lu l'article (HAFTER, Allg. Teil p. 502 ch. 3). En l'espèce, la NRL non seulement n'a pas usé de la diligence nécessaire, mais elle a encore inversé l'ordre des nouvelles transmises par l'ATS, donnant ainsi l'impression que la partie de l'article visée par la plainte contenait des renseignements plus complets parvenus après coup sur l'affaire relatée dans la première information et aggravant la situation du plaignant, alors que c'est le contraire qui correspondait à la réalité. Il suit de là que le recourant ne peut demander à être libéré en invoquant la confiance que les journalistes devraient, à son avis, être admis à pouvoir placer dans l'ATS.
3.
Le recourant prétend que, même si l'on ne considère pas l'ATS comme l'auteur au sens de l'art. 27 ch. 3 al. 1 CP, il doit être libéré en vertu de l'art. 173 ch. 2 CP parce que, d'une part, les allégations propagées sont conformes à la vérité et que, d'autre part, il était de bonne foi. Cette argumentation n'est pas fondée.
Selon les constatations de fait du Tribunal de simple police qui, aux termes des règles de la procédure pénale vaudoise, lient la Cour de cassation cantonale et, par voie de conséquence, le Tribunal fédéral, les accusations contenues dans l'article incriminé sont dénuées de tout
BGE 82 IV 71 S. 79
fondement. Il s'ensuit que le recourant ne peut conclure à être libéré en invoquant la vérité des allégations visées par la plainte.
Jaccard ne saurait en outre prétendre à l'acquittement en faisant valoir que la NRL s'est bornée à relater le fait en soi exact que l'Agence France-Presse, se référant au journal français "L'Aurore", a diffusé l'information reproduite dans l'article qui a donné lieu à la plainte. Aux termes de l'art. 173 ch. 1 al. 2 CP, la propagation d'accusations portant atteinte à l'honneur constitue en effet une diffamation, même si le propagateur cite sa source (LOGOZ note 4 à l'art. 173, p. 245). Or, il est constant que la NRL a propagé des accusations graves sur le compte du plaignant.
Le recourant ne peut enfin invoquer l'exception de bonne foi. Après réception de la seconde information transmise par l'ATS, annonçant que le plaignant avait été mis en liberté et que, au vu du dossier, des activités illégales ne semblaient pas pouvoir être retenues contre lui, il n'était en effet pas possible de tenir de bonne foi pour vraies les nouvelles parvenues précédemment sur le compte du plaignant. La NRL, qui a inversé l'ordre des deux informations et a conféré ainsi un caractère de sensation à l'article paru dans ses colonnes, a agi avec légèreté, de sorte que le moyen tiré de la bonne foi ne saurait être retenu.
4.
L'admission de la responsabilité pénale du recourant en qualité de rédacteur, par application de l'art. 27 ch. 3 al. 1 CP, n'emporte pas la libération de la personne qui répond pénalement de la transmission aux abonnés de l'ATS de l'information publiée par la NRL et visée par la plainte. En effet, on ne se trouve pas en présence d'une seule infraction pour laquelle il ne peut y avoir qu'un responsable, savoir l'auteur ou à son défaut le rédacteur conformément au système consacré par le code pénal, mais au contraire de deux délits distincts. Une première diffamation a été commise par la communication
BGE 82 IV 71 S. 80
aux abonnés de l'ATS, en particulier à la NRL, de l'information contenant les accusations dont s'est plaint Loriol; du fait de la diffusion de cette nouvelle par l'ATS auprès des journaux qu'elle sert, le plaignant a été une première fois atteint dans son honneur, l'agence ayant propagé des allégations diffamatoires sur son compte. La publication dans la NRL de l'article incriminé constitue une autre infraction réalisée par la propagation auprès des lecteurs du journal des accusations portées contre le plaignant. La première diffamation est différente et indépendante de la seconde; elle aurait pu ne pas être suivie de la publication de la nouvelle dans le journal vaudois. Il suit de là que la condamnation du rédacteur responsable de la NRL pour ce deuxième délit est sans influence sur la responsabilité pénale encourue en raison de la diffusion par l'ATS de l'information incriminée auprès de ses abonnés.
La question se pose de savoir si l'on doit considérer que la diffamation réalisée par cette diffusion a été commise par la voie de la presse et si l'art. 27 CP lui est applicable. D'après l'arrêt RO 74 IV 129, une infraction est commise par la voie de la presse selon l'art. 27 ch. 1 CP non seulement lorsque l'écrit dont le contenu est punissable a été imprimé au sens strict de ce terme, c'est-à-dire produit par les installations mécaniques d'une imprimerie, mais aussi lorsqu'il a été établi par un procédé technique permettant d'en faire facilement un nombre illimité d'exemplaires, comme c'est le cas des écrits multicopiés au moyen d'un stencil. Suivant le même arrêt, d'autres conditions doivent être réunies pour que l'art. 27 CP soit applicable: l'écrit doit effectivement avoir été établi en un nombre élevé d'exemplaires et répandu dans le public; il n'est cependant pas nécessaire qu'il ait été diffusé partout; un écrit est déjà publié lorsqu'il n'est répandu que dans un cercle limité, à condition qu'il ne soit pas remis seulement à des personnes déterminées mais, à l'intérieur du cercle, à quiconque s'y intéresse.
BGE 82 IV 71 S. 81
L'ATS transmet à ses abonnés les informations qu'elle leur destine par télétypes, par des bulletins polygraphiés, ou encore par téléphone. Comme en l'espèce la procédure est limitée à l'infraction commise par la publication dans la NRL de l'information diffamatoire pour Loriol, on peut se dispenser de décider si l'atteinte à l'honneur réalisée par la propagation de cette nouvelle auprès des abonnés de l'ATS est soumise à l'art. 27 ch. 3 CP et si, au besoin, les conditions d'application de cet article définies par l'arrêt précité devraient être formulées d'une manière différente pour permettre aux agences de presse de bénéficier du régime spécial prévu pour les journaux et périodiques. Si l'on admet que l'ATS peut revendiquer l'application de ces dispositions particulières, des mesures de coercition ne pourraient pas être employées pour découvrir le nom de l'auteur d'une information dont elle entendrait taire l'identité et par là le secret de rédaction de l'agence serait garanti; elle serait alors tenue d'indiquer le nom d'un rédacteur responsable conformément à l'art. 322 ch. 2 CP. Dans le cas contraire, la diffamation commise par l'ATS serait soumise au droit commun.
Dispositiv
Par ces motifs, la Cour de cassation pénale prononce:
Le pourvoi est rejeté. | null | nan | fr | 1,956 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
c2be1772-10b4-4b13-a8a2-ea5616a69e5d | Urteilskopf
102 Ib 300
51. Auszug aus dem Urteil vom 29. Oktober 1976 i.S. Genossenschaft Hotelplan, Schweizerischer Reisebüro-Verband und Reisebüro A.K. Bieri AG gegen Eidg. Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartement | Regeste
Beschaffung von Flugscheinen im Ausland.
1.
Art. 6 Abs. 2 LFG
. Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen einen Beschwerdeentscheid des EVED, mit welchem eine Verfügung des Eidg. Luftamtes geschützt worden ist (E. 1).
2.
Art. 99 lit. b OG
. Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen eine Verfügung, die in Anwendung eines Tarifs im Einzelfall ergangen ist (E. 3).
3. Die gemäss
Art. 30 LFG
vom Eidg. Luftamt genehmigten Tarife sind für die konzessionierten Luftfahrtsunternehmen verbindlich. Darüber hinaus stellt
Art. 30 LFG
keine Grundlage dar: - für eine umfassende, auch auf Dritte anwendbare Preiskontrolle für Flugscheine; - für ein Verbot der Beschaffung von Flugscheinen im Ausland (E. 6a und b).
4. Die genehmigten Flugtarife in Schweizerfranken haben nicht den Charakter von Rechtssätzen (E. 6c).
5. Zwischenstaatliche Abkommen auferlegen der Schweiz keine Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass Beförderungen, die in der Schweiz beginnen, stets in der Schweiz zum genehmigten Flugtarif in Schweizerfranken bezahlt werden (E. 7). | Sachverhalt
ab Seite 302
BGE 102 Ib 300 S. 302
Die Fluglinienunternehmen sind in der International Air Transport Association (IATA) zusammengeschlossen. Im Rahmen der IATA werden regelmässig Empfehlungen über die allgemeinen Beförderungsbedingungen für Fluggäste und Gepäck ausgearbeitet. Die Berechnung des von den nationalen Behörden zu genehmigenden Tarifs der Flugpreise beruht auf den Empfehlungen der IATA. Diese Organisation legt auch fest, wie die Flugpreise in die verschiedenen Währungen umzurechnen sind. Die von der IATA angewendeten Umrechnungskurse haben sich in den letzten Jahren bei den aussergewöhnlichen Veränderungen der Währungen teilweise stark von den offziellen Wechselkursen entfernt, mit der Folge, dass ein in ausländischer Währung (z.B. in französischen Francs oder italienischen Lire) fakturiertes Flugbillet wesentlich billiger zu stehen kommt als ein in der Schweiz nach dem IATA-Schweizerfrankentarif erworbenes. Diese Situation führte dazu, dass schweizerische Reisebüros auf den Wunsch ihrer Kundschaft begannen, Flugscheine im Ausland zu beschaffen. Um dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten, erliess das Eidg. Luftamt am 30. Dezember 1974 an die Adresse der Linienverkehrsunternehmen, die Flüge von und nach der Schweiz ausführen, an die Linienverkehrsunternehmen mit Vertretungen in der Schweiz sowie an die Reisebüros in der Schweiz die folgende Verfügung:
"1. Für Flugscheinverkäufe in der Schweiz sind ausnahmslos die vom Eidgenössischen Luftamt genehmigten und von den Luftverkehrsunternehmen veröffentlichten Tarife in Schweizerfranken und zugehörige Bedingungen anzuwenden.
2. Ist kein Tarif in Schweizerfranken publiziert, so muss der in einer anderen Währung veröffentlichte Tarif gemäss den Regeln der IATA-Resolutionen in Schweizerfranken umgerechnet werden. Die vom Eidgenössischen Luftamt genehmigten IATA-Resolutionsserien 021 und 022 sowie der schweizerische Vorbehalt dazu sind strikte zu befolgen.
3. Nicht gestattet sind insbesondere:
a) der Verkauf oder die Anerkennung von Flugscheinen für Beförderungen, die in der Schweiz beginnen, wenn diese Flugscheine im Ausland zu einem
BGE 102 Ib 300 S. 303
anderen als dem in der Schweiz in Schweizerfranken publizierten und gemäss den Bestimmungen der IATA-Resolutionsserien 021 und 022 in die Verkaufswährung umgerechneten Tarif ausgestellt wurden;
b) der Verkauf oder die Anerkennung von Flugscheinen, die den Reisebeginn ausserhalb der Schweiz vorsehen, in Wirklichkeit jedoch für eine Beförderung von der Schweiz aus benützt werden sollen, sofern diese Flugscheine im Ausland zu einem anderen als dem in Schweizerfranken publizierten und gemäss den Bestimmungen der IATA-Resolutionsserien 021 und 022 in die Verkaufswährung umgerechneten Tarif ausgestellt wurden.
...
Wer vorsätzlich oder fahrlässig in Ungehorsam gegen diese Verfügung den Bestimmungen der IATA-Resolutionsserien 021 und 022 und des schweizerischen Vorbehaltes dazu zuwiderhandelt, wird gemäss Artikel 91 des Luftfahrtgesetzes mit Haft oder mit Busse bis 20'000 Franken bestraft."
Gegen diese Verfügung reichten verschiedene Reisebüros und der Schweizerische Reisebüro-Verband beim Eidg. Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartement (EVED) Beschwerde ein. Durch Entscheid vom 24. März 1976 wies das EVED sämtliche Beschwerden ab.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragen die Genossenschaft Hotelplan, der Schweizerische Reisebüro-Verband und das Reisebüro A.K. Bieri AG im wesentlichen, der Entscheid des EVED vom 24. März 1976 und die Verfügung des Luftamtes vom 30. Dezember 1974 betreffend Flugscheinverkäufe in der Schweiz seien aufzuheben. Das EVED stellt den Antrag, auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerden sei wegen der Endgültigkeit seines Entscheides nicht einzutreten, eventuell seien sie abzuweisen. Der Präsident der verwaltungsrechtlichen Kammer hat den Beschwerden aufschiebende Wirkung zuerkannt.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
In
Art. 6 Abs. 1 LFG
wird eine Reihe von Entscheidungen aufgezählt, die durch Beschwerde auf dem ordentlichen Instanzenwege an den Bundesrat weitergezogen werden können, soweit sie nicht seit 1. Okt. 1969 (Neufassung der
Art. 97 ff. OG
) der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht unterliegen. Abs. 2 von
Art. 6 LFG
hat folgenden Wortlaut:
BGE 102 Ib 300 S. 304
"Das Eidgenössische Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartement entscheidet endgültig über alle übrigen auf Grund dieses Gesetzes erhobenen Beschwerden:
a) gegen erstinstanzliche Verfügungen des Eidgenössischen Luftamtes;
b)..."
Im vorliegenden Fall geht es um die Anfechtung eines Entscheides, der formell auf
Art. 30 LFG
gestützt wird. Entscheide auf Grund von
Art. 30 LFG
sind in
Art. 6 Abs. 1 LFG
nicht als auf dem ordentlichen Instanzenweg anfechtbar erwähnt. Daraus schliesst das EVED, es handle sich hier um eine der unter Abs. 2 von Art. 6 zu subsumierenden übrigen Beschwerden und die Entscheidung des Departementes sei endgültig.
Durch die Revision der
Art. 97 ff. OG
, die im Bundesgesetz vom 20. Dezember 1968 vorgenommen wurde und am 1. Oktober 1969 in Kraft getreten ist, wurde die Zulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde in umfassender Weise neu geregelt. Dass unter der frühern Ordnung in einem Spezialgesetz Departementalentscheide als endgültig bezeichnet Waren, um den Weiterzug an den Bundesrat auszuschliessen hat nicht auch die Unzulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gemäss den neuen Bestimmungen von
Art. 97 ff. OG
zur Folge, sofern gemäss diesen neuen Vorschriften kein Ausschlussgrund besteht. Im gleichen Sinne wurde schon in bezug auf die frühere Fassung von
Art. 24 Abs. 2 SVG
entschieden, dass die dort seinerzeit vorgesehene Endgültigkeit des Beschwerdeentscheides des EJPD der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gemäss
Art. 97 ff. OG
nicht entgegenstehen könne (
BGE 96 I 769
/770; vgl. zur analogen Frage im Landwirtschaftsgesetz:
BGE 97 I 474
). Es besteht kein Grund, dem
Art. 6 Abs. 2 LFG
eine weitergehende, auch die heutige Verwaltungsgerichtsbeschwerde von vornherein ausschliessende Wirkung beizumessen. - Selbst wenn gestützt auf
Art. 30 LFG
getroffene Verfügungen durch eine ausdrückliche Bestimmung der
Art. 97 ff. OG
vom Weiterzug mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ausgenommen wären, so müsste ein Betroffener wohl trotzdem mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde rügen können,
Art. 30 LFG
sei auf ihn gar nicht anwendbar und die Verwaltungsbehörden stützten die getroffene Verfügung missbräuchlich auf das LFG. Zu dieser Frage braucht aber nicht abschliessend Stellung genommen zu werden,
BGE 102 Ib 300 S. 305
weil auf jeden Fall nach dem geltenden Recht
Art. 6 Abs. 2 LFG
dem Eintreten auf die Beschwerden nicht entgegensteht.
3.
Von den im OG umschriebenen Ausschlussgründen bedarf lediglich Art. 99 lit. b im vorliegenden Zusammenhang einer nähern Prüfung. Nach dieser Vorschrift ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde unzulässig gegen "Verfügungen über Tarife, ausser über Tarife auf dem Gebiete der Privatversicherung und der Verwertung von Urheberrechten".
Der angefochtene Entscheid des EVED bezieht sich auf die Einhaltung des Tarifs der Flugpreise. Das Bundesgericht hat im (nicht publizierten) Urteil vom 22. Dezember 1972 i.S. Serapharm S.A.
Art. 99 lit. b OG
in dem Sinne interpretiert, dass dadurch Verwaltungsgerichtsbeschwerden gegen Verfügungen ausgeschlossen seien, die einen Tarif als Ganzen zum Gegenstand haben, insbesondere gegen Verfügungen über die Genehmigung von Tarifen; hingegen ist nach dieser Rechtsprechung gegen Verfügungen, die in Anwendung eines Tarifs im Einzelfall ergehen, die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig (
BGE 101 Ib 72
f.,
BGE 100 Ib 330
; im gleichen Sinne das Eidg. Versicherungsgericht zu
Art. 129 Abs. 1 lit. b OG
:
BGE 100 V 3
f.). Diese Praxis stimmt mit dem Sinn und Zweck von
Art. 99 lit. b OG
überein. Die besondern technischen und Bewertungsfragen, die sich bei der Aufstellung und Genehmigung eines Tarifes stellen, wurden vom Gesetzgeber als nicht justiziabel betrachtet. Für die Anwendung des Tarifs im Einzelfall und insbesondere auch für die Frage, ob ein bestimmter Tarif überhaupt auf den konkreten Fall anwendbar ist, trifft diese Begründung des Ausschlusses der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht zu.
Art. 99 lit. b OG
entzieht sinngemäss die Frage der Anwendung eines Tarifs der Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht.
Da im vorliegenden Fall nicht eine Verfügung über den Tarif als Ganzen, sondern ein Entscheid über dessen Anwendbarkeit und Tragweite in bezug auf die Tätigkeit der Reisebüros weitergezogen wird, steht nach unangefochten gebliebener Rechtsprechung Art. 99 lit. b der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht entgegen. Auf die beiden Beschwerden ist daher einzutreten.
6.
In
Art. 29 Abs. 1 LFG
(Inhalt der Konzession) wird vorgeschrieben, dass in die Konzession von Luftverkehrsunternehmen
BGE 102 Ib 300 S. 306
u.a. Bestimmungen über die Tarifpflicht aufzunehmen sind.
Art. 30 LFG
erwähnt sodann unter dem Marginale "Pflichten des Konzessionärs", dass die Konzessionäre die Tarife dem Eidgenössischen Luftamt zur Genehmigung vorzulegen haben. In Ausführung dieser gesetzlichen Vorschriften wird in Art. 107 Abs. 1 der Verordnung über die Luftfahrt vom 14. November 1973 (SR 748.01 LFV) wiederum unter dem Titel "Pflichten des Konzessionärs" nochmals gesagt, dass Tarife der Genehmigung durch das Eidgenössische Luftamt unterliegen und es wird überdies festgelegt, dass der Konzessionär die Tarife der Öffentlichkeit in geeigneter Weise zugänglich zu machen habe (vgl. auch Art. 4 des vom Bundesrat erlassenen und von der Bundesversammlung genehmigten Lufttransportreglementes vom 3. Oktober 1952, SR 748.411).
a) Nach dem Wortlaut und nach der systematischen Einordnung betreffen diese Bestimmungen die Pflichten der Konzessionäre. Die Luftverkehrsunternehmen sind an die genehmigten Tarife gebunden. Ob die Tarife nur die zulässigen Höchstpreise angeben oder ob auch eine Unterschreitung der Tarifpreise verboten ist, wie das EVED mit guten Argumenten annimmt, ist hier nicht zu untersuchen (vgl. VEB 1955 S. 323); denn streitig ist nicht das Ausmass der Bindung der Konzessionäre an den genehmigten Tarif, sondern die Frage der Drittwirkung der Tarifpreise für Reisebüros. Das EVED leitet aus
Art. 30 LFG
ab, dem Eidgenössischen Luftamt komme die Befugnis zu einer umfassenden Preiskontrolle zu, soweit es sich um Flugscheine für Beförderungen von der Schweiz aus handle. In einem Gutachten, welches die Justizabteilung 1955 dem Eidg. Luftamt erstattete und in welchem zur Hauptsache die Frage einer Unterbietung des IATA-Tarifs durch ausländische Luftverkehrsunternehmungen behandelt wurde, erklärte die Justizabteilung ohne weitere Erörterung der Frage, auch Reisebüros seien an die genehmigten Tarife gebunden (VEB 1955 S. 325). Zur Begründung der Pflicht zur Einhaltung bestimmter Wechselkurse wurde damals auch auf zwischenstaatliche Zahlungsabkommen Bezug genommen. Ob zwischenstaatliche Abkommen heute für die hier interessierende Frage von Bedeutung sein können, wird in der folgenden Erwägung zu prüfen sein.
b) Die innerstaatliche schweizerische Gesetzgebung enthält keine Bestimmung, aus welcher sich im Sinne der Argumentation
BGE 102 Ib 300 S. 307
des EVED ableiten liesse, dass für Flugpreise eine generelle Preiskontrolle bestehe und dass keine zu günstigern Bedingungen im Ausland erworbenen Flugscheine für Flüge von der Schweiz aus benützt werden dürfen. Selbstverständlich kann das Luftamt gegen Machenschaften einschreiten, welche eine Umgehung der Pflichten der Konzessionäre zur Einhaltung der genehmigten Tarife darstellen. Im vorliegenden Verfahren geht es aber nicht darum, dass den Reisebüros vorgeworfen werden könnte, sie veranlassten die Luftverkehrsunternehmen zu konzessionswidrigen Preisunterbietungen oder nützten solches konzessionswidriges Verhalten aus. Die in Frage stehenden Flugscheine werden im Ausland zu den dort geltenden Bedingungen, d.h. zum dort gültigen IATA-Tarif erworben und in die Schweiz eingeführt. Das Luftverkehrsunternehmen erhält den für das Land, in dem der Flugschein gekauft wird, nach Tarif geltenden Preis, hingegen nicht den Preis in Schweizerfranken, der nach IATA-Tarif in der Schweiz zu bezahlen wäre. Weil der IATA-Umrechnungskurs nicht dem wirklichen Wechselkurs entspricht, ergibt sich eine Differenz, welche beim Kauf des Flugscheines zum offiziellen Tarif in der Schweiz dem Luftverkehrsunternehmen zugute kommt, beim Kauf im Ausland zum dort gültigen Tarif dem Kunden. Es ist offensichtlich, dass wegen der fehlenden Übereinstimmungen zwischen dem IATA-Umrechnungskurs und den effektiven Wechselkursen ein nach Schweizerfranken-Tarif bezahlter Flug dem Luftverkehrsunternehmen mehr einbringt als ein gleicher Flug, der in Frankreich oder Italien nach den dortigen Tarifen bezahlt wird. Jedes Luftverkehrsunternehmen hat also ein wirtschaftliches Interesse daran, dass möglichst viele Flüge in der Schweiz nach dem genehmigten Schweizerfranken-Tarif gebucht werden. Die Verfügung des Eidg. Luftamtes vom 30. Dezember 1974 würde also vor allem der Swissair, aber auch den andern Linienverkehrsunternehmen finanzielle Vorteile bringen. Obschon die Tarifgenehmigung im Rahmen der Konzession (
Art. 30 LFG
) sinngemäss auch der Schaffung einer genügenden wirtschaftlichen Basis für einen lebensfähigen, den technischen Anforderungen genügenden Linienflugbetrieb dienen soll,
Art. 101-103 LFG
die Förderung der Luftfahrt zur Bundessache erklären und die Beteiligung des Bundes an einer gemischtwirtschaftlichen schweizerischen Luftverkehrsgesellschaft ausdrücklich vorschreiben,
BGE 102 Ib 300 S. 308
bilden diese Bestimmungen doch keine gesetzliche Grundlage, um mit Verfügungen gegenüber Reisebüros den Kauf von Flugscheinen im Ausland zu verhindern und für Flüge mit Beginn in der Schweiz einen den effektiven Währungsverhältnissen nicht entsprechenden, im Vergleich zum Ausland überhöhten Flugtarif durchzusetzen. Eine solche währungs- und preispolitische Massnahme, die ja nicht nur die Swissair, sondern allen in der Schweiz tätigen Luftverkehrsunternehmungen zugute käme, lässt sich nicht auf
Art. 30 LFG
stützen; denn es geht dabei nicht um die Durchsetzung des genehmigten Tarifs - mit der Genehmigung der IATA-Umrechnungskurse wurden implicite auch die im Ausland anwendbaren Tarife genehmigt -, sondern um einen Schutz des schweizerischen Flugscheinmarktes vor der Konkurrenz durch die billigeren IATA-Preise in benachbarten Staaten. Dieser Schutz wird zudem nur partiell angestrebt, indem die Verfügung sich zwar an die Fluggesellschaften und Reisebüros richtet, nicht aber an die Flugkunden selber. Bei strikter Anwendung müsste sich die Verfügung vom 30. Dezember 1974 allerdings auch auf Kunden, die ihre Billets selber im Ausland besorgt haben, auswirken, da die Anerkennung solcher Flugscheine für Beförderungen, die in der Schweiz beginnen, verboten werden soll. Aus
Art. 30 LFG
ergibt sich die Pflicht der Konzessionäre zur Einhaltung der genehmigten Tarife im Interesse eines einwandfreien, wirtschaftlich leistungsfähigen Betriebes. Diese Vorschrift bildet aber keine Grundlage, um die Vermittlung von Flugscheinen, die in einem ausländischen Staat zum dort geltenden Tarifpreis erworben wurden, für Flüge, die in der Schweiz beginnen, zu untersagen. Eine solche Massnahme, welche praktisch die Einfuhr von Flugscheinen verbietet und eine strikte Preiskontrolle für Käufe in der Schweiz schaffen muss, mag bei der heutigen Diskrepanz zwischen den IATA-Umrechnungskursen und den effektiven Wechselkursen naheliegend sein, geht aber über die im Rahmen der Konzession notwendige Genehmigung der Flugtarife hinaus. Zu einer solchen wirtschaftspolitischen Intervention wird das Eidgenössische Luftamt durch
Art. 30 LFG
nicht ermächtigt.
c) Das EVED begründet die direkte Verbindlichkeit der genehmigten Tarife in Schweizerfranken für die Flugscheinverkäufe der Reisebüros mit der Feststellung, diese Tarife seien
BGE 102 Ib 300 S. 309
nicht nur für den Konzessionär verbindlich, sondern es handle sich dabei um Rechtssätze, die folglich von jedermann einzuhalten seien.
Aus dem Wortlaut von
Art. 30 LFG
lässt sich nicht ableiten, dass der vom Konzessionär vorgelegte Tarif mit der Genehmigung durch das Eidg. Luftamt zum allgemein verbindlichen Rechtssatz werde. Wie bereits dargelegt wurde, schreibt Art. 30 lediglich vor, dass der Konzessionär auf Einhaltung eines bestimmten Tarifs zu verpflichten ist. Hinweise auf irgendeine Drittwirkung sind in der Gesetzgebung nicht zu finden. Die Tarife werden auch nicht amtlich publiziert. Dass
Art. 107 LFV
den Konzessionär anhält, die Tarife wie die Flugpläne "in geeigneter Weise" der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, kann nicht als Ersatz für die bei Rechtssätzen unerlässliche amtliche Publikation betrachtet werden, sondern umschreibt lediglich die Pflicht des Konzessionärs, dafür zu sorgen, dass die Flugkunden über die Leistungen, die er kraft seiner Konzession zu erbringen hat, hinreichend orientiert sind. Wenn der Gesetzgeber beabsichtigt hätte, den genehmigten Flugtarifen den Charakter von Rechtssätzen zu verleihen, müsste dies deutlich zum Ausdruck kommen; insbesondere wäre die amtliche Publikation unerlässlich. Das Argument, die Tarife seien Rechtssätze, ist somit nicht stichhaltig und kann nicht als Grundlage für die an die Reisebüros gerichtete Verfügung herangezogen werden.
7.
Es bleibt zu prüfen, ob zwischenstaatliche Abkommen der Schweiz die Verpflichtung auferlegen, dafür zu sorgen, dass Beförderungen, die in der Schweiz beginnen, stets in der Schweiz zum genehmigten Flugtarif in Schweizerfranken bezahlt werden.
a) Wie im angefochtenen Entscheid zutreffend ausgeführt wird, hat die Schweiz mit zahlreichen Staaten Abkommen über den regelmässigen Luftverkehr geschlossen. Diese zwischenstaatlichen Vereinbarungen enthalten auch Bestimmungen über die Festsetzung der Tarife (vgl. z.B. BBl 1975 II S. 35 f., vier Abkommen über den Luft-Linienverkehr mit Ecuador, Jordanien, Jamaika und Kanada, insbesondere S. 40 Art. 10, S. 50 Art. 10, S. 60 Art. 10, S. 71 Art. 11). In den vertraglichen Abmachungen wird das Verfahren der Tariffestsetzung unter den beteiligten Luftverkehrsunternehmen und die Genehmigung durch die Luftfahrtbehörden der Vertragsparteien
BGE 102 Ib 300 S. 310
geregelt. Es wird auch bestimmt, wie bei Schwierigkeiten - fehlende Einigung unter den Unternehmen, Nichtgenehmigung durch die Luftfahrtbehörden - vorzugehen ist (direkte Verhandlungen durch die Behörden, eventuell Schiedsgericht). Über die Frage, ob die in einem Land beginnenden Flüge stets dort zu den in jener Landeswährung geltenden Preisen zu bezahlen sind, lässt sich den zwischenstaatlichen Abkommen nichts entnehmen. Die Vertragstexte gehen in dieser Beziehung nicht über
Art. 30 LFG
hinaus, ergänzen aber das Gesetz insofern, als sie im Prinzip für das Zustandekommen eines Tarifes die Einigung unter den beteiligten Luftverkehrsunternehmen der beiden Staaten und die nachfolgende (mindestens stillschweigende) Genehmigung durch die zuständigen Behörden beider Staaten vorschreiben. Über spezielle Umrechnungskurse für die Flugpreise und über ein Verbot, Flugscheine in einem andern Staat als dem Staat des Beförderungsbeginns und in einer andern Währung zu beziehen, wurde in zwischenstaatlichen Abkommen nichts vereinbart. Das EVED nennt keine Vertragsklausel, aus welcher die Befugnis oder gar die Pflicht zu derartigen wirtschaftspolitischen Schutzmassnahmen hervorginge. Zwar bestätigen diese zwischenstaatlichen Abkommen - wie im angefochtenen Entscheid hervorgehoben wird -, dass sich die Tariffestsetzungen nicht auf rein privatrechtlicher Basis abwickeln, sondern unter Mitwirkung der Behörden in Beachtung öffentlichrechtlicher Richtlinien erfolgen; diese öffentlichrechtliche Komponente ergibt sich aber schon aus
Art. 30 LFG
. Dass durch zwischenstaatliche Abmachungen der Handel mit Flugscheinen über die Grenze unterbunden und die Vermittlung von Flugbillets strikte an die im Lande des Beginns des Fluges geltenden Preise in der Landeswährung gebunden werden sollte, lässt sich den Texten der zwischenstaatlichen Vereinbarungen nicht entnehmen.
b) Die IATA ist nicht eine zwischenstaatliche Organisation, sondern ein internationaler Verband der Luftverkehrsgesellschaften (vgl. SCHWEICKHARDT, Schweizerisches Lufttransportrecht S. 2 f.; ALEX MEYER, Internationale Luftfahrtabkommen, Köln-Berlin 1953/1955 Bd. I S. 147, Bd. II S. 4; Zeitschrift für Luftrecht und Weltraumrechtsfragen, 1971, S. 153 ff., Text der Allgemeinen Beförderungsbedingungen S. 214 ff.).
BGE 102 Ib 300 S. 311
Obschon die IATA völkerrechtlich eine gewisse Anerkennung gefunden hat und in zwischenstaatlichen Abkommen ausdrücklich oder sinngemäss erwähnt wird als eine Institution, deren Vorschläge und Verfahrensformen bei der Tariffestsetzung zu beachten sind, binden ihre Empfehlungen die Staaten nicht. Durch die behördliche Genehmigung der die Tarife betreffenden IATA-Resolutionen werden dieselben zwar nicht staatliche Rechtssätze, aber sie werden zum Inhalt der Konzessionen und bilden dann die gemäss
Art. 30 LFG
massgebende Tariffestsetzung. Die IATA hat in den Resolutionen 021, 021a und 021b die für die Umrechnung der in den IATA-Tarifen festgesetzten Preise anzuwendenden Kurse fixiert. Diese Resolutionen über die IATA-Umrechnungskurse sind dem Eidg. Luftamt als der zuständigen Tarifgenehmigungsbehörde von der Swissair vorgelegt worden. Das Luftamt hat die in Frage stehenden IATA-Resolutionen genehmigt, aber folgenden Vorbehalt angebracht:
"Veröffentlichung in der Schweiz
- alle Luftverkehrsunternehmen oder ihre Generalagenten haben die Tarife/Frachtraten für Flugreisen/Luftfrachttransporte, welche in der Schweiz beginnen, in Schweizerfranken zu veröffentlichen. Diese in Schweizerfranken publizierten Tarife und Frachtraten werden von den Basistarifen und Basisraten zu den in der Resolution 217/021b enthaltenen Umrechnungskursen abgeleitet.
- Für zusätzliche Veröffentlichungen in irgend einer anderen Währung muss ein spezielles Gesuch an das Eidgenössische Luftamt in Bern gerichtet werden.
Verkauf in der Schweiz
- Für jeden in der Schweiz getätigten Verkauf von Flugreisen oder Luftfrachttransporten müssen die zur Veröffentlichung genehmigten Tarife/Frachtraten in Schweizerfranken angewendet werden, egal ob die Reise oder der Transport innerhalb oder ausserhalb der Schweiz beginnt. Ist kein Tarif oder keine Frachtrate in Schweizerfranken veröffentlicht, muss der in irgend einer anderen Währung veröffentlichte oder konstruierte Tarif/Frachtrate gemäss den Regeln der Resolutionen 217/021, 217/021a und 217/021b in Schweizerfranken umgerechnet werden.
- Erfolgt die Zahlung für einen in der Schweiz getätigten Verkauf in irgend einer anderen Währung als Schweizerfranken, muss der Tarif oder die Frachtrate in Schweizerfranken zum lokalen Bankkurs in die Verkaufswährung umgerechnet werden (Checkkurs für Checks, Notenkurs für Banknoten)."
Aus der Beifügung dieses Vorbehalts lässt sich folgern, dass die IATA-Resolutionen als solche - auch nach Auffassung
BGE 102 Ib 300 S. 312
des Eidg. Luftamtes - nicht verbieten, dass Flugscheine ausserhalb des Staates, in welchem der Flug beginnt, und in einer andern Währung gekauft werden. Die IATA-Resolutionen enthalten zwar gewisse, teilweise recht komplizierte Beschränkungen in bezug auf die Verwendbarkeit einzelner Währungen für Flugscheinkäufe. Ein Anliegen der Verfasser der Resolution 021 dürfte es gewesen sein, den Anwendungsbereich jener Flugtarife, welche auf einem für den ausländischen Flugkunden besonders günstigen Umrechnungskurs beruhen, grundsätzlich auf die im betreffenden Land beginnenden oder endenden Flüge zu begrenzen (Res. 021 Ziff. 8 und 9). Hingegen fehlt eine Regel, welche den zu bezahlenden Flugpreis strikte an den am Startort geltenden Tarif in der Landeswährung binden würde. Der wesentliche Inhalt der hier in Frage stehenden Anordnungen des Eidgenössischen Luftamtes ergibt sich also nicht aus den IATA-Resolutionen, sondern aus dem Vorbehalt, welchen das Luftamt bei der Genehmigung dieser Resolutionen anbrachte. Es braucht daher nicht untersucht zu werden, ob eine IATA-Resolution, welche nicht nur die IATA-Mitglieder, d.h. die Luftverkehrsunternehmen, sondern auch alle Reisebüros verpflichten würde, Flugreisen in der Schweiz nur zum IATA-Schweizerfranken-Tarif zu verkaufen, durch die Genehmigung seitens des Eidg. Luftamtes für alle Betroffenen verbindlich würde. Die Frage, ob das Luftamt durch die Genehmigung einer IATA-Resolution über
Art. 30 LFG
hinaus eine generelle Kontrolle für alle Verkäufe und Vermittlungen von Flugreisen in der Schweiz rechtsgültig einführen könnte, stellt sich nicht. Auf dem Wege eines Vorbehalts bei der Genehmigung von IATA-Resolutionen kann das Eidg. Luftamt nicht eine wirtschafts- und währungspolitische Massnahme anordnen, zu welcher ihm gemäss
Art. 30 LFG
die Befugnis fehlt. Offenbar hat das Luftamt bei der Genehmigung der IATA-Resolutionen über die verbindlichen Umrechnungskurse erkannt, dass mit der derart festgelegten Umrechnung der Anreiz für günstigere Flugschein-Käufe im benachbarten Ausland sehr gross werden könnte. Das Amt wollte aus verständlichen Gründen die Umgehung des für die Swissair günstigen IATA-Tarifs in Schweizerfranken nach Möglichkeit verhindern. Da aber das LFG keine Grundlage für eine solche währungspolitische Massnahme bildet, ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gutzuheissen.
BGE 102 Ib 300 S. 313
8.
a) Auf welchem Wege bei der heutigen Währungssituation eine für alle Beteiligten befriedigende Lösung gefunden werden könnte, ist nicht vom Bundesgericht abzuklären. Es muss hier auch offen bleiben, ob die Reisebüros durch ihr Vorgehen etwa vertragliche Verpflichtungen als Agenten der IATA verletzten; denn selbst wenn dies zutreffen sollte, so dürften sie nicht ohne gesetzliche Grundlage durch eine Verwaltungsbehörde zu einem vertragskonformen Verhalten gezwungen werden. Eine Untersuchung der zivilrechtlichen Stellung der IATA-Agenturen erübrigt sich in diesem Verfahren.
b) Durch die zu beurteilenden Verwaltungsgerichtsbeschwerden wurde geltend gemacht, die angefochtene Massnahme sei gegenüber den Reisebüros mangels gesetzlicher Grundlage unzulässig. Ob das Luftamt die Luftverkehrsunternehmen als Konzessionäre zur strikten Anwendung des IATA-Tarifs in Schweizerfranken bei Verkäufen von Flugscheinen in der Schweiz verpflichten kann, ist hier nicht zu entscheiden. Die sich aus der Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ergebende Aufhebung der Verfügung vom 30. Dezember 1974 bezieht sich ausschliesslich auf deren Wirksamkeit für die Reisebüros.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerden werden gutgeheissen und der Entscheid des EVED vom 24. März 1976 und die Verfügung des Eidg. Luftamtes vom 30. Dezember 1974, soweit sie die Reisebüros betrifft, aufgehoben. | public_law | nan | de | 1,976 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
c2be298b-2fdc-41a2-932a-70f41596a89c | Urteilskopf
111 III 86
21. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour civile du 3 octobre 1985 dans la cause Kosta S.A. et Banque Commerciale S.A. en liquidation et en sursis concordataire (recours de l'
art. 19 OCB
) | Regeste
Nachlassverfahren von Banken.
Im Nachlassverfahren von Banken ist es zulässig, Gläubiger von kleinen Forderungen vorab und vollständig zu befriedigen, wenn dadurch die Kosten für Kollokation und Verteilung beträchtlich gesenkt werden können. Eine solche Ersparnis an Kosten und Zeit kommt allen Gläubigern zugute (E. 2).
Der Entscheid, ob unter den kleinen, vorab zu befriedigenden Forderungen solche bis zu Fr. 5000. - oder bis zu Fr. 10'000. - zu verstehen seien, ist ein Ermessensentscheid. Das Bundesgericht kann den Entscheid der kantonalen Behörde auch auf Ermessen prüfen (E. 3).
Die Kosten für das Nachlassverfahren von Banken richten sich nach Art. 63 ff. GebTSchKG (E. 5). | Erwägungen
ab Seite 87
BGE 111 III 86 S. 87
Extrait des considérants:
2.
Aux termes de l'art. 1er du concordat homologué, la débitrice s'engage à payer un dividende de 100% à tous les créanciers titulaires d'une créance ressortant des livres de la banque au 29 mars 1983 (date du retrait de l'autorisation d'exercer une activité bancaire) dont le montant est égal ou inférieur à 10'000 francs, le paiement intervenant dans les 30 jours dès l'homologation définitive. En outre, aux termes de l'art. 2 du concordat, la débitrice paiera 10'000 francs pour toutes choses dans les 60 jours dès l'homologation définitive, à tous les créanciers dont les créances ressortent des livres de la banque et qui en feront la demande, tout en renonçant à la part non couverte de leur créance ensuite de ce paiement.
Ces clauses avaient été proposées par le commissaire, mais à concurrence de 5000 francs seulement. C'est la cour cantonale qui a estimé opportun de porter ce chiffre à 10'000 francs.
La recourante ne s'oppose pas à un traitement privilégié des petits créanciers, mais elle voudrait que les petites créances ne soient pas supérieures à 5000 francs. Elle conteste que des considérations d'ordre social puissent intervenir sur ce point, et affirme que certains petits créanciers peuvent ne pas mériter le privilège qui leur est offert.
a) L'intimée soutient que dès l'instant que la recourante ne s'oppose pas au traitement privilégié des petits créanciers dans la mesure où les petites créances ne sont pas supérieures à 5000 francs, comme prévu dans le projet de concordat, ces clauses devraient en tout cas être maintenues, faute de faire l'objet de l'effet dévolutif du recours. Cette argumentation ne peut être suivie. Dans la mesure où, en prévoyant le traitement privilégié des petits créanciers, le concordat aurait fixé un objet qui n'est pas susceptible d'être réglé par le concordat, les clauses ici examinées ne pourraient pas être maintenues du tout (
ATF 105 III 96
in fine). Il y a donc lieu d'examiner si le privilège accordé aux petits créanciers est en soi une clause susceptible de figurer dans un concordat ou si elle n'est pas incompatible avec la nature de cette institution.
BGE 111 III 86 S. 88
b) Dans l'
ATF 105 III 94
ss consid. 2 lettres a et b, le Tribunal fédéral a souligné que les créanciers ont un droit égal à être désintéressés sur le produit de la réalisation, à moins qu'il y ait entre eux des causes légitimes de préférence. Le principe de l'égalité des créanciers ne souffre que les exceptions que la loi y apporte, soit qu'elle reconnaisse l'effet d'un gage légalement constitué, soit qu'elle munisse une créance d'un privilège. Il en va de même en matière de concordat par abandon d'actif, car il s'agit d'une forme de l'exécution forcée, d'une procédure de droit public apparentée à la faillite. La nature et les buts du concordat judiciaire ne justifient aucune dérogation au principe fondamental de l'égalité des créanciers. Si la loi n'en dispose autrement, les clauses du concordat ne peuvent ni affecter le montant des créances produites, ni porter atteinte au droit qu'ont les créanciers de recevoir un dividende égal ou d'être désintéressés selon les règles légales sur le produit des biens abandonnés.
Le privilège accordé aux petits créanciers paraît à première vue en contradiction avec ces principes.
L'autorité cantonale a cru pouvoir écarter cette contradiction notamment en se référant à l'
ATF 50 II 504
consid. 2. Cet arrêt n'est pas pertinent. En effet, il concerne un concordat extrajudiciaire et relève seulement que, dans un tel concordat qui se compose d'une série de contrats entre le débiteur et chacun de ses créanciers, les parties peuvent en principe déterminer librement le contenu de leur accord, et notamment le débiteur peut promettre davantage à certains créanciers qu'à d'autres, pour peu qu'il ne cache pas aux autres les avantages qu'il concède à certains d'entre eux. Il ressort de cet arrêt que l'égalité des créanciers peut n'être pas respectée dans le concordat extrajudiciaire pour le seul motif qu'un tel concordat relève de la liberté des conventions et n'est pas une mesure d'exécution forcée mise en oeuvre par l'autorité, comme le concordat judiciaire par abandon d'actif.
c) La doctrine n'examine pas la possibilité de privilégier les petits créanciers (ULDRY, Le concordat des instituts bancaires, thèse Fribourg 1937; GERSBACH, Der Nachlassvertrag... über die Banken..., thèse Zurich 1937; FJS 375). Tout au plus BODMER/KLEINER/LUTZ, Kommentar zum BG über die Banken und Sparkassen, Zurich 1982, n. 100 ad art. 36/37, y font-ils allusion et se fondent sur des considérations pratiques prises de l'économie des frais. Ces auteurs proposent une somme de
BGE 111 III 86 S. 89
100 francs seulement pour délimiter le cercle des petits créanciers à satisfaire immédiatement.
d) La loi sur les banques et les caisses d'épargne prévoit elle-même un certain privilège en faveur des petits créanciers. A l'art. 32 al. 2, elle autorise le commissaire, en cas de sursis au sens des
art. 29 ss LB
, à ordonner les remboursements de créances échues n'excédant pas une certaine limite, en tenant compte dans une mesure équitable des intérêts des petits créanciers. L'art. 58 al. 2 de l'ordonnance d'exécution du 17 mai 1972 dispose à ce sujet que sont considérés en règle générale comme de petits créanciers ceux dont les créances contre la banque n'atteignent pas 5000 francs. Il s'agit là toutefois d'opérations qui sont déclarées licites dans le cas du sursis bancaire et qui ne trouvent pas de correspondant exprès dans la procédure de concordat par abandon d'actif.
Le souci de protéger des créanciers exposés à ressentir durement la perte que leur fait subir l'insolvabilité de leur débiteur n'est pas étranger au système de l'exécution forcée. Aux termes de l'
art. 219 LP
sont privilégiées par leur collocation en première classe les créances récentes du travailleur et de l'ouvrier à domicile, ainsi que celles des créanciers alimentaires. Les créances des caisses d'ouvriers, celles des fonds de prévoyance au profit d'employés et d'ouvriers ont un privilège de seconde classe. Les dépôts d'épargne ont un privilège de troisième classe pour les premiers 5000 francs et de quatrième classe pour les 5000 francs suivants. Il s'agit là toutefois de dispositions prises par le législateur lui-même pour régler les modalités de l'exécution forcée. Il n'en découle pas que dans le cadre d'un concordat de plus amples privilèges puissent être accordés sur la base de considérations sociales.
e) Il résulte toutefois des constatations de la cour cantonale que l'élimination des petits créanciers est une pratique courante en matière de concordat bancaire. Dans ses observations sur le recours, Banque Commerciale S.A. précise que le désintéressement immédiat des petits créanciers à concurrence de 5000 francs a été admis dans les concordats de Finabank, Banque commerciale internationale et Banque Leclerc et Cie. Il ressort effectivement de l'arrêt concernant le concordat Finabank (
ATF 103 III 61
, 2e paragraphe) que ce concordat comportait, comme celui ici examiné, des clauses prévoyant le paiement intégral des petits créanciers et des autres créanciers qui se contenteraient pour toutes choses d'un paiement de 5000 francs. Le Tribunal fédéral n'a pas examiné de
BGE 111 III 86 S. 90
telles clauses ni ne les a mises en doute, alors même qu'il s'estimait alors en droit d'examiner toutes les clauses du concordat, qu'elles fassent ou non l'objet des conclusions du recourant (
ATF 103 III 55
consid. 2).
f) Cette pratique s'explique par le fait que, dans une faillite ou un concordat bancaires, le nombre des créanciers est généralement très élevé. Le règlement immédiat et sans formalités des petits créanciers est de nature à alléger considérablement les opérations de liquidation et de distribution. Cet allégement permet une économie de frais administratifs inopportuns, au bénéfice de l'ensemble des créanciers. Lorsque le principe de l'économie entre en conflit avec le principe de l'égalité, il n'est pas contraire aux principes fondamentaux de la réalisation forcée de préférer le principe de l'économie à celui de l'égalité. C'est ainsi notamment que si l'administration se trouve en présence de prétentions du débiteur difficiles à réaliser, elle peut en faire cession aux créanciers qui le demandent, ceux-ci bénéficiant alors d'un privilège en ce sens qu'ils peuvent obtenir la couverture de l'entier de leurs créances et de leurs frais, et non seulement le dividende (
art. 260 LP
).
On doit constater dès lors que le paiement intégral préalable et sans forme des petits créanciers est admissible en matière de concordat bancaire lorsque ce paiement permet une économie importante de frais et un allégement important de la procédure de collocation et de distribution. Une telle économie de frais et de temps profite à l'ensemble des créanciers. Dans la mesure où l'économie des frais égale ou au moins approche la somme consacrée au désintéressement des petits créanciers, les créanciers restants n'en sont pas lésés, car la somme restant à leur distribuer est pratiquement la même. Le principe de l'égalité de traitement doit alors céder le pas au principe de l'allégement de la procédure et de l'économie des frais.
3.
Dans la mesure où l'on admet que les petits créanciers peuvent être payés immédiatement en vue de simplifier la procédure et de diminuer les frais de distribution, la question de savoir si le critère de délimitation des petits créanciers doit être fixé à 5000 francs ou à 10'000 francs relève de l'appréciation et doit se trancher en opportunité uniquement. Le Tribunal fédéral peut contrôler la décision de l'autorité cantonale du point de vue de l'opportunité (art. 53 al. 2 in fine RexLB; RS 952.821).
a) En l'espèce, pour fixer la limite à 10'000 francs, l'autorité cantonale a considéré que les créanciers dont la prétention s'élève
BGE 111 III 86 S. 91
à 5000 francs au plus sont au nombre de 796 pour une somme totale de 1'192'274 francs. Si l'on fixe la limite à 10'000 francs, les créanciers intéressés sont au nombre de 962 pour une somme totale de 2'381'328 francs. Cette somme ne représente que le 11,5% du total des créances. Elle permet d'éliminer de la suite de la procédure 962 créanciers sur 1326.
b) La cour cantonale relève en outre que, parmi les petits créanciers (jusqu'à concurrence de 10'000 francs), figurent de très nombreux petits commerçants, artisans et rentiers qui ont déposé leurs économies dans une banque de quartier.
La recourante conteste que des considérations d'ordre social puissent avoir un fondement légal. Certes, comme on l'a déjà relevé, les considérations d'ordre social ne sont pas étrangères à la procédure de réalisation forcée qui accorde des privilèges à certains créanciers qui ont particulièrement besoin de leur argent, en les colloquant dans les premières classes déterminées par l'
art. 219 LP
. Mais seul le législateur peut fixer de tels privilèges. Ce sont uniquement des motifs économiques pris du souci d'alléger la procédure en réduisant le nombre des opérations administratives qui sont déterminants pour autoriser une dérogation au principe de l'égalité. La motivation de l'autorité cantonale est donc erronée dans la mesure où elle tient aussi compte du problème social posé par les petits créanciers.
c) La recourante fait encore valoir que, parmi les petits créanciers, peuvent figurer des personnes qui ne peuvent faire valoir aucun besoin particulier de leur argent, mais qui ne figurent dans les livres de la banque que pour des "queues de compte". Ce moyen est sans pertinence, dès l'instant que les démarches nécessaires pour faire valoir et administrer ces créances risquent de ne pas se trouver dans une proportion raisonnable avec la somme à recouvrer, respectivement à payer.
d) On ne saurait donc dire que la recourante démontre que la cour cantonale s'est fondée sur des critères sans pertinence ou n'a pas tenu compte de critères pertinents pour apprécier la notion de petits créanciers.
Dans ses observations, l'intimée déclare que l'augmentation à 10'000 francs de la somme permettant de déterminer le cercle des petits créanciers exige un montant légèrement supérieur à un million (exactement 1'189'054 francs), mais permet l'élimination de 165 créanciers, ce qui permettra d'économiser un montant du même ordre. Cette explication est pertinente. Elle permet de dire que la dépense supplémentaire étant,
BGE 111 III 86 S. 92
au moins dans une large mesure, compensée par une diminution des frais, les intérêts de l'ensemble des créanciers sont suffisamment pris en considération.
Il résulte en outre de la statistique des créanciers au 29 mars 1983 qui figure à page 4 des "constatations et avis de l'administrateur-commissaire sur les oppositions" que si 962 créanciers ont une prétention de 10'000 francs au plus (dont plus du tiers, soit 383, ne réclament pas plus de 1000 francs), il y a encore 107 créanciers dont la prétention se situe entre 10'000 francs et 15'000 francs, à savoir 12'170 francs en moyenne pour chacun. Il est très probable que plusieurs parmi ces derniers créanciers se prévaudront de la clause No 2 du concordat et donneront quittance pour le solde moyennant paiement à bref délai de la somme de 10'000 francs. La liquidation sera donc allégée d'un plus grand nombre de créanciers encore et les frais seront diminués d'autant au bénéfice des créanciers restants.
e) L'autorité cantonale n'a dès lors pas violé la loi en admettant le paiement immédiat ou à brève échéance des petits créanciers, et elle n'a pas pris une décision inopportune en fixant la limite des petites créances à 10'000 francs. La conclusion du recours tendant à l'annulation de la décision cantonale en tant qu'elle modifie les art. 1 et 2 du projet de concordat doit être rejetée.
5.
Les dispositions particulières sur les frais édictées par les
art. 45 et 46 OCB
ont été abrogées par arrêt du Tribunal fédéral du 26 juillet 1971, entré en vigueur le 1er août 1971. Il y a donc lieu de faire application des dispositions des art. 63 ss TLP. Les considérations faites aux
ATF 95 III 75
reposent sur des prescriptions qui ne sont plus en vigueur. Il y a d'autant moins de raisons de laisser les frais à la charge de la masse que le principe même du concordat n'est pas remis en question par le recours.
L'émolument doit être fixé en application de l'art. 66 al. 1 TLP.
Les dépens sont réglés par l'art. 68 al. 1 TLP. Ils ne peuvent donc être alloués d'office, comme c'est le cas en vertu de l'
art. 159 OJ
, mais seulement sur demande. En l'espèce, Banque Commerciale S.A. a expressément conclu à l'allocation de dépens. | null | nan | fr | 1,985 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
c2c3e922-1185-4671-9c56-ff14c4f05d77 | Urteilskopf
113 Ib 67
12. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour de droit public du 30 juin 1987 dans la cause U. S.A. contre Chambre d'accusation du canton de Genève (recours de droit administratif) | Regeste
Rechtshilfe in Strafsachen. Art. 63 Abs. 5 und 64 Abs. 2 IRSG. Beidseitige Strafbarkeit.
Art. 63 Abs. 5 und 64 Abs. 2 IRSG sind nur anwendbar, wenn die Rechtshilfe und die Zwangsmassnahmen den Verfolgten entlasten sollen. Die Tatsache, dass diese Massnahmen eine solche Folge haben könnten, genügt nicht (E. 4a).
Das zu beurteilende Insidergeschäft ist nach französischem Recht und nach schweizerischem Recht gestützt auf
Art. 162 StGB
strafbar (E. 4b). | Sachverhalt
ab Seite 67
BGE 113 Ib 67 S. 67
Le 23 mai 1984, le Premier Juge d'instruction au Tribunal de Grande Instance de Paris a adressé au Président du Collège des juges d'instruction à Genève une commission rogatoire internationale qu'il avait établie le 18 mai 1984 pour les besoins d'une information suivie contre inconnu du chef d'infraction à l'art. 10-I al. 1 de l'ordonnance No 67-833 du 28 septembre 1967
BGE 113 Ib 67 S. 68
instituant une Commission des opérations de bourse et relative à l'information des porteurs de valeurs mobilières et à la publicité de certaines opérations de bourse (cf. DALLOZ, Code des sociétés, 7e éd., 1986 p. 654 à 662). Il exposait que la Commission des opérations de bourse avait constaté, au cours des mois de juin à août 1983, une animation insolite sur le marché boursier des actions de deux sociétés françaises. En particulier, un grand nombre d'actions de l'une de ces sociétés avaient été acquises puis revendues quelques jours après sur ordre d'U. S.A., dont le siège est à Genève et qui aurait réalisé ainsi un substantiel bénéfice. Environ un mois plus tard, une opération de vente puis de rachat portant sur un paquet d'actions d'une autre société aurait été effectuée, avec profit, sur ordre d'U. S.A. Les circonstances entourant l'émission et l'exécution de ces ordres ont amené la Commission à soupçonner qu'U. S.A. avait bénéficié de renseignements livrés par une personne disposant d'informations privilégiées. Le nom de cette personne était indiqué ainsi que ses liens avec les sociétés et les banques concernées et son mode de procéder pour permettre la réalisation des transactions boursières litigieuses. La commission rogatoire tendait pour l'essentiel à la recherche de tous renseignements sur la source des informations ayant décidé U. S.A. à passer ses ordres de bourse, sur les modalités de l'exécution de ceux-ci ainsi que sur l'affectation et le transfert éventuel à des tiers des bénéfices en résultant. L'autorité requise était invitée à procéder à toutes auditions de témoins, réquisitions, perquisitions et saisies utiles, au vu des éléments recueillis, à la découverte de la vérité.
Le Juge d'instruction genevois a entendu l'administrateur-délégué et un collaborateur d'U. S.A. qui, tout en contestant l'existence d'une opération d'initiés, lui ont remis divers documents relatifs aux faits mentionnés dans la commission rogatoire internationale. Par ordonnance du 4 novembre 1986, il a décidé de clore la procédure d'entraide et de transmettre aux autorités françaises le procès-verbal de l'audition des témoins et quatre pièces qu'ils avaient produites. Après avoir constaté la régularité formelle de la demande d'entraide, il a considéré principalement que les faits qui y sont allégués tomberaient, s'ils avaient été commis en Suisse, sous le coup de l'
art. 162 CP
. Il a admis, à titre subsidiaire, que les renseignements obtenus déchargeaient la ou les personnes poursuivies et que, partant, l'entraide devait être de toute façon accordée en application de
BGE 113 Ib 67 S. 69
l'
art. 63 ch. 5 EIMP
. Il a enfin rappelé avec précision la portée de la règle de la spécialité.
Par ordonnance du 4 février 1987, la Chambre d'accusation du canton de Genève a rejeté le recours formé par U. S.A. contre cette décision. Elle a simplement rectifié la motivation subsidiaire de l'autorité inférieure en affirmant qu'on se trouvait en présence d'un cas d'application, non pas de l'art. 63 al. 5, mais de l'
art. 64 al. 2 EIMP
, aux termes duquel les mesures de contrainte sont aussi admises en cas d'impunité de l'acte en Suisse si elles tendent à disculper la personne poursuivie.
Le recours de droit administratif interjeté par U. S.A. contre cette ordonnance a été rejeté par le Tribunal fédéral.
Erwägungen
Extrait des considérants:
4.
La question fondamentale soulevée en l'espèce est celle de la double incrimination des faits relatés dans la commission rogatoire du 18 mai 1984. En ratifiant la Convention européenne d'entraide judiciaire en matière pénale (RS 0.351.1), la Suisse a en effet émis une réserve au sens de ses art. 5 al. 1 et 23 al. 1, en déclarant qu'elle subordonnait l'exécution de toute commission rogatoire exigeant l'application d'une mesure coercitive quelconque à la condition que l'infraction motivant la demande soit punissable à la fois selon le droit de la Partie requérante et selon le droit de la Partie requise (RS 0.351.1, p. 28). Avant de vérifier si cette condition est remplie en l'espèce, il convient toutefois d'examiner si l'on se trouve en présence d'un cas où l'entraide vise à décharger la personne poursuivie. C'est ce qu'ont admis tant l'autorité cantonale inférieure - qui, suivie en cela par l'Office fédéral de la police dans ses observations sur le présent recours, a fait application de l'
art. 63 ch. 5 EIMP
- que l'autorité intimée - qui s'est fondée sur l'
art. 64 al. 2 EIMP
.
a) Selon l'
art. 63 al. 5 EIMP
, l'entraide visant à décharger la personne poursuivie peut être accordée nonobstant l'existence de motifs d'irrecevabilité au sens des art. 3 à 5 de cette loi. Aux termes de l'
art. 64 al. 2 EIMP
, les mesures de contrainte sont aussi admises en cas d'impunité de l'acte en Suisse, si elles tendent à disculper la personne poursuivie. Cette dernière disposition, qui n'existait pas dans le projet du Conseil fédéral (art. 60; FF 1976 II p. 494), a été introduite par la Commission du Conseil des Etats. Il résulte des délibérations de cette Chambre que l'entraide visant à
BGE 113 Ib 67 S. 70
décharger la personne poursuivie ne devrait être accordée, lorsque les faits poursuivis ne sont pas punissables en Suisse ou lorsqu'il existe des motifs d'irrecevabilité de la demande, qu'à deux conditions: l'intéressé doit avoir confirmé par son accord que la mesure requise est bel et bien ordonnée dans son propre intérêt et non pas dans un intérêt quelconque de l'Etat requérant; cette mesure ne doit pas être susceptible de léser les intérêts dignes de protection de tiers, impliqués ou non (Bulletin officiel de l'Assemblée fédérale (BO) CE 1977 p. 617, 1re colonne in fine, et p. 632, 1re colonne). Cette question n'a pas fait l'objet de discussions particulières au sein du Conseil national (BO/CN 1979 vol. 1 p. 852). Saisie d'une demande d'entraide qui vise à décharger la personne poursuivie, l'autorité administrative fédérale est elle-même prudente. Elle exige chaque fois que la personne poursuivie donne son accord à l'application des mesures exigées par la voie de l'entraide judiciaire, que cet accord soit consigné dans un procès-verbal et qu'une copie de ce procès-verbal lui soit envoyée. Cette prudence s'explique par l'idée que l'administration d'une preuve requise, à sa propre décharge, par la personne poursuivie dans la procédure étrangère peut, dans certaines circonstances, lui être très défavorable et aboutir à un résultat contraire à celui recherché (cf. JAAC 46/IV, No 68, p. 405, lettre b).
Cette application limitée des art. 63 al. 5 et 64 al. 2 EIMP est justifiée. Il n'est en effet guère aisé pour les autorités de l'Etat requis de déterminer si les renseignements sollicités par un Etat étranger pour décharger la personne poursuivie seront utilisés exclusivement dans ce but, ou s'ils ne le seront pas aussi à des fins contraires à celles que tend à réaliser la coopération internationale de la Suisse en matière pénale. On comprend dès lors mal le raisonnement tenu en l'espèce par les autorités cantonales, repris par l'Office fédéral de la police. Alors même que la commission rogatoire du 18 mai 1984 ne vise manifestement pas à décharger la personne poursuivie, elles ont constaté que le résultat de l'enquête menée par le Juge d'instruction genevois déchargeait celle-ci; elles en ont tiré la conclusion que la Suisse pouvait renoncer à la condition de double incrimination, sur la base soit de l'art. 63 al. 5 soit de l'
art. 64 al. 2 EIMP
. Ce faisant, elles se sont livrées, en quelque sorte, à une appréciation anticipée des preuves recueillies à Genève, ce qui n'est pas du ressort de l'autorité chargée de se prononcer sur une demande d'entraide, de la même manière qu'il ne lui incombe pas, en principe, de se prononcer sur
BGE 113 Ib 67 S. 71
l'opportunité des mesures d'instruction pour l'administration desquelles l'entraide est requise (cf.
ATF 111 Ib 131
).
Quoi qu'il en soit, il n'y a pas lieu de s'attarder plus avant sur l'application éventuelle de ces deux dispositions particulières. La condition de la double incrimination des faits tels qu'ils sont exposés dans la demande d'entraide est en effet de toute évidence réalisée.
b) Il n'existe pas en droit pénal suisse de disposition topique sanctionnant comme telles les opérations d'initiés. Pour que celles-ci soient punissables, il faut qu'elles tombent sous le coup de l'
art. 162 CP
qui réprime la violation du secret commercial. Tel est le cas si la personne au bénéfice d'une information privilégiée, qu'elle devait garder secrète, l'a transmise à un tiers qui a tiré parti de cette révélation pour procéder à des opérations boursières. Tel n'est pas le cas, en revanche, si l'initié met à profit pour son propre compte les renseignements qu'il a obtenus dans l'exercice de ses activités confidentielles (
ATF 109 Ib 57
consid. 5c; arrêt non publié X. du 16 mai 1984).
L'opération d'initiés ainsi punissable en droit suisse l'est également en droit français sur la base de l'art. 10-I al. 1 de l'ordonnance déjà citée du 28 septembre 1967. Cette disposition punit de l'emprisonnement et de l'amende notamment les personnes disposant, à l'occasion de l'exercice de leur profession ou de leurs fonctions, d'informations privilégiées sur les perspectives ou la situation d'un émetteur de titres ou sur les perspectives d'évolution d'une valeur mobilière, et qui auront réalisé ou sciemment permis de réaliser sur le marché boursier une ou plusieurs opérations sur le fondement de ces informations, avant que le public en ait connaissance.
C'est bien ce que soupçonne l'autorité requérante. La personne mentionnée dans sa demande aurait en effet transmis à la recourante des informations obtenues confidentiellement dans l'exercice de ses fonctions auprès d'un établissement bancaire, pour permettre à celle-ci d'intervenir dans des conditions optimales sur le marché boursier, soit pour son propre compte, soit pour le compte d'un de ses clients. Les explications de la recourante se résument en réalité à une contestation de ces faits. Elles ne suffisent pas à démontrer que l'exposé détaillé qu'en donne la demande est manifestement erroné, contradictoire ou lacunaire (
ATF 107 Ib 267
consid. 3a,
ATF 105 Ib 425
/6 consid. 4b). C'est donc au juge du fond qu'elles devront êtres soumises, le juge de
BGE 113 Ib 67 S. 72
l'entraide ne pouvant se fonder sur elles pour refuser de donner suite à la demande qui lui est soumise. | public_law | nan | fr | 1,987 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
c2ca24ae-3020-4e90-aee0-17dc82b2137f | Urteilskopf
93 II 71
15. Urteil der II. Zivilabteilung vom 28. April 1967 i.S. Ortsgemeinde Murg gegen Spinnerei Murg AG | Regeste
Grundlast; Ablösung nach dreissigjährigem Bestande; Ausschluss dieser Ablösung? (
Art. 788 Abs. 1 Ziff. 2, Abs. 3 ZGB
).
1. Die Bestimmungen des ZGB über die Ablösung einer Grundlast nach dreissigjährigem Bestande gelten auch für Grundlasten, die vor dem Inkrafttreten des ZGB errichtet wurden (Art. 17 Abs. 2 und Art. 2 SchlT/ZGB). (Erw. 1).
2. Wann ist eine Grundlast im Sinne von
Art. 788 Abs. 3 ZGB
mit einer unablösbaren Grunddienstbarkeit verbunden und deshalb der Ablösung nach dreissigjährigem Bestande entzogen? Ablösung einer Grundlast, die den jeweiligen Eigentümer einer Sägereiliegenschaft, zu deren Gunsten ein ehehaftes Wasserrecht besteht, dazu verpflichtet, das für den Gebrauch der Gemeinde und der Gemeindebürger bestimmte Holz zu einem Vorzugspreis zu sägen. | Sachverhalt
ab Seite 72
BGE 93 II 71 S. 72
A.-
Die Spinnerei Murg AG ist Eigentümerin einer Sägereiliegenschaft in Murg, Parzelle Nr. 125, die sie am 7. April 1937 erworben hat. Zur Liegenschaft gehören Wasserrechte am Murgbach, und es lastet darauf folgende Verpflichtung:
"Ein Sägerecht, wonach die Sägebesitzer gehalten sind, der Ortsgemeinde Murg Holz zu billigem Preisansatz zu sägen, nach den spez. Bedingungen des gütlichen Vergleiches zwischen der Gemeinde Murg und den Sagenbesitzern vom 20. September 1823."
Diese Last geht auf den Kaufvertrag vom Jahre 1615 zurück, mit dem die Gemeinde Murg "die Sagen sambt ihrer Gerechtigkeit so darzu gehört" um 106 Münzgulden an die Brüder Heiny und Hanniss Weibell verkaufte, wobei die Käufer sich verpflich teten, "den im Fläcken" (d.h. den Einwohnern von Murg) das Holz zum eigenen Gebrauch zu einem Sonderpreis zu sägen.
B.-
Mit Schreiben vom 27. August 1962 kündigte die Spinnerei Murg AG der Ortsgemeinde Murg das Sägerecht auf den 31. August 1963. Die Ortsgemeinde widersetzte sich dieser Kündigung mit der Begründung, das Sägerecht sei im Sinne von
Art. 788 Abs. 3 ZGB
mit einer unablösbaren Dienstbarkeit, nämlich mit einem ehehaften Wasserrecht, verbunden und könne daher nicht abgelöst werden.
Die Spinnerei Murg AG reichte hierauf gegen die Ortsgemeinde Murg beim Kantonsgericht St. Gallen eine Klage mit folgenden Rechtsbegehren ein:
"1. Es sei gerichtlich festzustellen, dass das gemäss 'gütlichem Vergleich zwischen der Gemeinde Murg und den Sägenbesitzern im Unterbach, vom 20. September 1823' zu Gunsten der Genossen von Murg und zu Lasten der Liegenschaft Grundbuch Quarten Parzelle Nr. 215 (heutige Eigentümerin: Spinnerei Murg AG) als Grundlast begründete Sägerecht, wonach 'der Eigentümer dieser Liegenschaft verpflichtet ist, den Bürgern der Gemeinde Murg für ihren Gebrauch Holz zu schneiden lt. Vertrag', von der Klägerin am 27. August 1962 rechtsgültig auf den 31. August 1963 gekündigt wurde, und dass demzufolge ab 1. September 1963 die Klägerin nicht mehr verpflichtet ist, den Angehörigen der Ortsgemeinde Murg Holz zum verbilligten Tarif zu sägen;
2. Es sei gerichtlich festzustellen, dass das Sägerecht zufolge der rechtmässig erfolgten Kündigung durch die Klägerin mit Wirkung ab 1. September 1963 im Grundbuch der Politischen Gemeinde Quarten zu löschen ist;
BGE 93 II 71 S. 73
3. Es sei gerichtlich festzustellen, dass die Beklagte das Sägerecht gemäss Vertrag vom 20. September 1823 schon bisher nur zu Gunsten der Ortsgenossen, nicht aber auch für ihren eigenen Holzbedarf in Anspruch nehmen durfte;
4. Der von der Beklagten für die Aufhebung des Sägerechts eventuell zu beanspruchende Ablösungsbetrag sei vom Richter festzusetzen."
Die Klägerin machte im wesentlichen geltend, die Parteien seien darüber einig, dass das von der Beklagten beanspruchte Sägerecht eine Grundlast darstelle. Dass diese Grundlast im Sinne von
Art. 788 Abs. 3 ZGB
mit einer unablösbaren Grunddienstbarkeit verbunden sei, treffe entgegen der Auffassung der Beklagten nicht zu. Es bestehe kein innerer Zusammenhang zwischen Säge- und Wasserrecht, sondern dieses könne unabhängig von jenem ausgeübt werden. Zudem sei der Murgbach durch Art. 1 des St. Galler Gesetzes von 1894 über die Benützung der Gewässer zum öffentlichen Gewässer erklärt worden, das unter der Hoheit des Staates stehe. Das Wasserrecht belaste also nicht mehr die Ortsgemeinde, sondern den Staat. Endlich habe der Regierungsrat des Kantons St. Gallen der Klägerin am 24. Dezember 1937 gestattet, die Wasserkraft des ehehaften Wasserrechtes statt für den Betrieb der Sägerei für die Gewinnung elektrischer Energie zu verwenden und den so gewonnenen Strom zum Verbrauch in die Spinnerei zu leiten.
C.-
Die Beklagte beharrte auf ihrem Standpunkt, beantragte die Abweisung der Klage und stellte die Widerklagebergehren:
"a) die Klägerin und Widerbeklagte zu verpflichten, der Beklagten und Widerklägerin den durch Expertise festzustellenden, max. Fr. 2000.-- betragenden Schaden zu ersetzen, der ihr und den Bürgern von Murg durch die Einstellung des Sägereibetriebes bis heute entstanden ist und bis 31. August 1963 noch entsteht,
b) gerichtlich festzustellen, dass die Klägerin und Widerbeklagte nach wie vor verpflichtet sei, ihr und den Bürgern (Genossen) von Murg zu den im Vergleich von 1823 vereinbarten Preisen Holz zu sagen,
c) die Beklagte und Widerklägerin für sich und die Genossen von Murg zu ermächtigen, die der Klägerin und Widerbeklagten gemäss Vergleich von 1823 obliegenden Verpflichtungen auf deren Kosten vornehmen zu lassen."
D.-
Mit Beschluss vom 5. April 1965 ordnete das Kantonsgericht eine Expertise zur Festsetzung der Höhe des Ablösungsbetrages an. Auf die Berufung der Beklagten gegen diesen
BGE 93 II 71 S. 74
Beschluss trat das Bundesgericht am 9. Februar 1966 nicht ein, womit auch die Anschlussberufung der Klägerin dahinfiel.
In der Folge einigten sich die Parteien für den Fall der Ablösbarkeit des Sägerechtes auf einen Ablösungsbetrag von Fr. 22 500.--, so dass die angeordnete Begutachtung unterbleiben konnte.
Am 22. November 1966 erkannte das Kantonsgericht:
"1. Es wird festgestellt, dass das im Grundbuch der Gemeinde Quarten zu Lasten der Liegenschaft Parzelle No. 215 als Grundlast eingetragene Sägerecht von der Klägerin auf den 31. August 1963 rechtsgültig gekündigt worden und demnach untergegangen ist.
2. Das in Ziff. 1 erwähnte Sägerecht ist im Grundbuch der Gemeinde Quarten zu löschen.
3. Ziff. 3 des Klagebegehrens wird abgewiesen.
4. Die Klägerin hat der Beklagten für die Aufhebung des Sägerechtes einen Ablösungsbetrag von Fr. 22 500.-- zu bezahlen.
5. Die Widerklage wird abgewiesen."
Die Klägerin wurde mit einem Drittel, die Beklagte mit zwei Dritteln der Gerichts- und Parteikosten belastet.
E.-
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte die Berufung an das Bundesgericht erklärt mit dem Antrag auf Abweisung der Klage und Gutheissung der (in der Berufungsschrift wiederholten) Widerklagebegehren b und c.
Die Klägerin beantragt die Abweisung der Berufung.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Die Parteien sind darüber einig, dass die durch das streitige Sägerecht begründete Pflicht, für die Beklagte zu einem Vorzugspreis Holz zu sägen, als Grundlast auf der Sägereiliegenschaft der Klägerin ruht und als solche schon beim Inkrafttreten des ZGB bestanden hat.
Dingliche Rechte, die beim Inkrafttreten des ZGB bereits bestanden, stehen gemäss Art. 17 Abs. 2 SchlT/ZGB in bezug auf ihren Inhalt nach dem Inkrafttreten des ZGB, soweit dieses eine Ausnahme nicht vorsieht, unter dem neuen Recht. Zur Frage, welchen Inhalt ein Rechtsverhältnis habe, d.h. welche Befugnisse und Pflichten es begründe, gehört auch die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Beteiligter seine Auflösung verlangen könne (MUTZNER N. 29 zu Art. 3 SchlT). Für die Ablösung einer unter dem alten Rechte begründeten Grundlast durch den Schuldner gilt also
Art. 788
BGE 93 II 71 S. 75
ZGB
, insbesondere Abs. 1 Ziff. 2 in Verbindung mit Abs. 2 und 3 betreffend die Ablösung nach dreissigjährigem Bestande, es sei denn, dass eine der in Art. 17 Abs. 2 SchlT vorbehaltenen Ausnahmestimmungen eingreife.
Art. 17 Abs. 3 SchlT, wonach dingliche Rechte, die nach dem neuen Rechte nicht mehr errichtet werden könnten, unter dem bisherigen Rechte bleiben, ist im vorliegenden Falle nicht anwendbar; denn die streitige Grundlast hat eine Leistung zum Inhalt, die sich im Sinne von
Art. 782 Abs. 3 ZGB
aus der wirtschaftlichen Natur des belasteten Grundstücks ergibt, so dass sie auch unter der Herrschaft des ZGB hätte errichtet werden können.
Der Anwendung der Bestimmungen des neuen Rechts über die Ablösung der Grundlasten nach dreissigjährigem Bestande steht auch Art. 18 Abs. 3 SchlT nicht im Wege. Nach dieser Vorschrift bleibt der vor dem Inkrafttreten des ZGB durch Rechtsgeschäft festgesetzte Inhalt eines dinglichen Verhältnisses auch unter dem neuen Recht anerkannt, soweit er nicht mit diesem unverträglich ist. Nach dem angefochtenen Urteil, das in diesem Punkte auf der Anwendung des alten kantonalen Rechts beruht, wurde seinerzeit die Unkündbarkeit des streitigen Sägerechts vereinbart. Diese Abrede ist jedoch im Sinne von Art. 18 Abs. 3 SchlT mit dem neuen Recht unverträglich, da
Art. 788 Abs. 1 Ziff. 2 ZGB
(unter Vorbehalt von Abs. 3) zwingend bestimmt, der Schuldner könne die Ablösung nach dreissigjährigem Bestande der Grundlast auch dann verlangen, wenn eine längere Dauer oder die Unablösbarkeit vereinbart wurde.
Ebensowenig wie Art. 17 Abs. 3 oder Art. 18 Abs. 3 SchlT greift im vorliegenden Fall eine andere Ausnahmebestimmung ein, die der Anwendung des neuen Rechts entgegenstände. Dieses ist daher nach Art. 17 Abs. 2 SchlT massgebend (vgl.
BGE 45 II 394
und das von der Vorinstanz angeführte Urteil des Bundesgerichtes vom 21. Februar 1963 i.S. Papierfabriken Landquart AG gegen Gemeinde Igis; MUTZNER N. 43 zu Art. 17 SchlT).
Die Bestimmungen des
Art. 788 ZGB
über die Ablösung nach dreissigjährigem Bestande wären im übrigen auf das streitige Sägerecht selbst dann anzuwenden, wenn sich das nicht schon aus Art. 17 Abs. 2 SchlT ergäbe. Diese Bestimmungen wurden erlassen, um dauernde, feudalähnliche Belastungen
BGE 93 II 71 S. 76
von Grund und Boden mit Leistungspflichten zu verhindern (vgl. namentlich HUBER in Sten.Bull. 1906 S. 588; TUOR, Das Schweiz. ZGB, 7. Aufl. S. 575). Sie wurden also um der öffentlichen Ordnung willen aufgestellt und sind daher auf altrechtliche, nach dem alten Recht nicht oder erst nach längerer Frist ablösbare Grundlasten wenn nicht schon kraft Art. 17 Abs. 2, so auf jeden Fall kraft Art. 2 SchlT anwendbar (LEEMANN N. 18/19; vgl. auch WIELAND N. 2 b zu
Art. 788 ZGB
).
2.
Die streitige Grundlast besteht seit mehr als dreissig Jahren. Die Klägerin hat sie am 27. August 1962 auf Jahresfrist gekündigt. Die in
Art. 788 Abs. 1 Ziff. 2 und Abs. 2 ZGB
genannten Voraussetzungen der Ablösung sind also erfüllt. Zu prüfen bleibt nur, ob sich die Beklagte auf
Art. 788 Abs. 3 ZGB
berufen kann, wonach "diese Ablösung" (d.h. die Ablösung nach dreissigjährigem Bestande) ausgeschlossen ist, wenn die Grundlast mit einer unablösbaren Grunddienstbarkeit verbunden ist.
Das ehehafte Wasserrecht, das zugunsten der Liegenschaft der Klägerin am Murgbach besteht, stellt eine Dienstbarkeit dar (
BGE 88 II 503
mit Hinweisen) und ist unablösbar. Bei Beurteilung der Frage, ob die streitige Grundlast im Sinne von
Art. 788 Abs. 3 ZGB
mit dieser unablösbaren Dienstbarkeit verbunden sei, sind das St. Galler Gesetz von 1894 über die Benützung der Gewässer und der Regierungsratsbeschluss vom 24. Dezember 1937, welcher der Klägerin die Verwendung der Wasserkraft des Murgbachs zur Erzeugung elektrischer Energie für ihre Spinnerei gestattet, zunächst ausser Betracht zu lassen. Die Klägerin will aus diesen Erlassen ableiten, dass die von der Beklagten behauptete Verbindung zwischen Grundlast und Dienstbarkeit, falls sie bestanden haben sollte, dahingefallen sei. Diese Frage stellt sich nicht, wenn eine Verbindung im Sinne von
Art. 788 Abs. 3 ZGB
schon vor diesen Erlassen fehlte.
3.
Dass eine Grundlast mit einer Grunddienstbarkeit verbunden sei, kann nur angenommen werden, wenn zwischen diesen beiden Rechtsverhältnissen ein innerer Zusammenhang besteht. Ein solcher Zusammenhang kann an sich sowohl dann bestehen, wenn die Grundlast und die Grunddienstbarkeit das gleiche Grundstück belasten, als auch dann, wenn die Grundlast auf dem Grundstück ruht, zu dessen Gunsten die Dienstbarkeit besteht. (Man denke z.B. an eine Grundlast, die den Eigentümer
BGE 93 II 71 S. 77
eines wegberechtigten Grundstücks über
Art. 741 ZGB
hinaus zum vollen Unterhalt eines auch den Interessen des Belasteten dienenden Weges auf dessen Grundstück verpflichtet.) Der Wortlaut von
Art. 788 Abs. 3 ZGB
schliesst die Anwendung dieser Bestimmung auf Fälle der zweiten Art nicht schlechthin aus. Schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch liegt indes die Auffassung näher, dass
Art. 788 Abs. 3 ZGB
nur gilt, wenn Grundlast und Grunddienstbarkeit auf dem gleichen Grundstück ruhen. Das kennzeichnende Element dieser beiden Rechtsverhältnisse, auf das ihre Namen hinweisen, ist die dadurch bewirkte Belastung eines Grundstücks. Der nächstliegende Sinn des Erfordernisses einer Verbindung von Grundlast und Grunddienstbarkeit ist also der, dass die beiden Belastungen miteinander verbunden sein und mithin auf dem gleichen Grundstück liegen müssen.
Dass
Art. 788 Abs. 3 ZGB
so zu verstehen ist, wird durch die Entstehungsgeschichte dieser Bestimmung und durch sachliche Erwägungen bestätigt.
a) Der Vorentwurf des Eidg. Justiz- und Polizeidepartements vom 15. November 1900 liess in Art. 782 die Ablösung einer Grundlast nach dreissigjährigem Bestande unter Vorbehalt des öffentlichen Rechts ohne Ausnahme zu. In den Erläuterungen wurde dazu ausgeführt, die Bodenbelastung dürfe "in dem Sinne keine ewige werden, dass der Eigentümer, auch wenn er sich die Ablösung nicht ausbedungen hat, doch die Last nach gewisser Zeit einseitig soll aufheben dürfen"; die Freiheit des Bodens verlange eine. zeitliche Einschränkung der Belastungsdauer (Erl. 1. Ausg., 3. Heft, S. 155; 2. Ausg., II. Band, S. 164/65).
In der Expertenkommission erklärte HUBER bei Behandlung von Art. 782 des Vorentwurfs, "der Artikel betreffe nur diejenigen Fälle, wo der betreffenden Realberechtigung nicht eine Verpflichtung gegenüberstehe; sei sie ein Nebenrecht zur Servitutsverpflichtung, so könne sie nicht allein zur Ablösung kommen" (Prot. Exp. Komm., Originalausgabe, IV. Bd., S. 165; Ausgabe Kümmerly & Frey, IV. Bd., S. 204). Auf Antrag von HUBER, BROSI und ISLER wurde dann dem Art. 782 der folgende Absatz beigefügt: "Ausgeschlossen ist diese Ablösung, wo die Grundlast mit einer Grunddienstbarkeit verbunden ist." Auf die Frage von MENTHA, ob in einem solchen Falle die Grundlast als solche eingetragen werde oder ob sie in der
BGE 93 II 71 S. 78
Eintragung der Dienstbarkeit inbegriffen sei, antwortete HUBER, "es sei möglich, dass die Grundlast gesondert eingetragen werde trotz des Zusammenhanges mit der Dienstbarkeit, wenn es den Parteien so beliebe" (Prot. Originalausgabe IV S. 362, Ausgabe Kümmerly & Frey IV S. 435). Die Redaktionskommission fügte vor "Grunddienstbarkeit" noch das Wort "unablösbaren" ein. In dieser Fassung, von welcher der heutige
Art. 788 Abs. 3 ZGB
nur in einem unwesentlichen Punkte ("wenn" statt "wo") abweicht, ging die erwähnte Bestimmung als Art. 782 Abs. 3 in den Vorentwurf des Eidg. Justiz- und Polizeidepartementes von 1903 und als Art. 778 Abs. 3 in den Entwurf des Bundesrates vom 28. Mai 1904 ein. HUBER führte dazu im Nationalrat aus (Sten. Bull. 1906 S. 589):
"Nach Ablauf von 30 Jahren soll also jede Grundlast abgelöst werden können... Nur in einem Falle muss eine längere Dauer zu Lasten des Schuldners zugestanden werden, wenn sie sich verbindet mit einer unablösbaren Grunddienstbarkeit, wenn z.B. die Zudienung darin besteht, dass ohne Ablösbarkeit auf dem dienenden Grundstück Weg- und Brückenunterhalt geleistet werden muss. Wenn da die Grundlast abgelöst werden könnte, während das Recht weiterbesteht, so würde der Berechtigte in schweren Nachteil kommen."
Aus dieser Entstehungsgeschichte ergibt sich, dass der Gesetzgeber nur den Fall im Auge hatte, wo der durch eine Dienstbarkeit mit einer Duldungspflicht belastete Grundeigentümer gleichzeitig durch eine Grundlast zu einer positiven Leistung verpflichtet ist, die nötig ist, damit der Berechtigte die Dienstbarkeit auf die Dauer ausüben kann. Mag die erste Äusserung HUBERS in der Expertenkommission, wo er von einem Nebenrecht (statt von einer Nebenpflicht) zur Servitutsverpflichtung sprach, nicht ganz eindeutig sein, so lassen doch seine weitern Äusserungen keinen Zweifel darüber bestehen, dass er nur an den Fall einer Grundlast dachte, die auf dem mit der Dienstbarkeit belasteten Grundstück ruht und dessen Eigentümer zu einem Tun im Interesse des Dienstbarkeitsberechtigten verpflichtet.
HUBER hat denn auch später in einem Gutachten für die Finanzdirektion der Stadt Bern ausgeführt,
Art. 788 Abs. 3 ZGB
gelte nur, "wo der belastete Grundeigentümer zugleich zu gewissen Leistungen verpflichtet werden soll, wo also die Grundlast denselben Verpflichteten aufweist wie die Grunddienstbarkeit..." (zitiert nach B. MAYR VON BALDEGG, Die
BGE 93 II 71 S. 79
Gegenleistung beim Baurecht, Berner Diss. 1938, S. 87). Die ersten wissenschaftlichen Bearbeiter des ZGB, von denen die meisten bei der Ausarbeitung des Gesetzes mitgewirkt hatten, teilen diese Auffassung, soweit sie sich über die Frage deutlich äussern (ROSSEL ET MENTHA, Manuel du droit civil suisse, 1. Aufl. II S. 176/77, 2. Aufl. III No. 1445 S. 79; LEEMANN N. 13 zu Art. 788 in Verbindung mit N. 41 und 22/23 zu
Art. 782 ZGB
; nicht eindeutig WIELAND N. 4 zu Art. 788 in Verbindung mit N. 3 zu Art. 730, N. 2 zu Art. 741 und N. 5a zu
Art. 782 ZGB
).
c) Wie bereits dargelegt, ist
Art. 788 Abs. 1 Ziff. 2 ZGB
, der die Ablösung von Grundlasten durch den Schuldner nach dreissigjähriger Dauer zulässt, um der öffentlichen Ordnung willen erlassen worden (so auch LIVER N. 222 zu
Art. 730 ZGB
). Vor allem auch deshalb darf
Art. 788 Abs. 3 ZGB
, der eine Ausnahme von dem in Abs. 1 Ziff. 2 niedergelegten Grundsatze vorsieht, nicht ausdehnend ausgelegt werden. Vielmehr ist die Anwendung dieser Ausnahmebestimmung auf die Fälle zu beschränken, wo die Grundlast eine Leistung zum Inhalt hat, die nötig ist, um die Ausübung einer unablösbaren Grunddienstbarkeit zu ermöglichen. Nur wenn die Grundlast einem solchen Zwecke dient, lässt es sich sachlich rechtfertigen, die im öffentlichen Interesse vorgesehene Ablösbarkeit der Grundlast nach dreissigjährigem Bestande auszuschliessen und die Grundlast wie die Dienstbarkeit ohne Möglichkeit der Ablösung für unbegrenzte Zeit bestehen zu lassen. Ein Zusammenhang der erwähnten Art kann aber zwischen der Grundlast und der Grunddienstbarkeit nur bestehen, wenn jene auf dem gleichen Grundstück ruht wie diese. Von einer durch Grundlast begründeten Leistungspflicht des Dienstbarkeitsberechtigten (zumal von einer solchen der vorliegenden Art) lässt sich nicht sagen, sie bestehe im angegebenen Sinne im Interesse der Ausübung der Dienstbarkeit, also des Dienstbarkeitsberechtigten, und dieser müsse sich deshalb das Bestehen der Grundlast während der vollen Dauer der Dienstbarkeit gefallen lassen.
c) Dieser Auslegung des
Art. 788 Abs. 3 ZGB
lässt sich nicht entgegenhalten, der Erlass einer Bestimmung von so beschränkter Tragweite wäre angesichts des
Art. 730 Abs. 2 ZGB
überflüssig gewesen. Nach dieser Vorschrift kann eine Verpflichtung zur Vornahme von Handlungen mit einer Grunddienstbarkeit nur nebensächlich verbunden sein. Diese Bestimmung
BGE 93 II 71 S. 80
erlaubt also bloss, den jeweiligen Eigentümer des mit der Dienstbarkeit belasteten Grundstücks zu Leistungen nebensächlicher, akzessorischer Art zu verpflichten (LIVER N. 203 ff. zu
Art. 730 ZGB
). Zudem haftet der Eigentümer des belasteten Grundstücks für die Erfüllung einer nach
Art. 730 Abs. 2 ZGB
mit einer Grunddienstbarkeit verbundenen Leistungspflicht nur persönlich, nicht mit dem Grundstück (LIVER N. 227 zu Art. 730, mit Hinweisen). Wenn mit einer Grunddienstbarkeit eine nicht bloss nebensächliche Leistungspflicht verbunden werden soll oder wenn gewünscht wird, dass der Eigentümer des belasteten Grundstücks für die Erfüllung seiner Leistungspflicht mit dem Grundstück hafte, muss also eine Grundlast errichtet werden.
Art. 788 Abs. 3 ZGB
ist erlassen worden, um zu verhindern, dass solche Grundlasten vor dem Erlöschen der Dienstbarkeiten, deren Ausübung sie sichern, durch den Schuldner abgelöst werden können. Er schliesst eine solche Ablösung wenigstens dann aus, wenn die den Inhalt der Grundlast bildende Leistungspflicht des Dienstbarkeitsverpflichteten im Verhältnis zu dessen Duldungspflicht nicht geradezu die Hauptsache ist (LIVER N. 222 zu
Art. 730 ZGB
). Der Umstand, dass derartige Verbindungen zwischen einer Grundlast und einer Dienstbarkeit selten sein mögen, vermag eine ausdehnende Auslegung des
Art. 788 Abs. 3 ZGB
nicht zu rechtfertigen.
d) In
BGE 52 II 44
hat das Bundesgericht freilich ausgeführt, eine den Bauberechtigten zur Zahlung des Baurechtszinses verpflichtende Grundlast (deren Errichtung zulasten des als Grundstück ins Grundbuch aufgenommenen Baurechtes es als zulässig erachtete) könne gemäss
Art. 788 Abs. 3 ZGB
nicht abgelöst werden, "weil auch auf diese Gegenleistung für die Einräumung der Servitut zutrifft, dass sie mit einer unablösbaren Grunddienstbarkeit verbunden ist, nicht weniger als auf ein 'Nebenrecht zur Servitutsverpflichtung', dessen besonderer Berücksichtigung die genannte Vorschrift ihre Entstehung verdankt (vgl. Protokoll der Expertenkommission 3 [richtig 4] S. 165)." Dabei handelte es sich jedoch nur um eine beiläufige Bemerkung. Im damals beurteilten Falle war der Anspruch des Grundeigentümers auf den Baurechtszins weder durch eine derartige Grundlast noch durch ein Grundpfand gesichert worden. Vielmehr bestimmte der Baurechtsvertrag, die Pflicht zur Zahlung des Baurechtszinses ("Rentenverpflichtung")
BGE 93 II 71 S. 81
werde "inhaltlich mit dem Baurecht zu einem einzigen dinglichen Verhältnis verbunden"; bei Säumnis des Rentenschuldners sei der Rentengläubiger berechtigt, Befriedigung aus dem Erlös des Baurechtes oder dessen Übertragung an ihn zu verlangen. Das Bundesgericht erklärte eine solche Ausgestaltung des Baurechts als unzulässig und machte die wiedergegebene Bemerkung lediglich im Zusammenhang mit Ausführungen darüber, dass sich die Pflicht zur Zahlung des Baurechtszinses gleichwohl in einer die hypothekarische Belehnung des Baurechts nicht ausschliessenden Weise dinglich sichern lasse. Die in
BGE 52 II 44
vertretene Auslegung des
Art. 788 Abs. 3 ZGB
ist also durch das Bestreben beeinflusst, der Praxis ein Mittel zur dinglichen Sicherung des Anspruchs auf den Baurechtszins zu bieten. Dieses Bestreben darf bei Beurteilung der Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Grundlast im Sinne von
Art. 788 Abs. 3 ZGB
als mit einer Grunddienstbarkeit verbunden gelten kann, auf jeden Fall heute schon deshalb nicht mehr mitspielen, weil die am 1. Juli 1965 in Kraft getretenen
Art. 779 i und k ZGB
die Sicherung des Baurechtszinses in anderer Weise (durch Gewährung eines Anspruchs auf Errichtung eines Pfandrechts) regeln. Im übrigen wurde in
BGE 52 II 27
ff. verkannt, dass die Leistung eines Baurechtszinses nach
Art. 782 Abs. 3 ZGB
überhaupt nicht Inhalt einer Grundlast sein kann, weil diese Leistung sich weder aus der wirtschaftlichen Natur des belasteten Grundstücks (des Baurechtes) ergibt noch für die wirtschaftlichen Bedürfnisse des berechtigten Grundstücks bestimmt ist (so auch LIVER in ZBJV 1958 S. 383). Die Frage, ob eine zur Sicherung des Baurechtszinses errichtete Grundlast gemäss
Art. 788 ZGB
ablösbar sei oder nicht, kann sich also in Wirklichkeit gar nicht stellen. Um so weniger lässt sich an der in
BGE 52 II 44
vertretenen Auffassung über die Tragweite von
Art. 788 Abs. 3 ZGB
festhalten. Vielmehr ist die Anwendung dieser Bestimmung aus den im vorliegenden Entscheide angeführten Gründen abzulehnen, wenn die Grundlast nicht eine für die Ausübung der Dienstbarkeit nötige Leistung des Dienstbarkeitsverpflichteten, sondern eine Leistung des Dienstbarkeitsberechtigten zum Inhalt hat, gleichgültig, ob es sich dabei um dessen Gegenleistung für die Einräumung der Dienstbarkeit oder um eine sonstige Leistung handle.
Die streitige Grundlast, welche die dienstbarkeitsberechtigte
BGE 93 II 71 S. 82
Klägerin zu einer Leistung verpflichtet, fällt also nicht unter
Art. 788 Abs. 3 ZGB
, sondern die Klägerin war berechtigt, auf Grund von
Art. 788 Abs. 1 Ziff. 2 ZGB
ihre Ablösung zu verlangen. Die Berufung der Beklagten ist also unbegründet.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Kantonsgerichtes St. Gallen, I. Zivilkammer, vom 22. November 1966 bestätigt. | public_law | nan | de | 1,967 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
c2cdc547-6f5b-47d2-a994-b25510ca2273 | Urteilskopf
121 V 362
53. Arrêt du 28 juin 1995 dans la cause Office fédéral de l'industrie, des arts et métiers et du travail contre Commune de La Chaux-de-Fonds et Tribunal administratif du canton de Neuchâtel | Regeste
Art. 31 Abs. 1 lit. b und d,
Art. 32 Abs. 1 lit. a AVIG
: Stellung des Personals öffentlicher Dienste im System der Kurzarbeitsentschädigung.
In Anbetracht der vielfältigen Aufgaben der öffentlichen Hand, kann im konkreten Einzelfall nicht zum vornherein ausgeschlossen werden, dass das Personal öffentlicher Dienste die Anspruchsvoraussetzungen auf Kurzarbeitsentschädigung erfüllt.
Im Hinblick auf den Zweck der Entschädigung, der darin besteht, das wirtschaftliche Risiko auszugleichen, welches dem von Kurzarbeit betroffenen Personal durch Arbeitsplatzverlust zufolge der dem Betrieb eigenen Risiken (Konkurs, Schliessung des Betriebes) droht, ist entscheidend zu wissen, ob durch die Zusprechung der Entschädigung kurzfristig eine Entlassung oder eine Nichtwiederwahl verhindert werden kann. | Sachverhalt
ab Seite 362
BGE 121 V 362 S. 362
A.-
Le 7 avril 1992, les Services industriels de la Ville de La Chaux-de-Fonds ont déposé un préavis de réduction de l'horaire de travail pour leur secteur "Atelier eau & gaz - Installations sanitaires". Ils indiquaient sous ch. 3 que treize travailleurs - soit douze hommes et une femme -
BGE 121 V 362 S. 363
étaient touchés par la réduction de l'horaire de travail, et sous ch. 6 que celle-ci était motivée par la récession économique dans la construction, transformation des bâtiments, produisant les listes des chantiers de 1989 à 1992. Sous la rubrique no 7 du préavis, à la question "Parmi les travailleurs mentionnés sous chiffre 3, y en a-t-il dont le rapport de travail a été résilié?", ils ont répondu "non pour l'instant. Seules 2 personnes non nommées pourraient être licenciées si la situation reste identique".
Par décision du 28 avril 1992, l'Office cantonal neuchâtelois du travail n'a pas fait opposition au paiement de l'indemnité en cas de réduction de l'horaire de travail pour la période du 1er mai au 31 juillet 1992.
B.-
L'Office fédéral de l'industrie, des arts et métiers et du travail (OFIAMT) a recouru contre cette décision devant le département de l'Economie publique de la République et canton de Neuchâtel, en concluant à l'annulation de celle-ci. Il alléguait pour l'essentiel que le champ d'application de l'indemnité en cas de réduction de l'horaire de travail s'étendait uniquement aux travailleurs d'entreprises du secteur privé, celles-ci devant faire face aux risques économiques et en supporter intégralement les conséquences, notamment en ce qui concerne leur existence, par opposition aux services publics, dont les pertes éventuelles sont couvertes par les fonds publics, et qui ne sont donc pas soumis aux mêmes risques. Relevant que les déficits éventuels des Services industriels de la Ville de La Chaux-de-Fonds étaient à la charge de la commune et que les travailleurs des Services industriels étaient soumis au règlement général pour le personnel de l'administration communale, il en concluait que les travailleurs des services publics ne pouvaient être mis au bénéfice de l'indemnité en cas de réduction de l'horaire de travail.
Par décision du 24 juillet 1992, le département de l'Economie publique a rejeté le recours. En bref, il s'est fondé sur l'arrêt du Tribunal fédéral des assurances du 3 septembre 1985 dans la cause Commune d'Hérémence contre Office cantonal valaisan du travail, paru aux
ATF 111 V 266
, selon lequel il faut entendre par "travailleurs" non seulement les personnes physiques qui sont liées à un employeur par un contrat de travail au sens des
art. 319 ss CO
mais également le personnel des services publics. Il a considéré qu'il fallait tenir compte de cette jurisprudence, bien qu'elle ait trait à un problème d'indemnités en cas d'intempéries; qu'en effet, de nombreuses similitudes existaient entre les réglementations du droit à l'indemnité en cas de réduction de l'horaire de travail et du droit à l'indemnité en cas
BGE 121 V 362 S. 364
d'intempéries; qu'il n'était dès lors pas contraire à l'esprit de la LACI d'englober dans le cercle des bénéficiaires de l'indemnité en cas de réduction de l'horaire de travail les travailleurs d'entreprises du secteur public.
C.-
L'OFIAMT a formé recours contre cette décision devant le Tribunal administratif de la République et canton de Neuchâtel, en concluant à l'annulation de celle-ci. Il invitait la juridiction cantonale à dire que les employés des Services industriels de la Ville de La Chaux-de-Fonds ne pouvaient être mis au bénéfice de l'indemnité en cas de réduction de l'horaire de travail. Reprenant son argumentation précédente, il alléguait en substance que le fait qu'un service public offrait des prestations pour lesquelles il entrait en concurrence avec des entreprises du secteur privé ne l'assimilait pas pour autant à une entreprise encourant un risque d'exploitation, pour la raison déjà que le compte général financé par le biais des impôts permet de couvrir le déficit de l'entreprise du secteur public. En outre, déclarait-il, il est possible de licencier des agents de la fonction publique en supprimant leur fonction, mais ce risque de suppression de la fonction ne saurait être couvert par l'indemnité en cas de réduction de l'horaire de travail, dont le but est de maintenir des emplois sans pour autant remédier à un manque temporaire de travail, auquel le service public doit pallier par le biais de mutations internes. Réfutant le raisonnement tenu par le département neuchâtelois de l'Economie publique, il faisait valoir que les conditions du droit à l'indemnité en cas de réduction de l'horaire de travail ne sont pas les mêmes que celles du droit à l'indemnité en cas d'intempéries.
Par jugement du 29 octobre 1992, le tribunal administratif a rejeté le recours. Il a considéré, en bref, que l'atelier des installations sanitaires des Services industriels de la Ville de La Chaux-de-Fonds exécutait les ouvrages de son cahier des charges sur un pied de libre concurrence avec les installateurs privés; que son activité commerciale était soumise, au même titre que toute entreprise privée, aux lois du marché et à ses impératifs de rentabilité, le Conseil communal et le Conseil général ayant toujours souligné que les comptes des Services industriels étaient soumis à l'obligation de ne pas enregistrer de pertes dans les activités commerciales et qu'ils devaient être équilibrés; que c'était du reste en raison du déficit enregistré en 1991 que le magasin de vente des Services industriels avait été fermé; que le sort identique qui pourrait menacer l'atelier des installations sanitaires, si son avenir économique n'était pas assuré, serait de surcroît le seul à se concilier avec le règlement neuchâtelois sur les finances et la comptabilité des
BGE 121 V 362 S. 365
communes, du 18 mai 1992; que les employés de l'atelier des installations sanitaires des Services industriels de la Ville de La Chaux-de-Fonds encouraient donc des risques identiques - sinon peut-être d'une immédiateté moindre - quant au maintien de leur emploi, à ceux qu'encouraient les travailleurs d'une entreprise privée frappée par la récession économique; qu'il n'y avait dès lors pas de raison de les traiter différemment de ces derniers en ce qui concerne l'allocation de l'indemnité en cas de réduction de l'horaire de travail, une discrimination se justifiant d'autant moins que la finalité première de cette indemnité tend au maintien des emplois; que c'était donc à bon droit que les autorités inférieures avaient admis que les employés de l'atelier des installations sanitaires étaient exposés à un risque de licenciement et avaient droit à l'indemnité en cas de réduction de l'horaire de travail.
D.-
L'OFIAMT interjette recours de droit administratif contre ce jugement, en concluant à l'annulation de celui-ci. Il invite le Tribunal fédéral des assurances à dire que les employés des Services industriels de la Ville de La Chaux-de-Fonds ne peuvent être mis au bénéfice de l'indemnité en cas de réduction de l'horaire de travail.
La Commune de La Chaux-de-Fonds conclut au rejet du recours. Sur requête de la Cour de céans, elle a produit en cours de procédure le règlement général pour le personnel de l'administration communale, du 10 novembre 1986, et un tableau indiquant le statut du personnel de l'Atelier eau et gaz des Services industriels en date du 8 avril 1992.
E.-
Par lettre du 8 mai 1995, la Commune de La Chaux-de-Fonds a informé le Tribunal fédéral des assurances que la situation avait empiré et s'était même fortement dégradée en ce sens que les Services industriels avaient de plus en plus de peine à occuper le personnel dans les ateliers, du fait d'un net recul des entrées de commandes. Elle déclarait qu'elle avait été obligée de licencier trois personnes des ateliers, qui n'avaient pas le statut de fonctionnaires, pour le 31 juillet 1995.
F.-
Le 28 juin 1995, la Ière Chambre du Tribunal fédéral des assurances a tenu audience.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
a) La décision administrative litigieuse du 28 avril 1992, par laquelle l'Office cantonal neuchâtelois du travail n'a pas fait opposition au paiement de l'indemnité en cas de réduction de l'horaire de travail pour la
BGE 121 V 362 S. 366
période du 1er mai au 31 juillet 1992, détermine l'objet de la contestation.
L'objet du litige dans la procédure administrative subséquente est le rapport juridique qui - dans le cadre de l'objet de la contestation - constitue, d'après les conclusions du recours, l'objet de la décision effectivement attaqué. D'après cette définition, l'objet de la contestation et l'objet du litige sont identiques lorsque la décision administrative est attaquée dans son ensemble.
En l'espèce, le recourant nie en procédure fédérale toute perte de travail due à des facteurs d'ordre économique, motif pris que l'atelier des installations sanitaires des Services industriels de la Ville de La Chaux-de-Fonds n'encourt pas de risque d'exploitation avec risque de faillite ou de saisie. Quoique cette argumentation se fonde sur l'art. 32 al. 1 let. a en corrélation avec l'
art. 31 al. 1 let. b LACI
, on ne saurait en déduire que seule cette condition du droit à l'indemnité en cas de réduction de l'horaire de travail est litigieuse. Au contraire, le recourant entend bel et bien nier que le personnel de l'atelier des installations sanitaires des Services industriels de la Ville de La Chaux-de-Fonds remplisse les conditions du droit à l'indemnité au sens des
art. 31 ss LACI
.
b) Selon une jurisprudence constante, le juge des assurances sociales apprécie la légalité des décisions attaquées, en règle générale, d'après l'état de fait existant au moment où la décision litigieuse a été rendue (
ATF 116 V 248
consid. 1a et les arrêts cités). Les faits survenus postérieurement, et qui ont modifié cette situation, doivent normalement faire l'objet d'une nouvelle décision administrative (
ATF 117 V 293
consid. 4).
Or, les circonstances invoquées par l'intimée dans sa lettre du 8 mai 1995 sont postérieures à la période du 1er mai au 31 juillet 1992. Elles sortent donc de l'objet de la contestation et ne sont pas de nature à influencer l'appréciation au moment où la décision attaquée a été rendue (sur ce point,
ATF 99 V 102
et les arrêts cités).
c) Selon l'
art. 104 let. a OJ
, le recours de droit administratif peut être formé pour violation du droit fédéral, y compris l'excès et l'abus du pouvoir d'appréciation. En vertu de l'art. 104 let. b en liaison avec l'
art. 105 al. 2 OJ
, le recourant peut aussi faire valoir que l'autorité cantonale de recours a constaté les faits pertinents de manière manifestement inexacte ou incomplète ou qu'elle les a établis au mépris de règles essentielles de procédure.
Cependant, dans la procédure de recours portant sur l'octroi ou le refus de prestations d'assurance (y compris la restitution de celles-ci), le pouvoir
BGE 121 V 362 S. 367
d'examen du Tribunal fédéral des assurances est plus étendu. Le tribunal peut alors examiner l'opportunité de la décision attaquée; il n'est en outre pas lié par l'état de fait constaté par la juridiction inférieure. Par ailleurs, le tribunal peut s'écarter des conclusions des parties à l'avantage ou au détriment de celles-ci (
art. 132 OJ
;
ATF 118 V 277
ss consid. 1a,
ATF 117 V 306
consid. 1a et les références).
2.
La qualité de travailleur selon l'
art. 31 LACI
dépend uniquement du statut juridique de cotisant à l'AVS, et non pas du statut de l'employeur (communauté et établissement public d'une part, personne physique ou morale au sens du droit civil d'autre part). Ainsi en a décidé le Tribunal fédéral des assurances dans l'arrêt Commune de H. du 26 mai 1994, consid. 3a paru au DTA 1993/1994 no 18 p. 139 ss, où la qualité de travailleurs selon l'
art. 31 LACI
des contrôleurs des abattoirs de la commune était en cause. Il a tranché cette question dans le même sens que dans l'arrêt Commune d'Hérémence du 3 septembre 1985, publié aux
ATF 111 V 266
, relatif à la qualité de travailleur selon l'
art. 42 LACI
. En effet, selon cet arrêt, il faut entendre par "travailleurs" (au sens de l'
art. 42 LACI
) non seulement les personnes physiques qui sont liées à un employeur par un contrat de travail au sens des
art. 319 ss CO
, mais également le personnel des services publics (fonctionnaires ou employés).
3.
Les travailleurs dont la durée normale du travail est réduite ou l'activité suspendue ont droit à l'indemnité en cas de réduction de l'horaire de travail si, entre autres conditions, la perte de travail doit être prise en considération, si la réduction de l'horaire de travail est vraisemblablement temporaire, et si l'on peut admettre qu'elle permettra de maintenir les emplois en question (art. 31 al. 1 let. b et d LACI). La perte de travail n'est prise en considération que si elle est due à des facteurs d'ordre économique et qu'elle est inévitable (
art. 32 al. 1 let. a LACI
).
a) Dans l'arrêt susmentionné Commune de H. du 26 mai 1994, consid. 3b paru au DTA 1993/1994 no 18 p. 140 ss, le Tribunal fédéral des assurances, examinant les conditions précitées du droit à l'indemnité en cas de réduction de l'horaire de travail, a considéré ce qui suit (traduction):
L'indemnité en cas de réduction de l'horaire de travail est une mesure préventive au sens large: l'allocation de cette indemnité a pour but d'éviter le chômage complet des travailleurs - soit leurs congés ou leurs licenciements, d'une part, et, d'autre part, de maintenir simultanément les
BGE 121 V 362 S. 368
emplois dans l'intérêt des employeurs aussi bien que des travailleurs (GERHARDS, Kommentar zum Arbeitslosenversicherungsgesetz (AVIG), vol. I, no 48 ss relatifs aux remarques préliminaires concernant les
art. 31-41 LACI
, p. 389 ss; BRÜGGER, Die Kurzarbeitsentschädigung als arbeitslosenversicherungsrechtliche Präventivmassnahme, thèse Berne 1991, éd. Lang 1993, p. 54 ss). Or, en règle générale, les conditions précitées du droit à l'indemnité en cas de réduction de l'horaire de travail ne sauraient être remplies si l'employeur est une entreprise de droit public, faute pour celui-ci d'assumer un risque propre d'exploitation. Au contraire, les tâches qui lui incombent de par la loi doivent être exécutées indépendamment de la situation économique, et les impasses financières, les excédents de dépenses ou les déficits peuvent être couverts au moyen des deniers publics (recettes des impôts). Bien plus, il n'existe en général aucune menace de perdre son emploi là où les travailleurs ont la possibilité d'être déplacés dans d'autres secteurs, ainsi que cela est le cas dans les communautés ou établissements publics d'une certaine importance (
ATF 111 V 268
consid. 3). En revanche, compte tenu des formes multiples de l'action étatique, on ne saurait de prime abord exclure que, dans un cas concret, le personnel des services publics remplisse les conditions du droit à l'indemnité en cas de réduction de l'horaire de travail. Ce qui est déterminant en fin de compte, conformément à la finalité du régime de la prestation, c'est de savoir si, par l'allocation de l'indemnité en cas de réduction de l'horaire de travail, un licenciement - respectivement une non-réélection - peut être évité (GERHARDS, op.cit., no 17 relatif aux
art. 32-33 LACI
, p. 414/415).
b) Le point de savoir si, par l'allocation de l'indemnité en cas de réduction de l'horaire de travail, un licenciement - respectivement une non-réélection - peut être évité, a été laissé volontairement indécis dans l'arrêt précité Commune de H. du 26 mai 1994. Cette question appelle la précision suivante:
C'est à brève échéance que le versement de l'indemnité en cas de réduction de l'horaire de travail doit pouvoir éviter un licenciement. En effet, ces indemnités ont un caractère préventif. Il s'agit de mesures temporaires (
art. 31 al. 1 let
. d LACI).
Le statut du personnel touché par la réduction de l'horaire de travail est dès lors décisif pour l'allocation de l'indemnité. Ainsi, là où ce personnel est au bénéfice d'un statut de fonctionnaire ou d'un statut analogue limitant les possibilités de licenciement que connaît le contrat de travail, ce statut fait échec à court terme - éventuellement à moyen
BGE 121 V 362 S. 369
terme - à la suppression d'emploi. Dans ce cas, les conditions du droit à l'indemnité en cas de réduction de l'horaire de travail ne sont pas remplies.
L'exigence d'un risque économique à court ou moyen terme concerne aussi l'entreprise. En effet, à la différence de l'ancien régime, où les travailleurs touchés par une réduction de l'horaire de travail percevaient des indemnités parce qu'étant au chômage partiel, l'entreprise, depuis l'entrée en vigueur de la LACI, est au centre des conditions à remplir pour que la perte de travail résultant de la réduction de l'horaire de travail soit prise en considération (GERHARDS, op.cit., no 11 relatif à l'
art. 31 LACI
, p. 401). Cela ressort notamment de l'
art. 32 al. 1 let. a LACI
, selon lequel la perte de travail n'est prise en considération que si elle est due à des facteurs d'ordre économique et qu'elle est inévitable. A l'évidence, cette condition ne saurait être remplie si l'entreprise ne court aucun risque propre d'exploitation, à savoir un risque économique où l'existence même de l'entreprise est en jeu, p.ex. le risque de faillite ou le risque de fermeture de l'exploitation. Or, si l'entreprise privée risque l'exécution forcée, il n'en va pas de même du service public, dont l'existence n'est pas menacée par un exercice déficitaire (GERHARDS, Arbeitslosenversicherung: "Stempelferien", Zwischenverdienst und Kurzarbeitsentschädigung für öffentliche Betriebe und Verwaltungen - drei Streitfragen, in SZS 1994 p. 354).
4.
a) Selon l'art. 3 du règlement général du 10 novembre 1986 pour le personnel de l'administration communale de la Ville de La Chaux-de-Fonds, le personnel engagé au service de la commune est classé dans l'une des cinq catégories suivantes:
a) salariés durant le temps d'essai;
b) fonctionnaires nommés;
c) salariés avec un contrat de droit public;
d) salariés avec un contrat de droit privé;
e) surnuméraires.
En ce qui concerne les fonctionnaires nommés, l'
art. 13 let
. g du règlement général précité prescrit que l'engagement prend fin ensuite de suppression de fonction. L'art. 20 de ce règlement, relatif à la suppression de fonction (titre marginal), a la teneur suivante:
Lorsqu'un poste ou une fonction est supprimé, il peut être mis fin à l'engagement du titulaire par l'autorité qui l'a nommé, moyennant un avertissement écrit donné 6 mois à l'avance.
Dès la réception de l'avertissement, l'intéressé peut démissionner, en accord avec l'autorité, dans un délai plus court que celui prévu à l'art.
BGE 121 V 362 S. 370
16. Il renonce alors à toute prétention au traitement contre la Commune.
Indépendamment du droit au traitement, la personne concernée qui n'a pu conserver un emploi dans l'administration communale a droit à une indemnité à compter de la date pour laquelle la résiliation du contrat a été signifiée.
Cette indemnité correspond à un mois de traitement par période d'activité de deux ans pendant les 6 premières années de service. Pour chaque période d'activité de 5 ans supplémentaire, elle est d'un mois de traitement.
L'indemnité maximale est de 6 mois de traitement. Elle est atteinte après 21 ans de service révolus.
b) La Commune de La Chaux-de-Fonds exploite sous le nom de Services industriels une entreprise d'installations sanitaires, à côté d'entreprises privées (arrêt du Tribunal administratif de la République et canton de Neuchâtel, du 31 août 1983, publié in Recueil de jurisprudence neuchâteloise 1983 p. 127 consid. 2b). Cette entreprise d'installations sanitaires exerce une activité commerciale. Les Services industriels sont soumis à l'obligation, faite par le Conseil communal, de ne pas enregistrer de pertes dans leurs activités commerciales, ce qui a entraîné la fermeture de leur magasin de vente (rapport de la sous-commission des comptes 1991, séance du Conseil général de la Ville de La Chaux-de-Fonds du 22 avril 1992).
c) Dès mai 1992, les Services industriels de la Commune de La Chaux-de-Fonds ont introduit une réduction de l'horaire de travail dans leur secteur "Atelier eau & gaz - Installations sanitaires", motivée par la récession économique dans la construction, transformation des bâtiments. Selon le tableau indiquant le statut du personnel de l'Atelier eau & gaz en date du 8 avril 1992, la réduction de l'horaire de travail concernait dix fonctionnaires nommés, deux salariés durant le temps d'essai, et un demandeur d'asile.
Or, les treize personnes touchées par cette mesure ne couraient pas de risque économique. Au contraire, il n'était pas question que la Commune de La Chaux-de-Fonds les licencie à court ou moyen terme, ainsi que cela ressort du procès-verbal de la séance de la Commission des Services industriels du 1er avril 1992 (extrait produit par la Ville de La Chaux-de-Fonds). En outre, si elle avait décidé de s'en séparer, et non pas de les transférer dans d'autres secteurs de l'entreprise, elle n'aurait pu le faire que selon la procédure prévue dans le règlement général pour le personnel de l'administration communale, ce qui excluait qu'un licenciement
BGE 121 V 362 S. 371
intervienne à court terme (voir aussi BOIS, La cessation des rapports de service à l'initiative de l'employeur dans la fonction publique, in Recueil de jurisprudence neuchâteloise 1983 p. 16 ss; GERHARDS, Arbeitslosenversicherung: "Stempelferien", Zwischenverdienst und Kurzarbeitsentschädigung für öffentliche Betriebe und Verwaltungen - drei Streitfragen, in SZS 1994 p. 355 et 356).
En ce qui concerne l'activité commerciale de l'Atelier eau & gaz, il n'était pas question qu'elle cesse, cela bien que le magasin de vente des Services industriels ait été fermé à la suite du déficit enregistré en 1991. En effet, l'existence même de l'entreprise d'installations sanitaires - soit de l'ensemble des ateliers concernés - n'était pas en jeu, et il n'y avait donc pas de risque de fermeture de l'exploitation.
Les conditions du droit à l'indemnité en cas de réduction de l'horaire de travail n'étaient dès lors pas remplies.
5.
Cela étant, le recours est bien fondé, ce qui entraîne l'annulation du jugement entrepris, de la décision du Département de l'économie publique du canton de Neuchâtel, et de la décision litigieuse de l'Office cantonal neuchâtelois du travail. | null | nan | fr | 1,995 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
c2d08725-9def-4265-ac45-ab6830f7ccde | Urteilskopf
88 II 455
64. Arrêt de la Ire Cour civile du 13 novembre 1962 dans la cause Gulllod et Marzetti contre Bottelli et La Générale de Berne. | Regeste
Unfall infolge Oeffnens der Türe eines Motorfahrzeugs.
1. Begriff des Betriebs eines Motorfahrzeugs (Erw. 1).
2. Wer eine Türe gegen die Fahrbahn zu offen lässt, handelt grob schuldhaft. Mitverschulden des Opfers (übersetzte Geschwindigkeit) und seinem Fahrzeug innewohnende Betriebsgefahr. (Erw. 2).
3. Berechnung des Schadenersatzes (Erw. 3-5). | Sachverhalt
ab Seite 455
BGE 88 II 455 S. 455
A.-
Le 18 novembre 1959, vers 6 h. 45, alors qu'il faisait encore nuit, Ernest Guillod circulait - comme chaque matin - en direction de Lausanne, à 60 km. h.
BGE 88 II 455 S. 456
au moins, sur l'avenue Général Guisan au volant d'une motocyclette lourde et puissante dont les pneus étaient usés. La chaussée était large de 9 m. et bien éclairée, mais humide et recouverte par endroits d'une légère couche de verglas.
Léopold Bottelli, qui habite le no 10 de l'avenue, venait de sortir sa voiture marque Alfa Romeo Julietta Sprint du garage et de la ranger, prête à partir vers Lausanne, à 50 cm. du trottoir nord, devant un signal d'interdiction de stationner. Laissant le moteur tourner et les feux de position enclenchés, il la quitta un instant. La portière gauche - très large - resta entrouverte, dépassant la carrosserie - vers l'arrière - de 25 cm. environ. A cet endroit, le trottoir est étroit, sauf devant la propriété, et ne sert guère à l'usage des piétons.
Buttant contre la portière, qu'il n'avait pas vue, Guillod fut déporté sur la gauche et vint s'écraser sous le train routier de Pierre Louis arrivant en sens inverse, conduit par Simon Derbigny. Le camion roulait à 40 km/h. environ; ses freins n'agirent pas normalement sur le sol glissant.
Le 30 mai 1960, le Tribunal de police correctionnelle du district de Lausanne condamna Bottelli pour avoir laissé sa voiture en stationnement à 50 cm. du bord du trottoir.
Bottelli était assuré pour sa responsabilité civile auprès de La Générale de Berne, qui versa un acompte de 5000 fr. Cette compagnie se considère comme liée par une déclaration de mai 1938 selon laquelle, dans les rapports internes avec les assurés, l'emploi du véhicule doit être défini plus largement que ne le fait le Tribunal fédéral.
Guillod vivait à Grandvaux avec sa femme Klara-Josefina et ses beaux-parents Emile-Joseph Marzetti, né en 1882, et son épouse Klara, née en 1895. Il avait un fils, Michel-Patrice, né le 28 février 1957. Il logeait chez les Marzetti, dont seule l'épouse travaillait encore un peu au dehors.
BGE 88 II 455 S. 457
B.-
Le 18 novembre 1960, dame Guillod, son enfant et les époux Marzetti ont actionné solidairement Bottelli et son assureur (ce dernier à concurrence de la somme assurée) pour les contraindre à payer, sous déduction de l'acompte déjà versé, 2900 fr. aux héritiers de la victime et, respectivement pour la perte de soutien et le tort moral subis:
à sa veuve, 52 000 et 5000 fr.,
à son enfant, 16 500 et 4000 fr.,
à Emile-Joseph Marzetti, 3 000 et 750 fr.,
à Klara Marzetti, 5 000 et 750 fr.
Après avoir évoqué à garantie Pierre Louis, les défendeurs ont répondu qu'ils offraient de verser 15 000 fr. (acompte compris) et concluaient à libération. Pierre Louis a refusé de prendre à sa charge ce qu'ils pourraient être appelés à payer en sus du montant offert.
Le 30 mars 1962, la Cour civile du Tribunal cantonal vaudois a alloué
1) à la veuve, le 50% de sa perte de soutien (23 000 fr.), 2500 fr. en réparation du tort moral et la moitié du dommage matériel et des frais (1335 fr. 85),
2) à l'enfant, le 50% de sa perte de soutien (12 750 fr.).
Elle a en outre admis les conclusions libératoires de l'évoqué à garantie.
C.-
Les demandeurs saisissent le Tribunal fédéral, par la voie du recours en réforme; ils lui demandent de supprimer la réduction de moitié des prétentions de la veuve, d'allouer à l'enfant 16 500 fr. pour la perte de son soutien et 4000 fr. pour le tort moral subi, d'accorder enfin à Emile-Joseph Marzetti et à son épouse respectivement 1000 et 2000 fr.
Les défendeurs et intimés ont, par recours joint, conclu à libération des fins de la demande et, dans leur réponse, au rejet du recours principal.
Emile-Joseph Marzetti est décédé le 3 mai 1962.
BGE 88 II 455 S. 458
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
De par l'art. 37 al. 1 LA (applicable en l'espèce), la responsabilité civile du détenteur - et par conséquent de son assureur - découle de l'emploi d'un véhicule automobile. Un rapport de causalité adéquate doit exister entre cette utilisation et le dommage (RO 82 II 47).
L'emploi suppose la réalisation du danger spécial que crée la circulation des véhicules automobiles. L'accident, considéré dans son ensemble, doit avoir pour cause le risque provoqué par le fonctionnement de leurs organes proprement mécaniques (RO 81 II 557;
63 II 269
ss.;
64 II 240
;
72 II 220
consid. 2;
78 II 163
), notamment du moteur ou des phares (éblouissement: RO 63 II 342). Ainsi le véhicule à l'arrêt (déjà avant les manoeuvres conduisant à l'accident) et ne représentant comme obstacle que sa masse n'est pas en emploi. De même, le préjudice subi parce qu'un passager, en fermant la portière, écrase les doigts d'un compagnon n'a pas pour cause l'emploi de la voiture.
Vu ces principes, il est évident que l'accident survenu à Guillod n'est pas dû à l'emploi de la voiture de Bottelli. Il n'y a pas lieu de modifier ce point de vue en raison d'une convention interne des assureurs ou de l'entrée en vigueur de la nouvelle loi sur la circulation routière du 19 décembre 1958 et des opinions qui ont été émises lors de son élaboration. L'adjonction constituée par l'art. 58 al. 2 LCR milite du reste plutôt en faveur du maintien de l'interprétation actuelle (cf. contra: YUNG, La responsabilité civile d'après la loi sur la circulation routière, vol. 15 des mémoires publiés par la Faculté de droit de Genève, p. 9). Quant à la jurisprudence allemande, qui en diffère, elle n'apporte pas toute clarté (MÜLLER, Strassenverkehrsrecht, 21e éd., 1959 p. 135 ss., spéc. 135 al. 3, alinéa B ad § 1).
Il suit de là que l'assureur n'est pas responsable et que Bottelli répond de ses actes illicites (art. 41 ss. CO). On
BGE 88 II 455 S. 459
doit cependant donner acte aux demandeurs de l'offre des défendeurs.
2.
Le juge pouvant réduire les dommages-intérêts, ou même n'en point allouer, lorsque des faits dont le lésé répond ont contribué à créer le dommage (art. 44 al. 1 CO), il faut fixer et comparer les fautes respectives de Bottelli et de Guillod (le conducteur et le détenteur du camion n'en ayant commis aucune qui soit en rapport de causalité adéquate avec l'accident).
a) Le lésé a commis une imprudence. Avant le lever du jour, sur une route humide et verglacée par endroits, sa vitesse était exagérée, vu l'usure des pneus de son véhicule et le fait que ses feux de croisement, selon le jugement attaqué, ne lui assuraient une visibilité que sur trente mètres environ. Cette vitesse explique peut-être que la victime n'ait pas vu à temps la portière entrouverte ou qu'elle n'ait pu l'éviter. On ne saurait en tout cas admettre que Guillod n'avait pas à envisager un obstacle imprévisible et pouvait penser que la largeur de la voiture était exactement signalée par les feux (cf. RO 84 IV 106 et les citations). On énerverait ainsi les règles simples et si possible peu nombreuses qui doivent ordonner une circulation de plus en plus dense. Il n'est du reste pas si rare qu'un véhicule stationne au bord de la route sans respecter les règles de stationnement ou que, pour diverses raisons, quelque chose dépasse le gabarit normal.
Ainsi caractérisée, la faute de Guillod est cependant légère. Doit-on y ajouter le risque inhérent propre à sa motocyclette? D'ordinaire (sous l'angle de l'art. 39 LA), on compare des risques réciproques. En l'espèce toutefois, celui du camion de Louis ne paraît avoir joué aucun rôle: si Guillod avait heurté une voiture ou une motocyclette, un tel véhicule aurait aussi pu l'écraser et le tuer. Quant à la voiture de Bottelli, elle n'a pas réalisé un danger spécifique de la circulation, n'étant pas en emploi (die Betriebsgefahr des Motorfahrzeuges besteht bekanntlich darin, dass es durch die Möglichkeit rascher, selbständiger Fortbewegung
BGE 88 II 455 S. 460
seines beträchtlichen Eigengewichts mit Hilfe motorischer Kräfte eine Gefährdung sowohl der übrigen Strassenbenützer, wie auch seiner Insassen mit sich bringt: RO 85 II 519). L'eût-elle été que la comparaison des fautes fût vraisemblablement restée l'élément déterminant, vu la tendance à considérer comme égaux les risques d'une voiture et d'une puissante motocyclette (v. RO 82 II 539). Celle-ci, il est vrai, représente en soi un risque certain par sa masse, sa puissance, son instabilité et la faible protection de son conducteur. Ce risque a peut-être contribué à aggraver les conséquences de la collision. Or l'un des faits dont le lésé répond ("Umstände, für die er einstehen muss"; art. 44 al. 1 CO), c'est précisément le danger auquel son propre véhicule l'expose (RO 85 II 520; pour le cas de l'art. 37 al. 2 et 3 LA: VOYAME, De la détermination des risques inhérents aux véhicules automobiles, JdT 1959 I 78/9).
b) Ce qui fut toutefois décisif, en l'espèce, c'est la faute initiale, lourde et prépondérante de Bottelli. Si elle ne fut pas exclusive au point d'être la seule cause de l'accident et de ses suites, comme dans le cas Kuhn contre Gross (RO 85 II 521), elle rejette néanmoins au second plan le comportement de la victime et les risques inhérents à la motocyclette, et la réduction de moitié opérée par la juridiction cantonale sur les indemnités pour frais, perte de soutien et tort moral allouées apparaît nettement exagérée; le tribunal la fixe à 30% seulement.
Bottelli, en effet, connaissait parfaitement les lieux, sis devant son habitation, et la route de grand trafic qu'il empruntait chaque jour. Il connaissait, comme Guillod, les circonstances existant le matin de l'accident. Or il n'a pas hésité à enfreindre l'art. 49 al. 1 RA, arrêtant sa voiture à 50 cm. du bord de la route, au-delà de la tolérance usuelle de 10 à 20 cm. (RO 81 IV 179). Bien plus, il a arrêté sa voiture devant le disque même qui, près de sa maison, lui interdisait de le faire; il créa ainsi un obstacle là où, vu
BGE 88 II 455 S. 461
le signal réglementaire, les usagers ont coutume de n'en point attendre.
Bottelli, toutefois, a commis une faute bien plus impardonnable en laissant la portière gauche de sa voiture ouverte vers l'intérieur de la chaussée, dans le sens le plus dangereux pour les véhicules qui dépassent. La portière, dans la voiture de sport Julietta Sprint, est grande et s'ouvre très largement. Un rien peut en accentuer l'angle d'ouverture; l'obstacle représenté par la voiture en est alors considérablement agrandi, sans signalisation supplémentaire. Cette négligence fut la cause première de l'accident. Elle était d'autant plus grave que Bottelli, quittant sa voiture vide, ne pouvait plus intervenir à temps au besoin (il n'était en outre pas descendu du côté opposé à la circulation, comme le lui prescrivait l'art. 49 al. 1 in fine RA; mais cette faute ne paraît pas avoir joué de rôle en l'espèce; RO 79 IV 135 ss.).
3.
Vu ce qui précède, l'indemnité pour perte de soutien doit être fixée, respectivement pour la veuve et l'enfant, à 32 200 et 17 850 fr. (le 70% de 46 000 et 25 500 fr.); l'enfant ne réclamant que 16 500 fr., on ne saurait toutefois aller au-delà de sa demande. Les frais et le dommage matériel, fixés à 2671 fr. 70, subissant aussi une réduction de 30%, le tribunal alloue une indemnité de 1870 fr. 20.
La Cour cantonale admet implicitement, avec raison, qu'au tort moral subi par la veuve correspond une indemnité de 5000 fr. (cf. RO 60 II 325;
84 II 299
et 300). En revanche, vu la gravité de la faute de Bottelli comparée à celle - minime - de Guillod, une réduction de moitié ne se justifie pas (RO 63 II 346 consid. 4;
82 II 35
et les citations). La mort de la victime, en pleine force de l'âge, fut tragique pour sa veuve, désormais seule avec un petit enfant. Aussi un montant de 4000 fr. paraît-il mieux correspondre aux circonstances du cas.
4.
D'après le jugement attaqué, le fils de la victime était trop jeune au moment de l'accident pour ressentir
BGE 88 II 455 S. 462
douloureusement la mort de son père. Il ne s'ensuit pas, cependant, qu'il n'y a pas lieu à réparation d'un tort moral. Peu importe en effet que le tort soit sensible à tel moment plutôt qu'à tel autre. Selon sa jurisprudence constante, le tribunal alloue aussi une indemnité pour tort moral à des enfants en bas âge (RO 72 II 170 consid. 9;
58 II 248
consid. 2;
56 II 127
consid. 7; OFTINGER, Haftpflichtrecht, 2e éd., p. 266). Il a même comparé parfois leur situation à celle de la veuve (RO 56 II 127). En l'espèce, une indemnité de 3000 fr. paraît adaptée aux circonstances du cas.
5.
Le jugement attaqué rejette les demandes des époux Marzetti. Dans la mesure où celle du mari vise la réparation d'un tort moral, elle a passé à ses héritiers, car il avait fait valoir son droit avant sa mort (RO 81 II 385 ss.).
Pour refuser une indemnité à titre de perte de soutien, la Cour cantonale constate souverainement (art. 63 al. 2 OJ) que la part de l'entretien assuré par Guillod à ses beaux-parents était compensée par l'activité lucrative de la belle-mère et par la mise à la disposition de la victime de la maison de Grandvaux; elle ajoute que le beau-fils n'aurait pas à l'avenir, s'il avait survécu, assisté les époux Marzetti dans une mesure excédant notablement leurs propres prestations. Ces faits entraînent le rejet des demandes.
En ce qui concerne le tort moral, le jugement attaqué relate que l'instruction n'a pas établi des liens spécialement étroits entre les beaux-parents et la victime. S'agissant de parenté par alliance, cette constatation, bien qu'un peu brève, suffit pour justifier le refus de toute indemnité. | public_law | nan | fr | 1,962 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
c2d84ee2-5448-488c-b575-87c82c585236 | Urteilskopf
108 Ib 148
28. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 15. Juni 1982 i.S. Hagruba Grundstücke AG gegen Regierungsrat und Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Art. 19 Satz 1 GSchG
; Voraussetzung der Baubewilligung bei Vorfinanzierung des Kanalisationsanschlusses durch den Grundeigentümer.
Ist ein Grundeigentümer bereit, den vorschriftsgemässen Anschluss seiner Parzelle an das vorhandene Kanalisationsnetz der Gemeinde vorzufinanzieren, so darf ihm die Baubewilligung nur erteilt werden, wenn das Baugrundstück rechtskräftig eingezont ist (Bestätigung der Rechtsprechung). | Erwägungen
ab Seite 148
BGE 108 Ib 148 S. 148
Aus den Erwägungen:
4.
(...) Verwaltungsgericht und Regierungsrat sind sich heute darin einig, dass das Grundstück der Beschwerdeführerin innerhalb des generellen Kanalisationsprojekts (GKP) liegt. Damit beurteilt sich die Frage, ob die umstrittene Baubewilligung erteilt werden kann, ausschliesslich nach Art. 19 des Gewässerschutzgesetzes
BGE 108 Ib 148 S. 149
(GSchG). Eine Ausnahmebewilligung gemäss Art. 26 der allgemeinen Gewässerschutzverordnung (AGSchV) kommt im vorliegenden Fall nicht in Betracht, da der aus dem projektierten Gebäude (13 Eigentumswohnungen) zu erwartende Abwasseranfall offensichtlich 12 Einwohnergleichwerte überschreitet. Gemäss
Art. 19 Satz 1 GSchG
dürfen Baubewilligungen für Neubauten innerhalb des GKP nur erteilt werden, wenn der Anschluss der Abwässer an die Kanalisation gewährleistet ist. Die Abwasserpumpstation, die sich etwa 300 m südwestlich des Baugrundstückes befindet, ist heute in Betrieb und durch die Ringleitung, die um den Zugersee führt, mit der ARA Zug verbunden. Die Zuleitungen, insbesondere die Kanalisation "Vorderer Tieftalweg", sind aber noch nicht erstellt (Bericht der Bezirksverwaltung Küssnacht am Rigi vom 26. April 1982).
Die Beschwerdeführerin ist bereit, die Kanalisation vorzufinanzieren, und hält daher eine Bauverweigerung für unverhältnismässig; sie glaubt, es wäre der Zielsetzung des Gewässerschutzes genügend Rechnung getragen, wenn die Bewilligung mit der Auflage verbunden würde, die Bauten dürften erst nach korrektem Anschluss an die Kanalisation in Angriff genommen bzw. bezogen werden. Eine Vorfinanzierung der Kanalisation ist nach Art. 3 Ziff. 3 des Kanalisationsreglementes des Bezirkes Küssnacht vom 11. Juli 1969/27. Januar 1972 grundsätzlich möglich; auch die bundesgerichtliche Praxis (
BGE 101 Ib 68
) erklärt die Vorfinanzierung als zulässig, jedoch nur bei rechtskräftig eingezonten Parzellen. Da der Zonenplanentwurf des Bezirkes vom 20. September 1981 noch nicht rechtskräftig ist, entfällt diese Möglichkeit und somit auch jene einer entsprechenden Auflage in der Baubewilligung. | public_law | nan | de | 1,982 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
c2dcf3a5-a8fd-4c59-b7b0-337c7b38b99c | Urteilskopf
127 IV 34
5. Urteil des Kassationshofes vom 30. November 2000 i.S. A. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt, B. und C. (Nichtigkeitsbeschwerde) | Regeste
Art. 117 StGB
,
Art. 34 Abs. 3 und
Art. 36 Abs. 1 SVG
,
Art. 13 Abs. 5 VRV
; Sorgfaltspflicht des Lastwagenfahrers bei Beschränkung der Sicht durch den toten Winkel.
Der Lastwagenlenker, der aus einem Stoppsack heraus nach rechts in eine vortrittsberechtigte Strasse einbiegen will, muss sich der aus dem Problem des sichttoten Winkels resultierenden Gefahren bewusst sein und die notwendigen Vorsichtsmassnahmen zu deren Beseitigung treffen. Die Anforderungen an die hiefür aufzuwendende Sorgfalt dürfen aber nicht derart hoch angesetzt werden, dass deren Einhaltung im Einzelfall notwendig mit sich bringt, dass der Fahrer seine Aufmerksamkeit nicht mehr gebührend anderen, ebenfalls zu beachtenden Gefahren zuwenden kann. | Sachverhalt
ab Seite 35
BGE 127 IV 34 S. 35
A. fuhr am 5. Dezember 1997 mit seinem Tanklastwagen in Basel von der Riehenstrasse her durch die Hammerstrasse. Er beabsichtigte, beim Stoppsignal an der Kreuzung mit der Clarastrasse nach rechts in Richtung Messeplatz einzubiegen. Den rechten Blinker hatte er bereits ca. 100 m vor der Kreuzung gestellt. Am Stoppbalken hielt er sein Fahrzeug mit einem seitlichen Abstand zum rechten Trottoir von ca. 80-100 cm an. Wegen des regen Verkehrs musste A. am Stoppbalken während rund 30 Sekunden warten. Innerhalb dieser Zeitspanne fuhr die Radfahrerin D., geb. 1955, mit ihrem Fahrrad von hinten herkommend rechts am Tanklastwagen vorbei bis zum Stoppbalken, wo sie auf der Höhe der Führerkabine des Lastwagens und mit einem seitlichen Abstand zu diesem von 50-60 cm stehen blieb. D. war auf ihrer Fahrt erst nach A. in die Hammerstrasse eingebogen und von ihm somit nicht überholt worden. Als die Verzweigung frei wurde, fuhr A. wegen des Schwenkbereichs seines langen Fahrzeuges, wegen eines nahe der Verzweigung in der Clarastrasse parkierten Personenwagens und wegen eines an der Haltestelle der gegenüberliegenden Seite der Clarastrasse wartenden Tramzuges zunächst 1-2 m geradeaus und bog anschliessend nach rechts ein. Da ein älterer Fussgänger den Fussgängerstreifen über die Clarastrasse von der Gegenseite her überqueren wollte, bremste er nochmals ab. Nachdem jener auf das Trottoir zurückgetreten war und A. vorbeigewinkt hatte, setzte dieser seine Fahrt "in einem Zug" fort. Gleichzeitig mit dem Tanklastwagen fuhr auch D., die in Eile war, los, um die Kreuzung in gerader Richtung zu überqueren. Dabei kam es zur Kollision zwischen dem Tanklastwagen und der Radfahrerin. D. stürzte und geriet unter den Lastwagen, wo sie von dessen erstem oder zweiten linken Vorderrad überrollt wurde. Sie erlitt dabei schwere Bauch- und Brustverletzungen, denen sie rund zwei Stunden nach dem Unfall erlag.
Der Strafgerichtspräsident Basel-Stadt sprach A. mit Urteil vom 22. März 1999 von der Anklage wegen fahrlässiger Tötung kostenlos frei. Auf Appellation der Geschädigten hin erklärte das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt (Ausschuss) A. mit Urteil vom 14. Juni 2000 der fahrlässigen Tötung schuldig und verurteilte ihn zu einer Busse von Fr. 500.-, bei Uneinbringlichkeit umwandelbar in Haft, bedingt löschbar, mit einer Probezeit von einem Jahr. Ferner verurteilte es A. zur Leistung von Genugtuungen an die Hinterbliebenen des Unfallopfers.
Gegen diesen Entscheid führt A. eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde, mit der er beantragt, das angefochtene
BGE 127 IV 34 S. 36
Urteil sei aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zu seiner Freisprechung von der Anklage der fahrlässigen Tötung und zur Abweisung der Adhäsionsklagen der Geschädigten zurückzuweisen.
Das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt hat auf Gegenbemerkungen verzichtet. Die Geschädigten beantragen in ihrer Vernehmlassung die Abweisung der Beschwerde, soweit auf sie einzutreten sei. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt hat sich innert Frist nicht vernehmen lassen.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
a) Die Vorinstanz stellt in tatsächlicher Hinsicht für den Kassationshof verbindlich fest (
Art. 277bis Abs. 1 BStP
; SR 312.0), dass die Fahrradfahrerin sich beim Halt vor dem Stoppbalken im toten Winkel des Tanklastwagens befunden habe und der Beschwerdeführer sie weder durch die Frontscheibe noch in seinen drei rechtsseitig angebrachten Spiegeln habe sehen können. Die Vorinstanz nimmt an, der Beschwerdeführer habe dadurch, dass er in einem Abstand von 80-100 cm zum rechten Trottoirrand angehalten und der Velofahrerin dadurch eine Gasse bis zur Kreuzung geöffnet habe, keine Verkehrsregeln verletzt. Er sei aber aufgrund dieses Umstandes zu besonderer Vorsicht und Aufmerksamkeit verpflichtet gewesen. Desgleichen könne auch dem Opfer keine Verkehrsregelverletzung vorgeworfen werden, wenn es rechts am Tanklastwagen vorbei bis zum Stoppbalken aufgeschlossen habe. Die Vorinstanz gelangt zum Schluss, der Beschwerdeführer habe die Kollision mit der Velofahrerin voraussehen können, obwohl er sie im Zeitpunkt, als sie neben seinem Fahrzeug am Stoppbalken stand, wegen des toten Winkels nicht habe sehen können. In der stark frequentierten Hammerstrasse, wo sich der Unfall ereignet habe, sei besonders während der Stosszeiten immer mit Velofahrern zu rechnen. Dies sei dem Beschwerdeführer bewusst gewesen, habe er doch mit seinem Tanklastwagen regelmässig auf dieser Strasse verkehrt. Aufgrund der allgemeinen Erfahrung habe er daher, auch wenn konkrete Anhaltspunkte hiefür nicht bestanden hätten, damit rechnen müssen, dass eine Velofahrerin sich in seinem sichttoten Winkel befinden könnte, zumal er sein Fahrzeug aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse nicht ganz an den rechten Strassenrand habe halten können. Dafür spreche auch, dass er während rund 30 Sekunden beim Stoppbalken habe warten müssen, bis die Kreuzung für sein Abbiegemanöver frei geworden sei. Dass Velofahrer rechts an wartenden Lastwagen, die nach rechts abzubiegen beabsichtigten und dies mit
BGE 127 IV 34 S. 37
dem Blinker anzeigten, vorbeifahren und nach vorne aufschliessen, sei trotz der damit verbundenen erheblichen Gefahr für ihr Leben und ihre Gesundheit im städtischen Verkehr nicht selten zu beobachten. Nach der Auffassung der Vorinstanz hätte der Beschwerdeführer sich nicht nur dem Verkehr auf der Kreuzung widmen dürfen, sondern hätte seine besondere Aufmerksamkeit auch auf allfällige Velofahrer richten müssen, welche in der von ihm offen gehaltenen Gasse neben seinem Fahrzeug bis zum Stoppbalken vorfahren konnten. Bei dieser Sachlage hätte er sein Abbiegemanöver der vorhandenen Gefahr entsprechend anpassen und langsam ausführen müssen. Da ihm habe bewusst sein müssen, dass er die von seinem Lastwagen ausgehende Gefahrenzone aufgrund des toten Winkels nicht vollumfänglich habe überblicken können, hätte er das Abbiegemanöver quasi nur "wie ein Blinder", der sich bei sehr geringer Geschwindigkeit langsam vorwärts tastet, vornehmen dürfen. Er hätte mit einer Geschwindigkeit abbiegen müssen, welche es der Velofahrerin erlaubt hätte, sich aus dem Gefahrenbereich zu entfernen, ohne von seinem Lastwagen erfasst zu werden. Bei Anwendung dieser Vorsichtspflichten wäre der Unfall und der Tod der Fahrradfahrerin vermeidbar gewesen. Der Beschwerdeführer habe daher den Tod des Unfallopfers fahrlässig verursacht.
b) Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe während der rund 30 Sekunden dauernden Wartezeit am Stoppbalken mehrmals in den Rückspiegel geblickt, ohne dass er das spätere Unfallopfer gesehen hätte. Er habe nicht damit rechnen können oder müssen, dass eine Fahrradfahrerin an seinem stehenden Fahrzeug entlang vorbeifahren würde. Eine ununterbrochene Beobachtung des rückwärtigen Geschehens durch die Aussenspiegel sei ihm nicht möglich gewesen, weil er seine Aufmerksamkeit in erster Linie auf den regen Querverkehr in der Clarastrasse, in welche er einbiegen wollte, habe richten müssen. Dies gelte umso mehr, als er sich in einer Stoppstrasse befunden habe, welche Verkehrssituation nicht mit dem Warten vor einem Rotlicht vergleichbar sei. Im Weiteren hätten für ihn keine Anhaltspunkte dafür bestanden, dass sich eine Velofahrerin im sichttoten Winkel seines Fahrzeugs aufhalten könnte. Dass aufgrund der innerstädtischen Verhältnisse damit zu rechnen sei, dass Velofahrer neben einem Lastwagen bis an den Haltebalken aufschliessen könnten, stelle keinen konkreten Anhaltspunkt dar. Wohl lasse sich die Möglichkeit, dass ein Radfahrer oder ein Fussgänger sich im sichttoten Winkel befinden könnte, nicht mit hundertprozentiger Sicherheit ausschliessen. Dies dürfe aber nicht
BGE 127 IV 34 S. 38
gleichgesetzt werden mit einer konkreten Vorhersehbarkeit dieses Umstandes. Im Übrigen habe das Beweisverfahren ergeben, dass die Radfahrerin auch bei Verschieben des Fahrers auf dem Sitz oder bei einer kurzen Erhebung von demselben nicht sichtbar gewesen sei. Ausserdem habe diese sich vorschriftswidrig verhalten und treffe sie ein erhebliches Selbstverschulden, welches die adäquate Kausalität zwischen seinem Verhalten und dem Unfallereignis aufhebe. Schliesslich hält der Beschwerdeführer dafür, er habe während des Rechtsabbiegens wenn nicht angehalten, so doch abgebremst, um einem Fussgänger den Vortritt zu gewähren. Auch wenn diese zusätzliche Verlangsamung des auf einer derart kurzen Anfahrstrecke ohnehin langsam anfahrenden Fahrzeuges nicht bewusst zu Gunsten der Radfahrerin erfolgte, sei sie doch geeignet gewesen, derselben das Anhalten zu erlauben, ohne vom Lastwagen erfasst zu werden. Jedenfalls könne ihm in diesem Zusammenhang keine Verletzung seiner Sorgfaltspflicht oder von Verkehrsregeln vorgeworfen werden.
2.
a) Gemäss
Art. 117 StGB
wird mit Gefängnis oder mit Busse bestraft, wer fahrlässig den Tod eines Menschen verursacht. Fahrlässig begeht der Täter ein Verbrechen oder Vergehen, wenn die Tat darauf zurückzuführen ist, dass er die Folge seines Verhaltens aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit nicht bedacht oder darauf nicht Rücksicht genommen hat (
Art. 18 Abs. 3 Satz 1 StGB
). Ein Schuldspruch wegen fahrlässiger Tötung setzt somit voraus, dass der Täter den Erfolg durch Verletzung einer Sorgfaltspflicht verursacht hat. Sorgfaltswidrig ist die Handlungsweise, wenn der Täter zum Zeitpunkt der Tat aufgrund der Umstände sowie seiner Kenntnisse und Fähigkeiten die damit bewirkte Gefährdung der Rechtsgüter des Opfers hätte erkennen können und müssen und wenn er zugleich die Grenzen des erlaubten Risikos überschritten hat (
Art. 18 Abs. 3 Satz 2 StGB
;
BGE 122 IV 17
E. 2b, 133 E. 2a, 145 E. 3b sowie 225 E. 2a;
BGE 121 IV 10
E. 3, je mit Hinweisen). Wo besondere Normen ein bestimmtes Verhalten gebieten, bestimmt sich das Mass der dabei zu beachtenden Sorgfalt in erster Linie nach diesen Vorschriften (
BGE 122 IV 17
E. 2b/aa mit Hinweisen).
Grundvoraussetzung für das Bestehen einer Sorgfaltspflichtverletzung und mithin für die Fahrlässigkeitshaftung ist die Vorhersehbarkeit des Erfolgs. Die zum Erfolg führenden Geschehensabläufe müssen für den konkreten Täter mindestens in seinen wesentlichen Zügen voraussehbar sein (STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Allg. Teil I, 2. Aufl., Bern 1996, § 16 N. 16;
BGE 127 IV 34 S. 39
TRECHSEL/NOLL, Schweizerisches Strafrecht, Allg. Teil I, 5. Aufl., Zürich 1998, S. 269 f.; RIKLIN, Schweizerisches Strafrecht, Allg. Teil I, S. 201, § 16 N. 44). Zunächst ist daher zu fragen, ob der Täter eine Gefährdung der Rechtsgüter des Opfers hätte voraussehen bzw. erkennen können und müssen. Für die Beantwortung dieser Frage gilt der Massstab der Adäquanz. Danach muss sein Verhalten geeignet sein, nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und den Erfahrungen des Lebens einen Erfolg wie den eingetretenen herbeizuführen oder mindestens zu begünstigen. Die Adäquanz ist nur zu verneinen, wenn ganz aussergewöhnliche Umstände, wie das Mitverschulden eines Dritten oder Material- oder Konstruktionsfehler, als Mitursachen hinzutreten, mit denen schlechthin nicht gerechnet werden musste und die derart schwer wiegen, dass sie als wahrscheinlichste und unmittelbarste Ursache des Erfolges erscheinen und so alle anderen mitverursachenden Faktoren - namentlich das Verhalten des Angeschuldigten - in den Hintergrund drängen (
BGE 122 II 315
E. 3c;
BGE 122 IV 17
E. 2c/bb;
BGE 121 IV 10
E. 3 und 286 E. 3;
BGE 120 IV 300
E. 3e, je mit Hinweisen).
b) Rechtliche Grundlage bildet zunächst
Art. 34 Abs. 3 SVG
(SR 741.01). Nach dieser Bestimmung hat der Fahrzeugführer, der seine Fahrtrichtung ändern will, wie zum Abbiegen, Überholen, Einspuren und Wechseln des Fahrstreifens, auf den Gegenverkehr und auf die ihm nachfolgenden Fahrzeuge Rücksicht zu nehmen (vgl. auch
Art. 44 Abs. 1 SVG
).
Art. 39 Abs. 1 SVG
schreibt vor, dass jede Richtungsänderung mit dem Richtungsanzeiger rechtzeitig anzuzeigen ist. Jedoch entbindet eine pflichtgemässe Zeichengebung den Fahrzeugführer gemäss Abs. 2 derselben Bestimmung nicht von der gebotenen Vorsicht (vgl. hiezu
BGE 91 IV 10
E. 1; ferner
BGE 125 IV 83
E. 2a). Überdies hat sich, wer rechts abbiegen will, nach
Art. 36 Abs. 1 SVG
an den rechten Strassenrand zu halten. Muss der Fahrzeugführer wegen der Grösse seines Fahrzeugs oder der örtlichen Verhältnisse vor dem Abbiegen nach der Gegenseite ausholen, hat er nach Art. 13 Abs. 5 der Verkehrsregelnverordnung vom 13. November 1962 (VRV; SR 741.11) besonders vorsichtig zu fahren und nötigenfalls zu halten. Schliesslich hat der Fahrzeuglenker in einer Stoppstrasse dem Verkehr auf der Strasse, der er sich nähert, den Vortritt zu gewähren und darf diesen in seiner Fahrt nicht behindern (
Art. 36 Abs. 2 SVG
,
Art. 14 Abs. 1 VRV
,
Art. 36 Abs. 1 SSV
([SR 741.21]).
Nach der Rechtsprechung muss sich der nach rechts abbiegende Fahrzeuglenker grundsätzlich durch geeignete Vorkehren nach
BGE 127 IV 34 S. 40
rückwärts vergewissern, ob er das Manöver gefahrlos durchführen kann. Wo er sich vorschriftsgemäss an den rechten Strassenrand hält und nach rechts abbiegen kann, ohne zuvor brüsk zu bremsen oder nach der Gegenseite ausholen zu müssen, besteht aber keine Veranlassung, ihn vor dem Abbiegen auch zur Beobachtung des nachfolgenden Verkehrs zu verpflichten. Denn wo nach der Verkehrslage objektiv keine Gefahr besteht, hat der sich ordnungsgemäss verhaltende Verkehrsteilnehmer nach dem aus
Art. 26 Abs. 1 SVG
abgeleiteten Vertrauensgrundsatz auch nicht mit einer solchen zu rechnen. Darauf kann sich indes nicht berufen, wer eine für andere Verkehrsteilnehmer unklare oder gefährliche Verkehrslage schafft. So ist, wer einen so weiten Abstand vom rechten Strassenrand einhalten muss, dass er rechts überholt werden kann, zu besonderer Vorsicht verpflichtet und muss alle Vorkehren treffen, um den sich aus diesem Umstand ergebenden Gefahren begegnen zu können. Er darf erst dann nach rechts abbiegen, wenn er die Gewissheit erlangt hat, dass er dabei nicht mit einem anderen Verkehrsteilnehmer kollidieren werde (
BGE 97 IV 34
;
BGE 91 IV 19
; ferner SCHAFFHAUSER, Grundriss des schweizerischen Strassenverkehrsrechts, Band I, N. 607). In diesem Zusammenhang ist von Bedeutung, dass es Radfahrern gemäss
Art. 42 Abs. 3 VRV
, auch wenn sie sich nicht auf einem Radstreifen befinden (vgl.
Art. 1 Abs. 7 und
Art. 40 VRV
), erlaubt ist, rechts neben einer Motorfahrzeugkolonne vorbeizufahren, wenn genügend freier Raum vorhanden ist.
3.
a) Nach den verbindlichen Feststellungen der kantonalen Instanzen befand sich das Opfer für den Beschwerdeführer während der Wartezeit im sichttoten Winkel und konnte von diesem beim Halt am Stoppbalken nicht gesehen werden. Der Beschwerdeführer macht aufgrund dessen geltend, er habe den Unfall nicht vorhersehen können und dieser sei nicht vermeidbar gewesen.
b) Das Bundesgericht hat sich schon mehrfach mit dem Problem des sichttoten Winkels zu befassen gehabt, namentlich im Zusammenhang mit Unfällen, bei denen Lastwagen und Fahrradfahrer beteiligt waren. Nach seiner Rechtsprechung handelt es sich beim sichttoten Winkel um einen in der Bauart des Fahrzeuges liegenden Faktor, den der Fahrzeuglenker grundsätzlich von vornherein in Rechnung zu stellen hat. Dementsprechend hat es verschiedentlich ausgeführt, es gehe nicht an, das Verborgenbleiben eines Verkehrsteilnehmers dem Zufall zuzuschreiben und die sich aus dem sichttoten Winkel ergebenden Risiken auf andere Strassenbenützer abzuwälzen. Vielmehr müsse der Fahrzeuglenker dafür besorgt sein, dass
BGE 127 IV 34 S. 41
die sich aus jenem Faktor ergebenden Risiken ausgeschaltet werden (
BGE 83 IV 163
E. 2;
BGE 107 IV 55
E. 2c; vgl. auch die nicht publizierten Entscheide des Kassationshofs vom 23.10.1998 i.S. O., vom 9.11.1999 i.S. J.M. und vom 23.11.1999 i.S. A.). Für den Fall einer Sichtbeschränkung nach vorn, die nicht durch entsprechende Spiegel, welche vom Führersitz aus Einsicht in den sichttoten Winkel erlauben, behoben wird, hat das Bundesgericht dementsprechend erkannt, der Fahrzeugführer müsse sich kurz vom Sitz erheben, sich vorbeugen oder seitlich etwas verschieben, um genügende Sicht zu gewinnen und sich zu vergewissern, dass sich niemand im unüberblickbaren Bereich seines Fahrzeugs befinde. Das sei jedenfalls dann zumutbar, wenn nach den Umständen eine nahe Möglichkeit bestehe, dass Fussgänger unmittelbar vor dem Fahrzeug durchgingen (
BGE 107 IV 55
E. 2c). Nichts anderes gilt im Grundsatz auch dort, wo die Sicht - wie im zu beurteilenden Fall - seitlich nach rechts beschränkt ist. Wohl ist einzuräumen, dass in solchen Fällen die vom Bundesgericht für die Sichtverminderung nach vorn genannten Vorsichtsmassnahmen nur beschränkt tauglich sind, den durch den toten Winkel bedingten Gefahren wirksam zu begegnen. So wird ein Sich-vom-Sitz-Erheben oder ein seitliches Verschieben in der Regel nicht genügen, um ausreichenden Einblick in den nicht einsehbaren Bereich auf der rechten Seite des Fahrzeugs zu gewinnen. Auch erlauben die von
Art. 112 Abs. 1 und 4 der Verordnung vom 19. Juni 1995 über die technischen Anforderungen an Strassenfahrzeuge (VTS; SR 741.41)
auf der rechten Seite von schweren Lastwagen nunmehr vorgeschriebenen Rück- und Anfahr- bzw. Rampenspiegel kein volles Ausleuchten des sichttoten Winkels. Wohl bestehen heute weitere technische Möglichkeiten, die das Problem zumindest entschärfen, wozu namentlich ein zusätzlicher, an der oberen rechten Ecke des Lastwagens anzubringender stark gewölbter Spiegel (sog. "TOWISPICK"), und ein, bereits in mehreren Städten, namentlich nunmehr auch in Basel, verwendeter, an Verkehrsampeln oder -schildern zu montierender Spiegel (sog. "TRIXI-Spiegel"), gehören, die einen - wenn auch zum Teil nur verzerrten - Einblick in den verdeckten Sichtbereich erlauben. Diese zusätzlichen Ausrüstungen sind jedoch zum heutigen Zeitpunkt nicht vorgeschrieben, was - wie das Bundesgericht schon in seinem nicht publizierten Entscheid vom 23.11.1999 i.S. A. angemerkt hat - angesichts des Umstandes, dass der sichttote Winkel schon wiederholt Ursache für schwere Unfälle war und ein beträchtliches Gefahrenpotential in sich birgt, nicht ohne weiteres
BGE 127 IV 34 S. 42
einzuleuchten vermag. Der Chauffeur muss sich jedenfalls den aus dem Problem des sichttoten Winkels resultierenden Gefahren bewusst sein und die ihm möglichen Massnahmen treffen, um das Risiko zu beseitigen, wenn nach den Umständen die nahe Möglichkeit besteht, dass sich Verkehrsteilnehmer rechts von seinem Fahrzeug im verdeckten Sichtbereich befinden könnten. Dazu gehört, dass er dieser Gefahr im Sinne einer vorausschauenden Vorsicht besondere Aufmerksamkeit schenkt und das Verkehrsgeschehen im Hinblick auf sein beabsichtigtes Fahrmanöver beobachtet. Eine Sorgfaltspflichtverletzung kann dem Lastwagenlenker nur dann nicht zur Last gelegt werden, wenn sich mit Sicherheit ausschliessen lässt, dass er auch bei Aufwendung aller gehörigen und zumutbaren Vorsicht einen im sichttoten Bereich seines Fahrzeugs verborgenen anderen Verkehrsteilnehmer hätte erkennen können und er mit einem solchen aufgrund der konkreten Verhältnisse auch nicht hätte rechnen müssen.
c) aa) Die Vorinstanz gründet die Annahme, der Unfall sei für den Beschwerdeführer vorhersehbar gewesen, im Wesentlichen auf die Erfahrungstatsache, dass auf stark frequentierten städtischen Strassen, insbesondere während der so genannten "rush-hours" immer mit Velofahrern zu rechnen sei.
Nach dem aus der Grundregel von
Art. 26 Abs. 1 SVG
abgeleiteten Vertrauensgrundsatz darf jeder Strassenbenützer, der sich selbst verkehrsgemäss verhält, sofern nicht besondere Umstände dagegen sprechen, darauf vertrauen, dass sich die anderen Verkehrsteilnehmer ebenfalls ordnungsgemäss verhalten, ihn also nicht behindern oder gefährden (
BGE 118 IV 277
E. 4a;
BGE 124 IV 81
E. 2b S. 84). Wie bereits ausgeführt, war es dem Opfer aufgrund von
Art. 42 Abs. 3 VRV
erlaubt, am Tanklastwagen des Beschwerdeführers trotz dessen eingeschaltetem Blinker rechts vorbeizufahren. Soweit der Beschwerdeführer davon ausgeht, das Unfallopfer habe sich verkehrswidrig verhalten, ist seine Beschwerde daher unbegründet. Ausserdem war ihm nach den Feststellungen der Vorinstanz bewusst, dass in der fraglichen Strasse generell mit Velofahrern zu rechnen ist. Schliesslich musste er während einer Dauer von rund 30 Sekunden warten, bis die Kreuzung für ihn frei wurde. Daraus ergibt sich, dass der Beschwerdeführer sich nicht darauf verlassen durfte, dass nachfolgende Fahrradfahrer seine mit eingeschaltetem Blinklicht rechtzeitig kundgegebene Absicht, nach rechts abzubiegen, beachten würden. Ein solches Vertrauen wäre allenfalls dort gerechtfertigt, wo der Radfahrer sich grob verkehrswidrig oder völlig unvernünftig verhielte, wie dies beim
BGE 122 IV 225
E. 2c
BGE 127 IV 34 S. 43
zugrunde liegenden Sachverhalt der Fall war. Im vorliegenden Fall hat das Opfer jedoch keine Verkehrsregeln verletzt. Dass die verunfallte Velofahrerin sich etwa in einen hiefür zu schmalen Raum zwischen Lastwagen und Fahrbahnrand gedrängt hätte, hat die Vorinstanz jedenfalls nicht festgestellt. Zwar ist an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass
Art. 42 Abs. 3 VRV
gerade in Konstellationen, bei denen das vorderste Fahrzeug einer bei einem Rotlicht oder Stoppsignal wartenden Kolonne nach rechts abbiegen will und sich wegen seiner Grösse nicht nahe genug an den rechten Strassenrand halten kann, zu gefährlichen Situationen führt und sich fragt, ob diese Regelung im Hinblick auf derartige Konstellationen angemessen ist. Doch ist mit der Vorinstanz anzunehmen, im städtischen Strassenverkehr sei nicht selten zu beobachten, dass Velofahrer in Unkenntnis oder falscher Einschätzung der damit verbundenen Gefahren für ihr Leben und ihre Gesundheit bei stehenden Lastwagen rechts vorfahren. Der Beschwerdeführer musste somit grundsätzlich damit rechnen, dass sich rechts neben ihm im offen gehaltenen Raum eine Fahrradfahrerin befindet. Immerhin lag im zu beurteilenden Fall nicht eine derart nahe Möglichkeit hiefür vor, wie dort, wo konkrete Anhaltspunkte für die Anwesenheit eines Radfahrers sprechen, so wenn der Chauffeur etwa einen solchen auf seiner Fahrt zur Kreuzung bereits überholt hat und daher mit Sicherheit darum weiss, dass dieser sich auf der Strasse befindet. Insgesamt hat die Vorinstanz die Vorhersehbarkeit aber zu Recht bejaht.
bb) Fraglich ist allerdings, ob dem Beschwerdeführer bei seinem Abbiegemanöver eine konkrete Sorgfaltspflichtverletzung vorgeworfen werden kann bzw. ob er die Grenzen des erlaubten Risikos überschritten hat. Dabei werfen ihm die kantonalen Instanzen nicht vor, er hätte während seiner Wartezeit den rückwärtigen Verkehr ständig beobachten müssen, und halten sie ihm zu Gute, dass er während des Haltens auch gelegentlich in die Aussenspiegel geblickt und auch beim Anfahren noch Kontrollblicke in die Spiegel geworfen habe. Die Vorinstanz legt dem Beschwerdeführer als konkretes Fehlverhalten zur Last, er hätte sein Abbiegemanöver der vorhandenen Gefahr entsprechend langsam ausführen müssen und sich "wie ein Blinder" bei geringer Geschwindigkeit so langsam vorwärts tasten müssen, dass einer Velofahrerin möglich gewesen wäre, sich aus dem Gefahrenbereich zu entfernen, ohne vom Lastwagen erfasst zu werden. Dem ist grundsätzlich ohne weiteres beizupflichten. In der Tat muss von einem Lastwagenchauffeur, der an einer Kreuzung rechts abbiegen will, verlangt werden, dass er entweder während der
BGE 127 IV 34 S. 44
Wartezeit vor der Ampel oder an der Stoppstrasse sich durch Beobachten des rechten Aussenspiegels vergewissert, ob nicht von hinten Velofahrer aufschliessen und in den toten Winkel hineinfahren, oder dass er jedenfalls, wenn er auf diese Weise nicht die notwendige Gewissheit erlangt hat, sein Abbiegemanöver langsam im Sinne eines schrittweisen Vortastens ausführt, das gegebenenfalls auch einen Sicherheitshalt miteinschliesst. Es trifft ihn insofern dieselbe Pflicht wie den Wartepflichtigen bei der Einfahrt in eine vortrittsberechtigte Strasse, der keine ausreichende Sicht auf den bevorrechtigten Verkehr hat (vgl.
BGE 105 IV 339
;
BGE 122 IV 133
E. 2a S. 136; vgl. ferner JAGUSCH/HENTSCHEL, Strassenverkehrsrecht, 34. Auflage, § 9 StVO N. 28). Nur mit einer solchen Fahrweise kann sichergestellt werden, dass allfällige sich rechts neben dem abbiegenden Fahrzeug befindende Radfahrer nicht gefährdet werden.
Ob der betreffende Fahrzeuglenker seinen Sorgfaltspflichten im Sinne dieser allgemein formulierten Anforderungen nachgekommen ist, lässt sich aber nicht losgelöst von der konkreten Konstellation beurteilen. Es ist richtig, dass der Massstab für die Sorgfalt, welche Lastwagenlenker aufzubringen haben, angesichts des von ihren Fahrzeugen ausgehenden Gefährdungspotentials hoch anzusetzen ist. Doch muss ein vernünftiges, d.h. die anderen Verkehrsteilnehmer nicht behinderndes Fahren im Verkehr noch möglich sein. Es ist auch zu beachten, dass nicht verlangt werden kann, dass im Strassenverkehr jedermann zu jeder Zeit ein Höchstmass an Aufmerksamkeit und Umsicht erbringt (
BGE 122 IV 225
E. 2c a.E.). Dem Fahrzeuglenker muss es in der konkreten Situation möglich sein, den ihm auferlegten Pflichten auch tatsächlich nachzukommen. Die Sorgfaltsanforderungen dürfen deshalb bei völlig normalen Fahrmanövern nicht derart hochgeschraubt werden, dass sie im Einzelfall nicht mehr erfüllt werden können, bzw. dass die Erfüllung der einen Pflicht notwendig die Verletzung einer gleichzeitig ebenfalls zu beachtenden anderen Pflicht bedeutet. Dementsprechend hat das Bundesgericht auch erkannt, das Mass der Aufmerksamkeit, das vom Fahrzeugführer verlangt werde, richte sich nach den gesamten Umständen; habe dieser sein Augenmerk im Wesentlichen auf bestimmte Stellen zu richten, könne ihm für andere eine geringere Aufmerksamkeit zugebilligt werden (
BGE 122 IV 225
E. 2b mit Hinweis auf
BGE 103 IV 101
E. 2b und c).
Im konkreten Fall musste der Beschwerdeführer seine Aufmerksamkeit zunächst den zu erwartenden Gefahren zuwenden, die für ihn tatsächlich erkennbar waren. Dazu gehörte in erster Linie der
BGE 127 IV 34 S. 45
Querverkehr auf der Clarastrasse, dem er den Vortritt gewähren musste und den er in seiner Fahrt nicht behindern durfte (
Art. 36 Abs. 2 SVG
,
Art. 14 Abs. 1 VRV
,
Art. 36 Abs. 1 SSV
;
BGE 122 IV 225
E. 2c; vgl. auch SCHAFFHAUSER, a.a.O., N. 686 ff.). Dass dieser Verkehr zum Unfallzeitpunkt offenbar recht dicht gewesen war, ergibt sich schon aus der Wartezeit von rund 30 Sekunden, während welcher der Beschwerdeführer auf freie Fahrt warten musste. Ausserdem befindet sich auf der Clarastrasse gleich neben der Hammerstrasse ein Fussgängerstreifen, dessen Beobachtung umso mehr geboten war, als zu jenem Zeitpunkt ein Tramzug in der Haltestelle Clarastrasse hielt. Tatsächlich wollte denn nach den Feststellungen der Vorinstanz auch ein Fussgänger den Streifen überschreiten, was den Beschwerdeführer veranlasste, seine Fahrt abzubremsen, um diesem den Vortritt zu lassen. Solange er sich mit dem Passanten nicht verständigt hatte, konnte er seine Aufmerksamkeit somit nicht ausschliesslich anderen Verkehrsteilnehmern zuwenden, die sich möglicherweise, für ihn aber jedenfalls nicht sichtbar, im toten Winkel hätten befinden können. Dass der Beschwerdeführer diese möglichen Gefahren aber nicht gänzlich unbeachtet gelassen, sondern gehörig berücksichtigt hat, ergibt sich daraus, dass er während der Wartezeit verschiedentlich in den Rückspiegel geschaut und auch, bevor er langsam anfuhr, noch Kontrollblicke in die Aussenspiegel geworfen hatte. Wie der Beschwerdeführer zu Recht einwendet, unterscheiden sich die Verhältnisse insofern vom nicht publizierten Entscheid des Kassationshofs vom 23.11.1999 i.S. A. In jenem Fall hatte der Lastwagenchauffeur das spätere Unfallopfer zuvor überholt und musste vor einem Rotlicht warten. Er musste seine Aufmerksamkeit daher nicht im selben Masse auf den vortrittsberechtigten Verkehr richten wie der Beschwerdeführer im zu beurteilenden Fall, der abwarten musste, bis die Strasse für sein Abbiegemanöver frei wurde. Ebenfalls musste der Lastwagenfahrer im genannten Entscheid bei seinem Abbiegemanöver in Rechnung stellen, dass sich mit Sicherheit ein Fahrradfahrer auf der Strasse befand, da er ihn kurz zuvor überholt hatte. Dass er ihn bei der Ampel nicht mehr sah, durfte ihm nicht die Gewissheit geben, jener sei von seinem Fahrrad abgestiegen und habe die Fahrbahn verlassen. Dem Beschwerdeführer kann nach all dem keine Verkehrsregelverletzung vorgeworfen werden. Er hat die ihm zumutbaren Vorsichtsmassregeln, namentlich die angemessene Beobachtung des rückwärtigen Verkehrs während der Wartezeit und beim Anfahren sowie das langsame Ausführen des
BGE 127 IV 34 S. 46
Abbiegemanövers, getroffen. Dies führt zum Ergebnis, dass ihm der Tod des Unfallopfers strafrechtlich nicht zuzurechnen ist. Die Frage nach einer allfälligen zivilrechtlichen Haftung des Lastwagen-Halters bleibt davon unberührt. Auch wenn die besondere Schutzbedürftigkeit von schwächeren Verkehrsteilnehmern, die regelmässig, und häufig mit gravierenden Folgen, von solchen tragischen Unfälle betroffen werden, nicht in Frage steht, kann dies nicht dazu führen, dass im Einzelfall auf den Nachweis einer Sorgfaltspflichtverletzung verzichtet wird und einzig vom Erfolg, dem konkreten Unfall, unbesehen auf eine solche Pflichtverletzung rückgeschlossen wird. Der Schuldspruch der fahrlässigen Tötung verletzt daher Bundesrecht und die Beschwerde erweist sich somit als begründet. | null | nan | de | 2,000 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
c2ddc929-288f-4759-9120-6e7624416321 | Urteilskopf
102 II 270
40. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 29. Juni 1976 i.S. Zarzycka gegen Kirch. | Regeste
Rückgriff des Checkinhabers.
1. Art. 1141 Ziff. 9 und 1143 Abs. 1 Ziff. 21 OR. Auf den Protest anwendbares Recht, wenn der Check in Frankreich ausgestellt wird und in der Schweiz zahlbar ist (Erw. 1a).
2.
Art. 1128 Ziff. 2 und 1129 OR
. Die Erklärung des Bezogenen, dass er die Zahlung verweigere, muss innert der dafür vorgesehenen Frist auf dem Check selber abgegeben werden. Missbräuchliche Berufung auf Formvorschriften, Schadenersatz (Erw. 1b-d)?
3. Art. 1052 Abs. 1, 1093, 1140 und 1142 OR. Der Bereicherungsanspruch gegen den Checkaussteller richtet sich nach dem Recht des Ausstellungsortes; Bedeutung der Gesetzesmaterialien (Erw. 2).
4.
Art. 8-10 ZGB
. Anwendung von Beweisvorschriften des französischen Rechts, weil das dem Check zugrunde liegende Darlehensverhältnis diesem Recht untersteht (Erw. 3)? | Sachverhalt
ab Seite 271
BGE 102 II 270 S. 271
A.-
Die Bank Crédit Lyonnais liess am 22. März 1967 der Schweizerischen Kreditanstalt in Zürich einen Check über SFr. 150'000.-- zur Zahlung vorlegen. Der Check war nach seinem Text von Ettinger, der in Berlin wohnte, am 2. März 1967 in Paris zugunsten der Frau Zarzycka ausgestellt worden.
Da der Check nicht eingelöst wurde, erwirkte Frau Zarzycka am 26. April 1967 für die Summe von Fr. 150'000.-- nebst 6% Zins seit dem 2. März 1967 und Protestkosten
BGE 102 II 270 S. 272
gestützt auf
Art. 271 Ziff. 4 SchKG
einen Arrest auf Guthaben Ettingers bei der Schweizerischen Kreditanstalt. Der Arrest wurde am 8. Mai 1967 vollzogen. Frau Zarzycka liess daraufhin Ettinger betreiben und als der Betriebene Rechtsvorschlag erhob, stellte sie das Begehren um provisorische Rechtsöffnung, das am 11. Juli 1968 abgewiesen wurde.
B.-
Ettinger starb am 16. September 1967 und hinterliess die in Berlin wohnhafte Frau Kirch als Erbin. Gegen diese klagte Frau Zarzycka im Juli 1968 auf Zahlung von Fr. 150'000.-- nebst 6% Zins seit 2. März 1967 und Fr. 201.90 Kosten. Die Klägerin beantragte ferner, ihr für die eingeklagten Forderungen in der Betreibung Nr. 2242 des Betreibungsamtes Zürich 1 die definitive Rechtsöffnung zu erteilen.
Das Bezirksgericht Zürich hiess die Klage im Betrage von Fr. 150'114.90 gut. Auf Appellation der Beklagten wies das Obergericht des Kantons Zürich sie dagegen durch Urteil vom 19. Dezember 1975 ab.
Die Klägerin führte gegen dieses Urteil kantonale Nichtigkeitsbeschwerde, die vom Kassationsgericht des Kantons Zürich am 5. April 1976 mit Bezug auf die Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung gutgeheissen, im übrigen aber abgewiesen wurde.
C.-
Die Klägerin hat gegen das Urteil des Obergerichts auch Berufung eingelegt. Sie beantragt, es aufzuheben und die Klage gutzuheissen.
Die Beklagte stellt keinen Antrag, schliesst sinngemäss aber auf Bestätigung des angefochtenen Urteils.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Das Obergericht nimmt an, die Klägerin habe ihr Regressrecht aus dem Check verwirkt, da dieser keinen Vermerk über die Nichteinlösung aufweise.
a) Die Vorinstanz wendet dabei schweizerisches Recht an, weil die Notwendigkeit, die Form und die Fristen des Protestes sich nach dem Recht des Landes bestimmten, in dem der Protest zu erheben oder die Erklärung über die Verweigerung der Zahlung abzugeben sei (Art. 1141 Ziff. 9, Art. 1143 Abs. 1 Ziff. 21 in Verbindung mit
Art. 1088 OR
). Vorliegend habe die Berechtigte den Check in Zürich zur Zahlung vorlegen müssen, weshalb schweizerisches Recht anwendbar sei.
BGE 102 II 270 S. 273
Die Klägerin bringt hiegegen mit Recht nichts vor. Die im Check enthaltene Sichtanweisung lautete auf eine schweizerische Bank, welche die für das Rechtsverhältnis charakteristische Leistung zu erbringen hatte. Massgebend für die Frage, welche Vorschriften bei der Feststellung der Zahlungsverweigerung zu beachten waren, ist daher das am Sitz dieser Bank geltende Recht (
BGE 99 II 317
, 100 II 20 und 205 Erw. 2).
b) Die Frist zur Vorlegung des Checks, der am 2. März 1967 in Paris ausgestellt worden und in der Schweiz zahlbar war, lief am 22. März 1967 ab (
Art. 1116 Abs. 2 OR
). Da die Klägerin ihn erst am letzten Tag vorlegen liess, musste spätestens am 23. März Protest erhoben oder die Erklärung der Bezogenen, dass sie die Zahlung verweigere, schriftlich festgestellt werden (
Art. 1128 und 1129 Abs. 2 OR
). Das Obergericht ist der Auffassung, der Vermerk der Kreditanstalt vom 26. April 1967 auf einem Anhang des Checks (Allonge), wonach der Titel "am 22. März 1967 zur Zahlung vorgelegt und nicht bezahlt" wurde, sei verspätet und das auf dem Check angebrachte Datum "22. März 1967" könne nicht als Feststellung gelten, dass die Einlösung verweigert worden sei. Die Klägerin bestreitet dies nicht. Sie macht unter Hinweis auf Vorbringen im kantonalen Verfahren bloss geltend, die Bezogene habe die Weigerung auf einer Allonge vermerkt, die dem Check beigeheftet worden, aber verloren gegangen sei; ein solcher Vermerk habe den gesetzlichen Erfordernissen genügt.
Damit wendet die Klägerin sich gegen die Annahme des Obergerichtes, die Erklärung über die Nichteinlösung müsse auf dem Check selber abgegeben werden. Die Vorinstanz führt dazu insbesondere aus, der Wortlaut des
Art. 1128 Ziff. 2 OR
sei klar und lasse keinen Vermerk ausserhalb des Checks zu, auch nicht auf einer Allonge. Dadurch unterscheide die Bestimmung sich von der Vorschrift über die Indossamentserklärung, die gemäss
Art. 1003 Abs. 1 OR
auch auf ein mit dem Wechsel verbundenes Blatt (Anhang, Allonge) gesetzt werden dürfe. Einige Autoren, namentlich ZIMMERMANN (Kommentar des Schweiz. Checkrechts, N. 46 zu
Art. 1128 OR
), befürworteten zwar eine analoge Anwendung von Art. 1003 im Checkrecht, womit unterstellt werde, dass eine echte oder unechte Gesetzeslücke vorliege. Die Allonge sei in Art. 1128 jedoch nicht aus Versehen, sondern mit Absicht
BGE 102 II 270 S. 274
nicht erwähnt worden. Das erhelle daraus, dass das Gesetz im ganzen Check- und Wechselrecht die Erklärungen, die auf dem Titel stehen müssen, und solche, die auf ein damit verbundenes Blatt gesetzt werden dürfen, klar auseinanderhalte, die Allonge aber nicht als Teil des Wertpapieres betrachte. Dass es beim Wechsel für das Indossament eine Ausnahme mache, habe einen guten Grund, denn die Reihe der Indossanten könne so lang werden, dass die Urkunde dafür nicht mehr Raum biete. Die Erklärung über die Nichteinlösung des Checks werde dagegen nur einmal abgegeben und finde in der Regel auf dem Papier selber Platz. Wo das ausnahmsweise nicht zutreffe, könne sie durch öffentliche Urkunde oder von einer Abrechnungsstelle festgestellt werden (
Art. 1128 Ziff. 1 und 3 OR
). Ihre Feststellung auf dem Check sei zudem von ungleich grösserer Bedeutung als beim Indossament, da sie den Verlust des Rückgriffsrechtes zur Folge habe und nicht nachgeholt werden dürfe.
Was die Klägerin dagegen vorbringt, ist nicht stichhaltig. Das gilt vorweg von ihrem Hinweis auf die Ansicht ZIMMERMANNS (a.a.O.), die im Gesetz keine Stütze findet. Die Auffassung des Obergerichtes hingegen deckt sich mit dem klaren Wortlaut des Art. 1128 Ziff. 2 und kann schon deshalb nicht als übertrieben formalistisch bezeichnet werden. Ebensowenig lässt sich aus den von der Vorinstanz angeführten Gründen sagen, die Verwendung der Allonge für den Nichteinlösungsvermerk des Bezogenen entspreche im Checkrecht einem praktischen Bedürfnis und dränge sich auf. Art. 1003 Abs. 1 enthält zudem, wie das Obergericht mit Recht bemerkt, eine Ausnahme, die ausdrücklich auf das Indossament beschränkt ist; das steht nicht nur einer extensiven Auslegung, sondern auch einer analogen Anwendung der Bestimmung auf die Feststellung, dass die Zahlung eines Checks verweigert wird, entgegen.
Die Behauptung der Klägerin sodann, dass die Formvorschrift des
Art. 1037 Abs. 1 OR
im Checkrecht "nicht etwa speziell" wiederholt werde und die Art. 1128 und 1129 sich diesbezüglich nicht unterschieden, geht nicht nur am Wortlaut und Zweck des Gesetzes, sondern auch an der Begründung des angefochtenen Urteils vorbei. Die Art. 1128 und 1129 sehen nicht zwei Formen des Protestes vor, wie die Klägerin annimmt. Die erste Bestimmung nennt vielmehr als Voraussetzung
BGE 102 II 270 S. 275
des Rückgriffsrechtes drei Möglichkeiten, die Verweigerung der Zahlung festzustellen, während die zweite bloss die Fristen angibt. Gewiss kann im Wechselrecht wie im Checkrecht durch öffentliche Urkunde Protest erhoben werden. Die Formvorschrift des Art. 1037 Abs. 1 bezieht sich aber nur auf den öffentlichen Protest, weil im Wechselrecht der private bewusst ausgeschlossen worden ist (vgl. GERBER, Der Protest im schweiz. Wechsel- und Checkrecht, Diss. Bern 1944, S. 3/4, 12/13, 87 und 101 ff.). Die private Erklärung des Bezogenen beim Check ist aber auf dem Titel anzubringen, der öffentliche Protest beim Wechsel dagegen auf ein besonderes Blatt zu setzen. Die Art. 1037 Abs. 1 und 1128 Ziff. 2 lassen darüber keinen Zweifel aufkommen, noch erlauben sie die Annahme, der Richter dürfe die erste Norm anstelle der zweiten anwenden.
Der Einwand schliesslich, die Auffassung des Obergerichts widerspreche dem Verhalten aller schweizerischen Banken, ist tatsächlicher Natur (
BGE 72 II 267
,
BGE 86 II 257
mit Hinweisen), aber neu und daher nicht zu hören (
Art. 55 Abs. 1 lit. c OG
). Dem angefochtenen Urteil ist dafür jedenfalls nichts zu entnehmen, und die Klägerin behauptet nicht, dies sei auf eine Verletzung von
Art. 8 ZGB
zurückzuführen. Gegen die eindeutige gesetzliche Regelung wäre mit einer davon abweichenden Übung der Banken ohnehin nicht aufzukommen.
c) Die Klägerin hält die Einrede der Beklagten, es fehle an einer formgerechten Erklärung der Bezogenen auf dem Check, jedenfalls für missbräuchlich. Damit hat sich bereits das Bezirksgericht, auf dessen Erwägungen das Obergericht verweist, eingehend auseinandergesetzt. Diesen Erwägungen ist lediglich beizufügen, dass die Weisung Ettingers an die Bank nur Aufträge mit doppelter Unterschrift auszuführen, die Bezogene offenbar veranlasste, die Zahlung zu verweigern. Der Verlust des Rückgriffsrechtes durch die Klägerin ist jedoch nicht auf die Weisung, sondern allein darauf zurückzuführen, dass die Weigerung innert gesetzter Frist weder durch Erklärung der Bank auf dem Check noch durch öffentliche Urkunde festgestellt worden ist.
d) Die Klägerin wollte die Beklagte im kantonalen Verfahren auch aus
Art. 41 und 50 OR
haftbar machen. Die Vorinstanz erblickte darin eine unzulässige Klageänderung. Das Kassationsgericht hielt diese Auffassung für unzutreffend,
BGE 102 II 270 S. 276
fand jedoch, sie ändere am Ergebnis nichts, da von einem Schadenersatzanspruch der Klägerin nicht die Rede sein könne. Damit ersetzte es die prozessrechtliche Begründung des Obergerichtes durch eine bundesrechtliche, die überprüfbar ist, aber das Gesetz nicht verletzt. Entscheidend ist allein, dass der Check keine Erklärung über die Nichteinlösung aufweist, was indes nicht eine Folge der Weisungen Ettingers ist und daher auch nicht der Beklagten als dessen Rechtsnachfolgerin entgegengehalten werden darf. Das Gesetz verpflichtet den Bezogenen übrigens nicht, die Verweigerung der Zahlung auf dem Check festzuhalten. Wenn der Bezogene diese Form nicht beachtet, ist es vielmehr Sache des Checkinhabers, zur Wahrung des Rückgriffsrechtes den öffentlichen Protest vorzunehmen.
2.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte auch einen checkrechtlichen Bereicherungsanspruch erhoben, der nach Ansicht der Vorinstanz dem Recht am Wohnort Ettingers und dessen Erbin, d.h. der deutschen Rechtsordnung unterliegt. Das Obergericht geht aus von
Art. 1142 OR
und nimmt mit ZIMMERMANN (N. 3c zu Art. 1142) an, der Aussteller sei aus Versehen in dieser Bestimmung nicht, sondern nur in
Art. 1052 OR
erwähnt. SCHÖNENBERGER/JÄGGI (Allg. Einleitung N. 344 und 348) scheinen für Bereicherungsansprüche aus Wechsel- und Checkrecht ebenfalls das Wohnsitzprinzip gelten zu lassen. Nach GUHL/MERZ/KUMMER (OR S. 830) ist beim Check eine besondere Bereicherungsklage gegen den Aussteller, den Bezogenen oder den Domiziliaten möglich. Diese Autoren verweisen auf
Art. 1142 und 1143 Abs. 1 Ziff. 14 OR
, zugleich aber auf ihre Ausführungen zum Wechselrecht (S. 817), wo vom Aussteller indes nicht die Rede ist; die Anwendbarkeit des Wohnsitzrechts gemäss der in
Art. 1093 OR
enthaltenen Kollisionsnorm wird dort beschränkt auf den Bereicherungsanspruch gegen den Bezogenen, den Domiziliaten und die Person oder Firma, für deren Rechnung der Wechsel gezogen worden ist.
Der vom Obergericht übernommenen Auffassung ZIMMERMANNS ist entgegenzuhalten, dass
Art. 1052 Abs. 1 OR
einen Bereicherungsanspruch gegen den Aussteller des Wechsels vorsieht, aber nicht sagt, welchem Recht der Anspruch unterliegt. Die Annahme sodann, der Aussteller sei in Art. 1142 wie in
Art. 1093 OR
übersehen worden, deckt sich nicht mit den
BGE 102 II 270 S. 277
Gesetzesmaterialien. Der Entwurf von 1928 für die Revision des OR ordnete in Art. 1031 die Bereicherungsansprüche aus dem Wechselrecht nahezu gleich wie der geltende
Art. 1052 OR
. Die Ansprüche konnten erhoben werden gegen den Aussteller und den Annehmer des Wechsels (Abs. 1), ferner gegen den Bezogenen, den Domiziliaten, die Person oder Firma, für deren Rechnung der Wechsel gezogen wurde, sowie gegen die Zahlstelle (Abs. 2), nicht aber gegen den Indossanten (Abs. 3). Inhalt und Wirkungen der Wechselerklärung unterstanden im allgemeinen dem Gesetz des Staates, in dem die Erklärung unterschrieben wurde (Art. 1068). Für den Bereicherungsanspruch gegen den Bezogenen, den Domiziliaten, die Zahlstelle und die Person oder Firma, für deren Rechnung der Wechsel gezogen wurde, sollte das Recht am Wohnsitz des Belangten anwendbar sein (Art. 1070). Diese Ordnung entspricht im wesentlichen den geltenden
Art. 1090 Abs. 2 und 1093 OR
. Sie wurde in der Botschaft vom 21. Februar 1928 dahin erläutert, dass der in Art. 1031 Abs. 2 vorgesehene Bereicherungsanspruch sich nach dem Wohnsitzrecht der Beklagten bestimme (Art. 1070), während für den wechselmässigen Bereicherungsanspruch gegen Annehmer und Aussteller nach Art. 1068 das Recht am Ort der Annahme bzw. der Ausstellung massgebend sei (BBl 1928 I 338). Für Bereicherungsansprüche aus dem Checkrecht und das dabei anwendbare Recht sah der Entwurf in den besonderen Bestimmungen (Art. 1076 bis 1089) nichts Abweichendes vor, weshalb gemäss Art. 1090 die Vorschriften über den gezogenen Wechsel auch für den Check galten (BBl 1928 I 343).
Mit einer Nachtragsbotschaft vom 12. Februar 1932 zur Revision des OR unterbreitete der Bundesrat den eidgenössischen Räten einen weiteren Entwurf, in dem die Abschnitte über den Wechsel und den Check den Genfer Abkommen von 1930/31 angepasst waren (BBl 1932 I 217 ff.). Die Bereicherungsansprüche aus Wechselrecht gemäss dem früheren Entwurf wurden unverändert beibehalten (Art. 1032), ebenso die Vorschriften über das anwendbare Recht (Art. 1070 Abs. 2 und 1073); diese wurden lediglich dahin ergänzt, dass das Recht des Zahlungsortes die Wirkungen bestimmen sollte, welche den Verpflichtungserklärungen des Annehmers eines gezogenen Wechsels und des Ausstellers eines Eigenwechsels zukommen (Art. 1070 Abs. 1). Beim Check wurden anstelle
BGE 102 II 270 S. 278
einer blossen Verweisung analoge Vorschriften über die Bereicherungsansprüche und das anwendbare Recht eingefügt (Art. 1138, 1166 und 1168). Die Botschaft erklärt dazu, dass diese Ansprüche in den Genfer Abkommen fehlten, aber gestützt auf die darin den Vertragsstaaten eingeräumte Befugnis in den Entwurf aufgenommen worden seien (BBl 1932 I 221 und 223). Die parlamentarischen Beratungen haben daran, wie der Vergleich mit den geltenden Normen zeigt, nichts Wesentliches geändert; es wurde lediglich Art. 1138 wieder durch eine Verweisung auf die Vorschrift des Wechselrechtes ersetzt und der Bereicherungsanspruch gegen die Zahlstelle in den Bestimmungen über das anwendbare Recht gestrichen.
Aus der Entstehungsgeschichte geht somit klar hervor, dass der Gesetzgeber den Bereicherungsanspruch gegen den Aussteller des Checks weder der Kollisionsnorm des Art. 1142 unterstellen wollte noch den Sitz des Bezogenen als Anknüpfungspunkt betrachtete, sondern dass nach
Art. 1140 OR
das Recht des Ausstellungsortes massgebend ist (so auch SCHNITZER, Handbuch des Internationalen Handels-, Wechsel- und Checkrechtes, S. 439/40 in Verbindung mit S. 409/12). Da Ettinger den Check in Paris ausgestellt hat, wäre der Bereicherungsanspruch der Klägerin somit entgegen der Annahme des Obergerichtes nicht nach deutschem, sondern nach französischem Recht zu beurteilen. Schweizerisches Recht scheidet also aus, und wie es sich nach ausländischem verhält, hat das Bundesgericht in Fällen, wie hier, auf Berufung hin nicht zu prüfen (
BGE 101 II 170
Erw. 3 mit Hinweisen).
3.
Die Klägerin leitet ihre Forderung ferner aus einem Darlehensverhältnis ab, das dem Check zugrunde liege. In diesem Punkte wendet die Vorinstanz französisches Recht an, was nicht zu beanstanden ist. Nach den Akten, auf die das Obergericht gemäss Auffassung des Kassationsgerichtes abstellen durfte, hat die Klägerin sich seit September 1939 mit der Absicht dauernden Verbleibens in Frankreich aufgehalten. Hatte sie als Darlehensgeberin aber dort Wohnsitz, so ist für das zivilrechtliche Grundverhältnis das französische Recht massgebend (SCHÖNENBERGER/JÄGGI, Allg. Einleitung N. 280). Die Klägerin versucht dies in der Berufung nicht zu widerlegen, wirft dem Obergericht aber vor, insbesondere von
Art. 8 ZGB
abweichende Beweisregeln des französischen Rechts angewendet zu haben.
BGE 102 II 270 S. 279
Das Obergericht verwehrte der Klägerin vorweg gestützt auf Art. 1341 CC den Zeugenbeweis, weil ein Vertrag mit einem Wert über FF. 50.-- durch schriftliche Urkunde bewiesen werden müsse, die hier fehle. Grundsätzlich richte der Beweis sich zwar nach dem Verfahrensrecht am Ort der Prozessführung. Im vorliegenden Fall müsse die Beweisregel des französischen Rechts jedoch beachtet werden, weil sie sich praktisch wie eine Formvorschrift des materiellen Rechts auswirke: Die Parteien müssten die für den Vertrag vorgesehene Schriftform, die sich nach dem Recht des Abschlussortes bestimme, einhalten, um sich auf das Rechtsgeschäft berufen zu können. Nach Art. 1347 CC sei der Zeugenbeweis ausnahmsweise zwar zulässig, wenn der Beginn eines Urkundenbeweises vorliege und der Beweispflichtige dies geltend mache. Hier müsste der Zeugenbeweis jedoch so oder anders verweigert werden, weil einzig der Check als Urkunde in Betracht käme, die der Vorschrift des Art. 1347 nicht genüge.
Die Klägerin versucht diese Gründe nicht im einzelnen zu widerlegen. Sie begnügt sich vielmehr mit Ausführungen darüber, dass die von der Vorinstanz angewandten Bestimmungen des französischen Rechts den
Art. 8-10 ZGB
widersprächen.
Art. 8 ZGB
ordnet indes bloss die Beweislast für rechtserhebliche Tatsachen, sagt aber nicht, wie und mit welchen Mitteln Beweis zu führen und wie dieser zu würdigen ist (
BGE 95 II 452
,
BGE 98 II 79
und 330; KUMMER, N. 8 zu
Art. 8 ZGB
); dies bestimmt sich nach kantonalem Verfahrensrecht und wenn ausländisches anwendbar ist, nach diesem.
Art. 10 ZGB
sodann, der an sich eine Schranke zur Streitfrage enthält, greift nicht ein, wenn ein Rechtsverhältnis dem ausländischen Recht untersteht. Die Frage, ob diesfalls auch die Beweisformen des ausländischen Rechts massgebend sind, ist freilich umstritten (KUMMER, N. 15 zu
Art. 10 ZGB
mit Hinweisen); sicher ist aber, dass sie nicht allgemein, sondern nur nach der im Einzelfall in Betracht kommenden Norm entschieden werden kann.
Art. 1341 CC bestimmt insbesondere, dass über alle Gegenstände, die den Betrag oder den Wert von FF. 50.-- überschreiten, eine notarielle oder private Urkunde aufgenommen werden muss; ein Zeugenbeweis gegen den Inhalt der Urkunde oder über diesen hinaus wird nicht zugelassen, auch nicht über das, was angeblich vor, bei oder nach Aufnahme
BGE 102 II 270 S. 280
der Urkunde besprochen worden ist (Abs. 1). Die Bestimmung geht zudem den Vorschriften des Handelsrechts vor (Abs. 2). Sie wird verschieden ausgelegt. Die Auffassung des Obergerichts, das in Art. 1341 CC eine Norm des materiellen Rechts erblickt und die Vorschrift deshalb für zwingend hält, wird von mehreren Autoren geteilt (vgl. insbes. GULDENER, Das internationale und interkantonale Zivilprozessrecht der Schweiz, S. 27; BECKER, Vorbemerkungen zu
Art. 11-16 OR
N. 4; VISCHER, Internationale Vertragsrecht, S. 157/8), während andere sich auf den gegenteiligen Standpunkt stellen (SCHÖNENBERGER/JÄGGI, Allg. Einleitung N. 180; SCHNITZER, Handbuch des internationalen Privatrechts II, 4. Aufl. S. 853/4).
Art. 1341 CC ist im Abschnitt über den Zeugenbeweis eingeordnet. Nach ihrem Wortlaut und Inhalt ist die Bestimmung indes in erster Linie eine Formvorschrift; ihre verfahrensrechtliche Bedeutung erschöpft sich im Ausschluss des Zeugenbeweises. Der materiellrechtliche Charakter, der durch die praktischen Auswirkungen des Formerfordernisses noch erhöht wird, überwiegt den prozessualen Gehalt der Bestimmung derart, dass ihre Beachtung durch den schweizerischen Richter sich aufdrängt. Bei diesem Ergebnis ist, wie das Obergericht beifügt, auch Art. 1347 CC zu berücksichtigen, der eine Ausnahme zulässt, wenn der Anfang eines Urkundenbeweises vorhanden ist. Ob dies hier zutrifft, beurteilt sich ebenfalls nach französischem Recht und ist zudem eine Frage der Beweiswürdigung, die vom Bundesgericht auf Berufung hin aber so wenig zu überprüfen ist wie die Anwendung ausländischen Rechts (Art. 43 Abs. 1 und 55 Abs. 1 lit. c OG).
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichts (II. Zivilkammer) des Kantons Zürich vom 19. Dezember 1975 bestätigt. | public_law | nan | de | 1,976 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
c2e31557-96f0-4732-a4fd-d0c77e930403 | Urteilskopf
109 III 62
18. Auszug aus dem Entscheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 30. März 1983 i.S. F. (Rekurs) | Regeste
Verwertung einer Forderung.
Der Zuschlag einer gepfändeten Forderung an den Pfändungsgläubiger und zugleich Schuldner derselben ist zulässig. | Sachverhalt
ab Seite 62
BGE 109 III 62 S. 62
In der von den Schwestern S. für eine Forderung von Fr. 60'038.55 gegen F. eingeleiteten Betreibung pfändete das Betreibungsamt am 20. Juli 1981 vier strittige Forderungen des Schuldners, die je auf Fr. 1.-- geschätzt wurden. Da kein weiteres pfändbares Vermögen vorhanden war, diente die Pfändungsurkunde
BGE 109 III 62 S. 63
zugleich als provisorischer Verlustschein im Sinne von
Art. 115 Abs. 2 SchKG
. Am 12. Juli 1982 wurde dem Schuldner das Verwertungsbegehren der Gläubigerinnen mitgeteilt. Am 23. Juli 1982 stellte der Schuldner das Gesuch, von Verwertungsmassnahmen abzusehen und den provisorischen Verlustschein in Anwendung von
Art. 127 SchKG
ohne weiteres als definitiv zu erklären, da der vermutliche Erlös der Verwertung nicht einmal die Kosten decken werde. Seine Beschwerden gegen den Nichteintretensentscheid des Betreibungsamtes wiesen die untere kantonale Aufsichtsbehörde mit Beschluss vom 26. August 1982 und die obere Aufsichtsbehörde mit Beschluss vom 18. Februar 1983 ab.
F. erhebt Rekurs ans Bundesgericht und beantragt, die ergangenen Verfügungen seien insofern aufzuheben, als sie den Erwerb der streitigen Forderung Nr. 4 durch die Schwestern S. in der Verwertung als zulässig erklären. Die Rekursgegnerinnen seien bei der Durchführung der öffentlichen Versteigerung vom Erwerb der streitigen Forderung Nr. 4 auszuschliessen.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Der Rekurrent macht im wesentlichen geltend, der Zuschlag der Forderung Nr. 4 an die Rekursgegnerinnen hätte den Untergang der Forderung durch Vereinigung zur Folge. Die Billigung des sofortigen Untergangs der zugeschlagenen Forderung verkenne Wesen und Zweck des Instituts der Zwangsverwertung und verletze deshalb Bundesrecht. Die Zwangsverwertung diene der Befriedigung der Gläubiger durch Versilberung des gepfändeten Vermögens. Die Zuteilung von Gegenständen des Schuldners an einen Gläubiger komme grundsätzlich nicht in Frage (AMONN, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechtes, S. 204). Einer solchen zweckwidrigen Massnahme komme aber der Zuschlag einer Forderung an den Pfändungsgläubiger und Schuldner derselben gleich, zumal wenn dieser das Verwertungsbegehren gestellt habe, um die Forderung dem Pfändungsschuldner zu entziehen, andererseits aber ausdrücklich bestreite, dass die Forderung überhaupt bestehe, d.h., behaupte, dass diese wertlos sei. Der Einwand der Aufsichtsbehörde, es sei für das Betreibungsverfahren ohne Bedeutung, was der Ersteigerer mit der Forderung mache, berücksichtige nicht, dass in diesem Fall der Untergang der Forderung durch Konfusion uno actu mit dem Zuschlag erfolge.
BGE 109 III 62 S. 64
Die Forderung Nr. 4 gemäss Pfändungsurkunde wird nur gegen einen Geldbetrag zugeschlagen werden. Dieses Geld wird der Befriedigung der Gläubiger dienen. Die Forderung wird somit dem Schuldner entzogen und durch den Zuschlagspreis ersetzt. Wie die Vorinstanz zu Recht ausführt, hat sich das Betreibungsamt nach der Bezahlung des Zuschlagspreises nicht darum zu kümmern, was der Ersteigerer mit dem Ersteigerten macht. Es spielt für das Betreibungsamt auch keine Rolle, ob etwas Wertloses ersteigert wird. Im Zeitpunkt des Zuschlages wird der Ersteigerer Eigentümer der ihm zugeschlagenen Sache und trägt somit Nutzen und Gefahr. Die Tatsache, dass die Sache unmittelbar nach dem Zuschlag untergeht, hat keine Bedeutung für die Gültigkeit des Zuschlags. Der Zuschlagspreis kommt so oder so den Pfandgläubigern zugute. Im vorliegenden Fall werden die Rekursgegnerinnen, falls ihnen die Forderung Nr. 4 zugeschlagen wird, nur eine durch Vereinigung untergegangene Forderung erhalten. Trotzdem wird man nicht sagen können, sie hätten nichts bekommen; denn immerhin erreichen sie damit den Untergang einer Forderung, die sie bestreiten. Es ist mithin nicht dargetan, dass der vom Rekurrenten kritisierte allfällige Zuschlag der Forderung Nr. 4 an die Rekursgegnerinnen zu einem dem Zweck der Zwangsvollstreckung nicht entsprechenden und damit bundesrechtswidrigen Ergebnis führen wird.
3.
Auch der Einwand, eine gepfändete Sache dürfe dem betreibenden Gläubiger nicht als Gegenleistung für seine Forderung übergeben werden, dringt nicht durch. Durch die Anordnung der Steigerung verzichtete das Betreibungsamt gerade auf die in
Art. 131 SchKG
vorgesehene ausserordentliche Pfandverwertung durch Forderungsüberweisung (zum ausserordentlichen Charakter dieser Verwertung vgl. AMONN, a.a.O., S. 212 ff. insbesondere Ziff. 2). Die streitige Forderung wird dem betreibenden Gläubiger auch gar nicht an Zahlungsstatt übergeben; vielmehr erhält er sie nur gegen Bezahlung des Zuschlagspreises. Eine Übergabe der gepfändeten Forderung an Zahlungsstatt an den Schuldner dieser Forderung wäre im übrigen ausgeschlossen (
BGE 54 III 211
;
BGE 43 III 62
;
BGE 32 I 391
).
Dispositiv
Demnach erkennt die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer:
Der Rekurs wird abgewiesen. | null | nan | de | 1,983 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
c2eb4cce-eba7-48b1-852f-714920487e26 | Urteilskopf
100 Ib 459
76. Extrait de l'arrêt du 11 octobre 1974 dans la cause Division fédérale de justice contre Sofindex Anstalt et Conseil d'Etat du canton du Valais. | Regeste
Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland. Beschränkung des Veräusserungsrechts. Wiederverkaufan Personen in der Schweiz.
1. Eine das Veräusserungsrecht beschränkende Auflage, an welche die Bewilligung für den Erwerb eines Grundstücks geknüpft worden ist, kann nicht allein deshalb widerrufen werden, weil das Objekt an eine in der Schweiz domizilierte Person weiterverkauft werden soll (Erw. 3 a).
2. Zulässigkeit eines zeitlich beschränkten Verbots des Wiederverkaufs, das die Spekulation verhindern soll (Erw. 3 b).
3. Fall des Wiederverkaufs einer Parzelle, von der nur ein Miteigentumsanteil mit einer Beschränkung des Veräusserungsrechts belastet ist (Erw. 3 c). | Sachverhalt
ab Seite 460
BGE 100 Ib 459 S. 460
Résumé des faits:
A.-
La société financière "Sofindex Anstalt" à Vaduz, fondée le 24 mars 1961 et dont l'unique actionnaire est le ressortissant français R. Bouillant, domicilié en France, a acquis une part de copropriété équivalant à quatre sixièmes des parcelles nos 11 116 (de 653 m2), 11 120 (de 6395 m2) et 11 187 (de 870 m2), sises sur le territoire de la commune de Martigny.
Par contrat de vente du 25 octobre 1969, elle a acquis des deux autres copropriétaires leur part respective - d'un sixième chacune - des parcelles en cause, de sorte qu'elle est devenue propriétaire unique de la totalité de ces trois parcelles. Cette dernière acquisition était soumise à autorisation en vertu de l'arrêté fédéral du 23 mars 1961 "instituant le régime de l'autorisation pour l'acquisition d'immeubles par des personnes domiciliées à l'étranger" (en abrégé: l'arrêté fédéral ou AF 1961). L'autorisation a été accordée le 6 décembre 1969 par le Service juridique du registre foncier du canton du Valais, mais subordonnée à une restriction du droit d'aliéner pendant dix ans; cette restriction a été mentionnée comme charge au registre foncier.
B.-
Le 11 mars 1974, la Société a demandé au Service juridique du registre foncier de révoquer la charge qui grevait la parcelle 11 187, afin qu'elle puisse vendre cette parcelle à Guido Ribordy, domicilié à Martigny, et à Ferdinand de Torrenté, domicilié à Epalinges. Elle exposait notamment qu'elle
BGE 100 Ib 459 S. 461
devrait céder plus de la moitié de cette parcelle en vue de la construction d'une route projetée par la commune et que le solde ne serait plus utilisable pour elle.
Le chef du Service juridique du registre foncier à Sion a rejeté la demande par décision du 27 mars 1974. Saisi d'un recours contre cette décision, le Conseil d'Etat l'a admis le 22 mai 1974, en retenant notamment que l'arrêté fédéral sur l'acquisition d'immeubles par des personnes domiciliées à l'étranger n'a pas voulu limiter l'acquisition d'immeubles par des personnes domiciliées en Suisse.
C.-
Agissant par la voie du recours de droit administratif, la Division de la justice du Département fédéral de justice et police conclut à l'annulation de la décision du Conseil d'Etat et au refus de la radiation de la charge. Elle conteste que soient réalisées en l'espèce les conditions auxquelles la révocation d'une charge est possible en vertu de l'art. 17 al. 4 de l'"ordonnance du Conseil fédéral sur l'acquisition d'immeubles par des personnes domiciliées à l'étranger" du 21 décembre 1973 (en abrégé: OCF 1973), fondée sur l'art. 34 de l'arrêté fédéral, dans sa teneur du 21 mars 1973 (en abrégé: AF 1973).
Le Tribunal fédéral a admis le recours.
Erwägungen
Extrait des motifs:
3.
a) Le Conseil d'Etat estime que la charge devrait être révoquée pour cette raison déjà que l'immeuble est vendu à des citoyens suisses domiciliés en Suisse; il se réfère à ce propos au Message du Conseil fédéral aux Chambres (du 15 novembre 1960, FF 1960 II 1253 ss.), dans lequel il est précisé que "l'aliénation à des personnes se trouvant en Suisse reste libre" (p. 1270).
Il est vrai que l'acquisition d'un immeuble par une personne domiciliée en Suisse n'est pas soumise en tant que telle à autorisation, même si l'immeuble à aliéner est la propriété d'une personne domiciliée à l'étranger. Mais ce n'est pas l'acquisition elle-même de l'immeuble de Sofindex par Guido Ribordy et Ferdinand de Torrenté qui fait directement l'objet du présent litige, c'est uniquement la révocation de la charge à laquelle avait été subordonnée, en 1969, l'autorisation donnée à Sofindex d'acquérir les deux quotes-parts d'un sixième qui
BGE 100 Ib 459 S. 462
appartenaient auparavant à d'autres personnes. Si souhaitable que puisse être le retour d'immeubles en mains suisses, il ne suffit pourtant pas à lui seul à justifier la révocation d'une charge à laquelle l'acquisition antérieure a été subordonnée.
En effet, la charge vise à assurer l'affectation de l'immeuble au but indiqué par l'acquéreur (art. 8 AF 1973, 17 al. 2 OCF 1973). Si les dispositions en vigueur lors de l'acquisition de 1969 ne précisaient pas le but auquel pouvaient tendre les conditions et charges prévues à l'art. 6 al. 4 AF 1961, il est évident que ces dernières devaient déjà servir à assurer le caractère sérieux et durable de l'intérêt légitime allégué par le requérant et admis par l'autorité compétente pour justifier l'octroi de l'autorisation. Ainsi, lesdites conditions et charges doivent être maintenues sans égard à la personne de l'acquéreur. Vouloir en faire abstraction simplement parce que la revente des immeubles va se faire à une personne domiciliée en Suisse, ce serait affaiblir considérablement l'exigence de l'intérêt légitime posée par l'art. 6 AF 1973, rendre sensiblement plus difficile la tâche de l'autorité chargée de s'assurer de l'existence d'un tel intérêt et priver finalement le régime de l'autorisation d'une bonne partie de son efficacité.
En l'espèce, le but poursuivi par l'acquéreur n'est pas indiqué dans la décision d'autorisation du 6 décembre 1969, rédigée sur formule imprimée. Ce but ressort en revanche d'une autre pièce du dossier: la déclaration du 25 novembre 1969 adressée au chef du Service juridique du registre foncier à Sion par l'administrateur de la Société, qui précise que le ressortissant français R. Bouillant, domicilié en France, est le seul actionnaire de Sofindex Anstalt et que, "en rapport avec cette acquisition de terrains à Martigny, il a l'intention de s'établir en Suisse dès que les circonstances le permettront". Ainsi la charge à laquelle l'autorisation du 6 décembre 1969 a été subordonnée était destinée à assurer l'affectation précitée. Le bénéficiaire de l'autorisation a accepté cette charge; il n'a pas prétendu qu'elle eût été matériellement injustifiée, ce qui lui aurait permis de l'attaquer par voie de recours (cf. RNRF 1963 p. 46). Il a donc implicitement accepté l'engagement de ne pas revendre pendant dix ans les terrains acquis en 1969. Aussi ne saurait-il se plaindre aujourd'hui du maintien de cette charge, alors même que c'est à des personnes domiciliées en Suisse qu'il envisage de revendre la parcelle 11 187.
BGE 100 Ib 459 S. 463
b) Le Conseil d'Etat prétend encore déduire du Message du Conseil fédéral qu'une charge destinée à lutter contre la spéculation foncière sortirait du cadre de l'arrêté fédéral et qu'elle manquerait de base constitutionnelle, l'art. 64 al. 2 Cst. invoqué dans le préambule de l'arrêté fédéral ne permettant pas à la Confédération de prendre des mesures destinées à lutter contre la spéculation foncière.
Il est vrai que le but premier visé par l'arrêté fédéral du 23 mars 1961 est d'empêcher l'accaparement incontrôlé du sol suisse par des étrangers; mais il est évident qu'en subordonnant l'autorisation d'acquérir à l'existence d'un intérêt légitime, l'arrêté fédéral entend empêcher notamment les acquisitions motivées par une intention de spéculation, laquelle ne saurait être reconnue comme un intérêt légitime. La préoccupation de freiner indirectement la spéculation foncière se manifeste d'ailleurs aussi bien dans le Message du Conseil fédéral (FF 1960 II 1260, 1275) que dans les délibérations des Chambres fédérales (cf. notamment Bull. stén. 1960, CN p. 716, 718, 719, 724). Ainsi le Conseil fédéral avait prévu, à l'art. 6 du projet, que l'approbation devait être refusée lorsque l'aliénateur ou l'acquéreur agissait à des fins de spéculation (al. 2 lettre a). Si les Chambres fédérales n'ont pas repris cette formule, ce n'est pas parce qu'elles voulaient exclure des mesures tendant à lutter contre la spéculation foncière, mais essentiellement pour des considérations touchant à la répartition du fardeau de la preuve: la formule retenue par elles à l'art. 6 al. 1 lettre a impose en effet au requérant lui-même d'apporter la preuve d'un intérêt légitime apte à justifier l'acquisition envisagée, alors que, selon l'art. 6 al. 2 lettre a du projet, il appartenait en fait à l'autorité d'établir qu'il y avait intention spéculative (cf. en particulier la déclaration du rapporteur Stadlin au Conseil national, Bull. stén. 1960 CN p. 761).
La jurisprudence de la Commission fédérale de recours, publiée en partie dans la Revue suisse du notariat et du registre foncier (en abrégé: RNRF), a également relevé à plusieurs reprises que des acquisitions à caractère spéculatif ne pouvaient être considérées comme présentant un intérêt légitime au sens de l'art. 6 al. 2 lettre a de l'arrêté fédéral de 1961, pas plus d'ailleurs que l'intention d'effectuer un placement sûr (cf. notamment RNRF 1962 p. 93, 145).
BGE 100 Ib 459 S. 464
On ne saurait donc retenir, comme le Conseil d'Etat prétend pouvoir le faire, qu'une charge consistant en une interdiction de revendre pendant un certain temps serait contraire à l'esprit de l'arrêté fédéral, parce qu'elle aurait pour but d'exclure une intention de spéculation chez l'acquéreur. La constitution de ladite charge était tout à fait admissible; elle apparaît même comme parfaitement justifiée dans le cas d'espèce. Aussi bien Sofindex l'a-t-elle acceptée à l'époque et considérée implicitement comme matériellement justifiée, sans quoi elle aurait pu recourir contre la décision qui l'imposait (cf. RNRF 1963 p. 46).
c) Dans sa réponse au recours de droit administratif, Sofindex conteste que la charge imposée en 1969 aux deux sixèmes de la parcelle 11 187 soit indivisible, comme le prétend la recourante.
Il est exact que la charge ne grève que la quote-part de deux sixièmes acquise en 1969, alors que la quote-part de quatre sixièmes en est franche et pourrait être vendue à des Suisses, sans qu'une autorisation soit nécessaire. Il n'en reste pas moins que la charge n'est divisible que mathématiquement, en ce sens qu'elle ne grève qu'une quote-part idéale de deux sixièmes de la parcelle; mais elle n'est pas divisible matériellement, en ce sens qu'elle ne peut pas être localisée à un endroit déterminé de la parcelle, par exemple sur sa partie nord-ouest. Même la vente de la quote-part de quatre sixièmes, franche de charge, ne changerait rien à la situation. C'est éventuellement dans une procédure de dissolution et de partage de la copropriété qu'une telle localisation pourrait se faire.
Mais il n'y a pas lieu d'examiner plus à fond cette question, car c'est la parcelle totale qui fait l'objet du contrat de vente du 7 mars 1974; et comme une part idéale de cette parcelle est frappée d'une interdiction de revente pendant dix ans, la vente de la parcelle entière ne peut avoir lieu que si ladite charge est préalablement révoquée. | public_law | nan | fr | 1,974 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
c2f7755d-95e5-45ff-8cf9-d947b4e80daf | Urteilskopf
107 IV 12
5. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 16. Januar 1981 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt gegen S. (Nichtigkeitsbeschwerde). | Regeste
Art. 33 StGB
. Gezielte Schussabgabe auf einen flüchtigen Dieb.
1. Notwehrlage. Der Angriff auf das Eigentum und seine Abwehr im Sinne von
Art. 33 StGB
dauern an, solange der Berechtigte und der Angreifer unmittelbar im Anschluss an die Tat um den Gewahrsam an der Sache streiten (E. 2).
2. Angemessene Abwehr. Eine einfache Körperverletzung kann im Falle eines schwerwiegenden Angriffs auf das Eigentum gerechtfertigt sein. Zur Abwehr ist auch die Verwendung eines an sich gefährlichen Werkzeugs zulässig, wenn der Abwehrende dieses aufgrund seiner besonderen Fähigkeiten verhältnismässig einsetzen kann (E. 3 und 4). | Sachverhalt
ab Seite 12
BGE 107 IV 12 S. 12
A.-
S. (geb. 1949) betreibt in Basel eine Wechselstube und ein Münzengeschäft, in dem sich der Tresor für beide Geschäfte befindet. Am 12. Oktober 1978 packte er nach Geschäftsschluss, ca. um 19.55 Uhr, Banknoten und Münzen in eine Mappe, um sie im Tresor zu verwahren. Als er mit beiden Händen das Scherengitter der Wechselstube schliessen wollte und die Mappe daher für einen Augenblick zwischen seinen Füssen und dem Gitter abstellte, wurde diese von M. (geb. 1960), der sich von hinten angeschlichen hatte, weggerissen. M. rannte mit der Mappe davon. S., der zu seinem Schutz meistens
BGE 107 IV 12 S. 13
eine Pistole auf sich trägt, schrie zuerst "Halt" und gab, als dies nichts nützte, einen Warnschuss in die Luft ab. Zugleich machte er sich an die Verfolgung des flüchtigen Diebs. Ein Passant schloss sich ihm bei der Verfolgung an. Er rief ebenfalls laut "Halt, Polizei, stehen bleiben". S. gab einen zweiten und kurz darauf einen dritten Warnschuss ab. M. hörte die Rufe und Schüsse, glaubte sogar, es werde gezielt auf ihn geschossen, setzte aber gleichwohl seine Flucht mit der Geldmappe fort. Andere Personen, die M. hätten aufhalten können, waren nicht in Sicht. Langsam vergrösserte sich der Vorsprung des flüchtigen Diebes. Als S. erkannte, dass der Dieb ihm mit der Beute entwischen werde, blieb er stehen und gab auf 10-15 m einen gezielten Schuss auf den Unterschenkel des M. ab. Dieser wurde getroffen, liess die Mappe fallen und flüchtete hinkend weiter. S. ergriff die Mappe und verfolgte den Dieb nicht weiter. M. konnte jedoch in der Folge verhaftet werden. Er hatte einen leichten Streifschuss aussen am linken Unterschenkel erlitten, der komplikationslos heilte.
Die Mappe enthielt Werte von insgesamt ca. Fr. 53'000.-, was dem Verdienst des S. während 1 1/2 bis 2 Jahren entsprach. Die Werte waren nicht versichert und nicht versicherbar.
S. ist ein geübter Schütze. Ein später unter Mitwirkung der Polizei durchgeführtes Probeschiessen unter analogen Bedingungen ergab, dass von ca. 15 bei Dunkelheit auf 15-20 m abgegebenen Schüssen keiner auf Kniehöhe oder darüber einschlug.
B.-
Das Strafgericht Basel-Stadt verurteilte am 25. September 1979 S. wegen einfacher Körperverletzung, begangen in Überschreitung der Grenzen der Notwehr, zu zehn Tagen Haft mit bedingtem Vollzug. Auf seine Berufung hin sprach ihn das Appellationsgericht am 24. September 1980 frei.
C.-
Die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt verlangt mit Nichtigkeitsbeschwerde, S. sei entsprechend dem Urteil des Strafgerichts Basel-Stadt schuldig zu sprechen.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Die Parteien und die kantonalen Instanzen gehen übereinstimmend davon aus, dass sich der Beschwerdegegner noch in einer Notwehrlage befand, als er auf den flüchtigen Dieb schoss. Ob diese rechtliche Würdigung des Sachverhalts zutrifft,
BGE 107 IV 12 S. 14
ist eine Rechtsfrage, die im Verfahren der Nichtigkeitsbeschwerde von Amtes wegen zu prüfen ist, nachdem sinngemäss Rückweisung zur Verurteilung des Beschwerdegegners wegen einfacher Körperverletzung verlangt wird.
Die kantonalen Gerichte berufen sich für ihre Auffassung auf STRATENWERTH (Strafrecht, Allgemeiner Teil I, 2. Aufl., S. 136 N. 420), SCHÖNKE/SCHRÖDER (Strafgesetzbuch, Kommentar, 20. Aufl., § 32 N. 15) und
BGE 102 IV 6
, unter Ablehnung der gegenteiligen Meinung von DUBS (Notwehr, ZStR 89/1973 S. 344).
Der Angriff auf das Eigentum eines andern ist in der Tat nicht notwendigerweise schon dann abgeschlossen, wenn der Täter die fremde Sache in Händen hat; dass der Diebstahl allenfalls in diesem Moment vollendet ist (was hier nicht geprüft werden muss), ist unerheblich. Der Angriff auf das Eigentum und seine Abwehr im Sinne von
Art. 33 StGB
dauern an, solange der Berechtigte und der Angreifer unmittelbar im Anschluss an die Tat um den Gewahrsam an der Sache streiten, sei es handgreiflich, sei es, dass der Berechtigte den Dieb sofort verfolgt und ihm die Beute wieder abzunehmen versucht. Wie es sich verhält, wenn das Opfer den Täter nicht unmittelbar im Anschluss an die Tat verfolgt (sei es, weil es diese nicht sogleich bemerkte, sei es, dass es aus irgendeinem Grunde an der sofortigen Verfolgung des Täters verhindert ist oder ihm diese vorerst zwecklos erscheint), sondern ihn mit dem Diebesgut erst später auf Nachforschungen hin oder zufällig antrifft, braucht hier nicht entschieden zu werden. Im vorliegenden Fall hat das Opfer sofort die Verfolgung des Täters zwecks Wiedererlangung des Diebesgutes aufgenommen. S. war dem Dieb auf den Fersen und hat ihn nicht aus den Augen verloren. Die Schussabgabe erfolgte kurz nachdem M. die Mappe an sich gerissen und die Männer eine Strecke von rund 110 m zurückgelegt hatten. S. sah von jeder weiteren Verfolgung ab, als M. die Mappe fallen liess. Die dem Beschwerdegegner zur Last gelegte Tat steht zu jener des M. in einem derart engen Zusammenhang, dass sie im Sinne von
Art. 33 StGB
als Abwehr gegen den unberechtigten Angriff zu qualifizieren ist. Es wäre lebensfremd, anzunehmen, das Opfer könne sich von dem Augenblick an nicht mehr auf Notwehr berufen, in dem der Angreifer die umkämpfte Sache in Händen und sich einige Meter vom Opfer entfernt hat.
BGE 107 IV 12 S. 15
Die kantonales Behörden haben demnach die Notwehrlage zu Recht bejaht.
3.
Wer ohne Recht angegriffen oder unmittelbar mit einem Angriff bedroht wird, ist berechtigt, den Angriff in einer den Umständen angemessenen Weise abzuwehren.
a) Nach der schweizerischen Lehre und Rechtsprechung muss die Abwehr nach der Gesamtheit der Umstände als verhältnismässig erscheinen. Zu prüfen sind dabei namentlich die Schwere des Angriffs, die durch den Angriff und die Abwehr bedrohten Rechtsgüter, die Art des Abwehrmittels und dessen tatsächliche Verwendung (
BGE 102 IV 68
E. 2a mit Verweisungen; SCHULTZ, Einführung in den allgemeinen Teil des Strafrechts, Bd. I, S. 147 f., NOLL, Die Rechtfertigungsgründe im Gesetz und in der Rechtsprechung, ZStR 80/1964 S. 160 ff., insbesondere S. 165, DUBS, a.a.O., S. 348 f.). Die Angemessenheit der Abwehr ist dabei aufgrund jener Situation zu beurteilen, in welcher sich der rechtswidrig Angegriffene im Zeitpunkt seiner Tat befand; es dürfen nicht nachträglich von den Behörden allzu subtile Überlegungen darüber angestellt werden, ob der Angegriffene sich nicht allenfalls auch mit anderen, weniger einschneidenden Massnahmen hätte begnügen können und sollen (DUBS, a.a.O., S. 347).
b) Besondere Zurückhaltung ist geboten bei der Abwehr mit gefährlichen Werkzeugen, deren Verwendung stets die Gefahr schwerer oder gar tödlicher Verletzungen mit sich bringt (Messer, Beile, Schusswaffen, etc.). Angemessen ist die Abwehr, wenn der Angriff nicht mit andern weniger gefährlichen und zumutbaren Mitteln hätte abgewendet werden können, der Täter womöglich gewarnt worden ist und der Abwehrende vor Einsatz des gefährlichen Werkzeuges das Nötige zur Vermeidung einer übermässigen Schädigung vorgekehrt hat. Auch ist eine Abwägung der auf dem Spiele stehenden Rechtsgüter unerlässlich. Doch muss deren Ergebnis für den Angegriffenen, der erfahrungsgemäss rasch handeln muss, mühelos erkennbar sein. In dieser Sicht ist die Abwehr, die zu dauernder Verstümmelung oder zum Tode führen kann, in der Regel unangemessen, wenn sich der rechtswidrige Angriff allein gegen Eigentum und Vermögen richtet.
4.
Im Gegensatz zum Strafgericht nimmt die Vorinstanz an, dass dem Beschwerdegegner keine anderen Abwehrmittel mehr zur Verfügung standen, als er den gezielten Schuss abgab.
BGE 107 IV 12 S. 16
Er vermochte den Täter nicht einzuholen; im Gegenteil war der Abstand auf der Verfolgungsstrecke von rund 110 m langsam angewachsen. Der ihm zu Hilfe geeilte St. rannte noch etwas weniger schnell. Zurufe und Warnschüsse waren erfolglos geblieben. Es war bereits dunkel und die Gefahr, dass M. bei Fortsetzung der Verfolgung plötzlich ausser Sicht kam oder dass der Beschwerdegegner nach noch längerer Hetzjagd und bei grösserem Abstand nicht mehr zielsicher schiessen konnte, nahm zu. Die einzige Möglichkeit des Beschwerdegegners war die Abgabe eines gezielten Schusses, der geeignet war, dem Dieb die Fortsetzung der Flucht mitsamt der Beute zu erschweren. Auf dem Spiel standen dabei einerseits ein nicht versicherter und nicht versicherbarer Betrag, der nahezu dem Einkommen entsprach, das S. in zwei Jahren verdienen konnte, anderseits eine leichte bis mittelschwere Schussverletzung des Unterschenkels des Flüchtigen. Die Vorinstanz berücksichtigt zutreffend den Umstand, dass der Beschwerdegegner, wie sich bei einem Probeschiessen herausstellte, ein überdurchschnittlich treffsicherer Schütze ist und dass daher, wie S. wusste, die Gefahr einer schweren Körperverletzung (etwa Zerschmetterung eines Knies) oder gar einer Tötung des Diebes bei den konkreten Gegebenheiten nach menschlichem Ermessen ausgeschlossen war. Unter diesen Umständen war die gezielte Schussabgabe, durch welche unbestrittenermassen keine unbeteiligten Personen gefährdet wurden, ein angemessenes Mittel zur Abwehr des dreisten Angriffs auf das Eigentum. Die Auffassung der Staatsanwältin, der Beschwerdegegner habe zur Verteidigung seines Eigentums den Dieb nicht verletzen dürfen, schränkt das Notwehrrecht in unzumutbarer Weise ein. Eine einfache Körperverletzung kann im Falle eines schwerwiegenden Angriffs auf das Eigentum gerechtfertigt sein. Dass zu dieser einfachen Körperverletzung ein Mittel verwendet wird, welches üblicherweise die Gefahr einer - unverhältnismässigen - schweren Körperverletzung oder gar einer Tötung in sich birgt, kann dem Abwehrenden dann nicht angelastet werden, wenn dieser aufgrund seiner besonderen Fähigkeiten imstande ist, das Werkzeug verhältnismässig einzusetzen. Die Beschwerdeführerin legt nicht dar, welche "milderen" Mittel S. zur Verteidigung seines Eigentums noch zur Verfügung standen. Der Verzicht auf die weitere Verfolgung des Diebes könnte dem Beschwerdegegner selbst dann nicht vorgeworfen werden, wenn man annehmen
BGE 107 IV 12 S. 17
wollte, dass M. bei einer weiteren Verfolgung seine Beute eventuell fallen gelassen hätte oder dass er vom Beschwerdegegner doch noch hätte eingeholt oder möglicherweise von Passanten oder einem Polizisten hätte angehalten werden können. Wie bereits angedeutet darf dem Abwehrenden keinesfalls jene kühle Abwägung der gesamten Umstände und Möglichkeiten zugemutet werden, welche den Behörden bei der nachträglichen Beurteilung seines Verhaltens allenfalls möglich ist (vgl. auch SCHULTZ, a.a.O., S. 149 oben).
Die Vorinstanz hat daher kein Bundesrecht verletzt, wenn sie die Abwehr S. unter den gegebenen Umständen als angemessen wertete.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen. | null | nan | de | 1,981 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
c2f8cda2-93bb-42ac-b235-b39b24fc4419 | Urteilskopf
140 III 150
24. Auszug aus dem Urteil der I. zivilrechtlichen Abteilung i.S. A.X. und B.X. gegen Y. und Z. (Beschwerde in Zivilsachen)
4A_465/2013 vom 3. März 2014 | Regeste
Aktivlegitimation bei einer Mehrheit von Gläubigern.
Berechtigung mehrerer Gläubiger an einer Forderung: Abgrenzung von Einzelgläubigerschaft, gemeinschaftlicher Gläubigerschaft und Teilgläubigerschaft (E. 2.2); Anwendung auf den Fall zweier Miteigentümer, die ihre Liegenschaft als Ganze verkaufen (E. 2.3). | Sachverhalt
ab Seite 150
BGE 140 III 150 S. 150
A.
A.a
A.X. und B.X. waren je zur Hälfte Miteigentümer des Grundstücks N. Dieses verkauften sie mit öffentlich beurkundetem Kaufvertrag vom 17. Juli 2003 an Y. und Z., welche wiederum Miteigentum je zur Hälfte begründeten. Als Kaufpreis wurden Fr. 820'000.- vereinbart, die durch "ausseramtliche Banküberweisung zu Gunsten der Verkäuferschaft bis zum Grundbucheintrag" getilgt werden sollten. Die Eigentumsübertragung wurde am 12. Dezember 2003 ins Grundbuch eingetragen.
Am 8. Januar 2004 zahlte die Bank S. SA einen Kaufpreisanteil von Fr. 656'000.-. Zwischen den Parteien ist umstritten, ob auch der Restbetrag von Fr. 164'000.- bezahlt worden ist.
A.b
Mit Zahlungsbefehl Nr. q des Betreibungsamts F. vom 19. Januar 2005 betrieb der Verkäufer A.X. die Käuferin Y. über den Betrag von Fr. 82'000.- (zzgl. Zins und Kosten); B.X. betrieb ihrerseits mit Zahlungsbefehl Nr. p des Betreibungsamts F. vom 19. Januar
BGE 140 III 150 S. 151
2005 den anderen Käufer Z. über den nämlichen Betrag. Beide Käufer erhoben Rechtsvorschlag.
Mit Entscheid des Kreisgerichts Untertoggenburg-Gossau vom 24. Juni 2005 wurde den Verkäufern je die provisorische Rechtsöffnung erteilt.
B.
B.a
Die Käufer erhoben je am 17. Oktober 2005 beim Kreisgericht Untertoggenburg-Gossau Aberkennungsklage gegen den jeweiligen betreibenden Verkäufer.
Am 6. Juni 2012 fand die Hauptverhandlung vor dem Kreisgericht statt. Die Käufer machten zusammenfassend geltend, die beiden Verkäufer hätten im Zeitpunkt der Zustellung des Zahlungsbefehls jeweils für sich allein keine GläubigersteIlung bezüglich der je geltend gemachten Forderungen im Umfang von Fr. 82'000.- gehabt. Weiter sei die ausstehende Kaufpreisforderung ohnehin durch Zahlungen der Käufer an eine Drittperson getilgt worden.
Mit Urteil vom 7. Juni 2012 hiess das Kreisgericht die beiden Aberkennungsklagen im Umfang von Fr. 82'000.- zzgl. Zins gut.
B.b
Mit gemeinsamer Berufung vom 26. September 2012 stellten die Verkäufer dem Kantonsgericht St. Gallen Antrag auf Aufhebung des kreisgerichtlichen Urteils vom 7. Juni 2012 sowie Abweisung der Aberkennungsklage.
Mit Entscheid vom 31. Juli 2013 wies das Kantonsgericht die Berufung ab.
C.
Mit Beschwerde in Zivilsachen stellen die Verkäufer A.X. und B.X. dem Bundesgericht folgende Anträge:
"1. Der Entscheid des Kantonsgerichtes St. Gallen, III. Zivilkammer, BO. 2012.65-K3 und BO.2012.66-K3, vom 31.07.2013, sei aufzuheben;
2. Stattdessen sei ein Entscheid im Sinne der bei der VI eingebrachten Berufungsanträge zu fällen, nämlich:
1. Der angefochtene Entscheid vom 07.06.2012 sei rücksichtlich Disp. Ziff. 1.a), Abs. 1 und 2, 1.b), Abs. 1 und 2, 2.a), 3.a) Abs. 1, 3.b), 4.a) und 4.b) aufzuheben;
2. Stattdessen sei ein Urteil im Sinne der von den Beklagten bei der ersten Instanz eingebrachten Anträge auszufällen, nämlich:
'1 Die Klage bzw. die Klagen sei bzw. seien abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist;
2 Unter Kosten und Entschädigungsfolge zu Lasten der Kläger;'
3. Unter Kosten- und Entschädigungsfolge in sämtlichen Verfahren;
3. Unter Kosten- und Entschädigungsfolge in sämtlichen Verfahren."
BGE 140 III 150 S. 152
Die Beschwerdegegner beantragen in ihrer Vernehmlassung Abweisung der Beschwerde, soweit Eintreten. Die Vorinstanz hat auf Vernehmlassung verzichtet.
Die Beschwerdeführer reichten Replik ein.
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut und weist die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurück.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Die Beschwerdeführer machen sinngemäss geltend, das Kantonsgericht habe Bundesrecht verletzt, indem es ihre Aktivlegitimation verneint habe.
2.1
Das Kantonsgericht verwies im angefochtenen Entscheid auf die seiner Ansicht nach überzeugenden Ausführungen der ersten Instanz. Danach sei das Grundstück mit dem Vertrag vom 17. Juli 2003 als "Gesamtsache" verkauft worden, womit den Verkäufern die Kaufpreisforderung nicht je zur Hälfte, sondern gesamthaft zur gesamten Hand zugestanden sei. Die Verkäufer hätten demzufolge die Betreibung gemeinsam einleiten müssen. Sofern sich die Forderung auf die ganze Sache beziehe, liege bei Miteigentümern grundsätzlich eine gemeinschaftliche Gläubigerschaft vor. Den Verkäufern stehe daher die Aktivlegitimation vorliegend nur gemeinsam zu. Zum gleichen Resultat führe eine objektive Auslegung des Kaufvertrages: Danach sei nicht von vertraglich begründeter Teilgläubigerschaft auszugehen, denn es sei im Vertrag nicht um die selbständige Veräusserung von zwei Miteigentumsanteilen gegangen, sondern um die Veräusserung des gesamten Grundstücks gegen eine Gesamtzahlung.
2.2
An einem Schuldverhältnis können sowohl auf Gläubiger- wie auf Schuldnerseite eine Mehrzahl von Personen beteiligt sein. Eine Mehrzahl von Gläubigern kann an ein und derselben Forderung im Sinne einer Einzelgläubigerschaft, einer gemeinschaftlichen Gläubigerschaft oder einer Teilgläubigerschaft berechtigt sein:
2.2.1
Im Fall von
Einzelgläubigerschaft
ist jeder Gläubiger berechtigt, ohne Mitwirkung der andern (also selbständig), das Ganze und nicht nur einen Teil der Leistung zu verlangen. Der Schuldner hat dabei nur einmal zu leisten und wird dadurch befreit (GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, Bd. II, 9. Aufl. 2008, N. 3861; HUGUENIN, Obligationenrecht,
BGE 140 III 150 S. 153
Allgemeiner und Besonderer Teil, 2012, N. 2320; TERCIER/PICHONNAZ, Le droit des obligations, 5. Aufl. 2012, N. 1655). Der wichtigste Typus der Einzelgläubigerschaft ist die in
Art. 150 OR
geregelte Solidargläubigerschaft, die vor allem beim gemeinsamen Bankkonto ("compte-joint") von Bedeutung ist (vgl.
BGE 94 II 167
E. 3).
2.2.2
Bei der
gemeinschaftlichen Gläubigerschaft
steht die gesamte Forderung den Gläubigern ungeteilt zu, und zwar so, dass alle Gläubiger die Forderung nur gemeinsam geltend machen können. Umgekehrt kann der Schuldner sich nicht durch Leistung an einen einzelnen Gläubiger befreien, sondern nur durch Gesamtleistung an alle Gläubiger (GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, a.a.O., N. 3872; HUGUENIN, a.a.O., N. 2324; TERCIER/PICHONNAZ, a.a.O., N. 1654). Nach der Lehre entsteht eine gemeinschaftliche Gläubigerschaft grundsätzlich nur dann, wenn unter den Gläubigern ein Gesamthandsverhältnis besteht (VON TUHR, Allgemeiner Teil des schweizerischen Obligationenrechts, II. Halbbd., Tübingen 1925, S. 682).
2.2.3
Bei der
Teilgläubigerschaft
sind mehrere Gläubiger unabhängig voneinander
pro rata
an einer teilbaren Forderung berechtigt, wobei die Leistung in ihrer Gesamtheit nur einmal zu erbringen ist (HUGUENIN, a.a.O., N. 2319; BUCHER, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 2. Aufl. 1988, S. 487; TERCIER/PICHONNAZ, a.a.O., N. 1653). Jeder Gläubiger kann selbständig den ihm zustehenden Teil der Leistung verlangen und der Schuldner muss den entsprechenden Teil an jeden Gläubiger separat leisten (HUGUENIN, a.a.O., N. 2319). Die Teilforderungen bilden hier nur insoweit ein Ganzes (eine ganze Forderung), als sie aus dem gleichen Rechtsgrund entstanden sind (GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, a.a.O., N. 3857).
Nach ganz herrschender Lehre ist Teilgläubigerschaft bei vertraglichen Obligationen von Gesetzes wegen der Regelfall (KELLER/SCHÖBI, Gemeinsame Rechtsinstitute für Schuldverhältnisse [...], 1984, S. 35; VON TUHR, a.a.O., S. 677; GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, a.a.O., N. 3856), bzw. ist bei teilbaren Leistungen wie Geldforderungen im Zweifelsfall von Teilgläubigerschaft auszugehen (HUGUENIN, a.a.O., N. 2319; ALFRED KOLLER, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 3. Aufl. 2009, § 76 N. 6 mit Hinweis auf § 420 des deutschen BGB ["Schulden mehrere eine teilbare Leistung oder haben mehrere eine teilbare Leistung zu fordern, so ist im Zweifel jeder Schuldner nur zu einem gleichen Anteil verpflichtet, jeder Gläubiger nur zu einem gleichen Anteil berechtigt"]; a.M. nur SCHWENZER, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 6. Aufl. 2012,
BGE 140 III 150 S. 154
N. 89.05). Teilgläubigerschaft entsteht insbesondere auch bei einem gemeinsamen Vertrag, d.h. wenn mehrere Vertragsgenossen, unter denen kein Gesamthandsverhältnis besteht, auf einer Vertragsseite kontrahieren (VON TUHR, a.a.O., S. 682). So sind etwa Miteigentümer, die ihre Liegenschaft als Ganzes verkaufen, Teilgläubiger, welche unabhängig voneinander je einen Teil der Kaufpreisforderung gegenüber der Käuferschaft geltend machen können (GAUCH/SCHLUEP/EMMENEGGER, a.a.O., N. 3858).
2.3
Vor diesem Hintergrund kann der Auffassung der Vorinstanz, wonach unter den Beschwerdeführern eine gemeinschaftliche Gläubigerschaft bestehe, nicht gefolgt werden. Denn allein der Umstand, dass das Grundstück als Ganzes veräussert wurde, lässt nicht darauf schliessen, dass die Verkäufer in Bezug auf die Kaufpreisforderung eine gemeinschaftliche Gläubigerschaft bilden, geschweige denn gesamthänderisch berechtigt sind. Die von der Vorinstanz zitierte Minderheitsmeinung, wonach bei Miteigentümern von einer gemeinschaftlichen Gläubigerschaft auszugehen sei, wenn sich die Forderung auf die ganze Sache beziehe (SCHWENZER, a.a.O., N. 89.06 [ohne Begründung]; ihr folgend HUGUENIN, a.a.O., N. 2324, wobei die dort angegebenen Verweise auf BECKER und VON TUHR/ESCHER gerade keinen Nachweis für diese Lehrmeinung zu erbringen vermögen), überzeugt mit Blick auf eine Kaufpreisforderung nicht. Denn selbst wenn die Miteigentümer wie hier die Sache als Ganzes verkaufen, begründen sie als Vertragsgenossen im Regelfall lediglich eine gemeinsame Vertragspartnerstellung, nicht jedoch eine Gesamthand. Sie sind damit nicht gemeinschaftliche Gläubiger, sondern Teilgläubiger.
Entgegen der Auffassung der Vorinstanz lässt schliesslich auch eine objektive Auslegung des vorliegenden Grundstückkaufvertrags nicht auf die Vereinbarung einer gemeinschaftlichen Gläubigerschaft schliessen. Denn allein aufgrund des Umstands, dass das gesamte Grundstück gegen eine Gesamtzahlung veräussert wurde, durften die Beschwerdegegner nach Treu und Glauben nicht davon ausgehen, dass die Verkäufer ihre Kaufpreisforderung nur gemeinsam geltend machen können, zumal diese am Kaufobjekt als Mit- und nicht als Gesamteigentümer berechtigt waren und in der Vertragsurkunde auch als Miteigentümer zu je 1/2 aufgeführt wurden.
Es ist somit vorliegend entgegen der Auffassung der Vorinstanz vom Regelfall der Teilgläubigerschaft auszugehen, d.h. der
BGE 140 III 150 S. 155
Aktivlegitimation der Verkäufer in Bezug auf je die Hälfte der ausstehenden Kaufpreisforderung. Die Passivlegitimation der Käufer ist unbestritten. | null | nan | de | 2,014 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
c2fb84e2-7119-4e07-b438-a36a3eb4c09b | Urteilskopf
120 III 117
39. Auszug aus dem Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 21. Oktober 1994 i.S. R. K. (Rekurs) | Regeste
Zustellung des Zahlungsbefehls;
Art. 72 SchKG
.
Die Bescheinigung, an welchem Tage und an wen die Zustellung des Zahlungsbefehls erfolgt ist, muss jener Betreibungsbeamte oder Angestellte des Betreibungsamtes ausstellen, der den Zahlungsbefehl tatsächlich übergeben hat. | Sachverhalt
ab Seite 117
BGE 120 III 117 S. 117
Am 31. Mai 1994 erliess das Betreibungsamt S. gegen R. K. die Pfändungsankündigung. R. K. beschwerte sich hierüber bei der kantonalen Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs, indem er im wesentlichen geltend machte, er habe nie einen Zahlungsbefehl zu Gesicht bekommen und aus diesem Grund keinen Rechtsvorschlag erheben können.
Während die kantonale Aufsichtsbehörde die Beschwerde abwies, hiess die
BGE 120 III 117 S. 118
Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts den hierauf bei ihr erhobenen Rekurs gut und hob die Pfändungsankündigung auf.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Im Anfechtungsfall trägt in erster Linie das Betreibungsamt die Beweislast für die ordnungsgemässe Zustellung von Betreibungsurkunden. Dazu dient ihm namentlich die gemäss
Art. 72 Abs. 2 SchKG
vorgeschriebene Bescheinigung des Zustellungsbeamten, an welchem Tage und an wen die Zustellung erfolgt ist; als öffentliche Urkunde im Sinne von
Art. 9 ZGB
kommt der Bescheinigung, Gegenbeweis vorbehalten, für ihren Inhalt volle Beweiskraft zu (
BGE 117 III 10
E. 5c, S. 13, mit Hinweisen auf Lehre und Rechtsprechung).
a) Der Zahlungsbefehl, von dem im angefochtenen Entscheid gesagt wird, er trage einen Zustellungsvermerk vom 30. September 1993, liegt nicht bei den dem Bundesgericht gemäss
Art. 80 OG
eingesandten Akten.
b) Ganz offensichtlich ist im vorliegenden Fall der Vorschrift des
Art. 72 Abs. 2 SchKG
nicht nachgelebt worden, wonach der Überbringer auf beiden Ausfertigungen des Zahlungsbefehls zu bescheinigen hat, an welchem Tage und an wen die Zustellung erfolgt ist. Diese Bescheinigung hat jener Betreibungsbeamte oder Angestellte des Betreibungsamtes auszustellen, der den Zahlungsbefehl übergeben hat. Unstatthaft aber ist es, dass der Betreibungsbeamte - wie es nach der Darstellung im angefochtenen Entscheid geschehen ist - zwar die Zustellung bescheinigt, aber diese in der Folge Kanzleiangestellten der Gemeindeverwaltung überlässt. Solches Vorgehen übersieht die Bedeutung, welche der Zustellung des Zahlungsbefehls insofern zukommt, als dem Schuldner Gelegenheit zu geben ist, auf der Stelle und ohne Begründung Rechtsvorschlag zu erheben. Aus diesem Grund hat die Rechtsprechung es ebenso untersagt, den Zahlungsbefehl in den Briefkasten des Schuldners zu legen, wie sie es als unzulässig bezeichnet hat, dass eine den Zahlungsbefehl betreffende Abholungseinladung in das Postfach des Schuldners gelegt wird (
BGE 117 III 7
E. 3b, S. 9;
BGE 116 III 8
E. 1a, S. 9f.). Im vorliegenden Fall macht denn auch der Rekurrent geltend, er habe keine Gelegenheit zur Erhebung des Rechtsvorschlags gehabt.
Schliesslich illustriert der hier zu beurteilende Fall auch, dass das Betreibungsamt in Beweisschwierigkeiten gerät, wenn nicht jener Beamte
BGE 120 III 117 S. 119
oder Angestellte des Betreibungsamtes die Zustellung bescheinigt, der den Zahlungsbefehl tatsächlich überbracht hat.
c) Die fehlerhafte Zustellung des Zahlungsbefehls ist eine nichtige Betreibungshandlung, die von Amtes wegen jederzeit festgestellt werden kann und muss (
BGE 117 III 7
E. 3c, S. 10). | null | nan | de | 1,994 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
c2fd54f9-b319-4452-902d-a34470fa27df | Urteilskopf
121 II 296
47. Extrait de l'arrêt de la Ière Cour de droit public du 3 novembre 1995 dans la cause X. contre Office fédéral de la police (recours de droit administratif) | Regeste
Auslieferung an die Vereinigten Staaten von Amerika;
Art. 3 und
Art. 6 EMRK
.
Verweigerung der Auslieferung wegen der Gefahr einer gegen den internationalen Ordre public verstossenden Behandlung im ersuchenden Staat (E. 3).
Weder die Dauer der Freiheitsstrafe noch die Art und Weise von deren Festsetzung stehen im vorliegenden Fall einer Auslieferung entgegen (E. 4).
Der Vollzug einer lebenslangen Freiheitsstrafe verletzt
Art. 3 EMRK
selbst bei fehlender Möglichkeit einer bedingten Entlassung nicht (E. 5). | Sachverhalt
ab Seite 297
BGE 121 II 296 S. 297
Le 7 octobre 1994, X., ressortissant des Etats-Unis d'Amérique, a été arrêté à Genève sur la base d'un mandat d'arrêt délivré le 18 novembre 1993 par le Tribunal des Etats-Unis d'Amérique pour le district fédéral du Colorado. En raison d'une instruction pénale menée contre lui à Genève, X. a été placé en détention préventive.
Le 30 novembre 1994, l'Ambassade des Etats-Unis d'Amérique à Berne a remis à l'Office fédéral de la police (ci-après: l'OFP) une demande d'extradition de X. formée par le Procureur adjoint du district fédéral du Colorado. X. fait l'objet d'un acte d'accusation dressé le 18 novembre 1993 par un Grand Jury du Tribunal du district fédéral du Colorado, qui retient à son encontre les chefs d'accusation suivants:
- complot d'importation de marijuana;
- importation de marijuana;
- possession avec intention de distribuer de la marijuana, infraction également commise en complot;
- participation à une entreprise criminelle;
- blanchissage d'argent.
Il est en substance reproché à X. d'avoir importé, à partir de 1971, plus de 250000 livres de marijuana.
Un mandat d'arrêt en vue d'extradition a été notifié à X. le 17 janvier 1995. Entendu le même jour, ce dernier a déclaré s'opposer à son extradition. Dans son mémoire d'opposition du 23 février 1995, il soutenait qu'il risquait une condamnation à perpétuité pour les infractions mentionnées dans l'acte d'accusation, sans aucune possibilité de libération anticipée, ce qui constituerait un traitement contraire à l'
art. 3 CEDH
. Par ailleurs, la procédure américaine violerait l'
art. 6 CEDH
, la fixation de la peine ne faisant l'objet d'aucun débat contradictoire.
Par décision du 28 avril 1995, l'OFP a rejeté l'opposition; les délits reprochés à l'opposant constituaient des délits de droit commun; une éventuelle réclusion à vie, d'ailleurs aussi prévue en droit suisse, n'apparaissait pas contraire à l'
art. 3 CEDH
; la Constitution américaine prévoyait des garanties suffisantes au regard de l'
art. 6 CEDH
.
Agissant par la voie du recours de droit administratif, X. demande au Tribunal fédéral d'annuler la décision de l'OFP et de rejeter la demande d'extradition, subsidiairement d'inviter l'autorité requérante à compléter sa demande en produisant l'ensemble des dispositions légales applicables, notamment en matière de fixation de la peine, et à se prononcer à bref délai sur les objections soulevées.
BGE 121 II 296 S. 298
Par lettre du 18 juillet 1995, l'OFP a été prié d'interpeller l'autorité requérante sur les points suivants: en l'état de la législation américaine, une peine incompressible de réclusion à vie est-elle la seule susceptible d'être prononcée ? Quelles seraient, le cas échéant, les possibilités d'atténuer la peine et de quelle manière cette dernière serait-elle exécutée? L'autorité requérante a fait parvenir sa réponse le 21 août 1995, sur laquelle le recourant s'est déterminé le 17 octobre 1995, et dont les termes seront examinés ci-dessous.
Erwägungen
Extrait des considérants:
3.
a) Selon l'
art. 3 CEDH
, nul ne peut être soumis à la torture ni à des peines ou traitements inhumains ou dégradants. L'art. 7 du Pacte international du 16 décembre 1966 relatif aux droits civils et politiques, ratifié par la Suisse et les Etats-Unis respectivement les 8 et 18 juin 1992 (RO 1993 I 750), est de même teneur; en vertu d'une réserve expresse (RO 1993 I 783) les Etats-Unis ne se considèrent liés par cette disposition que pour autant que l'expression "peines ou traitement inhumains ou dégradants" s'entend des traitements ou peines cruels et inaccoutumés interdits par les Cinquième, Huitième et Quatorzième Amendements de la Constitution des Etats-Unis. Selon l'art. 10 de ce Pacte, le régime pénitentiaire doit comporter un traitement des condamnés dont le but essentiel est leur amendement et le reclassement social; en vertu de la même réserve (RO 1993 I 784), les Etats-Unis ont déclaré que cette disposition ne remettait pas en cause les buts de répression, de dissuasion et de neutralisation en tant qu'objectifs complémentaires légitimes de tout système pénitentiaire. Par ailleurs, l'art. 3 de la Convention du 10 décembre 1984 contre la torture et autres peines ou traitements cruels, inhumains ou dégradants, ratifiée par la Suisse le 2 décembre 1986 et entrée en vigueur le 26 juin 1987 (RS 0.105), interdit l'expulsion ou l'extradition d'une personne vers un Etat où elle risque d'être torturée; la notion de torture au sens de cette convention ne s'étend toutefois pas à la douleur ou la souffrance résultant uniquement de sanctions légitimes, inhérentes à ces sanctions ou occasionnées par elles (art. 2 al. 1 in fine). Cette convention n'a pas été ratifiée par les Etats-Unis.
b) Le Traité d'extradition conclu le 14 mai 1900 entre les Etats-Unis d'Amérique et la Suisse (RS 0.353.933.6; ci-après: le traité) ne se réfère pas aux principes énoncés dans les instruments internationaux relatifs à la protection des droits de l'homme; on peut donc se demander si ces
BGE 121 II 296 S. 299
dispositions de droit international sont aussi applicables aux relations extraditionnelles avec les Etats-Unis et permettraient à la Suisse de refuser une extradition pour un motif non prévu par le Traité. L'
art. 2 let. a EIMP
(RS 351.1) réserve le cas où la procédure à l'étranger n'est pas conforme aux principes de procédure fixés dans la CEDH mais, en tant que norme de droit interne sans équivalent en droit conventionnel, cette réserve n'est pas directement applicable, en tant que telle, aux relations extraditionnelles régies par le Traité. Cela étant, un Etat signataire de la CEDH irait à l'encontre des buts fixés par la Convention en remettant consciemment une personne à un Etat où il existe des motifs sérieux de penser qu'un risque de traitement inhumain ou dégradant menace l'intéressé (ACEDH du 7 juillet 1989 dans la cause Soering, série A vol. 161 par. 87). Aussi l'extradition a-t-elle déjà été refusée par la Suisse en application de règles impératives du droit international (cf.
ATF 109 Ib 64
consid. 6b/aa p. 72,
ATF 108 Ib 408
consid. 8a p. 410). D'un autre côté, la CEDH elle-même tend à assurer un juste équilibre entre l'intérêt général de la collectivité et les impératifs de la sauvegarde des droits fondamentaux, en tenant compte de l'intérêt à voir traduire en justice les délinquants présumés qui fuient à l'étranger et en évitant la création de havres de sécurité pour ces fugitifs, qui saperaient les fondements de l'extradition (ACEDH Soering précité).
c) En définitive, la question de savoir dans quelle mesure chacune des dispositions conventionnelles invoquées par le recourant constituerait, sous ses différents aspects, un principe général du droit des gens au sens de l'art. 53 de la Convention de Vienne du 23 mai 1969 sur le droit des Traités (RS 0.111), et pourrait, en tant que norme d'ordre public international, motiver un refus de l'extradition (cf.
ATF 120 Ib 189
consid. 2b p. 191 et les arrêts cités), peut demeurer indécise; en effet, les conditions d'un tel refus ne sont pas réalisées en l'espèce.
4.
a) La durée de la peine n'apparaît pas en soi comme un motif (d'ordre public international) pour s'opposer à l'extradition; aucun des instruments internationaux dont se prévaut le recourant n'interdit une peine de réclusion à vie (décision de la CommEDH du 6 mai 1978, citée par VELU/ERGEC, La Convention européenne des droits de l'homme, Bruxelles 1990, p. 207). La sévérité particulière dont ferait preuve l'Etat requérant en matière de stupéfiants ne saurait constituer une violation des droits de l'homme. Dans le cadre d'une procédure d'extradition, la Suisse n'a pas en principe à émettre des considérations sur la manière dont l'Etat requérant envisage sa politique criminelle. On peut certes se demander si, comme le
BGE 121 II 296 S. 300
soutient le recourant (qui se fonde sur une décision rendue par les autorités canadiennes, laquelle ne saurait lier le juge suisse de l'extradition), une peine manifestement exagérée, sans commune mesure avec l'acte reproché, pourrait se révéler incompatible avec l'
art. 3 CEDH
(cf. ACEDH du 2 mars 1987 dans la cause Weeks, série A vol. 114 par. 47). La question souffre de demeurer indécise car, compte tenu de l'importance des faits reprochés au recourant, en particulier de la quantité de drogue importée, la peine encourue n'apparaît pas disproportionnée au point de constituer en soi une violation des droits de l'homme.
b) Le recourant soutient que, dans le système américain, la fixation de la peine se ferait de manière automatique, selon un barème fixé d'avance, ne laissant aucune marge d'appréciation au juge et sans tenir compte de la situation personnelle de l'accusé. Le recourant se prévaut toutefois en vain de l'
art. 6 par. 3 CEDH
car, contrairement à ce qu'il soutient, cette disposition conventionnelle s'adresse à l'autorité judiciaire, et ne s'applique pas à la réglementation relative à la fixation et la quotité de la peine (arrêt non publié du 27 décembre 1994 en la cause A./consid. 7).
5.
Principalement, le recourant soutient que l'exécution de la réclusion à vie sans possibilité d'une libération conditionnelle violerait l'
art. 3 CEDH
.
a) Il se réfère principalement à l'arrêt Soering précité, aux termes duquel l'extradition vers un pays en vue de l'exécution d'une peine de mort violait en l'espèce l'
art. 3 CEDH
, en raison non de la peine elle-même, mais de la dégradation psychologique provoquée par la perspective de l'exécution (syndrome du "couloir de la mort"). Le recourant évoque aussi le rapport général sur le traitement des détenus de longue durée du Sous-comité no XXV du Conseil de l'Europe. Selon ce dernier, tout détenu doit se voir accorder - sous réserve du danger qu'il peut représenter, notamment du risque de récidive - une libération conditionnelle (Comité européen pour les problèmes criminels, Traitement des détenus en détention de longue durée, Strasbourg 1977, par. 61). A propos des condamnés à perpétuité, le Sous-comité estime qu'il est "inhumain d'emprisonner une personne à vie sans lui laisser aucun espoir de libération... Personne ne devrait être privé de la possibilité d'une libération éventuelle". Dans sa résolution (76) 2 sur le traitement des détenus en détention de longue durée, le Comité des Ministres du Conseil de l'Europe recommande aux Gouvernements de s'assurer que les cas de tous les détenus seront examinés aussitôt que
BGE 121 II 296 S. 301
possible pour voir si une libération conditionnelle peut leur être accordée (ch. 9), d'accorder la libération conditionnelle après un certain délai dès qu'un pronostic favorable peut être formulé (ch. 10), et de s'assurer que pour la détention à vie cet examen ait lieu au plus tard après huit à quatorze ans, et soit répété périodiquement (ch. 12). Les recommandations de ce type n'ont toutefois pas force légale, même dans les Etats membres du Conseil de l'Europe; elles ne sauraient non plus être sans autre interprétées comme l'expression d'une conscience juridique universelle ayant valeur de "jus cogens" international (
ATF 118 Ia 64
consid. 2a p. 69; VELU/ERGEC, op.cit. p. 198), de sorte que leur non respect n'implique pas forcément une violation de l'
art. 3 CEDH
(cf. aussi décision de la CommEDH du 11 décembre 1976 dans la cause Eggs).
aa) Selon la jurisprudence des organes de Strasbourg, un traitement doit, pour tomber sous le coup de l'
art. 3 CEDH
, atteindre un minimum de gravité, les notions de traitements dégradants, inhumains et de torture allant dans un ordre croissant suivant l'intensité des souffrances infligées. L'appréciation de ce minimum dépend des circonstances de la cause, notamment de la nature et du contexte du traitement, de sa durée, de ses effets physiques et mentaux, voire du sexe, de l'âge et de l'état de santé de l'intéressé (ACEDH Costello-Roberts, du 25 mars 1993, série A vol. 247-C, par. 30). Tel peut être le cas d'un traitement propre à causer sinon de véritables lésions, du moins de vives souffrances physiques ou morales, de nature à créer des sentiments humiliants de peur, d'angoisse et d'infériorité, et à briser éventuellement la résistance physique ou morale (arrêt Soering précité, par. 100 et la jurisprudence citée). La notion de traitement dégradant, à l'instar de la torture et des traitements inhumains, ne suppose pas nécessairement un élément intentionnel de la part de leur auteur (VELU/ERGEC, op.cit. p. 200).
bb) L'exécution d'une condamnation à la réclusion à vie, même sans possibilité de libération conditionnelle, est sans commune mesure avec le traitement dénoncé dans l'affaire Soering. Dans ce dernier arrêt, la Cour européenne a relevé que la peine de mort n'est pas en soi un châtiment contraire aux
art. 2 et 3 CEDH
, et qu'une telle sanction pourrait, le cas échéant, donner lieu à extradition (sous réserve du protocole no 6 à la Convention); seules la durée et les conditions de la détention en attente de l'exécution paraissaient contraires à la Convention. Or, comme cela a été relevé ci-dessus (consid. 3a), la condamnation à l'emprisonnement à vie qu'encourt le recourant ne violerait pas la Convention (décision de la
BGE 121 II 296 S. 302
CommEDH du 6 mai 1978 cité in VELU/ERGEC, op.cit. p. 207); cette dernière ne donne d'ailleurs aucun droit à une suspension de l'exécution d'une peine (décision de la CommEDH du 9 mars 1994 en la cause Z. et les décisions citées). La perspective d'une incarcération à vie sans possibilité d'élargissement peut certainement entraîner pour le condamné des souffrances morales importantes. Celles-ci ne vont toutefois pas au-delà de ce qu'implique inévitablement l'exécution d'une peine légitime (ACEDH du 25 avril 1978 dans la cause Tyrer, série A no 26 par. 29-30). Ne dépassant pas le seuil fixé par l'
art. 3 CEDH
, la peine susceptible d'être infligée au recourant ne saurait donc constituer un traitement inhumain ou dégradant.
L'argumentation du recourant doit être écartée pour ce motif déjà; elle doit l'être également parce que les craintes du recourant quant à la peine susceptible de lui être infligée apparaissent sans fondement.
b) A la requête du Tribunal fédéral, l'Etat requérant a été interpellé et invité à faire savoir si une peine incompressible de réclusion à vie était la seule peine susceptible d'être prononcée en cas de condamnation, quelles seraient les possibilités de l'atténuer et les modalités de son exécution.
aa) La prise de position du 18 août 1995 émane du chef de la Brigade spéciale des stupéfiants de la région des Montagnes Rocheuses du Ministère de la Justice des Etats-Unis, Procureur principal dans la cause dirigée contre X. Ce magistrat confirme l'avis de droit produit par le recourant quant à l'exposé des principes régissant la fixation de la peine, mais il en conteste les conclusions dans le cas particulier, estimant qu'elles reposent sur des hypothèses théoriques. Il relève en particulier les points suivants.
Il n'est pas certain que le recourant pourra être reconnu coupable de tous les chefs d'accusation, lesquels font l'objet d'un examen séparé et doivent chacun faire l'objet d'un avis de culpabilité unanime du jury. Lorsque le délit de blanchiment se trouve, comme dans le cas de X., en étroite connexité avec le délit de trafic de drogue, il n'y aurait pas lieu d'augmenter le niveau de peine relatif à ce dernier; le niveau global resterait donc 42, ce qui impliquerait une peine de prison située entre 360 mois et la prison à vie. En plaidant coupable, l'intéressé pourrait obtenir une réduction de trois niveaux, et encourir entre 262 et 327 mois de prison. Le condamné bénéficie par ailleurs d'un crédit de 54 jours par année après la première année de prison; sur une peine de 360 mois de prison, il pourrait être remis en liberté après 25,6 ans. La durée de la
BGE 121 II 296 S. 303
détention extraditionnelle en Suisse serait aussi déduite. Le magistrat relève encore qu'une réduction considérable de la peine pourrait aussi être obtenue en collaborant avec la justice; il cite le cas d'un coaccusé qui aurait décidé de plaider coupable et de coopérer avec la justice, et qui aurait été condamné à une peine de 20 ans de prison malgré une accusation supplémentaire. Le Gouvernement aurait offert à X. de recommander une peine de 25 ans de prison s'il acceptait de revenir de son plein gré aux Etats-Unis et s'il plaidait coupable, offre que le recourant a apparemment rejetée. Le magistrat relève enfin les possibilités de réhabilitation dont bénéficie tout condamné, et les conditions de détention favorables. Il en conclut que les règles relatives à la fixation de la peine ne doivent pas être interprétées de manière rigide, le recourant ayant la possibilité, s'il était reconnu coupable, de réduire sa peine de manière substantielle en fonction de l'attitude qu'il entend adopter dans la procédure.
bb) Le recourant met en cause l'indépendance, l'impartialité et les compétence du Procureur. Il relève que la pratique du "plea bargain", en soi critiquable, ne devrait pas être prise en compte. S'appuyant sur un nouvel avis de son expert américain, il conteste - en se référant à des décisions judiciaires - que l'infraction de blanchiment puisse être "absorbée" par celles relatives au trafic de stupéfiants, de sorte que le niveau de peine encouru serait bien 43 (en cas de condamnation pour un seul des chefs d'accusation relatifs à l'un et à l'autre types d'infractions), ce qui implique la réclusion à vie sans libération possible.
cc) Selon la jurisprudence, c'est en premier lieu à l'autorité requérante qu'il convient de se référer pour l'interprétation du droit étranger. Il n'y a pas en principe à lui préférer une expertise privée (
ATF 117 Ib 64
consid. 5f p. 91-92). En l'espèce, le Procureur a répondu aux questions posées au nom de l'Etat requérant. Magistrat depuis 1977, il expose avoir représenté le Gouvernement, depuis l'entrée en vigueur des "Federal Sentencing Guidelines", pour la détermination des peines de prison dans plus de 300 procédures se rapportant à des infractions à la réglementation sur les stupéfiants. Rien ne permet de mettre en doute ses connaissances dans ce domaine. Procureur principal dans la procédure dirigée contre X. qu'il suit depuis quatre ans, et auteur de la "déposition à l'appui de la demande d'extradition", il apparaît manifestement comme une personne particulièrement apte à évaluer la peine susceptible d'être prononcée dans le cas présent. En dépit de son rôle d'accusateur, on ne saurait mettre en
BGE 121 II 296 S. 304
cause son impartialité: les questions posées ne se rapportaient pas à la culpabilité du recourant, mais seulement à l'interprétation des normes relatives à la fixation de la peine. Cela étant, il convient de préférer, à l'expertise privée du recourant, l'opinion officielle exprimée par l'Etat requérant.
Or, selon cet avis, les règles relatives à la fixation de la peine sont appliquées avec moins de rigidité que ne le prétend le recourant. Supposé coupable d'une ou de plusieurs infractions en rapport avec le trafic de stupéfiants et, simultanément, d'une infraction de blanchiment d'argent, le recourant n'encourrait pas forcément la prison à vie (niveau de peine 43), mais une peine située entre 360 mois et la perpétuité (niveau 42). De nombreux facteurs viendraient, dans ce cas, atténuer la peine, notamment le "crédit" de 54 jours par année accordé après la première année; le recourant a aussi la possibilité de plaider coupable pour bénéficier d'une réduction de trois "niveaux". La pratique du "plea bargain" n'est certes pas dans les conceptions de la procédure pénale suisse, mais cela ne suffit pas pour en faire abstraction - en tant que simple indication de fait - dans l'estimation de la peine concrètement encourue dans l'Etat requérant. Compte tenu des explications qui précèdent, on ne saurait partager les craintes du recourant de se voir condamner à une peine incompressible de réclusion à vie.
Il convient enfin de relever que le recourant ne prétend pas que la manière dont serait exécutée sa peine contreviendrait à l'
art. 3 CEDH
. A ce sujet, on peut également se référer à l'opinion de l'Etat requérant au sujet des conditions de détention favorables et des possibilités de réhabilitation. | public_law | nan | fr | 1,995 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
c2fd7e2c-a313-4e6e-8944-72c815ac2d57 | Urteilskopf
140 V 290
39. Auszug aus dem Urteil der II. sozialrechtlichen Abteilung i.S. A. gegen IV-Stelle des Kantons Aargau und B. (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
9C_701/2013 vom 12. Juni 2014 | Regeste
Art. 6, 7 und 8 ATSG
;
Art. 4 IVG
;
Art. 8 ZGB
; Migräne.
Offengelassen, ob eine Migräne zu den objektivierbaren Krankheitsbildern zu zählen ist (E. 3.3.1).
Bei objektivierbaren wie auch bei unklaren Beschwerdebildern setzt eine Anspruchsberechtigung gleichermassen eine nachvollziehbare ärztliche Beurteilung der Auswirkungen des Gesundheitsschadens auf die Arbeits- und Erwerbsfähigkeit voraus. Abklärungs- und Beweisschwierigkeiten können die Berücksichtigung von - allenfalls durch fremdanamnestische Angaben zu erhebende - Lebensbereichen wie Freizeitverhalten oder familiäres Engagement erfordern.
Bleiben die Auswirkungen eines objektivierbaren oder eines nicht (bildgebend) fassbaren Leidens auf die Arbeitsfähigkeit trotz sorgfältiger und umfassender Abklärungen vage und unbestimmt und können die Einschränkungen nicht anders als mit den subjektiven Angaben der versicherten Person begründet werden, ist der Beweis für die Anspruchsgrundlage nicht geleistet und nicht zu erbringen. Die entsprechende Beweislosigkeit wirkt sich zu Lasten der versicherten Person aus (E. 4.2). | Sachverhalt
ab Seite 291
BGE 140 V 290 S. 291
A.
A.a
A., geboren 1967, war ab 2. April 2001 zunächst temporär, seit 1. Juli 2001 festangestellt als Halbleiteroperatorin bei der B. Switzerland, tätig. Wegen krankheitsbedingter Absenzen kündigte die Arbeitgeberfirma den Arbeitsvertrag auf den 30. Juni 2004. Am 3. Mai 2005 meldete sich A. unter Hinweis auf chronische Nacken- und Schulterschmerzen, schwere Migräne und einen mittelgradig depressiven Zustand bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug (Berufsberatung, Umschulung auf eine neue Tätigkeit, Arbeitsvermittlung) an. Die IV-Stelle des Kantons Aargau (nachfolgend: IV-Stelle) führte erwerbliche Abklärungen durch und holte medizinische Berichte ein, so des behandelnden Dr. med. D., Allgemeine Medizin FMH, vom 6. Juli 2005 (dem weitere Unterlagen
BGE 140 V 290 S. 292
beigefügt waren), des Dr. med. E., FMH Physikalische Medizin und Rehabilitation, vom 7. September 2005, sowie der F. AG (eingegangen bei der IV-Stelle am 23. März 2006), und wies das Leistungsbegehren nach Stellungnahme des Regionalen Ärztlichen Dienstes (RAD) vom 17. Mai 2006 mit Verfügung vom 18. Mai 2006 ab.
Nachdem A. hiegegen Einsprache hatte erheben lassen, holte die IV-Stelle einen weiteren Bericht der F. AG vom 11. Dezember 2006 ein. Auf Anraten des RAD-Arztes Dr. med. G. vom 15. Januar 2007 veranlasste sie ein Gutachten beim Institut H., welches am 15. November 2007 erstattet wurde. Ab 1. März 2007 (bis 28. Februar 2008) nahm A. an einem Beschäftigungsprogramm in der Stiftung I. teil. Am 8. Januar 2008 forderte die IV-Stelle A. auf, sich in Nachachtung ihrer Schadenminderungspflicht einer fortgesetzten intensiven fachärztlich-psychiatrischen Behandlung inklusive einer angemessenen und kontrollierten Medikation in ausreichender Dosis zu unterziehen, womit sich A. am 28. Januar 2008 einverstanden erklärte. Am 4. Februar 2008 hiess die IV-Stelle die Einsprache gut und stellte in Aussicht, nach Inkrafttreten des Einspracheentscheides die Zusprechung einer Viertelsrente ab 1. Mai 2004 zu verfügen. Gegen den Einspracheentscheid liess A. am 10. März 2008 Beschwerde erheben.
Am 8. Mai 2009 liess A. eine gesundheitliche Verschlechterung geltend machen und die Zusprechung einer ganzen Rente ab Mai 2009 beantragen.
Das Versicherungsgericht des Kantons Aargau hob in teilweiser Gutheissung der Beschwerde vom 10. März 2008 den Einspracheentscheid vom 4. Februar 2008 auf und wies die Sache zur weiteren Abklärung und Neuverfügung an die IV-Stelle zurück (Entscheid vom 8. September 2009).
A.b
Am 9. November und 2. Dezember 2009 liess A. zahlreiche medizinische Dokumente, darunter einen Auszug ihrer von Dr. med. E. aufgezeichneten Krankengeschichte (betreffend den Zeitraum 14. November 2005 bis 8. Dezember 2008), Listen ihrer Arztkonsultationen zwischen 2005 und 2009 sowie der zwischen Januar 2007 und Januar 2008 und zwischen Februar 2008 bis November 2009 bezogenen Medikamente ins Recht legen. Am 17. November 2010 teilte Dr. med. D. der IV-Stelle mit, er verfasse keinen neuen Arztbericht. Ein neuerlicher Bericht der F. AG erfolgte am 20. Mai 2011. Auf Anraten des RAD vom 12. Juli 2011 holte die IV-Stelle weitere ärztliche und berufliche Informationen ein und veranlasste, entsprechend einer Stellungnahme des RAD vom 21. Dezember 2011, eine
BGE 140 V 290 S. 293
polydisziplinäre Begutachtung in der medizinischen Abklärungsstelle (MEDAS; Gutachten vom 30. April 2012). Hiezu nahm der RAD am 21. Mai 2012 erneut Stellung. Mit Vorbescheid vom 5. September 2012 teilte die IV-Stelle A. mit, sie beabsichtige, das Leistungsbegehren abzuweisen. Nachdem A. hiegegen Einwände hatte erheben lassen und der Rechtsdienst der IV-Stelle hiezu am 25. Oktober 2012 Stellung genommen hatte, verfügte die IV-Stelle am 29. Oktober 2012 entsprechend dem Vorbescheid.
B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde der A. wies das Versicherungsgericht des Kantons Aargau mit Entscheid vom 14. August 2013 ab.
C.
A. lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und unter Aufhebung des angefochtenen Entscheides die Zusprechung einer Dreiviertelsrente rückwirkend ab 1. Mai 2005 beantragen. In verfahrensrechtlicher Hinsicht ersucht sie um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung und Verbeiständung.
Die IV-Stelle beantragt die Abweisung der Beschwerde. Die ebenfalls zur Vernehmlassung eingeladene B. Pensionskasse stellt keinen Antrag. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Stellungnahme.
Am 11. November 2013 lässt A. einen medizinischen Artikel ins Recht legen.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Streitig und zu prüfen ist der Rentenanspruch der Beschwerdeführerin.
2.1
Die Vorinstanz erwog, Kopfschmerzen und im Besonderen Migränen liessen sich nicht objektivieren. Die entsprechende Diagnose beruhe auf dem (subjektiven) Beschwerdevortrag der Versicherten, woran auch die Stellungnahme des Dr. med. J., Spezialarzt FMH für Neurologie, vom 20. November 2012 (wonach eine Migräne unter experimentellen Bedingungen objektiviert werden könne) nichts zu ändern vermöge. Werde, wie im Fall der Beschwerdeführerin, eine funktionelle Komponente vermutet, sei eine gutachterliche Objektivierung aber zwingend erforderlich. Insgesamt sei es gerechtfertigt, die Rechtsprechung zur somatoformen Schmerzstörung und vergleichbaren Leiden anzuwenden. Die für eine ausnahmsweise Nichtüberwindbarkeit solcher Leiden erforderlichen
BGE 140 V 290 S. 294
Voraussetzungen seien nicht erfüllt, weshalb von einer vollen Arbeits- und Erwerbsfähigkeit auszugehen sei.
2.2
Die Beschwerdeführerin rügt im Wesentlichen, das kantonale Gericht habe zu Unrecht die Migräneproblematik anhand der Rechtsprechung zu den somatoformen Schmerzstörungen beurteilt. Eine Migräne habe nach anerkannten medizinischen Erkenntnissen eine organische Ursache und sei kein pathogenetisch-ätiologisch unklares Krankheitsbild. Die Vorinstanz habe sich mit den entsprechenden medizinischen Fakten sowie mit den Ausführungen des Dr. med. J. nicht auseinandergesetzt und auch nicht begründet, weshalb hierauf nicht abgestellt werden könne. Die medizinischen Akten zeigten, dass sie an häufigen und heftigen Migräne-Attacken leide und die Therapiemöglichkeiten ausgeschöpft habe. Auch negative Auswirkungen auf die Arbeitstätigkeit seien dokumentiert. Gestützt auf das beweiskräftige MEDAS-Gutachten vom 30. April 2012 bestehe sowohl in der angestammten wie in einer adaptierten Tätigkeit eine Arbeitsunfähigkeit von 60 %. Aus dem Einkommensvergleich resultiere ein Invaliditätsgrad von 60 % und damit Anspruch auf eine Dreiviertelsrente ab 1. Mai 2005. Selbst wenn die sogenannten Foerster-Kriterien angewendet würden, führte dies zu keinem anderen Ergebnis.
3.
3.1
Die Versicherte klagt seit vielen Jahren über eine schwere Kopfschmerzproblematik. Sie liess sich deswegen bei zahlreichen Ärzten behandeln, wiederholt auch notfallmässig, und bezog eine eindrückliche Menge an Medikamenten. Das kantonale Gericht war in seinem ersten die Beschwerdeführerin betreffenden Entscheid vom 8. September 2009 zum Schluss gelangt, die im Herbst 2007 erfolgte (neurologische) Begutachtung beim Institut H. habe keine nachvollziehbaren Ergebnisse geliefert, weil sich der Gutachter ausschliesslich auf anamnestische Angaben der Versicherten gestützt habe; zudem überzeugten die hausärztlichen Angaben zum Beginn des Leidens nicht. Die in der Folge eingeholten zusätzlichen Auskünfte erlaubten nach Einschätzung des RAD (noch immer) keine verlässliche Beurteilung, weshalb die IV-Stelle eine erneute Begutachtung (vom 30. April 2012) in Auftrag gab.
Dr. med. K., Chefarzt Neurologie im Spital L., welcher die Versicherte am 24. März 2012 untersucht und das neurologische MEDAS-Teilgutachten vom 2. April 2012 verfasst hatte, hielt fest,
BGE 140 V 290 S. 295
die Beschwerdeführerin habe drei verschiedene, seit 1995 in der Art unverändert gebliebene Kopfschmerzen beschrieben. Zwei davon liessen sich klassifizieren, nämlich als chronische, tägliche Spannungskopfschmerzen (welche die Versicherte gemäss eigenen Angaben nicht limitierten) sowie als Migräne ohne Aura (die an etwa sechs Tagen pro Monat auftrete). Die geschilderten intensiven punktförmigen Schmerzen in Gesicht und Nacken, an denen die Beschwerdeführerin nach eigenen Angaben während 12 Tagen pro Monat leide, seien nicht "unilateral" einem klassischen Kopfschmerztyp zuzuordnen. Zudem bestehe ein Medikamentenabusus mit pro Monat durchschnittlich 40 Analgetikatabletten und 16 Tabletten oder subkutanen Injektionen von Triptanen. Die Kopfschmerzen würden dadurch mit sehr grosser Wahrscheinlichkeit unterhalten und/oder verstärkt. Die Chance, mit einer Änderung der akuten oder prophylaktischen Therapie eine signifikante Abnahme der Frequenz und Intensität der Kopfschmerzen zu erreichen, sei praktisch Null. Hingegen wäre ein Analgetika-/Triptane-Entzug unter Steroidtherapie zu versuchen, welcher gemäss der einschlägigen Literatur bei der Mehrheit der Patienten mit Medikamentenabusus eine signifikante Abnahme der Frequenz und Intensität der Kopfschmerzen bewirke. Nach derzeitigen medizinischen Kenntnissen gebe es keine klinischen oder labormässigen Möglichkeiten zur Quantifizierung und Objektivierung der Kopfschmerzen in Bezug auf Intensität und Frequenz. Die Beurteilung beruhe daher nur auf den subjektiven Angaben der Versicherten, wonach sie durchschnittlich an 18 Tagen pro Monat an Kopfschmerzen leide. Aus neurologischer Sicht betrage die Arbeitsunfähigkeit somit in der angestammten wie auch in einer angepassten Tätigkeit 60 %.
3.2
Mit Blick auf die von zahlreichen Fachärzten zweifelsfrei erhobene Diagnose einer Migräne ist von einem entsprechenden Befund auszugehen. Allerdings fällt auf, dass die in den häufigen Notfallbehandlungen erfolgten medikamentösen Interventionen jeweils innert kurzer Zeit einen markanten Rückgang der Beschwerden bis hin zur Beschwerdelosigkeit der Versicherten bewirkten und vor diesem Hintergrund jedenfalls nicht ohne weiteres einleuchtet, weshalb nach Einschätzung des Gutachters K. eine Änderung der akuten oder prophylaktischen Therapie zum Vornherein keine (deutliche) Abnahme von Intensität und Frequenz der Kopfschmerzen erwarten liesse. Wie es sich damit verhält, ist indes aus nachfolgend dargelegten Gründen nicht entscheidwesentlich.
BGE 140 V 290 S. 296
3.3
3.3.1
Der Nachweis der Invalidität im Rechtssinn setzt eine gesundheitlich bedingte, erhebliche und evidente, dauerhafte sowie objektivierbare Beeinträchtigung der Arbeits- und Erwerbsfähigkeit voraus (
BGE 139 V 547
E. 9.4 S. 568). Ob eine Migräne zu den Krankheitsbildern zählt, die mit etablierten Methoden objektiviert werden können, scheint in der medizinischen Fachwelt nicht eindeutig beantwortet zu werden. Während Dr. med. K. diese Frage verneinte, vertreten Dr. med. J. und die Autoren der von der Versicherten ins Recht gelegten (Internet-)Publikationen den gegenteiligen Standpunkt. Wie es sich damit verhält, braucht indes hier nicht abschliessend geklärt zu werden.
Grundsätzlich können sowohl objektivierbare wie auch medizinisch nicht oder nicht klar fassbare Beschwerdebilder die Arbeits- und Erwerbsfähigkeit beeinträchtigen und somit einen Rentenanspruch begründen. Entweder müssen die subjektiven Beschwerdeangaben durch damit korrelierende, fachärztlich schlüssig feststellbare Befunde hinreichend erklärbar sein oder es ist bei unklaren Beschwerdebildern in Anwendung der sogenannten Foerster-Kriterien zu prüfen, ob das Leiden grundsätzlich invalidisierend sein kann (vgl.
BGE 130 V 352
E. 2.2.3 S. 353 ff.). Sowohl bei Leiden, deren Ursache bekannt oder (bildgebend) zu objektivieren ist, als auch bei Beschwerden mit unklarer Ätiologie und Kausalität vermögen die subjektiven Angaben der versicherten Person eine invalidenversicherungsrechtlich relevante Arbeitsunfähigkeit jedenfalls nicht ohne Weiteres rechtsgenüglich nachzuweisen, sondern es hat stets eine sorgfältige Plausibilitätsprüfung der geltend gemachten Funktionseinschränkungen zu erfolgen. Andernfalls wäre eine rechtsgleiche Beurteilung der Rentenansprüche nicht mehr gewährleistet (ULRICH MEYER, Somatoforme Schmerzstörung - ein Blick zurück auf eine Dekade der Entwicklung, Sozialversicherungsrechtstagung 2010, S. 9 ff.; auch: Ausgewählte Schriften, Thomas Gächter [Hrsg.], 2013, S. 275). Darüber hinaus hätten es die Versicherten - deren Anmeldung bei der Invalidenversicherung ja gerade bezweckt, eine Versicherungsleistung zu erhalten (vgl. ULRICH MEYER, Die psychiatrische Begutachtung als Angelpunkt der juristischen Beurteilung: Entwicklungen und Perspektiven, Referat anlässlich der 1. Internationalen Basler Tagung für Versicherungsrecht und Versicherungspsychiatrie, 20./21. Januar 2012, Ausgewählte Schriften, a.a.O., S. 312) - weitgehend in der Hand, über ihre Anspruchsberechtigung zu entscheiden, was nicht angeht.
BGE 140 V 290 S. 297
3.3.2
Unabhängig davon, ob es sich um eine nachweisliche organische Pathologie oder um ein unklares Beschwerdebild handelt, setzt eine Anspruchsberechtigung daher stets eine nachvollziehbare ärztliche Beurteilung der Auswirkungen des Gesundheitsschadens auf die Arbeits- und Erwerbsfähigkeit voraus. Dabei können - insbesondere unklaren Beschwerdebildern inhärente - Abklärungs- und Beweisschwierigkeiten die Berücksichtigung weiterer Lebens- und Aktivitätsbereiche wie etwa Freizeitverhalten oder familiäres Engagement erfordern, um das Ausmass der Einschränkungen zu plausibilisieren (vgl.
BGE 139 V 547
E. 9.1.3 S. 566), wobei auch fremdanamnestische Angaben zu berücksichtigen sind. Ohne Einbezug solcher Indizien, wie sie im Rahmen der festen Praxis zu den organisch nicht nachweisbaren unklaren Beschwerdebildern (
BGE 130 V 352
) bei der Prüfung eines sozialen Rückzuges regelmässig zu berücksichtigen sind, ist eine ärztliche Arbeitsfähigkeitsbeurteilung nicht beweiskräftig. Bei medizinisch unklaren Beschwerdebildern nimmt die Plausibilitätsprüfung naturgemäss einen besonderen Stellenwert ein, was in der medizinischen Literatur speziell für Kopfschmerzen ausdrücklich hervorgehoben wird (vgl. STEFAN EVERS UND ANDERE, Die Begutachtung von idiopathischen und symptomatischen Kopfschmerzen, Leitlinie der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft, Nervenheilkunde 4/2010 S. 230).
4.
4.1
Nach der allgemeinen Beweisregel (
Art. 8 ZGB
) obliegt es bei erstmaliger Rentenprüfung der versicherten Person, die invalidisierenden Folgen der gesundheitlichen Beeinträchtigung mit dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit nachzuweisen. Gelingt dieser Nachweis nicht, verfügt sie über keinen Leistungsanspruch. Mit anderen Worten wird bei Beweislosigkeit vermutet, dass sich der geklagte Gesundheitsschaden nicht invalidisierend auswirkt (
BGE 139 V 547
E. 8.1 S. 563). Wie dargelegt (E. 3.3.2 hievor) kommt den medizinischen Experten eine entscheidende Rolle zu. Diese haben im Einzelnen zu begründen und mittels ihrer Feststellungen und Einschätzungen zu Leidensdruck, psychischen Ressourcen oder funktionellen Defiziten darzulegen, in welchem Ausmass die Arbeitsfähigkeit eingeschränkt ist, oder aber festzuhalten, dass die Beantwortung dieser Frage - trotz Ausschöpfung aller Möglichkeiten fachgerechter Exploration - nicht oder nicht sicher genug möglich ist (vgl. ULRICH MEYER, Die psychiatrische Begutachtung als Angelpunkt der juristischen Beurteilung: Entwicklung und Perspektiven, in: Berufliche Vorsorge, Stellwerk der Sozialen Sicherheit,
BGE 140 V 290 S. 298
Gächter/Mosimann [Hrsg.], 2013, S. 136). Bleiben die Auswirkungen eines objektivierbaren wie auch eines nicht (bildgebend) fassbaren Leidens auf die Arbeitsfähigkeit trotz in Nachachtung des Untersuchungsgrundsatzes sorgfältig durchgeführter Abklärungen vage und unbestimmt, ist der Beweis für die Anspruchsgrundlage nicht geleistet und nicht zu erbringen (vgl. ULRICH MEYER, Krankheit als leistungsauslösender Begriff im Sozialversicherungsrecht, Ausgewählte Schriften, a.a.O., S. 259).
4.2
So verhält es sich hier: In seiner neurologischen Begutachtung stützte sich Dr. med. K., wie bereits die Gutachter des Instituts H. in ihrer Expertise vom 15. November 2007, ausschliesslich auf die von der Versicherten selbst angegebene Häufigkeit der Kopfschmerzen (von durchschnittlich 18 Tagen pro Monat). Zur Begründung führte Dr. med. K. - wie dargelegt (vorangehende E. 3.1) - an, der Stand der medizinischen Wissenschaft kenne derzeit keine klinischen oder labormässigen Objektivierungsmöglichkeiten. Damit bleibt es dabei, dass auch nach der zweiten Begutachtung vom Frühjahr 2012 die Auswirkungen der gesundheitlichen Einschränkungen der Versicherten nicht plausibilisiert werden konnten und insoweit seit dem ersten die Versicherte betreffenden Entscheid der Vorinstanz vom 8. September 2009 keinerlei rechtserhebliche neue Erkenntnisse zu verzeichnen waren. Trotz aussergewöhnlich langwieriger Abklärungen (seit der Anmeldung der Versicherten sind rund neun Jahre verstrichen) war es den zahlreichen mit der Versicherten befasst gewesenen Ärzten offensichtlich nicht möglich, die Auswirkungen der Kopfschmerzproblematik anamnestisch plausibel zu erfassen und insbesondere deren Auswirkungen auf die Arbeits- und Erwerbsfähigkeit überzeugend darzulegen. Namentlich vermochte Dr. med. K. trotz klarer Vorgaben im vorinstanzlichen Entscheid vom 8. September 2009 die Arbeitsunfähigkeit nicht anders zu begründen als allein mit den subjektiven Angaben des Versicherten. Dies reicht für einen rechtsgenüglichen Nachweis der erwerblichen Auswirkungen eines Gesundheitsschadens auch deshalb nicht aus, weil die Ärzte, und speziell Dr. med. K., eine funktionelle Komponente vermuteten und Dr. med. M., Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie FMH, im MEDAS-Teilgutachten vom 23. März 2012 darüber hinaus auf Anzeichen für eine Symptomausweitung, eine Selbstlimitierung sowie eine "final ausgerichtete" Entschädigungshaltung hinwies. Vor diesem Hintergrund wäre die erforderliche Plausibilität nur herzustellen gewesen, wenn die Gutachter schmerzbedingte
BGE 140 V 290 S. 299
Funktionsbeeinträchtigungen hätten erfassen und den Beschwerdeschilderungen sowie den in der Anamnese erhobenen Aktivitäten des täglichen Lebens gegenüberstellen können. Weder die Angaben der Versicherten (welche auf ein recht aktives Leben schliessen lassen) noch die Befunde anlässlich der Exploration ermöglichten eine solche Plausibilisierung. Damit wird eine gesundheitliche Beeinträchtigung der Versicherten keineswegs in Abrede gestellt. Indes konnten deren Auswirkungen auf die Arbeits- und Erwerbsfähigkeit trotz umfangreicher und langwieriger Abklärungen nicht hinreichend erstellt werden. Die diesbezügliche Beweislosigkeit wirkt sich zu ihren Lasten aus (
Art. 8 ZGB
).
4.3
Im Ergebnis bleibt es somit bei der vorinstanzlichen Verneinung des Rentenanspruchs. Die Beschwerde ist abzuweisen. | null | nan | de | 2,014 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
c2fe140d-c83a-4bd9-84d4-d44542071793 | Urteilskopf
109 Ib 304
49. Urteil des Kassationshofes vom 1. November 1983 i.S. W. gegen Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Art. 16 Abs. 3 lit. a, 17 Abs. 1 SVG, Führerausweisentzug.
Der Führerausweis kann wegen einer im Ausland begangenen Widerhandlung auch dann entzogen werden, wenn die ausländischen Behörden bereits ein Fahrverbot verfügt haben (E. 2); die ausländische Massnahme kann bei der Bemessung der Entzugsdauer berücksichtigt werden (E. 3). | Sachverhalt
ab Seite 304
BGE 109 Ib 304 S. 304
Der in der Schweiz wohnhafte deutsche Staatsangehörige W. verursachte am 28. März 1980 auf der Bundesautobahn Basel-Karlsruhe bei einer Geschwindigkeit von ca. 150 km/h durch einen "Schikanestopp" einen Verkehrsunfall. Das Amtsgericht Bühl/Baden (BRD) verurteilte ihn deswegen am 7. Oktober 1980 zu einer Busse von DM 4'800.-- und entzog ihm die Fahrerlaubnis für insgesamt 15 Monate. Wegen desselben Delikts verfügte das Strassenverkehrs- und Schiffahrtsamt des Kantons St. Gallen am 19. März 1981 den Entzug des Führerausweises für die Dauer von neun Monaten. Die Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen hob jedoch diesen Entscheid auf und ordnete einen verkehrspsychologischen Eignungstest an. Am 13. Januar 1983
BGE 109 Ib 304 S. 305
entzog das Strassenverkehrsamt den Führerausweis erneut für neun Monate. Den dagegen erhobenen Rekurs wies die Verwaltungsrekurskommission am 6. Juli 1983 ab, soweit sie darauf eintrat.
Diesen Entscheid ficht W. mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht an. Er beantragt, die Verfügung des Strassenverkehrs- und Schiffahrtsamtes vom 13. Januar 1983 und der Entscheid der Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen vom 6. Juli 1983 seien aufzuheben.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Es ist unbestritten, dass eine Verkehrsregelverletzung, wie sie der Beschwerdeführer am 28. März 1980 in der BRD begangen hat, bei Begehung in der Schweiz einen Warnungsentzug des Führerausweises gemäss
Art. 16 Abs. 3 lit. a SVG
zur Folge hat. Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird aber unter Berufung auf René Schaffhauser (SJZ 78/1982, S. 69 ff.) geltend gemacht, wegen eines Verstosses gegen Verkehrsregeln im Ausland sei der Warnungsentzug eines schweizerischen Führerausweises grundsätzlich nicht zulässig; zudem sei in der BRD wegen desselben Delikts bereits eine dem Warnungsentzug entsprechende Massnahme verfügt worden, so dass die Art. 3 bis 7 StGB und der Rechtssatz ne bis in idem der Anordnung eines zusätzlichen Führerausweisentzugs in der Schweiz entgegenstünden.
2.
Wie die Vorinstanz richtig bemerkte, stellt der Warnungsentzug des Führerausweises eine um der Verkehrssicherheit willen angeordnete Verwaltungsmassnahme mit präventivem und erzieherischem Charakter dar (
BGE 108 Ib 70
,
BGE 103 Ib 104
E. 2a,
BGE 102 Ib 197
E. 3d,
BGE 101 Ib 273
E. 1b). Der Kassationshof hat in
BGE 108 Ib 70
die in SJZ 78/1982, S. 69 ff. vertretene Auffassung, wonach die Anwendungs- und Geltungsbereiche der Massnahmen dem im Strafrecht geltenen Territorialitätsprinzip unterworfen seien, abgelehnt. Für den die Verkehrssicherheit in der Schweiz bezweckenden Warnungsentzug dürfen auch im Ausland begangene Delikte berücksichtigt werden. Es besteht kein Grund, auf diese Praxis zurückzukommen.
Am Grundsatz, dass ein Führerausweisentzug an eine im Ausland begangene Widerhandlung anknüpfen kann, ändert ein durch die ausländischen Behörden verfügtes Fahrverbot nichts. Die Verkehrssicherheit in der Schweiz kann nur durch den Entzug des
BGE 109 Ib 304 S. 306
schweizerischen Führerausweises, nicht auch durch ein im Ausland erlassenes Fahrverbot hinreichend gewährleistet werden.
Auch unter dem Aspekt des Strafcharakters des Ausweisentzugs erscheint die Kumulation des in Deutschland verhängten strafrechtlichen Entzuges mit einer gleichartigen schweizerischen Administrativmassnahme keineswegs unbillig. Das Fahrverbot hat gegenüber einem nicht im Lande der Verurteilung wohnhaften Täter nur eine beschränkte Wirkung, die davon abhängt, ob und wie häufig der Betroffene während der Entzugsdauer im Urteilsstaat ein Auto geführt hätte. Nur eine zusätzliche parallele Massnahme im Wohnsitzstaat kann im Grunde die beabsichtigte Warnungswirkung im vollen Umfange erzielen.
3.
Zu prüfen ist lediglich, ob und inwieweit ein im Ausland erlassenes Fahrverbot von den schweizerischen Behörden bei der Bemessung der Entzugsdauer zu berücksichtigen ist. Da der Warnungsentzug eine Massnahme mit präventivem und erzieherischem Charakter darstellt, dessen Dauer sich gemäss
Art. 17 Abs. 1 SVG
nach den Umständen bemisst, steht einer Berücksichtigung der ausländischen Massnahme im Rahmen der persönlichen Umstände des Betroffenen an sich nichts entgegen. Dabei ist der Art und Dauer der ausländischen Massnahme, dem Grad der Betroffenheit des Fahrzeugführers, d.h. der in präventiver und erzieherischer Hinsicht erzielten Wirkung, angemessen Rechnung zu tragen.
Das Amtsgericht Bühl (BRD) verfügte am 7. Oktober 1980 ein Fahrverbot für 15 Monate. Am 19. März 1981 ordnete das Strassenverkehrs- und Schiffahrtsamt des Kantons St. Gallen den Ausweisentzug für neun Monate an. Es begründete dies mit der am 28. März 1980 erfolgten Verkehrsregelverletzung und dem automobilistischen Vorleben des Beschwerdeführers. Dieser war im Jahre 1977 verwarnt worden. Noch im selben Jahr wurde ihm der Führerausweis für einen Monat entzogen. 1979 musste er wegen Behinderung des nachfolgenden Verkehrs mit Personenwagen auf Autobahn erneut verwarnt werden.
Die in der Schweiz angeordnete Massnahme wäre ohne Rekurs seitens des Beschwerdeführers gleichzeitig mit dem in Deutschland verfügten Fahrverbot vollzogen worden. Für diese Zeit hätte der Beschwerdeführer demnach durch die Anordnung von Massnahmen im In- und Ausland keinen zusätzlichen Nachteil gehabt. Dass infolge seines Rekurses ein gleichzeitiger Vollzug nicht möglich war, hat er selbst zu verantworten. Müsste in Fällen der vorliegenden Art das im Ausland angeordnete Fahrverbot auf die
BGE 109 Ib 304 S. 307
schweizerische Massnahme angerechnet werden, würden die Fahrzeugführer mit Bezug auf den schweizerischen Führerausweisentzug ungleich behandelt, je nachdem ob sie die erstinstanzliche schweizerische Entzugsverfügung anfechten oder nicht.
Bei gleichzeitigem Vollzug der deutschen und schweizerischen Massnahme hätte der Beschwerdeführer zusätzlich zum schweizerischen Entzug während sechs Monaten kein Motorfahrzeug in der Bundesrepublik Deutschland führen dürfen. Eine sich daraus ergebende Beeinträchtigung kann bei Festsetzung der Dauer des schweizerischen Ausweisentzugs nur berücksichtigt werden, wenn das deutsche Fahrverbot eine ins Gewicht fallende Betroffenheit des Beschwerdeführers zur Folge hat, bzw. wenn damit eine nachhaltige präventive oder erzieherische Wirkung erzielt wird. Beides ist vorliegend nicht der Fall. Nach den für das Bundesgericht gemäss
Art. 105 Abs. 2 OG
massgeblichen Feststellungen der Vorinstanz ist "eine starke berufliche Angewiesenheit" des Beschwerdeführers auf den Führerausweis nicht gegeben; eine anderweitige wesentliche Betroffenheit des in Rapperswil (SG) wohnhaften deutschen Beschwerdeführers ist nicht nachgewiesen. Da er sich in der Vergangenheit durch wiederholte Bussen (unter anderem eine solche wegen Behinderung des nachfolgenden Verkehrs auf der Autobahn) und einen 1978 erfolgten Führerausweisentzug nicht zu klaglosem Verhalten im Strassenverkehr hat bewegen lassen, ist eine nachhaltige Wirkung des deutschen Fahrverbots nicht anzunehmen. Die vorinstanzlich verfügte Dauer des Führerausweisentzugs von neun Monaten erscheint unter diesen Umständen nicht als übersetzt. Die Beschwerde ist deshalb als unbegründet abzuweisen. | public_law | nan | de | 1,983 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
c2fee05e-13a4-4b52-b6bc-6b57b021c871 | Urteilskopf
91 I 351
57. Auszug aus dem Urteil vom 1. Oktober 1965 i.S. Batschelet gegen Rekurskommission Basel-Stadt für eidg. Abgaben. | Regeste
Wehrsteuer; Abkommen zwischen der Schweiz und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen (AS 1951, 892).
Besteuerung einer in den Vereinigten Staaten wohnenden Person für den Ertrag ihrer in der Schweiz gelegenen Grundstücke; Bemessung des Abzugs für Schuldzinsen. | Sachverhalt
ab Seite 352
BGE 91 I 351 S. 352
A.-
Der Beschwerdeführer wohnt in Washington (USA) und ist dort berufstätig. Er ist Eigentümer von Liegenschaften in Bern und Basel. Für das aus diesen fliessende Einkommen wurde er gemäss Art. 3 Z. 3 lit. a und Art. 20 Abs. 1 lit. a WStB zur Wehrsteuer der 12. Periode herangezogen. Während er den vollen Abzug der darauf lastenden Schuldzinsen verlangte, nahm die zuständige Veranlagungsbehörde Basel-Stadt den Abzug zunächst nach dem Verhältnis des inländischen Einkommens zum Gesamteinkommen vor. Im Einspracheverfahren stellte sie auf das Verhältnis der inländischen Aktiven zu den Gesamtaktiven ab, so dass sich ein höherer Abzug ergab. Mit der Beschwerde hiegegen verlangte der Beschwerdeführer erneut den vollen Abzug der Schuldzinsen. Die kantonale Rekurskommission wies die Beschwerde ab.
B.-
Hiegegen erhebt Batschelet Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, es sei bei der Berechnung der Wehrsteuer der volle Betrag der Hypothekarzinsen abzuziehen.
Er macht geltend, der Abzug im Verhältnis der inländischen zu den gesamten Aktiven sei von der Vermögenssteuer her bekannt; doch fehle dieser Regel bei der Einkommenssteuer die gesetzliche Grundlage. Im kantonalen Verfahren habe er ein Beispiel vorgebracht, aus dem sich ergebe, dass der proportionale Abzug nicht immer anwendbar sei; die Rekurskommission habe dazu nicht Stellung genommen, somit die Schlüssigkeit des Beispiels nicht bestritten. Der proportionale Abzug habe, auch nach der Änderung im Einspracheentscheid, für den Beschwerdeführer eine empfindliche Erhöhung der Steuer zur Folge, für welche die USA (im Gegensatz zum Wohnsitzkanton im interkantonalen Verhältnis) keinen Ausgleich gewährten. Die Mehrbelastung stelle deshalb eine teilweise Doppelbesteuerung dar, wodurch das Abkommen zwischen der Schweiz und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen (DBAUS) dem Sinne nach verletzt werde. Es dürfte dem Rechtsempfinden entsprechen, das internationale, in Friedenszeiten abgeschlossene Abkommen dem in Notzeiten erlassenen "und immer noch mit Ungereimtem versehenen" WStB überzuordnen.
BGE 91 I 351 S. 353
Das DBAUS werde auch dem Buchstaben nach verletzt, weil nach Art. 1X Abs. 2 der Einkommensempfänger aufGrund des Nettoeinkommens zu besteuern sei, was im gewöhnlichen Sprachgebrauch den Abzug der Schuldzinsen einschliesse. Zu Unrecht verstehe die Rekurskommission unter dem Nettoeinkommen das steuerbare Reineinkommen im Sinne des internen schweizerischen Rechtes. Das sei eine Begriffsvermengung, die befremde und durch die Art. 1X Abs. 2 DBAUS ausgehöhlt werde. Die Rekurskommission berufe sich für ihren Standpunkt vergeblich auf Art. II Abs. 2 DBAUS.
C.-
Die kantonalen Behörden und die eidg. Steuerverwaltung beantragen Abweisung der Beschwerde.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Es ist unbestritten, dass der in Washington wohnhafte Beschwerdeführer gemäss Art. 3 Z. 3 lit. a und Art. 20 Abs. 1 lit. a WStB für das Einkommen, das er aus seinen in der Schweiz gelegenen Grundstücken zieht, die Wehrsteuer zu entrichten hat. Für die Berechnung dieses Einkommens sind die einschlägigen Bestimmungen des Wehrsteuerbeschlusses massgebend. Bei der erwähnten beschränkten Steuerpflicht sind sie auch im internationalen Verhältnis anwendbar, soweit dies nicht durch Staatsverträge ausdrücklich ausgeschlossen ist.
Der Streit geht ausschliesslich um den in Art. 22 Abs. 1 lit. d WStB vorgesehenen Abzug der in der Berechnungsperiode aufgelaufenen Schuldzinsen vom rohen Einkommen. Nach Art. 24 werden die vollen Abzüge nach Art. 22 - also auch der Schuldzinsenabzug - nur gewährt, wenn das gesamte Einkommen des Steuerpflichtigen der Wehrsteuer unterliegt; wenn ihr bloss ein Teil des Einkommens unterliegt, sind die Abzüge nach dem Verhältnis dieses Teiles zum gesamten Einkommen zulässig. Diese Ordnung beruht auf der Überlegung, dass die in Art. 22 genannten Aufwendungen das ganze Einkommen mindern und daher auf dieses gleichmässig anzurechnen sind, soweit sie nicht mit der Erzielung einzelner steuerbarer Einkünfte in einem besonders engen Zusammenhang stehen. Auf die Schuldzinsen trifft jedoch in der Regel nicht jene allgemeine Erwägung, sondern die zuletzt genannte Ausnahme zu, weil sie mit dem Erwerbseinkommen nichts zu tun haben, sondern das Gegenstück zum Vermögensertrag
BGE 91 I 351 S. 354
bilden, einseitig diesen belasten. Ihre mathematische Verteilung auf das Gesamteinkommen erscheint deshalb als sachwidrig und führt zu stossenden Ergebnissen; richtiger und ihrer Natur angemessen ist die Verteilung nach Massgabe der Aktiven, wie sie im interkantonalen Verhältnis vom Bundesgericht nicht nur auf die Schulden, sondern auch auf die Schuldzinsen angewendet wird. Die Praxis der Wehrsteuerbehörden weicht deshalb insofern vom Buchstaben des zweiten Satzes des Art. 24 WStB ab, als sie auf die Schuldzinsen nicht diese Bestimmung, sondern den Art. 29 sinngemäss anwendet, wonach der Schuldenabzug nach dem Verhältnis des inländischen Vermögens zum Gesamtvermögen zulässig ist. Im vorliegenden Falle hat sich die Veranlagungsbehörde zwar zunächst an den Buchstaben des Art. 24 WStB gehalten, aber im Einspracheentscheid jener Praxis angeschlossen - zugunsten des Beschwerdeführers, dessen Steuerleistung dadurch fast um die Hälfte herabgesetzt wurde. Er ficht denn auch nicht jene Abweichung vom Wortlaut des zweiten Satzes des Art. 24 an, sondern verlangt darüber hinaus den vollen Abzug der Schuldzinsen. Das würde jedoch dem ersten Satze des Art. 24 widersprechen, der ausdrücklich vorschreibt, dass die vollen Abzüge gemäss Art. 22 nur gewährt werden, wenn das gesamte Einkommen des Steuerpflichtigen der Wehrsteuer unterliegt. Nach den massgebenden Bestimmungen des Wehrsteuerbeschlusses ist die Beschwerde somit unbegründet.
2.
Der Beschwerdeführer rügt sodann, der angefochtene Entscheid verletze Art. 1X Abs. 2 DBAUS, wonach Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen vom Staate der gelegenen Sache auf Grund des Nettoeinkommens zu besteuern sind. Er macht geltend, dieser Begriff schliesse den Abzug der Schuldzinsen in sich. Dabei übersieht er, dass der angefochtene Entscheid den Schuldzinsenabzug nicht verweigert, sondern nach Massgabe des WStB, der ihn ebenfalls vorsieht, gewährt. Da das DBAUS den Begriff des Nettoeinkommens nicht umschreibt, ist er von den schweizerischen Behörden nach dem schweizerischen Steuerrecht auszulegen gemäss Art. II Abs. 2 des Abkommens, welcher lautet:
"Bei Anwendung der Bestimmungen dieses Abkommens wird jeder Vertragsstaat, sofern sich aus dem Zusammenhang nicht etwas anderes ergibt, jedem nicht anders umschriebenen Begriff den Sinn beilegen, der ihm unter der eigenen Steuergesetzgebung zukommt."
BGE 91 I 351 S. 355
Der WStB gebraucht zwar den Ausdruck "Nettoeinkommen" nicht; wohl aber umschreibt er in Art. 22 das "reine Einkommen", das sich aus dem Abzug der dort genannten Aufwendungen (worunter sich auch die Schuldzinsen befinden) vom rohen Einkommen ergibt. Es ist offensichtlich, dass die beiden Ausdrücke den gleichen Begriff bezeichnen; schon sprachlich entsprechen sich "netto" und "rein"; ihre Gleichsetzung lässt sich daher nicht beanstanden. Somit hat gemäss Art. II Abs. 2 DBAUS die Schweiz das Nettoeinkommen des Beschwerdeführers aus den hier gelegenen Grundstücken nach den Bestimmungen des WStB über das reine Einkommen zu berechnen. Das gilt insbesondere auch für den Abzug der Schuldzinsen, der im Abkommen nicht ausdrücklich erwähnt ist und über dessen Berechnung sich aus dem Zusammenhang nichts anderes ergibt. Die dem WStB entsprechende Verteilung des Abzuges nach dem Verhältnis der inländischen Aktiven zu den gesamten Aktiven des Beschwerdeführers verletzt deshalb das DBAUS nicht.
Die Anwendung verschiedener Methoden der Aufteilung der Schuldzinsen in den beteiligten Staaten kann allerdings zu einer gewissen Doppelbesteuerung führen, indem u.U. deswegen die Passivzinsen nicht vollständig abgezogen werden können, sodass im Ganzen ein höheres als das effektive Nettoeinkommen besteuert wird. Das ist einer der Fälle, in denen die Abkommen eine Doppelbesteuerung nicht zu verhindern vermögen. Für solche Fälle sehen sie häufig - so auch das DBAUS in Art. XVII - ein Verständigungsverfahren vor. Es ist jedoch nicht Sache des Verwaltungsgerichts, das Abkommen zu ergänzen und für darin nicht geordnete Fragen eine Lösung zu suchen. Es hat sich vielmehr auf die Feststellung zu beschränken, dass das Abkommen dafür keine Regelung aufstellt und deshalb die Entscheidung auf Grund der inländischen, durch das Abkommen nicht eingeschränkten Gesetzgebung zu treffen ist (
BGE 62 I 98
)... Das vom Beschwerdeführer konstruierte Beispiel, in dem sich die proportionale Verteilung des Schuldzinsenabzuges besonders stark zum Nachteil des Steuerpflichtigen auswirkt, vermag an dieser Rechtslage nichts zu ändern, weshalb sich die Rekurskommission nicht damit auseinanderzusetzen brauchte.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen. | public_law | nan | de | 1,965 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
c3036f42-491f-4fee-832f-704e8f661eb9 | Urteilskopf
124 IV 313
50. Auszug aus dem Urteil der Anklagekammer vom 2. November 1998 i.S. Casino Obwalden AG, B. und C. gegen Schweizerische Bundesanwaltschaft (Beschwerde) | Regeste
Art. 65 ff. BStP
;
Art. 6 SBG
,
Art. 10 SBG
;
Art. 9 GSAV
,
Art. 10 GSAV
. Beschlagnahme von Geldspielautomaten und Spielgeldern.
Kognition der Anklagekammer (E. 2).
Aus
Art. 10 SBG
ergibt sich auch die Befugnis, die allenfalls der Einziehung unterliegenden Spielgeräte und Spielgelder vorläufig zu beschlagnahmen (E. 3).
Voraussetzungen der Beschlagnahme und Prüfungsumfang der Anklagekammer (E. 4).
Bejahung des Tatverdachts und der Verhältnismässigkeit (E. 6-8). | Sachverhalt
ab Seite 314
BGE 124 IV 313 S. 314
Die am 4. März 1998 durch den Tourismusverein Engelberg, den Verein Obwalden Tourismus und die A. AG gegründete Casino Obwalden AG beabsichtigte, gestützt auf eine dem Verein Obwalden Tourismus durch den Regierungsrat des Kantons Obwalden am 23. Dezember 1997 erteilte Bewilligung, Am 30. April 1998 in Sarnen ein Casino mit 100 Geldspielautomaten samt Jackpotsystemen zu eröffnen.
Am 22. April 1998 erliess der Bundesrat die Verordnung über Geldspielautomaten (Geldspielautomatenverordnung; GSAV; AS 1998, S. 1518; SR 935.522), die er am selben Tag in Kraft setzte. Nach dieser können nach bisheriger Praxis des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartementes homologierte (Geschicklichkeits-)Geldspielautomaten und Jackpotsysteme nur noch betrieben werden, wenn sie am 22. April 1998 bereits in Betrieb waren.
Am 23. April 1998 nahm das Bundesamt für Polizeiwesen eine Kontrolle des Casinos Sarnen vor, bei welcher festgestellt wurde, dass die Spielautomaten zwar betriebsbereit seien, diese aber wegen der noch andauernden Fertigstellungsarbeiten erst in einigen Tagen tatsächlich in Betrieb genommen werden könnten. Die Casino Obwalden AG beschloss deshalb, die Eröffnung des Casinos Sarnen zu verschieben.
Nachdem ein durch die Casino Obwalden AG in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten zum Schluss gekommen war, auch an ihrem Einsatzort aufgestellte betriebsbereite Geldspielautomaten seien bereits «in Betrieb», nahm diese am 9. Juni 1998 das Casino Sarnen in Betrieb.
Dem Ersuchen des Bundesamtes für Polizeiwesen vom selben Tag, den Betrieb der Geldspielautomaten im Casino Sarnen sofort, d.h. ab dem 10. Juni 1998 einzustellen, kam die Casino Obwalden AG nicht nach, worauf das Bundesamt für Polizeiwesen am 15. Juni 1998 bei der Bundesanwaltschaft Strafanzeige gegen die verantwortlichen Organe des Casinos erstattete.
Nachdem diese noch am selben Tag gegen die Verantwortlichen der Casino Obwalden AG ein Strafverfahren wegen Verdachts der Widerhandlung im Sinne von
Art. 6 des Bundesgesetzes über die Spielbanken vom 5. Oktober 1929 (Spielbankengesetz, SBG; SR 935.52)
in Verbindung mit der Geldspielautomatenverordnung eröffnet hatte, verfügte sie am 16. Juni 1998 die Durchsuchung der Liegenschaften und Räumlichkeiten der Casino Obwalden AG an deren Sitz in Engelberg und am Casinostandort Sarnen; verfügt wurde zudem die Beschlagnahme der als verboten beanstandeten
BGE 124 IV 313 S. 315
Glücksspielautomaten des Casinos Sarnen, von Unterlagen im Zusammenhang mit der Eröffnung und dem Betrieb dieser Automaten sowie der mit diesen eingespielten Gelder als Beweismittel. Anlässlich der Hausdurchsuchung in Sarnen wurden 96 Geldspielautomaten versiegelt; aus dem Kassen- und Tresorraum sowie aus den Geldspielautomaten wurden Fr. 22'279.70 und verschiedene Unterlagen in Verwahrung genommen. In Engelberg wurden verschiedene Unterlagen und Disketten sichergestellt.
Mit Beschwerde vom 23. Juni 1998 beantragen die Casino Obwalden AG, B. und C. der Anklagekammer des Bundesgerichts, die Beschlagnahmeverfügung aufzuheben und die beschlagnahmten Gegenstände und Vermögenswerte der Casino Obwalden AG freizugeben.
Mit Verfügung vom 26. Juni 1998 wies der Präsident der Anklagekammer das Gesuch um Gewährung der aufschiebenden Wirkung ab.
Die Bundesanwaltschaft beantragt, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei.
Im zweiten Schriftenwechsel halten die Parteien an ihren Anträgen fest.
Am 25. August 1998 reichte der Regierungsrat des Kantons Obwalden beim Bundesgericht eine staatsrechtliche Klage ein gegen die Schweizerische Eidgenossenschaft, in welcher er zur Hauptsache beantragt, es sei festzustellen, dass der Bundesrat mit Art. 9 f. GSAV in die Kompetenz des Kantons Obwalden zur Regelung der Zulassung von Geschicklichkeitsspielen eingegriffen habe; die Beschlagnahme kantonal bewilligter Geschicklichkeitsspielautomaten im Casino Sarnen durch die Bundesanwaltschaft gemäss Verfügung vom 16. Juni 1998 sei aufzuheben. Diese ist zur Zeit noch hängig.
In ihrer Replik erklären die Beschwerdeführer diese staatsrechtliche Klage zum integrierenden Bestandteil ihrer Eingabe im vorliegenden Beschwerdeverfahren.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
Bei Beschwerden gegen Zwangsmassnahmen und damit zusammenhängende Amtshandlungen der Bundesanwaltschaft gemäss
Art. 105bis Abs. 2 BStP
prüft die Anklagekammer, ob diese Bundesrecht verletzt bzw. die Grenze des ihr zustehenden Ermessens
BGE 124 IV 313 S. 316
offensichtlich überschritten hat (Zusatzbotschaft zum Datenschutzgesetz, BBl 1990 III 1235, unter ausdrücklichem Hinweis auf
BGE 96 IV 139
E. 2 und
BGE 95 IV 45
E. 2).
3.
a) Im Hausdurchsuchungsbefehl vom 16. Juni 1998 ist zwar nur die Rede davon, dass Gegenstände, die im Verfahren als Beweismittel von Bedeutung sein können, zu beschlagnahmen seien. In ihrer Vernehmlassung weist die Beschwerdegegnerin indessen darauf hin, die Beschlagnahme sei sowohl zur Sicherung der Beweismittel als auch zur Sicherung der in
Art. 10 SBG
vorgesehenen Einziehung der Spielgelder und Spielgeräte verfügt worden.
b)
Art. 65 BStP
, welcher Grundlage der angefochtenen Verfügung bildet, regelt zwar nur die Beschlagnahme von Gegenständen, die als Beweismittel von Bedeutung sein können, ausdrücklich. Nach der Praxis unterliegen dem Beschlag aber auch Gegenstände, deren spätere Einziehung in Frage kommt (
BGE 74 IV 213
). Gemäss
Art. 10 SBG
kann der Richter bei Feststellung verbotenen Spieles ohne Rücksicht auf die Strafbarkeit einer bestimmten Person die Spielgeräte und Spielgelder einziehen. Daraus ergibt sich auch die Befugnis zur vorläufigen Beschlagnahme solcher Gegenstände (BGE vom 28. Juni 1979, ZBl 80 [1979] S. 174 E. 3a und BGE vom 20. Februar 1980, SJ, 1980 525, E. 3a, die das Gleiche aus
Art. 58 und 59 StGB
ableiten).
4.
Die Beschlagnahme ist eine provisorische (konservatorische) prozessuale Massnahme zur vorläufigen Sicherung der Beweismittel bzw. der allenfalls der Einziehung unterliegenden Gegenstände und Vermögenswerte (
BGE 120 IV 365
E. 1c). Voraussetzung für die Beschlagnahme ist ein hinreichender, objektiv begründeter konkreter Tatverdacht gegenüber dem Inhaber des Gegenstandes bzw. Vermögenswertes oder einem Dritten. Im Gegensatz zum erkennenden Sachrichter hat die Anklagekammer bei der Überprüfung des Tatverdachtes keine erschöpfende Abwägung der in Betracht fallenden Tat- und Rechtsfragen vorzunehmen. Dies gilt namentlich auch dann, wenn der Tatverdacht wie hier mit dem Argument bestritten wird, die in Frage kommende Strafbestimmung sei nicht anwendbar bzw. es verletze Bundesrecht, dies zu bejahen. Die Anklagekammer des Bundesgerichts hebt die Beschlagnahme nur auf, wenn die behauptete Rechtsverletzung offensichtlich ist.
5.
a) Gemäss
Art. 35 Abs. 1 BV
- in der Fassung vor Revision dieser Bestimmung vom 7. März 1993, die noch nicht in Kraft gesetzt wurde - sind die Errichtung und der Betrieb von Spielbanken verboten.
BGE 124 IV 313 S. 317
Nach den Art. 1 bis 3 SBG gilt auch das Aufstellen von Spielautomaten und ähnlichen Apparaten als (verbotene) Spielbank bzw. Glücksspielunternehmung, sofern nicht der Spielausgang in unverkennbarer Weise ganz oder vorwiegend auf Geschicklichkeit beruht. Das Eidg. Justiz- und Polizeidepartement entscheidet, welche Apparate unter diese Bestimmung fallen, bzw. welche Automaten als Glücksspiel- und welche als Geschicklichkeitsspielautomaten gelten; dieser Homologationsentscheid unterliegt der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Bundesgericht (
Art. 3 Abs. 2 SBG
; vgl. dazu BBl 1929 I 374).
Nach
Art. 6 SBG
wird mit Busse von 300 bis 10'000 Franken bestraft, wer eine Spielbank errichtet, hierzu Platz gibt oder Spielgeräte beschafft.
b) Am 22. April 1998 erliess der Bundesrat in Ausführung von Art. 1 bis 3 SBG die Geldspielautomatenverordnung (GSAV) und setzte sie sofort in Kraft. Gemäss
Art. 9 Abs. 1 GSAV
verlieren die bisher durch das Eidg. Justiz- und Polizeidepartement für Geldspielautomaten und Jackpotsysteme erteilten Homologationen mit dem Inkrafttreten der GSAV - d.h. am 22. April 1998 - ihre Gültigkeit (
Art. 9 GSAV
), es sei denn, sie seien zu diesem Zeitpunkt bereits in Betrieb gewesen; in diesem Fall dürfen sie an ihrem bisherigen Standort und in bisherigem Umfang weiter betrieben werden (
Art. 10 GSAV
), wenn sie spätestens einen Monat nach Inkrafttreten der GSAV dem Bundesamt für Polizeiwesen gemeldet werden (
Art. 12 Abs. 1 GSAV
). Nicht gemeldete Geldspielautomaten und Jackpotsysteme gelten bis zum Beweis des Gegenteils als verbotene Glücksspielunternehmung (
Art. 12 Abs. 2 GSAV
).
6.
a) Die Beschwerdeführer machen geltend,
Art. 10 GSAV
sei dahingehend auszulegen, dass auch bereits an ihrem Bestimmungsort aufgestellte und betriebsbereite Geräte unter die Bestandesgarantie fielen. Die Beschwerdegegnerin hält dem den Wortlaut und -sinn sowie die Zielsetzung der GSAV entgegen.
b) Eine Kontrolle durch das Bundesamt für Polizeiwesen vom 23. April 1998 ergab, dass die beschlagnahmten Geldspielautomaten montiert und am Netz angeschlossen waren, dass aber die tatsächliche Inbetriebnahme auf Grund des Standes der Fertigstellungsarbeiten erst in einigen Tagen hätte stattfinden können. Insbesondere war die Eröffnung des Casinos erst auf den 29. bzw. 30. April 1998 vorgesehen und entsprechend publiziert worden, und nach der Aktenlage standen die Apparate am 23. April 1998 den Kunden noch nicht zur Verfügung.
BGE 124 IV 313 S. 318
Unter diesen Umständen erweist sich die Beurteilung der Beschwerdegegnerin, die beschlagnahmten Geldspielautomaten seien im fraglichen Zeitpunkt, d.h. am 22. April 1998 nicht in Betrieb gewesen, nicht als offensichtlich unhaltbar.
Damit besteht der begründete Verdacht, die nach dem 22. April 1998 erfolgte Inbetriebnahme der beschlagnahmten Automaten könnte nach
Art. 6 SBG
in Verbindung mit
Art. 9 und 10 GSAV
strafbar sein.
7.
a) Die Beschwerdeführer machen sodann geltend, die beschlagnahmten Geldspielautomaten seien gar keine Glücksspielautomaten sondern Geschicklichkeitsspielautomaten, da sie durch das Eidg. Justiz- und Polizeidepartement als solche homologiert worden seien. Die mit dem Inkrafttreten der GSAV erfolgte Änderung der bisherigen Homologationspraxis greife daher in unzulässiger Weise in die Zuständigkeit der Kantone ein und sei auch mit
Art. 13 SBG
nicht vereinbar. Die Bestimmung von
Art. 9 GSAV
, nach welcher die durch das Departement bereits erteilten Homologationen von Geldspielautomaten ihre Gültigkeit verlieren, sei deshalb verfassungswidrig, da sie die bundesstaatliche Kompetenzverteilung verletze und Art. 13 des Spielbankengesetzes widerspreche; sie sei daher nicht anwendbar.
b) Die beschlagnahmten Geldspielautomaten waren nach der (unwidersprochenen) Darstellung der Beschwerdeführer zwar durch das dafür zuständige (
Art. 3 Abs. 2 SBG
) Eidg. Justiz- und Polizeidepartement als Geschicklichkeitsgeldspielautomaten homologiert. Mit Inkrafttreten der GSAV am 22. April 1998 verloren nun aber die erteilten Homologationen ihre Gültigkeit (
Art. 9 Abs. 1 GSAV
). Nicht unter die Bestandesgarantie fallende Automaten gelten bis zum Beweis des Gegenteils als verbotene Glücksspielunternehmung (
Art. 12 Abs. 2 GSAV
). Vor diesem Hintergrund besteht der hinreichende Verdacht einer Widerhandlung, wenn auf die nicht offensichtlich unhaltbare Beurteilung abzustellen ist, dass die fraglichen Automaten beim Inkrafttreten der GSAV am 22. April 1998 nicht in Betrieb waren. Dass bei den hier betroffenen Automaten der Spielausgang tatsächlich in unverkennbarer Weise ganz oder vorwiegend auf Geschicklichkeit beruhe (
Art. 3 Abs. 1 SBG
), legen die Beschwerdeführer nicht dar. Insoweit ist auch keineswegs evident, dass mit dem Erlass der GSAV und konkret mit dem Verbot der hier in Frage stehenden Automaten in die kantonale Zuständigkeit eingegriffen worden wäre.
8.
a) Die Beschwerdeführer machen weiter geltend, bei
Art. 10 GSAV
gehe es um den verfassungsrechtlich gewährleisteten Schutz
BGE 124 IV 313 S. 319
des Vertrauens der bisherigen Betreiber altrechtlich homologierter Spielautomaten und gleichzeitig um die Gewährleistung der eigentumsrechtlich geschützten Position derselben.
b) Der Bundesrat hat die Kantone bereits 1996 gewarnt, eine Änderung der bisherigen Homologationspraxis werde insbesondere im Hinblick auf die Zunahme von vom Boulespiel losgelösten Automatencasinos nötig werden. Wer sich daher nicht an das Moratorium halte, tue dies auf eigenes Risiko. Die Beschwerdeführer machen nicht geltend, dies sei ihnen nicht bekannt gewesen. Bei dieser Sachlage ist nun aber keineswegs evident, dass der ab dem 22. April 1998 Wirkung entfaltende Widerruf der Homologierung gegen den Vertrauensgrundsatz bzw. eine eigentumsrechtlich geschützte Position verstossen würde. Ebensowenig ist die Unverhältnismässigkeit der Beschlagnahme mit dem Hinweis dargetan, dass der Straftatbestand, dessen die Beschwerdeführer (zu Unrecht) verdächtigt würden, bloss eine Übertretung darstelle und die Betreiberin der Spielautomaten in ihrer Existenz bedroht sei.
c) Soweit die Beschwerdeführer vorbringen, das Bundesamt für Polizeiwesen hätte mittels - mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde anfechtbarer - Verfügung die Schliessung des Casinos anordnen bzw. feststellen müssen, dass es sich bei den in Frage stehenden Automaten um (illegale) Glücksspielautomaten handle, sind sie nicht zu hören. Die Anklagekammer hat im vorliegenden Verfahren lediglich die Zulässigkeit der Beschlagnahme zu prüfen, die in der gegen die Beschwerdeführer eröffneten Strafuntersuchung verfügt wurde.
9.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Verdacht begründet ist, die Beschwerdeführer könnten eine strafbare Handlung im Sinne von
Art. 6 SBG
begangen haben. Eine Verletzung des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes ist nicht dargetan; ebensowenig die offenkundige Verletzung anderer Rechtsnormen oder -grundsätze. Die Beschwerde ist deshalb abzuweisen.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens unter Solidarhaftung den Beschwerdeführern aufzuerlegen (
Art. 245 BStP
in Verbindung mit
Art. 156 OG
; vgl.
BGE 123 IV 236
E. 11, S. 251). | null | nan | de | 1,998 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
c308508e-a174-48d0-8862-91ac154653d9 | Urteilskopf
119 II 110
24. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour civile du 27 avril 1993 dans la cause dame L. contre L. et J. (recours en réforme) | Regeste
Art. 256c Abs. 1 ZGB
; Frist zur Einreichung der Anfechtungsklage.
Voraussetzungen, welche erfüllt sein müssen, damit die relative Verwirkungsfrist, wie sie diese Vorschrift enthält, zu laufen beginnt. Beweislast (E. 3). | Sachverhalt
ab Seite 110
BGE 119 II 110 S. 110
A.-
a) L. et dame P. se sont mariés à Genève le 1er octobre 1982. L. est le père de trois enfants nés d'un premier lit.
Le 9 septembre 1985, dame L. a donné naissance à une fille, J. Le 8 septembre 1989, elle a ouvert action en divorce devant le Tribunal de première instance de Genève.
b) Le 6 novembre 1989, L. a formé une action en désaveu de paternité, concluant à ce qu'il soit prononcé qu'il n'est pas le père de l'enfant J. Dame L. ayant excipé de la péremption de l'action, le tribunal a ordonné l'ouverture d'une instruction préjudicielle pour statuer sur cette objection de droit matériel.
Par jugement du 11 juin 1992, le tribunal a débouté la défenderesse des fins de son incident de péremption de l'action.
B.-
Saisie d'un appel de dame L., la Cour de justice, par arrêt du 4 décembre 1992, l'a rejeté et a maintenu le jugement attaqué. La
BGE 119 II 110 S. 111
cour cantonale a considéré que L. avait eu connaissance du fait qu'il n'était pas le père de l'enfant J. au mois de décembre 1988, de sorte que son action en désaveu n'était pas périmée.
C.-
Dame L. exerce un recours en réforme contre cet arrêt. Elle demande notamment au Tribunal fédéral de constater la péremption de l'action en désaveu déposée par son mari.
Le Tribunal fédéral rejette le recours dans la mesure où il est recevable.
Erwägungen
Extrait des considérants:
3.
Dame L. se plaint en premier lieu d'une mauvaise application de l'
art. 256c al. 1 CC
.
a) Cette disposition prévoit que le mari doit intenter l'action en désaveu au plus tard un an après qu'il a connu la naissance et le fait qu'il n'est pas le père ou qu'un tiers a cohabité avec la mère à l'époque de la conception (délai relatif), mais en tout cas dans les cinq ans depuis la naissance (délai absolu). Ces deux délais sont des délais de péremption (HEGNAUER, n. 37 ad
art. 256c CC
; STETTLER, Le droit suisse de la filiation, TDPS, vol. III, tome II, 1, Fribourg 1987, p. 190).
Seul est en cause en l'occurrence le respect du délai relatif d'une année. Celui-ci commence à courir a) dès que le mari apprend la naissance de l'enfant, lorsqu'il n'a pas cohabité avec la mère durant la période de conception ou qu'il connaît d'emblée son incapacité de procréer ou la grossesse de sa femme lors de sa première cohabitation avec elle, ou b) plus tard, lorsqu'il découvre que sa paternité est exclue par le résultat d'expertises médicales ou hérédobiologiques ou en raison de la présence chez l'enfant de caractères raciaux que les parents ne possèdent pas (HEGNAUER, n. 25 ad
art. 256c CC
).
Le délai relatif court également dès que le mari apprend qu'un tiers a cohabité avec la mère à l'époque de la conception. Peu importe qu'il connaisse l'identité de ce tiers, que la mère ait été contrainte ou non de cohabiter avec le tiers ou que le mari ait continué de cohabiter avec son épouse pendant cette période et que sa paternité ne puisse être totalement exclue (HEGNAUER, n. 27 ad
art. 256c CC
; STETTLER, op.cit., p. 191).
Il appartient au demandeur de prouver quand et comment il a appris la naissance de l'enfant et le fait qu'il n'est pas le père ou qu'un tiers a cohabité avec la mère. Mais le délai ne commence à courir que lorsqu'il dispose d'éléments de fait certains lui permettant d'intenter
BGE 119 II 110 S. 112
action. De simples incertitudes sur la paternité ne suffisent pas, à moins qu'il ne résulte des circonstances que le demandeur soit tenu de s'informer sur les faits pertinents de manière à acquérir une certitude (
ATF 100 II 283
; HEGNAUER, n. 29 ad
art. 256c CC
). En revanche, il incombe à la partie défenderesse d'apporter la preuve que le délai pour agir n'est pas respecté (HEGNAUER, n. 29 in fine ad
art. 256c CC
).
Si la constatation de ce qu'une partie savait ou ignorait à un moment donné relève du fait (POUDRET/SANDOZ-MONOD, Commentaire de La loi fédérale d'organisation judiciaire, n. 4.3.2. ad
art. 63 OJ
), le Tribunal fédéral peut revoir librement si les éléments qu'elle avait à disposition étaient suffisants au regard de l'
art. 256c al. 1 CC
pour faire courir le délai pour agir en désaveu.
b) La cour cantonale a constaté de manière à lier le Tribunal fédéral (
art. 63 al. 2 OJ
) que L. a eu connaissance de sa stérilité au mois de mai 1987, qu'il a appris d'un spécialiste consulté le mois de juin suivant l'impossibilité de définir l'origine et la date d'apparition de cette affection et que sa femme lui a avoué au mois de décembre 1988 avoir eu une brève liaison avec un tiers pendant la période de conception de l'enfant J. Passant au raisonnement juridique, la Cour de justice a nié que L. ait eu la connaissance certaine, utilisable en procédure, du fait qu'il ne pouvait être le père de l'enfant dès qu'il a appris son inaptitude à procréer. Les juges cantonaux ont considéré que le délai de péremption annuel n'a couru qu'à partir du jour où la recourante lui a avoué avoir cohabité avec un tiers au cours de la période déterminante. Ils en ont conclu que l'action en désaveu n'est pas périmée.
c) Dame L. reproche à l'autorité cantonale d'avoir posé des exigences trop élevées, contraires à l'esprit de l'
art. 256c al. 1 CC
, pour déterminer le moment de la connaissance par l'intimé de sa non-paternité. Elle soutient que la découverte par L. de sa stérilité devait l'inciter à procéder à des investigations supplémentaires quant à la date de l'apparition de cette affection. C'est en réalité dès 1987, affirme-t-elle, que son mari a su qu'il n'était pas le père de J.
d) Dans la mesure où la recourante s'en prend aux constatations de fait et à l'appréciation des preuves de l'autorité cantonale, sans se plaindre d'inadvertance manifeste, ni de violation des dispositions fédérales en matière de preuve, son recours est irrecevable (
art. 63 al. 2 OJ
;
ATF 117 II 257
consid. 2a). L'avis de droit du Professeur Stettler, qui se livre également à une nouvelle appréciation des preuves, ne lui est à cet égard d'aucun secours. L'époque où le mari
BGE 119 II 110 S. 113
a eu connaissance de l'adultère de son épouse, telle qu'elle a été arrêtée par la Cour de justice, ne saurait donc être remise en cause dans le présent recours. Il en est de même de la circonstance que l'origine et la date d'apparition de la stérilité de l'intimé n'ont pu être déterminées médicalement. Est encore irrecevable la critique de la recourante portant sur le prétendu manque de diligence de L. pour connaître sa paternité, dès l'instant où la cour cantonale a établi que celui-ci avait au contraire entrepris des démarches pour lever cette incertitude.
Selon les constatations de l'arrêt déféré, il apparaît que la cour cantonale pouvait admettre sans violer le droit fédéral que le délai pour agir en désaveu n'avait couru que dès le mois de décembre 1988, époque où L. a connu la cohabitation de sa femme avec un tiers. La découverte de sa stérilité pouvait certes faire naître des doutes sur sa paternité. Mais les investigations auxquelles il s'est livré par la suite ne lui ont apporté aucun éclaircissement sur ce point. Du moment qu'il ignorait que son épouse avait eu une liaison pendant la période de conception de J. et qu'il entretenait régulièrement à cette époque des relations sexuelles avec la recourante, l'intimé, qui est le père de trois enfants issus d'un précédent mariage, n'avait pas de raison de douter sérieusement en juin 1987 de sa paternité. Il n'a pu acquérir des certitudes sur cette question qu'au jour où son épouse lui a avoué son adultère. | public_law | nan | fr | 1,993 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
c30a1a4b-ae44-4f05-95ed-8ceda803c9f1 | Urteilskopf
140 IV 108
15. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. Blocher gegen Staatsanwaltschaft III des Kantons Zürich (Beschwerde in Strafsachen)
1B_424/2013 / 1B_436/2013 vom 22. Juli 2014 | Regeste
Art. 172 und 264 Abs. 1 lit. c StPO
,
Art. 17 Abs. 3 BV
,
Art. 10 EMRK
; Verbot der Beschlagnahme von Unterlagen aus dem Verkehr des Beschuldigten mit Medienschaffenden.
Das Beschlagnahmeverbot erfasst nicht nur Unterlagen, die sich beim Medienschaffenden befinden, sondern auch solche, die sich beim Beschuldigten oder bei Dritten befinden (E. 6). | Sachverhalt
ab Seite 109
BGE 140 IV 108 S. 109
Die Staatsanwaltschaft III des Kantons Zürich (im Folgenden: Staatsanwaltschaft) führt ein Strafverfahren gegen Christoph Blocher wegen des Verdachts der Gehilfenschaft und der versuchten Verleitung zur Verletzung des Bankgeheimnisses. Sie wirft ihm vor, er habe einen Angestellten einer Privatbank, der im Besitz vertraulicher Informationen über Bankgeschäfte des damaligen Präsidenten der Schweizerischen Nationalbank gewesen sei, am 3. Dezember 2011 bei sich zu Hause empfangen. Dabei habe der Bankangestellte die Informationen offengelegt. Christoph Blocher habe dem Bankangestellten Unterstützung in Aussicht gestellt, falls dieser deswegen seine Stelle bei der Privatbank verliere. Christoph Blocher habe in der Folge darauf hingewirkt, den Bankangestellten einem Journalisten zuzuführen, der im Zusammenhang mit den Bankgeschäften des Präsidenten der Nationalbank am Recherchieren gewesen sei.
Am 20. März 2012 durchsuchte die Staatsanwaltschaft das Haus von Christoph Blocher und die Räumlichkeiten einer Aktiengesellschaft. Dabei stellte sie Unterlagen sicher.
Diese versiegelte die Staatsanwaltschaft auf Antrag von Christoph Blocher hin gleichentags.
Am 4. April 2012 ersuchte die Staatsanwaltschaft das Zwangsmassnahmengericht am Obergericht des Kantons Zürich (im Folgenden: Zwangsmassnahmengericht) um Entsiegelung.
Am 30. September 2013 fand eine Triageverhandlung statt. Dabei sonderte das Zwangsmassnahmengericht Unterlagen aus, welche durch das Anwaltsgeheimnis sowie das Amtsgeheimnis von Christoph Blocher geschützt waren, und gab sie diesem zurück.
Am 27. November 2013 überliess das Zwangsmassnahmengericht der Staatsanwaltschaft die übrigen Unterlagen in Gutheissung des Entsiegelungsgesuchs zur Durchsuchung.
Die von Christoph Blocher hiergegen erhobene Beschwerde in Strafsachen heisst das Bundesgericht, soweit es darauf eintritt, teilweise gut.
(Zusammenfassung)
Erwägungen
BGE 140 IV 108 S. 110
Aus den Erwägungen:
6.
6.1
Der Beschwerdeführer bringt vor, er habe vor Vorinstanz beantragt, aus dem Sicherstellungsgut alles auszusondern und ihm herauszugeben, was dem Quellenschutz der Medienschaffenden unterliege, d.h. insbesondere sämtliche Korrespondenz und Aufzeichnungen zwischen ihm und der "Weltwoche" bzw. dort tätigen bestimmten Journalisten. Indem die Vorinstanz das abgelehnt habe, habe sie
Art. 264 Abs. 1 lit. c StPO
verletzt.
6.2
Art. 264 StPO
regelt die Einschränkungen der Beschlagnahme. Gemäss Absatz 1 dieser Bestimmung in der ursprünglichen, am 1. Januar 2011 in Kraft getretenen Fassung dürfen nicht beschlagnahmt werden, ungeachtet des Ortes, wo sie sich befinden, und des Zeitpunktes, in welchem sie geschaffen worden sind: a. Unterlagen aus dem Verkehr der beschuldigten Person mit ihrer Verteidigung; b. persönliche Aufzeichnungen und Korrespondenz der beschuldigten Person, wenn ihr Interesse am Schutz der Persönlichkeit das Strafverfolgungsinteresse überwiegt; c. Gegenstände, namentlich Aufzeichnungen und Korrespondenzen, die aus dem Verkehr zwischen der beschuldigten Person und Personen stammen, die nach den Artikeln 170-173 das Zeugnis verweigern können und die im gleichen Sachzusammenhang nicht selber beschuldigt sind.
Art. 264 Abs. 1 lit. c StPO
wurde mit Bundesgesetz vom 28. September 2012 über die Anpassung von verfahrensrechtlichen Bestimmungen zum anwaltlichen Berufsgeheimnis, in Kraft seit 1. Mai 2013, geändert. Danach gilt das Beschlagnahmeverbot für Gegenstände und Unterlagen aus dem Verkehr der beschuldigten Person mit Personen, die nach den Artikeln 170-173 das Zeugnis verweigern können und im gleichen Sachzusammenhang nicht selber beschuldigt sind. Zudem wurde mit diesem Bundesgesetz ein neuer Buchstabe d in
Art. 264 Abs. 1 StPO
eingefügt. Danach gilt das Beschlagnahmeverbot nunmehr auch für Gegenstände und Unterlagen aus dem Verkehr einer anderen (also nicht beschuldigten) Person mit ihrer Anwältin oder ihrem Anwalt, sofern die Anwältin oder der Anwalt nach dem Anwaltsgesetz vom 23. Juni 2000 (BGFA; SR 935.61) zur Vertretung vor schweizerischen Gerichten berechtigt ist und im gleichen Sachzusammenhang nicht selber beschuldigt ist.
Bei der Revision von
Art. 264 Abs. 1 lit. c StPO
handelt es sich um eine redaktionelle Anpassung an die neue, auch in anderen
BGE 140 IV 108 S. 111
Gesetzen verwendete Terminologie (Botschaft vom 26. Oktober 2011 zum Bundesgesetz über die Anpassung von verfahrensrechtlichen Bestimmungen zum anwaltlichen Berufsgeheimnis, BBl 2011 8187 Ziff. 3.5). Inhaltlich ändert sich insoweit nichts. Es braucht daher nicht untersucht zu werden, ob hier die neue oder alte Fassung von
Art. 264 Abs. 1 lit. c StPO
anwendbar ist.
Art. 172 StPO
regelt den Quellenschutz der Medienschaffenden. Danach können Personen, die sich beruflich mit der Veröffentlichung von Informationen im redaktionellen Teil eines periodisch erscheinenden Mediums befassen, sowie ihre Hilfspersonen das Zeugnis über die Identität der Autorin oder des Autors oder über Inhalt und Quellen ihrer Informationen verweigern (Abs. 1). Sie haben auszusagen, wenn: a. das Zeugnis erforderlich ist, um eine Person aus einer unmittelbaren Gefahr für Leib und Leben zu retten; b. ohne das Zeugnis im Einzelnen aufgezählte schwere Straftaten nicht aufgeklärt werden können oder die einer solchen Tat beschuldigte Person nicht ergriffen werden kann (Abs. 2).
Art. 172 StPO
entspricht inhaltlich
Art. 28a StGB
, der beibehalten worden ist (
BGE 136 IV 145
E. 3.2 S. 150 mit Hinweis).
6.3
Die Vorinstanz erwägt, der Passus in
Art. 264 Abs. 1 StPO
"ungeachtet des Ortes, wo sie sich befinden" sei auf Gegenstände zu beschränken, welche sich in der Sphäre der Journalisten befinden, womit nebst den Redaktionsräumen Privaträume und die Effekten der Journalisten geschützt seien. Im vorliegenden Fall befänden sich die beschlagnahmten Gegenstände nicht in der Sphäre der Journalisten, weshalb die entsprechende Korrespondenz mit den vom Beschwerdeführer genannten Journalisten nicht auszusondern und ebenfalls der Staatsanwaltschaft zur Durchsuchung zu überlassen sei.
6.4
Ausgangspunkt jeder Auslegung bildet der Wortlaut der Bestimmung. Ist der Text nicht ganz klar und sind verschiedene Auslegungen möglich, so muss nach seiner wahren Tragweite gesucht werden unter Berücksichtigung aller Auslegungselemente, namentlich von Sinn und Zweck sowie der dem Text zugrunde liegenden Wertung. Wichtig ist ebenfalls der Sinn, der einer Norm im Kontext zukommt. Vom klaren, d.h. eindeutigen und unmissverständlichen Wortlaut darf nur ausnahmsweise abgewichen werden, wenn triftige Gründe dafür vorliegen, dass der Wortlaut nicht den wahren Sinn der Bestimmung wiedergibt. Solche Gründe können sich aus der Entstehungsgeschichte der Bestimmung, aus ihrem Sinn und
BGE 140 IV 108 S. 112
Zweck oder aus dem Zusammenhang mit andern Vorschriften ergeben (
BGE 140 II 129
E. 3.2 S. 131 mit Hinweisen).
6.5
Bei den vom Beschwerdeführer genannten Journalisten handelt es sich unstreitig um Personen, die sich beruflich mit der Veröffentlichung von Informationen im redaktionellen Teil eines periodisch erscheinenden Mediums befassen. Sie können somit gemäss
Art. 172 Abs. 1 StPO
das Zeugnis über Inhalt und Quellen ihrer Informationen verweigern. Die dem Beschwerdeführer angelasteten Taten fallen nicht unter den Deliktskatalog nach
Art. 172 Abs. 2 lit. b StPO
. Eine Aussagepflicht trifft die Journalisten daher nicht.
Die Journalisten sind im vorliegenden Zusammenhang nicht selber beschuldigt. Gemäss
Art. 264 Abs. 1 lit. c StPO
gilt somit das Beschlagnahmeverbot für Gegenstände und Unterlagen aus dem Verkehr des Beschwerdeführers mit den Journalisten. Nach dem klaren Gesetzeswortlaut ("ungeachtet des Ortes", "quel que soit l'endroit où ils se trouvent", "indipendentemente dal luogo in cui si trovano") kommt es dabei nicht darauf an, wo sich die Gegenstände und Unterlagen befinden. Das Beschlagnahmeverbot gilt also nicht nur für Gegenstände und Unterlagen, die sich beim Journalisten befinden, sondern auch für solche, die sich beim Beschuldigten oder bei Dritten befinden. Dass das Beschlagnahmeverbot nicht nur beim Journalisten liegende Gegenstände und Unterlagen erfasst, verdeutlicht überdies das in Art. 264 Abs. 1 lit. c (ebenso wie lit. a und d) StPO enthaltene Wort "Verkehr" (bzw. "contacts"/"contatti"). Bei einem solchen besteht ein "Hin und Her". Dies spricht zusätzlich dafür, dass das Beschlagnahmeverbot nicht nur für Gegenstände und Unterlagen gilt, die der Beschuldigte dem Journalisten zugesandt hat, sondern auch für solche, die umgekehrt der Journalist dem Beschuldigten zugesandt hat und sich somit bei diesem befinden.
Der klare Gesetzeswortlaut stützt demnach die Auffassung des Beschwerdeführers. Es stellt sich die Frage, ob triftige Gründe dafür bestehen, dass der Wortlaut nicht den wahren Sinn der Bestimmung wiedergibt.
6.6
6.6.1
Art. 274 des Vorentwurfs des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements zu einer Schweizerischen Strafprozessordnung vom Juni 2001 regelte die Beschränkung der Beschlagnahme wie folgt:
BGE 140 IV 108 S. 113
Bei Beschuldigten dürfen Unterlagen aus dem Verkehr mit ihrer Verteidigung nicht beschlagnahmt werden (Abs. 1). Gleiches gilt für persönliche Aufzeichnungen und Korrespondenz der Beschuldigten, wenn ihr Interesse am Schutz der Persönlichkeit das Strafverfolgungsinteresse überwiegt (Abs. 2). Bei Personen, die das Zeugnis verweigern dürfen, dürfen Gegenstände und Vermögenswerte, die aus dem persönlichen Verkehr mit dem Beschuldigten stammen, namentlich Aufzeichnungen und Korrespondenzen, nicht beschlagnahmt werden, wenn diese Personen im gleichen Verfahren nicht selber Beschuldigte sind (Abs. 3) (...).
Nach dem Vorentwurf war somit massgeblich, wo sich die Gegenstände, namentlich Aufzeichnungen und Korrespondenzen, befinden.
6.6.2
Art. 263 Abs. 1 des bundesrätlichen Entwurfs zur Schweizerischen Strafprozessordnung lautete wie folgt:
Nicht beschlagnahmt werden dürfen: a. Unterlagen aus dem Verkehr der beschuldigten Person mit ihrer Verteidigung; b. persönliche Aufzeichnungen und Korrespondenz der beschuldigten Person, wenn ihr Interesse am Schutz der Persönlichkeit das Strafverfolgungsinteresse überwiegt; c. Gegenstände, namentlich Aufzeichnungen und Korrespondenzen, die aus dem Verkehr zwischen der beschuldigten Person und Personen stammen, die nach den Artikeln 167-170 das Zeugnis verweigern können und die im gleichen Sachzusammenhang nicht selber beschuldigt sind.
Der Bundesrat bemerkte in der Botschaft vom 21. Dezember 2005 zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts, zu beachten sei, dass die in den Buchstaben a-c genannten Gegenstände und Vermögenswerte nicht beschlagnahmt werden dürften, ungeachtet des Ortes, an dem sie sich befinden (BBl 2006 1245 f. Ziff. 2.5.7).
6.6.3
In der ständerätlichen Beratung vom 7. Dezember 2006 beantragte Ständerat Schwaller, Art. 263 Abs. 1 lit. c des bundesrätlichen Entwurfs so zu ergänzen, dass Gegenstände, namentlich Aufzeichnungen und Korrespondenzen, nicht beschlagnahmt werden dürfen, "ungeachtet des Ortes, wo sich diese befinden und des Zeitpunkts, in welchem sie geschaffen worden sind".
Der Sprecher der Kommission bemerkte dazu, diese habe die von Ständerat Schwaller aufgeworfene Frage erörtert. Sie teile ganz dessen Auffassung. Die Kommission sei der Ansicht "que l'article 263 alinéa 1 lettre c vaut quel que soit le lieu où se trouvent ces objets et
BGE 140 IV 108 S. 114
quel que soit le moment où ils ont été produits". Sie erachte es jedoch nicht als notwendig, dies ausdrücklich im Gesetz zu sagen (Votum Berset).
Bundesrat Blocher legte dar, zwischen der bundesrätlichen Vorlage und dem Antrag Schwaller bestehe kein inhaltlicher Unterschied. Der Schutz vor Beschlagnahme bei Berufspersonen müsse im Falle der Schriftlichkeit ungeachtet dessen bestehen, wo sich das Schriftstück befindet. Dies sei eine Selbstverständlichkeit, die nicht ausdrücklich festgehalten werden müsse.
Ständerat Schwaller bemerkte, ihm sei es um diese Präzisierungen gegangen. Der Kommissionssprecher und der Bundesrat sagten, sein Anliegen sei im Gesetz enthalten. Das genüge ihm.
Ständerat Schwaller zog seinen Antrag deshalb zurück (AB 2006 S 1031 f.).
6.6.4
In der Beratung des Nationalrates vom 19. Juni 2007 stellte dessen Kommission den Antrag, Art. 263 Abs. 1 des bundesrätlichen Entwurfs wie folgt zu fassen: "Nicht beschlagnahmt werden dürfen, ungeachtet des Ortes, wo sie sich befinden, und des Zeitpunktes, in welchem sie geschaffen worden sind: ...".
Bundesrat Blocher bemerkte, der Antrag sei unnötig. Er sei in der Formulierung des bundesrätlichen Entwurfs enthalten.
Die Sprecherin der Kommission legte dar, diese habe Absatz 1 zwecks Schaffung von Klarheit und Rechtssicherheit ergänzt. Die Kommission sei der Ansicht, dass dies nötig sei (Votum Thanei).
Der Nationalrat nahm Art. 263 in der von der Kommission vorgeschlagenen Fassung an (AB 2007 N 990).
Dem schloss sich der Ständerat in der Folge an (AB 2007 S 721).
6.6.5
Dass es für das Beschlagnahmeverbot nicht darauf ankommt, wo sich die Gegenstände und Unterlagen befinden, entspricht demnach dem klaren Willen des Gesetzgebers. Dies gilt insbesondere für
Art. 264 Abs. 1 lit. c StPO
.
Die historische Auslegung spricht somit gegen ein Abweichen vom Wortlaut. Dem kommt umso mehr Gewicht zu, als es sich bei der Strafprozessordnung um ein jüngeres Gesetz handelt (
BGE 139 III 78
E. 5.4.3 S. 85;
BGE 133 III 273
E. 3.2.2 S. 278; je mit Hinweisen).
6.7
Die Medien üben ein "Wächteramt" aus. Sie sollen namentlich Missstände in Staat und Gesellschaft ungehindert aufdecken können.
BGE 140 IV 108 S. 115
Dafür müssen sie an die notwendigen Informationen gelangen. Dies erleichtern das Zeugnisverweigerungsrecht der Medienschaffenden nach
Art. 172 StPO
und das Beschlagnahmeverbot nach
Art. 264 Abs. 1 lit. c StPO
. Kann der Informant davon ausgehen, dass sein Name geheim bleibt, wird er die Information den Medien eher zugänglich machen, als wenn er mit der Offenlegung seines Namens rechnen müsste, was rechtliche, berufliche und gesellschaftliche Nachteile für ihn haben könnte (
BGE 136 IV 145
E. 3.1 S. 149; Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte
Martin und andere gegen Frankreich
vom 12. April 2012, § 59; FRANZ ZELLER, in: Basler Kommentar, Strafrecht, Bd. I, 3. Aufl. 2013, N. 2 f. zu
Art. 28a StGB
; je mit Hinweisen).
Insoweit spielt der Umfang des Beschlagnahmeverbots eine Rolle. Erfolgt die Kommunikation zwischen dem Informanten und dem Journalisten schriftlich, hinterlässt das Spuren. Dabei wird namentlich beim heute stark zunehmenden E-Mail-Verkehr oft hin- und hergeschrieben. Insoweit ist in der Regel jeweils der gesamte Schriftverkehr zwischen den Beteiligten ersichtlich. Müsste der Informant damit rechnen, dass Inhalte der Kommunikation mit Journalisten bei ihm beschlagnahmt werden, müsste er die E-Mails jeweils sofort löschen. Selbst dann müsste er gewärtigen, dass die Strafverfolgungsbehörden diese gegebenenfalls wiederherstellen könnten. Die Aussicht darauf, dass Inhalte der Kommunikation mit dem Journalisten beim Informanten beschlagnahmt werden könnten, könnte diesen somit davon abhalten, dem Journalisten die Information zukommen zu lassen. Der Informant kann zudem kaum je völlig sicher sein, dass der Journalist Unterlagen, aus denen sich die Quelle der Information ergibt, nicht einem Dritten übergibt. Müsste der Informant damit rechnen, dass die Unterlagen beim Dritten beschlagnahmt werden, könnte ihn das ebenso davon abhalten, die Information dem Journalisten zukommen zu lassen. Dies alles wäre dem Wächteramt der Medien abträglich.
Der Zweck von Art. 264 Abs. 1 lit. c i.V.m.
Art. 172 StPO
spricht somit ebenfalls gegen ein Abweichen vom Wortlaut.
6.8
Art. 17 Abs. 3 BV
gewährleistet das Redaktionsgeheimnis. Ein entsprechender Schutz journalistischer Quellen ergibt sich aus der Freiheit auf Meinungsäusserung gemäss
Art. 10 EMRK
(
BGE 136 IV 145
E. 3.1 S. 149 mit Hinweisen). Sowohl das Bundesgericht als auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte messen dem
BGE 140 IV 108 S. 116
Quellenschutz als Eckpfeiler der Pressefreiheit erhebliches Gewicht zu (
BGE 132 I 181
E. 2.1 S. 185;
BGE 123 IV 236
E. 8a/aa S. 247; Urteil des Europäischen Gerichtshofes
Martin und andere gegen Frankreich
vom 12. April 2012, § 59 ff.; ZELLER, a.a.O., N. 10 zu
Art. 28a StGB
; je mit Hinweisen).
Dies spricht für einen tendenziell weiten Quellenschutz und damit gegen eine einengende Auslegung von
Art. 264 Abs. 1 lit. c StPO
entgegen dem Wortlaut.
6.9
Die Vorinstanz beruft sich auf STEFAN HEIMGARTNER (Strafprozessuale Beschlagnahme, 2011). Dieser führt aus, wie aus
Art. 264 Abs. 1 StPO
hervorgehe, gelte auch der Quellenschutz ungeachtet des Ortes, wo sich die Objekte befinden. Damit seien nicht nur die Redaktionsräume, sondern auch die Privaträume und die Effekten des Journalisten geschützt (S. 256).
HEIMGARTNER sagt dies im Rahmen seiner besonderen Bemerkungen zum Redaktionsgeheimnis (S. 251 ff.). Bei seinen allgemeinen Ausführungen zum Zeugnisverweigerungsrecht beruflicher Geheimnisträger äussert er sich zur Ortsunabhängigkeit der geschützten Objekte (S. 220 f.). Dort legt er dar, der Passus "ungeachtet des Ortes" in
Art. 264 Abs. 1 StPO
habe anlässlich der parlamentarischen Beratungen Eingang in das Gesetz gefunden. Nach bisheriger Praxis habe sich der Schutz der massgeblichen Geheimnisse grundsätzlich lediglich auf Dokumente erstreckt, welche sich im Gewahrsam der Geheimnisträger befanden. Obschon die damalige Praxis in der Lehre mehrheitlich auf Kritik gestossen sei, stelle die Ausdehnung des Schutzes keine Selbstverständlichkeit dar. Nach den meisten anderen europäischen Rechtsordnungen sei der Schutz auf Objekte beschränkt, die sich im Gewahrsam des Geheimnisträgers befinden. Die vorliegende Regelung sei als sehr progressiv zu werten. In der Folge begrüsst HEIMGARTNER die Ausdehnung des Geheimnisschutzes ausdrücklich. Es mache hinsichtlich der Schutzwürdigkeit einer geheimen Information per se materiell keinen Unterschied, ob sich diese beim Geheimnisherrn oder Geheimnisträger befindet. Abschliessend wirft HEIMGARTNER die Frage auf, ob die Ausdehnung des Schutzes bedeute, dass Durchsuchungen und Beschlagnahmen bei betroffenen Beschuldigten und Dritten unzulässig seien, sobald sie sich darauf beriefen, die entsprechenden Informationen stammten aus dem Verkehr mit einem Berufsgeheimnisträger. HEIMGARTNER bemerkt dazu, selbst Berufsgeheimnisträger - bei denen die
BGE 140 IV 108 S. 117
Vermutung angebracht wäre, dass zu durchsuchende Unterlagen unter ein Berufsgeheimnis fallen - hätten die Pflicht, Durchsuchungen und Beschlagnahmen zu dulden. Umso mehr hätten Personen, denen kein Sonderstatus zukomme, grundsätzlich kein Recht, sich physisch diesen Zwangsmassnahmen zu widersetzen. Dem Schutz eventueller Geheimnisse diene das Institut der Siegelung.
Im Lichte dieser allgemeinen Darlegungen zum Zeugnisverweigerungsrecht beruflicher Geheimnisträger können die erwähnten besonderen Ausführungen von HEIMGARTNER zum Redaktionsgeheimnis (S. 256) nicht so verstanden werden, dass er damit das Beschlagnahmeverbot auf die Redaktionsräume sowie die Privaträume und Effekten der Journalisten beschränken wollte. Dies hätte in Anbetracht der allgemeinen Ausführungen von HEIMGARTNER nur angenommen werden können, wenn er es ausdrücklich gesagt hätte.
Der Hinweis der Vorinstanz auf HEIMGARTNER überzeugt daher nicht; dies umso weniger, als dieser in einem anderen Werk vorbehaltlos ausführt, das Beschlagnahmeverbot gelte aufgrund der Formulierung "ungeachtet des Ortes" nunmehr in geografischer Hinsicht unbeschränkt (in: Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung, Donatsch und andere [Hrsg.], 2010, N. 2 zu
Art. 264 StPO
).
Auch andere Autoren weisen darauf hin, dass der Gesetzgeber mit dem Passus "ungeachtet des Ortes, wo sie sich befinden" den Anwendungsbereich des Beschlagnahmeverbots auf den Beschuldigten und Dritte ausgeweitet hat (NIKLAUS SCHMID, Schweizerische Strafprozessordnung [StPO], Praxiskommentar, 2. Aufl 2013, N. 2 zu
Art. 264 StPO
; EDY MELI, in: Commentario, Codice svizzero di procedura penale, 2010, N. 5 zu
Art. 264 StPO
; FRANZ RIKLIN, StPO-Kommentar, 2. Aufl. 2014, N. 2 zu
Art. 264 StPO
).
6.10
Würdigt man dies gesamthaft, bestehen hier keine triftigen Gründe dafür, ausnahmsweise vom klaren Wortlaut von
Art. 264 Abs. 1 StPO
abzuweichen. Unter das Beschlagnahmeverbot fallen demnach nicht nur Gegenstände und Unterlagen aus dem Verkehr des Beschwerdeführers mit den von ihm genannten Journalisten, die sich in deren Gewahrsam befinden, sondern auch solche, die sich im Gewahrsam des Beschwerdeführers und Dritter befinden. Die abweichende Auffassung der Vorinstanz verletzt Bundesrecht. Die Beschwerde ist im vorliegenden Punkt gutzuheissen und die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit sie die genannten Gegenstände und Unterlagen aussondere. | null | nan | de | 2,014 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
c30d54ad-20f9-44b9-9ed2-766f5d6401fc | Urteilskopf
86 IV 84
23. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 6. Mai 1960 i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen. | Regeste
Art. 41 Ziff. 3 Abs. 1 StGB
.
Auf ein während der Probezeit begangenes Verbrechen oder Vergehen, über das noch kein rechtskräftiges Urteil ergangen ist, darf der Widerruf des bedingten Strafvollzuges nur gestützt werden, wenn die neue Straftat ohne weiteres und unzweifelhaft feststeht. | Erwägungen
ab Seite 84
BGE 86 IV 84 S. 84
Aus den Erwägungen:
1.
Das Bezirksgericht St. Gallen begründet den Widerruf des bedingten Strafvollzuges gestützt auf
Art. 41 Ziff. 3 Abs. 1 StGB
mit dem vom Beschwerdeführer während der
BGE 86 IV 84 S. 85
Probezeit begangenen Verbrechen der Unzucht mit einem Kinde. Das darüber ergangene Urteil des Bezirksgerichts Untertoggenburg sei zwar noch nicht rechtskräftig, da der Beschwerdeführer vor der Urteilsfällung landesflüchtig geworden sei und sein Aufenthalt nicht habe ausfindig gemacht werden können; nach der Judikatur genüge jedoch, dass die neuen Delikte rechtsgenüglich nachgewiesen und vom Angeschuldigten zugestanden seien, was hier zutreffe.
Die Staatsanwaltschaft dagegen bezeichnet das Urteil des Bezirksgerichts Untertoggenburg als rechtskräftig, teilt im übrigen aber die Auffassung der Vorinstanz, wonach für den Widerruf genüge, dass die neuen strafbaren Handlungen zur vollen Überzeugung des Richters nachgewiesen und vom Angeklagten zugestanden seien.
2.
Tatsächlich hat der Kassationshof entschieden, dass über das neue Vergehen (oder Verbrechen) ein Strafverfahren nicht eröffnet worden zu sein brauche; der Richter, der über den Vollzug der bedingt aufgeschobenen Strafe zu erkennen habe, könne die Straftat selber feststellen, sie vorfrageweise strafrechtlich würdigen und ihr als Täuschung des richterlichen Vertrauens Rechnung tragen (
BGE 79 IV 113
). Voraussetzung dazu ist aber, dass das neue Vergehen oder Verbrechen ohne weiteres und unzweifelhaft feststeht. In den andern Fällen darf der Widerrufsrichter nicht vorgreifen, auf die Gefahr hin, dass widersprechende Entscheidungen gefällt werden.
Art. 41 Ziff. 3 Abs. 1 StGB
, der bestimmt, dass vorsätzliche Vergehen oder Verbrechen, die in der Probezeit begangen werden, den Widerruf des bedingten Strafvollzuges unter Vorbehalt von Abs. 2 zwingend nach sich ziehen, hat grundsätzlich den Sinn, dass die neue Straftat in dem dafür vorgesehenen und mit den entsprechenden Garantien versehenen Urteilsverfahren festgestellt wurde.
Der Beschwerdeführer hat in Wirklichkeit nur die objektiven Straftatbestände, die unzüchtigen Handlungen mit dem Mädchen, zugegeben, während die subjektive Seite, das Bewusstsein, dass das Mädchen noch nicht
BGE 86 IV 84 S. 86
16 Jahre alt sei, von ihm bestritten wurde, was im Urteil des Bezirksgerichts Untertoggenburg ausdrücklich festgestellt wird. Insoweit beruht die Annahme der Vorinstanz, X. habe die Delikte zugestanden, auf einem offensichtlichen Versehen im Sinne von
Art. 277 bis Abs. 1 BStP
. Im übrigen ist vom Beschwerdeführer ebensowenig zugestanden worden, er habe in Kauf genommen, dass das Mädchen noch nicht 16 Jahre alt sei, wie das Bezirksgericht Untertoggenburg als erwiesen angenommen hat. Der Widerruf des bedingten Strafvollzuges könnte infolgedessen nur dann auf das dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Verbrechen der Unzucht gestützt werden, wenn das darüber ergangene Urteil des Bezirksgerichts Untertoggenburg rechtskräftig wäre (
BGE 74 IV 17
,
BGE 80 IV 215
). | null | nan | de | 1,960 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
c313fcaa-957f-41d3-a675-157763d14139 | Urteilskopf
113 V 273
45. Extrait de l'arrêt du 18 décembre 1987 dans la cause R. contre Caisse cantonale neuchâteloise de compensation et Tribunal administratif du canton de Neuchâtel | Regeste
Art. 41 IVG
, Art. 32 Ziff. 1 lit. b und Ziff. 2 des Übereinkommens Nr. 128 der Internationalen Arbeitsorganisation über Leistungen bei Invalidität und Alter und an Hinterbliebene und Art. 68 lit. b der Europäischen Ordnung der Sozialen Sicherheit: Statut des Strafgefangenen in der Invalidenversicherung.
Der Anspruch auf eine IV-Rente kann bei Strafgefangenschaft (oder bei jeder andern Form eines durch eine Strafbehörde angeordneten Freiheitsentzuges) nicht mehr kraft des
Art. 41 IVG
entzogen, sondern muss sistiert werden; Schicksal der Zusatzrenten in einem solchen Fall (Änderung der Rechtsprechung). | Sachverhalt
ab Seite 273
BGE 113 V 273 S. 273
A.-
Jorge R., né en 1964, célibataire, sans formation professionnelle, souffre depuis son adolescence d'une grave affection psychique. Il a été mis au bénéfice d'une rente entière de
BGE 113 V 273 S. 274
l'assurance-invalidité à partir du 1er juillet 1982 (décision de la Caisse cantonale neuchâteloise de compensation du 23 novembre 1984).
Au cours des mois d'octobre et de novembre 1984, Jorge R. a commis diverses infractions, dont un brigandage et de nombreux vols. Il a été arrêté le 21 novembre 1984 et maintenu en détention préventive dans les prisons de Neuchâtel. Par la suite, il a été renvoyé devant le Tribunal correctionnel du district de Neuchâtel, lequel, en considération de son jeune âge et de sa responsabilité diminuée, a prononcé son placement dans une maison d'éducation au travail, par jugement du 22 mai 1985.
Ayant appris que l'assuré se trouvait en détention préventive, la caisse de compensation a rendu une décision, du 29 janvier 1985, par laquelle elle a supprimé la rente d'invalidité en cours "à fin janvier 1985", au motif que l'intéressé était incarcéré.
B.-
Jorge R. a déféré cette décision au Tribunal administratif du canton de Neuchâtel, qui a partiellement admis le recours porté devant lui par jugement du 9 mai 1985.
En bref, la juridiction cantonale a retenu, conformément à la jurisprudence, que l'entrée en détention de l'assuré avait constitué un motif de révision au sens de l'
art. 41 LAI
, entraînant la suppression de la rente dont il bénéficiait. Elle a cependant considéré que cette mesure ne devait prendre effet qu'à partir du premier jour du deuxième mois suivant la notification du prononcé de la caisse, cela en application de l'
art. 88bis al. 2 let. a RAI
. Par conséquent, elle a annulé la décision litigieuse "en ce sens que la suppression de la rente prend effet à partir du 1er mars 1985" (ch. 2 du dispositif).
C.-
Jorge R. interjette recours de droit administratif contre ce jugement, dont il demande l'annulation, en concluant au maintien de son droit à une rente d'invalidité au-delà du 1er mars 1985.
En résumé, il fait valoir que l'activité délictueuse ayant conduit à sa détention, puis à son placement, est due à son état psychique déficient, qui serait lui-même à l'origine de son irresponsabilité pénale, circonstances qui justifieraient le rétablissement de son droit.
La caisse intimée conclut implicitement au rejet du recours, ce que propose également l'Office fédéral des assurances sociales.
BGE 113 V 273 S. 275
Erwägungen
Extrait des considérants:
1.
a) En vertu de l'
art. 41 LAI
, si l'invalidité d'un bénéficiaire de rente se modifie de manière à influencer le droit à la rente, celle-ci est, pour l'avenir, augmentée, réduite ou supprimée. Tout changement important des circonstances propre à influencer le degré d'invalidité, et donc le droit à la rente, peut motiver une révision. La rente peut ainsi être révisée non seulement en cas de modification sensible de l'état de santé, mais aussi lorsque celui-ci est resté en soi le même, mais que ses conséquences sur la capacité de gain (ou d'exercer ses travaux habituels) ont subi un changement important (
ATF 109 V 116
,
ATF 107 V 221
consid. 2,
ATF 105 V 30
et les arrêts cités). Une révision peut aussi se justifier, le cas échéant, lorsqu'un autre mode d'évaluation de l'invalidité est applicable. Ainsi, le Tribunal fédéral des assurances a maintes fois jugé que la méthode d'évaluation de l'invalidité valable à un moment donné ne saurait préjuger le futur statut juridique de l'assuré, mais qu'il pouvait arriver que dans un cas d'espèce le critère de l'incapacité de gain (
art. 28 LAI
) succède à celui de l'empêchement d'accomplir ses travaux habituels (
art. 5 al. 1 LAI
) ou inversement (
ATF 110 V 285
consid. 1a,
ATF 104 V 149
consid. 2 et les arrêts cités).
b) Conformément à ces principes, la jurisprudence a jusqu'à présent toujours admis que la détention d'une certaine durée - qu'elle soit ordonnée à titre préventif ou aux fins d'exécuter une peine - entraîne un changement de statut juridique de l'assuré dont l'invalidité a été évaluée selon le critère de l'incapacité de gain. Dans les deux cas de détention, l'exercice d'une activité lucrative est en règle ordinaire exclue: l'intéressé doit être considéré comme non actif et ne peut prétendre une rente à ce titre, du moment qu'il n'est pas empêché d'accomplir ses "travaux habituels", lesquels consistent dans l'exécution de sa peine (
ATF 110 V 288
,
ATF 107 V 222
,
ATF 102 V 170
; RCC 1987 p. 324, 1986 p. 666, 1981 p. 84, 1980 p. 556).
Le Tribunal fédéral des assurances a appliqué les mêmes règles s'agissant d'un internement prononcé en vertu de l'
art. 43 CP
(RCC 1980 p. 554) et d'un placement dans une maison d'éducation au travail au sens de l'
art. 100bis CP
(RCC 1981 p. 83), mais non dans le cas d'un assuré séjournant dans un établissement en vertu de l'
art. 91 al. 1 CP
(RCC 1987 p. 322; pour un résumé détaillé de la jurisprudence, voir RCC 1987 p. 324 consid. 2a, ainsi qu'une étude de l'Office fédéral des assurances sociales, intitulée Le droit
BGE 113 V 273 S. 276
à une rente AI pendant l'exécution d'une peine ou d'une mesure, in RCC 1984 p. 434).
D'autre part, selon la jurisprudence actuelle et dans la mesure où l'entrée en détention représente un motif de révision, les prestations accessoires que sont les rentes complémentaires pour l'épouse (
art. 34 al. 1 LAI
) et les enfants (
art. 35 al. 1 LAI
) doivent également, en pareille hypothèse, être supprimées (
ATF 110 V 286
consid. 1b in fine,
ATF 107 V 222
).
2.
a) Cette jurisprudence ne résiste toutefois pas à un nouvel examen.
En vérité, la circonstance qu'un titulaire d'une rente de l'assurance-invalidité purge une peine privative de liberté ne constitue pas un motif juridique de révision au sens de l'
art. 41 LAI
. D'une part, il est évident que l'état de santé de l'assuré ne subit aucune modification du seul fait de l'incarcération. D'autre part, on ne saurait parler d'un véritable changement de statut juridique, la jurisprudence rappelée plus haut, sous consid. 1a, visant avant tout le passage d'une activité ménagère à une activité professionnelle et vice versa (MAURER, Schweizerisches Sozialversicherungsrecht, vol. II, p. 234 let. cc; VALTERIO, Droit et pratique de l'assurance-invalidité, p. 268-269; FONJALLAZ, Invalidité et révision des rentes d'invalidité, Etude de la législation sociale suisse, thèse Lausanne 1985, p. 77). D'ailleurs, le Tribunal fédéral des assurances a lui-même souvent mis l'accent sur la nécessité de ne pas s'écarter, sans raison impérieuse, des critères d'évaluation de l'invalidité qui ont été utilisés lors de l'estimation initiale (voir par exemple
ATF 104 V 149
consid. 2).
En outre, durant l'exécution d'une peine d'emprisonnement ou de réclusion, le condamné est en principe astreint à un travail répondant à ses aptitudes et lui permettant, une fois remis en liberté, de subvenir à son entretien (
art. 37 ch. 1 al. 2 CP
). De ce point de vue, l'affirmation selon laquelle un détenu doit être qualifié de personne sans activité lucrative et dont les travaux habituels consistent seulement dans l'accomplissement de sa peine n'apparaît guère conciliable avec l'action éducative que doit également exercer la mesure (
art. 37 ch. 1 al. 1 CP
). Cela est d'autant plus vrai dans le cas d'un placement ordonné en vertu de l'
art. 100bis CP
, qui vise principalement, sinon exclusivement, un tel but éducatif et non répressif (LOGOZ/SANDOZ, Commentaire du code pénal suisse, partie générale, p. 500; SCHULTZ, Einführung in den allgemeinen Teil des Strafrechts, 4e éd., vol. II, p. 181 ss; NOLL,
BGE 113 V 273 S. 277
Die Arbeitserziehung, in RPS 1973, p. 159 ss; cf. également
ATF 111 IV 10
ad consid. 2 let. c): le but du placement est de former l'intéressé à un travail adapté à ses capacités et lui permettant, ici également, d'assurer son existence à sa libération (
art. 100bis ch. 3 al. 1 CP
). Le condamné peut ainsi être autorisé à parfaire sa formation ou à travailler en dehors de l'établissement (
art. 100bis ch. 3 al. 2 CP
). Sous réserve de motifs de sécurité, ce régime peut être mis en oeuvre sans délai, à la différence des conditions d'exécution des peines d'emprisonnement ou de réclusion (LOGOZ/ SANDOZ, op.cit., p. 501).
b) Pour autant, cela ne signifie pas que le versement de la rente doive être maintenu durant l'exécution d'une peine ou d'une mesure. Sur ce point, il n'y a pas de motif de remettre en discussion une pratique profondément ancrée dans le droit de l'assurance-invalidité. Au demeurant, cette pratique trouve une justification dans le fait qu'un détenu, qui est entretenu par la collectivité publique, ne saurait retirer un avantage économique en raison de l'exécution de sa peine (cf. ATFA 1948 p. 78 consid. 4). A ce propos, il ne faut pas perdre de vue que le détenu non invalide perd aussi - en règle générale - son salaire ou - s'il est indépendant - ses gains professionnels.
C'est donc bien plutôt le fondement juridique de la décision litigieuse qui est ici en cause et qui doit être recherché en dehors de l'
art. 41 LAI
. Pour guider cette démarche, l'on peut s'inspirer de normes du droit international de la sécurité sociale qui prévoient, dans certaines éventualités, la possibilité de suspendre (et non de supprimer) le droit à des prestations d'assurance. Ainsi, aux termes de l'art. 32 ch. 1 let. b de la Convention OIT No 128 concernant les prestations d'invalidité, de vieillesse et de survivants du 29 juin 1967, en vigueur pour la Suisse depuis le 13 septembre 1978 (RO 1978 1493), les prestations auxquelles une personne protégée aurait droit en application de l'une quelconque des parties II à IV peuvent être suspendues, dans une mesure qui peut être prescrite, "aussi longtemps que l'intéressé est entretenu sur des fonds publics ou aux frais d'une institution ou d'un service de sécurité sociale". Dans les cas et dans les limites qui sont prescrits, une partie des prestations qui auraient été normalement allouées doit être servie aux personnes à la charge de l'intéressé (art. 32 ch. 2 de ladite convention). Une réglementation semblable figure à l'art. 68 let. b du Code européen de sécurité sociale (CESS) du 16 avril 1964, en vigueur pour notre pays depuis le 17 septembre
BGE 113 V 273 S. 278
1978 (RO 1978 1518). Or, l'internement dans un établissement pénitentiaire est précisément l'une des hypothèses qui entrent dans les prévisions envisagées par ces deux normes (VILLARS, Le Code européen de sécurité sociale et le Protocole additionnel, p. 17).
Certes, les normes en question se contentent pour l'essentiel de fixer les lignes directrices dont doit s'inspirer la législation des Etats contractants et, par conséquent, elles s'adressent en premier lieu non aux autorités administratives ou judiciaires, mais au législateur national (à propos de l'applicabilité directe des traités internationaux:
ATF 112 Ia 184
consid. 2a et les références citées; voir également, au sujet de l'
art. 32 ch. 1 let
. e de la Convention OIT No 128 et de l'
art. 68 let
. f CESS:
ATF 111 V 201
). Elles sont néanmoins susceptibles de jouer un rôle dans l'interprétation du droit interne, car le juge pourra, dans certaines circonstances, s'inspirer des solutions qu'elles préconisent (BERENSTEIN, La Suisse et le développement international de la sécurité sociale, in SZS 1981, p. 184: cf. aussi
ATF 111 Ia 344
consid. 3a, relatif à la portée d'une résolution du Comité des ministres du Conseil de l'Europe, et
ATF 103 Ia 524
, concernant la Convention OIT No 100 et la Charte sociale européenne).
Au surplus, il n'est pas sans intérêt de rappeler que, dans la seule loi où il a expressément réglé la question, le législateur fédéral s'est également prononcé en faveur de la suspension du droit aux prestations, à l'
art. 43 LAM
, dont la teneur est la suivante: "Le paiement de l'indemnité de chômage ou de la rente peut être suspendu lorsque l'assuré purge une peine privative de liberté ou a été renvoyé par le juge dans une maison d'internement ou d'éducation au travail. Quand il a des parents qui auraient droit à des prestations de l'assurance lors de son décès, l'indemnité de chômage ou la rente doit leur être versée pendant la durée de la peine ou de l'internement, en tout ou partie, lorsqu'ils tomberaient dans le besoin à défaut de cette prestation" (sur l'application de cette disposition, voir: SCHATZ, Kommentar zur Eidgenössischen Militärversicherung, p. 214-215; Fiche juridique suisse, No 881, p. 2).
c) Il en résulte que la détention (ou toute autre forme de privation de liberté ordonnée par une autorité pénale, y compris le séjour dans une maison d'éducation au travail) constitue désormais un motif de suspension - et non plus de révision - du droit à la rente d'invalidité versée par l'assurance-invalidité.
En outre, comme le droit à la rente subsiste en tant que tel, il faut en déduire, logiquement, que l'entrée en détention n'entraîne
BGE 113 V 273 S. 279
plus, comme par le passé, une perte du droit aux rentes complémentaires, le service de celles-ci devant au contraire être maintenu. Cette solution répond assurément mieux au but de protection sociale de la loi; d'une certaine manière, elle permet de tenir compte du principe selon lequel les personnes à la charge de l'intéressé ne doivent pas elles-mêmes subir toutes les conséquences économiques qu'entraîne la privation de liberté (art. 32 ch. 2 de la Convention OIT No 128; art. 68 let. b, deuxième phrase, CESS; art. 43, deuxième phrase, LAM), principe dont il y a lieu de considérer qu'il exprime une opinion généralement admise en ce domaine et correspond aux conceptions juridiques actuelles.
d) Il découle également de ce qui précède qu'il n'est plus possible d'appliquer telles quelles les dispositions réglementaires sur la révision (
art. 87 ss RAI
;
art. 29bis RAI
), lors de l'entrée en détention ou au moment de la libération du condamné. Cette solution avait d'ailleurs provoqué des difficultés d'ordre pratique, voire des résultats peu satisfaisants sur le plan juridique (cf. les exemples fournis par les
ATF 110 V 284
et
ATF 107 V 219
). Dès lors, pour fixer le point de départ et la fin de la mesure de suspension, et en l'absence d'autres dispositions, il s'impose d'appliquer par analogie la réglementation des art. 29 al. 1, dernière phrase (29 al. 2 première phrase dès le 1er janvier 1988), et 30 al. 2 LAI: la rente sera encore versée durant le mois au cours duquel l'assuré est entré en détention; une fois la peine (ou la mesure) exécutée, elle sera accordée pour tout le mois au cours duquel la détention a pris fin.
e) Quant au point de savoir ce qu'il en est des rentes d'invalidité allouées par d'autres institutions d'assurance sociale (assurance-accidents obligatoire et institutions de prévoyance professionnelle), qui ont une pratique différente de celle de l'assurance-invalidité (le service de la rente étant en principe maintenu durant la détention), il n'a pas à être examiné ici. On relèvera seulement qu'une solution identique ne s'impose pas, a priori, dans tous les régimes concernés, car il faut aussi tenir compte des particularités de chaque branche d'assurance, comme par exemple de leurs modalités de financement. Ainsi, on ne saurait oublier que l'assurance-invalidité fait largement appel au principe de la solidarité. De toute façon, il serait souhaitable, le cas échéant, que la question soit réglée par voie législative, par exemple lors de l'examen d'un éventuel projet de loi sur la partie générale du droit des assurances sociales (cf. à ce sujet RCC 1984 p. 547, 1985 p. 555, 1986 p. 76 et 1987 p. 231). | null | nan | fr | 1,987 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
c3185b1d-6e82-457e-a29b-3e57ce193afa | Urteilskopf
127 II 8
2. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 8. Dezember 2000 i.S. Swisscom AG gegen Eidgenössische Kommunikationskommission (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Art. 1 Abs. 2 lit. a, Art. 3 lit. e, Art. 11, 14, 16, 17, 19, 58, 61 Abs. 1 und
Art. 66 Abs. 1 FMG
,
Art. 23 Abs. 1 lit. d FDV
, Art. 27, 36, 92 und 94 BV; gesetzliche Preisobergrenze bei der Grundgebühr (dem Zuschlag) für die Benutzung öffentlicher Sprechstellen (Telefonkabinen).
Gegen eine (rechtswirksame) Aufsichtsmassnahme der Kommunikationskommission ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht zulässig (E. 1).
Die gesetzliche Preisobergrenze für die Grundgebühr gilt nicht nur im Verhältnis der Grundversorgungskonzessionärin gegenüber den Kunden, sondern auch gegenüber anderen Fernmeldedienstanbietern; sie greift auch dann, wenn aus einer öffentlichen Sprechstelle eine Verbindung mit einer Gratisnummer hergestellt wird, die ein Kunde eines konkurrierenden Fernmeldeunternehmens betreibt (E. 2 und 3).
Gesetz- und Verfassungsmässigkeit der im konkreten Fall getroffenen Aufsichtsmassnahme (E. 4). | Sachverhalt
ab Seite 9
BGE 127 II 8 S. 9
Mit Schreiben vom 28. September 1999 wandte sich die Swisscom AG an das Bundesamt für Kommunikation und legte diesem ihren neuen Interkonnektionsdienst "Swisscom to PTS 0800 Access Service from Swisscom Payphones" vor (PTS = Provider of Telecommunication Services = Fernmeldedienstanbieter). Bei dieser Dienstleistung geht es darum, von den öffentlichen Sprechstellen (Telefonkabinen) der Swisscom AG aus den Zugang zu den 0800-Nummern (Gratisnummern) der anderen Fernmeldedienstanbieter zu gewährleisten. Die Swisscom AG ersuchte um eine Stellungnahme dazu, ob die Abgeltung für den genannten Dienst über eine Interkonnektionsvereinbarung mit kostenorientierter Ausrichtung zulässig und die Preisobergrenze des Bundesrates nicht anwendbar sei.
In seiner Antwort vom 11. Oktober 1999 hielt das Bundesamt fest, für die Benutzung einer öffentlichen Sprechstelle bestehe eine Obergrenze von (damals) 40 Rappen (gemäss Art. 23 Abs. 1 lit. d der Verordnung vom 6. Oktober 1997 über Fernmeldedienste, Fernmeldediensteverordnung, FDV; SR 784.101.1), wobei es sich um eine Gebühr zur Deckung der Infrastrukturkosten handle, die auch
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in anderer Form anderen Benutzern von Gratisnummern in Rechnung gestellt werde; die Gebühr sei grundsätzlich dem Betreiber der 0800-Nummer oder im Rahmen der Interkonnektion den anderen Fernmeldedienstanbietern zur Bezahlung aufzuerlegen, wobei die Grundsätze der Nichtdiskriminierung, der Kostenorientiertheit und der Transparenz zu berücksichtigen seien.
Mit weiterem Schreiben vom 25. Oktober 1999 äusserte die Swisscom AG gewisse Zweifel an der Auffassung des Bundesamtes und bat um Erläuterung. Dieses hielt mit Antwort vom 9. November 1999 an seinem Standpunkt fest und bekräftigte, dass die Verbindung mit anderen Fernmeldedienstanbietern von öffentlichen Sprechstellen aus zur Grundversorgung gehöre und insoweit die bundesrätliche Preisobergrenze für die Kosten zwischen der Linienkarte und dem Telefonanschluss (insbesondere Infrastrukturkosten) Anwendung finde, währenddem die übrigen Kosten gänzlich auf dem Wege der Interkonnektion zu regeln seien.
In ihrem ab 1. Januar 2000 gültigen Grundangebot im Bereich der Interkonnektion setzte die Swisscom AG für die Dienstleistung "Swisscom Publifon to PTS Freephone Access", d.h. für die Verbindung mit Gratisnummern anderer Fernmeldedienstanbieter von öffentlichen Sprechstellen der Swisscom AG aus, einen Preis von 29,10 Rappen pro Minute als Grundgebühr (Publifon Charge) fest, welche der Finanzierung der Infrastruktur öffentlicher Sprechstellen dient und zu den Verbindungsgebühren (Network Access Charge) hinzutritt. In der Folge reduzierte die Swisscom AG die Grundgebühr auf 24,74 Rappen pro Minute.
Am 18. Februar 2000 eröffnete das Bundesamt für Kommunikation ein Aufsichtsverfahren gegen die Swisscom AG. Es hielt fest, dass nach seiner Auffassung die Erhebung einer Grundgebühr von 24,74 Rappen pro Minute anstelle eines maximalen festen Zuschlages von 40 Rappen pro Anruf das Fernmelderecht und die Grundversorgungskonzession der Swisscom AG verletze. Das Bundesamt liess die Swisscom AG wissen, es erwäge, bei der Eidgenössischen Kommunikationskommission Aufsichtsmassnahmen vorzuschlagen, und lud die Swisscom AG zur Stellungnahme ein. Diese trug am 10. März 2000 vor, auf die fragliche Grundgebühr seien einzig die Regeln der Interkonnektion anwendbar, und beantragte die sofortige Einstellung des Aufsichtsverfahrens.
Mit Novelle der Fernmeldediensteverordnung vom 5. April 2000 änderte der Bundesrat unter anderem
Art. 23 Abs. 1 lit. d FDV
und erhöhte die Preisobergrenze für den Zuschlag für die Benutzung
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einer öffentlichen Sprechstelle neu auf 50 Rappen (AS 2000 S. 1044, insbes. S. 1049). Diese Revision trat am 1. Mai 2000 in Kraft (AS 2000 S. 1055).
Mit Verfügung vom 10. Mai 2000 stellte die Eidgenössische Kommunikationskommission fest, die Swisscom AG verletze das Fernmelderecht sowie ihre Grundversorgungskonzession Nr. 25510000, indem sie im Rahmen ihrer Interkonnektionsdienstleistung "Swisscom Publifon to PTS Freephone Access" einen Zuschlag von 24,74 Rappen pro Minute als sog. Publifon Charge anstelle von höchstens 50 Rappen (40 Rappen bis zum 30. April 2000) pro Anruf verlange. Gleichzeitig hielt die Kommunikationskommission die Swisscom AG an, den festgestellten Mangel unverzüglich und rückwirkend auf den 1. Januar 2000 zu beseitigen. Der Swisscom AG wurde eine Frist von 30 Tagen eingeräumt, um das Bundesamt für Kommunikation über die getroffenen Massnahmen zu informieren.
Gegen diese Verfügung führt die Swisscom AG mit Eingabe vom 7. Juni 2000 Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht. Sie macht die unrichtige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhaltes, eine Verletzung des eidgenössischen Fernmelderechts sowie einen Verstoss gegen die Wirtschaftsfreiheit geltend.
Die Eidgenössische Kommunikationskommission schliesst in ihrer Stellungnahme vom 13. Juli 2000 auf Abweisung der Beschwerde.
Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
a) Nach
Art. 97 OG
in Verbindung mit
Art. 5 VwVG
(SR 172.021) beurteilt das Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerden gegen rechtswirksame Anordnungen im Einzelfall, die sich auf öffentliches Recht des Bundes stützen. Gemäss Art. 58 des Fernmeldegesetzes vom 30. April 1997 (FMG; SR 784.10) wacht das Bundesamt für Kommunikation darüber, dass die Konzessionäre das internationale Fernmelderecht, das Fernmeldegesetz, die Ausführungsvorschriften und die Konzession einhalten; es kann bei der Eidgenössischen Kommunikationskommission verschiedene Aufsichtsmassnahmen beantragen, die von der Aufforderung zur Behebung von Mängeln bis hin zum Konzessionsentzug reichen. Nach
Art. 61 Abs. 1 FMG
unterliegen Verfügungen der Kommunikationskommission der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht.
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Im vorliegenden Fall ist eine derartige Aufsichtsmassnahme angefochten. Es handelt sich um eine gestützt auf das Fernmeldegesetz, d.h. auf öffentliches Recht des Bundes, ergangene rechtswirksame Anordnung im Einzelfall. Ein Ausschlussgrund gemäss
Art. 99-101 OG
liegt nicht vor. Die Beschwerdeführerin ist als direkte Adressatin der angefochtenen Aufsichtsverfügung gemäss
Art. 103 lit. a OG
zur Beschwerde legitimiert. Auf die frist- und formgerecht eingereichte Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist daher einzutreten (vgl.
BGE 125 II 293
E. 3, insbes. E. 3c).
b) Im Verfahren der Verwaltungsgerichtsbeschwerde überprüft das Bundesgericht den angefochtenen Entscheid auf Verletzung von Bundesrecht, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, sowie auf unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts, sofern nicht eine richterliche Behörde als Vorinstanz entschieden hat (vgl.
Art. 104 und 105 OG
).
Bei der Eidgenössischen Kommunikationskommission handelt es sich zwar um eine von Bundesrat, Departement und übriger Verwaltung unabhängige Instanz (vgl.
Art. 56 Abs. 2 FMG
). Sie entscheidet im Aufsichtsverfahren aber wohl nicht als richterliche Instanz; die Frage kann jedoch offen bleiben. Die Beschwerdeführerin behauptet zwar, die Vorinstanz habe den Sachverhalt unrichtig festgestellt. Strittig ist dabei, ob die Vorinstanz die Infrastrukturkosten, namentlich diejenigen, welche am Standort anfallen, genügend berücksichtigt hat bzw. ob der Anschluss von öffentlichen Sprechstellen an die Abonnementszentralen der Beschwerdeführerin bereits dem Interkonnektionsregime untersteht oder nicht. Es fragt sich, ob es sich dabei wenigstens teilweise nicht bereits um Rechtsfragen handelt, was aber ebenfalls offen bleiben kann. So oder so ist das Bundesgericht an die Begründung der Parteibegehren nicht gebunden (vgl.
Art. 114 Abs. 1 OG
), wendet das einschlägige Bundesrecht damit von Amtes wegen an, und sind die betreffenden Streitpunkte für die vorliegend zu entscheidende Frage nicht ausschlaggebend (vgl. dazu E. 3).
2.
a) Gemäss
Art. 1 Abs. 2 lit. a FMG
soll das Fernmeldegesetz unter anderem eine zuverlässige und erschwingliche Grundversorgung mit Fernmeldediensten für alle Bevölkerungskreise in allen Landesteilen gewährleisten. Zu diesem Zweck sieht
Art. 14 FMG
die Erteilung von Grundversorgungskonzessionen mit der Auflage vor, im Konzessionsgebiet die Dienste der Grundversorgung allen Bevölkerungskreisen anzubieten. Umfang und möglicher Inhalt der
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Konzession werden in
Art. 16 FMG
umschrieben.
Art. 17 FMG
enthält Vorschriften zu den Qualitätsanforderungen und zur Preisgestaltung (vgl. dazu BBl 1996 III 1419 und 1430). Insbesondere legt der Bundesrat nach
Art. 17 Abs. 2 FMG
für die Grundversorgung periodisch Preisobergrenzen fest; diese gelten einheitlich für das ganze Gebiet und richten sich nach der Entwicklung des Marktes. In Ausführung von
Art. 17 Abs. 2 FMG
hat der Bundesrat in
Art. 23 FDV
eine Reihe von Preisobergrenzen festgesetzt.
Gemäss
Art. 66 Abs. 1 FMG
ist die Beschwerdeführerin bis zum 31. Dezember 2002 zur flächendeckenden Sicherstellung der Grundversorgung nach
Art. 16 Abs. 1 FMG
verpflichtet, wofür sie eine entsprechende Konzession erhält. Am 20. August 1999 wurde ihr denn auch die Grundversorgungskonzession Nr. 25510000 erteilt. Die Beschwerdeführerin verzichtete auf Investitionsbeiträge nach
Art. 19 FMG
(BBl 1996 III 1419 und 1450; vgl. auch
Art. 66 Abs. 1 FMG
).
b) Nach
Art. 16 Abs. 1 lit. c FMG
ist der Grundversorgungskonzessionär insbesondere zu einer ausreichen- den Versorgung mit öffentlichen Sprechstellen verpflichtet. Gemäss
Art. 23 Abs. 1 lit. d FDV
gilt eine Preisobergrenze von 40 Rappen (bis zum 30. April 2000; vgl. ursprüngliche Fassung der Fernmeldediensteverordnung in AS 1997 S. 2833, insbes. 2839) bzw. 50 Rappen (ab 1. Mai 2000; vgl. AS 2000 S. 1044, insbes. S. 1049 und 1055) für den Zuschlag für die Benutzung einer öffentlichen Sprechstelle.
Im vorliegenden Zusammenhang geht es um diesen Zuschlag, wenn aus einer öffentlichen Sprechzelle der Beschwerdeführerin eine Verbindung mit einer 0800-Nummer (Gratisnummer) hergestellt wird, die ein Kunde eines anderen Fernmeldedienstanbieters betreibt.
3.
a) Die Beschwerdeführerin ist der Ansicht, die fraglichen Kosten seien ausschliesslich auf dem Wege der Interkonnektion zu regeln. Aufsichtsrechtliche und damit regulatorische Kontrollen und Massnahmen seien damit ausgeschlossen. Überdies bestimme die Preisobergrenze lediglich das Verhältnis der Beschwerdeführerin zu den Anrufern als unmittelbaren Benutzern des Telefondienstes und nicht jenes zu anderen Fernmeldedienstanbietern.
b) Vom Charakter und vom Gesetzeszweck her handelt es sich bei den gesetzlichen Preisobergrenzen um einen staatlichen Eingriff in die Tarifautonomie der Fernmeldeanbieter. Der Gesetzgeber wollte im Interesse der Konsumenten sicherstellen, dass gewisse Preise einen vorgesehenen Höchstbetrag nicht übersteigen. Dafür hat er für
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bestimmte Dienstleistungen zwingende Preisobergrenzen festgesetzt. Der Gesetzestext äussert sich nicht ausdrücklich dazu, gegenüber wem die Preisobergrenzen gelten.
Mit dem Zuschlag bei der Benutzung öffentlicher Sprechstellen sollen die Infrastrukturkosten des Fernmeldedienstanbieters, welcher die Sprechstellen unterhält, entschädigt werden. Er dient damit dem gleichen Zweck wie die fragliche sog. "Publifon Charge" der Beschwerdeführerin. Dabei ist von vornherein klar, dass die Endkonsumenten, das heisst die Anrufer als eigentliche Benutzer der angebotenen Dienstleistung, unter dem Schutz der Preisobergrenzen stehen müssen. Auf sie darf kein diese Limite übersteigender Betrag überwälzt werden. Dasselbe muss jedoch auch für die konkurrierenden Fernmeldedienstanbieter gelten: Das ganze System macht nur dann Sinn, wenn die Preisobergrenzen ebenfalls zwischen den verschiedenen Fernmeldedienstanbietern Beachtung finden. Auch die Konkurrenten der Beschwerdeführerin sind bei der Preisgestaltung ihren Kunden gegenüber daran gebunden, wobei es im vorliegenden Zusammenhang keine Rolle spielt, dass die Kosten bei den Gratisnummern nicht direkt dem Anrufer als Endkonsumenten, sondern dem Betreiber der 0800-Nummer berechnet werden, welcher die Gratisnummer abonniert hat und dem Endkonsumenten zur Verfügung stellt. Die Preisobergrenzen sind damit auch im Verhältnis zwischen der Beschwerdeführerin und ihren Konkurrenten anwendbar.
Die Beschwerdeführerin wendet dagegen zwar ein, dies führe zu einer wettbewerbsverzerrenden künstlichen Verbilligung ihrer Dienstleistung, da sie letztlich ihre Kosten nicht vollumfänglich zu decken bzw. zu überwälzen vermöge, wenn sie auch gegenüber ihren Konkurrenten an die Preisobergrenzen gebunden sei. Dies mag allenfalls zutreffen, ist hier jedoch nicht massgeblich. Entscheidend ist einzig, dass das Gesetz das System der Preisobergrenzen vorsieht, woran sich die Behörden wie auch die betroffenen Fernmeldedienstanbieter zu halten haben. Dass die Beschwerdeführerin eventuell nur unvollständig entschädigt wird, beruht auf der Regelung von Art. 19 in Verbindung mit
Art. 66 Abs. 1 FMG
, wonach ihr zurzeit keine Investitionsbeiträge für unrentable Grundversorgungsdienste zustehen. Diese Regelung geht auf das eigene Einverständnis der Beschwerdeführerin zurück und dauert noch bis Ende 2002; ab dem Jahr 2003 wird sich auch die Beschwerdeführerin allfällige Ausfälle durch Investitionsbeiträge des Bundes abgelten lassen können. Zurzeit kommt es aber nicht darauf an, ob sämtliche am Standort
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anfallenden Infrastrukturkosten mit der gesetzlichen Preisobergrenze entschädigt werden oder nicht. Daraus ergibt sich, dass diejenigen Kosten, welche am Standort der öffentlichen Sprechstelle unter Einschluss der Netzanschlusskosten (Verbindung mit der Abonnementszentrale gemäss dem Sprachgebrauch der Vorinstanz; "lokaler Switch" gemäss dem Sprachgebrauch der Beschwerdeführerin) anfallen, vom gesetzlich geregelten Zuschlag entgolten werden und lediglich die übrigen Verbindungskosten davon nicht erfasst sind und separat in Rechnung gestellt werden dürfen.
Im Übrigen lässt sich nicht von der Hand weisen, dass die Beschwerdeführerin nicht nur zur Erbringung der Grundversorgungsdienste verpflichtet ist, sondern daraus selbst dann wenigstens in werbetechnischer Hinsicht profitiert, wenn sie für eine einzelne Dienstleistung nicht ganz oder nur gerade kostendeckend Rechnung stellen könnte. Das kann namentlich für die öffentlichen Sprechstellen zutreffen, die doch ein nicht unwesentliches Werbepotential für die Beschwerdeführerin mit sich bringen dürften.
c) An dieser rechtlichen Beurteilung ändern auch die Regeln über die Interkonnektion nichts.
aa) Gemäss
Art. 3 lit. e FMG
bedeutet Interkonnektion die Verbindung von Fernmeldeanlagen und Fernmeldediensten, die ein fernmeldetechnisches und logisches Zusammenwirken der verbundenen Teile und Dienste sowie den Zugang zu Diensten Dritter ermöglicht.
Interkonnektion umfasst sämtliche notwendigen Voraussetzungen, damit Partner miteinander in Kontakt treten und sich gegenseitig Informationen in verständlicher und vollständiger Form zusenden können. Ziel der Interkonnektion ist, dass alle Anwender von Fernmeldediensten über die Netze und Dienste aller Anbieter hinweg miteinander kommunizieren können. Die Regelung des gegenseitigen Netzzuganges gilt als Grundvoraussetzung für einen funktionierenden Fernmeldemarkt (
BGE 125 II 613
E. 1a, mit weiteren Hinweisen).
Mit der Interkonnektionspflicht nach
Art. 11 Abs. 2 FMG
für alle Anbieter von Diensten der Grundversorgung soll insbesondere sichergestellt werden, dass alle Kunden von Diensten der Grundversorgung, insbesondere vom Telefondienst, miteinander kommunizieren können, unabhängig davon, bei welchen Anbietern sie angeschlossen sind. Dabei handelt es sich namentlich um die so genannte Interoperabilität aller Teilnehmer am Telekommunikationsmarkt (
BGE 125 II 613
E. 1b).
BGE 127 II 8 S. 16
Grundsätzlich werden die Bedingungen der Interkonnektion zwischen den beteiligten Unternehmungen direkt vereinbart. Eine staatliche Regelung ist gesetzlich nur subsidiär für den Fall vorgesehen, dass sich die Parteien nicht innert vernünftiger Frist einigen können (vgl.
Art. 11 Abs. 3 FMG
;
BGE 125 II 613
E. 1c; BBl 1996 III 1419, 1427).
bb) Die Subsidiarität des staatlichen Eingriffs im Bereich der Interkonnektion muss nun aber unter dem Vorbehalt zwingender gesetzlicher Regelungen stehen. Sie kann nur insoweit gelten, als das Gesetz den Fernmeldedienstanbietern überhaupt einen Spielraum belässt, was zwar weitgehend, bei den Preisobergrenzen aber gerade nicht zutrifft. Gewiss ist es den beteiligten Unternehmungen unbenommen, in ihren Interkonnektionsvereinbarungen eine einvernehmliche Regelung über die Überwälzung von Kosten zu treffen, für welche wie beim Zuschlag für die Benützung öffentlicher Sprechstellen eine Preisobergrenze gilt. Das schliesst jedoch die weitere Gültigkeit derselben nicht aus. Im Gegenteil bleibt sie auch bei Interkonnektionsregelungen beachtlich, weshalb die für die Preisgestaltung zwingende Obergrenze auch im Interkonnektionsbereich einzuhalten ist. Ein Spielraum besteht diesfalls lediglich nach unten: Es ist nicht erforderlich, einen der Preisobergrenze entsprechenden Betrag auf die Interkonnektionspartner zu überwälzen, sondern die Dienstleistung kann auch billiger angeboten werden. Überschritten werden darf die Preisobergrenze aber nicht.
d) Damit kommt es im Ergebnis nicht darauf an, ob die im vorliegenden Verfahren fragliche Dienstleistung, die Verbindung mit einer Gratisnummer (0800-Nummer) eines anderen Fernmeldedienstanbieters von einer öffentlichen Sprechstelle der Beschwerdeführerin aus, überhaupt zum Interkonnektionsregime gehört oder nicht. Die Preisobergrenze von
Art. 23 Abs. 1 lit. d FDV
gilt so oder so, und zwar nicht nur gegenüber den Endkonsumenten, sondern auch gegenüber den konkurrierenden Fernmeldedienstanbietern.
4.
a) Ist die Beschwerdeführerin an die Preisobergrenze von
Art. 23 Abs. 1 lit. d FDV
in jedem Fall gebunden, rechtfertigt sich in Anwendung von
Art. 58 FMG
eine aufsichtsrechtliche Kontrolle darüber, ob sie die entsprechende gesetzliche Regelung einhält.
b) Es ist offensichtlich, dass sich ein Preis von 24,74 Rappen pro Minute mit der gesetzlichen Preisobergrenze nicht vereinbaren lässt. Bereits ein relativ kurzes Telefongespräch von einer Dauer, die zwei Minuten nur unwesentlich übersteigt, führt zu einem höheren
BGE 127 II 8 S. 17
Zuschlag, als er dem Preismaximum von 50 Rappen gemäss
Art. 23 Abs. 1 lit. d FDV
entspricht.
Die Vorinstanz hat es dabei bewenden lassen, die Beschwerdeführerin in Anwendung von
Art. 58 Abs. 2 lit. a FMG
zu einer Behebung des festgestellten Mangels aufzufordern und sie zu verpflichten, innert 30 Tagen über die getroffenen Massnahmen Bericht zu erstatten. Die Beschwerdeführerin konnte sich dazu vorweg äussern. Das Vorgehen war korrekt, und das Ergebnis erweist sich gemessen am Gesetzeszweck, die kostengünstige Grundversorgung sicherzustellen, als geeignet, erforderlich und angebracht, kurz als verhältnismässig. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Beschwerdeführerin ursprünglich das Bundesamt für Kommunikation zur Rechtslage angefragt hat und aufgrund von dessen Antworten mit Massnahmen der Aufsichtsbehörde rechnen musste.
c) Die Beschwerdeführerin hält dafür, der angefochtene Entscheid verletze sie in ihrer Wirtschaftsfreiheit nach
Art. 27 BV
. Es ist fraglich, ob sich die Beschwerdeführerin als zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe konzessionierte gemischtwirtschaftliche Aktiengesellschaft, an welcher der Bund von Gesetzes wegen die kapital- und stimmenmässige Mehrheit hält (Art. 6 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 30. April 1997 über die Organisation der Telekommunikationsunternehmung des Bundes, Telekommunikationsunternehmungsgesetz, TUG [SR 784.11]; vgl.
BGE 125 II 293
E. 4f S. 307 f.), überhaupt auf die Wirtschaftsfreiheit berufen kann (vgl. dazu etwa RHINOW/SCHMID/BIAGGINI, Öffentliches Wirtschaftsrecht, Basel/Frankfurt a.M. 1998, § 5 Rz. 43 ff. und 84 ff.). Dies kann vorliegend aber dahingestellt bleiben, da ein allfälliger Eingriff ohnehin die dafür erforderlichen Voraussetzungen (vgl.
Art. 36 und 94 BV
) erfüllen würde. Der Bund hat die verfassungsmässige Kompetenz zur Regelung des Fernmeldewesens und damit zur Abweichung vom Grundsatz der Wirtschaftsfreiheit, wobei er insbesondere für eine ausreichende und preiswerte Grundversorgung zu sorgen hat (
Art. 92 BV
). Der angefochtene Entscheid beruht auf einer genügenden gesetzlichen Grundlage (
Art. 17 Abs. 2 FMG
und
Art. 23 Abs. 1 lit. d FDV
), er verfolgt das öffentliche, schon in der Verfassung anerkannte Interesse der Gewährleistung einer kostengünstigen Grundversorgung, und er ist, wie bereits dargelegt, verhältnismässig. | public_law | nan | de | 2,000 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
c31d2e7b-8f77-4727-b9a8-6887789cae1b | Urteilskopf
105 II 16
3. Urteil der I. Zivilabteilung vom 23. Januar 1979 i.S. Penza gegen ICC Handels AG (Berufung) | Regeste
1. Zustandekommen des Vertrages,
Art. 1 Abs. 1 und
Art. 18 Abs. 1 OR
. Auslegung der Willensäusserungen nach Treu und Glauben und Bedeutung des übereinstimmenden inneren Willens der Parteien (E. 2-4).
2. Irrtum, Art. 24 Abs. 1 Ziff. 1 und 4 und Abs. 2 OR. Erklärungsirrtum, Grundlagenirrtum, Irrtum im Beweggrund (E. 5). | Sachverhalt
ab Seite 16
BGE 105 II 16 S. 16
A.-
Aurelio Penza und die ICC Handels AG befassen sich beide mit dem Handel von Chemikalien. Am 18. Januar 1974 führten sie telefonisch Verhandlungen über die Lieferung von Ätznatron; der Inhalt der dabei getroffenen mündlichen Abmachungen lässt sich nicht mehr ermitteln. Noch am 18. Januar 1974 richtete die ICC Handels AG durch ihren Angestellten F. ein Fernschreiben an Penza, in dem sie "unser festgebot gueltig bis februar 21" für "2000 mt netto aetznatron" bestätigte. Als Preis waren 195 US § "per mt fob italian port" genannt. Die Zahlung sollte durch ein "unwiderrufliches
BGE 105 II 16 S. 17
akkreditiv ... zu unseren gunsten durch bank baer zuerich" erfolgen. Dieses "Festgebot" verstehe sich vorbehältlich "Schiffsraumbuchung". Mit Fernschreiben und eingeschriebenem Brief vom 21. Januar 1974 nahm Penza auf diese "feste Offerte" Bezug und bestätigte Ätznatron "von ihnen gekauft und sie an uns verkauft zu haben", wobei die von der ICC Handels AG genannten Bedingungen ausdrücklich wiederholt wurden; der Vorbehalt betreffend die Schiffsraumbuchung wurde im Fernschreiben - im Gegensatz zum Brief vom gleichen Tage - allerdings nicht erwähnt. Noch am 21. Januar antwortete die ICC Handels AG wiederum mittels Fernschreibens; sie dankte Penza für seine Mitteilung und erklärte, dass "unser festgebot ausdrücklich vorbehältlich 'schiffsraumbuchung' zu verstehen ist". Nach einem Telefongespräch mit F. wandte sich Penza am 24. Januar 1974 erneut schriftlich an die ICC Handels AG. Darin ersuchte er diese um Bekanntgabe des Verschiffungshafens bis zum andern Tage, "damit das akkreditiv eröffnet wird". Den telefonisch geäusserten Einwand, "force majeur" stehe einer Lieferung entgegen, könne er nicht annehmen. Am 7. März setzte Penza schliesslich der ICC Handels AG eine "letzte Frist", um einen Liefertermin für die 2000 mt Ätznatron zu nennen. Die ICC Handels AG antwortete indes am 14. März 1974, dass die fragliche Ware, wie in mehreren Telefongesprächen schon dargelegt, nie existiert habe; die von F. am 18. Januar 1974 "durchgegebene offerte basierte auf einer falschinterpretation eines fernschreibens von unserem büro in new york". Dieses habe nämlich die Ware zum genannten Preis kaufen und nicht verkaufen wollen.
B.-
Im April 1976 klagte Penza gegen die ICC Handels AG auf Zahlung von US § 270'000.- nebst Zins zu 7% seit dem 1. März 1974. Für den Fall, dass die geschuldete Summe mittels Betreibung geltend gemacht werden müsse, sei festzustellen, "dass die Schadenersatzsumme zum Kurs von Fr. 3.14 pro US Dollar umzurechnen ist".
Das Kantonsgericht des Kantons Zug wies die Klage am 25. November 1977 ab, ebenso auf Appellation des Klägers hin das Obergericht des Kantons Zug mit Urteil vom 6. Juli 1978.
C.-
Gegen das obergerichtliche Erkenntnis hat der Kläger die Berufung an das Bundesgericht erklärt, mit der er Gutheissung seiner Klagebegehren verlangt; allenfalls sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die Beklagte schliesst auf Abweisung der Berufung.
BGE 105 II 16 S. 18
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Das Obergericht hält fest, dass der Inhalt der von den Parteien geführten Telefongespräche nicht mehr abgeklärt werden könne. Das ist eine das Bundesgericht bindende tatsächliche Feststellung (
Art. 63 Abs. 2 OG
). Unzulässig ist es deshalb, wenn die Parteien vor Bundesgericht gleichwohl auf den Inhalt dieser Gespräche zurückkommen. Zu entscheiden ist somit allein, ob zwischen den Parteien durch den Austausch ihrer Fernschreiben ein Vertrag zustande gekommen ist.
2.
Das Obergericht legt vorab das Fernschreiben der Beklagten vom 18. Januar 1974 aus, und zwar "allein unter objektivem Gesichtspunkt nach dem Vertrauensprinzip". Auf den inneren Willen der Beklagten komme es nicht an. Weil die von der Beklagten in diesem Fernschreiben verwendete Formel "Festgebot gültig bis..." im internationalen Chemikalienhandel als feste Kaufsofferte verstanden werde, die Beklagte den Kläger im gleichen Fernschreiben aber aufforderte, ein Akkreditiv zu eröffnen, was nur ein Verkäufer tue, sei ihre Willensäusserung unklar und könne weder als Verkaufs- noch als Kaufsofferte betrachtet werden. Einen Vertrag hätten die Parteien somit nicht geschlossen. Diese Auslegung ficht der Kläger vor Bundesgericht an und macht unter Hinweis auf sein Antwortfernschreiben vom 21. Januar 1974 geltend, er habe nach Treu und Glauben die Willensäusserung der Beklagten als Verkaufsangebot verstehen dürfen.
Die Ermittlung der Bedeutung, die den Willensäusserungen der Parteien beim Abschluss eines Vertrages nach Treu und Glauben zukommt, ist eine Rechtsfrage, die im Berufungsverfahren der freien Überprüfung durch das Bundesgericht unterliegt; dieses ist aber an Feststellungen der letzten kantonalen Instanz hinsichtlich äusserer Tatsachen und des inneren Willens der Parteien gebunden (
BGE 100 II 149
E. 3c,
BGE 99 II 285
E. 1/2,
BGE 96 II 333
E. 4d mit Hinweisen).
3.
a) Richtig ist, dass nach
Art. 1 OR
der Vertragsschluss vom Vorliegen übereinstimmender Willensäusserungen - und nicht vom wirklichen Willen der Vertragspartner - abhängt und dass diese Willensäusserungen nach dem Vertrauensgrundsatz auszulegen sind, indem massgebend ist, wie sie vom Empfänger in guten Treuen verstanden werden durften und mussten (
BGE 101 II 331
E. 2,
BGE 96 II 141
E. 2; SCHÖNENBERGER/JÄGGI, N. 188 und 195 f. zu
Art. 1 OR
).
BGE 105 II 16 S. 19
Auf Undeutlichkeiten und Unrichtigkeiten einer Willenserklärung kommt es aber nicht an, wenn der Empfänger sie so versteht, wie der Erklärende sie meinte (VON TUHR/PETER, Allgemeiner Teil des schweizerischen Obligationenrechts, Zürich 1979, S. 288). Dem Empfänger steht somit der Nachweis offen, dass der Erklärende nicht von dem für ihn günstigen objektiven Sinn seiner Willensäusserung, sondern von einem andern, für ihn ungünstigeren Sinn ausgegangen ist; umgekehrt vermag der Erklärende den durch Auslegung ermittelten Sinn seiner Erklärung mit dem Nachweis beiseite zu stossen, dass seine Erklärung vom Empfänger nicht im verkehrsüblichen, sondern in einem für diesen ungünstigeren Sinn verstanden worden sei (SCHÖNENBERGER/JÄGGI, N. 205 zu
Art. 1 OR
). Diese Überlegungen entsprechen dem Grundgedanken von
Art. 18 Abs. 1 OR
, wonach bei der Beurteilung eines Vertrages der übereinstimmende wirkliche Wille und nicht die unrichtige Bezeichnung oder Ausdrucksweise zu beachten ist. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz darf somit der innere Wille der Beklagten anlässlich der Abfassung ihres Fernschreibens vom 18. Januar 1974 nicht einfach als unerheblich übergangen werden.
b) Das Obergericht stellt fest, der Angestellte der Beklagten, F., sei "zugestandenermassen subjektiv von einem Verkaufswillen" der Beklagten ausgegangen. Dass er das englische "bidding firm" im Fernschreiben der Muttergesellschaft mit "Festgebot" übersetzt habe und trotzdem der Meinung gewesen sei, die Beklagte wolle verkaufen, zeige deutlich, dass er im Chemikalienhandel nicht derart erfahren gewesen sei, wie der Kläger es behaupte. Damit ist hinreichend klar festgestellt, dass die Beklagte, die sich unstreitig das Verhalten F.'s anrechnen lassen muss, bei der Abfassung ihres Fernschreibens vom 18. Januar 1974 verkaufen und nicht kaufen wollte. Noch klarer ergibt sich das aus dem erstinstanzlichen Urteil, auf welches das Obergericht verweist. Dort wird ausgeführt, die Beklagte selber gestehe ein, dass F. die englischsprachige Anweisung des Mutterhauses falsch verstanden habe. "In falscher Deutung eines Fernschreibens ihrer Muttergesellschaft" habe die Beklagte somit dem Kläger am 18. Januar 1974 die fragliche Menge Ätznatron verkaufen wollen.
c) Hat der Kläger das Fernschreiben der Beklagten vom 18. Januar 1974 so verstanden, wie es gemeint war, so ist der Vertrag nach dem Gesagten zustande gekommen; für eine Auslegung der beidseitigen Willenserklärungen nach Treu und
BGE 105 II 16 S. 20
Glauben besteht diesfalls von vornherein kein Raum mehr. Anders verhielte es sich freilich, wenn der Kläger das ihm von der Beklagten am 18. Januar 1974 unterbreitete Angebot nicht so verstand, wie er es in seinem Bestätigungsschreiben vom 21. Januar 1974 umschrieb und heute behauptet. Im angefochtenen Urteil fehlen indes tatbeständliche Feststellungen, die eine solche Annahme erlaubten. Vielmehr lässt es das Obergericht ausdrücklich offen, ob der Kläger die Widersprüche im Fernschreiben der Beklagten erkannt und trotz seiner Erfahrung im Chemikalienhandel an eine Verkaufsofferte geglaubt habe. Allerdings habe er angesichts der Unstimmigkeiten im Fernschreiben der Beklagten "stutzig" werden müssen. Damit ist aber noch nicht gesagt, dass der Kläger das Fernschreiben als Kaufsofferte verstanden habe.
4.
a) Selbst wenn der Kläger ob den Unstimmigkeiten in dem ihm von der Beklagten unterbreiteten Angebot hätte "stutzig" werden müssen, ändert dies nichts daran, dass die Beklagte ein Verkaufsangebot machte. Allfällige Unklarheiten räumte der Kläger mit seiner klaren und widerspruchsfreien Annahmeerklärung aus, indem er der Beklagten bestätigte, "von ihnen gekauft und sie an uns verkauft zu haben". Mehr durfte von ihm unter diesen Umständen nicht erwartet werden. Indem er die von der Beklagten gemachten Bedingungen wiederholte und das Wort "Festgebot" ersetzte durch "feste Offerte" nahm er das Angebot der Beklagten an, wie sie es gemeint hatte. Unbehelflich ist es deshalb, wenn die Beklagte vor Bundesgericht vorbringt, damit habe der Kläger sie in ihrer Verkäuferstellung festnageln wollen. Hätte sie wirklich nicht verkaufen wollen, so hätte sie auf das Bestätigungsschreiben des Klägers hin allen Anlass gehabt, einen solchen Versuch entschieden zurückzuweisen. Statt dessen verdankte sie noch gleichen Tags ausdrücklich die "Bestätigung" des Klägers und fügte lediglich bei, dass das gemachte Angebot "ausdrücklich vorbehältlich 'schiffsraumbuchung' zu verstehen" sei. Selbst wenn der Vertragsschluss nicht schon mit der Annahmeerklärung des Klägers vom 21. Januar zustande gekommen, sondern das klägerische Fernschreiben mit dem Obergericht als neue Offerte anzusehen wäre, wäre der Vertrag jedenfalls mit diesem Antwortschreiben der Beklagten geschlossen worden. Mit dem Vorbringen, der Kläger habe gewusst, dass die Beklagte weder verkaufen wollte noch verkaufen konnte, ist die Beklagte nicht
BGE 105 II 16 S. 21
zu hören, da dies tatsächliche Verhältnisse betrifft. Im angefochtenen Urteil fehlen nicht nur derartige Feststellungen, sondern es ergibt sich aus ihm im Gegenteil, dass die Beklagte verkaufen wollte. Rechtsmissbräuchliches Verhalten des Klägers scheidet unter diesem Gesichtspunkt ohne weiteres aus.
b) Nach dem angefochtenen Urteil liegt im Fernschreiben des Klägers vom 21. Januar 1974 keine Annahmeerklärung, weil die Beklagte mit ihrer Offerte vom 18. Januar ausdrücklich "Schiffsraumbuchung" vorbehalten hatte. Die Beklagte habe damit "erkennbarermassen ihre mangelnde wirkliche Verkaufsabsicht" aufgezeigt. Dass das hinsichtlich ihres inneren Willens nicht zutrifft, wurde bereits dargelegt. Fragen kann sich nur, ob wegen des erwähnten Vorbehaltes ein Konsens, der an sich auch Nebenpunkte zu erfassen hat, entfällt. Davon kann aber keine Rede sein, hat doch der Kläger nicht nur die von der Beklagten angebrachte Ergänzung stillschweigend angenommen, sondern die fragliche Klausel auch ausdrücklich in seinen Bestätigungsbrief vom 21. Januar 1974 aufgenommen. Streitig ist zwar, zu wessen Gunsten dieser Vorbehalt gemacht wurde, doch besteht Übereinstimmung darin, dass nur der Käufer an einer solchen Klausel interessiert war. Nach verbindlicher Feststellung des Kantonsgerichts, auf die das Obergericht verweist, ist es möglich, dass es der Kläger war, der den Vorbehalt betreffend die Schiffsraumbuchung gemacht hatte. Das erste Fernschreiben der Beklagten vom 18. Januar 1974, das auf ein zuvor mit dem Kläger geführtes Telefongespräch Bezug nahm, konnte durchaus als Bestätigung eines vom Kläger gemachten Vorbehaltes verstanden werden. Ist somit der Vertrag so oder anders am 21. Januar 1974 zustande gekommen, so vermag die Beklagte auch aus dem späteren Verhalten des Klägers nichts Entscheidendes mehr abzuleiten. Der Umstand, dass die Beklagte den Kläger bereits am 22. Januar darauf hingewiesen habe, alles beruhe auf einem Missverständnis und die fragliche Ware habe nie existiert, kann deshalb ebensowenig eine Rolle spielen wie jener, dass der Kläger angeblich nichts unternommen habe, um ein Akkreditiv zu eröffnen. Letzteres erklärt sich immerhin damit, dass er die Beklagte erfolglos aufgefordert hatte, den Verschiffungshafen zu bezeichnen.
5.
Steht somit fest, dass die Beklagte dem Kläger 2000 mt Ätznatron zu den aus den schriftlichen Erklärungen der Parteien
BGE 105 II 16 S. 22
sich ergebenden Bedingungen verkauft hat, so sind die Einwendungen, die die Beklagte gegen ihre Zahlungspflicht erhebt, zu prüfen. Vorab ist zu klären, ob sie sich zu Recht auf Irrtum beruft. Die Frage, ob und inwiefern sie sich geirrt habe, betrifft tatsächliche Verhältnisse und wäre an sich durch die Vorinstanz zu beantworten. Vom Bundesgericht zu prüfende Rechtsfrage ist aber, ob ein solcher Irrtum wesentlich im Sinne der
Art. 23 und 24 OR
sei. Vorliegend kommen von vornherein nur die in Art. 24 Abs. 1 Ziff. 1 und 4 aufgezählten Fälle des Irrtums in Betracht. Ein Erklärungsirrtum im Sinne von Ziff. 1 entfällt, weil die Beklagte zur Zeit des Vertragsschlusses die Chemikalien tatsächlich verkaufen wollte. Nichts zu ihren Gunsten ableiten kann sie auch aus dem Umstand, dass ihr Angestellter F. die Weisung des Mutterhauses, wonach dieses Ätznatron kaufen und nicht verkaufen wollte, falsch verstand. Das ist keineswegs eine erkennbare und notwendige Grundlage des von den Parteien geschlossenen Vertrages im Sinne von
Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR
, sondern vielmehr ein unbeachtlicher Irrtum im Beweggrund gemäss
Art. 24 Abs. 2 OR
. Gleich verhält es sich auch hinsichtlich der Frage, ob die Beklagte über die verkaufte Ware je verfügt habe. Willensmängel scheiden in diesen Belangen somit aus.
Zu prüfen sind aber auch die weiteren von der Beklagten gegen ihre Zahlungspflicht erhobenen Einwendungen. Das gilt zunächst für die Voraussetzungen einer Schadenersatzpflicht wegen Nichterfüllung des Vertrages sowie für die Berechnung des Schadens. Zu prüfen ist ferner auch der Einwand der Beklagten, der Kläger sei bezüglich der Schiffsraumbeschaffung einer Bedingung des Vertrages nicht nachgekommen. In dieser Hinsicht erlaubt der von der Vorinstanz festgestellte Tatbestand keine abschliessende Beurteilung, sondern bedarf der Ergänzung; in Anwendung von
Art. 64 Abs. 1 OG
ist das angefochtene Urteil deshalb aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird dahin gutgeheissen, dass das Urteil des Obergerichts des Kantons Zug vom 6. Juli 1978 aufgehoben und die Sache zur neuen Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen wird. | public_law | nan | de | 1,979 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
c3207a4e-4a0f-4eec-88b9-400b1735e974 | Urteilskopf
123 II 572
59. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 24. Januar 1997 i.S. R. gegen Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) | Regeste
Art. 16 Abs. 3 lit. b SVG
und
Art. 17 Abs. 1 lit. b SVG
,
Art. 33 Abs. 2 VZV
; Entzug des Führerausweises; Massnahmeempfindlichkeit infolge beruflicher Angewiesenheit.
Bei der Beurteilung der beruflichen Notwendigkeit, ein Motorfahrzeug zu führen, ist dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit Rechnung zu tragen und deshalb zu berücksichtigen, in welchem Masse der Fahrzeugführer infolge beruflicher Notwendigkeit stärker als der normale Fahrer vom Entzug betroffen ist. Im übrigen ist die Frage, ob die berufliche Notwendigkeit eine Herabsetzung der "Einsatzmassnahme" rechtfertigt, bei der Gesamtbeurteilung aller für die Dauer des Entzuges wesentlichen Merkmale zu prüfen (E. 2c). | Sachverhalt
ab Seite 573
BGE 123 II 572 S. 573
Am 30. April 1995 um 02.55 Uhr lenkte R. seinen Geschäftswagen in W. mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,57 Gewichtspromille. Überdies fehlte am linken hinteren Rad der Reifen, der linke Aussenspiegel war abgeschlagen, und die vordere Stossstange, an der Gräser und Stauden hingen, war beschädigt.
Deswegen verurteilte ihn das Bezirksamt W. mit Strafverfügung vom 17. Januar 1996 wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand, Widerhandlung gegen die Vorschriften über die Betriebssicherheit von Motorfahrzeugen sowie weiterer Delikte zu drei Wochen Gefängnis bedingt und zu einer Busse von Fr. 800.--. Der Entscheid erwuchs in Rechtskraft.
Mit Verfügung vom 13. Juli 1995 entzog das Strassenverkehrs- und Schiffahrtsamt des Kantons St. Gallen R. den Führerausweis gestützt auf
Art. 16 Abs. 3 lit. b SVG
(SR 741.01) sowie Art. 29 i.V.m.
Art. 16 Abs. 2 SVG
für die Dauer von sieben Monaten.
Die Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen wies einen dagegen erhobenen Rekurs am 20. August 1996 ab.
Gegen diesen Entscheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, den Entscheid der Verwaltungsrekurskommission aufzuheben und die Dauer des Führerausweisentzuges angemessen, höchstens aber auf vier Monate, herabzusetzen.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
Der Beschwerdeführer bringt vor, die Vorinstanz habe bei der Festsetzung der Führerausweisentzugsdauer zu Unrecht seine erhöhte Massnahmeempfindlichkeit nicht berücksichtigt. Im übrigen würden keine besonders erschwerenden Umstände vorliegen, die den Entzug des Führerausweises für die Dauer von sieben Monaten rechtfertigen würden.
Die Vorinstanz führt aus, der Beschwerdeführer sei mit einer Blutalkoholkonzentration von mindestens 1,57 Gewichtspromille und damit in erheblich angetrunkenem Zustand gefahren. Er habe einen Personenwagen mit nur drei Reifen und ohne linken Aussenspiegel gelenkt. Dadurch habe er die anderen Verkehrsteilnehmer erheblich gefährdet und grob schuldhaft und verantwortungslos gehandelt.
BGE 123 II 572 S. 574
Erschwerend sei zu berücksichtigen, dass er sich einen mittelschweren Rausch angetrunken habe, obschon er gewusst habe, dass er sich später wieder an das Steuer seines Fahrzeuges setzen werde. Massnahmeerhöhend sei ferner der erheblich getrübte automobilistische Leumund des Beschwerdeführers zu werten. Eine berufliche Notwendigkeit zur Führung eines Motorfahrzeuges sei nicht substantiiert geltend gemacht worden und deshalb zu verneinen. Dagegen sei der Besuch eines Kurses für erstmals alkoholauffällige Motorfahrzeuglenker massnahmemindernd zu berücksichtigen. Da nach der st. gallischen Praxis eine Blutalkoholkonzentration von 1,57 Gewichtspromille den Entzug des Führerausweises für die Dauer von sechs Monaten nach sich ziehe, sei aufgrund der erschwerenden Umstände ein Führerausweisentzug von sieben Monaten angemessen.
2.
a) Gemäss
Art. 33 Abs. 2 VZV
(SR 741.51) richtet sich die Dauer des Entzugs vor allem nach der Schwere des Verschuldens, dem Leumund als Motorfahrzeugführer sowie nach der beruflichen Notwendigkeit, ein Motorfahrzeug zu führen.
b) Die Vorinstanz hat sowohl die geschaffene Verkehrsgefahr als auch das Verschulden des Beschwerdeführers als erheblich eingestuft; auf ihre insofern zutreffenden Ausführungen kann verwiesen werden (
Art. 36 lit. a OG
). Aufgrund der im angefochtenen Entscheid angeführten Umstände liegt die ausgesprochene Massnahmedauer im Rahmen des vorinstanzlichen Ermessens, sofern die Verwaltungsrekurskommission zu Recht eine berufliche Angewiesenheit des Beschwerdeführers auf den Führerausweis verneinen durfte.
c) Aus der Stellungnahme des Beschwerdeführers an das Strassenverkehrsamt geht hervor, dass er zu 100% im Aussendienst einer Spielwaren-Handelsfirma arbeite und eine interne Beschäftigung nicht möglich sei. Sein Einsatzgebiet umfasse die ganze Ostschweiz im weitesten Sinne (Engadin bis Aargau). Aufgrund des sofortigen Ausweisentzuges sei er gezwungen gewesen, einen Chauffeur für seine Fahrdienste zu verpflichten, was ihn finanziell in kaum tragbarer Weise belaste. Ferner geht aus dem ebenfalls dem Strassenverkehrsamt eingereichten Arbeitszeugnis hervor, dass ihn sein Arbeitgeber im Falle eines längeren Führerausweisentzuges entlassen werde.
Auch bei der Beurteilung der beruflichen Angewiesenheit eines Fahrzeuglenkers auf den Führerausweis ist dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit Rechnung zu tragen. Im unveröffentlichten Entscheid vom 3. April 1995 i.S. W. hielt das Bundesgericht fest, dass berufsmässig auf ein Motorfahrzeug angewiesene Fahrzeugführer
BGE 123 II 572 S. 575
wegen der grösseren Massnahmeempfindlichkeit in der Regel schon durch eine kürzere Entzugsdauer wirksam gewarnt und von weiteren Widerhandlungen abgehalten werden. Einem solchen Lenker soll der Führerausweis deshalb weniger lang entzogen werden als einem, der sein Fahrzeug beruflich nicht benötigt, selbst wenn beide Fahrzeugführer das gleiche Verschulden trifft. Die Reduzierung bemisst sich danach, in welchem Masse der Fahrzeugführer infolge beruflicher Notwendigkeit stärker als der normale Fahrer von der Massnahme betroffen ist (E. 3b am Ende).
Theoretisch bejaht die Verwaltungsrekurskommission die berufliche Notwendigkeit, ein Fahrzeug zu führen nur, "wenn die Ausübung des Berufes durch den Führerausweisentzug materiell verboten wird, wie dies z.B. bei einem Berufschauffeur der Fall ist, der für die Fahrdienste entschädigt wird", oder "wenn die Unmöglichkeit, ein Fahrzeug zu führen, einen solchen Einkommensverlust oder so beachtliche Kosten verursachen würde, dass diese Massnahme offensichtlich als unverhältnismässig erscheint". Bei der Beurteilung des konkreten Falles erschöpft sich dann aber die Prüfung auf die Frage, ob dem Rekurrenten durch den Ausweisentzug die Berufsausübung materiell verboten werde. Wenn dies nicht der Fall sei, komme eine Herabsetzung der Entzugsdauer nicht in Frage. Bei einer solchen Beurteilung wird das pflichtgemässe Ermessen nur unvollständig ausgeübt. Zum einen gibt es nicht bloss Fahrzeuglenker, die beruflich entweder überhaupt nicht oder dann wie Berufsfahrer auf den Ausweis angewiesen sind; vielmehr ist der Übergang fliessend, d.h. es gibt auch Betroffene, bei denen eine leicht oder mittelgradig erhöhte Massnahmeempfindlichkeit gegeben ist. Zum andern ist nicht bereits bei der Beurteilung des Grades der Massnahmeempfindlichkeit endgültig festzulegen, ob dieses Element für sich allein zu einer Herabsetzung der Entzugsdauer führt. Erst bei der Gesamtbeurteilung aller wesentlichen Elemente ist zu prüfen, ob die berufliche Angewiesenheit auf den Führerausweis für sich allein oder allenfalls zusammen mit andern Beurteilungsmerkmalen (z.B. einem günstigen automobilistischen Leumund) eine Herabsetzung der "Einsatzmassnahme" rechtfertigt. Nur ein solches Vorgehen garantiert eine pflichtgemässe Ermessensausübung und vermag auch dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit zu genügen (vgl. SCHAFFHAUSER, Grundriss des schweizerischen Strassenverkehrsrechts, Band III, N. 2441 ff., insbes. N. 2447).
Im hier zu beurteilenden Fall verneinte die Vorinstanz die berufliche Angewiesenheit des Beschwerdeführers auf den Führerausweis
BGE 123 II 572 S. 576
mit dem Hinweis, der Beschwerdeführer habe sie nicht substantiiert dargetan. Davon kann jedoch keine Rede sein. Der Beschwerdeführer hat in seiner Stellungnahme an das Strassenverkehrsamt begründet, weshalb er als Aussendienstmitarbeiter beruflich auf ein Fahrzeug angewiesen sei. Er hat dies mit einem Arbeitszeugnis seines Arbeitgebers belegt. Die Vorinstanz hätte deshalb auf seinen Einwand materiell eingehen und die Verneinung der beruflichen Notwendigkeit, ein Motorfahrzeug zu führen, begründen müssen. Indem sie dies unterliess, hat sie Bundesrecht verletzt. Bei der Neubeurteilung wird die Vorinstanz unter anderem Gelegenheit haben zu bestimmen, in welchem Grade der Beschwerdeführer beruflich auf den Führerausweis angewiesen ist, um dann dieses Element bei der Gesamtbeurteilung im Sinne der genannten Grundsätze in ihre Überlegungen einfliessen lassen zu können.
3.
(Kostenfolgen) | public_law | nan | de | 1,997 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
c3293381-e9d9-4ea4-b92b-fa5b852c0697 | Urteilskopf
86 II 159
27. Arrêt de la Ire Cour civile du 5 juillet 1960 dans la cause Fabrique de boîtes "La Centrale" SA contre Brandt. | Regeste
Aktiengesellschaft.
Statutenbestimmung, wonach der Verwaltungsrat für seine Tätigkeit eine Vergütung erhält. Gesichtspunkte für den Entscheid, ob deren Betrag sich rechtfertigt. Einfluss der finanziellen Lage der Gesellschaft. | Sachverhalt
ab Seite 160
BGE 86 II 159 S. 160
A.-
Le capital social de la Fabrique de boîtes "La Centrale" SA (ci-après: la société) est de 750 000 fr. Les statuts de cette société ne prévoient pas que les administrateurs participent au bénéfice net. En revanche, ils disposent à leur art. 14 al. 3:
"Le Conseil d'administration doit être rétribué pour son activité; l'indemnité sera fixée par l'assemblée générale."
B.-
Pour l'exercice 1953/54, l'assemblée générale a fixé à 50 000 fr. la rétribution des quatre administrateurs et décidé de répartir un dividende de 12%.
Un actionnaire minoritaire, Louis César Brandt, a attaqué cette décision en justice, en alléguant que le montant de 50 000 fr. était excessif et constituait des tantièmes déguisés.
Statuant en dernière instance par arrêt du 13 février 1956 (RO 82 II 148), le Tribunal fédéral a considéré que la thèse de Brandt n'était pas fondée. La question décisive - a-t-il exposé en résumé - est de savoir si le montant de 50 000 fr. ne dépasse pas ce que justifie l'activité des administrateurs; c'est là un point qui relève essentiellement de l'expérience commerciale; le juge ne doit donc intervenir que si la décision de l'assemblée générale ne peut se justifier par des considérations économiques raisonnables et est guidée par le désir de faire passer des intérêts particuliers avant les intérêts généraux de la société et des actionnaires; pour juger si l'assemblée générale a abusé de son pouvoir d'appréciation en l'espèce, il faut rechercher si le montant de 50 000 fr. est proportionné au travail des administrateurs, aux services qu'ils ont rendus à la société et à la situation de l'entreprise; or le conseil d'administration ne se borne pas à surveiller la direction, mais il collabore activement aux affaires de la société et les fait prospérer;
BGE 86 II 159 S. 161
de plus, son activité paraît couronnée de succès puisque le bénéfice d'exploitation réalisé au cours de l'exercice 1953/54 se monte à 434 586 fr. et que la valeur interne des actions est cinq fois supérieure à leur valeur nominale; dès lors, même s'il est élevé, le montant de 50 000 fr. alloué aux administrateurs peut se justifier et ne saurait être considéré comme des tantièmes déguisés.
C.-
Entre temps, l'assemblée générale des actionnaires avait décidé, pour l'exercice 1954/55, de répartir un dividende de 15% et d'allouer aux administrateurs une rétribution de 70 000 fr. Brandt a également attaqué cette décision en justice.
La Cour d'appel du canton de Berne a admis l'action et annulé la décision attaquée dans la mesure où elle allouait au conseil d'administration une rétribution supérieure à 50 000 fr. Le Tribunal fédéral a confirmé ce jugement par arrêt du 26 septembre 1958 (RO 84 II 550). Après avoir considéré que l'assemblée générale ne pouvait attribuer de tantièmes lorsqu'une telle allocation n'était pas prévue par les statuts, il a jugé que le montant de 70 000 fr. était excessif. En effet - a-t-il expliqué - la société ne justifie l'augmentation de cette rétribution que par celle du bénéfice d'exploitation, qui a passé de 434 586 fr. 63 à 620 000 fr.; cependant, le bénéfice supplémentaire procède en partie de la revalorisation d'un stock de marchandises et, dans cette mesure, il n'est qu'apparent; d'autre part, si, dans son arrêt du 13 février 1956, le Tribunal fédéral a déclaré qu'il fallait tenir compte de la situation de l'entreprise pour arrêter la rétribution des administrateurs, cela ne signifie pas que celle-ci puisse être proportionnelle au bénéfice d'exploitation; les statuts prévoyant la rétribution de l'"activité" des administrateurs, les éléments essentiels qu'on doit prendre en considération sont l'importance du travail fourni et les profits qu'il a procurés à la société; quant à la situation économique de l'entreprise, il faut qu'elle se soit modifiée de façon sensible pour justifier à elle seule une augmentation ou
BGE 86 II 159 S. 162
une réduction du montant auquel peut prétendre le conseil d'administration; or cette condition n'est pas remplie en l'espèce.
D.-
Pour l'exercice 1955/56, la société a fait un bénéfice d'exploitation de 918 666 fr. Par décision du 3 juillet 1956, l'assemblée générale a fixé le dividende à 18% et la rétribution des administrateurs à 70 000 fr.
Brandt a, derechef, attaqué cette décision devant la Cour d'appel du canton de Berne.
Par jugement du 23 septembre 1959, cette juridiction a annulé la décision du 3 juillet 1956 en tant qu'elle allouait au conseil d'administration une rétribution supérieure à 50 000 fr. Elle a constaté que, durant l'exercice 1955/56, le travail fourni par les administrateurs et les services qu'ils avaient rendus à la société avaient été sensiblement les mêmes qu'au cours des années précédentes; qu'une augmentation de leur rétribution ne pourrait donc être justifiée que par une amélioration sensible de la situation de l'entreprise; que cette condition n'était pas remplie, la société ayant simplement poursuivi sa marche ascendante sans aucun changement de structure.
E.-
La société recourt en réforme au Tribunal fédéral, en concluant à ce que Brandt soit débouté des fins de son action.
L'intimé propose le rejet du recours.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
Comme le Tribunal fédéral l'a jugé dans son arrêt du 26 septembre 1958, l'assemblée générale ne pouvait allouer aux administrateurs une participation au bénéfice net, puisque l'allocation de tantièmes n'est pas prévue dans les statuts. Dès lors, le montant de 70 000 fr. accordé aux membres du conseil d'administration ne peut rétribuer que leur "activité", conformément à l'art. 14 al. 3 des statuts de la société.
En principe, l'assemblée générale est libre dans la fixation de la rétribution des administrateurs. Cependant, cette liberté est restreinte par le droit des actionnaires
BGE 86 II 159 S. 163
au dividende. Le montant alloué au conseil d'administration ne doit pas, en effet, avoir pour conséquence de faire passer des intérêts particuliers avant les intérêts légitimes de la société et des actionnaires. Ainsi que le Tribunal fédéral l'a déjà exposé dans ses arrêts antérieurs, il faut donc que la rémunération fixée soit justifiée par l'activité des administrateurs. On doit examiner si le montant alloué est proportionné à leur travail, aux services qu'ils ont rendus à la société et à la situation de l'entreprise. Toutefois, s'agissant de rétribuer une "activité", ce dernier élément est secondaire. Il ne peut donc justifier, à lui seul, une augmentation de la rémunération des administrateurs que si la situation économique de la société s'est améliorée de façon sensible. En revanche, la juridiction cantonale exige à tort des changements de structure. S'il faut tenir compte de la situation de l'entreprise, c'est parce que, en cas de prospérité, une société augmente normalement les salaires de sa direction et de ses ouvriers et doit pouvoir le faire aussi, dans une plus large mesure, pour la rétribution de son conseil d'administration. Or, en pratique, une telle augmentation n'est pas subordonnée à l'existence de modifications dans la structure même de l'entreprise.
Le juge ne peut fixer lui-même le montant qui doit revenir équitablement aux administrateurs. Il ne saurait intervenir, comme le Tribunal fédéral l'a déjà expliqué, que si la décision de l'assemblée générale ne peut se justifier par des considérations économiques raisonnables.
La recourante prétend que cette question doit être examinée de façon indépendante pour chaque exercice et qu'on ne peut se borner à faire des comparaisons avec les exercices précédents. Cette thèse est trop absolue. Le Tribunal fédéral a fixé ce qu'il considérait comme une rétribution maximum pour l'exercice 1953/54 et rien n'indique que la décision qu'il a prise alors soit erronée. Elle peut donc servir de base pour les exercices suivants. En revanche, la recourante déclare avec raison que, pour juger si le montant de 70 000 fr. dépasse le maximum admissible, il faut faire la comparaison avec les résultats
BGE 86 II 159 S. 164
de l'exercice 1953/54; c'est en effet pour cette période que le Tribunal fédéral a jugé que le montant de 50 000 fr. constituait un maximum et, s'il l'a maintenu pour l'année suivante malgré l'amélioration de la situation de l'entreprise, c'est parce qu'il a jugé que ce changement n'était pas assez important pour exercer une influence légitime sur la rétribution des administrateurs.
2.
La juridiction cantonale a constaté définitivement que, durant l'exercice en cause aujourd'hui, l'activité du conseil d'administration et les services qu'il avait rendus à la société avaient été à peu près les mêmes qu'au cours des années précédentes. L'augmentation de la rétribution des administrateurs ne peut donc être justifiée que par la prospérité plus grande de l'entreprise.
Or, sur ce point, la différence est importante. Pour l'exercice 1955/56, le bénéfice d'exploitation a été de 918 666 fr., c'est-à-dire plus de deux fois supérieur à celui de l'exercice 1953/54. De ce fait, le dividende payé aux actionnaires a passé de 12 à 18%. La répartition d'un dividende aussi important n'a pas empêché, selon la Cour cantonale, la constitution de nouvelles réserves latentes, qui ont accru sensiblement la valeur interne des actions.
Dans ces conditions, on doit admettre que la situation économique de la société s'est améliorée de façon sensible. Une augmentation de la rétribution des administrateurs pouvait donc se justifier. Sans doute le montant de 70 000 fr. est-il très élevé. Cependant, si l'on considère l'importance du dividende et l'accroissement de la valeur interne des actions, cette rémunération peut encore se justifier par des arguments économiques raisonnables et ne porte donc pas atteinte aux droits des actionnaires. Dès lors, l'action de Brandt a été admise à tort par la juridiction bernoise.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral:
Admet le recours, annule le jugement attaqué et rejette la demande. | public_law | nan | fr | 1,960 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
c32c00a4-2787-4753-bffa-4c4473239ac6 | Urteilskopf
107 II 430
69. Arrêt de la Ire Cour civile du 17 novembre 1981 dans la cause Ambresin contre Gay (recours en réforme) | Regeste
Vertrag mit einem Weinbauer; auf Arbeitsverhältnisse anwendbare zwingende Vorschriften.
1. Der Vertrag zwischen dem Eigentümer und einem Weinbauer, der dessen Weinberg zu bebauen hat, begründet ein Arbeitsverhältnis im Sinne von
Art. 319 ff. OR
(E. 1).
2. Es ist unzulässig, die auf die Ferien entfallende Entschädigung in den zu entrichtenden Lohn einzubeziehen (E. 3a).
3. Wird das Recht auf Ferien nicht ausgeübt, so verwirkt es (E. 3b).
4. Alle Vorschriften, die den Arbeitgeber verpflichten, sich in einem bestimmten Ausmass an der sozialen Vorsorge der Arbeitnehmer zu beteiligen, sind zwingender Natur (E. 4). | Sachverhalt
ab Seite 431
BGE 107 II 430 S. 431
A.-
Le 23 septembre 1974, Louis Gay engagea Jean-Louis Ambresin comme vigneron en signant avec lui une convention intitulée contrat de vignolage. Ambresin s'obligeait à cultiver les vignes appartenant à Gay pour une rémunération de 1600 fr. la "pose genevoise", laquelle se subdivisait en trois cents perches vaudoises de 9 m2. En fait, dès le début de son travail en janvier 1975, Ambresin ne fut pas rétribué à la "pose", mais payé 7 fr. par perche. Ce montant forfaitaire comprenait le salaire afférent aux vacances et les cotisations d'assurances sociales, lesquelles devaient être retenues dans leur totalité sur les sommes à verser au vigneron. A la fin de chaque année, Ambresin reçut un décompte dont il ressortait que l'ensemble des prestations sociales étaient incluses dans la rémunération de 7 fr. par perche. Il contresigna ces décomptes annuels.
B.-
Jean-Louis Ambresin a ouvert action contre Louis Gay devant les juridictions de prud'hommes du canton de Genève. Il a conclu au paiement de 9624 fr. à titre de salaire afférent à ses vacances pour les années 1975 à 1980. Il a réclamé en outre la somme de 8337 fr. 60 représentant la moitié
BGE 107 II 430 S. 432
moitié des cotisations qui avaient été retenues en leur entier sur son salaire pour l'assurance-vieillesse, l'assurance-invalidité, l'assurance-chômage et pour la couverture des allocations pour pertes de gain.
Par jugement du 7 février 1981, le Tribunal des prud'hommes a débouté le demandeur, lequel a formé appel. Statuant le 9 mai 1981, la Chambre d'appel des prud'hommes a confirmé le jugement attaqué.
C.-
Le demandeur, Jean-Louis Ambresin, a interjeté un recours en réforme au Tribunal fédéral. Il conclut au paiement de 17'961 fr. 60, avec intérêt et suite de frais et dépens.
Le défendeur et intimé, Louis Gay, propose le rejet du recours et la confirmation de l'arrêt de la Chambre d'appel.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
Le contrat de vignolage est la convention par laquelle un viticulteur-propriétaire engage un vigneron-tâcheron qu'il charge de cultiver un ou plusieurs clos moyennant un salaire généralement fixé d'après la surface de la vigne. Le vigneron s'oblige à fournir ses services, non pas à livrer un ouvrage. S'il jouit d'une certaine autonomie dans l'exécution de son travail, il reste tenu de suivre les directives et instructions du maître de la vigne, notamment sur la reconstitution du vignoble, et il se trouve donc dans une situation de dépendance. Le vignolage doit dès lors être qualifié comme rapport de travail au sens des
art. 319 ss CO
. Telle est d'ailleurs la solution adoptée dans le pays de Vaud, où l'institution est la plus utilisée, puisque quatre arrêtés du 12 novembre 1976 y établissent des contrats-types de vignolage pour les districts d'Aigle, de Lavaux, de Vevey et d'Aubonne, Morges, Nyon et Rolle. Peu importe, pour la qualification du contrat, que le vigneron puisse engager à ses frais des aides tels que vendangeurs ou ouvriers journaliers. Et l'on peut se dispenser d'examiner la nature des rapports juridiques, non litigieux en l'espèce, qui se nouent entre parties lorsque le propriétaire met un logement de service à la disposition de son vigneron.
2.
Le litige qui oppose le demandeur au défendeur doit être tranché selon les
art. 319 ss CO
et selon les dispositions spéciales de la législation fédérale sur les assurances sociales. Le demandeur invoque à tort les règles du contrat-type établi par l'un des arrêtés susmentionnés du Conseil d'Etat du canton de Vaud. Les vignes que le demandeur s'est
BGE 107 II 430 S. 433
obligé à cultiver sont situées dans le canton de Genève, hors donc du champ d'application de cet arrêté. Rien par ailleurs dans les faits de la cause ne permet d'affirmer que les parties se soient référées d'un commun accord au contrat-type précité.
La cour cantonale a jugé que, selon la réelle et commune intention des parties, le prix forfaitaire de 7 fr. par perche comprenait le salaire afférent aux vacances et les cotisations d'assurances sociales, lesquelles devaient être retenues en totalité sur les montants à verser au tâcheron. Le demandeur s'en prend en vain à cette constatation de fait qui lie le Tribunal fédéral en vertu de l'
art. 63 al. 2 OJ
(
ATF 100 II 27
consid. 1a et les arrêts cités). Il peut en revanche soutenir de manière recevable que la convention des parties viole les dispositions impératives de la loi.
Le défendeur estime que la perche vaudoise est une unité comptable qui se décompose en un salaire pour la perche proprement dite, en charges sociales et en une indemnité de vacances. Les 7 fr. convenus en l'espèce se subdiviseraient donc en 6 fr. 52 pour la perche, 33 ct. de charges sociales et 15 ct. à titre de salaire pour la période de vacances. Ce décompte ne figure ni n'est mentionné dans l'arrêt attaqué dont il ressort au contraire que le montant de 7 fr. convenu entre parties était forfaitaire et global, sans ventilation entre divers postes. Point n'est au reste besoin de rappeler que la perche représente toujours une fraction déterminée d'une "pose", nonobstant les différences régionales, qu'elle constitue donc une unité de surface et non une unité comptable.
3.
a) L'
art. 329d al. 1 CO
oblige l'employeur à verser au travailleur le salaire total afférent aux vacances et une indemnité équitable en compensation du salaire en nature. L'alinéa 2 interdit, tant que durent les rapports de travail, le remplacement des vacances par des prestations en argent ou d'autres avantages. Ces dispositions ont un caractère absolument impératif (
art. 361 CO
). On peut dès lors mettre en doute la validité des conventions qui permettent à l'employeur de s'acquitter de ses obligations en la matière en intégrant les indemnités de vacances dans le salaire périodique, sans que leur paiement ne soit lié à l'exercice effectif, par le travailleur, du droit aux vacances. La jurisprudence de certains cantons tient certes ce système pour admissible dans des situations particulières, notamment lorsque le taux d'occupation d'un travailleur à temps partiel est soumis à de fortes variations.
BGE 107 II 430 S. 434
Elle exige néanmoins que le supplément versé à titre d'indemnité de vacances soit nettement séparé du salaire proprement dit, tant lors de la conclusion du contrat que lors de chacun des décomptes périodiques; elle exige en outre que l'employé ait la possibilité pratique, durant les rapports de travail, de prendre effectivement des vacances équivalentes à celles auxquelles il a droit (BJM 1976 p. 326). La Cour de céans n'a toutefois pas à se prononcer en l'espèce sur la validité, à titre exceptionnel, de clauses prévoyant le remplacement des vacances par une indemnité ajoutée au salaire périodique. Admettrait-elle de telles conventions, qu'elle les soumettrait aux conditions posées par la jurisprudence précitée. Or ces conditions n'ont pas été respectées en l'espèce.
Les parties qui entendent convertir le droit aux vacances en une indemnité, autant qu'elles puissent le faire, doivent à tout le moins distinguer nettement le salaire afférent aux vacances de la rémunération périodique à laquelle il est ajouté. Elles doivent le faire lors de la conclusion ou de la modification du contrat, et à l'occasion de chacun des décomptes. Tout autre système, tel celui du salaire global incluant les vacances, est inadmissible, spécialement lorsque le travailleur est payé aux pièces ou à la tâche. Des clauses de ce type empêcheraient de déterminer si et dans quelle mesure l'employeur a satisfait à l'obligation que la loi lui fait de compenser intégralement le salaire afférent aux vacances. Elles constitueraient le moyen pour les parties de se soustraire à l'application d'une règle édictée dans l'intérêt public, qui impose des vacances payées d'une durée minimum.
En l'espèce, les parties sont convenues d'un salaire global et forfaitaire de 7 fr. par perche, sans fixer lors du contrat et de leurs décomptes périodiques la part afférente aux vacances. Faute d'une telle précision, cet accord n'a pu priver le demandeur ni de son droit à des vacances, ni de ses créances en paiement du salaire qui s'y rapportait. En vertu de l'
art. 341 al. 1 CO
, le demandeur peut exercer ses prétentions sans égard aux quittances qu'il a pu délivrer. Il n'existe au demeurant pas d'éléments suffisant en l'espèce pour affirmer que, ce faisant, il commettrait un abus de droit manifeste.
b) Les vacances doivent être prises pendant l'année de service à laquelle elles correspondent, au plus tard au cours de l'année suivante (
art. 329c al. 1 CO
, repris de l'ancien art. 341bis al. 3). Le droit aux vacances se périme si le travailleur ne l'exerce pas durant cette période (
ATF 101 II 286
consid. 5b). Or, en l'espèce, le demandeur ne prétend
BGE 107 II 430 S. 435
pas avoir utilisé ou demandé à utiliser en nature son droit aux vacances avant la fin 1980. Ce droit est dès lors caduc pour les années 1975 à 1979. Il subsiste en revanche pour 1980 et se transforme en une indemnité en argent puisqu'il ne peut plus être exercé en nature après la fin des rapports de travail (
ATF 101 II 285
s. consid. 5a).
La durée légale des vacances est de trois semaines dans le canton de Genève (art. 1er al. 1 de la loi du 3 décembre 1971 sur les vacances annuelles payées obligatoires). Le demandeur a dès lors droit à une indemnité équivalente au salaire de trois semaines pour l'année 1980, soit, en pratique, à 6% du salaire reçu durant cette période. Les constatations de l'arrêt attaqué ne permettent pas à la Cour de céans de faire ce calcul, qui incombera à l'autorité cantonale après annulation et renvoi selon l'
art. 64 OJ
.
4.
Les parties sont convenues d'un salaire brut dont devaient être déduites les cotisations d'assurances sociales dans leur totalité, celles du travailleur et celles incombant légalement à l'employeur. Le demandeur conteste la validité d'une telle clause. Il réclame paiement des sommes représentant la part du défendeur, retenues sans droit sur les versements périodiques de salaire.
Les articles 12 et 13 LAVS imposent à l'employeur le paiement de cotisations égales à celles que l'art. 5 met à la charge du travailleur. Les articles 2 et 3 LAI, l'
art. 27 LAPG
et les articles 1er à 4 de l'arrêté fédéral du 8 octobre 1976 instituant l'assurance-chômage obligatoire renvoient à ces dispositions et instituent un système analogue. L'obligation pour l'employeur de supporter la moitié des cotisations d'assurance-vieillesse, d'assurance-invalidité et d'assurance-chômage découle d'ailleurs d'une règle d'ordre constitutionnel. Elle est expressément prévue aux art. 34quater al. 2 lettre a et 34 novies al. 4 Cst. Elle a son fondement dans l'intérêt public et repose sur des considérations d'ordre social.
Dans le domaine également de la prévoyance professionnelle privée, la constitution fédérale met à la charge des employeurs la moitié des primes ou cotisations (
art. 34quater al. 3 lettre a Cst
). Ce principe est repris dans le code des obligations, à l'art. 331 al. 3. Or cet article est impératif, ce qui signifie que l'employeur ne peut se libérer de ses obligations par accord avec le travailleur (
art. 361 CO
). Une convention dérogeant au système de la parité, au détriment du travailleur, apparaît encore moins admissible dans le domaine de la prévoyance publique. On peut donc affirmer qu'ont un caractère impératif toutes les dispositions qui obligent l'employeur à contribuer dans une mesure déterminée à la
BGE 107 II 430 S. 436
prévoyance sociale des travailleurs. Elles tendent en effet à garantir à l'employé des avantages sociaux auxquels il ne saurait renoncer. Elles manqueraient leur but si les parties pouvaient y déroger, surtout dans les périodes où les difficultés de la conjoncture économique appellent une protection accrue des salariés. De plus, le législateur a largement fondé le système des assurances sociales sur le principe de la parité, qui apparaît dès lors comme un instrument de politique générale. Les parties ne sauraient se soustraire par convention à l'application de règles légales établies dans l'intérêt public.
Sont illicites et donc nulles les clauses d'un contrat de travail qui permettent à l'employeur d'imputer sur le salaire brut convenu les cotisations sociales de droit public lui incombant légalement, en plus de celles que le travailleur supporte de par la loi. Les retenues faites à ce titre sur le salaire à verser n'ont aucun fondement juridique. L'employé conserve dès lors une créance de salaire égale au montant des cotisations patronales que son employeur a retenues sans droit. Une convention prévoyant l'imputation sur le salaire brut de l'ensemble des cotisations d'assurances sociales ne saurait être admise que dans des circonstances exceptionnelles non réalisées en l'espèce, lorsque les parties n'entendent en réalité pas déroger au système de la parité; tel pourrait être le cas d'une rémunération fixée en un pourcentage d'un chiffre d'affaires ou d'un bénéfice, si les parties ont compensé l'imputation de l'ensemble des charges sociales en fixant délibérément un taux plus élevé (arrêt du 13 octobre 1981 dans la cause Harrasser c. Lundqvist).
Le défendeur devra verser, à titre de salaire, la part qui lui incombait légalement sur les cotisations qu'il a retenues pour l'assurance-vieillesse, l'assurance-invalidité, l'assurance-chômage et pour la couverture des allocations pour pertes de gain. Les constatations de l'arrêt attaqué ne permettent pas à la Cour de céans de calculer ce montant. Il appartiendra à l'autorité cantonale de le faire.
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral:
Admet partiellement le recours, annule l'arrêt rendu le 9 mai 1981 par la Chambre d'appel des prud'hommes du canton de Genève et renvoie la cause à l'autorité cantonale pour nouvelle décision dans le sens des considérants. | public_law | nan | fr | 1,981 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
c32c670b-bbc9-46f1-b29a-5bb9f421cc3b | Urteilskopf
106 IV 131
41. Urteil des Kassationshofes vom 6. Mai 1980 i.S. Dr. W. gegen Dr. G.(Nichtigkeitsbeschwerde) | Regeste
Art. 321 StGB
; Art. 71 und 72 der Verordnung über die Invalidenversicherung.
Fall eines von einer IV-Kommission mit der Untersuchung eines Versicherten beauftragten Arztes, der ein an ihn gerichtetes Schreiben, in dem der Versicherte die Untersuchung ablehnt und seine Krankheitsgeschichte kurz zusammenfasst, an die IV-Kommission weiterleitet. Verletzung des Arztgeheimnisses verneint. | Sachverhalt
ab Seite 131
BGE 106 IV 131 S. 131
A.-
Im Auftrag der IV-Kommission des Kantons Tessin lud die MEDAS Medizinische Abklärungsstelle des Bürgerspitals Basel (Chefarzt Dr. G.) Dr. W. mit Schreiben vom 31. Mai 1979 auf den 2. Juli 1979 zu einer ärztlichen Begutachtung ein, die voraussichtlich mindestens eine Woche dauern sollte; eine Kopie dieses Schreibens sandte die MEDAS an die IV-Kommission des Kantons Tessin. In seinem an Dr. G. adressierten Antwortschreiben vom 5. Juni 1979 äusserte Dr. W. seine Zweifel über die Zweckmässigkeit und den Sinn einer solchen für ihn mühsamen Untersuchung in Basel. Daher stellte er in seinem Brief drei Fragen, deren Beantwortung ihm Klarheit über den Tätigkeitsbereich der MEDAS und die fachlichen Kenntnisse der dort beschäftigten Ärzte in Lungenkrankheiten (insbesondere Tuberkulose) verschaffen sollte. Dr. G. antwortete am 6. Juni 1979, Dr. W. müsse sich an die IV-Kommission des Kantons Tessin wenden; die MEDAS hätte von dieser Stelle lediglich einen Auftrag zur medizinischen Abklärung erhalten; eine Kopie dieses Schreibens sandte Dr. G. an die IV-Kommission
BGE 106 IV 131 S. 132
des Kantons Tessin. Einem an ihn gerichteten Schreiben der IV-Kommission des Kantons Tessin vom 20. Juni 1979 konnte Dr. W. entnehmen, dass sein Brief vom 5. Juni 1979 an Dr. G. von diesem an die IV-Kommission weitergeleitet worden war.
Am 20. August 1979 erstattete Dr. W. Strafanzeige und stellte - sinngemäss - Strafantrag gegen Dr. G. wegen Verletzung des Arztgeheimnisses (
Art. 321 StGB
).
B.-
Mit Beschluss vom 28. August 1979 stellte die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt das Strafverfahren wegen Fehlens des Tatbestandes ein. Die Überweisungsbehörde des Kantons Basel-Stadt wies am 12. Februar 1980 den Rekurs des Dr. W. ab und bestätigte den angefochtenen Einstellungsbeschluss.
C.-
Mit eidgenössischer Nichtigkeitsbeschwerde beantragt Dr. W., der Beschluss der Überweisungsbehörde sei aufzuheben und es sei zu erkennen, dass der angezeigte Sachverhalt den Tatbestand der Verletzung des Arztgeheimnisses (
Art. 321 StGB
) erfülle.
Erwägungen
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Ärzte, die ein Geheimnis offenbaren, das ihnen infolge ihres Berufes anvertraut worden ist, oder das sie in dessen Ausübung wahrgenommen haben, werden, auf Antrag, mit Gefängnis oder mit Busse bestraft (
Art. 321 StGB
).
Zu prüfen ist, ob Dr. G. mit der Weiterleitung des an ihn gerichteten Antwortschreibens des Dr. W. vom 5. Juni 1979 an die IV-Kommission des Kantons Tessin seine ärztliche Geheimhaltungspflicht verletzt habe.
2.
Die im Schreiben des Beschwerdeführers geäusserten Zweifel über die Zweckmässigkeit einer medizinischen Abklärung durch die MEDAS in Basel und die in diesem Zusammenhang aufgeworfenen Fragen fallen offensichtlich nicht unter diese Bestimmung. Sie wurden Dr. G. nicht infolge seines Berufes als Arzt anvertraut, sondern richteten sich an Dr. G. als die für die Einladung nach Basel zuständige Person. Diese Äusserungen des Beschwerdeführers erfolgten nicht im Rahmen der zwischen Arzt und Patient bestehenden besonderen Beziehungen, sondern sie hatten lediglich den Zweck, die (vorläufige) Ablehnung der Einladung zu begründen.
3.
In seinem Brief fasste Dr. W. auch seine Krankheitsgeschichte kurz zusammen. Diese Mitteilungen waren wohl an
BGE 106 IV 131 S. 133
Dr. G. als Arzt gerichtet. Dennoch hat Dr. G. mit ihrer Weitergabe an die zuständige IV-Kommission seine berufliche Geheimhaltungspflicht nicht verletzt. Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz war die IV-Kommission des Kantons Tessin seit Jahren über den Gesundheitszustand des Dr. W. im Bilde. Zudem hatte der Beschwerdeführer dieser Kommission gegenüber, in deren Auftrag Dr. G. auftrat, kein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse; nach Art. 71 Abs. 1 der Verordnung über die Invalidenversicherung vom 17. Januar 1961 (IVV; SR 831.201) ist der Versicherte verpflichtet, über die für die Anspruchsberechtigung und die Festsetzung der Leistung massgebenden Verhältnisse wahrheitsgetreu und unentgeltlich Auskunft zu geben, und nach
Art. 72 Abs. 1 IVV
ist die zuständige IV-Kommission befugt, über den Gesundheitszustand und die Arbeitsfähigkeit des Versicherten sowie über die Zweckmässigkeit bestimmter Eingliederungsmassnahmen ärztliche Gutachten einzuholen. Schliesslich fehlte es dem Beschwerdeführer insoweit auch am Geheimhaltungswillen, führte er in seinem mehrfach erwähnten Schreiben doch wörtlich aus:
"Im übrigen habe ich nicht zum ersten Mal den Eindruck, dass die IVK
Tessin nicht weiss, wie es um meinen Gesundheitszustand bestellt ist.
Um hierüber Klarheit zu gewinnen, ist es allerdings nicht erforderlich,
mir eine Fahrt nach Basel zuzumuten."
4.
Angesichts all dessen kann keine Rede davon sein, dass Dr. G. mit der Weitergabe des Schreibens des Beschwerdeführers an die IV-Kommission des Kantons Tessin das Berufsgeheimnis verletzt habe. Er war im Gegenteil zu diesem Schritt gehalten; denn nach
Art. 72 Abs. 3 IVV
kann die IV-Kommission über Leistungen auf Grund der Akten beschliessen, wenn der Versicherte der zu seiner Begutachtung notwendigen Einweisung in eine Krankenanstalt "ohne genügende Entschuldigung" keine Folge leistet. Ob aber die vom Beschwerdeführer vorgetragenen Entschuldigungsgründe genügten, konnte die Kommission nur in Kenntnis des genauen Inhalts seines Schreibens entscheiden.
5.
Ob Dr. G. als gemäss
Art. 72 IVV
Beauftragtem der IV-Kommission die Stellung eines Beamten im Sinne von
Art. 110 Ziff. 4 StGB
zukam und sein Verhalten daher allenfalls nach
Art. 320 StGB
(Verletzung des Amtsgeheimnisses) hätte beurteilt werden sollen (was von keiner Seite geltend gemacht wurde),
BGE 106 IV 131 S. 134
hier nicht untersucht zu werden. Da die Verletzung des Amtsgeheimnisses ein Offizialdelikt ist, könnte es bezüglich dieses Straftatbestandes keinen zur Nichtigkeitsbeschwerde legitimierten Strafantragsteller geben.
Dispositiv
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. | null | nan | de | 1,980 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
c32e42ad-3e9a-49fb-99e8-c15cd4500067 | Urteilskopf
114 V 266
49. Urteil vom 3. November 1988 i.S. T. gegen Schweizerische Krankenkasse Helvetia und Versicherungsgericht des Kantons Bern | Regeste
Art. 12 Abs. 2 Ziff. 1 lit. a KUVG, Art. 21 Abs. 1 Vo III: Pflichtleistungen der Krankenkassen.
- Die Diät-/Diabetesberatung ist Bestandteil der ärztlichen Diabetestherapie und füllt daher unter den Begriff der wissenschaftlich anerkannten therapeutischen Massnahmen (Erw. 1).
- Die ambulante Behandlung, die auf Anordnung eines Belegarztes unter dessen Aufsicht oder unter derjenigen eines verantwortlichen Spitalarztes in einer Heilanstalt durch das dort angestellte unselbständige medizinische Hilfspersonal ausgeführt wird, ist der ärztlichen Behandlung zuzurechnen und gehört daher zu den Pflichtleistungen der Krankenkassen (Erw. 2). | Sachverhalt
ab Seite 267
BGE 114 V 266 S. 267
A.-
Annelies T. ist bei der Schweizerischen Krankenkasse Helvetia u.a. für Krankenpflege versichert. Anfangs 1986 begab sie sich wegen akuter Zuckerkrankheit in die Behandlung des Dr. T., Spezialarzt für Stoffwechselkrankheiten und Professor für Diabetologie an der Universität Bern. Dieser verordnete ihr Insulinbehandlung und wies sie zur ausführlichen Diät-/Diabetesberatung der Ernährungsberatung des Lindenhofspitals zu. Dieses stellte ihr am 6. August 1986 Rechnung in der Höhe von Fr. 114.70.
Mit Verfügung vom 10. Dezember 1986 weigerte sich die Kasse, an die Diät-/Diabetesberatung Leistungen zu erbringen, weil diese durch Schwestern oder sogenannte Diätassistentinnen erfolge, die keine medizinischen Hilfspersonen im Sinne des Gesetzes seien. Zudem könnten solche Beratungen auch nicht als Krankheitsbehandlung gelten.
B.-
Die gegen diese Verfügung erhobene Beschwerde der Annelies T. wurde am 12. Mai 1987 vom Versicherungsgericht des Kantons Bern abgewiesen mit der Begründung: Da die Ernährungsberaterin in keinem Anstellungsverhältnis zu Prof. T. stehe und von diesem auch nicht beaufsichtigt werde, sei sie keine unselbständige medizinische Hilfsperson, deren Tätigkeit im Sinne von Art. 12 Abs. 2 Ziff. 1 lit. a KUVG der ärztlichen Behandlung des Prof. T. zugerechnet werden könnte. Und weil die Ernährungsberaterin nicht in der bundesrätlichen Verordnung VI betreffend die Zulassung von medizinischen Hilfspersonen zur Betätigung für die Krankenversicherung aufgeführt sei und im vorliegenden Fall zudem ihren Beruf nicht auf eigene Rechnung, sondern im Dienste des Lindenhofspitals ausübe, gehöre sie auch nicht zu den in
BGE 114 V 266 S. 268
Art. 12 Abs. 2 Ziff. 1 lit. b KUVG erwähnten selbständigen medizinischen Hilfspersonen, deren Tätigkeit grundsätzlich ebenfalls zu den Pflichtleistungen der Krankenkassen gehören.
C.-
Annelies T. erhebt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, die Kasse sei zu verpflichten, die Kosten der Diät-/ Diabetesberatung gemäss Rechnung vom 6. August 1986 zu übernehmen.
Die Kasse beantragt die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Zur Begründung wird im wesentlichen vorgebracht: Selbst wenn die Diabetesberatung als wissenschaftlich anerkannte Heilanwendung gelten würde, wäre die Leistungspflicht der Kasse trotzdem zu verneinen, weil die Diätassistentinnen die in der bereits erwähnten Verordnung VI aufgestellten Anforderungen für die Zulassung als selbständige medizinische Hilfspersonen nicht erfüllten. Als unselbständige Hilfspersonen könnten die Diätberaterinnen des Lindenhofspitals deshalb nicht behandelt werden, weil sie ihre Tätigkeit nicht unter der direkten Kontrolle des Prof. T. ausübten und dieser nicht in persönlichen Kontakt zum Patienten trete.
In seiner ersten Vernehmlassung vom 14. Oktober 1987 zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde hat das Bundesamt für Sozialversicherung darauf hingewiesen, dass die Diabetikerberatung nach der an der Sitzung vom 27. August 1987 der Eidgenössischen Fachkommission für allgemeine Leistungen der Krankenversicherung vertretenen Auffassung als Teil der ärztlichen Diabetesbehandlung zu betrachten sei, wobei die Wissenschaftlichkeit als gegeben vorausgesetzt werde. Bezüglich der Frage, ob die Ernährungsberaterinnen selbständige medizinische Hilfspersonen seien bzw. ob im vorliegenden Fall von einer der ärztlichen Tätigkeit zuzurechnenden Hilfsfunktion unselbständiger medizinischer Hilfspersonen gesprochen werden könne, teilte das Bundesamt jedoch die Auffassung des kantonalen Richters mit dem Ergebnis, dass es die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragte.
Nach Abschluss des ersten Schriftenwechsels hat Prof. T. dem Eidg. Versicherungsgericht ein Schreiben des Bundesamtes an die Schweizerische Diabetesgesellschaft vom 22. Oktober 1986 unterbreitet. Gestützt darauf gab das Gericht dem Bundesamt erneut Gelegenheit, sich zum Problem der Anerkennung der Diabetikerberatung als Pflichtleistung der Krankenkassen zu äussern. Auf seine Stellungnahme vom 23. März 1988, mit welcher das Bundesamt
BGE 114 V 266 S. 269
auf seinen ursprünglich gestellten Abweisungsantrag verzichtet, wird in den rechtlichen Erwägungen zurückzukommen sein.
Die Kasse weist mit Schreiben vom 20. April 1988 darauf hin, dass die Eidgenössische Fachkommission am 27. August 1987 den Krankenkassen lediglich empfohlen habe, für die Diabetikerinstruktion Leistungen zu erbringen. Diese sei nach wie vor keine gesetzliche Pflichtleistung, weshalb sie an ihrem Antrag auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde festhalte.
Erwägungen
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Nach
Art. 12 Abs. 2 Ziff. 1 KUVG
haben die Leistungen der Krankenkassen bei ambulanter Behandlung mindestens die ärztliche Behandlung (lit. a) und die von einem Arzt angeordneten, durch medizinische Hilfspersonen vorgenommenen, wissenschaftlich anerkannten Heilanwendungen (lit. b) zu umfassen. Die zur gesetzlichen Pflichtleistung gehörende ärztliche Behandlung umfasst gemäss Art. 21 Abs. 1 Vo III über die Krankenversicherung betreffend die Leistungen der vom Bund anerkannten Krankenkassen die vom Arzt vorgenommenen, wissenschaftlich anerkannten diagnostischen und therapeutischen Massnahmen. Ist eine therapeutische oder diagnostische Massnahme wissenschaftlich umstritten, so entscheidet das Eidgenössische Departement des Innern nach Anhören der vom Bundesrat bestellten Fachkommission (Art. 26 Vo III), ob sie als Pflichtleistung zu übernehmen ist (Art. 21 Abs. 2 Vo III).
In ihrem ersten leistungsverweigernden Schreiben an die Beschwerdeführerin vom 9. September 1986 berief sich die Kasse darauf, dass es sich bei der Diät-/Diabetesberatung nicht um eine wissenschaftlich anerkannte Heilmethode handle, eine Begründung, die sie im Entscheid vom 6. November 1986 und in der Verfügung vom 10. Dezember 1986 nicht mehr aufrechterhielt. Hingegen scheint sie in ihrer Antwort auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde erneut darauf zurückzukommen, wenn sie ausführt: "Auch wenn man vom Vorliegen einer wissenschaftlich anerkannten Heilanwendung ausgehen müsste", erfülle die Ernährungsberaterin die in der Verordnung VI vorgesehenen Anforderungen nicht. Der kantonale Richter seinerseits hat die Frage, ob es sich um eine wissenschaftlich anerkannte Heilmethode handle, offengelassen.
BGE 114 V 266 S. 270
In der bundesamtlichen Vernehmlassung vom 14. Oktober 1987 wird dargelegt, dass die Beratung und Instruktion der Diabetiker nicht als eine selbständige Heilbehandlungsmethode, sondern als Teil der ärztlichen Diabetesbehandlung zu betrachten sei. Die Wissenschaftlichkeit werde von der Eidgenössischen Fachkommission für allgemeine Leistungen der Krankenversicherung als gegeben vorausgesetzt. Das Bundesamt verweist auf das Protokoll der Sitzung der Fachkommission vom 27. August 1987, aus dem mit aller Deutlichkeit hervorgeht, dass die Kommission die Diabetikerberatung als unerlässlichen Bestandteil der Diabetestherapie betrachtet, deren Wissenschaftlichkeit von keiner Seite bestritten wird. Diese Beratung, die fraglos auch zweckmässig und wirtschaftlich ist, gehört daher zu den Pflichtleistungen der Krankenkasse.
2.
Eine andere Frage ist es, ob die Kasse im vorliegenden Fall trotzdem die Übernahme der Diät-/Diabetesberatung verweigern durfte mit der Begründung, die Diabetesberaterin des Lindenhofspitals verrichte ihre Tätigkeit nicht unter direkter ärztlicher Aufsicht. Die Kasse beruft sich auf die Rechtsprechung zu Art. 12 Abs. 2 Ziff. 1 lit. a KUVG, wonach unter den Begriff der hier als Pflichtleistung aufgeführten ärztlichen Behandlung nur Massnahmen fallen würden, die unter direkter Kontrolle des Arztes durch das beim Arzt angestellte unselbständige medizinische Hilfspersonal vorgenommen werden und bei deren Durchführung der Arzt in persönlichen Kontakt zum Patienten trete. Die Aufsichtstätigkeit des Prof. T. entspreche diesen Anforderungen nicht.
a) Nach der Rechtsprechung fallen unter den Begriff der ärztlichen Behandlung gemäss Art. 12 Abs. 2 Ziff. 1 lit. a KUVG in gewissen Grenzen auch solche Massnahmen, die durch das beim Arzt angestellte unselbständige medizinische Hilfspersonal vorgenommen werden. Voraussetzung ist allerdings - wie die Kasse zutreffend bemerkt -, dass diese Massnahmen unter der direkten Kontrolle des Arztes verrichtet werden und dass dieser bei der Durchführung in persönlichen Kontakt zum Patienten tritt. Das Eidg. Versicherungsgericht hat aber auch darauf hingewiesen, dass diese persönliche Kontaktaufnahme im Zusammenhang mit der Aufsichtspflicht des Arztes zu prüfen ist. Dieser hat die therapeutischen Verrichtungen seiner Hilfsperson zu beaufsichtigen, weil die Gewähr bestehen soll, dass er nötigenfalls unverzüglich eingreifen oder auf eine angeordnete Massnahme zurückkommen kann. Das Gericht hat aber ausdrücklich entschieden, vom Arzt könne vernünftigerweise
BGE 114 V 266 S. 271
nicht als Regel verlangt werden, dass er den Ablauf der übertragenen Therapie in jedem Fall mit eigenen Augen dauernd überwache und unmittelbar mitverfolge. Der Arzt habe nach medizinischen und berufsethischen Gesichtspunkten zu entscheiden, wie intensiv Überwachung und Kontrolle gestaltet werden müssen (
BGE 110 V 191
,
BGE 107 V 52
und
BGE 100 V 4
Erw. 2a).
b) Der Versicherte kann nach
Art. 15 Abs. 1 KUVG
unter den an seinem Aufenthaltsort oder in dessen Umgebung praktizierenden Ärzten frei wählen, und gemäss
Art. 19bis Abs. 1 KUVG
steht ihm auch die Wahl unter den inländischen Heilanstalten frei. Nach der Rechtsprechung hat dieses gesetzlich verankerte Prinzip der freien Arzt- und Spitalwahl sinngemäss auch für die Wahl des Ambulatoriums einer Heilanstalt seine Gültigkeit (RKUV 1985 Nr. K 620 S. 78). Dem Bundesamt ist darin beizupflichten, dass das Recht auf freie Arztwahl auch dann zu gelten hat, wenn der vom Versicherten gewählte Vertragsarzt durch einen Belegarztvertrag mit einer Heilanstalt verbunden ist und damit allenfalls einen Teil seiner ambulanten Behandlung unter seiner eigenen Aufsicht oder unter derjenigen eines verantwortlichen Spitalarztes durch das am Spital angestellte unselbständige medizinische Hilfspersonal ausführen lässt. Die gegenteilige Auffassung der Kasse würde zu einer unzulässigen Beschränkung des gesetzlich und durch die Praxis garantierten Rechts auf freie Wahl des Arztes und des Ambulatoriums führen.
c) Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass der auf Diabetologie spezialisierte Prof. T. als Belegarzt mit dem Lindenhofspital verbunden und überdies für alle Diabetesbelange in dieser Heilanstalt verantwortlich ist. Wie das Bundesamt mit Recht bemerkt, liegt es auf der Hand, dass er unter diesen Umständen keine eigene Diabetesberaterin in seiner Privatpraxis beschäftigt. Es wäre willkürlich, die Beschwerdeführerin deswegen krankenversicherungsrechtlich anders zu behandeln als die Patientin eines Spezialarztes, dem keine entsprechende Spitalinfrastruktur zur Verfügung steht.
Unerheblich ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass das Lindenhofspital der Beschwerdeführerin für die Diät-/Diabetesberatung direkt Rechnung gestellt hat, denn es gibt - wie das Bundesamt bemerkt - verschiedene Belegärzte, die für ihre Behandlung im Lindenhofspital durch dieses direkt Rechnung stellen lassen und dies gerade auch deshalb, weil sie die Möglichkeit haben, die dortige Infrastruktur zu benützen.
BGE 114 V 266 S. 272
Aus dem Gesagten ergibt sich, dass die Diät-/Diabetesberatung der Beschwerdeführerin im Lindenhofspital der ärztlichen Behandlung im Sinne von Art. 12 Abs. 2 Ziff. 1 lit. a KUVG zuzurechnen ist, an welche die Kasse ihre gesetzlichen und statutarischen Leistungen zu erbringen hat.
Dispositiv
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Bern vom 12. Mai 1987 sowie die Kassenverfügung vom 10. Dezember 1986 aufgehoben, und es wird die Schweizerische Krankenkasse Helvetia verpflichtet, an die Diät-/Diabetesberatung laut Rechnung des Lindenhofspitals vom 6. August 1986 die gesetzlichen und statutarischen Leistungen zu erbringen. | null | nan | de | 1,988 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
c32ec938-387e-4a06-bfa6-230fa4e38efd | Urteilskopf
115 II 251
42. Extrait de l'arrêt de la Ire Cour civile du 10 juillet 1989 dans la cause dame D. contre M. (recours en réforme) | Regeste
Bestimmung eines Gesamtarbeitsvertrages zum Schutze der Arbeitnehmer. Verletzung derselben durch den Arbeitgeber.
1. Rechtsgrundlage der Verurteilung des Arbeitgebers zur Zahlung von Schadenersatz (E. 4a).
2. Tragweite einer Bestimmung, die dem Arbeitgeber vorschreibt, seine Arbeitnehmer darauf aufmerksam zu machen, dass sie sich gemäss Gesamtarbeitsvertrag für die Kosten der ärztlichen Behandlung, der Medikamente und des Spitalaufenthaltes versichern lassen müssen (E. 3). Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Bestimmung (E. 4b). | Sachverhalt
ab Seite 252
BGE 115 II 251 S. 252
A.-
Arrivée en Suisse au mois de septembre 1985, dame D. a été engagée, le 12 mai 1986, comme serveuse par M., qui tient un établissement public.
Le 13 août 1986, à la suite d'une thrombose, dame D. a été hospitalisée d'urgence à Sion. Les frais occasionnés par cette hospitalisation, qui a duré jusqu'au 20 septembre 1986, et le traitement ambulatoire subséquent se sont élevés à 10'572 francs; ils ont fait l'objet de deux factures qui ont été adressées à l'intéressée.
Les rapports de travail ont pris fin le 30 novembre 1986.
B.-
Le 15 octobre 1987, dame D. a assigné M. en paiement des factures susvisées. Le défendeur a conclu au déboutement de la demanderesse.
Par jugement des 14 février et 16 mars 1989, le Tribunal cantonal du canton du Valais a condamné le défendeur à verser à la demanderesse la somme de 10'572 francs, plus intérêts.
C.-
Parallèlement à un recours de droit public, qui a été rejeté, M. interjette un recours en réforme au Tribunal fédéral en concluant derechef à sa libération des fins de la demande.
Le Tribunal fédéral rejette le recours, dans la mesure où il est recevable, et confirme l'arrêt attaqué.
Erwägungen
Extrait des considérants:
3.
Le défendeur admet que la Convention collective nationale de travail pour les hôtels, restaurants et cafés du 22 décembre 1983 (CCNT) lui est applicable, partant qu'il était tenu, en vertu de l'art. 43 al. 2 de ladite convention, d'attirer l'attention de son employée sur l'obligation qu'elle avait de s'assurer pour les frais médicaux, pharmaceutiques et d'hospitalisation. Contrairement à ce qu'il soutient, le seul fait de demander à son employée si elle était au bénéfice d'une assurance-maladie n'était nullement suffisant à cet égard. Le défendeur ne pouvait se borner à prendre acte de la réponse négative que la demanderesse lui avait faite; il devait bien plutôt inciter cette dernière à s'assurer ou, sinon, conclure une assurance en sa faveur, comme il l'avait fait pour une autre employée.
BGE 115 II 251 S. 253
C'est le lieu d'observer que la cour cantonale n'a pas méconnu le but de la clause normative précitée. Celle-ci tend, notamment, à éviter que le travailleur puisse croire que, dès son entrée en fonctions, il est automatiquement couvert par une assurance étatisée dont les primes seront déduites de son salaire. Or, le risque d'une telle méprise n'est pas négligeable pour le travailleur étranger qui n'a pas encore eu l'occasion de se familiariser avec le système suisse d'assurances sociales, et singulièrement pour un ressortissant portugais qui est obligatoirement assujetti au régime général de la sécurité sociale de son pays et bénéficie par là même de prestations en cas de maladie (voir, sur ce point, les art. 18 ss de la loi No 28 du 14 août 1984 sur la sécurité sociale, dont le texte a été publié en traduction française par le Bureau international du Travail in: Série législative 3/1985, p. 203 ss). On en veut pour preuve le passage suivant du commentaire de la CCNT, édité par l'Office de contrôle de la CCNT, à Bâle: "En ce qui concerne les travailleurs étrangers, l'employeur doit faire en sorte que l'assurance soit conclue" (p. 119, ch. 1). Ainsi, du moment que les milieux intéressés sont les premiers à reconnaître l'existence d'un risque accru pour cette catégorie de travailleurs, le défendeur est malvenu à soutenir qu'il a rempli son devoir d'information envers la demanderesse en se contentant de lui poser la question de savoir si elle était déjà assurée contre les suites de la maladie.
Dans ces conditions, comme il n'est point établi que le défendeur ait attiré l'attention de la demanderesse sur son obligation de s'assurer, la cour cantonale lui a imputé à juste titre une violation de l'art. 43 al. 2 CCNT.
4.
Le défendeur fait encore valoir que l'art. 43 CCNT ne permet pas de condamner l'employeur à payer des frais d'hospitalisation, même si celui-ci n'a pas satisfait à son devoir d'information. A l'en croire, la mise à sa charge de ces frais ne reposerait dès lors sur aucune base légale. Il n'en est rien.
a) La convention collective de travail sert en premier lieu à protéger la partie économiquement la plus faible (
ATF 113 II 44
consid. 4c) - c'est-à-dire le travailleur - en lui conférant des garanties minimales et en imposant à l'autre partie un minimum d'obligations (VISCHER, Le contrat de travail [traduction française], in: Traité de droit privé suisse, vol. VII, t. I, 2, p. 210). Ses clauses normatives ont un effet direct et impératif envers les employeurs et travailleurs qu'elles lient; il ne peut y être dérogé qu'en faveur des travailleurs (
art. 357 CO
). Par conséquent, la
BGE 115 II 251 S. 254
logique veut qu'on les assimile à celles du contrat individuel de travail, s'agissant de rechercher quels sont les effets de l'inexécution des obligations qu'elles incluent. Il suit de là que les clauses normatives d'une convention collective de travail entrent, elles aussi, dans les prévisions de l'
art. 97 CO
. Dès lors, bien que lesdites clauses aient d'une certaine manière la portée de prescriptions légales (VISCHER, op.cit., p. 208 in fine), la règle générale du code des obligations suffit à en assurer le respect, partant à fonder la responsabilité du débiteur qui ne les exécuterait pas. Dans la mesure où il entend faire dépendre cette responsabilité de l'existence d'une "base légale" expresse, le défendeur ne saurait donc être suivi. Aussi doit-il répondre en l'espèce de sa négligence, quand bien même l'art. 43 al. 2 CCNT n'indique pas comment doit être sanctionné, du point de vue du droit civil, l'employeur qui manque à son devoir d'information.
b) La doctrine et la jurisprudence envisagent principalement l'hypothèse dans laquelle l'employeur, qui s'est engagé à mettre son employé au bénéfice d'une assurance individuelle ou collective contre la maladie, omet de conclure les contrats nécessaires. Elles sont d'avis que la réparation due de ce chef couvre l'intérêt que l'employé avait à l'existence d'une assurance conforme aux termes du contrat de travail, et correspond donc aux prestations qu'il aurait reçues de la compagnie pour la réalisation du risque considéré (arrêt non publié du 2 mars 1982, en la cause Wyss c. Pibiri, reproduit in SJ 1982, p. 572 ss et repris par AUBERT, Quatre cents arrêts sur le contrat de travail, p. 193/194, No 335; arrêt non publié du 6 juillet 1982, en la cause Da Silva c. Godio, également repris par AUBERT, op.cit., p. 73/74, No 115; pour de nombreuses autres références, cf. DUC, Quelques aspects de la responsabilité de l'employeur qui n'a pas assuré un collaborateur contre la maladie, en violation de l'obligation qui lui incombait, in: Mélanges Guy Flattet, p. 201/202). Telle est d'ailleurs la sanction prévue expressément à l'art. 45 ch. 8 CCNT: l'employeur qui néglige de conclure une assurance indemnité journalière doit fournir les mêmes prestations que l'assurance (cf. commentaire de la CCNT, p. 125, ch. 6).
Que l'employeur omette d'assurer son employé, alors qu'il s'était engagé à le faire, ou qu'il n'attire pas l'attention de celui-ci sur son obligation de s'assurer lui-même, le résultat ne change pas: s'il tombe malade, le travailleur devra supporter seul les frais médico-pharmaceutiques et, le cas échéant, les frais d'hospitalisation.
BGE 115 II 251 S. 255
Sous l'angle de la réparation, il se justifie donc d'assimiler la seconde hypothèse à la première. C'est du reste ce que fait le commentaire de la CCNT en ces termes: "Au cas où cette assurance n'aurait pas été conclue, l'employeur pourrait être contraint de payer les frais de traitement médical s'il n'est pas à même de prouver qu'il a signalé cette obligation à ses travailleurs" (p. 119 ch. 1).
c) Au vu de ce qui précède, le Tribunal cantonal était fondé à condamner le défendeur à payer à la demanderesse le montant des frais d'hospitalisation qui eussent été pris en charge par une caisse-maladie, si l'employée, consciente de la nécessité de le faire, s'y fût affiliée sur les conseils de son employeur. | public_law | nan | fr | 1,989 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
c3384a54-1f8d-48b7-b26e-a6b560f6840a | Urteilskopf
86 I 51
10. Extrait de l'arrêt du 19 février 1960 dans la cause Acora SA contre Commission genevoise de recours de l'impôt pour la défense nationale. | Regeste
Art. 49, 57 und 60 WStB.
Einschätzung der juristischen Person, welche die Angabe des Namens eines Gläubigers verweigert. | Sachverhalt
ab Seite 51
BGE 86 I 51 S. 51
A.-
Acora SA a été constituée à Genève, le 29 septembre 1956, avec un capital-actions de 50 000 fr., entièrement libéré. Dans le compte de pertes et profits, arrêté au 30 juin 1957 figurait une somme spécifiée comme paiement d'intérêts sur une dette. Invitée par l'autorité de taxation à communiquer le nom et l'adresse du créancier, ainsi que le taux des intérêts dus, Acora SA refusa de répondre sur le premier point, alléguant que ses bailleurs de fonds désiraient n'être pas nommés; elle affirma que l'intérêt convenu était de 4%.
L'imposition pour les VIIIe et IXe périodes fiscales (1955 et 1956, 1957 et 1958) eut lieu conformément à
BGE 86 I 51 S. 52
l'art. 58 al. 4 et 5 AIN; elle fut fondée sur le résultat du premier exercice reporté sur une année civile. Cependant, vu le refus de la contribuable d'indiquer le nom de son créancier, le fisc ajouta au bénéfice comptable le montant des intérêts passifs portés au compte de pertes et profits pour la dette anonyme. Mais il n'ajouta le principal de cette dette ni au capital qui sert à déterminer le taux de l'imposition, ni au capital soumis à l'impôt complémentaire.
Acora SA forma une réclamation non pas contre le calcul du bénéfice net, mais contre celui du capital qui sert à fixer le taux de l'imposition. Elle fut déboutée tant par l'autorité de taxation, le 12 juin 1958, que par la Commission genevoise de recours de l'impôt pour la défense nationale, le 2 juin 1959.
B.-
Contre cette dernière décision, Acora SA a formé un recours de droit administratif. Son argumentation se résume comme il suit:
La décision entreprise est conforme à la jurisprudence du Tribunal fédéral, notamment à l'arrêt S. I. Home de la Gare, du 27 novembre 1953, mais cette jurisprudence est en contradiction avec le texte légal. En effet, l'art. 57 al. 1, 2e phrase, AIN n'exclut du capital qui sert à fixer le taux de l'imposition que les réserves constituées au moyen de bénéfices non imposés et, contrairement à ce qu'admet le Tribunal fédéral, toute réserve qui ne provient pas d'un bénéfice doit être ajoutée à ce capital. En l'espèce, la réserve que forme le principal de la dette anonyme n'a pas été constituée au moyen d'un bénéfice. Cette dette a été créée le 17 octobre 1956 déjà, quinze jours après l'inscription d'Acora SA au registre du commerce. Elle a permis à la débitrice d'acquérir une créance contre une société française avec l'agrément de l'Office français des changes. Ce placement figure à l'actif du bilan. L'existence de la dette est ainsi prouvée. La genèse de l'art. 57 al. 1, 2e phrase, AIN montre qu'en introduisant cette disposition nouvelle dans le texte
BGE 86 I 51 S. 53
légal, en 1950, le législateur a simplement voulu empêcher que les contribuables qui constituent des réserves pour diminuer d'autant le bénéfice imposable puissent les ajouter au capital qui sert à fixer le taux de l'impôt. En revanche, il n'a nullement voulu exclure de ce capital les réserves qui n'ont pas été constituées au moyen de bénéfices. Le fisc genevois a donc refusé à tort d'ajouter le principal de la dette anonyme au montant des réserves que vise la première phrase de l'art. 57 al. 1 AIN.
C.-
La Commission genevoise de recours et l'Administration fédérale des contributions concluent au maintien de la jurisprudence instituée par l'arrêt Home de la Gare (précité).
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
Malgré la sommation que lui avait adressée l'autorité fiscale, la recourante n'a pas nommé les titulaires de la créance qui figure au passif de son bilan du 30 juin 1957. Elle ne prétend pas ignorer leur identité; elle déclare seulement qu'ils désirent rester inconnus. Dès lors, suivant la jurisprudence instituée par l'arrêt Home de la Gare (Archives, t. 23, p. 175 ss), les autorités genevoises ont, d'une part, augmenté le bénéfice imposable du montant porté en compte comme intérêts passifs et, d'autre part, refusé d'ajouter le principal de la dette anonyme au montant du capital qui sert à calculer le taux de l'impôt; elle n'en a pas non plus fait état dans le calcul du capital soumis à l'impôt complémentaire.
La recourante admet que les intérêts passifs de la dette anonyme ne peuvent être déduits dans le calcul du bénéfice imposable. Mais, dit-elle, cette solution implique que la dette est inexistante. Elle en conclut que le principal de cette dette apparaît comme une réserve, laquelle devrait être ajoutée au "capital proportionnel" conformément à l'art. 57 al. 1 AIN, nonobstant la dernière phrase de cette disposition légale.
Effectivement, dans son arrêt Home de la Gare, le
BGE 86 I 51 S. 54
Tribunal fédéral a dit que la dette anonyme doit être tenue pour inexistante et que, par conséquent, le principal d'une telle dette apparaît comme une réserve. Un nouvel examen de cette question appelle les précisions suivantes: La dette anonyme peut évidemment être fictive ou devenir telle, par exemple lorsque le créancier en a fait remise. Du point de vue comptable, si une dette inscrite au bilan est considérée comme inexistante, il y apparaît une réserve. Mais le refus de nommer les créanciers, à lui seul, ne permet pas de conclure que la dette n'existe pas en réalité. Toutefois, ce refus empêche le fisc d'en constater l'existence avec certitude et de s'assurer que le créancier la déclare avec les intérêts éventuels (art. 89 al. 2 AIN). Le fisc peut dès lors la tenir pour inexistante; cela ne signifie pas cependant qu'elle le soit dans la réalité.
Ainsi, du point de vue fiscal, la dette anonyme ne doit pas, en principe, être considérée comme une réserve. En effet, la réserve se définit comme ce qui reste de la fortune nette d'une société après déduction du capital social (Archives, t. 15, p. 365 ss). S'agissant d'une dette dont le caractère fictif n'est pas établi, il serait excessif de la compter comme un élément de la fortune sociale. Aussi bien, dans son arrêt Home de la Gare, le Tribunal fédéral avait-il déjà relevé qu'il s'agissait en tout cas d'une réserve de nature spéciale, car rien ne permettait d'admettre qu'elle ait été constituée au moyen de bénéfices d'exploitation, d'une réévaluation, d'une remise de dette, etc. Elle provenait, au contraire, exclusivement de ce que les créances anonymes devaient être tenues pour inexistantes en vertu de l'art. 89 al. 2 AIN.
La dette anonyme ne devant pas être considérée fiscalement comme une réserve, c'est-à-dire comme un élément de la fortune sociale, il n'y a pas lieu d'en tenir compte dans le calcul du capital qui sert à déterminer le taux de l'imposition, ni de la soumettre à l'impôt complémentaire. Cette solution n'a rien d'exorbitant. Si le fisc avait admis que la dette avait réellement cessé d'exister au
BGE 86 I 51 S. 55
cours de l'exercice, il aurait pu considérer la formation de cette réserve comme bénéfice imposable. Il ne l'a pas fait, car il n'est pas prouvé que la dette ait cessé d'exister. Comme il n'est pas non plus prouvé qu'elle existe, le fisc se borne à ne pas en tenir compte. Par le même motif, on ne saurait déduire les intérêts passifs du bénéfice imposable.
2.
......
Dispositiv
Par ces motifs, le Tribunal fédéral:
Rejette le recours. | public_law | nan | fr | 1,960 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
c33acfde-bfaf-4c44-9a9c-55db075f4eb0 | Urteilskopf
136 II 23
3. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour de droit public dans la cause X. et Y. SA contre Administration fédérale des contributions et Ministère public de la Confédération (recours en matière de droit public)
2C_909/2008 du 2 novembre 2009 | Regeste
Art. 112 DBG
;
Art. 105
bis
Abs. 2 BStP
;
Art. 28 Abs. 1 lit. a SGG
;
Art. 31 ff. VGG
; Rechtsmittel gegen einen Entscheid der Bundesanwaltschaft, welche über ein Amtshilfegesuch der Eidgenössischen Steuerverwaltung befunden hat.
Der Entscheid der Bundesanwaltschaft über ein Gesuch um Einsicht in Akten eines Strafverfahrens, das die Eidgenössische Steuerverwaltung gestützt auf
Art. 112 DBG
eingereicht hat, kann nicht Gegenstand einer Beschwerde beim Bundesstrafgericht sein (E. 3). Der Entscheid kann hingegen mit Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht angefochten werden (E. 4). | Sachverhalt
ab Seite 24
BGE 136 II 23 S. 24
A.
Dans le cadre d'une enquête pénale dirigée notamment contre X., pour blanchiment d'argent et gestion déloyale des intérêts publics, le Ministère public de la Confédération a requis et obtenu, le 11 juillet 2007, l'accès au dossier de l'Administration fédérale des contributions (ci-après: l'Administration fédérale) relatif au contrôle fiscal de la société Z. SA, à Fribourg (laquelle a été radiée du registre du commerce en 2005, à la suite de la reprise de ses actifs et passifs [fusion par absorption] par la société Y. SA, à Fribourg).
Le 15 juillet 2008, l'Administration fédérale a à son tour demandé au Ministère public l'accès au dossier de l'enquête pénale concernant X.
B.
Par décision du 18 août 2008, le Ministère public a autorisé l'accès au dossier pour "tous documents en lien avec X. et Z. SA".
Le 25 août 2008, X. et Z. SA ont formé une plainte à l'encontre de cette décision auprès de la Cour des plaintes du Tribunal pénal fédéral.
Dans sa réponse à la plainte, le Ministère public a admis que seules les pièces auxquelles les plaignants ont accès pourraient être consultées par l'Administration fédérale et que seules les pièces saisies en Suisse lui seraient communiquées.
Par arrêt du 4 novembre 2008, la I
re
Cour des plaintes du Tribunal pénal fédéral a partiellement admis la plainte, dans la mesure proposée par le Ministère public, en limitant la consultation du dossier pénal par l'Administration fédérale aux pièces auxquelles les plaignants avaient accès et à celles saisies en Suisse. (...) L'arrêt mentionnait par ailleurs qu'aucune voie de droit ordinaire n'était ouverte à son encontre.
C.
Agissant par la voie du recours en matière de droit public, X. et Y. SA demandent au Tribunal fédéral d'annuler l'arrêt du 4 novembre 2008 en tant qu'il autorise l'accès au dossier pénal par
BGE 136 II 23 S. 25
l'Administration fédérale et de le confirmer pour le surplus, sous suite de frais et dépens. (...)
Le Ministère public s'en remet à justice quant à la recevabilité du recours et propose de le rejeter sur le fond, sous suite de frais. L'autorité précédente se réfère à son arrêt. (...)
Invitée à se déterminer par le Tribunal de céans, l'Administration fédérale observe qu'elle a été exclue de la procédure devant le Tribunal pénal fédéral, ce qui constituerait une violation manifeste de son droit d'être entendue. En outre, elle met en doute la compétence de cette autorité pour rendre la décision attaquée.
Le Tribunal fédéral a annulé la décision attaquée et transmis la cause au Tribunal administratif fédéral comme objet de sa compétence.
(extrait)
Erwägungen
Extrait des considérants:
3.
Il convient au préalable de trancher le point de savoir si le Tribunal pénal fédéral était compétent pour rendre la décision entreprise, question qui est soulevée par l'Administration fédérale et que le Tribunal de céans doit de toute manière examiner d'office, lorsque ladite compétence repose sur le droit fédéral (cf.
art. 106 al. 1 LTF
; voir aussi
ATF 132 V 93
consid. 1.2 p. 95; arrêt 9C_599/2009 du 14 septembre 2009 consid. 1). S'agissant d'examiner si c'est à juste titre que l'autorité inférieure est entrée en matière, le Tribunal fédéral n'est d'ailleurs pas lié par les conclusions des parties au sens de l'
art. 107 al. 1 LTF
, de la même manière que lorsqu'il se prononce sur la recevabilité du recours déposé devant lui (cf. arrêt 9C_414/2007 du 25 juillet 2008 consid. 1 avec renvoi à ULRICH MEYER, in Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2008, n° 1 ad
art. 107 LTF
).
3.1
L'autorité précédente s'est saisie de la plainte sur la base de l'art. 105
bis
de la loi fédérale du 15 juin 1934 sur la procédure pénale (PPF; RS 312.0), disposition aux termes de laquelle "les opérations et les omissions du procureur général peuvent faire l'objet d'une plainte devant la cour des plaintes en vertu des art. 214 à 219" PPF (al. 2).
3.2
L'extension de la voie de la plainte - d'abord à la Chambre d'accusation du Tribunal fédéral puis, dès la création de cette autorité, à la Cour des plaintes du Tribunal pénal fédéral - à l'ensemble des "opérations" et omissions du Ministère public remonte à la révision
BGE 136 II 23 S. 26
du code pénal suisse, de la loi fédérale sur la procédure pénale et de la loi fédérale sur le droit pénal administratif, dite "projet d'efficacité" (
Effizienzvorlage
), adoptée le 22 décembre 1999 et entrée en vigueur le 1
er
janvier 2002 (voir à ce sujet BÄNZIGER/LEIMGRUBER, Le nouvel engagement de la Confédération dans la poursuite pénale, 2001).
La révision de 1999 a introduit un nouveau concept de surveillance du Ministère public de la Confédération, en distinguant entre surveillances matérielle et administrative. Matériellement, celui-ci a été soumis à la Chambre d'accusation du Tribunal fédéral, conformément à l'
art. 11 PPF
qui disposait ceci (dans sa teneur en vigueur depuis le 1
er
janvier 2002 jusqu'à son abrogation avec effet au 1
er
avril 2004; RO 2001 3308):
"La Chambre d'accusation exerce la surveillance sur le procureur général de la Confédération dans sa fonction de chef de la police judiciaire ainsi que sur les recherches de la police judiciaire et l'instruction préparatoire. Elle connaît par ailleurs des plaintes portées contre le procureur général de la Confédération et le juge d'instruction (...)."
Le Procureur général n'était ainsi soumis à la surveillance de la Chambre d'accusation que dans la mesure où il agissait en qualité de chef de la police judiciaire. Cette surveillance ne s'étendait pas, en particulier, à ses tâches administratives comme celles en matière d'exécution des peines ou d'autorisation d'ouvrir une poursuite pénale contre des agents de la Confédération prévenus d'infractions en rapport avec leur activité ou leur situation officielle (BÄNZIGER/LEIMGRUBER, op. cit., n° 166).
Faisant partie de la Section I "Des recherches de la police judiciaire", l'
art. 105
bis
PPF
a été adapté au nouvel
art. 11 PPF
, son alinéa 2 ayant dès lors la teneur suivante (RO 2001 3311):
"Les opérations et les omissions du procureur général peuvent faire l'objet d'une plainte devant la Chambre d'accusation en vertu des art. 214 à 219."
En parallèle, le Ministère public a été soumis à la surveillance administrative du Conseil fédéral (
art. 14 al. 1 PPF
).
3.3
Lors de la révision totale de l'organisation judiciaire fédérale, qui a vu la création du Tribunal pénal fédéral et la suppression de la Chambre d'accusation du Tribunal fédéral, les compétences de cette dernière ont pour l'essentiel été transférées à la Cour des plaintes de la nouvelle juridiction (Message du 28 février 2001 concernant la révision totale de l'organisation judiciaire fédérale, FF 2001 4160 ch. 4.2.2.2).
BGE 136 II 23 S. 27
C'est ainsi qu'aux termes de l'art. 28 al. 2 de la loi fédérale du 4 octobre 2002 sur le Tribunal pénal fédéral (LTPF; RS 173.71; entrée en vigueur de manière échelonnée les 1
er
août 2003 et 1
er
avril 2004), la Cour des plaintes exerce la surveillance sur les recherches de la police judiciaire et sur l'instruction préparatoire dans les affaires pénales relevant de la juridiction fédérale. S'agissant de la surveillance (matérielle) du Ministère public de la Confédération, cette disposition a remplacé l'
art. 11 PPF
(FF 2001 4162; cf. aussi ANDREAS KELLER, Wer kontrolliert die Bundesanwaltschaft?, Jusletter 2 octobre 2006, n° 3 et note de bas de page 5).
Selon l'
art. 28 al. 1 let. a LTPF
, la Cour des plaintes statue "sur les plaintes dirigées contre des opérations ou des omissions du procureur général de la Confédération [...] dans les affaires pénales relevant de la juridiction fédérale". Le Message renvoie à ce propos àl'
art. 105
bis
al. 2 PPF
dans sa nouvelle teneur issue de la révision "projet d'efficacité" (FF 2001 4160; cf. aussi THOMAS FINGERHUTH, Das Verfahren vor Bundesstrafgericht, Plädoyer 2004 p. 32 et p. 33 note de bas de page 24).
3.4
Il découle de ce qui précède que la voie de la plainte est ouverte, en vertu des
art. 105
bis
al. 2 PPF
et 28 al. 1 let. a LTPF, à l'encontre des "opérations" que le Ministère public de la Confédération effectue dans la procédure d'investigation, lorsqu'il dirige l'enquête menée par la police judiciaire fédérale (cf. aussi
ATF 129 IV 197
consid. 1.5 p. 200 et arrêt 8G.125/2003 du 9 décembre 2003 consid. 1.2). Or, en l'espèce, le prononcé du Ministère public du 18 août 2008 ne constitue pas une "opération" dans une affaire pénale. En effet, il n'a pas pour objet l'enquête pénale menée notamment contre X., mais porte sur la demande d'entraide administrative présentée par l'Administration fédérale. Le Tribunal de céans a déjà eu l'occasion de préciser que, lorsqu'une autorité de poursuite pénale - en l'occurrence un juge d'instruction - statue sur une demande d'entraide de la part du fisc fondée sur l'
art. 112 LIFD
, elle n'agit pas dans le cadre de ses compétences de poursuite pénale, mais rend une décision qui s'inscrit dans une procédure fiscale ou, du moins, qui est susceptible d'aboutir à l'ouverture d'une telle procédure (
ATF 128 II 311
consid. 4 p. 318 s.). Il en va de même dans le contexte de l'entraide internationale en matière pénale: lorsque l'Office fédéral de la police a délégué au Ministère public de la Confédération l'exécution de la demande d'entraide, ce dernier intervient non comme autorité chargée de la direction de la police judiciaire fédérale, mais
BGE 136 II 23 S. 28
en qualité d'autorité administrative de première instance dans le domaine de la coopération internationale en matière pénale. En cette qualité, le Ministère public est soumis à la surveillance de l'Office fédéral de la police - conformément à l'art. 3 de l'ordonnance fédérale du 24 février 1982 sur l'entraide internationale en matière pénale (ordonnance sur l'entraide pénale internationale, OEIMP; RS 351.11) - et non à celle du Conseil fédéral comme le prévoit l'
art. 14 al. 1 PPF
(ROBERT ZIMMERMANN, La coopération judiciaire internationale en matière pénale, 3
e
éd. 2009, p. 249 s. avec renvoi à l'arrêt 1A.223/1999 du 23 novembre 1999 consid. 3b/bb).
Dans ces conditions, le prononcé du Ministère public du 18 août 2008 ne pouvait faire l'objet d'une plainte au sens des
art. 105
bis
al. 2 PPF
et 28 al. 1 let. a LTPF, contrairement à ce qui était indiqué au pied de ladite décision et à ce que l'autorité précédente a admis en s'estimant compétente. Cette conclusion s'impose d'autant plus que, comme le relève l'Administration fédérale, la procédure de la plainte, telle qu'elle est aménagée par les
art. 214 ss PPF
, ne permet pas la participation de cette dernière - l'art. 219 al. 1 en relation avec l'
art. 115
bis
al. 2 PPF
prévoyant seulement que la plainte est communiquée au Ministère public -, alors que la qualité de partie devait lui être reconnue déjà dans la procédure antérieure (cf. consid. 2 non publié).
La compétence de la Cour des plaintes ne pouvait par ailleurs se fonder sur une autre clause de l'
art. 28 al. 1 LTPF
, dont l'énumération est en principe exhaustive (cf. CHRISTINA KISS, Das neue Bundesstrafgericht, PJA 2003 p. 146).
La décision attaquée ayant été rendue par une autorité incompétente à raison de la matière, elle doit être annulée (cf.
ATF 132 V 93
consid. 1.2 p. 95).
4.
Il convient de déterminer auprès de quelle autorité la décision du Ministère public du 18 août 2008 pouvait être contestée - étant rappelé que l'accès à une autorité judiciaire est garanti de manière générale par l'
art. 29a Cst.
- et de transmettre la cause à cette autorité (cf.
art. 30 al. 2 LTF
par analogie).
4.1
Dans sa décision du 18 août 2008, le Ministère public a fait application de l'
art. 112 LIFD
.
L'
art. 112 LIFD
fait partie du chapitre "Devoirs des autorités" (
art. 109-112a LIFD
). Faisant suite à l'art. 111, qui règle la collaboration entre autorités fiscales, il est intitulé "Collaboration d'autres autorités" et a la teneur suivante:
BGE 136 II 23 S. 29
"
1
Les autorités de la Confédération, des cantons, des districts, des cercles et des communes communiquent, sur demande, tout renseignement nécessaire à l'application de la présente loi aux autorités chargées de son exécution. (...)
2
(...)
3
(...)."
L'
art. 112 LIFD
ne contient aucune disposition de caractère formel (cf. ANDREA PEDROLI, in Commentaire romand, Impôt fédéral direct, 2008, n° 13 ad
art. 112 LIFD
). Il ne prévoit pas de voie de droit en cas de litige relatif à la communication des renseignements. Il en va différemment de l'
art. 112a LIFD
, disposition intitulée "Traitement des données" qui a été introduite avec effet au 1
er
septembre 2000 par la loi fédérale du 24 mars 2000 sur la création et l'adaptation de bases légales concernant le traitement de données personnelles (RO 2000 1914). Cette norme autorise l'Administration fédérale à gérer un système d'information pouvant contenir "des données sensibles portant sur des sanctions administratives ou pénales importantes en matière fiscale" (al. 1). Elle prévoit que l'Administration fédérale et les autorités fiscales visées à l'
art. 111 LIFD
échangent des données et que les "autres autorités" citées à l'
art. 112 LIFD
communiquent des informations à celles qui sont chargées de l'exécution de la loi (al. 2). L'
art. 112a LIFD
institue une procédure de règlement des conflits portant sur la communication des données: lorsque la contestation oppose des offices fédéraux, elle est tranchée par le Conseil fédéral qui statue définitivement; dans les autres cas, le litige est soumis au Tribunal fédéral par la voie de l'action de l'
art. 120 LTF
. Sous l'empire de l'ancienne loi fédérale du 16 décembre 1943 d'organisation judiciaire (OJ; en vigueur jusqu'au 31 décembre 2006), le Tribunal de céans a déjà eu l'occasion de relever que ces voies de droit sont adaptées au règlement de conflits opposant exclusivement des autorités. Elles ne sont en revanche pas ouvertes lorsque, s'agissant de la communication de données en application de l'art. 112 ou de l'
art. 112a LIFD
, une décision au sens de l'
art. 5 PA
(SR 172.021) doit être rendue et notifiée à un contribuable (
ATF 128 II 311
consid. 7 p. 325). Ces considérations demeurent valables s'agissant de l'action de l'
art. 120 LTF
(cf. MARTIN ZWEIFEL, Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer, Bd. I/2b, 2
e
éd. 2008, n° 15 ad
art. 112a LIFD
).
En l'occurrence, le Ministère public a rendu le 18 août 2008 une décision formelle, qui a été notifiée au contribuable X. ainsi qu'à la société Z. SA (reprise entre-temps par Y. SA). Dès lors, à supposer
BGE 136 II 23 S. 30
qu'elles soient ouvertes par analogie dans les procédures d'entraide fondées sur l'
art. 112 LIFD
, les voies de droit instituées par l'
art. 112a al. 7 LIFD
n'entrent pas en ligne de compte en l'espèce. Il n'y a au demeurant pas lieu de trancher la question - soulevée par l'Administration fédérale - de savoir si le Ministère public devait statuer sur la requête d'entraide en rendant une décision formelle. Il suffit de relever que cette autorité pouvait procéder de la sorte, le prononcé d'une décision ayant en outre pour conséquence que les contribuables, destinataires de ladite décision, sont en droit de s'adresser à un juge (cf.
art. 29a Cst.
).
4.2
Au demeurant, le recours au Conseil fédéral selon les
art. 72 ss PA
n'est pas ouvert, car le prononcé du Ministère public du 18 août 2008 ne fait pas partie des décisions pouvant être déférées à cette autorité en vertu de l'
art. 72 PA
. Le fait que le Ministère public est soumis à la surveillance administrative du Conseil fédéral (cf. consid. 3.2) n'y change rien: ce dernier détient le pouvoir de surveillance et le pouvoir disciplinaire en qualité d'autorité de nomination du Procureur général (BÄNZIGER/LEIMGRUBER, op. cit., n° 171). En revanche, la faculté de connaître de plaintes ou de recours contre les actes ou les inactions du Ministère public relève de la surveillance matérielle, laquelle échappe au Conseil fédéral.
4.3
Il reste à examiner si la décision du Ministère public du 18 août 2008 pouvait être déférée au Tribunal administratif fédéral.
4.3.1
La loi du 22 juin 2007 sur l'Autorité fédérale de surveillance des marchés financiers (loi sur la surveillance des marchés financiers, LFINMA; RS 956.1), entrée en vigueur le 1
er
janvier 2009, a introduit dans la loi du 17 juin 2005 sur le Tribunal administratif fédéral (LTAF; RS 173.32) un art. 36a, unique disposition de la nouvelle Section 3, intitulée "Divergences d'opinion en matière d'entraide judiciaire ou d'assistance administrative au niveau national". L'
art. 36a LTAF
a la teneur suivante:
"
1
Si une loi fédérale le prévoit, le Tribunal administratif fédéral statue sur les divergences d'opinion en matière d'entraide judiciaire ou d'assistance administrative entre autorités fédérales ou entre autorités fédérales et cantonales.
2
Les tiers ne peuvent pas prendre part à la procédure."
Cette nouvelle disposition doit être mise en relation avec l'
art. 41 LFINMA
(cf. Message du 1
er
février 2006 concernant la loi fédérale sur l'Autorité fédérale de surveillance des marchés financiers, FF
BGE 136 II 23 S. 31
2006 2798 et 2808). Cette norme, qui fait partie de la Section 3 "Collaboration avec les autorités suisses", est intitulée "Différends" et prévoit ceci:
"A la demande d'une des autorités concernées, le Tribunal administratif fédéral statue sur les différends en matière de collaboration qui opposent la FINMA et les autorités de poursuite pénale ou les autres autorités suisses."
Dans le contexte de la collaboration entre l'Autorité fédérale de surveillance des marchés financiers (FINMA) et d'autres autorités suisses, la décision de transmettre des informations ne constitue pas une décision sujette à recours (FF 2006 2798 ad art. 41), ce qui explique que la procédure devant le Tribunal administratif fédéral oppose deux autorités, à l'exclusion des tiers (cf.
art. 36a al. 2 LTAF
) qui pourraient être intéressés par la transmission des informations.
Du point de vue de l'application du droit dans le temps, il est douteux que l'
art. 36a LTAF
, entré en vigueur le 1
er
janvier 2009, soit applicable en l'espèce, s'agissant de déterminer la voie de droit ouverte à l'encontre d'une décision rendue le 18 août 2008. Quoi qu'il en soit, cette disposition ne fonde pas elle-même la compétence du Tribunal administratif fédéral pour connaître - en dernier ressort (
art. 83 let. v LTF
) - des "divergences d'opinion" entre autorités en matière d'entraide judiciaire ou administrative nationale; cette compétence doit bien plutôt être prévue par une autre loi fédérale (cf. art. 36a al. 1 au début LTAF). Or, une telle base légale fait défaut en l'occurrence, de sorte que la voie de droit prévue par le nouvel
art. 36a LTAF
n'entre pas en ligne de compte. Dans la mesure où elle exclut la participation des tiers, elle serait d'ailleurs peu adaptée au présent litige, pour les motifs évoqués ci-dessus (consid. 4.1).
4.3.2
Il reste donc à examiner si la décision du 18 août 2008 pouvait faire l'objet d'un recours au Tribunal administratif fédéral en vertu des
art. 31 ss LTAF
.
Selon l'
art. 31 LTAF
, intitulé "Principe", cette juridiction connaît des recours contre les décisions au sens de l'
art. 5 PA
.
Aux termes de l'
art. 5 al. 1 PA
, sont considérées comme décisions les mesures prises par les autorités dans des cas d'espèce, lorsqu'elles sont fondées sur le droit public fédéral et qu'elles ont pour objet, notamment, de créer, de modifier ou d'annuler des droits ou des obligations (lettre a) ou de constater l'existence, l'inexistence ou l'étendue de droits ou d'obligations (lettre b).
En l'occurrence, il n'est pas douteux que le prononcé du 18 août 2008 entre dans cette définition, du moment qu'il porte sur l'obligation,
BGE 136 II 23 S. 32
au regard de l'
art. 112 LIFD
, du Ministère public d'accorder l'accès au dossier de l'enquête pénale à l'Administration fédérale (cf. aussi arrêt 2A.96/2000 du 25 juillet 2001 consid. 1a, in RF 56/2001 p. 837, RDAF 2001 II p. 336, SJ 2002 I p. 321 et YVES NOËL, L'entraide administrative nationale en matière fiscale, in L'entraide administrative, 2005, p. 120 i.f.).
Au demeurant, aucune des exceptions de l'
art. 32 al. 1 LTAF
n'est réalisée. La décision en cause ne peut en outre pas faire l'objet d'une opposition ou d'un recours à l'une des autorités mentionnées à l'
art. 33 let
. c-f LTAF, ce qui aurait pour effet d'exclure le recours au Tribunal administratif fédéral (cf.
art. 32 al. 2 let. a LTAF
).
L'
art. 33 LTAF
énumère les autorités dont les décisions peuvent faire l'objet d'un recours au Tribunal administratif fédéral. Sont notamment attaquables les décisions "de la Chancellerie fédérale, des départements et des unités de l'administration fédérale qui leur sont subordonnées ou administrativement rattachées". Les unités de l'administration fédérale qui sont administrativement rattachées aux départements désignent l'administration décentralisée, qui est assimilée à l'administration centrale du point de vue des ressources, mais qui exécute ses tâches de manière indépendante, sans recevoir d'instructions. Tel est le cas notamment des commissions fédérales (
art. 33 let
. f LTAF), des établissements et entreprises de la Confédération (
art. 33 let
. e LTAF), du Contrôle fédéral des finances et du Préposé fédéral à la protection des données et à la transparence. L'
art. 33 let
. d LTAF a une portée résiduelle: conformément à la volonté du législateur, il tend à ce que les décisions de l'ensemble de l'administration fédérale, qu'elle soit centrale ou décentralisée, puissent être déférées au Tribunal administratif fédéral (MICHEL BESSON, Die Vorinstanzen des Bundesverwaltungsgerichtes und Anforderungen an die vorinstanzlichen Verfahren, in Le Tribunal administratif fédéral, 2008, p. 181 s.).
En l'occurrence, le Ministère public de la Confédération peut être qualifié d'unité décentralisée rattachée administrativement au Département fédéral de justice et police (FF 1998 2166; BÄNZIGER/LEIMGRUBER, op. cit., n° 171; KELLER, op. cit., n° 3): dans l'ordonnance du 17 novembre 1999 sur l'organisation du Département fédéral de justice et police (Org DFJP; RS 172.213.1), les dispositions le concernant (art. 25-27) se trouvent en tête du Chapitre 3 "Unités de l'administration fédérale décentralisée". Le Ministère public constitue ainsi une autorité précédente au sens de l'art. 33 (let. d) LTAF.
BGE 136 II 23 S. 33
D'ailleurs, si, dans son arrêt du 23 mars 2007 C-2001/2007, le Tribunal administratif fédéral n'est pas entré en matière sur un recours dirigé contre une décision du Ministère public de la Confédération, ce n'est pas parce que la décision en cause émanait de cette autorité, mais en raison du fait qu'elle portait sur l'exécution d'une peine, domaine relevant du droit pénal et ressortissant par conséquent au Tribunal pénal fédéral (sur cet arrêt, cf. aussi WEISSENBERGER/RICHARD, Les compétences du Tribunal administratif fédéral, Quelques aspects choisis, in Le Tribunal administratif fédéral, 2008, p. 124).
4.3.3
Au vu de ce qui précède, la décision du Ministère public du 18 août 2008 pouvait être entreprise par la voie du recours au Tribunal administratif fédéral. La cause doit donc être transmise à cette autorité comme objet de sa compétence. | public_law | nan | fr | 2,009 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
c33c7d88-fa0b-414a-a28c-85477f1d38e6 | Urteilskopf
119 Ib 12
2. Auszug aus dem Urteil der Anklagekammer vom 22. Januar 1993 i.S. S., H., U., E. und L. gegen Direktor der Eidg. Steuerverwaltung | Regeste
Art. 139 Abs. 2 BdBSt
; Besondere Steuerkontrollorgane; Rechtliches Gehör im Untersuchungsverfahren.
1. Voraussetzungen, Zweck und Inhalt der Untersuchung (E. 2).
2. Umfang des Anspruches auf rechtliches Gehör im Untersuchungsverfahren der Besonderen Steuerkontrollorgane (E. 3 und 4).
a) Der Umfang des sich aus
Art. 4 BV
und
Art. 6 Ziff. 3 lit. a EMRK
ergebenden Anspruches des Beschuldigten auf Bekanntgabe der Anschuldigung bestimmt sich nach dem jeweiligen Stand der Untersuchung (E. 5).
b) Weder aus
Art. 4 BV
noch aus
Art. 6 EMRK
ergibt sich ein Anspruch des Beschuldigten auf eine umfassende Akteneinsicht vor Abschluss der Untersuchung (E. 6).
c) Die Akteneinsicht kann unter Berufung auf das Steuergeheimnis (
Art. 71 BdBSt
) verweigert werden (E. 7). | Sachverhalt
ab Seite 13
BGE 119 Ib 12 S. 13
A.-
Am 6. März 1989 ersuchte das Kantonale Steueramt Zürich das Eidg. Finanzdepartement um Kontrollen durch die Besonderen Steuerkontrollorgane des Bundes (Besko) betreffend Steuerdelikte im Zusammenhang mit der Firmengruppe H.
Am 28. April 1989 erteilte der Vorsteher des Eidg. Finanzdepartementes den Besonderen Steuerkontrollorganen den Auftrag, gegen die Gesellschaften der H.-Gruppe und ihre Organe und allenfalls gegen diesen nahestehende natürliche und juristische Personen sowie gegen die vertraglichen Vertreter im Steuerverfahren die zur Feststellung allfällig begangener Steuerdelikte erforderlichen Untersuchungen durchzuführen.
Im Laufe der Untersuchung wurden S., H., U., E. und L., alles Mitarbeiter einer Treuhandgesellschaft und bei dieser als Steuerberater für von der Untersuchung betroffene Steuerpflichtige tätig, der Gehilfenschaft zur versuchten und vollendeten Steuerhinterziehung sowie zu Steuerbetrug beschuldigt. Die Beschuldigten wurden zwischen August 1991 und September 1992 durch die Besonderen Steuerkontrollorgane einlässlich befragt.
Mit Eingabe vom 8. Oktober 1992 stellten die Beschuldigten bei den Besonderen Steuerkontrollorganen verschiedene Beweisanträge (Einsicht in sämtliche Akten, insbesondere die Protokolle der Einvernahmen aller übrigen Beschuldigten, Zeugen und Auskunftspersonen sowie in die Schlussberichte betreffend die übrigen Beschuldigten; Beizug der Akten im Zivilprozess H. jun. gegen H. sen. et al. sowie Plädoyernotizen und Urteil des Kantonsgerichts Zug; Einvernahme eines Vertrauensmannes; Einvernahme der Verantwortlichen der P.F. AG; Gewährung einer Frist zur abschliessenden schriftlichen Stellungnahme zu allen Vorwürfen und zum Beweisergebnis).
Am 27. Oktober 1992 wiesen die Besonderen Steuerkontrollorgane diese Begehren sinngemäss ab.
BGE 119 Ib 12 S. 14
Mit Beschwerde vom 2. November 1992 wandten sich die Beschuldigten an den Direktor der Eidg. Steuerverwaltung mit dem Antrag, die Besonderen Steuerkontrollorgane seien zu verpflichten, den gestellten Beweisanträgen stattzugeben.
Mit Entscheid vom 10. Dezember 1992 wies der Direktor der Eidg. Steuerverwaltung die Beschwerde ab.
B.-
Mit Beschwerde vom 14. Dezember 1992 beantragen S., H., U., E. und L. der Anklagekammer des Bundesgerichts, den Entscheid des Direktors der Eidg. Steuerverwaltung aufzuheben; weiter verlangen sie Einsicht in sämtliche Akten der Untersuchungsverfahren gegen diejenigen Angeschuldigten, welche von ihrer Arbeitgeberin als Steuerberaterin betreut wurden; auch die bereits früher gestellten Beweisanträge (Beizug der Akten im Zivilprozess H. jun. gegen H. sen. et al.; Einvernahme eines in jenem Zivilprozess erwähnten Vertrauensmannes; Einvernahme der Verantwortlichen der P.F. AG) werden wiederholt; schliesslich sei ihnen vor Versendung der Untersuchungsberichte Frist zu einer schriftlichen Stellungnahme zu allen Vorwürfen und zum gesamten Beweisergebnis anzusetzen.
Der Direktor der Eidg. Steuerverwaltung beantragt, die Beschwerde abzuweisen.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
a) Gemäss Art. 4 der Verordnung über besondere Steuerkontrollorgane (SR 642.131) sind für Beschwerden gegen Untersuchungshandlungen der Besonderen Steuerkontrollorgane (nachfolgend: Besko) die
Art. 26-28 VStrR
sinngemäss anwendbar. Im angefochtenen Urteil wird festgestellt, dass sich die Beschwerde nicht gegen Zwangsmassnahmen richte. Die Beschwerde wurde daher als Beschwerde gegen sonstige Untersuchungshandlungen im Sinne von
Art. 27 VStrR
entgegengenommen. Dies wird von den Beschwerdeführern im vorliegenden Verfahren nicht in Frage gestellt.
b) Nach
Art. 27 Abs. 1 VStrR
ergangene Beschwerdeentscheide des Direktors der Eidg. Steuerverwaltung unterliegen der Beschwerde an die Anklagekammer des Bundesgerichts. Während mit der Beschwerde gegen Zwangsmassnahmen (
Art. 26 VStrR
) auch die unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts und die Unangemessenheit gerügt werden kann (
Art. 28 Abs. 2 VStrR
), ist die Beschwerde gegen gestützt auf
Art. 27 VStrR
ergangene Beschwerdeentscheide nur wegen Verletzung von
BGE 119 Ib 12 S. 15
Bundesrecht, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens möglich (
Art. 27 Abs. 3 VStrR
).
Soweit sich die Beschwerdeführer daher gegen tatsächliche Feststellungen des angefochtenen Entscheides wenden, ist darauf nicht einzutreten.
2.
a) Gemäss
Art. 139 Abs. 1 BdBSt
und Art. 1 der Verordnung über besondere Steuerkontrollorgane (SR 642.131) nehmen diese auf Ersuchen der Kantone und nach Weisung des Vorstehers des Eidg. Finanzdepartementes bei begründetem Verdacht auf schwere Steuerwiderhandlungen Kontrollen bei einzelnen Steuerpflichtigen vor. Ihre Untersuchung richtet sich nach den
Art. 37-50 VStrR
(
Art. 139 Abs. 2 BdBSt
). Der Gesetzgeber ging davon aus, dass damit einerseits die Untersuchungskompetenzen dieser Behörde und andererseits die Rechte des betroffenen Steuerpflichtigen klar abgegrenzt seien (vgl. BBl 1975 I 361 f.).
b) Nach dem Wortlaut von
Art. 139 Abs. 1 BdBSt
nehmen die Besko zwar nur "Kontrollen" vor; da sich aber ihre "Untersuchung" gemäss Abs. 2 dieser Bestimmung nach den
Art. 37-50 VStrR
richtet, und sie darüber hinaus im Rahmen ihrer Untersuchungen polizeiliche Hilfe in Anspruch nehmen können, wenn ihnen "bei einer Untersuchungshandlung", die innerhalb ihrer Amtsbefugnisse liegt, Widerstand geleistet wird (Art. 3 der Verordnung über besondere Steuerkontrollorgane), sind sie nicht nur zur Durchführung von Kontrollen, sondern zur Vornahme eigentlicher Untersuchungshandlungen ermächtigt (vgl. ASA 60, 640, mit Hinweis).
c) Neben den Untersuchungsmitteln gemäss den
Art. 37-50 VStrR
stehen den Besko auch die in den Art. 89 bis 92 BdBSt vorgesehenen Massnahmen zur Verfügung. Sie können in diesem Rahmen als Teil der Eidg. Steuerverwaltung den kantonalen Veranlagungsbehörden auch Anträge stellen (vgl.
Art. 93 Abs. 2 BdBSt
). Ihre Abklärungen, die in einem Schlussbericht zusammengefasst und erläutert werden, bezwecken, Beweise zu sichern, den rechtserheblichen Sachverhalt zu ermitteln und gestützt darauf den kantonalen Behörden die sachdienlichen Anträge zu stellen, nicht aber, die Veranlagung oder die Einleitung des Hinterziehungs- oder Strafverfahrens selber vorzunehmen. Die Besko schaffen die Grundlage, auf welche die kantonalen Steuerbehörden ihre eigenen, weiteren Untersuchungen und Entscheide abstützen können (ASA 60, 640).
d) Die Einsetzung der Besko und deren Untersuchungshandlungen gelten indessen nicht als Einleitung des Verfahrens wegen Steuerhinterziehung (
Art. 132 BdBSt
) bzw. Steuerbetruges
BGE 119 Ib 12 S. 16
(
Art. 133bis BdBSt
); diese Verfahren können nur durch die kantonale Steuerverwaltung eingeleitet werden, weshalb die Untersuchungshandlungen der Besko weder die Verwirkungsfrist von
Art. 134 BdBSt
wahren noch die Verjährungsfristen unterbrechen (vgl. KÄNZIG/BEHNISCH, Die direkte Bundessteuer, Basel 1992, Art. 139 N. 2, mit Hinweis auf ASA 54, 586; vgl. BEHNISCH, Das Steuerstrafrecht im Recht der direkten Bundessteuer, Bern 1991, S. 334).
3.
a) Die Beschwerdeführer rügen in der Hauptsache eine Verletzung ihres Anspruches auf Gewährung des rechtlichen Gehörs in verschiedener Hinsicht (Zeitpunkt der Gewährung, Bekanntgabe der Beschuldigung, Akteneinsicht, Beweisanträge, Stellungnahme zum Beweisergebnis) sowie des Gleichbehandlungsgebotes.
b) Der Umfang des Anspruches auf rechtliches Gehör richtet sich in erster Linie nach dem massgeblichen (kantonalen bzw. Bundes-)Verfahrensrecht (vgl. SCHMID, Strafprozessrecht, Zürich 1989, N. 252; HAUSER, Kurzlehrbuch des schweizerischen Strafprozessrechts, Basel 1984, S. 153; MÜLLER, Kommentar BV, Art. 4 N. 99); erst wenn eine entsprechende gesetzliche Regelung fehlt oder diese sich als ungenügend erweist, greifen die sich unmittelbar aus
Art. 4 BV
ergebenden Verfahrensregeln zur Sicherung des rechtlichen Gehörs Platz, die dem Bürger in allen Streitsachen ein bestimmtes Mindestmass an Verteidigungsrechten gewähren (vgl. COTTIER, Der Anspruch auf rechtliches Gehör, recht 1984, S. 3; vgl. auch
BGE 116 Ib 43
E. e und
BGE 118 Ia 18
E. 1b), dabei spielt es bezüglich dieser Minimalanforderungen keine Rolle, ob es sich um ein Zivil-, Straf- oder Verwaltungsverfahren handelt (
BGE 105 Ia 196
; HAEFLIGER, Alle Schweizer sind vor dem Gesetze gleich, Bern 1985); sie gelten damit auch für das Steuerhinterziehungsverfahren (vgl. ZWEIFEL, Das rechtliche Gehör im Steuerhinterziehungsverfahren, ASA 60, 454).
c) Das Verwaltungsstrafrecht, auf dessen Bestimmungen in
Art. 139 Abs. 2 BdBSt
zum Teil verwiesen wird, verweist in bezug auf den Teilaspekt der Akteneinsicht in
Art. 36 VStrR
auf die Art. 26 bis 28 VwVG, die sinngemäss anzuwenden seien. Nun verweist aber
Art. 139 Abs. 2 BdBSt
ausdrücklich nur auf die Art. 37 bis 50 VStrR. Daraus folgt, dass die allgemeinen Bestimmungen der Art. 32 bis 36 VStrR für das Verfahren vor den Besko nicht anwendbar sind (BEHNISCH, a.a.O., S. 328 Anm. 35); auch die Art. 51 ff., die unter anderem die Festnahme und die Verhaftung regeln, sind nicht anwendbar (J. DUBS, Das Steuerhinterziehungsverfahren:
BGE 119 Ib 12 S. 17
Untersuchungsmittel, Beweislast und Beweiswürdigung, Luzerner Rechtsseminar 1990 "Nach- und Strafsteuerrecht im Wandel", S. 17; vgl. auch LOCHER, System des Steuerrechts, Zürich 1992, S. 407). Auch das Kreisschreiben der Eidg. Steuerverwaltung vom 7. Oktober 1952 betreffend Akteneinsichtnahme durch Wehrsteuerpflichtige und deren Erben (ASA 21, 141 f.) vermag die damit für das Verfahren der Besko fehlende gesetzliche Regelung nicht zu ersetzen.
Einzelne Mitwirkungsrechte des Beschuldigten finden sich in den anwendbaren Bestimmungen etwa beim Recht, jederzeit Untersuchungshandlungen zu beantragen (Art. 37 Abs. 2), bei der Einvernahme (
Art. 39 VStrR
), der Zeugenbefragung (
Art. 41 Abs. 2 VStrR
), der Bestellung von Sachverständigen (
Art. 43 VStrR
), dem Augenschein (
Art. 44 VStrR
) sowie bei Zwangsmassnahmen (Art. 46 ff.).
d) Die sich aus diesen Bestimmungen des anwendbaren Prozessrechts für das Verfahren der Besko ergebende Regelung des Anspruches des Beschuldigten auf Gewährung des rechtlichen Gehörs erweist sich als ungenügend (vgl. auch KÄNZIG/BEHNISCH, a.a.O., Art. 139 N. 21; BEHNISCH, a.a.O., S. 333). Es ist daher zu prüfen, inwieweit sich ein solcher direkt aus
Art. 4 BV
(vgl. KÄNZIG/BEHNISCH, Die direkte Bundessteuer, Basel 1992, Art. 139 N. 21) bzw.
Art. 6 Ziff. 3 EMRK
ergibt (ZWEIFEL, a.a.O., S. 455).
e) Die Beschwerdeführer rügen denn auch keine der oben erwähnten anwendbaren Bestimmungen des Verwaltungsstrafrechts als verletzt, sondern beschränken sich auf die Rüge der Verletzung von
Art. 4 BV
und
Art. 6 Ziff. 3 lit. a EMRK
.
f) Art. 191 des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer (DBG; AS 1991, 1244), welches auf den 1. Januar 1995 in Kraft gesetzt wird, wird in bezug auf die Rechte des Beschuldigten eine Besserstellung zur Folge haben, indem für das entsprechende Verfahren die
Art. 19-59 VStrR
anwendbar erklärt werden, mit Ausnahme der vorläufigen Festnahme nach Art. 19 Abs. 3. Für das vorliegende Verfahren lässt sich indessen nichts daraus ableiten, da die entsprechenden Bestimmungen keine Vorwirkung entfalten.
4.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts ergibt sich aus
Art. 4 BV
in bezug auf das rechtliche Gehör insbesondere der Anspruch des Beschuldigten, sich vor Erlass eines in seine Rechtsstellung eingreifenden Entscheids zur Sache zu äussern, erhebliche Beweise einzubringen, Einsicht in die Akten zu nehmen, mit erheblichen Beweisanträgen gehört zu werden und an der Erhebung wesentlicher Beweise entweder mitzuwirken oder sich zumindest
BGE 119 Ib 12 S. 18
zum Beweisergebnis zu äussern, wenn dieses geeignet ist, den Entscheid zu beeinflussen (
BGE 118 Ia 19
E. 1c mit Hinweisen); der Anspruch auf rechtliches Gehör schliesst das Recht ein, in möglichst kurzer Zeit in allen Einzelheiten über die Art und den Grund der erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden (
Art. 6 Ziff. 3 lit. a EMRK
; ZWEIFEL, a.a.O., S. 463; MÜLLER, a.a.O., Art. 4 N. 104).
5.
a) Die Beschwerdeführer rügen als Verletzung von
Art. 4 BV
und
Art. 6 Ziff. 3 lit. a EMRK
, sie seien bis heute nicht im einzelnen über die gegen sie erhobenen Anschuldigungen in Kenntnis gesetzt worden; es sei ihnen lediglich generell Gehilfen- und Mittäterschaft zu versuchter und vollendeter Steuerhinterziehung bzw. zu Steuerbetrug durch die H.-Gruppe, deren Organe und vertragliche Vertreter vorgehalten worden; dabei seien ihnen auszugsweise die Einvernahmeprotokolle der ursprünglich Beschuldigten der H.-Gruppe vorgehalten worden.
b) Im angefochtenen Entscheid wird in dieser Hinsicht darauf hingewiesen, die Beschwerdeführer seien der Gehilfenschaft zur versuchten und vollendeten Steuerhinterziehung sowie zu Steuerbetrug beschuldigt und - nachdem der Anwalt der Beschuldigten unter tatkräftiger Mitwirkung der Besko während mehrerer Tage Einsicht in die bei der Arbeitgeberin der Beschwerdeführer erhobenen Akten erhalten hatte - zu einzelnen Tatbeständen, die für die weitere Untersuchung von Bedeutung sein konnten, befragt worden. Den Beschwerdeführern sei zu den einzelnen Vorhalten Einsicht in die Protokolle der Haupttäter gewährt und es seien ihnen auch Belege vorgelegt worden. Die Untersuchungsberichte würden in den nächsten Tagen fertiggestellt; darin würden die Beschuldigten genau über die gegen sie erhobenen Beschuldigungen informiert.
c) Auch wenn erst nach der Untersuchung feststeht, welche Anschuldigungen schliesslich zur Beurteilung gebracht werden, rechtfertigt dies nicht, bis zu diesem Zeitpunkt von einer Unterrichtung des Beschuldigten gänzlich abzusehen: Dieser darf grundsätzlich nicht während des ganzen Untersuchungsverfahrens über den Gegenstand der Untersuchung im Ungewissen gelassen werden, ansonsten er von seinem Gehörsanspruch nicht Gebrauch machen und seine Verteidigung nicht vorbereiten kann; es sind ihm daher die ihm zur Last gelegten Taten und die Gesetzesbestimmungen, auf die sich die Beschuldigungen (vorläufig) stützen, bekanntzugeben, ohne dass indessen bereits notwendigerweise die Beweismittel genannt werden müssten, auf die sich die Beschuldigungen stützen (vgl. VOGLER, Internationaler Kommentar zur EMRK, Art. 6 N. 470 ff.;
BGE 119 Ib 12 S. 19
vgl. FROWEIN/PEUKERT, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar, Art. 6 N. 122). Zu Beginn des Verfahrens genügt es jedoch im Lichte von
Art. 4 BV
und
Art. 6 Abs. 3 lit. a EMRK
, wenn dem Beschuldigten die Einleitung einer Untersuchung und deren Gegenstand bekanntgegeben wird (vgl. ASA 21, 199); auch im weiteren Verlauf der Untersuchung - in der Regel anlässlich der persönlichen Einvernahme - ist eine kurze Orientierung über die vorgeworfene Tat hinreichend; eine umfassende Unterrichtung des Beschuldigten über die Art und den Grund der Beschuldigung, über die tatsächlichen und rechtlichen Gründe, auf welche sich der Vorwurf der Steuerhinterziehung stützt, muss indessen, einschliesslich der Angaben über die in Aussicht genommene Strafe, erst nach Abschluss der Untersuchung erfolgen; die Anforderungen an den Umfang der Unterrichtung dürfen daher nicht überspannt werden (ZWEIFEL, a.a.O., S. 463).
d) Die Beschwerdeführer legen nicht dar, inwiefern es ihnen unter den gegebenen Umständen nicht möglich war, sich anhand der erhaltenen Informationen Klarheit über die Art und die wesentlichen Gründe der Beschuldigung zu verschaffen und so ihre Rechte ungeschmälert zu wahren (vgl. ZWEIFEL, a.a.O., S. 464). In der Vernehmlassung weist der Beschwerdegegner vielmehr zu Recht darauf hin, dass die Beschwerdeführer zu den ihnen persönlich vorgeworfenen Teilnahmehandlungen befragt worden seien; zu diesem Zweck sei ihnen der Sachverhalt als Vorhalt geschildert und durch Vorlage einer grossen Anzahl im Untersuchungsverfahren erhobener Akten erläutert worden; aus den ihnen auszugsweise vorgelegten Teilberichten gehe zudem im Detail hervor, welche Widerhandlungen den Haupttätern (die Gesellschaften) angelastet worden seien; den Beschwerdeführern sei vorgehalten worden, dass sie zur Erstellung unwahrer oder unvollständiger Urkunden beigetragen hätten, die zur Täuschung der Steuerbehörden verwendet worden seien bzw. dass sie unrichtige Steuererklärungen erstellt und dabei inhaltlich unwahre Bilanzen und Erfolgsrechnungen verwendet hätten.
Wie sich aus den vom Beschwerdegegner in der Vernehmlassung angeführten Einvernahmeprotokollen schon bei summarischer Durchsicht ergibt, trifft dies zu. Von einer Verletzung von
Art. 4 BV
oder
Art. 6 Abs. 3 lit. a EMRK
kann daher nicht die Rede sein.
6.
a) Der angefochtene Entscheid hält fest, dass ein umfassendes Akteneinsichtsrecht erst nach Eröffnung des Untersuchungsberichtes gewährt werden müsse.
BGE 119 Ib 12 S. 20
Die Beschwerdeführer halten dem entgegen, die Akteneinsicht müsse bereits vor der Zustellung des Untersuchungsberichtes der Besko vollumfänglich eingeräumt werden.
b) Der Anspruch auf Gewährung des rechtlichen Gehörs umfasst als Teilgehalt auch das Recht, Einsicht in alle Akten zu nehmen, die geeignet sind, Grundlage des späteren Entscheides zu bilden, wobei dieses durch überwiegende öffentliche oder private Geheimhaltungsinteressen eingeschränkt wird (vgl. MÜLLER, a.a.O., Art. 4 N. 108 ff.; HAEFLIGER, a.a.O., S. 135). Im Lichte von
Art. 4 BV
und
Art. 6 EMRK
wird dem sich aus diesen Bestimmungen ergebenden Minimalanspruch auf Akteneinsicht genügend Rechnung getragen, wenn dem Beschuldigten die Akteneinsicht spätestens an der Gerichtsverhandlung eingeräumt wird (
BGE 109 Ia 178
), das heisst grundsätzlich nach Erhebung der Anklage bzw. nach Eröffnung der Anklageschrift (vgl. VOGLER, a.a.O., Art. 6 N. 490; FROWEIN/PEUKERT, a.a.O., Art. 6 N. 128). Es ist daher nicht erforderlich, dass dem Beschuldigten schon von Beginn des Verfahrens an Akteneinsicht gewährt wird. Zahlreiche Strafprozessgesetze gestatten denn auch die volle Akteneinsicht erst nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens oder der Voruntersuchung; solche Vorschriften stehen nicht im Widerspruch zu
Art. 4 BV
(vgl. HAEFLIGER, a.a.O., S. 144; SCHMID, a.a.O., N. 266; HAUSER, a.a.O., S. 152). Auch das Bundesgericht hat in
BGE 101 Ia 17
ausgeführt, eine solche gesetzliche Regelung könne schon deshalb nicht verfassungswidrig sein, weil darin kein übermässiger Eingriff in die Verteidigungsrechte des Beschuldigten liege; dieser könne sich vor dem Richter in voller Aktenkenntnis verteidigen; der Ausschluss der Akteneinsicht während des Ermittlungsverfahrens begünstige zudem die Wahrheitsfindung und behindere den leugnenden Angeschuldigten (vgl. auch HAEFLIGER, a.a.O., S. 144).
c) Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer ergibt sich ein Anspruch auf vollumfängliche Gewährung des rechtlichen Gehörs vor Abschluss des Untersuchungsberichtes auch nicht aus dem von ihnen angeführten Entscheid des Bundesgerichts vom 7. Juni 1991 i.S. Y. GmbH gegen Verwaltungsgericht des Kantons Nidwalden (ASA 60, 638), da diese Frage sich in jenem Verfahren gar nicht stellte.
Insbesondere ergibt sich aus jenem Entscheid entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer nicht, dass den Beschuldigten vor den Besko bereits vollumfänglich das rechtliche Gehör gewährt worden wäre. Eine den Gleichbehandlungsgrundsatz verletzende abweichende
BGE 119 Ib 12 S. 21
Behandlung der beiden Fälle lässt sich jenem Entscheid somit nicht entnehmen. Im übrigen legt der Beschwerdegegner in der Vernehmlassung dar, dass die Besko in beiden Fällen genau gleich vorgegangen seien.
d) Somit ergibt sich aus
Art. 4 BV
und
Art. 6 EMRK
kein Anspruch der Beschwerdeführer auf vollumfängliche Gewährung des rechtlichen Gehörs bereits im Verfahren der Besko vor Abschluss der Untersuchung, deren Ergebnis im Schlussbericht festgehalten wird. Dieser Schlussbericht hat nicht die Bedeutung des Schlussprotokolls gemäss
Art. 61 VStrR
, welche Bestimmung im Verfahren vor den Besko keine Anwendung findet (
Art. 139 Abs. 2 VStrR
). Vielmehr ist es Sache der kantonalen Verwaltung für die direkte Bundessteuer, gestützt auf das Ergebnis der Untersuchung der Besko über die formelle Einleitung eines Steuerhinterziehungsverfahrens zu entscheiden (Art. 132
Art. 1 BdBSt
; vgl. auch E. 2d) und nach Abschluss ihrer Untersuchung gemäss
Art. 132 Abs. 2 BdBSt
den Beschwerdegegnern Gelegenheit zur Vernehmlassung einzuräumen.
e) Inwieweit ein Rechtsvergleich mit
Art. 61 Abs. 2 VStrR
und
Art. 193 Abs. 3 DBG
zum selben Ergebnis führt, braucht daher nicht geprüft zu werden.
f) Die Beschwerdeführer räumen denn auch selber ein, dass die Besko bei Abschluss ihrer Tätigkeit keinen eigentlichen, den Betroffenen in seiner Rechtsstellung direkt beeinträchtigenden Entscheid fällen.
g) Unter diesen Umständen kann im vorliegenden Fall von einer Verletzung des sich aus
Art. 4 BV
und
Art. 6 EMRK
ergebenen Rechts auf Akteneinsicht nicht die Rede sein. Es sei hier noch einmal betont, dass den Beschwerdeführern bereits während der Untersuchung eine weitgehende Akteneinsicht gewährt worden ist.
h) Damit kann auch dem Antrag Ziff. 2 der Beschwerdeführer nicht stattgegeben werden.
7.
a) Die Beschwerdeführer rügen sodann, die Einsicht in die Akten jener Personen, die sie als Steuerberater betreut hätten, hätte nicht verweigert werden dürfen.
b) Der angefochtene Entscheid verweist bezüglich der teilweisen Verweigerung der Akteneinsicht auf den ablehnenden Entscheid der Besko, die sich auf das Steuergeheimnis berufen hätten, da die Beschwerdeführer nicht alle ins Verfahren einbezogenen Personen als Steuerberater betreut hätten. Hingegen hätte die vollständige Akteneinsicht auch ohne Bezugnahme auf das Steuergeheimnis verweigert werden können, denn den Beschwerdeführern seien zu den einzelnen
BGE 119 Ib 12 S. 22
Vorhalten Einsicht in die Protokolle der Haupttäter gewährt und auch Belege vorgelegt worden; ihre Rechte seien damit unmittelbar gewährleistet worden.
c) Die Beschwerdeführer stellen dies nicht grundsätzlich in Abrede, glauben aber, die auszugsweise Vorlage der Einvernahmeprotokolle der Haupttäter könne nicht genügen.
Dem kann nicht gefolgt werden. Der Beschwerdegegner stellt dazu klar, dass Haupttäter die Gesellschaften der J.A.-/H.-Gruppe seien und sich die Untersuchung der Besko gegen die Teilnahmehandlungen der Beschwerdeführer an den Hinterziehungen dieser Gesellschaften richte.
Da das rechtliche Gehör und damit auch die Akteneinsicht im Verfahren vor den Besko nach den vorstehenden Ausführen nicht vollumfänglich gewährt werden muss, ist die bloss auszugsweise Gewährung der Akteneinsicht nicht zu beanstanden; es kommt hinzu, dass das Akteneinsichtsrecht mit Rücksicht auf überwiegende öffentliche oder private Geheimhaltungsinteressen eingeschränkt sein kann (vgl. ZWEIFEL, a.a.O., S. 466); die Berufung auf
Art. 71 BdBSt
, welcher den Behörden der Steuerverwaltung eine Schweigepflicht auferlegt, ist somit nicht zu beanstanden. | public_law | nan | de | 1,993 | CH_BGE | CH_BGE_003 | CH | Federation |
c3408664-2f76-4f82-bf80-f3eface0332c | Urteilskopf
139 I 229
22. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. X. und Mitb. sowie Y. und Mitb. gegen Regierung des Kantons Graubünden (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
2C_806/2012 / 2C_807/2012 vom 12. Juli 2013 | Regeste
Art. 4, 18 und 70 BV
;
Art. 3 KV/GR
, Art. 2, 7 und 8 der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitssprachen: Der Beschluss der Bündner Regierung vom 5. Dezember 2011, wonach ein Wechsel der Schulsprache vom Rumantsch Grischun zum Idiom oder umgekehrt grundsätzlich nur auf den Beginn der 1. Primarschulklasse erfolgen kann, berührt den Schutzbereich der Sprachenfreiheit nicht und erweist sich auch nicht als konventionswidrig.
Die individuelle Sprachenfreiheit garantiert das Recht, sowohl Rumantsch Grischun als auch ein romanisches Idiom zu sprechen (E. 5.4). Einschränkung der Sprachenfreiheit durch das Amtssprachen- und Territorialitätsprinzip (E. 5.5) sowie durch die staatliche Festlegung der Unterrichtssprache (E. 5.6). Der Verfassungsbegriff des "Rätoromanischen" lässt offen, ob damit "Rumantsch Grischun" oder die Idiome gemeint sind (E. 5.7). Daher ist der Schutzbereich der Sprachenfreiheit durch den angefochtenen Beschluss nicht berührt (E. 5.8 und 5.9). Der Charta der Regional- oder Minderheitssprachen ist hinreichend Rechnung getragen worden (E. 6). | Sachverhalt
ab Seite 231
BGE 139 I 229 S. 231
A.
Der Grosse Rat des Kantons Graubünden beschloss im August 2003 die Herausgabe der rätoromanischen Lehrmittel in Rumantsch Grischun und beauftragte die Regierung, ein Konzept für dessen Einführung in den Schulen auszuarbeiten. Am 21. Dezember 2004 verabschiedete die Regierung des Kantons Graubünden ein Grobkonzept betreffend Rumantsch Grischun in der Schule. Danach sollte dieses als "Alphabetisierungssprache" bereits ab der 1. Primarklasse eingeführt werden. Am 24. April 2007 erliess die Regierung unter dem Titel "Rumantsch Grischun in der Schule: Ausgestaltungsphase 'Pionier' in den Schuljahren 2007/08-2010/11" einen weiteren Beschluss, worin sie diese Ausgestaltungsphase als Schulversuch bewilligte. In der Folge beschlossen zahlreiche Gemeinden, namentlich im Münstertal und in der Surselva, sich als Pioniergemeinden im Sinne dieses Beschlusses zu betätigen. Später jedoch formierte sich Widerstand gegen Rumantsch Grischun in der Schule. Im Münstertal und in der Surselva wurden kommunale Volksinitiativen lanciert mit dem Ziel, das Rumantsch Grischun als "Alphabetisierungssprache" wieder abzuschaffen und diese durch das Idiom zu ersetzen.
B.
Am 5. Dezember 2011 beschloss die Regierung des Kantons Graubünden:
"Es wird festgestellt, dass ein allfälliger Wechsel der Schulsprache vom Rumantsch Grischun zum Idiom oder umgekehrt grundsätzlich auf Beginn der 1. Primarklasse zu erfolgen hat. Ausnahmsweise kann ein entsprechender Wechsel in der Schulsprache auch für Schüler und Schülerinnen, die derzeit die 1. Primarklasse besuchen, bis spätestens zu Beginn des Schuljahres 2012/2013 vorgenommen werden, sofern dies von der Schulträgerschaft beschlossen wird. Diese Feststellung erfolgt im Sinne einer Ergänzung der Rahmenbedingungen im Zusammenhang mit dem von der Regierung am 24. April 2007 bewilligten Schulversuch betreffend Ausgestaltungsphase 'Pionier' 2007 bis 2011 des Projekts 'Rumantsch Grischun in der Schule'."
Am 19. Januar 2012 erhoben X. und Mitbeteiligte, allesamt Eltern von schulpflichtigen Kindern aus dem Münstertal, Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden mit dem Antrag, der Beschluss der Regierung vom 5. Dezember 2011 sei aufzuheben.
Ebenfalls am 19. Januar 2012 erhoben Y. und Mitbeteiligte, allesamt Eltern von schulpflichtigen Kindern aus der Surselva, Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden mit dem gleichen Antrag.
Mit zwei Urteilen vom 22. Mai 2012 wies das Verwaltungsgericht die beiden Beschwerden ab.
BGE 139 I 229 S. 232
C.
C.a
X. und Mitbeteiligte erheben mit gemeinsamer Eingabe vom 27. August 2012 Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Verfahren 2C_806/2012) mit dem Antrag, das Urteil des Verwaltungsgerichts und den mitangefochtenen Beschluss der Regierung aufzuheben, eventualiter die Angelegenheit zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. (...)
C.b
Y. und Mitbeteiligte erheben ebenfalls Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Verfahren 2C_807/2012) mit dem nämlichen Antrag. (...)
Das Bundesgericht weist die Beschwerden ab.
(Auszug)
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
2.1
Die Beschwerden in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen kantonal letztinstanzliche Endentscheide in einer Angelegenheit des öffentlichen Rechts sind zulässig (
Art. 82 lit. a,
Art. 86 Abs. 1 lit. d und
Art. 90 BGG
). Die Beschwerdeführer sind als Eltern schulpflichtiger Kinder durch den vorinstanzlichen Entscheid besonders berührt, haben ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung und sind damit zur Anfechtung beim Bundesgericht befugt (
Art. 89 Abs. 1 BGG
). Auf die form- und fristgerecht eingereichten Beschwerden in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist einzutreten.
2.2
Das Bundesgericht wendet das Recht grundsätzlich von Amtes wegen an (
Art. 106 Abs. 1 BGG
). Die Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht prüft es aber nur insofern, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist (
Art. 106 Abs. 2 BGG
). In der Beschwerde ist klar und detailliert anhand der Erwägungen des angefochtenen Entscheids darzulegen, inwiefern verfassungsmässige Rechte verletzt worden sein sollen (
BGE 135 III 232
E. 1.2;
BGE 134 I 83
E. 3.2;
BGE 133 III 393
E. 6,
BGE 133 III 439
E. 3.2;
BGE 133 II 249
E. 1.4.2); wird eine solche Verfassungsrüge nicht vorgebracht, kann das Bundesgericht eine Beschwerde selbst dann nicht gutheissen, wenn eine Verfassungsverletzung tatsächlich vorliegt (
BGE 131 I 377
E. 4.3).
2.3
Im Verfahren vor Bundesgericht haben die Parteien, die Beteiligten und zur Beschwerde berechtigten Behörden das Recht, sich zu äussern (
Art. 102 BGG
). Eingaben unbeteiligter Dritter sind unbeachtlich. Die Eingaben von Z. sind aus den Akten zu weisen.
(...)
BGE 139 I 229 S. 233
4.
4.1
Das Verwaltungsgericht geht davon aus, dass im Kanton Graubünden die Gemeinden zuständig sind, über die Schulsprache zu entscheiden. Das wird auch von der Regierung bestätigt
.
Der streitige Beschluss stellt diese Zuständigkeit nicht prinzipiell in Frage, hat aber zur Folge, dass es den Gemeinden zwar freisteht, von der Schulsprache Rumantsch Grischun auf das Idiom zu wechseln (oder umgekehrt), dass aber dieser Wechsel für diejenigen Schüler, welche bereits eingeschult wurden, nicht mehr zum Tragen kommt. Dies ist Streitthema.
4.2
Das Verwaltungsgericht hat dazu erwogen, es gehe um einen vom Kanton initiierten und finanzierten Schulversuch nach Art. 6 des Gesetzes vom 26. November 2000 für die Volksschulen des Kantons Graubünden (SchulG; BR 421.000) in Verbindung mit Art. 33 des Gesetzes vom 30. August 2007 über den Finanzhaushalt und die Finanzaufsicht des Kantons Graubünden (FFG; per 1. Dezember 2012 aufgehoben). Der angefochtene Beschluss finde in Art. 6 SchulG eine hinreichende gesetzliche Grundlage. Die Gemeindeautonomie sei nicht verletzt, weil den Gemeinden die freie Entscheidung über die Wahl der Schulsprache nicht beschränkt worden sei. Sodann werde die Sprachenfreiheit nicht missachtet, da kein Wechsel vom Romanischen auf Deutsch oder Italienisch angeordnet worden sei, sondern ein solcher innerhalb des Romanischen. Zudem sei der angefochtene Beschluss auch pädagogisch sinnvoll, damit kein Schüler gezwungen werde, während der obligatorischen Schulzeit die Schulsprache zu wechseln; dies wäre für die Schüler verwirrend und würde die Spracherlernung und die Chancengleichheit bei den Aufnahmeprüfungen gefährden. Ferner habe der Grosse Rat im Dezember 2011 ein neues Schulgesetz erlassen, wobei die von der Regierung getroffene Lösung akzeptiert worden sei.
5.
5.1
Drei Normen der Bundesverfassung enthalten Regeln über die Sprachen der Schweizerischen Eidgenossenschaft:
Art. 4 BV
bestimmt die Landessprachen, darunter auch das "Rätoromanisch".
Art. 18 BV
garantiert ausdrücklich die Sprachenfreiheit.
Art. 70 BV
schliesslich regelt die Fragen der Amtssprachen, jene des Territorialitätsprinzips und jene der Kompetenzen von Bund und Kantonen im Bereich der Sprache.
5.2
Die Beschwerdeführer rügen eine Verletzung der Sprachenfreiheit (
Art. 18 BV
); entgegen der Auffassung der Vorinstanz falle auch
BGE 139 I 229 S. 234
der Gebrauch des rätoromanischen Idioms in den Geltungsbereich der Sprachenfreiheit. Der streitige Beschluss greife ohne genügende gesetzliche Grundlage und in unverhältnismässiger Weise in die Sprachenfreiheit ein.
5.3
Zu prüfen ist also zunächst, ob die Sprachenfreiheit (
Art. 18 BV
) einen Anspruch darauf gibt, im Idiom anstatt in Rumantsch Grischun unterrichtet zu werden.
5.4
Die Sprachenfreiheit (
Art. 18 BV
) garantiert das Recht, eine Sprache nach eigener Wahl zu benützen, insbesondere auch die Muttersprache (
BGE 138 I 123
E. 5.1;
BGE 136 I 149
E. 4.1;
BGE 122 I 236
E. 2b;
BGE 121 I 196
E. 2a; so genannte "aktive Seite der Sprachenfreiheit", vgl. REGULA KÄGI-DIENER, in: Die Schweizerische Bundesverfassung, Kommentar, 2. Aufl. 2008, N. 13 zu
Art. 18 BV
). Als Individual-Grundrecht schützt sie den Gebrauch sowohl der rätoromanischen Idiome (GIOVANNI BIAGGINI, BV, 2007, N. 6 zu
Art. 70 BV
) als auch des Rumantsch Grischun (MÜLLER/SCHEFER, Grundrechte in der Schweiz, 4. Aufl. 2008, S. 294; STEPHAN HÖRDEGEN, Der Freiburger Sprachenfall - Kontroverse über die Unterrichtssprache in der Schule im Lichte der Sprachenfreiheit und der Bildungschancengleichheit, AJP 2003 S. 769 f.). In diesen privaten Bereich der Sprachenfreiheit - d. h. wenn es um die Freiheit der einzelnen Bürgerinnen und Bürger geht, welche Sprache sie benützen und in welcher sie untereinander kommunizieren wollen - hat sich der Staat nicht einzumischen. Im öffentlichen Bereich der Sprachenfreiheit - wozu die Festlegung der Unterrichtssprache an den Schulen zweifellos gehört - können und müssen Bund, Kantone und Gemeinden dagegen tätig werden (vgl. dazu sogleich). Es geht hier um die so genannte "passive Seite der Sprachenfreiheit", also die Frage, in welcher Sprache sich die staatlichen Behörden an die Bevölkerung wenden. Dabei gilt es vorab - was gerade auch für den hier zu beurteilenden Fall mitentscheidend ist - zu beachten, dass die staatliche Festlegung der Unterrichtssprache die einzelnen Bürgerinnen und Bürger in ihrer Wahlfreiheit, in welcher Sprache sie untereinander sprechen möchten, nicht beeinträchtigt (vgl. zum Ganzen AUER/MALINVERNI/HOTTELIER, Droit constitutionnel suisse, Bd. II, 2013, S. 310).
5.5
Die Sprachenfreiheit wird eingeschränkt durch das Amtssprachen- und Territorialitätsprinzip: Die Kantone bestimmen ihre Amtssprachen, wobei sie das Einvernehmen zwischen den Sprachgemeinschaften wahren, auf die herkömmliche sprachliche Zusammensetzung der
BGE 139 I 229 S. 235
Gebiete achten und auf die angestammten sprachlichen Minderheiten Rücksicht nehmen (
Art. 70 Abs. 2 BV
); der Einzelne hat kein Recht, mit den Behörden in einer beliebigen Sprache zu verkehren, sondern hat - unter Vorbehalt besonderer Ansprüche (z.B.
Art. 31 Abs. 2 BV
;
Art. 5 Abs. 2 und
Art. 6 Abs. 3 lit. a EMRK
) - die jeweilige Amtssprache zu benützen (
BGE 138 I 123
E. 5.2;
BGE 136 I 149
E. 4.3;
BGE 124 III 205
E. 4;
BGE 122 I 236
E. 2c).
Art. 70 Abs. 2 BV
verbietet auch die bewusste Verschiebung hergebrachter Sprachgrenzen oder die Unterdrückung von hergebrachten Minderheitssprachgruppen (
BGE 100 Ia 462
E. 2b S. 466;
BGE 122 I 236
E. 2h; BIAGGINI, a.a.O., N. 9 zu
Art. 70 BV
; KÄGI-DIENER, a.a.O., N. 26 zu
Art. 70 BV
; GIORGIO MALINVERNI, in: Kommentar zur Bundesverfassung [...] vom 29. Mai 1874, Stand: Juni 1987, N. 28 f. zur Sprachenfreiheit; DANIEL THÜRER, Zur Bedeutung des sprachenrechtlichen Territorialprinzips für die Sprachenlage im Kanton Graubünden, ZBl 85/1984 S. 241 ff., 249). Diese Grundsätze gelten insbesondere für den Schutz der traditionellen sprachlichen Minderheiten wie des Italienischen und des Rätoromanischen (vgl.
Art. 70 Abs. 5 BV
;
BGE 138 I 123
E. 8; CHRISTINE MARTI-ROLLI, La liberté de la langue en droit suisse, 1978, S. 37; MÜLLER/SCHEFER, a.a.O., S. 298; PIERRE TSCHANNEN, Staatsrecht der Schweizerischen Eidgenossenschaft, 3. Aufl. 2011, S. 223 Rz. 7).
5.6
Das Territorialitätsprinzip gilt auch für den Unterricht an staatlichen Schulen: Die Sprache ist sowohl für das Individuum als auch für das Kollektiv, die Schulsprache für die Identitätsbildung des einzelnen Kindes wie auch für den Fortbestand einer Sprachgemeinschaft von erheblicher Bedeutung (
BGE 100 Ia 462
E. 4 S. 469 f.; THOMAS FLEINER, Sprachenfreiheit, in: Handbuch der Grundrechte, Bd. VII/2: Grundrechte in der Schweiz [...], Merten/Papier [Hrsg.], 2007, S. 406 f., 412 f.; HÖRDEGEN, a.a.O., S. 770 f.; MÜLLER/SCHEFER, a.a.O., S. 302; TSCHANNEN, a.a.O., S. 230 Rz. 30; BARBARA WILSON, La liberté de la langue des minorités dans l'enseignement, 1999, S. 113 f.). Das Interesse am Fortbestand einer Sprachgemeinschaft kann dem Interesse des Einzelnen, in einer bestimmten Sprache unterrichtet zu werden, entgegenstehen (
BGE 138 I 123
E. 5.2 und 8). Zudem geht es beim Unterricht an staatlichen Schulen nicht um eine Einschränkung der Sprachenfreiheit als Abwehrgrundrecht, sondern um einen Leistungsanspruch gegenüber dem Staat im Rahmen von
Art. 19 und 62 Abs. 2 BV
, wobei neben dem Anliegen der Bewahrung sprachlich homogener Territorien auch der Aspekt der finanziellen Belastung des Gemeinwesens zu beachten ist (vgl. generell zu
Art. 19 und 62 BV
:
BGE 139 I 229 S. 236
BGE 138 I 162
E. 3.2 und 4.6.2;
BGE 130 I 352
E. 3.3;
BGE 129 I 12
E. 6.4). Die Sprachenfreiheit gibt aus diesen Gründen kein Recht, an den staatlichen Schulen in einer beliebigen (Mutter-)Sprache unterrichtet zu werden; vielmehr findet der Unterricht in derjenigen Sprache statt, welche die Kantone - oder gemäss kantonalem Recht die Gemeinden - entsprechend den Grundsätzen von
Art. 70 Abs. 2 BV
festlegen (vgl. noch zur alten BV:
BGE 100 Ia 462
E. 2a;
BGE 122 I 236
E. 2d;
BGE 125 I 347
E 5c; zur geltenden BV:
BGE 138 I 123
E. 5.2; Urteil 2P.112/2001 vom 2. November 2001 E. 2; PASCAL MAHON, in: Petit commentaire de la Constitution fédérale [...], Aubert/Mahon [Hrsg.], 2003, N. 8 zu
Art. 19 BV
; MARCO BORGHI, in: Kommentar zur Bundesverfassung [...] vom 29. Mai 1874, Stand: Juni 1988, N. 35 zu
Art. 27 BV
; AUER/MALINVERNI/HOTTELIER, Droit constitutionnel suisse, Bd. II, 2. Aufl. 2006, S. 689 Rz. 1542; FLEINER, a.a.O., S. 433 f.; MÜLLER/SCHEFER, a.a.O., S. 302 f.). So ist die Sprachenfreiheit nicht verletzt, wenn ein Kind romanischer Muttersprache, das in einer mehrheitlich deutschsprachigen Gemeinde lebt, dort in deutscher Sprache unterrichtet wird (
BGE 100 Ia 462
E. 4). In späteren Urteilen wurde erkannt, in zwei- oder mehrsprachigen Gebieten könne sich aus der Sprachenfreiheit ein Anspruch darauf ergeben, in einer der mehreren traditionellen Sprachen unterrichtet zu werden, sofern dies nicht zu einer unverhältnismässigen Belastung des Gemeinwesens führt (
BGE 125 I 347
E. 5c;
BGE 122 I 236
E. 2d S. 240;
BGE 106 Ia 299
E. 2b/cc S. 306). Insoweit besteht ein verfassungsmässiges Recht auf Schulunterricht in derjenigen Sprache, die am betreffenden Ort gesprochen wird (KÄGI-DIENER, a.a.O., N. 13 zu
Art. 18 BV
; GIUSEP NAY, Romanischdebatte: die rechtlichen Pflichten und Einschränkungen für die Politik, ZGRG 2011 S. 133; KIENER/KÄLIN, Grundrechte, 2007, S. 261; MÜLLER/SCHEFER, a.a.O., S. 303). In der Lehre wird es - unter Verweis auf § 24 des Zürcher Volksschulgesetzes vom 7. Februar 2005 - als zulässig erachtet, als Schulsprache "grundsätzlich die Standardsprache" festzulegen (BIAGGINI, a.a.O., N. 8 zu
Art. 18 BV
), wobei sich der Begriff der Standard- oder Amtssprache in Bezug auf das Rätoromanische auf Rumantsch Grischun beziehe (BORGHI, a.a.O., N. 27 zu
Art. 27 BV
; NAY, a.a.O., S. 136).
5.7
Vorliegend ist nicht in Frage gestellt, dass die romanischsprachigen Kinder der Beschwerdeführer in romanischer Sprache unterrichtet werden. Umstritten ist aber, ob sich die Garantie der Unterrichtssprache auf das Idiom oder auf Rumantsch Grischun bezieht (vgl. auch vorne E. 5.3).
BGE 139 I 229 S. 237
5.7.1
Das Verhältnis zwischen den rätoromanischen Idiomen und dem in den 1980er-Jahren geschaffenen Rumantsch Grischun lässt sich nicht ohne weiteres mit dem Verhältnis zwischen den verschiedenen Sprachen vergleichen: Rumantsch Grischun ist zwar eine künstliche Schöpfung, die aber nicht mit dem Ziel geschaffen wurde, die herkömmlichen Sprachgebiete zu verändern, sondern um eine gemeinsame Schriftsprache für alle romanischen Idiome zu gewinnen (Botschaft vom 4. März 1991 über die Revision des Sprachenartikels der Bundesverfassung, BBl 1991 II 309, 316 Ziff. 122.4, 322 Ziff. 124.1).
5.7.2
Traditionell umfasste der rechtliche Begriff des Rätoromanischen alle rätoromanischen Idiome, zumindest diejenigen, die eine eigene Schriftsprache entwickelt hatten, namentlich die vorliegend interessierenden Idiome Vallader und Sursilvan (zit. Botschaft, BBl 1991 II 316 Ziff. 122.4; DAGMAR RICHTER, Sprachenordnung und Minderheitenschutz im schweizerischen Bundesstaat, 2005, S. 884 f.; RUDOLF VILETTA, Grundlagen des Sprachenrechts, 1978, S. 147; GIAN-RETO GIERÉ, Die Rechtsstellung des Rätoromanischen in der Schweiz, 1956, S. 60; MARTI-ROLLI, a.a.O., S. 26, 101; THÜRER, a.a.O., S. 259). Diese waren in den entsprechenden Kreisen und Gemeinden auch Rechtssprache (ARNO BERTHER, Elements d'in nov linguatg giuridic Rumantsch, in: Mehrsprachige Gesetzgebung in der Schweiz, Schweizer/Borghi [Hrsg.], 2011, S. 243 f.) und traditionelle Unterrichtssprache (GIERÉ, a.a.O., S. 60, 74, 78).
5.7.3
Bereits in der Botschaft vom 1. Juni 1937 über die Anerkennung des Rätoromanischen als Nationalsprache (BBl 1937 II 1) wies der Bundesrat darauf hin, dass das Rätoromanische verschiedene Idiome mit eigenen Schriftsprachen kennt und sich bisher keine einheitliche Schriftsprache herauszubilden vermochte, was einerseits einer künftigen Nationalsprache auf den ersten Blick Schwierigkeiten zu bereiten scheine, anderseits eine wertvolle Bereicherung des Sprachschatzes darstelle (a.a.O., S. 3 f.). Er hielt es aber nicht für erforderlich, die Frage zu regeln, welche von den verschiedenen romanischen Idiomen als Nationalsprache erklärt werden sollte, da die neue Nationalsprache ja nicht als offizielle Sprache erklärt werden sollte; im übrigen erscheine es auch vom sprachlichen Standpunkte aus gerechtfertigt, diesem Umstand keine allzu grosse Bedeutung beizulegen, da es sich trotz der dialektalen Abweichungen mit ihren Besonderheiten und Verschiedenheiten doch um eine Sprache handle, die sich in verschiedenen Ausdrucksformen als Einheit darstelle (a.a.O., S. 10 f., 25).
BGE 139 I 229 S. 238
5.7.4
Die geltende Bundesverfassung anerkennt nach ihrem Wortlaut "das Rätoromanische" als eine der vier Landessprachen (
Art. 4 BV
) und - im Verkehr mit Personen rätoromanischer Sprache - auch als Amtssprache des Bundes (
Art. 70 Abs. 1 BV
). Der Bund unterstützt zudem kantonale Massnahmen zur Förderung der rätoromanischen Sprache (
Art. 70 Abs. 5 BV
). Auch die bundesgerichtliche Rechtsprechung anerkennt den Schutz des Rätoromanischen als erhebliches öffentliches Interesse (
BGE 100 Ia 462
E. 4 S. 469;
BGE 116 Ia 345
E. 5b; Urteil 1P.554/1991 vom 12. Oktober 1992 E. 4, in: ZBl 94/1993 S. 133). Die Angehörigen der rätoromanischen Sprachgruppe haben ein Recht darauf, dass ihre Sprache als Amtssprache verwendet wird (Urteil 1P.82/1999 vom 8. Juli 1999 E. 4b, in: ZBl 101/2000 S. 610; Urteil P.1295/1981 vom 7. Mai 1982 E. 3, in: ZBl 83/1982 S. 356 E. 3c). Weder aus der Bundesverfassung noch aus der zitierten Rechtsprechung ergibt sich aber, ob mit dem Rätoromanischen die Idiome oder Rumantsch Grischun gemeint ist (KÄGI-DIENER, a.a.O., N. 17 zu
Art. 70 BV
). Nach dem Wortlaut der Bundesverfassung ist aber eher davon auszugehen, dass "das Rätoromanische" auf eidgenössischer Ebene als
eine
Sprache behandelt wird.
Dort verwenden die Behörden die Amtssprachen in ihren Standardformen (Art. 5 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 5. Oktober 2007 über die Landessprachen und die Verständigung zwischen den Sprachgemeinschaften [Sprachengesetz, SpG; SR 441.1]), worunter grundsätzlich die Hochsprache gemeint ist (SÉBASTIEN MORET, Vielsprachigkeit und Sprachenordnung am Beispiel der Schweiz: ein Beitrag unter Berücksichtigung des neuen Sprachengesetzes; in: Kultur und Kunst, 2010, S. 92). In Bezug auf das Rätoromanische legt
Art. 6 Abs. 3 SpG
fest, dass sich Personen rätoromanischer Sprache in ihren Idiomen oder in Rumantsch Grischun an die Bundesbehörden wenden können; diese antworten in Rumantsch Grischun. Vor Bundesgericht wird das Verfahren auf Rumantsch Grischun geführt (
Art. 54 Abs. 1 BGG
; vgl.
BGE 139 II 145
;
BGE 122 I 93
E. 1).
5.7.5
Was das kantonale Verfassungsrecht betrifft, so lautet Art. 3 der Verfassung des Kantons Graubünden vom 18. Mai/14. September 2003 (KV/GR; SR 131.226) wie folgt:
1
Deutsch, Rätoromanisch und Italienisch sind die gleichwertigen Landes- und Amtssprachen des Kantons.
2
Kanton und Gemeinden unterstützen und ergreifen die erforderlichen Massnahmen zur Erhaltung und Förderung der rätoromanischen und der italienischen Sprache. Sie fördern die Verständigung und den Austausch zwischen den Sprachgemeinschaften.
BGE 139 I 229 S. 239
3
Gemeinden und Kreise bestimmen ihre Amts- und Schulsprachen im Rahmen ihrer Zuständigkeiten und im Zusammenwirken mit dem Kanton. Sie achten dabei auf die herkömmliche sprachliche Zusammensetzung und nehmen Rücksicht auf die angestammten sprachlichen Minderheiten.
Die Beschwerdeführer machen nicht geltend (vgl.
Art. 106 Abs. 2 BGG
), dass in dem von ihnen angerufenen Art. 3 der Verfassung mit dem Rätoromanischen nur die Idiome gemeint seien. Nach der Entstehungsgeschichte der Kantonsverfassung wollte sich der Verfassungsgeber offenbar in der Frage Idiome/Rumantsch Grischun nicht festlegen, sondern Flexibilität bewahren (RICHTER, a.a.O., S. 890 ff.).
Angesichts dieser Umstände kann nicht gesagt werden, dass sich der verfassungsrechtliche Anspruch auf Schulunterricht in rätoromanischer Sprache spezifisch auf die Idiome bezieht. Vielmehr lässt das kantonale Verfassungsrecht (wie soeben erwähnt bewusst) offen, welche Version des Rätoromanischen gemeint ist. Die Wahl zwischen Idiom und Rumantsch Grischun ist daher eher eine sprachpolitische als eine grundrechtliche Frage. Dafür spricht auch, dass es neben den Beschwerdeführern, welche die Rückkehr zum Idiom anstreben, vermutlich auch (wenn auch wohl minderheitlich) Eltern gibt, welche lieber beim Rumantsch Grischun bleiben möchten. Die Situation ist insoweit derjenigen in der deutschsprachigen Schweiz ähnlich, wo es auch Familien gibt, welche den schweizerdeutschen Dialekt als Unterrichtssprache (zumindest in der Grundschule, wie dies in der Vergangenheit häufig, wenn nicht sogar mehrheitlich der Fall war) bevorzugen würden. Andere Eltern wiederum begrüssen, dass sich heute auch dort Hochdeutsch als Unterrichtssprache durchgesetzt hat. Würde die Festlegung einer der Versionen als Grundrechtseingriff betrachtet, hätte dies zur Folge, dass zwangsläufig immer ein Teil der Kinder in ihren Grundrechten eingeschränkt würde, da es aus finanziellen Gründen für die Gemeinden kaum als zumutbar erscheint, einen Unterricht in zwei Sprachen parallel anzubieten.
5.8
Aus dem bisher Gesagten folgt, dass - was die aktive Seite der Sprachenfreiheit (vorne E. 5.4) betrifft - die lokalen Minderheiten durchaus einen verfassungsrechtlichen Anspruch haben, ihre Idiome zu verwenden und sich, zumal die Kantonsverfassung das "Rätoromanische" nicht näher definiert, auch in diesen Idiomen an die Behörden zu wenden (vgl. so auch ausdrücklich Art. 3 Abs. 5 des kantonalen Sprachengesetzes vom 19. Oktober 2006 [SpG/GR; BR 492.100]). Was die passive Seite der Sprachenfreiheit (wozu auch die Festlegung der Unterrichtssprache gehört, vorne E. 5.4) betrifft,
BGE 139 I 229 S. 240
ist dem grundrechtlichen Anspruch der Minderheiten hingegen Genüge getan, wenn der Unterricht in Beachtung des Territorialitätsprinzips in romanischer Sprache - sei dies nun in den Idiomen oder in Rumantsch Grischun - angeboten wird. Der Beschluss der Regierung, wonach es den am Schulversuch beteiligten Gemeinden zwar freisteht, von der Schulsprache Rumantsch Grischun auf das Idiom zu wechseln (oder umgekehrt), dass aber dieser Wechsel für diejenigen Schüler, welche bereits eingeschult wurden, nicht mehr zum Tragen kommt, berührt den Schutzbereich von
Art. 18 BV
nicht.
Damit ergibt sich insgesamt, dass der streitige Beschluss, mit welchem die Freiheit der Gemeinden, zwischen Idiom und Rumantsch Grischun zu wählen, in zeitlicher Hinsicht eingeschränkt wird, keinen Eingriff in die Sprachenfreiheit darstellt.
5.9
Ist der Schutzbereich der Sprachenfreiheit nicht berührt, ist die Rüge, der streitige Beschluss greife ohne genügende gesetzliche Grundlage und in unverhältnismässiger Weise in die Sprachenfreiheit ein (
Art. 36 Abs. 1 und 3 BV
), gegenstandslos. Die Rüge, die gesetzliche Grundlage (Art. 6 SchulG) des streitigen Beschlusses sei ungenügend, könnte damit nur im Zusammenhang mit anderen Grundrechten vorgebracht werden (z.B. Gewaltenteilung oder Gemeindeautonomie); solche werden aber von den Beschwerdeführern nicht angerufen, so dass darauf nicht einzugehen ist (E. 2.2).
6.
Die Beschwerdeführer berufen sich (beiläufig) auf die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitssprachen vom 5. November 1992 (SR 0.441.2): Darin hat sich die Schweiz verpflichtet, in Bezug auf Regional- und Minderheitssprachen bestimmte Ziele und Grundsätze anzuwenden (Art. 2 Abs. 1 und Art. 7), u.a. die Bereitstellung geeigneter Formen und Mittel für das Lehren und Lernen (Art. 7 lit. f). Sodann hat sich die Schweiz verpflichtet, den Grundschulunterricht auf Rätoromanisch anzubieten (Art. 2 Abs. 2 und Art. 8 Abs. 1 lit. b Ziff. i der genannten Charta i.V.m. Erklärung der Schweiz lit. a.). Daraus ergibt sich aber nicht, ob dies auf Rumantsch Grischun oder im Idiom erfolgt. Als Regional- oder Minderheitensprache im Sinne der Charta gelten Sprachen, die herkömmlicherweise in einem bestimmten Gebiet eines Staates von Angehörigen dieses Staates gebraucht werden, deren Zahl kleiner ist als die der übrigen Bevölkerung und die sich von den Amtssprachen dieses Staates unterscheiden, nicht aber die Dialekte der Amtssprachen und die Sprachen von Zuwanderern (Art. 1 lit. a).
BGE 139 I 229 S. 241
Abgesehen davon, dass die genannte Charta weitgehend programmatische Bestimmungen enthält und sich in diesem Sinne in erster Linie an den Gesetzgeber richtet (Botschaft vom 25. November 1996 über die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen, BBl 1997 I 1165, 1179 Ziff. 6 a.E.; vgl. generell zum self-executing Charakter von Verträgen
BGE 133 I 286
E. 3.2;
BGE 130 I 113
E. 3.3), ist diesen Bestimmungen hinreichend Rechnung getragen worden. Es geht hier in erster Linie darum, dass das Rätoromanische - welches unter Berücksichtigung aller seiner Idiome selber eine Minderheitssprache darstellt und von kaum einem Prozent der schweizerischen Gesamtbevölkerung (ca. 40'000 Personen, vgl. AUER/MALINVERNI/HOTTELLIER, a.a.O., S. 310) gesprochen wird - nicht verschwindet und eine Unterrichtssprache bleibt, was hier der Fall ist.
Die von der Regierung erlassene angefochtene Übergangsregelung erweist sich daher auch nicht als konventionswidrig. | public_law | nan | de | 2,013 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
c34230a0-6709-4201-975b-32c11c63d0e9 | Urteilskopf
100 V 129
32. Urteil vom 2. Dezember 1974 i.S. Müller gegen Krankenversicherung Artisana und Verwaltungsgericht des Kantons Luzern | Regeste
Art. 5bis KUVG
.
- Versicherteneigenschaft von Akkordanten bei Kollektivversicherungsverträgen (Erw. 1, 2).
- Übertritt in die Einzelversicherung; Aufklärungspflicht der Kassen (Erw. 3). | Sachverhalt
ab Seite 129
BGE 100 V 129 S. 129
A.-
Fridolin Müller war seit Mitte Oktober 1969 für die Firma C. AG, Baugeschäft, Luzern, in der Deponie Ruopigen, Littau, tätig. Ab 3. November 1969 führte er die bisher zusammen mit seinem Bruder verrichteten Arbeiten allein weiter. Bereits am 29. November 1969 musste er sich jedoch wegen Durchblutungsstörungen in ärztliche Behandlung begeben. Dr. med. B. erklärte ihn ab 6. Dezember 1969 als arbeitsunfähig. In der Folge beanspruchte Müller Leistungen der Krankenkasse Artisana, bei welcher die Firma C. AG ihre Arbeitnehmer kollektiv für Krankengeld versichert hat. Mit Verfügung vom 11. Mai 1970 lehnte die Kasse jede Leistungspflicht ab mit der Begründung, Fridolin Müller gehöre als Akkordant nicht zu den von der Firma C. AG kollektiv versicherten Arbeitnehmern.
B.-
Hiegegen beschwerte sich Fridolin Müller beim Versicherungsgericht des Kantons Luzern und beantragte, die
BGE 100 V 129 S. 130
Krankenkasse sei zu verpflichten, ihm für die Zeit vom 26. November 1969 bis 8. Mai 1970 das Krankengeld im Gesamtbetrage von Fr. 5600.-- auszurichten.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern wies die Beschwerde mit Entscheid vom 18. Dezember 1973 ab. Nach seinen eigenen Angaben sei der Beschwerdeführer für die Firma C. AG auf eigene Rechnung tätig gewesen. Da er nicht Arbeitnehmer der Firma gewesen sei, sei er auch nicht versichert gewesen, weshalb ihm kein Anspruch auf Kassenleistungen zustehe.
C.-
Fridolin Müller zieht diesen Entscheid an das Eidg. Versicherungsgericht weiter und macht erneut geltend, es seien ihm die vorgesehenen Kassenleistungen auszurichten. In der Begründung führt er im wesentlichen aus, gemäss einer mündlichen Vereinbarung habe sich die Arbeitgeberfirma verpflichtet, ihn gegen Krankheit zu versichern. Ein in Aussicht gestellter schriftlicher Anstellungsvertrag mit einer entsprechenden Bestimmung sei in der Folge trotz wiederholter Bemühungen nicht zustande gekommen. Für die Firma C. AG sei er nicht im Akkord, sondern im Taglohn tätig gewesen, weshalb er als versichert zu gelten habe. Im übrigen habe sich die Firma mit einem am 3. September 1971 vor dem Gewerbegericht des Kantons Luzern abgeschlossenen Vergleich verpflichtet, dem behandelnden Arzt einen Krankenschein zuzustellen.
Die Krankenkasse Artisana beantragt Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Aus den eigenen Angaben des Beschwerdeführers und den gesamten Umständen gehe klar hervor, dass dieser nicht in einem Anstellungsverhältnis zur Firma C. AG gestanden habe; vielmehr sei er mit der Firma ein Akkordantenverhältnis eingegangen. Er könne daher nicht als kollektiv versichert gelten. Eine Leistungspflicht der Kasse lasse sich auch nicht begründen mit der im Vergleich vor Gewerbegericht enthaltenen Verpflichtung des Arbeitgebers, den Krankheitsfall der Kasse zu melden; dabei handle es sich um eine rein arbeitsvertragliche Angelegenheit.
Das Bundesamt für Sozialversicherung lässt sich mit dem Antrag auf Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vernehmen. Die Begründung ergibt sich, soweit erforderlich, aus den nachstehenden Erwägungen.
BGE 100 V 129 S. 131
Erwägungen
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Streitig ist, ob der Beschwerdeführer für die Dauer der ärztlich bestätigten Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf Krankengeld hat. Dies beurteilt sich zunächst danach, ob er zu der mit Kollektivversicherungsvertrag erfassten Belegschaft der Firma C. AG, Luzern, zu rechnen ist.
a) Die genannte Firma hat ihr Personal seit 1957 bei der Krankenkasse Artisana kollektiv versichert für ein Taggeld von 60-80% des Verdienstausfalles. Nach den Angaben des Bundesamtes für Sozialversicherung beruht diese Vereinbarung auf einem von der Kasse mit den Zentralschweizerischen Baumeisterverbänden Luzern am 19. November 1952 abgeschlossenen Rahmenvertrag, demgemäss die Artisana die Arbeitnehmer der angeschlossenen Firmen kollektiv für Taggeld versichert. Eine nähere Umschreibung des Begriffes "Arbeitnehmer" enthält der Vertrag nicht, insbesondere fehlen Einschränkungen hinsichtlich einzelner Personalkategorien.
b) Einen allgemeinen Grundsatz, wonach Akkordanten nicht als versicherte Arbeitnehmer gelten könnten, kennt das Sozialversicherungsrecht nicht. Im Unfallversicherungsrecht schreibt Art. 24 Abs. 2 der Verordnung I vom 25. März 1916 vor, dass auch Akkordanten sowie deren Angestellte und Arbeiter versichert sind, sofern der Akkordant nicht auf Grund des von ihm bei der Ausführung der Arbeit getragenen ökonomischen Risikos als selbständiger Unternehmer zu betrachten ist. Für die Frage der Versicherteneigenschaft von Akkordanten sind demzufolge die Verhältnisse im Einzelfall massgebend, wobei weniger auf die rechtlichen als auf die tatsächlichen Beziehungen zwischen Akkordvergeber und Akkordanten abzustellen ist (vgl. hiezu EVGE 1960 S. 8 Erw. 2 sowie MAURER, Recht und Praxis der schweizerischen obligatorischen Unfallversicherung, S. 52 ff.). Analoge Abgrenzungskriterien bestehen hinsichtlich der Beitragspflicht der AHV. Danach gelten Akkordanten in der Regel als Unselbständigerwerbende; beitragspflichtig als Selbständigerwerbende sind sie nur, wenn die Merkmale der freien Unternehmertätigkeit offensichtlich überwiegen und sie dem Auftraggeber als gleichgeordnete Partner gegenüberstehen (
BGE 97 V 219
, ZAK 1970 S. 394). Seit dem 1. Januar 1972 stehen im übrigen gemeinsame Richtlinien des Bundesamtes für
BGE 100 V 129 S. 132
Sozialversicherung und der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt über die Stellung der Akkordanten in Kraft. Nach diesen Weisungen ist eine selbständige Erwerbstätigkeit nur anzunehmen, wenn der Akkordant über eine besondere Betriebsorganisation verfügt oder wenn er regelmässig Direktaufträge von Dritten übernimmt.
Es sind keine stichhaltigen Gründe ersichtlich, weshalb diese für die Unfallversicherung und die AHV massgebende Regelung nicht auch bezüglich der vorliegend zu beurteilenden Frage Anwendung finden sollte. Ob der Beschwerdeführer während seiner Tätigkeit für die Firma C. AG kollektiv versichert war, beurteilt sich somit danach, ob er eine selbständige Unternehmertätigkeit im Sinne der genannten Praxis ausgeübt hat oder nicht.
c) Die Krankenkasse begründet die Ablehnung ihrer Leistungspflicht in erster Linie mit dem von der Arbeitgeberfirma erstellten Vertragsentwurf vom 24. November 1969, welcher die folgende Bestimmung enthält:
"Herr Müller übernimmt die Deponie Ruopigen und wird per m3 bezahlt. Er ist selbständig und hat demzufolge auch direkt mit der SUVA, Krankenkasse sowie der AHV abzurechnen."
Demgegenüber macht der Beschwerdeführer geltend, es sei ihm von der Firma mündlich zugesichert worden, er gelange in den Genuss des genannten Versicherungsschutzes. Den Vertragsentwurf habe er nicht unterschrieben, weil er nicht dieser Zusicherung entsprochen habe. Hiefür spricht, dass auch die Arbeitgeberin den Beschwerdeführer anlässlich der Krankmeldung offenbar als kollektiv versichert betrachtete und ihn mit Schreiben vom 13. April 1970 aufforderte, die notwendigen Unterlagen für die Krankengeldabrechnung bei der Kasse einzureichen. Schliesslich verpflichtete sie sich gemäss dem erwähnten Vergleich vom 3. September 1971, dem behandelnden Arzt einen Krankenschein zuzustellen.
Darauf, dass sich der Beschwerdeführer selbst als "auf eigene Rechnung tätig" bezeichnete, kann es nicht ankommen. Das Bundesamt für Sozialversicherung weist mit Recht darauf hin, dass der rechtsunkundige Beschwerdeführer damit lediglich zum Ausdruck bringen wollte, dass er ab 3. November 1969 die Deponiearbeiten für die Firma C. AG allein und nicht mehr zusammen mit seinem Bruder verrichtete. Dass er
BGE 100 V 129 S. 133
seine Ansprüche gegenüber der Firma als "Akkordguthaben" bezeichnete, lässt nicht schon auf eine selbständige Unternehmertätigkeit schliessen; vielmehr besagt dies unter den vorliegenden Umständen lediglich, dass die Entlöhnung nach Leistung und nicht nach Zeit erfolgte.
Im übrigen fehlen jegliche Anhaltspunkte zur Annahme einer selbständigen Unternehmertätigkeit. Der Beschwerdeführer verfügte weder über eine eigene Betriebsorganisation noch stand er dem Akkordvergeber als gleichgeordneter Partner gegenüber. Der Umstand, dass die Entlöhnung nach Massgabe des anfallenden Deponiematerials erfolgte, steht der Arbeitnehmereigenschaft des Beschwerdeführers nicht entgegen. Dieser gehörte somit zum Kreis der vom Kollektivversicherungsvertrag erfassten Arbeitnehmer der Firma C. AG.
2.
Es bleibt zu prüfen, ob der Beschwerdeführer auch persönlich als versichert gelten kann. Dabei ist davon auszugehen, dass er seit dem 16. Oktober bzw. 3. November 1969 für die Firma C. AG tätig war, sich jedoch bereits am 29. November 1969 in ärztliche Behandlung begeben musste und vom Arzt ab 6. Dezember 1969 als arbeitsunfähig erklärt wurde.
a) Nach Art. 2 des Rahmenvertrages vom 19. November 1952 erfolgt die Aufnahme in die Kollektivversicherung auf Grund einer Erklärung der zu versichernden Person über ihren Gesundheitszustand. Art. 5 bestimmt anderseits, dass die Aufnahme in die Kasse für neu eintretende Arbeitnehmer mit dem Stellenantritt erfolgt. Es steht fest, dass der Beschwerdeführer - bzw. dessen Arbeitgeber - die für die Aufnahme in die Versicherung geltenden formellen Voraussetzungen nicht erfüllt hat. Wie das Bundesamt für Sozialversicherung jedoch ausführt, ist es im Bau- und Hotelgewerbe wegen der starken Schwankungen im Versichertenbestand bei grossen Kassen im allgemeinen üblich, auf die Eintrittsformalitäten zu verzichten und die entsprechenden Angaben bei einer allfälligen Krankmeldung einzuholen. Im heutigen Verfahren besteht kein Anlass, in diese von der Aufsichtsbehörde geduldete Praxis einzugreifen, nachdem sich die Kasse selbst nicht auf das fehlende Anmeldegesuch beruft.
b) An der Versicherteneigenschaft des Beschwerdeführers ändert sodann auch die Tatsache nichts, dass für ihn keine Prämienzahlungen geleistet worden sind. Nach Art. 7 des
BGE 100 V 129 S. 134
Rahmenvertrages ist die Firma gegenüber der Kasse prämienzahlungspflichtig. Es gelangt daher Art. 6 der Verordnung II über die Krankenversicherung zur Anwendung, wonach die vertraglichen Leistungen wegen Verzuges in der Beitragszahlung nicht eingestellt werden dürfen, wenn die Mitgliederbeiträge nicht vom Versicherten selbst geschuldet sind.
c) Schliesslich bleibt festzuhalten, dass der Beschwerdeführer der Krankmeldepflicht vertragsgemäss nachgekommen ist, indem er die Erkrankung unmittelbar nach der Arbeitsaufgabe dem Arbeitgeber gemeldet hat. Nach dem anwendbaren Kassenreglement B über die Krankentaggeldversicherung ist der versicherte Arbeitnehmer verpflichtet, die Erkrankung dem Arbeitgeber zu melden, womit er auch der Krankmeldepflicht gegenüber der Kasse genügt.
3.
Nach dem Gesagten war der Beschwerdeführer kollektiv versicherter Arbeitnehmer der Firma C. AG und hat als solcher Anspruch auf die ihm gemäss Kollektivversicherungsvertrag zustehenden Krankengeldleistungen. Es wird nun Sache der Krankenkasse sein, die zu erbringenden Leistungen festzusetzen. Die Kasse wird dabei zu beachten haben, dass der Beschwerdeführer gestützt auf
Art. 5bis Abs. 4 KUVG
nach Auflösung des Anstellungsverhältnisses bei der Firma C. AG die Möglichkeit gehabt hätte, in die Einzelversicherung überzutreten. Die Tatsache, dass er hievon nicht Gebrauch gemacht hat, kann ihm im Hinblick auf die in Art. 12 der Verordnung II über die Krankenversicherung normierte Aufklärungspflicht der Krankenkassen nicht entgegengehalten werden. Es ist ihm daher das Recht einzuräumen, sich für die Zeit nach Auflösung des Anstellungsverhältnisses durch Übertritt in die Einzelversicherung weiterzuversichern.
Schliesslich bleibt darauf hinzuweisen, dass eine Verrechnung ausstehender Versicherungsbeiträge mit geschuldeten Leistungen nur so weit zulässig ist, als die Beiträge vom Beschwerdeführer als Einzelversichertem persönlich geschuldet sind. Für die Zeit der Kollektivversicherung wäre die Beitragsforderung dagegen bei der versicherungsnehmenden Firma geltend zu machen. Über diese Forderung ist im vorliegenden Verfahren jedoch nicht zu entscheiden.
BGE 100 V 129 S. 135
Dispositiv
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden der vorinstanzliche Entscheid und die Kassenverfügung vom 11. Mai 1970 aufgehoben. Die Krankenkasse wird im Sinne der Erwägungen verhalten, Fridolin Müller innert 30 Tagen eine beschwerdefähige Verfügung über die ihm zustehenden Krankengeldleistungen zuzustellen. | null | nan | de | 1,974 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
c348a532-aa83-4b0c-8641-edb647e18252 | Urteilskopf
114 III 78
24. Entscheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 9. August 1988 i.S. K. (Rekurs) | Regeste
Pfändung des der Ehefrau nach
Art. 164 ZGB
zustehenden Betrages zur freien Verfügung.
Der Ehemann ist nicht legitimiert, in eigenem Namen die Pfändung des Anspruchs seiner Ehefrau nach
Art. 164 ZGB
anzufechten (E. 1).
Der Beitrag gemäss
Art. 164 ZGB
stellt nicht einen Lohn für den haushaltführenden und kinderbetreuenden Ehegatten dar. Er soll vielmehr demjenigen Ehegatten, der auf ein eigenes Erwerbseinkommen verzichtet, ermöglichen, seine erweiterten persönlichen Bedürfnisse im gleichen Rahmen zu befriedigen wie sein Ehepartner. Dieser Anspruch ist zwingender Natur. Es kann auf ihn nicht zum voraus verzichtet werden. Hingegen ist ein Verzicht auf die einzelne konkrete Leistung, wenn sie bereits entstanden ist, zulässig. Der Anspruch aus
Art. 164 ZGB
als solcher ist denn auch nicht pfändbar, wohl aber die einzelne Leistung, sofern der Pfändung eine Schuld zugrunde liegt, die mit den erweiterten persönlichen Bedürfnissen des Ehegatten zusammenhängt. Dazu gehören voreheliche Schulden nicht (E. 2 und 3). | Sachverhalt
ab Seite 79
BGE 114 III 78 S. 79
Die Schweizerische Eidgenossenschaft und der Kanton Aargau, vertreten durch das kantonale Steueramt, leiteten gegen G. K. beim Betreibungsamt X. die Betreibung Nr. 3615 ein. Das Betreibungsamt pfändete daraufhin am 6. Januar 1988 den G. K. als haushaltführender Ehefrau gemäss
Art. 164 ZGB
zustehenden Betrag zur freien Verfügung in der Höhe von Fr. 30.-- als bestrittene Forderung.
Der Ehemann der Schuldnerin focht diese Pfändung mit einer Beschwerde bei der unteren kantonalen Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen an, wobei er verlangte, die Pfändung sei als unrechtmässig aufzuheben. Der Bezirksgerichtspräsident wies die Beschwerde mit Entscheid vom 7. April 1988 ab. Diesen Entscheid zog der Ehemann an die Schuldbetreibungs- und Konkurskommission des Obergerichts des Kantons Aargau weiter. Das Obergericht erkannte am 9. Juni 1988, der Entscheid der ersten Instanz sei insofern abzuändern, als auf die Beschwerde nicht eingetreten werde, und auch auf die vorliegende Beschwerde sei nicht einzutreten.
BGE 114 III 78 S. 80
Die Eheleute K. führen Rekurs an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts und beantragen sinngemäss die Aufhebung des Entscheids des Obergerichts.
Das Bundesgericht tritt auf den Rekurs nicht ein mit folgenden
Erwägungen
Erwägungen:
1.
Die kantonale Aufsichtsbehörde hat den Ehemann der Schuldnerin als an der Betreibung Nr. 3615 nicht beteiligten Dritten betrachtet, da ihm am gepfändeten Rechtsanspruch der Schuldnerin gemäss
Art. 164 ZGB
kein eigenes Recht zustehe, das er im Rahmen einer betreibungsrechtlichen Beschwerde geltend machen könnte. Er könne auch nicht als gesetzlicher Vertreter seiner Ehefrau handeln. Die Pfändung des Anspruchs nach
Art. 164 ZGB
berühre nur die Rechtsstellung der Ehefrau und greife nicht in die Interessen des Ehemannes ein. Die Vorinstanz sprach daher dem Ehemann die Beschwerdelegitimation ab und trat dementsprechend auf die Beschwerde nicht ein.
Die vorliegende Rekursschrift hat nun neben dem Ehemann auch die betriebene Schuldnerin G. K. unterzeichnet. Nachdem sie aber in den Verfahren vor den beiden kantonalen Instanzen nicht Partei war, kann sie vor Bundesgericht nicht als Rekurrentin auftreten. Dazu kommt, dass im Rekurs in keiner Weise dargelegt wird, inwiefern der vorinstanzliche Entscheid gegen Bundesrecht verstosse, weil auf die Beschwerde nicht eingetreten wurde. Mit der Bemerkung des Rekurrenten, seine Beschwerdelegitimation leite sich aus seiner ehelichen Beistandspflicht ab, lässt sich auf jeden Fall ein selbständiges rechtliches Interesse des Ehemannes nicht begründen. Die Rekursschrift vermag daher den Anforderungen, welche
Art. 79 Abs. 1 OG
an die Begründung des Rekurses stellt, nicht zu genügen.
2.
Unter diesen Umständen bleibt allein zu prüfen, ob die Pfändung des Anspruchs der Ehefrau nach
Art. 164 ZGB
im Umfang von Fr. 30.-- nichtig sei, weil dieser Betrag im Sinne von
Art. 93 SchKG
als unpfändbar gelte und damit von Amtes wegen aufzuheben sei.
Die Überlegungen, welche die kantonale Aufsichtsbehörde im Zusammenhang mit dem Anspruch der haushaltführenden Ehefrau nach
Art. 164 ZGB
anstellt und welche die Pfändbarkeit dieses Anspruchs rechtfertigen sollen, rufen allerdings erheblichen Bedenken. Die Vorinstanz vergleicht nämlich den Anspruch im
BGE 114 III 78 S. 81
Sinne von
Art. 164 ZGB
mit dem der Ehefrau für ihre über die Beistandspflicht hinausgehende Mithilfe im Beruf oder Gewerbe des Ehemannes im alten Recht zustehenden Lohnanspruch (Art. 161 Abs. 2 und 3 aZGB in Verbindung mit
Art. 320 Abs. 2 OR
) und gelangt zum Schluss, dass ein solcher Lohnanteil pfändbar sein müsse. Dabei übersieht die Vorinstanz jedoch, dass ein solcher Lohnanspruch unter
Art. 165 Abs. 1 ZGB
fällt, der dem im Beruf oder Gewerbe des andern mitarbeitenden Ehegatten eine angemessene Entschädigung zuspricht, die mit dem in
Art. 164 ZGB
vorgesehenen Betrag zur freien Verfügung nicht vergleichbar ist (HAUSHEER/REUSSER/GEISER, Kommentar zum Eherecht, N. 10 zu
Art. 164 ZGB
; HEGNAUER, Grundriss des Eherechts, 2. Aufl., Rz. 16.47). Art. 164 ist neu in das Zivilgesetzbuch aufgenommen worden. Er hat nicht die Entschädigung der haushaltsinternen Tätigkeit eines Ehegatten als solcher zum Gegenstand. Von einem Lohn als Arbeitsentgelt für den haushaltführenden und kinderbetreuenden Ehegatten kann nicht die Rede sein. Er wäre auch nicht gerechtfertigt, stellt doch die Haushaltführung und Kinderbetreuung gleicherweise einen Beitrag an den ehelichen Unterhalt dar wie die Hingabe von Geldmitteln. Diese bleiben seitens der ehelichen Gemeinschaft selbstverständlich auch ohne Entgelt. Daran ändert sich auch nichts, wenn neben oder anstelle der Haushaltführung und Kinderbetreuung auch noch eine Mithilfe im Beruf oder Gewerbe des andern Ehegatten in Frage steht. Denn diese Mithilfe im Beruf oder Gewerbe des andern Ehegatten wird im Rahmen von
Art. 164 ZGB
nur insoweit erfasst, als sie einen indirekten Beitrag an die ehelichen Lasten darstellt. Darüber lässt
Art. 165 Abs. 1 ZGB
keinen Zweifel. Die Mithilfe im Beruf oder Gewerbe des andern Ehegatten fällt somit im Rahmen von
Art. 164 ZGB
ausser Betracht, wenn der mitarbeitende Ehegatte selber wirtschaftlichen Nutzen aus ihr zieht (HAUSHEER/REUSSER/GEISER, N. 32 f. zu
Art. 163 ZGB
).
Umgekehrt soll
Art. 164 ZGB
die Stellung jenes Ehegatten verbessern, der auf eine eigene Erwerbstätigkeit verzichtet, um sich der Haushaltführung und Kinderbetreuung zu widmen oder um im Beruf oder Gewerbe des andern einen Unterhaltsbeitrag zu leisten. Der Verzicht auf eigenes Erwerbseinkommen soll nicht dazu führen, dass der eine Ehegatte im erweiterten Rahmen des ehelichen Unterhalts weniger persönliche Bedürfnisse zu befriedigen vermag als sein Ehepartner. Der Anspruch gemäss
Art. 164 ZGB
dient somit der Sicherung einer gewissen materiellen
BGE 114 III 78 S. 82
Gleichstellung der Ehegatten und ist insoweit auch zweckgebunden (Botschaft des Bundesrates vom 11. Juni 1979, Ziff. 214.2). Dementsprechend ist dieser Anspruch auch zwingender Natur, so dass auf ihn nicht zum voraus verzichtet werden kann. Hingegen ist ein Verzicht auf eine einzelne konkrete Leistung, sofern sie bereits entstanden ist, möglich.
Zweckgebundenheit und teilweise Unverzichtbarkeit des Anspruchs nach
Art. 164 ZGB
wirken sich auch auf dessen Pfändbarkeit aus (HAUSHEER/REUSSER/GEISER, N. 32 und 37 zu
Art. 164 ZGB
). Ein unverzichtbarer Anspruch kann nicht als solcher pfändbar sein, während die Pfändbarkeit der einzelnen Leistung grundsätzlich nicht auszuschliessen ist, wenn der Pfändung eine Schuld zugrunde liegt, die im Rahmen einer zweckgemässen Verwendung des Betrages gemäss
Art. 164 ZGB
bleibt, d.h. wenn sie in irgendeiner Form der Befriedigung der erweiterten persönlichen Bedürfnisse des Ehegatten dient. Diesen Zweck erfüllt aber die Tilgung vorehelicher Schulden des anspruchsberechtigten Ehegatten nicht (HAUSHEER/REUSSER/GEISER, N. 37 zu
Art. 164 ZGB
).
3.
Aus dem Dargelegten ergibt sich, dass die in der Rekursschrift erhobene Rüge, die angefochtene Pfändung sei zur Tilgung vorehelicher Schulden der Ehefrau vorgenommen worden, grundsätzlich begründet ist, sofern die tatsächlichen Voraussetzungen gegeben sind. Doch muss diese Rüge im vorliegenden Fall unbeachtlich bleiben, weil hier nur geprüft werden kann, ob die Vorinstanz die in
Art. 93 SchKG
für die Pfändung vorgeschriebene Schranke missachtet habe. Die Pfändung wäre nämlich nichtig, wenn dadurch in das Existenzminimum der Schuldnerin eingegriffen würde (anderer Meinung HEGNAUER, a.a.O., Rz. 16.47). Die Beschränkung der Pfändbarkeit nach
Art. 93 SchKG
wird allerdings im Zusammenhang mit dem Anspruch nach
Art. 164 ZGB
kaum je von Bedeutung sein, weil dieser Anspruch in der Regel nur konkretisiert werden kann, wenn das Einkommen der Ehegatten ihr Existenzminimum übersteigt (HAUSHEER/REUSSER/GEISER, N. 37 zu
Art. 164 ZGB
).
Im vorliegenden Fall ist nun aber in keiner Weise dargetan, dass der im Rahmen von
Art. 163 ZGB
der betriebenen Ehefrau zukommende eheliche Unterhalt ihr Existenzminimum nicht zu decken vermöchte, so dass ein Anspruch nach
Art. 164 ZGB
gar nicht erst entstehen könnte. In der Rekursschrift wird sogar zugegeben, dass die Ehegatten K. - wenn auch nur knapp - über dem Existenzminimum leben. Unter diesen Umständen ist die Pfändung
BGE 114 III 78 S. 83
keinesfalls nichtig und damit auch nicht von Amtes wegen aufzuheben. Es hat daher dabei zu bleiben, dass auf den Rekurs nicht eingetreten werden kann. | null | nan | de | 1,988 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
c34adff2-ad7b-458a-9e7b-8b3e97d292af | Urteilskopf
114 IV 62
19. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 31. Mai 1988 i.S. P. gegen Polizeirichteramt der Stadt Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde) | Regeste
Art. 48 Abs. 6 SSV
; Parkieren gegen Gebühr.
Grundsätzlich hat jeder, der sein Fahrzeug auf einem gebührenpflichtigen Parkplatz abstellt, die Parkgebühr zu zahlen. Das gilt insbesondere auch, wenn das Fahrzeug zwecks Güterumschlags dort abgestellt wird. Eine Befreiung von der Zahlungspflicht ist nur ausnahmsweise möglich. | Erwägungen
ab Seite 62
BGE 114 IV 62 S. 62
Aus den Erwägungen:
3.
b) Nach
Art. 48 Abs. 6 SSV
dürfen Motorwagen auf den entsprechend gekennzeichneten Parkplätzen nur gegen Gebühr und gemäss den an der Parkuhr vermerkten Bestimmungen abgestellt werden. Diese Zahlungspflicht gilt uneingeschränkt. Sonderfälle, welche ein Absehen vom Ingangsetzen der Parkuhr rechtfertigen würden, sind weder dem Gesetz noch der Literatur zu entnehmen. Das gilt insbesondere für den vom Beschwerdeführer geltend gemachten Güterumschlag bzw. die Ausübung eines Gewerbes. Eine Privilegierung bezüglich der Zahlungspflicht wäre höchstens denkbar in Fällen, wo besondere Güter auf dem Spiele stehen, deren Bedeutung die Interessen des Verkehrs derart überwiegen, dass sich ihr Schutz aufdrängt. Eine solche Privilegierung (in Form besonderer Benützungsregeln von Parkraum) darf etwa angenommen werden für Fahrzeuge der Sanität, Feuerwehr und Polizei, Pikettfahrzeuge kantonaler Maschinen- und Heizungsämter, Fahrzeuge gebrechlicher Fahrzeuglenker oder solche von Ärzten, die im Rahmen des ärztlichen Notfalldienstes Pikettdienst leisten. Solche Fahrzeuge sind denn auch durch ihr Äusseres oder durch spezielle Kennzeichen sofort erkennbar. Indessen wird in der Literatur ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Eigenschaft, Gewerbetreibender zu sein, Sonderregelungen etwa der Parkzeitdauer nicht zu rechtfertigen vermag (SCHAFFHAUSER, Grundriss des
BGE 114 IV 62 S. 63
schweizerischen Strassenverkehrsrechts, 1984, Bd. I, N 39-42). Die Verurteilung nach
Art. 48 Abs. 6 SSV
erfolgte daher zu Recht. | null | nan | de | 1,988 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
c352a60e-3285-4bce-a8e4-adbfd270a5b0 | Urteilskopf
111 V 324
61. Auszug aus dem Urteil vom 15. November 1985 i.S. Schrotberger gegen Schweizerische Krankenkasse Helvetia und Versicherungsgericht des Kantons Zürich | Regeste
Art. 21 Abs. 6 KUVG
, Art. 1 Vo VI: Zulassung zur Kassenpraxis. Die Einschränkung der Zulassung zur Kassenpraxis auf medizinische Hilfspersonen, die selbständig und auf eigene Rechnung tätig sind, ist gesetzeskonform.
Art. 12 Abs. 2 Ziff. 1 lit. a und b KUVG: Leistungen bei Hauspflege. Keine Austauschbefugnis zwischen Pflichtleistungen und billigeren Nichtpflichtleistungen. | Sachverhalt
ab Seite 325
BGE 111 V 324 S. 325
A.-
Die 1909 geborene Elsa Schrotberger war vom 29. Dezember 1982 bis 1. Februar 1983 im Spital A hospitalisiert. In der Folge wurde sie zu Hause gepflegt. Am 5. Mai 1983 musste sie ins Spital B eingewiesen werden, wo sie am 8. Mai 1983 verstarb. Am 3. August 1983 reichte Max Schrotberger, Ehemann der Versicherten, der Krankenkasse Helvetia verschiedene Rechnungen im Gesamtbetrage von Fr. 6078.55 ein. Die Kasse bezahlte die Rechnung des Spitals B von Fr. 1749.15 sowie eine Rechnung von Fr. 90.-- für den Krankentransport und nach Abzug einer Franchise von Fr. 50.-- einen Betrag von Fr. 396.75 an die Rechnung des Hausarztes Dr. P. von Fr. 446.75. An die Rechnungen der Gemeindekrankenpflege von total Fr. 2952.65 leistete die Kasse Fr. 1509.75. Dagegen lehnte sie jeglichen Beitrag an die Kosten von Fr. 840.-- für die Miete des für die Hauskrankenpflege benötigten Spitalbetts ab. Das Total der von der Kasse zugesprochenen Vergütungen belief sich auf Fr. 3745.65. Am 14. Oktober 1983 erliess die Kasse eine entsprechende Verfügung.
B.-
Hiegegen erhob Max Schrotberger Beschwerde und beantragte, die Kasse sei zu verpflichten, ihm den Betrag von Fr. 2332.90 (Fr. 6078.55 abzüglich Fr. 3745.65) zu vergüten. Zur Begründung machte er geltend, der Chefarzt im Spital A habe es ihm freigestellt, die bettlägerige und todkranke Ehefrau weiterhin im Spital zu belassen oder sie nach Hause zu nehmen, wo sie durch den Hausarzt und die Gemeindekrankenschwester betreut werden könnte. Im Einvernehmen mit seiner Ehefrau habe er sich für die Heimpflege entschieden, und zwar weil die Betreuung zu Hause bis zu ihrem bereits voraussehbaren Ableben erträglicher gewesen sei und zudem die Krankenkasse weniger belastet würde. Der Verzicht auf eine Spitalbehandlung in der Zeit vom 1. Februar bis 5. Mai 1983 habe der Kasse Spitalkosten von mindestens Fr. 15'000.-- bis Fr. 20'000.-- erspart. Mit Entscheid vom 20. März 1984 wies das Versicherungsgericht des Kantons Zürich die Beschwerde ab.
BGE 111 V 324 S. 326
C.-
Max Schrotberger führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde und verlangt die Übernahme der Kosten für die Gemeindekrankenschwester im Betrage von Fr. 1442.90 und für die Spitalbettmiete von Fr. 840.--. Die Krankenkasse beantragt Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung enthält sich eines Antrags.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
a) Die Gemeindekrankenschwester war im vorliegenden Fall nicht selbständig und auf eigene Rechnung tätig und mithin nicht medizinische Hilfskraft im Sinne von Art. 12 Abs. 2 Ziff. 1 lit. b KUVG und Art. 1 Vo VI (SR 832.156.1). Sie war auch nicht ärztliche Angestellte, deren Tätigkeit praxisgemäss der ärztlichen Behandlung gemäss Art. 12 Abs. 2 Ziff. 1 lit. a KUVG zuzurechnen wäre (
BGE 110 V 191
,
BGE 107 V 48
Erw. 2,
BGE 100 V 4
Erw. 2). Ihre Tätigkeit stellt deshalb keine Leistung dar, welche die Kasse aufgrund des Krankenversicherungsgesetzes oder seiner Nebenerlasse zu übernehmen hätte.
Die Berufung der Kasse auf diese rechtliche Ordnung ist entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers keineswegs rechtsmissbräuchlich. Die Einschränkung der Zulassung auf medizinische Hilfspersonen, die selbständig und auf eigene Rechnung tätig sind (Art. 1 Vo VI), ist geltendes Recht und gesetzeskonform, so dass die Kasse - statutarische Sonderregelungen vorbehalten - zur Verweigerung von Leistungen für die streitige Hauspflege und -behandlung berechtigt und verpflichtet war. Dass der Kasse dank der Hauspflege hohe Spitalkostenvergütungen erspart blieben, begründet keinen Anspruch des Beschwerdeführers auf eine von der gesetzlichen Ordnung abweichende Behandlung. Es gibt keine Austauschbefugnis zwischen Pflichtleistungen und Nichtpflichtleistungen in der sozialen Krankenversicherung (MEYER-BLASER, Zum Verhältnismässigkeitsgrundsatz im staatlichen Leistungsrecht, Diss. Bern 1985, S. 95). Wählt ein Versicherter aus welchen Gründen auch immer eine nicht zu den gesetzlichen Pflichtleistungen gehörende Pflege und Behandlung, so hat er keinen Anspruch auf Anrechnung der dadurch eingesparten Pflichtleistungskosten.
Auch aus
Art. 23 KUVG
ergibt sich nichts anderes. Mit dieser Bestimmung soll verhindert werden, dass die Krankenkassen zu den Pflichtleistungen zählende Verrichtungen entschädigen müssen, die unwirtschaftlich sind. Sie verleiht keine Ansprüche auf
BGE 111 V 324 S. 327
Versicherungsleistungen und bedeutet insbesondere nicht, dass die Krankenkassen Nichtpflichtleistungen zu übernehmen hätten, wenn diese billiger sind als die an deren Stelle in Frage kommenden Pflichtleistungen. Dergleichen lässt sich auch nicht aus der Pflicht der Krankenkassen zu sparsamer Haushaltführung ableiten.
Wohl befriedigt es in manchen Fällen nicht ganz, dass Krankenschwestern und Krankenpfleger, die im Dienste einer Gemeinde oder gemeinnützigen Institution die Hauspflege und -behandlung ausüben, zur Tätigkeit für die Krankenkassen nicht zugelassen sind und daher keine Pflichtleistungen zu begründen vermögen. Das gleiche gilt für die Tatsache, dass nach dem gesetzgeberischen Willen - in Art. 12 Abs. 2 Ziff. 1 lit. b KUVG und in der bundesrätlichen Botschaft vom 5. Juni 1961 zur Revision des KUVG (BBl 1961 I 1425f.) werden nur die Heilanwendungen erwähnt - für die spitalexterne Krankenpflege überhaupt keine Leistungen vorgesehen sind. Für eine richterliche Normenkorrektur im Sinne der Füllung einer unechten Gesetzeslücke bleibt jedoch kein Raum, da eine solche praxisgemäss nur in Frage käme, wenn der Gesetzgeber sich offenkundig über gewisse Tatsachen geirrt hat oder wo sich die Verhältnisse seit Erlass des Gesetzes in einem solchen Masse gewandelt haben, dass die Vorschrift unter gewissen Gesichtspunkten nicht bzw. nicht mehr befriedigt und ihre Anwendung rechtsmissbräuchlich wird (
BGE 108 V 72
Erw. 2c,
BGE 106 V 70
,
BGE 105 V 213
Erw. 2c; MAURER, Schweizerisches Sozialversicherungsrecht, Bd. I, S. 230 mit Hinweisen). Der Hauspflege mag heute als Instrument zur Verminderung der Kosten im Gesundheitswesen besondere Aktualität zukommen. Von einem wesentlichen Wandel der Verhältnisse kann indessen nicht gesprochen werden. Eine allfällige Änderung der geltenden Ordnung wird mithin Sache des Gesetzgebers sein. In den bisherigen Bestrebungen zur Revision des Krankenversicherungsgesetzes sind die Hauspflege und die Stellung der im Dienste einer Gemeinde oder gemeinnützigen Institution stehenden Krankenschwestern und Krankenpfleger denn auch eingehend behandelt worden (siehe Bericht der Eidgenössischen Expertenkommission für die Neuordnung der Krankenversicherung vom 11. Februar 1972, S. 124-127; Bericht der Expertenkommission für die Teilrevision der Krankenversicherung vom 5. Juli 1977, S. 85-89, 151 und 162; Botschaft über die Teilrevision der Krankenversicherung vom 19. August 1981, BBl 1981 II 1143ff. und 1162 ff.).
BGE 111 V 324 S. 328
Aus dem Gesagten folgt, dass nach dem KUVG kein Anspruch auf Kassenleistungen für die streitige Hauspflege besteht. Zu prüfen ist noch, ob und gegebenenfalls in welchem Masse die Statuten einen Anspruch einräumen.
b) In der Grundversicherung (Abteilung A) sehen die Statuten der Krankenkasse Helvetia keine Leistungen vor für die Hauspflege, die durch Krankenpflegepersonal von Gemeinden oder gemeinnützigen Institutionen gewährt wird. Dagegen werden unter näher umschriebenen Voraussetzungen für die durch den Beizug einer Hauskrankenpflegerin entstandenen Kosten aus der Versicherungsabteilung H das halbe Spitalgeld und aus den Abteilungen HB und HU die halbe Tagespauschale vergütet, zusammen jedoch maximal Fr. 45.-- im Tag bzw. je 6 Stunden Pflege (Art. 11 Abs. 1 des Reglements für die Spitalzusatzversicherungen).
Die Kasse hat hier die maximal möglichen Leistungen ausgerichtet, nämlich Fr. 1350.--. Der Beschwerdeführer macht zu Recht nicht geltend, dass ihm die Statuten und Reglemente einen höheren Anspruch einräumten. Zu weiteren Leistungen kann die Kasse nicht verpflichtet werden. Aufgrund der mit
Art. 1 Abs. 2 KUVG
gewährleisteten Autonomie können die Krankenkassen grundsätzlich frei darüber bestimmen, wie hoch die Leistungen aus den von ihnen betriebenen Zusatzversicherungen sein sollen. Auch hier kann von Rechtsmissbrauch oder von der Verletzung des Grundsatzes der Gegenseitigkeit nicht die Rede sein, wenn die Kasse keine höhere Tagespauschale als Fr. 45.-- ausrichtete.
Nicht zu beanstanden ist schliesslich, dass die Kasse gestützt auf allgemeine Empfehlungen des Kantonalverbandes Bernischer Krankenkassen vom 14. Oktober 1982 für einzelne medizinische Verrichtungen der Krankenschwester Entschädigungen von insgesamt Fr. 159.75 zusprach. Auch hiebei besteht kein Anspruch auf höhere Leistungen.
3.
Die Kasse ist von Gesetzes wegen nicht verpflichtet, für die Kosten der Spitalbett-Miete aufzukommen, da diese Leistung in
Art. 12 Abs. 2 Ziff. 1 KUVG
nicht vorgesehen ist. Die Statuten schliessen einen Anspruch ausdrücklich aus (Art. 69 Ziff. 1 lit. a), womit sich die Kasse im Rahmen der ihr zustehenden Gestaltungsrechte gemäss
Art. 1 Abs. 2 KUVG
hält. | null | nan | de | 1,985 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
c3539f0f-4183-42b1-8781-54c866d69a00 | Urteilskopf
112 III 75
18. Auszug aus dem Entscheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 30. April 1986 i.S. W. und X. (Rekurs) | Regeste
Schätzung von Arrestgegenständen (
Art. 275 und
Art. 97 Abs. 2 SchKG
).
Dem Drittansprecher wird grundsätzlich kein Interesse an der betreibungsamtlichen Schätzung der Pfandobjekte bzw. der Arrestgegenstände zuerkannt, weshalb er auch nicht legitimiert ist, dagegen Beschwerde zu erheben. Er hat seine Rechte vielmehr im Widerspruchsverfahren nach
Art. 106 ff. SchKG
wahrzunehmen. Ausnahmen von diesem Grundsatz werden nur bei der Schätzung von Objekten, die dem Retentionsrecht des Vermieters unterliegen, und von Faustpfändern im Pfandverwertungsverfahren zugelassen. | Sachverhalt
ab Seite 76
BGE 112 III 75 S. 76
In einer gegen M. für eine Forderung von Fr. 12'234.-- nebst Zins und Kosten eingeleiteten Betreibung vollzog das zuständige Betreibungsamt am 14. Februar 1986 den Arrest. Arrestgegenstand bildeten zehn in der Galerie W. ausgestellte Bilder des Malers X. (Nrn. 1 bis 9 und 11) sowie vier Bildbände über das Werk des Malers (Nr. 10). In der Arresturkunde ist vermerkt, dass der Maler X. an sämtlichen Arrestgegenständen Dritteigentum geltend mache und dass die betreibungsamtliche Schätzung der Arrestgegenstände erst im Pfändungsverfahren vollzogen werde. In der Folge erhob auch der Galerieinhaber W. Drittansprache an den Arrestgegenständen. Am 21. Februar 1986 nahm das Betreibungsamt die Schätzung der Arrestgegenstände vor. Es setzte für jedes Gemälde den Betrag von Fr. 1'000.-- und für die Bildbände je Fr. 20.-- ein, so dass sich der Schätzungswert auf Fr. 10'080.-- belief. Am 24. Februar 1986 hinterlegten die Drittansprecher W. und X. beim Betreibungsamt einen Barbetrag von Fr. 14'000.-- als Sicherheit im Sinne von
Art. 277 SchKG
.
Gegen die Schätzung der Arrestgegenstände durch das Betreibungsamt erhoben W. und X. Beschwerde, welche von der kantonalen Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs am 9. April 1986 abgewiesen wurde.
W. und X. führen hiegegen Rekurs an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts und verlangen eine neue Schätzung der verarrestierten Gemälde unter Beizug eines Sachverständigen. Für den Fall, dass diese neue Schätzung einen höheren Wert ergeben sollte, beantragen die Rekurrenten, die Arrestgegenstände, deren Wert die Forderungssumme übersteige, aus dem Arrestbeschlag zu entlassen.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer weist den Rekurs ab, soweit darauf einzutreten ist.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
In erster Linie ist zu prüfen, ob auf die Beschwerde überhaupt hätte eingetreten werden können. Die Rekurrenten machen geltend, die kantonale Aufsichtsbehörde habe
Art. 97 SchKG
über die Schätzung der gepfändeten Gegenstände, der nach
Art. 275
BGE 112 III 75 S. 77
SchKG
auch bei der Vollziehung des Arrestes zur Anwendung gelangt, verletzt, indem das Betreibungsamt bei der Schätzung der Arrestgegenstände keinen Sachverständigen beigezogen habe und demzufolge auch seiner in
Art. 97 Abs. 2 SchKG
statuierten Pflicht, nicht mehr Gegenstände zu pfänden bzw. mit Arrest zu belegen, als nötig ist, um die in Betreibung gesetzte Forderung bezahlen zu können, nicht nachgekommen sei.
a) Die in
Art. 97 Abs. 1 SchKG
vorgeschriebene Schätzung ist notwendig, damit das Betreibungsamt für eine genügende Deckung der in Betreibung gesetzten Forderung samt Zinsen sorgen und die Pfändung auf das hiefür nötige Mass beschränken kann und damit der Gläubiger in die Lage versetzt wird, allenfalls einen Arrest zu erwirken. Die Schätzung hat also nur den Interessen des Gläubigers und des Schuldners zu dienen. Interessen Dritter oder öffentliche Interessen werden durch eine unsachgemässe Schätzung oder durch Unterlassung einer Schätzung nicht verletzt (
BGE 97 III 20
E. 2a). Was Dritte anbelangt, deren Ansprüche in die Betreibung einbezogen wurden, so haben sie ihre Rechte im Widerspruchsverfahren wahrzunehmen. Sie können vom Betreibungsamt nur verlangen, dass es ihren Eigentumsanspruch entgegennimmt und das Widerspruchsverfahren einleitet (
BGE 70 III 21
mit Hinweis). Im vorliegenden Fall können sich die Rekurrenten nicht darüber beschweren, das Betreibungsamt habe ihre Drittansprüche nicht entgegengenommen. Es steht vielmehr fest, dass das Amt die geltendgemachten Ansprüche zur Kenntnis genommen und der betreibenden Gläubigerin gemäss
Art. 109 SchKG
Frist zur Bestreitung dieser Ansprüche angesetzt hat. Die Gläubigerin hat denn auch innert Frist Widerspruchsklage erhoben.
b) Allerdings hat das Bundesgericht in
BGE 61 III 13
festgehalten,
Art. 97 Abs. 2 SchKG
wolle auch dem Dritteigentümer Schutz dagegen gewähren, dass nicht unnötig viele von den ihm gehörenden Gegenständen seiner Verfügung entzogen werden; im Hinblick auf
Art. 273 OR
rechtfertige es sich, das Interesse des Dritteigentümers am Unterbleiben einer Überpfändung als rechtliches, zur Beschwerde legitimierendes Interesse anzuerkennen. Dieses Urteil betraf aber eine Mietzinsbetreibung, wobei es unbestritten war, dass mehrere in die Retentionsurkunde aufgenommene Gegenstände einem Dritten gehörten. Sie konnten trotzdem nicht aus dem Retentionsbeschlag entlassen werden, weil die Voraussetzungen von
Art. 273 OR
hiefür nicht erfüllt waren. Aus diesem Grunde musste der Dritteigentümer als Partei im Beschwerdeverfahren
BGE 112 III 75 S. 78
zugelassen werden. Dafür spricht auch, dass der Drittansprecher nicht selbst bestimmen kann, welche Sachen aus dem Retentionsbeschlag zu entlassen sind, wenn eine Überpfändung vorliegt, sondern dass dies dem Betreibungsamt überlassen bleibt (
BGE 61 III 14
). Dieselben Überlegungen gelten auch für die Schätzung von Faustpfändern im Pfandverwertungsverfahren. Dem Dritteigentümer des Pfandobjekts nützt der Nachweis, dass das Pfand gar nicht dem Schuldner gehört, nichts. Der Gläubiger, dem das Pfandrecht eingeräumt wurde, hat das Recht, die Pfandsache zu verwerten und sich aus dem Erlös bezahlt zu machen, auch wenn die Pfandsache nicht im Eigentum des Schuldners steht. Das Bundesgericht hat daher den Dritteigentümer der Pfandsache als legitimiert betrachtet, die Schätzung des Faustpfandes mit Beschwerde anzufechten (
BGE 101 III 34
E. 2a).
Dabei handelt es sich aber um zwei Ausnahmen vom Grundsatz, dass dem Dritten an der betreibungsamtlichen Schätzung der Pfandobjekte oder der Arrestgegenstände kein Interesse zuerkannt wird (
BGE 97 III 20
und
BGE 70 III 21
). Die Ausnahmen werden dadurch gerechtfertigt, dass der Eigentumsanspruch des Dritten nicht zur Entlassung der Pfandsache aus dem Beschlag des Gläubigers führen kann. Im vorliegenden Fall ist jedoch keine solche Ausnahme gegeben. Die Rekurrenten machen geltend, die Arrestgegenstände könnten nicht zur Befriedigung der Gläubigerin dienen, weil sie nicht dem Schuldner gehören und er sie daher auch nicht verwerten könne. Die Schätzung der gepfändeten oder verarrestierten Gegenstände ist daher für den Drittansprecher ohne Belang. Dringt er mit seiner Eigentumsklage durch oder unterliegt der Gläubiger mit der Widerspruchsklage, so ist die Verwertung des Pfandobjekts oder des Arrestgegenstandes ausgeschlossen.
c) AMONN (Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 3. Aufl., S. 165/66 N. 39), räumt einem Drittansprecher unter Hinweis auf
BGE 70 III 21
ganz allgemein das Recht ein, wegen Überpfändung im Sinne von
Art. 97 Abs. 2 SchKG
Beschwerde zu erheben. Er übersieht dabei jedoch, dass das Bundesgericht im angeführten Urteil die Beschwerdebefugnis einzig einem Dritten vorbehält, der das Eigentum an einer Sache, die dem Retentionsrecht des Vermieters unterliegt, beansprucht. GILLIÉRON (Poursuite pour dettes, faillite et concordat, S. 163 § 2), erwähnt
BGE 70 III 21
in diesem Zusammenhang nicht. In FRITZSCHE/WALDER (Schuldbetreibung und Konkurs nach schweizerischem Recht, Bd. I, S. 289/90 Rz. 26-28), wird diese Frage
BGE 112 III 75 S. 79
ebenfalls nicht angeschnitten. Es wird einzig in Rz 27 darauf hingewiesen, dass die Schätzung der gepfändeten Gegenstände oft zu Streitigkeiten zwischen Gläubiger und Schuldner und damit zu Beschwerden Anlass gebe. In
BGE 93 III 22
E. 4 spricht das Bundesgericht nur vom Gläubiger und vom Schuldner, die mit einer Beschwerde eine neue Schätzung von gepfändeten bzw. retinierten Gegenständen durch einen Sachverständigen verlangen können. Damit in Widerspruch steht der in den BlSchK 1977 S. 174/75 veröffentlichte Entscheid einer kantonalen Aufsichtsbehörde, in welchem unter Hinweis auf
BGE 70 III 21
und
BGE 61 III 13
einem Dritteigentümer, der im Falle einer Pfändung oder Retention eine Verletzung von
Art. 97 Abs. 2 SchKG
geltend machen wollte, die Beschwerdelegitimation zuerkannt wurde. Die kantonale Behörde hat dabei jedoch den in
BGE 70 III 21
betonten Ausnahmecharakter der Beschwerdelegitimation des Drittansprechers übersehen. Auch den beiden neuesten Entscheiden des Bundesgerichts in
BGE 106 III 33
und
BGE 108 III 123
lässt sich nichts anderes entnehmen.
d) Aus der angeführten Rechtsprechung ergibt sich somit eindeutig, dass im Falle der ordentlichen Betreibung auf Pfändung der Drittansprecher seine Rechte an der Pfandsache nur auf dem Wege nach
Art. 106 ff. SchKG
geltend machen kann und dass er folglich nicht legitimiert ist, die vom Betreibungsamt vorgenommene Schätzung der Pfandobjekte mit Beschwerde anzufechten. Dasselbe gilt selbstverständlich auch für den Dritteigentümer von Arrestgegenständen (
Art. 275 SchKG
).
Nach dem Ausgeführten waren die Rekurrenten nicht berechtigt, die betreibungsamtliche Schätzung der mit Arrest belegten Gemälde mit Beschwerde anzufechten, weshalb die Vorinstanz auf diese nicht hätte eintreten dürfen. Die Rekurrenten sind indessen nicht beschwert dadurch, dass die kantonale Aufsichtsbehörde trotzdem materiell auf die Beschwerde eingetreten ist, sie in der Folge aber abgewiesen hat. | null | nan | de | 1,986 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
c359fb85-fc82-4daa-ae15-55d6fcde7f3c | Urteilskopf
113 Ia 192
31. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 8. April 1987 i.S. Stadt Uster gegen Regierungsrat des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde) | Regeste
Gemeindeautonomie. Abgrenzung der kommunalen von der kantonalen Pflicht zur Nutzungsplanung im Zürcher Recht.
1. Grundsätze (E. 2).
2. Anwendungsfall, in dem weder die Gemeinde noch der Kanton für bestimmte Gebiete (die nach dem kantonalen Gesamtplan/Richtplan vollständig oder teilweise im Landwirtschaftsgebiet bzw. im Anordnungsspielraum sind) die Nutzungsplanung festsetzen wollen (E. 3-6). | Sachverhalt
ab Seite 193
BGE 113 Ia 192 S. 193
Mit Beschluss vom 29. Januar 1986 genehmigte der Regierungsrat des Kantons Zürich die vom Gemeinderat der Stadt Uster (Legislative) am 4. Juni 1984 angenommene Bau- und Zonenordnung mit zugehörigem Zonenplan. Doch lud er gleichzeitig die Stadt Uster ein, die nicht von der kantonalen Landwirtschaftszone erfassten Gebiete, welche die Gemeinde ausgezont hatte und deren Eigentümer nicht bereit waren, eine Erklärung über den Verzicht auf Entschädigungsforderungen abzugeben, einer kommunalen Zone zuzuweisen. Zur Begründung verwies der Regierungsrat zur Hauptsache auf die ständige Praxis der Baudirektion, die für die Festsetzung kantonaler Landwirtschaftszone anstelle von bisheriger Bauzone Erklärungen der Grundeigentümer über den Verzicht auf Forderungen gegenüber dem Staat Zürich verlangt. Diese Erklärungen seien für die in Frage stehenden Gebiete nicht beigebracht worden. Zum Gebiet Langweid, das bisher keiner kommunalen Bauzone zugewiesen war, hält der Entscheid fest, es handle sich um ein kleines Restareal, für welches der Erlass von kantonaler Landwirtschaftszone nicht in Frage komme.
Die Stadt Uster erhob gegen die regierungsrätliche Weisung staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung ihrer Autonomie gemäss Art. 48 der Kantonsverfassung und wegen Willkür. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde insoweit gut, als sie sich auf das Gebiet Winikon bezieht.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
- (a bis c bb: Allgemeines zur Autonomie der Zürcher Gemeinden beim Erlass einer Bau- und Zonenordnung; vgl.
BGE 112 Ia 282
E. 3a bis c.)
cc) Im Bereiche abgelegener Ortsteile und Weiler sieht der Siedlungsplan als Teil des Gesamtplanes allerdings davon ab, Siedlungsgebiet zu bezeichnen, weil dies der Unschärfe der Richtplanung widersprechen würde. Der Bericht des Kantonsrates zum Gesamtplan führt hiezu folgendes aus (Beschluss des Kantonsrates vom 10. Juli 1978, S. 12 f.):
"Abgelegene Ortsteile oder Weiler: Die planliche Darstellung von Kleinsiedlungen wie Weilern und abgelegenen Ortsteilen als Siedlungsgebiet im Gesamtplan würde zu einem systemwidrigen, der Unschärfe der Richtplanung widersprechenden Eingriff in die Ortsplanung führen. Um indessen solche Kleinsiedlungen lebensfähig erhalten zu können, wird in vielen Fällen eine Einzonung auf Gemeindestufe notwendig sein. Da solche Zonenfestlegungen jedoch nur im Rahmen des vom kantonalen Gesamtplan
BGE 113 Ia 192 S. 194
auszuscheidenden Siedlungsgebietes möglich sind, werden auch Weiler und abgelegene Ortsteile, allerdings ohne dass dies im Plan zum Ausdruck kommt, als Siedlungsgebiet betrachtet. Eine Darstellung im Plan selbst erfolgt nur ausnahmsweise, etwa dann, wenn es sich bei einem solchen Weiler um die einzige kompaktere Siedlungseinheit einer verstreuten Gemeinde handelt. Der Ortsplanung bleibt es vorbehalten, je nach der vorherrschenden tatsächlichen Nutzung, die im Einzelfall zweckmässige baurechtliche Ordnung zu bestimmen. Dabei werden folgende Grundsätze zu beachten sein:
- die Zonengrenzen haben die Kleinsiedlung eng zu umfassen;
- eine über den bestehenden Siedlungsumfang hinausgreifende bauliche Entwicklung darf nicht ermöglicht werden."
Hieraus ergibt sich, dass bei den abgelegenen Ortsteilen und Weilern die Gemeinden bei der Ortsplanung die im Einzelfall zweckmässige baurechtliche Ordnung, zu der die Festsetzung und Begrenzung einer allfälligen Bauzone zählt, festzulegen haben. Insoweit enthält das kantonale Recht ebenfalls keine abschliessende Regelung, weshalb den Gemeinden auch in dieser Hinsicht Autonomie zusteht.
d) Wann eine Gemeinde durch den Entscheid einer kantonalen Rechtsmittel- oder Genehmigungsinstanz in ihrer Autonomie verletzt ist, hängt vom Umfang der Prüfungsbefugnis der kantonalen Behörde ab. Der Zonenplan unterliegt der regierungsrätlichen Genehmigung (
Art. 26 RPG
;
§ 2 lit. a und
§ 89 PBG
). Dem Regierungsrat steht dabei die Prüfung des Plans auf Rechtmässigkeit, Zweckmässigkeit und Angemessenheit zu (
§ 5 Abs. 1 PBG
). Bei dieser umfassenden Prüfungsbefugnis kann die Gemeinde nur dann mit Erfolg eine Verletzung ihrer Autonomie geltend machen, wenn die teilweise Nichtgenehmigung des Zonenplans sich nicht mit vernünftigen, sachlichen Gründen vertreten lässt. Auch darf der Regierungsrat nicht einfach das Ermessen der Gemeinde durch sein eigenes Ermessen ersetzen. Er hat es in Übereinstimmung mit der Regel von
Art. 2 Abs. 3 RPG
der Gemeinde zu überlassen, unter mehreren verfügbaren und zweckmässigen Lösungen zu wählen. Der Regierungsrat kann jedoch bei seiner Zweckmässigkeitskontrolle nicht erst einschreiten, wenn die Lösung der Gemeinde ohne sachliche Gründe getroffen wurde und schlechthin unhaltbar ist. Die kantonalen Behörden dürfen sie vielmehr korrigieren, wenn sie sich auf Grund überkommunaler öffentlicher Interessen als unzweckmässig erweist oder wenn sie den wegleitenden Grundsätzen und Zielen der Raumplanung nicht entspricht oder unzureichend Rechnung trägt. Verlangt die kantonale Behörde
BGE 113 Ia 192 S. 195
von der Gemeinde mit vernünftiger, sachlicher Begründung eine Änderung des Zonenplans, um ihn mit den gesetzlichen Anforderungen in Übereinstimmung zu bringen, so kann sich die Gemeinde nicht mit Erfolg über eine Verletzung ihrer Autonomie beklagen (
BGE 112 Ia 284
E. 3d mit Hinweisen).
3.
Im folgenden ist anhand der dargelegten Grundsätze zu prüfen, ob die umstrittenen Anweisungen des Regierungsrates die Autonomie der Stadt Uster verletzen.
Hiefür ist zwischen dem Weiler Winikon einerseits und den Gebieten Langweid und Hegetsberg anderseits zu unterscheiden. Der Weiler Winikon befindet sich nach dem kantonalen Gesamtplan zwar vollständig im Landwirtschaftsgebiet, doch gilt für ihn der kantonsrätliche Vorbehalt, wonach die Gemeinde trotzdem ermächtigt ist, den Weiler einer Bauzone zuzuweisen (s. E. 2c cc). Das Gebiet Langweid liegt nach dem Gesamtplan teilweise, die Aussichtslage Hegetsberg vollständig im Bereich des sogenannten Anordnungsspielraumes.
4.
Der Weiler Winikon liegt etwa 150 m bis 200 m von den Bauzonen der Stadt Uster entfernt. Die von der Gemeinde im Anschluss an die Dorfzone vorgesehene Reservezone reicht bis etwa 100 m an die städtischen Bauzonen heran. Das den Weiler umgebende, bisher eingezonte Gebiet wird - vom ausgedehnten Areal einer Baumschule abgesehen - wie die anstossenden Flächen landwirtschaftlich genutzt. Die frühere Bauzonengrenze, der nun die kantonale Landwirtschaftszone folgt, durchschneidet das Landwirtschaftsgebiet in einer planerisch nicht zu rechtfertigenden Weise.
a) Die Lage des Weilers Winikon lässt erkennen, dass er kaum als "abgelegener Ortsteil" bezeichnet werden kann. Das Wachstum der nahen Stadt in Richtung des Weilers ist an den immer näher rückenden Wohnbauten sowie den nahegelegenen Sportanlagen in der Zone für öffentliche Bauten und Anlagen zu erkennen. Der Zonenplan sieht denn auch kennzeichnenderweise südwestlich angrenzend an die bestehende Weilerüberbauung eine verhältnismässig ausgedehnte Reservezone vor, wobei der Eigentümer des entsprechenden Areals sogar deren definitive Einzonung fordert.
Mit der - im Blick auf die bauliche Entwicklung verständlichen - Schaffung der Reservezone hat die Stadt Uster selbst zu erkennen gegeben, dass sie der kantonalen Praxis, bei bisher eingezonten Weilern eine über die enge Begrenzung der kleinen Siedlung hinausgehende Bauzonenfestsetzung zuzulassen, zustimmt. Ihre Berufung
BGE 113 Ia 192 S. 196
auf die gemäss dem kantonsrätlichen Bericht zum Gesamtplan zu beachtenden Grundsätze überzeugt daher nicht.
b) Die Instruktionsverhandlung hat ferner ergeben, dass im Landwirtschaftsgebiet von Uster bereits seit zehn Jahren ein Meliorationsverfahren im Gange ist, dessen Perimeter auf die frühere, nun mit der kantonalen Landwirtschaftszone übereinstimmende Bauzonengrenze abgestimmt ist. Im Interesse der notwendigen Koordination landwirtschaftlicher Bodenverbesserungen mit der Ortsplanung (s. Art. 77 ff. des eidgenössischen Landwirtschaftsgesetzes, SR 910.1; Art. 1 Abs. 5 und Art. 2 Abs. 3 der Bodenverbesserungsverordnung, SR 913.1) dürfte sich in jedem Falle eine Korrektur des Perimeters und dessen Abstimmung auf die Bauzone gemäss dem vom Regierungsrat genehmigten Zonenplan aufdrängen, und zwar unabhängig davon, ob die umstrittenen ausgezonten Flächen einer kommunalen oder einer kantonalen Landwirtschaftszone zugewiesen werden.
Wenn der Kanton sich bei der Festsetzung der Landwirtschaftszone in Übereinstimmung mit dem im Gange befindlichen Meliorationsverfahren an die bisherige Bauzonengrenze gehalten hat, so ist dies verständlich. Ebenfalls einleuchtend sind seine Überlegungen, die im umstrittenen Bereich zwischen den von der Auszonung betroffenen Eigentümern und der mit der Durchführung der Melioration beauftragten Schweizerischen Vereinigung für Industrie und Landwirtschaft möglicherweise laufenden Bemühungen, auf gütlichem Wege eine Verständigung herbeizuführen, nicht durch eine kantonale Landwirtschaftszone gefährden zu wollen. Jedenfalls handelt es sich dabei nicht um sachfremde Erwägungen. Wie das Bundesgericht bereits in der Sache Hombrechtikon (
BGE 112 Ia 281
) festgestellt hat, sind die mit den örtlichen und persönlichen Verhältnissen vertrauten Behörden der Gemeinde oft besser in der Lage, bei Parzellarordnungsmassnahmen eine Verständigung herbeizuführen. Auch kommt für den Kanton einzig die Festsetzung einer Landwirtschaftszone in Betracht, während die Gemeinde über die breitere Palette der Ortsplanungsmassnahmen verfügt.
c) Unter diesen Umständen ist der Beschluss des Regierungsrates hinsichtlich der bei Winikon umstrittenen Flächen grundsätzlich nicht als willkürlich zu bezeichnen. Hingegen ist es unhaltbar, wenn der Regierungsrat von der Gemeinde vorbehaltlos verlangt, von den betroffenen Eigentümern Erklärungen über den Verzicht von Forderungen gegenüber dem Staat beizubringen. Gewiss zählen
BGE 113 Ia 192 S. 197
auch finanzielle Erwägungen zu den bei der Ortsplanung sowie der Raumplanung im allgemeinen zu berücksichtigenden Gesichtspunkten, doch geht es nicht an, der Entschädigungsfrage gegenüber den übrigen für die Planung massgebenden Grundsätzen (
Art. 1 und 3 RPG
) ohne nähere Prüfung einen derart absoluten Vorrang zuzubilligen, wie dies gemäss dem angefochtenen Beschluss getan wurde.
Der Regierungsrat hat sich im Beschwerdeverfahren grundsätzlich bereit erklärt, kantonale Landwirtschaftszonen festzusetzen, sofern die Gemeinden die verlangten Erklärungen vorlege. Er bringt damit zum Ausdruck, dass die Landwirtschaftszone, deren Festsetzung gemäss
§ 38 PBG
primär ihm obliegt, planerisch sachgerecht wäre. Der Augenschein hat dies bestätigt, da sich die bisherige schematische Bauzonenbegrenzung, der die kantonale Landwirtschaftszone nun folgt, nicht mit planerischen Erwägungen im Sinne der heutigen Anforderungen rechtfertigen lässt. Die Begrenzung der Landwirtschaftszone ist vielmehr als willkürlich zu bezeichnen. Es ist zwar haltbar, die Gemeinde anzuweisen, bei den ausgezonten Flächen - wenn möglich in Verständigung mit den Eigentümern und in Abstimmung mit dem Meliorationsverfahren - eine sachgerechte Abgrenzung der kommunalen Zonen von der vom Kanton festzusetzenden Landwirtschaftszone vorzunehmen. Doch ist es geradezu unhaltbar, die sich aufdrängende Anpassung der kantonalen Landwirtschaftszone von einer Erklärung der Grundeigentümer über den Verzicht auf Entschädigungsforderungen gegenüber dem Staat abhängig zu machen. Der Kanton hat vielmehr seiner Planungspflicht (
Art. 2 RPG
;
§
§ 8 ff. PBG
) in gleicher Weise wie die Gemeinden nachzukommen. Weil der Staat die primär ihm obliegende Festsetzung der Landwirtschaftszone allein mit Berufung auf die fehlenden Verzichtserklärungen ablehnt, ist die staatsrechtliche Beschwerde, soweit sie das Gebiet Winikon betrifft, im Sinne der Erwägungen gutzuheissen.
5.
Das bisher keiner Zone zugewiesene Gebiet Langweid liegt, wie der Augenschein bestätigt hat, teils im Anordnungsspielraum, teils im Landwirtschaftsgebiet. Es ist auf drei Seiten von Wald, welcher der eidgenössischen Forstgesetzgebung untersteht, umgeben. Im Süden grenzt es an eine mit einem Schulhaus überbaute Zone für öffentliche Bauten und Anlagen sowie an die Wohnzone für zweigeschossige Überbauung an. Die von der Wohnzone herkommende, dem Wald und der Langweid entlang gezogene Strasse
BGE 113 Ia 192 S. 198
führt zu der mit einem Zeughaus überbauten Zone für öffentliche Bauten und Anlagen.
Die Langweid ist somit ein von Wald und kommunalen Zonen begrenztes Areal, dessen Einbezug in eine kommunale Zone sich aufdrängt. Eine kantonale Landwirtschaftszone wäre als nicht sachgerecht zu bezeichnen. Ihrer Lage und Grösse entsprechend zählt die Langweid zum Siedlungsgebiet von Uster, über deren ortsplanerische Behandlung richtigerweise die Gemeinde zu entscheiden hat. Es liegt dies übrigens in ihrem Interesse, bleibt ihr doch damit auch auf weite Sicht ihre Entscheidungsfreiheit gewahrt. Damit ist für das vor der Baurekurskommission III des Kantons Zürich hängige Rekursverfahren nichts präjudiziert, so dass sich eine Sistierung des Bundesgerichtsverfahrens für das Gebiet Langweid nicht aufdrängte. Die Beschwerde ist somit hinsichtlich der Langweid abzuweisen.
6.
Beim Hegetsberg handelt es sich, wie der Augenschein bestätigt hat, um eine Aussichtslage. Sie ist im Siedlungs- und Landschaftsplan der Region Oberland als Aussichtspunkt gekennzeichnet, was der gegebenen topographischen Lage insofern nicht gerecht wird, als es nicht etwa um eine markante Erhöhung geht. Es handelt sich vielmehr um eine der Höhenkurve von 523 m entlang verlaufende, leicht geneigte Fläche, die zum nördlich gelegenen, 527 m hohen Wald des Forhölzli leicht ansteigt, von dem sie in südöstlicher Richtung zum Pfisterberg abfällt (520,9 m). Im Bericht zum regionalen Gesamtplan Oberland wird der Hegetsberg richtigerweise als Aussichtslage bezeichnet. In Hanglage unterhalb 520 m schliesst das der Landhauszone zugewiesene Wohngebiet an, wobei dieses mit grüner Schraffur als empfindliches Gebiet gekennzeichnet ist. Die Stadt Uster hat mit Bauhöhenbeschränkungen die ungehinderte Aussicht von der heute landwirtschaftlich genutzten Fläche des Hegetsberges sichergestellt. Dass diese Aussicht schutzwürdig ist, hat das Bundesgericht bereits mit Entscheid vom 22. Dezember 1978 betreffend Anordnung einer Planungszone festgestellt.
a) Das umstrittene Gebiet liegt gemäss dem kantonalen und regionalen Richtplan im Anordnungsspielraum, über den in der Nutzungsplanung sowohl die Gemeinde als auch der Kanton nach sachgerechten Erwägungen verfügen können. Die kantonale Landwirtschaftszone folgt der früheren Bauzonengrenze, welche die umstrittene Fläche der Landhauszone zuwies. Sie stimmt mit dem Verlauf bestehender Flurwege überein.
BGE 113 Ia 192 S. 199
Die Stadt Uster ist der Meinung, der Kanton habe gemäss
§ 211 PBG
zur Sicherung der Aussichtslage kantonale Schutzmassnahmen anzuordnen und demgemäss eine Nutzungszone bis zur Grenze der kommunalen Landhauszone festzusetzen. Sie vermöchte mit diesem Begehren nur durchzudringen, wenn das Planungs- und Baugesetz dem Kanton die Planungspflicht derart eindeutig zuweisen würde, dass die entgegenstehende Auffassung des Kantons als schlechterdings unhaltbar zu bezeichnen wäre.
b) Aus dem kantonalen Gesamtplan ergibt sich die Planungspflicht des Kantons nicht. Die Stadt Uster macht dies auch nicht geltend. Sie beruft sich vielmehr auf den im regionalen Richtplan Oberland eingetragenen Aussichtspunkt.
Der Beschwerdeführerin ist insoweit zuzustimmen, als sich aus der Bezeichnung eines Aussichtspunktes oberhalb des im Plan angegebenen Höhenpunktes von 520,9 m die regionale Bedeutung der Aussicht ergibt, doch kann dem entsprechenden Hinweis kaum eine verpflichtende Anweisung an den Kanton entnommen werden, die gesamte ausgedehnte, sich auf eine Länge von über 500 m erstreckende Fläche einer kantonalen Nutzungszone zuzuweisen, auch wenn berücksichtigt wird, dass im Bericht zum regionalen Richtplan von einer Aussichtslage gesprochen wird.
c) Aus der mit
§ 211 PBG
begründeten Zuständigkeit der Baudirektion, mit Planungsmassnahmen (
§ 205 PBG
) die Objekte zu schützen, denen über den Gemeindebann hinausgehende Bedeutung zukommt, kann ebenfalls eine solche Verpflichtung nicht zwingend hergeleitet werden. Auch wenn diese Vorschrift anordnet, "die Baudirektion trifft die Schutzmassnahmen...", so ergibt sich hieraus bei einer Aussichtslage weder das Ausmass des Schutzes, noch kann aus ihr der Ausschluss der Kompetenz der Gemeinde, im Rahmen der Ortsplanung geeignete Anordnungen zu treffen, hergeleitet werden.
Gemäss
§ 75 PBG
ist der Aussichtsschutz, der in der kommenden Bau- und Zonenordnung getroffen werden kann, umfassend. Auch innerhalb der Siedlungsgebiete gibt es - wie der Richtplan Oberland bestätigt - Aussichtspunkte von regionaler Bedeutung, die mit Massnahmen der Ortsplanung geschützt werden.
d) Bei dieser Sach- und Rechtslage ist die Auffassung des Kantons, die Gemeinde habe mit kommunalen Planungsmitteln die Aussichtslage Hegetsberg zu schützen, mit guten Gründen vertretbar. Zwar weckt die Auffassung der Vertreter der Baudirektion, eine begrenzte Überbauung mit Sicherung von Durchblicken wäre
BGE 113 Ia 192 S. 200
möglich, Bedenken. Der Augenschein hat gezeigt, dass die umstrittene Fläche zusammen mit dem angrenzenden Landwirtschaftsgebiet eine Einheit darstellt. Das prägende Bild der grosszügigen Weite, welche die Aussichtslage mit Blick auf die Stadt Uster und die anschliessenden mehrfachen Gebirgskulissen vom Pfannenstiel über die Voralpen bis zu den Weggitaleralpen vermittelt, ginge verloren.
Doch ändert diese Feststellung nichts daran, dass der Kanton es ohne Willkür als Sache der Gemeinde bezeichnen durfte, die zum Schutze nötigen Anordnungen zu treffen. Hiefür spricht auch, dass es der Gemeinde zweifellos möglich ist, im Interesse ihrer Bewohner differenziertere Anordnungen zu treffen, als dies dem Kanton möglich wäre. In Frage käme etwa die Festsetzung einer kommunalen Landwirtschaftszone gemäss
§ 38 Satz 2 PBG
, welche den der Nutzung entsprechenden Zusammenhang mit der kantonalen Landwirtschaftszone herstellen würde. Die landwirtschaftliche Nutzung zählt zu dem die Landschaft prägenden Bild. Die Stadt könnte auch - allenfalls zu einem späteren Zeitpunkt - teilweise eine Freihaltezone anordnen, welche an geeigneter Stelle für die Erholung der Bevölkerung als Anlage zum Genuss der Aussicht ausgestaltet würde. Jedenfalls spricht die grössere Freiheit, über welche die städtischen Behörden bei Anerkennung der kommunalen Kompetenz verfügen, für die vom Regierungsrat getroffene Anordnung. | public_law | nan | de | 1,987 | CH_BGE | CH_BGE_002 | CH | Federation |
c35a19e7-2f96-4a73-a17d-af4de8b18654 | Urteilskopf
111 II 223
45. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 24. Oktober 1985 i.S. S. gegen S. und Justizkommission des Kantons Zug (staatsrechtliche Beschwerde) | Regeste
Die Kinderzuteilung als vorsorgliche Massnahme im Scheidungsprozess (
Art. 145 ZGB
).
Für die Dauer des Scheidungsverfahrens sind die Kinder in der Regel demjenigen Elternteil zuzusprechen, der in der Lage ist, sie weitgehend persönlich und in der bisherigen Umgebung zu betreuen. In diesem Verfahrensstadium ist noch nicht abzuklären, bei welchem Elternteil das Recht der Kinder auf optimale Fürsorge und Erziehung für die Zukunft besser gewährleistet sei. | Erwägungen
ab Seite 223
BGE 111 II 223 S. 223
Aus den Erwägungen:
3.
Die Justizkommission ist zutreffenderweise vom entscheidenden Kriterium des Kindeswohls ausgegangen, das es bei der Zuteilung der Kinder an den einen Elternteil im gesamten Verfahren auf Scheidung oder Trennung einer Ehe zu wahren gilt. Ist aber vorerst nur die Frage zu entscheiden, welchem Elternteil die Kinder
BGE 111 II 223 S. 224
während der Dauer des Scheidungsverfahrens überlassen werden sollen, gilt der Grundsatz, dass derjenige Elternteil den Vorzug verdient, der in der Lage ist, die Kinder - ohne dass diese gefährdet werden - weitgehend persönlich und in der bisherigen Umgebung zu betreuen. Es darf nicht übersehen werden, dass das Verfahren nach
Art. 145 ZGB
lediglich summarisch ist und der Richter in aller Regel noch nicht die nötigen Abklärungen getroffen hat, um definitiv beurteilen zu können, welchem Elternteil im Scheidungsurteil bei der Kinderzuteilung der Vorzug gegeben werden müsse (vgl.
BGE 101 II 202
E. 2). Die Verfügung des Massnahmerichters hat nur vorläufigen Charakter und darf den endgültigen Entscheid des Sachrichters nicht vorwegnehmen. Dieser Gesichtspunkt muss im Hinblick auf die Tendenz der neueren Rechtsprechung, der Stabilität der Verhältnisse bei der definitiven Kinderzuteilung grösseres Gewicht beizumessen (HAUSHEER, Die Zuteilung der elterlichen Gewalt im Scheidungsverfahren nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichts, ZVW 38 (1983) S. 126 ff.), wieder hervorgehoben werden. Bei zu starker Betonung des Grundsatzes der Stabilität bereits im Massnahmeverfahren besteht die Gefahr, dass dieser vorläufigen Regelung präjudizielle Wirkung für die endgültige Zuteilung der Kinder im Scheidungsurteil zukommt und dass der Kampf um die Kinder in dieses Stadium des Verfahrens vorverlegt wird.
Dem Massnahmerichter stellt sich vielmehr nur die Frage, ob die Kinder für die Zeit des Scheidungsverfahrens besser bei der Mutter oder beim Vater aufgehoben sind und ob die vorläufige Zuteilung an den einen oder andern Elternteil grössere Gewähr dafür biete, dass die Kinder während der Dauer des Prozesses in ihrer angestammten Umgebung verbleiben können. Es darf nicht ausser Betracht bleiben, dass die Obhut immerhin einem der beiden den Kindern vertrauten Elternteile übertragen wird. Der Richter hat daher aufgrund von
Art. 145 ZGB
auch zu entscheiden, welcher Gatte während des Scheidungsprozesses mit den Kindern in der ehelichen Wohnung verbleiben darf. In diesem Verfahrensstadium ist noch keineswegs abzuklären, bei welchem Elternteil unter den gegebenen Verhältnissen das Recht der Kinder auf optimale Fürsorge und Erziehung für die Zukunft besser gewährleistet sei. Diese Frage ist erst im endgültigen Urteil zu beantworten. | public_law | nan | de | 1,985 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
c35bc367-88ef-47c3-9cff-701301626bf5 | Urteilskopf
94 I 102
17. Sentenza del 28 febbraio 1968 nella causa Z. contro Consiglio di Stato del Cantone Ticino. | Regeste
Art. 87 und 88 OG
;
Art. 4 BV
;
Art. 9 Abs. 2 lit. b A NAG
.
1. Der Ausländer kann gegen den Widerruf der Aufenthaltsbewilligung staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung des
Art. 4 BV
führen (Bestätigung der neusten Rechtsprechung) (Erw. 1).
2. Unzulässigkeit neuer Vorbringen bei der staatsrechtlichen Beschwerde, welche die Erschöpfung des kantonalen Instanzenzugs voraussetzt. Ausnahmen von diesem Grundsatz: wann darf die Behörde neue Gesichtspunkte heranziehen, um ihren Entscheid zu stützen? Schranken dieser Möglichkeit (Erw. 3).
3. Die Behörde, welche dem Rechtsuchenden erschwerende Umstände zur Last legt, muss ihm Gelegenheit geben, sich auch dazu zu äussern (Erw. 5).
4. Polizeiliche Massnahmen müssen dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit entsprechen (Erw. 6). | Sachverhalt
ab Seite 103
BGE 94 I 102 S. 103
Ritenuto in fatto:
A.-
Il 21 dicembre 1966 l'Ufficio degli stranieri del Cantone Ticino rilasciò al cittadino italiano Z., nato l'11 aprile 1941, celibe, residente ad A. un permesso di dimora valido sino al 17 dicembre 1967, affinchè si occupasse quale muratore presso una impresa edile. Il permesso di dimora sostituiva quello quale lavoratore stagionale, a'sensi dell'art. 12 cifra 1 dell'Accordo fra la Svizzera e l'Italia relativo all'emigrazione dei lavoratori italiani in Svizzera del 10 agosto 1964, in vigore dal 22 aprile 1965 (RU 1965, p. 400 e segg.).
B.-
Il 16 maggio 1967 X. si rivolse all'Ufficio cantonale degli stranieri, chiedendo l'adozione di immediati provvedimenti contro Z., che accusava di intrattenere una relazione adulterina con la propria moglie, madre di cinque figli.
BGE 94 I 102 S. 104
Il 15 giugno 1967 Z. fu convocato dalla polizia. Ammise spontaneamente la relazione, che dichiarò però di aver rotto da oltre dieci giorni. Promise che avrebbe respinto ogni tentativo che la donna avesse fatto per riannodarla.
C.-
Il 27 giugno 1967 l'Ufficio cantonale degli stranieri revocava il permesso, con la motivazione che il ricorrente aveva intrattenuto una pervicace relazione con una donna sposata, madre di cinque figli, creando un gravissimo turbamento nella famiglia e provocando l'abbandono del tetto coniugale da parte dell'amante.
Contro quella decisione Z. ricorse, il 6 luglio 1967, al Dipartimento di polizia del Cantone Ticino. Fece valere di aver allacciato la relazione ignorando che l'amante fosse coniugata; di averla voluta troncare, dopo aver appreso tale circostanza; di averla finalmente troncata al momento in cui apprese del dissidio insorto tra i coniugi e prima che la donna lasciasse il tetto coniugale, rifiutando di riprenderla nonostante le insistenze della amante. A tal proposito produsse dichiarazioni testimoniali. Osservò inoltre che la relazione non aveva dato origine ad alcuna procedura giudiziaria tra i coniugi, e che la misura presa nei suoi confronti lo ledeva gravemente e non appariva adeguata alle circostanze.
D.-
Con del decisione 18 luglio 1967 il Dipartimento respingeva il ricorso, prorogando dal 10 al 31 luglio il termine per l'abbandono del territorio cantonale. Nei motivi il Dipartimento sottolineava la gravità della tresca, causa del profondo turbamento delle relazioni tra i coniugi e l'abbandono del tetto coniugale. Riteneva che l'allontanamento dello Z. si imponeva anche per ragioni di ordine pubblico, il marito della donna essendo in istato di estrema esasperazione ed avendo proferito minacce gravissime contro il ricorrente.
E.-
Z. ricorse al Consiglio di Stato, riproponendo le ragioni del precedente gravame. Produsse una dichiarazione rilasciata dalla signora in questione al suo legale. In essa, la donna conferma che, all'inizio della relazione, Z. ignorava lo stato coniugale dell'amante, tra l'altro perchè questa non portava, per un eczema alle mani, la fede nuziale; che la relazione venne immediatamente troncata, non appena il marito scoprì l'adulterio; che, dopo l'avvenuta riconciliazione dei coniugi, l'abbandono del tetto coniugale fu improvvisamente imposto dal marito, sobillato da terze persone.
BGE 94 I 102 S. 105
Il ricorso fu sottoposto a X. per osservazioni ed eventuali nuove adduzioni. Questi contestò l'esposizione del ricorrente; aggiunse che gli amanti, scoperti, si erano avvalsi della minorenne M. per stabilire i loro convegni. Confermò che l'abbandono del tetto coniugale da parte della donna fu dovuto unicamente all'infatuazione di questa per Z.
F.-
Con decisione 10 ottobre 1967 il Consiglio di Stato respinse il ricorso, prorogando al 31 ottobre il termine di partenza. Sui motivi, ove occorra, si tornerà in appresso.
G.-
Con tempestivo ricorso di diritto pubblico per violazione dell'art. 4 CF, Z. chiede al Tribunale federale di annullare l'impugnata risoluzione e di rinviare gli atti al Consiglio di Stato per regolare istruttoria e nuova decisione.
Il ricorrente fa valere che il Consiglio di Stato avrebbe violato l'art. 18 della Legge di procedura per le cause amministrative (LPCA) che fa obbligo all'autorità di accertare d'ufficio i fatti. L'impugnata misura, secondo il ricorrente, non sarebbe stata preceduta da regolare istruttoria, non potendosi considerare valido atto istruttorio la richiesta di osservazioni al marito denunciante, il quale, secondo l'indicazione della stessa autorità, si trova in uno stato di estrema esasperazione. Inoltre il Consiglio di Stato avrebbe violato il diritto di essere sentito del ricorrente, fondando tra l'altro la sua decisione sulla circostanza, non contestata al ricorrente, per cui gli amanti si sarebbero avvalsi della figlia sedicenne della signora X. come intermediaria dei loro incontri.
Infine, il Consiglio di Stato avrebbe ammesso fatti in contrasto con gli atti.
H.-
Il Consiglio di Stato propone la reiezione del ricorso. Con le osservazioni produce una ulteriore inchiesta fatta esperire dagli organi di polizia.
Per questo motivo è stata concessa al ricorrente la facoltà di replicare. Egli conferma le conclusioni ricorsuali.
Erwägungen
Considerando in diritto:
1.
Secondo la giurisprudenza inaugurata dal Tribunale federale con la sentenza del 3 febbraio 1967 nella causa X. c. Zurigo (ZBl. 68/1967, p. 376 e segg.) e confermata il 15 marzo dello stesso anno con la sentenza pubblicata in RU 93 I 1 e segg., lo straniero può interporre un ricorso di diritto pubblico per violazione dell'art. 4 CF contro la decisione di revoca del
BGE 94 I 102 S. 106
permesso di dimora. Il Tribunale federale ha infatti precisato che la sfera di validità dell'art. 4 CF - il quale vincola non solo il giudice e l'amministrazione, ma anche il legislatore - non è limitata nè dal profilo oggettivo nè da quelle personale. In realtà, dal tenore di simile disposizione costituzionale, che par la dell'eguaglianza degli "Svizzeri" davanti alla legge, non si può senz'altro dedurre ch'essa si riferisce soltanto ai rapporti fra lo Stato e i suoi propri cittadini. Anzi, già la circostanza che lo Stato di diritto non può limitare ad una parte sola dei suoi soggetti la validità del principio per lui basilare dell'eguaglianza davanti alla legge e del conseguente divieto del diniego di giustizia materiale e formale, induce ad intendere sotto il termine "Svizzero", usato nell'art. 4 CF, l'individuo come tale. Anche lo straniero beneficia quindi della protezione di tale norma costituzionale, e può pertanto, di massima, interporre un ricorso di diritto pubblico contro la decisione cantonale d'ultima istanza che gliela nega. Naturalmente, perchè possa presentare un ricorso di tale natura, lo straniero deve dimostrare d'essere stato colpito dall'atto dell'autorità nella sua posizione giuridica e d'avere sofferto, in siffatta posizione, un pregiudizio materiale (e di regola anche attuale) (
art. 88 OG
). Il Tribunale federale ha già statuito che è leso nei suoi interessi giuridicamente protetti ai sensi dell'
art. 88 OG
lo straniero che si vede revocato, prima del termine, il permesso di dimora, o che se lo vede rifiutato in violazione di norme essenziali di procedura (RU 93 I 5).
Dato quanto precede, la censurata revoca del permesso di dimora poteva di conseguenza essere impugnata mediante il presente ricorso di diritto pubblico per violazione dell'art. 4 CF.
Vero è che, frattanto, il permesso in discussione è venuto a scadere (precisamente, il 17 dicembre 1967). Tuttavia, siccome il ricorrente risiede in Svizzera da oltre 5 anni, egli avrebbe in linea di principio il diritto di ottenere il rinnovo del permesso di dimora (art. 11 cpv. 1 lett. a del citato accordo tra la Svizzera e l'Italia), se la decisione di revoca dovesse cadere. L'interesse del ricorrente all'annullamento del provvedimento impugnato è quindi anche attuale (ZBl. 68/1967, p. 379, lett. c).
Il presente gravame è pertanto ricevibile.
2.
Il ricorso di diritto pubblico per violazione dell'art. 4 CF ha in genere funzione meramente cassatoria. In quanto chiede al Tribunale federale di rinviare gli atti al Consiglio di Stato per nuova istruttoria e decisione il ricorso è irricevibile.
BGE 94 I 102 S. 107
3.
Il Consiglio di Stato ha, con le proprie osservazioni, prodotto un'inchiesta che ha fatto esperire dal Dipartimento cantonale di polizia posteriormente all'impugnata decisione. Tale istruttoria è stata, almeno su taluni punti, postulata dallo stesso legale del ricorrente, il quale, in una lettera del 6 novembre 1967 all'Ufficio degli stranieri, precisava che il suo cliente avrebbe gradito "un'inchiesta intesa a controllare la veridicità delle sue asserzioni e la totale infondatezza della dichiarazione... di X.". Il Consiglio di Stato, comunque, nelle sue osservazioni, dichiara di averla ordinata a titolo abbondanziale, per puro scrupolo di giustizia.
Questo documento è nuovo. Si pone pertanto il quesito a sapere se la sua produzione sia ammissibile.
I ricorsi di diritto pubblico che, come quelli fondati sull'art. 4 CF, presuppongono l'esaurimento delle istanze cantonali (art. 86 cpv. 2 OG e
art. 87 OG
) sono, secondo la giurisprudenza costante (RU 73 I 112, 87 I 99 consid. 2 e rinvii) decisi sulla scorta degli atti cantonali. Solo a titolo eccezionale è pertanto concesso al ricorrente di fondare il proprio gravame su adduzioni di fatto e di diritto nuove (BIRCHMEIER, Bundesrechtspflege, p. 391/92; BONNARD, Problèmes relatifs au recours de droit public ZSR 1962 II p. 471 n. 62, e le sentenze citate da questi autori; cfr. inoltre la sentenza inedita del 29 maggio 1963, nella causa Maurer c. Hartmann e San Gallo). Codesto divieto, in linea di massima, non vale però nella stessa misura per la parte intimata e per l'autorità cantonale: e questo perchè il Tribunale federale prescinde dal cassare una decisione basata su motivi insostenibili, se a conforto della stessa può esser addotta un'altra motivazione che resista alla censura d'arbitrio (RU 77 I 46 consid. 3). Nella già citata sentenza Maurer, il diritto dell'autorità di invocare nuovi argomenti di fatto e di diritto fu comunque limitato alla risposta, escluso invece nella procedura di ulteriore scambio di allegati a'sensi dell'art. 93 cpv. 3 OG.
Un'ulteriore limitazione a codesta facoltà dell'autorità cantonale fu stabilita nella recente sentenza Marmorex c. Tribunale di appello del Cantone Ticino, del 20 dicembre 1967. In quell'occasione, il Tribunale federale dichiarò che l'autorità cantonale non può invocare, a difesa della propria decisione, una circostanza di fatto nuova che costituisce l'opposto della fattispecie ritenuta nella decisione impugnata.
Un'analoga limitazione alla facoltà riconosciuta all'autorità
BGE 94 I 102 S. 108
cantonale di addurre nuovi fatti dev'essere ammessa nei casi in cui, come nel presente, il ricorrente addebita all'autorità cantonale violazioni di procedura che, se fondate, costituiscono non soltanto un arbitrio, ma sfociano necessariamente in un diniego di giustizia formale e, particolarmente, nella violazione del diritto di essere sentito. Adottando una diversa soluzione, si permetterebbe all'autorità cantonale di rimediare a posteriori a viziche, costituendoviolazione deldiritto d'esser sentito, debbono condurre all'annullamento del provvedimento impugnato, e si renderebbe così illusoria la tutela offerta al cittadino dall'art. 4 CF.
Vero è che il Tribunale federale, in materia di violazione del diritto di essere sentito, rinuncia a cassare la decisione, quando all'interessato, non sentito in prima istanza, è stata data la possibilità di esprimersi in sede di ricorso davanti ad un'istanza cui compete il libero esame del fatto e del diritto (RU 46 I 327
;
76 I 180
;
87 I 340
). Ma tale ipotesi non si verifica nella fattispecie, l'inchiesta esperita dal Consiglio di Stato, con audizione del ricorrente, essendo avvenuta dopo l'adozione della misura impugnata.
Si deve quindi concludere che, nel caso in esame, la produzione dell'inchiesta suppletoria, ordinata dal Consiglio di Stato dopo l'adozione del provvedimento impugnato, deve essere dichiarata inammissibile.
4.
Ciò premesso, occorre esaminare se l'impugnato provvedimento, sulla scorta degli atti anteriori alla sua definitiva adozione da parte del Consiglio di Stato, resiste alle censure sollevate dal ricorrente.
Il ricorrente rimprovera anzitutto al Consiglio di Stato di aver deciso senza accertare d'ufficio i fatti e senza aver esperito a tal fine una regolare istruttoria, come disposto dall'art. 18 della legge cantonale di procedura per le cause amministrative, del 19 aprile 1966 (LPCA). Che nessuna istruttoria abbia avuto luogo, come pretende il ricorrente, non corrisponde al vero.
Costituisce intanto valido atto istruttorio l'audizione del ricorrente operata il 15 giugno 1967 dagli organi di polizia; parimenti è atto istruttorio l'audizione del denunciante, chiamato a presentare osservazioni al ricorso di Z. al Consiglio di Stato, nonchè l'acquisizione agli atti di causa dello scritto inviato da X. l'l 1 giugno 1967 all'autorità cantonale di vigilanza sulle tutele. Che il marito tradito avesse veste di denunciante
BGE 94 I 102 S. 109
e si trovasse in uno stato di esasperazione non è circostanza che impedisse all'autorità, tenuta a valutare le prove secondo il proprio prudente criterio, di raccogliere la versione dei fatti di quest'ultimo.
La censura è pertanto infondata.
5.
Secondo il ricorrente, l'impugnata decisione sarebbe basata anche sulla circostanza che gli amanti si sarebbero serviti della figlia sedicenne della signora X. per stabilire i loro appuntamenti. E'esatto che codesta circostanza non fu mai contestata al ricorrente prima della decisione del Consiglio di Stato.
Certo, nel contesto della motivazione, essa è addotta unicamente quale prova del fatto che il ricorrente conosceva lo stato coniugale dell'amante. Ma, occorre rilevare, tale circostanza non aveva affatto bisogno di essere provata: il ricorrente ha sempre ammesso di aver appreso, in ogni caso poco dopo l'inizio della relazione, che l'amante era sposata.
La natura del rimprovero fa apparire questo elemento della motivazione come di indubbio rilievo per il giudizio del caso.
Premessa la gravità oggettiva dell'adulterio per la lesione dell'istituto guiridico-sociale ch'esso comporta, l'autorità, nell'applicare l'art. 9 cpv. 2 lett. b della LF sulla dimora e il domicilio degli stranieri, deve prendere in considerazione, evitando ogni schematizzazione, gli elementi soggettivi della colpa, che in ogni caso appaiono diversi (cfr. RU 84 II 33 1 e segg.; RU 93 I 7 e segg.; ZBl 68/1967, p. 380 lett. a). Se, accanto all'adulterio, l'autorità vuol rimproverare all'interessato, ponendole a base della propria decisione, circostanze aggravanti, dev'essere offerta a quest'ultimo la possibilità di esprimersi sull'addebito specifico. Se l'autorità trascura questa misura, essa viola il diritto di essere sentito che discende dall'art. 4 CF, nella stessa maniera in cui commette diniego di giustizia formale omettendo di occuparsi, nella decisione, di una circostanza rilevante per il giudizio (ZBl 68/1967, p. 383 in fine).
Siccome il diritto di essere sentito è di natura formale, la violazione dello stesso comporta la cassazione dell'impugnato provvedimento indipendentemente dalla prova di un interesse da parte del ricorrente, e dalle probabilità di esito favorevole di una nuova decisione del Consiglio di Stato (RU 92 I 264 in alto; ZBl 68/1967, p. 383 in fine).
6.
In tali circostanze, può apparire superfluo esaminare le ulteriori censure mosse dal ricorrente all'impugnato giudizio.
BGE 94 I 102 S. 110
Tuttavia, a titolo abbondanziale, è opportuno rilevare ancora quanto segue:
a) Il ricorrente rimprovera al Consiglio di Stato di aver accertato, in contrasto con gli atti, che allorquando ebbe inizio la relazione, egli sapeva che la donna era sposata, e che questa portava sempre la fede nuziale.
Non si può, a questo proposito, rimproverare all'autorità cantonale un arbitrario uso del potere di apprezzamento delle prove. Sulla scorta degli elementi in suo possesso, il Consiglio di Stato poteva ritenere che il ricorrente fosse al corrente dello stato coniugale della donna e non prestar fede alla dichiarazione da costei resa circa la fede nuziale, sulla quale il marito dà la versione opposta. D'altronde, la circostanza non è di rilievo per il giudizio, poichè il ricorrente stesso ammette di aver comunque appreso poco dopo che la donna era sposata. Ora, secondo la sua stessa ammissione, la relazione continuò ciononostante per due mesi, ossia in ogni caso sino all'inizio di giugno 1967.
b) Il ricorrente rimprovera inoltre al Consiglio di Stato di aver ritenuto, nella sua decisione, che la relazione sia continuata anche oltre l'epoca ammessa dallo Z., e dopo l'intervento della polizia del 15 giugno 1967.
L'impugnata decisione è, su tal punto, per lo meno ambigua: il Consiglio di Stato non si pronuncia, su questa circostanza, in modo chiaro. Dalla parte finale della motivazione si deduce però che l'autorità è partita dalla ipotesi che la tresca sia continuata. La stessa opinione, in forma invero più dubitativa, il Consiglio di Stato adotta nelle sue osservazioni.
Ora, tale circostanza è rilevante. È vero che il Tribunale federale ha già giudicato (ZBl 68/1967, p. 382 lett. a) che il provvedimento di polizia può apparire giustificato anche se la relazione adulterina è già cessata. Ma, poichè la misura di polizia deve conformarsi al principio della proporzionalità, e d'altronde l'autorità è tenuta a motivare esaurientemente la propria decisione (art. 19 cpv. 2 della citata LF sulla dimora e il domicilio degli stranieri, combinato con l'art. 20 cpv. 1 della relativa ordinanza), questo elemento dev'essere chiarito nella decisione, poichè è evidente che le finalità e l'intensità dell'intervento di polizia sono o possono essere diverse, a seconda che si tratti di impedire la relazione illecita, o soltanto di eliminare le conseguenze di una relazione adulterina già cessata.
BGE 94 I 102 S. 111
Omettendo di prendere posizione in modo chiaro su tale punto, il Consiglio di Stato ha violato il diritto di essere sentito del ricorrente, e quindi l'art. 4 CF. Per le stesse ragioni esposte sub 5 l'impugnata decisione deve quindi essere cassata anche sotto questo profilo.
7.
Una corresponsione di ripetibili, data la natura del procedimento, non entra in considerazione (art. 156 cpv. 2 e 159 cpv. 5 OG).
Dispositiv
Il Tribunale federale pronuncia:
Il ricorso, in quanto ricevibile, è accolto nel senso dei considerandi e la decisione impugnata è annullata. | public_law | nan | it | 1,968 | CH_BGE | CH_BGE_001 | CH | Federation |
c35c21e5-1102-4ce0-b58b-d677c429f761 | Urteilskopf
124 III 501
87. Extrait de l'arrêt de la IIe Cour civile du 5 novembre 1998 dans la cause dame M. contre M. (recours de droit public) | Regeste
Art. 81 Abs. 1 SchKG
; Einwendungen bei der definitiven Rechtsöffnung; Einreden des Schuldners bei teilweiser Tilgung der Schuld; Prüfungsbefugnis des Rechtsöffnungsrichters.
Gemäss
Art. 81 Abs. 1 SchKG
kann der Richter nur eng beschränkte Mittel zur Abwehr zulassen, die der Schuldner durch Urkunden zu beweisen hat (E. 3a). Bei teilweiser Tilgung der Schuld kann definitive Rechtsöffnung daher nur für den erloschenen Teil der Schuld verweigert werden; der Schuldner hat durch Urkunden den Grund der teilweisen Tilgung und den entsprechenden Betrag darzulegen, ansonsten definitive Rechtsöffnung für die ganze Schuld zu erteilen ist (E. 3b). Im vorliegenden Fall verletzt der Entscheid, die Rechtsöffnung nicht zu gewähren, diese Grundsätze (E. 3c) und führt darüber hinaus zu einem willkürlichen Ergebnis, indem der Gläubigerin und ihrem Sohn die gestützt auf ein vollstreckbares Urteil geschuldeten Unterhaltsbeiträge vorenthalten werden (E. 3d). | Sachverhalt
ab Seite 502
BGE 124 III 501 S. 502
Dans une convention sous seing privé du 22 novembre 1993, homologuée le 17 décembre de la même année par le Tribunal de première instance de Genève pour valoir ordonnance de mesures protectrices de l'union conjugale, M. a reconnu devoir à son épouse, dame M., par mois et d'avance, à titre de participation à son entretien et à celui, partiel ou total, de leurs deux enfants, la somme de 15'000 fr. A l'époque, les deux enfants, N. et A., étaient déjà majeurs. N. était avocate-stagiaire; elle est devenue depuis lors avocate. A. est étudiant en médecine.
Le 31 mars 1995, l'épouse a confirmé qu'elle acceptait de ne recevoir, pour la période s'étendant du 1er mars au 31 décembre 1995, qu'un montant mensuel de 10'000 fr., renonçant purement et simplement au solde des pensions pour ladite période.
Le 16 octobre 1996, dame M. a fait notifier à M. un commandement de payer les sommes de 30'000 fr. plus intérêt à 5% dès le 1er octobre 1995 et de 150'000 fr. plus intérêt à 5% dès le 1er janvier 1996. Elle indiquait comme titre de la créance: "contributions d'entretien dues pour les mois d'octobre 1995 à octobre 1996 fixées par convention du 22 novembre 1993 et jugement du Tribunal de première instance de Genève du 17 décembre 1993". L'opposition faite à cette poursuite par M. a été levée définitivement par le Président du Tribunal du district de Nyon. Sur recours de M., la Cour des poursuites et faillites du Tribunal cantonal vaudois a réformé cette décision en ce sens que l'opposition au commandement de payer était maintenue.
Dame M. a formé un recours de droit public pour violation de l'interdiction de l'arbitraire prévue à l'
art. 4 Cst.
Le Tribunal fédéral a admis son recours et annulé l'arrêt de la Cour cantonale.
BGE 124 III 501 S. 503
Erwägungen
Extrait des considérants:
3.
La recourante fait valoir que les juges cantonaux ont outrepassé de manière arbitraire le pouvoir de cognition accordé au juge de la mainlevée dans le cadre de l'
art. 81 al. 1 LP
. Leur décision aboutirait en outre à un résultat choquant.
a) En vertu de l'
art. 81 al. 1 LP
, lorsque la poursuite est fondée sur un jugement exécutoire d'un canton, le juge ordonne la mainlevée définitive de l'opposition, à moins que l'opposant ne prouve par titre que la dette a été éteinte ou qu'il a obtenu un sursis, postérieurement au jugement, ou qu'il ne se prévale de la prescription.
Dans la procédure de mainlevée définitive, le juge n'a ni à revoir ni à interpréter le titre de mainlevée qui lui est produit (
ATF 113 III 6
consid. 1b p. 9/10; GILLIÉRON, Poursuite pour dettes, faillite et concordat, 3e éd., Lausanne 1993, p. 144). La loi elle-même (
art. 81 al. 1 LP
) imposant au débiteur le fardeau de la preuve et fixant le mode de preuve, le juge ne peut admettre que les moyens de défense du débiteur - étroitement limités (
ATF 115 III 97
consid. 4 p. 100) - que celui-ci prouve par titre. A la différence de ce qui se passe pour la mainlevée provisoire (
art. 82 al. 2 LP
), il ne suffit donc pas d'invoquer la vraisemblance du paiement: le titre de mainlevée au sens de l'
art. 81 al. 1 LP
créant la présomption que la dette existe, cette présomption ne peut être renversée que par la preuve stricte du contraire (
ATF 104 Ia 14
consid. 2 p. 15). Par ailleurs, il n'appartient pas au juge saisi d'une requête de mainlevée définitive de trancher des questions de droit matériel délicates ou pour la solution desquelles le pouvoir d'appréciation joue un rôle important, la décision sur de telles questions étant réservée au juge du fond; il en va de même de la question de savoir si le comportement du créancier constitue un abus de droit et viole les règles de la bonne foi (
ATF 115 III 97
consid. 4b in fine, p. 101;
ATF 113 III 82
consid. 2c p. 86).
b) L'extinction de la dette - moyen de défense invoqué ici par le débiteur - peut intervenir non seulement par paiement, remise de dette, compensation ou accomplissement d'une condition résolutoire, mais aussi en vertu de toute autre cause de droit civil (JAEGER/WALDER/KULL/KOTTMANN, SchKG, 4e éd., n. 6 ad art. 81, p. 357; DIETER GESSLER, Scheidungsurteile als definitive Rechtsöffnungstitel, RSJ 1987, p. 249 et les références à la note 4). On l'a vu, c'est au débiteur qu'il incombe d'établir que la dette est éteinte. En cas d'extinction partielle, le juge ne peut refuser la mainlevée définitive pour la partie éteinte de la dette que si la cause de cette extinction
BGE 124 III 501 S. 504
et le montant correspondant sont établis, à défaut de quoi il doit prononcer la mainlevée définitive à concurrence de l'entier de la dette. Pour empêcher cela, le débiteur doit donc établir par titre à la fois la cause de l'extinction partielle et le montant exact à concurrence duquel la dette est éteinte. Au regard de la loi et de la jurisprudence, il n'incombe ni au juge de la mainlevée ni au créancier de déterminer cette somme.
c) Il est constant, selon l'arrêt attaqué, que la dette d'entretien de l'intimé - fixée globalement, sans clé de répartition entre les trois bénéficiaires - s'est éteinte à l'égard de la fille N. et qu'elle ne subsiste qu'à l'égard de l'épouse et du fils A., encore aux études. Le débiteur n'allègue donc qu'une extinction partielle de sa dette. Mais s'il a bien établi que celle-ci est intervenue en vertu d'une cause de droit civil (
art. 277 al. 2 CC
), sa fille ayant terminé sa formation professionnelle, il n'a, en revanche, ni allégué ni prouvé à concurrence de quel montant sa dette est éteinte, ce que le titre de mainlevée produit - la convention du 22 novembre 1993 homologuée par jugement du 17 décembre 1993 - ne permet pas non plus de déterminer. Le débiteur ayant ainsi échoué dans la preuve qui lui incombait en vertu de l'
art. 81 al. 1 LP
, les juges cantonaux ont violé cette norme en refusant de lever définitivement l'opposition en cause. Leur décision, qui revient à faire supporter les conséquences de l'absence de preuves au créancier en lieu et place du débiteur, s'écarte arbitrairement des critères posés par le législateur.
d) L'arrêt attaqué conduit de surcroît à un résultat arbitraire en ce sens qu'il prive la recourante et son fils de contributions d'entretien dues en vertu d'un jugement exécutoire. La recourante fait valoir à juste titre qu'elle est au bénéfice d'un tel jugement qu'elle ne peut cependant pas faire exécuter, et qu'il n'existe pour elle aucune issue logique et raisonnable: en effet, les parties étant en instance de divorce, comme cela ressort du dossier, la recourante ne peut en l'état ni requérir de nouvelles mesures protectrices ou agir en reconnaissance de dette, dès lors qu'elle est déjà au bénéfice d'une décision exécutoire, ni requérir des mesures provisionnelles à propos de contributions dues pour une période antérieure à la procédure de divorce. | null | nan | fr | 1,998 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
c35fd04f-93f9-4bae-b04f-7de71309db53 | Urteilskopf
126 IV 203
32. Auszug aus dem Urteil der Anklagekammer vom 8. November 2000 i.S. K. gegen Schweizerische Bundesanwaltschaft | Regeste
Art. 344 Ziff. 1 StGB
;
Art. 122 BStP
. Zuständigkeit bei Delegationsstrafsachen.
Mit der Delegation der Bundesstrafsache an einen Kanton geht die Verfahrensherrschaft vollständig an die kantonalen Behörden über (E. 2).
Entschädigungsgesuche nach
Art. 122 BStP
sind - soweit sie sich auf den unter der Verfahrensherrschaft des Bundes abgewickelten Teil der Strafuntersuchung beziehen - trotz des Übergangs der Verfahrensherrschaft vom Bund auf den Kanton an die Anklagekammer des Bundesgerichts zu richten (E. 3). | Sachverhalt
ab Seite 203
BGE 126 IV 203 S. 203
A.-
Die schweizerische Bundesanwaltschaft eröffnete am 11. August 1994 gegen K. und S. im Zusammenhang mit der Beschaffung von EDV-Geräten an der ETHZ ein gerichtspolizeiliches Ermittlungsverfahren, welches in der Folge auf G. ausgedehnt
BGE 126 IV 203 S. 204
wurde. Am 31. August 1994 wurde K. auf Antrag der Bundesanwaltschaft in Untersuchungshaft versetzt, aus welcher er am 8. Dezember 1994 entlassen wurde.
Am 8. September 1994 erstatteten die Firma M. Corporation (USA) und A. gegen K. bei der Bundesanwaltschaft Strafanzeige wegen Betruges, Veruntreuung, qualifizierter ungetreuer Geschäftsführung und betrügerischen Konkurses, worauf diese das Verfahren entsprechend ausdehnte.
Am 28. Oktober 1994 erteilte das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement die Ermächtigung zur Strafverfolgung des ETHZ-Bediensteten S. und des Bundesbeamten G. und vereinigte die weitere Untersuchung und Beurteilung der gesamten Strafsache in der Hand der Strafbehörden des Bundes.
Der Eidgenössische Untersuchungsrichter eröffnete am 4. November 1994 gegen die Beschuldigten eine eidgenössische Voruntersuchung.
Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement vereinigte in Wiedererwägung seiner Verfügung vom 28. Oktober 1994 in Anwendung von
Art. 344 Ziff. 1 StGB
die weitere Untersuchung und Beurteilung der gesamten Strafsache am 22. April 1996 in der Hand der Strafbehörden des Kantons Zürich; dies mit der Begründung, der überwiegende Teil der den Beschuldigten zur Last gelegten strafbaren Handlungen unterliege der kantonalen Gerichtsbarkeit, mit Schwergewicht im Kanton Zürich.
B.-
Die Bezirksanwaltschaft des Kantons Zürich stellte das gegen S. und G. geführte Verfahren am 27. Oktober 1998 vollumfänglich ein. Die Untersuchungskosten wurden zu 5/10 auf die Staatskasse genommen, zu 1/10 S. und zu 2/10 G. auferlegt. Auch die gegen K. geführte Strafuntersuchung wurde eingestellt, soweit diese die Beschaffungsgeschäfte im Zusammenhang mit der ETHZ betraf. Die verbleibenden 2/10 der Untersuchungskosten wurden K. auferlegt. Den Beschuldigten wurde in Anwendung von
§ 43 Abs. 1 StPO
/ZH weder eine Entschädigung noch eine Genugtuung ausgerichtet.
Einen gegen die Einstellung betreffend K. gerichteten Rekurs der Bundesanwaltschaft wies der Einzelrichter am Bezirksgericht Zürich am 29. September 1999 vollumfänglich ab. Diese Einstellungsverfügung ist rechtskräftig.
Der Rekurs der Bundesanwaltschaft betreffend die Untersuchung gegen S. und G. wurde teilweise gutgeheissen, zum grössten Teil aber ebenfalls abgewiesen. Auf die gegen diesen Entscheid erhobenen
BGE 126 IV 203 S. 205
kantonalen Nichtigkeitsbeschwerden trat das Obergericht des Kantons Zürich mit Beschlüssen vom 8. Dezember 1999 nicht ein.
C.-
Mit Verfügung vom 21. Juni 1999 stellte die Bezirksanwaltschaft des Kantons Zürich einen weiteren Teil der Untersuchung gegen K. ein. Die Kosten wurden diesem zu einem Viertel auferlegt; drei Viertel wurden auf die Staatskasse genommen. Eine Umtriebsentschädigung oder Genugtuung wurde nicht zugesprochen. Für den verbleibenden Teil der K. zur Last gelegten strafbaren Handlungen erhob die Bezirksanwaltschaft Zürich Anklage beim Bezirksgericht Zürich wegen betrügerischen Konkurses, Betruges etc.
Am 19. November 1999 verurteilte das Bezirksgericht Zürich K. wegen mehrfacher ungetreuer Geschäftsführung (
Art. 159 Abs. 1 StGB
, teilweise in Verbindung mit Abs. 2 aStGB) zu drei Monaten Gefängnis; an diese Strafe wurde die erstandene Untersuchungshaft von 101 Tagen angerechnet. Von den übrigen Anschuldigungen wurde er freigesprochen. Der Vollzug der Freiheitsstrafe wurde aufgeschoben. Die Kosten der Untersuchung wurden K. vollumfänglich auferlegt; eine Entschädigung wurde ihm nicht zugesprochen.
Ein gegen die Einstellungsverfügung gerichtetes Gesuch um gerichtliche Beurteilung der Kosten- und Entschädigungsfolge wurde durch den Einzelrichter des Bezirksgerichts Zürich am 13. Dezember 1999 teilweise gutgeheissen, indem die teilweise Kostenauflage aufgehoben wurde. Auf die mit dem Gesuch ebenfalls gestellten Begehren um Ausrichtung einer Entschädigung von Fr. 250'000.- und einer Genugtuung von Fr. 112'500.- wurde nicht eingetreten, da die durch die Bundesanwaltschaft angeordnete Untersuchungshaft im Zeitpunkt der Abtretung der Untersuchung - am 8. November 1996 - nicht mehr angedauert habe und K. seit dem 4. November 1994 einen amtlichen Verteidiger gehabt habe. Die Kosten wurden zu zwei Dritteln K. auferlegt, im Übrigen auf die Gerichtskasse genommen.
Einen gegen diesen Entscheid gerichteten Rekurs überwies das Obergericht des Kantons Zürich am 31. März 2000 der II. Strafkammer als Berufungsgericht, da inzwischen sowohl K. als auch die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich gegen das Urteil vom 19. November 1999 Berufung erhoben hatten.
Mit Verfügung vom 30. Mai 2000 bestätigte die Bezirksanwaltschaft des Kantons Zürich die Einstellung der Untersuchungen gegen S. und G. und auch die in der früheren Einstellung
BGE 126 IV 203 S. 206
vom 27. Oktober 1998 verfügte teilweise Auflage der Verfahrenskosten von Fr. 150'444.95. Den Beschuldigten wurde weder eine Umtriebsentschädigung noch eine Genugtuung zugesprochen.
Ein Gesuch von K. um gerichtliche Beurteilung der Kosten- und Entschädigungsfolgen der Einstellungsverfügung vom 30. Mai 2000 ist vor dem Einzelrichter des Bezirksgerichts hängig.
D.-
Mit Eingabe vom 21. August 2000 an die Anklagekammer des Bundesgerichts ersucht K. um "gerichtliche Beurteilung des Kosten- und Entschädigungsentscheides" in der Einstellungsverfügung der Bezirksanwaltschaft des Kantons Zürich vom 30. Mai 2000. Er beantragt, die Ziffern 3 und 4 dieser Verfügung aufzuheben, soweit er durch diese beschwert sei (Ziff. 1); zudem seien die von ihm geleistete Kaution von Fr. 5'000.- samt Zinsen zurückzuerstatten sowie die durch den Eidgenössischen Untersuchungsrichter verfügte Sperre seiner Vermögenswerte bei der Hyposwiss in Zürich aufzuheben (Ziff. 2 und 3); ferner seien ihm eine Entschädigung von mindestens Fr. 900'000.- und eine Genugtuung von mindestens Fr. 450'000.- zuzusprechen (Ziff. 4 und 5). Er beantragt schliesslich, vorab über die Zuständigkeit der Anklagekammer zu entscheiden.
Das Bundesgericht tritt auf das Gesuch nicht ein.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
1.
Das Gesuch wirft die grundsätzliche Frage auf, ob in Fällen wie dem vorliegenden, in welchen die Bundesbehörden eine Strafuntersuchung zwar angehoben, diese dann aber an einen Kanton delegiert haben, dessen Behörden oder die Bundesbehörden zuständig sind, über die Aufhebung einer Einstellungsverfügung, die Freigabe einer Kaution, die Aufhebung einer Kontensperre sowie ein Entschädigungsbegehren im Sinne von
Art. 122 BStP
(SR 312.0) zu befinden.
2.
Der Delegationsbeschluss ist eine Gerichtsstands- und Kompetenzdelegationsverfügung, die die Bundesstrafsache als Ganzes in ihrem vollen Umfang an einen Kanton überträgt; die kantonalen Behörden werden damit anstelle des Bundes zuständig, weshalb dessen Behörden keinen Einfluss mehr auf den Gang der Untersuchung haben (
BGE 119 IV 92
E. 2f S. 99;
BGE 113 IV 104
E. 2b S. 106). Mit der Delegation der Bundesstrafsache an einen Kanton geht somit die Verfahrensherrschaft vollständig an die kantonalen Behörden über.
BGE 126 IV 203 S. 207
a) Soweit der Gesuchsteller deshalb beantragt, die Einstellungsverfügung der Bezirksanwaltschaft des Kantons Zürich vom 30. Mai 2000 aufzuheben, ist darauf nicht einzutreten. Diese ist mit den entsprechenden kantonalen Rechtsmitteln anzufechten, was offensichtlich auch bereits geschehen ist.
b) Halten die kantonalen Strafverfolgungsbehörden durch die Bundesbehörden angeordnete prozessuale Massnahmen nach der Übernahme des Verfahrens weiterhin aufrecht, sind sie auch zuständig, über deren weiteres Schicksal zu befinden. Soweit der Gesuchsteller daher die Rückerstattung der Kaution bzw. die Aufhebung der Kontensperre verlangt, hat er sich dafür an die Behörden des Kantons Zürich zu wenden. Auch auf die Anträge Ziffer 2 und 3 ist deshalb nicht einzutreten.
3.
Soweit ersichtlich, bezieht sich das Gesuch um Entschädigung und Genugtuung gemäss Ziffer 4 und 5 der Anträge auf den Teil des Ermittlungsverfahrens, welcher noch durch die Bundesbehörden geführt wurde, bevor die Strafuntersuchung im April 1996 an den Kanton Zürich delegiert wurde, der sie dann einstellte. Entschädigungsgesuche nach
Art. 122 BStP
sind - soweit sie sich auf den unter der Verfahrensherrschaft des Bundes abgewickelten Teil der Strafuntersuchung beziehen - nach der Rechtsprechung der Anklagekammer trotz des Übergangs der Verfahrensherrschaft vom Bund auf den Kanton an die zuständigen Bundesbehörden zu richten; die Entschädigung für allfällige, in diesem Abschnitt des Verfahrens erlittene Nachteile ist denn auch durch den Bund zu leisten (
Art. 122 BStP
;
BGE 83 IV 207
E. 2 S. 209, unter Hinweis auf
BGE 69 IV 187
; bestätigt im unveröffentlichten BGE vom 7. Dezember 1989 i.S. L. gegen Schweizerische Bundesanwaltschaft). Das Bundesgericht wendet den gleichen Grundsatz auch in Fällen an, in denen die Behörden eines Kantons die Strafverfolgung von einem anderen Kanton übernommen und durch Einstellungsverfügung oder ein freisprechendes Urteil abgeschlossen haben (
BGE 108 Ia 13
E. 4 S. 17, mit Hinweis auf
BGE 69 IV 187
; vgl. auch
BGE 121 IV 34
). Dazu führte das Bundesgericht aus, es liege nahe, dass der für die Anordnung der Zwangsmassnahme verantwortliche Kanton entscheide, ob und inwieweit für deren allfällige nachteilige Folgen nach seinem Recht eine Entschädigung zu zahlen sei; denn es sei schlechterdings nicht ersichtlich, aus welchen Gründen ein Kanton, welcher ein Strafverfahren als Letzter übernommen und zum Abschluss gebracht habe, für die von anderen Kantonen angeordneten und durchgeführten Zwangsmassnahmen verantwortlich sein solle.
BGE 126 IV 203 S. 208
Von dieser geltenden Rechtsprechung geht auch der Einzelrichter des Bezirksgerichts Zürich aus, wo der Fall ebenfalls hängig ist. Er vertritt deshalb zu Recht die Auffassung, das Entschädigungsbegehren des Gesuchstellers sei vollständig und dessen Genugtuungsbegehren zur Hauptsache (d.h. soweit es sich nicht auf das Verfahren nach der Delegation an den Kanton Zürich bezieht) gegenüber dem Bund zu stellen.
Danach ist die Anklagekammer des Bundesgerichts grundsätzlich zur Behandlung des Gesuches um Entschädigung und Genugtuung zuständig.
4.
Der Gesuchsteller betont, dass es ihm darum gehe, die Zuständigkeit eindeutig zu klären. Er substanziiert denn auch seine Begehren um Ausrichtung einer Entschädigung und einer Genugtuung nicht näher. Es wird unter diesen Umständen darauf verzichtet, das vorliegende Gesuch von Amtes wegen gemäss
Art. 122 Abs. 3 BStP
zur vorgängigen Stellungnahme und Antragstellung der Eidgenössischen Untersuchungsrichterin zu überweisen. Der Gesuchsteller wird, sofern er an seinen Anträgen festhalten will, über diese der Anklagekammer des Bundesgerichts ein begründetes Gesuch um Ausrichtung einer Entschädigung für die Untersuchungshaft und andere erlittene Nachteile einzureichen haben. Dabei könnte es sich als zweckmässig erweisen, mit dem Gesuch zuzuwarten, bis die Behörden des Kantons Zürich über die bei ihnen eingereichten Gesuche bzw. über die Anrechnung der ausgestandenen Untersuchungshaft entschieden haben. | null | nan | de | 2,000 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
c36e31b6-8b02-4c9e-af9c-30f1a8b84e48 | Urteilskopf
134 II 1
1. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. A.X. gegen Gesundheitsdepartement des Kantons St. Gallen (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten)
2C_536/2007 vom 25. Februar 2008 | Regeste
Art. 10 Abs. 1 lit. b ANAG
,
Art. 16 Abs. 2 und 3 ANAV
;
Art. 4 und 63 AuG
; Ausweisung eines traditionellen Anschauungen seines heimischen Kulturkreises und seiner Religion verpflichteten Türken.
Voraussetzungen für eine Ausweisung gestützt auf
Art. 10 Abs. 1 lit. b ANAG
(E. 2). Tragweite des Integrationsprinzips. Der Widerruf einer Niederlassungsbewilligung nach neuem Recht bzw. die Ausweisung nach altem Recht sind nur unter qualifizierten Voraussetzungen zulässig (E. 4). Unverhältnismässigkeit der Ausweisung eines der Zwangsverheiratung seiner Tochter verdächtigten Türken, der seit rund 25 Jahren in der Schweiz lebte (E. 5). | Sachverhalt
ab Seite 2
BGE 134 II 1 S. 2
A.X. (geb. 1960) stammt aus der Türkei. Er lebte vom 4. Mai 1980 bis zum 20. Mai 2006 ununterbrochen in der Schweiz. Am 20. November 1983 zog er seine Ehefrau (geb. 1965) nach. Das Ehepaar hat drei hier geborene Töchter. Alle Familienmitglieder verfügen über die Niederlassungsbewilligung. Am 20. Juli 2005 heiratete die Tochter B.X. in der Türkei einen Landsmann, der am 8. April 2006 zu ihr in die Schweiz zog. In der Folge kam es zu einer Auseinandersetzung, welche die Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen am 21. April 2006 veranlasste, gegen die Eltern X. ein Strafverfahren wegen einer vermuteten Zwangsverheiratung der Tochter einzuleiten. Die Ermittlungen gingen davon aus, dass es wegen der Weigerung von B.X., die Ehe zu vollziehen, auch zu einem Ehrenmord hätte kommen können.
Am 18. Mai 2006 wies das Ausländeramt des Kantons St. Gallen A.X. für die Dauer von zehn Jahren aus der Schweiz aus, da sein Verhalten zu schweren Klagen Anlass gegeben habe und er nicht gewillt sei, sich in der Schweiz zu integrieren. A.X. wurde am 20. Mai 2006 umgehend in die Türkei ausgeschafft. Seine Rechtsmittel hiergegen blieben ohne Erfolg: Das Gesundheitsdepartement des Kantons St. Gallen wies seinen Rekurs am 12. Februar 2007 ab; das Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen bestätigte diesen Entscheid auf Beschwerde hin am 29. August 2007. A.X. habe unabhängig davon, dass sich der strafrechtliche Vorwurf, seine Tochter zur Ehe gezwungen zu haben, nicht aufrechterhalten lasse, wiederholt Verhaltensweisen an den Tag gelegt, die mit den in der Schweiz geltenden Grundwerten nicht zu vereinbaren und Beweis für seine fehlende Integration seien.
Das Bundesgericht heisst die hiergegen gerichtete Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gut, hebt den angefochtenen Entscheid auf und stellt fest, dass die Niederlassungsbewilligung von A.X. fortbesteht.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
2.
2.1
Nach
Art. 10 Abs. 1 lit. b ANAG
darf ein Ausländer aus der Schweiz ausgewiesen werden, wenn sein Verhalten im Allgemeinen und seine Handlungen darauf schliessen lassen, dass er nicht
BGE 134 II 1 S. 3
gewillt oder nicht fähig ist, sich in die im Gaststaat geltende Ordnung einzufügen. Dies kann namentlich bei "schweren oder wiederholten Verstössen gegen gesetzliche Vorschriften oder behördliche Verfügungen", "grober Verletzung allgemeiner Gebote der Sittlichkeit"; "fortgesetzter böswilliger oder liederlicher Nichterfüllung der öffentlichrechtlichen oder privatrechtlichen Verpflichtungen" sowie "sonstiger fortgesetzter Liederlichkeit oder Arbeitsscheu" der Fall sein (
Art. 16 Abs. 2 ANAV
[AS 1949 I 228]).
2.2
Jede Ausweisung setzt eine Interessenabwägung voraus; sie muss nach den gesamten Umständen angemessen, d.h. verhältnismässig sein (
Art. 11 Abs. 3 ANAG
;
BGE 120 Ib 6
E. 4a S. 12;
BGE 114 Ib 1
E. 1b S. 2). Dabei sind namentlich die Schwere des Verschuldens des Betroffenen, die Dauer seiner Anwesenheit in der Schweiz sowie die ihm und seiner Familie drohenden Nachteile zu berücksichtigen (
Art. 16 Abs. 3 ANAV
). Wird durch die Ausweisung - wie hier - die weitere Pflege familiärer Beziehungen im Sinne von
Art. 8 Ziff. 1 EMRK
beeinträchtigt, ist im Rahmen der Interessenabwägung nach
Art. 8 Ziff. 2 EMRK
der Art und Dauer dieser Beziehungen sowie den Nachteilen Rechnung zu tragen, welche dem Ehepartner bzw. weiteren Angehörigen erwachsen würden, müssten sie dem Betroffenen ins Ausland folgen (Urteil des EGMR i.S.
Boultif gegen Schweiz
vom 2. August 2001,
Recueil CourEDH 2001-IX S. 137
, Ziff. 48).
3.
3.1
Das Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen ging davon aus, dass der Beschwerdeführer nicht gewillt oder fähig sei, sich in die hier "geltende Ordnung" einzufügen. Die Konzeption der Integration bilde - wie sich aus der neueren Gesetzgebung ergebe - einen grundlegenden Aspekt des Ausländerrechts;
Art. 10 Abs. 1 lit. b ANAG
finde deshalb auch auf Fälle Anwendung, in denen es dem Betroffenen an der Integrationswilligkeit oder -fähigkeit fehle. Die Toleranz gegenüber anderen kulturellen Praktiken finde ihre Grenze im familiären Umfeld dort, wo im Innenverhältnis Zwang ausgeübt werde und für die betroffene Person keine Möglichkeit bestehe, "ihre Gruppe ohne Nachteile" zu verlassen. In der pluralistischen Gesellschaft müssten als gemeinsame Basis gewisse Grundwerte - namentlich das staatliche Gewaltmonopol, die Gleichberechtigung von Mann und Frau, die demokratische Ordnung, die Unantastbarkeit des Lebens, die Religions- und Meinungsfreiheit sowie die Selbstbestimmung des Individuums - respektiert werden. Personen, die nicht
BGE 134 II 1 S. 4
fähig oder willens seien, das eigene Verhaltensmuster und ihre Sitten und Gebräuche an diese Grundwerte anzupassen, könnten nicht als integriert gelten und fügten sich nicht in die in der Schweiz geltende Ordnung im Sinne von
Art. 10 Abs. 1 lit. b ANAG
ein.
3.2
Die Familie X. habe unter der Führung des Beschwerdeführers 1995 angefangen, nach "muslimischen Regeln" zu leben; der Grundsatz, dass der Ehemann das Haupt der Familie darstelle, gelte für sie ungebrochen. Der Beschwerdeführer habe sich aus religiösen Gründen der Teilnahme seiner Töchter an obligatorischen Schullagern widersetzt, wofür er zwei Mal gebüsst worden sei. Aus verschiedenen Aussagen und Aktenstücken ergebe sich, dass er seit seinem Entschluss, streng nach den islamischen Glaubensregeln zu leben, unabhängig von der Zwangsverheiratung erheblichen Druck auf B.X., seine beiden anderen Töchter sowie seine Ehefrau ausgeübt habe; seine strikte Haltung und seine Verschlossenheit gegenüber der andersartigen Lebensweise in einem westeuropäischen Land hätten zu schwerwiegenden Konflikten und zu familieninternen Freiheitsbeschränkungen geführt, die in einer freiheitlichen Rechtsordnung nicht hingenommen werden könnten. Auch wenn traditionellen Vorstellungen der Familie nicht generell die Berücksichtigung versagt werden dürfe, lägen die Grenzen jedenfalls dort, wo Familienmitglieder einem Spannungsverhältnis ausgesetzt würden, "dem sie nicht gewachsen" seien; die elterlichen Erwartungen, Rechts- und Moralvorstellungen einerseits und die eigenen Wünsche und Bedürfnisse andererseits hätten bei B.X. in diesem Sinne zu einer inneren Zerrissenheit geführt, welche geeignet gewesen sei, ihr körperliches und seelisches Wohl ernsthaft zu gefährden. Dem Beschwerdeführer sei es mit Blick auf die Verbundenheit zu seiner heimischen Kultur zumutbar, in die Türkei zurückzukehren, wo er noch über eine Wohnung verfüge. Seine Ehefrau habe gestützt auf ihre IV-Rente hier ein wirtschaftliches Auskommen; die Töchter seien ihrerseits hier geboren und volljährig bzw. bald volljährig, womit die familiären Kontakte über Telefonate oder Ferienbesuche gepflegt werden könnten.
4.
4.1
Ziel der Integration ist das Zusammenleben der einheimischen und ausländischen Wohnbevölkerung auf der Grundlage der Werte der Bundesverfassung und gegenseitiger Achtung und Toleranz (Art. 4 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer [Ausländergesetz, AuG; SR 142.20]). Sie soll längerfristig und rechtmässig anwesenden Ausländerinnen
BGE 134 II 1 S. 5
und Ausländern ermöglichen, am wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Leben teilzuhaben (
Art. 4 Abs. 2 AuG
). Der Integrationsprozess setzt sowohl den entsprechenden Willen der Ausländerinnen und Ausländer als auch die hierfür erforderliche Offenheit der schweizerischen Bevölkerung voraus (
Art. 4 Abs. 3 AuG
). Ausländische Personen sollen sich mit den gesellschaftlichen Verhältnissen und Lebensbedingungen in der Schweiz auseinandersetzen und eine Landessprache erlernen (
Art. 4 Abs. 4 AuG
).
4.2
In
Art. 10 Abs. 1 lit. b ANAG
ist mit der im Gastland geltenden "Ordnung" in erster Linie die Rechtsordnung gemeint. Ein Ausländer verstösst nicht bereits gegen diese, wenn er gesellschaftlich nicht integriert erscheint - etwa vor allem mit Landsleuten verkehrt oder sich in heimischen Kulturkreisen engagiert. Aus dem Integrationsprinzip lässt sich grundsätzlich keine über die gesetzlichen Gebote hinausgehende Assimilationspflicht ableiten, die von hier lebenden Ausländern eine umfassende Anpassung an hiesige Gebräuche und Lebensweisen verlangen würde (MARTIN PHILIPP WYSS, Ausländische Staatsangehörige und Integration, in: Uebersax/Münch/Geiser/Arnold, Ausländerrecht, Basel/Genf/München 2002, N. 23.7;
BGE 119 Ia 178
E. 8d S. 196). Zwar kann der Grad der gesellschaftlichen Integration bei der (fakultativen) Erteilung einer Niederlassungsbewilligung eine Rolle spielen (vgl.
Art. 54 AuG
); in gewissen Fällen setzt der Anspruch auf eine Anwesenheitsbewilligung eine "erfolgreiche" Integration voraus (
Art. 50 AuG
; Anwesenheitsrecht gestützt auf die Garantie der Achtung des Privatlebens:
BGE 130 II 281
E. 3.2.1). Hingegen kann der Weiterbestand einer einmal erteilten Niederlassungsbewilligung nicht allein vom Kriterium der Integration im Sinne einer Assimilation abhängen. Widerruf (
Art. 63 AuG
) und Ausweisung (
Art. 10 ANAG
) sind nur unter den gesetzlich vorgesehenen qualifizierten Voraussetzungen zulässig. Mangelnde Sprachkenntnisse oder abweichende Wertvorstellungen stellen die Gültigkeit einer Niederlassungsbewilligung noch nicht in Frage. Eine "integrationsunwillige" Gesinnung allein ist kein ausreichender Ausweisungsgrund nach
Art. 10 ANAG
; der verpönte "Unwille" muss in der Regel in einem gesetzwidrigen Verhalten zum Ausdruck gekommen sein (vgl.
BGE 96 I 266
E. 4 und 5; WYSS, a.a.O., N. 23.5).
4.3
Eine Verletzung der im Gastland geltenden Ordnung kann auch in einer groben Missachtung von Regeln der Sittlichkeit oder zentraler gesellschaftlicher Werte liegen (
Art. 16 Abs. 2 ANAV
; ANDREAS ZÜND, Beendigung der Anwesenheit, Entfernung und Fernhaltung,
BGE 134 II 1 S. 6
in: Uebersax/Münch/Geiser/Arnold, a.a.O., N. 6.29), wobei
Zwangsheiraten
hierunter fallen können: Eine solche liegt vor, wenn die Ehe ohne den freien Willen eines oder beider Ehegatten geschlossen wird. Der auf die zwangsweise verheiratete Person ausgeübte Druck kann sich dabei auf vielfältige Weise äussern - etwa in Form von Drohungen, emotionaler Erpressung und anderen erniedrigenden oder kontrollierenden Handlungen. In Extremfällen werden Zwangsheiraten auch von köperlicher, sexueller und psychischer Gewalt, Entführung, Freiheitsberaubung und Todesdrohungen begleitet; eine bloss
arrangierte Ehe
liegt vor, wenn die Ehe zwar von Dritten initiiert, aber mit dem freien Willen beider Ehegatten geschlossen wird. Die Grenzen sind im Einzelfall teilweise fliessend. Im Unterschied zu den arrangierten Ehen verletzt die Zwangsheirat das Selbstbestimmungsrecht der betroffenen Personen massiv und in schwerwiegender Weise (vgl. den Bericht des Bundesrats vom 14. November 2007 in Erfüllung des Postulats 05.3477 der Staatspolitischen Kommission des Nationalrats vom 9. September 2005, S. 9; Eidgenössische Ausländerkommission, Zwangsverheiratung und arrangierte Ehen, Eine Positionierung der EKA; ANGELA BRYNER, Die Frau im Asyl- und Ausländerrecht, in: Uebersax/Münch/Geiser/Arnold, a.a.O., N. 24.3). Wurde der betroffene Ausländer deswegen strafrechtlich verurteilt (Nötigung, Drohung, Freiheitsberaubung usw.), ist der Tatbestand von
Art. 10 Abs. 1 lit. a ANAG
erfüllt; erreicht die Druckausübung diese Grenze (noch) nicht, kann eine Verletzung der im Gaststaat geltenden "Ordnung" im Sinne von
Art. 10 Abs. 1 lit. b ANAG
dann vorliegen, wenn das Verhalten mit den hiesigen gesellschaftlichen Werten und Geboten in einem klaren Widerspruch steht; doch muss die Ausweisung mit Blick auf das künftige Verhalten des Betroffenen und auf die gesamten Umstände auf jeden Fall im überwiegenden öffentlichen Interesse erforderlich und verhältnismässig sein.
5.
5.1
Dies war hier nicht der Fall: Die Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen hatte am 19. Juni 2007 einen Zwischenbericht über ihre Abklärungen erstellt, welcher dem Verwaltungsgericht vorlag; darin hielt sie unter anderem fest: "Der Vorwurf, dass die Eltern von B.X. diese zur Verlobung und zur Ehe mit Z. gezwungen hätten, lässt sich nicht aufrechterhalten". Zwar dürfte - so die Staatsanwaltschaft weiter - ein gewisser gesellschaftlicher Druck bezüglich der Heirat bestanden und eine Rolle gespielt haben; es frage sich aber, ob objektiv tatsächlich von einer strafrechtlich relevanten Intensität
BGE 134 II 1 S. 7
ausgegangen werden könne. Das Strafverfahren wurde diesbezüglich am 26. September 2007 eingestellt und die Kosten auf die Staatskasse genommen; es stehe zwar fest, "dass A.X. seine Tochter sehr streng erzog und sie sich seinem Willen in der Jugend oft unterordnen musste"; in Bezug auf die Verlobung und die Eheschliessung könne allerdings eine strafrechtliche Nötigung nicht nachgewiesen werden; insbesondere habe B.X. ihre ursprüngliche Behauptung, sie habe weder von der bevorstehenden Verlobung noch von der Hochzeit gewusst, nicht aufrechterhalten und sogar eingeräumt, sie habe sich dagegen "äusserlich nicht gewehrt"; hinsichtlich des Einbruchsversuchs in ein Nachbarhaus am Ort, an dem sich B.X. bei ihrer Freundin aufgehalten hatte, müsse trotz "sehr aufwändiger Abklärungen" davon ausgegangen werden, "dass es sich um einen zufälligen Vorfall" gehandelt habe, "der einer unbekannten Täterschaft ausserhalb des Bekanntenkreises der Angeschuldigten zuzuordnen" sei.
5.2
Diese Feststellungen werden durch die vorliegenden Akten erhärtet, ohne dass Anhaltspunkte dafür bestünden, dass auf B.X. nach der Anhaltung ihres Vaters bzw. ihres Gatten und deren Ausschaffung in irgendeiner Weise Druck ausgeübt worden wäre: B.X. hat zugestanden, dass sie zur Hochzeit nicht - wie anfangs ausgesagt - unter einem Vorwand in ihre Heimat gelockt worden sei; auch habe sie von der Verlobung gewusst. Sie habe ihren Eltern nie direkt gesagt, dass sie nicht heiraten wolle; als sie ihrer Mutter mitgeteilt habe, sie wolle vorerst nur verlobt sein, habe sich ihr Vater das erste Mal auf ihre Seite gestellt und der Mutter gesagt, "wenn ich noch nicht standesamtlich heiraten wolle, dann müsse ich das nicht tun". Soweit sie geltend gemacht hatte, ihrerseits keinen Kontakt mit ihrem Verlobten gesucht und ihn nie geliebt zu haben, bestehen E-Mails, die zumindest für die Zeit zwischen Ende März und Ende Mai 2005 dem widersprechen ("Dankeschön mein Einziger. Ich vermisse Dich sehr. Ich liebe Dich. Wie geht es bei der Arbeit? Mein Dickerchen, hast Du den Ring abgezogen? Zieh ihn nicht ab" usw.); unbestrittenermassen verbrachte sie zudem im März 2004 einige Tage mit Z. in Istanbul, wobei sie gemeinsam in einem Hotelzimmer übernachteten, ohne dass seine oder ihre Eltern hiervon etwas gewusst hätten. Zwar reiste sie im Sommer 2004 nicht wie sonst üblich mit den Eltern wieder in die Türkei, sondern mit ihrer griechischen Freundin - mit der sie vom 1. Oktober 2003 bis 30. April 2005 eine Wohnung teilte und mit der sie heute offenbar wieder zusammenlebt - nach Griechenland, doch besteht vom 6. April 2006, d.h. kurz vor der Einreise
BGE 134 II 1 S. 8
ihres Gatten, ein SMS, worin sie bei ihm bestimmte Luxusartikel und Rauchwaren bestellt hatte, die er in die Schweiz mitbringen sollte ("Parfum:hugo boss woman, lacoste. Tshirt: m blaue farbe, xs soll rosa sein. bring doch auch bitte marlborogh light mit. Küsschen"), was gegen eine Zwangsheirat spricht und allenfalls eher auf ein gewisses Arrangement der Ehe hindeutet, dem B.X. zwar zwiespältig gegenüberstand, sich aber nicht klar widersetzte.
5.3
Was die Vorinstanz zur Begründung ihres Entscheids weiter anführt, vermag unter diesen Umständen an der Unverhältnismässigkeit der von ihr geschützten Ausweisung nichts zu ändern:
5.3.1
Richtig ist, dass der Beschwerdeführer in hohem Masse den traditionellen Anschauungen seines Kulturkreises sowie seiner Religion verhaftet geblieben ist und er seine Kinder dementsprechend aufgezogen hat, sie etwa regelmässig die Koranschule besuchen mussten, und es zwischen ihm und seiner Tochter deswegen zu erheblichen Spannungen gekommen ist, doch kann nicht gesagt werden, dass er dabei die physische und psychische Gesundheit seiner Tochter bewusst und über Dauer in Missachtung hiesiger Werte beeinträchtigt hätte: B.X. konnte sich vom Elternhaus insofern lösen, als sie während ihrer Ausbildung getrennt von der Familie mit einer Freundin zusammenlebte; sie kehrte hernach freiwillig zu ihren Eltern zurück, bevor sie wieder zu ihrer Freundin zog. Soweit sie aussagte, ihre Eltern hätten während dieser Zeit "Telefonterror" betrieben, ergibt sich aus den Akten nicht, was damit genau gemeint war; hinsichtlich der Auslegung dieses Begriffs kann es zwischen einer Jugendlichen und ihren Eltern durchaus abweichende Auffassungen geben, zumal in einer Situation, in der (auch generationenbedingt) traditionelle heimatliche Vorstellungen mit gewissen hiesigen Anschauungen in Konflikt geraten und zu einem Ausgleich gebracht werden müssen. Zu Unrecht wirft das Verwaltungsgericht dem Beschwerdeführer vor, dass er für das Strafverfahren auf die Hilfe eines Dolmetschers angewiesen gewesen sei, was seine fehlende Integration belege: Im Hinblick auf die Schwere der gegen ihn ursprünglich erhobenen Vorwürfe (Freiheitsberaubung usw.) war es sein gutes Recht, einen Dolmetscher beiziehen zu lassen; der Beschwerdeführer verfügt zumindest über rudimentäre Deutschkenntnisse, soll er sich doch nach der Aussage seiner Tochter vom 30. November 2006 bei der Wohnungssuche für sie und ihren Gatten mit dem Hauswart auf Deutsch unterhalten haben. Es darf damit davon ausgegangen werden, dass er diese Sprache zumindest minimal beherrscht, zumal er auch längere Zeit Vizepräsident einer hiesigen Stiftung war.
BGE 134 II 1 S. 9
5.3.2
Zwar mussten die Gatten X. zweimal gebüsst werden, weil sie ihre Töchter nicht in das obligatorische Schullager schicken wollten; dies reicht als Ausweisungsgrund indessen nicht aus: Unbestrittenermassen konnte das Problem für die jüngste Tochter in der Folge gelöst werden; sie besucht seither sämtliche Schullager. Ob der Beschwerdeführer dem aus Einsicht und Anerkennung hiesiger Werte oder aus Angst vor einer weiteren Sanktion zugestimmt hat, spielt - entgegen den Überlegungen des Verwaltungsgerichts - keine bedeutende Rolle. Entscheidend ist letztlich, dass er sein Verhalten geändert und es der hiesigen (Rechts-)Ordnung angepasst hat. Soweit noch eine Strafe im Hinblick auf den 21. April 2005 zur Diskussion steht, an dem er seine Tochter verfolgt haben soll, um diese gegen ihren Willen zur Rede zu stellen, ist das entsprechende Verfahren offenbar noch nicht rechtskräftig abgeschlossen; es geht dabei aber - auch nach Ansicht der Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen - allenfalls um eine untergeordnete Strafe. Der Beschwerdeführer ist zwar arbeitslos und ausgesteuert; weder seine Familie noch er sind indessen bisher fürsorgeabhängig geworden. Sie leben von der IV-Rente der Gattin; die Niederlassungsbewilligung eines Ausländers könnte nach dem Ausländergesetz nach fünfzehn Jahren ununterbrochenem und ordnungsgemässem Aufenthalt auch nicht mehr wegen einer erheblichen Fürsorgeabhängigkeit widerrufen werden (vgl.
Art. 63 Abs. 2 AuG
).
5.3.3
Die Ausweisung auf zehn Jahre ist schliesslich mit Blick auf die familiäre Situation unangemessen: Der Beschwerdeführer lebte bei seiner Ausschaffung seit über 25 Jahren in der Schweiz; seine drei Kinder sind hier zur Welt gekommen. Seine Gattin leidet seit 1997 unter einer zur Invalidität führenden Erkrankung; sie kann das Haus nur beschränkt ohne Begleitung verlassen und ist für die Hausarbeiten auf Hilfe angewiesen, die der Beschwerdeführer ihr bis zu seiner Ausweisung gewährt hat. Bis 1997 hatte die Gattin in Wechselschicht mit ihrem Mann gearbeitet und die drei Töchter grossgezogen. Die jüngste geht hier zur Schule bzw. inzwischen ihrer weiteren Ausbildung nach; die zweite Tochter ist offenbar in Deutschland verheiratet. B.X. wünscht zwar keinen Kontakt mehr zu ihrem Vater, widersetzt sich indessen seiner Wiedereinreise nicht. Zu ihren Falschaussagen befragt, erklärte sie der Staatsanwaltschaft: "Das kam für mich sehr plötzlich, weil ich mich darauf nicht eingestellt hatte. Ich war von dieser Situation völlig überfordert und konnte meine ersten Aussagen nicht mehr zurücknehmen. Als dann die Presse ins Spiel kam,
BGE 134 II 1 S. 10
konnte ich erst recht nicht mehr zurück. Jetzt bin ich froh, dass ich endlich sagen konnte, wie es wirklich war. Ich wollte eigentlich mit meiner ersten Anzeige nur bewirken, dass meine Eltern merken, dass sie nicht alles mit mir machen können, und dass sie mich in Ruhe lassen sollen. Mehr wollte ich gar nicht". | public_law | nan | de | 2,008 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
c36ecb73-3515-4ade-8862-e16aa279b72a | Urteilskopf
115 V 434
61. Arrêt du 20 novembre 1989 dans la cause T. contre Office cantonal vaudois du travail et Commission cantonale vaudoise d'arbitrage pour l'assurance-chômage | Regeste
Art. 10 Abs. 2 lit. a und 15 Abs. 1 AVIG,
Art. 14 Abs. 1 AVIV
: Vermittlungsfähigkeit eines Versicherten, der eine Teilzeitbeschäftigung sucht.
Art. 14 Abs. 1 Satz 2 AVIV
ist gesetzwidrig, weil er nicht auf einer besonderen Kompetenzdelegation beruht und den Entschädigungsanspruch eines teilweise Arbeitslosen im Sinne von
Art. 10 Abs. 2 lit. a AVIG
einschränkt. | Sachverhalt
ab Seite 434
BGE 115 V 434 S. 434
A.-
Z. T., mariée, vit en compagnie de son époux, ainsi que des deux enfants issus d'un premier mariage de celui-ci et âgés de 19 et 24 ans. Elle a travaillé en qualité de télexiste à raison de 50 pour cent d'un emploi à plein temps à partir du 1er août 1982, tout en consacrant le reste de son temps à la tenue du ménage. Ayant
BGE 115 V 434 S. 435
été licenciée par son employeur pour le 31 décembre 1987, elle a présenté une demande d'indemnité de chômage à la Caisse publique cantonale vaudoise d'assurance-chômage (ci-après: la caisse). Elle disait rechercher une occupation à mi-temps, au motif que ses travaux ménagers ne lui permettaient pas de consacrer davantage de temps à une activité professionnelle. La caisse ayant soumis le cas à l'Office cantonal vaudois du travail, celui-ci a rendu une décision, du 6 avril 1988, par laquelle il a dénié le droit de l'assurée à la prestation sollicitée, motif pris qu'elle n'était pas apte au placement.
B.-
Par jugement du 14 septembre 1988, la Commission cantonale vaudoise d'arbitrage pour l'assurance-chômage a rejeté le recours formé par Z. T. contre cette décision.
C.-
L'assurée interjette recours de droit administratif contre ce jugement, en concluant implicitement à l'octroi d'une indemnité de chômage.
Invité à se déterminer sur ce pourvoi, l'office intimé propose le rejet du recours. De son côté, l'Office fédéral de l'industrie, des arts et métiers et du travail présente des observations sur le recours, mais renonce à se déterminer sur ce dernier.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
D'après l'
art. 8 al. 1 LACI
, l'assuré a droit à l'indemnité de chômage, entre autres conditions, s'il est sans emploi ou partiellement sans emploi (let. a) et s'il est apte au placement (let. f).
a) Est notamment réputé partiellement sans emploi l'assuré qui n'est pas partie à un rapport de travail et cherche à n'exercer qu'une activité à temps partiel (
art. 10 al. 2 let. a LACI
).
b) Aux termes de l'
art. 15 al. 1 LACI
, est réputé apte à être placé le chômeur qui est disposé à accepter un travail convenable et est en mesure et en droit de le faire. Les assurés qui étaient occupés à temps partiel avant de tomber au chômage ne sont réputés aptes au placement que s'ils sont disposés à accepter une occupation d'au moins 50 pour cent d'un emploi à plein temps et en mesure de le faire (art. 14 al. 1, première phrase, OACI). Lorsque la situation personnelle de l'assuré fait apparaître comme convenable une occupation à plein temps, celui-là n'est réputé apte au placement que s'il est disposé à accepter une telle occupation (
art. 14 al. 1, seconde phrase, OACI
).
BGE 115 V 434 S. 436
2.
En l'espèce, il est constant que la recourante est partiellement sans emploi au sens de l'
art. 10 al. 2 let. a LACI
. Est litigieux en revanche le point de savoir si elle est apte au placement.
a) L'aptitude au placement selon l'
art. 15 al. 1 LACI
comprend deux éléments: la capacité de travail d'une part, c'est-à-dire la faculté de fournir un travail - plus précisément d'exercer une activité lucrative salariée - sans que l'assuré en soit empêché pour des causes inhérentes à sa personne, et d'autre part la disposition à accepter un travail convenable au sens de l'
art. 16 LACI
, ce qui implique non seulement la volonté de prendre un tel travail s'il se présente, mais aussi une disponibilité suffisante quant au temps que l'assuré peut consacrer à un emploi et quant au nombre des employeurs potentiels. L'aptitude au placement peut dès lors être niée notamment en raison de recherches d'emploi continuellement insuffisantes, en cas de refus réitéré d'accepter un travail convenable, ou encore lorsque l'assuré limite ses démarches à un domaine d'activité dans lequel il n'a, concrètement, qu'une très faible chance de trouver un emploi (
ATF 112 V 137
consid. 3a, 217 consid. 1a, 326 consid. 1a, ainsi que les références citées dans ces arrêts).
b) La juridiction cantonale et l'office intimé ont nié l'aptitude au placement de la recourante en se fondant sur l'
art. 14 al. 1, seconde phrase, OACI
. Selon eux, on peut attendre de l'assurée qu'elle soit disposée à accepter une occupation à plein temps du moment qu'elle n'a pas à s'occuper d'enfants en bas âge ou d'un conjoint invalide et qu'en outre elle ne consacre pas une partie de son temps à acquérir une formation professionnelle.
c) Il convient en premier lieu d'examiner si l'
art. 14 al. 1, seconde phrase, OACI
est conforme à la loi. Or, il apparaît que cette disposition ne repose sur aucune délégation de compétence particulière et que, par ailleurs, elle limite d'une manière contraire à la loi le droit à l'indemnité de chômage d'un assuré partiellement sans emploi au sens de l'
art. 10 al. 2 let. a LACI
(cf. dans ce sens GERHARDS, Kommentar zum Arbeitslosenversicherungsgesetz, t. 1, p. 202, n. 20 ad art. 15). Cela étant, la légalité de l'
art. 14 al. 1, seconde phrase, OACI
doit être niée. Dans l'
ATF 115 V 428
- lequel concernait la question de la validité de l'art. 14 al. 1, première phrase, OACI -, la Cour de céans a jugé, en se fondant sur la méthode d'interprétation systématique, que l'on devait seulement exiger des chômeurs occupant un emploi à temps partiel ou recherchant un tel emploi qu'ils soient aptes au placement dans
BGE 115 V 434 S. 437
une mesure correspondant à la perte de travail alléguée et au manque à gagner s'y rapportant, pour autant évidemment que la perte de travail atteigne au moins 20 pour cent d'une activité à plein temps (cf. GERHARDS, op.cit., p. 214, note 6 en bas de page, ad art. 15). C'est pourquoi on ne saurait exiger de la part de chômeurs ayant perdu un emploi à mi-temps, comme la recourante, qu'ils soient disposés à accepter une occupation à plein temps et en mesure de le faire, au sens de l'
art. 14 al. 1, seconde phrase, OACI
. Les motifs qui ont conduit l'administration et les premiers juges à nier l'aptitude au placement de la recourante ne sont dès lors pas compatibles avec le sens et le but de la loi.
d) En l'espèce, la recourante, dont la capacité de travail est entière, satisfait à la première condition de l'aptitude au placement (cf. consid. 2a). En outre, on doit admettre qu'elle présentait une disponibilité suffisante quant au temps qu'elle pouvait consacrer à un emploi et quant au nombre des employeurs potentiels.
Il s'ensuit qu'au moment où la décision administrative a été rendue, l'assurée était apte à être placée et le recours se révèle bien fondé dans son principe. Il appartiendra dès lors à la Caisse publique cantonale vaudoise d'assurance-chômage de statuer sur le droit de la recourante à la prestation sollicitée, pour autant que toutes les autres conditions de ce droit soient remplies. | null | nan | fr | 1,989 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
c37004e5-a094-4eef-aebb-8ce912451c88 | Urteilskopf
120 II 371
68. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 21. Dezember 1994 i.S. Verein X. gegen O. und Firma Z. AG (Berufung) | Regeste
Widerrechtliche Verletzung der Persönlichkeit durch eine Presseäusserung; Feststellungsanspruch (
Art. 28a Abs. 1 Ziff. 3 ZGB
).
Unter der Herrschaft des neuen Rechts genügt es nicht mehr, dass der Fortbestand der Äusserung einen eigenen Störungszustand darstellt, der geeignet ist, weiterhin neue Störungswirkungen hervorzurufen; vielmehr muss sich dieser Zustand effektiv noch oder erneut störend auswirken, damit gemäss der eindeutigen Bestimmung von
Art. 28a Abs. 1 Ziff. 3 ZGB
die Feststellungsklage zulässig ist (E. 3). | Sachverhalt
ab Seite 372
BGE 120 II 371 S. 372
A.-
Der Verein X. sowie neun weitere Personen begehrten mit gegen O. und die Firma Z. AG gerichteter Klage festzustellen, dass 59 von ihnen genannte Aussagen des in einer Wochenzeitung vom 20. Dezember 1991 erschienenen Artikels tatsachenwidrig seien und sie in ihrer Persönlichkeit verletzten. Die Kläger beantragten ferner, den Beklagten unter Androhung der Bestrafung wegen Ungehorsams gegen eine amtliche Verfügung gemäss
Art. 292 StGB
zu verbieten, den Artikel in irgendeiner Weise weiter zu verbreiten, abzugeben oder zu verwenden, und sie zu ermächtigen, das Urteilsdispositiv zu veröffentlichen.
Das Bezirksgericht Zürich trat, nachdem es das Prozessthema auf die Frage des Rechtsschutzinteresses der Kläger beschränkt hatte, deren neun die Klage vollumfänglich, der Verein X. in vier Punkten zurückgezogen hatte, mit Beschluss vom 25. August 1993 auf die Klage nicht ein.
Das Obergericht des Kantons Zürich wies den vom Verein X. eingelegten Rekurs am 17. Februar 1994 ab, das Kassationsgericht des Kantons Zürich trat auf dessen Nichtigkeitsbeschwerde am 29. September 1994 nicht ein.
B.-
Der Verein X. hat Berufung eingelegt mit dem Antrag, den Beschluss des Obergerichts aufzuheben und die Sache zu materieller Behandlung an dieses zurückzuweisen.
O. und die Firma Z. AG schliessen auf Abweisung der Berufung. Das Obergericht hat auf Gegenbemerkungen verzichtet.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
3.
Der Kläger kann gemäss
Art. 28a Abs. 1 Ziff. 3 ZGB
dem Richter beantragen, "die Widerrechtlichkeit einer Verletzung festzustellen, wenn sich diese weiterhin störend auswirkt". Die Klage auf Feststellung der
BGE 120 II 371 S. 373
Widerrechtlichkeit setzt demnach eine gegenwärtige, d.h. weiterhin andauernde störende Wirkung der abgeschlossenen Verletzungshandlung voraus (BBl 1982 II S. 662 Rz. 232;
BGE 119 II 97
E. 2a S. 99;
BGE 118 II 254
E. 1c S. 258, 369 E. 4c S. 374). Wird vom Gesetz verlangt, dass diese Störungswirkung fortdauere, so kann es unter der Herrschaft des neuen anders als unter jener des alten Rechts, wo der Feststellungs- aus dem Beseitigungsanspruch abgeleitet worden ist, nicht mehr genügen, dass der Fortbestand der Äusserung - in einem Zeitungsartikel wie hier - einen eigenen Störungszustand darstellt, der geeignet ist, weiterhin neue Störungswirkungen hervorzurufen (
BGE 104 II 225
E. 5a S. 234 mit Hinweisen, insbesondere
BGE 95 II 481
E. 9 S. 496); vielmehr muss sich dieser Zustand effektiv noch oder erneut störend auswirken, damit gemäss der eindeutigen Bestimmung von
Art. 28a Abs. 1 Ziff. 3 ZGB
die Feststellungsklage zulässig ist (TERCIER, Le nouveau droit de la personnalité, N. 778 und 779). Was der Kläger unter Hinweis auf die Rechtsprechung zu
Art. 28a ZGB
einwendet, erweist sich somit als unbehelflich. Entgegen seinen Ausführungen sind die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Feststellungsklage mit jenen der Schadenersatz- und Genugtuungsklage (
Art. 28a Abs. 3 ZGB
) nicht identisch. Wird die Zulässigkeit der Feststellungsklage durch das Erfordernis weiterhin störender Auswirkungen der Verletzung eingeschränkt, so kommt es in diesem Zusammenhang - entgegen der Auffassung des Klägers - auf die Rechtswidrigkeit nicht an. Selbst wenn
Art. 28 ff. ZGB
keinerlei Verjährungs- oder Verwirkungsbestimmungen enthalten, fliessen bei Beachtung dieser Beschränkung nicht Überlegungen aus dem Schadenersatz- und Genugtuungsrecht ein.
Das Obergericht erwägt, dass die vom Kläger vorgelegten Schreiben, Inhalts-, Beilage- und Literaturverzeichnisse, Artikel und anderen Publikationen, sofern sie auf die in der Wochenzeitung veröffentlichte Rezension überhaupt Bezug nehmen, weder bezeugen, dass sie durch die Rezension ausgelöst worden sind, noch ein taugliches Beweismittel dafür darstellen, dass die störende Wirkung der behaupteten Verletzung noch immer anhält. Der Umstand, dass der Artikel am 21. November 1992 an einer Tagung aufgelegen hat, vermöge ebenfalls nicht darzutun, dass die behauptete störende Wirkung noch immer anhalte. Diese Feststellungen betreffen tatsächliche Verhältnisse und sind daher verbindlich, zumal der Kläger weder darlegt, dass sie unter Verletzung bundesrechtlicher Beweisvorschriften zustande gekommen sind, noch behauptet, sie beruhten
BGE 120 II 371 S. 374
offensichtlich auf Versehen (
Art. 63 Abs. 2 OG
); ebensowenig macht er geltend, das Obergericht habe den Rechtsbegriff der weiterhin störenden Auswirkung der Verletzung, wie er für die Feststellungsklage verlangt wird, verkannt. Soweit der Kläger in tatsächlicher Hinsicht Gegenteiliges vorbringt, ist er damit nicht zu hören (
Art. 55 Abs. 1 lit. c OG
). Entgegen seiner Ansicht hat das Obergericht eine störende Auswirkung der Rezension nicht gestützt auf die allgemeine Lebenserfahrung verneint, sondern es hat im Zusammenhang damit, dass die Rezension zitierende oder auf diese Bezug nehmende Schriften noch heute zugänglich sind, lediglich wiedergegeben, was in
BGE 95 II 497
erwogen wurde, nämlich dass die relative Bedeutung ehrverletzender Äusserungen nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge mit fortschreitender Zeit abnehmen könne; das aber betrifft den Störungszustand, nicht die entscheidende Fortdauer der Störungsauswirkungen. Dass die Vorinstanz in diesem Punkt
Art. 8 ZGB
verletzt haben soll, versäumt der Kläger zu begründen, weshalb darauf nicht eingetreten werden kann (
BGE 116 II 745
E. 3 S. 749). Im angefochtenen Urteil wird weiter ausgeführt, ein Feststellungsinteresse wäre nur dann zu bejahen gewesen, wenn die Rezension die Kontroverse um den Kläger ausgelöst und stets deren Brennpunkt gebildet hätte, was jedoch aufgrund der vom Kläger eingereichten Schriften nicht zutreffe; die Rezension gehe vielmehr in der Fülle der Druckerzeugnisse, welche sich mit dem Kläger befassten, völlig unter. Inwieweit das Obergericht mit Bezug auf die Feststellungsklage eine Rechtsauffassung vertreten haben soll, die seit Schaffung des
Art. 28a ZGB
überholt sei, ist nicht ersichtlich.
Ist nicht erwiesen, dass die eingeklagte Verletzung sich weiterhin störend auswirkt, so hat das Obergericht den gegen den Nichteintretensentscheid des Bezirksgerichts eingelegten Rekurs des Berufungsklägers insoweit zu Recht abgewiesen. | public_law | nan | de | 1,994 | CH_BGE | CH_BGE_004 | CH | Federation |
c37033d1-d5de-4b85-9523-bf704751e0ef | Urteilskopf
117 III 1
1. Arrêt de la Chambre des poursuites et des faillites du 11 septembre 1991 dans la cause J.-C. G. (recours LP) | Regeste
Art. 12 SchKG
;
Art. 1 Abs. 2 ZGB
. Zahlung an das Betreibungsamt nach Ende der Betreibung. Gesetzeslücke?
1. Nach geltendem Recht kann das Betreibungsamt keine Zahlung für eine gelöschte Betreibung entgegennehmen (E. 1).
2. Solange der Schuldner nicht beweist, dass der Inhaber eines Verlustscheins unauffindbar ist, stellt sich die Frage einer Lücke im Gesetz nicht (E. 2). | Sachverhalt
ab Seite 1
BGE 117 III 1 S. 1
A.-
Quinze actes de défaut de biens, délivrés entre 1974 et 1977 contre J.-C. G., sont inscrits auprès de l'Office des poursuites de Lausanne-Est. Le 4 mars 1991, J.-C. G. fit savoir à l'office qu'il entendait faire radier ces actes de défaut de biens et lui adressa un chèque du montant de 5'894 fr. 20 correspondant au total desdits actes.
Par lettre du 8 mars 1991, l'office déclara ne pouvoir accepter la somme versée, car les poursuites étaient éteintes par l'établissement des actes de défaut de biens.
B.-
J.-C. G. a porté plainte contre cette mesure. Il demandait qu'il soit ordonné à l'office de donner suite à la consignation du
BGE 117 III 1 S. 2
montant de 5'894 fr. 20 et de radier les actes susmentionnés. Il précisait que si nombre d'actes de défaut de biens avaient pu être rachetés, puis radiés, les quinze restant n'avaient pu l'être, car les créanciers étaient des sociétés dissoutes ou des personnes introuvables ou encore décédées. Le Président du Tribunal du district de Lausanne, autorité cantonale inférieure de surveillance des offices de poursuite pour dettes et de faillite, a rejeté la plainte le 27 mai 1991.
J.-C. G. a interjeté recours contre ce prononcé, reprenant les conclusions de sa plainte. Par arrêt du 9 juillet 1991, l'autorité cantonale supérieure de surveillance a rejeté le recours et a confirmé le prononcé entrepris.
C.-
J.-C. G. recourt au Tribunal fédéral et conclut à la réforme de l'arrêt attaqué en ce sens que l'office doit recevoir en consignation le montant de 5'894 fr. 20 et radier les actes de défaut de biens.
Erwägungen
Considérant en droit:
1.
Le recourant a voulu racheter quinze actes de défaut de biens pour obtenir leur radiation. A cette fin, il a versé le solde dû à l'office, qui l'a refusé, car les poursuites concernées étaient éteintes et la loi ne prévoit pas la possibilité du paiement en mains de l'office après la fin des poursuites.
Selon l'
art. 149 LP
, le créancier saisissant qui n'a pas été payé intégralement reçoit, pour le montant impayé, un acte de défaut de biens qui vaut reconnaissance de dette. La délivrance de cet acte met fin à la poursuite; si cet acte est ensuite invoqué contre le débiteur, c'est dans le cadre d'une nouvelle poursuite (
ATF 75 III 51
/52). Certes l'office est tenu d'accepter les paiements, libératoires, faits pour le compte du créancier poursuivant (
art. 12 LP
); mais il ne peut les recevoir que si la poursuite n'est pas éteinte (JAEGER, n. 2 ad
art. 12 LP
; n. 5 ad
art. 121 LP
). Après la délivrance de l'acte de défaut de biens, le paiement, intégral ou partiel, se fera en mains du créancier (
art. 150 LP
), sous réserve de l'introduction d'une nouvelle poursuite. En cas d'extinction de la dette, la poursuite sera radiée au registre des actes de défaut de biens, moyennant remise de l'acte de défaut de biens acquitté par le créancier ou production de toute autre pièce probante (art. 64 de la loi du 18 mai 1955 d'application dans le canton de Vaud de la LP LVLP; art. 9 de l'arrêté du 17 décembre 1956 d'exécution de la LVLP; RSV 2.9).
BGE 117 III 1 S. 3
Ainsi, selon le droit en vigueur, l'office ne pouvait pas recevoir le paiement du recourant, ni radier les actes de défaut de biens. Le recourant admet d'ailleurs qu'en l'état du droit, le refus de l'office était justifié. Cela découle aussi de la modification envisagée à cet égard dans le cadre de la révision de la loi sur la poursuite pour dettes et la faillite. Le Conseil fédéral propose au législateur d'adopter une nouvelle disposition légale, l'
art. 149a LP
, permettant dorénavant au débiteur de rembourser en tout temps sa dette en versant le montant de celle-ci à l'office des poursuites et d'obtenir ainsi la radiation de l'acte de défaut de biens au registre des poursuites (FF 1991 III p. 122 et 268).
2.
Le recourant soutient qu'il y a en réalité une lacune de la loi et reproche à l'autorité cantonale de surveillance de ne pas l'avoir comblée en application de l'
art. 1 al. 2 CC
.
a) Le grief du recourant est recevable. En effet, si l'
art. 19 LP
ne vise expressément que la violation de la loi sur la poursuite pour dettes et la faillite, la Chambre des poursuites et des faillites revoit toutefois l'application de l'ensemble du droit fédéral (SJ 113/1991 p. 256; SCYBOZ, Le Tribunal fédéral et la poursuite, in Centenaire de la LP, Zurich 1989, p. 152 let. c 1; POUDRET/SANDOZ-MONOD, Commentaire de la loi fédérale d'organisation judiciaire, vol. II, p. 779), sous réserve du recours de droit public pour violation des droits constitutionnels des citoyens (
art. 43 OJ
applicable en vertu du renvoi de l'
art. 81 OJ
).
b) Le juge ne doit faire acte de législateur que s'il se trouve confronté à une vraie lacune, c'est-à-dire si la loi laisse sans réponse une question juridique qui se pose inévitablement (
ATF 103 Ia 502
/503;
ATF 90 I 141
; DESCHENAUX, Le titre préliminaire du code civil, in Traité de droit civil suisse, t. II/I, p. 90). Mais si l'on peut se dispenser de trancher, il n'y a pas lacune. La question de l'impossibilité du rachat d'actes de défaut de biens ne se pose vraiment que si les créanciers des dettes constatées par ces actes sont introuvables. En l'espèce, le recourant n'établit pas, ainsi que le retient la décision attaquée, que cela serait le cas. Et, vu la nature de certains créanciers, notamment des compagnies d'assurance, il est douteux qu'ils soient inatteignables.
Dans ces circonstances, l'autorité cantonale n'était pas en présence d'une lacune et le recours est infondé. | null | nan | fr | 1,991 | CH_BGE | CH_BGE_005 | CH | Federation |
c370608d-c611-4b32-b42a-0c71b0fe7d15 | Urteilskopf
85 IV 45
13. Urteil des Kassationshofes vom 25. März 1959 i.S. Tschannen gegen Generalprokurator des Kantons Bern. | Regeste
Art. 70 Abs. 2 MFV
. Diese Bestimmung verpflichtet den Motorfahrzeugführer nicht, dafür zu sorgen, dass Radfahrer an seinem Fahrzeug nicht anhängen.
Art. 117 StGB
. Keine Fahrlässigkeit des Traktorführers, der sich damit begnügte, beim Überholen jugendlicher Radfahrer durch einen Blick nach rückwärts die Rückseite seines Brückenwagens zu kontrollieren, es aber unterliess, die Radfahrer zum voraus zu warnen und auf der Weiterfahrt sich nochmals zu vergewissern, ob sie nicht angehängt hätten. | Sachverhalt
ab Seite 45
BGE 85 IV 45 S. 45
A.-
Am 4. November 1957 gegen 17 Uhr führte Landwirt Tschannen einen Traktor mit angehängtem BrückenPneuwagen, der mit sieben Säcken Dünger im Gewicht von ca. 420 kg beladen war, auf der Strasse von Aarberg über Radelfingen Richtung Detligen. Bei der Käserei Radelfingen überholte er eine Gruppe von vier Sekundarschülern, die sich auf Fahrrädern auf dem Heimweg befanden und sich undiszipliniert benahmen. Nachdem ihm die Knaben beim Dorfausgang auf dem zur Salzbachbrücke abfallenden Strassenstück vorgefahren waren, überholte er sie ein zweites Mal nach der Brücke, wo die Strasse stark anzusteigen beginnt. Tschannen schaltete dort vom 4. in den 3. Gang zurück, warf hierauf einen Blick rückwärts, um sich zu vergewissern, ob der Anhänger nicht einen der
BGE 85 IV 45 S. 46
Knaben streife, und fuhr dann, ohne nochmals zurückzuschauen, weiter. Unmittelbar darauf hängten der 13 Jahre alte Fritz Tiefenbach auf der rechten Seite und zwei weitere Knaben auf der Rückseite des Anhängers an, um auf den Fahrrädern sitzend sich die Steigung hinaufziehen zu lassen. Möglicherweise hatten zwei der Knaben schon vorher angehängt, im Augenblick, als der Traktorführer zurückblickte, aber wieder losgelassen. Kurz vor der Anhöhe, nach einer Strecke von ca. 650 m, verlor Tiefenbach, der sich mit der linken Hand am vordern Teil des Anhängers festhielt, das Gleichgewicht, als er ein Stück Schokolade aus seiner Tasche nahm, stürzte zwischen das rechte Vorder- und Hinterrad des Brückenwagens und zog sich dabei so schwere Verletzungen zu, dass er auf der Unfallstelle starb. Tschannen hatte nicht bemerkt, dass sich die Knaben nachziehen liessen, und wegen des starken Motorenlärms, den der Traktor verursachte, auch den Sturz des verunfallten Knaben nicht wahrgenommen.
B.-
Das Amtsgericht Aarberg sprach Tschannen von der Anklage der fahrlässigen Tötung und der fahrlässigen Störung des öffentlichen Verkehrs frei.
Das Obergericht des Kantons Bern erklärte ihn dagegen auf Appellation der Staatsanwaltschaft des Seelandes am 7. November 1958 der eingeklagten Vergehen schuldig und verurteilte ihn zu zehn Tagen Gefängnis, bedingt vollziehbar, mit einer Probezeit von zwei Jahren. Das fahrlässige Verhalten erblickte es darin, dass Tschannen sich nicht gehörig nach beiden Seiten umgedreht habe, um sich zu vergewissern, ob nicht die Knaben am Fahrzeug angehängt hätten. Zu dieser Vorsichtsmassnahme sei er verpflichtet gewesen, weil er nach dem undisziplinierten Verhalten und auf Grund der ihm bekannten Gewohnheit der Knaben, sich auf dieser Steigung von Fuhrwerken nachziehen zu lassen, damit habe rechnen müssen, dass sie anzuhängen beabsichtigten. Er hätte deshalb schon zu Beginn der Steigung die sich in unmittelbarer Nähe befindlichen Knaben wegweisen und auf der Weiterfahrt wiederholt zurückschauen
BGE 85 IV 45 S. 47
müssen, bis ihn ein genügender Vorsprung von den Knaben getrennt hätte. Zur gewissenhaften Beobachtung habe umso eher Veranlassung bestanden, als der starke Lärm des Motors seine Wahrnehmungsfähigkeit herabgesetzt habe und der Rückspiegel des Traktors verstellt und darum unbenützbar gewesen sei. Statt dessen habe er sich mit einem einmaligen und flüchtigen Blick nach rückwärts begnügt.
C.-
Tschannen führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache zu seiner Freisprechung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
D.-
Der Generalprokurator des Kantons Bern hat unter Hinweis auf die Erwägungen des angefochtenen Urteils auf Gegenbemerkungen verzichtet.
Erwägungen
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1.
Das Verhalten und damit auch das Mass der Sorgfalt, das der Motorfahrzeugführer im öffentlichen Verkehr zu beachten hat, wird im allgemeinen durch die Verkehrsregeln des MFG und der zugehörigen MFV bestimmt. Eine Verletzung dieser Verkehrsvorschriften durch den Beschwerdeführer hat die Vorinstanz mit Recht verneint. Tschannen hat die Radfahrer gemäss Art. 26 Abs. 3 MFG und
Art. 46 Abs. 3 MFV
vorsichtig überholt und auf sie Rücksicht genommen, indem er beim Vorfahren nach rückwärts schaute, um sich zu vergewissern, dass der Anhänger des Traktors nicht einen der Knaben gefährde. Er war nicht auch noch verpflichtet, dafür zu sorgen, dass die Knaben die Vorschrift des
Art. 70 Abs. 2 MFV
befolgten, d.h. an seinem Fahrzeug nicht anhängten. Das Verbot, an Fuhrwerken und Motorfahrzeugen anzuhängen, ist nach der Überschrift zu Abschnitt IV lit. c der MFV eine für Radfahrer bestimmte Verkehrsvorschrift; das Gesetz schreibt nirgends vor, dass die Motorfahrzeugführer Vorsichtsmassnahmen zu treffen hätten, damit das Verbot von den Radfahrern eingehalten werde.
BGE 85 IV 45 S. 48
2.
Das heisst aber nicht, dass jedes Verhalten im öffentlichen Verkehr als erlaubt gelte, wenn die Bestimmungen des MFG und der MFV es nicht ausdrücklich verbieten. Der Motorfahrzeugführer, der mit seinem Fahrzeug einen Unfall verursacht, kann z.B. der fahrlässigen Körperverletzung oder der fahrlässigen Tötung auch schuldig sein, wenn er ein Gebot der allgemeinen Vorsichtspflicht missachtet, vorausgesetzt, dass sein Verhalten nach den Regeln des MFG und der MFV nicht geradezu rechtmässig ist (
BGE 78 IV 75
).
Der Beschwerdeführer hat die ihm obliegende Sorgfaltspflicht nicht verletzt. Hätte er aus irgendeinem Grunde festgestellt, dass einer der Knaben am Brückenwagen anhängte, so wäre er verpflichtet gewesen, die zur Abwendung der Unfallgefahr erforderlichen Massnahmen zu treffen. Tschannen hat jedoch nicht gewusst, dass die Knaben sich nachziehen liessen, und bestimmte Anhaltspunkte, dass sie es tun werden, hatte er nicht. Der Umstand allein, dass sie sich auf dem Heimweg undiszipliniert benahmen und erfahrungsgemäss gerne anhängten, rückte die Gefahr des Anhängens nicht derart in die Nähe, dass er besondere Vorsichtsmassnahmen ergreifen musste. Der Beschwerdeführer durfte davon ausgehen, dass Knaben im Sekundarschulalter, die täglich mit dem Fahrrad zur Schule fahren, wissen, dass Anhängen an Fahrzeugen verboten ist. Tatsächlich war ihnen das Verbot bekannt, und sie wussten auch, dass Tschannen das Anhängen nicht duldete. Nachdem der Beschwerdeführer zu Beginn der Steigung nach rückwärts beobachtet und dabei keinen Knaben gesehen hatte, der sich am Anhänger festhielt, durfte er sich mit dieser Feststellung begnügen. Er war nicht verpflichtet, die Knaben zum voraus zu warnen oder wegzuweisen, denn gefährdet waren sie erst, als sie anhängten, und das taten sie nach den Feststellungen der Vorinstanz nicht, als Tschannen zurückblickte. Dass der Beschwerdeführer dabei den Knaben Tiefenbach, der sich rechts neben dem Anhänger befand, nicht gesehen hat, wahrscheinlich deshalb
BGE 85 IV 45 S. 49
nicht, weil er den Kopf nach links drehte und seine Aufmerksamkeit der Rückseite des Brückenwagens zuwandte, kann ihm nicht zum Vorwurf gemacht werden. Mit der Möglichkeit, dass sich ein Knabe im vordern Teil der rechten Längsseite des Brückenwagens, an einer völlig ungewöhnlichen Stelle, anhängen könnte, brauchte er nicht zu rechnen. Auch konnte von ihm nicht verlangt werden, dass er während der Fahrt den Brückenwagen nach allen Seiten einer genauen Kontrolle unterziehe, wie denn auch die Forderung, dass er sich wiederholt hätte zurückwenden müssen, um sich zu vergewissern, ob die Knaben nicht doch noch angehängt hätten, die Grenzen des Zumutbaren übersteigt. Der Beschwerdeführer war in erster Linie verpflichtet, sein Augenmerk auf die Führung. des Traktors und die Beobachtung des vor ihm liegenden Strassenstückes zu richten, das eine langgezogene Kurve beschrieb; es ginge zu weit, dem Führer eines Motorfahrzeuges auch noch die Aufgabe zu überbürden, überholte Strassenbenützer so lange zu überwachen, bis feststeht, dass sie sein Fahrzeug nicht mehr einholen können. Dass schliesslich der Rückspiegel am Traktor des Beschwerdeführers verstellt und unbenützbar war, ist ohne Belang, weil er nach
Art. 38 MFV
nicht zur gesetzlich geforderten Ausrüstung landwirtschaftlicher Traktoren gehört.
3.
Fällt dem Beschwerdeführer keine Fahrlässigkeit zur Last, so ist er zu Unrecht wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Störung des öffentlichen Verkehrs bestraft worden. Er ist daher von der Anklage dieser Vergehen freizusprechen.
Dispositiv
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen. | null | nan | de | 1,959 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
c370e682-2783-444a-83aa-1da7a7f3b043 | Urteilskopf
98 V 174
44. Urteil vom 30. August 1972 i.S. Eidgenössische Militärversicherung gegen Schnell und Versicherungsgericht des Kantons Thurgau | Regeste
Art. 25 Abs. 4 und 26 Abs. 1 MVG: Rentenanspruch infolge Schädigung paariger Organe.
- Revision der für den Verlust eines Auges vor 1964 zugesprochenen Rente bei späterer Schädigung des anderen Auges ausserhalb des Militärdienstes: übergangsrechtliche Auswirkungen der Gesetzesnovelle vom 19. Dezember 1963 (in Kraft seit 1. Januar 1964).
- Invaliditätsschätzung, insbesondere bei Augenschäden. | Sachverhalt
ab Seite 174
BGE 98 V 174 S. 174
A.-
Bruno Schnell, der den Beruf eines Mechanikers erlernt hat, zog sich am 13. Juni 1933 in der Rekrutenschule eine schwere Verletzung des rechten Auges zu, das seither praktisch erblindet ist. Mit Beschluss vom 23. März 1934 gewährte ihm die Eidgenössische Pensionskommission eine Rente wegen 25% iger Invalidität. Am 9. Dezember 1968 teilte Bruno Schnell der Eidgenössischen Militärversicherung mit, dass die Sehkraft seines linken Auges immer mehr nachlasse und die Rente mit Rücksicht auf den massgebenden Jahresverdienst viel zu tief angesetzt sei. Die
BGE 98 V 174 S. 175
Militärversicherung nahm neue Abklärungen vor, sah sich jedoch zunächst nicht veranlasst, dèn Invaliditätsgrad zu revidieren. Hingegen erhöhte sie den anrechenbaren Jahresverdienst. Auf Einsprache hin, mit der Bruno Schnell die Erhöhung des Invaliditätsgrades auf 50% hatte beantragen lassen, holte die Militärversicherung beim Chefarzt einer Augenklinik einen gutachtlichen Bericht ein. Prof. B. veranschlagte den Invaliditätsgrad bezüglich des rechten Auges auf 30%, weil dieses amaurotisch sei, ein Sekundärglaukom aufweise und in ausgeprägter Divergenzstellung stehe. Hingegen habe sich die Sehkraft des linken Auges kaum geändert; dessen Sehschärfe sei annähernd normal, und das Gesichtsfeld sei normal. In einem zusätzlichen Bericht begründete Prof. B. die Erhöhung des Invaliditätsgrades damit, dass seit 1964 am rechten Auge ein Epithelödem der Hornhaut aufgetreten sei, das vermehrte Blendung verursachen könne. Zudem habe der Strabismus divergens dieses Auges im Verlauf der letzten Jahre zugenommen; dieser sei kosmetisch sehr störend und wie eine Abulbie zu bewerten. - Am 7. Dezember 1970 schlug die Militärversicherung gestützt auf
Art. 26 Abs. 1 MVG
dem Versicherten vor, auf den 1. Januar 1970 den Invaliditätsgrad auf 30% festzulegen. Bruno Schnell liess jedoch nach wie vor die Auffassung vertreten, dass nicht
Art. 26 Abs. 1 MVG
, sondern
Art. 25 Abs. 4 MVG
anwendbar sei und der Invaliditätsgrad auf 50% festgesetzt werden müsse, worauf die Militärversicherung am 25. Januar 1971 entsprechend ihrem Vorschlag vom 7. Dezember 1970 verfügte.
B.-
Bruno Schnell liess diese Verfügung beim Versicherungsgericht des Kantons Thurgau beschwerdeweise anfechten mit dem Antrag, es sei ihm eine Invalidenrente auf der Grundlage hälftiger Invalidität zuzusprechen. Es wurde geltend gemacht, die Sehkraft des linken Auges habe wegen der unfallbedingten Überbeanspruchung so sehr abgenommen, dass der Versicherte in seiner Erwerbsfähigkeit als qualifizierter Mechaniker nunmehr etwa zur Hälfte beeinträchtigt sei.
Art. 25 Abs. 4 MVG
sei anzuwenden.
Die Vorinstanz ging davon aus, dass bei der erstmaligen Rentenfestsetzung im Jahre 1934 eine Risikoprämie von 10 bis 15% für die allfällige spätere Schädigung des linken Auges mit berücksichtigt worden sei. Diese unterliege ebenfalls dem Revisionsvorbehalt des
Art. 26 Abs. 1 MVG
, sofern sich das Risiko
BGE 98 V 174 S. 176
faktisch erheblich schwerer oder früher realisiere, als ursprünglich angenommen worden sei... Die Vorinstanz verhielt deshalb die Militärversicherung, eine neue Rentenverfügung auf Grund von
Art. 25 Abs. 4 MVG
zu erlassen, wobei durch ein medizinisches Gutachten abgeklärt werden müsse, wie weit die Erwerbsfähigkeit infolge der effektiv noch bestehenden Sehkraft beider Augen gesamthaft beeinträchtigt sei (Entscheid vom 4. November 1971).
C.-
Die Eidgenössische Militärversicherung erhebt gegen diesen Entscheid Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag auf Wiederherstellung ihrer Verfügung vom 25. Januar 1971. Zur Begründung brmgt sie im wesentlichen vor: Der Umstand, dass im vorliegenden Fall ein Revisionsgrund nach
Art. 26 MVG
gegeben sei, lasse keineswegs automatisch auch die Anwendung von
Art. 25 Abs. 4 MVG
zu. Mit diesem Artikel werde nämlich eine neue Haftung für die Folgen einer Schädigung des bisher nicht versicherten andern paarigen Organs stipuliert. Bei der Revision nach
Art. 26 MVG
könne dagegen nur der Invaliditätsgrad der "versicherten Gesundheitsschädigung" abgeändert werden, während die andern Rentenelemente unverändert bleiben würden. Insbesondere dürfe der Haftungsgrad im Rahmen von
Art. 26 Abs. 1 MVG
nicht geändert werden. Der Einbezug einer Risikoprämie von 10-15% in die ursprüngliche Invaliditätsschätzung auf 25% zeige klar, dass für das unverletzte linke Auge eine Haftung des Bundes nicht vorgesehen gewesen sei. Einer spätern Beeinträchtigung dieses Organs und damit dem Risiko totaler Erblindung sei lediglich durch die Erhöhung des Invaliditätsgrades mittels der Risikoprämie Rechnung getragen worden. Eine Übernahme des Gesamtschadens sei damit ausgeschlossen worden und könne jetzt nicht einfach über
Art. 26 MVG
wieder eingeführt werden.
Bruno Schnell lässt die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragen.
Erwägungen
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.
Durch die am 1. Januar 1964 in Kraft getretene Gesetzesnovelle vom 19. Dezember 1963 zum MVG wurde dem Art. 25 folgender Absatz 4 beigefügt:
BGE 98 V 174 S. 177
"Bei Schädigung eines paarigen Organs ist das Risiko einer späteren Schädigung des andern Organs in der Berechnung der Rente nicht zu berücksichtigen. Bei späterer Schädigung des zweiten Organs geht der gesamte Schaden zu Lasten der Militärversicherung..."
Vor jener Revision des MVG war die Frage der Entschädigung für die Folgen der Schädigung paariger Organe lediglich durch die Rechtsprechung geregelt. In seiner Botschaft vom 26. März 1963 zur erwähnten Gesetzesnovelle (S. 13 f.) hat der Bundesrat in Übereinstimmung mit der Expertenkommission indessen erklärt, die Rechtsprechung des Eidg. Versicherungsgerichts auf diesem Gebiet schwanke je nach der Art des betroffenen Organs. So habe beispielsweise das Risiko der Blindheit in der Entschädigung für den Verlust eines Auges als mitinbegriffen zu gelten. Gehe das zweite Auge durch eine Affektion verloren, für welche die Militärversicherung hafte, so werde die Rente nicht geändert. Dasselbe gelte für den Verlust einer Niere. Hingegen sei bei einseitiger Taubheit das Risiko einer Beeinträchtigung des andern Ohres in der Rentenberechnung nicht mitinbegriffen. Werde dieses durch eine nichtversicherte Affektion geschädigt, so habe dies die Revision der Leistung zur Folge. Der Bundesrat fährt fort:
"Die Lösung, die dem Risiko des Verlustes des zweiten Organs bei der Entschädigung für die Veränderung des ersten Rechnung trägt, ist nicht gerecht; sie läuft darauf hinaus, denjenigen zu wenig zu geben, bei denen das Risiko eingetreten ist, und den andern zu viel. Die Entschädigung soll daher dem Schaden entsprechen, der aus der Schädigung des ersten Organs entsteht. Wird das zweite als Folge einer nicht versicherten Affektion betroffen, so ist der Fall gemäss Art. 26, Absatz 1, MVG einer Revision zu unterziehen..."
Die Gesetzesmaterialien lassen erkennen, dass die Frage der Entschädigung für den Verlust paariger Organe besonders von der Expertenkommission und den parlamentarischen Kommissionen vorrangig behandelt, die bisherige differenzierte Entschädigungspraxis als ungerecht und sachlich nicht vertretbar abgelehnt wurde. Der Gesetzgeber wollte die bisherige Rechtslage offensichtlich von Grund auf ändern. Dies führte zum heutigen
Art. 25 Abs. 4 MVG
im oben zitierten Wortlaut, mit dem ein an sich versicherungsfremdes, völlig neues Rechtsinstitut in das MVG eingeführt wurde mit dem Zweck, die ungleiche rechtliche Behandlung analoger gesundheitlicher Schädigungen auszumerzen.
BGE 98 V 174 S. 178
2.
Die Militärversicherung meint nun allerdings,
Art. 25 Abs. 4 MVG
sei nicht anwendbar auf jene Fälle, in denen noch vor dem Inkrafttreten der neuen Bestimmung wegen Schädigung eines paarigen Organs eine Rente rechtskräftig zugesprochen worden ist und das zweite paarige Organ durch eine nicht versicherte Affektion später auch noch geschädigt wird. Sie beruft sich auf die Übergangsbestimmung Ziffer IV Abs. 3 der Gesetzesnovelle, wonach "die im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes noch nicht rechtskräftig entschiedenen Fälle" nach neuem Recht beurteilt werden müssen. Der Rentenanspruch von Bruno Schnell sei schon im Jahre 1934 rechtskräftig entschieden worden. Dieser Auffassung ist folgendes entgegenzuhalten:
Wohl trifft es zu, dass die Pensionsverfügung vom 23. März 1934 in ihrer Gesamtheit unangefochten rechtskräftig geworden ist. Die Rechtskraft einer Verwaltungsverfügung oder eines Urteils wirkt aber - in sachlicher Hinsicht - nur soweit, als es sich um den gleichen Verfügungs- oder Streitgegenstand handelt. Von Gleichheit des Verfügungs- oder Streitgegenstandes kann dann nicht gesprochen werden, wenn der Versicherte einen gegenüber dem frühern Verwaltungsakt oder Urteil veränderten Sachverhalt geltend macht. An dieser Identität fehlt es aber auch dann, wenn seit Erlass des Verwaltungsaktes oder des Urteils eine Rechtsänderung eingetreten ist, welche Verfügung oder Urteil nun als rechtswidrig erscheinen lässt (vgl. EYERMANN-FRÖHLER, Verwaltungsgerichtsordnung, München und Berlin, 1965, 4. Aufl., S. 588 N. 10 und S. 593 N. 30; GYGI, Verwaltungsrechtspflege und Verwaltungsverfahren im Bund, S. 23 N. 3.5; ferner EVGE 1954 S. 111, 1960 S. 225, 1961 S. 103 und das nicht publizierte Urteil vom 16. Juni 1969 i.S. Kissling).
Die Rentenfestsetzung im Jahre 1934 betraf das geschädigte rechte Auge des Beschwerdegegners. Darüber hinaus umfasste der Rentensatz von 25% eine Risikoprämie im Hinblick auf eine theoretisch mögliche künftige Schädigung des linken Auges, wie noch darzutun sein wird. Anderseits macht der Beschwerdegegner heute geltend, die Sehkraft seines linken Auges lasse immer mehr nach, und zwar in einem Ausmass, dass seine Gesamtinvalidität den ursprünglichen Invaliditätsgrad von einem Viertel weit übersteige. Dazu kommt das am 1. Januar 1964 in Kraft getretene neue Rechtsinstitut von Abs. 4
BGE 98 V 174 S. 179
des
Art. 25 MVG
. Zwischen der ursprünglichen Rentenfestsetzung und der heutigen Rechtsbehauptung des Beschwerdegegners besteht demnach keine Identität. Der Überprüfung des streitigen Anspruchs steht somit die von der Militärversicherung angerufene Übergangsbestimmung nicht entgegen.
3.
a) Wird in der Folge der körperliche oder psychische Nachteil des Versicherten erheblich grösser oder erheblich geringer, als bei der Festsetzung der Rente angenommen wurde, so ist nach
Art. 26 Abs. 1 MVG
eine neue Rente festzusetzen oder, wenn überhaupt kein Nachteil mehr besteht, die bisherige Rente aufzuheben. - Die Militärversicherung vertritt die Auffassung, die in dieser Bestimmung vorgesehene Revisionsmöglichkeit beziehe sich nur auf die aus der versicherten Gesundheitsschädigung resultierende Invalidität und lasse keineswegs automatisch auch die Anwendung von
Art. 25 Abs. 4 MVG
zu.
Art. 26 Abs. 1 MVG
regelt die Rentenrevision infolge erheblich veränderter Verhältnisse seit Erlass der Rentenverfügung (vgl. EVGE 1964 S. 140). Eine derartige Veränderung kann auch die erst seit Erlass der Rentenverfügung eingetretene Schädigung des zweiten paarigen Organs sein und daher ebenfalls zur Rentenrevision führen; dies jedenfalls dann, wenn die neue Schädigung unter der Herrschaft des neuen
Art. 25 Abs. 4 MVG
leistungserhöhendes Ausmass erreicht hat.
Daraus ergibt sich die Befugnis, die Gesamtinvalidität des Beschwerdegegners unter Berücksichtigung der geltend gemachten Visusverminderung des zweiten Auges im Sinn des
Art. 26 Abs. 1 MVG
revisionsweise frei zu überprüfen und über den Rentenanspruch neu zu befinden.
b) Bei der Bemessung der Gesamtinvalidität ist folgendes zu beachten:
Die Erfahrungen bei Invaliditätsschätzungen im Gebiet der Augenschäden haben die Schweizerische Ophthalmologische Gesellschaft dazu geführt, für die Bemessung der Erwerbsunfähigkeit Durchschnittsansätze aufzustellen. Der totale Verlust eines Auges wird bei Berufen mit geringen optischen Ansprüchen in der Regel mit 20%, bei mittleren optischen Ansprüchen mit 25% und bei hohen optischen Ansprüchen mit 30-33 1/3% entschädigt, sofern der bisherige Beruf weiterhin ausgeübt werden kann. Bleibt der Augapfel erhalten, so können bis zu 5% in Abzug gebracht werden, es sei denn, der Defekt sei besonders gut sichtbar und bedeute deshalb eine erwerblich in Betracht
BGE 98 V 174 S. 180
fallende Entstellung. In diesen Ansätzen ist das Risiko der Erblindung des zweiten Auges mit eingeschlossen. Das Eidg. Versicherungsgericht ist dieser Praxis gefolgt, wie sich übrigens aus Erwägung 1 ergibt (vgl. GRAVEN, Les Invalidités, S. 54; EVGE 1958 S. 217 und das nicht publizierte Urteil vom 28. Februar 1967 i.S. Barlogis).
Demnach muss im vorliegenden Fall mit der Militärversicherung und entgegen der Auffassung des Beschwerdegegners davon ausgegangen werden, dass der Invaliditätsansatz von 25% auch eine Risikoprämie für die Erblindung des zweiten Auges umfasste, obschon das Erblindungsrisiko im Rentenbeschluss der Pensionskommission vom März 1934 nicht ausdrücklich erwähnt wird. Bruno Schnell hat seither also eine Rente bezogen, deren Höhe ein Risiko berücksichtigte, das sich - nach den Angaben des Versicherten - anscheinend heute zu realisieren beginnt. Es fragt sich, wie diese Risikoprämie bei der Festsetzung des Gesamtinvaliditätsgrades zu berücksichtigen ist.
Der Zweck dieser Prämie besteht darin, das Risiko der theoretisch möglichen Schädigung des zweiten paarigen Organs abzugelten. Realisiert sich dieses Risiko, so ist - in Anwendung von Art. 26 Abs. 1 und 25 Abs. 4 MVG - eine Rente für den gesamten durch die Beeinträchtigung beider paarigen Organe bedingten Schaden zuzusprechen. Anderseits ist von diesem Zeitpunkt hinweg die Weitergewährung der Prämie sachlich nicht mehr gerechtfertigt.
Daher wäre es logisch, die Rente nur nach Massgabe der Gesamtinvalidität unter Ausschluss der Risikoprämie festzusetzen. Dies hätte unter Umständen jedoch zur Folge, dass die Gesamtinvalidität und damit die Rente geringer bemessen werden müsste, als dem bisherigen Invaliditätsgrad unter Einschluss der Risikoprämie entspräche. Dieser Lösung steht die in Ziffer IV Abs. 1 der Gesetzesnovelle verankerte Besitzstandsgarantie entgegen, auf die der Vertreter der Militärversicherung bei der Beratung des
Art. 25 Abs. 4 MVG
in der ständerätlichen Kommission ausdrücklich hingewiesen hat. Dem Sinn des Gesetzes entspricht es daher am ehesten, die Rente zwar ausschliesslich nach Massgabe der effektiven Gesamtinvalidität neu zu bemessen, sie jedoch in jenen Fällen, in denen dieser Invaliditätsgrad zur Herabsetzung der Versicherungsleistungen führen würde, nach dem bisherigen Rentenansatz (für die Schädigung des ersten paarigen Organs und die Risikoprämie)
BGE 98 V 174 S. 181
weiterhin auszurichten. Eine Rentenrevision im Sinn des
Art. 26 Abs. 1 MVG
käme demzufolge nur in Betracht, wenn die nach
Art. 25 Abs. 4 MVG
neu geschätzte Gesamtinvalidität den bisherigen Rentenansatz übersteigt.
Das Gericht verkennt nicht, dass mit diesem Vorgehen jener Versicherte, der eine Prämie für ein Risiko bezogen hat, das sich erst nach Jahrzehnten realisiert, günstiger gestellt ist als der Invalide, dessen zweites paariges Organ schon nach kurzdauerndem Bezug der Risikoprämie geschädigt wird. Man könnte sich deshalb fragen, ob die neue Rente für die Gesamtinvalidität, soweit sie den bisherigen Rentenansatz übersteigt, nicht mit Rücksicht auf die lange Bezugsdauer angemessen gekürzt werden müsste. Eine solche Lösung würde indessen zu kaum verantwortbaren Komplikationen in der Rentenbemessung führen.
4.
Es wird nun Sache der Militärversicherung sein, die Gesamtinvalidität des Beschwerdegegners im Sinn der obigen Erwägungen zu veranschlagen und über den Rentenanspruch neu zu befinden.
Dispositiv
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, und die Akten gehen an die Militärversicherung, damit diese im Sinn der Erwägungen verfahre. | null | nan | de | 1,972 | CH_BGE | CH_BGE_007 | CH | Federation |
c3715dad-5659-4a4b-917f-c5bf7cfd9fb4 | Urteilskopf
133 IV 1
1. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes i.S. X. gegen Generalprokurator sowie Obergericht des Kantons Bern (Staats-rechtliche Beschwerde und Nichtigkeitsbeschwerde)
6P.141/2006 / 6S.307/2006 vom 28. Dezember 2006 | Regeste
Versuchte Tötung (Art. 111 i.V.m.
Art. 22 StGB
); Gefährdung des Lebens (
Art. 129 StGB
).
Versuchte Tötung mangels Eventualvorsatzes verneint im Fall der von einem Fahrzeuglenker auf der Autobahn absichtlich herbeigeführten seitlichen Kollision mit einem andern Fahrzeuglenker. Der Beschuldigte durfte im konkreten Fall darauf vertrauen, dass der Betroffene - wie es auch geschah - den infolge der Kollision leicht ins Schleudern geratenen Personenwagen rasch wieder stabilisieren könne, so dass die seitliche Kollision, von einem geringfügigen Sachschaden abgesehen, folgenlos blieb (E. 4).
Gefährdung des Lebens hingegen bejaht (E. 5). | Sachverhalt
ab Seite 2
BGE 133 IV 1 S. 2
A.
Am 1. Februar 2004, um 05.50 Uhr, kam es auf der Autobahn A5 zwischen Grenchen und Solothurn, bei Leuzigen, zu einer seitlichen Kollision zwischen dem überholenden Personenwagen Renault 19 des X. und dem Personenwagen VW Golf von A., welche von X. absichtlich herbeigeführt wurde. Infolge der seitlichen Kollision gerieten beide Fahrzeuge ins Schleudern, doch konnten ihre Lenker sie auffangen. Verletzt wurde niemand. Der Personenwagen VW Golf wies als Folge der Kollision Beschädigungen am linken Aussenspiegel, am linken Kotflügel, an der linken Fahrertür sowie an der Stossstange auf; der Sachschaden belief sich auf ca. Fr. 3'000.-. Der Personenwagen Renault 19 wies einen Schaden am rechten Aussenspiegel sowie Farb- und Lackschäden am rechten Kotflügel und an der rechten hinteren Tür auf; der Sachschaden betrug ca. Fr. 600.-.
B.
Das Kreisgericht III des Gerichtskreises Aarberg-Büren-Erlach sprach X. am 30. Mai 2005 der versuchten vorsätzlichen Tötung, der groben Verletzung von Verkehrsregeln und des pflichtwidrigen Verhaltens nach einem Unfall schuldig und verurteilte ihn zu 2 1⁄2 Jahren Zuchthaus.
Der Generalprokurator des Kantons Bern erhob die Appellation mit dem Antrag, X. sei in Bestätigung der erstinstanzlichen Schuldsprüche zu 4 1⁄2 Jahren Zuchthaus zu verurteilen. X. erklärte seinerseits die Appellation und beantragte, er sei statt der versuchten vorsätzlichen Tötung lediglich der Gefährdung des Lebens schuldig zu sprechen und deshalb sowie wegen der unangefochtenen Schuldsprüche der groben Verkehrsregelverletzung und des pflichtwidrigen Verhaltens nach einem Verkehrsunfall zu einer Gefängnisstrafe von 6 Monaten zu verurteilen.
Das Obergericht des Kantons Bern verurteilte X. am 6. April 2006 wegen versuchter vorsätzlicher Tötung, grober Verkehrsregelverletzung und pflichtwidrigen Verhaltens nach einem Verkehrsunfall zu 4 1⁄2 Jahren Zuchthaus.
C.
X. erhebt staatsrechtliche Beschwerde und eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts sei
BGE 133 IV 1 S. 3
aufzuheben. Zudem ersucht er in beiden Verfahren um unentgeltliche Rechtspflege.
Das Obergericht und der Generalprokurator haben auf Gegenbemerkungen verzichtet.
Das Bundesgericht heisst die Nichtigkeitsbeschwerde gut und weist die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurück.
Erwägungen
Aus den Erwägungen:
II. Eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde
4.
4.1
Gemäss
Art. 18 Abs. 2 StGB
verübt ein Verbrechen oder ein Vergehen vorsätzlich, wer die Tat mit Wissen und Willen ausführt. Diese Bestimmung erfasst auch den Eventualvorsatz. Das künftige Recht, das am 1. Januar 2007 in Kraft treten wird, bestimmt in Art. 12 Abs. 2 nStGB: "Vorsätzlich verübt ein Verbrechen oder ein Vergehen, wer die Tat mit Wissen und Willen ausführt. Vorsätzlich handelt bereits, wer die Verwirklichung der Tat für möglich hält und in Kauf nimmt". Durch Art. 12 Abs. 2 Satz 2 nStGB wird der Eventualvorsatz definiert (Botschaft des Bundesrates zur Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches vom 21. September 1998, BBl 1999 S. 1979 ff., 2002 f.).
Eventualvorsatz liegt vor, wenn der Täter den Eintritt des Erfolgs beziehungsweise die Verwirklichung des Tatbestands für möglich hält, aber dennoch handelt, weil er den Erfolg für den Fall seines Eintritts in Kauf nimmt, sich mit ihm abfindet, mag er ihm auch unerwünscht sein (
BGE 131 IV 1
E. 2.2 mit Hinweisen).
Die Abgrenzung zwischen Eventualvorsatz und bewusster Fahrlässigkeit kann im Einzelfall schwierig sein. Sowohl der eventualvorsätzlich als auch der bewusst fahrlässig handelnde Täter weiss um die Möglichkeit des Erfolgseintritts beziehungsweise um das Risiko der Tatbestandsverwirklichung. Hinsichtlich der Wissensseite stimmen somit beide Erscheinungsformen des subjektiven Tatbestands überein. Unterschiede bestehen jedoch beim Willensmoment. Der bewusst fahrlässig handelnde Täter vertraut (aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit) darauf, dass der von ihm als möglich vorausgesehene Erfolg nicht eintreten, das Risiko der Tatbestandserfüllung sich mithin nicht verwirklichen werde. Demgegenüber nimmt der eventualvorsätzlich handelnde Täter den Eintritt des als möglich erkannten Erfolgs ernst, rechnet mit ihm und findet sich mit ihm ab. Wer
BGE 133 IV 1 S. 4
den Erfolg dergestalt in Kauf nimmt, "will" ihn im Sinne von
Art. 18 Abs. 2 StGB
. Nicht erforderlich ist, dass der Täter den Erfolg "billigt" (eingehend
BGE 96 IV 99
S. 101;
BGE 130 IV 58
E. 8.3 mit Hinweisen).
Ob der Täter die Tatbestandsverwirklichung in diesem Sinne in Kauf genommen hat, muss der Richter - bei Fehlen eines Geständnisses des Beschuldigten - aufgrund der Umstände entscheiden. Dazu gehören die Grösse des dem Täter bekannten Risikos der Tatbestandsverwirklichung, die Schwere der Sorgfaltspflichtverletzung, die Beweggründe des Täters und die Art der Tathandlung. Je grösser die Wahrscheinlichkeit der Tatbestandsverwirklichung ist und je schwerer die Sorgfaltspflichtverletzung wiegt, desto näher liegt die Schlussfolgerung, der Täter habe die Tatbestandsverwirklichung in Kauf genommen. Der Richter darf vom Wissen des Täters auf den Willen schliessen, wenn sich dem Täter der Eintritt des Erfolgs als so wahrscheinlich aufdrängte, dass die Bereitschaft, ihn als Folge hinzunehmen, vernünftigerweise nur als Inkaufnahme des Erfolgs ausgelegt werden kann (
BGE 130 IV 58
E. 8.4;
BGE 125 IV 242
E. 3c mit Hinweisen). Eventualvorsatz kann indessen auch vorliegen, wenn der Eintritt des tatbestandsmässigen Erfolgs nicht in diesem Sinne sehr wahrscheinlich, sondern bloss möglich war. Doch darf nicht allein aus dem Wissen des Beschuldigten um die Möglichkeit des Erfolgseintritts auf dessen Inkaufnahme geschlossen werden. Vielmehr müssen weitere Umstände hinzukommen (
BGE 131 IV 1
E. 2.2;
BGE 125 IV 242
E. 3f).
Was der Täter wusste, wollte und in Kauf nahm, betrifft sog. innere Tatsachen, ist damit Tatfrage und kann daher im Verfahren der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde nicht zur Entscheidung gestellt werden. Rechtsfrage ist hingegen, ob im Lichte der festgestellten Tatsachen der Schluss auf Eventualvorsatz begründet ist. Es ist allerdings nicht zu übersehen, dass sich insoweit Tat- und Rechtsfragen teilweise überschneiden. Der Sachrichter hat daher die in diesem Zusammenhang relevanten Tatsachen möglichst erschöpfend darzustellen, damit erkennbar wird, aus welchen Umständen er auf Eventualvorsatz geschlossen hat. Denn der Sinngehalt der zum Eventualdolus entwickelten Formeln lässt sich nur im Lichte der tatsächlichen Umstände des Falles erschliessen. Das Bundesgericht kann daher in einem gewissen Ausmass die richtige Bewertung dieser Umstände im Hinblick auf den Rechtsbegriff des Eventualvorsatzes überprüfen (
BGE 130 IV 58
E. 8.5;
BGE 125 IV 242
E. 3c, je mit Hinweisen).
BGE 133 IV 1 S. 5
4.2
Der Beschwerdeführer macht geltend, entgegen der Annahme der Vorinstanz sei nicht jedes seitliche "Rammen" mit einer Geschwindigkeit von ca. 120 km/h grundsätzlich geeignet, Todesfolgen zu verursachen. Entscheidend sei, wie heftig sich die beteiligten Fahrzeuge berührt hätten. Aus dem Schadensbild und dem geringfügigen Sachschaden an den beiden Fahrzeugen sei auf eine bloss leichte Streifkollision zu schliessen. Zwar sprächen einzelne Umstände für den Eventualvorsatz in Bezug auf allfällige Todesfolgen, so etwa, dass er die seitliche Kollision absichtlich und aus Wut über den Beifahrer im Personenwagen VW Golf herbeigeführt habe. Bei der gebotenen Abwägung aller relevanten Umstände seien indessen der Schluss auf Inkaufnahme einer allfälligen Todesfolge und somit die Annahme eines diesbezüglichen Eventualvorsatzes unzulässig.
4.3
Der Vorfall ereignete sich nach den Feststellungen der Vorinstanz auf einer geraden, übersichtlichen und ebenen Strecke. Die Fahrbahn war trocken. Es war dunkel; eine künstliche Beleuchtung gab es nicht. Die Atemlufttests, die wenige Stunden nach dem Vorfall durchgeführt wurden, waren sowohl beim Beschwerdeführer als auch beim Lenker des Personenwagens VW Golf negativ. Der Beschwerdeführer fuhr auf dem Überholstreifen der Autobahn mit einer Geschwindigkeit von ca. 120 km/h. Die Geschwindigkeit des Personenwagens VW Golf betrug etwas über 100 km/h.
Aus dem angefochtenen Entscheid ergibt sich nicht, mit welcher Wucht der Personenwagen des Beschwerdeführers mit dem Personenwagen VW Golf seitlich kollidierte. Im angefochtenen Urteil wird einerseits mehrfach festgehalten, dass der Beschwerdeführer den Personenwagen VW Golf seitlich "rammte", wobei unklar bleibt, ob mit diesem Begriff eine Feststellung über die Wucht der seitlichen Kollision getroffen wird. Im angefochtenen Entscheid wird andererseits auch festgestellt, worin die Schäden an den beiden Fahrzeugen bestanden und dass sie geringfügig waren, was sich auch aus den in den kantonalen Akten enthaltenen Fotos ergibt. Fest steht, dass einerseits der Personenwagen VW Golf durch den Wagen des Beschwerdeführers, ein Renault 19, nicht gleichsam von der Fahrbahn wegkatapultiert wurde, dass andererseits aber beide Fahrzeuge infolge der seitlichen Kollision ins Schleudern gerieten. Unklar blieb jedoch, wie genau beziehungsweise wie stark die beiden Fahrzeuge schleuderten. Der Lenker des Personenwagens VW Golf konnte gemäss seinen Zeugenaussagen das ins Schleudern geratene Fahrzeug nach ein paar Sekunden wieder unter Kontrolle bringen.
BGE 133 IV 1 S. 6
4.4
Nach der Auffassung der Vorinstanz musste sich dem Beschwerdeführer bei seinem halsbrecherischen Fahrmanöver die Verwirklichung der Gefahr als so wahrscheinlich aufdrängen, dass die Bereitschaft, sie als Erfolg hinzunehmen, ihm vernünftigerweise nur als Inkaufnahme des Erfolgs ausgelegt und angerechnet werden kann.
Dieser Einschätzung kann nicht gefolgt werden. Bei der vom Beschwerdeführer herbeigeführten seitlichen Kollision mit einer Geschwindigkeit von über 100 km/h lag es zweifellos nahe, dass der Personenwagen VW Golf irgendwie ins Schleudern geriet. Der weitere Verlauf des Geschehens war aber offen. Wohl war es möglich, dass der ins Schleudern geratene Personenwagen aus irgendwelchen Gründen nicht stabilisiert werden konnte und dass es daher zu einem Unfall mit schwerwiegenden Konsequenzen einschliesslich Todesfolgen kam. Es kann indessen nicht gesagt werden, ein solcher Verlauf der Ereignisse habe sich dem Beschwerdeführer als so wahrscheinlich aufgedrängt, dass aus diesem Grunde sein Verhalten, die Herbeiführung der seitlichen Kollision, vernünftigerweise nur als Inkaufnahme des Tötungserfolgs im Falle seines Eintritts gewertet werden kann. Der vorliegende Fall unterscheidet sich insoweit wesentlich von den in
BGE 130 IV 58
und im Urteil 6S.114/ 2005 vom 28. März 2006 beurteilten Sachverhalten. Dort waren Unfälle mit schwerwiegenden Folgen für Fahrer, Passagiere und andere Verkehrsteilnehmer aufgrund der mit sehr hohen Geschwindigkeiten durchgeführten Fahrmanöver sowie der örtlichen Verhältnisse höchstwahrscheinlich und selbst durch grosses fahrerisches Können nicht mehr zu verhindern. Demgegenüber bestand im vorliegenden Fall die reelle Möglichkeit, dass das ins Schleudern geratene Fahrzeug, wie es tatsächlich geschah, etwa durch eine zweckmässige Reaktion beziehungsweise durch fahrerisches Geschick des Lenkers auf dem geraden und ebenen Streckenabschnitt der Autobahn stabilisiert und dadurch ein Unfall respektive jedenfalls ein Unfall mit schwerwiegenden Konsequenzen einschliesslich Todesfolgen verhindert werden konnte. Weil vorliegend diese reelle Möglichkeit bestand, konnte der Beschwerdeführer darauf vertrauen, dass sich die Gefahr von Todesfolgen nicht verwirkliche.
4.5
Eventualvorsatz kann allerdings nicht nur angenommen werden, wenn sich dem Täter der Eintritt des Erfolgs infolge seines Verhaltens als so wahrscheinlich aufdrängte, dass sein Verhalten vernünftigerweise nur als Inkaufnahme des Erfolgs im Falle seines Eintritts gewertet werden kann. Eventualvorsatz kann unter
BGE 133 IV 1 S. 7
Umständen auch gegeben sein, wenn der Eintritt des Erfolgs sowohl objektiv als auch nach den subjektiven Vorstellungen des Täters bloss möglich ist. Nach der Rechtsprechung kann etwa bei ungeschütztem Geschlechtsverkehr einer HIV-infizierten Person mit einem (nicht informierten) Partner Eventualvorsatz in Bezug auf die als schwere Körperverletzung zu qualifizierende allfällige Infizierung des anderen gegeben sein, obschon das Risiko der Übertragung des HI-Virus beim einzelnen Geschlechtsverkehr statistisch gesehen relativ gering ist. Dies wurde unter anderem damit begründet, dass jeder einzelne ungeschützte Sexualkontakt und schon ein einziger und der erste das Risiko einer Übertragung des HI-Virus in sich birgt, dass der Täter das ihm bekannte Risiko in keiner Weise kalkulieren und dosieren kann und dass sein Partner keinerlei Abwehrchancen hat (siehe
BGE 131 IV 1
E. 2.2;
BGE 125 IV 242
E. 3f). Von jenen Fällen unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt unter anderem darin, dass der Lenker des Fahrzeugs, mit welchem der Beschwerdeführer seitlich kollidierte, sehr wohl eine Abwehrchance hatte. Es bestand nämlich eine reelle Möglichkeit, dass er das infolge der seitlichen Kollision ins Schleudern geratene Fahrzeug etwa durch fahrerisches Geschick stabilisieren konnte, was ihm tatsächlich auch in wenigen Sekunden gelang. Der Nichteintritt des tatbestandsmässigen Erfolgs, d.h. der Todesfolge, hing damit nicht ausschliesslich oder überwiegend von Glück und Zufall ab.
4.6
Für die Abgrenzung zwischen Eventualvorsatz und bewusster Fahrlässigkeit können nach der Rechtsprechung auch die Art der Tathandlung und die Beweggründe des Täters von Bedeutung sein. Der Beschwerdeführer fuhr mit seinem Personenwagen auf der Autobahn bei einer Geschwindigkeit von über 100 km/h mit Absicht seitlich gegen den Personenwagen VW Golf. Er tat dies aus Wut über den Beifahrer in jenem Wagen, um sich für einen Faustschlag zu rächen, den er zuvor im Albaner-Club von jenem Beifahrer erhalten hatte. Er hatte vor dem Club-Lokal rund eine Stunde lang gewartet, bis diese Person das Club-Lokal verliess und als Beifahrer im Personenwagen VW Golf davonfuhr, und er folgte diesem Fahrzeug mit seinem Wagen. In der polizeilichen Einvernahme sagte er aus, zu zweit (d.h. er und sein Bruder) hätten sie gegen die grössere Gruppe keine Chance gehabt. So habe er es halt auf diese Weise machen müssen. Umstände dieser Art können für die Abgrenzung zwischen Eventualvorsatz und bewusster Fahrlässigkeit relevant und in Grenzbereichen entscheidend sein. Sie sind im
BGE 133 IV 1 S. 8
vorliegenden Fall aber nicht ausschlaggebend. Auch unter Berücksichtigung der genannten Umstände kann nicht gesagt werden, dass sich der Beschwerdeführer gegen das Leben des Beifahrers im Personenwagen VW Golf entschieden habe. Denn es bestand - was im vorliegenden Fall ausschlaggebend ist - auch für den Beschwerdeführer erkennbar die reelle Möglichkeit, dass der Lenker des Personenwagens VW Golf das ins Schleudern geratene Fahrzeug stabilisieren und dadurch jedenfalls einen Unfall mit schwerwiegenden Folgen verhindern konnte. Daher durfte der Beschwerdeführer darauf vertrauen, dass die von ihm aus Wut und Rache absichtlich geschaffene Gefahr für das Leben der Insassen im Personenwagen VW Golf sich nicht verwirklichen werde.
4.7
Der Beschwerdeführer hat daher in Bezug auf allfällige Todesfolgen nicht mit Eventualvorsatz gehandelt. Seine Verurteilung wegen versuchter vorsätzlicher Tötung verstösst demnach gegen Bundesrecht.
5.
Gemäss
Art. 129 StGB
wird wegen Gefährdung des Lebens mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis bestraft, wer einen Menschen in skrupelloser Weise in unmittelbare Lebensgefahr bringt.
5.1
Vorausgesetzt ist eine Gefahr für das Leben; eine Gefahr bloss für die Gesundheit genügt nicht. Unmittelbar ist die Gefahr, wenn sich aus dem Verhalten des Täters direkt die Wahrscheinlichkeit oder nahe Möglichkeit der Todesfolge ergibt. Skrupellos ist ein in schwerem Grade vorwerfbares, ein rücksichts- oder hemmungsloses Verhalten. Subjektiv ist zudem - wie nach dem früheren Recht ("... wissentlich ...") - direkter Vorsatz in Bezug auf die unmittelbare Lebensgefahr erforderlich; Eventualvorsatz genügt nicht (siehe zum Ganzen
BGE 121 IV 67
E. 2b/aa; Urteil 6S.563/1995 vom 24. November 1995, E. 2, publ. in: Pra 85/1996 Nr. 173 S. 638; Urteile 6S.426/2003 vom 1. März 2004, E. 2.2; 6S.164/2005 vom 20. Dezember 2005, E. 2.1).
5.2
Der Beschwerdeführer hat durch das inkriminierte Verhalten den Tatbestand der Lebensgefährdung im Sinne von
Art. 129 StGB
offensichtlich erfüllt, was er im Übrigen im kantonalen Appellationsverfahren ausdrücklich anerkannt hat. Die Vorinstanz wird ihn daher im neuen Verfahren im Rahmen der prozessualen Möglichkeiten wegen Gefährdung des Lebens (
Art. 129 StGB
) verurteilen. | null | nan | de | 2,006 | CH_BGE | CH_BGE_006 | CH | Federation |
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